Stiftungen und soziale Innovationen: Strategien zur Lösung gesellschaftlicher Probleme [1. Aufl.] 978-3-658-27075-9;978-3-658-27076-6

Steffen Bethmann untersucht die Effektivität und Wirkung privater Beiträge zum Gemeinwohl und die Entwicklung von Strate

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German Pages XIII, 317 [323] Year 2020

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Stiftungen und soziale Innovationen: Strategien zur Lösung gesellschaftlicher Probleme [1. Aufl.]
 978-3-658-27075-9;978-3-658-27076-6

Table of contents :
Front Matter ....Pages I-XIII
Einführung (Steffen Bethmann)....Pages 1-12
Die Förderstiftung als Organisation (Steffen Bethmann)....Pages 13-47
Soziale Innovationen (Steffen Bethmann)....Pages 49-77
Stiftungen und soziale Innovationen (Steffen Bethmann)....Pages 79-97
Methodik (Steffen Bethmann)....Pages 99-111
Fallstudien (Steffen Bethmann)....Pages 113-217
Vergleichende Analyse (Steffen Bethmann)....Pages 219-247
Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen (Steffen Bethmann)....Pages 249-255
Implikationen für Theorie und Praxis (Steffen Bethmann)....Pages 257-275
Schluss (Steffen Bethmann)....Pages 277-282
Back Matter ....Pages 283-317

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Soziale Investitionen

Steffen Bethmann

Stiftungen und soziale Innovationen Strategien zur Lösung gesellschaftlicher Probleme

Soziale Investitionen Reihe herausgegeben von Andreas Schröer, Trier, Deutschland Volker Then, Heidelberg, Deutschland

Bürgerschaftliches Engagement und Stiftungsförderung, Zeit und Geld für gemeinwohlorientierte Zwecke werden immer weniger konsumtiv als „Spende“, sondern ihrer eigentlichen Funktion entsprechend als Investition verstanden. Was sind Potenzial und Grenzen privater Beiträge für das Gemeinwohl? Welche Rolle nehmen Stiftungen, zivilgesellschaftliche Organisationen und Sozialunternehmen ein? Welchen Beitrag können Staat und Wirtschaft leisten? Diese und andere zentrale Fragen werden aus wirtschaftlicher, politischer, gesellschaftlicher, organisationaler und managementrelevanter Sichtweise betrachtet. Die Reihe richtet sich an Studierende, Kollegen aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen (Soziologie, VWL, BWL, Organisationstheorie, Politikwissenschaft, Pädagogik, Recht) und an die Fachöffentlichkeit, einschließlich Führungskräfte im Dritten Sektor (in Stiftungen, Verbänden, Wohlfahrtsorganisationen, Sozialunternehmen, NGOs), in der Wirtschaft wie auch in der Politik.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/12248

Steffen Bethmann

Stiftungen und soziale Innovationen Strategien zur Lösung ­gesellschaftlicher Probleme Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Andreas Schröer und Dr. Volker Then

Steffen Bethmann Center for Philanthropy Studies ­University of Basel Basel, Schweiz Zugl. Dissertation Heidelberg

ISSN 2524-3535 ISSN 2524-3543  (electronic) Soziale Investitionen ISBN 978-3-658-27076-6  (eBook) ISBN 978-3-658-27075-9 https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informa­ tionen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort der Herausgeber

Die vorliegende Studie von Steffen Bethmann zu „Stiftungen und soziale Innovationen“ verknüpft in besonderer Weise zwei zentrale Fragen der Sozialen Investitionsforschung: Die Frage nach der Effektivität und Wirkung privater Beiträge zum Gemeinwohl und die Frage nach der Entwicklung von Strategien sozialer Investoren. Vor dem Hintergrund des aktuellen Diskurses um Soziale Innovationen und organisationstheoretische Unterbestimmtheit von Stiftungen verbindet die Studie beide Perspektiven mit dem Ziel, „Bausteine einer Organisationstheorie zur Erklärung der Innovationsfähigkeit von Förderstiftungen“ zu entwickeln. Die Studie verdient daher ihre Aufnahme in die Publikationsreihe zu „Sozialen Investitionen“. Sie orientiert ihre erkenntnisleitenden Interessen an der theoretischen, empirischen und konzeptionellen Verhältnisbestimmung von Stiftungen und Sozialen Innovationen. Stiftungen nehmen die Rolle des sozialen Innovators besonders gerne für sich in Anspruch. Steffen Bethmann überprüft diese Innovationshypothese aus einer organisationstheoretischen Perspektive und unter besonderer Betonung von Schweizer Förderstiftungen, anhand der leitenden Forschungsfragen: „Wie entscheiden Stiftungen, welchen Problemen sie sich widmen? Wie entwickeln sie ihre Förderstrategien? Welche Kriterien legen sie bei der Auswahl von Projekten an? Wie arbeiten sie mit Partnern zusammen? Welche Faktoren führen dazu, dass Stiftungen als Innovatoren auftreten? Welchen Beitrag kann die Gesellschaft von Förderstiftungen in der Bewältigung der heutigen Herausforderungen erwarten?“ Die ausgewählten, ausgesprochen informativen Fallstudien bilden das Zentrum und den Schwerpunkt der Arbeit. Die Bezüge zwischen den Ausführungen zu sozialen Innovationen und Stiftungen, dem erarbeiteten Idealtypus einer sozial innovativen Förderstiftung und das in der Arbeit entwickelte Modell eines „Innovationsvermögens“ von Stiftungen schließen an bestehende sozialwissenschaftliche, insbesondere soziologische und fachpolitische Diskurse zu Stiftungen an, unter anderem an deutsche und internationale Arbeiten zur Rolle von Stiftungen von Helmut Anheier, Steffen Sigmund u.a. oder zu Philanthropy in Practice von Ekkehard Thümler u.a. Die vorliegende Forschungsarbeit entstand als Dissertation am Max-WeberInstitut für Soziologie der Universität Heidelberg. Die Herausgeber der Publikationsreihe „Soziale Investitionen“ würdigen mit der Aufnahme in diese Reihe gerne

VI

Vorwort der Herausgeber

die Verdienste der Arbeit um ein Thema, das zugleich zu den besonderen gemeinsamen Forschungsinteressen des CSI – Centrum für Soziale Investitionen der Universität Heidelberg gehört. Die Forschungsarbeit bildete damit zugleich eine Brücke zwischen seit vielen Jahren kooperierenden wissenschaftlichen Einrichtungen: Dem Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel, an dem der Verfasser als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war, dem CSI der Universität Heidelberg und der Abteilung Organisationspädagogik (Prof. Dr. Andreas Schröer) der Universität Trier. Die Studie zu Stiftungen und Sozialer Innovation ist ein Beispiel sozialwissenschaftlich verankerter Forschung im interdisziplinären Kontext. In ihrer methodischen Ausrichtung an einem multiplen Fallstudiendesign mit dem Ziel, zur Theorieentwicklung der Organisation Förderstiftung beizutragen, macht sie anhand führender Schweizer Stiftungen den Erkenntnisgewinn zugleich für die Stiftungspraxis und das Führungshandeln in Stiftungen fruchtbar. Die Herausgeber hoffen, dass der Band zahlreiche Leser finden und auf ausgeprägtes wissenschaftliches wie praktisches Interesse stoßen wird. Dies gilt umso mehr, als der Diskurs sowohl zur sozialen Innovation als auch zur sozialen Wirkung gemeinwohlorientierter Organisationen generell und der Stiftungen im Besonderen in den letzten Jahren kontinuierlich an Bedeutung gewonnen hat. Prof. Dr. Andreas Schröer, Trier Dr. Volker Then, Heidelberg

Vorbemerkung

Auf das Thema der sozialen Innovationen bin ich ursprünglich durch einen Zufall gestoßen. In meiner Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel sollte ich ein E-Learning Modul zum Innovationsmanagement für NPO entwickeln. Während der Literarturrecherche habe ich dann eine Reihe spannender Aufsätze und Bücher gefunden, die mich von Beginn an fasziniert haben. Die Entstehung und Bedeutung von sozialen Innovationen wurde von Soziologen und den benachbarten Disziplinen über Jahrzehnte nur stiefmütterlich behandelt. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren grundsätzlich verändert. Das Interesse an neuen Lösungsansätzen für gesellschaftliche Probleme hat exponentiell zugenommen. Zu eindeutig haben die Krisen der letzten Jahre gezeigt, dass bestehende Paradigmen unzureichend sind, den heutigen sozialen und ökologischen Herausforderungen zu begegnen. Im Zuge der Sehnsucht nach neuen Handlungsalternativen kam es in der akademischen Welt zu einer Neuentdeckung des Begriffs der sozialen Innovation. Die traditionell technikfokussierten Ansätze wurden durch neue und spannende Ideen verdrängt, die das Soziale wieder in den Vordergrund gestellt haben. Die Verbindung von sozialen Innovationen mit Stiftungen hat sich automatisch ergeben. Die letzten Jahre hatte ich mich am CEPS intensiv mit Stiftungen auseinandergesetzt. Von jeher hatte ich eine bestimmte Faszination für diese eigenartige Institution. Stiftungen sind von vielen Mythen umgegeben. Sie müssen kaum über sich selbst Auskunft geben, wenn sie es nicht wollen. Ihre Gründung beruht auf einer Spende. Oft werden sie als verstaubte und sogar undemokratische Institutionen kritisiert. Und doch argumentieren einige der renommiertesten Stiftungsforscher, dass insbesondere Förderstiftungen über ein hohes Innovationspotenzial verfügen. Ob dies wirklich so ist, wann und wie Stiftungen soziale Innovationen fördern und welche Rolle sie in Innovationsprozessen spielen ist das Thema dieser Arbeit. Sie setzt sich ausführlich mit Stiftungen und der sozialen Innovationstheorie auseinander, um anschließend durch empirische Fallstudien das Handeln von Stiftungen und ihre Innovationsfähigkeit deutend zu erklären. Die Ergebnisse, die hier nicht vorweggenommen werden sollen, tragen dazu bei, Stiftungen zu entmystifizieren und ihr Handeln begreifbar zu machen. Dies geschieht, neben einer historischen und theoretischen Aufarbeitung des Themas,

VIII

Vorbemerkung

vor allem über vier detaillierte Fallstudien. Sie zeigen wie Stiftungen ihre Strategien entwickeln und welche Faktoren dabei maßgeblich sind. Anschließend wird durch eine vergleichende Analyse herausgearbeitet, wann und wie Stiftungen als soziale Innovatoren auftreten. Die Ergebnisse dienen zur Entwicklung theoretischer Grundbausteine zur Erklärung stifterischen Handelns. Die vorliegende Arbeit wurde als Dissertationsschrift am Max-Weber-Institut für Soziologie an der Universität Heidelberg eingereicht. Auf Grund ihrer starken empirischen Verzahnung ist sie jedoch sicher nicht nur für Akademiker von Interesse, sondern auch für Stiftungsräte, Geschäftsführer, Mitarbeiter, Fundraiser, oder jeden der sich für Stiftungen interessiert. Ich bin vielen Menschen zu tiefst dankbar, die mich über die Jahre in vielfältiger Weise in der Vollendung der Dissertation unterstützt haben. Zuerst möchte ich meinen beiden Betreuern, Steffen Sigmund und Andreas Schröer meinen Dank dafür aussprechen, dass sie mich als Doktorand angenommen und mich in der Erstellung des Manuskripts begleitet haben. Einen großen Dank schulde ich dem ganzen Team vom Center für Philanthropy Studies der Universität Basel, vor allem dem Direktor Georg von Schnurbein. Er hat immer in mich vertraut und mir die einmalige Gelegenheit gegeben, meine Arbeit am CEPS mit der Dissertation in Heidelberg zu verbinden. Genauso dankbar bin ich meinen damaligen Kollegen Rafael Wyser, Sybille Studer, Tizian Fritz, Oto Potluka, Marybel Perez, Jonas Kipfer, Theresa Gehringer, Sandra Stühlinger, Sophie Hersberger und Robert Schmuki. Vor allem möchte mich aber bei Maria-Clotilde Henzen für die gute Zusammenarbeit am CEPS bedanken. Einige der spannendsten Diskussionen über Stiftungen und soziale Innovationen verdanke ich Volker Then und Ekkehard Thümler vom CSI in Heidelberg. Besonderer Dank geht auch an die Basler Weggefährten Alexander Maier, Matthias Mayer-Vorfelder, Tikesh Ramtohul und Markus Hertrich. Ganz herzlich bedanken möchte mich auch bei allen Interviewpartnern, vor allem in den Stiftungen, die für mich ihre Türen und Bücher geöffnet haben. Sie werden namentlich am Ende des Buches genannt. Es ist immer gut, wenn man auf die Unterstützung der Familie zählen kann. Mein Bruder Falko, der einige Jahr vorher seine Dissertation abgeschlossen hat, konnte die Höhen und Tiefen einer so langen Arbeit bestens nachvollziehen. Meine Eltern waren über die gesamten Jahre ein einmaliger Rückhalt. Vor allem kann ich nicht dankbar genug dafür sein, dass sie einen großen Teil ihres Chileurlaubs dem Korrekturlesen der Arbeit gewidmet haben. Für alle verbleibenden Fehler bin allein ich verantwortlich. Am allerwichtigsten war aber die Unterstützung von Constanza Alonqueo. Sie war trotz aller Herausforderungen in den gesamten Jahren immer eine Quelle der Kraft. Ohne ihren Rückhalt, ihre Geduld und ihre tiefes Vertrauen wäre die Fertigstellung der Arbeit nicht möglich gewesen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber.............................................................................................. V Vorbemerkung ............................................................................................................. VII Abbildungsverzeichnis ...............................................................................................XIII 1 Einführung ................................................................................................................. 1 1.1 Die Stiftung als natürlicher Innovator? ............................................................ 1 1.2 Problemstellung .................................................................................................. 4 1.3 Zielsetzung & Relevanz ..................................................................................... 7 1.4 Vorgehen & Gliederung..................................................................................... 9 2 Die Förderstiftung als Organisation ..................................................................... 13 2.1 Stiftungen im Kontext der Gesellschaft ........................................................ 14 2.1.1 Frühe Stiftungsformen ............................................................................. 14 2.1.2 Die Geburt der Förderstiftung ............................................................... 16 2.1.3 Von der Wohlfahrt zur Philanthropie.................................................... 18 2.1.4 Stiftungen in der Schweiz und Deutschland ......................................... 22 2.2 Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen der Fördertätigkeit... 27 2.2.1 Motivation der Stiftungsgründung ......................................................... 27 2.2.2 Der Stiftungszweck als Kristallisationspunkt des Stifterwillens ......... 30 2.2.3 Das Stiftungsvermögen ............................................................................ 34 2.2.4 Die Governance der Förderstiftung....................................................... 37 2.3 Das Philanthropiemodell einer Stiftung......................................................... 44 3 Soziale Innovationen .............................................................................................. 49 3.1 Theoretische Wurzeln des heutigen Innovationsverständnisses ................ 50

X

Inhaltsverzeichnis

3.2 Neue Lösungsansätze für gesellschaftlicher Probleme ................................ 55 3.2.1 Eine gerechtere Gesellschaft ................................................................... 56 3.2.2 Pragmatisches Problemlösen................................................................... 58 3.2.3 Änderungen der sozialen Praxis ............................................................. 61 3.3 Zwischenfazit .................................................................................................... 63 3.4 Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen .................................... 65 3.4.1 Auslöser und Problemformulierung (Prompts) .................................... 68 3.4.2 Ideen und Lösungsvorschläge (Proposals) ............................................ 69 3.4.3 Prototypen und Piloten (Prototypes) ..................................................... 71 3.4.4 Nachhaltige Verankerung (Sustaining)................................................... 72 3.4.5 Skalierung & Diffusion (Scaling & Diffusion) ...................................... 74 3.4.6 Systemische Veränderung (Systemic change) ....................................... 76 4 Stiftungen und soziale Innovationen .................................................................... 79 4.1 Die Notwendigkeit einer Strategie .................................................................. 79 4.2 Die Festlegung von Handlungsfeldern .......................................................... 81 4.3 Rational-bürokratische und emergente Strategien ........................................ 82 4.4 Auswahl und Zusammenarbeit mit den Partnern ........................................ 87 4.5 Nachhaltige Verankerung und Verbreitung neuer Lösungsansätze ........... 91 4.6 Stiftungen als soziale Innovatoren? ................................................................ 94 5 Methodik .................................................................................................................. 99 5.1 Fragestellung ...................................................................................................... 99 5.2 Vorstudie mit Stiftungsexperten ................................................................... 100 5.3 Auswahl der Fälle............................................................................................ 102 5.4 Datenerhebung ................................................................................................ 104 5.5 Datenanalyse & Theorieentwicklung ........................................................... 106 5.6 Kritische Würdigung des Vorgehens ........................................................... 110 6 Fallstudien .............................................................................................................. 113 6.1 Gebert Rüf Stiftung ........................................................................................ 113

Inhaltsverzeichnis

XI

6.1.1 Stiftungsgründung .................................................................................. 113 6.1.2 Förderphilosophie/ -strategie ............................................................... 115 6.1.3 Governance (Organisation und Steuerung) ........................................ 137 6.1.4 Die GRS unter dem Blickwinkel der sozialen Innovation ................ 139 6.2 Stiftung Mercator Schweiz ............................................................................. 142 6.2.1 Stifter und Gründungsgeschichte ......................................................... 142 6.2.2 Förderphilosophie/ -strategie ............................................................... 144 6.2.3 Governance (Organisation und Steuerung) ........................................ 164 6.2.4 Die MCH unter dem Blickwinkel der sozialen Innovation .............. 166 6.3 Sophie und Karl Binding Stiftung ................................................................ 169 6.3.1 Stifter und Gründungsgeschichte ......................................................... 169 6.3.2 Förderphilosophie /-strategie ............................................................... 170 6.3.3 Governance (Organisation und Steuerung) ........................................ 189 6.3.4 Die SKBS unter dem Blickwinkel der sozialen Innovation .............. 191 6.4 Arcas Foundation ........................................................................................... 195 6.4.1 Stifterin und Gründungsgeschichte ...................................................... 195 6.4.2 Förderphilosophie /-strategie ............................................................... 196 6.4.3 Governance (Organisation und Steuerung) ........................................ 213 6.4.4 Die Arcas Foundation unter dem Blickwinkel der sozialen Innovation ............................................................................................... 214 7 Vergleichende Analyse.......................................................................................... 219 7.1 Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen ......................................................................................... 220 7.1.1 Beratung und Befähigung ...................................................................... 224 7.1.2 Neue Organisationen und Feldentwicklung........................................ 228 7.1.3 Das Innovationsvermögen .................................................................... 233 7.2 Innovationsorientierung und Strategieentwicklung von Stiftungen ......... 238 7.2.1 Gründerprägung & Dokumententreue ................................................ 239 7.2.2 Interesse, Kompetenz & Deutungsmacht ........................................... 240

XII

Inhaltsverzeichnis

7.2.3 Sinn & Formalisierung ........................................................................... 242 7.2.4 Strukturelle Trägheit ............................................................................... 243 7.3 Fazit .................................................................................................................. 246 8 Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen ........................................................... 249 9 Implikationen für Theorie und Praxis ................................................................ 257 9.1 Theoretische Implikationen........................................................................... 257 9.1.1 Soziale Investoren................................................................................... 258 9.1.2 Ressourcen als Handlungsgrundlage .................................................... 259 9.1.3 Pfadabhängigkeit und strukturelle Trägheit ........................................ 261 9.1.4 Stiftungen als institutionelle Unternehmer .......................................... 266 9.2 Praktische Implikationen ............................................................................... 269 10 Schluss .................................................................................................................... 277 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 283 Liste der Interviewpartner .......................................................................................... 315

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18:

Der Prozess sozialer Innovationen .......................................................... 67 Das Logic Model ........................................................................................ 83 Schematische Darstellung des Forschungsprozesses ......................... 109 Fördercluster der GRS nach dreijähriger Tätigkeit .............................. 119 Förderstrategie der GRS 2004 ................................................................ 121 Aktive und passive Handlungsfelder der GRS ..................................... 122 Zielbereiche und Handlungsfelder der GRS 2016 .............................. 125 Lebenszyklus des Handlungsfelds Rare Disease ................................ 134 Förderschwerpunkte Stiftung Mercator Schweiz 2009 ...................... 145 Tätigkeitsbereiche, Handlungsfelder und Wirkungsebenen Strategie 2016 ............................................................................................ 147 Themenbereiche, Handlungsfelder und Projektformate seit Januar 2016 ............................................................................................................ 151 Förderschwerpunkte gemäß der Vergaberichtlinien 2001 ................ 175 Fördermatrix der SKBS basierend auf den Förderrichtlinien 2007 ... 177 Vergleich der prozentualen Ausschüttungssummen SKBS und SwissFoundations ..................................................................................... 179 Strategische Ausrichtung Arcas Foundation ...................................... 200 Investitionen in die Entwicklung von Feldern .................................... 231 Strategieentwicklung und strukturelle Trägheit in Stiftungen ............ 252 Kerntheoreme ........................................................................................... 255

1 1.1

Einführung Die Stiftung als natürlicher Innovator?

Die Welt steht vor Problemen. Wer abends den Fernseher anschaltetet und Nachrichten schaut, die Schlagzeilen der Tagespresse liest oder den Social Media Streams von Nonprofit Organisationen wie Greenpeace oder Amnesty International folgt, kommt unweigerlich zum Schluss, dass etwas im Argen liegt. Die Liste der Probleme ist lang. Zu den größten Herausforderungen unserer Zeit zählen u.a. die Untätigkeit gegenüber dem Klimawandel, die Integration von Flüchtlingen, Hetze und Verbreitung von Fehlinformationen im Internet sowie Rassismus und ethnische Diskriminierung (WEF 2013). Insbesondere die Finanzkrise in 2007 hat die Fragilität unseres Wirtschaftssystems aufgezeigt. Der Umgang mit Populismus und die Erstarkung rechter Gruppen stellen den Zusammenhalt der Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Zugleich gibt es eine Vielzahl von weniger prominenten Problemen wie die zunehmende Isolation älterer Menschen, ungenügende Heilmittel für seltene Krankheiten oder fehlende Integrations- und Arbeitsangebote für gering qualifizierte Menschen (Albrecht & Groenemeyer 2012). Es scheint als wären die bestehenden staatlichen Institutionen mit vielen der Herausforderungen überfordert. Während die Politik um Lösungen ringt und den Beamten wegen fehlender Gesetzesgrundlagen die Hände gebunden sind, entstehen in der Zivilgesellschaft neue Ideen, wie man den Problemen begegnen kann. Nonprofit Organisationen (NPO), die neben dem Staat und dem Markt den Dritten Sektor bilden, experimentieren mit neuen Ansätzen, propagieren alternative Lösungen und setzen sich für die Schwächeren der Gesellschaft ein. Sie nehmen sich den Problemen an, die weder der Staat noch der Markt befriedigend lösen können (Weisbrod 1977). Insbesondere in Zeiten in denen die Gesellschaft vor großen Herausforderungen steht, kommt den Organisationen des Dritten Sektors eine besondere Bedeutung in der Entwicklung von neuen Lösungsstrategien zu (Karl & Katz 1987). Mit Hilfe von sozialen Innovationen, so der Glaube, ließen sich Probleme effizienter und effektiver lösen (Phills et al. 2008) und eine gerechtere Gesellschaft erschaffen (Moulaert et al. 2013). Als potenziell flexible und anpassungsfähige Organisationen sind NPO die natürlichen Inkubatoren für neue Ideen und Herangehensweisen zur Lösung von sozialen Problemen (Salamon et al. 2000). NPO sind die institutionellen Vehikel für Menschen, die einen Beitrag zum Gemeinwohl liefern möchten. Es sind primär wertorientierte Organisationen, die mit verschiedenen Strategien und Ressourcen das Ziel verfolgen, die Welt lebenswerter zu gestalten. So sind viele der heutigen wohlfahrtsstaatlichen Leistungen, die © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_1

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Einführung

uns als gegeben erscheinen, zuerst von NPO entwickelt worden, bevor der Staat die Leistungen übernommen und gesetzlich geregelt hat (Salamon & Anheier 1998). Innerhalb des Dritten Sektors existiert mit der Förderstiftung ein Organisationstyp, dem eine besondere Innovationsfähigkeit zugesprochen wird (Anheier & Leat 2006). Sie ist ein spezieller Typ der Stiftung. Ausgestattet mit einem eigenen Vermögen setzt sie ihren Zweck durch die gezielte Vergabe von Geld an öffentliche oder gemeinnützige Einrichtungen um. Im Gegensatz zu einer operativen Stiftung führt sie keine eigenen Projekte durch, sondern ermöglicht anderen zu handeln1. Förderstiftungen finanzieren ihre Aktivitäten aus den Renditen des Stiftungsvermögens. Sie sind daher auf keine externen Finanzquellen angewiesen. Theoretisch können sie für immer weiterleben. Formell brauchen sie als einziges Gremium einen Stiftungsrat, der für die Umsetzung des Stifterwillens und der Einhaltung der wenigen gesetzlichen Auflagen verantwortlich ist. Sie besitzen keine Mitglieder, sind strukturell unabhängig vom Staat und kontrollieren sich grundsätzlich selbst. Als steuerbefreite Institutionen sind sie dem Gemeinwohl verpflichtet und unterliegen dem Gewinnausschüttungsverbot an Privatpersonen (Anheier 2001). Förderstiftungen gehören zu den freiesten Institutionen in demokratischen Gesellschaften (Anheier & Leat 2006; Frumkin 2006; Fleishmann 2007). Sie sind in der Ausführung ihrer Aktivitäten keinen Marktmechanismen oder politischen Mehrheitsmeinungen unterworfen. Innerhalb des in der Stiftungsurkunde festgelegten Zwecks können sie ihre Arbeitsschwerpunkte frei wählen. Sie können entscheiden, mit welchen Partnern sie wie lange und zu welchen Konditionen zusammenarbeiten wollen. Entgegen operativer Stiftungen sind sie nicht langfristig an Institutionen und Projekte gebunden. Es existieren keine externen Anspruchsgruppen, die ein Recht auf Förderung einklagen können. Ihre Flexibilität in der Zweckumsetzung ist ihre größte Stärke gegenüber anderen Organisationsformen (Hammack & Anheier 2013, S. 17). Die Freiheit der Förderstiftungen erlaubt ihnen, Wagniskapital für innovative Ideen zur Verfügung zu stellen2. Sie haben die Möglichkeit, Risiken einzugehen und soziale Innovationen zu fördern, auch wenn deren Ausgang ungewiss ist. Das Scheitern von geförderten Projekten hat in den wenigsten Fällen Konsequenzen für die Stiftung. Zwar kann die Reputation der Stiftung leiden, eine elementare Bedrohung für die Existenz ergibt sich daraus nicht. Ihre Freiheit erlaubt Stiftungen 1

Die Unterscheidung zwischen operativen und fördernden Stiftungen ist nicht trennscharf, sondern fliessend (vgl. Adloff & Velez 2001). Auch bei der Festlegung der Förderstrategie handelt es sich im Prinzip um eine operative Arbeit. Operative Stiftungen erfüllen ihren Zweck durch eigene Programme und mit eigenem Personal anstatt über die Vergabe von Fördermitteln. Es existieren aber auch Mischformen. Beispiel einer operativen Stiftung ist die Bertelsmann Stiftung mit über 350 Mitarbeitern. 2 Im Folgenden steht Stiftung für den spezifischen Stiftungstyp der Förderstiftung.

Die Stiftung als natürlicher Innovator?

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kontroverse Themen aufzugreifen, die wenig populär sind und von anderen Akteuren vernachlässigt werden. Der philanthropische Werkzeugkasten, aus denen sich Stiftungen bedienen können, ist vollgefüllt. Stiftungen können selbst als Initianten von sozialen Innovationen auftreten, indem sie öffentlich zur Lösung von Problemen aufrufen und durch Wettbewerbe und Ausschreibungen entsprechende Anreize setzen. Sie können neue Organisationen gründen oder bestehende in ihrer Arbeit bestärken. Von der Investition in die Grundlagenforschung bis hin zur Förderung von sozialen Bewegungen steht es den Stiftungen offen, wie sie ihren Zweck umsetzen (Frumkin 2006). Stiftungen sind jedoch nicht nur auf die Rolle der Geldgeber beschränkt. Sie können ihre Partner mit andern Akteuren vernetzen oder sie aktiv in der Umsetzung der Projekte unterstützen. Stiftungen sind Instrumente der Grenzüberbrückung (Adloff 2010, S. 396). Aus ihrer vermeintlich neutralen, nur dem gemeinnützigen Zweck verpflichteten Stellung heraus, besitzen sie eine besondere Fähigkeit, zwischen Menschen aus verschiedenen Handlungsfeldern wie Wirtschaft, Politik, Religion oder der Zivilgesellschaft zu vermitteln. Dadurch können sie gesellschaftliche Akteure zusammenbringen, die sich sonst nicht treffen würden. Aus dieser Position heraus, wird Stiftungen eine besondere Fähigkeit zugesprochen als Impulsgeber und Motoren des gesellschaftlichen Wandels zu fungieren (Schmidt 2003). Stiftungen nehmen diese Beschreibung gerne an (Sigmund 2001). Auf den ersten Blick scheinen Stiftungen dafür prädestiniert zu sein, durch die Initiierung und Förderung von Innovativen einen großen Beitrag zur Begegnung gesellschaftlicher Herausforderungen zu leisten. Der Euphorie gegenüber ihrem Innovationspotenzial wird aber auch Skepsis entgegengebracht. Nielsen (1972, S. 406) sieht Stiftungen als verkrustete Institutionen, denen einen starker Konservatismus inhärent ist. Ein Grund dafür ist die „Diktatur der toten Hand“ (Münkler 2007, S. 200). Stiftungen sind auch nach dem Tod des Stifters an den festgelegten Zweck gebunden. Sie sind dadurch in der Zeit ihrer Gründung eingefroren und nicht fähig, sich schnell und flexibel auf sich ändernde gesellschaftliche Umstände einzurichten. Sie sind daher „gesellschaftstheoretisch betrachtet, gegen Veränderungen gerichtete Institutionen, ein Moment der Verlangsamung gesellschaftlicher Veränderungsgeschwindigkeit“ (ebd). Andere Kritiker sehen Stiftungen als Spielball von Millionären, die steuerbefreit ihre eigenen Interessen und Gesellschaftsbilder umsetzen, ohne demokratisch dafür legitimiert zu sein (Mäder et al. 2010, S 116). Der Wunsch nach symbolischer Anerkennung ist für manche Stifter höher, als das Ziel zur Lösung von Problemen beizutragen (Sigmund 2001). Sie geben ihre Fördergelder lieber anerkannten Institutionen und erhoffen sich daraus eine Steigerung des eigenen Prestiges. Zudem bezweifelt Roelofs (2003) das generelle Interesse von Stiftern, strukturelle Grundprobleme in der Gesellschaft anzugehen. Schließlich hat das bestehende Gesellschaftssystem dazu geführt, dass sie den Reichtum anhäufen konnten, der ihnen

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Einführung

eine Stiftungsgründung überhaupt ermöglicht hat. Gleichzeitig führt die verbreitete Praxis, Stiftungsräte mit Eliten zu besetzen dazu, dass Stiftungen der Zugang und das Verständnis zu den wirklichen Problemen weniger privilegierten Bevölkerungsgruppen fehlt (Nielsen 1972, S. 407). Stiftungen laufen die Gefahr, sich als funktionale Dilettanten der symbolischen Problembekämpfung zu verschreiben, ohne einen wirklichen Unterschied zu machen (Seibel 1992). Ohne einen großen Mitarbeiterstab bleiben sie in ihrer Wirkungskraft begrenzt. Ihre eigenen Ressourcen sind gegenüber der Größe der meisten Probleme nur marginal (Bernholz 1999). Viele Stiftungen verwechseln Innovation mit der Kurzfristigkeit ihrer Förderprogramme (Strachwitz 2010). Nach einem Pilotprojekt werden keine Mittel für die weitere Etablierung oder Ausbreitung zur Verfügung gestellt. Zudem handelt sich bei Stiftungen im Prinzip um unvollständige Institutionen (Hammack & Anheier 2013, S. 9). Sie heilen keine Krankheiten, integrieren keine Migranten, betreiben keine Forschung oder vermitteln keine Arbeitslosen. Sie sind bei der Implementierung ihrer Ideen auf Dritte angewiesen. Ihre Hauptaktivität besteht darin, ihre Förderprioritäten zu bestimmen, über Anträge zu entscheiden und anschließend das Geld an ihre Partner zu überweisen (Leat 2006). Ein hohes Innovationspotenzial lässt sich daraus per se nicht ableiten. 1.2

Problemstellung

Quoi faire? Während also manche Beobachter es als „avantgardistische Idee“ (Schmidt 2003, S. 89) betrachten, dass Stiftungen die Innovatoren und Ideenschmieden der Gesellschaft sind, sehen andere gerade in der Ausübung dieser Rolle ihr höchstes Potenzial (Anheier & Leat 2006). Beide Seiten haben gute Argumente. Die verschiedenen Meinungen lassen sich neben ideologischen Ansichtsweisen der Betrachter durch die Vielfalt der Rollen und Funktionen erklären, die Stiftungen einnehmen können. In der Schweiz existieren heute ca. 13.000 gemeinnützige Stiftungen (Eckhardt et al. 2017), in Deutschland sind es etwas mehr als 20.0000 (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2017). Innerhalb der Stiftungssektoren herrscht eine große Heterogenität. Neben einigen wenigen Stiftungen, die über ein Stiftungsvermögen von über CHF 1 Mrd. verfügen, steht eine große Mehrheit von kleinen Stiftungen, mit einem Vermögen unter CHF 1 Mio. (von Schnurbein & Bethmann 2010). Die unabhängige Stellung von Stiftungen erlaubt ihnen verschiedene Funktionen und Rollen in der Gesellschaft einzunehmen. Während manche Stiftungen als Impulsgeber und Innovatoren auftreten, setzen sich andere für die Erhaltung von Traditionen und Werten ein (Prewitt 1999). Es gibt sowohl Beispiele von Stiftungen, die zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen beitragen als auch solche, die ihre Aufgabe darin se-

Problemstellung

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hen den Zoo, das Museum oder ein Theater finanziell zu unterstützen. Die Generierung und Förderung von Innovationen ist grundsätzlich nur eine Funktion, die Stiftungen ausüben können, sie müssen es aber nicht. Was unterscheidet dann aber eine innovationsorientierte Stiftung, von einer, die es nicht will oder kann? Welche Faktoren bestimmen das Verhalten von Stiftungen? Wie entwickeln Stiftungen ihre Handlungsstrategien und wie entscheiden sie, welche Projekte sie fördern? Wann und wie fördern oder generieren Stiftungen soziale Innovationen? Eine erste Suche nach Antworten führt in die vertiefte Auseinandersetzung mit der Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen. Während Innovationen im letzten Jahrhundert fast ausschließlich mit technischen Erfindungen gleichgesetzt worden sind, so hat sich in den vergangenen Jahren ein starkes Interesse an sozialen Innovationsprozessen entwickelt (Nicholls & Murdoch 2012; Montgomery 2016). Mehrere akademische Forschungszentren tragen den Begriff der sozialen Innovation im Namen. Von der Europäischen Union geförderte, internationale Forschungsprojekte haben maßgeblich zur Weiterentwicklung des heutigen Wissens über soziale Innovationen beigetragen. Auf Basis der daraus gewonnen Erkenntnisse lässt sich die Frage nach der Innovationsfähigkeit von Stiftungen differenzierter betrachten als zuvor. Ein weiterer Schritt in der Suche nach Antworten liegt in Modellen innovativer oder wirkungsorientierter Stiftungsarbeit (z.B. Porter & Kramer 1999; Frumkin 2006; Anheier & Leat 2006; Brest & Harvey 2008; Kania et al. 2014). In der Stiftungsliteratur ist ein Trend zur Entwicklung präskriptiver Handlungsmodelle zu erkennen. Diese zeigen auf, wie Stiftungen sich verhalten sollen oder sogar müssen, um ihrer unabhängigen Stellung in der Gesellschaft gerecht zu werden. Der Ausgangspunkt ist jeweils das Vorhandensein einer Strategie des gezielten gesellschaftlichen Wandels. Die Modelle variieren in dem Grad in dem sie bürokratisch-rationalen Methoden folgen oder ein eher experimentelles Vorgehen zulassen. Wurde strategische Philanthropie lange Zeit mit der Definition von messbaren Zielen, datengetriebenen Interventionsstrategien und rigiden Evaluationen gleichgesetzt, so wird in letzter Zeit wieder ein emergentes und experimentelles Vorgehen in der Begegnung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen postuliert (Patrizi et al. 2013; Kania et al. 2014). Gemeinsam ist den Modellen, dass sie die Innovationsorientierung einer Stiftung nur dann als gegeben sehen, wenn diese systematisch auf die Veränderung eines gesellschaftlichen Zustands hinarbeiten. Während z.B. Thümler (2017) zeigt, dass Stiftungen besonders dann wirkungsvoll sind, wenn sie pragmatisch vorgehen und sich auf Nischen konzentrieren, so sehen andere Modelle die höchste Innovationskraft in Stiftungen, wenn sie über eine Kombination verschiedener Förderprojekte systemischen Wandel anstreben (Porter & Kramer 1999; Ferris & Williams 2010).

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Einführung

Eine Gemeinsamkeit der Modelle ist ihr Argument, dass die reine finanzielle Mittelvergabe nicht ausreichend ist, um gesellschaftlichen Wandel anzustoßen, oder in den Worten von Antdaze & Westley (2010, S. 352): „Money alone does not bring system change“. Dies bedeutet, dass innovationsorientierte Stiftungen mehr unternehmen müssen, anstatt nur Fördergelder zu verteilen. Vielmehr müssen sie ihre Förderpartner aktiv in der Umsetzung der Projekte unterstützen, Partnerschaften aufbauen, über Medien Themen in die Öffentlichkeit bringen und sich langfristig ausgewählten Problemen widmen (Anheier & Leat 2006). Damit sollen die Wurzeln gesellschaftlicher Probleme angegriffen werden. Die Modelle setzen sich von der Idee der reinen Karitas (charity) ab. Die Linderung von Nöten wird von den Verfechtern einer strategischen Philanthropie als unzureichend empfunden. Sie argumentieren, dass Stiftungen mehr machen müssen, als nur passiv Geld an Organisationen zu verteilen. Vielmehr muss es ihr Ziel sein, systematisch die Ursachen gesellschaftlicher Probleme zu bekämpfen. Während die Modelle zum Teil sehr gute Hinweise darüber geben, wie Stiftungen Innovation fördern können, haben sie ihre große Schwachstelle in der Erklärung derjenigen Faktoren, die dazu führen, dass Stiftungen einer bestimmten Strategie folgen. Sie sagen wie Stiftungen handeln sollen, aber nichts darüber, warum sie sich bestimmten Problemen widmen, wie sie ihre Handlungsstrategien entwickeln und wie sie bei der Auswahl ihrer Förderprojekte vorgehen. Sie können nicht vorhersagen, wann Stiftungen sich für die Förderung von Innovationen entscheiden, sie sagen nur, dass sie es tun sollen, um ihrer unabhängigen Stellung in der Gesellschaft gerecht zu werden. Die Modelle beruhen fast ausschließlich auf illustrativen Beispielen vermeintlich besonders wirkungsvoller Stiftungsprogramme aus dem angelsächsischen Raum3. Die schon früh von Bernholz (1999) geäußerte Kritik, dass nur Extremfälle zur Betrachtung von Stiftungen herangezogen werden, hat bis heute nicht an Aussagekraft verloren. Zugleich setzen sich die Modelle kaum mit der Organisation der Stiftung an sich auseinander. Sie beziehen sich auf einzelne Programme von Stiftungen. Über die Betrachtung einzelner Förderprojekte wird auf die gesamte Stiftung geschlossen. Grundsätzliche Überlegungen darüber wie Stiftungen tatsächlich arbeiten und welchen Bewältigungsstrategien sie folgen, sind in der in der sozialwissenschaftlichen Literatur bisher Mangelware. Philanthropisches Handeln und Stiftungen gehören nicht zu den bevorzugten Themen soziologischer Forschung (Adloff 2010, S. 11). Stiftungen sind Black Boxes (Diaz 1999). Es existiert keine Organisationstheorie für Stiftungen, mit der sich die Strukturen und Entscheidungsprozesse von Stiftungen erklären lassen. Wir wissen wenig 3

Eine Ausnahme ist das Forschungsprojekt Strategies for Impact in Education (Thümler et al. 2014). Dort werden Fälle aus mehreren Ländern systematisch untersucht. Die Untersuchung bezieht sich allerdings nicht auf Förderstiftungen, sondern auf operative Programme von Stiftungen und spendensammelnden Organisationen.

Zielsetzung & Relevanz

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darüber, welche Faktoren zur Ausprägung eines bestimmten Philanthropiemodells führen und wann sich Stiftungen für die Förderungen von Innovationen entscheiden. Allerdings ist das Feld auch nicht völlig theorielos. Erste tentative Überlegungen zur Theorieentwicklung beziehen sich auf die klassischen Organisationstheorien, die in der Auseinandersetzung mit staatlichen Bürokratien und Großen Wirtschaftsunternehmen entwickelt worden sind (Diaz 1999, Adloff 2002). Sie verweisen auf der einen Seite darauf, dass Stiftungen trotz ihrer unabhängigen Stellung von Erwartungshaltungen aus der Umwelt geprägt sind (Meyer & Rowan 1977, DiMaggio & Powell 1989). Auf der anderen Seite beschreiben sie unterschiedliche Modelle der internen Entscheidungsfindung. Diese variieren in Bezug auf die Rationalität der Entscheidungsprozesse und dem Einfluss der Mitarbeiter auf Förderentscheidungen. Dabei wird dem Modell der rationalen Bürokratie (Weber 1921) der geringste Erklärungswert zugwiesen. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass Stiftungen unter Aspekten begrenzter Rationalität handeln (Simon 1959). Obwohl die Verfechter einer rational-bürokratischen Philanthropie in der präskriptiven Literatur die Oberhand haben, so scheinen ihre Modelle in der Praxis wenig Anwendung zu finden (Anheier 2015). Während die bisherigen Überlegungen wertvolle Hinweise in der Analyse von Stiftungen liefern, so sind sie in ihrem Erklärungspotenzial in Bezug auf die gestellten Fragen begrenzt. Sie verbleiben auf einer oberflächlichen Betrachtung von Stiftungen. Die Autoren selber verweisen darauf, dass die illustrativen Modelle zur weiteren Forschungen anregen sollen (Diaz 1999, S. 151; Adloff 2002, S. 23-24). Dieser Forderung ist bisher kaum nachgekommen worden. Es lässt sich also feststellen, dass weder die Modelle einer strategischen Philanthropie, noch die bisherigen soziologischen Betrachtungen erklären können, welche Faktoren dazu führen, dass Stiftungen die Rolle der Impulsgeber in der Gesellschaft einnehmen. Genau an diesem Desiderat setzt die folgende Studie an. 1.3

Zielsetzung & Relevanz

Die Zielsetzung der vorliegenden Studie ist, über die Analyse der Strategie- und Förderprozesse von Stiftungen Bausteine einer Organisationstheorie zu erarbeiten, mit der sich die Innovationsfähigkeit von Stiftungen erklären lässt. Sie stellt die Funktionsweise von Förderstiftungen in den Vordergrund, um zu erklären wann und wie Stiftungen als Innovatoren auftreten und welche Strategien sie zur Lösung gesellschaftlicher Probleme verfolgen. Es werden sukzessiv Faktoren herausgearbeitet, welche die Innovationsfähigkeit von Stiftungen begünstigen oder hemmen. Die leitenden Forschungsfragen dabei sind:

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Einführung

Wie entscheiden Stiftungen welchen Problemen (Handlungsbereichen) sie sich widmen? Wie entwickeln sie ihre Förderstrategien? Welche Kriterien legen sie bei der Auswahl von Projekten an? Wie arbeiten sie mit ihren Partnern zusammen? Welche Faktoren führen dazu, dass Stiftungen als Innovatoren auftreten? Welchen Beitrag kann die Gesellschaft von Förderstiftungen in der Bewältigung der heutigen Herausforderungen erwarten? Die Studie begegnet damit einem offensichtlichen Forschungsdesiderat. Die Funktionsweise von Stiftungen ist bisher wenig erforscht. Die Grundsteine, der zu entwickelnden Organisationstheorie erlauben Licht in die Black Boxes der Stiftungen zu bringen. Entgegen der präskriptiven Stiftungsmodelle wird aufgezeigt wie Stiftungen tatsächlich handeln. Dies erscheint umso wichtiger, da wir in den letzten Jahrzehnten einen regelrechten Stiftungsboom miterleben konnten. Über 50%, der heute bestehenden Stiftungen in den USA, Deutschland oder der Schweiz wurden in den letzten 20 Jahren gegründet (Anheier 2015, Bundesverband Deutscher Stiftungen 2017, Eckhardt et al. 2017). Pro Jahr werden in Deutschland durchschnittlich 816 Stiftungen und in der Schweiz 290 neu errichtet4. Der größte Teil davon verfolgt ausschließlich gemeinnützige Zwecke. Das Fördervolumen von Stiftungen wird in Deutschland auf ca. EUR 6 Mrd. (Boenigk et. al 2017) und in der Schweiz auf CHF 1,7-2 Mrd. geschätzt (Eckhardt et al. 2017). Auch wenn die Summen gegenüber der Größe mancher Probleme gering erscheinen, so haben Stiftungen doch die Möglichkeit, mit ihren Förderungen bedeutende Akzente zu setzen. Stiftungen sind so etwas wie die Seismographen wichtiger gesellschaftlicher Entwicklungen in modernen Gesellschaften (Sigmund 2000, S. 340). Ihre Aktivitäten signalisieren oft, wo gesellschaftlicher Handlungsbedarf besteht. Auf Grund der hohen Erbvermögen ist damit zu rechnen, dass die Gründungswelle von Stiftungen weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben wird (ebd.). Dadurch wird die Bedeutung von Stiftungen in der Zukunft eher zu- als abnehmen. Eine systematische Untersuchung von Stiftungen trägt zu einem aufgeklärten Verständnis darüber bei, welchen Beitrag die Gesellschaft von Stiftungen in der Begegnung der genannten Herausforderungen erwarten kann. Dies ist vor allem auch daher relevant, da unter der Last steigender Staatsverschuldungen die Gefahr besteht, dass immer mehr staatliche Aufgaben auf Organisationen des Dritten Sektors abgeschoben werden (Healy & Donnelly-Cox 2016). Zugleich hilft eine transparente Analyse von Stiftungen den vielen mittelsuchenden Organisationen, die auf Fördergelder von Stiftungen angewiesen sind, die Funktionsweise von Stiftungen besser zu verstehen. 4 Die Berechnung der Zahlen bezieht sich auf die Neugründung von Stiftungen in den letzten 10 Jahren (2006-2015). Als Quellen wurden die öffentliche Statistik des Bundesverbands Deutscher Stiftungen herangezogen, die auf Umfragen bei den Stiftungsaufsichten beruht sowie wie Datenbank des Center for Philanthropy Studies der Universität Basel. Diese zieht ihre Zahlen aus dem Schweizerischen Handelsregister.

Vorgehen & Gliederung

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Aus ihrer Sicht stehen Stiftungen oftmals für „unauffindbare Kontaktadressen, unklare Förderstrategien, fehlende Kriterien, langwierige Auswahlverfahren und einer paternalistischen Kommunikation“ (Egger 2015, S. 5). Dementsprechend kann die Studie auch hier Licht ins Dunkel bringen, in dem das Handeln von Stiftungen deutend erklärt wird. Schlussendlich bringt die Studie auch einen Nutzen für Stiftungspraktiker. Die intensive Beleuchtung von Strategie- und Förderprozessen kann ihnen als Orientierung für die eigene Arbeit dienen. 1.4

Vorgehen & Gliederung

Zur Entwicklung der theoretischen Grundzüge wird einem multiplen Fallstudiendesign gefolgt. Damit wird zum einen den Aufforderungen von Adloff (2002) und Diaz (1999) gefolgt, ihre Überlegungen über Fallstudien zu überprüfen und auszubauen. Zum andern eignet sich die Verwendung von Fallstudien besonders dann, wenn das Verständnis von Prozessen und Zusammenhängen im Vordergrund steht, wie es hier das Ziel ist (Creswell 2003, S. 199). Die Offenheit des Fallstudiendesigns wird als großer Vorteil gesehen, um Erkenntnisse in Feldern zu gewinnen, in denen noch keine konsistenten Theorien existieren (Lamnek 2005). Sie bleiben nicht auf die Momentaufnahmen beschränkt, sondern erlauben Entwicklungen und Ursachen-Wirkungszusammenhänge nachzuziehen. Ihr großer Vorteil gegenüber quantitativen Ansätzen ist, dass im Forschungsverlauf neue Aspekte aufgenommen und Beziehungen entdeckt werden können, die zuvor noch nicht bekannt waren (vgl. Borchardt & Göthlich 2009, S. 36). Das Ziel ist nicht, eine möglichst hohe Fallzahl zu erreichen, sondern eine ausgewählte Anzahl von Fällen intensiv zu untersuchen. Fallstudien folgen primär einem qualitativen und interpretativen Paradigma. Die dichte Beschreibung der Fälle führt zu einer hohen Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Nicht die quantitative, sondern die analytische Generalisierung steht im Vordergrund. Dadurch haben Fallstudien ihre besondere Stärke in der Entwicklung und Erweiterung von Theorien (Eisenhardt 1989). Vergleichenden Fallstudien zwischen mehreren Fällen wird eine höhere Bedeutung in der Theorieentwicklung beigemessen als Einzelfallstudien (Eisenhardt & Graebner 2007). Die Heranziehung konkurrierender oder bestätigender empirischer Evidenz führt zu robusteren Annahmen und Schlussfolgerungen und somit zu einer Theorie mit höherer Erklärungskraft. Aus diesen Gründen wird ein multiples Fallstudiendesign als Grundlage der Theorieentwicklung verwendet. Das Untersuchungsuniversum dieser Studie sind Förderstiftungen aus der Schweiz. Während der US-amerikanische Stiftungssektor alleine auf Grund seiner Ausstrahlungskraft und vergleichsweisen hohen Transparenz ein beliebtes Ziel von Forschern im Stiftungsbereich ist, so sind Stiftungen in der Schweiz bisher weitestgehend unerforscht. Bis heute existieren keine Fallstudien, die Förderstiftungen aus

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Einführung

der Schweiz systematisch miteinander vergleichen. Das Wissen über Stiftungen beschränkt sich weitestgehend auf statistische Auswertungen und rechtliche Auseinandersetzungen. Dies ist insofern verwunderlich, da die Schweiz zu den Ländern mit der höchsten Stiftungsdichte weltweit gehört. Auf 10.000 Einwohner kommen 16 Stiftungen (Eckhardt et al. 2016). Zum Vergleich: In Deutschland sind es 2,6 (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2017) und in den USA 2,6 Stiftungen pro 10.000 Einwohner (Foundationcenter 2015). Man kann also feststellen, dass der Schweizer Stiftungssektor in Bezug zu seiner relativen Größe weitestgehend „unterforscht“ ist. Die Konzentration auf Stiftungen aus einem Land hat gleichzeitig einen weiteren Grund. Stiftungen sind in kulturelle Kontexte eingebettet, die einen maßgeblichen Einfluss auf ihre Funktionsweise und Rollenausübung in der Gesellschaft haben (DiMaggio & Anheier 1990, Salamon & Anheier 1998). Die Untersuchung von Stiftungen aus einem Land erlaubt somit ihre Betrachtung unter den gleichen rechtlichen, regulatorischen und normativen Bestimmungen. Somit können Variablen ausgeschlossen werden, die sich spezifisch auf kulturelle Unterschiede beziehen. Dem Anspruch, eine universelle Organisationstheorie für Stiftungen zu entwickeln, kann diese Studie damit nicht genügen. Vielmehr ist das Ziel, eine Theorie von mittlerer Reichweite zu entwickeln (Merton 1968). Wünschenswert ist, dass weitere Studien eine internationale Perspektive einnehmen und somit die hier entwickelten Konstrukte kritisch überprüfen und erweitern. Die Kapitel der Studie sind gemäß dem verfolgten Forschungsprozess gegliedert. Nach dieser Einführung befasst sich das zweite Kapitel ausführlich mit der Institution der Stiftung. In einer historischen Einleitung wird beschrieben, wie es zur Geburt der Sonderform der Förderstiftung gekommen ist. Obwohl das Prinzip, Vermögen für die Ewigkeit einem Zweck zu widmen seit Jahrtausenden besteht, so lässt sich die Geburt der modernen Förderstiftung auf die Zeit der industriellen Revolution in den USA zurückverfolgen. Die Entwicklung des Schweizer Stiftungssektors im Vergleich zu den USA und Deutschland wird aufgezeigt, um zu zeigen unter welchen Rahmenbedingen Stiftungen ihre Aktivitäten entwickeln. Anschließend steht die generelle Struktur und Funktionsweise der Förderstiftung im Vordergrund. Anhand ihrer organisationalen Kernelemente wird aufgezeigt, welche Faktoren sich auf die Handlungsfähigkeit einer Förderstiftung auswirken. Das dritte Kapitel widmet sich dem Wesen, der Entstehung und der Verbreitung sozialer Innovationen. Verschiedene Perspektiven auf die Verwendung des Begriffs und seiner Bedeutung werden aufgezeigt, die sich in der sozialwissenschaftlichen Literatur in den letzten Jahren herausgebildet haben. Um den späteren Forschungsprozess der Datenerhebung nicht zu stark einzugrenzen, wird eine offene Definition als „neue Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme“ vorgeschlagen. Dementsprechend wird thematisiert, welche Typen von gesellschaftli-

Vorgehen & Gliederung

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chen Problemen existieren und welche Akteure in der Entwicklung und Verbreitung von sozialen Innovationen maßgeblich sind. Für heuristische Zwecke wird der Innovationsprozess in verschiedene Phasen unterteilt. Das vierte Kapitel widmet sich den Strategie- und Förderprozessen von Stiftungen. Als Grundlage dafür dienen die bereits vorgenommenen Überlegungen, die oben erwähnten Modelle der strategischen Philanthropie, organisationstheoretische Überlegungen sowie die Ergebnisse aus einer Vorstudie mit fünf Stiftungsexperten (Bethmann 2014). Der Innovationsprozess wird auf die Funktionsweise von Förderstiftungen übertragen. Die Überlegungen bilden den konzeptionellen Rahmen für die Analyse der Fälle. Das fünfte Kapitel legt die Methodik der Untersuchung dar. Die Schritte der Fallauswahl, Datenerhebung und Interpretation werden detailliert nachgezogen. Insgesamt wurden vier Stiftungen einer intensiven Analyse unterzogen. Pro Stiftung wurden semi-strukturierten Leitfadeninterviews mit Stiftungsräten, Mitarbeitern und Förderpartnern durchgeführt. Zusätzlich wurden alle einsichtbaren internen Dokumente sowie verfügbaren Publikationen zur Beschreibung und Analyse der Fälle herangezogen. Der Vergleich der Fälle untereinander bildet die Ausgangsbasis für die Theorieentwicklung. Das sechste Kapitel ist der empirische Teil der Untersuchung. Die Ergebnisse der Fallstudien werden vorgestellt. Die erste Stiftung ist die Gebert Rüf Stiftung (GRS), die sich ausdrücklich als innovationsfördernde und unternehmerisch handelnde Stiftung positioniert. Sie fördert mit einem jährlichen Volumen von ca. CHF 10 Mio. den direkten Wissenstransfer von Hochschulen in die Praxis. Sie verfolgt das Ziel der Stärkung des Wirtschafts- und Lebensraums der Schweiz. Die GRS setzt fast ausschließlich auf die Förderung von Projekten in der frühen Entwicklungsphase. Sie war maßgeblich an dem Aufbau des Stiftungswesens in der Schweiz beteiligt. Die zweite Stiftung ist die Stiftung Mercator Schweiz (MCH). In 13 Handlungsfeldern fördert sie jährlich Projekte mit einem Gesamtvolumen von ca. CHF 12 Mio. Die MCH folgt der Vision einer weltoffenen und ökologisch nachhaltigen Gesellschaft. Die Stiftung verfügt über einen relativ hohen Stab an Mitarbeitern, welche die Partner vor allem in der Projektkonzeption eng belgeiten. Ihr Ziel ist es, in ihren Handlungsbereichen systemischen Wandel anzustoßen. Die dritte Stiftung bildet in gewisser Weise den Kontrast zu den vorigen. Sie wurde bewusst ausgewählt, da sie primär einen bewahrenden Charakter hat. Die Sophie und Karl Binding Stiftung folgt in großen Teilen dem Modell des klassischen Mäzenatentums. Trotzdem hat auch sie eine dynamische Seite. Sie verfügt über ein jährliches Fördervolumen von ca. CHF 3-4 Mio. Sie ist in den Bereichen Bildung, Umwelt, Kultur und Soziales tätig. Den Abschluss bildet die Betrachtung der Arcas Foundation (AF). Die im Vergleich relativ kleine Stiftung vergibt ca. CHF 600.000 pro Jahr. Sie fokussiert sich auf den Themenbereich der Integration und sieht sich selbst als eine

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Einführung

innovative Stiftung, die mit neuen Fördermethoden experimentiert. Die Fälle wurden nach dem Prinzip des „theoretical sampling“ (Glaser & Strauss 1998) ausgewählt. Dies bedeutet, dass jede Stiftung in Bezug zu ihrem Beitrag zu den sich langsam entwickelten theoretischen Konstrukten ausgesucht wurde. In den Einzelfallanalysen wird detailliert nachgezogen, wie die jeweilige Stiftung ihr Philanthropiemodell entwickelt hat und wie dieses in Bezug zur Förderung sozialer Innovationen zu werten ist. Im siebten Kapitel wird die Theoriebildung über den Vergleich der Fälle untereinander vorbereitet. In Auseinandersetzung mit bestehender Literatur und den empirischen Daten werden kausale Beziehungen herausgearbeitet und erklärt. Gleichzeitig enthält das Kapitel freie und literaturungebundene Überlegungen, die sich aus der Analyse der Fälle ergeben haben. Das achte Kapitel fasst die vorherigen Aussagen zu einem theoretischen Gerüst zusammen. Die Wirkungszusammenhänge werden auf die wesentlichen Bestandteile reduziert, um dem Postulat der Parsimonie gerecht zu werden. Dementsprechend ist das Kernkapitel der Studie das kürzeste. Unter Verwendung der Figur des sozialen Investors werden die Bausteine einer Organisationstheorie vorgelegt, mit der sich die Innovationsfähigkeit von Förderstiftungen erklären lässt. Im neunten Kapitel werden die Ergebnisse in Bezug zu bestehenden Organisationstheorien gesetzt, deren Konzepte den höchsten Erklärungswert für die vorgefundenen Zusammenhänge aufweisen. Dabei werden auch Ideen für die Weiterentwicklung der theoretischen Bausteine vorgebracht. Abschließend werden einige Implikationen für die Praxis gezogen und Methoden vorgeschlagen, wie Stiftungen ihrer Innovationsfähigkeit erhalten und ausbauen können. Im zehnten Kapitel wird schließlich ein kurzes Resümee der Studie gezogen.

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Die Förderstiftung als Organisation

Stiftungen verfügen über eine besondere Ausstrahlungskraft. Seit ihrem Bestehen wird mit Stiftungen ein Heilsversprechen verbunden (Adloff 2010). War es früher das Seelenheil, so ist es heute die Hoffnung, dass Stiftungen maßgeblich zur Lösung dringlicher gesellschaftlicher Probleme beitragen. In den Augen der Öffentlichkeit wird die Wahrnehmung über Stiftungen von den großen Organisationen wie der Bill & Melinda Gates Foundation, der Rockefeller Foundation aus den USA, der deutschen Bosch Stiftung oder der Jacobs Foundation in der Schweiz geprägt. Diese Stiftungen stellen an sich den Anspruch, zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung beizutragen, Problemfelder aufzudecken und Lösungen zur Verfügung zu stellen. Sie verfügen über hohe Vermögen und mehrere Mitarbeiter, die sich für die effektive Umsetzung der Stiftungszwecke einsetzen. Ihre Erfolge feiern sie auf öffentlichen Veranstaltungen sowie in hochglänzenden Broschüren und professionellen Webseiten. Vielleicht liegt es an dieser Ausstrahlungskraft, oder dem Verlangen nach neuen Lösungsansätzen für die dringlichen Probleme unserer Zeit, dass sich das Stiftungswesen in Deutschland und der Schweiz in einer Aufbruchsstimmung und neuen Blütezeit befindet (Adloff & Strachwitz 2011; Müller-Jentsch 2014) Die Anzahl von Stiftungen nimmt stetig zu, Politiker sind Stammgäste auf den jährlichen Branchentreffen und elementare Kritik an Stiftungen, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, ist kaum zu hören (Strachwitz 2010). Stattdessen wird die Gründung von mehr selbstständigen Stiftungen gefordert, um „Innovationsfähigkeit zurückzugewinnen, Wohlstand zu erhalten, sozialer Gerechtigkeit näher zu kommen und Demokratie zu praktizieren“ (Kocka 2004, S. 6). Selbst Stimmen, welche die demokratische Legitimierung von Stiftung bemängeln, weisen auf ihr sozialpolitisches Innovationspotenzial hin (Reich 2017). Doch woher kommt dieser Glauben? Was macht diese Organisation so besonders und welche Faktoren bestimmen die Ausrichtung ihrer Aktivtäten? Um sich diesen Fragen zu nähern beschäftigt sich dieses Kapitel ausführlich mit der speziellen Organisation der Förderstiftung. Das Ziel ist, die generelle Funktionsweise und Einbettung der Förderstiftung in die Gesellschaft möglichst fundiert zu beschrieben. Im ersten Teil wird dargelegt, wie sich die Förderstiftung als unabhängige Institutionen entwickeln konnte. Stiftungen gehören zu den ältesten Institutionen der Welt, deren Rollen und Funktionen sich im Lauf der Geschichte © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_2

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Die Förderstiftung als Organisation

stetig gewandelt haben. Im zweiten Teil stehen die organisatorischen Kernelemente von Stiftungen im Vordergrund. Maßgebliche Faktoren, die das Verhalten einer Stiftung bestimmen, werden aufgezeigt. Zum Ende des Kapitels werden die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst. 2.1 2.1.1

Stiftungen im Kontext der Gesellschaft Frühe Stiftungsformen

Das Stiften an sich ist eine der ältesten kulturellen Ausdrucksformen der Menschheit (Campenhausen 2003). Stiftungen oder stiftungsähnliche Gebilde lassen sich nicht nur in christlichen, sondern z.B. auch islamischen und antiken Kulturkreisen nachweisen. Der Wille, etwas für die Ewigkeit zu erhalten, scheint einen universellen Wunsch in der Geschichte der Menschheit darzustellen, genauso wie das Bestreben von Menschen, nach ihrem Tod in Erinnerung zu bleiben. Die frühen Stiftungen, bzw. stiftungsähnliche Konstrukte wurden vor allem testamentarisch errichtet und dem Totenkult oder Werken religiös verdienstlicher Barmherzigkeit gewidmet (Weber 1972, S. 429). In Europa ist die Geschichte der Stiftungen eng mit der katholischen und später der protestantischen Kirche verbunden. Zum einen waren Kirchen für lange Zeit die maßgeblichen Verwalter gewidmeter Vermögen, zum anderen haben Kirchen Jahrhunderte lang eine dominanten Rolle in der Bereitstellung karitativer Leistungen eingenommen. Seitdem die christliche Kirche im dritten Jahrhundert als eigene Körperschaft anerkannt wurde, konnte ihr zweckgebundenes Vermögen zur Verwaltung übergeben werden. Somit bildeten sich unter dem Dach der Kirche unselbständige Stiftungen heraus. Neben der Finanzierung von Kirchengebäuden, der Durchführung von Gottesdiensten sowie dem Unterhalt der Kleriker, wurden die Vermögen vor allem zur Betreibung von karitativen Einrichtungen wie z.B. Spitälern oder Waisenhäusern verwendet. Diese Stiftungen waren im Prinzip spendensammelnde Einrichtungen, die ihre Mittel zum größten Teil durch Zuwendungen aus der Bevölkerung und der Aristokratie bekamen. Insbesondere wohlhabende Menschen wurden dazu gedrängt, ein Teil ihres Vermögens an die Kirche abzugeben und den kirchlichen Stiftungen zu widmen (Campenhausen 2003;

Stiftungen im Kontext der Gesellschaft

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Strachwitz 2010). Die Stifter erhofften sich durch ihre Gabe dabei nicht selten die Barmherzigkeit Gottes und die Erlangung ihres Seelenheils5. Die Entwicklung von eigenständigen Stiftungen wurde erst durch säkulare Prozesse und die wachsende Bedeutung des römischen Rechts möglich. Dadurch konnte sich langsam ein von Zugriffen der Kirche autonomes Stiftungswesen entwickeln (Sigmund 2000). Als Treuhänder von Stiftungen traten zunehmend die Städte auf. Diese drangen langsam in Handlungsbereiche ein, wie dem Bildungsund Erziehungswesen, der Armenfürsorge oder des Gesundheitswesens, die zuvor unter kirchlicher Aufsicht gestanden hatten. Im Zuge der Reformation übernahmen zudem in weiten Teilen Europas Fürsten und staatliche Gewalten die Aufsicht von Stiftungen. Zugleich verwarfen die lutherische und calvinistische Lehre, die seit Jahrhunderten gültige Idee, dass sich das nachtodliche Seelenheil durch Spenden und Stiften erkaufen lässt. Als Konsequenz wendeten sich Stiftungen vermehrt dem Diesseits zu. Neben fürsorglichen Zwecken gewann vor allem die Unterstützung der Bildung an Bedeutung. Vermögen wurden zunehmend Universitäten und Schulen überlassen und von diesen als eigenständige zweckgebundene Vermögen verbucht (Adam 2015). Ein Beispiel hierfür ist das Frey-Grynaeische Institut der Universität Basel. Die Gründung geht auf die älteste noch im Schweizer Handelsregister eingetragene Stiftung zurück. Die Stiftung wurde 1774 von dem Theologieprofessor Johann Ludwig Frey errichtet. Als Vermögen stellte der Stifter ein Gebäude, eine Bibliothek und eine Geldsumme zur Verfügung. Die Mittel reichen heute nicht mehr dafür aus, dem ursprünglichen Zweck der Finanzierung einer Professur nachzugekommen. Das stiftungseigene Haus beherbergt jedoch noch eine Bibliothek und Seminarräume der theologischen Fakultät. Mit der Zeit lösten sich Stiftungen immer weiter von der Kirche, die zunehmend auch ihre Rolle als primärer Wohlfahrtsproduzent der Gesellschaft verlor. Seit der Aufklärung und dem aufkommenden Liberalismus erlangte die Idee der individuellen Entfaltung an Bedeutung. Es kam es zu einer weiteren gesellschaftlichen Differenzierung. Der Staat, die Kirche und die bürgerliche Zivilgesellschaft wurden immer weiter voneinander entflochten. Dadurch wurde zunehmend Raum zur Gründung gemeinnütziger Organisationen aus privater Initiative frei. Das neu erstarkte Bürgertum setzte sich auf vielen Ebenen für die Verbesserung der Lebensumstände und der Entwicklungen neuer sozialer Leistungen ein6. In der 5 Das in der Schweiz oft genannte Beispiel der Stiftung Inselspital in Bern im Jahre 1354 macht dies deutlich. Die verwitwete und kinderlose Bürgerin Anna Seiler widmete testamentarisch ihr Vermögen der Errichtung eines Spitals für 13 dürftige Personen. Das Testament beginnt mit einem „Im Namen Gottes, Amen!“ und verweist auf den mit der Übertragung des Vermögens einhergehenden Wunsch, mit dem Akt der Vermögenswidmung für sie und ihre Vorfahren ewiges Seelenheil zu erlangen (Hermann & Hintzsche 1954). 6 Smith & Borgman (2001) sehen in der Revolution der Bourgeoise einen der wichtigsten Faktoren in der Entwicklung von eigenständigen Stiftungen.

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Die Förderstiftung als Organisation

Schweiz bildeten privilegierte Bürger dazu vornehmlich Sozietäten. Diese waren weitestgehend geschlossene vereinsähnliche Gesellschaften. Die von lokalen und regionalen Eliten geführten Organisationen bauten u.a. Bibliotheken auf und gründeten Initiativen zur Bildung ärmerer Bevölkerungsschichten. Ihre Aktivitäten finanzierten sie durch öffentlichen Sammlungen und Spenden der eigenen Mitglieder. Gleichzeitig formierten sich viele private Hilfsgesellschaften, in denen sich die Mitglieder gegenseitig gegenüber sozialen Notlagen absicherten (vgl. Degen 2010, S. 68-71). Stiftungen spielten in der Entwicklung von neuen sozialen Leistungen nur eine untergeordnete Rolle. Sie traten vor allem als Träger sozialer Einrichtungen auf. Während der helvetischen Republik wurden Kirchen dazu verpflichtet, zweckgebundene Gelder nur für Bildungs-, Armen- und Krankenanstalten zu verwenden. Weitere Tätigkeitsfelder blieben ihnen verwehrt (Kley & Tophinke 2000). Die verfassungsrechtliche Grundlage für die Vereinheitlichung des Stiftungsrechts wurde 1898 erschaffen, als die Kompetenzen des Bundes in der Gesetzgebung im Zivilrecht auf die ganze Schweiz ausgedehnt wurden. Das Schweizer Stiftungsrecht als Teil des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs wurde 1911 verabschiedet und seitdem kaum überarbeitet. Es ist eines der liberalsten Stiftungsrechte der Welt (Schönenberg & von Schnurbein 2011) Es gibt bis heute den grundsätzlichen Handlungsrahmen für Stiftungen vor. Trotz der liberalen Ausrichtung des Stiftungsrechts und der damit verbundenen Einfachheit eine Stiftung zu errichten, kam es zu keinem schnellen Stiftungswachstum. Ein Blick ins Handelsregister zeigt, dass 1920 gerade einmal 200 private Stiftungen in der gesamten Schweiz existierten. Zwischen 1911 und 1920 wurden schweizweit im Durchschnitt 10 Stiftungen pro Jahr gegründet. Sie widmeten sich hauptsächlich karitativen Aufgaben. Die Stiftungen wurden, meistens testamentarisch, zur Unterstützung der Ausbildung armer Kinder und Jugendlicher, zur Förderung von Armeneinrichtungen, Krankenhäusern und Alters- und Pflegeheimen errichtet. 2.1.2

Die Geburt der Förderstiftung

Während in der Schweiz Stiftungen eine untergeordnete Rolle in der gesellschaftlichen Entwicklung spielten, entstanden Ende des 19. Jahrhunderts in den USA die ersten großen Förderstiftungen. Auch in Deutschland fand ein regelrechter Stiftungsboom statt (Adam 2014). Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch die Industrialisierung und der damit einhergehenden Kapitalakkumulation in den Händen einzelner Unternehmer. Die im Zuge der Industrialisierung immens reich gewordenen Unternehmer wie John D. Rockefeller, Andrew Carnegie oder Henry Ford übertrugen erstmals Unternehmensanteile sowie hohe Bar- und Wertpapier-

Stiftungen im Kontext der Gesellschaft

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vermögen direkt an ihre eigene Stiftung, anstatt sie anderen Organisationen zu widmen7. Die um 1910 in den USA gegründeten Philanthropic Foundations wurden nicht errichtet, um Waisenhäuser oder Krankenhäuser dauerhaft mit Kapital zu versorgen, sondern folgten eigenen gemeinwohlorientierten Zwecksetzungen (Adloff 2010. S. 256). Die Stiftungen entwickelten sich auf Grund ihrer Ausstrahlungskraft zu Vorbildern weiterer Stiftungsgründungen weltweit. Entstanden sind sie ursprünglich „als ein Instrument zur Aufbewahrung von Vermögen, die zu groß waren, um zu Lebzeiten des Stifters verschenkt werden zu können“ (Prewitt 2003, S. 318). Sie waren das Produkt des „Überflussbetrags der Unternehmertätigkeit“ (Adam 2012, S. 11). Die großen Philanthropic Foundations wurden nicht als Förderstiftungen gegründet. Am Anfang waren sie fast ausschließlich selbst operativ tätig. Die wichtigsten Berater Rockefellers sprachen sich gegen die Förderung von externen Institutionen aus. Sie präferierten die Gründung eigener Organisationen, die unter der Kontrolle der Stiftung verblieben8. Auch die Carnegie Corporation kehrte nach einer Experimentierphase mit der Vergabe von Fördermitteln zu einem primär operativen Modell zurück. Die Stiftung begründete dies mit den mangelnden Möglichkeiten die Destinatäre zu kontrollieren sowie der Schwierigkeit, rationale Bewertungskriterien für Anträge zu entwickeln (Jonas 1989). Die Vergabe von Fördermitteln war im Prinzip eine Art Überbrückungslösung. Der Aufbau von neuen Organisationen war zeitintensiv und hat sich zum Teil über Jahre hingezogen. Die Stiftungen verfügten aber über ungleich höhere Finanzmittel, die sie irgendwie einsetzen wollten. Erst dadurch begannen sie bestehende Organisationen zu fördern. Der Wandel zur Förderstiftung wurde schlussendlich durch zwei weitere Faktoren begünstigt. Zum einen übte die Regierung in den USA während der Weltkriege Druck auf die größeren Stiftungen aus, ihre Fördertätigkeiten zugunsten schwächerer Organisationen auszubauen. Zum anderen hätten weitere Neugründungen großer Forschungsinstitute nur noch einen geringen Mehrwehrt gebracht. Ihr Erfolg wäre nur noch über die Abwerbung von Forschern von bestehenden Einrichtungen möglich gewesen. Stiftungen fingen demnach an, ihre Aktivitäten zu diversifizieren. Anstatt vornehmlich eigene Institutionen zu gründen und zu finanzieren,

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Strachwitz (2010, S. 119) kritisiert, dass die Entwicklung dieses Stiftungstyps fast ausschliesslich mit den USA in Verbindung gebracht wird. Er nennt das Beispiel der 1898 von Ernst Abbe gegründet CarlZeiss in Jena, die vom Prinzip her den frühen grossen Stiftungen in den USA sehr ähnlich war. In ihrer Grösse und Einflusskraft waren die Stiftungen in den USA jedoch um ein vielfaches bedeutender. 8 Rockefeller und Carnegie gründeten eine Reihe von einflussreichen Institutionen. Darunter waren die Rockefeller Sanitary Commission oder das Rockefeller Institute for Medical Research. Beide trugen massgeblich dazu bei, grassierende Infektionskrankheiten einzudämmen. Die Carnegie Corporation gründete u.a. das Carnegie Institute of Technology (die heutige Carnegie Mellon University) und das Carnegie Endowment for International Peace, einen noch heute sehr einflussreichen Think Tank für Friedensstudien.

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Die Förderstiftung als Organisation

wurden vermehrt bestehende Organisationen gefördert. Der Wandel der Philanthropic Foundations von operativen zu primär fördernden Institutionen war somit ein Produkt besonderer historischer Umstände und keinesfalls das Resultat eines geplanten Prozesses (Leat 2016b, S. 299). Einen weiteren kritischen Punkt zur Entwicklung von unabhängigen Stiftungen sieht Adloff (2010; S. 263) in der Ablehnung des US-Kongresses, die Rockefeller Foundation unter staatliche Kontrolle zu stellen. Rockefeller hatte in der Planung seiner Stiftung ein staatlich beaufsichtigtes Modell vorgeschlagen. Auf Grund mehrerer anhängigen juristischen Auseinandersetzungen seines Unternehmens Standard Oil, wurde dieses Ansinnen als eine Art Bestechungsversuch abgelehnt (Nielsen 1972, S. 51). Als Konsequenz wurde die Rockefeller Foundation als rein private Stiftung gegründet. Wäre der Entscheid anders ausgefallen, hätte dies eine weitere Signalwirkung auf viele Neugründungen haben können. Adloff (2010, S. 263) vermutet sogar, dass der gesamte Nonprofit Sektor in den USA in diesem Fall einen weniger privatistischen, sondern einen ehr staatlich geprägten Entwicklungspfad eingeschlagen hätte. Auf Grund der Ausstrahlungskraft der amerikanischen Stiftungen hätte dies auch Einfluss auf die Entwicklung der Stiftungssektoren anderer Ländern haben können. 2.1.3

Von der Wohlfahrt zur Philanthropie

Die neuen Stiftungen stellten hohe Ansprüche an ihre Arbeit. Sie wollten nicht mehr karitative Einrichtungen unterstützten, sondern gesellschaftliche Probleme lösen. Exemplarisch für diese Denkweise stand der von Carnegie (1889) im North American Review publizierte Aufsatz „Wealth“, der als der „Gospel of Wealth“ in die Geschichte einging. In dem Aufsatz verurteilte Carnegie jede Spende, die an klassische Wohlfahrtorganisationen gegeben wird als fehlgeleitet. Er bezeichnete die Unterstützung rein karitativer Einrichtungen als regelrechte Geldverschwendung. Kleine Spenden würden keine Wirkung erzielen und sollten daher vermieden werden. In einem späteren Aufsatz „The Best Fields for Philanthropy“ spezifizierte Carnegie (1902) seine Ideen. Er sah vor allem die Gründung und Unterstützung von Universitäten, öffentlichen Bibliotheken, Parkanlagen, Krankenhäusern, öffentlichen Schwimmbädern, die Errichtung von Gebäuden zur öffentlichen und gemeinschaftlichen Nutzung, Verschönerungen von Städten, aber auch den Bau von pompösen Kirchen in armen Nachbarschaften als sinnvolle Betätigungsfelder. Entgegen der Wohlfahrt (Charity) sah Carnegie als wichtigstes Ziel der Philanthropie, die Ursachen von Problemen zu bekämpfen, anstatt nur Not zu lindern. Die

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Aufgabe der Philanthropie sollte hingegen sein, Menschen darin zu befähigen, ihr eigenes Schicksal zu verändern9. Die großen Stiftungen waren vor allem auch durch ihre weiten Zweckbestimmungen geprägt (Zunz 2014). Die Rockefeller Foundation folgte dem einfachen, aber sehr ambitiösen Ziel der „Verbesserung der Menschheit“ (for the improvement of mankind). Carnegie sah es als einen fundamentalen Fehler an, Stiftungen für alle Ewigkeit in ihrem Handeln einzuschränken. Er war davon überzeugt, dass sich die Welt in einem ständigen Wandel befindet und somit Stiftungen genug Flexibilität haben müssen, sich auf Änderungen in der Gesellschaft einstellen zu können. Als Zweck der Stiftung legte er daher ganz allgemein die Förderungen und Verbreitung von Wissen und Verständnis fest (to promote the advancement and diffusion of knowledge and understanding) 10. Die Rockefeller Foundation konzentrierte sich in ihrer Anfangsphase vor allem auf den Gesundheitsbereich und errang dort maßgebliche Erfolge in der Bekämpfung von Infektionen und in der Professionalisierung der medizinischen Ausbildung. Ihr Versuch, ein Forschungsprogramm über Ursachen sozialer Konflikte aufzubauen, wurde auf Grund öffentlicher Kritik eingestellt11. Der Fokus der Stiftung lag vor allem auf dem Aufbau und der Förderung naturwissenschaftlicher Disziplinen. Die Förderstrategien standen im Einklang mit der starken Technologiegläubigkeit in der Gesellschaft Anfang des 20. Jahrhunderts. Wenn die Rockefeller Foundation oder einer ihrer Institutionen sich sozialen Themen widmete, dann vor allem mit Hilfe von statistischen Modellen (Nielsen 1972, S. 53). Die Stiftung setzte bevorzugt auf quantitative Forschungsmethoden in der Suche nach den Ursachen sozialer Probleme. Anheier & Leat (2006, S. 19) nennen diesen Ansatz daher auch „scientific philanthropy“. Der Grundgedanke dabei war, dass medizinische, soziale oder wirtschaftliche Probleme gelöst werden können, wenn die Ursachenforschung sowie die Interventionsplanung nach strengen wissenschaftlichen Kriterien vollzogen werden. Der wissenschaftliche Anspruch an die Philanthropie war in der ersten 9 Philanthropie als Begriff kennt viele Bedeutungen (Sulek 2010; Daly 2012). In der allgemeinsten Form werden darunter jegliche privaten Handlungen für einen gemeinnützigen Zweck verstanden (Payton & Moody 2008). In der engeren Bedeutung steht Philanthropie für zielgerichtetes Spenden von reichen Privatpersonen oder Stiftungen (Frumkin 2006). Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet Philanthropie so viel wie die Liebe (philos) für Menschen (anthropos). 10 Heute ist das Stiftungsvermögen der Carnegie Corporation über USD 3 Mrd. wert. Sie fördert in Bereichen wie Bildung & Forschung, Demokratieentwicklung sowie Internationaler Frieden & Sicherheit. Die Stiftung beschreibt ihre Ziele auf ihrer Webseite wie folgt: „Our aim is to invest in innovative projects that can have measurable impact and can create meaningful, transformative change“ (www.carnegie.org). 11 Das Unternehmen Standard Oil hatte Konflikte mit Arbeitnehmern mehrmals gewalttätig gelöst. Das Forschungsvorhaben wurde von der Öffentlichkeit als ein Versuch gewertet, noch mehr Kontrolle über die Arbeiter zu gewinnen. Der Stiftung wurde u.a. vorgeworfen als verlängerter Arm des Unternehmens zu agieren (Nielsen 1972).

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Die Förderstiftung als Organisation

Hälfte der 20. Jahrhunderts der dominante Ansatz größerer Förderstiftungen (Nielsen 1972). Auch heute folgt die Rockefeller Foundation noch einem forschungsbasierten Paradigma12. Die großen Philanthropic Foundations in den USA haben auf vielfältige Weise zur Begegnung gesellschaftlicher Herausforderungen beigetragen. Die Geburt mehrerer medizinischer Forschungsinstitute und Universitäten ist auf ihre Initiative zurückzuführen. Anfang des 20. Jahrhunderts war das öffentliche Bildungswesen in den USA noch wenig ausgebaut. Der Staat spielte eine vergleichsweise schwache Rolle. Dementsprechend war die Wirkungskraft der großen Stiftungen sehr hoch (Karl & Katz 1987). Geförderte Forschungsprogramme machten u.a. die Entdeckung von Impfstoffen gegen Gelbfieber oder Polio möglich. Der Aufbau des 911Notrufnetzes oder die Einführung von Seitenstreifen auf Highways zur Umfallvermeidung gehen auf Förderungen von Stiftungen zurück. Weitere Beispiele umfassen das öffentliche Fernseh- und Radionetz PBS (Public Broadcasting Services) oder die Entwicklung der Sesam Straße als erstes erfolgreiches Bildungsfernsehen. Die „Grüne Revolution“, ein Forschungsprogramm der Rockefeller Foundation zur Bewältigung der Lebensmittelknappheit, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Lebensmittelsicherheit in Mexiko, Indien und Pakistan deutlich verbessert wurde (Fleishmann 2007, S. 57-58; Philanthropy New York 2008). Die ersten großen Philanthropic Foundations hatten eine immense Prägekraft über die Wahrnehmung von Stiftungen in der Gesellschaft. In ihrem Handeln setzten sie sich explizit gegenüber der Wohlfahrt ab. Ihr Ziel war es, die Gesellschaft aktiv zu verändern. Ihre hohe Wirkungskraft war ein Produkt ihrer Zeit. Während der ersten Schaffensphase der Stiftungen existierte ein Art Opportunitätsfenster, um substantiellen Einfluss auf bestimmte gesellschaftliche Bereiche wie den Bildungssektor oder dem Gesundheitswesen zu nehmen, die noch wenig entwickelt waren. Diese historische Konstellation führte zu einem Mythos, der Förderstiftungen als Wegbereiter sozialer Innovationen und Treiber gesellschaftlichen Wandels propagiert (Toepler 1998, S. 167). Nichtsdestotrotz waren auch die großen Stiftungen keineswegs durchweg professionell geführte Organisationen. Viele Fördermittel wurden auf Grund von persönlichen Beziehungen und eigenen Interessen vergeben. Eine übergeordnete Strategie war nicht immer erkennbar (Nielsen 1972, S, 399-430). Hammack & Anheier (2013, S.2) kritisieren daher den Mythos des teilweise überschwänglich zelebrierten Einflusses der Stiftungen auf die Entwicklung der USA. In einer historischen Aufarbeitung zeigen sie, dass Förderstiftungen über die Zeit immer mehr 12 Die Stiftung verfügt Ende 2016 über ein Vermögen von über USD 4 Mrd. und ist in Bereichen wie Bildung, Umwelt, Stadtentwicklung, Energie oder Gleichberechtigung tätig Sie folgt dem Ziel: „Creating meaningful and measurable impact for poor and vulnerable communities through smart globalization“. (www.rockefellerfoundation.org)

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Kontrolle und Einflusskraft verloren haben. Die genannten Beispiele stehen nicht exemplarisch für die Mehrzahl der Stiftungen. In vielen Fällen spielten die Stiftungen eher eine unterstützende Rolle. Ihr Förderverhalten kann insgesamt auf weiten Strecken als reaktiv bezeichnet werden. Gleichzeitig kamen in den 60er Jahren vermehrt Korruptionsfälle ans Licht, bei denen sich die Verwalter der Stifter selbst bereicherten. Weitere Kritik kristallisierte sich an der Einmischung von Stiftungen in politische Angelegenheiten. Stiftungen wurden zunehmend als Steuerschlupflöcher und Machtinstrumente der Privilegierten wahrgenommen. Im amerikanischen Kongress wurden intensive Diskussionen über die Legitimität von Stiftungen geführt, bei der zeitweise auch die Beschränkung von Stiftungen auf eine 40-jährige Lebenszeit gefordert wurde. Schließlich wurde im Dezember 1969 eine Steuerreform im Senat verabschiedet, die das Stiftungswesen nachhaltig beeinflusste. So wurden Stiftungen z.B. verboten, sich in politische Angelegenheiten einzumischen oder Gelder für politische Zwecke zur Verfügung zu stellen. Weiterhin wurden sie zu einer transparenten Offenlegung ihres Einkommens und der Verwendung der Gelder verpflichtet, eine jährliche Mindestausschüttungsquote von 5% des Stiftungsvermögens wurde festgelegt. Stiftungen wurde zudem untersagt, mehr als 20% an Anteilen an einem einzelnen Unternehmen zu halten (Nielsen 1972; Frumkin 2006; Hammack & Anheier 2013). Neben den juristischen Beschränkungen hatten die Kritik an den Stiftungen weitreichende Auswirkungen auf das Management der Stiftungen. Um ihre Legitimität zu steigern, wurden verstärkt administrative Strukturen aufgebaut und gut ausgebildete Studienabgänger eingestellt. Mit diesen Maßnahmen sollte nach außen signalisiert werden, dass die Förderentscheidungen auf rationalen Überlegungen basieren (Frumkin 2006, S. 91). Als Konsequenz der Steuerreform wurden verschiedene Kategorien von Stiftungen eingeführt. Die klassischen, von privaten Personen gegründeten Stiftungen mit eigenen Vermögen werden seitdem als Private Foundations bezeichnet. Spendensammelnde Organisationen haben dagegen den Status von Public Charities. Innerhalb der Private Foundations wird weiterhin u.a. zwischen operativen (operating) und fördernden (independent / grant-making) Stiftungen unterschieden13. Stiftungen lassen sich in den USA anhand ihres Steuerstatus eindeutig nach verschiedenen Typen differenzieren. Auf Grund der Transparenz der öffentlichen Steuerklärungen ist es somit möglich, genau zu bestimmen, wie viele Förderstiftungen existieren, über wie viel Vermögen sie verfügen, welchen Organisationen sie ihre Fördermittel zukommen lassen und sogar wie viel die drei am höchsten bezahlten Angestellten pro Jahr verdienen14. Ende 2016 existieren in den USA über 13 Gemeinnützige Organisationen werden unter dem Artikel 501(c)(3) im Steuercode des Internal Revenue Service (IRS) behandelt. 14 Die Informationen werden in den sogenannten 990Formularen eingereicht. Diese sind öffentlich zugänglich.

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Die Förderstiftung als Organisation

86.700 Stiftungen. Über 95% davon sind unabhängige Förderstiftungen. Aus den Steuerdaten lässt sich ein Gesamtvermögen von ca. USD 865 Mrd. errechnen. Die Stiftungen schütteten im Jahr 2016 ungefähr USD 60,2 Mrd. aus. Damit hat sich das Ausschüttungsvolumen gegenüber 2003 mehr als verdoppelt (Foundationcenter 2017). Die mit Abstand größte Stiftung ist die Bill und Melinda Gates Foundation, mit einem Vermögen von USD 41 Mrd. und einem Fördervolumen von ca. USD 3,3 Mrd. pro Jahr. Die zweitgrößte Stiftung ist die Ford Foundation mit einem Vermögen von ca. USD 12,3 Mrd. und ca. USD 560 Mil. hohem Fördervolumen. Insgesamt macht die Gesamtsumme der Stiftungsausschüttungen ca. 14% des gesamten Spendenanteils in den USA aus (Adam 2015, S. 26). Trotz dieser beeindruckenden Zahlen ist das amerikanische Stiftungswesen vor allem durch kleine Stiftungen geprägt. Der etwas verzerrte Gedanke, dass die Mehrzahl der amerikanischen Stiftungen groß und einflussreich ist, liegt in der Ausstrahlungskraft der großen Philanthropic Foundations begründet (Adloff 2004, S 265). 2.1.4

Stiftungen in der Schweiz und Deutschland

In Deutschland und der Schweiz lassen sich verschiedene Stiftungstypen nicht anhand ihres Steuerstatus bestimmen. Daten über ihr Vermögen sind nicht öffentlich. Stiftungen unterliegen nur minimalen Rechenschaftspflichten. Sie müssen gegenüber der Öffentlichkeit keine Auskunft darüber geben, wie viel Vermögen sie besitzen und wie sie ihren Zweck konkret umsetzen. Die statistischen Angaben über das Vermögen und die Tätigkeiten von Stiftungen beziehen sich vor allem auf Umfragen und Stichproben sowie auf Auszüge aus dem Handelsregister15. Die juristischen Rahmenbedingungen für Stiftungen sind in beiden Ländern relativ ähnlich (von Hippel 2010; Sprecher 2010)16. Stiftungen können sehr unterschiedliche Formen annehmen. Sie können u.a. als Besitzer von Unternehmen auftreten, von öffentlichen Körperschaften oder Privatpersonen gegründet werden, Träger von sozialen Einrichtungen sein oder selbst operativ und politisch tätig werden. Während in der Schweiz sich eine Organisation nur Stiftung nennen darf, wenn sie als solche im Handelsregister eingetragen ist, so ist der Begriff in Deutschland nicht geschützt. Auch Vereine (wie die Heinrich-Böll-Stiftung oder die Konrad Adenauer Stiftung), GmbHs (Robert Bosch Stiftung) oder AGs (Kreuzberger Kinderstiftung gAG) treten öffentlich als Stiftungen auf. In der Schweiz dürfen Organisationen hingegen keine irreführende Rechtsform in ihrem Namen tragen.

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Einzelne Aufsichtsbehörden in der Schweiz stellen seit kurzem anonymisierte Daten zu Forschungszwecken zur Verfügung (siehe Eckhardt et al. 2016 u. 2017). 16 In der Schweiz werden Stiftungen in den Artikeln 80-89 im ZGB behandelt. In Deutschland sind Stiftungen in den §§ 80 ff. im BGB geregelt.

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Ein Verein oder eine GmbH darf sich daher nicht Stiftung nennen. Über die Gemeinnützigkeit einer Stiftung entscheiden jeweils die Steuerbehörden (von Schnurbein & Bethmann 2010; Bergmann & Strachwitz 2011). In beiden Ländern dominierten Anfang des 20. Jahrhunderts weiterhin vor allem karitative Stiftungen. Das Modell der Förderstiftung mit eigenem Kapitalstock war wenig verbreitet. In Deutschland entwickelte sich entgegen der Schweiz Ende des 19. Jahrhunderts ein starkes Stiftungswesen. Adam (2015, S. 42) nennt das Beispiel der Stadt Leipzig, wo zwischen 1876 und 1902 mit 16,6 Millionen Mark mehr gestiftet wurde als in den 475 Jahren zuvor. Die Gründung der Stiftungen erfolgte aber nicht immer aus reinem Gemeinnutz. Die Stifter erwarteten Anerkennung und Dankbarkeit von der staatlichen Obrigkeit. Neben den klassischen Gebieten wie der Bildung, investieren die Stiftungen in den sozialen Wohnungsbau oder in öffentliche Schwimmbäder, um der mangelnden Hygiene der städtischen Armenbevölkerung entgegenzuwirken. Diese Investitionen sollten dazu verhelfen, soziale Spannungen zu vermeiden und die politische Stabilität zu sichern. Stifter agierten nicht in Opposition zum Staat, sondern unterstützen diesen aktiv in dem Aufbau wohlfahrtsstaatlicher Leistungen und Institutionen (Adloff 2010, S. 255). Einen großen Einbruch erlebten die deutschen Stiftungen als Konsequenz der Weltkriege. Während des ersten Weltkriegs wurden Stiftungen gezwungen, in Kriegsanleihen zu investieren, die anschließend wertlos wurden. Stiftungseigene Immobilien wurden vor allem während des zweiten Weltkriegs zerstört. Durch die Hyperinflation verloren auch die Barbestände an Wert. In der DDR wurden die meisten Stiftungsvermögen konfisziert (Strachwitz 2010, S.145-160). Das gleiche Opportunitätsfenster wie in den USA, in dem große Stiftungen hohen Einfluss auf die Entwicklung gesellschaftlicher Teilbereiche wie dem Bildungswesen ausüben konnten, gab es nicht. Das deutsche Stiftungswesen wurde kurz nach seiner Blütezeit vor den Kriegen weitestgehend zerstört (Toepler 1998, S. 167). Nach dem Krieg kam es in zu einer langsamen und nachhaltigen Wiederbelebung des Stiftungswesens. Schon 1948 wurde die "Arbeitsgemeinschaft bayerischer Wohltätigkeits-, Erziehungs- und Kultus-Stiftungen" gegründet, aus der später der Bundesverband deutscher Stiftungen hervorging. Die Gründung großer Stiftungen wurde in den folgenden Jahren aktiv von Regierungsvertretern der USA und den Philanthropic Foundations unterstützt. So war z.B. die Ford Foundation bei der Gründung der Thyssen Stiftung und der Volkswagen Stiftung beratend tätig (Nicolaysen 2002; Strachwitz 2010). Beides sind wissenschaftsfördernde Stiftungen, die hauptsächlich fördernd tätig sind. Durch den Einfluss des US-amerikanischen Stiftungswesens erlangte das Modell der Förderstiftungen in Deutschland zunehmend an Attraktivität. Es dauerte aber bis in die 80er Jahre bis sich Stiftungen auch kritisch mit dem Staat auseinandersetzten und einen eigenen Gestaltungsanspruch anmeldeten (Adloff 2010, S. 413). In der Schweiz lässt sich ein ähnlicher Einfluss der USA nicht nachvollziehen.

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Die Förderstiftung als Organisation

Es gibt bisher keine Quellen, die eine Propagierung des Modells der Förderstiftung seitens Beauftragten aus den USA in der Schweiz belegen. Die Strahlkraft der USAmerikanischen Stiftungen auf das Stiftungswesen in der Schweiz scheint gering gewesen zu sein. Bis in die 80er Jahre wurden pro Jahr nicht mehr als 20 Stiftungen gegründet. Stiftungen wurden weder in der Öffentlichkeit noch innerhalb des Dritten Sektors als maßgebliche Akteure zur Kenntnis genommen (Schubiger 2005, S. 903). Erst 1980, also 32 Jahre später als in Deutschland, kam es zu einem ersten nennenswerten Zusammenschluss von Stiftungen in einem Verein, der Schweizerische Arbeitsgemeinschaft kultureller Stiftungen (SAKS). Dieser diente als Austauschplattform von Organisationen und Individuen, die im Kulturbereich tätig waren. Darunter waren einzelne Förderstiftungen aber auch Trägerschaftsstiftungen, die selbst kulturelle Aktivitäten betrieben. Auf die Entwicklung des Stiftungswesens hatte der Verein nur wenig Einfluss. Er löste sich 2001 wieder auf. Der erste Dachverband, der für sich den Anspruch erhob, als Interessenvertreter für die gesamte Stiftungsbranche aufzutreten, wurde offiziell 1990 gegründet. Die Arbeitsgemeinschaft für gemeinnützige Stiftungen (AGES), die seit 2002 den Namen "proFonds, Dachverband gemeinnütziger Stiftungen der Schweiz“ trägt, vertritt die Interessen von fördernden und operativen, selbstfinanzierten sowie spendenfinanzierten Stiftungen und Vereinen. Auf Grund seiner institutionellen Anhängung an eine Basler Anwaltskanzlei liegt die Kernkompetenz vor allem auf juristischen Themen. Bei Gesetzesrevisionen, welche gemeinnützige Organisationen betreffen, wird proFonds in politischen Vernehmlassungen regelmäßig um Stellungnahme gebeten. Im Jahr 2016 zählt der Verband rund 400 Mitglieder, von denen jedoch nur wenige reine Förderstiftungen sind. Diese sind vor allem in dem 2001 gegründeten Dachverband SwissFoundations organisiert. Die Gründung des Verbands ging auf die Initiative von elf Förderstiftungen zurück, die ihre Interessen bei proFonds nicht ausreichend berücksichtigt sahen. Mitglieder bei SwissFoundations können nur Stiftungen werden, die ihren Sitz in der Schweiz haben, über ein eigenes Vermögen verfügen und dieses, oder Erträge daraus für gemeinnützige Zwecke einsetzen. Spendensammelnde Stiftungen sind von der Mitgliedschaft ausgeschlossen. Laut seiner Statuten will SwissFoundations dazu beitragen, dass Förderstiftungen innovative, flexible und wirkungsvolle Antworten auf soziale, kulturelle, ökologische, bildungsbezogene, wissenschaftliche und ökonomische Herausforderungen der Gesellschaft finden (SwissFoundation 2001). Der Dachverband tritt für eine Professionalisierung des Stiftungssektors ein. SwissFoundations ist u.a. Herausgeber eigener Publikationsreihen zu Stiftungen und organisiert wie auch proFonds jedes Jahr einen großen Stiftungstag. Die Mitglieder sind in verschiedenen Arbeitskreisen organisiert. SwissFoundations war außerdem bei der Initiierung und Gründung eines universitären Forschungs- und Weiterbildungszentrums zu Stiftungen und Philanthropie an der Universität Basel federführend.

Stiftungen im Kontext der Gesellschaft

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In der Schweiz und in Deutschland ist die Anzahl der Stiftungen in den letzten Jahrzehnten stetig gewachsen. Der Staat gewährt den Stiftungen Handlungsspielräume und erkennt ihre Leistungen öffentlich an. Ranghohe Politiker treten auf den Veranstaltungen der Stiftungsverbände auf. Beide Länder verfügen zudem über einen ausgeprägten Wohlfahrtsstaat. Die Schweiz wird gemäß der Studie Vision & Roles of Foundations in Europe einen korporatistischen NPO-System zugeordnet, obwohl sie in manchen Bereichen auch liberalistische Züge trägt (Purtschert et al. 2003). Insbesondere in der Alten- und Krankenpflege, wie auch in der Versorgung von körperlichen und geistig behinderten Menschen, sind Stiftungen als Organisationsform weit verbreitet. Dabei handelt es sich jedoch um Stiftungen, die fast ausschließlich operativ tätig sind. In vielen Fällen erhalten sie staatliche Transferleistungen. Sie finanzieren sich hauptsächlich durch die Erbringung von Leistungen und Spenden. Förderstiftungen hingegen agieren unabhängig vom Staat und erhalten keine externen Zuwendungen17. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind sehr offen und erlauben Stiftungen, ihre Tätigkeitsbereiche frei zu wählen18. Auf Grund des gut ausgebauten Sozial- und Bildungssystems agieren die meisten Förderstiftungen komplementär zum Staat. Die Rahmenbedingungen für die Arbeit von Stiftungen sind im europäischen Vergleich in der Schweiz sowie auch in Deutschland als außerordentlich gut einzuschätzen. Alle rechtliche Initiativen und Reformen in den letzten Jahren waren jeweils darauf ausgelegt, die Rolle der Stiftungen zu stärken. So wurde z.B. in Deutschland im Jahr 2008 im Zuge der Neuregelung des Gesetzes zur weiteren Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, der steuerlich absetzbare Höchstbetrag bei Zuwendung an Stiftungen erhöht sowie die Verteilbarkeit auf einen längeren steuerlichen Veranlagungszeitraum ermöglicht. Mit der Revision des Schweizer Stiftungsrechts zum 1. Januar 2006 wurde ein Zweckänderungsvorbehalt für den Stifter eingeführt. Stifter haben dadurch die Möglichkeit nach dem Ablauf von 10 Jahren eine Änderung des Zwecks vorzunehmen, um veränderten gesellschaftlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Der Zweckänderungsvorbehalt muss in der Stiftungsurkunde eingetragen sein. Das Recht des Stifters ist unübertragbar und unvererblich. Eingebrachte parlamentarische Initiativen zielen auf die Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts ab.

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Ausnahmen sind Zustiftungen. Das bekannteste Beispiel aus den USA ist eine USD 3 Mrd. Spende von Warren Buffet an die Bill & Melinda Gates Stiftung. Normalerweise treten Förderstiftungen nicht als spendensammelnde Organisationen auf. 18 In Frankreich konnte sich hingegen nie ein starkes Stiftungswesen können. Seit der französischen Revolution wurden Stiftungen vor allem mit dem Ancien Regime in Verbindung gebracht. Als Konsequenz wurden private Stiftungen in Frankreich viel restriktiveren Regulationen unterworfen als in anderen Ländern. Der Staat hat seine Monopolstellung in der Förderung und Koordination sozialer Leistungen weitestgehend verteidigt.

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Die Förderstiftung als Organisation

Die Ursachen für den Stiftungsboom beruhen auf mehreren Faktoren. Seit den 90er Jahren treten geburtenstarke Jahrgänge in den Ruhestand, die ihr Vermögen durch Arbeit und Unternehmertum in einem sicheren und stabilen Umfeld aufbauen konnten. Sie haben mehr Kapital zur Verfügung als sie für ihren Konsum und die Absicherung ihrer Familien brauchen. In der Schweiz wird von einem Erbvolumen von über CHF 63 Mrd. pro Jahr gerechnet (Brülhart et al. 2018). Ein Teil des überschüssigen Geldes wird gemeinnützigen Zwecken zur Verfügung gestellt. Dass hierfür immer öfter Stiftungen gegründet werden, anstatt bestehenden Institutionen Geld zu spenden, wird zu einem großen Teil als Folge der steigenden Individualisierung der Gesellschaft gesehen (Eckhardt et al. 2011, S. 6). Stiftungen erlauben mehr Freiheiten, die eigenen philanthropischen Wünsche dauerhaft zu institutionalisieren. Zugleich dominiert sicher auch weiterhin der Wunsch, etwas Dauerhaftes zu schaffen, das mit dem eigenen Namen verbunden ist. Die Schweiz hat zudem eines der liberalsten Stiftungsrechte der Welt und ist gleichzeitig eines der stabilsten Länder der Welt. Deswegen, und nicht zuletzt auch wegen des Bankensystems und niedrigen Steuern, ist die Schweiz bei wohlhabenden Ausländern ein beliebter Ort eine Stiftung zu gründen. Die größte Dynamik ist in den letzten Jahren in der Region um den Genfer See zu beobachten. Das prozentuale Stiftungswachstum ist dort am höchsten. Vor allem international ausgerichtete Stiftungen siedeln sich in der Region an (Eckhardt et al. 2016, S. 3). Wegen der positiven Rahmenbedingungen ist auch in Zukunft ist mit einer hohen Zahl an jährlichen Stiftungsgründungen zu rechnen. Auf Grund der fehlenden Transparenz des Schweizer und Deutschen Stiftungswesen lässt sich nicht eindeutig bestimmen über wieviel Vermögen die Stiftungen insgesamt verfügen, wie viel Geld sie jährlich ausschütten und ob die sie primär fördernd oder operativ tätig sind. Auf Basis von Umfragen und Analysen der Stiftungszwecke wird in Deutschland geschätzt, dass ca. 81% der Stiftungen Förderstiftungen sind und 19% ausschließlich operativ tätig sind. Von den fördernden Stiftungen geben 20% an, zusätzlich auch eigene Projekte durchzuführen (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2017). In der Schweiz wird hingegen davon ausgegangen, dass ca. zwei Drittel aller klassischen Stiftungen Förderstiftungen sind (Eckhardt et al. 2012). Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland das Gesamtvermögen von Stiftungen rund EUR 100 Mrd. (Bundesverband Deutscher Stiftungen 2017) und in der Schweiz rund CHF 70 Mrd. beträgt (Eckhardt et al. 2017). Die meisten Stiftungen sind jeweils lokal oder regional tätig. Große Förderstiftungen mit nationalem oder internationalem Wirkungskreis bilden die Ausnahme. Zusammenfassend lässt sich vorerst festhalten, dass Förderstiftungen relativ junge Institutionen mit einer langen Vorgeschichte sind. Während die ersten großen Förderstiftungen in den USA einen hohen gesellschaftlichen Einfluss hatten, lässt sich die gleiche Bedeutung in der Schweiz und in Deutschland nicht erkennen.

Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen der Fördertätigkeit

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Insbesondere in der Schweiz hat sich erst relativ spät ein Branchenbewusstsein entwickelt. Ein gestaltender Anspruch von Stiftungen ist erst in den letzten Jahren zu erkennen. Die Rahmenbedingungen für Stiftungen sind äußert positiv. Stiftungen sind ein fester Teil der Gesellschaft 2.2

Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen der Fördertätigkeit

Während der erste Teil des Kapitels vor allem das Ziel hatte, die historische Entwicklung von Stiftungen und ihrer Einbettung in die Gesellschaft aufzuzeigen, widmet sich der zweite Teil der generellen Funktionsweise einer Förderstiftung. Dabei stehen die Kernelemente der Organisation im Vordergrund. Dazu zählen u.a. der Zweck, die Organisationsstruktur, die Ausstattung sowie die Mitglieder der Organisation (Preisendörfer 2016, S. 59)19. In der Beschreibung wird neben der soziologischen, vor allem auch auf sozialpsychologische, ökonomische und juristische Literatur zurückgegriffen. Damit wird dem Rechnung getragen, dass die Organisationsforschung insgesamt ein sehr interdisziplinäres Feld darstellt (Kühl 2011, Miebach 2012; Preisendörfer 2016). Gleichzeitig wird darauf verzichtet, von Beginn an einer spezifischen Organisationstheorie zu folgen. Zum einem wird das Vorhaben, Organisationen aus einer einzelnen theoretischen Perspektive umfassend beschreibend zu können, zunehmend als unerfüllbar betrachtet (Kieser & Walgenbach 2010, S. 1), zum anderen würde die a priori Festlegung auf eine theoretische Sichtweise den Forschungsprozess unnötig eingrenzen. Vielmehr ist es das Ziel der Studie, Bausteine einer Organisationstheorie zu identifizieren, mit der sich das Handeln und die Innovationsfähigkeit von Stiftungen am besten erklären lässt. Dementsprechend werden im Folgenden Erkenntnisse aus einer rationalen, natürlichen und offenen Perspektive auf Organisationen aufgenommen (Scott & Davis 2015). Gegliedert sind die Ausführungen nach dem Prozess der Gründung und dem Aufbau einer Stiftung. 2.2.1

Motivation der Stiftungsgründung

Am Anfang jeder Stiftung steht der Wille einer Person, ein Vermögen einem bestimmten Zweck zu widmen. Sie gibt dieses Vermögen für immer weg und hat keine Möglichkeit, die in die Stiftung eingebrachten Werte in das eigene Eigentum zurückzuführen. Die Gabe ist unwiderruflich. Das Vermögen kann im Anschluss nur noch im Sinne des Zwecks verwendet werden. 19 Die Stiftung hat keine klassischen Mitglieder im Sinne eines Vereins. Daher wird im Folgenden von Stiftungsvertretern gesprochen. Dies sind der Stiftungsrat, die Geschäftsführenden und die Mitarbeiter einer Stiftung.

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Die Förderstiftung als Organisation

Der Auslöser einer Stiftungsgründung ist nicht selten mit einem besonderen Vorkommnis im Leben der Stifter verbunden. Einfache Gründe können ein plötzlicher Vermögenszuwachs, das Fehlen von Erben oder eine Empfehlung des Finanzberaters sein20. Die Entscheidung eine Stiftung zu gründen kann auch durch einen persönlichen Schicksalsschlag ausgelöst werden (Helmig & Hunziger 2006). Der Mehrheit der Stifter sind altruistische Motive nicht abzusprechen. Stifter verspüren nicht selten Empathie mit Menschen, die weniger Glück im Leben gehabt haben. Sie möchten der Gesellschaft etwas zurückgeben. Dieses Pflichtgefühl kann seinen Ursprung u.a. in religiösen Überzeugungen oder ethischen Wertvorstellungen haben. Auch wenn sich das Stiften weitestgehend von der Kirche gelöst hat, sind religiöse Überzeugen nicht aus der Stiftungswelt verschwunden. Mit dem Stiften können Menschen ihre Verbundenheit mit einer Institution, einer Region oder mit einem bestimmten Thema zum Ausdruck bringen. Das Stiften beinhaltet neben ethischen auch expressive und gemeinschaftsbezogene Motive (vgl. Adloff 2010, S. 25-33) In Umfragen wird als häufigste Ursache der Stiftungsgründung Verantwortungsbewusstsein geäußert sowie die Wünsche, sich für die Gesellschaft zu engagieren oder einem Problem etwas entgegen setzen zu wollen (Helmig & Hunziger 2006; Leseberg & Timmer 2015). Mit der Errichtung einer Stiftung wird ein institutioneller Rahmen für das eigene gemeinnützige Engagement geschaffen. Nicht wenige Stiftungsgründer verlagern den Großteil ihrer Arbeits- oder Freizeit in die Ausgestaltung der Stiftungsaktivitäten. Die Stiftung gibt ihnen die Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu entwickeln, sich neuen Aufgabengebieten zu widmen und aktiv an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken. Vor allem gestaltungsorientierte und entwicklungsbezogene Motive sind einflussreiche Bewegründe für die Aufnahme eines freiwilligen Engagements (Kühnlein & Böhle 2002). Hinter den als Wohltätigkeit etikettierten Handlungen stehen jedoch nicht selten auch eigene Nutzenerwartungen, bzw. lauert hinter der Gabe immer auch eine „zweckrational antizipierte Reziprozitätsnorm“ (Sigmund 2000, S. 343). Mindestens kann davon ausgegangen werden, dass sich Stifter Dankbarkeit und Anerkennung für ihre Gabe erhoffen. Weiterhing zeigt sich der Wunsch, für die Ewigkeit in Erinnerung zu bleiben an dem Usus der meisten Stifter, die neu gegründete Organisation nach ihrem eigenen Namen zu benennen. Die gemeinwohlorientierten Aktivitäten der Stiftungen bleiben so mit dem Gedächtnis an den Stifter verbunden. Vielen Stiftern ist sicher eine gewisse Eitelkeit nicht abzusprechen. Die Stiftung ist zum Teil auch ein Statussymbol des eigenen Aufstiegs (Allgäuer 2008). Mit 20 Immer mehr Banken bauen ihre eigenen Beratungsabteilungen zur Gründung von Stiftungen aus. Sie versprechen sich davon die Möglichkeit höhere Beträge an die Bank zu binden und auch Gebühren über weiter Dienstleistungen zu verdienen. Am deutschen Stiftungstag finden jeweils mehrere Parallelveranstaltungen von Finanzdienstleistern statt, die um Kunden werben.

Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen der Fördertätigkeit

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der Gründung einer Stiftung erwarten sich nicht wenige einen Zuwachs an Prestige und sozialem Kapital. In manchen Gesellschaftsschichten gehört es zum guten Ton, eine eigene Stiftung gegründet zu haben (Prewitt 2003). Stiften war immer auch ein Distinktionsmerkmal der Eliten. Auf Stiftungsveranstaltungen treffen sich nicht selten Menschen gehobener Milieus, um sich an ihrer Wohltätigkeit zu erfreuen. Mit der Stiftung demonstriert ein Stifter seinen Anspruch, zur wertrationalen Eilte zu gehören (Adloff 2010, S. 369). Manche mögen das Stiften auch als symbolische und demonstrative Darstellung des eigenen Reichtums nutzen (Adloff & Sigmund 2005, S. 225). In der Geschichte wurden Stiftungen immer auch als ein Mittel genutzt, um sich das Wohlgefallen der Mächtigen zu sichern und den eigenen Reichtum zu legitimieren (Adam 2015). Ein Vorwurf, der in der Öffentlichkeit immer wieder erhoben wird, lässt sich jedoch teilweise entkräften. Dies ist die Kritik, dass Stiftungen vor allem aus steuerlichen Gründen errichtet werden. Zwar können durch die Stiftungsgründung durchaus steuerliche Vorteile in Anspruch genommen werden, das in die Stiftung eingebrachte Vermögen ist jedoch anschließend im Eigentum der Stiftung und kann nicht mehr an den Stifter zurückgeführt werden. Mit dem steuerlichen Vorteil geht der Verlust eines höheren Vermögensbetrags einher. Dementsprechend sieht Münkler (2007) auch weniger monetäre Anreize als entscheidend für Stiftungsgründungen an, sondern „das in einer Gesellschaft vorhandene Imaginationspotential attraktiver Ziele, verbunden mit der Vorstellung, dass diese bei entsprechenden Anstrengungen auch tatsächlich erreicht werden können“ (a.a.O., S. 208). Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass die Motive zur Gründung einer Stiftung vielfältiger Natur sein können. Am besten lässt sich von einem Motivbündel sprechen, bei dem altruistische und eigennützige Motive sowie wert- und zweckrationalen Überlegungen miteinander verflochten sind (Sigmund 2000). Die Gründung einer Stiftung ist Ausdruck einer persönlichen Lebensbiographie. Eine rein rationale Betrachtung der Motive, die sich nur auf den Nutzen der Stifter konzentriert, wäre in ihrer Erklärungskraft begrenzt. Vielmehr verschmelzen in der Gabe ökonomische, politische, moralische, religiöse, expressive und ästhetische Aspekte (Adloff & Sigmund 2005, S.221). Die Mehrzahl der Stifter gibt wertbezogene Motive für die Gründung einer Stiftung an (Helmig & Hunziger 2006, S. 50). Die Auseinandersetzung mit den Motiven der Stiftungsgründung wirft einen unmittelbaren Blick auf die Person des Stifters. Wurden früher Stiftungen vor allem testamentarisch gegründet, so werden heute 90% der Stiftungen zu Lebzeiten errichtet. Stifterpersönlichkeiten sind oftmals Objekt großer Bewunderung (von Schnurbein 2015). Ihr wirtschaftlicher Erfolg befördert den Eindruck, dass sie auch für soziale Probleme die richtigen Antworten haben. Manche übertragen die Risikobereitschaft und die Hartnäckigkeit, die ihnen im unternehmerischen Leben zum Erfolg verholfen haben, auf ihre Stiftungsarbeit. Für viele ist die Philanthropie ein

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Art Investment, bei dem man den Erfolg an Kennzahlen ablesen kann. Als „Philanthrocapitalists“ (Bishop & Green 2006) übertragen sie betriebswirtschaftliche Managementmethoden auf den sozialen Sektor. Sie dehnen „dabei ihre unternehmerische Erfahrungen über den Bereich der Ökonomie in andere gesellschaftliche Bereiche aus“ (Sigmund 2000, S. 344). Ihr Erfolg im bestehenden Wirtschaftssystem macht es jedoch unwahrscheinlich, dass sie sich als Kritiker des Kapitalismus, bzw. des Systems positionieren, welches ihnen zum persönlichen Erfolg verholfen hat (Prewitt 2003; Edwards 2008). Es sind aber nicht nur Unternehmer, die Stiftungen gründen, sondern Menschen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten, mit unterschiedlichen Professionen und persönlichen Lebensgeschichten. Die Stiftungsbereitschaft ist dort am höchsten, wo Besitz und Bildung zusammentreffen (Kocka 2004, S.7). Die meisten Stiftungen werden derzeit noch von Männern gegründet, der Anteil der Frauen nimmt jedoch langsam zu. Mehr als die Hälfte der Stifter in der Schweiz ist kinderlos (Helmig & Hunziker 2006). 2.2.2

Der Stiftungszweck als Kristallisationspunkt des Stifterwillens

Hat sich eine Person dafür entschieden eine Stiftung zu gründen, muss sie diesen Willen unter dem Beisein eines Notars öffentlich beurkunden. Der Wille des Stifters findet schließlich seinen Kristallisationspunkt in dem Stiftungszweck, welcher in der Stiftungsurkunde festgehalten wird (Jakob 2014, S. 60). Die Formulierung des Stiftungszwecks ist essentieller Bestandteil des Gründungsprozesses. Die Handlungsfähigkeit der Stiftung ist zu großen Teilen durch die Freiheit bestimmt, die ihr laut dem Zweckbeschreibung zugesprochen wird. Aus dem Schweizer Privatrecht und der darin verankerten Privatautonomie folgt die Stiftungsfreiheit. Auch in Deutschland sind dem Stifter keine Beschränkungen bei der Formulierung des Stiftungszwecks gesetzt. Er darf nur nicht widerrechtlich oder unsittlich sein. Der Wille des Stifters wird in der Form der Zweckbeschreibung institutionalisiert. Eine Änderung ist nur unter sehr strengen Ausnahmen möglich. Der Stifter kann so seinen Willen über sein Leben hinaus festschreiben. Aus diesem Grund wird oft auch von der „Diktatur der toten Hand“ (Münkler 2007, S. 200) gesprochen. Entgegen anderer Organisationsformen ist die Stiftung, dem im Zweck formulierten Handlungsrahmen auf Ewigkeit verpflichtet21. Die Bindung an den bei der Gründung niedergelegten Stifterwillen sieht Strachwitz (2010, S. 34) daher auch als definitorisches Merkmal der Stiftung an sich. 21 Erste Forschungsergebnisse zeigen, dass bisher von dem Zweckänderungsvorbehalt bisher noch kein einziger Stifter gebraucht gemacht hat. Vielmehr wird der Zweckänderungsvorbehalt von Gründer als Vorsichtsmaßnahme in die Statuten aufgenommen. Wenn ein Stifter jedoch so weitsichtig handelt, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass der Stiftungszweck von vornherein genügend weit formuliert worden ist, so dass keine späteren Anpassungen nötig sind (Eckhardt et al. 2017).

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Aus der Perpetuierung des Willens ergibt sich eine Reihe von Herausforderungen. Bei der Formulierung des Zwecks muss der Stifter Überlegungen vornehmen, wie spezifisch er die Vorgaben für die Tätigkeiten der Stiftung vorgebgeben möchte. Der Zweck ist die oberste Zielbeschreibung einer Organisation (Kühl 2011, S. 54). Auf Grund seiner konstitutiven Bedeutung für die weitere Ausgestaltung der Stiftung hat der Stiftungszweck eine besondere Tragweite. Stiftungen sind gerade nicht dem wechselnden Willen von Mitgliedern unterworfen, sondern ihre innere Organisation ist von externen und für die Mitglieder nicht veränderbaren Vorgaben bestimmt (Sigmund 2000, S. 103). Der Stifter und der Stiftungsrat erfüllen theoretisch die Funktion reiner Vollzugsorgane, die nur Aktivitäten anordnen oder zulassen dürfen, die innerhalb der Zweckbeschreibung fallen. In der Realität lassen sich die unterschiedlichsten Formulierungen von Stiftungszwecken finden. Sie reichen von sehr spezifischen Angaben bis zu allgemeinen Beschreibungen, die so vage sind, dass der Stiftung theoretisch nur wenige Grenzen gesetzt sind22. Bereits erwähnt wurden die offenen Formulierungen der Rockefeller Foundation und der Carnegie Corporation. Ein weiteres Beispiel ist die Basler Christoph Merian Stiftung. Sie folgte dem Zweck der „Linderung der Noth [sic] und des Unglückes sowie der Förderung des Wohles der Menschen“. Die Organe der Stiftung haben bei der Zweckumsetzung viele Freiheiten. Konträr dazu stehen sehr enge Formulierungen, wie das Beispiel des Stiftungszwecks der Elisabeth Stöckli-Imbach Stiftung verdeutlicht. Dieser lautet: „Die Stiftung bezweckt die finanzielle Unterstützung der nachfolgend aufgeführten Institutionen: a) Krebsliga Schweiz, Bern, b) AIDS-Hilfe Schweiz, Zürich, c) Schweizerischer Blinden und Sehbehindertenverband (SBV), Bern, d) Stiftung Schweizerische Schule für Blindenführhunde, Allschwil und e) Tierheim Pfötli, Winkel“. In diesem Fall legt die Zweckbeschreibung eindeutig fest, welchen Organisationen Geld gespendet werden darf. Der Stiftungsrat hat zwar immer noch die Möglichkeit zu entscheiden, welche Art von Projekten er fördern möchte, die Destinatäre kann 22 Auf Grund der Stifterfreiheit existieren auch Stiftungszwecke, die auf den ersten Blick etwas befremdlich erscheinen. Die schweizerische Peaceful Uses of Space for all Humanity Foundation (PUSH), folgt z.B. folgendem Zweck: „Förderung und Organisation von Aktivitäten im Weltraum, welche dem Wohle der Menschheit dienen. Die Stiftung fördert und organisiert zu diesem Zwecke auch ergänzende erdgebundene Aktivitäten sowie neue Finanzierungs- und Managementmethoden, die Weltraumaktivitäten zu erleichtern vermögen. Die Stiftung kann zu diesem Zweck Grundstücke erwerben und veräussern sowie Aktivitäten und Unternehmungen fördern und unterstützen.“ Die Cosmic Truth Foundation hingegen „bezweckt das Bekanntmachen, die weltweite Aufklärung und Information über das Wissen und die Erforschung der kosmischen Wahrheit, insbesondere der kosmischen Ernährungsmöglichkeiten, sowie die Erläuterung der damit verbundenen Heilungsmöglichkeiten (Krebs, Parkinsonsche Krankheit, Querschnittlähmung sowie sämtlicher heute heilbaren und unheilbaren Krankheiten“.

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er jedoch nicht frei wählen. Wenn Stiftungswecke sehr eng formuliert werden, ergibt sich das Risiko der Erstarrung der Organisation. Zwar kann ein Stifter damit sicherstellen, dass sein Wille für immer erfüllt wird, ein zu enger Stiftungszweck kann aber auch dazu führen, dass eine Stiftung von der Zeit überholt wird. Die institutionelle Anpassungsfähigkeit der Stiftung wird damit begrenzt (Anheier & Leat 2006, S. 47). Eine Untersuchung von über 8.000 Stiftungen in der Deutschschweiz hat gezeigt, dass ca. 80% aller Stiftungen einem spezifischen Zweck nachkommen. Nur 20% der Stiftungen erwähnen mehrere Tätigkeitsfelder oder lassen große Freiräume in der Auslegung zu (Reynolds 2015). Teilt man die Zweckbeschreibungen nach der International Classification of Nonprofit Organizations (ICNPO) zeigt sich, dass 81.9% aller in der Schweiz ansässigen klassischen Stiftungen in den Bereichen Kultur & Freizeit, Sozialwesen sowie Bildung & Forschung tätig sind (Eckhardt et al. 2017). Stiftungszwecke sind jedoch nicht vollkommen statisch. Es ist vielmehr die Pflicht des Stiftungsrats, eine dynamische Interpretation des Stifterwillens vorzunehmen und die Aktivtäten der Stiftung an sich ändernde gesellschaftliche Umstände anzupassen (Jakob 2014, S. 60). Besonders offene Formulierungen lassen Raum zur Interpretation. Im Stiftungszweck lässt sich auch der Anspruch festhalten, innovativ tätig zu sein und besonders neuartigen Projekten Vorrang in der Förderung zu geben. Je länger der Stifter verstorben ist, umso eher beruhen die Entscheidungen auf Mythen und Anekdoten über seine Persönlichkeit. Mit der Zeit bringen Stiftungsräte und Mitarbeiter ihre eigenen Interessen verstärkt in die Stiftung ein. Insbesondere wenn keiner der Stiftungsräte den Stifter persönlich gekannt hat, löst sich die Arbeit der Stiftung immer mehr von seinem Vermächtnis. Die Berufung auf den Stifter hat dann vor allem symbolischen Charakter (vgl. Frumkin 2006, S. 98-100)23. Die Überwachung der Umsetzung des Stifterwillens kommt den Aufsichtsbehörden zu. In der Schweiz existieren verschiedene Ebenen der Aufsicht. Kleine und ausschließlich lokal tätige Stiftungen werden von den Gemeinden beaufsichtigt, in denen die Stiftungen domiziliert sind. Die nächste Ebene sind die kantonalen Aufsichten, die vielfach in regionale Behörden für mehre Kantone (z.B. Ostschweizer Stiftungsaufsicht) zusammengeschlossen sind. Die eidgenössische Stiftungsaufsicht ist die nationale Aufsichtsbehörde. Sie nimmt die Bundesaufsicht über gemeinnützige Stiftungen wahr, die gesamtschweizerisch und international tätig

23 Prewitt (2003, S. 333) nennt hierfür ein interessantes Beispiel, das sich weniger auf den Zweck als auf die Anlagepolitik des Stiftungsvermögens bezieht. So hat sich die Rockefeller Foundation entschlossen keine Investitionen in Unternehmen zu tätigen, die im Zusammenhang mit fossilen Brennstoffen stehen. Der Stiftungsrat begründet die Entscheidung so, dass Rockefeller, auch wenn er sein Vermögen mit Öl verdient hat, ein weit denkender Unternehmer war, der die Gefahr des Klimawandels erkannt und dementsprechend gehandelt hätte.

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sind24. Die Arbeit der Aufsichten beruht auf dem Artikel 84 Absatz 2 des ZGB, der vorschreibt, dass die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen haben, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäß verwendet wird. Wie viel Raum den Stiftungsräten zur Interpretation des Stifterwillens gegeben wird, hängt schlussendlich von einem Dialog mit den Aufsichtsbehörden ab. Erfahrungsberichte schildern sehr unterschiedliche Handhabungen. Während manche Stiftungsbehörden sich sehr kollaborativ verhalten, zeigen sich andere eher restriktiv. Ein Beamter kann die Einhaltung des Stifterwillens wortwörtlich schützen wollen, während ein anderer Sachbearbeiter einen größeren Handlungsspielraum zulässt. In neueren Managementbüchern zu Förderstiftungen wird vorgeschlagen, den Stiftungszweck relativ weit zu formulieren und spezifischer Vorgaben in der Form von Reglementen zu verfassen (von Schnurbein & Timmer 2015, S. 35). Entgegen den Stiftungsstatuten, welche die Zweckbeschreibung und verbindliche Vorgaben über die Organisation und Tätigkeiten der Stiftung enthalten, sind diese leichter zu ändern. Auch wenn der Stifter ein bestimmtes Ansinnen im Kopf hat, welches er langfristig fördern möchte, sollte späteren Stiftungsverwaltern genügend Interpretationsspielraum gegeben werden, die Aktivitäten der Stiftung an den gesellschaftlichen Wandel anzupassen. Der Stiftungszweck bestimmt auch darüber, ob eine Stiftung von den Steuerbehörden als gemeinnützig anerkannt wird. Maßgeblich dafür ist, dass die im Zweck formulierten Aktivitäten im Allgemeininteresse liegen. Dies können z.B. kulturelle, ökologische, wissenschaftliche, humanitäre oder gesundheitsbezogene Zielsetzungen sein. Die Aktivitäten der Stiftung müssen dabei ausschließlich auf öffentlichen Aufgaben oder dem Wohl Dritter ausgerichtet sein und dürfen keinen Erwerbszwecken folgen25. Gemäß seiner zentralen Bedeutung lässt sich der Stiftungszweck als das Herzstück der Stiftung bezeichnen (Jakob 2014, S. 13). Der Stifter kann darin festlegen, welchen Gebieten sich die Stiftung auf Ewigkeit widmen soll. Er ist einer der wich-

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Jakob (2014) verweist zudem darauf hin, dass potentielle Destinatäre oder nicht berücksichtige Erben die Stiftungsaktivitäten überwachen. Die meisten Rechtsstreite beruhen auf dem Vorwurf, dass die Stiftungsräte nicht im Sinne des Stiftungszwecks handeln. 25 Während das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht relativ komplex ist, sind die Vorgaben in der Schweiz sehr einfach. Die Grundlage zur Entscheidung ist das von der Eidgenössischen Steuerverwaltung 1994 publizierte Kreisschreiben 12. Allerdings haben die kantonalen Steuerbehörden Spielraum in der Interpretation, welche Aktivitäten im Allgemeininteresse liegen. Es kann vorkommen, dass eine Stiftung in einem Kanton als gemeinnützig anerkannt ist und in einem anderen nicht. Dies führt dazu, dass Stiftungen im Gründungsprozess mehrere Voranfragen an kantonale Steuerbehörden stellen, um den Sitz der Stiftung zu bestimmen.

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tigsten Faktoren, die den Handlungsrahmen der Stiftung vorgeben. Damit unterscheidet sich die Stiftung maßgeblich von anderen Organisationsformen, die sich jederzeit neuen Geschäfts- oder Betätigungsfeldern widmen können26. 2.2.3

Das Stiftungsvermögen

Neben dem Stiftungszweck ist das in die Stiftung eingebrachte Stiftungsvermögen ein weiterer konstituierender Handlungsfaktor. Als materielle Grundlage ist das Vermögen die „conditio sine qua non“ (von Schnurbein & Timmer 2015, S. 34) für die Existenz der Stiftung. Ohne die dauerhafte Widmung eines Vermögens kann eine Stiftung nicht gegründet werden. Der Gesetzgeber schreibt keine Mindestvermögen zur Gründung einer Stiftung vor, die Aufsichtsbehörden verlangen in der Praxis jedoch ein Mindestkapital von CHF 50.000. Die Mehrheit der Stiftungen wird mit einem relativ geringen Vermögen bei der Gründung ausgestattet. Ein Grund dafür ist, dass die Notariatskosten bei der Errichtung einer Stiftung prozentual zum eingebrachten Kapital berechnet werden. Stifter wählen zum Teil daher einen niedrigen Anfangsbetrag, um die administrativen Kosten gering zu halten. Zudem existiert in der Schweiz im Gegensatz zu Deutschland keine Möglichkeit, einen Spendenvortrag auf spätere Veranlagungsperioden vorzunehmen. Das Stiftungsvermögen wird schrittweise erhöht. Teilt man den geschätzten Betrag von CHF 70 Mrd. des gesamten Stiftungsvermögens durch die Anzahl aller in der Schweiz ansässigen klassischen Stiftungen, errechnet sich ein Durchschnittwert von CHF 6,2 Mio. pro Stiftung. Diese Zahl ist jedoch nicht besonders aussagekräftig. Die Vermögen sind sehr ungleich verteilt. In der Schweiz verfügt ein Viertel aller bestehenden Stiftungen über ein Vermögen, das unter CHF 100.000 liegt. Weniger als die Hälfte besitzen ein Stiftungsvermögen, das den Betrag von CHF 1 Mio. übersteigt. Über ein Kapital von über CHF 100 Mio. verfügen nicht einmal 1% aller Stiftungen (von Schurbein & Bethmann 2010). Der Großteil des Kapitals verteilt sich auf wenige, sehr große Stiftungen. Ein Beispiel ist die in Zürich ansässige Jacobs Foundation, deren Stiftungsvermögen am 31.12.2016 den Wert von CHF 4,9 Mrd. aufwies (Jacobs Foundation 2017, S. 34). Heute sind größere Stiftungsvermögen vor allem aus einer Mischung aus Aktien, Obligationen und Immobilien zusammengesetzt, die von professionellen Finanzdienstleistern verwaltet werden. Grundsätzlich kann jedes transferierbares Ei-

26 Ein Vogelschutzverein kann z.B. durch Mehrheitsbeschluss bestimmen, sich in der Zukunft der Pflege von Oldtimern zu widmen. Das Unternehmen Nokia war zuerst ein Holzstoffhersteller, bevor es sich zu einem Telekommunikationskonzern gewandelt hat.

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gentum in die Stiftung eingebracht werden. Manchmal besteht das Stiftungsvermögen z.B. auch aus einer Kunstsammlung, Patenten oder Rechte an Medien. Die Struktur des Stiftungsvermögens muss allerdings erlauben, die im Zweck formulierten Aktivitäten ausüben zu können. Der Stifter kann über die Verwendung des Vermögens Angaben in den Stiftungsstatuten oder in den Reglementen treffen. Im Regelfall muss der Wert, des in die Stiftung eingebrachten Vermögens erhalten bleiben. Dies bedeutet, dass Stiftungen ihre Tätigkeiten aus den Ausschüttungen ihres Vermögens finanzieren. Eine Stiftung mit einem Vermögen von CHF 1 Mio. verfügt bei einer angenommenen Rendite von 5% daher gerade einmal über ein Jahresbudget von CHF 50.000. Dementsprechend liegt der Median der durchschnittlichen Förderbeträge Schweizer Stiftungen bei CHF 15.000, wobei fast ein Viertel weniger als CHF 4.000 pro Förderprojekt vergibt (Lichtsteiner & Lutz 2008). Auf der anderen Seite stehen große Förderbeträge in Millionenhöhe, die von großen Stiftungen vor allem an Hochschulen vergeben werden. Eine Mindestausschüttungsquote wie in den USA existiert in der Schweiz nicht. Allerdings muss eine Stiftung zeigen, dass sie ihren Zweck aktiv verfolgt. Die Thesaurierung des Stiftungsvermögens ist nicht zulässig. Ein grundsätzliches Problem der Förderstiftung ist, dass sie von den Entwicklungen auf dem Finanzmarkt abhängig ist. Die Existenz eines Vermögens, aus dessen Erträgen eine vernünftige Fördertätigkeit möglich wird, ist bei vielen Kleinststiftungen eine Fiktion (Adloff 2004, S. 71). Es ist daher davon auszugehen, dass expressive Stiftermotive bei der Gründung kleiner Stiftungen dominanter sind, als das Ziel einer effektiven Umsetzung des Stiftungszwecks (Adloff 2010, S. 363). Zwar können auch mit kleineren Beträgen wichtige Entwicklungen ausgelöst werden, in vielen Fällen ist der zur Verfügung stehende Förderetat jedoch um ein vielfaches kleiner als es die Lösung eines Problems verlangen würde. Bei vielen Kleinststiftungen stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre sie zu liquidieren oder mit anderen Stiftungen zu fusionieren. Zum Teil lässt sich ein kleines Stiftungskapital durch ein hohes ehrenamtliches Engagement der Stiftungsorgane kompensieren, aber auch dieses hat seine Grenzen. Daher wird vermehrt gefordert, vor jeder Stiftungsgründung zu überprüfen, ob der intendierte gesellschaftliche Nutzen nicht besser mit Spenden oder Zustiftungen umgesetzt werden könnte (Sprecher et al. 2015, S. 28). In diesem Sinn ist das oftmals vorgebrachte Argument, dass Stiftungen keinen Marktkräften unterliegen, mit Vorsicht zu beurteilen. Erstens hängt die Anzahl der Neugründungen von Stiftungen vom gesamtwirtschaftlichen Klima und dem verfügbaren freien Vermögen ab. Zweitens sind die jährlichen Förderbudgets direkt von Entwicklungen auf den Finanzmärkten abhängig. Im Vergleich zu Unternehmen haben Stiftungen keine Möglichkeit, neue Geschäftsfelder aufzubauen und aus eigener Kraft die Verluste auf den Finanzmärkten zu kompensieren. Neben der nominellen Erhaltung des Stiftungsvermögens können Stifter in der Stiftungsurkunde auch festlegen, dass das Stiftungsvermögen reduziert oder

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aufgebraucht werden darf. In diesem Fall spricht mach von einer Verbrauchsstiftung (von Schnurbein & Timmer 2015, S. 35). Das Modell findet langsam mehr Anhänger. Die Bill & Melinda Gates Stiftung ist das prominenteste Beispiel. Trotz mehrerer, zum Teil milliardenschwerer Zustiftungen ist es das Ziel der Stiftung, ihr gesamtes Kapital in den nächsten 50 Jahren aufzubrauchen. Auch in der Schweiz finden sich Stiftungen, die dem Modell der Verbrauchsstiftung offen gegenüberstehen. Die Befürworter des Modells argumentieren, dass es viel wichtiger ist, die gesellschaftlichen Probleme in der Gegenwart zu lösen, anstatt mit kleineren Beträgen für die Ewigkeit deren Symptome zu lindern. Anstatt des Kapitalerhalts wird die Wirkungsorientierung in den Vordergrund gestellt (Egger 2013, S. 104). Durch die begrenzte Lebenszeit vermindert sich die Gefahr der Versteinerung der Stiftung. Die Möglichkeit des Vermögensverbrauchs muss jedoch in den Stiftungsstatuten festgelegt sein. Eine Umwandlung bestehender Ewigkeitsstiftungen in Verbrauchsstiftungen ist nur in sehr seltenen Fällen möglich. Skeptisch gegenüber der Ausstrahlungskraft zeitlich begrenzter Stiftungsmodelle äußert sich Prewitt (2003, S. 233). Er sieht das Modell als wenig attraktiv für Gründer an. Schließlich verblasst mit dem Ende der Stiftung auch die Erinnerung an den Stifter. Die Verbrauchsstiftung steht somit dem seit der Antike verankerten Memorialprinzip der Stiftung gegenüber. Auf Grund der anhaltenden Niedrigzinsphase wird in den letzten Jahren das „Mission Related Investment“ (MRI) stärker diskutiert. Die Idee dahinter ist das Stiftungsvermögen im Sinne des Zwecks wirksam anzulegen (Salamon 2014; Fritz & von Schnurbein 2015). In den meisten Stiftungen sind die Förderstrategien von der Anlagestrategie des Vermögens getrennt, soweit spezifische Strategien überhaupt existieren. Dies kann u.a. dazu führen, dass z.B. Umweltstiftungen über Anlagefonds Anteile an Atomenergieversorgern besitzen oder Stiftungen, die sich für den Frieden einsetzen, unbewusst Aktien von Waffenherstellern im Portfolio halten. In der einfachsten Stufe von MRI versuchen Stiftungen all diejenigen Investitionen zu vermeiden, die gegen ihren Zweck oder ethische Grundlinien Verstoßen. Sie arbeiten mit Ausschlusskriterien und weisen die Vermögensverwalter an, z.B. keine Anlagen in Unternehmen in Bereichen wie Tabak, Waffenproduktion oder Erdölförderung zu tätigen. Eine fortgeschrittene Strategie ist die Suche nach Investitionsmöglichkeiten, welche den Stiftungszweck direkt unterstützen. Ein Beispiel wäre eine Umweltstiftung, die in nachhaltige Energieproduzenten investiert. Weitere Möglichkeiten sind die Vergabe von niedrigzinsigen Krediten aus dem Stiftungsvermögen oder direkte Investition in soziale Unternehmen. Solche Geschäfte werden in der Schweiz allerdings von den Stiftungsaufsichten und Steuerbehörden

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sehr skeptisch betrachtet27. Die Verbreitung von strategischem MRI ist in der Schweiz noch gering, auch wenn ethische Gesichtspunkte in der Kapitalanlage immer wichtiger werden. Verschiedene Banken haben sich darauf spezialisiert, ethische oder ökologisch nachhaltige Fonds anzubieten (Fritz & von Schnurbein 2015). Mit der Widmung des Vermögens erhält die Stiftung ihre Gestalt. Die Hauptquelle zur Finanzierung ihrer Aktivitäten sind die Ausschüttungen aus dem Stiftungskapital. Allerdings wäre es verkürzt, das Vermögen einer Stiftung ausschließlich auf ihre finanzielle Stärke zu reduzieren. In letzter Zeit wird verstärkt argumentiert, dass Stiftungen neben dem ökonomischen, auch über soziales, kulturelles und symbolisches Kapital verfügen, welches sie im Sinne des Stiftungszwecks einsetzen können (Schröer & Sigmund 2012, Thümler & Böglein 2012). In wie fern Stiftungen auf diese Vermögen zurückgreifen und welchen Einfluss die Vermögensstruktur auf die Ausrichtung und Innovationkraft einer Stiftung hat, wurde bisher noch nicht systematisch untersucht. Dies gilt es u.a. in dieser Untersuchung zu überprüfen. 2.2.4

Die Governance der Förderstiftung

Stiftungen entstehen durch ihre öffentliche Beurkundung und Eintragung ins Handelsregister. Die Statuten beinhalten die Willenserklärung zur Errichtung der Stiftung, die Bezeichnung des Anfangsvermögens sowie die Beschreibung des Stiftungszwecks. Weiterhin werden die Organe der Stiftung und die Art der Verwaltung durch die Stiftungsurkunde festgestellt. Dem Stifter steht es frei, zusätzliche Regelungen in die Statuten aufzunehmen (Sprecher & von Salis-Lütolf 1999). Die Stiftungsstatuten lassen sich als die Verfassung der Stiftung bezeichnen (von Schnurbein & Timmer 2015, S. 36). Alle dort gemachten Regelungen sind zwingend einzuhalten. Die Statuten von Stiftungen unterscheiden sich damit maßgeblich von denen eines Vereins, der seine Statuten jederzeit änderbar kann. Weitere Handlungsrichtlinien werden oftmals in der Form von Reglementen festgehalten, die einfacher verändert werden können. Manche Stiftungen entscheiden sich auch die grundsätzlichen Werte der Stiftung in einem Leitbild zu beschreiben. Zusammen bilden die Dokumente eine Art Orientierungsrahmen für das Treffen von Entscheidungen, die in den Augen der Organisationsmitglieder sinnvoll erscheinen (Weik 1995). Grundsätzlich steht es der Stiftung frei, wie sie ihren Zweck umsetzen möchte. Im Gesetz finden sich keine Vorgaben darüber, wie eine Stiftung geführt werden muss. Diese Lücke wird von verschiedenen Managementlehrbüchern und 27 In den USA gibt es hingegen das Konstrukt der Program Related Investments (PRI). Dies sind von der Steuerbehörde genehmigte Investitionen in gemeinnützige Organisationen mit der Möglichkeit finanzielle Rückflüsse zu generieren.

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Konzepten strategischer Philanthropie ausgefüllt, auf die im vierten Kapitel näher eingegangen wird. Vorschläge zur Ausgestaltung der formellen Struktur einer Stiftung werden vor allem in juristischen Abhandlungen oder in spezifischen Governance Codes für Stiftungen getroffen. Unter Governance wird die Gestaltung der Leitung- und Aufsichtsfunktion einer Organisation verstanden (von Schnurbein & Stöckli 2013). Maßgebliche Governance Codes sind z.B. die „Principles of Good Practices“ des European Foundation Centre (2012), die „Grundsätze der guten Stiftungspraxis“ des Bundesverbands Deutscher Stiftungen (2006) und der „Swiss Foundation Code“ (Sprecher et al. 2015). Bei allen drei Governance Grundsätzen handelt sich um Handlungsempfehlungen, die von den Stiftungsverbänden eigenständig entwickelt wurden. Keiner der Grundsätze ist rechtlich bindend. Sie stellen jedoch so etwas wie normative Erwartungshaltungen an eine rationale oder gute Stiftungsführung dar. Organisationen tendieren dazu, solchen Normen zu folgen, um als legitime Akteure angesehen zu werden (Meyer & Rowan 1977). Sie gestalten ihre Struktur entsprechend den Anforderungen und Erwartungen aus der Umwelt. Dieser Prozess wird in der neo-institutionalistischen Organisationstheorie als normativer Isomorphismus bezeichnet (DiMaggio & Powell 1983)28. Stiftungen werden oftmals mit dieser Theorie in Verbindung gebracht, da manche Beobachter das Streben nach Legitimität als einen der wichtigsten Erklärungsgründe für das Verhalten von Stiftungen sehen (Aksartova 2003; Frumkin 2006). Allerdings weist die Theorie auch daraufhin, dass in vielen Fällen Organisationen nur vorgeben, einer bestimmten Norm zu folgen, in der Realität dies aber nicht, oder nur sehr eingeschränkt tun. Brunsson (1989) spricht in diesem Fall von „organisierter Heuchelei“29. Dies würde bedeuten, dass Stiftungen nach außen vorgeben, den Grundsätzen der Governance Codes stringent zu folgen, diese aber intern nur selektiv umsetzen. Stiftungen ließen sich nach dieser Sichtweise als Bekenntnismaschinen bezeichnen, die ihre äußeren Fassaden reich schmücken, um der Außenwelt zu gefallen. In Wirklichkeit sind sie aber viel unorganisierter, als es den Anschein macht (vgl. Kühl 2011, S. 59). Die Nichtbefolgung aller Umwelterwartungen wird in der Theorie nicht als grundsätzliches Problem gesehen, sondern im Gegenteil: Organisationen erhalten so ihre Funktionsfähigkeit. Denn nicht alle gesellschaftlichen Erwartungen tragen tatsächlich zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit einer Organisation bei (Meyer

28 Weitere Formen des Isomorphismus sind der koerzive und der mimetische Isomorphismus. Im ersten Fall müssen Organisationen sich Gesetzen und anderen Regelungen zwangsweise anpassen. Der mimetische Isomorphismus tritt ein, wenn sich Organisationen an Praktiken von ähnlichen Organisationen orientieren und diese nachahmen. Alle drei Prozesse führen dazu, dass sich Organisationen in einem Feld (z.B. Förderstiftungen in einer Region/Land) immer ähnlicher werden. 29 Im englischen Original ist der Titel des Buchs The Organization of Hypocrisy: Talk, Decisions and Actions in Organizations. In der deutschen Übersetzung wird Hypocrisy mit Heuchelei übersetzt.

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& Rowan 1977). Die Governance Codes sind demensprechend ein Orientierungsrahmen. Die Autoren der verschiedenen Codes weisen selbst darauf hin, dass es sich um Empfehlungen handelt, die gegeben falls an die Realität der jeweiligen Stiftungen angepasst werden müssen. Während die Grundsätze der guten Stiftungspraxis des Bundesverbands noch sehr allgemein gehalten sind, so beinhalten die Principles of Good Practices des EFC konkretere Vorschläge zur Ausgestaltung der Governance von Förderstiftungen, die in „fundamentals“ und „recommendations“ unterteilt sind. Der Swiss Foundation Code ist das umfassendste Werk unter den Governance Kodizes. Er ist im November 2015 in der dritten Ausgabe erschienen. Federführend in der Formulierung war eine von SwissFoundations eingesetzte Arbeitsgruppe (Sprecher et al. 2015). Als oberste normative Orientierungsebene sieht der Swiss Foundation Code drei Grundsätze vor: Erstens soll eine Stiftung den Zweck auf möglichst effiziente und wirksame Weise zeitgemäß umsetzen. Zweitens soll das interne System der Stiftung nach dem Prinzip der Checks & Balances austariert sein. Dies bedeutet, dass für alle wichtigen Entscheidungen und Abläufe ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Führung und Kontrolle eingehalten wird. Drittens sollen Stiftungen möglichst transparent über ihre Grundlagen, Ziele, Strukturen und Tätigkeiten kommunizieren (a.a.O. S. 14-16.). Die drei Grundsätze werden in dem Code unter den Kapiteln Gründung, Führung, Förderung und Finanzen in 29 Empfehlungen detailliert ausgelegt. Eine Studie über die Aufnahme des Codes in der Wissenschaft und Praxis bescheinigt, dass der Code sich als institutioneller Ordnungsrahmen im Schweizer Stiftungssektor etabliert hat und auch über die Landesgrenzen hinaus rezipiert wird. Zugleich wird festgehalten, dass der Code nach einer Standardisierung der Governance von Stiftungen in Form von bewährten Verhaltensmustern strebt. Trotz seines selbstregulierenden und freiwilligen Charakters, wurde der Swiss Foundations Code auch schon in der Gerichtspraxis als Referenz herangezogen (Jakob & Uhl 2015). Im Sinne der Fragestellungen dieser Studie erscheint es besonders interessant, dass der Code ausdrücklich fordert, dass Stiftungen sich als Innovatoren positionieren müssen, um ihrer unabhängigen Stelle in der Gesellschaft gerecht zu werden (Sprecher et al. 2015, S. 18-19). Die Innovationsorientierung wird von den Verfassern quasi erwartet und als rationales Verhalten von Stiftungen angesehen. Die tatsächliche Ausgestaltung der Stiftung wird von Personen vorgenommen, die in ihrem Namen handeln. Sie hauchen der formellen Struktur erst ihr Leben ein. Das wichtigste Organ in einer Stiftung ist der Stiftungsrat. Es ist das einzige obligatorische Gremium. Die generellen Aufgaben der Stiftungsräte sind auf einer übergeordneten Ebene durch die rechtlich-regulatorischen Vorgaben bestimmt. Das Gremium ist auf Grund der liberal gefassten Gesetzgebung sehr frei in der organisatorischen und strategischen Ausgestaltung der Stiftung. In der Praxis wird lediglich verlangt, dass der Stiftungsrat aus mindestens drei natürlichen Personen

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oder Vertretern von juristischen Personen bestehen muss, wobei mind. ein zeichnungsberechtigtes Mitglied Schweizer oder europäisches Bürgerrecht besitzen und seinen Wohnsitz in der Schweiz haben muss. Zu den vorgeschriebenen Aufgaben gehören die Genehmigung eines Jahresbudgets, die Verabschiedung eines Jahresbzw. Tätigkeitsberichts, die Wahl einer Revisionsstelle sowie die Ausgestaltung des Rechnungswesens. Die ursprünglichen Mitglieder des Stiftungsrates werden vom Stifter bestimmt. Das Gremium arbeitet in der Regel ehrenamtlich, wobei moderate Aufwandsentschädigungen erlaubt sind30. Die wenigsten Stiftungen haben eine eigene Geschäftsstelle. In diesen Fällen ist der Stiftungsrat gleichzeitig für alle operativen Aufgaben der Stiftung verantwortlich. Er kann administrative Belange im Mandat von speziellen Dienstleistern, wie Rechtsanwaltskanzleien und Banken besorgen lassen. Die Gesamtverantwortung kann der Stiftungsrat aber nicht abgeben (Baumann Lorant 2009). In der Praxis sind die wesentlichen Aufgaben des Stiftungsrats, die strategische Führung der Stiftung wahrzunehmen und Zielvorgaben für die Erreichung des Zwecks zu formulieren. Für die organisatorische Leitung der Stiftung werden oftmals Organisations- bzw. Geschäftsreglemente erlassen. Dadurch wird die formale Struktur festgelegt, wie die Stiftung nach den offiziellen Vorgaben sein soll (vgl. Preisendörfer 2016, S. 69). In manchen Fällen werden innerhalb des Stiftungsrats weitere Untergremien eingerichtet. Beispiele sind ein Präsidialausschuss, Finanzausschuss, temporäre Fachausschüsse oder nach Handlungsfeldern organisierte Förderausschüsse (Bethmann et al. 2014). Viele Gründer präsidieren den Stiftungsrat zu Lebzeiten und beteiligen sich so aktiv an dem Aufbau der Stiftung. Dem Präsidenten werden normalerweise besondere Rechte eingeräumt. Falls es zu Pattentscheidungen im Stiftungsrat kommt, hat er das letzte Wort. Dem Stiftungsrat obliegt es, periodisch zu überprüfen, ob der Stiftungszweck effizient und wirksam umgesetzt wird. In diesem Zusammenhang ist eine der wichtigsten Aufgaben des Stiftungsrats, Entscheidungen über die Vergabe der Fördermittel zu treffen (vgl. Sprecher et al. 2015, S. 39-65). Idealtypischer Weise sollte sich die Besetzung des Stiftungsrats nach den Kompetenzen richten, die für eine wirksame Umsetzung des Stiftungszwecks nötig sind (Kennedy et al. 2003). Die Mitglieder des Stiftungsrats müssen dazu fähig sein, ihre Aufsichtsfunktion zu erfüllen und die effektive Umsetzung des Stiftungszwecks sicherzustellen. Auf funktionaler Ebene müssen sie über ein Mindestmaß an ökonomischer und juristischer Kompetenz verfügen, um die rechtlich-regulatorischen Vorgabe erfüllen zu können. Aus diesem Grund sind in vielen Stiftungsräten Rechtsanwälte und Finanzberater vertreten.

30 Die Steuerbehörden sprechen sich prinzipiell für eine ehrenamtliche Führung von Stiftungen aus. Für eine Diskussion über Entschädigungen für Stiftungsräte siehe Sprecher et al. (2015): S. 52-54.

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Auf strategischer Ebene kommt dem Stiftungsrat die Aufgabe zu, die Struktur und Handlungsfelder der Stiftung so auszurichten, dass der Stiftungszweck möglichst wirksam umgesetzt wird. Die Schwierigkeit liegt darin, dass die wenigsten Stiftungsräte über eine spezifische Ausbildung zur Führung einer Stiftung verfügen. Die Arbeit in anderen Aufsichtsgremien wie z.B. ist in der Wirtschaft ist nur sehr begrenzt auf die Funktionsweise von Förderstiftungen übertragbar. Die strategischen Kompetenzen in der Stiftungsarbeit werden nicht selten erst nach der Aufnahme in den Stiftungsrat entwickelt (a.a.O., S. 398). Der Stiftungsgründer ist frei in seiner Entscheidung, wen er in das Gremium aufnehmen möchte und wie die spätere Besetzung des Stiftungsrats geregelt wird. Der normale Fall ist die Kooptation. Dies bedeutet, dass die Mitglieder des Stiftungsrats selbst entscheiden, wer als neues Mitglied aufgenommen wird. Damit unterscheidet sich die Stiftung von anderen Gesellschaftsformen, in denen Anspruchsgruppen über demokratische Prozesse ihre Vertreter in das oberste Gremium wählen können. Nielsen (1972, S. 3) bezeichnet Stiftungen daher als aristokratische Institutionen. Sie existieren vor allem in demokratischen Gesellschaften, sind jedoch selbst höchst undemokratisch. Manche Beobachter schlagen daher vor, dass es Sinn machen könnte, Destinatäre in die Governance von Stiftungen einzubinden (Adloff 2010, S. 416). Allerdings findet dieses Modell in der Praxis kaum Anwendung. Häufig reflektiert die erste Zusammensetzung des Stiftungsrats eher die Familien- und Freundschaftsbeziehungen des Stifters, als dass strategische oder repräsentative Gesichtspunkte maßgeblich sind. Ein strikt nach Kompetenzen ausgerichteter Stiftungsrat ist in der Realität am ehesten bei größeren Stiftungen anzutreffen, die schon länger existieren und in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit stehen (Kennedy et al. 2003, S. 404). Zum Teil werden in den Statuten auch offizielle Amts- und Funktionsträger als Stiftungsräte bestimmt31. In größeren Stiftungen sind die Stiftungsräte oftmals mit Eliten besetzt, die auf Grund ihrer professionellen Leistungen gesellschaftliches Ansehen erlangt haben. Die Mitgliedschaft in einem Stiftungsrat hat einen doppelten symbolischen Charakter. Auf der einen Seite ist sie Ausdruck einer gewissen Lebensleistung und trägt zum Prestige der Person bei, auf der anderen Seite schmücken sich Stiftungen gerne mit dem Namen anerkannter Persönlichkeiten, um das öffentliche Ansehen der Stiftung zu erhöhen. Wenn anerkannten Experten im Stiftungsrat vertreten sind, signalisiert dies nach außen eine professionelle Stiftungsführung. Dadurch wird Glaubwürdigkeit und Legitimität der Stiftung in der Gesellschaft gestärkt (Adloff 2002). Je grösser oder öffentlich bedeutsamer eine Stiftung ist, desto höher ist 31 Die Schweizerische Fondation Johanna Dürmüller-Bol sieht z.B. vor, dass der Stiftungsrat aus einem Mitglied der Familie der Stifterin, ein Geschäftsleitungsmitglied der depotführenden Bank, einem Vertreter des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung, ein Vertreter der Universität Bern sowie einem aktiven oder ehemaligen Mitglied des Regierungsrats des Kantons Bern zusammengesetzt ist.

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Die Förderstiftung als Organisation

auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Stiftungsrat mit verdienten Politikern, Unternehmern, Anwälten oder Wissenschaftlern besetzt ist. Bei kleineren Stiftungen sind dagegen eher familiäre und freundschaftliche Beziehungen Kriterien zur Auswahl von Stiftungsräten. In den wenigsten Fällen werden Stiftungsratspositionen öffentlich ausgeschrieben. Eine Stichprobe mit 89 Schweizer Förderstiftungen hat ergeben, dass ein Viertel der Stiftungen bei der Besetzung spezifischen Vorgaben aus der Stiftungsurkunde folgen muss. Die durchschnittliche Anzahl an Stiftungsräten beträgt fünf Mitglieder. Über 60% haben eine Hochschulausbildung. Der Frauenanteil liegt bei gerade einmal 30%. Die Stiftungsräte sind vorwiegend mit älteren Männern besetzt. Weniger als die Hälfte der Stiftungsräte haben Mitglieder, die jünger als 45 Jahre alt sind. Zwei Drittel der befragten Förderstiftungen gab an, dass mindestens ein fachlicher Experte in Bezug auf den Stiftungszweck in dem Gremium vertreten ist, bei 40% waren weiterhin ein Rechtsanwalt und bei 30% ein Finanzexperte Mitglied des Stiftungsrats. Nur ein Viertel der Stiftungen hat eine Amtszeitbeschränkung eingeführt. Der Arbeitsaufwand scheint in der Mehrzahl gering auszufallen. Durchschnittlich kommen die Stiftungsräte zu drei Sitzungen pro Jahr zusammen, die jeweils um die zweieinhalb Stunden dauern. Zusätzlich wenden die Stiftungsräte ca. zwei Stunden pro Monat für die Vor- und Nachbereitungen der Sitzungen auf. Nur ein Viertel aller Stiftungsräte ist in der Begleitung von Projekten und der Evaluation der Zielerreichung eingebunden (Lichtsteiner & Lutz 2008). Eine der Grundherausforderungen einer Stiftung ist, dass sie von ehrenamtlichen Kräften geführt wird, die über ein begrenztes Zeitbudget für diese Aufgabe verfügen. Desto grösser eine Stiftung ist und desto eher sie eine proaktive Rolle in der Umsetzung ihres Zwecks einnehmen möchte, je grösser sind auch die zeitlichen Ansprüche an die Stiftungsräte. Wenn der Stiftungsrat mit Experten und honorigen Personen besetzt ist, die noch im Berufsleben stehen, sinkt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass diese viel Zeit in die Arbeit der Stiftung investieren können. Zur Entlastung des Stiftungsrats und zur besseren Organisation der Stiftungsarbeit entscheiden sich manche Stiftungen daher, eine vollamtliche Geschäftsführung anzustellen. Allerdings nutzen nur 10-12% der Stiftungen diese Option. Weitere 30% der Stiftungen haben eine Person in Teilzeit angestellt oder administrative Aufgaben im Mandat vergeben (Eckhardt et al. 2017). Viele Stiftungen versuchen ihre administrativen Kosten so gering wie möglich zu halten, um mehr Mittel für die Förderungen zur Verfügung zu haben. Gleichzeitig erklärt sich die geringe Beschäftigungszahl dadurch, dass nur sehr wenige Stiftungen über Förderbudgets verfügen, deren Größe die Anstellung einer Person rechtfertigen würde. Allerdings steigt mit der Anzahl qualifizierter Mitarbeiter auch das Handlungspotenzial einer Stiftung. Sie können sich intensiv für die Zweckerfüllung einsetzen, Anträge genauer überprüfen, strategische Allianzen aufbauen und stiftungseigene Veranstaltung planen (Kennedey et al. 2003, S. 400).

Strukturelle und organisatorische Voraussetzungen der Fördertätigkeit

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Das Anforderungsprofil des Geschäftsführers und den Mitarbeitenden hängt von der Strategie der Zweckumsetzung ab. Der Swiss Foundation Code sieht die Geschäftsführung als treibende operative Kraft, die eine gestalterische Rolle einnehmen sollte, anstatt nur als Verwaltungsapparat für administrative Aufgaben zu fungieren (Sprecher et al. 2015, S. 67-68). Der Code plädiert für eine unternehmerische Umsetzung der strategischen Vorgaben des Stiftungsrats durch die Mitarbeiter. Entsprechend der Verantwortung, die der Geschäftsführung übertragen wird, steigt das Anforderungsprofil an die Mitarbeitenden der Stiftung. Auf der obersten Ebene wird von einem Geschäftsführer erwartet, dass er über Managementerfahrung und thematische und strategische Kompetenzen verfügt. Ein einheitliches Berufsbild von Stiftungsmitarbeitern gibt es jedoch nicht, da die Anforderungen stark von den Handlungsfeldern und der Strategie der Stiftung abhängen (Dreyer & Schönermark 2014). Die Herausforderung bei der Rekrutierung und Auswahl von Mitarbeitenden von Stiftungen ist, dass es nur wenige stiftungsspezifische Ausbildungen für die Programm- und Projektarbeit gibt. Eine solche Ausbildung müsste auf die spezifische institutionelle Beschaffenheit der jeweiligen Handlungsfelder eingehen. Bestehende Kurse beziehen sich hingegen vor allem auf das Management und die Führung von Stiftungen. Dazu gehören Angebote der Deutschen Stiftungsakademie, der Universität Münster, der Universität Heidelberg, der European Business School oder des Center for Philanthropy Studies der Universität Basel. Innerhalb der Weiterbildungslehrgänge ist eine Fokussierung auf betriebswirtschaftliche Managementmodelle und der Vermittlung von juristischem Grundwissen zu erkennen (Sandberg & Schirm 2014). Einstiege in Stiftungen geschehen nicht selten über Praktika, Volontariate oder zeitliche befristete Projektarbeiten. Eine Vielzahl von Positionen wird nicht ausgeschrieben, sondern über Netzwerke und Empfehlungen besetzt. Oftmals ist eine Hochschulbildung Grundvoraussetzung. Auf der Ebene des Geschäftsführers wird viel Wert auf institutionalisiertes kulturelles Kapital in der Form einer Promotion gelegt (Sandberg 2014). Die Kompetenzen und Beziehungen der Stiftungsmitglieder sowie das Prestige der Stiftung sind neben dem finanziellen Stiftungskapital das Hauptvermögen der Förderstiftung. Erst durch das Engagement des Stiftungsrats und der Mitarbeiter wird der Stiftungszweck in die Praxis umgesetzt. Folgt man den Empfehlungen der Governance Codes, sind die Aufsichtsfunktionen und operativen Tätigkeiten der Stiftung strikt voneinander zu trennen. Der Stiftungsrat ist das oberste Gremium, welchem die Gesamtverantwortung der Stiftung zufällt. Er muss aber nicht zwangsweise die dominierende Kraft in der Stiftung sein. Die klassische Ansicht, dass der Vorstand die Governance und Strategieentwicklung in NPO verantwortet, hat sich in der Praxis als unrealistisch herausgestellt. Governance ist eine Funktion und kein strukturelles Gremium (Renz 2016). Hauptamtliche Führungskräfte über-

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Die Förderstiftung als Organisation

nehmen nicht selten Aufgaben, die eigentlich dem Stiftungsrat zugeschrieben werden, wie z.B. die Rekrutierung und Einarbeitung von neuen Stiftungsräten. Die Themensetzungen in den Stiftungsratssitzungen werden von Geschäftsführern stark beeinflusst (Fletcher 1992). Zugleich darf die Rolle des Geschäftsführers in der Strategieformulierung nicht unterschätzt werden (Drucker 1990; Axelrod 2005; Bethmann et al. 2014). 2.3

Das Philanthropiemodell einer Stiftung

Die bisherigen Überlegungen hatten zum Ziel, die Institution der Förderstiftung näher zu beschreiben und Einflussfaktoren auf ihr Handeln zu identifizieren. Sie werden im Folgenden kurz zusammengefasst. Wie die Ausführungen zu Beginn des Kapitels gezeigt haben, sind die Funktionen von Stiftungen in der Gesellschaft von spezifischen historischen Bedingungen abhängig. Lange Zeit waren Stiftungen eng mit der Kirche verbunden und haben hauptsächlich karitative und bildende Institutionen unterstützt. Erst durch Prozesse der Säkularisierung und der Entwicklung eines starken Bürgertums haben sich Stiftungen als unabhängige Institutionen etablieren können. Die ersten großen Förderstiftungen entstanden Ende des 19. Jhd. in den USA. Sie verbanden mit ihren Aktivitäten den Anspruch, die Ursachen sozialer Probleme zu bekämpfen. Spenden an wohltätige Organisationen wurden hingegen als Geldverschwendung betrachtet. Auf Grund spezifischer historischer Opportunitäten gelang es den ersten Förderstiftungen in Bereichen wie dem Bildungswesen oder der medizinischen Forschung einen bedeutenden Einfluss auszuüben. Ein Großteil des Mythos, dass Förderstiftungen Impulsgeber und Innovatoren der Gesellschaft sind, geht auf die Prägekraft der ersten großen Philanthropic Foundations zurück. Eine ähnliche Einflusskraft lässt sich für Deutschland oder die Schweiz nicht nachweisen. In der Schweiz haben Stiftungen in der Sozialgeschichte eine untergeordnete Rolle gespielt. Ein eigenes Branchenbewusstsein hat sich erst relativ spät herausgebildet. Heute agieren Stiftungen in der Schweiz unter ausgesprochen liberalen gesetzlichen Bestimmung und auf der Basis eines gut umfassenden Wohlfahrtsstaats. Förderstiftungen sind primär komplementär zum Staat tätig. Sie bauen ihre Aktivitäten auf der Basis eines stark ausgebauten Sozial- und Bildungssystems auf. In den letzten Jahren hat ein regelrechter Stiftungsboom stattgefunden. Die Gesamtzahl der Stiftungen steigt kontinuierlich. Es gibt kaum gesetzliche Restriktionen, die das Handeln von Stiftungen einschränken. Unter diesen Rahmenbedingungen haben Stiftungen die Möglichkeit sich frei zu entfalten. Zu den Kernfaktoren, welche die Handlungs- und Funktionsweise von Stiftungen bestimmen, zählen die Motivation des Gründers, die Kristallisation seines Willens in dem Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen sowie die Qualitäten und die Aufgabenteilung zwischen dem Stiftungsrat und den Mitarbeitern. Die

Das Philanthropiemodell einer Stiftung

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Gründung einer Stiftung basiert auf einem Bündel von Motiven. Zweck- und wertrationale Motive schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Mehrzahl der Stifter gibt wertbezogene Gründe als Hauptmotivation an. Viele Gründer engagieren sich in den von ihnen gegründeten Institutionen und prägen so die Organisation von Beginn an. Dem Stifter kommt es zu, die generelle Ausrichtung der Stiftung festzulegen und seinen Willen im Stiftungszweck niederzulegen. Umso offener der Stiftungszweck formuliert ist, desto mehr Handlungsfreiraum hat eine Stiftung. Wenn der Gründer aus der Stiftung ausscheidet, ist es die Aufgabe des Stiftungsrats eine dynamische Interpretation des Stiftungswillens vorzunehmen. In den meisten Fällen verwenden Stiftungen ausschließlich die Ausschüttungen aus dem angelegten Stiftungsvermögen, um ihren Zweck erfüllen. Sie sind somit in ihrer Handlungsfähigkeit von Entwicklungen auf dem Finanzmarkt abhängig. Die Mehrzahl der Stiftungen folgt eher expressiven Zielen, anstatt dass sie auf Grund ihrer Größe einen instrumentellen Unterschied bewirken können. Zum Teil können geringe Mittel mit einem hohen Engagement der Stiftungsmitglieder kompensiert werden. Als oberstes Gremium fungiert der Stiftungsrat. Dieser hat nach gesetzlichen Vorschriften die Gesamtverantwortung über die Befolgung der rechtmäßigen Bestimmungen. Normative Handlungsempfehlungen wie der Swiss Foundations Code geben Grundsätze guter oder rationaler Stiftungsorganisation und -arbeit vor. Organisationen tendieren dazu, solche Erwartungshaltung aufzugreifen und zumindest nach außen vorzugeben, dass sie diesen Empfehlungen folgen. Die formale Struktur einer Förderstiftung wird durch Vorgaben in der Stiftungsurkunde und weiteren Reglementen festgelegt. Hohe Mitarbeiterzahlen sind bei Förderstiftungen ungewöhnlich. Ausnahmen bilden die großen Philanthropic Foundations, die zum Teil über mehrere Länderbüros verfügen. Die normale Tendenz ist, die administrativen Kosten gering zu halten (Leat 1999). Dementsprechend verfügen die meisten Stiftungen, wenn überhaupt, dann nur über eine relativ kleine Geschäftsstelle. Förderstiftungen, bei denen mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigt sind, bilden in der Schweiz und in Deutschland die Ausnahme (von Schnurbein 2017). Die Strukturen von Stiftungen sind in den meisten Fällen einfach und überschaubar. In Anlehnung an Mintzberg (1979, S. 301) können sie als „simple structures“ beschrieben werden. Aus dieser Ausganglage heraus nehmen Stiftungen verschiedene Rollen und Funktionen in der Gesellschaft ein. Sie können sich für die Bewahrung von bestehenden Institutionen einsetzen oder progressiven Zielen folgen. Sie können Kunst und Kultur fördern, Tierheime unterstützen, etablierten Organisationen Geld zukommen lassen oder einen instrumentellen Anspruch an ihre Förderarbeit stellen. Außer dem Stiftungszweck und den Statuten existieren keine verbindlichen Vorgaben, welche die Handlungsweise einer Stiftung bestimmen. Die Gesamtheit aus Struktur, Strategie und Gestaltungsanspruch einer Stiftung kann als das Philanthropiemodell einer Stiftung bezeichnet werden. Es umschreibt zudem die Governance der Stiftung, ihr Wertesystem sowie ihre Förderphilosophie. Während sich

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Die Förderstiftung als Organisation

manche Stiftungen mit der Rolle der einfachen Spendengeber zufriedenstellen und ihre Förderanträge nach einer „courant normal“ einfach abarbeiten, folgen andere Stiftungen ausgefeilten Strategien, um sozialen Wandel anzustoßen. Die Philanthropiemodelle von Stiftungen differieren nach dem Anspruch welches die Stiftungsvertreter an ihre eigene Arbeit und deren Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungsprozesse stellen. Leat (2016a, S. 31) unterscheidet z.B. zwischen Geschenkgebern, Investoren und kollaborativen Unternehmern. Während erste ohne große Ansprüche ihre Fördergelder nach eigenem Ermessen an Organisationen ihre Wahl verteilen, versuchen letztere auf proaktive Weise ihre Ziele zu erreichen. Sie suchen aktiv nach Opportunitäten, gehen Kooperationen mit anderen Organisationen ein und messen ihre Zielerreichung anhand von spezifischen Indikatoren. Stiftungen sind in dem Aufbau ihres eigenen Philanthropiemodells wenige Grenzen gesetzt. Sie können wählen, wie proaktiv oder passiv sie in der Umsetzung ihres Stiftungszwecks vorgehen wollen, welchen ethischen Grundsätzen sie dabei folgen und wie eng sie mir ihren Partnern zusammenarbeiten wollen. Ihre Flexibilität in der Zweckumsetzung ist ihre größte Stärke gegenüber anderen Organisationsformen (Hammack & Anheier 2013, S. 17). Innerhalb der Stiftungsliteratur existiert allerding ein starkes Narrativ, dass Stiftungen nur dann ihrem Handlungspotential gerecht werden, wenn sie sich als gesellschaftliche Impulsgeber und Innovatoren positionieren (Anheier & Leat 2006). Auch der Swiss Foundation Code sieht es als die Aufgabe von Stiftungen an, Innovationen zu fördern, „weil sie höhere Risiken eingehen können als profitorientierte Unternehmen oder der Staat, weil sie ohne Rücksichtnahme auf kurzfristige Maximierung oder auf Legislaturperioden längerfristige Perspektiven verfolgen können und weil sie grundsätzlich unabhängig von Anspruchsgruppen handeln“ (Sprecher et al. 2015, S. 19). Zumindest auf der Oberfläche scheinen Stiftungen gegenüber anderen Institutionen eine besondere Fähigkeit zu haben, Risiken einzugehen, unpopuläre Themen aufzugreifen und unkonventionellen Ideen fördern zu können. Diese Sichtweise wird jedoch auch kritisiert. Nielsen (1972, S. 406) stellt die Behauptung auf, dass Stiftungen unfähig sind, die größeren Probleme der Gesellschaft zu lösen. Er sieht sie als abgeschottete Institutionen, die weitgehend von externen Stimulationen ausgenommen sind und von elitären Mitgliedern der Gesellschaft geführt werden, die keinen Zugang zu den wirklichen Problemen von benachteiligten Menschen haben. Thümler (2011) spricht im Zusammenhang mit den Beiträgen von Stiftungen zum Bildungswesen von der „Theory of Philanthropic Failure“ (a.a.O., S. 1101). Zudem scheint die Unabhängigkeit von Stiftungen regelmäßig überbetont zu werden. Obige Ausführungen lassen darauf schließen, dass gesellschaftliche Erwartungshaltungen und Vorgaben des Stifters den Handlungsspielraum von Stiftungen eingrenzen. Schlussendlich sieht Strachwitz (2010) die Gefahr, dass Innovation bei Stiftungen mit Kurzfristigkeit von Programmen

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verwechselt wird und argumentiert: „Der Anspruch, Stiftungen seien innovativ tätig, wird durch Mängel in der Konkretisierung und Überprüfbarkeit stark beeinträchtigt“ (a.a.O., S. 205). Die mangelnde Konkretisierung sich u.a. dadurch begründen, dass der Innovationsbegriff höchst unscharf und fast inflationär verwendet wird. Vieles was als innovativ bezeichnet wird, entpuppt sich beim genaueren Hinschauen als wenig neu oder unwirksam. Pol und Ville (2009) kommen zu dem Schluss, dass jeder den Begriff der sozialen Innovation mag, aber niemand wirklich weiß, was er bedeutet. Die Entwicklung einer fundierten Theorie über soziale Innovationen, die empirisch überprüft werden kann, steht bis heute noch aus (Mulgan 2012; Montgomery 2016). Dieser Zustand ist in Bezug auf die Zielsetzung dieser Studie höchst unbefriedigend. Zur Entwicklung theoretischer Grundbausteine, mit der sich die Innovationsfähigkeit von Stiftungen erklären und vorhersagen lässt, ist daher zuerst notwendig, sich mit dem Wesen und der Entstehung von sozialen Innovationen vertieft auseinanderzusetzen, bevor anschließend verschiedene Strategien diskutiert werden können, mit den Stiftungen die Rolle der Innovatoren und Impulsgeber der Gesellschaft einnehmen können.

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Soziale Innovationen

Fragt man auf der Straße nach den bedeutendsten Innovationen der letzten hundert Jahre, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit technische Innovationen wie Mikrochips, das Internet oder Mobiltelefone genannt. Kaum jemand würde auf die Idee kommen, soziale Innovationen wie Kindergärten oder das Frauenwahlrecht als Beispiele anzuführen. Das Verständnis von Innovationen war bis vor kurzem fast ausschließlich von der Wahrnehmung technischer Erfindungen geprägt (Rammert 2010). Diese Situation hat sich zumindest in wissenschaftlichen Kreisen stark verändert. Anbetracht der immer komplexeren Herausforderungen, denen die Welt heute gegenübersteht, hat sich in den letzten Jahren ein starkes Interesse an Prozessen der Entstehung und Verbreitung von sozialen Innovationen entwickelt. Herausforderungen wie die Flüchtlingskrise, die zunehmende Ungleichheit in der Gesellschaft oder der Klimawandel, weisen darauf hin, dass ein Bedarf an neuen Lösungsansätzen besteht. Als Konsequenz wird der Ruf nach sozialen Innovationen laut. Das technische Innovationsparadigma weicht einem erweiterten Innovationsverständnis. Insbesondere die im Jahr 2007 ausgelöste globale Finanzkrise hat zu einer großen Nachfrage an neuem Wissen geführt, wie soziale Innovationen entstehen und wie sie in ihrer Entwicklung gefördert werden können (Nicholls & Murdoch 2012). Als eine Konsequenz daraus lässt sich die Gründung von akademischen Zentren beobachten, die sich der Erforschung sozialer Innovationen angenommen haben. Exemplarisch dafür stehen das „Centrum für soziale Investitionen und Innovationen“ an der Universität Heidelberg, das „Center for Social Innovation“ an der Stanford University in Kalifornien oder das „Lien Centre for Social Innovation“ an der Singapur Management University. Die Europäische Union hat allein zwischen 2003 und 2015 Forschungsvorhaben zu sozialen Innovationen mit einer Summe von über EUR 52 Mio. gefördert (European Commission 2016). Auch in der Praxis ist der Begriff immer stärker verankert. Stiftungen und NPO entwickeln Ideen, wie man den heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen begegnen kann. Sie bezeichnen sich selbst als soziale Innovatoren und propagieren neue Handlungsmodelle, die von bestehenden Routinen abweichen. Auf Grund dieser Entwicklungen ist der Wissensstand über sozialen Innovationen in den letzten Jahren stetig gestiegen. Auch wenn sich noch kein einheitli-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_3

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Soziale Innovationen

ches Verständnis über soziale Innovationen herausgebildet hat, erlauben die Fortschritte in der Konzeptualisierung die Frage nach der Innovationsfähigkeit von Stiftungen differenzierter zu betrachten, als dies bisher möglich war. Der von Strachwitz (2010, S. 205) kritisierte Mangel in der Konkretisierung und Überprüfbarkeit des Innovationsanspruchs von Stiftungen, lässt sich durch eine fundierte Betrachtung über das Wesen und Prozesse sozialer Innovationen begegnen. Ziel dieses Kapitel ist es, verschiedene Ansichtsweisen über soziale Innovationen darzulegen und sie für den späteren Forschungsprozess fruchtbar zu machen. Das Kapitel ist dabei folgendermaßen strukturiert. Zuerst wird auf die theoretischen Wurzeln des heutigen Verständnisses über soziale Innovationen eingegangen. Anschließend werden drei verschiedene Konzepte über das Wesen sozialer Innovationen vorgestellt, die sich in der Literatur herausgebildet haben. In einem Zwischenfazit werden diese zusammengeführt und für eine relativ offene Begriffsbestimmung plädiert. Um verschiedene Beiträge von Stiftungen in der Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen identifizieren zu können, wird der soziale Innovationsprozess anschließend anhand eines Phasenschemas beschrieben. Zum Abschluss werden erste Implikationen für die Innovationsfähigkeit von Stiftungen gezogen. 3.1

Theoretische Wurzeln des heutigen Innovationsverständnisses

Soziale Innovationen sind im Prinzip nichts Neues. Sie haben immer in der Menschheitsgeschichte existiert und haben masseblich zu unserer heutigen Gesellschaftsstruktur beigetragen (John 2005). Die Verbindung sozialer Innovationen mit der Hoffnung auf eine bessere Zukunft ist allerdings erst ein Ergebnis der Aufklärung. Bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts wurden mit sozialen Innovationen vor allem negative Entwicklungen beschrieben. Soziale Innovatoren wurden als Ketzer, Sozialisten oder Revolutionäre beschimpft. Sie standen für „deviant behaviour, forbidden and [to be] punished“ (Godin 2012, S. 8). Abweichungen von der Norm sowie die Infragestellung der bestehenden Gesellschaftsstruktur wurden sanktioniert. Erst die Moderne sieht in sozialen Innovationen etwas Erstrebenswertes (vgl. Braun-Thürmann & John 2010, S. 60). Einen großen Anteil an der Verbindung von Innovationen mit einem Fortschrittsglauben hat der Vater der Innovationsforschung, der Ökonom und Sozialwissenschaftler Joseph A. Schumpeter, gehabt (Blättel-Mink 2006, S. 16). Der Nobelpreisträger beschäftigte sich vor allem mit dem Einfluss technischer und unternehmerischer Innovationen auf die wirtschaftliche Entwicklung. Schumpeter

Theoretische Wurzeln des heutigen Innovationsverständnisses

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(1911) konnte nachweisen, dass längere Konjunkturzyklen durch radikale oder Basisinnovation ausgelöst werden32. Unter Basisinnovationen verstand er, in die Praxis umgesetzte Erfindungen, die den weiteren Verlauf der Wirtschaft und Gesellschaft maßgeblich beeinflussen und somit eine Erhöhung des allgemeinen Wohlstandniveaus bewirken. Diese Basisinnnovationen führen in einem Akt der schöpferischen Zerstörung zu radikalen Umwandlungen ganzer Industriezweige33. Ihr Einfluss reicht dabei weit über die Wirtschaft hinaus. Sie bewirkten auch Änderungen in gesellschaftlicher Routinen. Beispiele für Basisinnovationen sind die Dampfmaschine oder die Eisenbahn. Die Innovationen haben einen starken Einfluss auf die gesellschaftliche Produktivität und Mobilität gehabt. Allerdings muss es sich bei Innovationen nicht zwangsweise um technische Erfindungen handeln. Sie können z.B. auch aus der Einführung einer neuen Produktionsmethode oder der Erschließung neuer Absatzmärkte bestehen. Ganz allgemein formuliert sind Innovationen bei Schumpeter (1942) Neukombinationen von Produktionsfaktoren. Grundsätzlich unterscheidet er zwischen Erfindungen, bzw. Inventionen und Innovationen. Letztere haben sich erfolgreich auf dem Markt etabliert und alte Routinen und Produkte verdrängt. Eine Schlüsselrolle in der Verbreitung von Inventionen auf dem Markt, bzw. dem Übergang von einer Invention zur Innovation sieht Schumpeter in der Figur des risikobereiten Unternehmers. Diese beschreibt er als heldenhafte Individuen und ganze Kerle, die über außergewöhnliche Fähigkeiten verfügen und einen innerlichen Drang haben, Neuartiges in die Welt zu bringen. Sie sind geprägt von einem Siegerwillen und kämpfen für ihren Erfolg. Ihre Motivation ziehen sie aus ihrer Freude am schöpferischen Gestalten, der Aussicht nach Gewinnen sowie der sozialen Machtstellung, die sie sich aus ihren Tätigkeiten versprechen. Während Erfinder neue Ideen, Technologien oder Produktionsfunktionen entwickeln, sind es die Unternehmer, welche diese erst zum Erfolg bringen und somit besondere Bewunderung verdienen (Schumpeter 1911, S. 133-148). Das Innovationsverständnis von Schumpeter prägt bis heute den Großteil der Innovationsforschung. Obwohl Schumpeter soziale Innovationen nur am Rande erwähnt und nicht weiter erklärt, was er darunter versteht, bilden seine Ausführungen die Basis vieler Betrachtungen über soziale Innovationen. Insbesondere der 32

In Anlehnung an Schumpeter wurden bisher fünf Konjunkturwellen (Kondratjev-Zyklen) identifiziert: 1) Industrielle Revolution (1771-1829); 2) die Ära der Dampfmaschinen und der Eisenbahn (18291875); 3) die Ära von Stahl, Elektrizität und schweren Maschinenbau (1875-1908); 4) die Ära von Öl, Automobil und Massenproduktion (1908-1975) die Ära der Informations- und Kommunikationstechnologie (1975 - ) (vgl. Nicholls & Murdock 2012, S. 1). 33 Den Begriff der schöpferischen Zerstörung hat Schumpeter aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx übernommen. Allerdings in der genau gegensätzlichen Bedeutung. Die schöpferische Zerstörung durch Innovation ist für Schumpeter eine treibende Kraft für den Kapitalismus. Marx bezog sich hingegen auf eine neue Gesellschaftsordnung, die durch die Revolution des Proletariats erreicht werden sollte. Viele Ideen Schumpeters entstanden aus der Auseinandersetzung mit den Theorien von Karl Marx.

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Soziale Innovationen

Begriff der schöpferischen Zerstörung und die heldenhafte Beschreibung der Unternehmer werden in der Literatur über Social Entrepreneurs immer wieder aufgegriffen (Dees 2001; Bornstein 2007)34. Auf Grund der Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung, werden in der Innovationforschung jedoch nach Schumpeter vor allem technische Innovationen in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt (Moulaert et al. 2005). Eine der wenigen frühen Arbeiten, die sich spezifisch mit sozialen Innovationen befasst, stammt von William Ogburn (1923)35. Der amerikanische Soziologe publizierte u.a. Berichte für die Regierung, in denen er neue soziale Trends und Erfindungen vorstellte. Grundsätzlich sind für Ogburn soziale Innovationen Anpassungsleistungen an soziale Probleme, die sich aus der unterschiedlichen Geschwindigkeit ergeben, mit der sich gesellschaftlichen Teilbereiche entwickeln. Er beschreibt sie ähnlich wie Schumpeter als „neue Kombination von bestehenden und bekannten materiellen und/oder immateriellen Kulturelementen zur Herstellung eines neuen Elements“ (Ogburn 1969, S. 56). Während die materielle Kultur im Prinzip mit technischen Artefakten gleichgesetzt werden kann, handelt es sich bei der nicht-materiellen Kultur um Institutionen im Sinne von Werten, Normen und Regulationen (Scott 2001). Beide Kulturen ändern sich konstant, aber nicht mit der gleichen Geschwindigkeit. Konservative Wertvorstellungen, das Festhalten an Traditionen sowie eine generelle Skepsis gegenüber Veränderungen, führen zu einer relativen Trägheit der immateriellen Kultur. Die schnellere Entwicklung der materiellen Kultur kann soziale Probleme auslösen, wenn die gesellschaftlichen Normen nicht mit den Effekten mithalten, welche durch die Nutzung neuer Technologien ausgelöst werden. Daraus entsteht ein „Cultural Lag“, der erst durch soziale Innovationen geschlossen wird36. Als ein Beispiel nennt Ogburn (1923, S. 203210) Gesetze zum Schutz von Waldflächen. Die technische Weiterentwicklung von Maschinen zur Waldrodung hatte in den USA dazu geführt, dass großflächige Wälder irreparabel vernichtet wurden. Es bestanden keine Gesetze und Regulation, 34 Dees (2001, S. 4) definiert Social Entrepreneurs folgendermaßen:„Social Entrepreneurs play the role of change agents by a adopting a mission to create and sustain social value (not just private value), recognizing and relentlessly pursuing new opportunities to serve that mission, engaging in a process of continuous innovation, adaptation, and learning, acting boldly without being limited by resources currently in hand, and exhibiting a heightened sense of accountability to the constituencies served and for the outcomes created”. 35 Ogburn benutzt primär den Begriff der Invention. Erst später spricht er von Innovation, ohne jedoch einen qualitativen Unterschied zu ziehen. Um in der Terminologie Schumpeters wird hier sinngemäss der Begriff Innovation verwendet. 36 Ogburn kritisiert später (1957), dass in der Auslegung seiner Theorie des sozialen Wandels technischen Innovationen einem Primat über sozialen Innovationen unterstellt wird. Auslöser des cultural lag können z.B. auch Ideologien oder neue Organisationsformen sein. Der Fokus auf technische Innovationen in der frühen Fassung seiner Theorie war der damaligen Dominanz technischer Innovationen in der öffentlichen Wahrnehmung geschuldet (Vgl. Howaldt et al. 2014, S. 17-18).

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welche die nachhaltige Zerstörung von Wäldern verhindert hätten. Zwischen der materiellen und immateriellen Kultur bestand ein Cultural Lag. Erst nach einer Zeit, in der die sichtbaren Wald- und Naturschäden Handlungsbedarf signalisiert haben, wurden weitreichende Regulationen zum Schutz der Umwelt vom Kongress verabschiedet. Durch die soziale Innovation einer neuen Naturschutzpolitik, konnte die Lücke zwischen der materiellen und immateriellen Kultur wieder geschlossen werden (vgl. Braun-Thürmann 2005, S. 18-20) 37. Ein Teil von Ogburns Ideen wurde in der Folge in verschiedene Theorien und Konzepten des gesellschaftlichen Wandels aufgenommen. Beispiele sind vereinzelte Bezüge zu sozialen Innovationen bei Peter Drucker, Nelson Polsby oder William Whyte. Drucker (1957, S. 40) nennt als Beispiele für sozialen Innovation neue Bildungsmethoden, Organisationstheorien oder Marketingtechniken. Wie auch Polsby (1984) grenzt er soziale Innovationen von Reformen ab. Entgegen sozialen Innovationen sind Reformen alltägliches politisches Geschäft, das zwar auf die Lösung von Problemen ausgerichtet ist, aber primär Fehlentwicklungen korrigiert, anstatt wirklich Neues zu schaffen. Ein Beispiel für eine Reform wäre ein Gesetz zur Sicherung der Rentenfinanzierung. Die Einführung der Sozialversicherung oder des Frauenwahlrechts sind hingegen soziale Innovationen, auch wenn sie schlussendlich vom Parlament verabschiedet wurden. Beide basierten auf kollektiven Anstrengen, aus der Routine auszubrechen und neue Institutionen hervorzubringen. Sie lassen sich nicht mit Reformen gleichsetzen (Braun-Thürmann 2005, S. 20). Für Whyte (1982) sind soziale Innovationen vor allem Mechanismen, die innerhalb einer Gruppe oder Gemeinschaft zur Lösung von Problemen entwickelt werden. Diese können z.B. neue organisationale Strukturen, veränderte Beziehungen zur Umwelt oder die Reorganisation von Entscheidungsprozessen einschließen. Im deutschsprachigen Raum ist es Wolfang Zapf (1989), der sich einer Forderung von Whyte anschließt, soziale Innovationen in das Zentrum soziologischer Forschungen zu stellen. Auch er sieht soziale Innovation als Mittel, um gesellschaftliche Probleme zu lösen. Seine Definition macht dies deutlich: „Soziale Innovationen sind neue Wege, Ziele zu erreichen, insbesondere neue Organisationsformen, neue Regulierungen, neue Lebensstile, die die Richtung des sozialen Wandels verändern, Probleme besser lösen als frühere Praktiken, und die deshalb wert sind nachgeahmt und institutionalisiert zu werden.“ (a.a.O., S. 177. Kursiv wie im Original)

37 Ogburn entwickelt allerdings keine kohärente Theorie von sozialen Innovation. Dies macht vor allem seine Aufzählung sozialer Innovationen deutlich, die Rammert (2010, S. 27) als eine „Mischung aus Kraut und Rüben“ beschreibt. Neben Patenten, Gruppenversicherungen, Mindestlohngesetz, universelles Wahlrecht oder Intelligenztests werden in einer Liste auch der Ku-Klux-Klan oder Basketball aufgeführt (Ogburn 1933).

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Soziale Innovationen

Wie bei Schumpeter und Ogburn sind Innovationen bei Zapf geprägt von Neukombinationen. Dabei können soziale Praktiken und Technologien miteinander verbunden werden. Soziale Innovationen können sich aber auch unabhängig von Technologien entwickeln und aus neuen Organisationen, Praktiken und Tätigkeiten bestehen, solange sie „unsere Bedürfnisse besser befriedigen und unsere sozialen Probleme besser lösen“ (a.a.O., S. 174). Zapf setzt sich somit von dem technischen Primat der Betrachtungen auf Innovationen ab. Er folgt der Einteilung von Brooks (1982), der Innovationen als rein technisch (z.B. Materialien), soziotechnisch (z.B. Infrastruktur für die private Motorisierung) und sozial (Markt-, Management und institutionelle Innovation) klassifiziert. Soziale Innovationen können sich nach Zapf auf den verschiedenen Ebenen sozialer Ordnungsbildung ereignen: Im Mikrobereich sind dies im Grunde Verhaltensänderungen von einzelnen Individuen und Gruppen. Im Meso-Bereich betreffen sie Veränderungen auf der Ebene von Institutionen und Organisationen. Im Makrobereich handelt es sich um neue Lösungen, welche die die nationale, bzw. supranationale Ebene betreffen. Insgesamt orientieren sich soziale Innovationen an gesellschaftlich anerkannten Zielen wie Gesundheit, Zufriedenheit oder Frieden. Sie sind Teilprozesse und Elemente des sozialen Wandels (Zapf 1989). Zapfs Ausführungen sind bis heute eine bedeutende Quelle für die Betrachtung sozialer Innovationen. Eine weitere einflussreiche Auseinandersetzung stammt von Katrin Gillwald (2000). Sie definiert soziale Innovationen als „gesellschaftlich folgenreiche, vom vorhergewohnten Schema abweichende Regelungen von Tätigkeiten und Vorgehensweisen“ (a.a.O., S. 1). Allgemein betrachtet, sind soziale Innovationen für Gillwald Teil der gesellschaftlichen Modernisierung. Vom Typ her können sie schwerpunktmäßig entweder organisatorischer, struktureller, institutioneller oder prozeduraler Art sein und in allen gesellschaftlichen Bereichen (Bürgergesellschaft, Staat und Markt) vorkommen. Auch Gillwald sieht soziale Innovationen als grundsätzliche Verbesserungen an, weist in diesem Zusammenhang jedoch in Bezug zu Max Webers (1921, S.12-13) Unterscheidung zwischen wertund zweckrationalen Verhalten auf das Vorhandsein verschiedener gesellschaftlicher Rationalitäten hin. Während in der ökonomischen Nutzendimension Effizienzkriterien im Vordergrund stehen, so bedeutet rationales Verhalten nach einer ökologischen oder kulturellen Nutzenlogik etwas anderes. Rationalität steht für das, was als vernünftig angesehen wird (Gillwald 2000., S. 15). Die Bewertung einer sozialen Innovation ist demnach maßgeblich von der Rationalität und der spezifischen Nutzenlogik abhängig, die ein Betrachter anlegt. Wesentliche Merkmale sozialer Innovationen, sind nach Gillwald ihre Andersartigkeit gegenüber vorherigen Praktiken, ihre Dauerhaftigkeit und ihr weitergehender Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen. In Anlehnung an Schumpeter schlägt sie vor, zwischen Basisinnovationen und weniger tiefgreifenden Innovationen zu differenzieren. Vor allem sind soziale Innovationen bei Gillwald aber durch

Neue Lösungsansätze für gesellschaftlicher Probleme

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das Tätigwerden determiniert. Sie sind Ausdruck intentionaler Veränderungsprozesse und „werden betrieben, um Probleme anzugehen oder, positiv gewendet, Herausforderungen zu begegnen“ (a.a.O., S. 41). Dass ein gesellschaftlicher Bedarf an technischen sowie auch an sozialen Innovationen besteht, ist für sie unstrittig. 3.2

Neue Lösungsansätze für gesellschaftlicher Probleme

Rückblickend lässt sich das Innovationsverständnis von Schumpeter und Ogburn als traditionelle Sichtweise beschreiben, das einem technischen Primat folgt. Die Ausführungen von Zapf und Gillwald sind hingegen Ausdruck eines modernen Verständnisses, welches soziale Innovation als eigenständiges und von der Technik unabhängiges Phänomen versteht (Jacobsen & Jobstmeier 2012). Soziale Innovationen sind Mechanismen, gesellschaftlichen Herausforderungen zu begegnen. Es handelt sich um neuartige Lösungen für soziale Probleme, die es wert sind nachgeahmt und dauerhaft institutionalisiert zu werden. Technische Erfindungen können Teil der Lösung sein, sie müssen es aber nicht. In diesem Sinne lässt sich vorläufig von innovationsorientierten Akteuren, bzw. Stiftungen sprechen, wenn sie sich aktiv für die Lösung von Problemen oder die Begegnung von gesellschaftlichen Herausforderungen einsetzen38. Die Schwierigkeit dieser Sichtweise liegt jedoch darin, dass in der Gesellschaft keineswegs Einigkeit darüber besteht, was ein soziales Problem darstellt. Der problematische Charakter einer Situation wird erst über gesellschaftliche Definitions- und Konstruktionsprozesse hergestellt (Groenemeyer 2012, S. 24). In einer engen Interpretation sind soziale Probleme solche Begebenheiten, welche die Lebensqualität von Menschen massiv einschränken oder sogar lebensbedrohlichen sind und menschliches Leid auslösen (Doyal & Gough 1991). Beispiele sind Armut, Drogenabhängigkeit oder systematische Diskriminierung. Im weitesten Sinne handelt es sich hingegen bei sozialen Problemen um Abweichungen von Idealsituationen, die nur indirekte oder marginale Effekte auf die Lebensqualität von Menschen haben. Beispiele wären Herausforderungen in der universitären Lehre oder ineffiziente Arbeitsmethoden in einer öffentlichen Verwaltung. Zwischen den beiden Polen lassen sich unzählige Probleme verorten, die je nach den Werten der Betrachter als dringlich oder vernachlässigbar angesehen werden. Gemeinsam ist ihnen jedoch, dass sie ihren Ursprung in dem Verhalten von Menschen haben und daher auch von diesen gelöst werden können (Thümler 2017). Ganz allgemein kann von sozialen oder gesellschaftlichen Problemen gesprochen werden, wenn es sich um Gegebenheiten, Prozesse, Regelungen oder Einstellungen handelt, die von einem Akteur als negativ, unerwünscht oder be-

38

Im Weitern Verlauf werden die Begriffe soziale und gesellschaftliche Probleme/Herausforderungen synonym mit einander verwendet.

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Soziale Innovationen

drohlich wahrgenommen werden. Entscheidend ist dabei weniger die objektive Situation, sondern die spezifische Erfahrung und Interpretation als unerwünschter Zustand (Jamrozik & Nocella 1998, S. 2). Je mehr menschliches Leiden mit einer Situation verbunden ist, desto höher ist jedoch der Handlungsbedarf. Ausgehend von verschiedenen Probleminterpretationen sowie den Interessen der jeweiligen Forscher, haben sich in der Innovationsliteratur verschiedene Konzepte und Ideen über das Wesen sozialer Innovationen etabliert. Dabei steht ein theoretisches und für die empirische Forschung taugliches Konzept bisher noch aus (Howaldt et al. 2014, S. 11). Vielmehr bestimmen verschiedene konzeptionelle Zugangsweisen das Verständnis über soziale Innovationen. So stehen z.B. in der Management- und Organisationsforschung Ideen effizienter Arbeitsorganisation im Vordergrund. In der Nachhaltigkeitsforschung sind soziale Innovationen hingegen mit neuen Konzepten für den umweltbewussten Umgang mit natürlichen Ressourcen verbunden. Forschungen zu regionalen Entwicklungsprozessen suchen wiederum nach neuen Methoden lokale Wohlfahrtsarrangements zu verbessern. In umfassenden Versuchen, die Fülle der Literatur der letzten Jahre zu ordnen, werden mittlerweile fünf bis acht grobe Stoßrichtungen zur Interpretation sozialer Innovationen identifiziert (Nicholls & Murdock 2012; Rüede & Lurtz 2012; van der Have & Rubalcaba 2016). Um den Beitrag von Stiftungen in sozialen Innovationsprozessen beurteilen zu können, sind hauptsächlich drei Strömungen maßgeblich39. Sie spiegeln zum einen die verschiedenen Sichtweisen darüber wieder, welche Situation als gesellschaftliche Herausforderung angesehen wird, zum anderen folgen sie verschiedenen Logiken in der Art und Weise, wie den Herausforderungen begegnet werden kann. Die jeweiligen Interpretationen sozialer Innovationen haben verschiedene Implikationen dafür, um zu beurteilen, wann Stiftungen als Förderer sozialer Innovationen auftreten. Sie werden hier nachgezogen, um ein eigene, für den weiteren Forschungsprozess bestimmende Begriffsbestimmung zu entwickeln. 3.2.1

Eine gerechtere Gesellschaft

In einem ersten, relativ engen Begriffsverständnis sind soziale Innovationen nur solche Veränderungen der Sozialstruktur, welche auf die Ermächtigung der vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sind. In dieser Auffassung ist das oberste Ziel sozialer Innovationen, die Gesellschaft gerechter zu gestalten:

39

Weitere Ausführungen zu sozialen Innovationen beziehen sich vor allem auch fachspezifische Diskussionen wie z.B. Beiträge zur Dienstleistungsforschung oder Methoden in der sozialen Arbeit (Rüede & Lurtz 2012).

Neue Lösungsansätze für gesellschaftlicher Probleme

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„Social innovation is about the satisfaction of basic needs and changes in social relations within empowering social processes; it is about people and organisations who are affected by deprivation or lack of quality in daily life and services, who are disempowered by lack of rights or authorative decision-making, and who are involved in agencies and movements favouring social innovation” (Moulaert et al. 2010, S. 10). Der Fokus dieser Betrachtungsweise liegt auf der Befriedigung von elementaren Bedürfnissen, die ihren Ursprung in sozialer Ausgrenzung und ungerechten Chancenverteilungen haben. Soziale Innovationen sind alle diejenigen institutionellen Änderungen, die zu einer Verbesserung der Lebenssituation von benachteiligten Menschen führen. Ein definitorisches Merkmal von sozialen Innovationen ist ihre partizipative Gestaltung, die das Entstehen neuer sozialen Beziehungen zur Folge hat. Entgegen autoritären Entscheidungsprozessen, wird den Menschen die Möglichkeit gegeben, sich aktiv in die Verbesserung ihrer Lebenssituation einzubringen. Sozial steht nach dieser Auffassung für Ausgleich, Befähigung und Teilhabe. Soziale Innovationen beruhen auf Solidarität und der Stärkung der Schwächsten der Gesellschaft. Sie implizieren eine „ethische Position gegenüber sozialer Gerechtigkeit“ (Moulaert et al. 2005, S. 1978). Die Stärkung der Schwächsten bedeutet auch, dass es zu Machtverschiebungen in der Gesellschaft kommen muss. Dementsprechend sehen Vertreter dieser Sichtweise vor allem konservative Machteliten als potentielle Widersacher sozialer Innovationen. Deren Ziel ist es, den gesellschaftlichen Status quo aufrecht zu erhalten. Das Konzept von sozialer Innovationen ist in dieser Interpretation gleichzeitig eine Kritik am Neo-Liberalismus. Soziale Probleme basieren demnach vor allem auf der ungerechten Verteilung von Ressourcen und tradierten Machtstrukturen. Zugleich sind sie Folge von überzogenen Maßnahmen der Privatisierung und Deregulierung. Eines der bedeutendsten Publikationen dieser Sichtweise ist das International Handbook on Social Innovation (Moulaert et al. 2013). Mehrere Fallstudien zeigen, welche Prozesse und Ergebnisse in dieser Interpretation als soziale Innovationen zu verstehen sind. Andersen et al. (2013) schildern z.B. die Transformation einer Bücherei in einem armen Stadtviertel mit hohen Migrantenanteil zu einem multifunktionellen Gemeinschaftszentrum. Der Prozess beruhte auf einer Kollaboration zwischen Mitarbeitern der Bücherei, Sozialarbeitern, Bewohnern des Viertels und lokalen NPO. Als Ergebnis wurden zusätzlich zur Erweiterung der Bücherei auf die Bedürfnisse der Migranten abgestimmte Gesundheits- und Beratungsleistungen aufgebaut. Außerdem wurden kleinere Weiterbildungen angeboten und Begegnungsräume zum Austausch geschaffen. Mit der Initiative wurde die gesellschaftliche Teilhabe ethnischer Minderheiten in dem Stadtviertel gestärkt. Für Andersen et al. (a.a.O., S. 197) steht der Fall für eine erfolgreiche Alternative zu dominanten

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Soziale Innovationen

Modellen, öffentliche Institutionen nach Prinzipien des New Public Management zu organisieren. Ein anderes Beispiel ist ein Integrations- und Wohnprojekt für Roma-Familien im Norden Italiens. In diesem Fall haben Kirchen, Vereine und Stiftungen über mehrere Jahre mit der lokalen Stadtverwaltung nach einer nachhaltigen Lösung für obdachlose Roma Familien gesucht. Nachdem die Verwaltung ein altes Gebäude zur Verfügung gestellt hat, konnte ein großes Netzwerk von Unterstützern mobilisiert werden. Die Roma wurden bei der Renovierung des Hauses einbezogen und in Handwerksarbeiten ausgebildet. Um einer möglichen Segregation vorzubeugen, wurden in dem Haus auch Wohnungen für italienische Familien reserviert. Zusätzlich wurde an das Haus ein Büro für soziale Mediation, ein Konferenzraum und ein Raum für künstlerische Ausstellung angeschlossen. Aus der Kombination der verschiedenen Funktionen entstand ein nachhaltiges Wohnprojekt, bei dem die RomaFamilien in die Gemeinschaft integriert und gleichzeitig durch den Aufbau von Fähigkeiten im Selbstbewusstsein gestärkt wurden (Vitale & Membretti 2013). Montgomery (2016) bezeichnet diese Sichtweise auf soziale Innovationen auf Grund seiner partizipativen Ausrichtung als demokratisches Paradigma sozialer Innovation. Nach diesem Verständnis würden Stiftungen vor allem als soziale Innovatoren auftreten, wenn sie sich für eine gerechte Gesellschaft einsetzen, bei der marginalisierte Gruppen über partizipative Prozesse Gestaltungsmacht über ihr Leben erlangen. Soziale Innovationen bedeuten die Steigerung der Teilhabe und Lebensqualität von ausgegrenzten Mitgliedern der Gesellschaft. Gleichzeitig schließt dieses Verständnis eine Kritik an der ungleichen Macht- und Ressourcenverteilung in der Gesellschaft ein. Stiftungen würden in dieser Interpretation auch als Kritiker neo-liberaler Praktiken auftreten. 3.2.2

Pragmatisches Problemlösen

Die pragmatische Sichtweise auf soziale Innovationen bezieht sich vor allem auf die technische Beschreibung von Lösungsmechanismen für soziale Probleme. Sie ist nicht auf die Bedürfnisse benachteiligter Gruppen beschränkt, sondern geht von einem weiteren Verständnis gesellschaftlicher Herausforderungen aus. Ein solches Verständnis steht in der Tradition von Zapf, bei dem soziale Innovationen ein adäquates Mittel zur Lösung für sehr unterschiedlichen Herausforderungen sein können. Exemplarisch für diese Sichtweise ist die Definition von Phils et al. (2010) aus dem Stanford Social Innovation Review: “A social innovation is a novel solution to a social problem that is more effective, efficient, sustainable, or just than existing solutions and for which the value

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created accrues primarily to society as a whole rather than private individuals“ (a.a.O., S. 34)40. Vom Wesen her kann es sich bei sozialen Innovationen um Produkte, Dienstleitungen, Prozesse, Technologien aber auch um Gesetze oder andere Regelungen handeln. In den meisten Fällen bestehen sozialen Innovationen wie schon bei Schumpeter aus neuen Kombinationen verschiedener Elemente. Das definitorische Kriterium ist eine messbare Verbesserung gegenüber einer vorherigen Situation. Die neue Lösung kann sowohl effizienter und effektiver, aber auch ökologisch oder organisatorisch nachhaltiger sein als bestehende Praktiken. Damit von einer sozialen Innovation gesprochen werden kann, müssen nicht alle in der Definition erwähnten Kriterien erfüllt sein. Es darf allerdings nicht zur Verbesserung eines Merkmals auf Kosten eines anderen kommen. Eine effizientere Organisation von Pflegeleistungen für ältere Menschen, dürfte z.B. nicht mit der Minderung ihrer Qualität einhergehen. Generell sind soziale Innovationen mit einem hohen Risiko des Scheiterns verbunden. In ihrer frühen Anfangsphase werden die meisten Innovationen abgelehnt. Erst nach ihrer Einführung stellt sich heraus, ob eine Innovation wirklich zu besseren Ergebnissen führt als vorherige Routinen. Selbst dann ist nicht sicher, ob sich ein Lösungsansatz dauerhaft etabliert. Aus der pragmatischen Perspektive können soziale Innovationen ausdrücklich auch aus marktbasierten Lösungen bestehen (Christensen et al. 2006). Allerdings weisen Phils et al. (2010, S. 39) auf einen entscheidenden Unterschied hin. Solche Innovationen, die über den Markt vertrieben werden, sind für sie nur soziale Innovationen, wenn die Gewinne primär der Gesellschaft zu Gute kommen oder in die eigentliche Zielsetzung reinvestiert werden. Das Ziel kann nicht die private Gewinnabschöpfung sein. In diesem Sinne handelt es sich z.B. bei neuen Gesundheitsdienstleistungen nicht um soziale Innovationen, wenn die Gewinne privatisiert werden. Im Gegensatz dazu stehen z.B. die Entwicklung und der Vertrieb von Dienstleistung und Produkten, die primär auf die Verbesserung der Lebenssituation von Menschen abzielen. Ein Beispiel ist die Kickstart Wasserpumpe (Fischer 2006). Dabei handelt es sich um eine einfache mechanische Wasserpumpe, die keinen Strom benötigt. Die Pumpe wird für einen geringen Preis in Afrika verkauft

40 Sehr ähnliche, wenn auch mit etwas anderen Schwerpunkt gesetzte Definitionen lassen sich u.a. bei Caulier-Grice (2012, S. 18), Salamon et al. (2010, S. 2) oder Westley & Antadze (2010, S. 2) finden. Die Definition von Caulier- Grice et al. wurde u.a. vom Europäischen Büro für Politikberatung aufgenommen, aber auch sehr kritisch evaluiert (BEPA 2013). Sie lautet: „Social innovations are new solutions (products, services, models, markets, processes etc.) that simultaneously meet a social need (more effectively than existing solutions) and lead to new or improved capabilities and relationships and better use of assets and resources. In other words, social innovations are both good for society and enhance society’s capacity to act”.

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Soziale Innovationen

und hilft Bauern in abgelegenen Gebieten, die Produktivität ihre Felder durch Bewässerung zu erhöhen41. Die Gewinne aus dem Verkauf der Pumpen werden in weitere Armutsprojekte investiert. Der Vertreiber Kickstart International bezeichnet sich demnach als Social Enterprise. Das Ziel von Social Enterprises ist nicht die Profitmaximierung, sondern die Lösung eines sozialen Problems mit unternehmerischen Mitteln (Borzaga & Defourney 2001). Zum Teil werden die Unternehmen dabei von Stiftungen unterstützt, soweit dies steuerlich zulässig ist. Weitere prominente Beispiele von Social Enterprises sind die Grameen Bank oder das Aravind Eye Hospital. Der Grameen Bank wurde im Jahr 2006 zusammen mit ihrem Gründer Mohammad Yunus der Friedensnobelpreis für ihre Verdienste in der Armutsbekämpfung verliehen. Die Bank vergibt Mikrokredite an sogenannte „Lending Circles“, die aus einer Gruppe von Frauen bestehen. Über ein System von Selbstkontrolle und Unterstützungsleistungen werden sie beim Aufbau von Mikrounternehmen unterstützt. Die Einnahmen reichen oftmals, den elementaren Lebensunterhalt einer Familie zu decken. Die Grameen Bank hat gezeigt, dass auch die ärmsten Menschen kreditwürdig sind. Die Vergabe von Mikrokrediten hat vielen Menschen geholfen, aus der absoluten Armut auszubrechen (Ashta et al. 2013)42. Das Aravind Eycare Hospital hat über 300.000 Menschen in Indien vor der sicheren Erblindung bewahrt. Über ein System aus Umlagefinanzierungen von reichen zu armen Patienten, der Ausbildung von Augenärzten und der Produktion von günstigen Linsen, kann das Krankenhaus die Operation sowie den Transport zum Krankenhaus für arme Menschen kostenlos anbieten. Das Modell zählt zu einem der erfolgreichsten und nachhaltigsten Beispiele für Social Enterprises weltweit (Rangan & Thulasiraj 2007). Social Enterprises sind jedoch nur ein Treiber von sozialen Innovationen. Es können genauso gut Stiftungen, Vereine, informelle Netzwerke, staatliche Akteure oder größere politische Koalitionen sein, die nach neuen Lösungen für gesellschaftliche Probleme suchen. Soziale Innovationen werden nicht auf unternehmerische Lösungen reduziert. Phils et al. (2010, S. 40) nennen als weitere Beispiele für soziale Innovationen Modelle partizipativer Stadtentwicklung oder unterstützende Arbeitsintegrationsmaßnahmen. Der soziale Innovationsbegriff ist weit angelegt und bezieht auch ökologische Herausforderungen wie den Klimawandel mit ein. Soziale Innovationen sind oftmals durch ihre Kombination verschiedener Sektorlogiken

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Der Unterschied lässt sich auch an folgenden Beispielen verdeutlichen: Die Mitfahrzentrale ist eine soziale Innovation – Uber hingegen nicht. Couch surfing ist eine soziale Innovation, AirBnB hingegen nicht. 42 Für eine umfassende Kritik über die Wirksamkeit von Mikrokrediten siehe Bateman (2010) oder Klas & Mader (2014).

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geprägt, in denen die Grenzen zwischen Staat, Markt und Zivilgesellschaft verschwimmen. Sie beziehen sich nicht nur auf soziale Probleme im engeren Sinn (Nicholls & Murdock 2012, S. 3). Der pragmatische Ansatz konzentriert sich verstärkt auf die Lösungsmechanismen und -prozesse von sozialen Problemen. Montgomery (2016) bezeichnet diese Denkweise daher als das technokratische Paradigma sozialer Innovationen43. Der Diskurs kritisiert weniger die ungleiche Verteilung von Ressourcen, als dass er sich auf Mechanismen der Problemlösung konzentriert und gesellschaftliche Herausforderungen auch als Handlungschancen sieht. Soziale Innovationen sind demnach all jene neuen Lösungen für soziale Probleme, die nicht den Prinzipien privater Gewinnabschöpfung folgen und zu besseren Resultaten als bestehende Routinen führen. Nach diesem Verständnis sind Stiftungen vor allem dann als soziale Innovatoren zu bezeichnen, wenn sie als effektive Problemlöser auftreten. 3.2.3

Änderungen der sozialen Praxis

Die weitere Perspektive sieht soziale Innovationen ganz allgemein als „intentionale, zielgerichtete Neukombinationen bzw. Neukonfigurationen von sozialen Praktiken“ (Howaldt & Schwarz 2010, S. 54). Es ist das weiteste Verständnis von sozialen Innovationen. In dieser Interpretation stehen soziale Innovationen im Prinzip für jegliche Änderungen, die das Zusammenleben zwischen Menschen ändern. Zielsetzung der offenen Sichtweise ist, eine möglichst umfassende Theorie zu entwickeln, die soziale Innovationen als eigenen Gegenstandsbereich erklären kann. Allerdings sind diese Bemühungen noch in einem frühen Stadium. Soziale Innovationen werden hier vor allem als „eine Art deskriptive Metapher im Kontext von Phänomenen des sozialen Wandels bzw. gesellschaftlicher Modernisierung gesehen“ (a.a.O., S. 49). In diesem Sinn kann man weniger von einem kohärenten Ansatz sprechen, als von verschiedenen Zugangsweisen, Änderungen der sozialen Praxis zu erklären. So beziehen sich z.B. Braun-Thürmann & John (2010) auf die Evolutionstheorie von Darwin und beschreiben soziale Innovationen als Prozess der Mutation und Selektion, bei denen sich schlussendlich eine soziale Praxis durchsetzt, die für den Moment als am erfolgreichsten angesehen wird. Sie plädieren dafür, soziale Innovation vor allem durch ihre Differentialität, Selektivität und Selbstreferentialität zu charakterisieren. Heiskala (2007) hingegen verbindet soziale Innovationen

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Montgomery geht sogar so weit, die theoretische Basis dieser Sichtweise im Neo-Liberalismus zu verorten. Allerdings bezieht er sich dabei fast ausschliessliche auf das Effizienz-Kriterium und die unternehmerischen Lösungen von sozialen Problemen. Auch die pragmatische Denkweise legt jedoch Wert auf partizipative Prozesse und der Besserstellung von benachteiligten Bevölkerungsgruppen.

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Soziale Innovationen

mit dem soziologischen Institutionalismus (Scott 2001) und sieht soziale Innovationen vor allem als Änderungen in der kulturellen, normativen oder regulativen Struktur der Gesellschaft. Howaldt et al. (2014) wiederum sehen besonderes Potenzial in den Ausführungen von Gabriel Tarde (1890) und seiner Mikrofundierung des sozialen Wandels. Demnach sind soziale Innovationen vor allem durch Prozesse der Erfindung und der Nachahmung von sozialen Praktiken geprägt. Schlussendlich verbinden Kesselring & Leitner (2008) soziale Innovationen mit der Systemtheorie von Luhmann (1998). Sie sehen soziale Innovationen daher vor allem als Veränderungen in der inneren Logik funktioneller Gesellschaftssysteme. Gemeinsam ist den Ansätzen, dass sie soziale Innovationen grundsätzlich als Änderungen gesellschaftlicher Praxis ansehen, die um ihre Anerkennung und Legitimität ringen müssen. Soziale Innovationen betreffen Regeln des Zusammenlebens sowie Ansichten darüber, welche Handlungsweisen und Lebensstile in einer Gesellschaft als richtig empfunden werden. Soziale Innovationen generieren somit neue soziale Tatbestände oder „faits sociales“ (Durkheim 1885). Sie haben ihren Ursprung vor allem auf der Mikroebene der Gesellschaft und sind durch Prozesse der Selektion und Imitation geprägt. Auch in dieser Sichtweise handelt es sich bei sozialen Innovationen im Prinzip um Verbesserungen, deren „Ziel es ist, Probleme oder Bedürfnisse besser zu lösen bzw. zu befriedigen, als dies auf der Grundlage etablierter Praktiken möglich ist“ (Howaldt & Schwarz 2010, S. 54). Allerdings wird die Normativität sozialer Innovationen als etwas per se Gutes in Frage gestellt. Vielmehr wird, wie schon bei Gillwald, auf verschiedene gesellschaftliche Rationalitäten hingewiesen, die zusammen mit dem Wertepluralismus in der Gesellschaft eine normative Bewertung sozialer Innovationen erschweren. Zwei Beispiele machen dies deutlich. Zum einen, die von Gillwald (2000, S.3) genannte soziale Innovation der Fließbandarbeit und zum anderen das Frauenwahlrecht. Die Fließbandarbeit als neue Produktionsmethode hat zu einem hohen Produktivitätsschub in der Industrie geführt. Die Innovation folgt einer ökonomischen und auf Effizienz ausgerichteten Nutzenlogik. Gleichzeitig hat die Fließbandarbeit auch negative Folgewirkungen wie Monotonie und Stress für die Arbeiter mit sich gebracht (a.a.O., S. 23). Es handelt sich in der offenen Sichtweise jedoch trotzdem um eine soziale Innovation, da sie zu einer Neukonfiguration sozialer Praxis geführt hat und effizienter ist, als vorherige Praktiken der Arbeitsorganisation. Zudem konnten durch die Gewinnung neuer Kundengruppen die Arbeiter besser bezahlt werden. Insgesamt hat die soziale Innovation zur Steigerung des gesellschaftlichen Wohlstands beigetragen. Die unterschiedliche Bewertung sozialer Innovationen muss nicht unbedingt Folge verschiedener Nutzenlogiken sein, sondern kann auch auf verschiedenen Wertvorstellungen beruhen. Das Frauenwahlrecht als zweites Beispiel war z.B. bis

Zwischenfazit

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vor 30 Jahren selbst in Europa höchst umstritten. In der Schweiz hat sich der Kanton Appenzell Innerrhoden bis 1990 gegen seine Einführung gewehrt. Erst eine erfolgreiche Klage am Bundesgerichtshof führte schließlich dazu, dass Frauen in dem Kanton das Wahlrecht gewährt wurde. Die ist ein Beispiel von vielen, dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen nicht von allen Menschen als erstrebenswertes Ziel gesehen wird. Ähnliche Wertunterscheide lassen sich z.B. auch in Bezug zu gleichgeschlechtlichen Ehen oder in der Integration von Flüchtlingen beobachten. Die Bewertung von sozialen Innovationen ist in der offenen Sichtweise vor allem durch verschiedene Rationalitäten und subjektiven Wertvorstellungen geprägt. Allerdings kann sich auch die theoretische Sichtweise auf soziale Innovationen nicht von einem Fortschrittstelos lösen. Soziale Innovationen bleiben gesellschaftliche Errungenschaften. Sie beziehen sich auf Änderungen von Werten, Normen und Regulationen als Grundlage sozialer Praktiken. Von der Form her sind sie nicht technisch (nicht-materiell)44. Sie ändern, was als legitime Praxis sozialen Handelns anerkannt wird. Damit sind sie Teilschritte zur Modernisierung der Gesellschaft. Stiftungen treten nach dieser Sicht vor allem als soziale Innovatoren auf, wenn sie sich aktiv für die Änderung sozialer Praktiken einsetzen. Dabei muss es sich nicht zwangsweise um soziale Probleme im engeren Sinn handeln. Erfolgreiche Strategien, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen und z.B. die Verbesserung in der Qualität wissenschaftlicher Hochschulen oder eine effizientere Arbeitsorganisation bewirken, sind auch als soziale Innnovationen zu bezeichnen, auch wenn sie nicht auf die Besserstellung benachteiligter Bevölkerungsgruppen abzielen. 3.3

Zwischenfazit

Obwohl die eben vorgestellten Ansichten in spezifischen Aspekten voneinander abweichen, lassen sich viele Gemeinsamkeiten erkennen. Im Folgenden werden die wichtigsten Kriterien sozialer Innovationen zusammengeführt, um den Begriff für den weiteren Forschungsprozess fruchtbar zu machen. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass soziale Innovationen neue Lösungsansätze und Bewältigungsstrategien für soziale Probleme sind. Was als soziales Problem angesehen werden kann variiert. Im engeren Sinne sind soziale Probleme mit menschlichen Leid und Ausgrenzung verbunden. Im weiteren Sinne handelt 44 Braun-Thürmann & John (2010) sprechen sich gegen eine Abgrenzung sozialer Innovationen von technischen Innovationen aus. Zum einen betonen sie, dass technische Artefakte und Sozialstruktur in ständiger Wechselwirkung zueinanderstehen. Zum anderen argumentieren sie, dass auch soziale Innovationen als Praktiken mittelfristig an Materialität gewinnen. Beispiele sind der Bau von Kirchen neuer Religionen oder das UN-Hauptquartier in New York als Referenz zu neuen politischen Aushandlungsprozessen. Auch die Fliessbandarbeit ist nicht ohne die technische Innovation des Fliessbands möglich.

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Soziale Innovationen

sich ganz allgemein um Regelungen, Werte und Normen, die von einer Gruppe von Akteuren als unerwünscht wahrgenommen werden. Stark verankert in der Betrachtung von sozialen Innovationen ist jedoch ein Modernitätsgedanke, der sich wage an Leitbildern wie Inklusion, Gerechtigkeit, Wohlstand, Lebensqualität, ökologischer Nachhaltigkeit, Partizipation und Demokratie festhalten lässt. Soziale Innovationen sind neue und bessere Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen, deren Beurteilung jedoch von dem ethischen Standpunkt des Betrachters abhängt. Im Ergebnis sind soziale Innovationen Veränderungen der sozialen Praxis. Dies bedeutet,dass sie bestehende Routinen aufbrechen und durch neue Handlungsweisen ersetzen. Sie konkurrieren dabei sowohl mit Traditionen und konservativen Wertvorstellungen als auch mit alternativen Lösungsansätzen. Vom Wesen her sind soziale Innovationen Neukombinationen bestehender und neuer Elemente. Diese Elemente können u.a. neue Denkweisen, Prozesse, Organisationen, Verfahrensweisen, Technologien, Gesetze oder Regulationen sein. Der Neuigkeitsgrad einer sozialen Innovation ist dabei relativ. Weniger bedeutend als der absolute Neuigkeitsgrad ist, dass der Lösungsansatz neu für das System ist, in dem er eingeführt wird. In ihrer Entstehung sind soziale Innovationen durch partizipative Entstehungsprozesse geprägt, die zu neuen sozialen Beziehungen und Kollaborationen führen. Soziale Innovationen lassen sich weiterhin in Bezug auf ihre Reichweite und Folgewirkungen unterscheiden, in denen sie auftreten. Auf der Mikroebene betreffen sie das Handeln und die Interaktion von Individuen und Gruppen. Auf der Mesoebene beziehen sie sich auf organisationale und institutionelle Veränderungen. Soziale Innovationen auf der Makroebene betreffen die gesamte Gesellschaft. Im letzten Fall kann in Anlehnung an Schumpeter von gesellschaftlichen Basisinnovationen gesprochen werden. Die meisten sozialen Innovationen haben ihren Ursprung auf der Mikroebene. Eine besondere Bedeutung in der Durchsetzung sozialer Innovationen kommt unternehmerisch handelnden Personen und Organisationen zu, die gewillt sind, Risiken einzugehen und sich für das Ausbrechen aus bestehenden Routinen einsetzen. Auf Basis dieser Überlegungen werden im Folgenden unter sozialen Innovationen neue Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme verstanden, ohne im Vorhinein eine qualitative Wertung der Probleme vorzunehmen. Es kann sich dabei um Probleme im engeren Sinn, aber auch um allgemeine Praktiken handeln, die von einem Akteur als problemhaft bezeichnet werden. Die Bezeichnung des „Ansatzes“ drückt aus, dass in den wenigsten Fällen ein Problem vollständig gelöst wird. Vielmehr handelt es sich um verbesserte Strategien mit einer Herausforderung umzugehen. Eine offene Interpretation erlaubt in der späteren Analyse zu überprüfen, welcher Art von Problemen sich Stiftungen widmen und mit welchen Strategien sie diesen begegnen. Weiterhin schließt diese Sichtweise technische und marktbasierte Lösungen in der Definition mit ein, wenn diese nicht der privaten

Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen

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Gewinnerzielung, sondern der Verbesserung der Lebenssituation von Menschen dienen. Streng genommen handelt es sich erst um eine soziale Innovation, wenn der neue Lösungsansatz zur neuen Routine geworden ist, zu besseren Ergebnissen führt als etablierte Praktiken und weitere Folgewirkungen auslöst. Gemäß dieser Sichtweise auf soziale Innovationen könnte man erst von einer innovationsfähigen Stiftung sprechen, wenn diese vermag, neue Lösungsansätze zur erfolgreichen Institutionalisierung zu bringen. Von dieser Interpretation wird hier vorerst Abstand genommen. Aus einer analytischen Perspektive erscheint es ungenügend, die Innovationsfähigkeit einer Stiftung ausschließlich an der dauerhaften Institutionalisierung ihrer Ideen zu bemessen. Die meisten Stiftungen wären schon alleine wegen der Insuffizienz ihrer Ressourcen nicht in der Lage, diese Voraussetzung zu erfüllen (Hammack & Anheier 2013, S. 13). Vielmehr sollte sich die Überprüfung an verschiedenen Beiträgen orientieren, die Stiftungen im gesamten Innovationsprozess leisten können. So weist z.B. Brandsen (2014, S. 57) daraufhin, dass „die tatsächliche Implementation einer sozialen Innovation […] nur der letzte Teil eines längeren Prozesses, und nicht unbedingt der wichtigste ist“. Damit ist gemeint, dass die partizipativen Prozesse, der Aufbau neuer sozialer Beziehungen, Diskurse um Problemwahrnehmung und der Wettstreit um Ideen einen eigenen Wert haben, der nicht zu vernachlässigen ist. Da es sich bei sozialen Innovationen um politische Prozesse handelt, ist ihr Erfolg von vielen Faktoren abhängig, die nicht unbedingt in der Macht der Stiftungen liegen. Trotz dieser konzeptionellen Öffnung kann jedoch insbesondere dann von einer innovationsorientieren Stiftung gesprochen werden, wenn sie systematisch auf die erfolgreiche und dauerhafte Änderung einer sozialen Praxis hinarbeitet (Gerber 2005; Anheier & Leat 2006). In diesem Prozess kann sie verschiedene Beiträge leisten, wie im nächsten Abschnitt aufgezeigt wird. 3.4

Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen

Teil der Innovationsforschung war seit jeher das Bestreben zu verstehen, wie Innovationen entstehen und sich erfolgreich auf dem Markt durchsetzen (BlättelMink 2006). Während Schumpeter vor allem die Rolle des Unternehmers betonte, haben anderen Autoren versucht, verschiedene Phasen des Innovationsprozesses zu beschreiben. Diese beziehen sich fast ausschließlich auf technische Erfindungen und deren anschließenden Weiterentwicklung zu marktfähigen Innovationen. Erste Beispiele kommen z.B. von Ogburn, der in seinen Publikationen verschiedene Phasenabläufe entwickelt hat. Einer davon lässt sich folgendermaßen darstellen: Idee Æ Modell Æ Test Æ Weiterentwicklung Æ Verkauf Æ Marketing Æ Massenfertigung (Ogburn 1937, S. 6). Demnach folgt auf eine Idee die Entwicklung eines ersten Modells oder Prototyps. In einer Versuchsphase wird der Prototyp anschließend getestet und auf Basis der Ergebnisse so lange verbessert, bis das Produkt für

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Soziale Innovationen

den Verkauf geeignet ist. Mit Hilfe des Marketings wird das Produkt großflächig beworben. Wenn genügend Nachfrage besteht, werden die Kosten des Produkts durch die Massenfertigung gesenkt und neue Kundengruppen gewonnen. Eine leicht abgeänderte Sequenz stammt von dem Doyen der Diffusionsforschung, Evertt Rogers. Dieser hat über Jahrzehnte die Verbreitung von Innovationen studiert. Rogers (2003) trifft dabei keine formelle Unterscheidung zwischen technischen und sozialen Innovationen. Für ihn sind Innovation generell alle Ideen, Praktiken oder Objekte, die von einem Individuum oder einer anderen sozialen Einheit als neu empfunden werden (a.a.O., S. 12). Bei der Mehrzahl seiner Beispiele handelt es sich um technische Innovationen. Die von Rogers vorgeschlagene Innovationssequenz lässt sich wie folgt darstellen: Wahrnehmen eines Problems oder Bedürfnisses Æ angewandte- und Grundlagenforschung Æ Entwicklung Æ Kommerzialisierung Æ Diffusion und Adaption Æ Bewältigung der Konsequenzen (a.a.O., S. 138).In diesem Modell steht anstatt einer Idee, eine Problemwahrnehmung am Ausgangspunkt des Innovationsprozesses. Die Lösungssuche basiert auf angewandter und grundlegender Forschung, um ein brauchbares Modell für die Kommerzialisierung zu entwickeln. Anschließend kommt es zur Verbreitung der Innovation durch deren Annahme von Nutzern und Konsumenten. Rogers weist daraufhin, dass die Einführung einer Innovation immer auch Konsequenzen hat, die nicht unbedingt positiv sein müssen (wie im Beispiel der Waldrodung). Die Bewältigung der Folgewirkung ist daher der letzte Schritt in der Innovationskette. Entgegen der reichhaltigen Forschung über technische Innovation ist die Auseinandersetzung mit der Entstehung und Diffusion von sozialen Innovationen noch wenig ausgeprägt. Eines der ersten, auf empirischen Forschungen basierenden Konzepte, stammt von Murray et al. (2010). Sie unterbreiten ein 6-Phasen Schema, welches auch in der Wahrnehmung eines Problems beginnt und sein Ende in systemischen Veränderungen findet. Das in Abbildung 1 dargestellte Modell wurde vor allem für Organisationen des Dritten Sektors entwickelt, deren Ziel es ist, soziale Innovationen zu entwickeln und zur Verbreitung zu bringen. Es eignet sich daher als heuristischer Rahmen, um verschiedene Beiträge von Stiftungen im gesamten Innovationsprozess zu identifizieren.

Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen

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Abb. 1: Der Prozess sozialer Innovationen (Quelle: Murray et al. 2010, S. 11)

Dazu bedarf es allerdings einiger Vorbemerkungen. Erstens folgt die Entstehung und Verbreitung von sozialen Innovationen nur in seltenen Fällen einem linearen Entwicklungsprozess. Die Darstellung folgt daher bewusst keiner geraden Linie. Die Sequenz der Phasen ist nicht als deterministisch zu betrachten. In der Realität überschneiden sich die jeweiligen Phasen, oder treten in veränderter Reihenfolge auf. Manche Ansätze werden ohne große Erprobung in die Praxis umgesetzt, nicht jede erfolgreiche Lösung wird skaliert. Viele innovationsverdächtige Entwicklungen schaffen nie, die Phase der Prototypen oder Pilotprojekte zu überwinden. Zu grundlegenden systemischen Veränderungen führen nur die wenigsten Lösungsansätze. Zweitens soll mit dem Phasenschema keine einfache Methodik zur Generierung von sozialen Innovationen impliziert werden. Die meisten sozialen Probleme oder Herausforderungen sind komplex oder „wicked“ (Rittel &Webber 1973). Sie schließen einfache Lösungen aus. Gleichzeitig differieren Problembereiche in dem Maß, in dem Veränderungen möglich sind. Während in manchen Situationen die Bereitschaft zur Einführungen von neuen Ansätzen bestehen mag, sind andere Problemszenarien durch ihre Dauerhaftigkeit und Trägheit geprägt. Generell ist die Veränderungsbereitschaft während Krisen höher. In stabilen Zeiten werden eher Innovationen zur Erhaltung und Verbesserung der bestehenden Situation angestrebt, anstatt dass Forderungen nach systemischen Änderungen Erfolg haben (Caulier-Grice et al. 2012, S. 41).

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Soziale Innovationen

Das Phasenschema ist demnach nicht als ein dogmatisches Planungsinstrument anzusehen. Es kann jedoch als Orientierungsrahmen für Organisationen dienen, deren Ziel es ist, soziale Innovationen zu initiieren und in ihrer Entwicklung zu fördern. Im Folgenden werden die einzelnen Phasen beschrieben und vereinzelte Handlungsoptionen für Stiftungen aufgezeigt. Das aus der Empirie abgeleitete Modell wird dabei mit weiteren theoretischen Erkenntnissen angereichert45. 3.4.1

Auslöser und Problemformulierung (Prompts)

Soziale Innovationen wurden als neue Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme definiert. Sie sind Ausdruck intentionaler Veränderungsprozesse. Der Wille einen Zustand zu verändern, ist somit eine Grundvoraussetzung dafür, dass soziale Innovationen entstehen. Die Unzufriedenheit mit einer Situation führt zu der Entscheidung, dem Problem etwas entgegenzusetzen und aus der Routine auszubrechen. In vielen Fällen ist die eigene Betroffenheit der stärkste Treiber, dass eine Person nach neuen Lösungen und Strategien sucht, um eine Situation zu verbessern. Aber auch Abweichungen von einem erwünschten gesellschaftlichen Idealbild, Verletzungen der eigenen Werte oder die Empathie mit den Betroffenen, können Auslöser sein, für Veränderungen einzutreten (Ryan & Deci 2000). Besondere Vorkommnisse, wie Katastrophen (z.B. Fukushima), Krisen (z.B. Finanzkrise), mediale Berichte (z.B. Bilder von Flüchtlingen) oder neue Forschungsergebnisse (z.B. Pisa-Studie) verdeutlichen einen Bedarf an Veränderungen. Der Drang nach etwas Neuem ist Ausdruck des Überdrusses und der Frustration mit einer Situation (Rammert 2010). Ähnlich wie bei der Gründung einer Stiftung, ist der Wille tätig zu werden, von einem Bündel von Motiven bestimmt. Die Definition, was ein gesellschaftliches Problem darstellt und worin dessen Ursachen liegen, ist Gegenstand diskursiver Aushandlungsprozesse (Blumer 1975; Groenemeyer 2012). Die Problemformulierung legt die Ursachen eines Problems dar und determiniert zu einem großen Teil die möglichen Strategien der Herausforderung zu begegnen. Je komplexer und grösser ein Problem ist, desto mehr verschiedene Ursachen lassen sich identifizieren. Die sachliche, zeitliche und soziale Teilung gesellschaftlicher Probleme, kann dazu führen, dass sie ihr überwältigendes Ausmaß verlieren (Zapf 1997, S. 39). Zu beachten dabei ist, dass der Diskurs über die Ursachen von sozialen Problemen stark durch die bestehenden Machtstrukturen geprägt ist. Oftmals werden die Gründe der Probleme auf bestimmte Charakteristiken von Menschen (Alter, Ethnie, Religion etc.) zurückgeführt, anstatt dass ihre Ursache in den strukturellen Gegebenheiten in der Gesellschaft gesehen wird (Jamrozik & Nocella 1998, S.4). Interessengeleitete Wahrnehmungsunterschiede, 45 Für eine sehr ausführliche und profunde Darlegung von sozialen Lösungsprozessen siehe Thümler (2017).

Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen

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Autoritäts- und Machtpositionen haben großen Einfluss auf die spezifische Problembetrachtung (Peters 2002). Das Brechen konventioneller Erklärungsmuster ist daher ein langfristiger und schwieriger Prozess. Allerdings wird gerade in der Neuund Umformulierung von Problemwahrnehmungen ein großes Potential von sozialen Innovationen gesehen (Lettice & Parekh 2010)46. Insbesondere die Konzentration auf die Stärken, anstatt auf die Defizite von Betroffenen, eröffnet neue Handlungsdimensionen. Die ethische Einstellung gegenüber sozialer Gerechtigkeit (Moulaert et al. 2005) wird durch die Definition des Problems ersichtlich. Für Stiftungen bedeutet dies, dass sie großes Augenmerk auf ihre eigene Problemformulierung legen müssen. Möglichkeiten betroffene Gruppen einzubeziehen beinhalten u.a. Rollenspiele, Visualisierungstechniken oder klassische Interviews. Dadurch können unbefriedigte Bedürfnisse und latente Probleme zum Vorschein gebracht werden, aber auch Barrieren identifiziert werden, die Menschen darin hindern, ihre eigene Situation zu verbessern (Murray et al. 2010). Prewitt (2006) sieht in der Förderung von wissenschaftlichen Studien ein wirkungsvolles Instrument, neues Wissen über die Ursachen und Lösungsoptionen für gesellschaftliche Problem zu generieren. Eine Problemformulierung, ohne die verfügbare wissenschaftliche Evidenz zu berücksichtigen, sehen Stiftungsexperten als naiv an (Bethmann 2014). 3.4.2

Ideen und Lösungsvorschläge (Proposals)

Wenn eine Theorie über die Ursachen eines Problems besteht, ist der nächste Schritt die Entwicklung von Lösungsvorschlägen (Murray et al. 2010, S. 30). Es geht darum, bessere Antworten auf bestehende Herausforderungen zu formulieren. Der Prozess muss nicht zwangsweise einer formellen Struktur folgen. Gerade bei neuen Lebensstilen oder Prozessen des Wertewandels kann es sich um informelle und inkrementelle Entwicklungen handeln, die auf Gefühlen und unausgesprochenen Bedürfnissen beruhen. Personen oder Organisationen, die einen intendierten Wandel anstreben, benötigen jedoch konkreten Ideen und Handlungspläne, wie sie eine Situation ändern wollen. In dieser Phase spielt Kreativität eine große Rolle. Dies impliziert, auch radikale und abwegige Ideen nicht gleich zu verwerfen. Anheier & Leat (2006, S. 43) betonen, dass es wichtig ist, neue Perspektiven einzunehmen und über die Kombination, bisher nicht in Zusammenhang stehender Elemente nachzudenken. 46 Lettice & Parakh (2010) nennen als ein Beispiel die vermeintliche Politikmüdigkeit von Jugendlichen. Anstatt das Problem als mangelndes Interesse und Lethargie von Jugendlichen zu umschreiben, könnte eine alternative Problemformulierung auch lauten, dass die konventionellen Kommunikationskanäle sowie Partizipationsmöglichkeiten nicht mehr mit dem Lebensstil von Jugendlichen übereinstimmen und daher nach neuen Methoden gesucht werden muss, die mit den Bedürfnissen von jungen Menschen übereinstimmen.

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Soziale Innovationen

Gesellschaftliche Utopien, bzw. die Vorstellung einer Idealsituation, leiten den Gedankenprozess. Innovatoren versuchen oftmals die Komplexität der Probleme auf ihre essentiellen Bestandteile zu reduzieren. Dadurch lassen sich spezifische Interventionspunkte identifizieren und überzeugende Narrative entwickeln, mit denen weitere Akteure von einem Lösungsansatz überzeugt werden können (Dees 2010). Durch die Integration der Betroffenen eines Problems sowie von Experten und Entscheidungsträgern, steigt die spätere Wahrscheinlichkeit, dass der Lösungsvorschlag Unterstützung findet. Die meisten Methoden zur Ideengenerierung gehen davon aus, dass Menschen die Fähigkeit haben, ihre eigene Situation richtig einzuschätzen und dass sie Lösungen zu Problemen selbst formulieren können (Whyte 1982). Von Hippel (1988, S. 1) spricht in diesem Zusammenhang von „user-centric, democratized innovation“. Jamrozik & Nocella (1998, S. 4) weisen auf die Bedeutung von „practice wisdom“ hin. Darunter verstehen sie das Erfahrungswissen von Menschen, die in bestimmten Problembereichen arbeiten. Dies können z.B. Sozialarbeiter sein, aber auch Lehrer, Verwaltungsbeamte oder Integrationsbeauftragte. Idealerweise werden bei der Planung von Lösungsansätzen Vertreter aller Anspruchsgruppen sowie Fachexperten einbezogen, ohne jedoch die Deutungshoheit einer Profession einfach zu übernehmen. Je komplexer ein Problem ist, umso schwieriger ist es, erfolgreiche partizipative Prozesse zu gestalten (Forester 1999). Für die Ideengenerierung schlagen Murray et al. (2010, S. 141-208) verschiedene Methoden vor, die unter anderem Crowd Sourcing, Wettbewerbe, Ideenmarktplätze, die Analyse von positiven Ausreißern, aber auch klassische Forschung einschließen. Stiftungen können diese Prozesse mit finanziellen Ressourcen unterstützen oder selbst organisieren, um die Generierung neuer Ideen anzuregen. Die Bill & Melinda Gates Stiftung ruft z.B. periodisch zu Wettbewerben auf, in denen nach Lösungsansätzen für ausgewählte Gesundheitsprobleme in Entwicklungsländern gesucht wird47. Der Vergleich mit bestehenden Ansätzen und die Auswertung wissenschaftlicher Evidenz informieren und unterstützen den Prozess. Ziel der Ideengenerierung sollte es sein, eine Art Handlungsplan zur Begegnung eines Problems zu entwickeln, der auch Unterstützung in der Gesellschaft findet (Blumer 1975).

47 Die “Grand Challenges in Global Health” Wettbewerbe sind von der Hibertschen Liste inspiriert. Der deutsche Mathematiker David Hilbert hatte im Jahr 1900 auf einen Kongress in Paris eine Liste mit ungelösten mathematischen Problemen vorgesellt und zu ihrer Lösung aufgerufen. Die Liste hatte einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf die Entwicklung der Mathematik. Die Lösung eines Problems versprach Ruhm und Anerkennung. Die Gates Stiftung unterstützt die besten Vorschläge in der Umsetzung (vgl. Kapser & Marcoux 2014).

Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen

3.4.3

71

Prototypen und Piloten (Prototypes)

In der Entwicklung von technischen Innovationen werden verschiedene Prototypen hergestellt, bevor das Endprodukt auf dem Markt lanciert wird. In dem Prozess werden die Produkte oftmals zuerst einer kleinen Gruppe von Beta-Testern zu Verfügung gestellt, die es auf seine Alltagstauglichkeit hin überprüfen. Diese Lead-user (von Hippel 1988) haben einen großen Einfluss auf das Design und die finale Version des Produkts. Murray et al. (2010) erachten auch für soziale Innovationen eine Testphase für wichtig. Die meisten Lösungsansätze nehmen erst während Versuchsphasen ihre eigentliche Gestalt an. Erst durch die Einführung einer Idee in die Praxis wird deutlich, ob die Annahmen aus dem Handlungsplan zutreffend sind. So zeigt sich z.B., ob eine neue Idee zur Förderung von arbeitslosen Jugendlichen von diesen angenommen wird und auch wirklich zu besseren Resultaten führt. Während der Pilot- bzw. Einführungsphase kann sich der Lösungsansatz maßgeblich ändern. In vielen Fällen ändert sich die Wahrnehmung des eigentlichen Problems auf Grund des Meinungsaustauschs zwischen beteiligten Personen (Kitsuses & Spector 1973). Annahmen, die in der Ideenentwicklung und Problemformulierung getroffen worden sind, können sich als falsch oder weniger wichtig herausstellen. Die wenigsten Pläne behalten ihre ursprüngliche Form, nachdem sie in die Praxis überführt werden (Blumer 1975, Mulgan 2006). Mulgan (2006, S. 152) sieht die Gründung von „embryonic organizations“ als eine Methode, schnell in die Phase der Implementierung überzugehen. Stiftungen können hier insbesondere durch die Übernahme der Grundfinanzierung einen wichtigen Entwicklungsbeitrag leisten (Frumkin 2006, S. 140). Die oftmals gemeinnützigen Organisationen geben der Idee ein institutionelles Gerüst und die Fähigkeit, weitere Ressourcen zu mobilisieren. Entscheidend ist für Mulgan (2006), dass das Scheitern eines Pilotprojekts nicht die Idee als solches in Frage stellt. Vielmehr müssen die Lernerfahrungen in weitere Versuche einfließen, um einen Lösungsansatz zur erfolgreichen Implementierung zu bringen. Genauso wie technische Innovationen, bauen soziale Innovationen auf Prozessen von Versuch und Irrtum auf. Allerdings sind die Prozesse nicht direkt vergleichbar. Vor allem unterscheiden sie sich in Bezug auf ihre unterschiedlichen Konsequenzen. Wenn ein Produkt sich auf dem Markt nicht durchsetzt, trägt primär das Unternehmen die Konsequenzen. Bei sozialen Innovationen dreht es sich oft um die Schicksale von Menschen. Wenn z.B. eine neue Methode zur Vermeidung von Jugendkriminalität eine schlechtere Wirkung zeigt als herkömmliche Methoden, so haben die Folgen eine direkte Auswirkung auf unbeteiligte Personen. Im Idealfall werden während der Einführungsphase nur marginale Anpassungen getroffen. Es kann aber auch zu fundamentalen Änderungen oder der Verwerfung des Ansatzes kommen. Ziel ist jedoch, den tatsächlichen Mehrwert eines

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Soziale Innovationen

neuen Lösungsansatzes zu beweisen. In Betracht der obigen Ausführungen bedeutet dies, dass der neue Ansatz tatsächlich zu einer gerechten oder integrativen Gesellschaft führen soll oder andere Verbesserungen tatsächlich erkennbar sind. Mit den Erfahrungen können Evidenzen geschaffen werden, dass ein Ansatz funktioniert und es wert ist, ihn beizubehalten. Verschiedene Evaluationstechniken und Messmethoden dienen dazu, die Wirksamkeit eines neuen Lösungsansatzes zu überprüfen und zu dokumentieren (Caulier-Grice et al. 2012, S. 37). Die Förderung von Pilotprojekten ist seit jeher ein beliebtes Instrument der Stiftungsarbeit. Gerber (2005, S. 77) sieht den Wert solcher Projekte darin, dass dem Staat dadurch Investitionskosten für die Überprüfung der Wirksamkeit einer Innovation abgenommen werden. Zugleich können sich Stiftungen als Innovatoren positionieren, wenn sie „Lösungsvorschläge zur Debatte stellen, Modelle vorgeben und Risikokapital für gesellschaftliche Projekte bereitstellen“ (Schmidt 2003, S. 90). Sie können dadurch zeigen, dass bessere Alternativen zu etablierten Routinen existieren. Allerdings birgt die Konzentration auf Pilotprojekte auch die Gefahr der Kurzfristigkeit stifterischen Handelns (Strachwitz 2010, S. 205). Damit sich ein neuer Lösungsansatz nachhaltig als neue Routine etabliert, sind weitere Anstrengungen nötig. 3.4.4

Nachhaltige Verankerung (Sustaining)

Streng genommen kann man erst von einer sozialen Innovation sprechen, wenn sich ein neuer Lösungsansatz nachhaltig in der Gesellschaft verankert hat und zu besseren Ergebnissen führt als bestehende Routinen. Vorher wäre es adäquater von einer Invention, oder „innovationsverdächtigen Entwicklungen“ (Gillwald 2000, S. 3) zu sprechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Lösungsansatz zur neuen sozialen Praxis wird, hängt dabei von einer Reihe von Determinanten ab. Nur die wenigsten Ideen kommen über eine Pilotphase hinaus. Generell wird angenommen, dass die Annahmewahrscheinlichkeit einer Innovation dann höher ist, wenn sie einen relativen Vorteil gegenüber vorherigen Regelungen und Verhaltensweisen bringt, nicht zu komplex ist und mit dem Wertesystem, Erfahrungen, Bedürfnissen und Gewohnheiten der Entscheidungsträger

Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen

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kompatibel ist (Rogers 2003, S.222- 265)48. Nicht jeder Problembereich ist jedoch gleich offen gegenüber Veränderungen. Insbesondere in Bereichen, in denen einen hohe Regelungsdichte herrscht, sind Veränderungen schwieriger durchsetzen als in dynamischen Systemen (Battilana et al. 2009). Die herrschenden Macht- und Interessenstrukturen können dazu führen, dass auch vermeintlich bessere Lösungen nicht weiterverfolgt werden. Die nachhaltige Verankerung hängt nicht nur von dem Wesen der Innovation an sich ab, sondern von dem institutionellen Umfeld in dem sie eingeführt werden soll. Manche Innovationen befinden sich für Jahrzehnte in einer Art Gärungsstadium, bevor ihre Zeit gekommen ist (Braun-Thürmann 2005, S. 47). Für die dauerhafte Institutionalisierung sozialer Innovationen bestehen verschiedene Strategien. Bei Problemen, deren Lösung die Änderungen von öffentlichen Regelungen und Gesetzen implizieren, müssen Meinungskoalitionen aufgebaut werden, welche die Anwaltschaft über ein Thema übernehmen und sich auf politischer Ebene für ihre Umsetzung einsetzen. Der Einbezug von Entscheidungsträgern in der frühen Planungsphase erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Einführung der Innovation unterstützen (Lettice & Parekh 2010). Besonderes Potenzial wird in dem Aufbau von Fähigkeiten und Kapazitäten von Organisationen gesehen, welche die Lösung operativ umsetzen (Prewitt 2003, Frumkin 2006, S. 197). Unter dem Stichwort „capacity building“, bzw. dem Kompetenzaufbau können Stiftungen z.B. Mittel für die Anstellung weiterer Personen, dem Ausbau der Infrastruktur oder der Teilnahme an personellen Weiterbildungen zukommen lassen. Die Organisationen werden dadurch befähigt, eigene Wege zur finanziellen Nachhaltigkeit und Verankerung ihrer Ansätze zu finden. Mulgan (2006) spricht in diesem Zusammenhang von der Notwendigkeit eines funktionierenden Businessplans für Social Business oder andere Organisationstypen, die sich für den Wandel einsetzen. Damit sich eine Innovation nachhaltig etablieren kann, muss sie sich gegenüber anderen Praktiken als effizienter und effektiver beweisen und Unterstützung

48 Dass der relative Vorteil alleine nicht entscheidend ist, zeigen viele Beispiele gescheiter Erfindungen. Eines der berühmtesten Beispiele ist die Dvorak Tastatur. Die heute geläufige QWERTY Tastatur (benannt nach der oberen Buchstabenreihe) wurde zu Zeiten der mechanischen Schreibmaschinen entwickelt. Der Sinn dahinter war, die Geschwindigkeit beim Tippen zu reduzieren. Bei zu schnellen Tippen hatten sich jeweils die metallischen Arme verhakt, mit denen die Buchstaben auf das Papier gedruckt wurden. Mit der Erfindung der elektrischen Schreibmaschine und von Computern fiel dieses Problem weg. Es gab keinen Grund mehr, das Tippen durch die Gestaltung der Tastatur absichtlich zu bremsen. Mit einer verbesserten Tastatur, die von einem Professor der Washington Universität (August Dvorak) entwickelt wurde, konnten die Geschwindigkeit beim Tippen massgeblich erhöht wurden. Trotzdem setzte sich die effizientere Tastatur nie durch. Neben der ungewollten Umgewöhnung verhinderten wirtschaftliche Interessen von Herstellern die Verbreitung der effizienteren Lösung (vgl. Rogers 2003, S. 8-10)

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Soziale Innovationen

von einer breiten Koalition von Akteuren finden. Die Nutzer der Innovation müssen von den positiven Effekten überzeugt sein, damit sie diese mittel- und langfristig akzeptieren (Rogers 2003, S. 159). Das Festhalten an Traditionen, konservative Wertvorstellungen und eine generelle Skepsis gegenüber Veränderungen, stehen einer nachhaltigen Änderung der sozialen Praxis gegenüber. Damit aus einer Invention eine soziale Innovation wird, sind dauerhafte Anstrengungen nötig, die über die Finanzierung von Pilotprojekten hinausgehen. Aus dieser Sicht dürfen Stiftungen sich nicht scheuen, langfristige Förderbeziehungen einzugehen oder auf politischer und administrativer Ebene für die dauerhafte Einführung der Innovation zu werben. 3.4.5

Skalierung & Diffusion (Scaling & Diffusion)

Viele der Determinanten, die über die Verankerung einer Innovation entscheiden, beeinflussen auch ihrer Chance zur Verbreitung. Idealerweise erkennen Akteure in ähnlichen Problemlagen eine Innovation und übernehmen sie zu ihrem eigenen Nutzen (Brandsen 2014). Zum Teil verbreiten sich soziale Innovationen über organische Prozesse der Imitation (Howaldt et al. 2014). In andern Fällen ist die Ausweitung die Konsequenz intentionaler Bemühungen. Während der Diffusion kommt es zu Anpassungen der Lösungsansätze an den jeweiligen lokalen Kontext. Nur selten werden soziale Innovationen von einem zum anderen Ort ohne jegliche Variation übertragen. In diesem Zusammenhang wird auch von Re-Invention (Rogers 2003, S. 180) oder Bricoulage (Leví-Strauss 1966) gesprochen. Einzelne Elemente werden entfernt, andere kommen hinzu. Wie in ein einem Puzzle wird die Innovation neu zusammengesetzt und an lokale Bedürfnisse angepasst. Dieser Prozess ist notwendig, damit die Innovation Akzeptanz findet. Eine der wichtigsten Faktoren für die Verbreitung von sozialen Innovationen ist der offene Wissenstransfer. Mit Hilfe von Handbüchern, offenen Datenbanken oder auch wissenschaftlichen Publikationen wird das Wissen über die Innovation einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht (Muray et al. 2010, S. 83)49. Rogers (2003, 305) betont die Bedeutung von heterophilen Kommunikationskanälen und der Bedeutung von schwachen Beziehungen (Granovetter 1973), die zur Verbreitung von Innovationen beitragen50. Das Wissen über eine Innovation kann als 49 Das von der EU gefördert Forschungsprojekt SI-Drive baut eine Datenbank sozialer Innovationen auf. Bisher haben die Forschungsteams über 1.000 Fälle zusammengetragen. 50 Das Konzept der Heterophilie und Homophilie stammt von Gabriel Tarde (1890) und wurde später von Paul F. Lazarsfeld und Robet K. Merton (1964) aufgenommen. Heterophyllie beschreibt den Grad in dem sich zwei Individuen, die mit einander kommunizieren, voneinander unterscheiden. Homophilie bedeutet, dass sich die Individuen in Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Ethnie und Bildungsrad sehr ähnlich sind. Unter ähnlichen Menschen ist die Kommunikation effektiver. Menschen tendieren daher bevorzugt mit Menschen zu kommunizieren, mit denen sie viel gemeinsam haben. Dadurch teilen sie

Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen

75

Grundlage und Inspiration für neue Akteure dienen, die selbst an der Lösung eines sozialen Problems interessiert sind. Bacchetti & Ehrlich (2007, S. 24) nennen dies „educational capital“. Oftmals werden in spezifischen Fachbüchern oder wissenschaftlichen Journals Lösungsansätze kritisch diskutiert. Die Herausforderung ist, dieses Wissen auf eine Art und Weise zugänglich zu machen, so dass die Lernerfahrungen für andere Akteure nützlich sind, die an der Verbreitung der Innovation interessiert sind. Ein erschwerender Faktor in der Diffusion von sozialen Innovationen ist allerdings der Mangel an Motivation oder Ressourcen der Innovatoren, ihre Lösungsansätze in die Breite zu tragen. Einer der größten Treiber in der Diffusion von kommerziellen Innovationen ist die Aussicht auf steigenden Profit. Dieser finanzielle Anreiz ist bei sozialen Innovationen nicht gegeben. Die Diffusion von sozialen Innovation hängt nicht zuletzt vom Idealismus der Innovatoren ab (Brandsen 2014). Oftmals sind sie aus rein pragmatischen Gründen nicht an der Diffusion interessiert. Sie verfügen wegen über die gleichen sozialen Netzwerk in anderen Regionen, die ihnen die lokale Implementierung ihre Ideen ermöglicht hat, noch sind sie daran interessiert viel zu reisen und Zeit außerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft zu verbringen. Wenn die Innovatoren ihren Lösungsansatz selbst skalieren möchten, stehen ihnen verschiedene Optionen zur Verfügung. Weber et al. (2014) schlagen z.B. Investitionen in die Vergrößerung und Ausbreitung der Organisationen, vertragliche Partnerschaften oder den Aufbau eines Social Franchising Netzes als Skalierungsmethoden vor. Bei letzterem erlaubt die Organisation anderen Akteuren, die Innovationen unter der Nutzung des gleichen Namens und Logos zu übernehmen. Im Gegenzug müssen die Partner spezifische Standards einhalten und eine Lizenzgebühr zahlen. Allerdings lassen sich soziale Innovationen nicht in der gleichen Art schützen, wie dies durch Patente bei technische Innovationen möglich ist. In den meisten Fällen werden die Innovatoren auf die Unterstützung intermediärer Akteure wie Stiftungen angewiesen sein. Ein übertriebener Markenschutz scheint für die Diffusion sozialer Innovationen eher schädlich als hilfreich zu sein (Maelicke 2002).

vor allem Informationen, die mit den eigenen Einstellungen übereinstimmen. Innovationen werden jedoch vor allem durch heterophile Kommunikationskanäle weitergetragen (vgl. Rogers 2003, S. 305 – 308). Anheier & Leat (2006) sehen Stiftungen auf Grund ihrer neutralen Stellung als besonders geeignet, hetero- und homophile Kommunikationskanäle zu Verbreitung von Innovation zu nutzen.

76

3.4.6

Soziale Innovationen

Systemische Veränderung (Systemic change)

Als letzte mögliche Phase sozialer Innovationen sehen Murray et al. (2010, S. 107123) systemische Veränderungen. Dabei handelt es sich um fundamentale Änderungen in größeren gesellschaftlichen Teilbereichen. Es sind soziale Basisinnovationen, welche die Paradigmen in einem Feld ändern und erheblichen Einfluss auf die weitere gesellschaftliche Entwicklung nehmen. Diese Basisinnovationen oder auch systemische Innovationen sind durch viele interdependente Entwicklungen, Konflikte und Auseinandersetzungen geprägt. Sie haben „Lenkungs- und Selektionswirkungen, schaffen Leitbilder und verleihen der Gesellschaft langfristig ihre Gestalt“ (Gillwald 2000, S. 16). Es muss zu einer bedeutenden Änderung von Verhaltensmustern, Wertvorstellungen und gesellschaftlichen Normen kommen, damit man von systemischen Veränderungen sprechen kann. Ein passendes Beispiel zur Veranschaulichung ist die Energiewende in Deutschland. Der Ausstieg aus der Kern- und Kohleenergie war seit jeher eine elementare Forderung der Umweltbewegung. Den Forderungen wurden nicht nur durch Demonstrationen, sondern auch durch Blockaden von Transportwegen oder spektakulären Protestaktionen von Akteuren wie Greenpeace Nachdruck verliehen. Trotzdem kam es zu keinem fundamentalen Wandel in der Energiepolitik. Zu den Gegnern einer neuen Energiepolitik zählten u.a. konservative Strömungen und die Lobby der Energieunternehmen. Erst durch die Katastrophe von Fukushima hat ein radikales Umdenken stattgefunden. Zusätzlich haben neue Daten zum Klimawandel erhöhten Handlungsbedarf aufgezeigt. Als Konsequenz wurde die Energiewende beschlossen, ein systemischer Wandel im Sinne der obigen Beschreibung. Die Gesetzesänderungen haben langfristige Auswirkungen auf die Wirtschaft und Gesellschaft. Die Energiewende ist Produkt eines emergenten Prozesses, der sich über die Jahre entwickelt hat (Brunnengräber 2013). Im Verlauf der weiteren Umsetzung ist mit Komplikationen und Anpassungen zu rechnen, genauso aber auch mit der Entstehung von neuen sozialen und technischen Innovationen, die den Prozess begleiten und weiter vorantreiben. Der spezifische Zusammenhang zwischen sozialen Innovationen und systemischen Veränderungen ist bisher nicht eindeutig geklärt. Howaldt et al. (2014, S. 25) positionieren genau an dieser Stelle eine große Lücke in der soziologischen Theoriebildung. Systemische Änderungen können vielleicht am besten als eine Gemengelage aus intentionalen Interventionen, generativen Prozessen, Schocksituationen und Paradigmenwechseln beschreiben werden. In der Entstehung und Entwicklungen sind Akteure aus allen gesellschaftlichen Sektoren beteiligt. Dem Staat kommt allerdings die entscheidende Schlüsselrolle in der Institutionalisierung systemischer Veränderungen zu. Die Existenz von Protesten, Streiks oder sozialen

Entstehung und Verbreitung sozialer Innovationen

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Bewegungen sind Indikatoren dafür, dass ein Bedürfnis an systemischen Wandel besteht (Tarrow 2011, S. 162). Da es sich bei systemischen Veränderung um komplexe Prozess handelt, lassen sich keine einfachen Methoden formulieren, wie Stiftungen diesen Prozess unterstützen können. Ein Akteur allein ist mit dieser Aufgabe überfordert. Vielmehr müssen sich Stiftungen dafür entscheiden, wo sie ihre Energien investieren wollen und durch welche Koalitionen sie ihre Einflusskraft stärken wollen. Beispiele von möglichen unterstützenden Aktivitäten sind die Organisationen von Aufklärungskampagnen, die Generierung wissenschaftlicher Evidenz, politisches Lobbying, die Propagierung von gesellschaftlichen Visionen, oder die Unterstützung von sozialen Bewegungen (Murray et al. 2010, S. 110-123). Wenn die Bemühungen jedoch nur punktuell und kurzfristig sind, laufen sie die Gefahr keine weiteren Impulse auszulösen. Systemischer Wandel ist das Produkt langfristiger und kollektiver Bemühungen, konfliktreichen Auseinandersetzungen und politischen Aushandlungsprozessen.

4

Stiftungen und soziale Innovationen

Das vorgestellte Phasenschema deutet daraufhin, dass Stiftungen vielfältige Rollen und Funktionen im gesamten Entwicklungsprozess sozialer Innovationen einnehmen können. Würde man Stiftungen ausschließlich nach ihrer Fähigkeit beurteilen, von einer Problemformulierung bis hin zum systematischen Wandel alle Schritte abzudecken, müssten sie zwangsweise an diesem Anspruch scheitern. Zwar bestehen viele Methoden und Mechanismen, welche den Erfolg sozialer Innovationen begünstigen, ein einfaches Rezept existiert hingegen nicht. Der soziale Innovationsprozess ist von Konflikten, Risiken und Unwägbarkeiten geprägt. Soziale Innovationsprozesse können nicht programmiert werden (Thümler 2017, S. 60). Vielmehr müssen sich innovationsorientierte Stiftungen darüber bewusst sein, dass ihre Bemühungen auch scheitern können und immer im Wettstreit mit andern Ideen stehen. Trotz dieser Unsicherheit lassen sich einige Faktoren identifizieren, welche die Erfolgswahrscheinlichkeit intendierter Innovationsbemühungen von Stiftungen erhöhen können. Ausgangsbasis dafür sind, neben bereits erwähnter Methoden, verschiedene Modelle wirkungsvoller Stiftungsarbeit (z.B. Porter & Kramer 1999; Anheier & Leat 2006; Frumkin 2006; Brest & Harvey 2008; Kania et al. 2014). In der Stiftungsliteratur existieren verschiedene Handlungsanleitungen, wie Stiftungen Innovationen fördern und ihre gesellschaftliche Wirkung erhöhen können. Der Wirkungsbegriff ist dabei relativ ähnlich veranlagt, wie die hier vorgenommene Interpretation sozialer Innovationen. Im Prinzip geht es um die Änderung sozialer Praktiken zur Lösung von Problemen. Die Modelle zeigen auf, wie Stiftungen sich verhalten sollen oder sogar müssen, um ihrer vermeintlich unabhängigen Stellung in der Gesellschaft gerecht zu werden. Zusammen mit organisationstheoretischen Überlegungen, eignen sich die deskriptiven Handlungsmodelle innovativer und wirkungsvoller Stiftungsstrategien dafür, erste Überlegungen aufzustellen, wann und wie Stiftungen die Rolle der gesellschaftlichen Impulsgeber einnehmen können. 4.1

Die Notwendigkeit einer Strategie

Einer der grundsätzlichen Herausforderungen von Förderstiftungen ist, dass sie unvollständige Organisationen sind (Hammack & Anheier 2013, S. 9). In ihrer © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_4

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Stiftungen und soziale Innovationen

Grundform sind Stiftungen zweckgebundene Vermögen.So lange eine Stiftung keine Mittel an öffentliche oder gemeinnützige Organisationen ausschüttet, die damit konkrete Projekte und Programme umsetzen, geschieht wenig. Entgegen operativen Organisationen, die z.B. wissenschaftliche, soziale oder kulturelle Einrichtungen führen, sind Stiftungen immer auf anderer Akteure in der Umsetzung ihrer eigenen Ideen angewiesen. Sie betreiben keine eigene Forschung, integrieren keine Migranten oder implementieren keine neuen Bildungskonzepte. Zu ihren Grundaufgaben gehört es, aus der Zweckbeschreibung Prioritäten zu bestimmen, entsprechende Förderkriterien aufzustellen, über eingehende Anträge zu entscheiden und anschließend einen entsprechenden Betrag an die Partner zu überweisen. Stiftungen setzen selbst keine sozialen Innovationen in die Praxis um. Neben ihrer Unvollständigkeit sind Stiftungen auch unproduktive Organisationen (Grant 2016). In der Stiftungsliteratur wird entsprechend argumentiert, dass Stiftungen nur dann ein hohes Innovations- oder Wirkungspotenzial haben, wenn sie gezielten Strategien des sozialen Wandels folgen (Gerber 2005; Anheier & Leat 2006; Brest & Harvey 2008; Kania et al. 2014). Während in einer rational-bürokratischen Sichtweise diese Strategien mit formellen Handlungsplänen und rigiden Evaluationssystemen gleichgesetzt werden (Brest & Harvey 2008), argumentieren andere für ein kreatives und emergentes Vorgehen in der Zweckumsetzung (Anheier & Leat 2006; Kania et al. 2014). In beiden Fällen sind die Auswahl und die Begleitung der Förderpartner die Kernaufgaben von Stiftungen. Ihre Rolle geht über die reine Mittelvergabe hinaus. Vielmehr machen sich innovationsorientiere Stiftungen intensive Gedanken darüber, wie sie mit ihren Partnern spezifischen Herausforderungen etwas entgegensetzen können. Sie gehen strategische Partnerschaften und Allianzen ein, mit dem Wissen, dass sie alleine wenig Aussicht haben, gesellschaftliche Praktiken maßgeblich zu beeinflussen. In dieser Logik lässt sich die vorgestellte Innovationssequenz auf die Funktionsweise von Förderstiftungen anpassen. Schematisch könnte die Kette folgendermaßen aussehen: Festlegung der Handlungsfelder (Problemwahrnehmung) Æ Entwicklung von Lösungsstrategien Æ Auswahl der Förderpartner Æ Begleitung der Partner Æ Nachhaltige Verankerung des Lösungsansatzes Æ Verbreitung Æ systemischer Wandel Die Wahrnehmung eines Problems steht weiterhin am Anfang. Sie manifestiert sich in der Definition von Handlungsfeldern und der Formu-lierung spezifischer Herausforderungen, denen sich einen Stiftung entgegenstellt. Anschließend entwickeln Stiftungen ihrer spezifische Förderstrategien, mit denen sie den Herausforderungen begegnen. Die Suche und Auswahl der Förderpartner entscheidet über die erfolgreiche Implementierung der Förderstrategie. Aktive Stiftungen begleiten ihrer Partner, um ihnen weiterhin unterstützend zur Seite zu stehen. Wenn sich zeigt, dass ein neuer Lösungsansatz bessere Resultate bringt als bestehende

Die Festlegung von Handlungsfeldern

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Routinen, besteht die Herausforderung, diesen nachhaltig zu etablieren und ggf. weiter zu verbreiten. Der Beitrag von Stiftungen zum systemischen Wandel besteht in der langfristigen Förderung von Themen und der Unterstützung vieler einzelner Innovationen. Der Unterschied zwischen innovationsorientierten Stiftungen und „solchen, die es nicht sein wollen oder können, […], sind Konzepte und Strategien des gezielten Wandels“ (Gillwald 2000, S. 59). 4.2

Die Festlegung von Handlungsfeldern

Eine der ersten Schritte in der Entwicklung eines Philanthropiemodells einer Stiftung liegt in der Definition bestimmter Handlungsfelder, denen sich eine Stiftung widmet. In manchen Fällen werden konkrete Problemstellungen bereits im Zweck genannt. Vollkommen offene Stiftungszwecke, wie „for the improvement of mankind“ der Rockefeller Foundation, bilden die Ausnahme. Als Handlungsfelder werden übergeordnete Problemebereiche verstanden. In der allgemeinsten Form unterteilen sie die Förderbereiche nach Themen, wie z.B. Soziales, Bildung oder Umwelt. Diese lassen sich anschließend weiter spezifizieren. Unter dem Handlungsfeld Umwelt kann sich eine Stiftung auf Themen wie den Klimawandel oder der Wasserqualität fokussieren. Unter diesen Themen lassen sich wiederum spezifische Problemstellungen definieren. Oftmals gibt der Gründer zu Beginn der Stiftungsarbeit bestimmte Probleme vor. Bezogen auf ihre Innovationsfähigkeit sind die Handlungsfelder einer Stiftung wirkungsneutral (Gerber 2005, S. 30). Prinzipiell sind in jedem Handlungsfeld Innovationen möglich. Die Handlungsfelder grenzen den Raum von Problemen ein, denen sich eine Stiftung widmet und verleihen ihr zugleich ein eigenständiges Profil. Die Stiftung positioniert sich in der Gesellschaft und signalisiert nach außen, welchen gesellschaftlichen Herausforderungen sie begegnen will (Lang & Schnieper 2008). Grundsätzlich wird in der Stiftungsliteratur davon ausgegangen, dass das Innovationspotenzial einer Stiftung dann höher ist, wenn sie sich wenigen ausgesuchten Problemfeldern widmet, anstatt ihre Fördermittel möglichst breit zu verteilen (Porter & Kramer 1999; Anheier & Leat 2006; Thümler 2017). Stiftungen sollen sich außerdem nur denjenigen Herausforderungen widmen, die angesichts ihres Vermögens in ihrer Reichweite liegen (Adloff 2010, S. 416). In dieser Auffassung macht es wenig Sinn, wenn sich kleinere Stiftungen Problemen wie dem Klimawandel verschreiben. Vielmehr sollten Stiftungen spezifischen Problemausschnitten definieren, bei denen sie Anbetracht ihrer Ressourcen einen sichtbaren Unterschied bewirken können (Gerber 2005; Adloff 2010; Thümler 2017). Inwiefern es dabei die Aufgabe von Stiftungen ist, wenig beachtete Probleme aufzugreifen, ist umstritten. Auf der einen Seite wird Stiftungen ein hohes Innovationspotenzial zugeschrieben, wenn sie Probleme angehen, die insbesondere vom Markt oder Staat

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Stiftungen und soziale Innovationen

keine Beachtung finden (Anheier & Leat 2006). Auf der anderen Seite wird angemahnt, dass erhebliche Anstrengungen und Ressourcen nötig sind, latente Probleme in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu bringen. Die unkritische Übernahme dominanter Erklärungsansätze sozialer Probleme wird allgemein als nicht besonders innovationsförderlich erachtet (Bethmann 2014). 4.3

Rational-bürokratische und emergente Strategien

Streng genommen handelt es sich bei der Definition der Handlungsfelder und der Formulierung spezifischer Problemwahrnehmungen bereits um Teile der Stiftungsstrategie. Eine Strategie kann ganz allgemein als ein Muster von Entscheidungen definiert werden, wie eine Organisation versucht, bestimmte Ziele zu erreichen (Mintzberg 1994). Sie ist Teil des Philanthropiemodells einer Stiftung. Bei Stiftungen wird in Zusammenhang mit Strategien von Theorien des sozialen Wandels gesprochen. Diese legen dar, wie eine Stiftung ein bestimmtes Problem in Bezug zur ihren eigenen Ressourcen lösen will. Konkret handelt es sich dabei um ein Gerüst von hypothetischen Wirkungszusammenhängen, die Schritt für Schritt aufzeigen, wie die Änderung einer sozialen Praxis erreicht werden soll (Anheier & Leat 2006). In den letzten Jahren haben sich rational-bürokratische Prozesse zur Entwicklung von Stiftungsstrategien zu einer Art Standard entwickelt (Thümler 2017, S. 10). Sie versprechen eine besondere Wirkungskraft von Stiftungen, die weit über ihre eigenen Ressourcen hinaus reichen51. Im gewissen Sinne sind sie die Nachfolger eines streng forschungsbasierten Ansatzes der Strategieentwicklung. Anheier & Leat (2006, S. 5) bezeichnen diese Ansätze daher auch als „new scientific philanthropy“. Die Grundprämisse der Ansätze ist, dass sich sozialer Wandel zu einem gewissen Grad planen lässt. Sie korrespondieren zu großen Teilen mit einer pragmatischen Sicht auf soziale Innovationen. Das Standardinstrument der Ansätze ist das Logic Model (Frumkin 2006; Brest & Harvey 2008). Logic Models visualisieren eine Theorie des sozialen Wandels anhand einzelner Planungsschritte. Ursprünglich wurden Logic Models als Evaluationsinstrument für soziale Interventionsprojekte entwickelt. Die W.K. Kellogs Foundations (2004) hat das Modell übernommen und zu einem Planungsinstrument für Stiftungen weiterentwickelt (siehe Abbildung 2). Auch intermediäre Organisationen, wie Phineo oder die ZEWO, die gemeinnützige Organisationen in der Projektplanung unterstützen und als wirkungsvolle Hilfswerke zertifizieren, propagieren Logic Model als effizientes Mittel der Strategieplanung. 51 Besonders im anglo-amerikanischen Raum, in dessen Sprachgebrauch Superlativen kulturell stärker verankert sind (Galtung 1985), lassen sich eine Menge von Modellen finden, die versprechen, besonders wirkungsvoll zu sein. Beispiele sind die Catalytic Philanthropy (Kramer 2009), System Changing Philanthropy (Ferris & Williams 2010) oder Disruptive Philanthropy (Horvath & Powell 2017).

Rational-bürokratische und emergente Strategien

83

Resources/ Input

Activities

Outputs

Outcomes

Impact

1

2

3

4

5

Abb. 2: Das Logic Model (Quelle: W.K. Kellogs Foundation 2004, S. 1)

In der Strategieentwicklung wird dabei zwischen den jeweiligen Außenpolen der Kette hin und her gesprungen. Der letzte Schritt des Models ist zugleich der Ausgangspunkt. Unter Impact (5) wird der übergeordnete Beitrag einer sozialen Intervention verstanden. Beispiele sind Beiträge zu einer besseren, gerechteren und integrativen Gesellschaft oder einer nachhaltigen Umweltpolitik. Der Impact bezieht sich fast immer auf die Makroebene einer Gesellschaft. Im Prinzip kann der Impact mit den systemischen Veränderungen des Phasenschemas sozialer Innovationen gleichgesetzt werden. Die Beschreibung gleicht der Vision eines gesellschaftlichen Idealzustands. Nach der generellen Festlegung des Oberziels analysiert eine Stiftung, welche Ressourcen ihr selbst zur Verfügung stehen und welche sie gegeben falls ohne großen Aufwand mobilisieren kann (1). Dementsprechend setzt sie sich realistische Ziele in der Form von Outcomes (4). Diese beschreiben die konkrete Wirkung, welche eine Stiftung erreichen will. Beispiele sind bessere Chancen für Flüchtlinge, eine qualifizierte Arbeit zu finden, die Verbesserung der Wasserqualität in einer Region oder eine höhere Wahlbeteiligung von Jugendlichen. Die Outcomes tragen zu dem intendierten Impact bei. Die bessere Integration von Flüchtlingen unterstützt z.B. den sozialen Frieden und fördert den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ein veränderter Umgang mit Abwässern führt zu einer gesünderen Umwelt. In Bezug zu sozialen Innovationen, können Outcomes mit veränderten Praktiken auf der Mikro- und Mesoebene der Gesellschaft verglichen werden. Sie sind das unmittelbare Ziel, welches angestrebt wird. In der Strategieplanung überlegt eine Stiftung welche Aktivitäten zu den intendierten Outcomes und Impact beitragen können, gleicht diese Ideen mit ihren eigenen Ressourcen ab und entscheidet schließlich, welchen Typ von Projekten sie fördert (2). Die Outputs (3) bezeichnen dann die konkreten Projekte und Teilaktivitäten, die tatsächlich von den Partnern durchgeführt werden. Diese sind konkret beobachtbar und messbar. In der Planung wird oftmals eine Mindestanzahl als Zielsetzung festgelegt. Beispiele sind die Anzahl von Weiterbildungsveranstaltungen, durchgeführten Aufklärungskampagnen, Arbeitsvermittlungen oder Installationen neuer Anlagen zur Wasseraufbereitung. Zwischen den Outputs und den Outcomes besteht ein vermuteter Kausalzusammenhang. Es wird z.B. angenommen, dass

84

Stiftungen und soziale Innovationen

Flüchtlinge sich besser in die Gesellschaft integrieren können, wenn sie zuerst einen Arbeitsplatz zugewiesen bekommen, anstatt anfänglich nur an Weiterbildungen teilzunehmen (employment first Ansatz). Ob die erwarteten Kausalzusammenhänge zutreffend sind, muss anhand von Indikatoren überprüft werden. Der Wirkungsmessung wird in den rational bürokratischen Ansätzen eine hohe Bedeutung zugesprochen. Eine begleitende Evaluation (Patton 1994) ermöglicht Anpassungen an einem Lösungsansatz vorzunehmen. Wenn die einzelnen Teile der Kette definiert worden sind, liest sich die Theorie des Wandels als eine logische Abfolge von kausalen Schritten, die ihren Ausgangspunkt in den Ressourcen und ihr Ende in einer übergeordneten gesellschaftlichen Vision haben. Sie legt die Strategie dar, wie eine Stiftung mit ihren vorhandenen Ressourcen einem spezifischen Problem begegnen will. Je nach der Komplexität eines Problems und der gewünschten Wirkung variieren die einzelnen Bestandteile eines Logic Models. In Anlehnung an Prewitt (2006, S. 367-371) und Frumkin (2006, S. 197-203) lassen sich eine Reihe von grundsätzlichen Förderaktivitäten bestimmen. Dazu gehören Investitionen von Stiftungen in: x die Generierung neuen Wissens x die Anwendung von Wissen in die Praxis x die Analyse von politischen Prozessen, Regularien und Gesetzen x das politisches Lobbying zur Änderung von Regularien und Gesetzen x die Stärkung von sozialen Bewegungen x die Bildung und Befähigung benachteiligter Menschen x die Unterstützung von Sozialunternehmern x den Aufbau von Netzwerken x den Kompetenzaufbau von Organisationen x die Gründung neuer Organisationen x die Finanzierung sozialer Dienstleistungen. Neben den unterschiedlichen Aktivitäten können Stiftungen weiterhin den Modus der Mittelvergabe variieren. Gängige Methoden umfassen u.a. die zeitlich begrenzte Projektförderung, Preisverleihungen, Wettbewerbe, die Vergabe ungebundener Mittel, Investition in die Infrastruktur von Organisationen, die Vergaben von niedrigzinsigen Krediten, Matching Grants oder Defizitgarantien (Frumkin 2006, S. 190-197). In rationalen Planungsprozessen überlegen Stiftungen, welche Aktivitäten und Methoden der Mittelvergabe die höchste Wahrscheinlichkeit haben, die angestrebte Änderung einer Praxis herbeizuführen. Die Planung der Strategie beruht auf der Formulierung von Wirkungshypothesen und der Entwicklung kohärenter Logic Models.

Rational-bürokratische und emergente Strategien

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Die Extremform der rational-bürokratischen Ansätze ist die Venture Philanthropie (Letts et al. 1997). Sie folgt der Philosophie marktwirtschaftlicher Investoren, die ihre Gewinne maximieren wollen. Anstatt monetärer Gewinne steht jedoch die Maximierung der sozialen Wirkung im Vordergrund. Venture Philanthropen suchen Projekte nach festgelegten Kriterien aus und versuchen diese anschließend schnell zu skalieren, um eine möglichst hohe gesellschaftliche Wirkung zu erzielen. Dabei investieren sie neben finanziellem auch intellektuelles und soziales Kapital. Die Logic Models werden gleichzeitig zur Strategieplanung und –evaluation eingesetzt. In der Auffassung der rational-bürokratischen Philanthropieansätze basiert die Innovationsfähigkeit einer Stiftung vor allem auf der Entwicklung formalisierter Strategien, deren Implementierung über kennzahlenbasierte Steuerungssysteme überprüft wird. Über den Sinn formalisierter Logic Models ist in den letzten Jahren in der Stiftungsliteratur eine kontroverse Diskussion entbrannt (Patton & Patrizi 2010; Brest 2012; Kania et al. 2014; Thümler 2017). Zu den Hauptkritikpunkten zählen unter anderen, dass die Modelle unterkomplex sind, eine Linearität sozialen Wandels implizieren, Umweltfaktoren vernachlässigen und zu einem Zahlenfetisch führen. Insbesondere die strikte Verfolgung einmal entwickelter Pläne und die anschließende rigide Überprüfung anhand von Kennzahlen, wird als überdeterministisch und innovationsfeindlich angesehen (Kania et al. 2014). Logic Models tendieren dazu die Dynamik des Umfelds und die Aktivitäten anderer Akteure auszublenden. Sie gehen implizit davon aus, dass die Interventionen in einem geschützten Raum stattfinden, in dem wenige Störfaktoren existieren. Zudem wird angezweifelt, ob Stiftungen über genügend kompetentes Personal verfügen, um für jeden Handlungsbereich kohärente Logic Models und Messsysteme aufbauen zu können. Nur wenige Stiftungen verfügen über das Wissen und die Ressourcen, einem streng rational-bürokratischen Modell der Strategieplanung zu folgen. Auch wenn Stiftungen komplexe strategische Pläne entwickeln, ist es zweifelhaft ob diese anschließend auch umgesetzt werden (Patrizi & Thompson 2011). Selbst die Kritiker formalisierter Modelle sehen jedoch die Notwendigkeit, dass Stiftungen einer robusten Theorie des sozialen Wandels folgen (Anheier & Leat 2006, S. 206). Im Gegensatz zu den rational-bürokratischen Modellen argumentieren sie, dass diese Theorien vor allem flexibel und anpassungsfähig sein müssen. Die Kritik geht von dem Grundgedanken aus, dass man Strategien nicht planen, sondern nur lernen kann (Mintzberg 1994). Insbesondere in komplexen und sich schnell verändernden Umwelten können kaum Handlungspläne entworfen werden, die für die nächsten fünf bis zehn Jahre Gültigkeit haben. Trotzdem dürfen Strategien nicht ohne Rücksicht auf wissenschaftliche Evidenz oder auf Basis ungeprüfter Annahmen formuliert werden. Vielmehr geht es darum, einem Prozess des strategischen Experimentalismus zu folgen (Thümler et al. 2014, S.227). Dies bedeutet, dass Stiftungen als lernende Organisationen viel Zeit in die Beobachtung

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Stiftungen und soziale Innovationen

des Umfelds investieren müssen. Sie werden dazu aufgerufen, im intensiven Austausch mit verschiedenen Akteuren, die Dynamik der jeweiligen Problemfelder zu verstehen, um Opportunitäten für sozialen Wandel erkennen zu können. Die Strategie wird dabei jeweils an sich ändernde Umstände adaptiert. Dies bedeutet, dass ein Teil der geplanten Aktivitäten wegfallen kann und dafür neue hinzukommen. In diesem Zusammenhang wird von emergenten Strategien gesprochen, die sich aus geplanten, zufälligen und opportunen Teilen zusammensetzen (Mintzberg 1998; Patrizi & Thompson 2011; Kania et al. 2014). Stiftungen, die diesem Modell folgen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre Handlungsweise ständig in Frage stellen und konstant nach Wegen suchen, ihre Förderstrategien zu verbessern. Dabei treten sie mit einer Art Bescheidenheit auf. Zum einem sind sie sich dessen bewusst, dass ihre eigenen Annahmen auf Fehlinterpretationen basieren können. Zum andern wissen sie, dass sie hauptsächlich eine unterstützende Rolle einnehmen und von der Arbeit der operativen Partner abhängig sind. Sie suchen nach Chancen, bei denen sich Gelegenheiten des Wandels öffnen und bauen ein Gefühl dafür auf, zu welchem Zeitpunkt welche Aktivitäten am sinnvollsten sind. Dies kann auch bedeuten, sich aus einem Bereich zurückzuziehen oder eine Idee ruhen zu lassen, wenn bestehende Machtverhältnisse oder fest verankerte Traditionen keinen Wandel erlauben. Strategische Pläne sind in dieser Auffassung Dokumente, die als Orientierungsrahmen dienen, aber nicht die Handlungen der Stiftungen determinieren. Dem Lernen aus Fehlern und dem Wissensmanagement wird eine hohe Bedeutung zugeschrieben (Anheier & Leat 2006, S. 191). Das Vorgehen orientiert sich an den Charakteristiken sozialer Innovationen und schließt die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns mit ein. Die Innovationsfähigkeit einer Stiftung hängt in dieser Sicht vor allem davon ab, inwiefern sich eine Stiftung auf die Dynamik der Umwelt einstellen und jeweils situationsadäquat handeln kann. Das übergeordnete Wirkungsziel ändert sich nicht, die Strategie und Methoden der Stiftung werden jedoch immer wieder an neue Erkenntnisse angepasst, die sich aus der konkreten Praxis ergeben (Anheier & Leat 2006; Kania et al. 2014). Rational-bürokratische Prozesse und strategisches Experimentieren müssen sich nicht zwangsweise gegenüberstehen, sondern können sich auch gegenseitig ergänzen. Es handelt sich weniger um gegenseitige Pole, als um verschiedene Philosophien, wie flexibel eine Stiftung in ihrer Strategieplanung und Umsetzung vorgehen soll. Beide basieren auf den Gedanken, dass sich Stiftungen intensiv mit Problemursachen und möglichen Lösungswegen auseinandersetzen sollen. Die Vertreter des strategischen Experimentalismus schreiben bürokratischen Handlungsmodellen eine geringere Innovationsfähigkeit zu. Alternativ dazu existieren aber auch organisationstheoretische Überlegungen, die davon ausgehen, dass der „Fit“ einer Strategie mit der Umwelt das wichtigste Erfolgskriterium ist (Lawrence & Lorsch 1967; Burns & Stalker 1969; Mintzberg 2007). Möglich wäre z.B., dass in dynamischen Umwelten ein experimenteller Ansatz wirkungsvoller ist, wo hingegen in

Auswahl und Zusammenarbeit mit den Partnern

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stabilen Umwelten ein rationaler Planungsansatz zu besseren Resultaten führt. Denkbar wäre auch, dass Stiftungen in den ersten Jahren experimentell vorgehen und später ihre Strategien und Prozesse stärker formalisieren. Dieses Verhalten würde mit den Erkenntnissen vieler Organisationstudien übereinstimmen, die mit dem wachsenden Alter einer Organisation, eine zunehmende Bürokratisierung feststellen (Mintzberg 1979, Preisendörfer 2016). Zusätzlich stellt sich auch die Frage, inwieweit diese Modelle in der Praxis tatsächlich verbreitet sind. Die Ergebnisse explorativer Studien zeigen, dass nur wenige Stiftungen sich Gedanken darüber machen, wie sie ihre Wirkung maximieren können (Ostrower 2006; Patrizi et al. 2013). Vielmehr handeln Stiftungsvertreter oftmals intuitiv. Sie folgen weder formalisierten Strategien, noch versuchen sie über gezieltes Experimentieren ihren Einfluss auf soziale Praktiken zu maximieren. Grundsätzlich ist auch denkbar, dass Stiftungen in einzelnen Bereichen die gezielten Änderungen sozialer Praktiken verfolgen und in anderen Handlungsfeldern eher mäzenatisch tätig sind. 4.4

Auswahl und Zusammenarbeit mit den Partnern

Unabhängig von dem jeweiligen Ansatz sind die Suche, Auswahl und Zusammenarbeit mit den Förderpartnern Schlüsselfaktoren, die über die erfolgreiche Umsetzung des Stiftungszwecks entscheiden. Die einfachste Form der Innovationsförderung besteht darin, aus den eigehenden Projektanträgen diejenigen auszuwählen, die auf eine neuartige Weise auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren. Dabei können Stiftungen Schwerpunkte setzen und sich z.B. auf einzelne Phasen des Innovationprozesses fokussieren (Kasper & Marcoux 2014). Über die transparente Kommunikation von Förderkriterien lässt sich zu einem gewissen Grad die Art der Projekte steuern, mit denen potentielle Partner an eine Stiftung treten. Als eine der effizientesten Methoden zur Findung der richtigen Förderpartner werden Ausschreibungen oder auch „Requests for Proposals“ gesehen (Orosz 2000; Frumkin 2006; von Schnurbein & Timmer 2016). Über Ausschreibungen können Stiftungen detailliert beschreiben, welchen Typ von Aktivitäten sie fördern und wie sie sich die Umsetzung vorstellen. So können sie externe Akteure dazu anregen, neue Lösungen zu vorgebestimmten Problemen zu entwickeln. Eine Möglichkeit besteht auch darin, verschiedene Ausschreibungen miteinander zu kombinieren. Die Herausforderung liegt jeweils darin, die Förderkriterien mit den Bedürfnissen und Fähigkeiten potenzieller Partner in Einklang zu bringen (Oroz 2000, S. 73)52. Gemeinnützige und öffentliche Organisationen haben ihre eigenen Ziele. Sie lassen sich nicht zu einfachen Dienstleistern für die Stiftungen degradieren. 52

Eine Herausforderung dabei ist, dass die kreativsten Innovatoren nicht immer die besten Antragsschreiber sind. Orosz (2000, S. 73) unterteilt Fördergesuche in vier Kategorien: 1) schlechte Idee, schlechtes Gesuch; 2) schlechte Idee, gutes Gesuch; 3) gute Idee, schlechtes Gesuch; 4) gute Idee, gutes

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Stiftungen und soziale Innovationen

Die Innovatoren selbst erwarten von Stiftungen oftmals nicht mehr als die Finanzierung ihrer Ideen. Sie treten an die Stiftungen mit der Absicht heran, finanzielle Unterstützung für ihre eigenen Lösungsansätze zu bekommen. Der Hauptverbindungsfaktor ist der Bedarf an ökonomischen Kapital. In den wenigsten Fällen besteht ein funktionierender Markt, in dem die Zielgruppen einer sozialen Innovation über genügend Kaufkraft verfügen, um für neue Leistungen zahlen zu können (Mulgan 2006). Stiftungen füllen dann eine wichtige Finanzierungslücke aus, die weder der Staat noch der Markt schließen können oder wollen. Auch wenn die Verfechter einer strategischen Philanthropie die reine Mittelvergabe oftmals kritisieren, so stellt sie doch einen wichtigen Teil der Innovationsförderung dar. Ein komplexeres Modell der Innovationsförderung ist der Versuch, über die Kombination verschiedener Förderprojekte sozialen Wandel anzustoßen. In diesen Fällen wird zum Teil auch von Programmförderungen gesprochen (Brest & Harvey 2008, S. 59). Anstatt der spezifischen Förderung einzelner Partner, liegt der Fokus auf den Ergebnissen, die sich eine Stiftung aus der Mischung verschiedener Projektförderungen verspricht. In diesem Fall müssen Stiftungen viel Aufwand in die Koordination der Einzelprojekte investieren. Die Förderentscheidungen werden jeweils nach dem Beitrag der Einzelprojekte zu einer übergeordneten Zielsetzung getroffen (Ferris & Williams 2010). In einer der wenigen organisationstheoretischen Überlegung zu Stiftungen, beschreibt Diaz (1999) drei verschiedene Modelle wie Stiftungen ihrer Förderpartner auswählen. Dabei adaptiert er klassische Entscheidungstheorien auf das Verhalten von Stiftungen. Aus einer Governance Perspektive ist der Stiftungsrat immer das letzte Entscheidungsgremium, welches die Gesamtverantwortung über die Stiftungen trägt. In dem Modell des rationalen Handelns (Rational Actor Model) werden Förderentscheidungen vor allem auf Basis von Kosten- und Nutzenüberlegungen getroffen. Förderprojekte werden nach ihrem Potenzial beurteilt, einen möglichst hohen Social Return on Investment (SROI) zu erzielen. Damit wird die Relation des Aufwands (Fördergelder) zu dem gesellschaftlichen Nutzen beschrieben (Brest & Harvey 2008, S. 153). In manchen Fällen wird der gesellschaftliche Nutzen in einen Geldwert umgerechnet, um eine hypothetische Rendite errechnen zu können53. Stiftungen treten als kohärent handelnde Organisationen auf, deren Entscheidungen objektiv nachvollziehbar sind. Die Mitarbeiter führen die Vorgaben des Stiftungsrats aus. Sie haben wenig Einfluss auf die Förderentscheidungen. Das Modell

Gesuch. Die Herausforderung liegt darin, sich nicht von guten Gesuchen blenden zu lassen und schlechten Anträgen trotzdem eine Chance zu geben, wenn diese auf guten Ideen basieren. 53 Eine Extremform einer rationalen, auf Kosten-Nutzen Überlegungen angelegten Philanthropie ist der effektive Altruismus (MacAskill 2016; Singer 2016).

Auswahl und Zusammenarbeit mit den Partnern

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steht in engem Zusammenhang mit dem rational-bürokratischen Ansatz der Strategieplanung. In dem Verhandlungsmodell (Bureaucratic Politics Model) wird davon ausgegangen, dass Entscheidungsprozesse in Stiftungen nicht streng rational organisiert sind, sondern Stiftungen nach den Prinzipien natürlicher Systeme agieren (Scott & Davis 2015). Die Förderentscheidungen in Organisationen sind maßgeblich durch persönlichen Neigungen, Machtinteressen und sogar Launen der Organisationsmitglieder geprägt. Die Mitarbeiter haben einen erheblichen Einfluss auf die Förderentscheidungen. Ihnen kommt eine Art Gatekeeperfunktion zu, indem sie Förderanträge vorselektieren und mit entsprechenden Empfehlungen in den Stiftungsrat einbringen. Interne Konflikte und dynamische Aushandlungsprozesse prägen die Förderentscheidungen (Adloff 2002, S. 18). Das Organisationsprozess-Modell (Organizational Process Model) basiert auf der Überzeugung, dass Menschen nur begrenzt rational handeln können, da sie rein kognitiv nicht in der Lage sind, alle verfügbaren Informationen aufzunehmen und gegeneinander abzuwägen (Simon 1959). Vielmehr entscheiden die Stiftungsräte auf der Basis einer für sie zufriedenstellenden Informationstiefe54. Standardprozeduren stellen sicher, dass der Entscheidungsaufwand geringgehalten wird. Mechanische Routinen bestimmen den Förderablauf. Entscheidungen werden demnach weniger auf Grund von erkennbaren Dynamiken in der Umwelt getroffen, sondern sind das Produkt von eingespielten Abläufen. Die Wiederholungen der Routinen verstärken die Dauerhaftigkeit der organisatorischen Praxis. Demnach wäre ein Blick in die Vergangenheit der beste Indikator, um vorhersagen zu können, welche Projekte eine Stiftung in der Zukunft fördern wird (Diaz 1999, S. 145). Die Anwendbarkeit der Modelle schwankt von Stiftung zu Stiftung (Adloff 2002). Im Prinzip sind alle drei Modelle denkbar. Sie können sich auch gegenseitig ergänzen und miteinander vermischen. Diaz (1999) geht davon aus, dass das rationale Modell als alleiniger Erklärungsansatz ungenügend ist. Dieser Zweifel steht im Einklang mit der generellen Kritik an rationalen Sichtweisen auf Organisationen (diMaggio & Powell 1983; Scott & Davis 2015). In Bezug auf die Innovationsfähigkeit von Stiftungen sind die Modelle prinzipiell neutral, wobei von der puren Befolgung von Routinen, die wenigsten Impulse zu erwarten sind. Die drei idealtypischen Entscheidungsmodelle decken zudem nicht alle möglichen Szenarien ab. So könnte es z.B. auch sein, dass interne Verhandlungsprozesse weniger von Konflikten, sondern von einer gemeinsamen Zusammenarbeit geprägt sind und die Geschäftsführer und die Mitarbeiter eng mit dem Stiftungsrat kooperieren (Donald-

54

In der Organisationsforschung wird dafür im Englischen der Begriff des „satisficing“ (Simon 1959) verwendet. Das Kunstwort setzt sich aus den Begriffen satisfying (zufriedenstellen) und sufficing (ausreichend) zusammen.

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Stiftungen und soziale Innovationen

son & Davis 1991; Bethmann et al. 2014). Der von Adloff (2010, S. 416) vorgebrachter Vorschlag, Destinatäre systematisch in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, könnte eine stärkere demokratische Rückbindung der Stiftungsarbeit bewirken. Ein solcher Mechanismus würde am ehesten mit dem partizipativen Charakter sozialer Innovationen korrespondieren. In vielen Stiftungen bricht der Kontakt mit den Partner nach der Förderentscheidung ab. Die einzige Kommunikation, die von Stiftungen oftmals erwartet wird, ist die Einsendung eines Schlussberichts. Demgegenüber sprechen sich vor allem die rational-bürokratischen Strategiemodelle für eine intensive und enge Begleitung der Partner während der Förderlaufzeit aus (Letts et al. 1997; Frumkin 2006; Brest & Harvey 2008). Im Modell der Venture Philanthropie überprüfen Stiftungen periodisch den Fortschritt der Partner anhand von vereinbarten Kennzahlen. Zum Teil nehmen Stiftungsvertreter einen Sitz in Aufsichtsgremien der Partnerorganisationen ein, um diesen weiterhin beratend zur Seite zu stehen. In manchen Fällen engagieren Stiftungen Organisationsberater, welche die Partner in der Professionalisierung ihrer Strukturen und dem antizipierten Wachstum unterstützen. Aktive Stiftungen stehen ihren Partnern als Berater und Mentoren im Tagesgeschäft zur Verfügung. Sie investieren ihr Erfahrungswissen und ihr soziales Kapital in die Entwicklung der Partnerorganisationen (Schröer & Sigmund 2012, S. 100). Eine übermäßige Einmischung in die Arbeit der Partnerorganisationen wird jedoch auch kritisch gesehen (Patrizi & Thompson 2011; Wyser 2016). Zum einen führt eine starke Kontrolle dazu, dass die Partner ihre Flexibilität einbüßen, zum anderen besteht die Gefahr, dass die Förderpartner als reine Dienstleister angesehen werden. Stiftungen haben gemäß der Ressourcenabhängigkeitstheorie einen Einfluss auf die Strukturen und Handlungsweisen von Organisationen, die auf Spenden und Stiftungsgelder angewiesen sind (Pfeffer & Salancik 1978). Studien haben gezeigt, dass die Annahme von Stiftungsmitteln dazu beiträgt, das soziale Organisationen und Bewegungen verstärkt bürokratische Strukturen aufbauen und dadurch ihr eigenes Innovationspotenzial gehemmt wird (Jenkins 1998; Hwang & Powell 2009). Dementsprechend wird eine gewisse Distanz zu den Projekten als hilfreich angesehen. Diese bedeutet auch ein Stück weit die Deutungshoheit über Probleme und Zielerreichungsstrategien abzugeben. Stiftungen sollten viel mehr bei Problemen helfend zur Seite stehen und Vertrauen in ihre Partner setzen (Wyser 2016, S. 225). Eine mechanistische Überprüfung von Kennzahlen und das strikte Festhalten an Meilensteinen haben einen negativen Effekt auf die Innovationsfähigkeit der Partner. Gerade bei neuartigen Lösungsansätzen ist damit zu rechnen, dass nicht alles nach einem vorgefertigten Plan verlaufen wird. Eine letzte, nicht zu vernachlässigende Schwierigkeit liegt darin, dass Stiftungen in den wenigsten Fällen ausreichendes Personal haben, alle ihre Partner intensiv zu begleiten.

Nachhaltige Verankerung und Verbreitung neuer Lösungsansätze

4.5

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Nachhaltige Verankerung und Verbreitung neuer Lösungsansätze

Einer der häufigsten Vorwürfe, mit denen Stiftungen konfrontiert werden, lautet, dass sie fast ausschließlich Pilotprojekte unterstützen und sich danach aus der Förderung zurückziehen (Strachwitz 2010, S. 205). Um an die Formulierung Schumpeters anzuschließen, fördern viele Stiftungen Inventionen anstatt Innovationen. Zum Teil wird ein großer Aufwand betrieben, den Beweis anzutreten, dass ein alternativer Lösungsansatz zu besseren Ergebnissen führt, ohne zu bedenken, dass die gleichen Ressourcen, die in ein Pilotprojekt geflossen sind, nicht langfristig zur Verfügung stehen. Normale Förderlaufzeiten von Stiftungen überschreiten selten die Zeitdauer von drei Jahren. Manche Stiftungen positionieren sich als Innovationsförderer und fokussieren sich nur auf den Anschub neuer Ideen, ohne weitere Mittel für die Konsolidierung zur Verfügung zu stellen. Sie argumentieren, dass die Institutionalisierung erprobter Lösungsansätze vor allem die Aufgabe des Staats ist. Die Stiftungen nehmen dem Staat die Investitionskosten in der Entwicklung und Erprobung einer Innovation ab und sehen diesen anschließend in der Verantwortlichkeit, bestehende Regularien zu verändern, wenn der Beweis erbracht ist, dass ein Lösungsansatz effektiver oder effizienter ist als bestehende Routinen. Sie sehen ihre Innovationsfunktion als erfüllt an, wenn sie Risikokapital zur Verfügung stellen und neue Lösungsansätze zur Debatte stellen (Schmidt 2003). Wie weiter oben argumentiert, kann streng genommen jedoch nur von einer sozialen Innovation gesprochen werden, wenn sich ein neuer Lösungsansatz nachhaltig durchsetzt und selbst zur neuen Routine wird. Vorher lässt sich besser von innovationsverdächtigen Entwicklungen sprechen (Gillwald 2000, S. 32). Zwar haben die Beiträge von Stiftungen in den einzelnen Phasen der Innovationsentwicklung einen hohen Eigenwert, trotzdem zeichnen sich innovationsorientierte Stiftungen vor allem dadurch aus, dass sie systematisch auf dauerhafte Änderungen einer sozialen Praxis hinarbeiten. Dies bedeutet vor allem, dass sie sich langfristig bestimmten Problemfeldern widmen. Anstatt wie in einem Staffellauf die Verantwortung abzugeben, müssen Stiftungen dazu bereit sein, einen vollen Marathon zu laufen (Anheier & Leat 2006, S. 230). Die Veränderung sozialer Praktiken braucht Zeit und konstante Anstrengungen. Stiftungen müssen daher auch geduldig sein können und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Oftmals bedeutet dies auch die Partnerorganisation langfristig in der Deckung laufender Kosten zu unterstützen, ohne kurzfristige Resultate einzufordern (Letts 2014). Während für die Phasen der Ideengenerierung oftmals kleine Beträge ausreichen, bedeuten Anstrengungen in die nachhaltige Etablierung und Ausweitung von sozialen Innovationen langfristige und hohe finanzielle Investitionen sowie ein großes Durchhaltevermögen.

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Stiftungen und soziale Innovationen

In vielen Fällen hängt die nachhaltige Etablierung von neuen Praktiken von Änderungen staatlicher Regulationen ab. Wenn dies der Fall ist, dann dürfen sich Stiftungen nicht scheuen, in der Öffentlichkeit für ihre Ziele einzutreten. Als unabhängige Organisationen haben Stiftungen die Fähigkeit als ehrliche Makler aufzutreten, die vor allem der Sache verpflichtete sind. Sie können sich für ein Thema einsetzen, ohne dass ihnen Eigeninteresse unterstellt werden kann (Anheier & Leat 2006). Insbesondere wenn Stiftungen in ihren Handlungsfeldern über langjährige Förderaktivitäten ein hohes Praxiswissen aufgebaut haben, dann besitzen sie die Fähigkeit substantiell zur politischen Debatte beizutragen und sich glaubwürdig für Änderungen sozialer Praktiken einzusetzen (Bethmann 2014). Antadze & Westley (2010) sehen dabei die Zusammenarbeit mit Medien als elementar an. Stiftungen können diese als Katalysatoren nutzen, um Themen in die Öffentlichkeit zu bringen und weitere Unterstützung zu mobilisieren. Zum Teil beauftragen innovationsorientiere Stiftungen Kommunikationsspezialisten oder fördern politische Lobbygruppen sowie Think Tanks, um die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit zu beeinflussen. Allerdings wird ein solches Engagement auch kritisch gesehen. Manche Beobachter werfen Stiftungen eine geringe Legitimität vor, politische Meinungsbildungsprozesse zu beeinflussen (Roelofs 2003). Dadurch, dass Stiftungen auf dem Reichtum von Einzelpersonen beruhen und die Mitglieder des Stiftungsrats selber auswählen, fehlt ihnen die demokratische Legitimierung. Die politische Einmischung könnte auch als Verfolgung von Partikularinteressen wohlhabender Menschen verstanden werden (Heydemann & Toepler 2006). Der Aufbau von Allianzen fördert eine breitere Abstützung einer sozialen Innovation. Umso mehr Akteure sich für die Änderung einer Praxis einsetzen, desto mehr gewinnt diese Forderung an Gewicht. Stiftungen wird dabei eine gewisse "Convening Power" (Dorado 2005; von Schnurbein 2009) zugesprochen. Dies bedeutet, dass sie Fähigkeiten besitzen sehr verschiedene Akteure zusammenzubringen und kollaborative Beziehungen zwischen diesen anzuregen. In dieser Vermittlungs- oder Brokerbeziehung nehmen sie eine Brückenfunktion zwischen Akteuren ein, die sonst kaum in Kontakt miteinander stehen (Adloff 2010, S. 398). Aus diesem Austausch können neuartige Kollaborationen entstehen, die sich für die Etablierung einer neuen Praxis einsetzen. Voraussetzung dafür ist eine proaktive Stiftungsarbeit, die weit über die reine Mittelvergabe hinausgeht. Stiftungen haben im Gegensatz zum Staat keine Macht, Änderungen von Praktiken zu bestimmen. Sie müssen andere Akteure von dem Wert einer Innovation überzeugen. Neben dem Kompetenzaufbau und offenen Wissenstransfer ist eine breit gefächerte Kommunikationsstrategie auch in der Verbreitung von sozialen Innovationen ein wirkungsvolles Mittel, weitere Akteure zur Imitation einer Innovation anzuregen. Je mehr potentielle Imitatoren von der Existenz einer funktionierenden Lösung erfahren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit ihrer Verbreitung (Rogers 2003, S. 362). Der Anspruch, funktionierende Lösungsansätze zu skalieren und zur

Nachhaltige Verankerung und Verbreitung neuer Lösungsansätze

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schnellen Verbreitung zubringen, ist insbesondere das Ziel der Venture Philanthropie. Der Gedanke dabei ist, dass es besser ist, wenn 1.000 anstatt 100 Menschen von der effektiveren Lösung eines Problems profitieren. Ein häufiges Zitat, das dabei herangezogen wird, ist ein Ausspruch von Bill Clinton: „Nearly every problem has been solved by someone, somewhere. The challenge of the 21st century is to find out what works and scale it up“ (zit. in Murrray et al. 2010, S. 82). Nach dieser Logik existieren die Lösungen für viele Probleme bereits. Die Herausforderung besteht darin, sie zu verbreiten und auf neue Kontexte anzupassen. Aus der Sicht von Stiftungen identifiziert Frumkin (2006, S. 203 ff.) verschiedene Strategien Innovationen zu skalieren. Erstens können Stiftungen die finanzielle Basis von Institutionen stärken, die sich für die Verbreitung der Innovation einsetzen. Die Organisation kann damit z.B. weitere Mitarbeiter einstellen und so ihre eigenen Aktivitäten ausbauen und in andere Regionen tragen. Eine zweite Möglichkeit besteht darin, sich für die Verbindung der Innovationen mit bestehenden Leistungen einzusetzen. Ein neues Bildungsprogramm für Flüchtlinge könnte z.B. an die Aktivitäten eines multikulturellen Begegnungszentrums angeschlossen werden. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Zielgruppe von dem Angebot erfährt. Insgesamt werden mehr Menschen erreicht. Die Kombination verschiedener Leistungen senkt die Kosten in der Durchführung, wenn z.B. auf die gleiche Infrastruktur zurückgegriffen werden kann. Eine dritte Strategie ist, dass Stiftungen sich direkt für die Replikation eines Programms in anderen Städten und Regionen einsetzen. Sie werben dabei aktiv für die Übernahme einer Innovation. Als „Change Agent“ (Rogers 2003, S. 365) füllen sie eine Lücke, wenn die Innovatoren selbst keine Zeit oder Interesse an einer Skalierung haben, der Verbreitung aber nicht entgegenstehen. Die Herausforderung darin ist, dass vorgefertigte Lösungen in einem neuen Kontext oftmals auf Grund des „Not Invented Here Syndroms“ (Katz & Allen 1982) auf Abstoßung treffen. Wenn die partizipative Phase der Lösungsgenerierung nicht stattgefunden hat, dann fehlt der Innovation ein wichtiger Rückhalt. Stiftungen, welche die Verbreitung von sozialen Innovation fördern, dürfen daher nicht zu fordernd oder sogar arrogant auftreten, sondern müssen lernen ein Stück weit loszulassen (Bethmann 2014). Die Forderung einer vollständigen Adaption eines vorgefertigten Lösungsansatzes hat wenige Erfolgsaussichten. Vielmehr müssen die Lösungsansätze und die Kommunikationsstrategie auf die Bedürfnisse und Eigenheiten der jeweiligen Anspruchsgruppen angepasst werden (Rogers 2003, S. 362). Als letzten Punkt nennt Frumkin die Änderung eines bestehenden Paradigmas als Möglichkeit der Skalierung. Darunter versteht er die Änderung des grundlegenden Bewusstseins, wie Menschen über ein bestimmtes Problem und seine Lösung nachdenken. Eine erfolgreiche Veränderung eines Paradigmas führt dazu, dass es in einem bestimmten System zur grundlegenden Hinterfragung bestehender Handlungsweisen kommt. Er schlägt dabei vor, dass Stiftungen sich auf einen kleinen

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Stiftungen und soziale Innovationen

elitären Kreis von Politikern und NPO-Führungskräften konzentrieren sollten. Die Diffusion einer Innovation ist umso wahrscheinlicher, je früher eine Gruppe von Meinungsführen von ihrer Nützlichkeit überzeugt ist (Rogers 2003, S. 170). Allerding weist selbst Frumkin (2006, S. 210) darauf hin, dass Stiftungen kaum die Macht und Mittel dazu haben, grösser Paradigmenwechsel zu erreichen. 4.6

Stiftungen als soziale Innovatoren?

Das angepasste Innovationsschema für Förderstiftungen zeigt weitere Möglichkeiten auf, wie Stiftungen eine aktive Rolle in der Initiierung und Unterstützung sozialer Innovationen einnehmen können. Als Grundvoraussetzung einer instrumentellen Rolle in der Veränderung sozialer Praktiken wird das Vorhandensein einer fundierten Theorie des sozialen Wandels angesehen. Die Förderstrategie gibt vor, welche Art von Projekten eine Stiftung unterstützt und wie eng sie mit ihren Partnern zusammenarbeitet. Auf Grund ihrer relativ hohen Unabhängigkeit wird Stiftungen eine besondere Fähigkeit, und zum Teil auch eine Plicht zugeschrieben, als Impulsgeber gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse und als Innovationsförderer aufzutreten. Die präskriptiven Strategiemodelle gehen von Stiftungen als anpassungsfähige und freie Institutionen aus, die schnell auf Opportunitäten und Änderungen in der Umwelt reagieren können. Als vermeintlich neutrale und unabhängige Organisationen haben Stiftungen die Möglichkeit, unterschiedliche Anspruchsgruppen zu verbinden, in unkonventionelle und risikoreiche Projekte zu investieren sowie kontroverse Thesen in der Öffentlichkeit zu vertreten. Aus dieser Sicht sind Stiftungen die idealen Inkubatoren sozialer Innovationen. Sie können Anreize zur Entwicklung neuer Lösungsansätze setzen sowie erprobte Ansätze in die Breite tragen. Stiftungen, so scheint es zumindest in der präskriptiven Literatur, sind geradezu dafür geschaffen, eine tragende Rolle in der Erneuerung und Weiterentwicklung der Gesellschaft einzunehmen. Aus diesen Handlungsempfehlungen lässt sich ein Idealtyp einer Stiftung für soziale Innovationen ableiten, der sich folgendermaßen beschreiben lässt (vgl. Bethmann 2014): Eine Stiftung für soziale Innovationen (SsI) arbeitet systematisch auf die Veränderung sozialer Praktiken hin, die sie als unbefriedigend empfindet. Sie fokussiert sich dabei auf die Begegnung von Herausforderungen, bei der sie in Relation zu ihrer Größe und ihren Ressourcen einen effektiven Beitrag leisten kann. Sie baut über partizipative Prozesse und den Rückgriff auf verfügbare Evidenzen, Theorien des sozialen Wandels auf, die als Handlungsrahmen dienen. In der Umsetzung passt die SsI ihre Strategie an neue Erkenntnisse aus der Praxis sowie veränderte Umweltbedingen an. Über die öffentliche Kommunikation ihrer Ziele und der Publikation von Ausschreibungen, regt sie externe Akteure zur Entwicklung neuer Lösungsansätze an. Die Auswahl der Partner basiert auf transparenten Kriterien.

Stiftungen als soziale Innovatoren?

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Die SsI scheut sich nicht in unkonventionelle, risikoreiche und kontroverse Projekte zu investieren. In der Zusammenarbeit mit den Partnern tritt die SsI mit Bescheidenheit auf und unterstützt diese über die reine finanzielle Geldvergabe hinaus. Sie bildet Allianzen und baut Brücken zwischen Akteuren, die sonst nicht in Kontakt miteinander stehen. Anstatt sich nur auf die Förderung von Inventionen zu konzentrieren, investiert sie ihr Wissen und ihr soziales Kapital auch in die nachhaltige Verankerung und Ausweitung der Lösungsansätze. Die Leitungsgremien der SsI sind durch Diversität sowie ausgeprägtem Fachwissen gekennzeichnet und handeln unternehmerisch in der Umsetzung des Stiftungszwecks. Die SsI ist durch eine offene Organisationskultur mit intensiven Kontakten zu den jeweiligen Anspruchsgruppen einzelner Problemfelder geprägt. Kritisches Denken wird gefördert und konventionelle Probleminterpretationen in Frage gestellt. Die SsI setzt sich in der Öffentlichkeit für ihre Ziele ein und fordert gegeben falls auch Änderungen auf politischer Ebene. Ihr Ziel ist, bestehende Routinen aufzubrechen, um sie durch Praktiken zu ersetzen, die Herausforderungen effektiver begegnen und deshalb wert sind nachgeahmt und institutionalisiert zu werden. Die Formulierung dieses Idealtyps ist absichtlich überzeichnet. Idealtypen sind geprägt von extremen Merkmalskombinationen, mit dem Ziel ein Konstrukt pragmatisch zu veranschaulichen und verständlich zu machen (Weber 1972, S. 10). In der Realität wird es, wenn überhaupt, nur sehr wenige Stiftungen geben, die dieser Beschreibung entsprechen. Trotz des vermeintlich hohen Potenzials von Stiftungen, als Impulsgeber der Gesellschaft aufzutreten, scheinen die wenigsten Stiftungen dieser Rolle gerecht zu werden (Anheier & Leat 2006; Hammack & Anheier 2013; Bethmann 2014). In der sozialen Innovationsliteratur kommen Stiftungen kaum vor. Wenn, dann spielen sie vor allem eine unterstützende Nebenrolle. Die Protagonisten der Entwicklung und Umsetzung sozialer Innovationen sind vor allem unternehmerische Persönlichkeiten (Social Entrepreneurs), soziale Bewegungen, operative NPO oder Sozialunternehmen (Dees 2001; Mulgan 2010; Nicholls & Murdock 2012). In der Schweiz wurden die maßgeblichen gesellschaftlichen Errungenschaften vor allem von Sozitäten vorangetrieben. Der Gedanke, dass Stiftungen die natürlichen Innovatoren der Gesellschaft sind, beruht zum einen auf dem Mythos der ersten großen Förderstiftungen in den USA, zum anderen wird dieser Gedanke durch die Selbstbeschreibung einiger Stiftungen sowie der präskriptiven Stiftungsliteratur gefördert. Kritische Stimmen beschreiben Stiftungen hingegen als verkrustete Institutionen, die sozialen Wandel verlangsamen, anstatt zu beschleunigen (Münkler 2007). Sie sehen einen großen Widerspruch zwischen dem Selbstanspruch von Stiftungen und ihrem wirklichen Einfluss auf die Lösung gesellschaftlicher Probleme. Vielmehr wird darauf hingewiesen, dass die Grundstruktur von Stiftungen nicht mit der Art und Weise übereinstimmen, wie soziale Innovationen entstehen. Zum einen werden Stiftungen von Eliten geführt, die we-

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Stiftungen und soziale Innovationen

nig Wissen über die realen Probleme benachteiligter Menschen haben. Zum anderen verlangt die technische Implementierung der Förderprozesse nach routinierten, bürokratischen und kontrollierbaren Prozessen. Innovationen werden jedoch mit flexiblen und dynamischen Strukturen gleichgesetzt (Mintzberg 2007; Patrizi & Thompson 2011). Ein Grundproblem dieser unterschiedlichen Ansichtsweisen besteht darin, dass kaum organisationstheoretische Überlegungen über Stiftungen existieren, mit denen sich das Verhalten von Stiftungen deutend erklären lässt. Die Literatur erschöpft sich in Ausführungen, in denen „theoretische Überlegungen und empirische Beispiele in ein eher lockeres Verhältnis gesetzt [werden]“ (Adloff 2002, S. 19). Dabei besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass rein rationale Erklärungsmuster ungenügend sind. Am häufigsten wird in der Erklärung von Stiftungen auf die Theorie des NeoInstitutionalismus Bezug genommen (Meyer & Rowan 1977, DiMaggio & Powell 1983). Die Vermutung besteht darin, dass sich Stiftungen auf Grund ihrer schwachen demokratischen Legitimierung an Erwartungshaltungen aus der Umwelt anpassen, anstatt ihre eigenen Ideen in die Praxis umzusetzen (Diaz 1999, Adloff 2002; Aksartova 2003; Frumkin 2006). Bei ihrer ständigen Suche nach Anerkennung folgen Stiftungen Standardmodellen der Stiftungsarbeit, um als legitime Akteure angesehen zu werden. Sie führen mehrere Entscheidungsebenen ein, damit sie nach außen signalisieren können, dass sie ihrer Förderpartner nach objektiven Kriterien auswählen. Die Vertreter der Theorie malen ein Bild von homogenen Institutionen, die sich zumindest nach außen immer stärker aneinander angleichen. Anstatt nach neuen Wegen zu suchen, sind sie vor allem von externen Erwartungshaltungen geprägt. Obwohl dieses Argument zum Teil plausibel klingt, wäre es vereinfacht, alles stifterische Verhalten auf die Suche nach Zustimmung zu reduzieren. Selbst DiMaggio (2001, S. 83) sieht Stiftungen nicht als eindimensionale Institutionen, die ständig auf der Suche nach Legitimität sind. Vielmehr ist die Heterogenität von Stiftungen ist ein Indikator dafür, dass Homogenisierungsprozesse im Stiftungssektor eher schwach ausgeprägt sind. Zudem besteht ein evidenter Wiederspruch, auf der einen Seite die Unabhängigkeit als definitorisches Merkmal von Förderstiftungen herauszustellen und auf der anderen Seite zu argumentieren, dass Stiftungen sich vor allem bestehenden Werten und Normen anpassen (Leat 2006, S. 27). Alternative Erklärungsmuster, welche z.B. Annahmen aus Organisationstheorien wie Organisationsökologie (Stinchcombe 1965; Hannan & Freeman 1989) oder Kontingenztheorie (Lawrence & Lorsch 1967; Burns & Stalker 1969) in der Erklärung stifterischen Verhaltens einbeziehen sind in der Stiftungsliteratur Mangelware. Die von Diaz (1999) formulierten Entscheidungsmodelle, werden von ihm selbst als suggestiv bezeichnet (a.a.O., S. 152). Sie sollen vor allem Anregungen geben, in welche Richtung eine Theorieentwicklung gehen könnte. Es gibt keine

Stiftungen als soziale Innovatoren?

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Organisationstheorie der Stiftung. Der Versuch eine solche zu formulieren müsste neben Umweltfaktoren auch interne Dynamiken beachten und personenbezogene Einflüsse untersuchen, um die Verhaltensweisen von Stiftungen deutend erklären können. Das Ergebnis würde dazu beitragen, aufgeklärte Vermutungen darüber aufstellen zu können, wann Stiftungen wirklich eine aktive Rolle in der Bewältigung der heutigen Herausforderungen spielen und Aufschluss über die bestimmenden Faktoren stifterischen Handelns geben. Gleichzeitig könnten Praktiker eine solche Theorie als Orientierungsgerüst in der eigenen Arbeit verwenden. Es würde dazu dienen, natürliche Einflussfaktoren auf die Ausprägung eines Philanthropiemodells einer Stiftung offenzulegen. Als eine Art Spiegel könnten Stiftungsvertreter ihre eigene Vorgehensweise damit kritisch überprüfen oder das Wissen nutzen, um die Innovationsorientierung ihrer Stiftung zu stärken. Die präskriptiven Strategiemodelle sind dabei nur begrenzt hilfreich. Sie basieren fast ausschließlich auf der Analyse vereinzelter, als besonders wirkungsvoll evaluierter Stiftungsprogramme. Sie beziehen sich weder auf die gesamte Stiftung, noch legen sie ausführlich dar, wie Stiftungen ihr eigenes Philanthropiemodell entwickeln. Von einem einzelnen Projekt wird auf die gesamte Stiftung geschlossen, wobei dieses oftmals nur ein Bruchteil der gesamten Förderleistung ausmacht. Zugleich bleiben die Modelle auf Grund des fehlenden Kontrasts mit konservativen oder „normalen“ Stiftungen zwangsweise auf einer deskriptiven Ebene und einer Anreihung von Qualitäten, wie sie in dem obigen Idealtyp zusammengefasst wurden. Stiftungen sind im gewissen Sinne Black Boxes. Welche Prozesse innerhalb von Stiftungen stattfinden, ist weitestgehend verborgen. In vielen Fällen dominieren Vermutungen, anstatt fundierten empirischen Wissens, die Wahrnehmung über Stiftungen. Als unvollständige Organisationen, die ihren Zweck durch die Befähigung Anderer erfüllen, sind jedoch gerade die internen Strategie- und Förderprozesse dahingehend entscheidend, ob eine Stiftung einen bedeutenden Beitrag zur Begegnung der heutigen Herausforderungen leisten kann. Ohne ein profundes Verständnis über die Funktionsweise von Stiftungen, lässt sich die Frage nach ihrer Innovationsfähigkeit kaum beantworten. In den bisherigen Ausführungen wurde bereits eine Reihe von Faktoren identifiziert, die sich auf die Ausgestaltung eines Philanthropiemodells einer Stiftung auswirken. Dazu gehören neben dem regulatorischen und gesellschaftlichen Umfeld, Faktoren wie die Gründerpersönlichkeit, die Zweckbeschreibungen, das Stiftungsvermögen sowie die Qualifikation der Mitarbeitenden. Eine holistische Untersuchung von Stiftungen, welche diese Faktoren berücksichtigt, neue aufdeckt und verschiedene theoretische Perspektiven einnimmt ist notwendig, um Licht in das Dunkel zu bringen. Diesem Anspruch wird in den nächsten Kapiteln Folge geleistet. Zuvor wird die Methodik der Untersuchung dargelegt.

5

Methodik

Ziel der vorliegenden Studie ist es, über die Analyse der Strategie- und Förderprozesse von Stiftungen Bausteine einer Organisationstheorie zu erarbeiten, mit der sich die Innovationsfähigkeit von Stiftungen erklären und vorhersagen lässt sowie Stiftungsstrategien zur Lösung gesellschaftlicher Probleme zu identifizieren.. Im folgenden Kapitel wird das methodische Vorgehen der Studie erläutert. Durch die transparente Beschreibung des Forschungsprozesses werden die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse sowie die Validität der Untersuchung gestärkt (Flick 2012). 5.1

Fragestellung

Das Vorgehen der Studie orientiert sich an den in der Literatur beschrieben Schritten der Theorieentwicklung unter der Nutzung von Fallstudien (Eisenhardt 1989; Eisenhardt & Graebner 2007; Yin 2014). Dabei gehen induktive und deduktive Schritte Hand in Hand. Dies bedeutet, dass zum einen über ein exploratives Vorgehen nach Zusammenhängen gesucht wird, gleichzeitig aber auch Vorannahmen überprüft werden. Fallstudiendesigns eigenen sich insbesondere in Forschungsbereichen, in denen noch keine konsistenten Theorien bestehen (Lamnek 2005, S. 301). Entgegen quantitativer Ansätze, die möglichst hohe Fallzahlen anstreben, werden einzelne Fälle intensiv untersucht. Die Beobachtungen bleiben nicht auf statistische Momentaufnahmen beschränkt, sondern erlauben soziale Sachverhalte in ihrer Entstehung und Entwicklung nachzuvollziehen (Borchardt & Göthlich 2009, S. 36). Durch die holistische Untersuchung der Fälle können die Hintergründe und Folgerungen eines sozialen Sachverhalts besser verstanden und erklärt werden. Über die enge Verzahnung mit empirischen Daten erlauben Fallstudien die Entwicklung von Theorien hoher Praxisrelevanz, Überprüfbarkeit und Validität (Eisenhardt & Graebner 2007). Fallstudienansätze sind nicht an eine bestimmte Methodenauswahl gebunden, auch wenn sie insbesondere in der Organisationsanalyse, primär einem qualitativen, interpretativen Paradigma folgen (Titscher et al. 2008, S. 63). Wie in jedem anderen Forschungsansatz ist auch bei Fallstudiendesigns, die Formulierung einer Forschungsfrage der Ausgangspunkt (Eisenhardt & Graebner

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_5

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Methodik

2007; Yin 2014). Gegenüber rein deduktiven Methoden handelt es sich dabei jedoch um eine oder mehrere, relativ offene Fragen und Hypothesen. Sie leiten den Forschungsprozess, lassen aber gleichzeitig Raum für neue Entdeckungen und unbeachtete Aspekte. Die Forschungsfragen können im Verlauf der Datenerhebung angepasst werden, wenn sich neue und unerwartete Zusammenhänge ergeben. Die Offenheit des Fallstudienansatzes ist eine bedeutende Stärke in ihrer Anwendung zur Theorieentwicklung (Lamnek 2005, S. 301). Auf Grund der bisherigen Ausführungen lassen sich die in der Einführung gestellten Fragen weiter differenzieren. Die leitenden Forschungsfragen lauten: Wie entwickeln Stiftungen ihre Handlungsstrategien? Welchen Einfluss haben die Gründerpersönlichkeit, der Stiftungszweck und das Vermögen auf die Ausgestaltung der Stiftungsstrategie? Wie wird entschieden, welchen spezifischen Problemen eine Stiftung begegnet? Wie bauen Stiftungen ihre Handlungsfelder auf? Welche Kriterien legen Stiftungen bei der Auswahl der Förderprojekte an? Welche Rolle spielt die Neuartigkeit von Lösungsansätzen? Welche Phasen der Innovationsförderung werden bevorzugt gefördert? Wie unterstützen Stiftungen ihre Partner? Wann streben Stiftungen die Veränderung einer sozialen Praxis an? Wie arbeiten der Stiftungsrat und die Geschäftsführung zusammen? Welche Faktoren führen dazu, dass Stiftungen als Impulsgeber und Innovatoren auftreten? Was sind erfolgreiche Strategeien zur Förderung sozialer Innovationen? Welchen Beitrag kann die Gesellschaft von Förderstiftungen in der Bewältigung der heutigen Herausforderungen erwarten? 5.2

Vorstudie mit Stiftungsexperten

Die Bedeutung der einzelnen Fragestellungen hat sich während der Untersuchung immer wieder verschoben. Einen wichtigen Einfluss auf die Untersuchung hat eine eigens durchgeführte Vorstudie mit Stiftungsexperten gehabt (Bethmann 2014). Ein Teil der Ergebnisse wurde in dem vorherigen Kapitel bereits eingearbeitet. Die Auswahl der Experten wurde auf Grund ihrer praktischen und wissenschaftlichen Kompetenz getroffen. Ziel der Vorstudie war, unabhängige Eindrücke über die Innovationsfähigkeit von Stiftungen zu erlangen und erste Annahmen zu überprüfen. Folgende Personen haben sich als Experten zur Verfügung gestellt haben: x Beate Eckhardt. Geschäftsführerin SwissFoundations x Dr. Christoph Degen. Advokat. Geschäftsführer ProFonds x Prof. Dr. Georg von Schnurbein. Direktor des Center for Philanthropy Studies, Universität Basel x Dr. Volker Then. Geschäftsführender Direktor Centrum für soziale Investitionen und Innovationen (CSI), Universität Heidelberg

Vorstudie mit Stiftungsexperten

x

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Ekkehard Thümler. (Damals) Projektleiter Centrum für soziale Investitionen und Innovationen (CSI), Universität Heidelberg

Vier der Interviews wurden persönlich und eines telefonisch durchgeführt. Durchschnittlich dauerten die Interviews 1,5 Stunden. Ein Leitfaden wurde für die Befragung verwendet (siehe Anhang). Die Themenkomplexe beinhalteten generelle Einschätzungen zur Innovationsfähigkeit von Stiftungen, Methoden und Instrumente zur Förderung sozialer Innovationen in ihrer jeweiligen Entwicklungsphase, Fragen zur Zusammenarbeit mit Partnern, der politische Einflussnahme von Stiftungen sowie zur internen Governance von Förderstiftungen. Zum Abschluss wurden die Experten gebeten, eine Art Idealtyp einer Stiftung für soziale Innovationen zu entwerfen. Bei der Durchführung der Interviews wurde nicht strikt nach der Gliederung des Fragebogens vorgegangen, auch wenn eine gewisse Stringenz eingehalten wurde. Der Leitfaden diente der inhaltlichen Strukturierung der Gespräche (Lamnek 2005, S. 220). Den Gesprächspartnern wurde die Möglichkeit gegeben, Fragen vertiefter zu beantworten, wenn sie einen Punkt als besonders wichtig erachteten. Rück- und Anschlussfragen durch den Interviewer stellten sicher, dass ein guter Gesprächsfluss zustande kam und dass die wichtigsten Themen in allen Interviews behandelt wurden. Die Interviews wurden transkribiert und anschließend ausgewertet. Dabei wurde nach der Methodik des strukturellen Kodierens vorgegangen (Saldaña 2009, S. 66). Mit Hilfe des Software Programms Maxqda 10 konnten die Aussagen der Experten zu spezifischen Themen miteinander verglichen werden. In einem zweiten Schritt wurden die Codes an sich überprüft, verfeinert und zu thematischen Mustern (pattern coding) zusammengefasst. Die Ergebnisse wurden als eigenständiges Working Paper veröffentlicht (Bethmann 2014). Insgesamt lässt sich herausstellen, dass die Experten das theoretische Innovationspotenzial von Stiftungen bestätigt haben, in der Realität jedoch nur wenige Stiftungen kennen, die diesem Anspruch gerecht werden. Einigkeit bestand darin, dass die große Mehrheit der Stiftungen ihren Stiftungszweck durch die einfache Vergabe von Fördermitteln „abarbeitet“. Der instrumentelle Anspruch von Stiftungen ist insgesamt eher schwach ausgeprägt, auch wenn die Experten eine Änderung in den letzten Jahren feststellen. Sie sehen einen Trend zur Professionalisierung der Stiftungsarbeit an sich, welcher sich auch an den steigenden Mitgliederzahlen der Dachverbände und der Ausweitung derer Leistungen festmachen lässt. Die Vorstudie hat wichtige Impulse für die Datenerhebung bei den Stiftungen gegeben. Die in den präskriptiven Handlungsmodellen teils überschwänglich gefeierte Innovationsfunktion von Stiftungen wurde durch die Experten relativiert. Auch die Anpassung der Innovationskette auf die Funktionsweise von Förderstiftungen geht auf die Vorstudie zurück. Auf Grund der Erkenntnisse wurde in der

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Methodik

Untersuchung ein stärkerer Fokus auf die Frage gelegt, welche Faktoren die Ausprägung eines bestimmten Philanthropiemodells bestimmen. In fallstudienbasierten Theoriebildungsprozessen kommt es durch neue Erkenntnisse immer wieder zu kleineren Verschiebungen in der Akzentuierung von Teilfragen (Eisenstadt & Grabner 2007; Yin 2014). 5.3

Auswahl der Fälle

Die Experten wurden auch nach ihrer Einschätzung gefragt, welche Stiftungen sich für eine Untersuchung eignen könnten. Die Auswahl der Fälle spielt bei Fallstudiendesign eine bedeutende Rolle für die spätere Theorieentwicklung. Multiplen Fallstudien wird ein höherer Erklärungswert als Einzelfallstudien zugesprochen (Eisenstadt & Graebner 2007; Gerring 2009; Yin 2014). Die Fälle werden dabei auf Grund von theoretischen und nicht aus statistischen Überlegung ausgewählt. Beim theoretischen Sampling wird jeder einzelne Fall dahingehend überprüft, ob er einen Mehrwehrt zur sich langsam aufbauenden Theorie liefern kann (Glaser & Strauss 1998). Die Fallauswahl folgt daher einem iterativen Prozess, bei dem die Analyse jedes einzelnen Falls Aufschlüsse darüber gibt, welche weiteren Aspekte bzw. Fälle berücksichtigt werden müssen. Gleichzeitig spielen aber auch pragmatische Überlegungen eine Rolle. Die Fälle müssen eine transparente Untersuchung des Forschungsgegenstands erlauben. Dies bedeutet vor allem, dass der Zugang zu Daten gegeben sein muss und die Untersuchungseinheiten keinen Einfluss auf die Ergebnisse ausüben wollen. Eine erste Entscheidung, die getroffen wurde, war sich nur auf Schweizer Förderstiftungen zu konzentrieren. Wie in der Einführung bereits argumentiert, erlaubt dies Stiftungen unter den gleichen, oder zumindest sehr ähnlichen Umweltbedingungen zu untersuchen. Zugleich existieren noch keine umfangreichen empirischen Untersuchungen von Stiftungen in der Schweiz, obwohl das Land über einer der höchsten Stiftungsdichten der Welt verfügt. Neben den Empfehlungen der Experten wurde als Basis der Fallauswahl das Mitgliederverzeichnis von SwissFoundations herangezogen. Mitglied in dem Dachverband können nur Förderstiftungen werden, die ihren Zweck primär durch die Vergabe von finanziellen Mitteln erfüllen. Es kann tentativ davon ausgegangen werden, dass die ca. 120 Mitglieder des Verbands insgesamt zu den progressiveren Stiftungen der rund 13.000 Stiftungen in der Schweiz gehören. Die Mitgliedschaft in dem Verband signalisiert ein Branchenbewusstsein und ist mit der Verpflichtung verbunden, zumindest minimalen Rechenschaftspflichten gegenüber der Öffentlichkeit gerecht zu werden. Für eine erste Vorauswahl, der in Frage kommenden Stiftungen, wurden die Mitgliederprofile und Webseiten der Stiftungen untersucht. Um für die Untersuchung in Frage zu kommen, mussten die Stiftungen über eine eigene Geschäftsstelle verfügen (auch im Mandat möglich) sowie einen erkennbaren Bezug zu Innovation haben

Auswahl der Fälle

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(z.B. Nennung von Innovation in eigenen Publikationen oder Webseite). Von der Untersuchung ausgeschlossen wurden Dachstiftungen, reine Kulturstiftungen, Stiftungen mit einem zu spezifischen Stiftungszweck (z.B. nur Vergabe von Stipendien) und Unternehmensstiftungen. Zudem wurden nur Stiftungen aus der deutschsprachigen Schweiz berücksichtigt, um sprachliche Missverständnisse bei der Datenerhebung zu vermeiden. Insgesamt wurden so zehn mögliche Fälle identifiziert. Innerhalb der Gruppe wurden zuerst drei Stiftungen angeschrieben. Diese Stiftungen waren von den Experten als mögliche Fallbeispiele genannt worden. Alle drei Stiftungen waren Gründungsmitglieder von SwissFoundations und haben zumindest in Teilbereichen eine hohe Affinität zur Förderung sozialer Innovationen gezeigt. Als erster Schritt der Kontaktaufnahme wurde ein Brief an den jeweiligen Geschäftsführer der Stiftung geschickt. Darin wurde das angestrebte Forschungsvorhaben detailliert erklärt und u.a. darauf hingewiesen, dass die Teilnahme Interviews mit Stiftungsräten, Mitarbeitenden sowie Förderpartner impliziert. Zugleich wurde in dem Anschreiben eine Kontaktaufnahme per Telefon angekündigt, um den Stiftungen die Möglichkeit gegeben, sich umfassend über das Ziel und die geplante Durchführung der Untersuchung zu informieren, bevor sie eine Entscheidung treffen. Von den kontaktierten Stiftungen haben zwei Geschäftsführer nach Rücksprache mit ihrem Stiftungsrat zugesagt. Eine Stiftung lehnte aus zeitlichen Gründen eine Teilnahme ab. Als erste Fälle wurden die Gebert Rüf Stiftung (GRS) und die Stiftung Mercator Schweiz (MCH) untersucht. Während die GRS eher dem Ideal des strategischen Experimentalismus entspricht, so steht die MCH für eine Stiftung, die einer rational-bürokratischen Strategie folgt. Die GRS fördert mit einem Fokus auf Wissenschaft soziale Innovationen im weiteren Sinn, während die MCH relativ breit aufgestellt ist und sich auch sozialen Problemen im engeren Sinn widmet und sich für die Besserstellung benachteiligter Bevölkerungsgruppen engagiert. Beide Stiftungen agieren problemfokussiert und folgen ausformulierten Strategien. Nach der Analyse der ersten beiden Stiftungen wurde die Entscheidung getroffen, als nächsten Fall eine relativ konservative und bewahrende Stiftung zu untersuchen. Entgegen der ursprünglichen Absicht, nur Stiftungen in der Studie zu berücksichtigen, die für Innovationsförderung bekannt sind, wurde auf Grund theoretischer Überlegungen mit der Sophie und Karl Binding Stiftung (SKBS) bewusst eine konservativ agierende Stiftung in die Untersuchung aufgenommen. In ihrer Grundausrichtung folgt die Stiftung in großen Teilen dem Modell eines klassischen Mäzenatentums, auch wenn sie über eine dynamische Seite verfügt. Der bewahrende Charakter von Bestehendem steht jedoch im Vordergrund. Die SKBS wurde gewählt, um den bereits geäußerten Mangel an kontrastierenden Studien entgegenzuwirken. Der Großteil der präskriptiven Handlungsmodelle beruht auf der Be-

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Methodik

schreibung besonders erfolgreicher Stiftungsprogramme und bleibt daher zwangsweise auf einer deskriptiven Ebene. Erst durch die Hinzunahme von Fällen, die sich in Bezug auf das zu erklärende Phänomen oder internen Konfigurationen unterscheiden, gewinnen theoretischen Annahmen an Robustheit (Gerring 2009, S. 90). Als letzte Stiftung wurde mit der Arcas Foundation (AF) in Vergleich zu den vorherigen Fällen eine relativ kleine Stiftung aufgenommen, die mit verschiedenen Förderformaten experimentiert. Sie positioniert sich als eine agile Stiftung, die sich nach eigenen Angaben von den vorherigen dadurch absetzt, dass sie schnell und flexibel auf Herausforderungen reagieren kann. Auf Grund ihrer verhältnismäßigen geringen Ressourcen setzt die AF auf die Förderung weniger ausgewählter Projekte, welche die Stiftungsräte eng begleiteten. Die Gründerin ist in der Stiftung sehr engagiert. Mit der Aufnahme der AF konnte vor allem überprüft werden, in wie fern sich ein geringeres Vermögen auf die Innovationsfähigkeit von Stiftungen auswirkt und wie eine aktive Gründerin die Ausrichtung einer Stiftung bestimmt. Zusammenfassend wurde nach dem Prinzip des theoretischen Samplings schrittweise in der Auswahl der Fälle vorgegangen, wobei jeder Fall dazu gedient hat, emergente Konstrukte überprüfen und erweitern zu können. Während bei der Untersuchung der ersten drei Fälle, die Generierung von Hypothesen im Vordergrund stand, wurde der dritte Fall vor allem zur kritischen Überprüfung bereits formulierter theoretischer Annahmen herangezogen. Mit dem vierten Fall konnten die revidierten Annahmen in Bezug auf ihre Gültigkeit überprüft und verfeinert werden. Nach der Analyse der einzelnen Fallstudien und der vergleichenden Analyse wurde beschlossen, keine weiteren Fälle in die Untersuchung aufzunehmen. Durch die intensive Betrachtung der vier Fälle konnte ein hoher Grad der theoretischen Saturation erreicht werden. Die entwickelten Konzepte waren robust genug, um von einer weiteren Datenerhebung abzusehen. 5.4

Datenerhebung

Für die Vorbereitung und Durchführung der Datenerhebung wurde ein Fallstudienprotokoll angelegt. Das Dokument subsummiert die Forschungsfragen und den geplanten Prozess der Datenerhebung. In dem Protokoll wird festgehalten, welche Daten und Informationen auf welchem Weg erhoben werden sollen (Yin 2014, S. 67). Es legt die Methodik der Feldforschung fest und dient dazu, die Replizierbarkeit der Datenerhebung über die Fälle hinweg sicherzustellen. Damit wird zum einen vermieden, dass wichtige Informationen bei der Datenerhebung vergessen werden und zum anderen wird die Vergleichbarkeit der Fälle untereinander gestärkt. Fallstudien zeichnen sich generell dadurch aus, dass eine Vielfalt von Datenquellen zur Beschreibung und Analyse der Untersuchungseinheiten herangezogen

Datenerhebung

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werden (Titscher et al. 2008). In dieser Studie wurden neben Interviews vor allem interne und öffentliche zugängliche Dokumente ausgewertet. Weiterhin flossen auch Daten aus direkten und partizipativen Beobachtungen in die Fallbeschreibungen mit ein. Als erster Schritt wurde pro Stiftung eine vertiefte Voranalyse aller öffentlich zugänglichen Dokumente vorgenommen. Insbesondere die Webseiten und die Jahresberichte, aber auch Informationen zum Antragsprozess der Stiftungen dienten als Informationsquelle. In einem zweiten Schritt wurde jeweils ein Interview mit dem Geschäftsführer der Stiftung vereinbart. Die Interviews dauerten im Schnitt 1,5 bis 2 Stunden und folgten einem semi-strukturierten Interviewdesign. Der erste Fragekomplex bestand aus Fragen zur eigenen Person. Nach Lamnek (2005, S. 342) ist es in Interviewsituationen hilfreich, nicht sofort mit komplexen Fragen zu beginnen, sondern zuerst eine vertrauliche Gesprächsatmosphäre aufzubauen. Die Gesprächspartner wurden daher zuerst gebeten, ihren beruflichen Werdegang zu schildern und zu erzählen, wie sie zu ihrer Arbeitsstelle bei der Stiftung gekommen sind. Anschließend wurden sie gebeten, die Förderphilosophie der Stiftung zu beschreiben. Damit sollte herausgefunden werden, wie die Geschäftsführenden die Rolle der Stiftung in der Gesellschaft einordnen und welches die grundlegenden Ziele der Stiftungsarbeit sind. Zusätzlich wurden Fragen zum Einfluss des Gründers und der Geschäftsführung auf die Ausrichtung der Stiftung gestellt. Der nächste größere Fragekomplex bezog sich auf den Aufbau der Strategie, der Auswahl von Problemen, der Zusammenarbeit mit den Partnern sowie der spezifischen Rolle von sozialen Innovationen in der Stiftungsarbeit. Im nächsten Teil der Befragung wurde auf die interne Abläufe und die Zusammenarbeit zwischen dem Stiftungsrat und der Geschäftsstelle eingegangen. Das Ziel dieses Komplexes war herauszufinden, wo welche Entscheidungen getroffen werden und wie das Führungs- bzw. Governancesystem der Stiftung aufgebaut ist. Anschließend wurde um eine persönliche Einschätzung über die Wirksamkeit der Stiftung in der Gesellschaft gebeten. Zum Abschluss wurden die Gesprächspartner danach gefragt, was sie an der Arbeitsund Funktionsweise der Stiftungen ändern würden, wenn sie freie Hand hätten. Insbesondere mit dieser letzten Frage konnte erreicht werden, dass die Gesprächspartner offen über die Herausforderung ihrer Arbeit gesprochen haben. Dabei haben sie sich selbstkritisch mit dem eigenen Philanthropiemodell auseinandergesetzt. Alle Interviews wurden aufgenommen und anschließend transkribiert. Durch die ersten Interviews konnte eine Vertrauensbasis geschaffen werden. Es wurde deutlich, dass die Gesprächspartner ein hohes Interesse daran hatten, ihre eigene Arbeit zu reflektieren. Im eigenen Tagesgeschäft haben sie wenige Möglichkeiten, grundsätzlichen Fragen nachzugehen. Die Gespräche wurden in einer offenen und selbstkritischen Atmosphäre geführt. Nach dem Gespräch wurde um die Einsicht in interne Dokumente gebeten. In drei Fällen konnten die Protokolle der Stiftungsratssitzungen eingesehen werden. In einem Fall wurde zusätzlich gestattet, an einer

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Methodik

Stiftungsratssitzung als stiller Beobachter teilzunehmen. Alle vier Stiftungen haben schrittweise die Protokolle und Ergebnisse ihrer Strategieentwicklungsprozesse freigegeben. Als dritter Schritt wurden die Interviews mit den Mitarbeitenden der Stiftungen, dem Stiftungsratspräsidenten (bei der MCH und der AF waren dies die Gründer der Stiftung) und jeweils einem oder zwei weiteren Mitgliedern des Stiftungsrats durchgeführt. Die Interviews dauerten jeweils ca. 1 Stunde und folgten wieder dem Prinzip des semi-strukturierten Leitfadeninterviews. Die meisten Interviews fanden am Sitz der Stiftung oder am regulären Arbeitsplatz (in drei Fällen Anwaltskanzleien) der Stiftungsratsmitglieder statt. Zwei Interviews wurden an einem ruhigen Ort in einem Restaurant durchgeführt. Die Leitfäden wurden jeweils auf die Stiftung und die Position der Person angepasst (siehe Anhang). Alle Interviews wurden aufgenommen und anschließend transkribiert. Zusätzlich wurden pro Stiftung fünf bis acht Förderpartner telefonisch über ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Stiftungen befragt. Die Befragungen hatten das Ziel weitere Informationen einzuholen und einer Verzerrung der Daten, durch die reine Selbstbeschreibung der Stiftungen entgegen zu wirken. Die Liste der gewünschten Gesprächspartner wurde den Stiftungen zugestellt. Sie wurden nach der Bedeutung der Projekte für die Stiftung ausgewählt. Es wurden keine Gesprächspartner abgelehnt. Als weitere Datenquellen wurden externe Evaluationen von Förderprojekten ausgewertet. Die vorgenommene Erhebungs- und Methodentriangulation hat zur Stärkung der internen Validität der Studie beigetragen (Yin 2014, S. 120). Insgesamt wurden inklusive der Experten 58 Interviews durchgeführt und mehrere hundert Seiten an Dokumenten ausgewertet55. 5.5

Datenanalyse & Theorieentwicklung

Der Prozess der Theorieentwicklung über Fallstudien folgt einem iterativen und zyklischen Vorgehen (Eisenhardt 1989; Eisenhardt & Graebner 2007; Yin 2014). Prozesse der Datenerhebung, Datenanalyse und Konstruktentwicklung wechseln sich gegenseitig ab, bzw. überschneiden sich. Zum einen bedingt das theoretische Sampling eine Iteration zwischen Datenerhebung und Analyse. Zum anderen ergeben sich aus den Analysen der erhobenen Informationen Hinweise darüber, welche zusätzlichen Daten erhoben und ausgewertet werden müssen, um Zusammenhänge überprüfen und ausbauen zu können. Um der Gefahr des frü-hen Determinismus und Pfadabhängigkeit der ersten Einsichten zu entgehen, muss der Forscher dabei bereit sein, erste Annahmen wieder zu verwerfen und rivalisierenden Erklärungsansätzen nachzugehen, um dem Postulat der Offenheit des Forschungsprozess Rechnung zu tragen (Borchhardt & Göthlich 2009, S. 44). 55 Eine Liste aller Interviewpartner findet sich im Anhang. Von den ausgewerteten Quellen werden im Literaturverzeichnis nur diejenigen aufgeführt, aus denen bei den Fallbeschreibungen direkt zitiert wird.

Datenanalyse & Theorieentwicklung

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Die Datenanalyse hat sich in der ersten Phase primär auf die einzelnen Fälle bezogen. Dabei wurde vor allem der Methodik des „process tracing“ gefolgt (George & Bennett 2005; Muno 2015). Dies bedeutet, dass die Entwicklung der Stiftungsstrategien und Förderprozesse anhand verschiedener Datenquellen akribisch nachverfolgt wurden. Die Zielsetzung war zum einen zu verstehen, wie die Stiftungen zu ihrem jeweiligen Philanthropiemodell gekommen sind und zum anderen, wie sich das Modell auf ihre soziale Innovationsfähigkeit auswirkt. Ausgangsbasis der Analyse war die systematische Untersuchung aller gesammelten Daten. Dafür wurde wiederum die Software Maxqda eingesetzt. Das Programm ist auf die Analyse qualitativer Daten ausgerichtet und unterstützt die Organisation und Kategorisierung hoher Datenmengen. Als erster Schritt wurden die Dokumente durch die Methodik des strukturellen Kodierens ausgewertet (Saldaña 2009). Dies bedeutet, dass Textpassagen mit übergreifenden Begriffen wie z.B. „Strategieentwicklung“, „Problemdefinition“ oder „Förderkriterium“ bezeichnet wurden. Nach einer ersten Runde des Kodierens wurden die jeweiligen Passagen miteinander verglichen. Nach dieser ersten Analyse wurden die Kodierungen verfeinert und wiederum Vergleiche innerhalb der Fälle durchgeführt. Durch dieses Vorgehen konnten die einzelnen Prozesse und Entwicklungen in den Stiftungen detailliert nachgezogen und beschrieben werden. Auf Basis dieses Vorgehens konnten erste Versionen der Fallbeschreibungen verfasst werden. Im Laufe der Formulierungen der einzelnen Fälle wurden bereits erste Vergleiche über die Fälle hinweg vorgenommen und Hypothesen formuliert. Diese wurden in eigenen Memos festgehalten. Die Fallstudien wurden den Geschäftsführern zu einer ersten kommunikativen Validierung zugeschickt. Dadurch sollten ungenaue Wiedergaben, Missverständnisse oder Fehlinterpretationen vermieden und inhaltliche Fehler ausgeschlossen werden (Borchardt & Göthlich 2009, S. 45). Die Rückmeldungen waren für den weiteren Forschungsprozess entscheidend. Vor allem wurde deutlich, dass Informationen aus der weiter zurückliegenden Vergangenheit elementar waren, um die Ausprägung der jeweiligen Philanthropiemodelle verstehen zu können. Die initiale Begrenzung auf einen Zeitraum von fünf Jahren war nicht genügend. Durch den zirkulären Forschungsprozess hat sich einer der theoretischen Hauptbausteine zur Erklärung der Innovationsfähigkeit von Stiftungen herausgebildet. Wie im nächsten Kapitel dargelegt wird, bestimmen frühe Entscheidungen zu großen Teilen den Pfad, den eine Stiftung einschlägt. Aus dieser Erkenntnis wurde deutlich, dass die Erhebung weiterer Daten in den Stiftungen notwendig war. Als Konsequenz wurde eine zweite Interviewrunde mit den Geschäftsführern vereinbart. Dieses Mal folgte die Befragung der Methodik des fokussierten Interviews, bei dem einzelne Themen gezielt angesprochen wurden (Flick 2012, S. 194). Dieses Vorgehen stellte sich als besonders wertvoll für den Forschungsprozess heraus. Auf Grund der mittlerweile längeren Beziehung zu den Stiftungen, zeigten die Gesprächspartner eine hohe Bereitschaft, Zugang weiteren

108

Methodik

internen Daten zu gewähren, die zuvor zurückgehalten wurden. Durch das etappenweise Vorgehen konnte so schließlich eine breitere Basis für die Neuverfassung der Fallbeschreibungen und der vergleichende Analyse geschaffen werden. Die neue Version der Fallstudien wurde wiederum zur kommunikativen Validierung an die Geschäftsführer verschickt. Auf Grund der Rückmeldungen wurden nur noch minimale Änderungen vorgenommen. In zwei Fällen wurde z.B. darum gebeten, ein Zitat zu streichen, da sich diese jeweils auf die Bewertung einer Person bezogen hatten. Die entsprechenden Passagen wurde umformuliert, blieben vom Sinn her aber konsistent. Die Stiftungen haben weder inhaltlich noch analytisch Einfluss auf die Fallstudien genommen. Als nächster Analyseschritt wurden die finalen Fallstudien systematisch miteinander verglichen. Dabei wurde der Methodik des „pattern matching“ (Yin 2014, S. 116-118) gefolgt. Vorläufige Hypothesen, aus den vorhergehenden Vergleichen wurden einer intensiven Prüfung unterzogen und nach noch nicht beachteten Zusammenhängen gesucht. In dieser Phase wurden verschiedene Techniken der Bedeutungsbildung angewandt, wie das Aufsuchen von Mustern, die Bildung logischer Ketten oder der Bündelung von verschiedenen Faktoren zu übergreifenden Konzepten (Miles & Hubermann 1994, S. 245 ff.). Die emergenten theoretischen Konstrukte wurden auf ihren Erklärungswert für alle Fälle beurteilt. Bei konfligierenden Befunden wurde nach neuen Erklärungsmustern gesucht oder Annahmen präzisiert (Borchardt & Göthlich 2009, S. 45). Anschließend wurden die induktiv entwickelten Konstrukte mit bestehen Theorien und wissenschaftlichen Konzepten konfrontiert. In diesem abduktiven Prozess wurde nach Erklärungsmustern in Organisationstheorien gesucht, welche die gefundenen Zusammenhänge am besten erklären konnten. Dadurch konnten die eigenen Ergebnisse einen weiteren kritischen Prüfung unterzogen werden. Die Konfrontierung mit der Literatur hatte zugleich den Zweck, die entwickelten theoretischen Konstrukte zu präzisieren und zu erweitern. Während des gesamten Forschungsprozesses wurden Zwischenergebnisse auf Forschungskonferenzen und internen Kolloquium am Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel vorgestellt. Die kritischen und konstruktiven Rückmeldungen haben zur Verfeinerung der theoretischen Grundbausteine beigeragen. Durch diesen iterativen und zirkulären Forschungsprozess konnten schließlich die stärksten Erklärungsmuster herausgearbeitet und ein konsistentes System von Aussagen entwickelt werden, mit dem sich die Innovationsfähigkeit von Stiftungen erklären und vorhersagen lässt. Abbildung 3 zeigt den Forschungsprozess schematisch auf.

Mögliche Fälle (einfache Daten) Vorläufige Fallbeschreibungen

Konstante Entwicklung theoretischer Konstrukte und Abgleich mit Daten

Begin Datenerhebung bei Stiftungen

Finale Fallstudien

Untersuchung relativ • Entwicklung kleiner Stiftung Fallstudien • Kommunikative Validierung • Weitere Datenerhebung

Datentriangulation • Interviews mit Geschäftsführer, Stiftungsräten, Mitarbeitern und Förderpartnern • Öffentliche Dokumente (Webseite, Förderrichtlinien, Jahresberichte, Eigenpublikationen, Medienberichte, Evaluationen) • Interne Dokumente (Stiftungsratsprotokolle, Protokolle Strategieworkshops)

Untersuchung kontrastierender Fall

Abb. 3: Schematische Darstellung des Forschungsprozesses (Quelle: Eigene Darstellung)

• Literaturanalyse • Experteninterviews • Spezifizierung Forschungsfragen • Vorbereitung Feldforschung

• Mögliche Fälle: Untersuchung Empfehlung Experten & erster Fälle SwissFoundations Mitglieder • Auswahl: Theoretisches Sampling

• Vergleiche finaler Fälle untereinander • Induktiv und abduktive Theoriebildung • Vorstellung Zwischenergebnisse

Theoretische Grundbausteine zur Erklärung und Vorhersage der Innovationsfähigkeit von Förderstiftungen

Datenanalyse & Theorieentwicklung 109

110

5.6

Methodik

Kritische Würdigung des Vorgehens

Das vorgestellte Vorgehen folgt von der Struktur weitestgehend den Schritten, die in verschiedenen methodischen Ausführungen zur Theorieentwicklung durch Fallstudien empfohlen werden (Eisenhardt 1989; Eisenhardt & Graebner 2007; Gerring 2009; Yin 2014). Im Folgenden werden einige kritische Punkte des Forschungsprozesses angesprochen und mögliche Antworten darauf gegeben. Zuerst stellt sich die Frage nach der externen Validität, bzw. dem Grad der Generalisierung, der von einer Studie zu erwarten ist, deren Erkenntnisse hauptsächlich auf der Untersuchung von vier Förderstiftungen aus der Schweiz basieren. Dazu ist anzumerken, dass sich Fallstudiendesigns immer in einem Spannungsfeld bewegen, zwischen der idiosynkratrischen Betrachtung einzelner Fälle und dem Anspruch aus dem Speziellen allgemeine Ableitungen bzw. Generalsierungen zu treffen (Lincoln & Guba 2000, S. 28). Auf Grund der geringen Fallzahlen können keine statistischen Rückschlüsse auf eine größere Grundgesamtheit geschlossen werden. Das Ziel von Fallstudiendesigns ist daher nicht die statistische, sondern analytische Generalisierung (Eisenhardt & Graebner 2007). Primär induktiv entwickelte Theorien streben keine gesetzmäßige Beschreibung der Wirklichkeit an. Sie zielen auf die Formulierung von Theorien mittlerer Reichweite, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffend sind, da die Erkenntnisse direkt aus empirischen Daten abgeleitet werden (Merton 1968). Die externe Validität dieser Untersuchung stützt sich auf das theoretische Sampling und dem intensiven Vergleich der Fälle untereinander sowie der Konfrontation der Ergebnisse mit der Literatur. Über die Präsentation der Zwischenergebnisse konnten die entwickelten Konstrukte schrittweise auf ihre Plausibilität überprüft werden. Die Rücksprache mit weiteren Forschern und Stiftungsexperten hat zur Formulierung der Endergebnisse beigetragen. Das im achten Kapitel zusammengefasste Hypothesengerüst stellt nicht den Anspruch einer allgemein gültigen Theorie, die auf alle Stiftungen zutrifft. Insgesamt wird jedoch von einer hohen Transferierbarkeit der Ergebnisse auf Förderstiftungen im Allgemeinen ausgegangen. In wie weit die Ergebnisse auch auf andere Kontexte, wie z.B. Stiftungen aus den USA übertragbar sind, wäre in weiteren Studien zu überprüfen. In Bezug zur internen Validität wurde versucht, über die Erhebung verschiedener Daten und der Befragung mehrerer Personen, eine möglichst objektive Darstellung der Fälle zu erreichen. Trotz dieses Vorgehens ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein kleiner Teil der Ergebnisse auf unausgewogenen Beurteilungen beruht. Persönliche Interviews sind neben internen Dokumenten die Hauptdatenquelle der Studie. Interviews sind ein effizienter Weg, um umfangreiche empirische Daten zu sammeln. Sie unterliegen jedoch der Gefahr, dass die Befragten eine Situation verzerrt wiedergeben, um in einem bessern Licht zu erscheinen. Über „retrospective sensemaking“ (Eisenhardt & Graebner 2007, S. 28) werden Ereignisse

Kritische Würdigung des Vorgehens

111

aus der Vergangenheit neu beurteilt. Obwohl über die Datentriangulation versucht wurde, einer möglichen Verzerrung der Darstellung entgegenzuwirken, kann nicht ganz ausgeschlossen werden, dass eine Neuinterpretation der Vergangenheit durch die Interviewpartner die Formulierung der Fallstudien beeinflusst hat. Eng mit der Validität ist die Frage verbunden, in wie fern die Reliabilität der Ergebnisse einzuschätzen ist. Diese Frage ist schwieriger zu beantworten. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sich die Untersuchung mit den gleichen Stiftungen, mit den gleichen Methoden, unter den gleichen Konditionen wiederholen lässt. Zwar ermöglicht die präzise Dokumentation des Forschungsprozess die Wiederholung des Vorgangs, allerdings ist es vor allem bei Fallstudiendesigns fraglich, ob die gleichen Untersuchungsbedingungen ein weiteres Mal hergestellt werden können. Zudem wird die Interpretationen der Daten von dem Vorwissen und den Einstellungen des Forschers beeinflusst. Dementsprechend wird bei Fallstudien der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse ein höherer Stellenwert als der Reliabilität zugeschrieben (vgl. Borchardt & Göthlich 2009, S. 46). Schließlich ist es zuletzt noch angebracht, auf die ausführliche Beschreibung der Fälle im nächsten Kapitel einzugehen. Für die Entwicklung theoretischer Konstrukte aus Fallstudien existieren keine festgeschriebenen Regeln. Zwar existieren verschiedene Methoden, wie nach Zusammenhängen gesucht und diese beschrieben werden können, der Prozess und die Qualität der Theorieentwicklung hängen jedoch weitestgehend von der interpretativen Leistung des Forschers ab (Eisenhardt & Graeber 2007, S. 29). In vielen Fällen bedeutet dies jedoch auch, dass von der Datenerhebung vorschnell zur Präsentation der Ergebnisse gesprungen wird. Aus diesem Grund wird gefordert, die Fälle möglichst holistisch und umfangreich zu umschreiben (Stake 1995; Eisenhardt & Graebner 2007; Gerring 2009; Yin 2014). Als Konsequenz nehmen die Fallbeschreibungen gegenüber der entwickelten Theorie einen großen Raum ein. Der Vorteil ausführlicher Fallbeschreibungen liegt in der hohen Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse. Gleichzeitig hat die Darstellung auch einen hohen informativen Wert für Stiftungspraktiker und mittelsuchende Organisationen. Mit der Reduzierung der Theoriebausteine auf die Essenz der Ergebnisse wird schließlich dem Postulat der Parsimonie Rechnung getragen. Als Fazit des hier verfolgten Forschungsprozesses lässt sich festhalten, dass dieser zwar extrem zeitaufwändig war, jedoch über das theoretische Sampling, der intensiven Analyse der einzelnen Fälle sowie dem systematischen Vergleich der Fälle untereinander, robuste und nachvollziehbare Zusammenhänge herausgearbeitet werden konnten, mit denen sich die Innovationsfähigkeit von Stiftungen erklären und vorhersagen lässt. Dadurch konnte ein wichtiger Beitrag in der theoretischen und praktischen Betrachtung von Förderstiftungen geleistet werden.

6

Fallstudien

In diesem Kapitel werden die einzelnen Fallstudien der Studie präsentiert. Die Struktur der Fallbeschreibungen folgt der Logik der hypothetischen Innovationskette, wie sie in den vorherigen Kapiteln herausgearbeitet wurde. Einleitend werden in einer Kurzbeschreibung die Stiftungsgründung, der Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen und die jährlichen Fördersummen der Stiftung vorgestellt sowie die Förderphilosophien der Stiftungen in kurzen Worten beschrieben. Anschließend wird detailliert dargelegt, wie die Stiftungen ihr jeweiliges Philanthropiemodell entwickelt haben. Abschließend wird das Fördermodell in Bezug auf soziale Innovationen bewertet. Die Fallstudien sind absichtlich im Präsens geschrieben. Sie enthalten Zitate von den befragten Stiftungsräten, Geschäftsführern, Mitarbeitenden und Förderpartnern. Zusätzlich stützt sich die Interpretation der Fälle auf interne Dokumente der Stiftungen sowie auf stiftungseigene Publikationen und Evaluationen der geförderten Projekte. Die Datenerhebung endete im Februar 2017. 6.1

Gebert Rüf Stiftung

Legende: PR: Präsident des Stiftungsrats VPR: Vizepräsident des Stiftungsrats GF: Geschäftsführer stv. GF: Stellvertretende Geschäftsführerin MA: Mitarbeitende PA: Förderpartner 6.1.1

Stiftungsgründung

Die Gebert Rüf Stiftung (GRS) wird 1997 von Heinrich Gebert (1917- 2007) mit einem Anfangsvermögen von CHF 220 Mio. gegründet. Das Vermögen stammt aus dem Verkauf seiner Anteile an dem Sanitärtechnik-Konzern Geberit. Zusammen mit seinem Bruder Klaus hat Heinrich Gebert den Familienbetrieb in dritter Generation zu einem international erfolgreichen Unternehmen aufgebaut. Mit der Gründung der GRS und der Rekrutierung der ersten Mitglieder des Stiftungsrats wird ein renommierter Rechtsanwalt und Zürcher Professor für Privat-, Handels– © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_6

114

Fallstudien

und Kapitalmarktrecht beauftragt, der auch den Verkauf des Unternehmens juristisch begleitet hat. Heinrich Gebert verzichtet auf einen Sitz im Stiftungsrat. Er möchte, dass die Stiftung professionell geführt wird. Dafür spricht er sich selber keine Kompetenz zu und nimmt zeitlebens keinen Einfluss auf die Aktivitäten der Stiftung. In den Gründungsstatuten legt er fest, dass die Schweiz als Wirtschaftsstandort und Lebensraum gestärkt werden soll. Die GRS möchte durch anwendungsorientierte Hochschulprojekte Impulse in Wirtschaft und Gesellschaft setzen. Der Stiftungszweck ist wie folgt festgeschrieben: „Die Stiftung bezweckt die Stärkung der Schweiz als Wirtschaftsstandort und Lebensraum durch Förderung von Ausbildungs‐, Lehr- und Forschungsprojekten aller Fachrichtungen und Wissensgebiete, vornehmlich an den öffentlichen und privaten Hochschulen, Fachhochschulen und anderen höheren Ausbildungsinstitutionen des Landes, sowie durch Unterstützung der Zusammenarbeit dieser Institutionen mit Unternehmen und Einrichtungen der Wirtschaft und der Gesellschaft zwecks Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse in wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen.“ Die GRS positioniert sich ausdrücklich als Innovationsförderin. Sie sucht Nischen, in denen sie mit ihren begrenzten Mitteln neue Ideen und Entwicklungen anschieben und zur Umsetzung bringen kann. In ihrer Förderstruktur folgt sie den übergeordneten Zielbereichen „Wissenschaft & Entrepreneurship“, „Wissenschaft & Öffentlichkeit“ sowie „Stiftung und Schweiz“. Unter den Zielbereichen sind insgesamt neun programmartige Handlungsfelder verankert. Die GRS ist in Bezug auf das Fördervolumen die größte private Wissenschaftsförderstiftung der Schweiz. Die Geschäftsstelle wird von dem Geschäftsführer und der stellvertretenden Geschäftsführerin geleitet56. Sie werden von zwei weiteren Mitarbeiterinnen unterstützt. Im Stiftungsrat sind seit Beginn renommierte Wissenschaftler vertreten, die auch außerhalb der Stiftungsratssitzungen eine aktive Rolle in der Stiftung einnehmen. Am 31.12.2016 beträgt der Wert des Stiftungsvermögens CHF 153 Mio. Seit ihrer Gründung Ende 1997 hat die GRS bis Ende 2015 insgesamt ca. CHF 180 Mio. an Förderbeträgen freigesetzt (GRS 2016). Die Stiftung wurde 2011 nachträglich zu einer Verbrauchsstiftung umgewandelt. Sie setzt sich zum Ziel, pro Jahr ca. CHF 15 Mio. in ihre Zweckumsetzung zu investieren, unabhängig der Erträge des Stiftungsvermögens am Kapitalmarkt.

56

Im Folgenden steht „die Geschäftsführung“ für beide Personen. Der Geschäftsführer ist für die operative Leitung der Stiftung hauptverantwortlich.

Gebert Rüf Stiftung

6.1.2

115

Förderphilosophie/ -strategie

Obwohl Heinrich Gebert nie eine aktive Rolle in der der GRS einnimmt, ist die Ausrichtung der Stiftung auf Innovationsförderung ein „mentales Vermächtnis“ (GF) des Gründers. Der „WC-König“57 hat zeitlebens über 150 Patente angemeldet und die daraus entwickelten Erfindungen zur Marktreife geführt. Mit der Stiftung will er einen sichtbaren Beitrag zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz liefern: „Es war schon irgendwie Idealismus. Aber er war kein Gutmensch im verklärten Sinne, sondern jemand der etwas sehr Handfestes bewirken wollte“ (VPR). In der konkreten Umsetzung des Stiftungszwecks sucht die GRS Nischen in der Wissenschaftsförderung und der Verbreitung von neuen Forschungsergebnissen in die Praxis. Das größte Wirkungspotential sieht sie in der Überbrückung des „Tal der Tränen“. Dieses verortet die GRS zwischen der Grundlagenforschung (staatliche Verantwortung) und der Kommerzialisierung erprobter Konzepte (privates Venture-Kapital). Gemäß ihres Leitbilds möchte die GRS „eine experimentierfreudige, von wirtschaftlichen Zwängen freie Forschung ermöglichen, welche nützliche Ergebnisse erhoffen lässt, ohne diese bereits präsentieren zu können“ (GRS 2006, S. 1). In den Stiftungsstatuten ist bereits festgelegt, dass die GRS neue und unkonventionelle Vorhaben unterstützten und dadurch Impulse setzen will (GRS 1997). Laut des Geschäftsführers folgt die GRS dem „dem Modell einer unternehmerisch handelnden Förderstiftung“. Als Risikokapitalgeberin konzentriert sich die GRS auf die Anschub- und Initialfinanzierungen von neuartigen Ideen: „Für uns ist entscheidend, dass eine Innovation dahintersteckt, die wirklich etwas verändern kann. Es kann auch eine Dienstleistung sein. Es muss nicht technisch sein“ (stv. GF). Die geförderten Projekte stellt die GRS in einen größeren Wirkungszusammenhang. Sie sollen zu weiterführenden Entwicklungen in ihren Handlungsfeldern beitragen. Dazu fördert die GRS immer auch „so etwas wie Wolken um das Handlungsfeld herum“ (stv. GF). Dies können z.B. Workshops, Publikationen oder Netzwerkanlässe sein, die einen weiteren Einfluss auf die angestrebte gesellschaftliche Wirkung haben: „Wir versuchen in diesem wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Laboratorium, das da draußen stattfindet, katalytische Prozesse in Gang zu setzten“ (PR). In Kernthemen schiebt sie die Gründung von Universitätsinstituten und Kompetenzzentren an, die sie bis in die Unabhängigkeit begleitet. Zur Suche und Auswahl von Förderpartnern lanciert die GRS primär Ausschreibungen, die sie intensiv bewirbt. Die Handlungsfelder sind in ihrer Laufzeit begrenzt. Wenn die GRS das Gefühl hat, dass genügend weitere Akteure das Thema aufgegriffen haben, zieht sie sich langsam aus einem Gebiet zurück. Nach dem „Outphasing“ baut die GRS mit 57 In der Schweiz wurde Heinrich Gebert auf Grund der marktdominierenden Stellung des Geberit Unternehmens in der Sanitärtechnik öfters mit dem Spitznamen WC-König bezeichnet.

116

Fallstudien

den frei werdenden Mitteln neue Programme auf. Bis zu 30% ihres Budgets hat die GRS für die freie Förderung von Pilotprojekten reserviert. Diese dienen auch als „Spielfeld zur Erprobung neuer potentieller Handlungsfelder“ (GF). Die GRS investiert nicht in Projekte, die bereits realisiert sind. Sie möchte vor allem jungen Talenten an Hochschulen dazu verhelfen, ihre Ideen in die Praxis umzusetzen: „Es spielt im Hintergrund wohl auch immer ein politisches Grundverständnis mit. Also ein liberales Grundverständnis, das aber nicht festgeschrieben ist: Wie kann man Menschen befähigen? Sie ermuntern? Wie kann man Dinge initiieren, aber immer in der Verantwortung der Partner lassen?“ (GF). Damit möchte sie auch dazu beitragen, dass „junge Forscher keine Angst haben, mit ihren Ideen rauszugehen, statt ständiges over-engineering zu betreiben, um schließlich Wissenschaftsbeamte zu werden“ (GF). Sie investiert demnach fast 90% ihrer Mittel in Lohnkosten. Beiträge zur allgemeinen Infrastruktur lehnt die GRS ab, da sie den Staat in der Verantwortung sieht, diese bereitzustellen. Um den Transfercharakter der Projekte zu fördern, verlangt die GRS, dass ihre Partner ihre Ergebnisse auch außerhalb von Fachmagazinen in der Öffentlichkeit bekannt machen. Zur Verankerung der Handlungsfelder in der Gesellschaft bindet die GRS die maßgeblichen Akteure in die Programmkonzeption sowie die Beurteilung von Gesuchen ein. Ein Ziel in jedem Handlungsfeld ist, die wichtigsten Anspruchsgruppen miteinander zu vernetzen. Damit sie die Brückenfunktion einnehmen kann und die Legitimität ihrer Aktivitäten nicht in Frage gestellt wird, kommuniziert die GRS umfangreich und transparent. Auf ihrer Webseite sind alle gesprochenen Förderbeträge seit Beginn der Stiftung, Grundlagendokumente zur Förderstrategie und Governance sowie Angaben zur Höhe, Zusammensetzung und Anlagepolitik des Stiftungsvermögens öffentlich zugänglich. Die stv. Geschäftsführerin fasst die Förderphilosophie wie folgt zusammen: „Unsere Kernaufgabe ist wirklich Innovationsförderung im Sinne von ´Enabler´ sein. Lücken suchen, Themen anstoßen, Awareness schaffen für neue Themen. Enorm wichtig ist, dass wir immer sehr schnell Partner suchen. Es langt nicht, dass wir einfach in ein Thema reingehen und Geld investieren. Wir müssen von Anfang an Anschlussmöglichkeiten suchen. Es ist ja unsere Aufgabe, immer wieder neue Themen anzustoßen und später ein Outphasing zu machen. Wir wollen pilotartig aufzeigen, dass es ein wichtiges Thema ist, dass es sich lohnt dort zu investieren. Darum ist es eine Kernaufgabe von uns jeweils ein sehr ein großes Netzwerk aufzubauen, mit Partnern zusammenzuarbeiten, Private Public Partnerships einzugehen, damit das Thema später auch weitergetragen wird“. 6.1.2.1

Entwicklung der Förderstrategie

Die grundsätzlichen Leitlinien für die Stiftungstätigkeit sind in den Stiftungsstatuten (GRS 1997) verankert. Dort wird von Beginn an festgelegt, dass die Fördertä-

Gebert Rüf Stiftung

117

tigkeit auf anwendungsorientierte und unkonventionelle Projekte mit hoher Qualität ausgerichtet sein soll. Die Stiftung hat ihre Mittel nicht verzettelt, sondern gemäß einer vom Stiftungsrat festgelegten Strategie mit klar zusammenhängenden Schwerpunkten einzusetzen. Zusätzlich wird in den Statuten erwähnt, dass die GRS Aktivitäten in Ost- und Mitteleuropa unterstützen kann, solange deren Entwicklungsstand nicht mit dem der westeuropäischen Länder vergleichbar ist. Für den Aufbau der Stiftung sucht der Stiftungsrat im Frühjahr 1998 mit Hilfe eines renommierten Vermittlungsunternehmens nach einem geeigneten Geschäftsführer. Nach einem strikten Auswahlprozess fällt die Wahl auf einen promovierten Geisteswissenschaftler, der in seiner beruflichen Laufbahn zuvor u. a. beim Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierat tätig gewesen ist und eine operative Stiftung mit 200 Mitarbeitern geleitet hat. Er rekrutiert als stv. Geschäftsführerin eine promovierte Chemikerin mit Arbeitserfahrung in der Wissenschaft und Industrie. Beide kennen sich aus ihrer gemeinsamen Tätigkeit für eine hochschulnahe Stiftung der Universität Basel. Der Geschäftsführer will zu Anfang bei der Auswahl der Projekte langsam vorgehen, um eine übergeordnete Strategie zu entwickeln: „Zuerst war ich noch der Reflektion verhaftet, im Sinne: Wir müssen wissen, was wir tun.“ Der Stiftungsrat möchte aber, dass die Stiftung rasch mit der Vergabe von Fördermitteln beginnt: “Wir haben es dann parallel gemacht. Wir haben uns als Kollektiv schlau gemacht, gesehen was funktioniert und was nicht“ (GF). Die Fördertätigkeit geht mit dem Aufbau von Schwerpunkten und strategischen Überlegungen überein. Zur Beurteilung von Projekten schreiben die Stiftungsräte in ihrem Kompetenzgebiet kurze Gutachten und geben Förderempfehlungen ab. Die wichtigsten Kriterien sind Originalität, Wirksamkeit, Transferpotenzial und Interdisziplinarität. Die GRS fördert breit: „Am Anfang haben wir alles Mögliche und Unmögliche finanziert, einfach weil es gut getönt hat“ (GF). Forschungsvorhaben aus fast allen wissenschaftlichen Disziplinen werden unterstützt, wobei Anträge aus dem Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften in der Minderzahl sind. Zur Identifizierung von Nischen in der Hochschulförderung nimmt die GRS Kontakt mit den staatlichen Förderorganisationen auf, der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) und dem Schweizer Nationalfonds (SNF). Zudem spricht sie mit Hochschuldirektoren, Professoren, Wirtschaftsvertretern und Mitarbeitern aus Politik und Verwaltung. Zeitweise steht die Idee im Raum, zehn Assistenzprofessuren im Namen der Stiftung aufzubauen oder einen Forschungsschwerpunkt des SNF zu übernehmen. Der Stiftungsrat entscheidet jedoch, die Freiheit einer Förderstiftung aktiv nutzen zu wollen. Das Modell der stark bürokratisierten staatlichen Wissenschaftsförderung dient schlussendlich als negatives Vorbild, vom dem sich die GRS absetzen möchte. Die ersten Schwerpunkte der GRS kristallisieren sich aus der Förderpraxis und dem Engagement der Geschäftsleitung heraus. Die Idee für den Aufbau des

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Fallstudien

ersten eigenen Programms erhält der Geschäftsführer aus einem Gespräch mit dem Wissenschaftsattaché der Schweiz in Washington. Dieser schwärmt von der Risikobereitschaft junger Wissenschaftler in den USA, die mit ihren Ideen schnell versuchen, ein Unternehmen zu gründen. Der Schweiz hingegen fehlt es an einer entsprechenden Risikokultur und an der nötigen unterstützenden Infrastruktur. Als Antwort darauf baut die GRS ein Trainingsprogramm für junge Wissenschaftler auf, mit dem Namen „New Entrepreneurs in Technology and Science (NETS)“. Die Schweizer Hochschulen werden eingebunden. Sie nominieren die Teilnehmenden für das Programm, welches u. a. in Kooperation mit dem Babson College in Boston und swissnex, den Wissenschaftsverbindungsbüros der Schweiz durchgeführt wird. Zeitgleich mit dem Aufbau von NETS werden Überlegungen angestellt, wie die GRS sich sinnvoll in Osteuropa engagieren kann. Sie berät sich u. a. mit dem Eidgenössischen Department für auswärtige Angelegenheiten und mit Osteuropaforschern in der Schweiz. Nach der Prüfung verschiedener Alternativen entschließt sich die GRS mit dem „Swiss Baltic Net“ ein Programm zur Nachwuchsförderung im schweizerisch-baltischen Austausch zu lancieren: „Diese Übung war für die Entwicklung der Stiftung sicher wichtig. In Osteuropa hat es noch an allem gefehlt. Dann muss man sich entscheiden, wo und wie man in über 10 Ländern und mit einem Budget von CHF 1-1,5 Mio. etwas bewirken will. Wir waren praktisch zu einer ersten Fokussierung gezwungen. Das hat uns bei späteren Prozessen geholfen“ (stv. PR). Ein weiterer erster Schwerpunkt der GRS, die Förderung des Stiftungssektors in der Schweiz, entwickelt sich hingegen aus dem Bedürfnis des Geschäftsführers, den Sektor und spezifische Managementmodelle besser zu verstehen: „Als ich angefangen habe, wollte ich mich umschauen und mit anderen Geschäftsführern austauschen. Dann wurde schnell klar, dass der ganze Sektor unorganisiert gewesen ist. Es gab keine Zahlen, Hilfestellungen oder ausformulierte Modelle, denen man folgen konnte. Daraufhin habe ich mich mit anderen großen Stiftungen zusammengesetzt und wir haben überlegt, was wir dagegen machen können“ (GF). Als Folge des Engagements wird die GRS Mitinitiatorin und Gründungsmitglied von SwissFoundations und ist seit Beginn im Vorstand des Dachverbands vertreten. Die Professionalisierung und Stärkung des Stiftungssektors in der Schweiz ist bis heute eines der Kernthemen der GRS. Die Strategie der GRS nimmt langsam Gestalt an. Neben der Förderung einzelner Forschungsvorhaben bilden sich Schwerpunkte in der Form von Clustern wie in Abbildung 4 dargestellt. Das Rückgrat der GRS bildet das Thema „Wissenschaft und Unternehmertum“. Darum herum sind größere Schwerpunktfelder positioniert, in denen die GRS Impulse setzen will. Sie setzt sich für die Entwicklung

Gebert Rüf Stiftung

119

des Stiftungssektors ein, fördert innovative Projekte an den noch jungen Fachhochschulen, unterstützt die Auseinandersetzung mit neuen Medien in der Lehre (eTeaching) und geht der Frage nach, inwiefern es zu Abwanderungen Schweizer Forscher in das Ausland kommt (reBrain). Unter dem Cluster „Wissenschaft & Öffentlichkeit“ fördert die GRS den aktiven Dialog zwischen Hochschulen und Bevölkerung.

eTeaching

Stiftungssektor

Wissenschaft & Öffentlichkeit

Innovation an Fachhochschulen

Wissenschaft & Unternehmertum

reBrain Swiss Baltic Net

Abb. 4: Fördercluster der GRS nach dreijähriger Tätigkeit (Quelle: GRS 2003)58 Ausgangpunkt der jeweiligen Förderthemen ist die aktive Auseinandersetzung mit Herausforderungen in der Hochschulentwicklung und dem potentiellen Beitrag anwendungsorientierter Forschung für den Wirtschafts- und Lebensraum Schweiz. Der Stiftungszweck ist Basis für die Reflektion. Die Ausgestaltung der Schwerpunkte wird vor allem durch die Geschäftsführung vorangetrieben: „Es braucht immer so etwas wie eine Initialzündung, ein Problem, das einleuchtet. Und dann geht es an die Recherche“ (GF). Die Geschäftsführer bauen die Ideen zu ersten Konzepten aus und besprechen sie im Präsidialausschuss des Stiftungsrats. Im Anschluss werden verschiedene Optionen unter Einbezug von externen Experten ausgearbeitet und dem Stiftungsrat zur kritischen Überprüfung vorgelegt. Die Stiftungsräte geben weitere Hinweise und erteilen den Auftrag zur Weiterentwicklung eines Förderschwerpunkts. Der Großteil der Arbeit findet in der Geschäftsstelle statt. Obwohl mit dem Fördercluster eine erste Strukturierung der Stiftungsarbeit ersichtlich wird, bleibt die GRS in ihrer Tätigkeit noch sehr breit aufgestellt. Mit 58

Die Grösse der weisen Ovale repräsentiert ungefähr das Verhältnis des investierten Kapitals.

120

Fallstudien

den unterschiedlichsten Einzelförderungen in allen wissenschaftlichen Disziplinen kann die GRS kaum ihre eigene Wirkung nachvollziehen und nach außen kommunizieren. Insbesondere in der bio-medizinischen Forschung ist ihr Beitrag gegenüber privaten und staatlichen Fördermitteln marginal. Einzelne Mitglieder des Stiftungsrats stehen einer weiteren Fokussierung jedoch skeptisch gegenüber. Sie wollen die Freiheit der Stiftung bewahren und sich nicht auf ausgewählte Themen beschränken. Schließlich nimmt die GRS ihr fünfjähriges Bestehen als Anlass, ihre eigene Fördertätigkeit und Wirkung zu hinterfragen. Ziel ist, zu überprüfen ob sich der eingeschlagene Weg bewährt hat und wo Anpassungen vorzunehmen sind. Der Geschäftsführer markiert in seiner Präsentation die Absätze der Stiftungsurkunde, die nach seiner Meinung nicht vollständig erfüllt werden: x „Sie [die GRS] strebt eine Ergänzung der hergebrachten Ausbildungs-, Lehr- und Forschungstätigkeit an und fördert insbesondere neue und unkonventionelle Projekte, welche der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft Impulse vermitteln. x Die Stiftungsmittel sollen nicht verzettelt, sondern zum großen Teil gemäß einer langfristigen, durch den Stiftungsrat festgelegten Strategie eingesetzt werden, mit der klare und zusammenhängende Schwerpunkte gesetzt werden“ (GRS 2003, S. 1. Vorhebungen wie im Original). Durch die Rückbesinnung auf die Statuten und den originellen Stifterwillen hat die Geschäftsleitung ein gutes Argumentarium, die von ihr gewollte Fokussierung der Stiftungsarbeit voranzutreiben. Die Schwerpunkte werden zu passiven und aktiven Handlungsfeldern umbenannt. Mit der Änderung der Semantik will die GRS ausdrücken, dass sie sich für die Entwicklung in den Feldern einsetzt und nicht nur einzelne Projekte unterstützt: „Schwerpunkte hört sich auch so unbeweglich und festgesetzt an“ (stv. GF). Durch die zeitliche Begrenzung aller Projekte und Handlungsfelder erhält die Stiftung ihre Flexibilität. In den Pilotförderungen werden vor allem unkonventionelle Projekte unterstützt und Ideen für neue Handlungsfelder getestet. Es wird entschieden, konsequenter bei der Beurteilung von Anträgen auf das Kriterium der Neuartigkeit zu achten. In der aktiven Förderung tritt die GRS primär als Projektinitiantin auf. Sie stößt eigene Förderprogramme an, die von Steuerungsgruppen und Beiräten begleitet werden. Kleinere, eigene Projekte unterstützen die Verankerung der initiierten Projekte in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld. In der passiven Förderung geht die GRS weniger strukturiert vor. Dort fördert sie mit den Pilotprojekten neuartige Vorhaben, die sich nicht unmittelbar einem Handlungsfeld zuordnen lassen. Abbildung 5 fasst die übergeordnete Strategie der GRS zusammen.

Gebert Rüf Stiftung

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Initiierte Projekte • Gemäss den festgelegten Handlungsfeldern • Vergabetätigkeit oder Ausschreibungen Passive Förderung • Pilotförderung • Ohne Zugehörigkeiten zu festgelegtem Handlungsfeld • Gemäss vier Kernkriterien • Ca. 30% des Volumens

Aktive Förderung • Gemäss SR festgelegter Strategie • Zusammenhängende Handlungsfelder • Alle Aktivitäten der GRS sind befristet, auch Handlungsfelder • Ca. 70% des Volumens

Eigene Projekte • Eher kleinere Projekte • Ziel Handlungsfelder zu unterstützen

Abb. 5: Förderstrategie der GRS 2004 (Quelle: GRS 2004, S. 2)59 Für jedes Handlungsfeld arbeitet die GRS unter Einbezug von Experten und weiteren Anspruchsgruppen eine zu Grunde liegende Problemwahrnehmung heraus (z. B. ungenügend ausgeprägter Unternehmergeist an Schweizer Hochschulen). Je nach Entwicklungsstadium des Felds antwortet die GRS auf das Problem mit einem Mix aus verschiedenen Instrumenten. Ausschreibungen werden als effektives Mittel angesehen, die Kontrolle über gewünschte Inhalte und die Ausgestaltung der Projekte zu gewährleisten sowie eigene Impulse setzen zu können. Kleinere Förderungen, wie z. B. für Studien, Netzwerkveranstaltungen oder programmatische Publikationen, werden neben der Projektförderung zur unterstützenden Entwicklung der Handlungsfelder eingesetzt. Zusätzlich werden Beiräte und/oder Steuerungsgruppen für jedes Handlungsfeld aufgebaut, in denen jeweils ein bis zwei Stiftungsräte, ein Mitglied der Geschäftsführung und drei externe Experten vertreten sind: „Dafür suchen wir Leute, die möglichst ´opinionated´ sind, die auch widersprüchliche Meinungen vertreten. Wir von der GRS sind in den Gremien in der Minderzahl, aber nehmen die Rolle der Moderatoren ein“ (GF). Das Renommee der Stiftung sowie die Verbindungen der Stiftungsräte und Geschäftsleitung tragen dazu bei, dass wichtige Entscheidungsträger sich bereit erklären, in den Gremien mitzuarbeiten. Den passiven Handlungsfeldern sind keine Beiräte zugeordnet. Abbildung 6 zeigt die ersten Handlungsfelder der GRS mit der jeweiligen Problembeschreibung und Kernelementen der darauf antwortenden Strategieelemente.

59

Quelle: Protokoll Strategieworkshop 2004, S. 2.

122

Aktive Handlungsfelder Handlungsfeld «New Entrepreneurs in Technology and Science (NETS)» Problem: Wenig ausgeprägter Unternehmergeist an Universitäten; Fehlende unterstützende Infrastruktur Kernstrategie: Aufbau internationales Programm für Jungunternehmer aus Hochschulen: Training, Beratung, Praxisaustausch; Kooperation mit Hochschulen und staatlichen Stellen Laufzeit: 1999–2005 Handlungsfeld «reBrain» Problem: Wahrnehmung, dass Schweiz unter steuerfinanzierter Abwanderung von hochqualifizierten Nachwuchskräften leidet Kernstrategie: Studie, Pilotprojekt Rückkehrstipendien, Expertengespräche, Medienarbeit, Policy-Vorschläge Laufzeit: 1999–2006 Handlungsfeld «Innovation an Fachhochschulen» Problem: Fachhochschulen vor Herausforderung, neuen Leistungsauftrag in Lehre, Forschung und Praxistransfer wahrzunehmen. Kernstrategie: Förderung exemplarischer Projekte aus Lehre, Forschung und Dienstleistung; Gezielte Mittelbauförderung; Studie über Entwicklung Fachhochschulen Laufzeit: 1998–2008

Fallstudien

Handlungsfeld «eTeach» Problem: Wenige nachhaltige Konzepte zur Integration neuer Technologien in Lehre; Kein Austausch über Herausforderungen Kernstrategie: Ausschreibung für neues Universitätsinstitut. Aufbau Swiss Centre for Innovations in Learning «scil» an der Universität St. Gallen Laufzeit: 2001-2012 Passive Handlungsfelder Handlungsfeld «Bildung Schweiz» Problem: Hohe Bildungsqualität bedarf einer konstanten Reflektion Kernstrategie: Förderung von hochschulgestützten Studien über Herausforderungen in der Bildung («Über Bildung nachdenken») Laufzeit: 1998–2012 Handlungsfeld «Wissenschaft & Öffentlichkeit» Problem: Entfremdung breiter Öffentlichkeit von Wissenschaft; Legitimationsdruck für hohe Steuerausgaben steigt Kernstrategie: Förderung Studien über wirksamen Wissenstransfer, Projekte die Nutzen der Wissenschaft zur Lösung von Problemen aufzeigen; Verankerung Öffentlichkeitsarbeit als Fördervoraussetzung Laufzeit: 1999–2012

Handlungsfeld «Swiss Baltic Net» Problem: Wenig ausgeprägte akademische Nachwuchsförderung in baltischen Transformationsländern Kernstrategie: Aufbau Wissenschaftskontakte; Stipendien für Tagungs-, Forschungs- und Studienaufenthalte in der Schweiz; Preis für besonderes Engagement schweiz-baltische Beziehungen Laufzeit: 1999–2011

Abb. 6: Aktive und passive Handlungsfelder der GRS (Quelle: Eigene Darstellung) Auf Grund der Konzentration auf spezifische Themengebiete wird das Profil der GRS deutlicher. Die Wirkung der GRS wird sichtbarer. Durch die positiven Entwicklungen werden die Skeptiker im Stiftungsrat von der Sinnhaftigkeit einer Fokussierung überzeugt. Die Entwicklungen in den Handlungsfeldern werden jeweils in den Stiftungsratssitzungen und jährlichen Strategieworkshops besprochen. Schließlich bildet sich schrittweise die Kernstrategie der GRS heraus: x Basierend auf eigenen Ideen oder einem externen Stimulus startet die GRS einen intensiven Rechercheprozess, wo und wie sie in einem definierten Problem durch programmartige Förderung und unterstützende Aktivitäten eine Hebelwirkung erzielen kann (Startphase). x Anschließend baut sie unter Einbezug der wichtigsten Anspruchsgruppen ein entsprechendes Handlungsfeld auf (Aufbauphase). In den Handlungsfeldern werden pro Jahr fünf bis sieben Projekte ausgewählt, die sich auf

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x

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Grund der Ausschreibung um eine Förderung beworben haben. Sie werden mit bis zu CHF 500.000 über eine Laufzeit von zwei bis drei Jahren unterstützt. Parallel zur Einzelförderung investiert die GRS mit kleineren eigenen Projekten und der Vernetzung der maßgeblichen Akteure in die weitere Feldentwicklung. Nach einer Laufzeit von zwei bis drei Jahren evaluiert die GRS, die durch ihre Förderung ausgelöste (bzw. begünstigte) gesellschaftlichen Entwicklungen in dem Feld. Sie organisiert Netzwerktreffen und formuliert daraus Lernerfahrungen für die eigene Strategie und allgemeine Handlungsempfehlungen zur Stärkung des Felds (Konsolidierungsphase). Nachdem genügend weitere Akteure das Thema des Handlungsfelds aufgegriffen haben und weiterführen, zieht sich die GRS aus dem Feld zurück (Outphasing) und sucht nach einer neuen Fördernische mit Innovationspotenzial (neue Startphase).

Neben den programmartig aufgebauten Handlungsfeldern engagiert sich die GRS in weiteren Themenbereichen durch gezielte Einzelförderungen und dem persönlichen Engagement der Geschäftsführung. Beide Geschäftsführer begleiten große Förderprojekte in Steuerungsgremien, die im strategischen Interesse der GRS liegen. Seit dem Prozess der Identitätsklärung in 2003/2004 bleibt das Strategiemodell relativ stabil. In 2006 wird in einem Leitbild formuliert. Dort positioniert sich die GRS noch einmal ausdrücklich als Innovationsförderin. Sie fokussiert sich auf junge Wissenschaftler und unterstützt sie in der Verwirklichung von Projektideen. Die Kommunikation der Wissenschaft mit der Öffentlichkeit ist ein ausdrückliches Kernanliegen der GRS (GRS 2006). In den Strategiesitzungen der folgenden Jahre werden leichte Verbesserungen und Anpassungen besprochen. Beispiele sind die systematische Auswertung der Pilotförderung, Bemühungen mehr Geistes- und Sozialwissenschaften zu fördern, Schlussberichte besser zu nutzen oder die Vermittlung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu stärken. Das Grundmodell des zyklischen Aufbaus und Outphasing von Handlungsfeldern bleibt bestehen. Alle zwei Jahre lädt der Stiftungsrat externe Experten zu einer Sitzung ein, um über wissenschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen und deren Implikationen für die Stiftungsarbeit zu diskutieren. Die Organisation solcher Aussprachen ist im Stiftungsreglement als Vorgabe festgehalten. Themen beinhalten u. a. gesellschaftliche Megatrends oder Dimension und Typen von Entrepreneurship. Um ihre eigene Innovationsorientierung aufrecht zu erhalten, hinterfragt die GRS periodisch ihre Risikofreude und -bereitschaft sowie die Gefahr der eigenen Selbstgefälligkeit und Zufriedenheit.

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Fallstudien

Im Jahr 2011 wandelt die GRS sich zu einer Verbrauchsstiftung um. Möglich ist dies, da der verstorbene Gründer festgelegt hatte, dass die Zweckerreichung Vorrang gegenüber dem Erhalt des Kapitals hat. Der Stiftungsrat entscheidet, die Fördersumme bei ca. CHF 15 Mio. pro Jahr konstant zu halten, unabhängig von den Renditen des Stiftungsvermögens. Ausschlaggebend dafür ist neben den negativen Entwicklungen auf den Kapitalmärkten die Überzeugung, dass Verbrauchsstiftungen das höhere Potenzial haben, unternehmerisch tätig zu sein. Die Befristung der Lebenszeit der Stiftung führt nach Meinung der Geschäftsführung zu einer stärkeren Fokussierung auf Veränderung, Wirkung und Zielerreichung. Der Geschäftsführer setzt sich öffentlich für eine zeitliche Befristung von Stiftungen ein, da er das Modell der auf ewig lebenden Förderstiftung als ein Relikt des Mittelalters ansieht: „Lieber 30 Jahre Feuerwerk als 500 Jahre Kerzenlicht“ (GF). In den folgenden Jahren kommt es zum gestaffelten Auslaufen und Aufbau von neuen Handlungsfeldern. Sie sind drei Zielbereichen untergeordnet, die übergeordneten Fragestellungen folgen. Abbildung 7 zeigt das Förderportfolio der GRS im Januar 2016. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die GRS unter dem Mission Statement „Wissenschaft bewegen“ ein auf Innovation ausgerichtetes Fördercluster bewirtschaftet. Sie sucht jeweils Förderlücken in der Grauzone zwischen staatlicher und privatwirtschaftlicher Zuständigkeit. Die Tätigkeitsfelder sind auf klare Problemstellungen ausgerichtet, welche die GRS in Konsultation mit externen Experten und Anspruchsgruppen formuliert. Das übergreifende Thema der Stiftung ist die Verbindung zwischen Wissenschaft und Unternehmertum (Entrepreneurship). Die GRS sieht sich als unternehmerisch handelnde Stiftung, die aktive Impulse setzt und gesellschaftlichen sowie wirtschaftlichen Nutzen generieren will. Einzelne Projekte müssen in einem Wirkungszusammenhang mit den Zielen der Stiftung in den Handlungsfeldern stehen, um für eine Förderung in Frage zu kommen. Die Fokussierung auf eingegrenzte Entwicklungsfelder bildet das Profil der Stiftung. Mit deren zeitlicher Begrenzung erhält sich die GRS ihre Flexibilität, jeweils neue Investitionsfelder zu identifizieren.

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Zielbereich «Wissenschaft & Entrepreneurship» (seit 2007) Wie kann Wissenschaft unternehmerisch in der Praxis wirksam werden?

Zielbereich «Wissenschaft & Öffentlichkeit» (seit 2009/2013) Wie kann die Resonanz von Wissenschaft mehr gesellschaftliche Breite erreichen?

Handlungsfeld «Venture Kick» (Nachfolge NETS) Problem: Geringe Anzahl an Start-ups aus Universitäten; Fehlende Unterstützungsleistungen und Infrastruktur Kernstrategie: Umfangreiches Kooperationsprojekt: PreseedFonds für Start-up-Projekte aus Hochschulen; Entwicklung unternehmerischer Fähigkeiten Laufzeit: seit 2007

Handlungsfeld Academic Swiss Caucasus Net (ASCN) (Nachfolge Swiss Baltic Net) Problem: Sozialwissenschaften zur kritischen Begleitung politischer und gesellschaftliche Transformation erst in Entwicklung Kernstrategie: Förderung lokaler Wissenscluster (Capacity Building); Forschungsprojekte zu transformationsrelevanten Themen; regionale und internationale Vernetzung Laufzeit: Seit 2009

Handlungsfeld «BREF – Brückenschläge mit Erfolg» (Nachfolge Innovation an Fachhochschulen) Problem: Kernkompetenz Wissenstransfer und Kooperation mit Praxispartnern zu wenig ausgeprägt Kernstrategie: Ausschreibungen Thema «Soziale Innovation»; Förderung anwendungsorientierter Wissenschaftsprojekte mit Praxispartnern aus Wirtschaft und Gesellschaft; Kompetenzsteigerung Forschungsgruppen Laufzeit: Seit 2009 Handlungsfeld «Rare Diseases – New Approaches» Problem: Kein ökonomischer Anreiz Erforschung seltener Krankheiten; Wenig Beachtung in Politik; Ungenügende Vernetzung wichtigster Akteure Kernstrategie: Förderung Forschungsvorhaben; Organisation Kongress; Beratung neuer Kompetenzzentren; Vernetzung Laufzeit: 2009 - 2014 Handlungsfeld «Wissenschaft & Design» Problem: Die Durchsetzung technischer Innovationen scheitert oft an nutzerrelevanten Designmerkmalen Kernstrategie: Förderung von F&E sowie Ausbildungsprojekten, bei denen design thinking integraler Bestandteil ist Laufzeit: Seit 2013 Handlungsfeld «Pilotförderung» Thematisch freies Fördergefäss für innovative Hochschulprojekte Laufzeit: Seit Stiftungsgründung

Handlungsfeld «Scientainment» Problem: Klassische Wissensvermittlung von Hochschulen ist emo-tionslos und spricht primär Fachkreise an Kernstrategie: Förderung innovativer Modellprojekte niederschwelliger Wissenschaftskommunikation Laufzeit: Seit 2013 Zielbereich Stiftung & Schweiz (seit 2000) Wie kann sich der Stiftungsstandort Schweiz in der Kombination von liberalen gesetzlichen Rahmenbedingungen und Leistungsorientierung robust entwickeln? Handlungsfeld «Stiftungsführung und Politik» Problem: Eine aktive Auseinandersetzung mit Fragen zur Selbstregulierung, Positionierung und Entwicklung strategischer Konzepte ist nötig, um Legitimation von Stiftungshandeln zu stärken Kernstrategie: Förderung von Projekten zur Stärkung der Stiftungslandschaft; Aufbau & Engagement SwissFoundations Laufzeit: seit 2013 (2000) Handlungsfeld «Stiftungswissen & Kompetenz» Problem: Stiftungswesen ist wenig erforscht; Fehlende Ausbildungsmöglichkeiten im Stiftungswesen Kernstrategie: Aufbau Universitätsinstitut Center for Philanthropy Studies Universität Basel; Ausbau Zentrum für Stiftungsrecht Universität Zürich Laufzeit: seit 2013 (2000)

Abb. 7: Zielbereiche und Handlungsfelder der GRS 2016 (Quelle: Eigene Darstellung. Jahreszahl in Klammer beziehen sich auf den Start von Vorläuferprogrammen, bevor die Zielbereiche formuliert wurden) 6.1.2.2

Suche und Auswahl von Partnern (Lösungsentwicklung)

Im Prozess des Aufbaus von Handlungsfeldern bespricht sich die GRS mit den jeweiligen Anspruchsgruppen in einem Themenbereich. Im Bereich der Fachhochschulen sind dies z. B. Studenten, Vertreter des Mittelbaus, Professoren, Hochschulleiter und Vertreter der Wissenschaftspolitik. Ziel ist jeweils, von Beginn an ein breites Netzwerk aufzubauen, welches auch in die Begleitung der Handlungsfelder einbezogen wird. In Beiräten und Steuerungsgruppen sind die externen Experten in der Mehrzahl gegenüber den Vertretern der GRS. Zusätzlich ist die GRS

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Fallstudien

darin bestrebt, sich auch horizontal mit anderen privaten und staatlichen Förderorganisationen zu vernetzen. Sie baut Projektpartnerschaften mit weiteren Förderstiftungen auf und setzt sich gemeinsam mit ihren Partnern für die angestrebte Weiterentwicklung in den Handlungsfeldern ein. Bei der Suche nach konkreten Förderpartnern nutzt die GRS primär das Mittel der Ausschreibung. In jedem Handlungsfeld wird aktiv kommuniziert, wie potentielle Förderprojekte ausgestaltet sein müssen. Die Ausschreibungen werden in zielgruppenspezifische Kommunikationskanäle intensiv beworben. Die GRS schaltet Anzeigen in Fachzeitschriften, versendet Broschüren und Plakate an die Hochschulen, Universitäten, organisiert Informationsveranstaltungen und publiziert konkrete Ausschreibungstexte auf ihrer Webseite. Potentielle Förderpartner werden dazu aufgerufen, vor der Eingabe eines ersten Antrags, Kontakt mit der Geschäftsstelle aufzunehmen. Die Geschäftsführer schätzen die Erfolgswahrscheinlichkeit ab und geben ggf. Ratschläge zur Projektausgestaltung. Der offizielle Förderprozess besteht aus einem zweistufigen Verfahren aus „Antrag“ und „Gesuch“. Im Förderantrag müssen die potentiellen Partner ihr Vorhaben in kurzen Worten beschreiben, Projektziele und erwartete Ergebnisse ausführen und darlegen, wie dies mit den Zielen der GRS in Zusammenhang steht. Zudem möchte die GRS wissen, inwiefern das Projekt unternehmerischen Grundsätzen folgt, welcher gesellschaftliche Nutzen angestrebt wird und wie das Projekt in Relation zu dem „State of the Art“ in dem jeweiligen Forschungsgebiet einzuschätzen ist. Neben einem einfachen Budget und Angaben zu den beteiligten Personen muss mindestens je eine Referenz aus der gleichen Hochschule, einer weiteren Schweizer Hochschule und einer ausländischen Universität angegeben werden. Eine erste Triage der Anträge wird von den Geschäftsführern vorgenommen. Zum Teil werden Rücksprachen mit den Projektleitern gehalten. Die Geschäftsführer haben die Kompetenz, Projekte direkt abzusagen. Der Stiftungsrat erhält die Liste der Direktabsagen vierteljährlich zur Kenntnis, dabei kommt es zu einzelnen „Rückkommensanträgen“. Zur Vorbeurteilung werden die von der Geschäftsführung entgegengenommenen Anträge den Stiftungsräten nach Sachkompetenz zugeordnet. Sie nehmen Stellung zu den vorgeschlagenen Projekten und bewerten sie nach einheitlichen Kriterien (GRS 2015): x Projektwirkung: Nutzen für Wirtschaft- und Lebensraum der Schweiz x Innovation: Vorhandensein einer ausgewiesenen Problem-/Lösungsorientierung; unkonventionelles, originelles Projekt x Umsetzung & Anwendung: Wahrscheinlichkeit erfolgreicher Umsetzung in Bezug auf Projektmanagement und Aufbau

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Spezifische Wirkung durch GRS-Förderung: Handelt es sich um eine Anschub-/ Initialfinanzierung, erfüllt eine Förderung die angestrebte Lückenfunktion, oder wäre eine anderer Förderer (Staat, Privatwirtschaft) in der Verantwortung.

Die Stellungnahme ist Grundlage für die Entscheidung im Stiftungsrat, ob die Antragssteller zu Einreichung eines offiziellen Gesuchs eingeladen werden. Bei besonders guten Projekten können die Stiftungsräte eine Empfehlung zur direkten Förderung aussprechen. Die Einladung zum Gesuch kann an Auflagen geknüpft sein, wie z. B. die Teilnahme eines Vertreters aus einem weiteren Fachgebiet (Interdisziplinarität) oder die Beifügung eines Fachgutachten, welches die Qualität des Projekts unterstützt und es in den jeweiligen Kontext einordnet. Isolierte Problembetrachtungen haben wenige Förderchancen. Eine gutes Projekt- und Qualitätsmanagement muss gewährleistet sein. Das Gesuchsformular ist eine Neuauflage und Erweiterung des Projektantrags. Die Gesuchsteller sollen auf die Fragen und Anregungen der GRS eingehen und zeigen, wie sie diese im Projektaufbau berücksichtigen: „Es kommt vor, dass wir Einfluss auf das Projekt nehmen, aber man kann ein Projekt nicht auf den Kopf stellen. Es muss von sich aus einen Beitrag zur Problemlösung haben. Wenn nicht, können wir auch nichts machen. Wir haben das auch mal versucht. Es funktioniert nicht. Bei sehr guten Projekten machen wir sie fit, damit Inhalt und Form zusammenpassen und sie nicht vom Stiftungsrat abgeschmettert werden. Da ist vielleicht eine Grenze bei einem Stiftungsrat, der aus Eliten zusammengesetzt ist. Da muss alles stimmen“ (GF). Für die Projektbegutachtung in den Programmen BREF und ASCN hat die GRS eigene Beiräte aufgebaut, die mit Vertretern der wichtigsten Anspruchsgruppen besetzt sind. Im Fall von BREF sind dies u. a. eine Prorektorin und ein Rektor von Fachhochschulen sowie ein Vorstandsmitglied der Schweizer Rektorenkonferenz der schweizerischen Hochschulen (swissuniversities). Professoren in den FHs werden dazu aufgerufen, junge Wissenschaftler zur Bewerbung zu animieren. Der Beirat hat außer der Projektbeurteilung die Aufgabe, die strategischen Überlegungen des Förderprogramms zu begleiten und die erzielten Erkenntnisse in die Hochschulpolitik einfließen zu lassen. Der Stiftungsrat bestätigt jeweils die Förderentscheidungen der Beiräte. Für die Vertragsverhandlung werden die Förderpartner in die Geschäftsstelle der GRS eingeladen. In dem Fördervertrag werden Etappenziele bzw. Meilensteine festgelegt. Diese werden von der GRS relativ flexibel gehandhabt. Sie besteht jedoch darauf, dass die Förderpartner in Zwischenberichten über den Projektverlauf, Fortschritte und Herausforderungen informieren. Die Auszahlung der Tranchen ist abhängig von der Einsendung der Zwischenberichte. Insgesamt werden 10%

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Fallstudien

(aber nicht mehr als CHF 20.000) für den Endbericht (Debriefing) zurückgehalten. Im Vertrag werden Ideen über eine Implementierungsstrategie bzw. Diffusion der Projektergebnisse in Stichpunkten festgehalten. Die GRS besteht darauf, dass ein Mitglied der Förderpartner ein zweitägiges Medientraining der Schweizer Journalistenschule absolviert. Die Kosten dafür werden von der GRS getragen. Die Förderpartner verpflichten sich im Gegenzug dazu, gezielte Medienarbeit zu leisten. In geeigneten Print- und Massenmedien soll dabei der jeweils konkrete Beitrag zur Lösung eines real existierenden Problems dargestellt werden. Bei den Förderpartnern wird der Prozess als klar und strukturiert wahrgenommen. Die GRS hat in der Hochschullandschaft ein Renommee aufgebaut: „Wenn ich ehrlich bin, gibt es in der Schweiz genug Geld. An Forschungsgelder zu kommen ist eigentlich kein Problem. Eine Förderung durch die GRS wird aber immer noch als kleine Auszeichnung für die Originalität der eigenen Forschung wahrgenommen“ (PA). Über die Absage hinaus führt die GRS keine Korrespondenz mit Projektleitern, deren Antrag oder Gesuch abgelehnt wird. Der zweitstufige Auswahlprozess hat sich für die GRS bewährt. Durch die klare Kommunikation der Förderrichtlinien kann die GRS anhand von definierten Kriterien die Gesuche beurteilen. Die Neuartigkeit der Projekte ist das wichtigste Entscheidungskriterium. Eine Unsicherheit ob die richtigen Entscheidungen getroffen werden bleibt: „Die größte Herausforderung für die Stiftungsräte ist immer die Frage der Beurteilung der Projekte. Finden wir wirklich die Besten? Haben wir wirklich die Instrumente, die richtigen Leute anzulocken? Es kann immer auch sein, dass die formalen Anforderungen gerade die Kreativsten abschrecken. Eine Sicherheit gibt es nicht“ (VPR). 6.1.2.3

Zusammenarbeit mit Partnern (Implementierung & Anpassungen)

Die GRS beschränkt die Begleitung in der Projektförderung auf ausgewählte Partner. Dies sind vor allem wissenschaftliche Institute, Verbände oder Programme, die von ihr initiiert werden oder bei deren Aufbau sie eine Schlüsselrolle einnimmt. Die Geschäftsführer der GRS treten dort in den Vorstand oder einem strategischen Beirat ein. Das Ziel ist, die Partner aktiv bei der Implementierung und Entwicklung ihrer Programme zu unterstützen. Zusätzlich sind die Geschäftsführenden in Vorständen und Ausschüssen von Verbänden oder Organisationen vertreten, die in Verbindungen mit den Handlungsfeldern stehen. Beispiele umfassen SwissFoundations, das Staatssekretariat für Bildung und Forschung oder die Stiftung Startupticker. Die Teilnahme in den Gremien hat außer der Vernetzung das Ziel, Einfluss auf übergeordnete Entwicklungen in den Handlungsfeldern zu nehmen: „Der große Vorteil bei uns ist: Wir brauchen keine Rücksicht zu nehmen. Wir haben keine Beißhemmungen. Wir können Probleme offen ansprechen. Wir kommen mit evidenzbasierten

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Vorschlägen, die aus unserer Fördertätigkeit und unserem Engagement abgeleitet sind. Im Bereich Pre-seed Finanzierung sind wir im engen Austausch mit der KTI. Bei den Fachhochschulen sind wir beim Staatssekretariat am lobbyieren. Dort argumentieren wir, dass der Nationalfond sich nicht als Fördergefäß für Fachhochschulen eignet, da dessen Mitarbeiter an klassischen Hochschulen sozialisiert worden sind und somit wenig Kompetenz in der anwendungsorientierten, mit der Praxis verbundenen Forschung haben“ (GF). Das Engagement wird von den befragten Partnern mehrheitlich als positiv angesehen. Der Direktor der KTI hebt die politische Signalwirkung in der Zusammenarbeit mit der GRS heraus: „Wenn sich eine Stiftung wie die GRS intensiv für die Förderung junger Unternehmer stark macht, ist dies auch ein Signalzeichen an die Parlamentarier, dass Innovationsförderung wichtig ist“ (PA). Der Generalsekretär der Konferenz der Rektoren der Fachhochschulen der Schweiz (KFH) betont, dass durch das Förderprogramm der GRS Defizite in der Erbringung der Leistungsaufträge der FH erkannt werden konnten, die in weiteren Strategieentwicklungen aufgenommen wurden. Nicht überall wird die direkte Art des Geschäftsführers gleich geschätzt: „Aber man merkt, dass es wirklich um die Sache geht“ (PA). Neben der offiziellen Gremienarbeit unterstützt die GRS ihre Partner auf informelle Art. Sie berät sie z. B. bei der Ausgestaltung von wichtigen Anlässen oder beim Zugang zu Schlüsselpersonen, die für die weitere Projektentwicklung notwendig sind. Die Begleitung der Einzelprojekte folgt einem standardisierten Prozess. In den Vertragsverhandlungen wird der Zeitpunkt des Zwischenberichts festgelegt. Dieser soll höchstens zwei Seiten umfassen und auf die Herausforderungen in der Umsetzung und der Erreichung der Meilensteine eingehen: „Eigentlich muss man ja sagen, dass Meilensteine innovationsfeindlich sind. Das sage ich aber auch immer bei den Vertragsgesprächen. Aber letztendlich sind wir eine Stiftung, die das Geld geordnet vergeben muss. Die Zwischenberichte sind Basis für die Auszahlung der nächsten Tranche und werden vom Stiftungsrat gelesen. Aber die inhaltlichen Meilensteine sind natürlich immer verhandelbar. Das ist ja meistens das Interessante, wenn mal ein Projekt völlig anders läuft, als man gedacht hat. Daraus lernen wir am meisten“ (stv. GF). Die GRS bietet ihren Partnern an, bei Herausforderungen Kontakt mit der Geschäftsstelle aufzunehmen. „Wir nehmen die Projekte aber nicht an der Hand. Das können und wollen wir auch nicht“ (GF). Das Scheitern von Projekten sieht die GRS nicht als problematisch an, wenn es nicht auf ungenügender Projektorganisation oder Konflikten innerhalb der Projektteams basiert: „Wir investieren ja mit Absicht in risikoreiche Projekte. Da ist ein Scheitern vorprogrammiert.“ (GF). Zum Abschluss der Projektlaufzeit findet ein offizielles Debriefing statt. Ziel ist, vor allem darauf einzugehen, was nicht gut gelaufen ist und welche Lernerfahrungen stattgefunden haben.

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Neben der Projektförderung ist die GRS darin bestrebt, ihre Partner miteinander zu vernetzen. Sie organisiert in den Handlungsfeldern nach zwei- bis dreijähriger Laufzeit Netzveranstaltungen. Bei diesen Anlässen wird mit den Partnern über die Wirkung der ersten Projekte und die Organisation der Förderaktivitäten reflektiert. Im Anschluss publiziert die GRS die daraus gewonnenen Lernerfahrungen. Ziel ist jeweils, die maßgeblichen Akteure in einem Handlungsfeld zum Austausch zu bewegen und Impulse zu setzen. Die Zusammenarbeit der GRS mit ihren Partnern findet weniger mit der Absicht statt, einzelnen Projekten zum Erfolg zu verhelfen, sondern die Gesamtentwicklung im Feld voranzutreiben. 6.1.2.4

Nachhaltige Verankerung & Verbreitung

Gemäß ihrer Förderstrategie konzentriert sich die GRS auf die Anschubphase innovativer Lösungsansätze. Sie spricht keine Förderbeiträge für bestehende, bereits laufende Initiativen. Ihr Ziel ist es nicht, schon vorhandenen Projekten Kapital für die Weiterführung zur Verfügung zu stellen. Ausnahmen bestehen in den von ihr initiierten Forschungsinstituten oder Entrepreneurship Programmen. In diesem Zusammenhang gesprochene Fördermittel dienen der Konsolidierung und Weiterentwicklung der Institutionen. Zur Verstetigung der angeschobenen Universitätsinstitute fragt die GRS nach Absichtserklärungen der Hochschulen, bei einer positiven wissenschaftlichen Evaluation nach mehrjähriger Arbeit der Institute die Grundfinanzierung zu übernehmen. Bei den einzelnen Projektförderungen versucht die GRS, auf Nachhaltigkeit und Diffusion in der Antragphase und den Vertragsverhandlungen Einfluss zu nehmen: „Wir versuchen sie so zu beeinflussen, dass sie die Diffusion und die Anschlussfähigkeit ihres Projekts selbst begreifen. Wenn sie self-advocacy betreiben, wandeln sie sich vom Empfänger zum Agitator. Zugleich versuchen wir, solche Leute rauszugreifen, die einen selbstgestalterischen, unternehmerischen Gestus haben, die selbst an der Verbreitung ihre Ergebnisse interessiert sind“ (GF). Teil der Fördervereinbarungen ist die Skizzierung einer Publikationsstrategie außerhalb von wissenschaftlichen Fachmagazinen. Die Projektleiter verpflichten sich von Beginn an, die öffentliche Kommunikation als Teil der wissenschaftlichen Projektarbeit zu verstehen. Bei Projekten im Entrepreneurship-Bereich animiert die GRS ihre Partner, mit ihren Ideen eigene Unternehmen zu gründen. Das obligatorische Medientraining an der Schweizer Journalistenschule soll die Förderpartner dazu befähigen, ihre Projekte in den Medien zu platzieren. Die einzelnen Projektförderungen in den Handlungsfeldern sind Mittel und Zweck zugleich. Das übergreifende Ziel der GRS ist, dass sich ihre Förderthemen in der Gesellschaft nachhaltig verankern. In der Summe dienen die Projekte als

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Evidenzgrundlage und Stimulus, um weitere Entwicklungen in den Handlungsfeldern voranzutreiben. Die Feldentwicklung wird zusätzlich durch die Mitgliedschaften in den genannten Gremien und den Netzveranstaltungen vorangetrieben. Parallel publiziert die GRS Programmreviews, in denen Vertreter der wichtigsten Anspruchsgruppen im Handlungsfeld zu Wort kommen und in denen positive Entwicklungen und Herausforderungen aufgezeigt werden (GRS 2012, 2014b). Die begleitenden Aktivitäten neben der Projektförderung stimulieren weitere Feldentwicklungen. Der prominent besetzte Stiftungsrat eröffnet der GRS direkte Kontakte zu den Hochschulleitungen, so dass ihre Programme von höchster Stelle Unterstützung finden. Wenn die GRS sieht, dass genügend weitere Akteure ein Thema weitertragen und damit die nachhaltige Bearbeitung und Weiterentwicklung der von der GRS definierten (gesellschaftlichen) Herausforderung gegeben ist, zieht sich die Stiftung aus dem Feld zurück. Beispiele abgeschlossener Handlungsfelder sind u. a. das Programm NETS (übernommen von der KTI), das Swiss Baltic Net (Keine Förderlücke mehr: EU und Kohäsionsfonds stellen ausreichend Mittel zur Verfügung), Rare Diseases (staatliche und private Akteure haben das Thema aufgegriffen) oder das Programm reBrain (Mythos steuerfinanzierter Abwanderung ist widerlegt). Mit den frei werdenden Mitteln sucht die GRS wiederum ein Thema, bei dem sie Impulse setzten kann: „Wenn ein Thema verankert ist, müssen wir ein sehr gutes Outphasing machen. Und das heißt dann eigentlich auch, dass wir permanent unterwegs sind und schauen wo es noch Themen gibt, bei dem wir mit einem Normalbudget von CHF 1 -2 Millionen pro Jahr über einen Zeithorizont von 5-10 Jahren etwas bewegen können“ (stv.GF). 6.1.2.5

Beispiele der Förderarbeit – Das Modell in der Praxis

Seit ihrer Gründung hat die GRS über 800 Projekte mit finanziellen Mitteln unterstützt (GRS 2016). Gemeinsam ist ihnen, dass sie eine Verbindung zu Hochschulen aufweisen und auf einen direkten Nutzen für Gesellschaft und Wirtschaft ausgerichtet sind. Im Folgenden wird anhand von einzelnen Beispielen aus den Zielbereichen Wissenschaft & Entrepreneurship, Wissenschaft & Öffentlichkeit sowie Stiftung & Schweiz die Umsetzung der Strategie in der Praxis beschrieben. Der Zielbereich Wissenschaft und Entrepreneurship ist traditionell der größte Förderbereich der GRS, in dem sie 60-75 Prozent ihres jährlichen Budgets vergibt. Der Bereich folgt der Fragestellung, wie Wissenschaft in der Praxis wirksam werden kann und unternehmerische Impulse in den Hochschulen geschaffen werden können. Dem Zielbereich sind die Handlungsfelder Venture Kick, BREF, Microbials, Rare Diseases, Wissenschaft & Design sowie die Pilotförderungen untergeordnet.

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Das Handlungsfeld Venture Kick ist das Nachfolgeprogramm des beschriebenen Programms NETS. Die KTI integriert im Jahr 2006 NETS in ein eigenes Programm mit den Namen Venture lab. Die staatliche Förderagentur übernimmt damit ein von der Stiftung entwickeltes Förderprodukt in ihr eigenes Portfolio. Die GRS baut daraufhin als neues Handlungsfeld Venture Kick auf. In der Vorbereitung führt sie u. a. Interviews mit Start-ups, Investoren, Wissenschaftlern und Wagniskapitalgebern. Ziel ist herauszufinden, welche Leistungen und Anreize für junge Wissenschaftler fehlen, um ihre Erfindungen auf den Markt zu bringen. Als Resultat lanciert die GRS Venture Kick als einen „Pree-Seed Fonds“, zur Förderung von Ideen aus Hochschulen, die sich in einer sehr frühen Entwicklungsphase befinden. Das Programm führt in einem dreistufigen Prozess zur Formulierung eines Businessplans und Kontakten zu Finanzgebern. Die von einer Jury ausgewählten Projektteams werden von Coaches begleitet und mit Industrievertretern sowie potentiellen Investoren vernetzt. Insgesamt können die jungen Unternehmer CHF 130.000 Startkapital für ihre Idee erhalten, wenn sie alle Meilensteine des Programms erfüllen. Operativ wird Venture Kick vom Institut für Jungunternehmer in St. Gallen durchgeführt. Die GRS begleitet die Aktivitäten als Mitglied des Strategy Boards. Seit der Lancierung von Venture Kick haben sich über 2.000 Projekte für die Aufnahme in das Programm beworben. Davon wurden 785 Kandidaten eingeladen ihre Idee vor der Jury zu präsentieren, von denen 403 mit CHF 16,1 Millionen PreSeed Kapital gefördert wurden. 300 Unternehmen wurden schlussendlich gegründet und dadurch 3.434 Arbeitsplätze geschaffen. Die Start-ups konnten insgesamt CHF 896 Mio. an zusätzlichem Kapital mobilisieren. Im Durchschnitt hat jeder von Venture Kick investierte Franken eine weitere Investition von CHF 55 zur Folge gehabt (Venture Kick 2016a, S. 2). Initiiert von der GRS wird Venture Kick von einem Konsortium aus Stiftungen und Privatpersonen finanziert, die ihr Engagement folgendermaßen begründen: „Wissenschaftliche Innovationen in die Marktwirtschaft zu transferieren und damit nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen, ist der Schlüssel für sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand. Start-ups sind besonders in den Anfängen hohen wirtschaftlichen Risiken ausgesetzt, die weder von öffentlichen Geldern, noch von privaten Investoren abgefedert werden. Diese Lücke zu schließen und Start-ups in einer sehr frühen Phase zu unterstützen ist wichtig und eine philanthropische Aufgabe“ (Venture Kick 2016b). Mit dem Handlungsfeld „Brücken schlagen mit Erfolg“ (BREF) fokussiert die GRS ihr Engagement in der Stärkung der Fachhochschulen. Ziel der GRS ist, die relativ jungen Hochschulen in der Entwicklung ihrer Forschungskompetenz zu unterstützen und damit beizutragen, dass lösungsorientiertes Wissen aus den Fachhochschulen in die Praxis getragen wird. Aufbauend auf einer in Auftrag gegeben

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Studie (Weber 2010) und Workshops mit Vertretern der Studentenschaft, des Mittelbaus, Professoren und Mitgliedern der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen der Schweiz (KFH) lanciert die GRS 2009 das Handlungsfeld als Nachfolge ihres relativ breiten Förderclusters „Innovation an Fachhochschulen“. Die Lernerfahrungen aus den ersten Jahren des Programms publiziert die GRS auf der Webseite (GRS 2012b). Zusätzlich formuliert sie mit SwissFoundations (2011) Handlungsempfehlungen für Stiftungen zur Förderung von Fachhochschulen. Unter dem Thema „Soziale Innovationen“ nimmt die GRS jährlich eine Ausschreibung vor. Angehörige von Fachhochschulen können sich mit Projekten bewerben, die einen Lösungsansatz zu einem definierten sozialen Problem entwickeln. Die Förderanträge werden von einem Beirat begutachtet, der von Vertretern von swissuniversities60 und der GRS besetzt ist. Pro Jahr werden die fünf besten Projekteingaben ausgewählt und in einer Größenordnung von bis zu CHF 300.000 unterstützt. Beispiele konkreter Projekte sind die Entwicklung einer Software für Agrarbetriebe zur Steigerung der Produktivität unter Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten, der Aufbau eines Index zur Messung und Verbesserung der Lebenszufriedenheit in Gemeinden, ein Inkubator für Innovationen im Sozialbereich sowie die Entwicklung einer Prozessbeschreibung zur wirkungsorientierten Gestaltung von Sozialdiensten. Die GRS investiert jährlich ca. CHF 1,6 Mio. in das Handlungsfeld BREF. Das Programm wird weitläufig beworben und von den Rektoren der Fachhochschulen unterstützt. Insbesondere in Fachbereichen wie der sozialen Arbeit oder den Medienwissenschaften existieren in der Schweiz kaum Fördertöpfe für Forschungsvorhaben, die mit Praxispartnern zusammenarbeiten. Über das Programm möchte die GRS neben der Stärkung der Forschungskompetenz an den Fachhochschulen dazu beitragen, dass diese Fachhochschulen in der Praxis als kompetente Partner wahrgenommen werden. Die Zielerreichung überprüft die GRS nicht direkt. Rückmeldungen aus den Fachhochschulen zeigen jedoch, dass diese das Programm als einen Baustein erachten, die Forschungs- und Transferkompetenz der Fachhochschulen zu stärken. Das Handlungsfeld Rare Disease führt die GRS von 2008 bis 2014. Es basiert auf den Überlegungen, dass die gestreute Forschungsförderung in der Medizin wenig Hebelwirkung verspricht. Nach Konsultationen mit Experten und Fachleuten beschließt die GRS sich dem Themengebiet seltener Krankheiten zu widmen. Jährlich stellt die GRS CHF 2 Mio. für Forschungsvorhaben aus Hochschulen oder affiliierten Instituten zur Verfügung. Eine Jury aus Experten wählt aus den Eingaben die fünf vielversprechendsten Vorhaben aus, die jeweils mit bis

60 Seit 2015 ist die KFH Teil von swissuniversities (Zusammenführung aller Rektorenkonferenzen der Schweiz)

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Fallstudien

zu CHF 500.000 gefördert werden. Beispiele der Einzelförderung sind ein Forschungsvorhaben zum „Novel treatment options for Aicardi-Goutières Syndrome“ oder zur Behandlung der „Chronic Mucocutaneous Candidiasis“. Neben der der Unterstützung der einzelnen Projekte investiert die GRS seit Beginn in die weitere Verankerung des Themas in der Gesellschaft. Sie setzt sich intensiv für die Vernetzung der wichtigsten Akteure ein, organisiert mit einem Partner eine internationale Forschungskonferenz und unterstützt den Aufbau von Kompetenznetzwerken an Universitäten. Eigene Publikationen und Mitgliedschaften in Steuerungsgremien haben zum Ziel, weitere Feldentwicklungen anzustoßen. Das Engagement der GRS trägt einen Teil dazu bei, dass sich um die Thematik der seltenen Krankheiten weitere Bewegungen ergeben: „Natürlich waren wir nicht für alles das verantwortlich. Jeder kann sich von der Entwicklung ein Stück vom Kuchen abschneiden. Wir nehmen aber für uns in Anspruch, ohne das groß propagieren zu wollen, einer der ersten Akteure in dem Bereich gewesen zu sein, die gezielt in die Entwicklung investiert haben“ (stv. GF).

AKTIVITÄTEN Æ VERNETZUNG

Seit der Lancierung des Handlungsfelds wird u. a. ein Dachverband für Patientenorganisationen (Pro Raris) gegründet, ein jährlicher „Tag der seltenen Krankheiten“ lanciert, der Bund verabschiedet eine nationales Programm zum Umgang mit seltenen Krankheiten und der SNF beteiligt sich am europäischen Forschungsprogramm eRare. Zugleich entstehen neue Kompetenz- und Forschungszentren an Schweizer Universitäten. Mit den positiven Entwicklungen verliert die Förderung der GRS an Hebelwirkung. Sie beschließt daher, sich aus dem Bereich zurückzuziehen, um ein neues Handlungsfeld aufzubauen. Abbildung 8 zeigt den Lebenszyklus von Rare Diseases.

TEILNAHME SNF AN E-RARE

NATIONALE STRATEGIE

STAATLICHE

KOMPETENZZENTREN ALLIANZ PRO RARIZ TAG DER SELTENEN KRANKHEITEN ANDERE PRIVATE

INDUSTRIETRANSFER RE(ACT) NETZWERK RE(ACT) KONGRESS

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JÄHRLICHE FORSCHUNGSAUSSCHREIBUNG RECHERCHE UND ADVOCACY 2007

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STARTPHASE Æ AUFBAU Æ KONSOLIDIERUNG Æ OUTPHASING

Abb. 8: Lebenszyklus des Handlungsfelds Rare Disease Quelle: GRS 2014c, S. 2)

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Die Abbildung zeigt in idealtypischer Weise, welche Wirkung sich die GRS in ihren Handlungsfeldern verspricht. Nach einer Startphase (Initialidee und Recherche), baut sie das Feld auf. Sie vernetzt die Akteure und setzt Impulse (z. B. Kongress, Netzwerktreffen, Publikationen), um ihrer Partner bei der Etablierung des Themas in ihrem Wirkungskreis zu unterstützten. Nach der Konsolidierung beginnt das langsame Outphasing. Die Partner werden frühzeitig darüber informiert, dass die Förderungen auslaufen. Als Nachfolge zu Rare Disease baut die GRS mit MicroBials61 ein neues Handlungsfeld auf, bei dem sie sich eine ähnliche Hebelwirkung verspricht. Die zwei weiteren Handlungsfelder in dem Zielbereich Wissenschaft und Unternehmertum haben einen stärkeren experimentellen Charakter als die bereits beschriebenen. Unter dem Handlungsfeld Wissenschaft und Design, will die GRS erreichen, dass bei der Entwicklung technischer Innovationen Aspekte der Ästhetik und Anwenderorientierung von Anfang an einbezogen werden. Unter dem Stichwort des „Design Thinking“ ist das Ziel, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen natur- und sozialwissenschaftlichen Forschenden zu stärken, um die Akzeptanz und Nutzung technischer Innovation zu erhöhen. Ein Beispiel der Förderung ist der Aufbau eines Design & Technology Lab Zürich, bei dem der Studiengang Maschinenbau mit der Züricher Hochschule der Künste gemeinsame Projekte verwirklicht. Die Förderung ist offen angelegt. Eingaben sind jederzeit möglich und müssen nur wenige grundlegende Auflagen erfüllen. Mit der Pilotförderung erhält sich die GRS ihre Freiheit innovative Projekte zu fördern, die in kein spezifisches Handlungsfeld fallen. Sie nutzt die Pilotförderungen, um neue Handlungsfelder in der frühen Phase zu testen, oder um besonders risikoreiche und unkonventionelle Vorhaben zu fördern. Die Förderprojekte sind sehr divers. Sie umfassen z. B. das Forschungsvorhaben „Swiss Ebony“ zur Modifizierung heimischer Hölzer für den Musikinstrumentenbau, eine online Dienstleistungsplattform für Städte und Nachbarschaften mit dem Namen «Digitales Dorf», oder eine international ausgerichtete Studie mit Handlungsempfehlungen über die Auswirkung von Bildungssystemen auf die Jugendarbeitslosigkeit. Unter dem Zielbereich Wissenschaft und Öffentlichkeit stellt die die GRS die Frage, wie Wissenschaft mehr Resonanz in der Gesellschaft erreichen kann. Unter dem Zielbereich sind die sehr verschiedenen Handlungsfelder „Academic Swiss Caucasus Net“ (ASCN) und „Sciencetainment“ gruppiert. Das ASCN wird vom Interfakultären Institut für Ost- und Ostmitteleuropa (IOOE) der Universität Fribourg geleitet und koordiniert. Ziel ist, die Geistes- und Sozialwissenschaften in Osteuropa zu stärken. Es basiert auf der Problemwahrnehmung, dass in den ehe-

61 Im Programm Micro Bials geht die GRS der Frage nach, wie modifizierte oder domestizierte Mikroorganismen in Forschung und Praxis eingesetzt werden können.

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maligen sowjetischen Mitgliedstaaten ungenügend gut ausgebildete Sozialwissenschaftler existieren, die über konstruktive Debatten einen wichtigen Beitrag zur Festigung von demokratischen Strukturen leisten können. Das ASCN-Programm fördert heute primär Projekte in Georgien und Armenien. Neben Stipendien, Austauschprogrammen und Konferenzen werden öffentliche Vorträge und Publikationen finanziert. Durch die guten Beziehungen, die in den Jahren aufgebaut wurden, konnte u. a. der Ex-Präsident von Georgien, Mikhail Saakashvili, für einen Gastvortrag an der Universität Fribourg im Juni 2014 gewonnen werden. Die Aktivitäten der GRS in Kooperation mit dem IOOE sollen dazu beitragen, dass die Sozialwissenschaften in den Ländern des Südkaukasus gestärkt werden. Damit soll der Transformationsprozess zu gefestigten demokratischen Strukturen befördert werden. Spezifische Beispiele der Förderung im Rahmen von CHF 100.000 – 150.000 sind die Durchführung von Sommerakademien in Georgien zusammen mit der Schweizer Studienstiftung, Forschungen zur Entwicklung des Unternehmertums in Georgien an der Universität Fribourg oder Stipendien für Kurzaufenthalte von jungen Wissenschaftlern aus Georgien und Armenien in der Schweiz. Neben der Vorgabe an alle Förderpartner, aktiv über ihre Projekte zu informieren und wenn möglich Schulklassen einzuladen, bezweckt die GRS mit dem Handlungsfeld Sciencetainment die Wissensdissemination von Forschungsergebnissen in die Schweizer Bevölkerung zu stärken (GRS 2013). Gefördert werden vor allem Projekte, die unterhaltungsgetrieben sind und Menschen erreichen, die eher wenig oder gar nicht mit wissenschaftlicher Forschung in Berührung kommen. Diese können z. B. in Form eines Kabaretts, You-Tube Filmen oder der Verbindung von Wissenschaft mit Sport und Spiel organisiert sein. Mit einem weiteren Projekt fördern sie die Berichterstattung über wissenschaftliche Themen in regionalen Zeitungen. Während mehrerer Jahre hat sie zusammen mit der Stiftung Mercator eine Wissensseite in der Pendlerzeitung „20 Minuten“ finanziert. Mit solchen Formaten reagiert die GRS auf die Herausforderung, dass Forschungsberichte oft nur das Bildungsbürgertum erreichen. Die Pendlerzeitung wird hingegen von allen Bevölkerungsschichten gelesen. Unter dem dritten Zielbereich Stiftung & Schweiz bündelt die GRS ihre Aktivitäten zur Entwicklung und Stärkung des Schweizer Stiftungswesens. Unter dem Handlungsfeld Stiftungsführung & Politik setzt sich die GRS für die zeitgemäße Führung von Stiftungen ein. Das Ziel ist, über vielfältige Aktivitäten dazu beizutragen, dass sich der Stiftungssektor in der Schweiz dynamisch entwickelt und Stiftungen professionell geführt werden. Die Stiftungsbranche soll dazu befähigt werden, sich zu Themen öffentlich zu positionieren und für die Gestaltung von guten Rahmenbedingungen eintreten zu können. Die GRS ist eine der Hauptinitiatoren und Gründungsmitglieder des Dachverbands der Schweizer Förderstiftungen SwissFoundations. Der Geschäftsführer der GRS ist seit Beginn Mitglied des Vorstands. Mit der Publikationsserie „Foundation Governance“ lanciert er eine

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Buchreihe, die sich mit Entwicklungen im Stiftungssektor auseinandersetzt. Teil der Serie sind u. a. die konsekutiven Ausgaben des Swiss Foundation Codes oder Betrachtungen zum zeitgemäßen Management von Förderstiftungen. Der Geschäftsführer ist einer der Hauptautoren des Governance Codes. Die GRS hat somit direkten Einfluss auf die Ausgestaltung der Normen „guter Stiftungsarbeit“. Flankiert werden die Bemühungen zur Entwicklung des Schweizer Stiftungswesens durch den Zielbereich Stiftungswesen & Kompetenz. Dort setzt sich die GRS aktiv für die Verbreitung des Wissens über Stiftungen ein. Zusammen mit SwissFoundations ist sie maßgeblich daran beteiligt, ein universitäres Zentrum für die Erforschung des Stiftungswesens aufzubauen. Unter der Hauptinitiative der GRS stellt SwissFoundations ein Konsortium aus Stiftungen zusammen. Diese lancieren eine öffentliche Ausschreibung für die Anschubfinanzierung eines universitären Instituts. Im Jahr 2008 wird das Center for Philanthropy Studies (CEPS) an der Universität Basel gegründet. Durch die Kooperation mit weiteren Stiftungen werden insgesamt CHF 2,6 Mio. in den Aufbau des CEPS investiert. Nach einer positiven wissenschaftlichen Zwischenevaluation 2013 wird das CEPS zu einem eigenständigen Universitätsinstitut aufgewertet und die Professur in das Budget der Universität übernommen. Ein weiteres akademisches Zentrum (Zentrum für Stiftungsrecht der Universität Zürich) unterstützt die GRS mit Förderbeiträgen von insgesamt CHF 790.000 seit 2008. 6.1.3

Governance (Organisation und Steuerung)

Das Philanthropiemodell der GRS beruht auf einer proaktiven und stark vernetzten Geschäftsführung und einem aus hochrangigen Experten zusammengesetztem Stiftungsrat, der auch außerhalb der Sitzungen aktiv in die Beurteilung der Gesuche und Führung der Stiftung eingebunden ist: „Ich glaube das ist, neben der Geschäftsführung, das Geheimnis des Erfolgs dieser Stiftung. In der Stiftung waren von Anfang an sehr prominente Leute, z. B. ein Nobelpreisträger, die ehemalige Präsidentin des Wissenschaftsrates des Schweizer Nationalfonds, Rektoren, sehr prominente Leute, die bereit waren zu arbeiten und nicht nur ihren Namen zu geben“ (VPR). Das Modell des Expertengremiums wird seit dem Beginn der GRS beibehalten. Der Stiftungsrat wird seit 2005 nach dem Ausscheiden des Gründungspräsidenten von einem Unternehmer und ehemaligen Universitätsprofessors für Wirtschaftsinformatik geführt. Mit seiner Aufnahme in den Stiftungsrat übernimmt er zugleich die Präsidentschaft: „Ich habe gespürt, dass sie keinen Verwalter brauchen – das sie jemanden suchen, der mitgestaltet und hohe Anforderungen stellt. Dem habe ich mich gerne ausgesetzt. Dann die Breite der Tätigkeit. Das hat mich außerordentlich angezogen“ (PR).

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Fallstudien

Als Vizepräsident amtiert seit der Gründung der Anwalt des Stiftungsgründers und Professor für Rechtswissenschaften, der den Verkauf der Firma Geberit und die Stiftungsgründung juristisch in die Wege geleitet hat. Die Auswahl von Personen in das Gremium wird nach strategischen Gesichtspunkten getroffen. Die GRS hat Richtlinien für das Profil eines Stiftungsrats und die Erneuerung des Gremiums verfasst. Die Amtszeit der Stiftungsräte beträgt vier Jahre, mit der Möglichkeit zur Wiederwahl. Die Alterslimite ist 72 Jahre. Präsident und Vizepräsident werden alle zwei Jahre gewählt, bzw. bestätigt. Stiftungsratsmitglieder müssen einen Verhaltenskodex (GRS 2008) unterschreiben, in dem sie bestätigen, dass sie sich im Sinne des Zweckerfolgs der Stiftung engagieren. Aufgrund der Fachkompetenz der Stiftungsräte hat die GRS die Möglichkeit, komplexe Forschungsvorhaben in Bezug auf Qualität, Neuartigkeit und potentiellen Nutzen beurteilen zu können. Die Verbindungen der Stiftungsräte in die Hochschulen und Hochschulpolitik verhelfen der GRS ihre Förderprogramme zu bewerben und die Lernerfahrungen daraus in das Wissenschaftssystem zurückzuspielen. In Ausnahmefällen werden externe Experten aus dem Netzwerk der GRS um die Erstellung von Fachguthaben gebeten. Der Präsident des Stiftungsrats leitet die Sitzungen. Die Förderentscheidungen werden relativ schnell getroffen. Wenn es zu Diskussionen kommt, ist dies meist ein Zeichen, dass der Stiftungsrat vom Projekt nicht überzeugt ist. Neben den internen Gremien Präsidialausschuss, Finanzausschuss und Nominationsausschuss hat die Stiftung thematische Ausschüsse und Beratungsgremien für die Handlungsfelder eingerichtet. Sie unterstützen die strategische Ausrichtung der Programme und nehmen z. T. die Beurteilung von Gesuchen vor. Die GRS vermag dabei weitere Experten in ihre Programme einzubinden. Der Stiftungsrat tritt vier Mal im Jahr zu ordentlichen Sitzungen zusammen, bei denen über die Anträge entschieden wird. Der Präsident und die Geschäftsführung informieren zusätzlich über die finanzielle Lage und aktuelle Aktivitäten der Stiftung. Der Präsidialausschuss bereitet hauptsächlich technische Vorentscheide in Bezug auf Finanzen, Jahresabschluss oder Reglementen vor. Der Ausschuss hat eine Eigenförderkompetenz für Projekte unter CHF 50.000 bis zu einer Gesamtsumme von CHF 500.000 pro Jahr. Zusätzlich zu den regulären Arbeitssitzungen kommt der Stiftungsrat einmal im Jahr zu einer Strategiesitzung zusammen. Die Geschäftsführung ist für alle operativen Belange der Stiftung verantwortlich. Sie koordiniert den gesamten Förderprozess. Dabei wird sie von zwei Mitarbeiterinnen in der Projektbegleitung- und Controlling (seit 2003) und Administration (seit 2006) unterstützt, die in Teilzeit arbeiten. Die Beziehung zwischen Stiftungsrat und Geschäftsstelle beschreibt der Präsident als vertrauensvoll aber „at arms lengths“ (PR). Als Mitverfasser und Initiant des Swiss Foundation Code folgt die GRS den darin festgelegten Prinzipien und Empfehlungen. Sie kommuniziert

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transparent und ausführlich über Strategie, Förderprojekte und -summen sowie über die Höhe und Anlagestrategie des Stiftungsvermögens. Der Aufbau der Stiftung, Strategieentwicklung und -umsetzung sind hauptsächlich auf das Engagement der Geschäftsführung zurückzuführen: „Also da muss man erst einmal entmystifizieren. Ich kenne das aus meiner bald vierzigjährigen Tätigkeit in Aufsichtsräten von Aktiengesellschaften. Da wird immer gesagt der Aufsichtstrat ist für die Strategie verantwortlich. Das kann er nicht machen. Er hat die Mittel nicht, die Möglichkeiten nicht. Sondern es muss eine Interaktion sein. Und so ist es auch bei uns. Der Stiftungsrat ist kaum je der Initiant gewesen. Sondern das kam weitestgehend vom Geschäftsführer und seiner Stellvertreterin. Damit sage ich nicht, dass der SR keine Rolle gespielt hat. Aber er hat die Rolle des kritischen Überprüfens, des allenfalls Anregens, vielleicht auch Zurückgebens. Aber der Ausgangspunkt meines Erachtens, muss von einem vollamtlichen Gremium mit breiter Ausbildung und Bildung kommen“ (VPR). Nach anfänglicher Skepsis einzelner Stiftungsratsmitglieder hat die Geschäftsführung den Stiftungsrat von der Sinnhaftigkeit der Fokussierung auf Handlungsfelder überzeugt. Die Verantwortung über die jeweiligen Handlungsfelder teilt sich die Geschäftsführung nach Fachkompetenz und persönlichen Interesse. Der Stiftungsrat zeigt sich mit dem bisher Erreichten zufrieden: „So wie wir es machen, ist es schon sehr gut. Und ich glaube, das wird im Stiftungssektor auch anerkannt“ (PR). 6.1.4

Die GRS unter dem Blickwinkel der sozialen Innovation

Die GRS tritt als unternehmerische und gestaltende Förderstiftung auf, die an sich den Anspruch stellt, nachhaltige Entwicklungsprozesse in ihren Handlungsfeldern anzustoßen. Obwohl sie sich auch auf der Projektebene konsequent auf die Förderung neuartiger Vorhaben konzentriert, liegt ihre eigentliche Innovationsleistung in der Verankerung ihrer Themen in der Gesellschaft. Ihr Ziel ist es, Impulse in den Handlungsfeldern zu setzen, die weitergetragen werden und zu Veränderungen führen. Aus der Überzeugung heraus, dass Stiftungen gegenüber dem Staat in der Hochschulförderung über ein minimales Budget verfügen, konzentriert sich die GRS auf Nischen, in denen sie sich in Bezug auf ihre Größe einen überproportionalen Beitrag zur Feldentwicklung verspricht. Ihre Innovationsleistung wird dadurch begünstig, dass sie zusammen mit verschiedenen Stakeholdern schon beim Aufbau der Handlungsfelder nach Förderlücken sucht, in denen ein hohes Entwicklungspotenzial zu erwarten ist. Die Ausrichtung auf neuartige und unkonventionelle Projekte sowie der strategische Einsatz von Mitteln in Schwerpunktbereichen hat der Gründer in der Stiftungsurkunde festgelegt. Das Ziel der GRS ist, Gebiete zu identifizieren, in denen eine Stiftung auf Grund ihrer Freiheiten Entwicklungsprozesse besser anstoßen kann als staatliche oder privatwirtschaftliche

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Akteure. Basis der Handlungsfelder sind konkrete Problemwahrnehmungen: „Es geht effektiv um das Problem. Das ist eine Kultur – wo ist das Problem […]. Ja, wir suchen Lücken. Wir suchen Chancen. Wir suchen Potentiale. Wir möchten Prozesse anstoßen“ (GF). Auf die identifizierten Probleme antwortet die GRS mit einer Mischung aus Projektförderungen, Einflussnahme in Beiräten und Ausschüssen, Publikationen sowie der Vernetzung und Einbindung der maßgeblichen Akteure im jeweiligen Handlungsfeld. Mit der Konzentration auf das „Tal der Tränen“ hat die GRS eine Nische in der Wissenschaftsförderung besetzt. Sie unterstützt vor allem präkompetitive, anwendungsorientierte Projekte. Diese sind per Definition innovationsverdächtig, da ihre neuen Ansätze oder Methoden noch nicht erfolgreich erprobt und in die Praxis getragen worden sind. Die Fokussierung auf Innovation wird durch die konsequente Anwendung der Beurteilungskriterien Neuartigkeit und Originalität sichergestellt. Zugleich müssen die Projekte eine ausgewiesene Problem-/ und Lösungsorientierung aufzeigen. Die einzelnen Förderprojekte können technischer, soziotechnischer wie auch sozialer Natur sein. Sie müssen jedoch immer eine Nutzendimension für die Gesellschaft aufweisen, wobei die Stärkung der Schweiz als Innovations- und Forschungsstandort zu den Kernanliegen der GRS gehört. Die Kompetenzen der Stiftungsräte und der Geschäftsleitung erlauben der GRS auch komplexe naturwissenschaftliche Projekte in Bezug auf ihre gesellschaftliche Nutzendimension zu beurteilen. In ausgewählten Fällen initiiert und begleitet die GRS Organisationen in die Selbstständigkeit. In den Einzelförderungen beschränkt sich die GRS auf die Initial- und Anschubphase. Sie fördert die Projekte dort nicht über den gesamten Innovationszyklus hinweg: „Wir möchte die Inkubation von Projekten fördern, nicht so sehr die Institutionalisierung. Dies muss in unseren Breitengraden staatlicher oder ökonomischer Natur sein“ (PR). Die GRS investiert bevorzugt in die Befähigung, bzw. dem „Enabling“ junger Forscher: „Die Notwendigkeit von Stiftungen, die soziale Innovationen fördern wollen, ist es, die richtigen Leute zu finden. Die das Zeug dazu haben, fachlich und organisatorisch etwas zu bewegen, denen es aber an Durchsetzungs- und Schlagkraft fehlt. Diese Menschen zu identifizieren, an sie ranzukommen und vor allem sie zudem zu befähigen, ihre Fähigkeiten umzusetzen, erachte ich als am wirkungsvollsten“ (GF). Mit dieser Strategie überlässt die GRS das Schicksal der Innovation den Händen der jeweiligen Projektleiter. Sie versucht nicht, die Projekte außerhalb der Initialförderung weiterzuentwickeln, kann aber bei deren Gelingen für sich verbuchen, einen Beitrag geleistet zu haben. Bei einem Scheitern kann sich die GRS auf ihre Rolle als Innovationsförderin berufen, die bewusst Risiken eingeht und Vorhaben unterstützt, deren Ausgang ungewiss ist. Die Geschäftsleitung ist dabei bereit, höhere Risiken einzugehen: „Natürlich sind wir mutiger als der Stiftungsrat. Für uns ist es

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allerdings ein gutes Argument wenn wir sagen können: ´Aber wir sind doch eine Innovationsstiftung´“ (GF). Die einzelnen Förderprojekte sind Teile der Impulse, welche die GRS in ihren Handlungsfeldern setzt. Mit eigenen Projekten und Initiativen der Geschäftsführung werden die Entwicklungen in den Handlungsfeldern unterstützt. Der spezifische Einfluss der GRS auf die intendierten Feldentwicklungen ist empirisch schwer fassbar. Es bedarf der Kollaboration und dem Willen mehrerer Akteure, um die Ziele der Stiftung zu erreichen. Die Förderung des Unternehmertums an Universitäten, die Stärkung der Forschungs- und Transferkompetenz der Fachhochschulen, die Verankerung des Themas seltener Krankheiten in der Gesellschaft oder die Stärkung des Stiftungswesens in der Schweiz kann eine Förderstiftung nicht alleine bewerkstelligen. Die GRS folgt daher einem stark kollaborativen Ansatz. Sie bindet externe Akteure in ihre eigenen Prozesse ein und geht Förderpartnerschaften ein. Dadurch erhöht die GRS die Wahrscheinlichkeit, dass ihre Themen weitergetragen werden. Die Geschäftsführung investiert einen Großteil ihrer Arbeitszeit in die Vernetzungsarbeit. Die Partner in den Handlungsfeldern schätzen den Einfluss der GRS auf die Feldentwicklungen als sehr hoch ein. So sprechen z. B. der Präsident der KTI, der Generalsekretär der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen oder die Geschäftsführerin von ProRaris von wichtigen Impulsen, welche die GRS durch ihre Kombination aus Projektförderung und Vernetzung setzen konnte. Die Geschäftsführerin von SwissFoundations bezeichnet die GRS als Pionierin in der Entwicklung des Stiftungssektors. Als treibendes Gründungsmitglied des Verbands und Hauptinitiatoren eines Governance Codes für Förderstiftungen hat sie einen großen Einfluss auf die Professionalisierung des Sektors ausgeübt. Der prominent besetze Stiftungsrat fördert das Prestige der GRS und damit ihre Handlungsmöglichkeiten bzw. die Wahrnehmung der Stiftung als kompetenten Akteur. Hinter dem System steht eine Governance-Struktur, die auf schlanke und weitestgehend standardisierte Prozesse setzt. Die Mitarbeiterinnen im Backoffice sind weitestgehend befähigt, eigene Entscheidungen zu treffen. Sie ermöglichen der Geschäftsführung, sich auf die Umsetzung der Strategie zu fokussieren. Nicht in allen Feldern hat die GRS die gleiche Wirkungskraft. Das Engagement in den baltischen Ländern und im Kaukasus hilft z. B. die dortige Sozialwissenschaft zu stärken, kann aber auf Grund der Größe und der Herausforderungen der Länder nur einen kleinen Beitrag leisten. Im Handlungsfeld „Wissenschaft & Design“ fördert die GRS erste Pilotprojekte. Ob es dadurch zu einer stärkeren Kollaboration der primär grundlagenorientierten Universitätsforschung mit Designern im Allgemeinen kommt, ist offen, genauso wie die Frage, ob das neue Handlungsfeld Microbials ähnliche Entwicklungen wie „Rare Diseases“ anstoßen kann. Die Geschäftsführung sieht den experimentellen Charakter ihrer Handlungsfelder als positiv: „Wenn es nicht funktioniert, macht es auch nichts. Wir sind dazu da, Sachen auszuprobieren. Das schlimmste was passieren kann ist, dass unsere Reputation ein bisschen leidet“

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(GF). Die GRS fördert jedoch keine gesellschaftlich kontroversen Projekte an sich. Kritik an ihrer Arbeit gibt es in der über zwanzigjährigen Stiftungstätigkeit kaum. Mit der Kombination aus der auf Neuartigkeit ausgerichteten Projektförderung und der bewussten Feldentwicklung verfolgt die GRS eine doppelte Innovationslogik. Sie setzt nicht auf soziale Innovationen, im Sinne einer Umverteilung und Ermächtigung unterprivilegierter Gruppen. Das Rückgrat der Stiftung ist das Thema Unternehmertum. Die Handlungsfelder greifen Fragen auf, die in der Interpretation der GRS einen Nutzen für die Gesellschaft generieren. Es sind keine sozialen Probleme im engeren Sinn, können aber trotzdem als gesellschaftliche Herausforderungen gesehen werden. Für die GRS liegt der Schlüssel für sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand darin, über den Transfer wissenschaftlicher Innovationen in die Marktwirtschaft nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen und somit den Lebensraum Schweiz allgemein zu stärken: „Die Rentabilität dessen, was wir tun, ist daran zu messen, wieviel wir Menschen dazu befähigen Dinge zu tun, die andere dann weiterfinanzieren. Leuten Jobs zu schaffen, die sie spannend finden. Sich selber zu entfalten, wissenschaftliche Fortschritte nützlich zu machen. Das ist unsere Rendite. Eine soziale Rendite“ (PR). 6.2

Stiftung Mercator Schweiz

Legende: SR: Mitglied des Stiftungsrats eGF: erster Geschäftsführer GF: Geschäftsführerin MA: Mitarbeitende PA: Förderpartner 6.2.1

Stifter und Gründungsgeschichte

Die Gründung der Stiftung Mercator Schweiz (MCH) geht auf die Handels- und Unternehmerfamilie Karl Schmidt aus Duisburg zurück. Die Firma Karl Schmidt OHG nimmt 1923 Geschäftstätigkeiten im Großhandel auf. Die zweite Generation der Familie gründet 1963 den ersten Metro Großmarkt in Essen. Aus der Fusion mit anderen Handelsgesellschaften entsteht 1996 die Metro Group. Die Familie gründet im selben Jahr in Deutschland die Stiftung Mercator GmbH. Die MCH geht aus der 1998 in Luzern gegründeten Gebrüder Schmidt Stiftung hervor. Die Verbindung zur Schweiz kommt daher, dass Mitglieder der Familie seit mehreren Jahren ihren Hauptwohnsitz in der Schweiz haben. Ihren jetzigen Namen trägt die MCH seit dem September 2001. In den ersten Jahren werden die Fördergesuche nach Deutschland weitergeleitet. Nach dem Verkauf eines größeren Aktienpakets

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der Gründerfamilie wird die MCH 2006 zu einer eigenständigen Förderstiftung mit Geschäftsstelle in Zürich ausgebaut. Der Sprecher der Familie ist Stiftungsratspräsident beider Institutionen62. Die Stiftungen agieren unabhängig voneinander, tauschen sich aber über gemeinsame Themen aus und nutzen ein gemeinsames Netzwerk an hochrangigen Experten. Die MCH folgt dem Leitbild einer weltoffenen, toleranten und nach Wissensaustausch strebenden Gesellschaft, für die exemplarisch der Namensgeber Gerhard Mercator steht63. Zugleich ist es der Stiftung ein großes Anliegen, einen Beitrag zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen zu leisten. Der Stiftungszweck drückt dies aus: Die Stiftung bezweckt die Unterstützung von Organisationen in der Schweiz oder im Ausland, die in den Bereichen Bildung, Völkerverständigung, Umwelt- und Landschaftsschutz, oder in anderer Weise gemeinnützig, karitativ, humanitär, gesundheitsfördernd, erzieherisch, wissenschaftlich oder kulturell tätig sind, und sich zugunsten einer nachhaltigen Entwicklung engagieren, mit dem Ziel der Schaffung von Chancen für möglichst viele Menschen, die einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Weiterentwicklung der Gesellschaft leisten. […] Seit Januar 2016 fördert die MCH in den vier übergeordneten Themenbereichen Bildung, Verständigung, Mitwirkung und Umwelt. Die Festlegung dieser Fördergebiete ist Resultat periodischer Strategieüberprüfungen und Anpassungen seit dem Beginn der Professionalisierung64. Operativ wird die Stiftung von einer relativ großen Geschäftsstelle mit zwölf Mitarbeitenden geführt. Dies ermöglicht der Stiftung, ihre Projekte eng zu begleiten und eigene Initiativen anzustoßen. Der Stiftungsrat ist aktiv in der Entwicklung von Lösungsstrategien in den Handlungsfeldern involviert. Er tauscht sich dazu mit Förderpartnern und Fachleuten aus. Im Durchschnitt fördert die MCH in den letzten fünf Jahren ca. 100 Projekte pro Jahr. Die Fördervolumina reichen von wenigen tausend Franken bis zu Großinvestitionen von 3 – 5 Mio. CHF. Die Stiftung Mercator Schweiz spricht im Zeitraum 2007 – 2016 insgesamt Förderbeträge in der Höhe von ca. CHF 139 Mio. Jährlich stellt sie ca. CHF 11 – 12 Mio. für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung. Am 31.12.2016 beträgt das Stiftungsvermögen CHF 150.886.996 (MCH 2017a). Zusätzlich zu den Renditen aus 62 Die Stiftung Mercator in Deutschland ist eine gemeinnützig anerkannte GmbH. Der Sprecher der Familie ist dort der Vorsitzende der Gesellschafterversammlung 63 Gerhard Mercator war ein Kartograph, Kosmograph, Philosoph und Theologe, der 1512 in Flandern geboren wurde und über 40 Jahre in Duisburg lebte. Die MCH bezieht sich auf Mercator als eine Person, die globales Denken verkörpert und „Koordinaten schuf, die die geografische Orientierung für den weltweiten Handel und die Verbreitung von Ideen verbessert haben.“ (MCH 2008, S. 6) 64 Unter Professionalisierung wird im Folgenden der Aufbau der Geschäftsstelle und die Fokussierung auf Förderthemen verstanden. Schon vor der Einrichtung der Geschäftsstelle hat die MCH die eingehende Anträge gewissenhaft geprüft und dementsprechend Entscheidungen getroffen. Die erste Geschäftsführerin ist Gründungsmitglied von SwissFoundation gewesen.

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Fallstudien

dem Stiftungsvermögen erhält die MCH Zuwendungen aus weiteren Vermögenswerten, welche die Stifterfamilie gemeinnützigen Zwecken gewidmet hat. 6.2.2

Förderphilosophie/ -strategie

Im Zentrum der Stiftungsarbeit steht die Förderung junger Menschen. Die MCH beschreibt sich in ihrem Leitbild als eine Stiftung, die gemeinsam mit den Förderpartnern zukunftsorientierte Projekte anstoßen, nach richtungsweisenden Lösungen suchen, nachhaltige Impulse geben und den gesellschaftlichen Fortschritt anregen möchte: „Die Projekte sollen Beispiele schaffen und zeigen, was zur Lösung aktueller Herausforderungen möglich ist“ (MCH 2016, S. 18). Die MCH folgt dabei „einer der Pluralität verpflichteten Skepsis“, bei der sie in einer „stark vermachteten Meinungswelt und zur kulturellen Homogenität tendierenden Gesellschaft alternative Sichtweisen auf gesellschaftliche Herausforderungen anbietet“ (SR). Dies bedeutet, dass die Stiftung Projekte fördert, die mit ihrem Weltbild einer offenen, toleranten und nachhaltig agierenden Gesellschaft kongruent sind. Die MCH sieht ihre Aufgabe in der „langfristigen Investition in gesellschaftliche Entwicklungsprozesse“ (ebd.). Gemäß ihres Leitsatzes „Ideen beflügeln“ möchte die Stiftung engagierten Menschen bei der Verwirklichung ihrer Ideen helfen, wie es die Geschäftsführerin ausdrückt: „In den meisten Fällen haben andere sehr viel Pionierarbeit geleistet. Wir tragen dazu bei die Projekte auf ein höheres Niveau zu heben. Unsere Kernkompetenz liegt darin, Projekte zu unterstützen, zu begleiten, zu vernetzen und das Wissen stärker zu multiplizieren“ (GF). Dadurch zeigt die MCH Handlungsalternativen auf, die für politische und gesellschaftliche Entscheidungsprozesse als Grundlage dienen können. Sie fördert wissenschaftliche Projekte, wenn sie sich mit Problemstellungen auseinandersetzen, die in den Schwerpunkten der Stiftungsarbeit liegen. In der Praxis unterstützt sie die Erprobung und Verbreitung von Lösungsansätzen für gesellschaftliche Herausforderungen. In ihren Aktivitäten legt sie hohen Wert auf die breite Abstützung der Projekte durch alle relevanten Akteure. In vielen Fällen arbeitet die MCH sehr eng mit staatlichen Institutionen zusammen. Zudem ist sie in ihren Handlungsfeldern mit anderen Förderinstitutionen vernetzt und tauscht sich aktiv über Projekte aus. Die Stiftung ist thematisch relativ breit aufgestellt. Ihr geographischer Schwerpunkt liegt in der Förderung von Institutionen in der deutschsprachigen Schweiz, mit einem verstärkten Fokus auf der Region Zürich. 6.2.2.1

Entwicklung der Stiftungsstrategie (Problemauswahl und Lösungsansätze)

Mit dem Aufbau der Stiftung wird 2006 ein Geschäftsführer (eGF) betraut, der zuvor fast 40 Jahre im Bankwesen tätig war. Zur gleichen Zeit hat dieser auch Milizposten im Schulbereich ausgeübt und sich in anderen Bereichen gesellschaftlich

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engagiert. Der eGF setzt von Beginn an auf ein junges Team. Die drei großen Förderbereiche „Wissenschaft stärken“, „Kinder & Jugendliche fördern“, „Kulturen verstehen & Toleranz lernen“ werden zu Beginn durch die Stifterfamilie vorgegeben. In der Anfangsphase nimmt die Stiftung mit Universitäten und privaten Institutionen Kontakt auf, um deren Förderbedürfnisse „zu spüren“ (eGF). Dabei sind noch aus Jugendzeiten stammende, persönliche Beziehungen des eGF zur Hochschulleitung der ETH Zürich von Vorteil. Zugleich kann er durch seine Erfahrungen als ehemaliger Schulpräsident die Herausforderungen im schulischen Bildungsbereich gut einschätzen. Der eGF führt mit dem Stiftungsrat Diskussionen, wie sich die Stiftung innerhalb der großen Bereiche eingrenzen kann: „Was ist es im Spezifischen? Was ist der Wunsch der Stifterfamilie? Wo ist die deutsche Stiftung dran? Kann man auch irgendwie Synergien schaffen und dennoch eine eigenständige Linie fahren?“ (eGF). Die Konturen der Stiftung entwickeln sich schrittweise aus gegenseitigen Abklärungen und den Lerneffekten aus den ersten Förderprojekten. Die Förderbereiche werden mit Fokusthemen hinterlegt, so dass eine Art Fördermatrix (siehe Abbildung 9) entsteht, die als Orientierung für die Auswahl der Gesuche und zur Profilbildung dient. Im Idealfall sollen eingereichte Gesuche mehrere Bereiche und/oder Themen gleichzeitig abdecken. Förderbereiche Fokusthemen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen Integration

Wissenschaft stärken

Kinder und Jugendliche fördern

Kulturen verstehen – Toleranz lernen

Frühkindliche Bildung Kulturelle Bildung

Abb. 9: Förderschwerpunkte Stiftung Mercator Schweiz 2009 (Quelle: MCH 2010, S. 13) Die MCH setzt sich in den Förderbereichen spezifische Ziele, die in den Jahresberichten neben der Vorstellung der Projekte genannt werden. x Im Wissenschaftsbereich möchte die MCH z.B. dazu beitragen, dass die Exzellenz- und Nachwuchsförderung an Schweizer Hochschulen ausgebaut wird und somit der Wissens- und Forschungsplatz Schweiz nachhaltig gestärkt wird (MCH 2008, S. 20). Neben dem Aufbau von entsprechenden Strukturen an den Hochschulen investiert die Stiftung in Doktorandenprogramme und internationale Summer Schools.

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x

Im Förderbereich Kinder & Jugendliche stellt sich die MCH der Herausforderung, dass „Bildungschancen in der Schweiz noch immer ungleich verteilt sind“ (ebd.). Sie setzt sich zum Ziel „mehr jungen Menschen – gleich welcher Herkunft – den Weg zu einer umfassenden Bildung und zur Entfaltung ihres Potenzials zu ebnen“ (ebd.). Sie baut dabei vor allem auf Projekte, welche die Chancengleichheit in der schulischen und vorschulischen Entwicklung stärken. x Der letzte große Förderbereich folgt der Wahrnehmung, „dass Toleranz und Völkerverständigung nur gelingen können, wenn möglichst viele junge Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt Verständnis füreinander und für fremde Kulturen entwickeln“ (a.a.O., S. 55). Projekte in diesem Bereich zielen auf den direkten Austausch von Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen ab. In den Förderbereichen werden Projekte, die zugleich mit den Fokusthemen der Stiftung übereinstimmen, prioritär gefördert. Die Matrix ist eine Übersetzung der Werte der Stifterfamilie in die Praxis. Sie zeichnet das Bild einer weltoffenen, ökologisch nachhaltigen Gesellschaft, in der junge Menschen unabhängig von ihrer Herkunft gleiche Bildungschancen erhalten. Der erste formelle Anpassungsprozess wird 2011 mit der Entwicklung der „Strategie 2016“ eingeläutet. Ziel ist es, der MCH ein klareres Profil zu geben. Der Impuls kommt primär von der Geschäftsstelle. Zum einen wünschen sich die Mitarbeitenden eine bessere Orientierung darin, welche Projekte sie dem Stiftungsrat vorlegen können, und „zugleich ging es darum, die Schwerpunkte der Stiftung besser nach außen kommunizieren zu können“ (GF). Durch den Prozess kommt es zu einer leichten Verschiebung in der Bedeutung der einzelnen Handlungsfelder. Die Förderbereiche werden neu Tätigkeitsbereiche genannt. Damit drückt die MCH aus, dass sie daran interessiert ist, eigene Projekte zu entwickeln und Initiativen zu lancieren. Die neue Ausrichtung der MCH basiert auf der Reflexion der bisher getätigten Förderungen und der Formulierung von Zielen für die Zukunft, wie die GF beschreibt: „Die Begründung der neuen Felder basiert auf den Förderungen der ersten Jahre und den dahinterliegenden Motiven, die uns dabei geleitet haben. Es versteht sich von selbst, dass wir spezifische Problemfelder definiert haben. Wir sind von den Stiftungszielen und den Motiven der Stifterfamilie ausgegangen und haben versucht, in kurzen Worten zu sagen, um was es uns geht. Darauf aufbauend haben wir dann, ohne jetzt monatelang Studien durchzuführen, den gesellschaftlichen Bedarf abgeschätzt und zu jedem Feld die Ausgangslage und das Endziel herausgeschält, zu welchen wir beitragen wollen. Zum Schluss haben wir dementsprechend unsere Förderintentionen formuliert.“ (GF)

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Neu ist die Unterteilung in die drei Tätigkeitsbereiche „Wissenschaft“, „Kinder & Jugendliche“ sowie „Mensch & Umwelt“ (siehe Abbildung 10). Der Bereich Umwelt wird vor allem wegen dem gesteigerten Interesse der Gründerfamilie an ökologischen Themen ausgebaut. Unter den Tätigkeitsbereichen formuliert die Stiftung insgesamt 13 Handlungsfelder. Für jedes einzelne Thema werden Kernbotschaften (Problembewältigung) und Visionen (gewünschter Zustand) ausgearbeitet und dazu die gesellschaftliche Ausgangslage sowie die jeweilige Fördermotivationen (Ziele) beschrieben. In dem Strategiedokument (MCH 2011) werden zudem „Leuchtturmprojekte“ aufgezählt, die exemplarisch für die Schwerpunktthemen der Stiftung stehen sowie Experten genannt, welche die MCH in den jeweiligen Förderbereichen konsultieren kann. Als Wirkungsebenen definiert die MCH: x Forschung: Mit besonderer Aufmerksamkeit auf anwendungsorientierter Forschung. x Praxis: Modellhafte Interventionsprojekte, die Erkenntnisse bringen, um als Grundlage weiterer Vorhaben zu dienen. x Öffentlichkeit: Eintreten für Themen der MCH und Sensibilisierung der Öffentlichkeit für gesellschaftsrelevante Fragen. Wissenschaft • Nachwuchs- und Exzellenzförderung • Inter- und transdisziplinäre Forschung • Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit • Internationaler Austausch Kinder und Jugendliche • Gesellschaftliche Integration • Interkulturelle Begegnungen • Engagement • Schulentwicklung & personalisiertes Lernen • Frühkindliche Bildung • Kulturelle Bildung

Hinterlegt mit • • • • •

Kernbotschaft Vision Ausgangslage Motivation Inhaltliche Schwerpunkte (Förderbeispiele) • Expertennetzwerk

Wirkungsebenen Forschung Praxis Öffentlichkeit

Mensch & Umwelt • Ressourcenforschung/Suffizienz • Ökologische Landwirtschaft • Sensibilisierung und Handlungskompetenz

Abb. 10: Tätigkeitsbereiche, Handlungsfelder und Wirkungsebenen Strategie 2016 (Quelle: Eigene Darstellung) Mit ihrem Fördermodell folgt die MCH einer ausformulierten Logik, die auf der Wahrnehmung gesellschaftlicher Herausforderungen basiert, denen Visionen eines Idealzustands entgegengesetzt werden. Am Beispiel des Handlungsfeldes „Inter-

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und transdisziplinäre Forschung“ im Tätigkeitsbereich Wissenschaft lässt sich diese Logik aufzeigen (MCH 2011b, S. 7-8): Die Kernbotschaft lautet, dass disziplinenübergreifende Zusammenarbeit wesentlich ist, um Antworten auf komplexe gesellschaftsrelevante Fragen zu erlangen. Die Vision der MCH lautet, dass die inter- und transdisziplinäre Forschung in der Wissenschaft als gewinnbringende Methode anerkannt und etabliert ist und intensiv zur Lösung komplexer Fragen genutzt wird. In der Ausgangslage wird beschrieben, dass die disziplinäre Forschung mit Blick auf die vielschichtigen und komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen an ihre Grenzen stößt. Die interdisziplinäre Forschung hingegen begegnet diesem Problem durch die Nutzung von unterschiedlichen Ansätzen, Denkweisen und Methoden. Die transdisziplinäre Forschung geht noch einen Schritt weiter und bezieht Praxispartner mit ein, um am Gemeinwohl orientierte praktische Lösungen zu generieren. Die inter- und transdisziplinäre Forschung stellt Wissenschaftler auf Grund ihrer Komplexität, der verschiedenen Sprachsysteme und der Zusammenarbeit vieler Partner jedoch vor große Herausforderungen in der Umsetzung. In der Motivation zeigt sich die MCH überzeugt, dass Wissenschaftler über Fachgrenzen hinweg mit Praktikern zusammenarbeiten müssen, um Lösungen für immer komplexer werdende Herausforderungen zu finden. Als inhaltliche Schwerpunkte setzt sich die MCH basierend auf dieser Motivation folgende Ziele: x Schaffung von förderlichen Strukturen für die inter- und transdisziplinäre Forschung und den Transfer in die Lehre x Förderung innovativer, gesellschaftlich relevanter Projekte, in denen nach Möglichkeit Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftler beteiligt sind x Schaffung von Anreizen für Wissenschaftler, ihre Projekte trans- und interdisziplinär auszurichten. Als konkrete Förderbeispiele nennt die MCH das an der Akademie der Wissenschaften angesiedelte Netzwerk für transdisziplinäre Forschung Td-net und ein Forschungsprojekt an der Universität Zürich mit dem Titel: „Vertrauen verstehen. Grundlagen, Formen und Grenzen des Vertrauens“. An dem Projekt sind Wissenschaftler aus acht verschiedenen Disziplinen beteiligt. Als Experten aus dem Netzwerk der MCH, die in diesem Gebiet kontaktiert werden können, werden u.a. der Präsident der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten oder der Prorektor der Geistes- und Sozialwissenschaften der Universität Zürich aufgezählt. In der gleichen Logik formuliert die MCH für jedes Handlungsfeld in den Tätigkeitsbereichen jeweils Kernbotschaft, Vision, Ausgangslage und Motivation.

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Die Strategie zeigt in allen Tätigkeitsbereichen auf, welche Ziele die MCH erreichen möchte. Die MCH hat pro Bereich eine eigene Theory of Change entwickelt. Den Mitarbeitenden wird während des Strategieprozesses die Möglichkeit gegeben, sich umfassend zu informieren und parallel zu den getätigten Förderungen die Schwerpunkte herauszuarbeiten, wie die Bereichsleiterin des neu geschaffenen Tätigkeitsbereichs Mensch & Umwelt beschreibt: „Das Interesse an Umweltthemen ist im Stiftungsrat immer mehr gestiegen. Das Thema Bildung lag relativ nahe, da Kinder und Jugendliche unsere Hauptzielgruppe sind. Ich habe mir in einem Jahr mit verschiedenen Experten Konzepte der Umweltbildung angeschaut und dies besprochen. Die dominanten Modelle trafen nicht ganz den Fokus, den ich akzentuieren wollte. Ich habe gedacht, es ist bekannt, dass es Umweltprobleme gibt. In der Psychologie nennt man es das ´Wissen-Verhalten-Dilemma´. Das Wissen ist da, aber das angepasste Verhalten noch nicht. Ich möchte die Lücke schließen und setze deshalb stark auf Verhaltensänderungen. Wir haben uns dann auf ´Sensibilisierungs- und Handlungskompetenz´ als Beschreibung geeinigt. Und dann haben wir nach der Lücke gesucht, in der wir als Förderstiftung etwas bewirken können. Wir haben uns dann entschieden, einen Fokus auf Suffizienz als eine Nachhaltigkeitsstrategie, als Lebens- und Konsumstil, zu setzen. Das Thema biologischer Landbau war von der Stifterfamilie wie gesetzt.“ (MA) Die im Strategieprozess 2011 definierten Tätigkeitsfelder und Handlungsfelder bilden den Rahmen der Fördertätigkeit der MCH für die Jahre 2012-2016. Die Stiftung kommuniziert diese auf ihrer Webseite. Antragsteller müssen darlegen wie ihre Projekte mit den Themen der Stiftung in Verbindung stehen. Im zweimal jährlich erscheinenden Mercator Magazin werden Projektpartner mit Bildern und Interviews vorgestellt. Im Zyklus einer periodischen Strategieüberprüfung wird 2015 einer neuer Reflexionsprozess über die eigene Tätigkeit angestoßen. Die generelle Ausrichtung der Stiftung wird als gut empfunden. Die Überarbeitung der Förderstrategie dient der Optimierung. Es ist keine „Abkehr des eingeschlagenen Weges“ (GF). Mit Hilfe einer externen Agentur und eigenen Beratern aus dem Netzwerk der MCH werden die Förderpartner in den Prozess mit einbezogen, um deren Bedürfnisse besser abschätzen zu können und die Erfahrungen für die Weiterentwicklung der Stiftung zu nutzen. Der Prozess wird von der jetzigen Geschäftsführerin geleitet, welche Mitte 2012 die Nachfolge des ersten Geschäftsführers antritt. Dieser wechselt in den Stiftungsrat. Der Optimierungsprozess mündet in der Festlegung der „Strategischen Ziele 2020“. Die Reflexion mit den Förderpartnern zeigt unter anderem, dass diese öfters Probleme haben nach der ersten Finanzierungsphase weitere Unterstützung zu finden. Oftmals funktionieren die im Antragsformular vorgedachten Nachhaltigkeitsstrategien nicht. Die Partner wertschätzen die Förderung neuer und innovativer Ideen,

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konstatieren aber auch, dass es für sie oft sehr schwierig ist, Anschlussfinanzierungen zu finden (MCH 2015d). Die Rückmeldungen werden von der MCH aufgenommen, wie die GF beschreibt: „Wir haben es uns dann noch einmal vergegenwärtigt. Wir möchten ein Projekt über mehrere Phasen begleiten und sehen, dass es eine systemische Veränderung bringt. Wir werden in der Zukunft stärker kommunizieren, dass wenn eine Phase gelingt, es auch eine weitere Finanzierung für die nächste Phase geben kann, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.“ (GF) Dabei soll es allerdings nicht zu Automatismen kommen. Es ist nicht gedacht, dass Partner davon ausgehen können, „dass sie ohne weiteres durchfinanziert werden“ (GF). Wenn ein Projekt jedoch ein hohes Wirkungspotenzial zeigt, investiert die MCH in die Weiterentwicklung und Verbreitung der Projekte. Als Ergebnis der Konsultation formuliert die MCH die Grundlagen ihrer Förderstrategie. Die MCH setzt sich zum Ziel: x Den wissenschaftliche Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Problemstellungen zu fördern x Praktische Lösungen zu erproben und zu verbreiten x Erfolgreiche Organisationen in ihrem Wirken zu stärken x Das aus den Förderungen erlangte Wissen öffentlich zugänglich zu machen und die Gesellschaft für wichtige Themen zu sensibilisieren (vgl. MCH 2015b, S. 17-19). Als Ergebnis des Optimierungsprozesses werden die Schwerpunkte der Stiftung leicht angepasst. Die neue Aufteilung folgt den vier übergeordneten Themenbereichen Verständigung, Mitwirkung, Bildung sowie Umwelt. Die Themen sind wiederum mit Handlungsfeldern unterlegt (siehe Abbildung 11). Die größte Änderung ist, dass das Thema der interkulturellen Verständigung wieder stärker gewichtet wird. Die Wissenschaftsförderung wird nicht mehr als eigener Tätigkeitsbereich, sondern als mögliches Projektformat geführt. Die MCH möchte dadurch ihre eigenen Themen verstärkt in den Vordergrund stellen. Zudem ist der „der Wissenschaftsstandort Schweiz sicherlich genügend hoch ausgestattet“ (GF). Ziel des Themenbereichs Mitwirkung ist, das gesellschaftliche Engagement junger Menschen und die Partizipationsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen zu stärken.

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Verständigung Internationale Zusammenarbeit Internationaler Jugendaustausch Umgang mit Vielfalt Mitwirkung Engagement Partizipation Partizipative Wissenschaft Bildung Bildungschancen Bildungsqualität Kulturelle Bildung Umwelt Suffizienz Ökologische Landwirtschaft und Ernährung Umweltverantwortliches Handeln

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Projektformate • Wissenschaft: Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Problemstellungen voranbringen • Praxis: Praktische Lösungen erproben und verbreiten • Kompetenzaufbau: Erfolgreiche Organisationen in ihrem Wirken stärken • Erkenntnistransfer: Wissen und Erkenntnisse zugänglich machen und die Öffentlichkeit für wichtige Themen sensibilisieren

Abb. 11: Themenbereiche, Handlungsfelder und Projektformate seit Januar 2016 (Quelle: Eigene Darstellung) Für jedes Handlungsfeld setzt sich die MCH konkrete Umsetzungsziele (z.B. strukturelle Hürden beim Zugang zur Bildung werden verringert), die im detaillierten Umsetzungsplan der Förderstrategie wiederum in Teilziele heruntergebrochen und mit spezifischen Maßnahmen und Meilensteinen hinterlegt sind (MCH 2015c). Zur Überprüfung des eigenen Fortschritts hat die MCH Messwerte für jede Maßnahme definiert. Die MCH überprüft damit die Erreichung ihrer eigenen Zielsetzungen wie z.B. den Kontaktaufbau zu Schlüsselpersonen der öffentlichen Hand, oder den spezifischen Wissensaufbau zu einem Förderthema. In dem Strategiepapier sind zudem Projektbeispiele aufgezählt, die zur angestrebten Wirkung beitragen. Sie zeigen, dass die MCH versucht, durch eine Mischung von kleinen und größeren Investitionen in verschiedene Projektformate und Zielgruppen, eine übergeordnete gesellschaftliche Entwicklung zu bewirken. So fördert sie zur Verbesserung der Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen folgende Vorhaben: x „Projekte, die Bildungsinstitutionen (Schulen, Hochschulen, Berufsbildung, Vereine, Verbände, Betreuungsangebote) dabei unterstützen, den Zugang für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche zu erleichtern und ihre Angebote den Bedürfnissen dieser Zielgruppe entsprechend zu gestalten x Spezielle Förderprogramme für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, um herkunftsbedingte Bildungsnachteile zu verringern

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x Förderung niederschwelliger Bildungsangebote x Unterstützung und Stärkung sozial benachteiligter Eltern bei der Förderung ihrer Kinder x Untersuchung der Mechanismen der ungleichen Bildungschancen und der Bedingungen für erfolgreiche Bildungsbiografien von sozial benachteiligten Kindern, Entwicklung von Lösungsansätzen, Sensibilisierung für die Problematik“ (MCH 2015b, S. 2-3). Mit der Umsetzung der Strategie versucht die MCH erstmals auch ihre eigene Wirkung zu erfassen. Um dies zu erreichen, hat sie eine neue Stelle geschaffen mit dem Ziel, die Wirkung der MCH in ihren Handlungsbereichen nachvollziehbar zu machen und das Wissensmanagement der Stiftung zu stärken. 6.2.2.2

Suche und Auswahl der Partner (Strategieimplementierung)

Bei der Suche von Partnern muss sich die MCH zu Beginn der Professionalisierung erst in der Schweiz bekannt machen und die institutionellen Akteure in ihren Handlungsbereichen kennenlernen. Sie geht daher aktiv auf Universitäten, Ämter und zivilgesellschaftliche Organisationen zu. Es geht darum, Partner zu finden, welche die Werte der Stifterfamilie teilen und die Kraft haben, Projekte umsetzen zu können. Sie werden ermutigt, Anträge zu stellen. Zeitgleich lädt der SR Personen ein, mit denen er über mögliche Lösungsansätze in den Handlungsfeldern der Stiftung diskutiert. Je nach Thema sind dies Akademiker, Vertreter von Behörden oder Gründer und Geschäftsführer von NPO. Durch den Austausch entstehen Ideen, wie man gesellschaftlichen Herausforderungen begegnen kann, die dann in konkrete Projekteingaben münden. Den Mitarbeitenden wird Zeit gegeben sich zu vernetzen und in den Handlungsfeldern eigene Expertise aufzubauen. Die damit verbundenen Overheadkosten sind ein wiederkehrendes Thema, werden aber in Kauf genommen. Es liegt im Interesse der Stiftung, im Feld präsent zu sein, wie es ein SR ausdrückt: „Nur mit Austausch erreicht man Kompetenz. Und da muss man in der Debatte sein. Da muss man unterwegs sein. Da muss man Menschen treffen. Da muss man Dinge lesen. Und wenn eine Stiftung sagt, sie sei so unterwegs, melden sich auch interessante Leute. Und meine Schlüsselerfahrung ist, es gibt dann ganz viele, ganz unmittelbare Förderanfragen an die Stiftung“ (SR). Die Stiftung erhält pro Jahr ca. 700 Gesuche. Die durchschnittliche Bewilligungsquote liegt über die Jahre 2013-2015 bei ca. 15% (MCH 2015). Über die letzten vier Jahre gerechnet fördert die MCH ca. 90 Projekte pro Jahr. Der Geschäftsführerin ist bewusst, dass viele Innovationen auch ohne Stiftungen zustande kommen. Als

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Herausforderung sieht sie es für sich und ihre Mitarbeiter, trotz des hohen Anteils der responsiven Arbeit, einen Überblick über neuartige Entwicklungen in allen Handlungsfeldern zu behalten. Die Bearbeitung und Begleitung der Anträge nimmt viel Zeit der Mitarbeitenden in Anspruch. Ausschreibungen werden in den ersten Jahren kaum vorgenommen. Die Ausnahme ist ein von der MCH angestoßenes Bildungsprojekt zum personalisierten Lernen an Schulen. Die MCH geht mit dem Instrument der Ausschreibung vorsichtig um, da sie zuerst sicherstellen möchte, dass sie über sehr gute Kompetenzen und Verbindungen in ihren Themenfeldern verfügt. Zur Auswahl der Partner hat die MCH schrittweise einen standardisierten Prozess aufgebaut. Der Prozess muss auch von Organisationen durchlaufen werden, auf welche die MCH direkt zugeht, um gemeinsame Projekte zu planen. Zuerst soll eine zweiseitige Projektskizze eingeschickt werden. Die Bereichsleiter entscheiden daraufhin, ob es sich lohnt, das Projekt weiterzuverfolgen. Nur wenn der Bescheid positiv ausfällt, werden die potentiellen Partner gebeten, das vollständige Antragsformular auszufüllen. Mittlerweile kann die MCH mehr als die Hälfte der einkommenden Gesuche gut einschätzen, da sie die Organisationen und Personen hinter den Anträgen kennt. Mit den meisten Partnern hat sie schon einmal zusammengearbeitet. Neben der inhaltlichen Passung mit den Zielen der Stiftung setzt die MCH voraus, dass ein Bedarf seitens der Zielgruppe nachweislich gegeben ist und diese soweit wie möglich in die Planung der Vorhaben mit einbezogen wird. Zudem ist ihr der überregionale Charakter wichtig. Projekte sollen so angelegt sein, dass grundsätzlich eine Verbreitung möglich, ein Interesse von Dritten am Projekt vorhanden und der Erkenntnistransfer eingeplant ist. Die Projekte müssen anhand von Outputs und Outcomes beschrieben werden, welche mit Indikatoren, Zielgrößen und Messeinheiten hinterlegt sind. Jeder Antragsteller muss das gesellschaftliche Problem darlegen, das mit dem Projekt angegangen wird und die gesellschaftlichen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Projekts beschreiben sowie die Vorteile des eigenen Ansatzes gegenüber bestehenden Lösungsansätze angeben. Die Antragsteller müssen mindestens zwei unabhängigen Referenzpersonen angeben. Die MCH unterstützt Projekte in den Phasen der Entwicklung, Erprobung, Etablierung oder Verbreitung (MCH 2015b, S. 20-23). Die einfache Weiterführung von bestehenden wird nicht gefördert. Der größte Einfluss auf die konkrete Lösungsentwicklung findet während des Antragsprozesses statt. Hier bringt die MCH ihre eigenen Vorstellungen ein. Dabei geht es nicht darum, die Projekte grundsätzlich zu verändern, sondern mit Hilfe der Erfahrung der MCH ihre Erfolgswahrscheinlichkeit und Qualität zu erhöhen. Darin sieht ein SR die Spezifität von Stiftungen: „Ich sage dann nicht, dass das, was rausgekommen ist, wegen uns so gekommen ist, aber ich bilde mir ein, dass es wenigstens zum Weiterdenken gekommen ist. Das ist vielleicht so, wie ich eine Stiftung verstehe“ (SR). Wenn

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sich in dem Prozess herausstellt, dass die Erwartungen der Antragsteller und der Stiftung zu weit auseinander gehen, kommt die Förderung nicht zustande. Vor allem bei den Großprojekten mit langjährigen Laufzeiten werden externe Experten zu Rat gezogen. Bei wissenschaftlichen Projekten werden Expertisen eingeholt, welche den Antragsstellern als Empfehlungen zurückgespielt werden. Bei Vorhaben, die in Schulen umgesetzt werden, fordert die MCH, dass die entsprechenden Behörden und Entscheidungsinstanzen von Beginn an in die Planung mit einbezogen werden. Nicht jedes Projekt braucht die aktive Beratung der Mitarbeitenden. Manche kommen „pfannenfertig, die sind schon so ausgefeilt, dass auch ein Änderungsvorschlag nicht gerne gesehen wird und zum Teil auch nicht nötig ist“ (MA). Bei anderen Projekten, vor allem im Kinder & Jugendbereich, „brauchen die Antragssteller etwas mehr Unterstützung, vor allem, wenn sie selbst noch sehr jung sind“ (MA). Die MCH sieht ihre Rolle in dem Prozess selbstkritisch: „Es ist ein Seiltanz zwischen wohlwollender Begleitung und Einmischung. Es ist uns schon ein Anliegen, dass es für die Sache gemacht wird. Aber es wird auch als Einmischung wahrgenommen. Es ist wie eine Doppelfunktion von Controlling und Beratung, mit der nicht immer einfach umzugehen ist. Oft werden unsere Anregungen dann als Auflagen wahrgenommen, was nicht unser Ansinnen ist – aber es wird so interpretiert, als zwingende Empfehlung. In Zukunft werden wir mehr Wert darauf legen, zu kommunizieren was was ist“ (GF). Das siebenseitige Antragsformular wird von einigen Partner „als Ärgernis“ (PA) angesehen, aber auch „als angemessen, bei den Beiträgen, die man erhalten kann“ (PA). Das Ausfüllen des Formulars braucht viel Zeit und Arbeit. Es wird auch von positiven Effekten gesprochen, die sich bei Antragsentwicklung ergeben: „Das Formular hat geholfen, Ideen besser zu strukturieren und mit den eigenen Projektpartnern wichtige Abklärungen zu treffen“ (PA). In der Wissenschaft ist es für die Antragssteller immer auch eine Frage „wie weit man sich verbiegen will, nicht unbedingt auf den Inhalt der Forschung, aber ob man jetzt noch eine Begleitgruppe mit reinnimmt, oder die Verbreitung in die Öffentlichkeit tragen kann. Aber ich versteh schon, dass die Stiftung auch eigene Ziele hat.“ (PA). Manchmal sind es kleine Anregungen, die in den Augen der Partner gewinnbringend sind: „Wir haben unser Modell ´Zürcher Modell der Ganztagesschulen´ genannt. Da kam die Rückmeldung, dass es doch besser wäre, Zürich zu streichen. Wir haben dann eingesehen, dass es für die spätere Verbreitung in andere Kantone wohl eher hinderlich gewesen wäre.“ (PA). Ein weiterer Partner berichtet, dass sich aus einem kleinen Antrag eine Dynamik entwickelt hat, die er nicht erwartet hätte: „Die damalige Mitarbeiterin hat es angeschaut und gesagt, man müsste was viel Größeres daraus machen: ´Wenn ihr einen Preis vergeben wollt, dann müsst ihr auch eine entsprechende Veranstaltung planen.´ Die MCH hat sich entschieden, nicht nur 50.000 zu geben, sondern den Aufbau eines ganzen Bereichs zu fördern. Mit so einem Batzen Geld mussten wir erst

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mal lernen umzugehen. Es war Freude aber auch Strudeln, weil wir schnell grösser planen mussten“ (PA). Die feste Zuordnung eines Ansprechpartners wird durch die Partner geschätzt. So entwickelt sich ein Vertrauensverhältnis, bei dem kontrovers diskutiert werden kann und „Vorschläge auch mal zurückgewiesen werden können, wenn sie nicht praktikabel sind“ (PA). Wenn der Antrag fertig ist, entwickeln die Projektleiter eine Beschlussvorlage, die von der Geschäftsführerin vor der Eingabe in den SR noch einmal überprüft wird. Der SR begutachtet diese, fragt kritisch nach und gibt gegebenenfalls. noch eigene Ideen oder bittet um Überprüfung von Teilfragen. Auf den halbjährigen Sitzungen wird die Entscheidung über eine Förderung getroffen. Bei kritischen Nachfragen seitens des SR kann zwischen Erstkontakt, Antrag und Entscheid über ein Jahr liegen. Die MCH fördert nur Personal- und Verwaltungskosten und keine Beiträge zur Infrastruktur. Bei einem positiven Bescheid wird ein Fördervertrag aufgesetzt und den Partnern die finanziellen Mittel überwiesen. 6.2.2.3

Zusammenarbeit mit Partnern (Implementierung & Anpassungen)

In der Umsetzungsphase der Projekte begleitet die MCH ihre Projekte mit unterschiedlicher Intensität. Vor allem bei größeren Vergabesummen mit mehrjähriger Laufzeit wird dem Partner ein begleitendes Gremium von Experten, meistens in der Form eines Beirats, zur Seite gestellt. Die Gremien greifen nicht aktiv in die Projektarbeiten ein. Sie sollen fachliche Anregungen geben, die Qualität der Projekte sichern und bei Schwierigkeiten helfend zur Seite stehen. Oft werden auch begleitende Evaluationen in Auftrag gegeben. Die Ausführung der Projekte liegt bei den Partnern selbst, was im Wesen einer Förderstiftung liegt. Während der Laufzeit möchte die MCH über Entwicklungen informiert werden. In Zwischenberichten soll gezeigt werden, inwiefern die Partner die vereinbarten Ziele erreicht haben: „Wir möchten aber keinen Zielfetischismus praktizieren. Der Förderbetrag bezieht sich jedoch auf Leistungen, die erbracht werden sollen. Und das ist vereinbart. Und wenn es wesentliche Änderungen sind, möchten wir es wissen. Bei den Outcomes sind wir flexibler. Es sind ja Thesen. Dafür machen wir ja auch das Projekt, um etwas herauszufinden“ (GF). Die MCH verdeutlicht, dass sie auch bei Schwierigkeiten miteinbezogen werden möchte, damit sie die Möglichkeit hat zu reagieren: „Das heißt ja nicht, dass gleich Mittel gestrichen werden. Wir verstehen uns da als Partner, wir wollen dabei sein und auch selbst lernen“ (GF). Dieses Vorgehen wird von den Partnern bestätigt. Sie sprechen von der Möglichkeit, Ziele anzupassen, wenn ersichtlich ist, dass sie sich angestrengt haben, aber die im Antragsprozess formulierten Zahlen aus ersichtlichen Gründen nicht erreicht werden konnten. Sie nehmen die Stiftung als offen für Argumente wahr, die

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jedoch auch stichhaltig sein müssen, denn „man merkt, dass die MCH mehr Ressourcen für genaues Mitdenken hat und auch ein Stück weit zum Überprüfen. Das ist bei vielen anderen Stiftungen nicht der Fall. Da hört der Kontakt nach dem Förderbescheid auf“ (PA). Die Geschäftsstelle und Mitglieder des SR pflegen den Kontakt zu ihren Partnern. Wenn es sich anbietet, gehen sie Projekte besuchen. Ein Partner zeigt sich besonders überrascht über das Engagement des Sprechers der Gründerfamilie: „Wir merken, dass das Interesse an unserer Arbeit sehr hoch ist. Der Stiftungsratspräsident hat unsere Tage der offenen Tür immer besucht. Er ruft auch mal an und fragt uns über unsere Meinung zu einem Thema. Sogar bei den Workshops ist er dabei“ (PA). Die Mercator Workshops sind Vernetzungsanlässe, welche von der Stiftung eigens organisiert werden. Sie stehen jeweils unter einem Thema wie „Grenzen der Partizipation“ oder „Wissen was wirkt“. Ziel ist es, Synergien und Kooperationen zwischen den Förderpartnern der MCH anzuregen und gleichzeitig gegenseitig Erkenntnisse aus den eigenen Projekten auszutauschen. Dabei, so konstatiert ein Partner, „lernt man sich kennen und kann voneinander profitierten. Wir haben ähnliche Thematiken, ähnliche Nutzergruppen. Das hilft schon“ (PA). Gleichzeitig sind die Workshops für die Stiftung selbst wichtig. Die Partner werden nach ihren Bedürfnissen gefragt. Ein SR bezeichnet die Veranstaltungen als „wichtige Feedbackgeber, wo man sieht, wo man in etwa steht. Nehmen wir es richtig wahr? Was lernen wir davon? Dies zeigt uns auch, was langsam institutionalisiert ist. Wo wir uns etwas zurücknehmen können, wo wir uns etwas kräftiger einsetzen sollten“ (SR). Betrachtet man die Rolle der MCH in der Implementierung, ist sie als eine wohlwollende Begleiterin zu beschreiben, welcher der Erfolg der geförderten Projekte wichtig ist. Sie möchte ihre Partner befähigen, Ideen umzusetzen, „nicht nur beflügeln, sondern ihnen auch Wind unter die Flügel zu blasen“ (SR), sie zu vernetzen und schlussendlich so einen Beitrag zu der Erreichung ihrer gesellschaftlichen Visionen zu erreichen. Ihren jeweiligen Einfluss möchte die Stiftung nicht übermäßig betonen: „Die Frage intern wird nur immer sein, sind wir zufrieden mit dem, was wir beigetragen haben, ohne dass wir den Kausalitätsnachweis führen können. Wir sollten ihn nicht einmal behaupten. Stellen sie sich vor, sie würden behaupten, dass auf Grund der interkulturellen Projekte der Stiftung in der Schweiz die gewalttägigen Auseinandersetzungen zurückgegangen seien und der Schulerfolg gesteigert wurde. Dann würden doch die Verantwortlichen in den Bildungsdirektorien sagen: ´Was ist denn mit denen? Ich bin doch derjenige, der die Konsequenzen trägt´. Unsere Sache muss die innere Zufriedenheit sein, einen gesellschaftlichen Reformprozess angetrieben, befeuert zu haben, Argumentationsdruck aufgebaut zu haben und die Widerlegung schwieriger gemacht zu haben“ (SR).

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6.2.2.4

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Nachhaltige Verankerung & Verbreitung

Die nachhaltige Verankerung und Verbreitung von Lösungsansätzen fördert die MCH auf verschiedenen Ebenen. Zum einen müssen potentielle Partner im Antragsformular Ideen darlegen, wie das Projekt nach der Förderung der MCH weiter laufen könnte, zum anderen unterstützt die MCH auch Projekte, dessen ausdrückliches Ziel es ist, ein erfolgreich erprobtes Projekt zu etablieren oder in die Breite zu tragen. Zudem folgt die MCH einer intensiven Kommunikationsstrategie, bei der sie ihre Partnerorganisationen in eigenen Publikationen vorstellt sowie Lernerfahrungen aus ihren Förderprojekten mit der Öffentlichkeit teilt. Während der Prüfung der Projektanträge spielt die Nachhaltigkeit eine bedeutende Rolle. Wichtig ist der MCH, dass eine Idee besteht wie man die Vorhaben auch nach der Projektlaufzeit weiterführen kann. Ein Beweis ist in vielen Fällen nicht möglich. Die MCH verlangt aber, dass die Projektpartner darüber Überlegungen anstellen und entsprechende Schritte von Beginn an mit einplanen. Über die Jahre hat sich die MCH selbst eine starke Kompetenz aufgebaut, öffentliche Budgetprozesse zu verstehen. Sie gibt dieses Wissen im Antragsprozess an die Partner weiter, wie die GF beschreibt: „Wir wissen jetzt auch viel mehr über die Wege der öffentlichen Finanzierung. Da mussten wir uns auch erst schlau machen. Aber so können wir den Partnern helfen, wenn sie dann schlussendlich auf Ebene der Gemeinde auf Mittel angewiesen sind. Wenn das der Plan ist, dann weisen wir sie gleich zu Beginn darauf hin, dass sie die Gemeindevertreter von Anfang an mit einbeziehen müssen. Sie müssen auch bereit sein, zum richtigen Zeitpunkt Evidenz liefern zu können, wenn z.B. ein Gemeinderatsbeschluss bevorsteht. Hier haben wir über die Jahre einiges an Wissen über die Zusammenhänge aufgebaut. Es ist oftmals der beste Weg, wenn ein Projekt in ein staatliches Budget aufgenommen wird.“ (GF) Die Geschäftsführerin schränkt allerdings ein, dass nicht bei jedem Projekt die Nachhaltigkeit oder die Verbreitung im Vordergrund stehen muss: „Erstens muss manches auch erst einmal erprobt werden und zweitens lohnt es sich auch einfach mal Dinge zu machen, ohne dass es immer weitergeht. Es muss nicht immer nach Schema Businessplan laufen, sondern man kann auch erst einmal etwas machen. Einen Effekt erzielen!“ (GF) Um die Chancen eine Verankerung zu erhöhen, setzt die MCH in vielen Projekten auf gemeinsame Trägerschaften, so dass die Vorhaben von Beginn an breiter in der Gesellschaft abgestützt sind. Sie vernetzt sich dabei aktiv mit anderen Stiftungen und öffentlichen Institutionen. Von ihren Förderpartnern verlangt sie, dass sie die Ergebnisse der jeweiligen Projekte in die Öffentlichkeit bringen (z.B. durch Evaluationen, eigene Publikationen oder Veranstaltungen). Das Ziel ist, das Wissen in die Gesellschaft zu tragen und weitere Anschlussmöglichkeiten aufzuzeigen. Ein

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Teil der Förderprojekte der MCH zielt direkt auf die Ausweitung erfolgreich erprobter Ansätze ab. Dies kann z.B. durch die Finanzierung des Aufbaus weiterer Regionalstellen einer Organisation geschehen oder durch die Unterstützung der überregionalen Einführung eines Bildungskonzepts. Der Schlüssel für die weitere Verbreitung liegt laut der GF schon in der Beurteilung der Projektanträge: „Wichtig ist für uns die Übertragbarkeit des Projektes auf andere Gebiete. Wir möchten nicht die Lösung des Sozialunternehmers XY, sondern wir möchten wirklich das Format fördern. Es muss ein weiteres Element haben, dass man etwas erprobt, aber dann auch ein Konzept dafür hat, wie man dieses Projekt oder das Wissen in die Verbreitung bringt“ (GF). 6.2.2.5

Beispiele der Förderarbeit – Das Modell in der Praxis

Seit dem Aufbau der Geschäftsstelle hat die MCH über 1.000 Projekte gefördert. Die Projektsummen reichen von kleinen Beträgen bis zu langjährigen Förderungen in Millionenhöhe. Gemeinsam an allen Projekten ist, dass sie mit den Werten kongruent sind, wie sie im Leitbild der Stiftung ausgedrückt werden. Der Schwerpunkt liegt auf der Befähigung junger Menschen und der Förderung von Chancengleichheit. Ziel der Stiftung ist, jungen Menschen ein weltoffenes Gesellschaftsbild zu vermitteln, welches auf Toleranz und Respekt aufbaut. Zeitgleich sollen sie dafür sensibilisiert werden, mit ökologischen Ressourcen verantwortungsvoll umzugehen. Die Vorstellung der geförderten Projekte folgt den Tätigkeitsfeldern der MCH vor dem Optimierungsprozess: Wissenschaft, Kinder & Jugendliche, Mensch & Umwelt. Zu den höchsten Fördersummen der MCH gehören Beiträge an die Züricher Hochschulen im Bereich Wissenschaft. Eines der ersten Förderprojekte ist der Aufbau eines Forschungskreditprogramms an der Universität Zürich, welches mit CHF 5 Mio. unterstützt wird. Das Ziel ist, jungen Wissenschaftlern den Raum zu geben, sich vollständig auf ihre Forschung konzentrieren zu können. In einem Gastbeitrag im Jahresbericht bezeichnet der damalige Rektor den Gewinn beider Institutionen folgendermaßen: „Die Universität wird unterstützt in der Förderung von Exzellenz und der Entwicklung kompetitiver Vergabeverfahren. Der private Partner hat im Gegenzug die Möglichkeit, eigene Förderimpulse zu setzen und Bereiche der Wissenschaft, die für ihn besonders relevant sind, gezielt voranzutreiben“ (MCH 2008, S. 16). Die MCH wählt dementsprechend Vorhaben aus, die mit ihren Themenbereichen in Verbindung stehen. Ein Beirat stellt sicher, dass die Qualität der Forschung das wichtigste Kriterium der Förderung ist. Die MCH ist zudem maßgeblich am Aufbau des Graduate Campus der Universität Zürich beteiligt, an dem verschiedene Unterstützungsleistungen für Doktorierende angeboten werden und der Austausch zwischen den Disziplinen vorangetrieben wird. Die Entwicklung wird von Experten begleitet, welche die MCH

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auch aus ihrem Netzwerk in Deutschland mobilisieren kann. Sie vergibt am Graduate Campus jährlich drei Forschungspreise für Doktorierende und Postdoktorierende. Mit dem Mercator Award werden Forschungsprojekte ausgezeichnet, die einen hohen gesellschaftlichen Nutzen versprechen und/oder interdisziplinär angelegt sind. Die Stiftung finanziert auch den Aufbau von Professuren an Schweizer Universitäten. Ein Beispiel ist der Mercator-Lehrstuhl für sozialwissenschaftliche Japanologie an der Universität Zürich mit ca. CHF 3 Mio. In diesem Fall ist die Förderung ein Art Folgeprojekt der philanthropischen Aktivitäten der Gründerfamilie, die für viele Jahre ein Austauschprogramm der Schweizerisch-Japanischen Handelskammer unterstützt hat. Im Rahmen der Professionalisierung der Stiftung wird die Frage aufgeworfen, ob es nicht eine bessere und nachhaltigere Möglichkeit gibt, das Verständnis junger Menschen für das zeitgenössische Japan zu stärken. Mit einer relativ kleinen Investition von CHF 10.000 für eine Tagung zum Thema „A practical view on Japanese Studies: Capacity Building for Swiss-Japanese Collaboration“, kann die MCH im Vorfeld Bedenken der Entscheidungsträger ausräumen, die sich zuvor skeptisch gegenüber einer sozialwissenschaftlichen anstatt philosophisch kulturwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Japan geäußert hatten. Die MCH lädt zu der Tagung einen ehemaligen Botschafter und eine Akademikerin aus ihrem Netzwerk ein. Ein Stiftungsrat betont, dass dies ein Beispiel dafür ist, dass kleine Investitionen oftmals größere Entwicklungen erst möglich machen. Er sieht es als wichtig an, Schlüsselmomente bei Entscheidungsträgern zu generieren, damit diese ein Vorhaben unterstützen. Weitere Projekte, die an Universitäten gefördert werden, sind interdisziplinäre und internationale Forschungs- und Doktorandenprogramme sowie Summer Schools. In allen Projekten fordert die MCH, dass sich die jungen Forschenden mit gesellschaftsrelevanten Fragestellungen auseinandersetzen und die Erkenntnisse in die Öffentlichkeit getragen werden. Zusätzlich zur Forschung unterstützt die MCH Vorhaben, bei denen sich Studierende gesellschaftlich engagieren. In der Exzellenzförderung trägt die MCH maßgeblich zum Ausbau und Entwicklung der Schweizer Studienstiftung bei. Im Gegensatz zum deutschen Pendant wird die Schweizer Studienstiftung primär von privaten Mitteln getragen. Über die Jahre investiert die MCH mehr als 4,5 Mio. CHF in deren Auf- und Ausbau. Unter anderem entwickelt sie mit dem Mercator Kolleg ein anfänglich von der Bosch Stiftung lanciertes Projekt weiter. Dabei handelt es sich um ein umfangreiches Kooperationsprojekt mit dem Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten, der Studienstiftung des deutschen Volkes, dem Mercator Program Center for International Affairs in Deutschland und dem deutschen Auswärtigen Amt. Ziel des Programms ist es mehr Schweizer (und Deutsche) in Führungspositionen von internationalen Organisationen zu verhelfen. Die Verbreitung wissenschaftlicher Erkenntnisse unterstützt die MCH zudem konkret durch Förderungen von

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Symposien zur Wissenschaftskommunikation oder der Finanzierung einer Doppelseite zum Thema Wissenschaft in der Pendlerzeitung „20 Minuten“. Mit der neuen Strategie konzentriert sich die MCH stärker darauf, über Forschungsprojekte Wissen zu generieren, welches zu den Zielen der Stiftung einen konkreten Beitrag leistet. Das Ziel ist nicht die Wissenschaftsförderung an sich, sondern über die Erkenntnisse aus der Forschung Lösungsansätze für die Praxis zu entwickeln Im Bereich Kinder & Jugendliche werden zum Teil auch Forschungsvorhaben an Universitäten oder privaten Instituten gefördert. Die Unterteilung in die Förderbereiche ist nicht immer ganz trennscharf. Der Großteil der Projekte folgt jedoch der Idee der Erprobung und Weiterentwicklung von Praxisprojekten. In mehreren Fällen gibt die MCH bei größeren Förderbeträgen formative Evaluationen in Auftrag. Bis zur Neuordnung der Tätigkeitsbereiche als Ergebnis des Strategieprozesses in 2016 fielen auch alle Schul- und Bildungsprojekte unter dieses Handlungsfeld. In der Bildung arbeitet die MCH eng mit der Bildungsdirektion in Zürich zusammen. Zum einen, da viele der Bildungsprojekte von der Administration genehmigt werden müssen, zum anderen aber auch, weil das Volksschulamt selbst mit eigenen Ideen an die MCH herantritt. Die Direktion des Amts ist an der Erprobung eigener Programme interessiert. Die staatlichen Vorgaben geben ihr wenig Spielraum in der Allokation von Budgets für neue Projekte. Der Direktor nutzt privates Förderkapital von Stiftungen, um durch die Erprobung von Konzepten Evidenz zu schaffen, die ihm in den nächsten Budgetverhandlungen Argumente geben, neue Programme an den Schulen zu institutionalisieren. Ein Beispiel ist der Aufbau eines Lehrbildungsprograms, das zeigt, wie die Themen Interkulturalität, Rassismus, Toleranz und Zusammenleben in den Unterricht integriert werden können. Damit soll auch dem Konfliktpotenzial in stark gemischten Schulklassen mit Angehörigen verschiedener Herkunftsländer, Religionen und ethnischer Gruppen etwas entgegen gesetzt werden. Das erste große Bildungsprogramm, bei dem die MCH als Initiantin auftritt, ist das Projekt „Schulen lernen von Schulen“. Aus seiner eigenen Erfahrung als Schulpräsident weiß der eGF, dass viele Lehrer von den anhaltenden Schulreformen verunsichert sind. Die MCH vermittelt zwischen dem Volksschulamt Zürich und der Pädagogischen Hochschule Zürich im Aufbau des Programms. Ziel ist, den Austausch zwischen Schulen über die Einführung neuer Lehrkonzepte und deren Herausforderungen zu stärken. Ein Preis zeichnet besonders gelungene Projekte aus und verhilft ihnen dadurch zu mehr Sichtbarkeit. In Deutschland wurde zuvor ein ähnliches Projekt mit dem Namen ´Schulen im Team´ der deutschen Stiftung Mercator gefördert. Die wissenschaftliche Leitung aus Deutschland ist in der Programmentwicklung in der Schweiz beratend tätig. Das Projekt wird zudem

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von einer Steuerungsgruppe begleitet, welches mit Vertretern der MCH, des Eltern- und Lehrerverbands und der Bildungsdirektion besetzt ist. Eine wissenschaftliche Evaluation zieht eine positive, wenn auch an manchen Stellen kritische Bilanz des Projekts (Werder et al. 2012). Das Projekt „Personalisiertes Lernen in heterogenen Lerngemeinschaften“ ist ein weiteres Projekt, welches von der MCH initiiert wird. Sie nimmt auch die operative Aufgabe der Projektkoordination war. Dazu stellt die Stiftung einen Bildungsexperten im Mandat an. Um das Projekt zu lancieren, organisiert die MCH drei Netzwerkveranstaltungen. Eingeladen werden Schulleiter, Lehrer, Schulbuchverlage, IT-Dienstleister und Bildungsforscher. Zu den Veranstaltungen kommen jeweils 80 – 100 Teilnehmende. In dem Projekt erproben über 50 Schulen in zehn Teilprojekten die Einführung von personalisierten, auf die individuellen Fähigkeiten der Schüler abgestimmte Lehrformate und Lehrmittel. Die MCH investiert hierzu CHF 2,75 Mio. in die Verwirklichung der Teilprojekte und deren begleitende Evaluation. Eine Querschnittstudie zeigt, dass die personalisierten Unterrichtsformen zum Lernerfolg beitragen (Reusser et al. 2016). Die Umsetzung der Projekte hat zudem in den Schulen zur Erprobung von neuen Unterrichtsformen geführt und alte Konventionen aufgebrochen. Inwiefern sich die Konzepte in der Zukunft durchsetzen, bleibt offen. Manche Teilprojekte können Erfolge erzielen, andere scheitern auch an zu hohen Ansprüchen. Die MCH zieht in einer öffentlichen Eigenpublikation eine selbstkritische aber vorwiegend positive Bilanz, in der sie insbesondere auch auf Lerneffekte für die eigene Stiftungsarbeit eingeht (MCH 2017b). Des Weiteren unterstützt die MCH schulergänzende Förderprogramme für sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche, Projekte zur Unterstützung der Eltern bei der Förderung ihrer Kinder, Ansätze zur Begleitung junger Menschen in die Berufswelt, niederschwellige Angebote in der Freizeit sowie Aktivitäten von Jugendverbänden, um deren soziale und kulturelle Öffnung voranzutreiben. Beispiele sind ein Mentoren- und Nachhilfeprogramm zur Erreichung der Mittelschule für Schüler mit Migrationshintergrund (ChagALL); ein Projekt, bei dem die Chancen auf einen spätere Lehrstelle bei lernschwachen Schülern durch Wochenarbeitsplätze gestärkt werden (LIFT); Bestrebungen, des Vereins MUS-E, die kulturelle Bildung in Schulen zu stärken sowie mehre Projekte des Partners infoklick.ch. Der Verein fördert Jugendliche in der Entwicklung und Ausführung eigener Ideen. Der Gründer ist Ashoka und Schwab Fellow. Mit dem Verein verbindet die MCH eine enge Partnerschaft. Bei der großen Mehrheit der Projekte im Kinder- & Jugendbereich tritt die MCH nicht als alleiniger Förderer auf, sondern finanziert Teilbeträge. Ein Beispiel ist die Kofinanzierung des „Orientierungsrahmens für frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung“ mit CHF 50.000, der von dem Marie Meierhofer Institut

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für das Kind erarbeitet und gemeinsam von der Schweizerischen UNESCO-Kommission und dem Netzwerk Kinderbetreuung Schweiz herausgegeben wird. Das Dokument wird konsequent aus der Sicht von Kindern verfasst. Ziel ist, einen Beitrag zur Weiterentwicklung von frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung in der Schweiz zu leisten (Wustmann Seiler & Simoni 2012). Seit 2012 wurde der Leitfaden über zehntausend Mal verkauft und von der Website heruntergeladen. Inzwischen ist die dritte Druckausgabe erschienen. Das Dokument ist auf einen hohen Bedarf gestoßen. Die MCH hat sich daher entschieden mehrere Folgeprojekte zur Erprobung der im Leitfaden genannten Konzepte zu finanzieren. Das Projekt ist ein Beispiel, bei dem die Stiftung zuerst in die Entwicklung einer Idee investiert und anschließend die Anwendung in der Praxis fördert. Im Bereich Mensch & Umwelt setzt sich die MCH für den ressourcenschonenden und nachhaltigen Umgang mit der Umwelt ein. Schwerpunkte sind die Sensibilisierung der Gesellschaft und Projekte, welche die Handlungskompetenz von Personen für einen nachhaltigen Lebensstil fördern sowie die Stärkung der Forschung und der Verbreitung der ökologische Landwirtschaft und Ernährung. Eines der Kernkonzepte ist die Suffizienz, der bewusste Umgang mit der Endlichkeit der Ressourcen und der kreative Umgang mit einem genügsamen Konsum- und Lebensstil. Durch die Förderung von Forschungs- und Praxisprojekten möchte die MCH der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft evidenzbasierte Lösungsansätze zur Begegnung ökologischer Herausforderungen bereitstellen. Sie folgt dabei der Vision, dass die Schweiz international zum Vorbild im Umgang mit natürlichen Ressourcen werden soll. Eines der größten Projekte im Umweltbereich ist die Förderung des World Food System Center (WFSC) an der ETH Zürich. Das WFSC ist ein interdisziplinäres Forschungszentrum, das die gesamte Kette der Nahrungsmittelproduktion bis zum Endverbrauch untersucht. Die Unterstützung ist im Stiftungsrat nicht unumstritten, weil das Zentrum auch vom industriellen Saatgut- und Pestizidhersteller Syngenta gefördert wird. Der Stiftungsrat entscheidet sich aber gerade deswegen für eine Unterstützung, um ein Zeichen zu setzen, dass Nahrungsmittelsicherheit nicht nur mit gentechnischen, chemischen und industriellen Methoden zu erreichen ist. Mit der Förderung der Forschung zu biologischen Methoden möchte die MCH einen Gegenpol schaffen. Über neun Jahre werden CHF 5 Mio. für die Ausbildung von 15 Doktoranden zur Verfügung gestellt, die zu den Bereichen nachhaltige Landnutzung, natürliche Ressourcen, Klimawandel und Agrarökosysteme forschen. Die Themen sollen bevorzugt eine sozialwissenschaftliche Komponente und einen engen Praxisbezug haben. Außerhalb der Universität hat die MCH mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und der Stiftung Biovision enge Partnerschaften aufgebaut. Sie tauscht sich periodisch mit beiden Institutionen aus. Die MCH unterstützt die Stiftung Biovision, die sich u.a. auf politischer Ebene für einen Kurswechsel in

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der Landwirtschaft hin zu ökologischen Methoden einsetzt, z.B. in der Organisation eines Roundtable in New York im Vorfeld der Rio+20 Verhandlungen. Der Roundtable versammelt über 80 hohe Vertreter aus Zivilgesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Auch Landwirte nehmen an dem Treffen teil. Die MCH entsendet aus ihrem Netzwerk einen ehemaligen Staatssekretär aus Deutschland. Teile des gemeinsam erarbeiteten Forderungskatalogs fließen in die Enderklärung der Konferenz ein. Mit einer Nachfolgeförderung unterstützt die MCH Biovision als Projektpartnerin in der Umsetzung biologischer Landwirtschaftsprogramme in drei afrikanischen Ländern. Mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) geht die MCH der Frage nach, wie nachhaltige Landnutzungssysteme entwickelt werden können oder wie die biologische Baumwollzüchtung ohne Manipulationen im genetischen Erbgut verbreitet werden kann. Mit diesen Förderungen beabsichtigt die MCH wiederum Evidenz zu schaffen, dass der biologische Landbau ein wichtiger Baustein der nachhaltigen Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion ist. Beispiele im Bereich der Umweltbildung umfassen ein Programm zur Entwicklung von zertifizierten Umweltschulen, bei denen der sensible Umgang mit der Natur im Lehrplan verankert wird, Wanderausstellungen zum Thema fair gehandelter Produkte sowie ein Projekt zur Entwicklung eines Nachhaltigkeitsindexes für Essenmenüs. Im September 2015 organisiert die MCH in Zusammenarbeit mit dem Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich (UGZ) als gemeinsamer Träger den Themenmonat „Zürich isst“. Über 100 Organisationen partizipieren und veranstalten Workshops, Ausstellungen, Rundgänge, Podiumsdiskussionen und viele weitere Aktivtäten rund um das Thema Essen und Nachhaltigkeit. In der frühen Planungsphase stellt sich heraus, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit des Themenmonats am höchsten ist, wenn die MCH als neutrale Brückenorganisationen die vielen NPO und Institutionen miteinander verbindet. Die ersten Kooperationspartner gehen von einem zu hohen Konkurrenzdenken aus, wenn die Projektleitung bei einer einzelnen Umweltorganisation liegt. Um die Geschäftsstelle nicht zu überlasten, mandatiert die MCH ein Projektbüro mit der operativen Umsetzung und Koordination. Die Gesamtprojektleitung liegt beim UGZ und der MCH. Sein gemeinsamer Beirat ist mit weiteren Fachexperten aus den Bereichen Bildung, Wissenschaft, NPO, Gastronomie und Verwaltung besetzt. Zur Evaluation des Erlebnismonats wurden 12 Output-Ziele, 10 Outcome-Ziele und 6 Impact-Ziele definiert. Insgesamt zieht eine Evaluation eine vorsichtig positive Bilanz. Bemängelt wurde u.a. der hohe administrative Aufwand für die teilnehmenden Organisationen und die zurückhaltende Öffentlichkeitarbeit. Zudem wurden vor allem Menschen erreicht, die sich ohnehin schon umweltbewusst verhalten und ernähren. Trotzdem würden über 80% der beteiligten Akteure eine neue Durchführung begrüßen. Über 90.000 Personen haben aktiv an den Angeboten den Themenmonats teilgenommen (Müller & Bätig 2016).

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6.2.3

Fallstudien

Governance (Organisation und Steuerung)

Das Philanthropiemodell der MCH basiert darauf, Initiativen anzustoßen und zu fördern, Projekte in ihrer Entwicklung zu begleiten, Förderpartner zu vernetzen und gewonnenes Wissen in die Gesellschaft zu tragen. Um ihre Ziele zu erreichen, baut die MCH ein Governance Modell auf, das auf einer gut ausgestatteten Geschäftsstelle und einem weitreichend vernetzten Stiftungsrats beruht. Angeleitet durch den ersten Geschäftsführer und Mitglieder des Stiftungsrats, stellt die Stiftung ein junges Team zusammen, das schrittweise immer mehr Verantwortung übernimmt. Die Mitarbeitenden sind als Projektmanager den Tätigkeitsfeldern zugeordnet. Die Beförderung einer Mitarbeiterin zur Geschäftsführerin und das Vertrauen in die Mitarbeitenden sind kongruent mit dem übergeordneten Ziel der Stiftung, junge Menschen zu fördern. Den Mitarbeitenden wird Raum zur Entwicklung zum Aufbau von Handlungsfeldern gegeben. Sie arbeiten eng mit den Projektpartnern zusammen und sind in thematischen Arbeitskreisen engagiert. Die Zusammensetzung des Teams aus Universitätsabsolventen verschiedener Fachrichtungen (u.a. Soziologie, Psychologie, Theaterwissenschaften, Geschichte, Internationale Beziehungen), erlaubt der MCH verschiedene Perspektiven auf gesellschaftliche Probleme einzunehmen. Die verschiedenen Hintergründe der MA werden innerhalb der Stiftung als kreatives Potenzial wahrgenommen wie ein SR betont: „Wir haben z.B. einen Mitarbeiter, der kommt aus der interkulturellen Theaterwelt. Der hat einen Blick auf die Welt, der ist völlig verschieden von meinem. Es ist wichtig, dass man nicht denkt, dass mein Blick, mein Entwurf der richtige ist, sondern dass man Freude an der anderen Perspektive hat“ (SR). In den Strategiepapieren thematisiert die MCH ihre eigene Weiterentwicklung in Bezug auf den Aufbau weiterer Kompetenzen der Mitarbeitenden und der Verbesserung von Prozessen innerhalb der Stiftung. In den Strategieentwicklungen sind die Mitarbeiter und die Geschäftsführerin die treibenden Kräfte. Der Stiftungsrat wird vom Sprecher der Gründerfamilie präsidiert. Weitere Mitglieder sind ein renommierter Wirtschaftsprüfer (u.a. frühere Aufsichtsratsmandate bei der Credit Suisse, Swisscom und Holcim), ein Steuerberater und Finanzexperte aus Deutschland, ein weiteres Mitglied der Gründerfamilie, der ehemalige Geschäftsführer der MCH sowie der Vorsitzende des Beirats der Stiftung Mercator Deutschland. Letzter war zuvor Leiter des Präsidialamts unter dem deutschen Bundespräsidenten Johannes Rau. Bis 2011 gibt es einen eigens etablierten Vergabeausschuss, der vom Vorsitzenden des Beirats der deutschen Stiftung präsidiert wird. Mit dem Übertritt des ehemaligen Geschäftsführers in den Stiftungsrat wird der Vergabeausschuss aufgelöst und die Förderentscheidungen werden im Stiftungsrat getroffen. Ein Anlageausschuss überwacht die Entwicklung des Finanzvermögens und die Einhaltung der Anlagestrategie. Der Stiftungsrat kooptiert sich selbst.

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Werden von Seiten der Geschäftsstelle spannende Problemstellungen identifiziert, müssen die MA den Stiftungsrat von der Wichtigkeit der möglichen Lösungsansätze überzeugen. In den ersten Jahren müssen sie ein Gespür dafür aufbauen, welche Projekte der Stiftungsrat als gut erachtet oder wie er bestimmte Themenschwerpunkte interpretiert. Vereinzelt sind Entscheidungen des Stiftungsrats für die Mitarbeitenden nicht unbedingt nachvollziehbar. Der Strategieprozess 2016 wird von der Geschäftsführung auch deswegen angestoßen, damit die Mitarbeitenden einen guten Orientierungsrahmen haben, welche Projekte an den Stiftungsrat herangetragen werden können und gute Chance zur Bewilligung haben. Der Prozess der Förderentscheidung ist nach der beantragten Summe gestaffelt. Bis zu einem Betrag von CHF 10.000 hat die Geschäftsführerin Eigenkompetenz, bis CHF 50.000 kann sie zusammen mit dem Stiftungsratspräsidenten entscheiden, ab CHF 50.000 ist der gesamte Stiftungsrat einzubeziehen. Den Wünschen der Gründerfamilie wird innerhalb des Stiftungsrats großes Gewicht eingeräumt, denn „es geziemt sich nicht, gegen den Willen der Familie zu handeln“ (SR). Die Geschäftsführung hat die Möglichkeit, dem Stiftungsrat ein Vorgesuch zukommen zu lassen, damit sie in unsicheren Fällen abschätzen kann, ob es sich bei größeren Summen lohnt, ein Projekt weiterzuentwickeln. Das Antragsformular ist Grundlage für die Vorbereitung der Beschlussvorlage und Mittel zum Projektcontrolling. In den Sitzungen werden die Projekte laut der Stiftungsratsmitglieder intensiv diskutiert, zum Schluss aber gemeinsam entschieden: „Es ist höchst spannend wie es hoch und her geht. Diskussionen, wie die Gesellschaft gestärkt werden kann, verschiedene Meinungen, kontroverse Standpunkte, aber am Ende finden wir uns immer wieder. Abstimmen mussten wir noch nie“ (SR). Jeder Partner muss nach Abschluss der Projekte einen Schlussbericht einreichen. Die Mitarbeitenden sind dazu angehalten, Lerneffekte aus den Förderungen in eine Datenbank einzutragen. Mitglieder des Stiftungsrats, inkl. des Präsidenten besuchen Projekte und nehmen an den Workshops der Stiftung teil. Der ehemalige Geschäftsführer ist in Steuerungsgruppen von Förderprojekten vertreten. Zu den Stiftungsratssitzungen werden des Öfteren Experten und Förderpartner der MCH eingeladen, um über künftige Partnerschaften zu diskutieren. Der Stiftungsrat verfügt über ein stark ausgeprägtes Netzwerk, insbesondere auch durch die Verbindungen mit der deutschen Stiftung Mercator. Die MCH hat Zugang zu hochrangigen Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Das Netzwerk wird aktiv zum Austausch und für Gutachtertätigkeiten genutzt. Die MCH kann dadurch auf Expertenwissen zugreifen, welches im Stiftungsrat nicht vorhanden ist. Die MCH folgt den Governance Empfehlungen des Swiss Foundation Codes. Sie kommuniziert ausführlich und transparent über ihre Aktivitäten. In den Jahresberichten werden die Förderpartner mit Fördersumme und -laufzeit aufgeführt. Finanzkennzahlen beschreiben detailliert die Höhe des Stiftungsvermögens und die Summe der Ausschüttungen.

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Fallstudien

6.2.4

Die MCH unter dem Blickwinkel der sozialen Innovation

Die MCH tritt in vielen Fällen als Förderer von sozialen Innovationen auf, im begrenzten Masse auch als Initiant. Nach dem schematischen Phasenmodell sozialer Innovation unterstützt die MCH Projekte in allen Entwicklungsstadien, von der Erprobung bis zur Verbreitung neuartiger Lösungsansätze. In ihrer Entwicklung hat sie sich schrittweise immer stärker zu einer Institution gewandelt, die explizit kommuniziert, dass sie in alle Projektphasen ihrer Partner investiert. Mehrmalige Förderungen sind möglich, wenn damit nachweislich ein weiterer Entwicklungsschritt der Organisation oder des Projekts erreicht werden kann. Vorhaben können in verschiedenen Reifegraden an die Stiftung herangetragen werden. Die MCH versucht mit Hilfe ihres eigenen Erfahrungskapitals und ihrem sozialen Netzwerk bei der Weiterentwicklung der Projekte einen Beitrag zu leisten. Basis der Problemwahrnehmungen sind die zu Beginn von der Gründerfamilie formulierten Werte einer weltoffenen, nachhaltig handelnden und auf Chancengleichheit aufbauenden Gesellschaft. Mit der wachsenden Erfahrung der Mitarbeitenden und im Dialog mit den Förderpartnern formuliert die MCH schrittweise spezifischere Herausforderungen, denen sie eigens formulierte Visionen entgegensetzt. Die Förderschwerpunkte zeigen auf, wo die Stiftung einen konkreten Beitrag zur Begegnung dieser Herausforderungen leisten will. Dazu investiert sie in die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit definierten Problemen, in den Wissenstransfer, in die Erprobung von praktischen Projekten sowie in die Ausweitung von funktionierenden Ansätzen. Die MCH betreibt kein aktives politisches Lobbying, sie versucht aber, in den Tätigkeitsbereichen Evidenz zu generieren, wie mit einer Herausforderung erfolgreich umgegangen werden kann. Durch den Anspruch der MCH alle Ergebnisse in der Öffentlichkeit publik zu machen, stehen diese als Argumentation für Akteure zur Verfügung, welche aktiv in öffentliche Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Dadurch verspricht sich die MCH den Nährboden für komplexere Innovationen zu schaffen, die auf anderen Entscheidungsebenen (Politik, Administration) stattfinden. Sensibilisierungsprojekte zielen auf Verhaltensänderungen auf individueller Ebene ab. Das Wort Innovation ist in den Publikationen, den internen Dokumenten und auch in den Fördervoraussetzungen regelmässig zu finden. Die MCH geht selbstreflektiert mit dem Begriff um. Die Neuartigkeit eines Projekts ist für die MCH ein relationales Konzept. An sich müssen jedoch alle Projekte auf gesellschaftliche Herausforderungen reagieren, wie es die GF ausdrückt: „Im Spektrum Innovativ – Wirksamkeit sind wir mehr auf der Seite Wirksamkeit. Das Innovative begegnet uns immer wieder und wir freuen uns, aber es muss nicht alles unbedingt innovativ und neuartig sein. Es ist vielmehr so, dass wenn durch ein Projekt Innovation geschehen kann, dann ist es umso besser. Auf der anderen Seite – wenn man die Definition umkreist: Neue Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme. Das ist, was jedes Projekt bei

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uns mitbringen muss. Wie neuartig die Lösung schlussendlich ist, ist schwer zu sagen. Für uns ist es genauso legitim, eine erprobte Lösung in einem neuen Kontext zu fördern“ (GF). Einen ersten Filter, um die Neu- oder Andersartigkeit eines Vorhabens zu überprüfen, setzt die MCH in ihrem Antragsformular. Dort verlangt sie, dass die Gesuchsteller beschreiben, welche Ansätze bereits existieren mit einem Problem umzugehen, wie sich der eigene Lösungsvorschlag von bestehenden unterscheidet und welches die Vorteile des eigenen Ansatzes sind. Zusätzlich holt die MCH regelmässig Gutachten ein oder hält kurz Rücksprache mit Experten aus ihrem Netzwerk. Dadurch kann die MCH gut einschätzen, wie neuartig die vorgeschlagenen Lösungsansätze wirklich sind. Die von der MCH geförderten Projekte bieten in den meisten Fällen alternative Handlungsmöglichkeiten zu Praktiken an, wie bisher mit gesellschaftlichen Herausforderungen umgegangen wird. Beispiele, wie die Ausbildung interkultureller Vermittler, Betreuungsprogramme für Jugendliche mit Migrationshintergrund oder Förderpreise für interdisziplinäre Forschungsprojekte sind an sich nicht besonders innovativ. Für viele der Projekte lassen sich ähnliche, bereits existierende Vorhaben finden. Sie haben allerdings in dem jeweiligen Kontext, in dem sie eingeführt worden sind, zuvor noch nicht existiert. Begleitende Evaluationen sollen zeigen, dass sie zu besseren Resultaten führen als etablierte Ansätze. Aus ihrer Fördererfahrung kennt die MCH die wichtigsten Hebel, um neuartige Ansätze nachhaltig in die entsprechenden Budgets zu integrieren. Gleichzeitig stellt sie staatlichen Institutionen Kapital zur Verfügung (z.B. dem Volkschulamt), damit diese selbst neue Projekte lancieren können. Auf der Ebene der Einzelprojektförderungen stellt die MCH mit ihrem Antragsprozess und der intensiven Begleitung der Projekte sicher, dass die gewünschten Leistungen umgesetzt werden. Damit versucht sie sicherzustellen, dass die unmittelbaren Ziele erreicht werden. Die umfangreichen Informationen aus den Anträgen tragen dazu bei, dass die MCH ihr eigenes Wissen in den Problembereichen stetig erweitern kann. Inwiefern sich aus den Einzelprojekten übergreifende Wirkungen in den Tätigkeitsfeldern ergeben, lässt sich schwer nachvollziehen. Zum einem, da die Erreichung der gesellschaftlichen Visionen der MCH, ihre eigene Einflusskraft übersteigt. Die übergeordneten Herausforderungen in den Bereichen Umwelt, Bildung oder Völkerverständigung übertreffen die Wirkungskraft eines (zwar relativ hohen) Förderbudgets von CHF 10 -12 Mio. an Größe und Komplexität. Zum anderen führt die MCH selbst keinen Kausalitätsnachweis, „weil ich es bei einer privaten Stiftung als gefährlich erachte, wenn sie behauptet, sie habe die politische Wende herbeigeführt oder den politischen Prozess verantwortet. Bei der kauft man nur einmal und nicht zweimal. Wir können uns über so eine Geschichte still freuen. Wenn wir sagen, ´guck mal die haben das gemacht´, dann ist das doch gut. Da muss man nicht die

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Backen aufblasen und sagen: ´Wenn die Sonne lacht, hat das die Stiftung Mercator gemacht´. Da muss man ein Stück zurückhaltend sein“ (SR). In ihren Publikationen ist die MCH daher auch bestrebt, ihre Partner in den Vordergrund zu stellen. Dies ermöglicht ihr die Brückenfunktion zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren einzunehmen. Aus dem von der MCH initiierten Kontakt von Gruppen, die sonst nicht oder wenig in Kontakt miteinander stehen, entwickeln sich neue Projektideen wie bei den Beispielen des Programms „Personalisiertes Lernen in heterogenen Lerngemeinschaften“, dem Erlebnismonat „Zürich isst“ oder der Vernetzung der Partner in den eigens organisierten Mercator Workshops. Die Strategie wird von einem SR als nicht unbedingt innovativ, aber als intelligent beschrieben: „Und da glaube ich können wir Impulse geben, Gedanken anstoßen, die noch weiter nachhallen und vielleicht in ein sich selber tragendes Netzwerk führen. So sehr innovativ ist das nicht, aber vielleicht nicht ganz unintelligent, die Kräfte zu sammeln, zu bündeln und zum Schluss etwas für alle herauszubekommen und es zu erhalten“ (SR). Die Themen, die von MCH bearbeitet werden, sind nicht kontrovers, sondern finden in der Zivilbevölkerung breite Unterstützung. Die Ausrichtung der Stiftung steht zwar einer eher rechtskonservativen politischen Richtung entgegen (z.B. in Fragen der Integration), die Aktivitäten der Stiftung werden jedoch als legitim angesehen. Der längere Abklärungsprozess und die bürokratischen Steuerungsmechanismen führen dazu, dass die MCH auf der Projektebene „kalkulierte Risiken“ (SR) eingeht. Evaluationen zeugen von erfolgreichen Projekten und weisen auf Verbesserungspotentiale hin. Bei einigen Projekten werden die anvisierten Ziele nicht erreicht. Das größte Risiko sieht ein SR weniger auf der konkreten Projektebene, sondern eher darin, dass die Stoßrichtungen der Projekte (z.B. bei der Integration, nachhaltiger Konsum und Suffizienz) in der gesellschaftlichen Debatte ungenügend aufgenommen werden und die Effekte außerhalb der spezifischen Projekte nur marginal bleiben. Wichtig sind dann die Lerneffekte: „Die Frage intern wird nur immer sein, haben wir daraus etwas gelernt, wissen wir, dass eine bestimmte Vorstellung so nicht funktioniert“ (SR). Die direkte Förderung von sozialen Innovationen ist somit insgesamt eine Teilstrategie der MCH. Sie greift Innovationen in verschiedenen Implementierungsphasen auf und versucht, sie einen Schritt weiterzubringen. Projekte wie Kulturaustauschprogramme, Vorhaben zur Steigerung der Qualität der frühkindlichen Bildung, die Förderung der kulturellen Bildung von Kindern oder die Förderung von Auslandsaufhalten während der Lehre haben zwar alle eine neuartige Komponente, aber sind nichts Außergewöhnliches, im Sinne von Bestrebungen, die es so noch nie gegeben hat. Es sind „vernünftige und gute, wirksame Projekte“ (SR), die von den jeweiligen Akteuren verantwortungsvoll umgesetzt werden. Sie sind weder

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disruptiv, noch stellen sie irgendwelche gesellschaftlichen Paradigmen in Frage. Es sind hingegen Projekte, welche von privaten und staatlichen Initiatoren an die Stiftung herangetragen werden und zu dem humanistischen Weltbild der Stiftung passen. Diesen Ideen versucht die MCH gemäß ihres Leitspruchs Flügel zu verleihen und sie in der Umsetzung mit finanziellen und beratenden Mitteln zu unterstützten. Durch die Zukunftsorientierung der Projekte arbeitet die MCH an der Verwirklichung ihrer gesellschaftlichen Visionen mittels Befähigung und Vernetzung von Partnern. Sie stellt neben dem finanziellen Kapital ihr Netzwerk, ihre Erfahrung und ihren Namen zur Verfügung. Die MCH investiert in langfristige Entwicklungsprozesse durch die Förderung vieler einzelner Projekte, mit der Hoffnung, dass sich daraus positive Entwicklungen auf der Makroebene ergeben. Gleichzeitig sind die offen kommunizierten Ergebnisse der Förderprojekte und die Förderung von Sensibilisierungsprojekten ein Nährboden, auf dem weitere Ideen für soziale Innovationen entstehen können. 6.3

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Legende: ePR: Ehemaliger Präsident des Stiftungsrats PR: Präsident des Stiftungsrats SR: Mitglied des SR GF: Geschäftsführer PL: Projektleiter PA: Partner 6.3.1

Stifter und Gründungsgeschichte

Die Sophie und Karl Binding Stiftung (SKBS) wird 1963 von dem gleichnamigen Ehepaar gegründet. Die aus Frankfurt stammende Sophie Binding, geboren Hübscher, ist in erster Ehe mit Hans Opel verheiratet. Der Enkel von Adam Opel zieht 1929 in die Schweiz und gründet dort die Hansa AG, eine Finanzierungsgesellschaft für Automobilhandelsfirmen. 1948 verstirbt Hans Opel und vererbt einen Großteil seines Vermögens seiner Ehefrau. Drei Jahre später heiratet diese in zweiter Ehe den ebenfalls aus Frankfurt stammenden promovierten Jurist Karl Binding. Beide kennen sich seit ihrer Jugendzeit. Sie verbindet unter anderem ihre Liebe zur Kunst und Natur sowie ihre Jagdleidenschaft. 1955 verlegt das Ehepaar aus steuerlichen Gründen seinen Wohnsitz von Liestal bei Basel in das Fürstentum Lichtenstein, wo sie 1984 eine weitere Stiftung gründen. Das Stifterehepaar will mit den Stiftungen primär etwas an die Gesellschaft zurückgeben und verfolgt keine besonderen strategischen Ziele. Die Gründung der SKBS wird maßgeblich von dem damaligen Direktor der Hansa AG vorangetrieben (Schudel et al. 2014).

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Der erste Stiftungszweck sieht drei Handlungsfelder vor: Die wirtschaftliche Unterstützung von sozialen Institutionen, die Förderung des künstlerischen Schaffens und der Kultur sowie die Förderung gemeinnütziger, wohltätiger und vaterländischer Bestrebungen. 1988 wird eine Änderung und Erweiterung des Stiftungszwecks erwirkt. Die SKBS passt diesen ihrer Förderpraxis an und nimmt neue Themen auf. Der Stiftungszweck wird folgendermaßen formuliert: „Finanzielle Unterstützung von Vorhaben aller Art zum Schutze der Natur, besonders auch zur Gesunderhaltung und Verjüngung des Waldes sowie für Tierparks und -reservate. Unterstützung bedürftiger Berggemeinden sowie Förderung land- und forstwirtschaftlicher Projekte bedürftiger Gemeinden, Genossenschaften und anderer Zusammenschlüsse, vornehmlich im Berggebiet, zur gemeinsamen Bewältigung dringlicher Aufgaben, besonders auch zur Erzielung einer möglichst naturgerechten Bodennutzung, Unterstützung gemeinnütziger, namentlich von Privaten getragenen Institutionen zur Betreuung von Kindern, Invaliden, Kranken, Pflegebedürftigen und Betagten, Förderung des künstlerischen Schaffens und der Kulturpflege zu Gunsten einer möglichst breiten Interessentenschicht auf den Gebieten der Musik, der Literatur, des Theaters, der bildenden Künste, der Architektur, des Städtebaus und der Denkmalpflege, Unterstützung gemeinnütziger, besonders vaterländischer Bestrebungen.“ Die SKBS interpretiert den weiten Zweck heute so, dass sie in den vier übergeordneten Gebieten Umwelt, Soziales, Kultur und Bildung tätig ist. Innerhalb der Gebiete hat sie spezifische Förderthemen definiert. Sie ist schweizweit aktiv und fühlt sich den „Grundwerten der Schweiz verpflichtet“ (SKBS 2014a). Mit dem Binding Waldpreis vergibt die SKBS den am höchsten dotierten Umweltpreis der Schweiz. Die SKBS verfügt über eine kleine Geschäftsstelle, die neben dem Geschäftsführer mit einem Projektleiter für die Bereiche Umwelt & Soziales und einer Sekretärin besetzt ist. Der Stiftungsrat ist mit Ausnahme des Präsidenten außerhalb der Sitzungen wenig in die Aktivitäten der Stiftung involviert. Das Gesamtvermögen der Stiftung beträgt Ende 2016 ca. CHF 120 Mio. Der Stiftungsrat möchte das Kapital nominal erhalten. Die Stiftung schüttet jährlich CHF 3 - 4 Mio. an Projekte aus. Seit ihrer Gründung hat sie Förderbeiträge in der Summe von über CHF 88 Mio. gesprochen65. 6.3.2

Förderphilosophie /-strategie

Die Förderphilosophie der SBKS beruht auf einer „bewahrenden, konservativen Grundhaltung. Sie hat aber auch etwas Dynamisches“ (PL). Basierend auf ihrer Tradition und der Wertehaltung der Gründer setzt die SKBS ihre Fördermittel zur „Erhaltung einer 65 Die Zahlen stammen von den internen Berechnungen der Stiftung. Die SKBS publiziert ihr Vermögen nicht öffentlich.

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lebenswerten Schweiz“ (GF) ein. In ihren Förderungen sucht sie nach Lücken, die nicht im Fokus des Staats und anderer Stiftungen stehen und sie somit einen Beitrag leisten kann, „den natürlichen Lebensraum zu pflegen und die unterschiedlichen sozialen und kulturellen Ansprüche und Notwendigkeiten der Gesellschaft zu erfüllen“ (SKBS 2001, S. 1). Dementsprechend setzt sie sich zum Ziel, „den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Ausgleich in der Schweiz sowie die Integration und Verständigung der verschiedensprachigen Landesteile zu fördern und zu stärken und zur Erhaltung und Entwicklung der für die Identität der Schweiz wesentlichen natürlichen, kulturellen und geistigen Werte und Güter beizutragen“ (ebd.). Basierend auf dem Wunsch des verstorbenen Stifterehepaars und der eigenen Tradition ist die Förderpolitik der SKBS bewusst thematisch breit angelegt. Die Stiftung folgt einer bürgerlich liberalen Grundausrichtung. Neuartigkeit ist für die SKBS ein untergeordnetes Kriterium. Außer in den Schwerpunktprojekten ist die SKBS primär subsidiär tätig. In den ausgeschriebenen Programmthemen vergibt sie Finanzierungsbeiträge an Projekte, ohne Einfluss auf diese nehmen zu wollen. In ihrer Förderphilosophie sucht die SKBS nach pragmatischen Ansätzen, die einen direkt beobachtbaren Nutzen haben. Mit dem Binding Waldpreis führt die SKBS 30 Jahre lang ein eigenes operatives Projekt. Der Geschäftsführer und der Projektleiter sind in Verbänden engagiert, die im thematischen Zusammenhang mit der Stiftung stehen. Dort möchte die SKBS aktiv Einfluss nehmen. Der Geschäftsführer ist Gründungspräsident des Dachverbands SwissFoundations und steht dem Gremium von 2001 - 2005 vor. Von 2010 - 2016 ist er Präsident der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte. Der Projektleiter führt den Arbeitskreis Umwelt und Nachhaltigkeit von SwissFoundations und ist in weiteren Arbeitsgruppen engagiert. Er ist Mitbegründer und Vorstandsmitglied der Vereinigung junger Stiftungsexperten. Beide setzen sich aktiv für die Entwicklung des Schweizer Stiftungssektors ein. Das Engagement wird vom Stiftungsrat gefördert und trägt zur Profilierung der SKBS bei. 6.3.2.1

Entwicklung der Stiftungsstrategie (Problemwahrnehmungen & Lösungsansätze)

In den ersten 20 Jahren ihres Bestehens fördert die SKBS eine Vielzahl von Projekten unterschiedlicher Größe, ohne dass eine unmittelbar übergreifende Strategie erkennbar ist. In internen Dokumenten der Stiftungen wird von einem Gießkannenprinzip gesprochen (Schudel et al. 2014). Die Vergabungen werden primär auf Grund der persönlichen Beziehungen und Interessen der Stiftungsräte getätigt. Ein Teil basiert auf externen Anfragen. Die SKBS folgt dem Modell eines klassischen Mäzenatentums. Schwerpunktmäßig werden vor allem soziale Einrichtungen im Behinderten- und Jugendbereich, Projekte in Berggemeinden sowie Kunst und Kultur gefördert. Die Stiftung kauft immer wieder Kunstwerke für Museen. Sie hat keinen besonderen Anspruch gestaltend tätig zu sein. Im Stiftungsrat kommt es

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periodisch zu Diskussionen, ob die SKBS ihre Förderungen auf wenige große Projekte konzentrieren sollte. Das Modell der Breitenförderung wird jedoch beibehalten. Eine methodische und gezielte Vergabestrategie wird nicht verfolgt. Der ehemalige Präsident des Stiftungsrats beschreibt die frühere Situation folgendermaßen: „Die Förderungen waren relativ willkürlich, sei es etwas für den zoologischen Garten, oder den Umbau eines denkmalgeschütztes Hauses, oder mal für einen sozialen Zweck oder für ein Theater…. Und es war natürlich auch so, dass als Dr. Binding noch im Stiftungsrat war, dass wenn er einen Wunsch geäußert hat, dann war das Befehl“ (ePR). Als Grundlage für die Förderaktivitäten gibt die Originalfassung der Stiftungsurkunde wenig Orientierung, bzw. ist zu eng gefasst. 1987 stellt der amtierende Stiftungsratspräsident fest, dass die Förderpraxis und die urkundliche Festlegung des Stiftungszwecks nur bei einer sehr freien Interpretation übereinstimmen. Der Passus „Förderung des künstlerischen Schaffens“ wird mit dem Ankauf und der Weitergabe von Kunstwerken nur sehr bedingt erfüllt. Er schlägt daraufhin anstatt einer Änderung der Förderpolitik, eine Anpassung des Stiftungszwecks vor, welche 1988 vom Eidgenössischen Departement des Inneren genehmigt wird. Möglich ist dies, da in der Stiftungsurkunde eine Zweckänderung vorbehalten ist und das Stifterehepaar zustimmt. Die neue und heutige Fassung des Stiftungszwecks erlaubt der SKBS eine größere Handlungsfreiheit. Der Fokus auf Naturschutz und vor allem der Waldpflege ist zum einen dem persönlichen Interesse der Stiftungsratsmitglieder geschuldet, zum anderen ist er auch Ausdruck des damaligen Zeitgeists. Das beobachtbare Waldsterben ist Mitte der 80er Jahre ein Problem, das intensiv in der Gesellschaft diskutiert wird. Auch die schwierigen wirtschaftlichen Verhältnisse vieler Bergbauern und Dörfer sind ein prominentes Thema in Politik und Gesellschaft. Mit dem Passus „Unterstützung gemeinnütziger, besonders vaterländischer Bestrebungen“ wird dem Wunsch der Stifter weiterhin entsprochen, sich gegenüber der Schweiz dankbar zu zeigen. Der Stiftungszweck spiegelt die Aufnahme kontemporärer gesellschaftlicher Herausforderungen wider, die von den Stiftungsratsmitgliedern und dem Gründerehepaar als dringlich angesehen werden. Zugleich ermöglicht er mehr Freiheiten in den mäzenatischen Förderaktivitäten in Kunst und Kultur. Die bisher verfolgte Förderpraxis wird statutarisch legitimiert und weitere Betätigungsfelder werden eröffnet. Größere Einschnitte in der Geschichte der SKBS sind das Ableben von Sophie Binding im Jahr 1989 und von Karl Binding im Jahr 1994. Die Werte und Grundeinstellungen des Stifterehepaars prägen die Stiftung jedoch weiterhin und werden von ihrem Neffen und ihrem ehemaligen Privatsekretär im Stiftungsrat weitergetragen. Durch den Tod der Gründer und den Verkauf von Aktien der Hansa AG steigt das Vermögen der SKBS sprunghaft um CHF 70 Mio. an.

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Die Anzahl der eingehenden Gesuche steigt über die Jahre so stark, dass deren Bearbeitung nicht mehr mit den vorhandenen Strukturen bewältigt werden kann. Der damalige Vizepräsident des Stiftungsrats plädiert für eine Professionalisierung der Stiftungsarbeit, kann sich aber anfänglich nicht durchsetzen. Als er durch das plötzliche Ableben des amtierenden Präsidenten die Verantwortung über die Stiftung übernimmt, leitet er den Aufbau einer Geschäftsstelle ein. Er formuliert ein Organisationsreglement (SKBS 1998), das vom Stiftungsrat verabschiedet wird. Der Stiftungszweck wird darin dahingehend interpretiert, dass die SKBS in den vier großen Bereichen a) Natur- und Umweltschutz, Berggebiete; b) Soziales; c) Bildung und Erziehung und d) Kultur tätig ist. Innerhalb der Bereiche werden Beispiele für Zielrichtungen der Förderungen genannt (z.B. zukunftsgerichtete Landwirtschaft, Lücken in der Versorgung Behinderter und anderer Benachteiligter, Begabtenförderung oder Unterstützung von Museen und Sammlungen). Zudem soll ein vom Stiftungsrat festgelegter Betrag für eigene Schwerpunktprojekte der Stiftung eingesetzt werden. Die von der Stiftung initiierten oder aufgegriffenen Vorhaben werden aktiv begleitet und durch Beratung unterstützt. Mit der Umsetzung, der im Organisationsreglement vorgedachten Strategie wird ab 1998 ein promovierter Kunsthistoriker betraut, der die neue Stelle des Geschäftsführers antritt und bis Januar 2017 ausübt. Er entwickelt relativ schnell drei größere Schwerpunktprojekte, konzipiert die erste Webseite und standardisiert den regulären Gesuchsprozess. Für letzteres lässt er eine Gesuchsmanagementsoftware programmieren, die später auch bei anderen Stiftungen zum Einsatz kommt. Mit dem öffentlichen Auftritt steigt die Anzahl der Gesuche auf fast 700 Anträge pro Jahr. Die Bearbeitung führt neben der Weiterentwicklung der Schwerpunktprojekte zur zeitlichen Überlastung der Geschäftsstelle. Im November 2000 wird eine Retraite einberufen, um die Wirkungsweise der Geschäftsstelle sowie die Zusammenarbeit von Stiftungsrat und Geschäftsstelle zu analysieren. Im Vorfeld verschickt der Geschäftsführer ein Diskussionspapier, in dem er auf die Herausforderungen eingeht, die sich aus der Unterbesetzung der Geschäftsstelle, dem Anstieg der Anzahl an Anträgen und der relativ unstrukturierten Fördertätigkeit ergeben. Das wichtigste Ergebnis der Retraite ist, neben der Schaffung einer Assistenzstelle, die Formulierung von Vergaberichtlinien (SKBS 2001), welche die weitere Arbeit der Stiftung maßgeblich prägen. Darin wird festgehalten, dass die SKBS, dem Anliegen des Stifterpaars und des Stiftungsrats folgend, weiterhin bewusst eine inhaltlich breite Förderpolitik betreibt. Für die eigene Profilierung der Stiftung und zur Kanalisierung der Gesuche werden spezifische Förderthemen festgelegt, die prioritär unterstützt werden. Die Vergaberichtlinien beschreiben die Art von Projekten, welche die SKBS fördern möchte. Zudem werden Ausschlusskriterien formuliert und in einer Negativliste festgehalten.

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Mit den Vergaberichtlinien, von denen zeitweise als Leitbild gesprochen wird, strukturiert die SKBS ihre Fördertätigkeit. Sie formuliert erstmals spezifische Kriterien für die einzelnen Gebiete Umwelt, Soziales, Bildung und Kultur: x Im Förderbereich Umwelt möchte die SKBS gemäß der Richtlinien fortan Projekte vor allem dann fördern, wenn sie „Nachhaltigkeit besitzen, deshalb zukunftsträchtig sind und Vorbildcharakter haben, neue Impulse auslösen, die über das ursprünglich unterstützte Vorhaben hinauswirken“ (SKBS 2001, S. 3). x Im Sozialbereich unterstützt die SKBS Projekte, die „ausgewiesenen Bedürfnissen entsprechen“ (ebd). Dabei kann es sich zum einen um kleinere, individuelle Projekte handeln, die ohne die SKBS nicht zustande kommen und keinerlei Bekanntheit in der Öffentlichkeit besitzen. Zum anderen fördert die SKBS die Arbeit etablierter Institutionen. x Im Bildungsbereich unterstützt die SKBS „Vorhaben mit Vorbildcharakter, welche weitergehende Impulse geben. Im Vordergrund stehen Startfinanzierungen mit dem Ziel, dass diese im Laufe der Zeit selbstragend werden, […], oder dank Einbettung in ihrem Umfeld weitergeführt werden können“ (a.a.O., S. 4). x Im Kulturbereich unterstützt die SKBS Projekte mit „Ausstrahlungspotential, […] die eine Breitenwirkung erzielen können und somit zu ihrer eigenen Finanzierung beitragen können“ (ebd). Die Fördertätigkeit wird auf drei Ebenen unterteilt. x Auf der ersten Ebene stehen Schwerpunktprojekte. Diese werden entweder von der SKBS selbst initiiert und entwickelt, oder es sind Projekte, die an die SKBS herangetragen und als besonders wirkungsvoll erachtet werden. Sie werden über einen Zeitraum von mehreren Jahren mit relativ hohen finanziellen Beträgen gefördert. x Auf der zweiten Ebene hat die SKBS in jedem Förderbereich Programmthemen formuliert. Sie dienen der Fokussierung der Stiftung und der Kanalisierung der Gesuche. Bei den Förderungen handelt es sich meistens um einmalige Beträge. x Auf der dritten Förderebene akzeptiert die SKBS im Rahmen offener Gesuchseingaben Anträge, die im weiteren Sinne einen Bezug zu den Zielen in den Fördergebieten haben. Diese Gesuche werden nachrangig behandelt und nur in Ausnahmefällen bewilligt. Die jeweiligen Förderthemen basieren auf der bisher gelebten Förderpraxis, der Weiterführung der Werte des Gründerehepaars sowie den Interessen und Kompetenzen der Stiftungsräte und des Geschäftsführers. Ziel ist, die Arbeit der SKBS zu

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strukturieren und ein eigenständiges Profil aufzubauen: „Wir haben gesagt, wir wollen in gewissen Bereichen tätig sein, damit wir Schwerpunkte haben und nicht in dem riesigen Meer der gesellschaftlichen Probleme irgendetwas willkürlich raussuchen, was gerade am lautesten schreit“ (SR). In der Diskussion bezieht sich der Stiftungsrat auf den Stiftungszweck und die Werte des Gründerehepaars. Die in Abbildung 12 zusammengefassten Förderbereiche aus den Vergaberichtlinien zeigen die nach wie vor große Breite der Tätigkeitsfelder der SKBS. Umwelt Eigener Schwerpunkt Binding Waldpreis

Soziales Eigener Schwerpunkt • Académie Fragile Suisse

Förderthemen • Bedürftige Berggemeinden • Landwirtschaftliche Projekte, vor allem im Berggebiet • Projekte mit Bezug zum Wald, vor allem im Berggebiet • Zukunftsgerichtete Landwirtschaft und naturgerechte Bodennutzung • Natur und Landschaftsschutz, vor allem im Berggebiet

Förderthemen • Projekte zu Gunsten von Behinderten, Benachteiligten, Kindern und Jugendlichen • Ausländerintegration • Sucht- und Gewalt-Prävention • Unterstützung von Freiwilligenarbeit • Soziokulturelle Animation, z.B. im Bereich des Jugendsports

Bildung Eigener Schwerpunkt • Nachdiplomstudiengang Kulturmanagement Förderthemen • Projekte in Begabtenförderung • Projekte zur besseren Vermittlung der geistigen, staatspolitischen und kulturellen Grundlagen unserer Gesellschaft, namentlich Projekte dieser Art mit Integrationszweck • Projekte mit dem Ziel einer Öffnung des Bildungswesen für neue Formen

Kultur Eigener Schwerpunkt • La Cetra Barockorchester • TransHelvetia Theateraustausch Förderthemen • Projekte im Bereich Musik • Projekte im Bereich Theater • Ausstellungen sofern von kunstfördernden Charakter • Bestehende Museen und Sammlungen von besonderem Interesse oder von nationaler Bedeutung • Bildende Kunst im Rahmen eigener Projekte und Programme • Denkmalpflegerische Restaurierung bedeutender Projekte und Programme • Denkmalpflegerische Restaurierung bedeutender Objekte • Projekte zur Entwicklung von Instrumenten des Städtebaus, der Siedlungsplanung und der Architektur

Abb. 12: Förderschwerpunkte gemäß der Vergaberichtlinien 2001 (Quelle: Eigene Darstellung Die Vergaberichtlinien prägen die Arbeit der SKBS für die nächsten Jahre. Sie geben die grobe Richtung der Stiftungsarbeit vor. Einzelne Modifikationen finden bei Grundsatzdiskussionen in den Stiftungsratssitzungen statt. Die Schwerpunktpro-

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Fallstudien

jekte werden vom Geschäftsführer zusammen mit Kooperationspartnern entwickelt. Beispiele sind der Aufbau eines Nachdiplomstudiengangs für Kulturmanagement, eine Bildungsakademie für gehirnverletzte Menschen (Fragile Suisse), ein Theaterprojekt zur Förderung des Sprachaustauschs in der Schweiz (TransHelvetia), ein Programm zur Förderung über-vierzigjähriger Schweizer Künstler (Binding Sélection) oder ein Programm zur Förderung von begabten Studenten und deren Austausch über die Sprachgrenzen der Schweiz hinweg (UniverSuisse). Zum Teil sind es komplexe Projekte, deren Entwicklung Fachwissen und einen hohen zeitlichen Aufwand für den Geschäftsführer bedeuten. Die vom damaligen Stiftungsratspräsidenten im Organisationsreglement vorgedachte Strategie wird umgesetzt. Die große Vielfalt von Förderthemen führt jedoch nicht zur erhofften Reduzierung der Anträge. Viele der eingehenden Gesuche liegen nicht im Förderinteresse der SKBS. Für eine Anpassung und Weiterentwicklung der Förderpolitik werden 2007 zwei aufeinanderfolgende Retraiten durchgeführt, die von einem externen Experten begleitet werden. Als Basis für die Anpassung der Förderthemen stellt der Geschäftsführer vor, wie sich der Gesuchsmarkt (Nachfrage) verändert hat und welche gesellschaftlichen Themen und Herausforderungen an Bedeutung gewonnen (z.B. Jugendarbeitslosigkeit) oder verloren (z.B. Berglandwirtschaft) haben. Als Resultat der Diskussionen werden die Ziele der Stiftung und Förderrichtlinien (Angebotsseite) angepasst. So wird unter anderem die Förderung von Projekten in Berggebieten nicht mehr fortgeführt. Zudem entscheidet der Stiftungsrat die Theaterförderung einzustellen, die zuvor fast 80% der eingehenden Gesuche ausgemacht hat. Dadurch wird die Geschäftsstelle maßgeblich in der Bearbeitung von Anträgen entlastet. Durch eine weitere Fokussierung ist die SKBS bestrebt, ihr Wirken stärker in einen „gesellschaftspolitischen Zusammenhang mit der Schweiz zu stellen, proaktiv gestaltend zu handeln und nicht nur auf Gesuche zu reagieren“ (Schudel et al. 2014, S. 73). Die Eingrenzung ist nicht zuletzt aber auch eine Antwort auf die weiterhin hohe Zahl an Anträgen, die an die SKBS herangetragen werden. Sie dient der Effizienzsteigerung der Geschäftsstelle. Die SKBS definiert zwei übergreifende Ziele, x „den gesellschaftlichen Zusammenhalt und Ausgleich in der Schweiz sowie die Integration und Verständigung der verschiedensprachigen Landesteile zu fördern und zu stärken x an die Erhaltung und Entwicklung der für die Identität der Schweizer wesentlichen, kulturellen und geistigen Werte und Güter beizutragen“ (SKBS 2007, S. 1).

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Gleichzeitig spezifiziert die SKBS ihre Programmthemen und setzt sich übergeordnete Ziele, die sie mit den Förderungen erreichen will. Abbildung 13 zeigt die angepasste der Fördermatrix. Die Ziele der SKBS beziehen sich auf Themen, die in der Gesellschaft diskutiert werden, zugleich sind es aber auch „persönliche Betroffenheitsideen“ (GF). Die Motivation einen Beitrag gegen die Zersiedelung der Schweiz zu leisten, basiert auf der Wahrnehmung des Geschäftsführers, dass die Ästhetik der Landschaft durch ungenügende Raumplanung massiv gestört wird. Die Fokussierung im Bereich Bildung auf das Thema Kohäsion ist zum einen auf den Passus der Förderung „vaterländischer Bestrebungen“ im Stiftungszweck zurückzuführen und zum anderen auf die Problemwahrnehmungen des Geschäftsführers und des ehemaligen Stiftungsratspräsidenten. Umwelt Ziel Die Stiftung setzt sich zum Ziel, der Zersiedelung der Schweiz entgegenzuwirken und natürliche und kulturell wertvolle Landschaften und Lebensräume zu erhalten respektive wieder-herzustellen. Programmthema Landschaftsschutz Erhaltung oder Wiederherstellung von Natur und Kulturlandschaften.

Soziales Ziel Die Stiftung setzt sich zum Ziel, die gesellschaftliche und kulturelle Integration der heimischen und der immigrierten Bevölkerung, der Generationen, insbesondere im Verhältnis von Jugendlichen und Erwachsenen, sowie die Integration in den Arbeitsprozess, namentlich von Jugendlichen. Programmthema Integration Projekte zu Behebung von Jugendarbeitslosigkeit, zur Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in den Ausbildungs- und Arbeitsprozess, namentlich von Jugendlichen.

Bildung Ziel Die Stiftung setzt sich zum Ziel, die kulturelle und gesellschaftliche Verständigung über die Sprachgrenzen inner-halb der Schweiz zu fördern. Programmthema Kohäsion Förderung der Sprachkompetenz in den Landessprachen über die Sprachgrenzen in der Schweiz hinaus, insbesondere von begabten Jugendlichen und zukünftigen Eliten. Kulturaustausch über die Sprachgrenzen in der Schweiz. Kultur Ziel Die Stiftung setzt sich zum Ziel, zur Sicherung und Entwicklung der kulturellen Güter und Werte, in ihrer geistigen, intellektuellen, künstlerischen und literarischen Dimension, sowie zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität der Schweiz in ihrer Vielfalt. Programmthema Kulturerbe Sicherung von Kulturgut (im weitsteten Sinn), das für die Identität der Schweiz von Bedeutung ist (Sammlungen, Bibliotheken, künstlerische Nachlässe, Sicherung von Baudenkmälern und von wichtigen mobilen Kunstdenkmälern, Projekte mit Sekundärwirkung in diesem Bereich).

Abb. 13: Fördermatrix der SKBS basierend auf den Förderrichtlinien 2007 (Quelle: Eigene Darstellung) Sie spüren, dass der sprachliche Austausch innerhalb der Schweiz abnimmt und somit der Zusammenhalt der Landesteile sinkt:

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Fallstudien

„Das war mir persönlich immer ein Anliegen, weil ich im Gegensatz zu meinen Kollegen, die alle in Amerika waren, mein ´Auslandsjahr´ in Genf verbracht habe. So bin ich praktisch bilingual. Ich merke immer wieder wie Missverständnisse in der Schweiz im Grunde genommen an der Sprachkompetenz liegen. Und wenn wir mit unseren Programmen einen Beitrag zum Verständnis der anderen Landeshälfte leisten können, dann ist das wunderbar“ (ePR). Im Förderbereich Kultur fokussiert sich die SKBS über ihr Programmthema „Kulturerbe“ auf die Bewahrung und Aufrechterhaltung von Kulturgütern aus der Schweiz. Auf Grund seiner Ausbildung als Kunsthistoriker und frühere Tätigkeiten als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Solothurner Denkmalpflege und als Abteilungskonservator am Historischen Museum Basel verfügt der Geschäftsführer über ausgeprägtes Fachwissen in diesem Bereich. Im Bereich Umwelt ist der Landschaftsschutz Programmthema und im Sozialbereich setzt die SKBS ihren programmatischen Schwerpunkt auf Arbeitsintegrationsprojekte für Jugendliche und in zweiter Priorität für Erwachsene. Sie möchte verstärkt langfristige Partnerschaften mit ausgewählten Institutionen eingehen. Außerhalb der Programmthemen fördert die SKBS nur subsidiär, wenn die Antragsteller weitere Finanzquellen vorweisen können. Formell wird nicht zwischen verschiedenen Projektphasen unterschieden. Für die Verteilung der Förderbeträge wird als Referenz festgelegt, dass jeweils vierzig Prozent in die Schwerpunktprojekte und in die Programmthemen fließen. Mit den übrigen zwanzig Prozent der Fördermittel werden Anträge aus dem freien Gesuchsverkehr unterstützt. Die Handlungsfelder basieren auf der bisher gelebten Fördertradition sowie den Interessen und den persönlichen Problemwahrnehmungen des Geschäftsführers und des Stiftungsrats. Eine weitere Strategieüberprüfung im Jahr 2014 zeigt, dass der Stiftungsrat und die Geschäftsführung mit dem eingeschlagenen Weg zufrieden sind. Ein externer Berater zeigt anhand einer Graphik, dass die prozentuale Aufteilung der Fördermittel der SKBS genau entgegen der durchschnittlichen Vergabetätigkeit der Mitglieder von SwissFoundations ausgeprägt ist (siehe Abbildung 14). Die SKBS fühlt sich dadurch in ihrer eigenen Identität bestätigt. Sie möchte nicht dem allgemeinen Trend folgen, sondern ihren eigenen Weg gehen.

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Ausschüttungen in Prozent 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Umwelt

Soziales SKBS

Bildung/ Forschung

Kultur

SwissFoundations

Abb. 14: Vergleich der prozentualen Ausschüttungssummen SKBS und SwissFoundations (Quelle: von Schnurbein 2014) Der neue, seit 2013 amtierende Präsident des Stiftungsrats und die weiteren Gremiumsmitglieder setzen auf Kontinuität und unterstützen die Beibehaltung des Fördermodells. Die Programmthemen Landschaftsschutz, Kinder- und Jugendintegration, Kohäsion und Kulturerbe bleiben bestehen. Die SKBS sieht hier immer noch Handlungsbedarf und die Möglichkeit als Förderstiftung etwas zu bewegen. Nach 30-jähriger Laufzeit wird der Waldpreis im Jahr 2016 das letzte Mal in seiner ursprünglichen Form vergeben. Über die Jahre hat eine gewisse „Verholzung“ (SKBS 2014b, S. 3) des Preises stattgefunden. Für die Zukunft wird ein neues Umweltprojekt angedacht, welches nicht unbedingt auf die Vergabe eines Preises ausgelegt sein muss. Die SKBS folgt weiterhin der Unterteilung in Schwerpunktprojekte, Förderthemen und freie Gesuche, wobei letztere nur noch in Ausnahmen gefördert werden. Im Bereich Bildung werden keine freien Gesuche mehr angenommen. 6.3.2.2

Suche und Auswahl der Partner (Suche nach Lösungen)

Die dreiteilige Fördermatrix ist zugleich auch eine Orientierung, inwiefern die SKBS proaktiv nach Partnern sucht und mit diesen eigenständige Lösungsansätze entwickelt. Während sie bei den Schwerpunktprojekten aktiv auf Partner zugeht, basieren die Förderungen in den Programmthemen primär auf eingehenden Gesuchen.

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Fallstudien

Aus dem Organisationsreglement und den Vergaberichtlinien folgt, dass die SKBS „die Förderung und Initiierung von bedeutenden Schwerpunktprojekten anstrebt“ (SKBS 2001, S. 1). Um dies zu erreichen, muss sie geeignete Partner suchen. Die ersten Schwerpunktprojekte werden von der SKBS kurz nach der Anstellung des Geschäftsführers aufgebaut. Bei diesen ist die SKBS die treibende Kraft. Die Partner kommen zum einen aus den Netzwerken des Geschäftsführers und des ehemaligen Stiftungsratspräsidenten, zum anderen wird die SKBS auf Grund eines eingehenden Förderantrags auf sie aufmerksam. Im Fall des Studiengangs Kulturmanagement trifft z.B. ein Gesuch zur Finanzierung eines dreitägigen Workshops bei der SKBS ein. Der Geschäftsführer nimmt mit dem Leiter des Lehrgangs Kontakt auf: „Meine Idee war dann ein Studiengang für Kulturmanagement aufzubauen, nach deutschem oder österreichischem Vorbild. So was gab es in der Schweiz nicht“ (GF). Die SKBS geht auf die Universität Basel zu, die dem Anliegen positiv gegenüber steht. Sie stellt die Infrastruktur zur Verfügung, während die SKBS die Anschubfinanzierung bereitstellt. Anschließend unterstützt die SKBS das Zentrum, bis es selbsttragend ist. Ein Partner stellt die Bedeutung des Geschäftsführers heraus: „Er war dort wirklich sehr initiativ. Ohne sein Engagement gäbe es das Zentrum heute sicher nicht“ (PA). In den weiteren Schwerpunktprojekten lässt sich prinzipiell ein ähnliches Vorgehen beobachten: „Im Fall von Fragile Suisse war es eine Bekannte von mir. Sie hat mit Hirnverletzten gearbeitet und erzählt, wie unterfordert sie sind. Ich war auf der Suche nach einem Schwerpunktprojekt und da hat es gut gepasst“ (GF). Die Schwerpunktprojekte variieren in der Involvierung der SKBS. Nicht in allen ist sie Initiantin oder Projektträgerin. Im Sozialbereich basieren die jetzigen Schwerpunktprojekte auch auf Anfragen an die Stiftung. Diese werden zu Schwerpunktprojekten aufgewertet, weil die SKBS von ihrem Wirkungsmodell überzeugt ist. Die Stiftung hat aber keine aktive Rolle in der Konzeption und Ausgestaltung der Projekte. In den Programmthemen hat die SKBS zur Suche von Förderpartnern einen strukturierten Antragsprozess aufgebaut. In wenigen Fällen basiert die Förderung auf Vorschlägen aus dem Stiftungsrat. Ausgangspunkt ist die Webseite, bei der die Antragsteller durch fünf aufeinanderfolgende Seiten geführt werden, um zu verdeutlichen, welche Projekte die SKBS fördert und welche nicht. Grundlage für den Antrag sind einseitige Gesuchsformulare, die für jedes Handlungsfeld leicht angepasst sind. Darin wird nach dem Inhalt und dem Ziel sowie dem geplanten Beginn und Abschluss des Projekts gefragt. Antragsteller sollen nach Möglichkeit Referenzen angeben und dem Gesuch ein Budget mit Ausgaben und Einnahmen, Jahresbericht und -rechnung, sowie Evaluationskriterien beilegen sowie angeben, ob sie weitere Fördermittel beantragt und/oder erhalten haben. Zudem müssen die Gesuchsteller ankreuzen, dass sie die Ausschlusskriterien gelesen haben und davon keines auf sie zutrifft. Die SKBS erhält pro Jahr zwischen 500-700 Gesuche. Davon erfüllen rund 150-200 Anträge die Förderkriterien und werden von der Geschäftsstelle vertieft geprüft. Die Vorselektion bezüglich formaler Kriterien wird dabei

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von der Sekretärin vorgenommen. Pro Jahr fördert die SKBS zwischen 100 - 150 Projekte. Als Grundlage der Beurteilung folgt die SKBS laut den Förderrichtlinien den Kriterien Zielkongruenz, Professionalität, Dauerhaftigkeit/Nachhaltigkeit, Originalität, gesellschaftliche Relevanz, Transparenz, Effizienz und Effektivität (SKBS 2014a). Das oberste Kriterium ist die Passung zu dem jeweiligen Programmthema. „Ausschlaggebend ist zudem, dass die Projekte in sich schlüssig und konsistent sind. Die Nachhaltigkeit ist wichtig und dann kommt sicher noch ein mäzenatischer Teil hinein“ (PL). Der Geschäftsführer und der Projektleiter treffen Vorentscheidungen, welche Anträge sie dem Stiftungsrat zur Annahme oder Ablehnung vorlegen: „Wir wissen ungefähr was durchkommt und was nicht. Wir fragen uns: ´Ist es realistisch, dass der Stiftungsrat diese Art von Projekt und Ergebnis gutheißen würde?´ Dem Stiftungsrat ist sicher eine gewisse konservative Grundhaltung nicht abzusprechen“ (GF). Das heißt nicht, dass er neuartige oder originelle Ansätze ablehnt. Die Anträge müssen jedoch zu der Wertehaltung und Tradition der Stiftung passen und nicht von vorhinein so ausgerichtet sein, dass die Projekte später vom Staat übernommen werden sollen. Der Stiftungsrat spricht sich gegen Projekte aus, bei denen ersichtlich wird, dass die Antragsteller primär ihre eigenen Lohnkosten decken wollen. Die SKBS möchte nicht bei der Entwicklung einer Sozial- oder Kulturindustrie behilflich sein, die nicht selbsttragend ist. Zum Teil werden in den Anträgen sehr geringe Eigenlöhne angegeben, mit der Hoffnung, dass sich die Antragsteller mittelfristig eine eigene Stelle aufbauen können. Die Entwicklung wird vom Stiftungsrat kritisch gesehen. Lieber unterstützt die SKBS Vorhaben von etablierten Programmen, deren Wirkung schon erwiesen ist: „Uns ist der pragmatische Ansatz, die direkte Anwendbarkeit für die Gesellschaft am wichtigsten“ (GF). Durch die Vorselektion werden fast alle Anträge der Geschäftsführung vom Stiftungsrat gutgeheißen. Nur sehr wenige werden abgelehnt. Die SKBS führt eine Negativliste von Themen, die sie grundsätzlich nicht fördert. Diese wird beständig erweitertet und umfasst z.B. Projekte im Bereich Asylsuchende und Flüchtlinge, Medizin, Gesundheit, Sport, Therapie, Zirkus oder Forschung. Staatliche Stellen sind von der Antragstellung ausgeschlossen. Auf die Ausgestaltung der Projekte vor der Förderung nimmt die SKBS keinen Einfluss. Sie möchte die Projekte im normalen Gesuchverkehr nicht beeinflussen oder ändern: „Da muss ich sagen, wir sind jetzt wirklich im Vergleich eine kleine Stiftung. Wenn dann der Schwanz mit dem Hund wedelt und das Schwänzchen so klein ist, dann stimmt es doch wieder nicht. Dann lieber eine Absage, wenn es nicht passt“ (SR). In wenigen Fällen geben der Projektleiter oder Geschäftsführer jedoch Ratschläge in der Konzeption der Projekte.

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6.3.2.3

Zusammenarbeit mit Partnern (Implementierung & Anpassungen)

In den Schwerpunktprojekten ist die Zusammenarbeit mit den Partnern eng. Bei den Förderungen in den Programmthemen ist der Austausch hingegen gering. Auf Grund ihrer kleinen Geschäftsstelle konzentriert sich die SKBS auf die Begleitung ausgewählter Projekte. Die SKBS versucht bei den Schwerpunktprojekten sicherzustellen, dass diese auch die intendierte Wirkung auslösen. In der Entwicklung und frühen Implementierungsphase werden Anpassungen vorgenommen. Der Stiftungsrat wird auf den vierteljährlichen Sitzungen über den Fortschritt informiert. Nach einer drei- bis fünfjährigen Laufzeit lässt die SKBS ihre Schwerpunktprojekte wissenschaftlich evaluieren und schlägt dementsprechend Anpassungen vor. Wenn die Projekte die erste Entwicklungsphase durchlaufen haben, nimmt die Intensität der Begleitung ab. Tendenziell ist die Zusammenarbeit im Kultur- und Bildungsbereich enger, „da wir dort Projekte haben, die es nur wegen uns gibt. In Umwelt und Soziales ist das etwas anders“ (GF). Der Projektleiter nimmt zwar auch dort Besuche bei den geförderten Institutionen vor, der Einfluss der SKBS ist jedoch relativ gering. Zum Teil kann der Projektleiter sein Wissen einbringen. Ein Partner betont, dass der kritische Blick von außen hilfreich ist. Die SKBS ist in diesen Projekten eine von mehreren Institutionen, die finanzielle Unterstützung leisten. Nur bei größeren Förderprojekten, welche über mehrere Jahre laufen, verlangt die SKBS Zwischenberichte. Der ehemalige Stiftungsratspräsident sieht eine Einmischung in Projekte insgesamt kritisch: „Meine Einsatzdoktrin war immer, und ich hab es ja nie so ganz durchsetzen können, wie ich mir das eigentlich gewünscht hätte, dass ich sagte, wir müssen uns soziale Institutionen suchen, die etabliert sind, von denen wir wissen, dass sie eine gute Arbeit machen. Von denen wir wissen, dass sie eine notwendige Arbeit tun und zu einem gewissen Teil auf privaten Zuwendungen angewiesen sind. Denen sollten wir vertrauen und jedes Jahr einen festen Betrag zukommen lassen und periodisch schauen, ob sie noch gut arbeiten. Dann müssen sie nicht immer wieder betteln und wir wissen, dass unser Geld gut angelegt ist“ (ePR). Eine intensive Begleitung in den Programmthemen ist auch auf Grund der Anzahl der Gesuche nicht möglich. Bei über 100 geförderten Projekten pro Jahr konzentriert sich die Geschäftsstelle bei der Begleitung hauptsächlich auf die Schwerpunktprojekte. 6.3.2.4

Nachhaltige Verankerung & Verbreitung

Etwas zu bewahren oder zu konservieren ist dem Fördersystem der SKBS eigen. In der Kultur versucht sie, bereits Geschaffenes zu erhalten. Im Umweltbereich

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hilft sie z.B. eine ästhetisch schöne und gesunde Naturlandschaft zu präservieren. Mit dem Waldpreis wurden Schweizer Waldbesitzer ausgezeichnet, die sich langfristig für die Pflege und Erhaltung ihres Waldes einsetzen. Auch im Bereich Soziales unterstützt die SKBS vor allem Programme, die zu einer nachhaltigen Integration von Jugendlichen beitragen. Nachhaltigkeit ist daher eines der Kernkriterien in der Beurteilung von Anträgen: „Wir achten schon sehr darauf, dass wir keine Projektleichen finanzieren“ (SR). Im Bereich Soziales ist die SKBS dazu übergegangen mehrjährige Förderungen vorzunehmen, „da sich soziale Probleme meistens nicht in kurzer Zeit lösen lassen“ (PL). Die SKBS unterstützt die Weiterführung von funktionierenden Lösungsansätzen. Außerhalb der finanziellen Förderung setzt sich die SKBS jedoch nur selten für die Etablierung und Verbreitung der Ansätze in der Gesellschaft ein. In Ausnahmefällen „spricht man mal jemanden im Kanton an, wenn es passt“ (SR). Der Projektleiter versucht den Partnern gegeben falls durch Ratschläge zum weiteren Fundraising Hilfe zu geben. Durch den Austausch mit anderen Stiftungen in den Arbeitsgruppen von SwissFoundations ist er daran beteiligt, Kennzahlen oder Indikatoren zu entwickeln, welche die Wirkung und Kosten-Nutzenrelation von Arbeitsintegrationsprojekten aufzeigen können. Ziel ist, bessere Beurteilungskriterien für die Gesuche zu entwickeln, so dass diejenigen Projekte ausgewählt werden können, welche den größten Beitrag zur langfristigen Verbesserung der Lebensumstände der jeweiligen Zielgruppe versprechen. Die Zielsetzung bei Schwerpunktprojekten ist, diese in die Eigenständigkeit zu führen. Im Fall des Studiengangs Kulturmanagement gelingt dies. Das Projekt der Bildungsakademie für gehirnverletzte Menschen wird später in kleinerem Umfang in die Aktivitäten des Dachverbands Fragile Suisse integriert. In anderen Schwerpunktprojekten stellt sich heraus, „dass es ein bisschen eine Utopie war zu glauben, dass sie ohne uns weiterexistieren“ (GF). Zugleich „hat sich der Stiftungsrat aber auch an die laufenden Projekte gewöhnt und möchte sie nicht aufgeben“ (GF). Der Stiftungsrat hält an den Projekten fest. Sie prägen das Profil der Stiftung. Das Barock Orchester La Cetra wird von der SKBS über sechzehn Jahre gefördert, bis es in den Genuss staatlicher Subventionen kommt. Zeitweise plädiert der ehemalige Stiftungsratspräsident dafür es zu „einem Binding Orchester zu machen. Aber das wollte der Geschäftsführer eben nicht. Der wollte lieber etwas Neues“ (ePR). Die SKBS finanziert zum Teil auch Anträge, die auf die Diffusion von erprobten Lösungsansätzen ausgerichtet sind. Es ist ihr ein Anliegen schweizweit zu denken. In den laufenden Schwerpunktprojekten im Bereich Soziales ist die Förderung darauf ausgerichtet, die Organisationen in geographischen Verbreitung ihrer Programme zu unterstützen. Außer der finanziellen Unterstützung nimmt die SKBS dabei keine aktive Rolle ein. Die Mehrzahl der Förderungen sind finanzielle Beihilfen für bestehende Projekte.

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Fallstudien

6.3.2.5

Beispiele der Förderarbeit – Das Modell in der Praxis

In ihrer über fünfzigjährigen Geschichte hat die SKBS über 3.000 Projekte gefördert. Zu Beginn folgt die SKBS dem Modell eines klassischen Mäzenatentums. Durch die Einrichtung der Geschäftsstelle beginnt die Fokussierung der Stiftung auf spezifische Themen. Die SKBS publiziert keine Angaben über die Höhe der einzelnen Projektförderungen. In den Jahresberichten werden nur Projekte mit Namen genannt, die mit über CHF 20.000 unterstützt werden. Das durchschnittliche Gesamtvolumen der Förderungen pro Jahr teilt sich folgendermaßen auf (SKBS 2014b): x Umwelt CHF 717.000 (22%) x Soziales CHF 539.000 (17%) x Bildung CHF 600.000 (17%); x Kultur CHF 1.423.000 (44%) Im Folgenden werden in den vier Förderbereichen zuerst die Schwerpunktprojekte und anschließend Beispiele von Förderungen in den Programmthemen vorgestellt. Das längste und prominenteste Schwerpunktprojekt der SKBS im Umweltbereich ist der bereits erwähnte Binding Waldpreis. Mit der Lancierung einer hoch dotierten Auszeichnung möchte die SKBS ihre öffentliche Wahrnehmung in der Gesellschaft stärken. Zuvor steht die Vergabe eines Preises im Kulturbereich zur Diskussion. Die Naturliebe des Gründerehepaars und die öffentliche Debatte zum Waldsterben sind schließlich ausschlaggebend für die Entscheidung, die Auszeichnung im Umweltbereich anzusiedeln. Der Binding Preis wird von einem Professor für Forstwirtschaft zusammen mit weiteren Praktikern und Fachpersonen des Forstwesens entwickelt. Im Reglement heißt es: „Der Binding Waldpreis zeichnet Waldeigentümer und Forstbetriebe aus, die ihren Wald beispielhaft nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit bewirtschaften. Den Preisträgern gelingt es dabei auf nachahmenswerte Weise, im Dialog mit der Gesellschaft eine langfristig orientierte, wirtschaftlich erfolgreiche Waldbewirtschaftungs-Strategie umzusetzen. Sie entwickeln die ökologischen Potentiale ihres Waldes weiter und berücksichtigen die gesellschaftlichen Bedürfnisse möglichst umfassend“ (SKBS 2012). Der Preisträger wird von einem eingesetzten Kuratorium aus Experten ausgewählt. Private Forstbesitzer werden vom Kuratorium oder einer erweiterten Gruppe von Vorschlagsberechtigten nominiert. Die Preissumme beträgt CHF 200.000. Davon sind CHF 50.000 zur freien Verfügung, CHF 150.000 sollen in ein zukunftsträchtiges Projekt investiert werden. Der Vorsitzende des Kuratoriums beschreibt als größte Herausforderung „Themen auszuwählen, die zukunftsweisend sind, dennoch aber

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nicht so weit weg von der Gegenwart sein dürfen, dass kein Dialog mehr mit dem eher konservativen Milieu der Forstwirtschaft möglich ist“ (PA). Der Binding Preis entwickelt sich zu einem der renommiertesten Umweltpreise der Schweiz. Als Festredner treten unter anderem der ehemalige Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), Klaus Töpfer, oder Claude Martin, ehemaliger Generaldirektor des WWF International bei den Preisverleihungen auf. Nach dreißigjährigem Bestehen sieht die SKBS ihre Zielsetzung, durch die Preisverleihung Innovationen in der Forstbranche anzuregen, nur noch bedingt erfüllt. Der Preis wird 2016 das letzte Mal in seiner ursprünglichen Form vergeben. Ein weiteres Ziel im Umweltbereich ist der Zersiedelung der Schweiz etwas entgegenzusetzen. Zur Erarbeitung eines Lösungsansatzes wird auf Anlass des ehemaligen Stiftungsratspräsidenten ein Workshop mit Vertretern aus der Rechtswissenschaft, Geografie, Ökonomie und Politologie sowie dem Direktor der Vereinigung für Landesplanung organisiert. Die SKBS entschließt sich, ein Forschungsprojekt zum Thema Föderalismus und Zersiedelung zu lancieren. Ziel ist herauszuarbeiten, inwiefern Direktdemokratie, kantonale Gesetzgebungen und föderale Strukturen für den Prozess der Zersiedelung verantwortlich sind: „Wir wollten quasi an der Wurzel ansetzen und fragen, wie man einen Beitrag zur politischen Meinungsbildung leisten kann“ (ePR). Eine direkte politische Positionierung, durch die Unterstützung einer laufenden Abstimmungsinitiative zur Zersiedelung lehnt der Stiftungsrat ab. Die Zusammenarbeit mit Professoren stellt sich als nicht zielgerichtet heraus: „Sie haben dann versucht Drittmittel für Doktoranden einzuwerben. Das war nicht unsere Absicht“ (ePR). Daraufhin beschließt der Stiftungsrat auf Betreiben des ehemaligen Stiftungsratspräsidenten, die Studie von einem Raumentwicklungsexperten und Planungsjuristen, der vierzehn Jahre lang die Schweizerische Vereinigung für Landesplanung geleitet hat, verfassen zu lassen. Die Professoren kommentieren die Ergebnisse. Das Projekt mündet in einem Buch mit dem Titel: „Ist der Föderalismus an der Zersiedelung schuld?“ (Muggli 2014). Zudem werden Broschüren in den Landessprachen der Schweiz produziert, in denen die Ergebnisse in fünf Kernthesen zusammengefasst werden. Das Buch wird an alle Bundesparlamentarier verschickt und die Thesen bei einem Anlass der parlamentarischen Gruppe Kommunalpolitik und Raumentwicklung vorgestellt. Es ist das einzige Projekt der SKBS, in dem sie sich auf politischer Ebene engagiert, „denn ich kann mich nicht gegen die Zersiedelung wehren, wenn ich nicht bereit bin, eine politische Aussage zu machen“ (ePR). Mit der Studie wird das Argument entkräftet, dass der Föderalismus ausschlaggebend für die Zersiedelung sei. Mehrere Medien greifen das Ergebnis auf. Das Ziel der SKBS, einen wissenschaftlich fundierten Beitrag zur Debatte leisten zu können ist erfüllt, und das Schwerpunktprojekt wird abgeschlossen. Das Thema Zersiedelung wird als Programmthema weitergeführt, erhält dort aber wenige konkrete Förderanfragen.

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Fallstudien

Innerhalb des Programmthemas Landschaftsschutz im Umweltbereich fördert die SKBS verschiedene Projekte zur Wiederherstellung von Natur- und Kulturlandschaften und Maßnahmen gegen Landschaftszerstörung. Beispiele sind der Aufbau und die Erhaltung von Trockenmauern, die Pflege von Asthaufen und Waldrandaufwertungen sowie landschaftsaufwertende Maßnahmen im Allgemeinen. Beispiele von Förderungen sind ein Aufwertungsprojekt eines Waldreservats, oder eine Förderung an Pro Natura St. Gallen-Appenzell, für die Erhaltung und Aufwertung der Kulturlandschaft Porta Romana. Im Bereich Soziales fördert die SKBS primär Projekte der Kinder- und Jugendintegration. Sie fokussiert sich auf Projekte, die einen Beitrag zur Behebung von Jugendarbeitslosigkeit leisten und auf Projekte, die Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund helfen, sich in der Schweiz zu integrieren. Sie unterstützt zusätzlich Projekte im Behindertenbereich. Zu den abgeschlossenen Schwerpunktprojekten gehören die subventionierte Vermietung von Ferienwohnungen im Besitz der SKBS für Menschen mit Behinderung, die finanzielle Unterstützung von infocklick.ch, einer Organisation für Kinder- und Jugendförderung, für den Aufbau einer Regionalstelle im Tessin, sowie der Aufbau einer Bildungsakademie der Schweizerischen Vereinigung für hirnverletzte Menschen Fragile Suisse. In den laufenden Schwerpunktprojekten unterstützt die SKBS zwei Organisationen, die im Jugendbereich tätig sind. Die Stiftung IdéeSport öffnet mit dem Projekt „MidnightSports“ Turnhallen am Samstagabend für Jugendliche, um einen Beitrag zur Integration und Suchtprävention zu leisten. Angefangen als ein kleiner Verein im Jahr 1999, betreibt die Stiftung IdéeSport heute sieben Regionalbüros und beschäftigt über 40 Mitarbeitende. Sie führt an rund 200 Projektstandorten um die 3.800 Veranstaltungen pro Jahr durch (IdéeSport 2015)66. Die Organisation wird von mehreren privaten Organisationen sowie von Bund, Kantonen und Gemeinden unterstützt. Die Stiftung wurde mehrfach mit Preisen für ihre Arbeit ausgezeichnet. Die SKBS unterstützt IdéeSport in der Etablierung von neuen Projekten in der Westschweiz. Neben der Integrationsförderung verfolgt die SKBS dadurch ihr Ziel, die Verbreitung von funktionierenden Ansätze in einer anderen Sprachregion der Schweiz zu unterstützen. Der Gründer der Organisation empfindet die Förderung als sehr großzügig, weist aber auch allgemein auf die Schwierigkeit hin, die neuen Regionalstellen langfristig zu finanzieren. Die wenigsten Stiftungen geben seiner Auskunft nach Geld für laufende Projekte. Das zweite Schwerpunktprojekt ist ein Integrationsprogramm für Jugendliche, welche Gefahr laufen, keine Anschlusslösung nach der obligatorischen Schulzeit zu finden. LIFT (Leistungsfähig durch individuelle Förderung und praktische Tätigkeit) ist ein Projekt des Vereins Netzwerk für sozialverantwortliche Wirtschaft. Zuerst fördert die SKBS das Programm mit einem kleinen Betrag. LIFT 66

Vgl. IdéeSport (2015): Stiftungsbericht 2014 / 2015.

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stellt später einen weiteren Antrag für die angestrebte Wachstumsphase. Die SKBS beschließt im Jahr 2014, LIFT zu einem Schwerpunktprojekt aufzuwerten. Der Projektleiter der SKBS führt die Vertragsverhandlungen. Die Verantwortliche bei LIFT beschreibt den Prozess als hilfreich: „Wir haben die kritischen Rückfragen in Bezug auf Strategie, Organisation und Finanzen von der SKBS aufgenommen und teilweise in gesonderten Sitzungen besprochen“ (PA). Die Idee von LIFT ist, durch die Platzierung von lernschwächeren Jugendlichen in sogenannte Wochenarbeitsplätze, deren Chancen zu erhöhen nach dem Schulabschluss eine Lehrstelle zu finden und diese Berufslehre abzuschließen. Die Schüler gehen an einem Nachmittag pro Woche zwei bis drei Stunden arbeiten und werden dafür mit einem Entgelt von CHF 5 – 8 pro Stunde bezahlt. Sie verrichten einfache und ungefährliche Arbeiten. Durch die Arbeitserfahrungen und Betreuung sollen die Schüler ein Gefühl für die Arbeitswelt entwickeln und Orientierung für ihre Berufswahl erlangen. In zusätzlichen Modulkursen reflektieren die Teilnehmenden ihre Erfahrungen und erhalten Unterstützung bei der Suche nach einer Lehrstelle. Das Programm zeichnet sich durch seine frühe Ansprache von Jugendlichen mit Problemen aus. Die Schüler werden im Alter von ca. dreizehn Jahren - zwei Jahre vor Abschluss der Regelschulzeit, in das Programm aufgenommen. Die Teilnahme ist freiwillig und die Eltern werden so gut wie möglich eingebunden. Wissenschaftliche Evaluationen bescheinigen dem Projekt Erfolg (Balzer 2014). Finanziert wird LIFT zu verschiedenen Teilen von Mitteln aus dem Bundesamt für Sozialversicherungen und mehreren Stiftungen (u.a. Stiftung Mercator, Ernst Göhner Stiftung, Otto Beisheim Stiftung). Die SKBS trägt mit ihrer Finanzierung zur weiteren geographischen Ausbreitung des Projekts bei. Seit 2016 ist der Projektleiter der SKBS Mitglied des Vorstands von LIFT. In den Förderungen unter dem Programmthema Kinder- und Jugendintegration unterstützt die SKBS Projekte, die einen direkten Nutzen für die Jugendlichen haben. Beispiele sind ein Programm, das Jugendliche mit drogenabhängigen Eltern im Alltag und bei der Lehrstellensuche unterstützt und ein Projekt, welches jungen Müttern beim Berufseinstieg behilflich ist. Zusätzlich liegt ein Schwerpunkt in der Frühförderung von Kindern. Die SKBS tätigt gemäß dem Wunsch des Stiftungsrats mehrjährige Förderungen, um die ausführenden Organisationen im Fundraising zu entlasten. Im Förderbereich Bildung setzt sich die SKBS zum Ziel, unter dem Stichwort Kohäsion die kulturelle und gesellschaftliche Verständigung über die Sprachgrenzen hinaus innerhalb der Schweiz zu fördern. Das Schwerpunktprojekt Univers Suisse hat seinen Ursprung in einem regulären Gesuch der Schweizer Studienstiftung für die Durchführung eines Symposiums. Der Stiftungsrat entscheidet sich gegen eine Förderung, befindet aber, dass die Studienstiftung grundsätzlich ein interessanter Partner für die SKBS ist. Der Geschäftsführer der SKBS hat das Gefühl, dass die Studienstiftung „noch zu zürichlastig ist. Die haben kaum über die Stadtgrenze hinausgeschaut“ (GF). Zusammen mit der

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Leitung der Studienstiftung organisiert er daraufhin einen Workshop, um Ideen für ein schweizweites Projekt zu entwickeln. Als Ergebnis lancieren sie das Programm Univers Suisse. Teil des Programms ist eine jährliche Sommerakademie, bei der „sich die Stipendiaten kritisch mit den Chancen und Problemen der kulturellen Vielfalt und der Willensnation Schweiz auseinandersetzen“ (PA)“. Gleichzeitig vergibt die SKBS finanzielle Zuschüsse an Studenten, die sich entscheiden, in einem anderen Landesteil der Schweiz ihr Studium aufzunehmen. Nach dreijähriger Laufzeit wird Univers Suisse von einer externen Agentur evaluiert. Im Ergebnis wird dem Programm eine hohe Qualität in Bezug auf die Inhalte und den Wissenstransfer für die Stipendiaten bescheinigt (Landert & Partner 2009). Die SKBS zeigt sich insbesondere mit dem Engagement des Projektleiters von Univers Suisse sehr zufrieden. Mit der Lancierung des Programms erreicht die SKBS ihr zusätzliches Ziel, dass sich die Studienstiftung geographisch öffnet. Der Direktor der Studienstiftung bestätigt: „Uns hat es sehr geholfen, unsere Fühler in die anderen Landesteile auszustrecken und unsere Reichweite zu vergrößern“ (PA). Ein weiteres Schwerpunktprojekt ist die Unterstützung der ´chStiftung für eidgenössische Zusammenarbeit´. Diese setzt sich für den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften, den Erhalt der Sprachvielfalt und der Kulturen sowie den föderalistischen Staatsgedanken ein und ist somit in der Kohäsionsthematik ein natürlicher Partner der SKBS. Die SKBS fördert Workshops, bei denen Schweizer Autoren mit Übersetzern an Schulen ihre Werke vorstellen und die Herausforderungen diskutieren, sie in eine andere Landessprache zu übersetzen. Zudem vergibt die SKBS Zuschüsse zu Schülerreisen und Begegnungen in der Schweiz. Im Bereich Bildung wird außerhalb der Kohäsionsthematik das Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel als Schwerpunktprojekt gefördert. Projekte im Programmthema Kohäsion fallen meistens in die Förderkompetenz des Geschäftsführers. Es sind kleinere Beträge für Sprachförderungsprojekte oder Exkursionen in einen anderen Landesteil. Die Kulturförderung ist traditionell der größte Bereich der SKBS. Als Schwerpunktprojekt fördert die SKBS das Programm Binding Sélection d´Artistes sowie das Barockorchester La Cetra. Abgeschlossene Schwerpunktprojekte sind ein erfolgreich etablierter Diplomstudiengang in Kulturmanagement, die Theaterreihe TransHelvetia sowie ein Stipendienprogramm für einen Studiengang für Konservierung und Restaurierung in Bern. Der Ursprung der Binding Sélection d´Artistes liegt in einem Gesuch des Präsidenten der Vereinigung Schweizer Kunstmuseen. Die SKBS lehnt den Antrag ab, der Geschäftsführer nimmt aber mit dem Museumsdirektor Kontakt auf, um über ein gemeinsames Projekt nachzudenken. Zusammen entwickeln sie die Idee für ein Programm zur Förderung der Ausstellungen von Künstlern, die über vierzig Jahre alt sind. Im Gegensatz zu Frühförderprogrammen, gibt es in der Schweiz keine

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Initiativen, die Künstler in der Mitte ihrer Karriere unterstützen. Das Ziel der Binding Sélection d´Artistes ist es, Ausstellungen zu ermöglichen, die einen Überblick zu den gesammelten Werken der Schweizer Künstler zeigen. Gleichzeitig werden Katalogmonographien und hochwertige Begleitpublikationen erstellt. Das Programm wird seit seiner Lancierung im Jahr 2004 mehrmals evaluiert (z.B. Wodiunig & Meienberg 2008). Auf Grund der Ergebnisse werden immer wieder kleinere Anpassungen vorgenommen. Insgesamt werden mehr als 65 Ausstellungen von Schweizer Künstlern realisiert. Einige der Kataloge haben für ihre Gestaltung Auszeichnungen von anderen Kultur fördernden Institutionen erhalten. Ein Schwerpunktprojekt, das nach anfänglichem Erfolg nicht mehr die erwünschte Wirkung erzielt und daher beendet wird, ist das Theaterprojekt TransHelvetia. Auf Grund einer Empfehlung trifft sich der Geschäftsführer der SKBS mit der Leitung des Theaters Vidy in Lausanne. In dem Gespräch stellt sich heraus, dass beide Institutionen Interesse an der Förderung des Sprachaustauschs innerhalb der Schweiz haben. Gemeinsam erarbeiten sie die Leitlinien von TransHelvetia. Das Projekt sieht vor, französische oder deutsche Theaterinszenierungen im jeweils anderen Sprachteil der Schweiz an renommierten Theatern für Schüler aufzuführen. Nach den ersten vier Inszenierungen mit jungen Nachwuchsschauspielern steigen die Ernst Göhner Stiftung und die Fondation de Famille Sandoz in die Finanzierung des Programms ein. Neben der Förderung junger Talente möchte TransHelvetia dazu beitragen, dass sich die Schüler über das Mittel Theater für die andere Landessprache und Kultur interessieren. Insgesamt finden in über neun Jahren 397 Aufführungen mit 57.241 Besuchern statt (Arter 2012). Der anfängliche Erfolg nimmt über die Jahre ab. Die Inszenierungen stellen sich neben dem Normalbetrieb für die eingebundenen Theater als sehr aufwendig heraus. Das Interesse der Schulen an dem Programm sinkt. Im Schlussbericht schreibt der Geschäftsführer der SKBS, dass die „utopie suisse“ ein Stück weit an der „realité suisse“ gescheitert ist (a.a.O., S. 38). Die verschiedenen kulturellen Auffassungen über Theaterinszenierungen und der hohe Projektaufwand stehen nicht in Relation zu der erhofften Wirkung. Die SKBS entschließt sich nach zehn Jahren Laufzeit das Projekt abzuschließen. Die Förderungen der SKBS im Programmthema Kulturerbe umfassen Ausstellungen, Restaurationen und Renovationen von Kulturdenkmälern, den Ankauf von Nachlässen und Autorenrechten sowie Mittel für angewandte Forschung und Dokumentationen mit konkretem Bezug zum Schutz des Kulturerbes. 6.3.3

Governance (Organisation und Steuerung)

Das Governance-System der SKBS beruht auf einer proaktiven Geschäftsführung, die vornehmlich von dem Präsidenten des Stiftungsrats unterstützt wird. Die weiteren Mitglieder des Stiftungsrats nehmen eine verhältnismäßig passive Rolle ein:

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„Die Ideen kamen eigentlich immer aus der Geschäftsstelle. Und die Treue von oben. Ich glaube so muss es auch sein“ (GF). Der Stiftungsrat entscheidet primär über die eingebrachten Anträge. In die Strategieentwicklung ist er bei den jeweiligen Retraiten mit einbezogen. Der Stiftungsrat der SKBS ist seit der Gründung durch Kontinuität geprägt. Zeitlebens fungiert Karl Binding als Vizepräsident. Er veranlasst, dass sein Neffe, ein Ingenieur und Softwareentwickler, in das Gremium gewählt wird. Der Neffe des Gründers ist seit über 20 Jahren Mitglied des Stiftungsrats und Vizepräsident. Er sieht seine Rolle in der Stiftung „auch etwas darin, die Werte meines Onkels und meiner Tante zu vertreten“ (SR). Dabei wird er von dem ehemaligen Privatsekretär der Bindings in der Stiftung unterstützt, der dem Gremium 25 Jahre lang angehört. 2016 scheidet dieser auf Grund der Erreichung der Altersbeschränkung aus dem Stiftungsrat aus. Seine Nachfolge tritt der Regionaldirektor der Romandie des wirtschaftsliberalen Think Tanks Avenir Suisse an. Der Stiftungsrat bleibt weiterhin von seiner liberalen Grundausrichtung geprägt, die auch von dem ehemaligen und dem jetzigen Stiftungsratspräsidenten geteilt wird. Die promovierten Juristen, die in der gleichen Anwaltskanzlei tätig sind, haben in ihrer beruflichen Laufbahn hohe politische Positionen (u.a. Vorsteher Finanzdepartement, Präsident des Großrates) für die Liberal-Demokratische Partei im Kanton Basel-Stadt ausgeübt. Beide halten mehrere Verwaltungsratsmandate in der Wirtschaft. Neben ihren beruflichen Tätigkeiten sind sie weiterhin gesellschaftlich engagiert. So hat z.B. der ehemalige Präsident für seine Verdienste um die evangelisch-reformierte Kirche die Ehrendoktorwürde der theologischen Fakultät Universität Basel verliehen bekommen. Der jetzige Vorsitzende des Stiftungsrats ist der Präsident des Universitätsrats der Universität Basel. Das vierte Mitglied des Stiftungsrats ist eine selbständige Juristin aus Bern, die selbst auch eine operative Stiftung präsidiert. Sie ist neben der Gründerin Sophie Binding die erste Frau im Stiftungsrat. Basis für die Ausgestaltung der Governance ist das vom ehemaligen Stiftungsratspräsidenten formulierte Organisationsreglement. Es regelt die Aufgabenverteilung zwischen Stiftungsrat und Geschäftsführer. Es folgt den üblichen Bestimmungen, wie sie auch im Swiss Foundation Code beschrieben werden. Bereits dort wird festgehalten, dass die SBKS in ihrer Förderpraxis zwischen eigens initiierten und begleiteten Projekten sowie Subventionsbeiträgen an Gesuchsteller unterscheidet. Mit gegenseitiger Unterschrift haben der Geschäftsführer und der Präsident eine Eigenkompetenz in der Förderung von Projekten bis CHF 10.000 (GF) bzw. CHF 15.000 (PR), die in der Summe jeweils nicht CHF 100.000 pro Jahr überschreiten dürfen. Die Eigenkompetenzen entlasten den Stiftungsrat in der Beurteilung von Anträgen mit geringen Fördersummen. Die SKBS hat vier Eingabetermine pro Jahr. Die Entscheide werden in den ebenfalls vier Mal pro Jahr stattfindenden Sitzungen in einfacher Mehrheit auf Antrag der Geschäftsführung gefällt. Zwischen dem Eingabedatum und dem Bescheid an die Antragssteller liegen drei Monate.

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Der Stiftungsrat fühlt sich kompetent, die Wirksamkeit und Effektivität von Gesuchen gut beurteilen zu können. Insgesamt „haben wir dieses Expertensystem nicht. Wir sind eher eine generalistische Stiftung“ (GF). In der Beurteilung spielen auch die „subjektiven Lebenserfahrungen des Stiftungsrats eine wichtige Rolle. Man kann nicht alles objektivieren“ (ePR). Der ehemalige Präsident hat die Stiftung stark geprägt. Auch bei Förderentscheidungen hat er die Meinung des Stiftungsrats stark beeinflusst, in dem er jeweils zuerst sein Votum begründet hat. Der jetzige Präsident ist eher vermittelnd und moderierend tätig. Er sieht es als seine Aufgabe im Sinne des Gründerehepaars zu handeln: „Es ist eigentlich nicht wesentlich, was meine eigenen Worte in der Beschreibung der Stiftung sind. Sondern die Stiftungsurkunde, bzw. die Stifter, die nicht mehr leben, haben festgelegt, was mit dieser Stiftung zu fördern ist und daran haben sich die Stiftungsräte dann auch zu halten“ (PR). Der gesamte Stiftungsrat nimmt wenig Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Stiftung. Diese Aufgabe wird von dem Geschäftsführer und dem Projektleiter vorgenommen. Über ihre Tätigkeiten in den Verbänden, informieren sie sich über Entwicklungen in den Förderbereichen und tauschen sich mit anderen Stiftungen über Projekte aus. Der Projektleiter sieht seine Rolle zum Teil auch als „kulturellen Übersetzer, da die Lebenswelten von den Stiftungsräten und den Gesuchstellern, die z.B. mit Putzfrauen afrikanischer Herkunft in Genf zu tun haben, nicht die gleichen sind“ (PL). Die Zusammenarbeit zwischen dem Stiftungsrat und der Geschäftsstelle wird als sehr respektvoll und professionell wahrgenommen. Die Diskussionen laufen sachbezogen ab. Der Stiftungsrat unterstützt das Engagement des Geschäftsführers und Projektleiters in Gremien und Verbänden. Er fordert Initiativen von der Geschäftsführung und möchte, dass die SKBS als eine dynamische, wenn auch bürgerlich verankerte Stiftung wahrgenommen wird. In der langen Amtszeit der Stiftungsräte und des Geschäftsführers hat sich ein gegenseitiges Vertrauen entwickelt. Der Stiftungsrat wertschätzt die Aktivitäten der Geschäftsstelle und gibt ihr weitestgehend freie Hand. 6.3.4

Die SKBS unter dem Blickwinkel der sozialen Innovation

Betrachtet man die SKBS aus dem Blickwinkel von sozialen Innovationen zeigt sich ein dichotomes Bild. Auf der einen Seite steht sie für „eine erhaltende Grundidee des Bestehenden“ (PL), auf der anderen Seite ist sie vor allem in den Schwerpunktprojekten und in themennahen Verbänden gestaltend und innovationsfördernd tätig. Der bewahrende Charakter der Förderpolitik überwiegt jedoch. Dies liegt vor allem in der Geschichte der SKBS und ist durch die fortgelebten Werte des Gründerehepaars begründet:

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„Die Binding Stiftung wurde nicht gegründet, um gesellschaftlichen Wandel oder soziale Innovation durchzuführen, sondern hatte eben mehr eine erhaltende Grundidee des Bestehenden. Am Anfang war es eine Art Charity, im Sinne man gibt etwas und tut Gutes. Bei den Förderrichtlinien sieht man die Grundformulierung ´einen Beitrag leisten an´, das heißt nicht wir machen“ (PL). Mit der Lancierung des Waldpreises ändert sich dies. Bei der Konzeption wird auf Grund einer spezifischen Problemwahrnehmung eine Gruppe von Experten mit der Entwicklung eines Preises beauftragt, mit dem Ziel, Einfluss auf die zukünftige Ausrichtung der Forstbranche zu nehmen: „Die Idee hat gegriffen, dass es keinen Sinn macht über das Waldsterben zu jammern, sondern dass man den Wald irgendwie entwickeln muss, so dass es für die Natur gut ist und auch wirtschaftlich aufgehen kann. Deswegen hat der Stiftungsrat auch all die Jahre für die Weiterführung gestimmt“ (GF). Mit der Einrichtung der Geschäftsstelle setzt sich der Prozess fort. Anstatt nur auf eingehende Gesuche zu reagieren, fängt die SKBS an, weitere Programme oder auch Lösungsansätze zu Herausforderungen zu entwickeln, die mit den Werten und der Tradition der Stiftung in Einklang stehen. Möglich wird dies durch den Willen des ehemaligen Stiftungsratspräsidenten, der Arbeit der SKBS stärkere Konturen zu verleihen. Das relativ diffuse Förderverhalten weicht einer anfänglich noch grob formulierten Strategie, die über die Jahre sukzessiv zu einer Fokussierung der Stiftung auf ausgewählte Themen weiterentwickelt wird. Basis der Problemwahrnehmungen sind die Interpretation des Stiftungszwecks sowie im besonderen Masse die eigene „Betroffenheit“ des Geschäftsführers und des ehemaligen Stiftungsratspräsidenten. Die Entwicklung der Förderstrategie und langsam stattfindende Fokussierung wird maßgeblich auch durch die hohe Anzahl der eingehenden Förderanträge vorangetrieben. In der Breitenförderung spielen Innovationen weiterhin eine untergeordnete Rolle, Neuartigkeit ist aber kein Ausschlusskriterium: „Wir haben noch manches gefördert, was einen experimentellen Charakter hatte. Wo wir bereit waren, selbst auf die Gefahr des Scheiterns, Dinge zu unterstützen mit der Hoffnung, dass es funktioniert, dass es ansetzt und sich dann auch irgendwie selbst tragen kann“ (ePR). Dies ist jedoch vor allem bei der Entwicklung der Schwerpunktprojekte der Fall. Zum Teil sind es komplexe Projekte, die ein hohes Maß an thematischem Wissen und Erfahrung im Aufbau von Programmen voraussetzen, wie die im Kulturbereich angesiedelten Projekte des Studiengangs Kulturmanagement oder der Binding Sélection d‘Artistes. Beide würden ohne die SKBS nicht existieren. Die SKBS hat verschiedene Akteure zusammengebracht, in der inhaltlichen Entwicklung ihr Fachwissen eingebracht und die finanziellen Ressourcen zur Verfügung gestellt.

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Die Programme sind auf eine gesellschaftliche Nachfrage getroffen und konnten sich erfolgreich etablieren. Die Schwerpunktprojekte TransHelvetia und Univers Suisse antworten auf die wahrgenommene Herausforderung, dass der ungenügende Sprach- und Kulturaustausch zwischen den Landesteilen der Schweiz ein Risiko für die gesellschaftliche Kohäsion darstellt. Der Lösungsansatz der SKBS besteht aus der Initiierung kulturell anspruchsvoller Programme wie Theaterveranstaltungen, Autorenlesungen oder Sommerakademien für begabte Studenten. Nur ein kleiner Betrag wird als Zuschüsse für Schülerreisen aufgewendet. Es sind innovative Projekte, die auf Grund von Evaluationen angepasst, verbessert oder auch beendet werden. Es sind aber keine sozialen Innovationen im engeren Sinn, die auf Bedürfnissen von benachteiligten Bevölkerungsgruppen basieren. In gewisser Weise handelt es sich um Nischenprobleme, denen sich die SKBS bewusst annimmt. Sie beruhen vor allem auf den Vorlieben, Interessen und der Betroffenheit des Geschäftsführers und des ehemaligen Präsidenten. Die SKBS möchte ihren eigenen Weg gehen und sich nicht zu sehr an Problemen in der Gesellschaft abarbeiten, die schon viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen: „Also so wie wir es machen, finden wir es gut. Wir wollen ein bisschen Farbe reinbringen und unsere Gesellschaft vielfältig und gesamtschweizerisch denken und fühlen. Wir möchten gerne an die Landesgrenzen gehen und ein bisschen dieses föderalistische Schweizbild pflegen. Weil wir nicht Innovation oder das Universitäre pflegen, sondern unsere eigene Prägung haben. Mit der Kohäsion, mit dem Kulturerbe und dem Waldpreis sind wir vielleicht ein bunter Exot“ (GF). Dass die SKBS trotzdem bereit ist, auch neuartige Ansätze zu fördern, zeigt sich im Bereich Soziales: „Dort haben wir aus den Gesuchen, die wir bekommen, die innovativsten und außerordentlichsten ausgewählt“ (GF). Die beiden Schwerpunktprojekte antworten auf kreative Weise auf soziale Herausforderungen. LIFT zielt auf die frühe Förderung von Jugendlichen, bei denen Schwierigkeiten abzusehen sind, eine Lehrstelle zu finden. Gegenüber bestehenden Programmen setzt LIFT schon zwei Jahre vor Schulabschluss an. IdéeSport nutzt Sport als Mittel zur Drogenprävention und Integration. Der Verein ermöglicht alternative Freizeitmöglichkeiten gegenüber Disko- oder Barbesuchen, bzw. dem „Abhängen an der Bushaltestelle“ (PA). Bei beiden Projekte ist die SKBS nicht selbst Initiantin, sondern eine von mehreren Geldgeberinnen. Die Förderungen haben zum Ziel, funktionierende Programme in der Ausbreitung zu helfen. Sie wurden auf Basis ihrer erwiesenen Wirksamkeit ausgewählt und zu Schwerpunktprojekten aufgewertet. Es sind soziale Innovationen im engeren Sinn, die sich mittlerweile in der Konsolidierungs- und Ausweitungsphase befinden. Die SKBS stellt Wagniskapital zur Ausweitung und Replizierung von erprobten Lösungsansätzen zur Verfügung. Die ausbezahlten Summen sind zwar nicht sehr hoch, erlauben den Partnern aber eine gewisse Planungssicherheit.

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Die Förderungen zeigen die Bandbreite der Aktivitäten der SKBS auf. Obwohl die konservativ bewahrende Grundhaltung dominiert, ist die unterstützende Förderung von innovativen Projekten eine Teilstrategie der SKBS. In den Förderungen der Programmthemen sucht die SKBS bewusst auch kleinere Projekte, die originelle Ansätze aufweisen. Dort vertritt sie die Auffassung, dass diese über langfristige Förderungen im Fundraising entlastet werden sollten, um sich so auf ihre Programmarbeit fokussieren zu können. Das dichotome Verhältnis zwischen Innovation und Bewahrung wird auch in der Beziehung zwischen dem Stiftungsrat und der Geschäftsstelle deutlich. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut, vor allem auch deswegen, weil die Geschäftsführung weiß, welche Art von Anträgen sie in den Stiftungsrat geben kann: „Dynamisch und originell können sie schon sein, aber keine, die innovative Zukunftsphantasien oder Zukunftsglauben benötigen“ (GL). Der Geschäftsführer möchte dem Stiftungsrat keine Förderstrategie aufdrängen, die nicht authentisch mit seinen Werten ist. Insbesondere der ehemalige Stiftungsratspräsident sieht eine Fokussierung auf das Kriterium der Neuartigkeit kritisch: „Meine persönliche Option war eher mal ein bisschen zu bremsen. Zu sagen, wollen wir nicht aufpassen, dass vor lauter neuen Dingen die alten und bewährten Institutionen plötzlich Probleme bekommen“ (ePR). Zugleich fordert und fördert der Stiftungsrat die Entwicklung von Schwerpunktprojekten und das Engagement der Geschäftsführung in Verbänden wie SwissFoundations. Der ehemalige Präsident sieht es als einen normalen Reibungspunkt in Förderstiftungen an, dass die Geschäftsstelle neue Projekte entwickeln und sich einbringen möchte, „sonst bräuchte es sie ja auch nicht“ (ePR). Auf der anderen Seite ist der Stiftungsrat darin bemüht, die Verwaltungskosten niedrig zu halten. Mit dem jetzigen System geht die SKBS einen gewollten Kompromiss ein. Sie ist zum einen der Bewahrung verpflichtet, zum anderen setzt sie in ausgewählten Bereichen Impulse und fördert originelle Projekte. Der Geschäftsstelle wird Raum zur inhaltlichen Entwicklung gegeben. Der Stiftungsrat ist jedoch auch darauf bedacht, die Prägung und Tradition der SKBS aufrechtzuerhalten. Mit ihrer Ausrichtung möchte die SKBS als ein verlässlicher Partner auftreten. Ihr Engagement in den Förderbereichen wird geschätzt. Sie pflegt ihre eigene Prägung. Die SKBS steht nicht für sozialen Wandel oder Innovation. Ihr Hauptziel ist die Bewahrung „einer lebenswerten und irgendwie auch farbigen Schweiz“ (GF). Ihre Förderstrategie ist mit den anvisierten Zielen kongruent. Trotz ihrer wenig ausgeprägten Innovationsorientierung zeigt sie die Fähigkeit in den Schwerpunktprojekten Neues anzustoßen. Die Mischung zwischen Bewahrung und Neuartigkeit trägt zu dem „bunten Exotentum“ (GF) der Stiftung bei.

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6.4

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Legende: GR: Gründerin (Stiftungsratsvorsitzende) SR: Mitglied des Stiftungsrats GF: Geschäftsführerin PA: Projektpartner 6.4.1

Stifterin und Gründungsgeschichte

Die Arcas Foundation (AF) wird Ende 2005 von der Tochter eines anerkannten Schweizer Bankiers gegründet. Hans J. Bär hat die Julius Bär Bank zu einer international tätigen Vermögensverwaltungsgesellschaft aufgebaut. Die Stifterin nimmt sich nach ihrem fünfzigsten Geburtstag eine Auszeit, um die Gründung der Stiftung vorzubereiten. Sie möchte mit der Stiftung das Vermögen, welches ihr von der Familie mitgegeben wurde, auf sinnvolle Weise in die Gesellschaft zurückfließen lassen. Der Name der Stiftung geht auf die griechische Mythologie zurück. Arcas ist ein Sohn von Zeus, dessen Mutter Kallisto von Heras zu einer Bärin verwandelt wird. Nachdem Arcas seine Mutter auf der Jagd nicht erkennt und fast tötet, setzt Zeus beide als Sternenbilder der großen Bärin und des kleinen Bären in den Himmel. Die AF widmet sich dem Themenbereich der Integration. Sie möchte durch ihre Förderungen Chancen für Menschen eröffnen, damit diese mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Persönlichkeiten an der Gesellschaft teilhaben können. Sie unterstützt vor allem Vorhaben, die Menschen dazu befähigen, eine Arbeit aufzunehmen und eigenverantwortlich für einen Teil ihres Lebensunterhalts zu sorgen. Zugleich setzt sie sich für die kulturelle und soziale Integration von Menschen unterschiedlicher Herkunft ein. Der Gründerin liegt die gesellschaftliche Kohäsion am Herzen. Die AF folgt der Vision einer „offenen Gesellschaft, die in sozialem Frieden lebt und in der jegliche Formen des sinnvollen und konstruktiven Zusammenlebens möglich sind“ (AF 2014a, S. 1). Die Hauptzielgruppen der Projektförderungen sind Migranten, Jugendliche, Menschen mit Behinderungen und Arbeitslose. Im Stiftungszweck wird die Integrationsförderung als einziges Tätigkeitsfeld benannt: Die Stiftung bezweckt, gemeinnützige Institutionen und Projekte in ihrem Bestreben zu unterstützen, Menschen im In- und Ausland auf ökonomischer, kultureller, gesellschaftlicher und sozialer Ebene zu integrieren bzw. zu reintegrieren […]. Die AF verfügt über keine eigene Geschäftsstelle. Die Geschäftsführung wird von einer unabhängigen Beratungsfirma für „Philanthropie und soziale Investitionen“

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mit dreißig Stellenprozenten ausgeübt. Die Gründerin ist in der Stiftung sehr engagiert. Mehrjährig laufende Förderprojekte werden meistens von einem Stiftungsrat in einem Patensystem begleitet. Am 31.12.2016 beträgt das Stiftungsvermögen CHF 9.903.428 (AF 2017, S. 4). Die AF möchte pro Jahr unabhängig von der Entwicklung des Stiftungsvermögens ca. CHF 500.000 ausschütten. Das durchschnittliche Fördervolumen in den letzten fünf Jahren beträgt CHF 620.000 pro Jahr. Die einzelnen Förderungen variieren zwischen kleinen einmaligen Beträgen von unter CHF 10.000 CHF und mehrjährigen Projekten, die mit Summen bis zu CHF 240.000 gefördert werden. Die Stiftung kann das gesamte Vermögen aufbrauchen, mit Ausnahme des ursprünglichen Gründungskapitals von CHF 100.000. 6.4.2

Förderphilosophie /-strategie

Die Förderphilosophie der AF beruht auf der Überzeugung, dass Menschen den Willen und die Kraft haben, sich in die Gesellschaft einzubringen, wenn ihnen dazu Möglichkeiten eröffnet und Vertrauen geschenkt wird. Durch ihre Unterstützungsleistungen möchte die AF Integrationschancen bieten. Sie sieht dabei die Verantwortung nicht nur bei den Hauptzielgruppen der Stiftung: „Integration heißt ja nicht nur, dass man jemand der draußen steht, in etwas rein quetschen muss. Sondern es kann auch heißen, dass man gesellschaftliche Initiativen unterstützt, die eine neue Integrationskultur in der Gesellschaft fördern, sozusagen eine neue Gesellschaft mitgestaltet.“ (GF). In ihrer Arbeit konzentriert sich die AF auf die Fokusthemen Integration in den Arbeitsmarkt, Akzeptanz und Integration von Migranten sowie die Förderung des sozialen Unternehmertums. Vor allem in der Arbeitsintegration sieht die AF einen Schlüssel, Menschen an der Gesellschaft teilhaben zu lassen. Die AF bevorzugt in der Förderung unternehmerische Ansätze, bei denen neben dem Integrationsziel Einkommensströme bei den Partnern generiert werden, wenn dies möglich ist. Die Stiftung konzentriert den Großteil ihrer Mittel auf wenige Projekte, die sie über Laufzeiten von zwei bis drei Jahren unterstützt. Ein kleinerer Teil der Fördergelder sind einmalige „Sympathiespenden“ (GR). Neben finanziellem Kapital stellt die AF ihr eigenes Netzwerk zur Verfügung und investiert in den Wissens- und Kompetenzaufbau ihrer Partner. Sie nimmt keinen Einfluss auf die Ausgestaltung der Integrationsansätze. Als relativ kleine Stiftung sieht sich die AF als „eine Art Speedboot“ (GR). Die Stifterin möchte die schlanke Struktur beibehalten, um schnelle Entscheidungen treffen und neue Initiativen aufgreifen zu können. Zudem ist es ihr ein Anliegen, Akzente im Schweizer Stiftungssektor zu setzen:

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„Wir sind wendiger, wir haben weniger Entscheidungsschwierigkeiten oder -stufen zu übergehen. Das ist schon mal angenehm vom Vehikel her. Und weshalb ist mir das wichtig? Von der Philosophie! Ich möchte gerne, und sage das auch immer wieder, dass wir eine innovative Stiftung sind und uns immer wieder auf neue Wege begeben und so auch ein bisschen an der Stiftungsszene rütteln“ (GR). Die Gründerin verfügt über ein breites soziales Netzwerk. Sie ist u.a. Mitglied des Vorstands von SwissFoundations und begleitet als Beirätin oder Stiftungsrätin mehrere soziale Unternehmungen und philanthropische Beratungsgesellschaften. Sie versucht Projekte aktiv miteinander zu vernetzen, wenn sich dazu die Chance ergibt. Sie wird aktiv von der mandatieren Geschäftsführerin unterstützt, welche die Arbeit der Stiftung maßgeblich prägt. Die Stifterin hat „Freude, die Gesellschaft mitgestalten zu können“ (GR). Sie sieht sich selbst als eine Person, die gerne querdenkt und „etwas Wind in den doch etwas konservativen Stiftungssektor“ (GR) bringen will. Die Gründerin nutzt die Stiftung als ein Vehikel, mit dem „ich als Katalysatorin das Geld, welches mir von der Familie mitgegeben wurde, sinnvoll in die Gesellschaft zurückfließen lassen kann“. 6.4.2.1

Entwicklung der Stiftungsstrategie (Problemwahrnehmungen & Lösungsansätze)

Die Gründerin entscheidet sich aus persönlichen Motiven, den Zweck der Stiftung auf das Problemfeld der Integration auszurichten, „weil ich mich gerne als Teil eines Ganzes sehe. Und dazu möchte ich auch einen Beitrag leisten“ (GR). Sie sieht in der ungleichen Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft eine Herausforderung für die gesamtgesellschaftliche Kohäsion. Zudem sind in ihrer beruflichen Tätigkeit als Coach persönliche und gruppenbezogene Integrationsprozesse ein wichtiges Thema. Der umfassende Integrationsbegriff (sozial, kulturell, ökonomisch und gesellschaftlich) im Stiftungszweck soll ermöglichen, innerhalb der Integrationsarbeit verschiedene Schwerpunkte zu setzen. Zum Aufbau der Stiftung sucht die Gründerin nach geeigneten Personen aus ihrem Bekanntenkreis, die vom „Herzen her stimmen und meine Werte teilen“ (GR) und von denen sie sich verspricht, dass sie einen Beitrag zur Stiftungsarbeit leisten können. Sie legt von Beginn an Wert darauf, dass der Aufbauprozess partizipativ (integrativ) gestaltet ist: „Also habe ich versucht, ein paar Leute zusammenzunehmen und dann sind wir so gestartet, an einem weißen Flipchart eines Abends, mit ein paar Stiften. Wir haben uns gefragt, um was es gehen könnte. Was wäre uns wichtig? Der Teamprozess war mir extrem wichtig, also habe ich nicht einfach vorgegeben, sondern wir haben versucht, zusammen etwas zu entwickeln“ (GR).

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In dem Prozess werden die ersten Leitlinien der AF festgelegt. Die Stiftungsräte entscheiden, eine aktive Rolle einzunehmen. Sie beschließen Förderprojekte über eigenes „Scouting“ zu identifizieren und diese dann als Paten aktiv zu unterstützen: „Das hands-on war uns sehr wichtig. Wir wollten nicht einfach Geld verteilen“ (GR). Zur administrativen Unterstützung mandatiert die AF ab 2008 einen Berater mit zwanzig Stellenprozent, der mit Stimmrecht in den Stiftungsrat aufgenommen wird. Für die Periode 2011-2013 formuliert die AF erstmals spezifische strategische Ziele (AF 2011). Sie beschließt ihre Mittel zu bündeln und auf wenige Projekte zu konzentrieren, die sie über 2-3 Jahre unterstützt. Zwanzig Prozent des Jahresbudgets sind weiterhin für die Förderung kleinerer, einmaliger Projekte vorgesehen. Der Stiftungsrat spricht sich gegen eine Fokussierung auf eine bestimmte Innovations-, bzw. Projektphase aus, um die Flexibilität der Stiftung zu bewahren. Er setzt sich das Ziel, in Zusammenarbeit mit weiteren Stiftungen und dem Dachverband SwissFoundations aktiv und selbstkritisch an der Professionalisierung des Stiftungssektors mitzuarbeiten. In der Projektförderung konzentriert sich die AF auf die Integration von Arbeitslosen „weil dies vielfach mit Selbständigkeit und Selbstwertgefühl zu tun hat. Dass man für sich selber aufkommen, im eigenen Leben stehen und für sich selber Verantwortung übernehmen kann“ (GR). Die Gründerin kennt viele Personen, die von der Sozialhilfe leben. Sie sieht, wie Menschen ohne Beschäftigung ihren persönlichen Halt verlieren und „manchmal schon fast dazu gezwungen sind, in der Früh den Kühlschrank zu öffnen und ein Bier zu trinken, da niemand auf sie wartet und sie keine Chance haben, irgendwo gestaltend mitzuwirken“ (GR). Als übergeordnetes strategisches Ziel definiert die AF „möglichst viele arbeitslose Menschen zu integrieren, ihre Würde jederzeit zu wahren sowie ihre Eigenverantwortung aktiv zu fördern und zu stärken“ (AF 2011, S. 1). Neben dem Schwerpunkt Arbeitsintegration unterstützt die AF weiterhin Integrationsprojekte für Migranten. Durch die Fördertätigkeit und der Begleitung von Projekten stärkt die AF schrittweise ihre Kompetenz in der Beurteilung von Integrationsansätzen. Sie lernt zwischen verschiedenen Modellen zu differenzieren und sie nach ihrem Wirkungspotential zu beurteilen: „Mit den Jahren bekommt man ein Gefühl dafür, welche Projekte besser funktionieren“ (SR). Das gewonnene Wissen trägt die AF über eigens initiierte Workshops und Präsentationen zurück in den Stiftungssektor. Auf Grund eines Wechsels in der Geschäftsführung im Januar 2013 beginnt sich die AF vermehrt auf die Förderung von unternehmerischen Integrationsansätzen zu fokussieren, die mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit verbunden sind. Die neue Geschäftsführerin ist Wirtschaftsabsolventin der Hochschule St. Gallen und hat zuvor in der Privatwirtschaft und bei einer Bankstiftung für Venture Philanthropie in der Schweiz und Südamerika gearbeitet. Sie bringt diese Erfahrungen in die Stiftung ein und prägt dadurch das weitere Vorgehen der AF.

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Zur Stärkung der Identität der Stiftung entwickelt die AF eine eigene Vision und Mission. Die ersten Entwürfe werden von der Stifterin verfasst und anschließend mit dem Stiftungsrat und der Geschäftsführerin diskutiert. Die Schlussfassung wird an einem Strategieworkshop verabschiedet. In ihrer Vision steht die AF für eine offene und friedvolle Gesellschaft ein, die auf Chancengerechtigkeit beruht und in der Menschen die Möglichkeit haben, sich entsprechend ihrer Fähigkeiten einzubringen und zu entwickeln. In der Mission wird die Umsetzung der Vision präzisiert. Demnach setzt sich die AF dafür ein, „dass alle Menschen in der Gesellschaft soziale, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe erhalten […] und dass Menschen, die momentan am Rande oder außerhalb der Gesellschaft stehen, die Chance gegeben wird (wieder) zu partizipieren” (AF 2014a, S. 1). Sie verfolgt das Ziel „durch die Förderung von innovativen und unternehmerischen Ansätzen mit nachhaltiger und messbarer Wirkung, die das ´Miteinander´ durch Integration fördern und den gesellschaftlichen Zusammenhalt unterstützen” (ebd.). Dabei will die AF als „flexible und innovative Stiftung methodisch, formal und inhaltlich neue Wege gehen“ (ebd). Die Stiftungsräte erkennen sich und die Stiftung in der neu formulierten Vision wieder und begrüßen, dass eine neue Phase mit neuen Möglichkeiten für die Stiftung eingeläutet werden kann (AF 2013). Als Folge der Innovationsausrichtung beginnt die AF mit verschiedenen Förderformaten zu experimentieren. Zusätzlich zur Vergabe von Spenden offeriert sie zunehmend Defizitgarantien oder vergibt zinslose Kredite. Die Geschäftsführerin prüft Möglichkeiten für ein Impact Investment. Zudem führt sie eine konkrete Jahresplanung mit Zielsetzung für die Stiftungsarbeit ein. Ihr Vorschlag, das Dienstleistungsangebot der AF als Investition von intellektuellem Kapital (Paten, weitere Experten, eigenes Wissen), finanziellem Kapital (Spenden und Investitionen) und sozialem Kapital (Zugang zu Netzwerken) zu strukturieren, wird vom Stiftungsrat angenommen (AF 2013). Abbildung 15 zeigt die Strategie der AF.

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Fokusthemen • Integration in den Arbeitsmarkt • Förderung von sozialem Unternehmertum • Akzeptanz und Integration von Migranten Investitionen bei mehrjährigen Projekten Soziales Kapital: • Zugang zu eigenen Netzwerken und Kontakten ermöglichen

Intellektuelles Kapital: • Aktive Begleitung und Beratung durch Paten • Weitere Experten und Knowhow

Finanzielles Kapital: • Spenden, Defizitgarantien, zinslose Darlehen • Investitionen (Impact Investment) Reptilienfonds Einmalige finanzielle Spenden an kleinere Projekte (< CHF 10.000)

Abb. 15: Strategische Ausrichtung Arcas Foundation (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an AF 2014b, S. 1) Die Arbeitsintegration bleibt das Schwerpunktthema der Stiftung. Ab 2015 rückt das Problemfeld der Integration von Migranten verstärkt in den Fokus. Auslöser dafür ist unter anderem die steigende Anzahl von Flüchtlingen nach Europa und in die Schweiz. Die Stifterin informiert sich über Integrationsansätze in anderen Ländern. Durch Gespräche mit Fachleuten erhält sie neue Ideen und überlegt welche Konzepte sich in die Schweiz übertragen lassen. Die AF fühlt sich mittlerweile erfahren genug, eigene Projekte zu lancieren. Sie überlegt ein Fördervehikel für die Integration von Flüchtlingen aufzubauen, bei dem sich Stiftungen wie auch Privatpersonen beteiligen könnten. Zum Anlass des 10-jährigen Jubiläums der Stiftung wird beschlossen, einen zusätzlichen Sonderfonds in der Höhe von CHF 1 Mio. zur Unterstützung von Flüchtlingsprojekten zu budgetieren.

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Rückblickend sieht die Gründerin die Entwicklung der AF als eine kontinuierliche Lernerfahrung. Die Förderungen der AF zielen darauf ab, Projekte zu unterstützen, die Menschen Chancen eröffnen, ihre eigenen Lebensumstände zu verbessern. Der offene Integrationsbegriff und die schlanke Struktur soll es der AF ermöglichen, schnell auf neue Themen zu reagieren. „Man lernt, was funktioniert und was nicht. Natürlich macht man auch Fehler. Wir lernen immer dazu. Uns ist es wichtig, unsere Flexibilität zu bewahren. Ich weiß noch nicht, was wir in fünf Jahren machen. Die Gesellschaft ändert sich so schnell. Unsere tägliches Brot ist es Zeitung zu lesen und zu verstehen, wo wir einen Beitrag leisten können.“ (GR) Dementsprechend verzichtet die AF darauf, ihre Förderstrategie zu sehr zu formalisieren. Sie will sich die Freiheit bewahren, auf neu aufkommende Herausforderungen schnell reagieren zu können. Die Interpretation der Herausforderungen basiert nicht auf wissenschaftlichen Studien, sondern auf der täglichen Auseinandersetzung mit der Realität. Die AF möchte sich immer dort einbringen können, wo sie Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erkennt. In der Zukunft will sich die AF stärker auf ausgewählte Themen fokussieren und dort ihre Förderung konzentrieren, um eine stärkere Wirkung erzielen zu können (AF 2016a). 6.4.2.2

Suche und Auswahl der Projektpartner (Suche nach Lösungen)

Laut Stiftungszweck hat die AF die Möglichkeit im In- und Ausland tätig zu sein. Die Stifterin sieht vorerst jedoch genug Handlungsbedarf in der Schweiz. Zudem möchten die Stiftungsräte die Projekte eng begleiten. Aus diesem Grund beschließt die AF, ihre Arbeit auf die Schweiz zu konzentrieren. Eigene Projekte zu lancieren, befindet die Gründerin am Anfang noch „für zu heikel und zu komplex als Neuling in dem Gebiet“ (GR). Die Mitglieder des SR nehmen sich vor, Institutionen und Projekte zu identifizieren, die zu den Förderintentionen der AF passen: „Erst waren wir ganz stark der Meinung, wir machen‘s über Scouting. Also jeder von uns schwärmt aus, liest die Zeitung, hört sich um und bringt Ideen. Wir sind wie ein Start-up gewesen. Wir sind alle losgelaufen und haben nach Projekten und Organisationen gesucht“ (GR). Zwei Jahre nach der Gründung öffnet sich die AF für externe Gesuche: „Und warum? Natürlich weil wir die Weisheit auch nicht mit Löffeln gefressen haben. So kommen jetzt viele Ideen und Projekt zu uns, von denen ich keine Ahnung hatte, die mich wirklich überraschen“ (GR). Die Stiftung baut einen regulären Antragsprozess auf. Mittlerweile erhält die AF rund 70 Anträge pro Jahr. Die Stiftungsräte bringen weiterhin Förderideen ein, wenn sie ein gutes Projekt sehen. Der Förderhorizont von Projekten liegt bei 3-5

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Jahren, „da nur langfristig angelegte Projekte wirklich Integration bringen“ (GF). Zur Vermeidung von Abhängigkeiten werden keine Projekte mehr als zweimal gefördert, sofern keine Weiterentwicklung erkennbar ist. Indirekte Integrationsprojekte (Filme, Bewusstseinskampagnen) sowie Suchtprojekte sind von der Förderung ausgeschlossen. Alle Projektanträge werden in einem regulären Prozess geprüft. In einem ersten Schritt müssen potentielle Partner ein Formular auf der Webseite der Stiftung ausfüllen. In einer Kurzzusammenfassung (Management Summary) sollen der Projektinhalt, die geographische Reichweite und die Begünstigten des Vorhabens geschildert werden. Ferner wird nach den Gesamtkosten des Projekts gefragt. Es besteht die Option zwischen den Förderformaten Spende oder Darlehen (oder „anderes“) zu wählen. Für Projekte mit einer Fördersumme unter CHF 10.000 müssen keine weiteren Informationen eingereicht werden. Bei Summen, die darüber liegen, verschickt die AF ein ausführlicheres Formular zur Vervollständigung. Bedingung dafür ist, dass die Geschäftsleitung der AF befindet, dass es sich lohnt, das Gesuch weiter zu verfolgen. Durch die Vorprüfung soll vermieden werden, dass Antragsteller umsonst das ausführliche Formular ausfüllen. Eine Einladung zur Stellung eines vollständigen Gesuchs heißt nicht, dass ein Projekt automatisch gefördert wird. In dem Formular müssen die Antragssteller erklären, welches gesellschaftliche Problem angegangen wird und mit welchem konkreten Lösungsansatz diesem begegnet wird. Mögliche Herausforderungen bei der Umsetzung sollen beschrieben und die Skalierbarkeit des Projekts aus eigener Sicht beurteilt werden. Zur Darstellung der angestrebten Wirkung verlangt die AF, die Projekte nach dem Logic Model in Output, Outcome und Impact zu unterteilen und mit Indikatoren zu beschreiben. Die AF verwendet das Modell „weil die Logik über soziale Wirkung und den Zusammenhängen von sozialen Aktivitäten dort sehr deutlich wird, wenn sich die Projektpartner einmal durch diesen Gedankengang gebracht haben“ (GF). Dem Antrag sind ein Zeitplan mit Meilensteinen sowie weitere Informationen zur Organisation und den durchführenden Personen beizulegen. Nach einer Vorauswahl im internen Projektausschuss, bestehend aus der Geschäftsleitung und der Stifterin, werden die Anträge dem Stiftungsrat vorgelegt. Die Förderentscheidung fällt in den vierteljährlichen Stiftungsratssitzungen: „Wichtig ist bei der Beurteilung der logische Zusammenhang zwischen Problem und Lösung. Das klingt zwar sehr trivial, aber die meisten scheitern daran. Es gibt viele, die sagen: ´Ja, Ausländer müssen integriert werden und darum machen wir Workshops oder Kuchen- und Teeveranstaltungen in unserem Gemeindezentrum´. Das kann etwas bewirken, aber hat jetzt keinen starken Kausalzusammenhang. Wir suchen schon einen direkten Zusammenhang zwischen dem Problem und einer Lösung“ (GF). Die AF fördert bevorzugt Lösungsansätze, die das Potential haben, ausgeweitet werden zu können. Aufgrund der Präferenz für unternehmerische Ansätze fördert

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die AF verstärkt Integrationsprojekte, bei denen z.B. ein Produkt produziert oder eine Dienstleistung angeboten wird. Wichtig ist, dass die beantragten Gelder nicht in die Administration der zum Teil hoch subventionierten Arbeitsintegrationsprojekte fließen. Ziel ist, die Eigenverantwortlichkeit und Integrationschancen von benachteiligten Menschen zu erhöhen. Sie sollen dazu befähigt werden, wieder aktiv an der Gesellschaft teilzuhaben. In den Förderanträgen muss sich zeigen, dass ein Projekt vielleicht auf eine spezielle, vor allem aber sinnvolle Art und Weise auf die Fragen eingeht, die wir in dem jeweiligen Integrationsbereich haben“ (GR). Wenn sich der SR für eine Förderung entscheidet, überlegt die AF, ob alternative Förderformate oder andere Beträge nicht sinnvoller sein können: „Wir schauen sehr stark darauf, was das Projekt überhaupt braucht. Wir möchten wirklich verstehen, wo das Geld hingeht. Muss es jetzt alles sofort sein? Wir hinterfragen schon kritisch und manchmal kommen wir beim Nachfragen auf andere Lösungen“ (GF). So kann es z.B. sein, dass anstatt einer Spende eine Defizitgarantie angeboten wird. In Ausnahmen bietet die AF auch höhere Förderbeträge an, wenn sie das Gefühl hat, dass ein Projekt damit einen substantiellen Fortschritt machen kann. Während sich die Finanzierungform und -höhe ändern kann, hält die AF sich bei inhaltlichen Fragen in Bezug auf die Integrationsansätze zurück, denn „letztendlich sind auch jene, welche die Projekte führen, die Experten. Sie sind vor Ort und erkennen das Problem wirklich und wissen was für eine Lösung es braucht“ (GF). Dies schließt nicht aus, dass aus allfälligen Vorgesprächen Ideen der AF in die Projekte einfließen. Die AF verlangt von ihren Partnern aber nicht, Anpassungen an ihrem Integrationsmodell vorzunehmen. Wenn sie von einem Lösungsansatz nicht überzeugt ist, fördert sie das Vorhaben nicht. Der Stiftungsrat spricht sich bewusst gegen eine Fokussierung auf eine bestimmte Projektphase aus. Die AF fördert die Umsetzung von neuen Ideen und finanziert auch laufende Kosten bestehender Integrationsprogramme, aus der Überzeugung, dass jemand „auch Benzin in den Motor geben muss“ (GF). Nicht alles muss neuartig sein wie die GF betont: „Innovation als Kriterium finde ich schwierig. Was heißt Innovation? Etwas Innovatives ist nicht immer etwas Neues. Es kann auch etwas schon Bestehendes für eine andere Zielgruppe sein“ (GF). Eine ähnliche Argumentation vertritt die Stifterin. Im Jahresbericht eines Förderpartners äußert sie sich kritisch über die Tendenz von Stiftungen, nur Anschubfinanzierungen zu leisten. Die AF möchte deswegen bewusst mit der Finanzierung laufender Kosten von funktionierenden Programmen einen Gegenakzent setzen (Die Chance 2013, S. 18). Insgesamt sehen die Partner den Auswahlprozess als fair und transparent an, auch wenn sie zum Teil Probleme mit der Beschreibung ihrer Vorhaben nach Outcome und Impact haben. Der Ansatz der AF, sich längerfristig zu engagieren und gemeinsame Ziele festzulegen, wird von einem Partner als positives Merkmal der AF herausgestellt: „Bei anderen Stiftungen bekommen wir nur einen Bescheid. Dies ist bei der AF anders. Wir stehen da schon im Vorhinein in persönlichem Kontakt. Da spürt man das

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Interesse an der Organisation“ (PA). Ein Partner erwähnt, dass er sich außer bei der AF keine Mühe mehr macht, bei Stiftungen nach finanziellen Mitteln zu fragen, wenn er nicht ein neues Projekt lancieren oder eine neue Anschaffung tätigen will. 6.4.2.3

Zusammenarbeit mit Projektpartnern (Implementierung & Anpassungen)

Nach einem positiven Bescheid des Stiftungsrats schließt die AF mit ihren Partnern eine vertragliche Fördervereinbarung ab. Darin wird die Verwendung des Förderbetrags festgelegt sowie die angestrebten Ziele und Meilensteine festgehalten. Die Zusammenarbeit mit den Projektpartnern ist abhängig von der Größe der Fördersumme. Bei kleineren Projekten, die einmalig unterstützt werden, findet nur sehr wenig Austausch statt. Die Zusammenarbeit mit größeren und langjährigen Projekten gestaltet sich intensiver und ausführlicher. Zudem wird dem Projektpartner eine Hauptansprechperson von Arcas Foundation als Pate zur Seite gestellt. Das Patenprogramm wird nach seiner Einführung mehrfach überarbeitet. Die Grundidee ist, die Partner zu unterstützen und nah dran zu bleiben, „damit man weiß, wo das Ganze hin läuft und nicht erst am Ende des Jahres sieht, dass es ein Riesenproblem gab und es nicht funktioniert hat, sondern dass man eben auch helfen kann“ (SR). In manchen Fällen gelingt dies gut. Über den Austausch können diejenigen Ressourcen identifiziert werden, die den Partnerorganisationen den größten Nutzen bringen. In anderen Fällen „konnten sich einige von uns nicht so gut abgrenzen und wurden dann irgendwie zu Organisationsentwicklern“ (SR). Dies führt zum Teil dazu, dass sich Stiftungsräte zeitlich überfordern. Im Gegensatz dazu gibt es auch Beispiele, bei denen die Besuche „so Kaffee-Kuchen-Kränzchen waren. Das ist ja ganz nett, aber das hat den Organisationen Zeit genommen, uns viel Zeit mit rumreisen gekostet und letztlich hatten wir dann doch vielleicht die relevanten Aussagen nicht, die wir hätten haben sollen“ (GR). Die Geschäftsführerin baut schließlich ein System auf, bei dem die Paten die Fördervereinbarung als Grundlage für den Austausch über den Projektverlauf verwenden: „Antragsprozess, Reporting, Schlussbericht und alle Zwischenfragen der Paten sind in etwa aufeinander abgestimmt, so dass es für alle einen Sinn macht. Also mittlerweile sind wir doch relativ stringent. Wir möchten uns immer auf ein paar Grundinformationen konzentrieren, damit sich die Partner daran gewöhnen, dass immer wieder dieselben Fragen auftauchen.“ (GR) Wichtig ist der Geschäftsführerin dabei, dass man „aber auch aufpasst, die Partner nicht zu überfordern“ (GF). Die Beschreibung nach Outputs und Outcomes ist für viele Träger von Integrationsprojekten neu. Sie müssen sich erst daran gewöhnen und die Logik verstehen. Ein Partner, dessen Projekt offensichtlich erfolgreich läuft, weigert sich zuerst den Bericht auszufüllen. Der zeitliche Aufwand erscheint ihm zu hoch und er bietet an, den Förderbetrag zurückzugeben. Er sieht keinen Sinn darin, einen Flüchtlingschor in einem Logic Framework zu beschreiben. Schließlich

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reicht die Präsidentin des Trägervereins, doch den Bericht ein, um die Reportingauflagen zu erfüllen. In den Stiftungsratssitzungen berichten die Paten über die Entwicklungen in den Projekten, die sie begleiten. Gemeinsam überlegen sie, ob und wie sie die Partner noch weiter unterstützen können: „Aus meiner nun 10-jährigen Stiftungserfahrung kann ich jetzt auch neue Ideen einbringen, Anregungen geben, wo man sich vielleicht noch vernetzen kann, nachfragen ob sie eine bestimmte Sache auch schon gedacht haben. Durch die Gespräche haben sich auch neue Förderungen ergeben. Wo man gesehen hat, vielleicht braucht es jetzt noch eine Studie oder eine Person, die sich auf die Weiterentwicklung des Projekts konzentrieren kann.“ (SR) Die Zusammenarbeit mit den Partnern ist auf ausgewählte Projekte fokussiert. Durch den Austausch kann die AF in manchen Fällen Hebel identifizieren, welche den Partnern die Möglichkeit geben, ihre Wirkung zu erhöhen. Dementsprechend bietet die AF an, weiteres finanzielles oder intellektuelles Kapital zu investieren oder weitere Ressourcen aus ihrem Netzwerk zu mobilisieren. Anpassungen an laufende Projekte werden nicht eingefordert. Die Begleitung ist als wohlwollende Hilfestellung gedacht, die einem strukturierten Prozess folgen soll. Ein weiterer Effekt der Patenschaft sieht eine Partnerin in der symbolischen Unterstützung: „Wir schätzen es unglaublich, wenn wir ein Gesicht haben und das Gefühl, dass sich jemand für uns interessiert“ (PA). Die meisten Stiftungen, mit denen die Projektpartner Kontakt haben, sprechen nur über finanzielle Mittel. Die Projektbesuche der AF geben den Integrationsprojektträgern ein Gefühl der Wertschätzung und Unterstützung. 6.4.2.4

Nachhaltige Verankerung & Verbreitung

Die AF beurteilt die eingehenden Gesuche in Bezug darauf, inwiefern die Vorhaben zu einer nachhaltigen Verbesserung der Lebensumstände ihrer Zielgruppen führen. In vielen Fällen ist der wichtigste Indikator dafür, wie viele Menschen eine unbefristete Anstellung oder Beschäftigung gefunden haben. Ziel ist es, Projekte zu identifizieren, die Menschen dazu befähigen, ihre eigene Situation zu verbessern. Wenn bei einem Modell die Möglichkeit gesehen wird, den Ansatz auf weitere Zielgruppen oder Regionen auszuweiten, ist dies ein positives Kriterium bei der Förderentscheidung. Zur Vermeidung von Abhängigkeiten wird jedoch kein Projekt öfter als zweimal gefördert. Nur in Ausnahmen finanziert die AF Projekte vollständig. Neben der Vorprüfung der Gesuche versucht die AF ihre Projektpartner zu animieren eigene Einkommensquellen aufzubauen:

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„Ich bin ein großer Fan davon, dass man, wenn immer möglich, ein gewisses selbsttragendes Modell entwickelt. Es gibt nicht immer, aber sehr oft, eine Möglichkeit irgendwo einen Einkommensstrang zu generieren und eine gewisse Unabhängigkeit von Spenden zu bekommen. Aber da ist die Schweiz noch sehr konservativ. Die meisten hätten gerne eine Spende und haben sich nie überlegt, dass sie auch für das, was sie machen, Geld verlangen können. Und wenn es nur fünf Franken sind, um damit ein gewisses Einkommen zu generieren. Ich komme aus der Venture Philanthropy und da ist das ein Ansatz, der natürlich gefördert wird.“ (GF) Neben der Suche nach neuen Einkommensquellen fördert die AF die nachhaltige Verankerung und Ausweitung von Integrationsprogrammen über die Finanzierung von neuen Stellenprozenten. Ziel ist, durch die Schaffung zusätzlicher personeller Ressourcen zeitliche Kapazitäten für die Geschäftsführung der Partnerorganisationen zu schaffen. Diese können sich dann auf die Entwicklung eines tragenden Geschäftsmodells und/oder einer Wachstumsstrategie konzentrieren. Alternativ dazu wird die Anstellung einer weiteren Person mit der gleichen Aufgabe finanziert oder laufende Kosten des Integrationsprogramms übernommen. Die AF spricht fallweise befreundete Stiftungen aus ihrem Netzwerk an, um die Finanzierung der Programme breiter abzustützen und weiteres Kapital zu mobilisieren. Gleichzeitig nimmt sie auch an Gesprächsrunden von Stiftungen teil, die ihrerseits versuchen, durch einen Zusammenschluss von Stiftungen ein bestimmtes Projekt zur nachhaltigen Verbreitung zu bringen (AF 2015). Neben der Zurverfügungstellung von Beratungsleistungen oder finanziellen Mitteln verfolgt die AF keine bestimmte Strategie, um die geförderten Programme zur Ausweitung zu bringen. Sie entscheidet fallweise wie sie einen Partner unterstützen kann. Die Skalierung wird gefördert wenn sich eine Möglichkeit dazu gibt, sie wird aber nicht von allen Projektpartnern gefordert. Die AF investiert vor allem in den Aufbau der Fähigkeiten ihrer Partnerorganisationen, eigenständige Konsolidierungs- und Wachstumsstrategien zu entwickeln. Politisches Lobbying für die Übernahme geförderter Integrationsprogramme durch den Staat betreibt die AF nicht. 6.4.2.5

Beispiele der Förderarbeit – Das Modell in der Praxis

Innerhalb des übergeordneten Themenfeldes Integration setzt die AF drei Schwerpunkte: Förderung von sozialem Unternehmertum, Integration in den Arbeitsmarkt und Integration von Migranten. Projekte, die mehre Schwerpunkte gleichzeitig abdecken, werden bevorzugt unterstützt. Insgesamt hat die Stiftung seit ihrer Gründung ca. 80 Projekte in der Gesamthöhe von CHF 6 Mio. gefördert. Innerhalb der Förderungen ist eine Bandbreite von kleinen Sympathiespenden bis hin zu strategischen Investitionen zu finden. Mit dem Wechsel in der Geschäfts-

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führung ist eine deutliche Orientierung hin zu unternehmerischen Projekten zu beobachten. Einfache Austausch- und Begegnungsprojekte, die in der Anfangsphase der Stiftung noch gefördert wurden, haben mittlerweile wenige Chancen auf Unterstützung. Folgend werden Beispiele der konkreten Förderarbeit der AF vorgestellt. Im Schwerpunktbereich des sozialen Unternehmertums fördert die AF vor allem Sozialfirmen im Bereich der Arbeitsintegration. Einer der wichtigsten Projektpartner ist die Dock Gruppe AG. Diese ist aus einer Initiative der Stadtverwaltung, des Gewerkschaftsbunds, des Gewerbeverbands und der Landeskirchen in St. Gallen entstanden. Zusammen gründen diese 1997 die Stiftung für Arbeit, mit dem Zweck über die Planung, Trägerschaft, Finanzierung und Führung von Projekten Langzeitarbeitslose in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die Dock Gruppe ist eine hundertprozentige Tochter der Stiftung für Arbeit. Sie besteht aus verschiedenen Sozialfirmen an zehn Standorten in der Schweiz. Die Unternehmen bieten z.B. Recycling-Dienstleistungen oder die Übernahme von einfachen manuellen Arbeiten für die Industrie an. Die Gruppe führt zudem zwei Brockenhäuser, in denen gebrauchte Gegenstände verkauft werden. Als Tochterfirma einer Stiftung ist die Dock Gruppe nicht dazu gezwungen, ihre Gewinne zu maximieren. Ihr Ziel ist es, so vielen Menschen wie möglich Arbeit anzubieten. Die AF wird über den Scouting Prozess auf die Dock Gruppe aufmerksam. Die Gründerin liest in einem Zeitungsartikel einen Bericht über das Sozialunternehmen und nimmt anschließend Kontakt mit der Geschäftsstelle auf. Die Dock Gruppe bietet zu dieser Zeit ca. 120 Menschen Arbeitsplätze an. Bei dem ersten Besuch lässt sich die AF das Geschäftsmodell erklären und zeigt sich beeindruckt. Sie bietet eine Förderung an, welche die Dock Gruppe zuerst nicht annehmen möchte, „da wir damals das Gefühl hatten, dass wir als echtes Sozialunternehmen nur aus eigener Kraft wachsen sollten. Wir hatten noch keine Erfahrung mit Stiftungen. Nach dem Gespräch haben wir es dann bereut und gemerkt, dass wir sehr unvorbereitet waren (PA)“. Die Geschäftsführerinnen erbitten sich Bedenkzeit. Schließlich fördert die AF in einem ersten Schritt die Durchführung interkultureller Kochabende und die Entwicklung eines Theaterstücks mit den Mitarbeitenden der Dock Gruppe.. Heute hätten solche Projekte wenige Chancen auf eine Unterstützung. Durch die Zusammenarbeit entwickelt sich eine engere Beziehung zwischen der AF und der Dock Gruppe. Ab 2011 gehen sie eine strategische Partnerschaft ein, die bis heute andauert. Die Gründerin begleitet die Dock Gruppe als Patin. Durch den regelmäßigen Austausch wird deutlich, dass die Geschäftsführerinnen zu stark ins Tagesgeschäft eingebunden sind, um ein geplante Expansion auf weitere Standorte und Industrien voranzutreiben. Daraufhin finanziert die AF eine Stelle zur Entlastung der Geschäftsführung, um dieser die Möglichkeit zu geben, die Ausweitung der Dock Gruppe voranzutreiben. Zusätzlich unterstützt sie den Aufbau eines Subjektfonds für die Mitarbeitenden der Dock Gruppe. Mit dem

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Modell möchte die AF aufzeigen, wie Stiftungen einzelnen Menschen konkrete Hilfestellung leisten können, ohne jedes Gesuch einzeln prüfen zu müssen: „Da haben wir versucht herauszufinden, ob es etwas Beispielhaftes gibt, was auch andere Stiftungen übernehmen können. Wir wollte etwas versuchen, etwas Neues anschieben, was für Stiftungen ein gutes Gefäß für die Einzelförderung sein könnte“(GR). Organisatorisch wird ein Vergabeausschuss im Unternehmen aufgebaut. Die Betriebsleiter der Dock Gruppe prüfen, inwieweit der Fonds zur Unterstützung der Mitarbeitenden in Frage kommt und geben dann entsprechende Vorschläge in den Ausschuss. Förderbeiträge werden u.a. für die Übernahme von Zahnarztkosten oder Weiterbildungen gesprochen. Über die Jahre unterstützt die AF Projekte der Dock Gruppe mit ca. CHF 1 Mio. an Fördergeldern. Mittlerweile beschäftigt die Dock Gruppe rund 1.400 Mitarbeitende aus der Sozialhilfe an neun Standorten in der Schweiz (Dock Gruppe 2014). Die Geschäftsführung der Dock Gruppe sieht einen Teil ihres Erfolgs darin begründet, dass die AF ihr den Raum und die Zeit gegeben hat, die Expansionsstrategie voranzutreiben. Im Jahr 2010 wird die Dock AG von der Paradies Stiftung mit dem Preis für soziale Innovationen ausgezeichnet.67 Zum zehnjährigen Jubiläum der AF lädt die Stiftung die Mitglieder des Arbeitskreises Soziales von SwissFoundations zu einem Workshop ein, bei dem die operative Geschäftsführerin der Dock Gruppe zu dem Thema „Volkswirtschaftliche Wirkung in der Arbeitsintegration - Ein Gespräch über Kennzahlen und Messgrößen“ referiert. In dem Workshop werden Kostenstrukturen der Arbeitsintegration vorgestellt und den Stiftungen Wissen wird vermittelt, wie sie Sozialunternehmen kritisch nach ihrer Wirksamkeit und Kosten-/Nutzenverhältnis differenzieren können. Der Workshop basiert auf Ergebnissen einer Studie, die von der AF mitfinanziert wurde und „dessen Ergebnis die anderen Förderer nicht wirklich interessiert hat. Die AF war die Einzige, die uns eingeladen hat, damit wir ihnen das Modell erklären“ (PA). Im Anschluss an den Workshop bildet sich eine Arbeitsgruppe, die überprüft, wie die Studie für konkrete Förderentscheidungen von Stiftungen genutzt werden kann. Die strategische Partnerschaft zwischen der AF und der Dock Gruppe vertieft sich. Für eine weitere Jubiläumsveranstaltung gibt die operative Geschäftsführerin der Dock Gruppe im Namen der AF ein kleines Büchlein zum Thema sozialen Innovationen heraus (AF 2016). Zusammen organisieren sie eine Veranstaltung an der über 100 Teilnehmende aus dem Netzwerk der Gründerin eingeladen sind. Bei dem Anlass präsentieren zwölf Moderatoren kontroverse Thesen über die soziale Innovationskraft der Schweiz, die im Anschluss in Kleingruppen diskutiert werden.

67 Die Paradies-Stiftung für soziale Innovation bezweckt die Förderung einer innovativen, nachhaltigen sozialen Tätigkeit. Dies geschieht in erster Linie durch die Verleihung eines Anerkennungspreises in Höhe von Fr. 150’000 alle zwei Jahre (http://www.paradies-stiftung.ch)

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Eine weitere Initiative zur Förderung des sozialen Unternehmertums der AF ist ihre Unterstützung der Gartengold GmbH. Das kleine Startup beruht auf einer Idee von zwei Studenten der Hochschule St. Gallen. Beim Joggen fällt ihnen auf, dass auf privaten Grundstücken viele Äpfel am Boden verfaulen. Sie überlegen, ob durch die Ernte und Saftproduktion Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung geschaffen werden können. Schließlich treten sie mit den Besitzern der Grundstücke und mit einem Unternehmen mit geschützten Arbeitsplätzen in Kontakt. Der erste Apfelsaft wird produziert. Nach einer Pilotphase erhält das Projekt Gartengold öffentliche Aufmerksamkeit und erhält mehrere Förderpreise. Gartengold stellt an die Arcas ein reguläres Gesuch. Zur Stabilisierung von Gartengold spricht die AF zuerst einem Betrag von CHF 12.000 für die Lancierung einer Marketingaktion und für die Ausbezahlung von Löhnen. Das soziale Unternehmen entwickelt sich positiv. Mittlerweile geben Besitzer von 400 Bäumen ihre Grundstücke zur Ernte frei, 30 temporäre Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung konnten geschaffen werden (Gartengold 2016). Gartengold wird von einer Beratungsgesellschaft für soziale Unternehmen unterstützt, bei dem die Stifterin der AF im Beirat sitzt. Durch die Begleitung wird deutlich, dass die Studenten Beihilfe eines erfahrenen Geschäftsleiters brauchen, um ein profitables Geschäftsmodell zu entwickeln. Daraufhin animiert die Stifterin Gartengold, ein Gesuch bei der AF einzureichen. Die AF spricht schließlich CHF 170.000 über drei Jahre für die Finanzierung einer Geschäftsführungsstelle. Sie überprüft die Möglichkeit Anteile an dem Unternehmen zu übernehmen, um ein Impact Investment zu tätigen, verwirft die Idee aber wieder. Die AF sucht seit längerem nach der Möglichkeit, eine Investition aus dem Stiftungsvermögen vorzunehmen. Eine erste Überprüfung der Machbarkeit zeigt, dass die Bewertung von Unternehmen (Due Diligence) für eine einzelne Stiftung organisatorisch und finanziell zu aufwendig ist. Als Lösungsansatz versucht die AF zusammen mit dem Impact HUB Zürich, einem Inkubator für Unternehmensgründer, eine Beteiligungsgesellschaft aufzubauen. Diese soll die Vorprüfungen durchführen und schließlich Stiftungen Investitionsmöglichkeiten anbieten, die mit ihrem Stiftungszweck in Verbindung stehen. Zusammen mit weiteren Stiftungen stellt die AF finanzielle Mittel für die Konzeption einer entsprechenden Investitionsgesellschaft zur Verfügung. Die Geschäftsführerin bringt ihr eigenes Wissen ein. Der Prozess gestaltet sich allerdings als sehr komplex und entspricht nicht den Hoffnungen der beteiligten Stiftungen. Nach zwei Jahren Planung ist das Projekt noch nicht realisiert, wird aber von den Stiftungen nicht völlig aufgegeben. Weitere Förderbeispiele im Bereich des Sozialunternehmertums sind die Unterstützung eines Startup-Inkubators für Arbeitslose und Studienabsolventen sowie die Förderung einer Reinigungsfirma, die Arbeitslose einstellt, trainiert und weitervermittelt.

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Auch wenn die AF unternehmerische Ansätze in der Integration bevorzugt, ist ihr auch bewusst, dass nicht immer genügend Einkommensströme entwickelt werden können Viele Projekte in dem Schwerpunktbereich Arbeitsintegration sind auf Spenden angewiesen. Ein Beispiel ist die Stiftung ´Die Chance´ aus Rheineck. Die 1999 gegründete Stiftung setzt sich für die Förderung und Betreuung von Jugendlichen in der Ostschweiz ein, die trotz positiver Grundhaltung aufgrund ihrer schulischen Leistungen oder ihres Sozialverhaltens dem Anforderungsprofil für geeignete Ausbildungsplätze (Lehre, Anlehre) nicht entsprechen. Das Ziel der Stiftung ist, diesen Jugendlichen berufliche Chancen und Perspektiven zu eröffnen und somit einen Beitrag zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu leisten. Die Chance wird mehrfach für ihre Arbeit ausgezeichnet und wissenschaftlich evaluiert (Bethmann 2014). Sie ist heute in sieben Kantonen in der Ostschweiz sowie in Liechtenstein aktiv. Die Stifterin wird zuerst privat angesprochen, ob sie sich eine Unterstützung von Die Chance vorstellen kann. Sie animiert Die Chance ein Gesuch an die AF zu stellen, bei dem die Arbeitsintegration von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Vordergrund steht. Der Stiftungsrat der AF spricht schließlich CHF 160.000 über eine Laufzeit von vier Jahren. Zusätzlich zum finanziellen Engagement der AF hilft der damalig mandatierte Geschäftsführer der AF den Fundraisingprozess von Die Chance zu professionalisieren. Die Leistung führt er mit seiner Beratungsfirma auf eigene Rechnung durch. Der Geschäftsführer von Die Chance betont, dass der Kontakt für ihn wichtig war und dazu geführt hat, „dass wir endlich verstanden haben, wie die Antragsprozesse bei Stiftungen funktionieren und wie wir potentielle Spender in der Stiftungswelt finden können“ (PA). Die Stifterin sieht in dem Engagement der AF bei der Stiftung Die Chance als ein Beispiel, dass die Förderung laufender Kosten eine hohe Wirkung erzielen kann. In diesem Fall war die Förderung ausdrücklich dafür gedacht, dass ein bereits funktionierendes Programm weitergeführt werden kann. Die Stiftung Tosam ist ein weiterer Förderpartner der AF. Seit 1989 hilft die Stiftung Menschen mit psychischen Krankheiten, ehemaligen Suchtkranken oder körperlich eingeschränkten Personen bei der Rehabilitation und der Integration in den Arbeitsmarkt. Seit ihrer Gründung ist das Jahresbudget von CHF 322.000 auf über CHF 8 Mio. angewachsen (Stiftung Tosam 2015). Die Stiftung führt verschiedene Betriebe wie Brockenhäuser, eine Gartenbaugesellschaft oder eine Fahrradwerkstatt. Dort bietet sie geschützte Arbeitsplätze im alternativen Arbeitsmarkt an. Finanziert wird sie durch Leistungsverträge und Subventionen vom Kanton und den Gemeinden sowie von über 20 Stiftungen. Die Stiftung Tosam bietet auch Menschen eine Beschäftigung an, für deren Anstellung sie keine staatlichen Subventionen erhält. Die Lohnkosten übersteigen in den meisten Fällen die Produktivität der Mitarbeiter. Die AF bewilligt einen Betrag von CHF 240.000 für die Subventionierung von Lohnkosten. Als die Stiftung Tosam in Liquiditätsprobleme

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kommt, erlaubt die AF ihren Förderbeitrag kurzfristig zur Überbrückung einer Finanzierunglücke zu verwenden, „was uns wirklich den Hals gerettet hat“ (PA). Später wird das Geld vollumfänglich im Sinne der Fördervereinbarung eingesetzt. Menschen zu helfen, einen Schritt aus der Armut zu machen, ist das Ziel des Vereins Surprise. Durch den Verkauf des gleichnamigen Straßenmagazins gibt die Organisation von Armut oder Ausgrenzung Betroffenen eine Chance, ein kleines Einkommen zu generieren. Zusätzlich organisiert Surprise einen Straßenchor sowie eine Schweizer Straßenfussball-Liga und setzt sich für die Entstigmatisierung von Armutsbetroffenen in der Schweizer Bevölkerung ein. Im April 2013 lanciert Surprise mit Hilfe der Christoph Merian Stiftung soziale Stadtrundgänge in Basel. Obdachlose werden zu Stadtführern ausgebildet. Sie zeigen auf den Rundgängen wie Menschen in Armut leben und führen die Teilnehmenden an Suppenküchen, Wärmestuben, versteckten Schlafplätzen, Schuldenberatungsstellen oder Kleidungsmärkten von Hilfsorganisationen vorbei. Nach einem sehr erfolgreichen Start will Surprise ähnliche Stadtrundgänge in Zürich aufbauen. Der Verein beantragt die Übernahme eines Teils der Kosten. „Dann hat die Geschäftsführerin der AF gesagt: ´Nein, das macht keinen Sinn. Wenn, dann wollen wir Euch über mehrere Jahre unterstützen und wir überlegen, in welchen Tranchen die Auszahlung am meisten Sinn macht´. Das hat mich sehr überrascht“ (PA). Die AF wird Hauptförderin der Stadtrundgänge und finanziert diese mit CHF 120.000 über drei Jahre. Sie möchte die Organisatoren vom weiteren Fundraising entlasten, damit sie sich auf die Programmentwicklung und Durchführung konzentrieren können. Eine besondere Rolle bei der Einführungszeremonie lehnt die AF ab, um die Aufmerksamkeit den Stadtführern zukommen zu lassen. Die Stadtrundgänge entwickeln sich zu einem großen Erfolg. Die Stadtführer treten nicht als Opfer, sondern als Experten auf. Mit den Rundgängen lernen die Menschen andere Seiten der Stadt Zürich kennen, die sonst eher für ihren Wohlstand bekannt ist. In diesem Fall hat die AF über die Vollfinanzierung eine Schlüsselrolle in der Ermöglichung des Projekts eingenommen. Weitere Beispiele für Förderungen der Arbeitsintegration sind einmalige Beträge an kleinere Betriebe, wie z.B. Restaurants oder Reinigungsunternehmen, die einfache Beschäftigungsmöglichkeiten bieten. Ferner wird eine operative Stiftung gefördert, die sich für Jugendliche einsetzt, die auf Grund psychischer oder körperlicher Probleme in ihren Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Unter dem Schwerpunkt Integration von Migranten fördert die AF Programme, die es Ausländern ermöglichen, am wirtschaftlichen und sozialen Leben in der Schweiz teilzuhaben. Eine Partnerin der AF in diesem Bereich ist das Hilfswerk der evangelischen Kirchen (HEKS). Das HEKS entwickelt u.a. Ausbildungsprogramme für interkulturelles dolmetschen und vermitteln. Die sogenannten MEL-Programme richten sich an Migranten, in deren kulturellen Gemeinschaften

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ein Bedarf an interkultureller Vermittlung besteht. Neben fachspezifischen Sprachkenntnissen werden die Teilnehmenden darin geschult, komplexere Informationen wie z.B. zum Krankenkassen- und Sozialversicherungssystem weitervermitteln zu können. Die Absolventen übernehmen Verantwortung in ihrer Gemeinschaft und leiten Gruppen in Quartierszentren oder helfen bei Arztbesuchen sowie bei der Kommunikation mit staatlichen Institutionen. Ferner werden sie regelmässig in verschiedenen Bereichen des Sozial-, Gesundheits-, und Bildungswesen als Übersetzter und Vermittler eingesetzt. Eine Stiftungsrätin der AF, die sich auch viel im kirchlichen Bereich engagiert, wird von der MEL-Projektleiterin angesprochen, ob das Programm potentiell für eine Förderung in Frage kommt. Daraufhin besucht die Stiftungsrätin die Geschäftsstelle des HEKS in Basel und informiert sich über das Projekt. Schließlich spricht die AF eine Förderung von CHF 20.000. Die Stiftungsrätin bleibt als Patin weiter im Kontakt mit dem HEKS. In einer Anschlussförderung unterstützt die AF ein erneutes Gesuch zur Verbreitung des Programms in andere Städte. Der Stiftungsrat sieht eine weitere Förderung als logischen nächsten Schritt. Ein Projekt, bei dessen Aufbau die AF bereits einen Beitrag geleistet hat, wird anschließend in der Skalierung mit CHF 60.000 unterstützt. Das Programm wird von mehreren Stiftungen, dem Bund und von Kirchen unterstützt. Die AF trägt ca. 15% der Gesamtprojektsumme. Eine längere Zusammenarbeit in der Integration von Migranten besteht mit dem Christlichen Friedensdienst (cfd) in Bern. Mit dem Programm „Mentoring mit Migrantinnen in der Arbeitswelt“ unterstützt der cfd Frauen mit Migrationshintergrund darin, Arbeitsstellen zu finden, die ihren Qualifikationen entsprechen. Sie werden mit Schweizer Frauen vernetzt, die in ähnlichen Arbeitsfeldern tätig sind. Zuerst spricht die AF 2011 einen einmaligen Betrag von CHF 20.000 zur Entwicklung des Programms. Zwei Jahre später unterstützt sie die laufenden Kosten mit CHF 150.000 über drei Jahre. Neben der Weiterführung von bestehenden Programmen investiert die AF auch in die Verbreitung von erfolgreichen Integrationsprojekten. Das Züricher Gymnasium Unterstrass betreibt ein erfolgreiches Mentoring Programm für Schüler mit Migrationshintergrund (ChagAll). Die Schüler bekommen zusätzliche Nachhilfestunden, um sie auf die Aufnahmeprüfung zur Mittelstufe vorzubereiten. Wissenschaftliche Evaluationen bestätigen den Erfolg des Programms (Berger et al. 2015)68. Zusammen mit anderen Stiftungen unterstützt die AF den Aufbau einer Geschäftsstelle, um das Projekt in der Schweiz zu verbreiten. Für die Entwicklung 68 Die Evaluation zeigt, dass Absolventen des ChagAll-Programms besser bei den Prüfungen zum Eintritt in die Mittelstufe abschneiden als Vergleichsgruppen. Allerdings weist die Evaluation auch darauf hin, dass nur hochmotivierte und begabte (über IQ-Test gemessene) Kandidaten in das Programm aufgenommen werden.

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des Business Plans und des Roll-outs werden jeweils CHF 4.500 und CHF 17.500 zur Verfügung gestellt. Eine Stiftungsrätin der AF spricht weitere Stiftungen an, um die mittelfristige Finanzierung sicherzustellen. Das Projekt wird von einer Gemeinschaft aus fünf Stiftungen gefördert. Die Skalierung erweist sich allerdings als schwierig. Kleinen Erfolgen der Übertragung des Modells auf andere Schulen steht z.B. die Entscheidung des Züricher Chefs des kantonalen Mittelschulamts entgegen, keine weiteren staatlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Als Begründung führt das Amt unverhältnismäßig hohe Kosten an sowie die Begrenzung des Programms auf eine zu enge Zielgruppe (Peter 2016). Weitere Projekte für die Integration von Migranten umfassen die finanzielle Förderung eines Flüchtlingschors, eines Ausbildungsprogramms für die Berufsintegration von Secondos oder die Unterstützung eines Weiterbildungsprogramms für Migrantinnen zu Kleinkindererzieherinnen. 6.4.3

Governance (Organisation und Steuerung)

Das Governance-Modell der Stiftung beruht auf einer sehr aktiven Gründerin, die sich intensiv für die Ziele der Stiftung einsetzt, einem Stiftungsrat, der ausgewählte Projekte als Paten begleitet und einer proaktiven Geschäftsführung, die zusammen mit der Gründerin neue Initiativen anstößt. Die Prozesse sind einfach und klar strukturiert. Durch die schnellen Entscheidungswege kann die AF zeitnah auf neue gesellschaftliche Fragstellungen reagieren. Der Stiftungsrat der AF wird von der Gründerin präsidiert. Seit dem Beginn der Stiftung kommt es zu mehreren Mutationen innerhalb des Gremiums. Die ersten Mitglieder stammen, bis auf eine Ausnahme, aus dem persönlichen Umfeld der Stifterin. Sie sind keine ausgewiesenen Integrationsexperten, haben aber Erfahrungen im Projektmanagement. Das spezifische Fachwissen eignen sich die Stiftungsräte schrittweise durch Erfahrungen aus den Förderprojekten an. Seit 2013 besteht der Stiftungsrat aus drei Frauen. Die Entwicklung ist nicht absichtlich geplant, sondern hat sich zufällig ergeben. Die zweite Stiftungsrätin, die seit Beginn der Stiftung Mitglied des Gremiums ist, hat über ihr Engagement in der reformierten Kirchenpflege viel Kontakt zu sozialen Initiativen. Die dritte Stiftungsrätin ist als selbständige Beraterin für Stiftungen und Sozialunternehmer tätig. Sie war zuvor selbst Geschäftsführerin einer Stiftung und langjähriges Vorstandsmitglied von SwissFoundations gewesen. Die Gründerin hatte sie wegen ihrer langjährigen Erfahrung angesprochen, ob sie die AF im Stiftungsrat unterstützen möchte. Die Zusammenarbeit im Stiftungsrat läuft in der zehnjährigen Bestehenszeit nicht immer reibungslos. In Retrospektive sieht eine Stiftungsrätin es als unglücklich an, dass der erste mandatierte Geschäftsführer zugleich Mitglied des Stiftungsrats gewesen ist. Dadurch kam es zum Teil zu Rollenkonflikten, so dass Diskussi-

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Fallstudien

onen nicht immer sachlich verlaufen sind. Mit der Änderung in der Geschäftsführung löst sich der Konflikt auf. Die neue Geschäftsführerin ist der Gründerin aus Veranstaltungen im Stiftungswesen bekannt. Sie schätzt ihre offenen Meinungsäußerungen und spricht sie direkt an, ob sie das Mandat übernehmen möchte. Die Geschäftsführerin hat kein Stimmrecht im Stiftungsrat. Die jetzige Konstellation wird von allen Beteiligten als effektiv beschrieben. Die Rollen sind klar verteilt. Insbesondere die Gründerin und die Geschäftsführerin arbeiten eng miteinander zusammen. Sie bilden den Projektausschuss, der die eingehenden Gesuche vorsortiert und entscheidet, welche zur Entscheidung dem Stiftungsrat vorgelegt werden. Die AF folgt als Orientierung einer jährlichen Vergabesumme von CHF 500.000. Die anfängliche Idee war, dass die Stiftungsräte im Projektausschuss rotieren. Nach ersten Wechseln bleibt aber die Gründerin als permanente Vertreterin des Stiftungsrats im Ausschuss. Im Stiftungsrat wird gelegentlich diskutiert, ob andere Mitglieder die Gründerin zeitlich entlasten können. Die Stifterin sieht dafür keinen Anlass und betont, dass sie mit dem Engagement der anderen Stiftungsräte sehr zufrieden ist und sie ihren hohen Einsatz für die Stiftung nicht als Belastung empfindet. Neben der Führung der Geschäftsstelle wird die Geschäftsführerin mehrmals mit zusätzlichen Aufträgen für die AF betraut. Die Förderentscheidungen werden auf den vierteljährlich stattfindenden Stiftungsratsritzungen getroffen. Die Unterlagen werden den Stiftungsräten im Voraus zugänglich gemacht. Während der Sitzungen versucht die Geschäftsführerin, die Anträge so neutral wie möglich zu präsentieren, „aber natürlich habe ich auch eine Meinung. Das wird ja auch sehr geschätzt und ist ein Grund, warum ich für die Geschäftsleitung angesprochen wurde“ (GF). Die Entscheidungen werden im Konsens getroffen. Wenn sich in den Diskussionen keine einheitliche Meinung herausbildet, wird von der Förderung abgesehen. Das Projektcontrolling bei langjährigen Förderpartnerschaften findet auf Basis der Fördervereinbarung statt. Die Paten berichten in den Stiftungsratssitzungen über den Fortschritt der begleiteten Projekte. Das Governance System der AF ist sehr schlank aufgebaut. Die operativen Abläufe werden von der Geschäftsstelle abgedeckt. Die Gründerin hat großen Einfluss auf die Themensetzung und Auswahl der Förderpartner. Die Geschäftsführerin hat eine Art Gatekeeper Funktion in der Vorselektion der Anträge. Die Ausrichtung auf unternehmerische Integrationsansätze ist auf das Engagement und der früheren Tätigkeiten der Geschäftsführerin zurückzuführen. 6.4.4

Die Arcas Foundation unter dem Blickwinkel der sozialen Innovation

Als relativ kleine Stiftung beschränkt sich die AF auf wenige ausgewählte Projekte. Sie fördert diese unabhängig davon, ob sie sich in der Entwicklungsphase befinden oder ob es sich um erprobte Lösungsansätze handelt, die Ressourcen zur Konsoli-

Arcas Foundation

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dierung oder Ausweitung benötigen. Viele der geförderten Projekte können als soziale Innovationen im engen Sinn der Begriffsbenutzung betrachtet werden. Sie setzen sich aus neuartigen Elementen zusammen, mit dem Ziel, der mangelnden Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft etwas entgegen zu setzen. Die AF sieht in der Förderung der Eigenverantwortlichkeit und Beschäftigungsmöglichkeiten nachzugehen, den erfolgreichsten Lösungsansatz für gesellschaftliche Integration: „Soziale Innovation fördern, das ist einfach meine Lebensüberzeugung, dass ist das Eigenverantwortliche und Unternehmerische zu fördern, in welcher Form auch immer. Ich glaub einfach daran, dass wenn der Mensch Raum erhält, oder jemanden eine Möglichkeit gegeben wird, oder nur schon das Vertrauen, dass sich dann was tut.“ (GR) Die AF sucht bei den Förderprojekten nach einem klaren Zusammenhang zwischen dem beschriebenen Problem und dem Lösungsansatz. Die Förderungen bezwecken die Lebenssituation von Menschen zu verbessern, die aus irgendeinem Grund von der Gesellschaft ausgeschlossen sind. Um dies zu erreichen investiert die AF vor allem in die Organisationsentwicklung ihrer Partner. Die Neuartigkeit der Ansätze nimmt bei der Beurteilung keine herausragende Bedeutung ein, auch wenn innovative Projekte gerne gesehen werden. Der nötige Innovationsgrad bleibt unbestimmt und folgt keinem strikten Beurteilungsschema. Die AF unterstützt auch laufende Kosten von Integrationsmaßnahmen, die auf private Spenden angewiesen sind: „Stiftungen unterstützen immer gerne neue Programme und neue Projekte und ich höre so oft von Projekten, jetzt müssen wir irgendein neues Programm erfinden damit es eine Stiftung unterstützt. Aber letztendlich trägt niemand die laufenden Kosten. Und so unsexy es auch ist, wenn du einen Motor haben möchtest, dann musst du ihm einfach auch Benzin geben, oder? Dann kannst du nicht erwarten, dass nur diese neuartigsten Projekte unterstützt werden und die sich später irgendwie selbst finanzieren müssen. Ich glaube es muss nicht immer neu sein“ (GF). Trotzdem müssen die Anträge etwas mitbringen „was uns überrascht, auf irgendeine Weise speziell ist“ (GF). Dies müssen nicht unbedingt neue Ideen sein. Die Übertragung eines Programms auf einen neuen Kontext, welches woanders gute Ergebnisse gezeigt hat, ist für die AF eine legitime Form der Innovationsförderung. Ein Beispiel ist die Etablierung der sozialen Stadtrundgänge in Zürich. Das Format existiert bereits in einigen deutschen Städten sowie in Basel. Mit Hilfe der AF werden die Stadtrundgänge in einen neuen Kontext eingeführt. Formell legt die AF keinen Fokus auf eine bestimmte Projektphase. Sie fördert die Umsetzung neuer Initiativen sowie laufende Kosten und Bemühungen, Projekte auszuweiten. Die Entscheidung der AF, die Stiftung Die Chance zu fördern, wird explizit mit der

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Fallstudien

Motivation begründet, einem funktionierenden Lösungsansatz Mittel zur Weiterführung des Programms zur Verfügung zu stellen. Investitionen in die Nachhaltigkeit und Skalierung von Lösungsansätzen werden vorzugsmäßig über die Finanzierung von Stellenprozenten getätigt, wie bei der Dock Gruppe, Gartengold oder ChagAll. Der Erfolg fällt unterschiedlich aus. Während die Dock Gruppe schnell wächst, scheitert die angedachte größere Ausweitung des Mentorenprogramms ChagAll für Schüler mit Migrationshintergrund. Ob sich Gartengold langfristig etablieren kann ist offen. Die starke Fokussierung auf ökonomisch basierte Skalierungsmodelle ist Teil der strategischen Ausrichtung der AF. Sie sieht darin das effektivste Mittel, um die nachhaltige Ausweitung von Lösungsansätzen zu fördern. Das Vertrauen in unternehmerische Ansätze ist bei der Gründerin und Geschäftsführerin stark verankert. Die AF hat sich seit ihrer Gründung immer mehr zu einer Förderstiftung gewandelt, die ihre Aktivitäten als Investitionstätigkeit versteht. Die Einführung des Logic Models soll helfen, messbare Erfolge zu erzielen, auch wenn die Umsetzung bei den Partnern zum Teil noch zu Irritationen führt. Die Geschäftsführerin spricht von intellektuellem, sozialem und finanziellem Kapital, welches in die Partner investiert wird. Den größten Einfluss auf die Weiterentwicklung der Projektpartner hat die AF, wenn durch den Austausch mit den Paten diejenigen Ressourcen identifiziert werden können, die für die Organisation zu einem spezifischen Zeitpunkt am hilfreichsten sind. Das System ist durch die limitierten Ressourcen in Bezug auf die Geschäftsstelle und dem kleinen Stiftungsrat begrenzt. Durch die Konzentration der Fördermittel auf wenige Projekte versucht die AF ihre Ressourcen effektiv einzusetzen. In vielen Fällen verbleibt die Stiftung in der Rolle der spendengebenden Stiftung, die einen Teilbetrag eines Projekts finanziert. Theoretisch ist sie dann durch jede andere Institution austauschbar. In manchen Fällen gelingt es ihr jedoch, einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten, dass ein Projekt erfolgreich zum Laufen kommt. In der einzelnen Projektförderung geht die AF in der Mehrzahl der Projekte keine erhöhten Risiken ein. Die AF prüft die Anträge in Bezug auf ihre Umsetzungswahrscheinlichkeit. „Risiken gibt es immer. Aber man muss einen informierten Entscheid treffen können und wissen worauf man sich einlässt“ (GF). Das Risiko bezieht sich weniger auf die Wirksamkeit der Integrationsansätze als auf ihr Skalierungspotenzial. Die Gründerin gibt zu, dass sich die AF gelegentlich in der Beurteilung der Gesuche verschätzt. Ein Projekt, dem sie wenige Chancen eingeräumt hat, wird zu einem großen Erfolg. Andere Projekte erfüllen die Erwartung der Stiftung nicht. Öffentliche Kritik an der Arbeit der AF gibt es nicht, auch wenn das weltoffene Wertesystem in Bezug auf die Integration von Migranten und Flüchtlingen in der Gesellschaft auf Ablehnung stoßen könnte. Bemühungen der AF, auf Kantonsoder Gemeindeebene mit staatlichen Stellen in den Dialog über Integrationsstrategien zu kommen, haben sich verlaufen. Die Gründerin mutmaßt, dass der unternehmerische Ansatz der AF nicht mit den Abläufen in der staatlichen Bürokratie

Arcas Foundation

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kompatibel ist. In Zukunft möchte die AF den Dialog wieder aufnehmen. Ziel ist, Lücken zu identifizieren, wo die Integrationsbehörden auf Grund der fehlenden gesetzlichen Grundlagen nicht tätig werden können, aber ein Finanzierungsbedarf von Programmen besteht (z.B. Sprach- und Integrationsprogramme für unbegleitete minderjähriger Flüchtlinge außerhalb der Schulzeit). Auf die Ausgestaltung der Lösungsansätze für Integrationsfragen nimmt die AF keinen Einfluss. Sie investiert nicht in die Generierung von neuem Wissen und arbeitet kaum mit akademischen Institutionen zusammen. Sie agiert praxisorientiert. Die AF sucht und fördert Lösungsansätze in der Integration, deren Effekte beobachtbar sind und einen unmittelbaren Nutzen versprechen. Die AF möchte Ansätze und Projekte fördern für die kein öffentliches Geld zur Verfügung steht. Sie hilft damit eine gewisse Pluralität an Lösungsansätzen zu ermöglichen. „Wir möchten mit der Arcas Foundation etwas Bewegung in den Schweizer Stiftungssektor bringen, der insgesamt vielleicht etwas verstaubt ist. Ja, es ist mir wirklich ein Anliegen ein bisschen zu schütteln und zu schauen, wo könnten wir uns es einfacher machen, wo können Stiftungen moderner, innovativer werden.“ (GR) Diese Bemühungen werden von der Gründerin auch durch die Veranstaltung von Workshops für Stiftungen zu einem Thema vorangetrieben. Die Innovationsorientierung der AF liegt insgesamt weniger in der fachlichen Entwicklung und Verankerung neuartiger Integrationsansätze, als in ihrer Experimentierfreudigkeit mit verschiedenen Förderformaten. Beispiele sind der Subjektfonds bei der Dock Gruppe, die Vergabe von Darlehen und Defizitgarantien, der Aufbau der Investitionsgesellschaft für Impact Investment oder der Aufbau eines Projektfonds zur Flüchtlingsintegration. Mit den Fördermodellen möchte die AF Alternativen zur einfachen Spendenförderung aufzeigen. In ihrem Eigenverständnis ist der Innovationcharakter der Stiftung eng mit ihrer Förderung unternehmerischer Ansätze in der Integrationsarbeit verbunden. Sie bringt damit eine Dynamik in den Schweizer Stiftungssektor, der in größten Teilen mäzenatische Züge trägt.

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Vergleichende Analyse

Die eben präsentierten Fälle geben einen umfangreichen Eindruck in die Funktionsweise von Stiftungen. Anhand der heuristischen Innovationssequenz für Förderstiftungen konnte detailliert aufgezeigt werden, wie sich die Philanthropiemodelle der jeweiligen Stiftung entwickelt haben, welchen gesellschaftlichen Problemen sie sich annehmen und mit welchen Handlungsstrategien sie darauf reagieren. Im Anschluss wurden die jeweiligen Philanthropiemodelle der Stiftungen unter dem Blickwinkel sozialer Innovationen analysiert. Die Gebert Rüf Stiftung (GRS) positioniert sich ausdrücklich als Innovationsförderin. Ihr Fokus liegt vor allem auf Projekten, die zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung der Schweiz beitragen. Ihre Aktivitäten beziehen sich auf Probleme im weiteren Sinn wie dem mangelnden Wissenstransfer von Hochschulen in die Praxis oder der Legitimierung der Forschung in der Öffentlichkeit. Die Handlungsfelder sind so aufgebaut, dass durch die Kombination von Projektförderungen und weitergehenden Aktivitäten übergreifende Entwicklungen in den Zielbereichen angestrebt werden. Jede Einzelförderung muss den Kriterien der Neuartigkeit und Praxisanwendbarkeit entsprechen. Die Stiftung Mercator Schweiz (MCH) investiert in langfristige gesellschaftliche Entwicklungsprozesse. Das Fördermodell baut auf einem humanistischen Weltbild auf, das auf Chancengleichheit, der freien Entwicklung von jungen Menschen und auf ökologischer Nachhaltigkeit beruht. Zur Erreichung ihrer wertbezogenen Ziele folgt die MCH einem rational-bürokratischen Strategiemodell. Die Stiftung zeigt mit ihren Förderprojekten alternative Lösungswege für eine Vielzahl von sozialen Problemen auf. Das Modell beruht auf der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Problemstellungen, der Erprobung und Verbreitung von praktischen Lösungen, dem Kompetenzaufbau von Organisationen sowie dem Wissens- und Erkenntnistransfer in die Öffentlichkeit. Die MCH fördert Projekte in allen Entwicklungsphasen und unterstützt diese auch langfristig in ihrer Weiterentwicklung. Im Gegensatz zu der vorigen Stiftungen beruht die Förderphilosophie der Sophie und Karl Binding Stiftung (SKBS) auf einer bewahrenden und konservativen Grundhaltung. Trotzdem ist die Stiftung auch für neuartige und originelle Projekte offen. Insbesondere in den Schwerpunktprojekten hat sie eine initiative und proaktive Rolle eingenommen. Im Sozialbereich setzt sie sich u.a. für die Ausbreitung © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_7

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Vergleichende Analyse

funktionierender Lösungsansätze in weitere Regionen der Schweiz ein. Primär folgt die SKBS jedoch einer erhaltenden Grundidee des Bestehenden. Ein großer Teil der Förderungen kann als mäzenatisch beschrieben werden. Die Arcacs Foundations (AF) sieht sich selbst als kleines Speedboot im Dienst der Integration. Mit ihren Förderprogrammen unterstützt die Stiftung Menschen am Rande der Gesellschaft, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die AF folgt absichtlich keiner zu sehr formalisierten Strategie, um sich ihre Flexibilität zu erhalten. Als wichtigsten Hebel der Integration sieht die AF die Eigenverantwortlichkeit von Menschen zu fördern. Zudem bevorzugt die Stiftung unternehmerische Ansätze in der Integrationsförderung. Gleichzeitig fördert sie aber auch laufende Kosten von Integrationsmaßnahmen, die auf private Spenden angewiesen sind. In ausgewählten Projekten arbeitet sie eng mit ihren Partnern zusammen. Im folgenden Kapitel werden durch den Vergleich der Fälle theoretische Zusammenhänge identifiziert, mit denen sich die Innovationsfähigkeit von Stiftungen erklären und vorhersagen lässt69. Dazu wird in einem ersten Schritt eine ganz allgemeine Bewertung vorgenommen, welchen Beitrag die Gesellschaft von Förderstiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen erwarten kann. Anschließend wird der Begriff des Innovationsvermögens eingeführt. Dass Innovationsvermögen, als die Summe des ökonomischen, sozialen, kulturellen und symbolischen Kapitals, beschreibt das Potenzial von Stiftungen, Änderungen in der gesellschaftlichen Praxis anstoßen zu können. Wie das Vermögen eingesetzt wird, hängt von der jeweiligen Strategie einer Stiftung ab. Die beobachteten Stiftungen zeigen trotz erheblicher Unterschiede in der Ausübung ihres jeweiligen Philanthropiemodells, viele Gemeinsamkeiten in der Entwicklung ihrer Förderstrategien. Die treibende Kraft ist jeweils die Sinnsuche nach einer eigenen Identität. Wenn jedoch einmal eine, in den Augen der Stiftungsakteure, sinnhafte Strategie entwickelt worden ist, bleibt diese stabil und wird nur leicht angepasst oder optimiert. Stiftungen brechen nur selten aus den Pfaden heraus, die sich nach einer ersten Orientierungund Lernphase herausgebildet haben. Die Innovationsfähigkeit einer Stiftung hängt neben ihrem Vermögen maßgeblich von ihrer Geschichte ab. 7.1

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

Die Art der Probleme, denen sich die Stiftungen widmen, variiert von der Fokussierung auf die Bedürfnisse benachteiligter Menschen bis hin zu abstrakteren Herausforderungen, wie dem fehlenden Unternehmergeist an Schweizer Universitäten. 69 Bei dem Vergleich werden nicht jeweils alle Unterschiedlichkeiten der vier Stiftungen beschrieben. Die Ausführungen konzentrieren sich auf die wichtigsten Aspekte, um die Verständlichkeit und Lesefreundlichkeit des Texts zu stärken.

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

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Betrachtet man die Fälle, dann zeigt sich eine große Vielfalt von Handlungsfeldern, Förderthemen und Förderstrategien. Allein die vier untersuchten Stiftungen sind in über 45 übergeordneten Themenbereichen tätig. In diesen fördern sie die unterschiedlichsten Projekte, wie unterhaltungsgetriebene Wissenschaftskommunikation, soziale Stadtrundgänge, frühkindliche Bildungsprogramme, akademische Austauschprogramme, künstlerische Werkkataloge oder Naturschutzprojekte. Die Heterogenität der Förderprojekte und Zielsetzungen der Stiftungen zeigt, dass sich ihre Rolle in der Förderung und Initiierung sozialer Innovationen nur über eine erweiterte Sichtweise auf den Begriff der sozialen Innovationen greifen lässt. Die Fördersummen reichen von kleinen Sympathiespenden bis hin zu langjährigen Investitionen in Millionenhöhe. Eine der wichtigsten Beiträge von Stiftungen ist die Ermöglichung einer pluralistischen Gesellschaft (vgl. Prewitt 2003). Ihr besonderer Beitrag zur Förderung sozialer Innovationen liegt, neben der finanziellen Unterstützung neuartiger Vorhaben, vor allem in der aktiven Beratung und Befähigung ihrer Partner, der Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren, dem Aufbau von neuen Organisationen sowie in ihrer impulsgebenden Funktion in spezifischen Handlungsfeldern. Das gemeinsame Bindeglied zwischen den vielfältigen Förderprojekten ist ihre Wertbezogenheit. Stiftungen streben mit ihren Aktivitäten die Verwirklichung eines idealen Gesellschaftsbilds an. Dabei orientieren sie sich an ähnlichen Leitbildern wie sie zur Beschreibung sozialer Innovationen herangezogen werden. Die Förderaktivitäten von Stiftungen umfassen vor allem Themen wie Inklusion, Kohäsion, Partizipation, Wohlstand, Lebensqualität und ökologische Nachhaltigkeit. Stiftungen sind wertgetriebene Organisationen. Ihre Ziele beinhalten die Bewahrung von Errungenschaften sowie die aktive Suche nach besseren Antworten für gesellschaftliche Herausforderungen. Sie investieren in die Stärkung der Gesellschaft, ohne dafür unmittelbare Rückflüsse in die eigene Organisation zu erwarten. Stiftungen sind somit soziale Investoren par excellence70. Als Institutionen, die primär dem Gemeinwohl verpflichtet sind, investieren sie ihr ökonomisches, soziales, kulturelles und symbolisches Kapital in gesellschaftliche Entwicklungen, die kongruent mit ihrem Wertesystem sind. Ihr Hauptertrag liegt in der Zufriedenheit, einen Beitrag zur Verbesserung des Gemeinwohls geleistet zu haben. Innerhalb von Stiftungen können dabei verschiedene Investitionslogiken nebeneinander existieren. Während in einem Handlungsfeld die Förderung von neuartigen und originellen Projekten im Vordergrund steht, kann in einem anderen Handlungsfeld die Be70 Hier werden unter sozialen Investition vor allem solche Investitionen verstanden, bei denen der Hauptnutzen nicht dem Investor, sondern der Gesellschaft zukommt. Zwar können die Investitionen z.B. positive Effekte für die Reputation der Stiftung haben, das Hauptziel liegt jedoch in der Befähigung und Besserstellung von externen Akteuren (vgl. „Typ 3: Wertrationale Investoren“; Nicholls 2010, S. 88).

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Vergleichende Analyse

wahrung von Bestehendem die wichtigste Zielsetzung sein. Stiftungen sind wertgetriebene Investoren, die sich für eine bessere Gesellschaft nach ihren Vorstellungen einsetzen. Die Investitionstätigkeiten von Stiftungen sind in den wenigsten Fällen auf grundsätzliche strukturelle Änderung von sozialen Praktiken ausgerichtet. Sie zielen größtenteils auf die Stärkung und den Ausbau bestehender Institutionen. Um ihre neutrale Stellung zu bewahren, positionieren sich Förderstiftungen kaum in politischen Fragen. Sie versuchen stattdessen ihre Ziele in Fachausschüssen und Gremien einzubringen, die auf der administrativen Ebene liegen. Auch indirekte Förderungen, die auf die Stärkung von politisch aktiven, nicht-parteilichen Organisationen ausgerichtet sind, haben sich in den Fällen kaum finden lassen71. Die Veränderung sozialer Praktiken wird vor allem über die Förderung inkrementeller Wandlungsprozesse angestrebt. Auf Grund der Größe und Komplexität der Probleme, tendieren die Stiftungen dazu, in kleinere Teillösungen zu investieren. Diese sollen zu einer übergeordneten Entwicklung beitragen, allerdings steht die direkt beobachtbare lokale Wirkung im Vordergrund. Stiftungen bearbeiten kleine Ausschnitte großer Probleme. Auf der Projektebene kann das Investitionsverhalten der Stiftungen größtenteils als risikoavers beschrieben werden. Stiftungsräte sind tendenziell weniger als die Geschäftsführenden bereit, Risiken einzugehen. Im Ergebnis investieren Stiftungen vornehmlich in Projekte, von deren Realisierungswahrscheinlichkeit sie überzeugt sind. So prüft z.B. die MCH in ihrem langen Antragsprozess, dass die Partner die organisatorischen und fachlichen Fähigkeiten haben, ihre Vorhaben umzusetzen und sich intensiv mit der behandelten Problematik auseinandergesetzt haben. Auch die GRS, die in der präkompetitiven und anwendungsorientierten Forschung höhere Risiken eingehen kann, als z.B. die MCH in Schulprojekten, überprüft gewissenhaft, ob die Partner über die nötige Qualifikation verfügen, die Vorhaben erfolgreich durchzuführen. Dieses Verhalten ist nicht unbedingt innovationsfeindlich. Effektive Stiftungen eliminieren Risiken und befähigen ihre Partner in der Umsetzung ihrer Ideen. Sie gehen kalkulierte Risiken ein. Das größte Risiko von Stiftungen liegt darin, dass ihre Themen keine Beachtung in der Öffentlichkeit finden und die geförderten Projekte keine weiteren Impulse auslösen. Die Kritik an Stiftungen, dass diese fast ausschließlich in Pilotprojekte investieren und sich anschließend zurückziehen, konnte in den untersuchten Fällen nicht bestätigt werden. Die MCH deckt alle Phasen der Innovationsentwicklung ab. Sie investiert in die Ideengenerierung, der Erprobung in der Praxis, die nachhaltige 71 Diese Beobachtung mag insbesondere für Schweizer Stiftungen repräsentativ sein. In anderen Ländern positionieren sich Stiftung viel deutlicher in der Öffentlichkeit und präsentieren Lösungsvorschläge für politische Probleme (Anheier & Daly 2006). In den meisten Fällen handelt es sich dabei aber um operative Stiftungen mit einem hohen Mitarbeiterstab.

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

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Verankerung sowie in die Verbreitung von sozialen Innovationen. Die GRS möchte zwar hauptsächlich Vorhaben anschieben, investiert in den Tätigkeitsbereichen aber auch in die Konsolidierung von Projekten, insbesondere wenn sie an der Gründung von wissenschaftlichen Instituten beteiligt ist. Die AF investiert in neue Ideen genauso wie sie „Benzin in den Motor“ bestehender Lösungsansätze gießt. Sie spricht sich ausdrücklich gegen eine Bevorzugung einer Phase gegenüber einer anderen aus. Die SKBS vergibt einen Teil der Fördermittel an etablierte Organisationen zur Aufrechterhaltung bestehender Leistungen, investiert aber auch in die Diffusion von bestehenden Lösungsansätzen. In den Stiftungen hat sich eine steigende Bereitschaft gezeigt, laufende Kosten zu übernehmen. Allerdings ist dies oftmals mit dem Anspruch einer Weiterentwicklung des Lösungsansatzes verbunden. Dieser Anspruch zeigt sich vor allem, wenn Stiftungen ein Projekt mehrmals fördern. In allen Stiftungen existieren Beispiele, in denen sie eine Idee von der Erprobung bis hin zur nachhaltigen Verankerung begleitet haben. Basis von mehrmaligen Förderungen war in allen Stiftungen eine Art der Leistungsüberprüfung. Insbesondere die MCH, aber auch die SKBS setzen dabei auf formale Evaluationen. Die Evaluationen werden in der Regel der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. Das Wissen kann zur Weiterentwicklung, Imitation oder Re-Invention eines Lösungsansatzes beitragen. Insgesamt lässt sich eine leichte Tendenz erkennen, dass die Erprobung von neuen Ideen sowie die Übertragung eines bestehenden Lösungsansatzes in einen neuen Kontext die bevorzugten Förderformate von Stiftungen sind. Ein starker Zusammenhang lässt sich aus den Fällen nicht ableiten. Wichtiger als die Festlegung auf eine Phase sind den Stiftungen die Plausibilität der Anträge, eine klare Beziehung zwischen einem Problem und der vorgeschlagenen Lösung sowie das Vertrauen in die Durchführungsfähigkeit der Antragsteller. Zudem müssen die Lösungsansätze mit den dominanten Werten des Stiftungsrats übereinstimmen. Die Förderkriterien geben einen generellen Entscheidungsrahmen vor. Neben dem Erfahrungswissen ist das Fachwissen der Stiftungsräte ausschlaggebend dafür, inwiefern eine Stiftung auch komplexe Projekte auf ihren potentiellen gesellschaftlichen Nutzen beurteilen kann. In der GRS werden die Anträge je nach Fachkompetenz an die Stiftungsräten zur Vorbeurteilung verteilt. Die MCH greift in der Beurteilung und Begleitung komplexer Projekte verstärkt auf Experten aus ihrem länderübergreifenden Netzwerk zurück. In der AF und SKBS, die generell weniger komplexe Projekte fördern, trauen sich die Stiftungsräte auch ohne hohes Fachwissen, die Anträge sachgerecht beurteilen zu können. Aber auch in den eher auf Rationalität ausgelegten Entscheidungsprozessen der GRS und MCH spielen oftmals Bauchgefühle eine wichtige Rolle. Projekte, die in irgendeiner Art originell sind und von der Norm abweichen, werden gern gesehen. Wichtiger ist den Stiftungen jedoch die angestrebte Verbesserung einer Situation gegenüber dem Status quo. Bei posi-

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Vergleichende Analyse

tiven Entwicklungen sind Anschlussförderungen keine Ausnahme. Die Übertragung eines funktionierenden Lösungsansatzes in einen neuen Kontext wird als eine legitime Art der Innovationsförderung gesehen. Antizipierte Verbesserungen einer Situation sind wichtiger als zukunftsgläubige Experimente. Von Stiftungen sind keine disruptiven Aktivitäten zu erwarten, sondern vor allem themengebundene, langfristige Bemühungen, inkrementellen Wandel voranzutreiben. Sie sind weder die Avantgardisten der Gesellschaft noch ein Gegenpol zu gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Sie investieren in Vorhaben, die mit ihren eigenen Werten und Erwartungen an eine bessere Gesellschaft übereinstimmen. Der bedeutendste Beitrag von Stiftungen ist, über die Förderung verschiedener Lösungsansätze zu einer pluralistischen Gesellschaft beizutragen, in der verschiedene Ideen miteinander im Wettstreit stehen. Durch die Vielfalt der Förderthemen wird die Problemlösungskapazität einer Gesellschaft gestärkt. Mit den von Schumpeter geprägten Begriffen der schöpferischen Zerstörung oder Basisinnovationen lässt sich das Investitionsverhalten der Stiftungen kaum begreifen. Die Hauptfunktion von Stiftungen in sozialen Innovationsprozessen ist die Beratung und die Befähigung von Menschen mit Ideen. Nur in seltenen Fällen treten Stiftungen selbst als soziale Innovatoren auf, in dem sie neue Organisationen gründen oder in ausgewählten Handlungsfeldern durch eine Kombination von Aktivitäten, Impulse für institutionellen Wandel setzen. 7.1.1

Beratung und Befähigung

Wie von der präskriptiven Stiftungsliteratur gefordert, zeigt sich auch in den Fällen, dass der Beitrag von Stiftungen zur Begegnung gesellschaftlicher Herausforderungen umso grösser ist, je proaktiver sie vorgehen und je stärker sie in weitergehende Aktivitäten als die reine Mittelvergabe investieren (vgl. Anheier & Leat 2006; Quinn et. al 2014). Zwar kann die reine Mittelvergabe Partnern ermöglichen, ihre Arbeit aufzunehmen oder fortzusetzen, wenn eine Stiftung aber keine weitere Unterstützung anbietet, wird sie ihrem eigenen Potenzial nicht gerecht. Auf der reinen Projektebene wurde von den Partnern vor allem die Weitergabe des Erfahrungswissens der Stiftungsmitarbeiter als besonders hilfreich hervorgehoben. Dieses Wissen beruht auf Erkenntnissen, die sich die Geschäftsführenden und Mitarbeiter über Jahre in der Förderung von Projekten und der Planung von Strategien aufgebaut haben. Sie lernen über die hohe Zahl der geförderten Projekte, welche Grundvoraussetzungen sich positiv auf die Erreichung spezifischer Zielsetzungen auswirken und welche Fehler vermieden werden sollten. Grundvoraussetzung dafür ist, dass die Stiftung den Projektverlauf ihrer Partner beobachtet und die Abschlussberichte als Quelle der eigenen Weiterbildung verwendet. Den größten Einfluss auf die Partnerprojekte haben Stiftungen vor der eigentlichen Förderung. Bei der MCH ist dies am stärksten sichtbar. In der Entwicklung

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

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der Anträge zu einem vollen Gesuch geben die Mitarbeitenden Anregungen, wie ein Projekt verbessert werden kann. Sie bringt ihr fachliches und organisatorisches Wissen aus über 1.000 getätigten Förderungen ein. Dabei beraten sie ihre Partner aktiv. Die GRS geht hingegen pragmatischer vor. In den Förderverträgen verankert sie Auflagen, die erfahrungsgemäß als wichtige Erfolgsfaktoren im Projektmanagement herausgestellt haben. Da sie sich größtenteils auf die Anschubphase von Projekten bezieht, versucht sie die Weichen für die spätere Anschlussfähigkeit und Selbstvermarktung über Auflagen in den Förderverträgen zu stellen. In den Vertragsgesprächen gibt sie weitere Anregungen zur erfolgreichen Umsetzung der Vorhaben. Die AF nimmt thematisch keinen Einfluss auf ihre Projekte, überlegt aber, welche Finanzierungsart am wichtigsten ist und welche Kompetenzen einem Partner fehlen, damit sich dieser organisatorisch weiterentwickeln kann. Zum Teil findet sie im Gespräch bessere Fördermöglichkeiten, als die potenziellen Partner im Antrag vorgeschlagen haben. Einzig die SKBS hält sich bei den Förderungen in den Programmthemen zurück und tritt dort fast ausschließlich als reiner Spender auf. Insgesamt finden Beratungen weniger auf der inhaltlichen, sondern auf der strategischen Ebene statt. Die Partner profitieren stärker von dem Erfahrungswissen, als von dem Fachwissen der Stiftungen. Dieses liegt in den meisten Fällen bei den Partnern selbst. In den untersuchten Fällen sind die Stiftungen vor allem als wohlwollende Begleiter ihrer Partner aufgetreten. Die Begleitung ist auf Grund der geringen personellen Kapazitäten im Vergleich zu der Anzahl der Projekte auf wenige Partner beschränkt. Die SKBS fördert über 100 Projekte pro Jahr und verfügt über weniger als drei Vollzeitmitarbeitende. Die GRS ist in einer ähnlichen Position, die AF verfügt nur über eine mandatierte Geschäftsstelle. Die Zahl der geförderten Projekte ist in allen Stiftungen um ein vielfaches höher als die personellen Kapazitäten, die nötig wären, um alle Partner eng zu begleiten. Sogar die MCH, die vergleichsweise eine hohe Zahl an Mitarbeitenden hat, konzentriert sich auch in der aktiven Begleitung auf die wichtigsten Projekte. Die Stiftungen wollen dabei weniger ihre Partner kontrollieren, als das sie diese in der gemeinsamen Zielerreichung unterstützen. Meilensteine haben vor allem zum Ziel, bei Problemen Hilfe anzubieten und einen geordneten Auszahlungsprozess zu ermöglichen. Es zeigt sich, dass die Begleitungsintensität umso höher ist, je höher die Projektsumme ist und umso eher ein Vorhaben mit den Werten und Zielen einer Stiftung übereinstimmt. Die MCH installiert z.B. Lenkungsausschüsse für alle langjährigen und größeren Investitionen. Der Sprecher der Gründerfamilie, dem das Thema der biologischen Landwirtschaft sehr am Herzen liegt, besucht die Partner in diesem Bereich persönlich und informiert sich intensiv über die neuen Erkenntnisse, die aus den Projekten entstehen. Die AF spricht bei größeren Fördersummen von strategischen Partnerschaften und bleibt dann eng mit ihren Partnern im Kontakt. Bei der SKBS sind es die Schwerpunktprojekte, die vor allem auf den Interessen des Stiftungsratspräsidenten und

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Vergleichende Analyse

des Geschäftsführers basieren, die eng begleitet werden. In der GRS sind die Geschäftsführenden vor allem in den Themengebieten proaktiv tätig, die ihnen besonders am Herzen liegen. Die Stiftungen nehmen in Lenkungsgremien vor allem eine beratende Rolle ein und stellen ihr Wissen sowie ihre sozialen Kontakte zur Verfügung. Zum Teil sind es kleine Ratschläge von denen die Partner profitieren. Umso enger das Vertrauen zwischen der Stiftung und ihren Förderpartnern ist, desto stärker kann die Stiftungen ihr Erfahrungswissen einbringen. Gleichzeitig erlaubt der Austausch der Stiftung mit den Partnern, diejenigen Ressourcen zu identifizieren, die für die Weiterentwicklung eines Lösungsansatzes oder einer Partnerorganisation am effektivsten sind. In einem Fall kann z.B. die Investition in das Netzwerk einer Organisation und in einem anderen Fall die Anstellung einer neuen Person das effektivste Mittel sein, eine Partnerorganisation zu unterstützen. Die Partner der GRS und der MCH hoben besonders die mit den Stiftungen gemeinsam organisierten Netzwerkveranstaltungen als besonders hilfreich für ihr weiteres Vorankommen hervor. Die wissenschaftliche Koordinatorin des Rare Disease Netzwerks Radiz, betonte, dass sie von der stv. Geschäftsführerin der GRS vor allem gelernt hat, wie man zielgerichtete Netzwerkveranstaltungen mit sehr verschiedenen Anspruchsgruppen organisiert, die anschließend zu weiteren Kooperation führen. Mehrere Projektpartner der MCH betonten die von den Stiftungen ermöglichten Weiterbildungen und Praxistipps in der Planung und Umsetzung ihrer Vorhaben als einen besonders wichtigen Erfolgsfaktor in ihrer eigenen Entwicklung. Die AF hat bei der Dockgrupp und Gartengold jeweils die Möglichkeit zur Anstellung einer neuen Person geschaffen, um die Projekte voranzubringen. Investitionen in die Kompetenzen der Partnerorganisationen haben sich als wirkungsvolles Mittel der Innovationsförderung bestätigt (vgl. Anheier & Leat 2006, S. 180; Frumkin 2006, S.197). Wenn Stiftungen eine Vertrauensbasis mit ihrem Partner gefunden haben, dann gehen sie mit diesem oftmals eine langjährige strategische Partnerschaft ein, aus der neue Projektideen entstehen. Ein Beispiel ist die genannte Beziehung der AF mit der Dockgruppe. Der Aufbau von engeren Förderbeziehungen beschränkt sich jedoch nicht nur auf Organisationen aus dem Nonprofit-Sektor, sondern schließt auch Personen aus der staatlichen Verwaltung mit ein. Die MCH hat z.B. gemeinsame Projekte mit dem Leiter des Volksschulamts und dem Leiter des Amts für Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich realisiert. Auf Grund der fehlenden Gesetzesbasis sind diese daran interessiert, mit Hilfe von Stiftungen Projekte zu verwirklichen, für die sie kein eigenes Budget haben. Die aus den Projekten generierten Evidenzen helfen ihnen, in internen Gremien für die Einführung neuer Praktiken und der Re-Allokation von Budgetmitteln zu argumentieren. Ein Mittel der Innovationsförderung ist die Befähigung von Intrapreneuren (Pinchot 1985), die Veränderungen in staatlichen Institutionen anstreben, die im Sinne der Stiftung

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

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sind. Aber auch in der GRS und der SKBS zeigt sich, dass Stiftungen gerne längerfristig mit Partnern zusammenarbeiten, mit denen sie ein Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Anstatt passiv ein Gesuch anzunehmen, haben die Stiftungen und ihre Partner sich beraten, welche gemeinsamen Projekte sie neu aufsetzen können. Beispiele umfassen mehrere Kooperationen der GRS mit dem Center for Philanthropy Studies, der KTI oder der Rektorenkonferenz der Fachhochschulen der Schweiz. Die AF hat neben der Dockgruppe Partner, wie z.B. das HEKS oder die Stiftung Tosam mehrmals gefördert und so die Weiterentwicklung von Innovationen über mehren Entwicklungsstufen ermöglicht. Die treuste Stiftung war die SKBS. Einige ihrer Partner haben über mehr als zehn Jahre hinweg Fördermittel erhalten. Der ehemalige Stiftungsratspräsident hat sich zeitweise sogar für eine Strategie ausgesprochen, in der vertrauensvolle Partner keine Gesuche mehr einreichen müssen, sondern jedes Jahr nach der Versendung eines Fortschrittsberichts eine Festsumme überwiesen bekommen. Die dominante Art der Förderung sozialer Innovationen ist die Bezahlung von Lohnkosten. Stiftungen investieren bevorzugt in Menschen in Organisationen. Sie befähigen diese, Ideen umzusetzen, die mit den Zielsetzungen der Stiftungen übereinstimmen. Innovationsförderung bedeutet in den meisten Fällen, diejenigen Menschen zu finden, welche den Willen sowie die fachliche und organisatorische Kompetenz haben, etwas zu bewegen, aber nicht die nötigen Ressourcen besitzen, ihre Ideen umzusetzen. Die Innovationsleistung von Stiftung hängt von ihrer Fähigkeit ab, diese Menschen zu identifizieren und sie so effektiv wie möglich zu unterstützen. Nur so können sie ihrer strukturellen Unvollständigkeit eine effektive Lösung entgegensetzten, wenn sie nicht nur die Rolle der passiven Geldgeber einnehmen wollen. In den Fällen haben sich dabei verschiedene Strategien herauskristallisiert. Die GRS stellt in ihren Förderprogrammen mittels Publikationen in Fachmagazinen, Versand von Postern an die Hochschulen, Rundbriefen, Fachgremien und zum Teil durch Roadshows sicher, dass ihre Programme in den Medien und Orten publiziert werden, die von ihrer Zielgruppe wahrgenommen werden. Die MCH legt Wert darauf, dass ihre Mitarbeiter proaktiv auf potentielle Partner zugehen und sich mit anderen Akteuren in ihren Handlungsfeldern austauschen. Die AF betreibt weiterhin ihr Scouting. Je mehr Aufwand Stiftungen betreiben, ihre Programme bei den entsprechenden Zielgruppen bekannt zu machen, umso eher ermutigen sie Menschen, ihre Ideen in die Praxis umzusetzen. Über zielgenaue Ausschreibungen haben Stiftungen die größte Chance Anträge zu erhalten, die mit den Zielen der Stiftung übereinstimmen. So haben mehrere Partner berichtet, dass sie durch die Ausschreibungen neue Ideen entwickelt haben, wie sie mit ihren Fähigkeiten ein bestimmtes Problem angehen können. Die Stiftungen befähigen die Innovatoren sich auf die Weiterentwicklung ihrer Ideen konzentrieren zu können. Mit der Übernahme von Lohnkosten schaffen Stiftungen Freiräume zur Planung

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Vergleichende Analyse

und Umsetzung von Ideen, die einen hohen sozialen, aber vorerst keinen ersichtlichen wirtschaftlichen Nutzen generieren. Dies hat sich vor allem bei Beispielen wie den sozialen Stadtrundgängen, dem Flüchtlingschor, Gartengold, der Dock Gruppe, IdéeSport oder vielen anderen Strategien zur Begegnung gesellschaftlicher Probleme gezeigt, die ohne die Übernahme von Personalkosten nicht genügend Freiraum zur Weiterentwicklung ihrer Lösungsansätze gehabt hätten. Die gesamte Förderphilosophie der GRS basiert auf der Schaffung von Freiräumen für Menschen ihre Ideen in die Praxis umzusetzen. Die Bezahlung von Lohnkosten ermöglicht die ökonomische Unabhängigkeit, die erlaubt die Problemlösung ins Zentrum zu stellen. Diese Unabhängigkeit kann auch helfen, die Zeit zu überbrücken, die Innovationen brauchen, um genügend Legitimität zu erlangen, damit sie Zugang zu weiteren Finanzierungsquellen aufbauen können. So unkreativ es klingen mag, aber die Zahlung des Lebensunterhalts für Menschen die etwas bewegen wollen, ist eine der wirkungsvollsten Strategien der sozialen Innovationsförderung. 7.1.2

Neue Organisationen und Feldentwicklung

Während die Beratung und Befähigung vor allem auf die Förderung von sozialen Innovationen ausgerichtet sind, treten Stiftungen in wenigen Fällen auch selbst als soziale Innovatoren auf. Als institutionelle Unternehmer (DiMaggio 1988) gründen sie neue Organisationen und setzen gezielte Entwicklungsimpulse in größeren Handlungsfelder, um Änderungen auf der Meso- und Makroebene der Gesellschaft anzustoßen. Die GRS, MCH und die SKBS haben jeweils die Initiative zur Gründung neuer Organisationen übernommen. Sie haben sie die Idee zur Implementierung gebracht und anschließend die Weichen für ihr langfristiges Überleben gestellt. In fast allen Fällen wurden die Organisationen an bestehende angeschlossen (das CEPS und das Institut für Kulturmanagement an die Universität Basel, das Graduate Center an die Universität Zürich, die Akademie für hirnverletze Menschen an Fragil Suisse, Venture Kick an das Institut für Jungunternehmer, später KTI). Die Stiftungen haben eine initiierende Rolle eingenommen und die neuen Organisationen bis zu ihrer nachhaltigen Verankerung begleitet. Die SKBS hat eine instrumentelle Rolle in der Entwicklung der Akademie für hirnverletze Menschen und dem Studienzentrum für Kulturmanagement gespielt. Ohne ihr Engagement würden diese Institutionen heute nicht existieren. Die MCH hat mit dem Aufbau des Graduate Centers an der Universität Zürich dazu beigetragen, dass jungen Forschern neue Unterstützungsleistungen und Austauschmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Die GRS hat mit NETS ein Förderprogramm für junge Unternehmer geschaffen, das später vom KTI übernommen wurde. Bei der Gründung des Dachverbands SwissFoundations haben die Geschäftsführenden mehrerer Stiftung eng zusammengearbeitet. Der Dachverband ist die einzige neue Organisation, die nicht

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

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an eine bestehende angeschlossen wurde. Die Grundinvestition in den Aufbau neuer Organisationen bedarf eines hohen finanziellen Aufwands. Um die langfristige Finanzierung der Organisationen besser abzusichern, bilden Stiftungen Investitionspartnerschaften mit weiteren Förderern. Das von der GRS initiierte Venture Kick Programm wird z.B. von einen Konsortium aus fünf Stiftungen, vier Unternehmen und drei Privatpersonen unterstützt. Die breitere finanzielle Abstützung führt zum einen zu einer höheren Stabilität der Organisation. Wenn ein Partner in einer Finanzierungsrunde abspringt, dann lässt sich dies einfacher durch andern oder neue Förderer kompensieren. Zum anderen symbolisiert die partnerschaftliche Finanzierung gegenüber der Öffentlichkeit eine höhere Legitimität. Die Investition mehrerer Finanzgeber signalisiert eine breitere gesellschaftliche Abstützung. Für die nachhaltige Sicherung der Organisationen haben die Stiftungen z.T. Absichtserklärungen mit staatlichen Akteuren ausgehandelt, die sicherstellen, dass nach einer positiven Evaluierung ein Teil der Kosten in deren Budget übergeht. So z.B. für das Graduate Center der Universität Zürich oder des Center for Philathropy Studies der Universität Basel. Die operative Leitung der Organisationen liegt nicht in der Hand der Stiftungen. Nach der Aufbauphase nehmen meistens die Geschäftsführenden der Stiftungen einen Sitz im Beirat der Organisation ein. Mit der Gründung und der Konsolidierung neuer Organisationen werden Stiftungen selbst zu sozialen Innovatoren, wenn damit einer Herausforderung dauerhaft ein neuer Lösungsansatz entgegengesetzt wird. Neben der Gründung von Organisationen treten Stiftungen auch als soziale Innovatoren auf, wenn sie systematische Investitionen in die Entwicklung von Handlungsfeldern tätigen, mit dem Ziel, Veränderungen sozialer Praktiken auf der Meso- und Makroebene der Gesellschaft anzustoßen. Ein Feld lässt sich in diesem Zusammenhang und in Bezug zu den Fällen als eine Menge von zusammenhängenden Teilproblemen beschreiben, die sich zu einem übergeordneten Problem auf der Makroebene verdichten. Der Klimawandel besteht z.B. aus mehreren hunderten Teilproblemen, die jeweils eigene Lösungen suchen. Die Definition eines Felds hängt von dem Interventionsniveau ab, in dem man Änderungen anstrebt. Das Problemfeld der Jugendarbeitslosigkeit kann z.B. auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene angegangen werden. Je übergreifender ein Feldbegriff definiert wird (wie beim Klimawandel), desto komplexer ist es schnell wirksame und nachhaltige Lösungen zu finden. In den Stiftungen wurden die Problemfelder meisten als spezifische Handlungsbereiche definiert, unter denen dann viele einzelne Projekte gefördert wurden. Ein solcher Feldbverständnis setzt sich von andern soziologischen Feldbegriffen (z.B. DiMaggio & Powell, 1983; Bourdieu 1985) vor allem durch seine Problemfokussierung ab. Nicht Machtkontellationen oder etblierte Institutionen sind die primären Felddeterminanten, obwohl sie eine wichtige Rolle spielen, sondern die strukturellen Einflussfaktoren, welche zu einem sozialem Problem und seiner Wahrnehmung führen.

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Vergleichende Analyse

Jedes Handlungs- oder Problemfeld ist durch spezifische Rahmenbedingungen, Akteurskonstellationen und Gelegenheitsstrukturen geprägt. Wenn sehr unterschiedliche Problemwahrnehmungen existieren und sich mächtige Akteure gegenüberstehen, dann ist es schwieriger Änderungen zu erreichen, als wenn über die Ursachen eine Problems und grundsätzliche Lösungsstrategien ein Konsens besteht Die „enabling conditions“ (Battilana et al. 2009, S. 67) von Feldern variieren, je nach ihrer Offenheit für tiefergehenden Wandel. Gleichzeitig ist die situative Positionierung eines Akteurs ein wichtiges Faktor Wandel anstoßen zu können. Akteure in der Peripherie, ohne starke Netzwerke und eigene Ressourcen haben es schwieriger eine starke Rolle in Veränderungsprozessen zu spielen, als Akteure, die eine anerkannte Position in einem Feld einnehmen. (vgl. a.a.O., S. 74-75). Damit Stiftungen gezielte Impulse in ein einem Feld setzen können, müssen sie mit den Strukturen und den wichtigsten Anspruchsgruppen vertraut sein und sich eine positive Reputation in dem entsprechenden Feld erarbeiten. In den beobachteten Fällen haben vor allem die GRS und zum Teil auch die MCH in die Entwicklung von Feldern investiert. Dabei haben sie verschiedene Aktivitäten gezielt miteinander kombiniert. Als wirkungsvollste Kombination hat sich eine Mischung aus Projektausschreibungen, eigenen Projekten, dem Aufbau von Netzwerken, aktivem Lobbying und dem gezielten Wissenstransfer herausgestellt. Die Bedeutung der einzelnen Elemente variiert je nach dem, welches der Teilprobleme das größte Hindernis für die Erreichung übergeordneter Effekte einnimmt. Über die Ausschreibungen regen die Stiftungen externe Akteure dazu an, Lösungen für spezifische Probleme zu entwickeln. Die daraus entwickelten Evidenzen dienen zum einen als Argumentationsbasis in Fachgremien, zum anderen verleihen sie der Stiftung die Legitimität, um in der Initiierung und Koordination von Netzwerken eine starke Stellung einnehmen zu können. Ihre Brückenfunktion wird gestärkt. Veränderungen sind nur durch gemeinsame Bestrebungen mehrerer Akteure zu erreichen, in dem jeder seine Kernkompetenzen einbringt. Die Netzwerkarbeit der Stiftungen ist daher ein elementarer Teil in der Feldentwicklung. Die Publikation von Lernerfahrungen und Handlungsempfehlungen dient dem Wissenstransfer und als Argumentationsbasis zur Änderung sozialer Praktiken. Das aktive Lobbying wird oftmals von Partnern aus dem Netzwerk übernommen. Abbildung 16. fasst die Tätigkeit zusammen. Im Beispiel der seltener Krankheiten hat die GRS den mangelnden ökonomischen Anreiz für die Erforschung von Heilmitteln, geringe Beachtung des Themas in der Politik und ungenügende Vernetzung der Akteure als Teilprobleme identifiziert, die dem Aufbau einer nachhaltigen Strategie zur Begegnung seltener Krankheiten auf der Makroebene entgegenstehen. Als Antwort darauf hat sie ein Förderprogramm initiiert, ein Forschungskongress ins Leben gerufen und in die Vernetzung der wichtigsten Akteure investiert. Die politische Lobbyarbeit haben primär

Publikation von Lernerfahrungen und Handlungsempfehlungen Vernetzung & Koordination maß‐ geblicher Akteure

Lobbying durch Partner

Stärkere Positionierung im Feld

Abb. 16: Investitionen in die Entwicklung von Feldern (Quelle: Eigene Darstellung)

Feld aus Teilproblemen

Weitere Einflüsse anderer Akteure

Evidenz aus Förderprojekten

Impulse zur Veränderung

Ausschreibungen & eigene Projekte

Wissenstransfer

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen 231

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Vergleichende Analyse

andere Netzwerkpartner übernommen. In gemeinsamen Publikationen sind Patienten, Forscher und Politiker zu Wort gekommen, die jeweils ihre Bedürfnisse und Wünsche geäußert haben. Jeder Akteur hat seine Kernkompetenzen und Anliegen in den Prozess eingebracht. Als Konsequenz wurde wie beschrieben u.a. ein „Nationales Konzept Seltene Krankheiten“ als Teil der gesundheitspolitischen Prioritäten durch den Schweizer Bundesrat verabschiedet sowie der Aufbau einer nationalen Datenbank seltener Krankheiten konkretisiert. Eine weiteres, wenn auch nicht ganz so erfolgreiches Beispiel, sind die Investitionen der MCH in die Stärkung personalisierter Lernkonzepte in Schulen. Als Teilprobleme wurden u.a. fehlende flexible Lehrmittel, ungenügende Evidenzen besserer Lernerfolge sowie das Fehlen von Austauschplattformen von Schulen, die bereits mit personalisierten Lehrkonzepten experimentiert haben identifiziert. Als Konsequenz hat die Stiftung Vertreter von Schulen, Hochschulen, Verlage, IT-Unternehmen und Lehrerverbände eingeladen, sich untereinander auszutauschen und kooperative Projekte zu entwickeln. Nach einer Ausschreibung hat sie die besten Vorschläge ausgewählt und gefördert. Personalisierte Unterrichtsmodelle wurden in Partnerschulen erprobt, neue Schulnetzwerke gebildet und Qualitätsraster zur Beurteilung von personalisierten Lernarrangements entwickelt. Die Projekte wurden wissenschaftlich evaluiert und die Ergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt sowie in Fachzeitschriften publiziert. Obwohl sich keine vergleichbaren, übergreifenden Effekte wie im Feld der seltenen Krankheiten eingestellt haben, hat die MCH starke Impulse zur Verankerung personalisierter Lernkonzepte als Alternative zu konventionellen Lehrmethoden gesetzt. Die Stiftung hat in eigenen Evaluation, neben einer offenen Selbstkritik der eigenen Organisation anerkannt, dass die Veränderungsbereitschaft des Schulsystems zu einem tiefergreifenden Wandel noch nicht gegeben war. Eine weiter Schwierigkeit bestand darin, dass eine renommierter Bildungsforscher den bessern Schulerfolg personalisierter Lehrformate grundsätzlich in Frage gestellt hat (Hattie 2015). Investitionen in Handlungsfeldern bestehen aus einer koordinierten Mischung aus verschiedenen Aktivitäten. Die geförderten Einzelprojekte haben jeweils einen eigenen Wert an sich, sind aber zugleich Mittel zum Zweck. Das Ziel besteht darin, einen grundsätzlichen institutionellen Wandel anzustoßen. Der Erfolg hängt in den meisten Fällen von der Kollaboration höherer Entscheidungsinstanzen in der staatlichen Verwaltung ab. Gesetzesänderungen oder staatliche Verordnungen haben einen hohen Einfluss auf Handlungsweisen in Feldern. Als übergeordnete Instanzen können sie neue Handlungsweisen als verbindliche Normen festsetzen. Siftungen haben diese Macht nicht. Sie können aber als selbst als soziale Innovatoren auftreten, wenn sie eine initiative und impuslgegbende Rolle in der Entwicklung von Feldern einnehmen. Als unvollständige Organisationen sind Stiftungen darauf angewiesen, Allianzen aufzubauen, wenn sie einen Einfluss auf

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

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gesellschaftliche Entwicklungen ausüben wollen, der über die reine Befähigung ihre Förderpartner hinausgeht. 7.1.3

Das Innovationsvermögen

In der vergleichenden Analyse hat sich gezeigt, dass Stiftungen in ihren Handlungsfeldern grundsätzlich über unterschiedliche Potenziale verfügen, einen effektiven Einfluss auf die Änderung von sozialen Praktiken auszuüben. Dieses Potenzial lässt sich mit Rückgriff auf die Beobachtungen als das Innovationsvermögen einer Stiftung bezeichnen. Das Innovationsvermögen bezieht sich auf die Summe der Kapitalausstattung einer Stiftung im Sinne Bourdieus (1983) und setzt sich auf dem ökonomischen, kulturellen, sozialen und symbolischen Kapital zusammen, das einer Stiftung zur Verfügung steht. Demnach stehen Stiftungen verschiedene Kapitalformen zur Verfügung, die sie für ihrer Zielerreichung investieren kann. Je nach Problembereich, dem sich eine Stiftung widmet, verfügt sie auf Grund ihres Vermögens über ein unterschiedliches Potenzial neuartigen Lösungsansätzen zu ihrer Etablierung zu verhelfen. So lässt sich z.B. die im Vergleich zur GRS geringere Innovationsleistung der AF zum einen auf die unterschiedliche Größe, zum anderen aber auch auf das weniger ausgeprägte Fach- und Erfahrungswissen in den jeweiligen Handlungsfeldern zurückführen. Stiftungen sind eher in Feldern instrumentell tätig, in denen sie über die jeweiligen Kompetenzen verfügen. Über die Analyse dieses kulturellen Kapitals einer Stiftung lassen sich Vorhersagen treffen, in welchen Bereichen eine Stiftung eine stärker gestaltende Rolle einnimmt. Im Folgenden werden diese Befunde an Beispielen erläutert. Das ökonomische Kapital ist der grundlegende Befähigungsfaktor von Stiftungen. Der Hauptgrund warum sich Menschen mit Ideen an Stiftungen richten, ist ihr Bedürfnis nach finanzieller Förderung. Nicht immer geht es dabei um hohe Beträge. Oftmals kann eine kleine Investition, wie die Durchführung einer Netzwerkveranstaltung, den entscheidenden Anstoß dafür gegeben, dass ein Lösungsansatz einen weiteren Schritt in seiner Entwicklung nehmen kann. Ein hohes finanzielles Vermögen ist kein zwingender Faktor zur Förderung sozialer Innovationen. Die Vermittlung von Kontakten oder ein bedeutender Hinweis zur Projektgestaltung kann zum Teil wichtiger sein, um einen Innovationsprozess voranzubringen, als die tatsächliche finanzielle Förderung. Je höher jedoch das finanzielle Kapital einer Stiftung ist, desto höhere Beträge kann sie zur Erreichung ihrer Ziele investieren und umso mehr Projekte kann sie zur gleichen Zeit fördern. Die GRS und MCH haben mit ihren über CHF 10 Mio. Fördervolumen pro Jahr einen höheren Gestaltungsspielraum als die AF oder die SKBS. Die MCH kann es sich z.B. leisten, dem World Food Center CHF 5 Mio. für die Erforschung von biologischen Lösungsansätzen zur Erreichung der Nahrungsmittelsicherheit zu investieren und gleichzeitig ihre weitere Förderaktivitäten fortführen. Die GRS investiert in jedes

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Vergleichende Analyse

Handlungsfeld CHF 1,5-2 Mio. pro Jahr, ein mehrfaches des gesamten Fördervolumens der AF. In diesem Sinne ist das Innovationspotenzial der GRS höher einzuschätzen als dies der AF oder SKBS. Als Konsequenz versucht die AF ihre geringeren Beträge zu zur Förderung ausgewählter Projekte zu bündeln, um nicht nur ein Finanzgeber von vielen zu sein. Die sozialen Stadtführungen in Zürich hat die AF allein ermöglicht und bei Gartengold hat sie mit der vollständigen Finanzierung einer neue Stelle geholfen, dass die Organisation einen Weg zu einem nachhaltigen Geschäftsmodell findet. Die Beiträge beziehen sich auf einzelne stärker lokal ausgerichtete Innovationen. Wenn Stiftungen nur kleine Finanzierungsbeiträge an Projekte leisten, dann ist ihre eigene Innovationsleistung gering. Sie sind im Prinzip austauschbare Finanzierungsquellen. Je mehr finanzielle Mittel einer Stiftung zur Verfügung stehen, desto höher ist auch ihr Innovationsvermögen. Ein hohes Finanzkapital erlaubt nicht nur hohe Investitionen in die Erforschung und Implementierung neuer Lösungsansätze, sondern gibt einer Stiftung auch die Möglichkeit, qualifizierte Mitarbeiter einzustellen und somit ihr kulturelles Kapital zu erhöhen. Das kulturelle Kapital einer Stiftung setzt sich vor allem aus dem Fach- und Erfahrungswissen einer Stiftung zusammen. Es bezeichnet das „Können, Wissen und die Kompetenzen einzelner Akteuren zur Erzielung gesellschaftlicher Wirkung“ (Schröer & Sigmund 2012, S. 96-97). Träger des kulturellen Kapitals einer Stiftung sind die Stiftungsräte, Geschäftsführenden und Mitarbeiter. Es handelt sich um inkorporiertes Kapital (vgl. Bourdieu 1983, S. 186ff). Dies kann in der Form von formalisierten Bildungsgängen, wie z.B. Universitätsstudien erlernt werden oder auf informellen Lernerfahrungen (Erfahrungswissen) beruhen72. Das aneignete Wissen ist persönlich. Dies bedeutet, dass mit dem Ausscheiden einer Person, diese Ressource der Stiftung nicht mehr zur Verfügung steht. Ein hohes kulturelles Kapital einer Stiftung bedeutet, dass sie über Mitarbeitende verfügt, die über substantielles Wissen in den Themenbereichen der Stiftung verfügen. Dies erlaubt der Stiftung komplexe Förderprogramme und Projekte aufzubauen sowie Lösungsansätze hinsichtlich ihrer Neuartigkeit und Realisierungswahrscheinlichkeit abschätzen zu können. Auch wenn die Gehälter im Nonprofit-Sektor geringer sind als in der Wirtschaft, so müssen auch Stiftungen in die Anstellung qualifizierten Personals investieren, um ihre Wirkungskraft zu erhöhen. Der Zusammenhang zwischen dem kulturellen Kapital und dem Innovationsvermögen hat sich anhand von verschiedenen Beobachtungen herauskristallisiert. In der GRS beruht die Fähigkeit, komplexe Programme wie Rare Diseases, Venture Kick oder BREF aufbauen zu können, auf dem Fach- und Erfahrungswissen der Stiftungsräte und der Geschäftsführenden. Der mit wissenschaftlichen Koryphäen 72

Dem institutionalisierten kulturellen Kapital in Form von Bildungsabschlüssen prestigeträchtiger Universitäten wird in Stiftungen ein hoher Wert zu gesprochen. Damit soll auch das symbolische Kapital der Stiftung gestärkt werden.

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

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besetzte Stiftungsrat und die promovierten Geschäftsführer verfügen sowohl über ein fundiertes Wissen über das Bildungs- und Hochschulsystem der Schweiz sowie über Fachkenntnisse, einzelne Förderprojekte in Bezug zu ihrem Innovationsgrad beurteilen zu können. In der SKBS hat der promovierte Geschäftsführende seinen Bildungshintergrund in Kunsthistorik und seine vorherigen Arbeitserfahrungen genutzt, um Schwerpunktprojekte wie die Binding Selection d´Artistes, TransHelveltia oder das Studienzentrum Kulturmanagement aufzubauen. Die Bemühungen der AF eine Beteiligungsgesellschaft für das Mission Investment von Stiftungen zu initiieren, basieren wiederum auf dem kulturellen Kapital der Geschäftsführerin. Die Absolventin der Wirtschaftshochschule St. Gallen hat während ihrer vorherigen Tätigkeit bei LGT Venture Philanthropie das entsprechende Fach- und Erfahrungswissen gesammelt. Der Bereich Suffizienz der MCH beruht auf dem Bildungshintergrund der Projektleiterin und die ersten Bildungsprojekte der Stiftung sind auf das Erfahrungswissen des Geschäftsführers im Schulbereich zurückzuführen. Das kulturelle Kapital einer Stiftung erlaubt ihr, Opportunitäten zu erkennen und entsprechende Handlungsstrategien aufzubauen. Das Innovationvermögen einer Stiftung wird maßgeblich durch ihr kulturelles Kapital determiniert. Das soziale Kapital bezeichnet „die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder Anerkennens verbunden sind“ (Bourdieu 1983, S.191)73. In den Fallstudien haben Stiftungen vor allem in der Strategieentwicklung, beim Aufbau von Organisationen sowie bei Beurteilung von komplexen Förderprojekten ihr soziales Kapital eingesetzt, um Experten einzubinden und externe Beurteilungen einzuholen. Die GRS lädt z.B. immer wieder Experten aus der Wirtschaft und Wissenschaft zu Vorträgen in den Stiftungsrat ein, um Impulse für die eigene Arbeit zu bekommen. Die MCH nutzt ihr Netzwerk, um sich mit Fachexperten über die Lösung von spezifischen Problemen auszutauschen. Auch die AF nutzt das Netzwerk der Gründerin, um neue Ideen für die eigene Stiftungsarbeit zu bekommen. Das eigene Beziehungsnetzwerk dient auch als Quelle neuer Ideen. So sind z.B. Ideen für das NETS Programm der GRS oder der Aufbau der Akademie für Hirngeschädigte der SKBS jeweils in Gesprächen mit Bekannten der Geschäftsführenden entstanden74. Neben der Nutzung des eigenen Netzwerkes ist die Investition in das soziale Kapital der Partner ein wichtiges Mittel der Innovationsförderung. Die Initiierung und Koordination von Netzwerken ist ein elementarer Teil der Feldinvestitionen. In den Stiftungen haben die Geschäftsführenden in den Gebieten, in denen sie eine 73

Für vertiefte Ausführungen zum sozialen Kapital siehe z.B. Colemann (1988). Granovetter (1973) weist vor allem auf die Bedeutung von wohlgesinnten sporadischen Beziehungen für die Verbreitung neuer Ideen hin. Von diesen Verbindungen sind mehr Impulse für neue Idee zu erwarten als von geschlossenen homophilen Netzwerken. 74

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Vergleichende Analyse

instrumentelle Rolle eingenommen haben, jeweils viel Zeit in den Austausch mit den maßgeblichen Akteuren investiert. Die GRS ist in ihren Handlungsfeldern bestens vernetzt. Im Projekt des Personalisierten Lernens, hat die MCH neue soziale Beziehungen zwischen Akteuren initiiert, die zuvor noch nicht zusammengearbeitet haben. Ferner hat sie mit dem Mercator Workshops ein Format geschaffen, in dem sich ihre Partner untereinander austauschen können. Auch die AF investiert ihr soziales Kapital, um ihre Partner bei der Mobilisierung weiterer Ressourcen zu unterstützen. Die Vermittlung von Kontakten ist Teil der Stiftungsstrategie. Innovationsorientierte Stiftungen greifen nicht nur auf Wissen und Ideen aus ihrem eigenen Netzwerk zurück, sondern investieren in den Beziehungsaufbau ihrer Partner. Voraussetzung dafür ist, dass die Stiftungsmitglieder viel Zeit außerhalb des Büros verbringen. Beziehungsarbeit bedeutet vor allem eine zeitliche Investition (vgl. Anheier & Leat 2006, S. 238). Dies impliziert, dass die Grundprozesse in der Antragsbearbeitung und Auszahlung soweit standardisiert sein müssen, dass die Mitarbeitenden genug Freiraum für die Pflege von Kontakten haben. Das Innovationsvermögen einer Stiftung steigt mit dem Grad in dem sie eine initiierende und koordinierende Rolle in Netzwerken einnimmt. Je stärker eine Stiftung in ihren Handlungsfeldern mit den wichtigsten Anspruchsgruppen vernetzt ist, desto höher ist ihr Potenzial eine Brückenfunktion einzunehmen und weitere Ressourcen zu mobilisieren. Die Möglichkeit, das soziale Kapital produktiv in gesellschaftliche Entwicklungsprozesse einsetzen zu können, hängt u.a. von der Reputation einer Stiftung ab. Das symbolische Kapital setzt sich aus einer Mischung der anderen Kapitalsorten zusammen und steht insbesondere mit dem kulturellen und sozialen Kapital in einer starken Wechselwirkung (vgl. Bourdieu 1983, S. 192). Je höher das soziale und kulturelle Kapital einer Stiftung ist, desto höher ist auch ihr symbolisches Kapital. Mit einer höheren Reputation geht wiederum ein erhöhtes Wirkungspotential von Stiftungen einher (Then 2007). In den Fällen hat sich gezeigt, dass wenn eine Stiftung über ein hohes Prestige verfügt, es ihr leichter fällt, eine zentrale Stellung in Netzwerken einzunehmen, Allianzen zu bilden und als legitimer Akteur in einem Handlungsbereich wahrgenommen zu werden75. Die GRS hat sich im Wissenschafts- und Stiftungsbereich ein hohes Ansehen erarbeitet. Eine Förderung durch die Stiftung wird als Auszeichnung für Originalität wahrgenommen. Die Stiftung pflegt ihren Ruf als Innovatorin. Auf Grund ihres Prestiges, oder hohen symbolischen Kapitals, kann sie einen stärkeren Einfluss auf die Änderungen sozialer Praktiken in ihren Zielbereichen 75 Stiftungen haben vor allem auch deswegen eine Stärke im Aufbau von Netzwerken, da sie Geld zu vergeben haben. Sie müssen weniger Beziehungsarbeit leisten als mittelsuchende Organisationen. Es „lohnt sich“ Stiftungen zu kennen. In keinen der Fälle hatten die Stiftungen Probleme ihre Veranstaltungen zu füllen.

Der Beitrag von Stiftungen in der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen

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ausüben, als eine unbekannte Stiftung mit einem geringeren kulturellen und sozialen Kapital. Im Wissenschaftsbereich wird ihre Legitimität vor allem auch auf Grund der Ausstrahlung des mit Koryphäen besetzten Stiftungsrats gestärkt. Ihre Förderprogramme haben eine hohe Symbolkraft, die eine Signalwirkung auf andere Akteure ausstrahlt. Wie die GRS investiert auch die MCH in die Pflege ihrer Außendarstellung. In ihren Publikationen nehmen Fachexperten Stellung zu gesellschaftlichen Herausforderungen. Gleichzeitig nutzt die MCH ihr Renommee, um die Aktivitäten der Förderpartner in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Eine Förderung durch die MCH ist ein gewisser Leistungsausweis. Ein Förderpartner im Bildungsbereich hat berichtet, absichtlich eine andere Förderung ausgeschlagen zu haben, weil die Unterstützung durch die MCH in seinem Milieu weitere Türen öffnet. Auch dort hat sich gezeigt, dass der symbolische Charakter einer Förderung wichtiger als der ausgezahlte Förderbetrag sein kann (vgl. Schröer & Sigmund 2012, S. 97). Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit der Höhe und Nutzung des ökonomischen, kulturellen, sozialen und symbolischen Kapitals das Innovationsvermögen einer Stiftung steigt. Allerdings gilt dieser Zusammenhang nur unter der Beachtung einiger Bedingungen. Erstens ist wie gezeigt die Höhe des ökonomischen Kapitals ein hilfreicher, aber kein notwendiger Faktor. Zweitens ist der Nutzen des kulturellen, sozialen und symbolischen Kapitals kontextabhängig. Für eine Stiftung, die sich für den Transfer der Wissenschaft in die Praxis einsetzt, ist ein mit wissenschaftlichen Koryphäen besetzter Stiftungsrat förderlich. Das gleiche kulturelle, soziale und symbolische Kapital ist hingegen im Kulturbereich oder in der direkten Arbeit mit benachteiligten Jugendlichen weniger zweckdienlich. Die Nützlichkeit der Ressourcen hängt von dem jeweiligen Problemfeld, bzw. der situativen Positionierung der Stiftung in diesem ab. Wenn die mangelnde Vernetzung der Hauptakteure ein Hindernis darstellt, dann braucht eine Stiftung entsprechende Verbindungen, um diese zur Zusammenarbeit zu bewegen. Medizinisches Fachwissen ist bei der Beurteilung eines Bildungsprogramms für Migranten weniger nützlich, als eine soziologische Ausbildung mit einem Schwerpunkt auf Integrationsprozesse. Das symbolische Kapital einer Stiftung hängt zu einem großen Teil auch mit ihren vorherigen Leistungen in einem bestimmten Handlungsfeld zusammen und lässt sich nicht ohne weiteres auf andere gesellschaftliche Bereiche übertragen. Drittens impliziert der Begriff des Vermögens auch das Können. Eine Stiftung muss in der Lage sein, ihre Ressourcen so einzusetzen, dass sie auch die beabsichtige Wirkung erzielen76. Diese Kompetenz beruht vor allem auf dem Erfahrungswissen und Engagement des Geschäftsführers und des Stiftungsratspräsiden-

76 In der Stiftungsliteratur lassen sich viele Beispiele finden, bei denen gut gemeinte Strategien keine oder sogar schädliche Effekte ausgelöst haben (Frumkin 2006; Brest & Harvey 2008).

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Vergleichende Analyse

ten sowie der Flexibilität einer Stiftung in der Zweckumsetzung. Die Innovationsleistung der GRS oder die Erfolge der SKBS in den Schwerpunktprojekten wurden in den Gesprächen mit den Stiftungsräten und Förderpartnern vor allem auch auf die Persönlichkeiten der Geschäftsführenden zurückgeführt. Als Organisationen mit relativ einfachen Strukturen, hängt die Innovationsfähigkeit von Stiftungen von dem Engagement und der Erfahrung der Stiftungsvertreter ab. Das Innovationsvermögen bezeichnet das Potenzial einer Stiftung, einen effektiven Einfluss auf die Änderung von sozialen Praktiken auszuüben. Neben dem ökonomischen Kapital ist vor allem das kulturelle Kapital ausschlaggebend. Dieses ist personenbezogen. Stiftungen sollten daher sehr vorsichtig in der Auswahl ihrer Mitarbeitenden vorgehen. Kongruent mit der Erkenntnis, dass Innovationsförderung oftmals die Zahlung von Lohnkosten bedeutet, so zeigt das Innovationsvermögen auf die Notwendigkeit hin, qualifiziertes Personal zu finden und diesem Freiheiten zu gewähren. Weiterhin kann eine Stiftung ihre Innovationsvermögen dadurch erhöhen, das sie gezielt in ihre situative Positionierung in einem Feld investiert. Dies bedeutet Netzwerke aufzubauen, Evidenzen zu generieren, als vertrauensvoller und proaktive Akteur wahrgenommen zu werden und den Wissenstransfer zu stärken. Allerdings haben Stiftungen unterschiedliche Möglichkeiten ihr Innovationsvermögen zu nutzen. Dies hängt, wie im Folgenden gezeigt wird, von dem Pfad ab, den eine Stiftung in der frühen Phase ihrer Entstehung einschlägt. Stiftungen, die theoretisch über ein hohes Innovationspotenzial verfügen, schränken ihre Flexibilität durch selbst auferlegte Handlungsmaxime ein. Sie sind durch starke strukturelle Trägheit geprägt. Die Innovationsorientierung wird früh in dem Leben einer Stiftung festgelegt. 7.2

Innovationsorientierung und Strategieentwicklung von Stiftungen

Das Innovationsvermögen einer Stiftung bestimmt ihr grundsätzliches Potenzial, einen effektiven Einfluss auf die Änderungen sozialer Praktiken ausüben zu können. Allerdings gibt das Vermögen auf den ersten Blick nur begrenzt darüber Aufschluss, warum sich Stiftungen bestimmten Problemen widmen und wie sie in der Entwicklung ihrer Handlungsstrategien vorgehen. Was eine Stiftung will und wo sie ihre Prioritäten setzt, lässt sich anhand von Schlüsselfaktoren erklären. Trotz ihrer grundsätzlichen Unterschiedlichkeit zeigen die Stiftungen in der vergleichenden Betrachtung eine Reihe von Gemeinsamkeiten auf. Neben ihrem Vermögen wird die Innovationsfähigkeit einer Stiftung zu großen Teilen durch ihre eigene Geschichte beeinflusst.

Innovationsorientierung und Strategieentwicklung von Stiftungen

7.2.1

239

Gründerprägung & Dokumententreue

Einer der stärksten Erklärungsfaktoren für die Ausrichtung einer Stiftung, ist die Prägung durch ihren Gründer (vgl. von Schnurbein 2015). Dieser auch im ersten Teil diskutierte Einfluss hat sich bestätigt. Dabei muss der Stifter nicht persönlich in der Stiftung tätig gewesen sein. Die Gründerprägung bezeichnet den Einfluss des Stifters auf die Grundausrichtung einer Stiftung. Sie bezieht auf die expliziten Vorgaben des Stifters wie auch dem impliziten Einfluss auf Grund seiner Persönlichkeit und Lebensleistung. Die Innovationsorientierung einer Stiftung beruht zu großen Teilen auf den Zielsetzungen, welche ein Gründer in den Statuten einer Stiftung verankert sowie der Ausstrahlung seiner Persönlichkeit und die Re-Interpretation seines Willens nach seinem Ableben. An den Beispielen der GRS und der SKBS lässt sich dieser Zusammenhang veranschaulichen. Die Innovationsorientierung der GRS hat ihren Ursprung in dem mentalen Vermächtnis des Stifters Heinrich Gebert. Der Bastler und Tüftler hat zu Lebzeiten immer neue Produkte entwickelt und patentieren lassen. In den Statuten hat er ausdrücklich festgehalten, dass die Stiftung neue und unkonventionelle Projekte fördern soll, welche der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft Impulse vermitteln. In der SKBS war das Gründerehepaar hingegen weniger an Innovation, als an der Bewahrung von Bestehendem interessiert. Der Stiftungszweck spiegelt ihre Liebe zur Natur, den Bergen sowie der Denkmalpflege und der Förderung künstlerischen Schaffens wieder. Das mäzenatische Vermächtnis der Gründer ist auch über 50 Jahre nach ihrer Gründung spürbar. In den Förderrichtlinien heißt es „einen Beitrag leisten“ anstatt „machen“. Der Neffe und der ehemaligen Sekretär der Bindings halten die Erinnerung an das Gründerehepaar aufrecht. Auch der neue Präsident hält sich strikt an die Vorgaben aus dem Vermächtnis der Gründer. Die Persönlichkeit und die Lebensleistung der Gründer prägen Stiftungen langfristig. Ihr Vermächtnis wird in die DNA einer Stiftung eingebrannt und prägt diese lange über den Tod der Stifter hinaus. Die „Diktatur der toten Hand“ ist in Stiftungen präsent. Sie manifestiert sich neben der Weitergabe von Mythen und Geschichten über den Gründer, vor allem in der Dokumententreue von Stiftungen. Diese lässt sich als die dauerhafte Befolgung von Vorgaben beschreiben, die in einem Dokument festgelegt sind. Das Herzstück der Stiftung, bzw. der Kristallisationspunkt des Stifterwillens sind der Zweck und die Statuten. Spätere Stiftungsverwalter sind dazu verpflichtet, diese Vorgaben umzusetzen. In allen Fällen haben sich die Geschäftsführenden immer wieder an diesen Dokumenten orientiert, wenn sie ihre Handlungsstrategien aufgebaut oder einer Prüfung unterzogen haben. Gleichzeitig haben früh entwickelte Dokumente wie Leitbilder oder Fördergrundsätze einen stark prägenden Charakter. Bei den jeweiligen Strategieüberprüfungen in den Stiftungen haben sich die verantwortlichen Personen immer wieder an bestehenden Dokumenten orientiert

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Vergleichende Analyse

und versucht den ursprünglichen Ideen treu zu bleiben. Je stärker in diesen Dokumenten ein instrumenteller Wille zum Ausdruck kommt, desto höher ist die Innovationsorientierung einer Stiftung einzuschätzen. Der größte Unterschied zeigt sich in den Fällen zwischen der GRS und der SKBS. Während die Stiftungsstatuen der GRS ausdrücklich eine übergeordnete Strategie und Investitionen in unkonventionelle Projekte fordern, sprechen die Statuten der SKBS von Beiträgen leisten. Die MCH so wie die AF haben ihre grundsätzliche Ausrichtung, die in der Gründungszeit und der ersten Strategieüberprüfung festgelegt worden sind kaum mehr geändert. Es bestätigt sich somit eines der Hauptargumente der Organisationsökologie, dass die Gründungszeit die bedeutendste sensitive Periode einer Organisation ist (Carroll & Hannan 2004, S. 293). Sensitive Perioden können als Zeitfenster beschrieben werden, in denen sich die zukünftige Ausrichtung einer Organisation entscheidet. In dieser Zeit prägen externe Einflüsse, erste Fördererfahrungen und die Interessen der Personen mit der höchsten Deutungsmacht die Grundausrichtung einer Stiftung. Neben der Gründungzeit entstehen sensitive Perioden, vor allem in Momenten von größeren Transitionen (vgl. Marquis & Tilcsisk 2013, S. 199200). 7.2.2

Interesse, Kompetenz & Deutungsmacht

In allen beobachteten Stiftungen wurden die Handlungsstrategien parallel zu den ersten Fördertätigkeiten entwickelt. Die Wahl der Problemfelder wurde zum einen von Diskussionen beeinflusst, die in der Öffentlichkeit geführt werden (z.B. Waldsterben und Armut in Bergdörfern bei der SKBS, Auswanderung von wissenschaftlichen Talenten im Projekt ReBrain bei der GRS, Auflage des Flüchtlingsfonds der AF). Zum anderen hat sich gezeigt, dass die Stiftungsthemen vor allem von den Interessen, Fähigkeiten und Betroffenheitsideen des Stiftungsratspräsidenten und der Geschäftsführenden abhängen. Diesen Personen kommt innerhalb von Stiftungen die höchste Deutungsmacht in der Interpretation des Stiftungszwecks zu (Bethmann et al. 2014). In der AF und der MCH sind die Gründer zugleich die Präsidenten des Stiftungsrats. Ihre Themen sind gesetzt. Gegen sie werden keine Entscheidungen getroffen. Obwohl Stiftungen im Prinzip sich selbst gehören, sind sie weiterhin das psychologische Eigentum der Stifter. Solange diese in der Stiftung aktiv sind, stellen sie die letzte Entscheidungsinstanz dar. Der Einfluss des Geschäftsführenden gegenüber dem Stiftungsratspräsidenten ist tendenziell höher einzuschätzen, wenn der Gründer nicht mehr in der Stiftung tätig ist. Ein starker Kausalzusammenhang lässt sich aus den vier Fällen nicht ableiten. Der hohe Einfluss der Geschäftsführenden zeigt sich jedoch an verschiedenen Beispielen. In der GRS beruht der gesamte Zielbereich Stiftung & Schweiz auf dem Interesse des Geschäftsführers. Der Aufbau der Handlungsfelder Rare Diseases und dem Nachfolger Micro Bials steht im engen Zusammenhang mit den

Innovationsorientierung und Strategieentwicklung von Stiftungen

241

Qualifikationen der stellvertretenden Geschäftsführerin. Die promovierte Chemikerin, mit Erfahrung in der Pharmaindustrie, war in der Entwicklung federführend. Die Wahl und der Aufbau der Handlungsfelder einer Stiftung hängen eng mit den Qualifikationen und Interessen der Geschäftsführenden zusammen. In der SKBS spiegeln die Zersiedelung und die Kohäsionsprogramme die Betroffenheitsideen des Geschäftsführenden (und des ehem. Stiftungsratspräsidenten) wider. Der promovierte Kunsthistoriker hat zudem die Binding Sélection d´Artistes aufgebaut und war federführend bei der Gründung des Studienzentrums Kulturmanagement. Aber auch bei einem aktiven Stifter haben die Geschäftsführer hohen Einfluss auf die Ausbildung der Stiftungsstrategie. Die Geschäftsführerin der AF war federführend in der Formulierung der Investitionsstrategie. Die Ausrichtung der AF auf unternehmerische Fördermodelle ist zu großen Teilen der Vortätigkeit der Geschäftsführerin in der Venture Philanthropie geschuldet. In der MCH hat sich der erste Geschäftsführer von Beginn an vor allem darauf konzentriert, Bildungsprojekte aufzubauen, da er in langjähriger Milizarbeit Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt hat und gute Beziehung zu den Universitätsleitungen in Zürich gehabt hat. Die Wahl der Schwerpunktprojekte und Handlungsfelder von Stiftungen wird neben der Gründerprägung vor allem durch die Qualifikationen, Interessen und sozialen Netzwerke der Geschäftsführenden beeinflusst. In Gebieten in denen sie über fachliches Wissen und soziale Beziehungen verfügen fällt es ihnen leichter Förderprogramme aufzubauen. Erklären lässt sich dies mit der schon von Bourdieu (1987, S. 114) herausgearbeiteten Tendenz, dass sich Individuen vor allem Herausforderungen stellen, für deren Bewältigung sie auf Grund ihrer Handlungskompetenzen ausgerüstet sind. Sie konzentrieren sich auf Handlungsfelder, bei denen sie Kraft ihres eigenen Vermögens eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit haben, einen effektiven Beitrag leisten zu können. Sie suchen sich Felder aus, bei denen sie auf ihre bisher erworbenen Erfahrungen und Kompetenzen zurückgreifen können und dessen Spielregeln sie kennen oder zumindest schnell verstehen können (vgl. Janning 2004, S. 102). Zugleich ist das Zielengagement, als Wille etwas verändern zu wollen umso höher, je stärker eine emotionale Bindung zu einem Problem besteht (Heckhausen & Heckhausen 2010). Dementsprechend ist einer der aufschlussreichsten Indikatoren zur Erklärung und Vorhersage der Handlungsfelder einer Stiftung, in den Interessen und Fähigkeiten der Geschäftsführenden zu suchen. Je emotionaler sie mit einem Problem verbunden sind, desto höher ist ihr Wille proaktiv auf die Veränderung sozialer Praktiken hinzuarbeiten. Das kulturelle Kapital ist nicht nur ein Befähigungs-, sondern auch ein Erklärungsfaktor, wann Stiftungen eine instrumentelle Rolle in der Lösung gesellschaftlicher Probleme anstreben.

242

7.2.3

Vergleichende Analyse

Sinn & Formalisierung

Der Stifter und die Geschäftsführenden bauen schrittweise ein eigenes Profil der Stiftung auf. Neben der Auswahl der Förderbereiche geht es darum, eine sinnhafte Strategie zu entwickeln, die ausdrückt was die Stiftung mit ihren Aktivitäten erreichen will. Die Strategie gibt einen Orientierungsrahmen für das Treffen von Entscheidungen vor (Weick 1995). Gleichzeitig erlaubt sie, nach außen ein kohärentes Profil zu kommunizieren, für was eine Stiftung einsteht und mit welchen Partnern sie ihre Ziele erreichen will. Stiftungen gehen gerade zu Beginn ihrer Tätigkeit eine Lernphase durch. Sie brauchen Zeit, um Prozesse aufzubauen, Partner zu finden, Problembereiche zu durchdringen und Kollaborationen aufzubauen. Aus den Lernerfahrungen der ersten Jahre kristallisiert sich das Handlungsmodell einer Stiftung heraus. Nach einer Phase des strategischen Experimentalismus kommt es zur Formalisierung der Strategie. Die GRS, MCH und AF haben jeweils nach einer Periode von drei bis fünf Jahren einen ersten Reflektionsprozess gestartet, dessen Ziel die Formulierung einer langfristigen Strategie war. In der SKBS ließ sich ähnliches beobachten, nachdem es zum Wechsel auf der Position des Stiftungsratspräsidenten und der Einstellung eines Geschäftsführers kam. Drei Jahre später wurden in extra anberaumten Sitzungen neue Leitlinien der Stiftungsarbeit definiert. In dem Prozess werden einzelne Aktivitäten hinterfragt und nicht mehr weitergeführt, andere hingegen gestärkt. Aufbauend auf der Grundausrichtung der Stiftung entscheidet sich in diesem Schritt, wie und mit welchen Mittel eine Stiftung auf Dauer ihre Ziele verfolgt. In der formalisierten Investitionsstrategie wird die übergreifende Theorie des sozialen Wandels einer Stiftung festgelegt. Anschließend werde bestimmte Vorgänge in der Gesuchsverwaltung und dem Aufbau neuer Projekte und Handlungsfelder standardisiert. Es kommt zu einer Routinisierung von Handlungsweisen, welche die Stiftungen langfristig prägt. Die Erfahrungen aus der Lernphase haben einen starken Einfluss auf das langfristige Vorgehen von Stiftungen. In der GRS hat z.B. die Notwendigkeit der Fokussierung in der Osteuropaförderung maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der weiteren Handlungsfelder ausgeübt. Das am Anfang diffuse Förderverhalten wurde zu Gunsten einer fokussierten Strategie mit klaren und zusammenhängenden Schwerpunkten ersetzt. Elementar dafür war die Rückbesinnung auf die Statuten der Stiftung. In der MCH lässt sich ähnliches beobachten. Dort haben sich die Konturen der Stiftung aus der stärker experimentell ausgerichteten Gründungszeit herausgebildet. Die Festlegung der Tätigkeitsbereiche und Handlungsfelder basiert neben den Wünschen der Gründerfamilie auf der bis dahin nur grob strukturierten Förderpraxis. Die MCH hat retrospektiv ihre bisherigen Förderprojekte geordnet, um Handlungsfelder und Förderschwerpunkte für die Zukunft zu formulieren. Der Prozess war vor allem für die Mitarbeitenden der Stiftung wichtig, damit diese eine

Innovationsorientierung und Strategieentwicklung von Stiftungen

243

Orientierung haben, welche Anträge eine Wahrscheinlichkeit zur Förderung im Stiftungsrat haben. Die neue Strategie sollte auch den bisherigen Handlungen einen übergeordneten Sinn geben. In der SKBS führte u.a. die Überlastung der Geschäftsstelle auf Grund der Breite der Tätigkeiten zur Formalisierung der Strategie in Form der Vergaberichtlinien. In diesen wurden die Erfahrungen der letzten Jahre eingearbeitet, um einen Weg für die weitere Stiftungsarbeit vorzugeben. Einzig die AF verzichtet zuerst auf eine rigide Formalisierung ihrer Strategie, um sich eine gewollte Flexibilität zu bewahren. Mit der neuen Mandatierung der Geschäftsführung formuliert jedoch auch sie ein Grundmodell ihrer strategischen Ausrichtung. In dem Formalisierungsprozess der Strategie versuchen Stiftungen ihren Tätigkeiten einen plausiblen und sinnhaften Rahmen zu verleihen. Die Identität der Stiftung nimmt Gestalt an. Basierend auf Erfahrungen aus der Vergangenheit werden Ziele für die Zukunft festgelegt. Die Innovationsorientierung einer Stiftung wird dabei durch Änderungen in der Semantik gestärkt. Die GRS ersetzt den Begriff der Schwerpunkte mit Handlungsfeldern und die MCH spricht anstatt von Förderbereichen von Tätigkeitsbereichen. Beide möchten dadurch ihre aktive Rolle in der Begegnung von gesellschaftlichen Herausforderungen ausdrücken. Diese semantischen Änderungen sind in ihrer Wirkungskraft nicht zu unterschätzen. Auf Grund der hohen Dokumententreue, die sich neben den Gründungsdokumenten auch auf Vereinbarungen wie Förderrichtlinien oder Leitbilder bezieht, haben die spezifischen Formulierungen einen langfristigen Einfluss auf die Tätigkeiten einer Stiftung. Mit der Festlegung auf eine Strategie festigt sich die innere Organisationsstruktur einer Stiftung. Die Verantwortung über die Handlungsfelder wird zwischen den Mitarbeitern aufgeteilt. Die Rollenverteilung zwischen dem Stiftungsrat und den Geschäftsführenden pendelt sich zu einem stabilen Gleichgewicht ein, in dem die Aufgaben und Zuständigkeiten klar verteilt sind. Das Organisationsstruktur und die Strategie entwickeln sich parallel zueinander und stehen in gegenseitiger Wechselwirkung (vgl. Mintzberg 1990). Die Standardisierung von Prozessen erlaubt den Geschäftsführenden der Stiftung zeitlichen Spielraum für den Aufbau eigener Initiativen zu erlangen. Mit der Formalisierung der Strategie geht eine Routinisierung von Arbeitsabläufen einher. Diese steht weniger der Innovationsfähigkeit einer Stiftung entgegen, sondern schafft Effizienzen, welche die Beratung und Begleitung von Partnern erlaubt sowie Freiräume zur weiteren Vernetzung und eigenen Initiativen schafft. 7.2.4

Strukturelle Trägheit

Hat eine Stiftung einmal eine in ihren Augen sinnhafte Strategie und Organisationsstruktur entwickelt, bleibt diese weitestgehend stabil. Stiftungen sind durch eine hohe strukturelle Trägheit gekennzeichnet. Dies bezeichnet die Persistenz von

244

Vergleichende Analyse

Handlungen und Strukturen, die sich in sensitiven Periode einer Organisation ausgeprägt haben (vgl. Stinthcombe 1965; Hannan & Freeman 1989). Sie verändern ihre grundsätzlichen Handlungsweisen kaum. Die in der Formalisierung der Strategie getroffenen Entscheidungen determinieren zu großen Teilen ihr langfristiges Verhalten in der Zukunft. Der Vergleich der Fälle hat gezeigt, dass Stiftungen kaum die Pfade verlassen, die sie einmal eingeschlagen haben. In den beobachteten Stiftungen ist keines der einmal formulierten Strategiemodelle einem grundsätzlichem Wandel unterzogen wurden. Die GRS ist der Zweiteilung in passive und aktive Handlungsfelder treu geblieben. Die großen Zielbereiche haben sich nicht grundlegend verändert. Der Vorsatz, eine effektive Rolle in der Entwicklung von Feldern einzunehmen, ist auch heute noch das Ziel der Stiftung. Periodische Strategieüberprüfungen haben zu kleineren Anpassungen geführt. Das Grundmodell ist stabil geblieben. Gleiches lässt sich bei der MCH beobachten. Der letzte große Strategieprozess hatte zum Ziel, bestehende Prozesse zu optimieren. Die Befragung der Förderpartner hat dazu geführt, dass vermehrt in die Konsolidierung und Weiterentwicklung der Partner investiert wird, die grundsätzliche rational-bürokratische Ausrichtung wurde beibehalten und eine neue Stelle zur eigenen Wirkungsmessung geschaffen Das Philanthropiemodell der SKBS basiert auch 20 Jahre nach der Formulierung des Organisationsreglements und 17 Jahre nach der Einführung der Vergaberichtlinien auf diesen Grundsätzen. Die AF ist von der Idee ihres Patensystems trotz mehrerer Probleme in der Umsetzung nie abgewichen. In den Stiftungen wurden einzelne Themen aufgegeben und neue sind hinzukommen. Insgesamt hat sich eine schrittweise Fokussierung beobachten lassen Dies sind jedoch kleinere Anpassungen. Grundsätzlich lässt sich eine hohe Persistenz einmal eingeführter und als sinnvoll erachteter Handlungsstrategien feststellen. Diese strukturelle Trägheit von Stiftungen lässt sich neben der Gründerprägung und Dokumentenreue von Stiftungen auf weitere Faktoren zurückführen: Erstens waren alle beobachteten Stiftungen von einer hohen personellen Kontinuität geprägt. In der GRS und SKBS waren die Geschäftsführenden über 18 Jahre lang in dieser Position tätig. Auch in den Stiftungsräten gab es kaum Wechsel. Wenn es zu Mutationen gekommen ist, dann vor allem auf Grund einer festgelegten Altersbeschränkung für Stiftungsräte. Zwischen der Geschäftsführung und dem Stiftungsrat bildet sich dadurch eine routinierte Arbeitsteilung aus. Die Geschäftsführung lernt abzuschätzen, welche Projekte sie in den Stiftungsrat einbringen kann und welche Grundformalitäten erfüllt sein müssen. In der SKBS wurden über 95% der von dem Geschäftsführer und Projektleiter eingebrachten Förderempfehlungen bestätigt. In der GRS kam es nur in seltenen Fällen zu Rückkommensanträgen, in der eine negative Vorentscheidung zur Antragsprüfung vom Stiftungsratspräsidenten revidiert wurde. Auch in der MCH hat die Geschäftsführerin Wert darauf gelegt Projekte weiterzuentwickeln, die eine hohe Chance haben, vom

Innovationsorientierung und Strategieentwicklung von Stiftungen

245

Stiftungsrat angenommen zu werden. Innerhalb der Stiftungsräte kommt es in den seltensten Fällen zu Abstimmungen über Förderungen. Stiftungen sind von einer Konsenskultur geprägt, die zu ihrer strukturellen Trägheit beiträgt. Die Kooptation der Stiftungsräte führt zu einer Kontinuität in der ideologischen Ausrichtung einer Stiftung. Zweitens streben Stiftungen danach, als verlässliche und vertrauensvolle Partner wahrgenommen zu werden. Sie bauen sich schrittweise ein Identitätsprofil auf, welches sie pflegen und schützen. Partner können sich auf die Vorgaben der Stiftungen in der Antragsstellung einstellen. Sie wissen, was von ihnen erwartet wird. Die Verlässlichkeit in der Zusammenarbeit wurde von Stiftungsvertretern sowie auch von den Partnerorganisationen als notwendige Bedingung für gemeinsame Projekte empfunden. Ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis erleichtert die Zusammenarbeit zwischen Organisationen (vgl. Hannan & Freeman 1989). Drittens sind die einspielten Routinen eine Quelle der Kontinuität. Eingespielte Prozesse werden kaum in Frage gestellt. Das Festhalten an klar formulierten Förderkriterien erleichtert Entscheidungsprozesse in den Stiftungen. Der externe Druck auf Stiftungen ist gering. So lange in ihrem Umfeld keine größere Kritik an der Legitimität ihrer Handlungen vorgebracht wird oder keine größeren externen Umwälzungen in ihren Handlungsbereichen stattfinden, haben Stiftungen keine Notwendigkeit ihre Strategien zu verändern. Sie stehen in keiner Konkurrenzsituation wie Unternehmen. Ihre Überlebensfähigkeit hängt nicht von strukturellen oder strategischen Änderungen ab. Dadurch entsteht das Risiko, dass Stiftungen in sich selbst verharren und ihr Potenzial nicht ausschöpfen(vgl. Stinthcombe 1965; von Schnurbein & Timmer 2105, S. 17). In den Fällen hat sich gezeigt, dass die Revisionen der Strategie jeweils nur zu geringen Veränderungen geführt haben. Bestehende Prozesse sind weitestgehend konstant geblieben. Viertens führen die erreichten Erfolge einer Stiftung zu positiven Rückkopplungsprozessen. Auf Grund der Stabilität der Handlungsfelder bauen sie Kompetenzen und Netzwerke in ihren Felder auf, die ihnen erlauben effektiver tätig zu werden. Der Wandel der Strategie oder die Einarbeitung in neue Themen wäre hingegen mit hohen Transaktionskosten verbunden (vgl. Beyer 2005). Die GRS haben die Erfolge in den Rare Disease Programm, NETS oder im Zielbereich Stiftungswesen dazu geführt die Strategie der aktiven Förderung weiterzuführen. Die MCH hat ihre Netzwerkanlässe auf Grund ihrer positiven Rückmeldungen beständig ausgebaut und auch die AF und SKBS haben die Begleitung weniger ausgewählter Projekte sukzessive gestärkt. Interessanterweise hat sich in den Fällen jedoch auch gezeigt, dass die strukturelle Trägheit von Stiftungen keine negative Auswirkung auf ihr Innovationsvermögen haben muss. Stiftungen tendieren zwar dazu, einmal formalisierten Handlungsmodellen dauerhaft zu folgen. Je deutlicher jedoch der Innovationswille in sensitiven Perioden einer Stiftung formuliert wird, desto stärker ist ihre langfristige

246

Vergleichende Analyse

Ausrichtung auf die Veränderung sozialer Praktiken ausgeprägt. Im Umkehrschluss hat sich insbesondere in der SKB gezeigt, dass eine Stiftung, die in einer sensitiven Periode durch eine bewahrende Grundhaltung geprägt worden ist, diesem im Kern treu bleibt. Die hohe strukturelle Trägheit von Stiftungen führt zu ihrer grundsätzlichen Berechenbarkeit. Von Stiftungen sind kaum überraschende Änderungen in ihren Strukturen und Handlungsweisen zu erwarten. Die GRS wird auch in Zukunft versuchen, Nischen zu besetzen, um dort Entwicklungsimpulse zu setzen. Die MCH wird weiterhin in die langfristige Veränderung sozialer Praktiken investieren, um ihrer Vision einer weltoffenen und ökologisch nachhaltigen Gesellschaft näherzukommen. Die SKBS wird ihre Teilung in eine dynamische und eine bewahrende Seite beibehalten, der konservative Kern wird sich jedoch kaum verändern. In der AF wird der Fokus auf unternehmerische Projekte und das Engagement im Stiftungssektor auch weiterhin die Basis der Tätigkeiten darstellen. Größere Änderungen in den Strukturen und Strategien sind nicht zu erwarten. 7.3

Fazit

Stiftungen bauen auf ihrer eigenen Geschichte auf. Ihre Vergangenheit prägt ihre Zukunft. Wenn in einer sensitiven Periode kein starker Impuls für die Innovationsorientierung einer Stiftung gesetzt wird, dann ist von ihr auch in der Zukunft trotz eines theoretisch hohem Innovationsvermögens kein Drang zur Förderung neuartiger Lösungsansätze zu erwarten. Die Freiheit der Stiftungen wird vor allem durch die Beschränkungen limitiert, die sich eine Stiftung eigens auferlegt. Auch wenn eine Stiftung Kraft ihres Vermögens über ein hohes Innovationspotenzial verfügt, bedeutet dies nicht automatisch, dass sie dazu fähig ist dieses Potenzial auch umzusetzen. Die Innovationsfähigkeit einer Stiftung wird durch die eigens geschaffenen Strukturen und Routinen bestimmt. Mit der steigenden Fokussierung und dem Aufbau von Förderprogrammen baut eine Stiftung schrittweise weitere Kompetenzen auf, gleichzeitig schränkt sie ihre eigene Flexibilität ein. Stiftungen bestimmen selbst, welchem Philanthropiemodell sie folgen wollen. Es obliegt vor allem der Geschäftsführung, kreative Wege in der Umsetzung des Stiftungszwecks und der Nutzung der eigenen Ressourcen zu finden. Die Innovationsfähigkeit einer Stiftung erklärt sich aus den Weichen, die früh in der Entstehung einer Stiftung gestellt werden, ihrem Vermögen sowie dem Engagement und der Kreativität der Stiftungsmitglieder. Dass kulturelle Kapital der Geschäftsführenden sowie ihrer Interessen und Betroffenheitsideen haben einen hohen Einfluss darauf, wo Stiftungen in die Änderung sozialer Praktiken investieren. Die stärksten Indikatoren für die Vorhersage, wie eine Stiftung in der Zukunft handelt, sind der Blick in ihre Vergangenheit sowie auf das kulturelle Kapital und die Interessen der Geschäfts-

Fazit

247

führung. Solange der Gründer noch in der Stiftung aktiv ist, gibt dieser die Leitlinien der Stiftungsarbeit vor. Obwohl Stiftungen eigentlich sich selbst gehören bleiben sie das psychologische Eigentum des Gründers.

8

Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen

Das Ziel des letzten Kapitels war es, aus dem empirischen Vergleich der Fälle Faktoren und theoretische Bausteine herauszuarbeiten, welche die Innovationsfähigkeit einer Stiftung bestimmen. Im folgenden Kapitel werden die gefundenen Zusammenhänge verdichtet und auf ihren Grundgehalt reduziert, bevor die Ergebnisse in Bezug zu bestehenden Organisationstheorien gesetzt werden und dadurch Vorschläge zum weiteren Ausbau der Theoriebausteine vorgenommen werden. Die Kernergebnisse der Studie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: Obwohl Stiftungen eine lange Geschichte haben, sind Förderstiftungen erst durch den Überflussbetrag unternehmerischer Tätigkeiten Anfang des 19. Jahrhunderts in den USA entstanden. Auf Grund ihrer Prädominanz im Stiftungswesen werden sie heute auch als klassische Stiftungen bezeichnet. Sie erfüllen ihren Zweck vor allem durch die Vergabe von finanziellen Mitteln an gemeinnützige und öffentliche Organisationen. In der Schweiz haben Stiftungen keine maßgebliche Rolle in der Entwicklung sozialer Errungenschaft eingenommen. Im Gegensatz zur USA und Deutschlands, existiert erst seit wenigen Jahren ein Branchenbewusstsein und ein steigender Anspruch, gestaltend tätig zu sein. Das regulatorische Umfeld ist liberal und schränkt Stiftungen kaum ein. Das Innovationsvermögen bezeichnet das Potenzial einer Stiftung, einen effektiven Beitrag zur Begegnung gesellschaftlicher Herausforderungen leisten zu können. Es setzt sich aus dem ökonomischen, kulturellen, sozialen und symbolischen Kapital einer Stiftung zusammen. Je stärker das Vermögen mit den Ressourcen konvergiert, die zur Weiterentwicklung eines Lösungsansatzes notwendig sind, desto höher ist die Innovationsfähigkeit einer Stiftung. Als unvollständige Organisationen sind Stiftungen immer auf Partner angewiesen. Ihr spezifischer Beitrag in der Förderung sozialer Innovationen liegt neben der Finanzierung vor allem in der Beratung und Befähigung von Menschen mit Ideen sowie der Weiterentwicklung von Organisationen als Träger sozialer Innovationen. Stiftungen treten vor allem dann selbst als soziale Innovatoren auf, wenn sie neue Organisationen gründen oder eine initiierende und impulsgebende Rolle in der Entwicklung von Handlungsfeldern einnehmen. Insgesamt tragen Stiftungen durch die Heterogenität ihrer Förderthemen zu einer pluralistischen Gesellschaft bei.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_8

250

Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen

Die Gründung einer Stiftung beruht auf einem Bündel von Motiven. Auch wenn eigennützige Motive eine Rolle spielen, sind Stiftungen vor allem wertgetrieben Organisationen, die sich spezifischen gesellschaftlichen Problemfeldern annehmen. Sie investieren ihr Vermögen zur Förderung eines idealen Gesellschaftsbildes, das in den Augen der Stiftungsvertreter (Gründer, Stiftungsrat, Geschäftsführenden und den Mitarbeitenden) erstrebenswert ist. Ihr Ziel ist die Steigerung des Gemeinwohls. Sie sind somit soziale Investoren par excellence. Die grundsätzliche Ausrichtung einer Stiftung wird von dem Gründer festgelegt und in dem Stiftungszweck sowie den Statuten verankert. Der Zweck und die Statuten sind die Kristallisationspunkte des Stifterwillens. Je deutlicher in den Gründungsdokumenten ein instrumenteller Wille und die Absicht zur Förderung neuartiger Vorhaben formuliert werden, umso höher ist die Innovationsorientierung einer Stiftung. Die semantischen Formulierungen in den Stiftungsdokumenten haben einen hohen Einfluss auf die Ausgestaltung der Stiftungsarbeit. Stiftungen sind von einer hohen Dokumententreue geprägt. Einmal formulierte Handlungsrichtlinien haben eine hohe Persistenz und werden wie Erinnerungen an den Gründer periodisch zur Rückbesinnung auf die Kernwerte der Stiftung herangezogen. Die ersten groben Handlungsfelder werden vom Stifter vorgegeben. So lange dieser in der Stiftung tätig ist, bleibt die Stiftung sein psychologisches Eigentum. Gegen den Willen des Gründers werden keine Entscheidungen getroffen. Nach einer experimentellen Anfangsphase kommt es in Stiftungen zu einer schrittweisen Fokussierung auf eine begrenzte Anzahl von spezifischen Problemstellungen. Durch die sachliche Teilung übergreifender Probleme verlieren diese ihr überwältigendes Ausmaß. Auch wenn Stiftungen Probleme wie z.B. dem Klimawandel oder die Bildungsmisere als übergeordneten Handlungsrahmen definieren, so konzentrieren sie ihre Tätigkeiten auf kleine Ausschnitte, in denen sie ein Unterschied bewirken können. Dabei investieren sie in verschiedene Entwicklungsphasen sozialer Innovationen. Es besteht eine leichte Tendenz, dass Stiftungen vor allem in die Erprobung und Verbreitung von neuen Lösungsansätzen investieren. Die Bereitschaft laufende Kosten zu übernehmen nimmt langsam zu. Das eigentliche Problemlösen ist die Aufgabe der Partner. Stiftungen sind unvollständige Organisationen, die auf ihrer Partner in der Problemlösung angewiesen sind. Die Wahl der Probleme, denen sich eine Stiftung widmet, hängt neben Gründerprägung und öffentlichen Diskussionen vor allem von den Fähigkeiten, Interessen und sozialen Netzwerken der Geschäftsführenden ab. Der Wille, bestehende Routinen aufzubrechen und durch neue Handlungsweisen zu ersetzen ist umso höher, desto stärker eine emotionale Bindung zu einem Problem besteht. Je höher das Fach- und Erfahrungswissen einer Stiftung in einem Handlungsfeld ist, desto höher ist ihr Innovationsvermögen in diesem Bereich. Über die Analyse des kulturellen

Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen

251

Kapitals sowie der emotionalen Bindung der Stiftungsvertreter an bestimmte Themen lässt sich vorhersagen, in welchen Bereichen eine Stiftung eine instrumentelle Rolle anstrebt. Stiftungen agieren vor allem kompetenz- und betroffenheitsbezogen. Die Gründungs- und Experimentierphase einer Stiftung ist die prägendste Periode einer Stiftung. In dieser Zeit werden neben den Handlungsfeldern die Grundlagen der Stiftungsstrategie gelegt. Über retrospektive Analysen bauen Stiftungen einen sinnvollen Rahmen für zukünftige Handlungs- und Entscheidungsprozesse auf. In der Formalisierung der Strategie, den Förderkriterien und dem Leitbild manifestiert sich der Anspruch einer Stiftung an ihre eigene Arbeit. In dieser Zeit wird die Innovationsorientierung einer Stiftung über Jahre festgelegt. Das einmal entwickelte Philanthropiemodell ändert sich kaum. Stiftungen verlassen selten einmal eingeschlagene Wege. Die hohe strukturelle Trägheit von Stiftungen lässt sich neben der Gründerprägung und Dokumententreue durch die hohe Verweildauer der Stiftungsvertreter auf ihren Positionen, dem Bedürfnis nach Verlässlichkeit, eingespielten Routinen, mangelndem Änderungsdruck sowie durch positive Rückkopplungsprozessen erklären. Die Geschichte einer Stiftung bestimmt zu großen Teilen ihre Zukunft. Die langfristige Ausrichtung einer Stiftung hängt von den Weichen ab, die während der ersten Formalisierung der Stiftungsstrategie gestellt werden. Abbildung 17 fasst diese Erkenntnisse schematisch zusammen. Innerhalb ihres eigens festgelegten Handlungskorridors investieren Stiftungen in die Verwirklichung ihres idealen Gesellschaftsbildes. Ein hohes ökonomisches Kapital ist kein zwingender Faktor für die Innovationsfähigkeit einer Stiftung. Mit der Höhe des ökonomischen Kapitals wächst jedoch ihr Handlungsspielraum. Je höher das kulturelle Kapital, bzw. das Fach- und Erfahrungswissen in einem Feld ausgeprägt ist, desto höher ist das Innovationsvermögen der Stiftung in diesem Feld. Das Fachwissen kann z.T. über soziales Kapital einer Stiftung kompensiert werden, in dem Experten aus ihrem Netzwerk in die Programmentwicklung und Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Investitionen in die sozialen Netzwerke und die Stärkung des Sozialkapitals der Partner sind wichtige Bausteine der Innovationsförderung. Das kulturelle Kapital einer Stiftung wirkt selbstverstärkend. Die Geschäftsführenden suchen sich Herausforderungen, bei denen sie bereits über Handlungskompetenz verfügen. Durch die weiteren Erfahrungen und Vernetzung wird wiederum ihre Fähigkeit gestärkt, Innovationen zu erkennen und anzustoßen. Wenn eine Stiftung über ein hohes symbolisches Kapital verfügt, dann fällt es ihr leichter eine initiierende Rolle in Netzwerken einzunehmen. Ihre Förderungen haben zudem Signalwirkung. Je höher die Reputation einer Stiftung ist, desto stärker tragen ihre Förderentscheidungen zur Steigerung der Legitimität eines Lösungsanasatzes bei.

• Retrospektive Analyse zur kunftsausrichtung • Festigung Handlungsfelder • Prägung durch Kompetenz und Betroffenheit

Probleme Strategie

Festlegung der Innovationsorientierung

• Gründerprägung • Lernerfahrungen

Formalisierung

• Festigung und leichte Anpassungen • Positive Rückkopplung, Dokumententreue • Fehlender Druck, wenig Personalwechsel führen zu struktureller Trägheit des entwickelten Philanthropiemodells

Persistenz

Abb. 17: Strategieentwicklung und strukturelle Trägheit in Stiftungen (Quelle: Eigene Darstellung, in Anlehnung an Schreyögg et al. 2003, S. 264)

Handlungsfelder

Institutionelle Rahmenbedingungen

Vorgaben des Gründers

Sensitive Periode Gründungs- und Experimentierphase

252 Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen

Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen

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Die Geschäftsführer und Mitarbeitenden haben einen hohen Einfluss darauf, welche Projekte dem Stiftungsrat zur Entscheidung vorgelegt werden. Wenn Stiftungen einen hohen Aufwand betreiben, ihr Programme bei den entsprechenden Zielgruppen bekannt zu machen, dann ermutigen sie Menschen dazu, ihre Ideen in die Praxis umzusetzen. Die Risikobereitschaft der Geschäftsführenden ist höher als die der Stiftungsräte. Sie investieren fast ausschließlich in Projekte, deren Durchführung abgesichert ist. Das Risiko bezieht sich darauf, ob ein Lösungsansatz die erhoffte Wirkung erzielt oder die Impulse der Stiftung Resonanz auslösen. Die Innovationsleistung von Stiftungen besteht in vielen Fällen darin, Risiken zu minimieren. Sie befähigen ihre Partner ihre Ideen umzusetzen und beraten sie fallweise in strategischen Aspekten. Die thematische Kompetenz liegt in den meisten Fällen bei den Partnern. Die Informationstiefe, die Stiftungsräte zur Entscheidungsfindung verlangen, differiert mit den Förderbeträgen und dem instrumentellen Anspruch einer Stiftung. Je geringer der Förderbetrag und je geringer der instrumentelle Anspruch einer Stiftung ist, desto weniger beruhen die Entscheidungen auf streng rationalen Überlegungen. Wenn der Investitionsbetrag für die Verhältnisse der Stiftung hoch ist, dann werden die Förderanträge intensiver geprüft. Neben der Passung mit den Werten im Stiftungsrat ist eine logische Verbindung zwischen einem Problem und dem vorgeschlagenen Lösungsvorschlag das wichtigste Förderkriterium. Stiftungen haben vor allem in der Antragsphase Einfluss auf die Ausgestaltung eines Lösungsansatzes. Anschließend haben sie weniger Möglichkeiten die Projekte zu beeinflussen. Über Lenkungsausschüsse oder ähnlichen Gremien stehen sie ihren wichtigsten Partnern weiterhin beratend und unterstützend zur Verfügung. Je offener der Austausch mit dem Träger einer sozialen Innovation ist, desto zielgenauer kann eine Stiftung diejenigen Ressourcen mobilisieren, welche für die Weiterentwicklung eines Lösungsansatzes oder einer Partnerorganisation am effektivsten sind. Wenn sich nach der Implementierung eines neuen Lösungsansatzes positive Effekte beobachten lassen, dann ist die Bereitschaft hoch, in die weitere Entwicklung des Lösungsansatzes zu investieren. Je stärker Stiftungen in den Wissenstransfer über die Publikation von Evaluationen, Lernerfahrungen und Handlungsempfehlungen investieren, desto höher ist ihre Innovationsleitung einzuschätzen. Inwiefern das Wissen als Nährboden weiterer sozialer Innovationen verwendet wird, lässt sich dabei schwer nachprüfen. Wenn die Lernerfahrungen aus den Projekten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dann wird dadurch neuen Akteuren die Möglichkeit eröffnet, auf den Erfahrungen aufzubauen und die Innovation auf den eigenen Kontext anzupassen. Stiftungen treten vor allem dann selbst als soziale Innovatoren auf, wenn sie neue Organisationen gründen, die sich dauerhaft für Lösung eines Problems einsetzen und wenn sie in die Entwicklung von Problemfeldern investieren. Sie verfolgen diese Strategien, wenn ein Problem von den Stiftungsvertretern als dringlich

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Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen

empfunden wird, genügend Ressourcen zur Verfügung stehen und die nötigen Kompetenzen zur Planung und Implementierung komplexer Vorhaben vorhanden sind. Bei Investitionen in Felder kombinieren Stiftungen die Fördertätigkeit mit eigenen Projekten und investieren Zeit in die Vernetzung der wichtigsten Akteure. Neben einer hohen Vermögensausstattung liegt ein bedeutender Erklärungsfaktor in der Innovationsfähigkeit einer Stiftung, in dem Engagement und den Qualitäten der Geschäftsführenden. Wenn sie die Initiative ergreifen, das vorhandene soziale und kulturelle Kapital der Stiftung effektiv nutzen, problemadäquate Strategien aufbauen und eine initiative Rolle in der Bildung von Netzwerken einnehmen, dann ist das Innovationspotenzial einer Stiftung hoch. Voraussetzungen dafür sind der Rückhalt des Stiftungsrats sowie die Standardisierung von Grundprozessen, um Zeit für den Austausch und den Aufbau von Programmen, Institutionen und Netzwerken aufbringen zu können. Der Routinisierung von Prozessen kommt somit eine doppelte Funktion zu. Zum einen fördert sie die strukturelle Trägheit einer Stiftung, zum anderen schafft sie jedoch zeitliche Freiräume. Routinen sind gleichzeitig einschränkend und ermöglichend. Als soziale Innovatoren investieren Stiftungen vor allem in inkrementelle Wandlungsprozesse, zur Förderung eines idealen Gesellschaftsbildes. Ihre Innovationsfähigkeit hängt von ihrem Vermögen, ihrer Geschichte und dem Engagement der Stiftungsräte, des Geschäftsführenden und den Mitarbeitern ab. Sie greifen Problemstellungen aus der Umwelt auf. Die Betroffenheit und Kompetenz der Stiftungsvertreter sind jedoch stärkere Erklärungsfaktoren, welchen Herausforderungen sich Stiftungen widmen. Stiftungen bauen sich ihren eigenen Handlungskorridor auf, aus dem sie kaum ausbrechen. Auf Grund ihrer hohen strukturellen Trägheit sind Stiftungen berechenbare und verlässliche Partner in der Begegnung gesellschaftlicher Herausforderungen. In wenigen Fällen agieren sie selbst als Impulsgeber gesellschaftlicher Veränderungsprozesse. Ihr größter Beitrag liegt darin, Menschen in der Umsetzung ihrer Ideen zu befähigen. Sie sind nicht die Motoren, sondern der Treibstoff sozialer Innovationen. Stiftungen sind nicht entscheidend für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen, sie können aber einen wichtigen Unterschied machen. Die folgende Tabelle fasst vier entscheidene Theoreme aus den hier formulierten Zusammenhängen zusammen.

Die Innovationsfähigkeit von Stiftungen

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Kerntheoreme Annahme 1a Die grundsätzliche Ausrichtung einer Stiftung wird in den ersten Jahren ihres Bestehens festgelegt. Annahme 1b Eine ausgeprägte Dokumententreue, die hohe Verweildauer der Stiftungsvertreter auf ihren Positionen, das Bedürfnis nach Verlässlichkeit, eingespielten Routinen, mangelnder Änderungsdruck sowie positive Rückkopplungsprozesse stärken die strukturelle Trägheit von Stiftungen. Theorem 1 Stiftungen gehören zu den trägsten Institutionen in demokratischen Gesellschaften. Ihre Innovationsorientierung entscheidet sich bei der Gründung und der ersten Strategieevaluierung. Stiftungen bleiben ihren einmal festgelegten Handlungsweisen und Strategien weitestgehend treu. Annahme 2a Innerhalb des festgelegten Handlungsrahmens haben Stiftungen die Möglichkeit Schwerpunkte zu setzen. Annahme 2b Menschen suchen Herausforderungen, bei denen sie auf Grund ihrer Vorbildung einen erhöhten Beitrag leisten können. Gleichzeitig folgen sie ihren eigenen, persönlichen Interessen. Annahme 2c Die größte Gestaltungsmacht innerhalb einer Stiftung haben der Stiftungsratspräsident (Gründer) und der Geschäftsführer Theorem 2 Die Wahl von Schwerpunktfeldern wird maßgeblich durch das kulturelle Kapital und den Interessen des Stiftungsratspräsidenten und des Geschäftsführers bestimmt. Annahme 3a Das Innovationsvermögen von Stiftungen variiert. Es setzt sich aus dem sozialen, kulturellen, ökonomischen und symbolischen Kapital zusammen. Annahme 3b Nicht jedes Problem lässt sich mit den gleichen Ressourcen lösen. Je nach der Beschaffung eine Problemfelds sind unterschiedliche Ressourcen zur Lösung notwendig. Theorem 3 Je stärker das Vermögen mit den Ressourcen konvergiert, die zur Weiterentwicklung eines Lösungsansatzes notwendig sind, desto höher ist die Innovationsfähigkeit einer Stiftung. Annahme 4a Stiftungen sind unvollständige Institutionen. Sie sind bei der Erreichung ihrer Ziele auf ihre Förderpartner angewiesen. Annahme 4b Die Innovationsleistung einer Stiftung hängt von ihrer Fähigkeit ab, die richtigen Partner zu identifizieren und anschließend effektiv zu unterstützen. Theorem 4 Der spezifische Beitrag in der Förderung sozialer Innovationen liegt neben der Finanzierung vor allem in der Beratung und Befähigung von Menschen, der Gründung und Weiterentwicklung von Organisationen und der impulsgebenden Funktion in Problemfeldern. Wenn Stiftungen selber als soziale Innovatoren auftreten wollen, dann müssen sie verstärkt operativ tätig werden.

Abb. 18: Kerntheoreme

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Implikationen für Theorie und Praxis

Das eben vorgelegte zusammenhängende Hypothesengerüst legt die Grundbausteine einer Organisationtheorie nieder, mit der sich die Innovationsfähigkeit von Stiftungen erklären und vorhersagen lässt. Die Ergebnisse antworten auf die in der Einleitung formulierten Fragestellungen, welche Faktoren zur Ausprägung einer Stiftungsstrategie führen, warum sich Stiftungen bestimmten Problemen widmen und wann sie eine instrumentelle Rolle in der Begegnung von gesellschaftlichen Herausforderungen einnehmen. Die Basis der Analyse besteht aus der intensiven Betrachtung von vier Fallstudien. Anstatt sich auf einzelne Projekte zu konzentrieren, wurden die Strategie- und Förderprozesse der Stiftungen gesamtheitlich betrachtet, um so ein vollständiges Bild über ihre Handlungsweisen zu erlangen. Über die vergleichende Analyse der Fälle konnten analytische Zusammenhänge identifiziert werden, die aufzeigen, wie Stiftungen tatsächlich handeln. Die systematische Untersuchung hat zu einem aufgeklärten Verständnis darüber beigetragen, welchen Beitrag die Gesellschaft in der Begegnung von gesellschaftlichen Herausforderungen erwarten kann. Im Folgenden werden die Erkenntnisse in Bezug zu bestehenden Organisationstheorien diskutiert und mögliche Anschlussmöglichkeiten aufgezeigt. Abschließend werden Implikationen für die Organisationspraxis gezogen und Wege vorgeschlagen, wie Stiftungen ihre Innovationsfähigkeit steigern können. 9.1

Theoretische Implikationen

In der Einleitung wurde aufgezeigt, dass grundsätzliche Überlegungen, wie Stiftungen tatsächlich arbeiten in der sozialwissenschaftlichen Analyse bisher Mangelware sind. Das in den letzten Kapiteln entwickelte theoretische Grundgerürst legt ein Fundament, welches es gilt, in zukünftigen Studien zu überprüfen und auszubauen. Besonderes Potenzial bieten dabei Theorien, die sich auf die Investitionstätigkeit und die Ressourcenausstattung einer Organisation beziehen, die Gründe organisationaler Trägheit aufzeigen sowie den Einfluss von Organisationen auf institutionellen Wandel erklären. Die Spiegelung der Ergebnisse mit etablierten Theorien, die diese Perspektiven einnehmen, erlaubt weitere Fragestellungen zu eröffnen und die Ergebnisse stärker zu kontextualisieren.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_9

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9.1.1

Implikationen für Theorie und Praxis

Soziale Investoren

Ein erster Anknüpfungspunkt der Ergebnisse ergibt sich zu der Diskussion, ob Stiftungen als soziale Investoren bezeichnet werden können. In den vorherigen Ausführungen wird dies klar bejaht und Stiftungen sogar als soziale Investoren par excellence bezeichnet. In der Literatur lassen sich neben Befürwortern dieser Sichtweise (z.B. Fleishmann 2007; Grant 2012) auch kritische Stimmen finden (z.B. Thümler & Bögelein 2012). Die hier angenommene Perspektive korreliert mit einer offenen und weiten Interpretation sozialer Investitionen, wie sie z.B. Then & Kehl (2012) vertreten. Sie setzt sich gegenüber einer betriebswirtschaftlich inspirierten Interpretation sozialer Investition ab, die ihren Fokus auf die Generierung von Renditen legt und das Soziale nur als Nebenbedingung einschließt. Stiftungen investieren ihre materiellen und nicht-materiellen Ressourcen in die Verwirklichung eines idealen Gesellschaftsbilds, ohne dass sie dafür materielle Rückflüsse erwarten. Die Investitionstätigkeit bezieht sich auf die Linderung von Not, der Lösung von Problemen oder sogar auf die Bewahrung von Bestehendem (vgl. Nicholls 2010, S. 70). Sie ist nach außen gerichtet und primär wertgetrieben, ohne zweckrationale Mittel in der Erreichung der Ziele auszuschließen. Das Soziale an den Investitionen ist gerade, dass sie sich primär am Gemeinwohl orientieren. Selbst ein solches Verständnis läuft jedoch die Gefahr, missinterpretiert zu werden. Ein Risiko sehen Schröer & Sigmund (2012, S. 87) z.B. in der Gefahr der schleichenden Ökonomisierung wertorientierter Handlungen. Je stärker Begriffe aus der Wirtschaft ihren Eingang in den Dritten Sektor finden, desto höher ist das Risiko, dass rein effizienzbezogenes Denken das Wertfundament gemeinnütziger Organisationen in Frage stellt. Auch Thümler & Bögelein (2012, S. 272 – 273) warnen vor den Konsequenzen einer solchen Entwicklung und weisen weiterhin darauf hin, dass mit der Fokussierung auf einen rein zweckrational ausgelegten Investitionsbegriff, bedeutsame Aspekte in der Analyse von Stiftungen in den Hintergrund gedrängt werden. Dies sind z.B. ethische und moralische Aspekte in der Vergabe von Fördermitteln, altruistische und expressive Motive sowie der Einfluss von externen Erwartungshaltungen auf Förderentscheidungen. Ein enger, an den Prinzipen der Betriebswirtschaft angelegter Investitionsbegriff, würde zu einer analytischen Verengung führen, ohne das Verhalten von Stiftungen ganzheitlich erklären zu können. Anstatt die reichen Facetten stifterischen Handelns zu betrachten, würden vor allem technische und zählbare Aspekte in den Vordergrund rücken77. Das hier verwendete Investitionsverständnis hat versucht, diese Gefahr zu vermeiden, indem insbesondere die Wertorientierung der Stiftungen und ihre Fo-

77 Ein Beispiel einer stark betriebswirtschaftlichen Sicht auf Stiftungen als Sozialinvestoren ist die Anleitung zum Stiftungsmanagement „The Business of Giving“ von Peter Grant (2012).

Theoretische Implikationen

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kussierung auf die Stärkung der Gesellschaft betont wurden. Eine solche Denkweise stellt das Soziale in den Vordergrund und trennt sich von dem ökonomischen Ballast einer traditionellen Betrachtung auf Investitionen. Begriffe wie Wirkungsmaximierung oder soziale Rendite spielen, wenn überhaupt, dann nur eine untergeordnete Rolle. Vielmehr akzeptiert eine solche Betrachtungsweise verschiedene Investitionslogiken und Motive. Unternehmerische Ansätze wie die Venture Philanthropie sind Teil eines solchen Verständnisses ohne jedoch in deren Zentrum zu stehen. Stiftungen werden primär als wertbezogene Investoren verstanden, die zwar in der Ausführung ihrer Aktivitäten zweckrational vorgehen können, die gesellschaftliche Zielsetzung und die Motivation der handelnden Personen jedoch im Vordergrund stehen. Ein weiteres Theorisieren von Stiftungen als soziale Investoren sollte sich insbesondere auf diese Aspekte beziehen und z.B. fragen, welchen ethischen Standpunkt gegenüber der Gesellschaft eine Stiftung einnimmt und welche Absichten hinter den jeweiligen Investitionen stehen. Weitere Ausbaumöglichkeiten bestehen darin, Differenzierungen zwischen verschiedenen Typen von Stiftungsinvestitionen vorzunehmen. Dabei ließe sich klären, wann bei einfachen Spenden an karitative Einrichtungen gesprochen von Investitionen werden kann. Anschlussmöglichkeiten bestehen in dieser Diskussion in der Differenzierung zwischen expressiven und instrumentellen Formen der Wertgenerierung (Frumkin 2006, S. 158) oder einer Unterteilung verschiedener Investitionsformen in Bezug zur Investitionslogik und der Rationalität des Investors (Nicholls 2010, S. 89). Ein weiter, soziologisch inspirierter, sozialer Investitionsbegriff ist in der Lage, viele Facetten des stifterischen Handelns abzudecken. Insbesondere in Bezug zu sozialen Innnovationen besteht eine hohe Überschneidung, wenn die Zukunftsorientierung der Investition in den Vordergrund gestellt wird. 9.1.2

Ressourcen als Handlungsgrundlage

Das Bild des Investors lenkt zugleich die Aufmerksamkeit auf die Ressourcen einer Stiftung. Über die Analyse des Vermögens lässt sich das Innovationspotenzial einer Stiftung in einem Handlungsbereich vorhersagen. Die Ergebnisse der Studie haben gezeigt, dass Stiftungen dann über ein hohes Innovationspotenzial verfügen, wenn ihr Vermögen mit den Ressourcen konvergiert, die nötig sind, um einem Lösungsansatz zu seiner Weiterentwicklung zu verhelfen. Neben der Höhe, sind die Zusammensetzung und der Einsatz der Ressourcen darüber entscheidend, inwiefern Stiftungen eine entscheidende Rolle in der Initiierung und Förderung sozialer Innovationen einnehmen können. Als Grundlage der Vermögensbeschreibung wurde auf die Ausführungen von Pierre Bourdieu (1983) zurückgegriffen, der zwischen dem ökonomischen, sozialen, kulturellen und symbolischen Kapital unterschieden hat. Der französische Soziologe hat mit der differenzierten Betrachtung der verschiedenen Kapitalsorten

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Implikationen für Theorie und Praxis

jedoch keine Organisationen im Sinn gehabt. Vielmehr war sein Ziel, soziale Ungleichheiten zu erklären. Er konnte zeigen, dass sich die soziale Position von Menschen in der Gesellschaft anhand der Analyse ihrer Kapitalausstattung beschreiben lässt. Ursprünglich ist die Kapitaldifferenzierung die Grundlage einer Gesellschaftskritik. Bourdieu hat sich kaum mit Organisationen auseinandergesetzt (Dederichs & Florian 2002). Die Ergebnisse der Studie bestätigen ein hohes Erklärungspotenzial in der Differenzierung der verschiedenen Kapitalformen für die Analyse von Stiftungen. Insbesondere hat sich gezeigt, dass dem kulturellen Kapital ein hoher Erklärungswert in der Vorhersage zukommt, welchen Problemfeldern sich eine Stiftung widmet und wo sie eine Änderung von sozialen Praktiken anstrebt. Begründet wurde dies, durch die von Bourdieu (1987, S. 114) gewonnene Einsicht, dass Individuen sich vor allem solchen Herausforderungen stellen, die im Einklang mit ihren bereits erworbenen Handlungskompetenzen stehen. Stiftungen agieren sozusagen „kulturkapitalgetrieben“. Diesen Zusammenhang in weiteren Studien zu überprüfen und auszubauen, erscheint besonders lohnenswert. Weiterhin könnte die Bedeutung des Erfahrungswissens als „tacit ressource“ (Polanyi 1958), für den Aufbau komplexer Förder- bzw. Investitionsstrategien stärker ausgeleuchtet werden78. Die Herausforderung würde darin bestehen, die spezifischen Qualitäten von Führungskräften zu beschreiben, ohne in eine einfache Ansammlung von Adjektiven zu verfallen, wie es in der Beschreibung von (sozialen) Unternehmern oftmals der Fall ist. Zum Teil besteht in diesen Fragen Anschlussmöglichkeit zum ressourcenbasierten Ansatz (Penrose 1959; Wernerfelt 1984; Barney 2001). In Bezug auf Managerkompetenzen greift der Ansatz auf psychologische Theorien zurück. Sanchez (2004) spricht z.B. von dynamischen, systemischen, kognitiven und holistischen Kompetenzen, die eine Führungskraft besitzen sollte, um eine Strategie erfolgreich planen und umsetzen zu können. Ähnlich wie in den Ergebnissen, wird in dem Ansatz die besondere Stellung von Organisationsressourcen anerkannt und geht von einer individualistischen Form der Organisationsführung aus. Er lenkt den Fokus auf das innere einer Organisation und der vorhandenen Kompetenzen. Entgegen der Ressourcenabhängigkeitstheorie (Pfeffer & Salancik 1978), die postuliert, dass Organisationen vor allem Kontrolle über externe Ressourcen anstreben, ist die Sichtweise stärker auf die Fähigkeiten einer Organisation und die handelnden Personen ausgerichtet.

78 Mintzberg (1987) vergleicht dieses Wissen mit dem einer Töpferin. Einer Töpferin würde es schwer fallen, alle verschiedenen Schritte und Handbewegungen sowie die richtige Konsistenz des Tons zu beschreiben, die zu einer schönen Keramik führen. Die Töpferin hat ein Gefühl dafür aufgebaut. Genauso verhält es sich mit strategischen Fähigkeiten. Mintzberg beschreibt sie als eine Mischung aus Erfahrungswissen und Intuition.

Theoretische Implikationen

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Einzelne Aspekte des Ansatzes können in der theoretischen Weiterentwicklung nützlich sein. Ein spannendes Konzept ist z.B. die Idiosynkrasie von Ressourcen. Damit wird beschrieben, dass eine Ressource oftmals nur im Verbund mit anderen Ressourcen wertvoll ist79. Das Zusammenspiel der Ressourcen wird als wichtiger angesehen, als die jeweilige individuelle Ausprägung. Auf Stiftungen bezogen ließe sich die Frage stellen, inwiefern z.B. die Innovationsleistung einer Stiftung von den Fähigkeiten einer Person oder der spezifischen Zusammensetzung der Stiftungsvertreter abhängt. Es wäre zu überprüfen, inwieweit sich der Erfolg einer Stiftung auf eine Person oder auf das besondere Zusammenspiel der Führungskräfte untereinander zurückführen lässt. Zu vermuten wäre, dass gerade die Mischung aus fachkundigen und sehr engagierten und kommunikativen Personen die Innovationsleistung einer Stiftung fördert. Ein weiteres nützliches Konzept aus dem ressourcenbasierten Ansatz ist der Begriff der Kernkompetenz (Prahalad & Hamel 1990). In der ursprünglichen Konzeptualisierung sind Kernkompetenzen Distinktionsmerkmale von Unternehmen, die ihnen gegenüber Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil einräumen. Beispiele wären ein besseres Kundenverständnis oder ein effizientes Logistiksystem. Kernkompetenzen bilden sich über die Zeit heraus und bestimmen, was eine Organisation besonders gut kann. Auf Stiftungen ließe sich das Konzept so anpassen, dass nach den spezifischen Stärken einer Stiftung auf Grund ihres kulturellen, sozialen, symbolischen und ökonomischen Vermögens gefragt wird. Anstatt den Fokus auf Wettbewerbsvorteile zu legen, würde es dann darum gehen, zu untersuchen, wie Stiftungen ihre Kernkompetenzen am sinnvollsten zur kollaborativen Erreichung gemeinnütziger Ziele einsetzen können. 9.1.3

Pfadabhängigkeit und strukturelle Trägheit

Als Hauptfundament einer Theorie über Stiftungen ist der ressourcenbasierte Ansatz jedoch wenig geeignet. In seiner Grundausrichtung ist er vor allem auf Unternehmen und die Erwirtschaftung von Renditen fokussiert. Die Sicht auf Ressourcen und individuelle Qualitäten von Führungskräften ist hilfreich, der Ansatz ist jedoch spezifisch zur Erklärung von Unternehmenserfolg entwickelt worden und würde nur unter sehr starken Anpassungen einen Mehrwert für die theoretische Weiterentwicklung bringen.

79 Wolf (2013, S. 576) verwendet zu Erklärung der Idiosynkrasie einer Ressource den Fussballspieler Fredi Bobic. Während dieser im Verbund mit Giovanni Elber und Krassimir Balakov beim VfB Stuttgart das magische Dreieck bildete, ließ seine Leistung nach dem Abgang der anderen Spieler stark nach. Der Stossstürmer Bobic war nur in der Kombination mit harmonisierenden Ressourcen ein Erfolgsgarant. Alleine hatte die Ressource wenig Wert. Fredi Bobic konnte nie wieder an seine Erfolge im Verbund mit den anderen Spielern anschließen.

262

Implikationen für Theorie und Praxis

Eine höhere Überschneidung der Ergebnisse besteht mit Konzepten aus der Pfadabhängigkeitstheorie (Arthur 1989; David, 1994; Ackermann 2001; Beyer 2005) sowie der Organisationsökologie (Stinchcombe 1965; Hannan & Freeman 1989). Beide Theorien basieren auf dem Grundsatz „history matters“. Dies bedeutet, dass sich Organisationen vor allem durch Einflussfaktoren und Entscheidungen in ihrer Geschichte erklären lassen. Die Theorien liefern wichtige Bausteine zur Erklärung der in den Ergebnissen vorgefundenen stabilen Strukturen und Handlungsweisen. Sie zeichnen ein gegensätzliches Bild zu der in der präskriptiven Stiftungsliteratur vertretenen Sicht auf Stiftungen als flexible und anpassungsfähige Organisationen. Stattdessen stellen sie die Persistenz einmal eingeführter Handlungsmuster und die Trägheit von Organisationen in den Vordergrund. In der vergleichenden Analyse und der Zusammenfassung wurden bereits auf einige der Kernbegriffe der Theorien zurückgegriffen. Auf Grund ihrer unterschiedlichen Zielsetzungen sind jedoch auch diese Theorien nicht einfach auf Stiftungen übertragbar, bzw. decken nur einen Teil der aus den Fallstudien gewonnen Erkenntnisse ab. Die Pfadabhängigkeitstheorie versucht die Kontinuität von Strukturen und Strategien anhand von sich selbst verstärkenden Verhaltensmustern zu erklären. Sie legt ein starkes Augenmerk auf bestimmte Entscheidungen und Zufälle im Leben einer Organisation, die deren zukünftigen Weg bestimmen. Ursprünglich wurde die Theorie formuliert, um die Persistenz ineffektiver Technologien zu erklären (Arthur 1989; David 1994). Anschließend wurde sie vor allem von Douglas North (1990) auf den Zusammenhang zwischen Institutionen und wirtschaftlichen Entwicklungspfaden ausgeweitet. Erst seit kurzem sind stärke Bestrebungen erkennbar, die Theorie zur Erklärung organisatorischer und strategischer Pfade auszubauen (z.B. Schreyögg et al. 2003). Der Kern der Theorie besagt, dass Prozesse sich nicht voraussetzungsfrei entwickeln, sondern vorausgehende Entscheidungen sowie eingeführte Routinen und dominante Denkweisen nachfolgende Entscheidungen mitprägen und somit zukünftige Entwicklungen stark beeinflussen. Einmal festgelegte Pfade bestimmen die Zukunft (Beyer 2006, S. 6). Die Theorie beschreibt eine ähnliche Entwicklung von Handlungsmustern, wie sie sich in der Entwicklung der Philanthropiemodelle der Stiftungen beobachten ließ. Ausgangsbasis der Strategieentwicklung von Unternehmen ist laut Schreyögg et al. (2003, S. 272) die Phase der Entscheidungsselektivität. In dieser historisch geprägten Entwicklungsstufe steht eine begrenzte Menge von Handlungsalternativen zur Auswahl. Aus den Alternativen entwickelt sich durch gezieltes Experimentieren, aber auch durch Zufälle, bzw. „small events“ ein noch flexibler Pfad heraus. Die zweite Phase der positiven Rückkopplungen ist durch selbstverstärkende Effekte geprägt. Etablierte Entscheidungsprozesse vereinfachen die Arbeit. Die Menschen in den Organisationen gewöhnen sich an Routinen. Erfolg-

Theoretische Implikationen

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reiche Praktiken werden verstärkt, so dass es schließlich zur Ausbildung eines stabilen strategischen Pfads kommt. In einer dritten Phase kommt es zu einem „lockin“. Mit dem lock-in wird ein Entwicklungsprozess geschlossen und die langfristige Verfolgung eines Strategiemodells wird Realität (a.a.O., S. 263). Utilitaristische, funktionale, machtbezogene und legitimatorische Gründe führen dazu, dass die Pfade weiterhin beibehalten werden, auch wenn effizientere Alternativen bestehen (Mahoney 2000). Die direktionale Richtung einer Organisation verändert sich nicht mehr wesentlich. Änderungen und Anpassungen finden nur auf marginaler Ebene statt. Insbesondere in Bereichen ohne hohen Veränderungsdruck werden einmal eingeschlagene Pfade kaum verlassen. Die Theorie zeigt deutliche Parallelen zu der beobachteten Persistenz der einmal eingeführten Strategiemodelle der Stiftungen und dem eingangs erwähnten Organisational Process Model von Diaz (1999). In den Ergebnissen wurde die Kontinuität der Philanthropiemodelle allerdings vor allem auf die Gründerprägung und Dokumententreue, positiven Rückkopplungsprozessen sowie eingespielten Routinen zurückgeführt. Dadurch haben sich die Stiftungen einen selbst auferlegten Handlungskorridor aufgebaut, aus dem sie kaum ausbrechen. Auch die Entwicklungsphasen, wie sie in der Pfadabhängigkeitstheorie beschrieben werden, zeigen eine große Ähnlichkeit in der Ausbildung der Strategiemodelle. Ob es jedoch wirklich zu einem lock-in kommt, der kaum Veränderungen zulässt, ist anzuzweifeln. Auch wenn einige Publikationen aufzeigen, wie sich Pfade brechen lassen und die Rigidität einmal eingeschlagener Pfade in Frage stellen (z.B. Beyer 2006), so liegt das Kernargument der Theorie in der der Quasi-Unmöglichkeit, aus einmal eingeschlagenen Pfaden auszubrechen. Trotz der eigens formulierten Einschränkungen erscheint der Begriff des lock-in zu streng, um das Verhalten von Stiftungen zu beschreiben. Anstatt des lock-in wurde in den Ergebnissen auf das Konzept der strukturellen Trägheit zurückgegriffen. Größere Übereinstimmung besteht in diesem Aspekt mit theoretischen Bausteinen aus der Organisationsökologie. Das ursprüngliche Anliegen der Organisationsökologen ist, den Zusammenhang zwischen dem Alter einer Organisation und seiner Struktur zu erklären (Stinchcombe 1965). Die Theorie geht davon aus, dass Organisationspopulationen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gegründet wurden, sehr ähnliche Strukturen und Handlungsweisen aufweisen und sich diese auch Jahre später noch nachweisen lassen. Als Hauptfaktor der initialen Ausrichtung einer Organisation sieht die Organisationsökologie Umweltcharakteristiken, die durch das „Imprinting“ die Strukturen und Handlungsweisen in kurzen sensitiven Zeitperioden langfristig prägen (Marquis & Tilcisk 2013). Neben der Gründungsphase sind diese Perioden vor allem bei größeren Transitionen von Organisationen zu beachten. Zwischen den Perioden sind Organisationen relativ immun gegenüber Einflüssen aus der Umwelt. Die grundsätzliche Handlungsweise wird nicht infrage gestellt. Außerhalb sensiti-

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Implikationen für Theorie und Praxis

ver Perioden sind kaum isomorphe Prozesse zu beobachten. Die Organisationsökologie stellt sich somit gegenüber einer der Hauptthesen des Neo-Institutionalismus, dass isomorphe Prozesse zu einer Angleichung aller Organisationen in einem organisationalen Feld führen. Bereits Leat (2006) hat die Anwendbarkeit des Neo-Institutionalismus auf Förderstiftungen massiv in Frage gestellt. Die Suche nach Legitimität als Hauptfaktor stifterischen Handelns wird regelmässig überbetont. Auf Grund ihrer relativ hohen Ressourcenunabhängigkeit und der in den Ergebnissen dargelegten Faktoren finden isomorphe Prozesse wenn überhaupt, dann vor allem auf der Schauseite statt. Selbst DiMaggio (2001, S. 83) stellt fest: “The foundation world appears to be a case of weak institutionalisation and as such likely to demonstrate considerable variability”. Der Begriff der strukturellen Trägheit, bzw. „inertia“ wurde aufbauend auf Stinthcombe (1964) vor allem von Hannan & Freemann (1989) geprägt. Sie haben von Beginn an auf Kräfte hingewiesen, die einer flexiblen Anpassung von Organisationen an wandelnde Umwelten entgegenstehen. Als interne Faktoren nennen sie z.B. getätigte Investitionen, Machtdynamiken oder die Tendenz, dass einmal eingeführte Handlungsweisen zu Normen werden. Externe Faktoren umfassen bestehende Austauschbeziehungen mit anderen Organisationen und das Risiko des Legitimationsverlustes bei radikalen Veränderungen. Das Bedürfnis nach Verlässlichkeit, Verantwortlichkeit und die Kraft von Routinen verhindern schnellen organisationalen Wandel (Hannan & Freeman 1989, S. 149 - 153). Organisationaler Wandel findet gemäß der Theorie durch Prozesse der Selektion und nicht der Adaption statt. Zwar finden auch in Organisationen Änderungen statt, sie sind allerdings viel langsamer als allgemein angenommen und hängen immer von vorherigen Entscheidungen ab. In den sensitiven Phasen werden keine grundlegenden Änderungen vorgenommen, vielmehr werden neue Einflüsse integriert, ohne alte Handlungsweisen vollständig zu verdrängen. Die Ergebnisse der Untersuchung haben eine hohe strukturelle Trägheit von Stiftungen in der Beibehaltung einmal definierter Handlungsfelder und der strategischen Grundausrichtung gezeigt. Veränderungen ließen sich vor allem bei Wechseln in der Geschäftsführung oder des Stiftungsratspräsidiums beobachten. Die grundsätzliche Ausrichtung der Stiftungen wurde jedoch selbst dann nicht wesentlich verändert. Vielmehr wurde auf bestehenden Traditionen aufgebaut. In diesen Aspekten zeigt die Organisationsökologie eine hohe Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus den Fallstudien. Inwiefern die institutionellen Umwelten während der Gründung oder einer weiteren sensitiven Phasen die Stiftungen geprägt haben, lässt sich anhand der Fallanalyse jedoch nur schwer bestimmen. Theoretisch ließe sich die Persistenz der mäzenatischen Seite der SKBS, auf die Erwartungshaltungen an Stiftungen in ihrer Gründungszeit zurückführen. Die Ausprägung der dynamischen Seite könnte mit einem geänderten Anspruch während des Wechsels des Stiftungsratspräsidenten und des Geschäftsführenden zusammenhängen. Ähnlich

Theoretische Implikationen

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könnte die Einführung unternehmerischer Ansätze in der AF als Konsequenz eines veränderten institutionellen Zeitgeists während des Wechsels der Geschäftsführungen verstanden werden. Ein starker Zusammenhang lässt sich aus den Fällen jedoch nicht herleiten. Vielmehr haben sich die Kompetenzen und Interessen der Führungspersonen als Haupterklärungsfaktoren herausgestellt. Zum Teil wird dieser Aspekt auch in der Organisationsökologie anerkannt, wie z.B. in einer Studie über die Pariser Oper (Johnson 2007) oder Unternehmen der High-Tech Industrie (Hannan et al. 1996). Allerdings liegt die Hauptaufmerksamkeit der Theorie, auf der Prägung einer Organisation durch ihre institutionelle Umwelt zur Gründungszeit sowie auf Faktoren, die das Sterben von Organisationen erklären. Gerade letzter Aspekt spielt für Stiftungen wenn überhaupt, nur eine marginale Rolle. Die Organisationsökologie und die Pfadabhängigkeitstheorie besitzen in Einzelaspekten einen hohen Erklärungs- und Vorhersagewert für das Verhalten von Stiftungen. Insbesondere in der Beschreibung strategischer Entwicklungsphasen und der Ausbildung eines selbst auferlegten Handlungskorridors liefert die Pfadabhängigkeitstheorie valide Theoriebausteine. Die Kontinuität von eingeführten Handlungsweisen lässt sich hingegen besser mit dem Konzept der strukturellen Trägheit erklären. In beiden Fällen sind es vor allem interne Faktoren, welche dazu führen, dass Stiftungen kaum radikale Änderungen in ihren Verhaltensweisen vornehmen. Die Kontinuität von Strukturen und Verhaltensweisen spricht gegen Theorien, die eine ständige Anpassung von Organisationen an ihre Umwelt propagieren. Kurzfristige Moden und Zeitgeistströmungen haben in den Fällen keine größere Rolle gespielt. Die Stiftungen haben stärker darauf geachtet, ihre Eigenheit zu bewahren. Dies bedeutet nicht, dass Umwelteinflüsse keine Rolle spielen. Stiftungen nehmen sehr wohl Rücksicht auf gesellschaftliche Veränderungen und nehmen Probleme aus der Umwelt auf. Allerdings lassen sich Veränderungen in den Handlungsweisen von Stiftungen vor allem auf endogene Faktoren zurückführen. Stiftungen neigen nicht zur Homogenisierung, sondern zur gegenseitigen Differenzierung. Trotz ihrer hohen Übereinstimmung mit Teilaspekten der Ergebnisse, sind weder die Pfadabhängigkeitstheorie, noch die Organisa-tionsökologe in der Lage, die Methoden und Strategien zu erklären, wie Stiftungen soziale Innovationen initiieren und fördern können. Der Fokus der Theorien liegt auf der Begründung der Persistenz eingeführter Strukturen und Verhaltensweisen. Sie beschäftigen sich nicht damit, wie Organisationen zur gesellschaftlichen Problemlösung beitragen können. In diesen Aspekten haben die Ergebnisse die höchste Übereinstimmung mit der Figur des institutionellen Unternehmers gezeigt (DiMaggio 1988; Dorado 2005; Hardy & Maguire 2008). In der Frage wie Stiftungen eine aktive Rolle in sozialen Innovationsprozessen einnehmen können, bestehen die höchsten Überschneidungen mit Erkenntnissen aus diesem Theoriestrang.

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9.1.4

Implikationen für Theorie und Praxis

Stiftungen als institutionelle Unternehmer

Ursprünglich wurde die Figur des institutionellen Unternehmers in der neo-institutionalistischen Organisationstheorie eingeführt, um den Wandel und die Entstehung von neuen Organisationsformen und -praktiken erklären zu können. Seit Beginn wurde der Theorie vorgeworfen, Organisationen als passive Rezipienten von Erwartungshaltungen aus der Umwelt zu beschreiben (vgl. Hirsch & Lounsbury 1997). Mit der Figur des institutionellen Unternehmers wurde dieses Problem zum Teil gelöst80. Institutionelle Unternehmer wurden als organisierte Akteure definiert, die über ausreichende Ressourcen verfügen und Opportunitäten erkennen, ihre eigenen Interessen zu realisieren (DiMaggio 1988, S. 14)81. Organisationen wurden somit wieder als zielgerichtete Akteure in die Analyse sozialen Wandels integriert. Sie passen sich nicht nur der institutionellen Umwelt an, sondern gestalten diese auch aktiv mit. Letzteres steht im Einklang mit einer weiten Sicht auf soziale Innovationen (Battilana et al. 2009, S. 93). In der Beschreibung institutioneller Unternehmer wird in der Literatur vielfach Anlehnung an den Ausführungen von Schumpeter genommen. Das Ziel der institutionellen Unternehmer ist jedoch nicht das Profitstreben, sondern die Veränderung der institutionellen Umwelt aus Regeln, Normen und Verhaltensweisen, um eigene Interessen durchzusetzen. In diesem Aspekt besteht eine hohe Überschneidung mit dem wertbezogenen Handeln von Stiftungen. In Kongruenz mit der Grundthematik der Theorie streben institutionelle Unternehmer danach, neuen Organisationspraktiken oder Lösungsansätzen gesellschaftliche Legitimität zu verleihen (Suddaby & Greenwood 2005). Das eigentliche Problemlösen steht nicht im Vordergrund. Es ist dabei auch weniger wichtig, ob die Veränderungsbemühungen tatsächlich zum Erfolg führen, als die Intention und direkte Beteiligung in dem Versuch, dominante Institutionen zu verändern oder neue zu gründen (Battilana et al. 2009, S. 72). In Bezug zu den Fallstudien lässt sich daher auch der Versuch der MCH, personalisierte Lernkonzepte zu Legitimität zu verhelfen, als institutionelles Unternehmertum bezeichnen. In der Literatur besteht weitestgehend Einigkeit darüber, dass es sich beim institutionellen Unternehmertum, um eine situative Fähigkeit handelt. Dies bedeutet, dass die Konfiguration eines bestimmten Feldes sowie die Positionierung der Akteure in diesem Feld entscheidenden Einfluss auf ihr Potenzial haben, intentionelle Veränderungen herbeizuführen (vgl. Walgenbach & Meyer 2008, S. 140-142). 80 Ein Grundproblem der Theorie ist das altbekannte Struktur-Handlung Problem der Soziologie. Für eine vertiefte Diskussion siehe Giddens (1984) oder in Bezug zum institutionellen Unternehmer und dem „embedded agency paradox“ Battilana et al. (2009). 81 Im Original schreibt DiMaggio (1988, S. 14): “New institutions arise when organized actors with sufficient resources (institutional entrepreneurs) see in them an opportunity to realize interests that they value highly”.

Theoretische Implikationen

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In Feldern, die durch überscheidende und heterogene Institutionen geprägt sind, bestehen mehr Veränderungsmöglichkeiten als in homogenen und stark institutionalisierten Feldern (Dorado 2005). Die Positionierung in einem Problemfeld lässt sich auf die Ressourcenausstattung einer Organisation zurückführen (Bourdieu 1985; Battilana et al. 2009). Das Vermögen der Organisation hat somit einen großen Einfluss darauf, welche Opportunitäten zum institutionellen Wandel eine Organisation wahrnimmt und welche Durchsetzungskraft sie hat, eigene Interessen durchzusetzen. Eine zu starke Einbettung einer Organisation in einem institutionellen Feld kann sich negativ auf ihre Fähigkeiten auswirken, neue Opportunitäten zu erkennen (Battilana et al. 2009). In Bezug zu Stiftungen ließe sich aus dieser Erkenntnis die Frage ableiten, wie Stiftungen einerseits eine zentrale Rolle in der Vermittlung zwischen verschiedenen Akteuren einnehmen und gleichzeitig eine bestimmte Distanz zu diesen wahren können. Stiftungen müssten ihre neutrale Position verteidigen, um ihre Brückenfunktion weiterhin ausüben zu können. Als wichtigste Strategien, um von der Norm abweichenden Institutionen zur Legitimität zu verhelfen, werden in der Literatur effektive Diskursstrategien, der Aufbau neuer sozialer Beziehungen sowie die Mobilisierung von Ressourcen herausgestellt (Hardey & Maguire 2008). Prinzipiell geht es darum, eine Vision zu entwickeln, andere Akteure von dieser Vision zu überzeugen und sie zu motivieren, diese zu verfolgen und bei Erfolg zu verteidigen (Battilana et al. 2009, S. 78). Grundsätzlich wird dabei anerkannt, dass es einfacher ist, auf bestehenden Institutionen aufzubauen, als radikalen Wandel zu befördern. Eine Innovation hat dann eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit institutionalisiert zu werden, wenn sie mit den „Sinn und Wertstrukturen verknüpft wird, die bereits in der institutionellen Umwelt vorhanden sind“ (Walgenbach 2008, S. 134). Effektive Diskurse bauen daher weniger auf Forderungen nach radikalem Wandel auf, sondern erklären das Neue in der der Sprache des Alten. Semantische Änderungen werden nur graduell eingeführt. Zudem hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass institutioneller Wandel auf einen einzelnen Akteur zurückzuführen ist (Hardy & Maguire 2008). Nur in Ausnahmen, wie z.B. einer absolut dominanten Marktbeherrschung oder hoher autoritärer Macht, ist eine einzelne Organisation oder Person dazu fähig, Institutionen eigenmächtig zu ändern (Dorado 2005). Die Fähigkeit Allianzen aufzubauen ist daher eine der Grundfertigkeiten, die institutionelle Unternehmer mitbringen oder entwickeln müssen. Vor allem über Netzwerke lassen sich weitere Ressourcen mobilisieren, um einem Institutionalisierungsprojekt Legitimität zu verleihen. Die Ausführungen zeigen, dass zwischen den Strategien von Stiftungen in der Entwicklung von Feldern und der Gründung von neuen Organisationen größere Überschneidungen zu der Figur des institutionellen Unternehmers bestehen. Die Literatur zeigt weitere Strategien auf, mit denen Akteure gesellschaftlichen Wandel anstoßen können. Für den weiteren Ausbau der theoretischen Bausteine lassen sich

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Implikationen für Theorie und Praxis

aus der Figur des institutionellen Unternehmers neue Fragestellungen ableiten und zusätzliche Erkenntnisse in das vorgelegte Hypothesengerüst einbauen. Interessant wäre z.B. den Aspekt der situativen Positionierung von Stiftungen auszubauen und stärker mit dem Innovationsvermögen in Verbindung zu bringen. Das Innovationsvermögen einer Stiftung bedingt ihre situative Positionierung in einem Problemfeld und somit ihre Potenzial Änderungen anzustossen. Eine weitere Fragestellung könnte verschiedenen Diskursstrategien von Stiftungen nachgehen. Förderstiftungen halten sich in politischen Debatten über gesellschaftliche Herausforderungen zurück. Diese Rolle ist eher bei operativen Stiftungen, wie z.B. der Bertelsmann Stiftung oder Avenir Suisse zu beobachten. Weitere Überlegungen könnten überprüfen, inwiefern eine stärkere Einmischung von Stiftungen in den politischen Diskurs, die Legitimität von Veränderungsprozessen fördert. Ferner ist der Frage nachzugehen, wann sich Stiftungen stärker in der Öffentlichkeit positionieren und wann sie sich zurückhalten. In den Fällen ließ sich eine schwache Verbindung zur emotionalen Nähe der Führungskräfte einer Stiftung mit einem Problem erkennen. Ein starker Zusammenhang konnte jedoch nicht festgestellt werden. Insgesamt liefert die Literatur über institutionelle Unternehmer eine Reihe von Anschlussmöglichkeiten und Fragestellungen, die zum weiteren Ausbau des Hypothesengerüsts herangezogen werden können. Zu beachten dabei ist allerdings, dass Stiftungen nur selten als institutionelle Unternehmer auftreten. In der Mehrheit der Fälle fördern Stiftungen soziale Innovationen, anstatt diese selbst zu initiieren. Zusammenfassend bestätigt sich die Aussage von Kieser & Walgenbach (2010, S. 1-2), dass sich Organisationen kaum aus einer einzigen theoretischen Perspektive ganzheitlich beschreiben lassen. Vielmehr bietet die Kombination verschiedener theoretischer Sichtwinkel ein vollständigeres Bild. Insbesondere Aspekte der Pfadabhängigkeitstheorie, der Organisationsökologie sowie Diskussionen über die Figur des institutionellen Unternehmers haben einen hohen Erklärungswert gezeigt. Wie auch bei sozialen Innovationen, liegt ein großes Potenzial der theoretischen Weiterentwicklung in der Re-Kombinationen von bestehenden theoretischen Konzepten mit neuen Erkenntnissen. Dabei geht es nicht um eine wahllose, eklezistische Vorgehensweise, sondern um die Integration von validen Konstrukten unter einem neuen theoretischen Rahmen. Die Ergebnisse zeigen ein besonderes Potenzial, Förderstiftungen als soziale Investoren zu verstehen. Allerding nur unter einem Investitionsverständnis, welches vor allem soziologisch inspiriert ist und die Wertbezogenheit der Investitionen in den Vordergrund stellt. Eine solche Sichtweise lenkt die Aufmerksamkeit auf die handelnden Personen sowie auf die Ressourcen einer Stiftung. Über die Betrachtung der verschiedenen Kapitalformen im Sinne Bourdieus lässt sich das Innovationsvermögen einer Stiftung bestimmen sowie die situative Positionierung einer Stiftung in einem Feld analysieren. Schließlich zeigt ein Blick in die Vergangenheit, welche Strategie eine Stiftung

Praktische Implikationen

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auch in der Zukunft mit hoher Sicherheit folgen wird. Der Schlüssel zur Weiterentwicklung der theoretischen Grundbausteine liegt vor allem in der personenbezogenen, ressourcenbasierten und vergangenheitsbezogenen Sicht auf Stiftungen. Neben der theoretischen Weiterentwicklung gilt es die postulierten Zusammenhänge einer rigorosen Überprüfung zu unterziehen. Jede Theorie erlangt eine stärkere Fundierung wenn sie empirische Bestätigung findet und sich in der Konfrontation mit weiteren Fällen bewährt. Dadurch kann das vorgelegte Hypothesengerüst zusätzlich gestärkt oder in Teilen auch revidiert werden. Wünschenswert wären insbesondere Studien, die eine internationale Perspektive einnehmen. Diese könnte vor allem den Einfluss von Umweltfaktoren stärker herausarbeiten. Grundsätzlich wird von einer hohen Transferierbarkeit der Ergebnisse auf weitere Kontexte ausgegangen. Das entwickelte Grundgerüst liefert eine solide Basis, mit der sich nicht nur Innovationsfähigkeit, sondern auch die Funktionsweise von Stiftungen im Allgemeinen erklären lässt. Dieses Fundament gilt es in der Zukunft weiterzuentwickeln. 9.2

Praktische Implikationen

Die vorlegte Studie hat neben den theoretischen Implikationen auch einen praktischen Nutzen. Zum einen kann sie als Spiegel und Informationsquelle für Stiftungspraktiker dienen, die ihre eigene Organisationspraxis verbessern wollen. Zum anderen zeigen die Fallstudien sowie die vergleichende Analyse auf, welche Faktoren die Strategien und Förderentscheidungen von Stiftungen beeinflussen. Mittelsuchende Organisationen können dieses Wissen nutzen, um gemeinsame Projekte mit Stiftungen zu planen oder ihre Anträge besser auf die Ziele der Stiftungen abzustimmen. Im Folgenden werden aus den Beobachtungen einige Lernerfahrungen abgeleitet, wie Stiftungen ihre Innovationsfähigkeit steigern können und entsprechende Strategien entwickeln können. Dabei ist zunächst jedoch zu betonen, dass die Innovationsförderung nicht den goldenen Gral der Stiftungsarbeit darstellt. Wie aufgezeigt, tragen Stiftungen auf vielfältige Weise zu einer stabilen und pluralistischen Gesellschaft bei. Viele der heutigen Errungenschaften basieren auf vormaligen Innovationen, die heute zu Routinen geworden sind und die es lohnt, weiterhin zu unterstützen. Auch das kulturelle und gesellschaftliche Leben wäre um ein Vielfaches ärmer, wenn Stiftungen sich nur auf die Förderung von sozialen Innovationen konzentrieren würden. Die Innovationsförderung ist eine von vielen legitimen Handlungszielen von Stiftungen. Auch die Förderung des Zoos, des Theaters oder die unmittelbare Linderung von Not sind wichtige Aktivitäten, welche das gesellschaftliche Leben bereichern und Menschen in schwierigen Lebensumständen einen Halt geben. Trotzdem bestehen in der heutige Welt eine Reihe von Herausforderungen, die es zu bewältigen

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Implikationen für Theorie und Praxis

gilt. Probleme wie die Integration von Flüchtlingen, ungleiche Chancenverteilungen in der Gesellschaft oder die zunehmende Erderwärmung signalisieren den Bedarf neuer Lösungsansätze. Hier können und sollen Stiftungen einen wichtigen Beitrag leisten. Damit sie eine impulsgebende Funktion einnehmen können, bedarf es jedoch einiger Voraussetzungen, die sich in dieser Studie herauskristallisiert haben. Wie sich gezeigt hat, können Sitftungen auf vielfältige Weise zu neuartigen Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen. Sie sind wichtige Institutionen, die in demokratischen Gesellschaften zur Pluratität von Ideen und Lösungsansätzen beitragen. Einer der wichtigsten Herausforderungen, die Stiftungsvertreter immer beachten sollten ist der Bedacht auf eine positive und aktivierende Sprachwahl in allen Dokumenten. Die Innovationsorientierung eine Stiftung entscheidet sich in ihrer frühen Lebenszeit. Die Vorgaben aus den Gründungsdokumenten, persönlichen Interessen der Führungskräfte sowie Erfahrungen aus der experimentellen Anfangsphase der Fördertätigkeit bestimmen zu großen Teilen die Zukunft einer Stiftung. Insbesondere die Formulierung der Stiftungsstatuten sowie der Stiftungsstrategie haben auf Grund der Dokumententreue von Stiftungen einen stark prägenden Charakter. Stifter sowie die Geschäftsführer müssen daher bei der Formulierung der Dokumente umsichtig vorgehen. Kleine semantische Unterschiede können auf Dauer einen großen Unterschied bewirken. Je stärker in den Gründungs- und den internen Leitdokumenten eine aktive Sprache verwendet wird, desto höher ist die langfristige Innovationsorientierung einer Stiftung. Dabei gilt es jedoch auch mit Augenmaß vorzugehen. Eine zu sehr auf die Zukunft ausgerichtete Formulierung kann die Handlungsfähigkeit einer Stiftung einschränken. Folgt man der Logik, dass soziale Innovationen aus einer Zusammensetzung von alten und neuen Elementen bestehen, dann darf sich eine Stiftung nicht nur auf die Förderung von Neuartigem beschränken. Gerade bei Investitionen in Feldentwicklungen ist eine einseitige Fokussierung auf Neuartigkeit schädlich. Innovationsförderung heißt in vielen Fällen auch, Mittel für die Konsolidierung erprobter, aber noch nicht nachhaltig etablierter Lösungsansätze, zur Verfügung zu stellen. Eine nur auf Anschubfinanzierungen und Neuartigkeit ausgerichtete Formulierung der Grunddokumente führt dementsprechend zu einer Einschränkung der Innovationsfähigkeit einer Stiftung. Eine Lösung ist, die Förderung von Innovationen als eine Präferenz in den Gründungsdokumenten festzuhalten, mit dem Zusatz, dass dies die Konsolidierung von Lösungsansätzen sowie die Stärkung bestehender Institutionen mit einschließt. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Zweck möglichst offen zu formulieren und in Dokumenten wie dem Leitbild, die Wertausrichtung der Stiftung festzulegen sowie als Zielsetzung, das Streben nach einem eigens beschriebenen idealen Gesellschaftsbildes zu verankern. So kann ein Stifter einen gestaltenden Anspruch für die Stiftungsarbeit vorgeben, ohne den Handlungsspielraum späterer Führungskräfte zu sehr einzuschränken.

Praktische Implikationen

271

Gerade zu Beginn der Stiftungstätigkeit besteht die Möglichkeit, stärker experimentell in der Umsetzung des Stiftungszwecks vorzugehen. Anschließend kommt es zu einer natürlichen Routinisierung von Handlungsweisen und der Fokussierung auf ausgewählte Themen. Auch wenn Stiftungen durch den selbst errichteten Handlungskorridor ihren Handlungsspielraum einschränken, muss dies nicht zwangsweise negative Auswirkung auf ihrer Innovationsfähigkeit haben. Routinen setzen Zeit frei, außerhalb der administrativen Aufgaben gestaltend tätig zu werden. Die administrativen Aufgaben, die mit der Bearbeitung von Förderanträgen einhergehen, sollten daher möglichst effizient organisiert werden. Durch die Fokussierung werden die Mittel der Stiftung gebündelt. Die steigende Vernetzung und Kompetenz in den Feldern erhöht das Innovationsvermögen. Trotzdem gehen mit der Standardisierung und Routinisierung auch Risiken einher. Zum einen bergen Routinen die Gefahr, ein Eigenleben zu entwickeln. Die Befolgung von eingeführten Regeln wird dann z.T. wichtiger als nach Wegen der effektiven Zielerreichung zu suchen. Zum anderen kann eine zunehmende Fokussierung dazu führen, dass Stiftungen ihre Unabhängigkeit weiter einschränken. Wenn zu viele Akteure in einem Feld von den Förderungen einer Stiftung abhängen, dann fällt es einer Stiftung schwer, ihre eigenen Prioritäten zu verändern oder sich aus einem Gebiet zurückzuziehen. Zugleich besteht das Risiko, dass sich eine Stiftung der dominanten Probleminterpretation anschließt und alternative Erklärungen nicht mehr in Erwägung zieht. Als Konsequenz müssen Stiftungen dazu bereit sein, ihre Vorgehensweise immer wieder kritisch zu hinterfragen (vgl. Anheier & Leat 2006). Eine Möglichkeit besteht darin, Handlungsfelder zeitlich zu begrenzen oder zumindest periodisch zu überprüfen, inwieweit Routinen und dominante Logiken, bereits das Denken und Handeln der Stiftung bestimmen. Amtszeitbeschränkungen im Stiftungsrat können der Versteinerung einer Stiftung entgegenwirken, machen aber nur Sinn, wenn damit nicht ein funktionierendes System wegen Formalregelungen zerstört wird. Die Erneuerung des Gremiums bringt neue Impulse. Auf Grund der strukturellen Trägheit von Stiftungen ist die Chance größere Veränderungen anzustoßen jedoch vor allem dann am größten, wenn gleichzeitig ein Wechsel im Stiftungsratspräsidium und der Geschäftsführung stattfindet. Eine Stiftung, die ihre Innovationsfähigkeit langfristig erhalten möchte, sollte Mechanismen installieren, die einer Versteinerung entgegenwirken und periodisch frische Impulse in die Stiftungsarbeit bringen. Ein diverser Stiftungsrat, der mit Vertretern unterschiedlicher Professionen und Fachrichtungen besetzt ist, trägt dazu bei, dass ein Problem von mehreren Seiten betrachtet wird. Wenn ein Stiftungsrat nur mit promovierten Akademikern und verdienten Persönlichkeiten besetzt ist, läuft er Gefahr, sich zu sehr von den Problemen der Zielgruppe der Förderung zu entfernen. In Hinsicht auf ethische und ideologische Aspekte sollte jedoch Konsens bestehen, damit keine Grundsatzkonflikte die Arbeit der Stiftung lähmen. Die Aufnahme von jungen Mitgliedern in

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Implikationen für Theorie und Praxis

den Stiftungsrat kann helfen, Probleme aus neuen Perspektiven zu betrachten. Regelmäßige Projektbesuche und der Austausch mit den Betroffenen eines Problems beugen einem Paternalismus durch die Stiftung vor und stimulieren die Arbeit des Stiftungsrats. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, wie z.B. im Fall der GRS, in den Handlungsfeldern Vorentscheidungsgremien aufzubauen, in denen neben Stiftungsräten externe Experten und Vertreter der wichtigsten Anspruchsgruppen eingeladen werden. Negative Erfahrungen in der Projektförderung sollten nicht dazu führen, einen einmal ausprobierten Weg oder einen Projekttyp für die Zukunft auszuschließen. Die Fähigkeit, effektive Strategien aufzubauen und umzusetzen, lebt von der Möglichkeit Fehler zu begehen, daraus zu lernen und dadurch das Erfahrungswissen zu stärken. Insbesondere Lösungen, die eine hohe Abweichung bestehender Normen und Handlungsweisen bedeuten, brauchen Zeit. Sozialer Wandel ist in vielen Fällen das Produkt kumulativer Entwicklungen und Bestrebungen. Stiftungen, die ungewöhnliche Lösungsansätze fördern wollen, brauchen Geduld und dürfen nicht nur auf renommierte Organisationen setzen. Sie müssen eine Toleranz für das Scheitern aufbauen. Trotzdem sollten sie weiterhin darin bestrebt sein, ihre Partner so gut wie möglich dazu befähigen, ihre Ideen erfolgreich umzusetzen. Jede Stiftung muss für sich entscheiden, wie viel Ambiguität und Fehlertoleranz sie zulässt. Zum Teil wäre eine erhöhte Risikobereitschaft von Stiftungen wünschenswert. In der Praxis hat sich bewährt, einen Prozentsatz der Fördergelder in einer Art freien Fonds für risikoreiche Projekte zu bündeln. Mit den Geldern können unkonventionelle Ideen, auch außerhalb des eigens auferlegten Korridors gefördert werden und erste Sondierungen für potentielle neue Handlungsfelder vorgenommen werden. Wenn Stiftungen aber auf Grund schlechter Erfahrungen, Projektformate und Themen auf Negativlisten setzen und kategorisch von Förderungen ausschließen, dann berauben sie sich selbst ihrer Gestaltungsmöglichkeiten. Eine gängige Forderung der präskriptiven Literatur ist, dass Stiftungen sich nur auf Probleme konzentrieren sollen, die in ihrer Reichweite liegen und bei denen sie kraft ihrer Ressourcen das höchste Wirkungspotenzial haben (Brest & Harvey 2008). Auch die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Stiftungen dann über das höchste Innovationspotenzial verfügen, wenn ihr Vermögen mit den Ressourcen korrespondiert, die zur Weiterentwicklung eines Lösungsansatzes am wichtigsten sind. Trotz dieser Beobachtungen wird hier die Meinung vertreten, dass Stiftungen sich nicht nur auf Problemausschnitte konzentrieren sollten, in denen sie sichtbare Erfolge erzielen können. Wenn ein Problem für eine Stiftung eine hohe Bedeutung hat, dann kann es auch sinnvoll sein, ein Zeichen zu setzen, um einen kurzfristigen Effekt zu erzielen. Gerade die expressiven Leistungen von Stiftung haben eine hohe symbolische Wirkung und die Kraft, weitere Ressourcen zu mobilisieren. Ein oftmals ungenutztes Potenzial zur Verstärkung der expressiven Leistung von Stiftungen, liegt in einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit. In vielen Fällen

Praktische Implikationen

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arbeiten Stiftungen parallel zu einander, ohne zu wissen, wer was macht. Die Öffentlichkeit erfährt nicht von den neuen Ansätzen. Gleichzeitig bleiben die Ergebnisse der Projekte undokumentiert. Die Veränderung sozialer Praktiken ist zu großen Teilen Überzeugungsarbeit. Aus der Sicht der Innovationsliteratur sowie den Ausführungen zum institutionellen Unternehmertum lassen Stiftungen ein großes Potenzial ungenutzt, wenn sie aus Angst vor Kritik im Verborgenen agieren. Wenn eine Stiftung ihre Innovationskraft steigern will, dann muss sie auch den Mut haben, sich in Sachfragen öffentlich zu positionieren und überzeugende Argumente für die Veränderung von sozialen Praktiken zu entwickeln. Dies bedeutet nicht, sich in parteipolitische Auseinandersetzungen einzumischen, sondern auf Grund der eigenen Fördererfahrungen, Handlungsempfehlungen zu formulieren und diese auch nach außen zu vertreten. Dies können Stiftungen insbesondere dann, wenn sie auf Grund ihrer Projekte Evidenzen kreiieren und somit starke Argumente für die Änderung von Praktiken vorweisen können. Wenn eine Stiftung ihre Tätigkeiten stärker strukturieren will, bieten sich die im ersten Teil diskutierten Methoden der rational-bürokratischen Stiftungsführung an. Theorien des sozialen Wandels oder Logic Models können den generellen Handlungsrahmen festlegen und erlauben Wirkungshypothesen auf ihre Plausibilität zu überprüfen. In den Fällen wurden vor allem die positiven Aspekte in der gegenseitigen Kommunikation und Projektabstimmung in der Verwendung der Modelle hervorgehoben. Sie können auch als Mittel zum strategischen Experimentieren verwendet werden, in dem verschiedene Ketten von Annahmen gegenüber gestellt werden und die Resultate miteinander verglichen werden. Eine rigide Anwendung der Modelle macht jedoch wenig Sinn. Stiftungen müssen auch ihren Partnern die nötige Flexibilität einräumen, die in Innovationsprozessen angebracht ist. Oftmals hängt der Erfolg eines neuen Lösungsansatzes von zufälligen Gelegenheitsstrukturen ab, die sich in keinem Modell planen lassen. Die Verwendung der Modelle ist weder Voraussetzung noch Garantie für eine bessere Stiftungspraxis. Ohne die Formulierung von Wirkungshypothesen laufen Stiftungen jedoch Gefahr, jedes neuartig anmutende Projekt zu fördern. Für die gezielte Unterstützung von sozialen Innovationen ist die Formulierung von Theorien des Wandels ein effektives Hilfsmittel. Sie müssen nicht die strikte Form des Logik Models annehmen, sollten aber zumindest so formalisiert werden, dass sie als Diskussionsgrundlage verwendet werden können. Jede Theorie muss dabei den Grad an Flexibilität bewahren, in dem neue Erkenntnisse und sich ändernde Umstände aufgenommen werden können. Die Formulierung von überprüfbaren Hypothesen steigert das Innovationsvermögen einer Stiftung. Dies gilt vor allem auch für die angestrebte übergreifende Zielerreichung in den Handlungsfeldern. Eine Stiftung, die von ihren Partnern ausformulierte Theorien des Wandels verlangt, aber selbst keine eigenen Ziele formuliert, erscheint wenig konsequent.

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Implikationen für Theorie und Praxis

Vielmehr als formalisierte Pläne ist jedoch das kulturelle und soziale Kapital ausschlaggebend dafür, dass Stiftungen eine starke Funktion in sozialen Innnovationsprozessen einnehmen können. Das in einer Stiftung vorhandene Fach- und Erfahrungswissen erlaubt ihr, Lösungsansätze in Bezug auf ihre Neuartigkeit und potenziellen Mehrwert einschätzen zu können sowie Opportunitäten zu erkennen. Über das soziale Kapital schaffen Stiftungen Allianzen und können weitere Ressourcen mobilisieren. Wenn eine Stiftung ihre Innovationsfähigkeit stärken will, dann lohnt es sich, in den Ausbau ihres kulturellen und sozialen Kapitals zu investieren. Möglichkeiten dazu bestehen insbesondere in der Einstellung oder zeitweisen Mandatierung von Fachpersonen sowie der gezielten Weiterbildung der Mitarbeiter in bestimmten Handlungsfeldern. Zusätzlich können auch Kurse im strategischen Stiftungsmanagement hilfreich sein. Die Kurse vermitteln verschiedene Methoden und Bausteine für eine erfolgreiche Stiftungsarbeit. Sie bringen Anregungen zur Verbesserung der eigenen Organisationspraxis und erlauben gleichzeitig den Austausch mit anderen Stiftungsvertretern, die oftmals zu sehr in ihrem Tagesgeschäft gefangen sind, um neue Perspektiven zu entwickeln. Wenn eine Stiftung in mehreren verschiedenen Handlungsfeldern aktiv ist, empfiehlt sich bei der Suche nach einem Geschäftsführer, eine generalistisch veranlagte Persönlichkeit auszuwählen. Der Tendenz, dass dieser die Schwerpunkte der Stiftung in Bezug zu seinen eigenen Kompetenzen und Betroffenheitsideen setzt, ist dabei Rechnung zu tragen. Eine Geschäftsführer muss in der Lage sein, sich schnell in verschiedene Sachgebiete einarbeiten zu können, um zumindest den Grundmechanismus vorgeschlagener Lösungsansätze sowie ihre Kompatibilität mit der Struktur eines Problemfelds einschätzen zu können. Dadurch, dass Förderstiftungen die Projekte nicht selbst durchführen, ist die Fachkompetenz in vielen Fällen bei den Partnern höher. In diesem Sinn ist es wichtiger, die Durchführungskraft und das Engagement der Partner einschätzen zu können, als die Details jedes Gesuchs zu verstehen. Im Zweifelsfall können Stiftungen Drittmeinungen aus ihrem Netzwerk einholen. Weitere Qualitäten, die ein Geschäftsführer besitzen sollte, sind eine hohe Ambiguitätstoleranz und die Fähigkeit, Netzwerke aufbauen und koordinieren zu können (Anheier & Leat 2006, S. 232). Das Erste bezieht sich auf die Ungewissheit sozialer Innovationsprozesse und ihrer Abweichung von geltenden Normen. Das Zweite impliziert das Vermögen, sehr unterschiedliche Interessengruppen miteinander verbinden zu können. Stiftungen steigern dann ihre Innovationsfähigkeit, wenn sie in ihren Handlungsfeldern soziale Beziehungen zu Menschen in sehr unterschiedlichen sozialen Positionen aufbauen können. Der reine Austausch unter Eliten an einschlägigen Branchentreffen ist nicht ausreichend. Vielmehr sollten sich Stiftungen mit Behörden, Lobbyvereinen, Fachgremien und Betroffenengruppen austauschen, um institutionelle Felder besser verstehen zu können. Dazu müssten die Vertreter der Stiftungen viel Zeit außerhalb der Büros verbringen.

Praktische Implikationen

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Letztlich gilt es, das in einer Stiftung vorhandene Vermögen voll auszuschöpfen. Wenn die Mitglieder des Stiftungsrats nur zur den wenigen Sitzungen zusammenkommen und kein weiteres Engagement zeigen, dann lässt eine Stiftung viel ihres eigenen Potenzials ungenützt. Die Auswahl der Stiftungsratsmitglieder sollte sich daher vor allem auch nach ihrer Bereitschaft richten, sich aktiv für die Ziele der Stiftung einzusetzen. Diese Erwartung sollte von Anfang an klar formuliert werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Insgesamt lässt sich festhalten, dass sich eine Förderstiftung ein Stück weit zu einer operativen Stiftung bewegen muss, wenn sie der Figur des sozialen Innovators gerecht werden will. Dies bedeutet nicht, dass sie die Kernaufgabe der Auswahl von Förderprojekten und deren Finanzierung aufgeben soll, sondern dass es vor allem darum geht, sich intensiv mit Problemfeldern auseinanderzusetzen und die Partner so gut wie möglich zu unterstützen. Der Aufbau von schlüssigen Förderprogrammen, die Beratung und Begleitung der Partner sowie die gezielte Investition in Handlungsfelder verlangen Wissen, Zeit und Arbeit. Eine Förderstiftung, die sich nur auf die Annahme von Anträgen und der anschließenden Auszahlung von Fördermitteln konzentriert, wird ihrem Potenzial nicht gerecht. Vielmehr sollte eine innovationsorientierte Stiftung ihr gesamtes Vermögen ausschöpfen, um neuen und besseren Lösungsansätzen zum Erfolg zu verhelfen.

10 Schluss

Die vorgelegte Studie hat zum Ziel gehabt, grundlegende Bausteine zur Entwicklung einer Organisationstheorie herauszuarbeiten, mit der sich die Innovationsfähigkeit von Stiftungen erklären und vorhersagen lässt. Gleichzeit war es die Absicht, über die holistische Beschreibung der Fälle einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise und Förderstrategien von Stiftungen zu gewähren. Um dies zu erreichen, wurde nach der Einführung, in einem kurzen historischen Abriss, die generelle Funktionsweise von Stiftungen und ihrer Positionierung in der Gesellschaft diskutiert. Als bestimmende Faktoren ihrer Ausrichtung wurden u.a. die Motivation des Gründers, die Kristallisation seines Willens in den Stiftungszweck, das Stiftungsvermögen sowie die Governance der Stiftungen bestimmt. Zusammen mit der Förderstrategie und dem dahinter liegenden Gestaltungsanspruch vereinen sich diese Faktoren zu dem Philanthropiemodell einer Stiftung. Stiftungen können grundsätzlich verschiedene Rollen in der Gesellschaft einnehmen. Manche Stimmen argumentieren, dass sie auf Grund ihrer hohen relativen Unabhängigkeit besonders dazu geeignet sind, Innovationen zu fördern oder sogar zu initiieren. Andere sprechen von verkrusteten Institutionen, welche die gesellschaftliche Entwicklungsgeschwindigkeit verlangsamen. Als ein Problem dieser Diskussion wurde die mangelnde Auseinandersetzung mit sozialen Innovationen hervorgehoben. Aus diesen Grund wurden verschiedene Ansichtsweisen über den Begriff diskutiert. In einer engen Sichtweise sind soziale Innovationen nur solche Veränderungen gesellschaftlicher Regulationen und Handlungsweisen, die auf die Ermächtigung von vulnerablen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen ausgerichtet sind. Eine etwas pragmatischere Sichtweise konzentriert sich vor allem auf verschiedene Lösungsmechanismen für gesellschaftliche Probleme im Allgemeinen. Soziale Probleme sind dort nicht nur auf die Bedürfnisse benachteiligter Gruppen beschränkt, sondern beziehen sich auf vielfältige Herausforderungen. Eine theoretische Stoßrichtung sieht soziale Innovationen schließlich ganz allgemein als Veränderungen der sozialen Praxis und verweist vor allem auf verschiedene Nutzenlogiken in ihrer Beurteilung. Allen drei Sichtweisen gemein ist, dass sie sich an einem Modernitätsgedanken orientieren, der sich wage an Leitbildern wie Inklusion, Gerechtigkeit, Wohlstand, Lebensqualität, ökologischer Nachhaltigkeit, Partizipation und Demo-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6_10

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Schluss

kratie festhalten lässt. Ganz allgemein sind soziale Innovationen neuartige Lösungsansätze für gesellschaftliche Probleme. Sie tragen in sich eine Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Die Entstehung und Entwicklung von sozialen Innovationen lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen. Sie entstehen nicht aus dem Nichts heraus, sondern basieren auf der Unzufriedenheit mit einer spezifischen Situation. Soziale Innovationen sind das Produkt intentionaler Veränderungsprozesse. Verschiedene Ideen und Lösungsvorschläge konkurrieren um Legitimität. Über Pilotprojekte lässt sich herausfinden, ob und wie ein neuer Ansatz wirklich zu verbesserten Ergebnissen wie bestehende Routinen führt. Wenn sich dies bestätigt, besteht die Herausforderung die Invention zu einer Innovation zu bringen und den Ansatz als neue Routine zu etablieren. Die Diffusion einer Innovation steigert ihre Wirkungskraft. Systemischer Wandel lässt sich als eine Vielzahl verschiedener Innovationen beschreiben, die zu einem übergeordneten Effekt führen, der einen langfristigen und prägenden Einfluss auf die Gesellschaft hat. Die Unterteilung des Innovationsprozesses in verschiedene Phasen hat gezeigt, dass Stiftungen auf vielen Ebenen einen Beitrag zur Bewältigung der heutigen Herausforderungen leisten können. Nicht nur die nachhaltige und folgenreiche Verankerung neuer Lösungsansätze ist entscheidend. Würde man Stiftungen allein an ihrer Kraft bemessen, Innovationen von der Idee bis zu ihrer nachhaltigen Verankerung zu bringen, dann würde sie an diesem Anspruch scheitern. Vielmehr haben auch einzelne Beiträge in dem Prozess, wie die Initiierung neuer sozialer Beziehungen einen eigenen Wert an sich. Von einer innovationsorientierten Stiftung kann jedoch vor allem dann gesprochen werden, wenn sie systematisch auf die dauerhafte Veränderung sozialer Praktiken hinarbeitet. Auf Grund ihrer Unvollständigkeit sind Förderstiftungen immer auf andere Akteure in der Umsetzung ihrer eigenen Ideen angewiesen. Der Innnovationsprozess wurde daher auf die Funktionsweise der Förderstiftung angepasst. Die Grundtätigkeit von Stiftungen besteht darin, Handlungsfelder zu definieren, vielversprechende Projekte zu identifizieren und diese in ihrer Entwicklung zu stärken. Verschiedene präskriptive Strategiemodelle beschreiben Methoden, wie Stiftungen ihre gesellschaftliche Wirkung maximieren können. Als Grundvoraussetzung wird dabei das Vorhandensein einer Strategie des sozialen Wandels gesehen. Diese Strategien variieren in dem Grad ihrer Flexibilität und Rationalität. Grundsätzlich lässt sich aus den Empfehlungen eine Art Idealtyp einer Stiftung für soziale Innovationen ableiten. Dieser beschreibt in überzogener Form, wie eine Stiftung aussehen müsste, um die Rolle der Impulsgeber und sozialen Innovators auszufüllen. Die präskriptiven Strategiemodelle malen eine Bild von Stiftungen als flexible und anpassungsfähige Organisationen, die schnell und unbürokratisch auf Herausforderungen reagieren können. Allerdings basieren ihre Erkenntnisse auf Untersuchung weniger einzelner Stiftungsprogramme. Sie können nicht erklären, wie die

Schluss

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Stiftungen ihre Philanthropiemodelle entwickeln und wie die einzelnen Programme in Bezug zur gesamten Stiftung stehen. Es gibt keine Organisationstheorie mit der sich das Verhalten und die Innovationsfähigkeit von Stiftungen deutend erklären lässt. Entgegen Unternehmen oder staatlichen Institutionen sind Stiftungen bisher kaum Gegenstand organisationstheoretischer Auseinandersetzungen gewesen. Sie werden daher oftmals auch als Black Boxes bezeichnet. Weder die Modelle einer strategischen Philanthropie noch bestehende soziologische Betrachtungen konnten bisher erklären, welche Faktoren dazu führen, dass Stiftungen die Rolle der Impulsgeber in der Gesellschaft einnehmen. Um diesem theoretischen Defizit zu begegnen, wurde einem multiplen Fallstudiendesign gefolgt. Dieser Forschungsansatz eignet sich besonders in Bereichen, in denen noch keine konsistenten Theorien bestehen. Fallstudiendesigns haben ihre Vorteile in ihrer Offenheit. Sie bleiben nicht auf statistische Momentaufnahmen beschränkt, sondern erlauben soziale Sachverhalte in ihrer Entstehung und Entwicklung nachzuvollziehen. Gleichzeitig bringt die holistische Beschreibung der Fälle einen Nutzen für Praktiker. Um die Validität und intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Ergebnisse zu stärken, wurde im fünften Kapitel die Methodik der Untersuchung detailliert nachgezogen. Einen bedeutenden Teil der Studie haben die vier Fallbeschreibungen eingenommen. Sie haben gezeigt, welche Gedanken und Einflüsse in der Entwicklung von Stiftungsstrategien eine Rolle spielen. Interviews mit den Stiftungsvertretern und Förderpartnern sowie die Auswertung öffentlicher und interner Dokumente haben erlaubt, ein möglichst genaues und umfangreiches Bild der Stiftungen zu vermitteln. Die wertbezogene Haltung gegenüber Problemen, mit denen sich die Stiftungen auseinandersetzen, war in allen Fällen erkenntlich. Stiftungen investieren ihr Vermögen, in die Förderung eines idealen Gesellschaftsbilds, welches in den Augen der Akteure erstrebenswert ist. Das Ziel ist die Stärkung des Gemeinwohls. Stiftungen sind soziale Investoren par excellence. Ihr Innovationsvermögen setzt sich neben ihrem ökonomischen, vor allem aus dem kulturellen aber auch sozialen und symbolischen Kapital zusammen. Stiftungen brechen kaum aus einmal eingeschlagenen Wegen aus. In dem Aufbau ihres Philanthropiemodells berauben sie sich selbst ein Stück weit ihrer Flexibilität in der Zweckumsetzung. Dies muss nicht unbedingt negative Auswirkungen auf ihre Innovationsfähigkeit haben. Sie bauen dadurch kontinuierlich neue Kompetenzen und soziale Beziehungen auf, die ihre Handlungsfähigkeit stärken. Ihre strukturelle Trägheit macht sie zu verlässlichen Partnern in der Begegnung heutiger Herausforderungen. Große Überraschungen und Wunder sind von Stiftungen allerdings nicht zu erwarten. Nur in Ausnahmen sind sie selbst die Impulsgeber gesellschaftlicher Entwicklungsprozesse. Für die Entwicklung und Verbreitung von sozialen Innovationen sind Stiftungen nicht notwendig, sie können jedoch einen wichtigen Unterschied bewirken. Sie sind weder

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die Avantgardisten der Gesellschaft noch ein Gegenpol zu gesellschaftlichen Veränderungsprozessen. Sie erlauben ein von wirtschaftlichen Zwängen unabhängiges Experimentieren mit neuartigen Lösungsansätzen. Sie stärken dadurch zivilgesellschaftliche Anstrengungen in der Auseinandersetzung mit den heutigen Herausforderungen. Sie tragen dadurch zur gesellschaftlichen Pluralität bei und erweitern das Angebot alternativer Handlungsoptionen. Im Anschluss an die Vorstellung des theoretischen Grundgerüsts wurden Verbindungen zu bestehenden Organisationstheorien diskutiert. Dabei wurde herausgearbeitet, dass die fruchtbarsten Ansätze zur weiteren Entwicklung der Theoriebausteine in ressourcenbasierten und persönlichkeitsbezogenen Ansätzen zu finden sind sowie in Theorien, welche die Persistenz von eingeführten Handlungsweisen erklären. Ein weiteres Potenzial im Ausbau der theoretischen Überlegungen liegt in der Figur des institutionellen Unternehmers. Verschiedene Ausbaumöglichkeiten des entwickelten Hypothesengerüsts sowie neue Fragestellungen wurden im Laufe des letzten Kapitels vorgeschlagen und Implikationen für die Praxis gezogen. Zum Abschluss lässt sich nun ein Bogen zum im ersten Teil formulierten Idealtyp schliessen. Auf Basis der Fallstudien und den daraus gewonnen Erkenntnissen ist es möglich, den im ersten Teil entwickelten Idealtypus zu revidieren und zu verbessern. Ein Idealtyp ist allgemein gesprochen ein Konstrukt, mit dessen Hilfe die Ursache von Zusammenhängen pragmatisch veranschaulicht werden können (Weber 1985, S. 190). Er dient der Erfassung von komplexen sozialen Sachverhalten und ist ein Bezugspunkt mit dem die Wirklichkeit verglichen wird. Weber liefert keine systematisch geordneten methodischen Vorgaben wie Idealtypen gebildet werden. Vielmehr finden sich in seinen Publikationen an verschiedenen Stellen immer wieder Hinweise zu seiner Konstruktion und Anwendung. Die Formulierung des Idealtypus folgt jedoch keiner willkürlichen und rein intuitiven Vorgehensweise. Vielmehr gehen „empirisch-induktive und gedanklich deduktive Prozess stark ineinander über (Esser 1999, S. 480). Gewonnen wird er durch die „einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde“ (Weber 1985, S. 191). Idealtypen sind geprägt von extremen Kombinationen von Merkmalen (Esser, 1999, S. 479). Durch ein Zusehr, Zuhoch und Zurein werden Dinge zu einer Reinheit gesteigert, mit der sich die Wirklichkeit deuten lässt (Simmel 1989, S. 197). Die inhaltliche Konstruktion eines Idealtypus hat den Charakter einer Utopie, die durch die gedankliche Steigerung bestimmter Elemente der Wirklichkeit gewonnen wird (Weber 1985, S. 190). Durch die Erhöhung einzelner Gesichtspunkte wird eine gesteigerte Eindeutigkeit der Begriffe erlangt, die erlaubt einen reinen und klaren Typen zu konstruieren.

Schluss

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Weber ist der Meinung, dass nur vom reinen Idealtypus soziologische Kausalität abgeleitet werden kann. Zwar können bei spezifischen Fragestellungen auch empirisch-statistische Durchschnittstypen von Interesse sein, zur Erklärung von soziologischem Handeln besitzen idealtypische Fälle jedoch einen stärkeren heuristischen Wert. Sie tragen in einem höheren Mass dazu bei, ursächliche Erklärungen zu generieren. Dabei müssen sie aber scharf und eindeutig konstruiert, bzw „weltfremd“ formuliert werden, damit sie ihren Dienst leisten können (Weber, 1972, S. 10). Der angestrebte Erkenntnisgewinn ist Erklärung zwischen dem konstruierten Idealtyp und der in der Realität beobachtbaren Ausprägungen realer Typen. Der revidierte Idealtyp ist somit vor allem für weitere Forschungsvorhaben von Relevanz. Hier soll er als als Spiegelbild dienen, mit dem sich Stiftungen vergleichen lassen. Aus der Differenz der Stiftungen zum erklärten Idealtyp lassen sich kausale Zusammenhänge ableiten. Auf Basis der deduktiven Überlegungen aus dem ersten Teil, den empirischen Fallstudien sowie den weiterführenden theoretischen Ableitungen lässt sich der Idealtyp einer Stiftung für soziale Innovationen folgendermaßen beschrieben: Die Stiftung für soziale Innovationen (SsI) investiert zielgerichtet ihr ökonomisches, soziales, kulturelles und symbolisches Kapital, um neuen Lösungsansätzen für gesellschaftliche Herausforderungen zu ihrer erfolgreichen Umsetzung zu verhelfen. Sie kompensiert ihre Unvollständigkeit durch die aktive Beratung und Befähigung ihrer Partner sowie den Aufbau neuer Institutionen. Sie beeinflusst Problemfelder durch Impulse, die auf evidenzbasierten Projekten, der Bildung von Netzwerken, aktivem Wissenstransfer und öffentlichen Ausschreibungen basieren. Über anfängliches Experimentieren baut sie ein strategisches Fundament, welches beständig weiterentwickelt wird, sich im Kern jedoch nicht radikal verändert. Dadurch agiert sie als verlässlicher Partner. Die Auswahl von Förderthemen basiert neben rationalen Überlegungen, vor allem auf der Vorbildung und den Interessen der mächtigsten Personen in der Stiftung. Durch den Aufbau auf vorhandenen Kompetenzen und Netzwerken werden die situative Positionierung der Stiftung und die Motivation der handelnden Personen gestärkt. Als sozialer Investor investiert die SsI irh Vermögen in Projekte, die mit ihrem idealen Gesellschaftsbild übereinstimmen. Ihr Innovationsvermögen hängt von ihrer Kapitalzusammensetzung und dessen Passung mit den notwendigen Ressourcen ab, um neuen Lösungsansätzen zur ihrer nachhaltigen Verankerung zu helfen. Das Ziel der SsI ist es, bestehende Routinen aufzubrechen, um sie durch neue Praktiken zu ersetzen. Dieser Idealtypus drückt nicht aus wie Stiftungen sein sollen, sondern zeigt in übersteigerten Form die Kerncharakteristiken einer Stiftung auf, die sich für soziale Innovationen einsetzt. Dieser Idealtyp weicht von dem im ersten Teil formulierten Idealtyp dahin gehend ab, dass er um die in den Fallstudien gewonnenen Erkennt-

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nisse bereichert wurde. Die Güte des Konstrukts hängt davon ab, welche zukünftigen kausalen Aussagen durch seine Verwendung gemacht werden können. Zusammen mit den theoretischen Bausteinen aus dem 8. Kapitel ist der Idealtyp ein bedeutender Schritt, um das Verhalten von Stiftungen deutend erklären zu können. Stiftungen haben bisher kaum eine Rolle in organisationstheoretischen Überlegungen gespielt. Die Stiftungsliteratur wird bislang von präskriptiven Handlungsmodellen, illustrativen Modellen erfolgreicher Stiftungsprogramme sowie von statistischen und rechtlichen Auseinandersetzungen dominiert. Die Soziologie hat bisher wenig zur Erklärung beigetragen, wie Stiftungen tatsächlich handeln. Diesem Missstand wurde hiermit ein Stück weit begegnet. Es ist zu wünschen, dass weitere Studien auf den entwickelten Erkenntnissen aufbauen, sie kritisch überprüfen, bestätigen oder auch falsifizieren. Insgesamt könnte so ein besseres Verständnis dieser sonderbaren Institution erreicht werden, deren reine Existenz Waldemar Nielsen (1972) einmal in einem Vergleich mit Giraffen als paradox beschrieben hat. Genauso wie die anatomische Evolution von Giraffen unerklärlich ist, so verstößt auch die Stiftung gegen Grundsätze rationaler Erklärungen. Im Kern sind sie aristokratische Institutionen, die jedoch auf einer freiheitlich demokratischen Grundordnung basieren. Ihre Gründer akkumulieren großen privaten Reichtum, um ihn dann wieder der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Stiftungen sind Impulsgeber und Bewahrer zur gleichen Zeit. Die Vereinigung gegensätzlicher Logiken macht sie zu spannenden Institutionen, deren weitere Erforschung auch Anbetracht ihrer stetig wachsenden Bedeutung absolut lohnenswert erscheint. Die vorliegende Studie hat dabei ein starkes Fundament gesetzt.

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© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6

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Sophie und Karl Binding Stiftung Arter, C. (2012): 2001 – 2010. Les 10 ans de TransHelvetia, Rapport de activité. Schlussbericht im Auftrag der Sophie und Karl Bindig Stiftung. Balzer, L. (2014): Evaluation Jugendprojekt LIFT III 2014. Abschlussbericht. Zollikofen: Eidgenössisches Hochschulinstitut für Berufsbildung (EHB). Landert & Partner (2009): Evaluation Univers Suisse. Zürich. Muggli, R. (2014): Ist der Föderalismus an der Zersiedlung schuld? Pilotstudie und Thesen. Zürich: NZZ libro. Idée:Sport (2015): Stiftungsbericht 2014 / 2015. Uster: Idée Sport. Schudel, J.; Schubiger, B. ; Käser, T. (2014): Geschichte der Sophie und Karl Binding Stiftung 1963-2013. Bausteine für die interne Version. Stand Juli 2014 (unveröffentlicht). SKBS (2014a): Förderrichtlinien. Stand 2014. SKBS (2014b): Protokoll der Retraite vom 22. Januar 2014. SKBS (2012): Reglement für den Binding Waldpreis. SKBS (2007): Förderrichtlinien. Stand 2007. SKBS (2001): Vergaberichtlinien. Stand 2001. SKBS (1998): Organisationsreglement. von Schnurbein, G. (2014): Präsentation für Strategieretraite vom 22. Januar 2014. Wodiunig, T.; Meienberg, M. (2008): Evaluation der «Binding Sélection d’Artistes». Evaluationsstudie im Auftrag der Sophie und Karl Binding Stiftung.

314

Literaturverzeichnis

Arcas Foundation AF (2017): Jahresbericht 2016. AF (2016): Protokoll Stiftungsratssitzung vom 16. Februar 2016. AF (2016): Jahresbericht 2015. AF (2015): Protokoll Stiftungsratssitzung, vom 14. November 2016. AF (2014a): Vision und Mission der Arcas Foundation. AF (2014b): Patenschaftsprozess und Angebot, Version vom 23.10. 2014. AF (2013): Protokoll Stiftungsratssitzung vom 27. März 2013. AF (2011): Strategische Ziele 2011-2013. Version vom 28. Februar 2011. Abrufbar unter: http://arcas-foundation.ch/arcas/jahresberichte/ (Abgerufen am 31.10.2016). Berger, S.; Meiler, L.; Moser, U. (2015): Evaluation des Programms Chancengerechtigkeit durch Arbeit an der Lernlaufbahn. Zürich: Institut für Bildungsevaluation Universität Zürich. Bethmann, S. (2014): The Chance: A Systemic Approach to Integrate Adolescents into the Job Market. In: E. Thümler; N. Bögelein; A. Beller; H.K. Anheier (Hg.): Philanthropy and Education. Strategies for Impact. Basingstoke: Palgrave Macmillan S. 65-83. Die Chance (2013): Jahresbericht Die Chance 2012. Dock Gruppe (2014): Webseite: http://www.dock-gruppe.ch/index.php/homepage/about (Abgerufen am 31.10 .2016) Gartengold (2016). Webseite: http://www.gartengold.ch/menschen/ (Abgerufen am 31.10.206) Peter, C. (2016): Das Gymnasium ist nicht der einzige Weg. Der Landbote. 11. Januar 2016, S. 3. Stiftung Tosam (2015): Webseite: www.tosam.ch/ueber-uns/zahlen-und-fakten/ (Abgerufen am 19.5.2016)

Liste der Interviewpartner

Positionsbeschreibungen wie zum Zeitpunkt der Interviews. Gebert Rüf Stiftung Stiftungsrat x Prof. Dr. Rudolf Marty. Präsident des Stiftungsrats. x Prof. Dr. Peter Forstmoser. Vizepräsident des Stiftungsrats. x Dr. Katja Gentinetta. Mitglied des Stiftungsrats. Geschäftsstelle x x x x

Dr. Philipp Egger. Geschäftsführer. Dr. Pascal Vonmont. Stv. Geschäftsführerin. Jaqueline Grollimund. Projektbegleitung/-Controlling. Corinne Burkhart. Assistentin Back Office.

Partner x x x x x x x x x

Thomas Bachofner. Generalsekretär Rektorenkonferenz der Fachhochschulen der Schweiz KFH. Prof. Mariana Christen Jakob. Gründerin und Geschäftsführerin Social Entrepreneurship Initiative and Foundation. Beate Eckhardt. Geschäftsführerin SwissFoundations. Dr. Cla Reto Famos. Direktor der Studienstiftung Schweiz. Dr. Saskia Karg. Wissenschaftliche Koordination radiz - Rare Disease Initiative Zürich. Nicole Kind. Co-Leitung Industrial Design Departement Design. Fachhochschule Zürich. Prof. Dr. Mirko Meboldt. Leiter des Instituts für Design, Material und Fabrikation, ETH Zürich. Esther Neiditsch. Geschäftsleiterin von ProRaris Patientenetzwerk für Menschen mit seltenen Krankheiten. Walter Steinlin. Präsident der Kommission für Technik und Innovation (KTI) Schweiz.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 S. Bethmann, Stiftungen und soziale Innovationen, Soziale Investitionen, https://doi.org/10.1007/978-3-658-27076-6

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Liste der Interviewpartner

Stiftung Mercator Schweiz Stiftungsrat x x x

Dr. Michael Schmidt. Präsident des Stiftungsrats. Sprecher der Gründungsfamilie. Rüdiger Frohn. Vizepräsident des Stifungsrats. Vorstand Mercator Stiftung Deutschland. Albert Kesseli. Ehemaliger Geschäftsführer MCH.

Geschäftsstelle x x x x

Nadine Felix. Geschäftsführerin. Beno Baumberger. Bereichsleiter Forschung. Regula von Büren. Bereichsleiterin Umwelt. Sara Fink. Bereichsleiterin Jugend.

Partner x x x x x x x x x x x

Prof. Martin Baumann. Prorektor Universität Luzern. Prof. Dr. Frank Brückel. Dozent an der Pädagogischen Hochschule Zürich. Jürg Brühlmann. Leiter der Pädagogischen Arbeitsstelle des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz. Dr. Cla Reto Famos. Direktor der Studienstiftung Schweiz. Markus Gander. Gründer und Geschäftsführer infoklick.ch. Alexandra Molinaro. Stv. Geschäftsführerin Dachverband Schweizer Jugendparlamente. Theres Paulsen. Direktorin Td-net, Netzwerk für transdisziplinäre Forschung. Prof. Dr. Jürg Schoch. Direktor Gymnasium Unterstrass. Dr. Matthias Stolze. Head of Department of Socioeconomics. Forschungsinstitut für biologischen Landbau. Sonja Tschirren. Projektkoordinatorin Biovision. Martin Wendelspiess. Chef des Volksschulamts Zürich.

Liste der Interviewpartner

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Sophie und Karl Binding Stiftung Stiftungsrat x Dr. Ueli Vischer. Präsident des Stiftungsrats. x Dr. Dr. Bernhard Christ. Ehemaliger Präsident des Stiftungsrats x Dr. Carl Binding. Vizepräsident des Stiftungsrats. Geschäftsstelle x x

Dr. Benno Schubiger. Geschäftsführer. Jan Schudel. Projektleiter.

Partner x x x x x x x

Rudolf Muggli. Advokat. Autor der Studie „Ist der Föderalismus an der Zersiedlung schuld?“. Karolina Durrer. Idee Sport. Leiterin Regionalstelle Romandie. Gabriela Walser. Mitglied der Geschäftsleitung Jugendprojekt LIFT. Dr. Alain Schorderet. Leiter des Programms Univers Suisse bei der Studienstiftung. Dr. Rolf Keller. Leiter des Studienzentrums Kulturmanagement. Jean Combe. Forstingenieur. Autor des Buchs „Wald und Gesellschaft“. Georg Schopp. Präsident Kuratorium Waldpreis. Leiter Abt. Stadtökologie und Stadtforstamt Baden.

Arcas Foundation Stiftungsrat x x

Monique Bär. Gründerin. Präsidentin des Stiftungsrats,. Regula Villiger. Mitglied des Stiftungsrats.

Geschäftsstelle x

Natalie Moral. Mandatierte Geschäftsführerin.

Partner x x x x x

Martin Grob. Geschäftsleiter Stiftung Tosam. Lynn Blattmann. CFO Dock Gruppe. Sybille Roter. Stv. Geschäftsleiterin Surprise. Jean-Pierre Dällenbach. Geschäftsführer Stiftung Die Chance. Andrea Ruder. Programmleiterin HEKS.