Sprache: Formen und Strukturen: Akten des 15. Linguistischen Kolloquiums : Münster 1980, Bd. 1 3484300981, 9783484300989

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

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Sprache: Formen und Strukturen: Akten des 15. Linguistischen Kolloquiums : Münster 1980, Bd. 1
 3484300981, 9783484300989

Table of contents :
VORWORT
1. WISSENSCHAFTSTHEORIE UND WISSENSCHAFTSGESCHICHTE DER LINGUISTIK
Pragmatik in der Grammatik. Frühe Ein- und Ansichten (Apollonios Dyskolos: Moduslehre)
Linguistische Theoriebildung und sprachliche Varietäten
Probleme der historiographischen Bestimmung der Linguistik
Das Deskriptivismus-Postulat in der Linguistik
2. PHONOLOGIE - MORPHOLOGIE - SCHRIFT
Diphthonge und andere Vokale
Die Opposition zwischen Null und Nichts - Suffixe im Flexionsparadigma
Dadaismus, Typographie und Rechtschrei¬bung: Kurt Schwitters als Orthographiereformer
Über die rhythmische Natur des Wortakzents im Dyirbal und Hopi
Der Einsatz von Matrixdruckern mit geringem Auflösungsvermögen zur Darstellung phonetischer und linguistischer Zeichenvorräte
3. SYNTAX
Government, syntaktische Struktur und Kasus
Die traditionelle Syntax und das Adverb
Einige Tilgungsarten in englischen Konditionalsätzen
Passiv erster und zweiter Stufe
Aspekte der control-Problematik in Sätzen mit subjektlosen gerundialen Komplementen im Englischen
"Teilungsartikel" im Französischen und "präpositionaler Akkusativ" im Spanischen: komplementäre Lösungen des gleichen syntaktischen Problems
Configurational grammar and the trace-pro distinction
Zur Generierung der satzeinleitenden Positionen im Deutschen
Syntaktische Konfiguration und Merkmalsprojektion
The grammatical category of definiteness
Wer glaubst du hat recht? Einige Bemerkungen zur COMP-COMP-Bewegung im Deutschen
Aux-Inversion and the scope of negation
Zur Reihenfolge von verbalen Elementen
Syntaktische Variationen in sprach¬lichen Subsystemen
4. TEXTLINGUISTIK
Textinterpretation eines delphischen Orakels
Text und Kognition. Kognitive und sprachliche Prozesse am Beispiel von Text¬reproduktionen aphatischer Personen
Differenzierungskriterien für Textsorten
Zur Kritik der Textlinguistik
Textual cohesion and coherence and the intrinsic nature of the signatum
Propositionale Beschreibung von Texten
Wirkung und Folge in Konsekutivsätzen
Repräsentation von Alltagswissen und die Auffindung von Sinnzusammenhängen im Text
Textkritische Apparate - linguistisch betrachtet
VERZEICHNIS DER AUTOREN UND HERAUSGEBER

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Linguistische Arbeiten

98

Herausgegeben von Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Sprache: Formen und Strukturen Akten des 15. Linguistischen Kolloquiums Münster 1980 Band l Herausgegeben von Manfred Kohrt und Jürgen Lenerz

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1981

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Linguistisches Kolloquium : Akten des 15. [Fünfzehnten] Linguistischen Kolloquiums : Münster 1980. -Tübingen : Niemeyer (Linguistische Arbeiten ; . . . ) Bd. 1.-» Sprache: Formen und Strukturen Sprache: Formen und Strukturen / hrsg. von Manfred Kohrt u. Jürgen Lenerz. Tübingen : Niemeyer, 1981. (Akten des 15. Linguistischen Kolloquiums ; Bd. 1) (Linguistische Arbeiten; 98) ISBN 3-484-30098-1 NE: Kohrt, Manfred [Hrsg.]; 2. GT

ISBN 3-484-30098-1

ISSN 0344-6727

© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1981 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdruckliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: fotokop Wilhelm weihen KG, Darmstadt.

INHALTSVERZEICHNIS

XI

VORWORT 1. WISSENSCHAFTSTHEORIE UND WISSENSCHAFTSGESCHICHTE DER LINGUISTIK KÜRSCHNER, Wilfried: Pragmatik in der Grammatik. Frühe Ein- und Ansichten (Apollonios Dyskolos: Moduslehre) NABRINGS, Kirsten: Linguistische Theoriebildung und sprachliche Varietäten SCHMITTER, Peter: Probleme der historiographischen Bestimmung der Linguistik ZILLIG, Werner: Das Deskriptivismus-Postulat in der Linguistik

3 13 23 33

2. PHONOLOGIE - MORPHOLOGIE - SCHRIFT H S, Camiel: Diphthonge und andere Vokale 47 KLOEKE, W . U . S . van Lessen: Die Opposition zwischen Null und Nichts - Suffixe im Flexionsparadigma 55 KOHRT, Manfred: Dadaismus, Typographie und Rechtschreibung: Kurt Schwitters a l s Orthographiereformer . . . 6 1 MAXWELL, Dan: Über die rhythmische Natur des Wortakzents im Dyirbal und Hopi 75 PFEIFFER-RUPP, Rüdiger / REMKE, Reinhard: Der Einsatz von Matrixdruckern mit geringem Auflösungsvermögen zur Darstellung phonetischer und linguistischer Zeichenvorräte 85 3. SYNTAX den BESTEN, Kasus

Hans: Government, syntaktische Struktur und 97

ten GATE, Abraham P.: Die traditionelle Syntax und das Adverb

109

DEIMER, Günther: Einige Tilgungsarten in englischen Konditionalsätzen

119

EROMS, Hans-Werner: Passiv erster und zweiter Stufe . . . 129 KLEIN, Eberhard: Aspekte der control-Problematik in Sätzen mit subjektlosen gerundialen Komplementen i m Englischen . . . . . 141 KÖRNER, Karl-Hermann: "Teilungsartikel" im Französischen und "präpositionaler Akkusativ" im Spanischen: Komplementäre Lösungen des gleichen syntaktischen Problems 151

VI

KOSTER, Jan: Configurational grammar and the trace-pro distinction

161

LENERZ, Jürgen: Zur Generierung der satzeinleitenden Positionen im Deutschen

171

van RIEMSDIJK, Henk: Syntaktische Konfiguration und Merkmalsprojektion . . . . 183 SROKA, Kasimierz A . : The grammatical category of definiteness

193

TAPPE, Hans Thilo: Wer glaubst du hat recht? Einige Bemerkungen zur COMP-COMP-Bewegung im Deutschen . .

203

THIERSCH, Craig: Aux-Inversion and the scope of negation

213

van de VELDE, Marc: Zur Reihenfolge von verbalen Elementen WICHTER, Sigurd: Syntaktische Variationen in sprachlichen Subsystemen

223 237

4. TEXTLINGUISTIK DORFMÜLLER-KARPUSA, Käthi: Textinterpretation eines delphischen Orakels ENGEL-ORTLIEB, Dorothea: Text und Kognition. Kognitive und sprachliche Prozesse am Beispiel von Textreproduktionen aphatischer Personen GOBYN, Luc: Differenzierungskriterien für Textsorten . . NIKOLAUS, K u r t : Zur Kritik der Textlinguistik ODMARK, John: Textual cohesion and coherence and the intrinsic nature of the signatum

249

259 269 281 293

ROTHKEGEL, Annely:Propositionale Beschreibung von Texten 3O3 RUDOLPH, Elisabeth: Wirkung und Folge in Konsekutivsätzen 315 WEBER, Heinz J . : Repräsentation von Alltagswissen und die Auffindung von Sinnzusammenhängen im Text 327 WONNEBERGER, Reinhard: Textkritische Apparate linguistisch betrachtet VERZEICHNIS

DER AUTOREN UND HERAUSGEBER

337 349

INHALTSVERZEICHNIS ZU BAND 2

Vorwort

1.

XI

SEMANTIK

Theoretische Probleme van EYNDE, Frank: Some deficiencies of semantic feature analysis. A farewell to bachelorhood of lexical semantics HABEL, Christopher: Kasus, Sorten, Kategorien

3 15

WANG, Juen-tin: Modi intelligendi, modi significandi und Logik des Sprachbildes

25

Semantische Beschreibungen HUNDSNURSCHER, Franz: Semantische Kompetenz

35

SPLETT, Jochen: Ansätze zu einer strukturellen Gliederung des deutschen Adjektivwortschatzes

47

OKA, Akihiro: Sauberkeits-Adjektive ROLF, Eckard: Zur Semantik von Vergleichsadjektiven LIEDTKE, Frank W . : Zur Semantik von 'Auffordern'

59 69 79

. . .

Syntax und Semantik BOSCH, Peter: Deixis, Anapher und Kontextveränderung . . . COENEN, Hans Georg: Präsuppositionen bestimmter Äußerungen der Form 'Lieber X als Y 1 ROHDENBURG, Günter: Zur Semantik von Gleichheitskomparativen mit Maßangaben im Englischen STAIB, Bruno: Inhaltliche Aspekte von Wortbildungsverfahren

89 99 107

117

Anwendungsgebiete: Literatur und Didaktik OKON, Luzian: Quelques suggestions sur le vocabulaire de la ville dans Camillo Sbarbaro et Jean-Marie-Gustave Le Clezio GEIER, Manfred: "Darf ich endlich erfahren, was das bedeutet?" Zur semantischen Struktur eines fiktionalen Objekts in Stanislaw Lems Roman 'Eden 1

127

133

VIII

PETERS, Manfred: a-t-il des handicapös linguistiques? Nouveaux instruments d'analyse du langage des classes sociales culturellement dominoes

143

OKON, Luzian: Interferenzerscheinungen bei Schülern italienischer Muttersprache im fortgeschrittenen Französischunterricht SUCHAROWSKI, Wolfgang: Verhalten bei der schriftlichen Wiedergabe von Texten

2.

153 161

PRAGMATIK

Theoretische Probleme VIGENER, Gerhard: Zur Bedeutungsbestimmtheit der Sprechakte NORRICK, Neal R . : Conversational and nonconversational maxims FALKENBERG, Gabriel: Epistemische Operatoren und illokutionäre K r a f t FIEHLER, Reinhard: Zur Formulierung und Prüfung von Kommunikationsregeln. Einige methodische Probleme der Konversationsanalyse

175 185 193

205

Sprechakte und Sprechaktsequenzen HINDELANG, Götz: Zur Klassifikation der Fragehandlungen

.

KLEIN, Norbert: Hybride Sprechakte: WARNEN, DROHEN und ERPRESSEN FRANKE, Wilhelm: Über nichtspezifische reaktive Sprechakte BEASLEY, Gregg: Grundzüge eines Interaktionsmodells für dialogisches Argumentieren

215 227 237 249

Konversationsanalyse BLIESENER, Thomas: Können Analogien Konflikte im Gespräch überbrücken? PFEIFFER, Wolfgang M . : Bewältigungsstile im Aufklärungsgespräch vor Operationen SAGER, Sven Frederik: Ubersprungshandlungen im menschlichen Verbalverhalten

259 269 279

Syntax und Diskursanalyse MÖNNINK, Johan: Die Satzeinheit in der Interaktion . . . . 289 AUER, J . C . P . : Zur indexikalitätsmarkierenden Funktion der demonstrativen Artikelform in deutschen Konversationen

301

IX

BRÜNNER, Gisela: Zur inferentiellen Verwendung der Modalverben VIETHEN, Heinz W . : Adverbiale and the performative analysis

311 323

Textpragmatik KLEIN, Klaus-Peter: Zur Konstitution von Erzählungen . . . 333 KNIFFKA, Hannes: Schlagzeilenformulierung als sprachliches Verhalten 345 THUN, Harald: Kulturelle Präsuppositionen. Mit Beispielen aus dem Deutschen, Französischen und Spanischen . . . 357

VERZEICHNIS DER AUTOREN UND HERAUSGEBER

367

VORWORT

Vom 1O. bis 12. September 198O fand in Münster das 15. Linguistische Kolloquium statt. Dabei wurden in insgesamt 4 Sektionen über 80 Vorträge gehalten. Wie schon in den vergangenen Jahren werden die Kongreßakten auch diesmal in 2 Bänden veröffentlicht. Der vorliegende 1. Band enthält im wesentlichen die Beiträge, die in den Sektionen I und IV ( ' S y n t a x 1 und 'Allgemeines, Phonologie, Morphologie, Psycholinguistik und Textlinguistik') vorgetragen wurden. In einigen Fällen schien es uns jedoch angebracht, in Absprache mit den Herausgebern des 2. Bandes und den Autoren neue Zuordnungen vorzunehmen, um inhaltliche Bezüge zu betonen und gleichzeitig sicherzustellen, daß beide Bände in etwa den gleichen Umfang haben. Die weitere inhaltliche Untergliederung dieses Bandes, die die Orientierung erleichtern soll, ergab sich aus der deutlichen thematischen Zusammengehörigkeit verschiedener Beiträge, die sich z . T . sogar explizit aufeinander beziehen. Bei der Publikation der Akten des Linguistischen Kolloquiums haben sich in den vergangenen Jahren Traditionen herausgebildet, denen auch wir hier folgen. Vor allem haben die Herausgeber keine Auswahl unter den eingereichten Beiträgen getroffen. Die Erstellung der Druckvorlagen haben die Autoren selber besorgt. Die Verantwortung für Form und Inhalt der einzelnen Arbeiten liegt daher im Grunde bei den Autoren selber. Unsere Aufgabe konnte es nur sein, die äußere Form der Typoskripte zu überprüfen und gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen, um eine möglichst große Einheitlichkeit des Druckbildes zu erreichen. Kleinere Fehler haben wir hierbei selber verbessert; bei einigen Beiträgen, die umfangreichere Abweichungen von den Schreibanweisungen aufwiesen, haben wir die Autoren darum gebeten, entsprechende Verbesserungen vorzunehmen; z.T. haben wir es vorgezogen, die Arbeiten neu schreiben zu lassen, wenn das Schriftbild für den Druck nicht geeignet war oder wenn umfangreichere stilistische Veränderungen angebracht schienen. Dies geschah stets nur mit Einverständnis der Autoren, denen wir an dieser Stelle ganz herzlich für die aufgewandte Mühe und Sorgfalt danken möchten. Für möglicherweise verbliebene technische Mängel übernehmen wir die Verantwortung und bitten hiermit Leser und Autoren gleichermaßen um Nachsicht.

XII

Ein Teilnehmer des Kolloquiums, John Odmark, kann die

Veröf-

fentlichung seines Beitrages nicht mehr miterleben; er verstarb am 1. Dezember 1980. Sein plötzlicher, unerwarteter Tod hat uns und alle, die ihn kannten, erschüttert. Bei der Vorbereitung und der Durchführung des 15. Linguistischen Kolloquiums wurde den Organisatoren, die zugleich die Herausgeber der beiden Aktenbände sind, von vielen Seiten Hilfe zuteil: So haben wir dem Minister für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen für den Zuschuß zu danken, den er uns gewährt hat. Einrichtungen

Daneben gilt unser Dank auch den verschiedensten

und Mitarbeitern der Westfälischen Wilhelms-Univer-

sität Münster, darunter vor allem dem Germanistischen

Institut

und hier insbesondere Herrn P r o f . D r . Franz Hundsnurscher für seine Unterstützung bei der Planung des Kongresses und für manche Hilfe während der Tagung. Hervorzuheben ist zudem, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft durch ein Reisestipendium die Teilnahme eines Wissenschaftlers

aus Osteuropa ermöglicht hat.

Viele

der organisatorischen Arbeiten wurden uns durch die studentischen H i l f s k r ä f t e Karl-Heinz Heydecke und Thomas Rosemann abgenommen; bei der editorischen Arbeit stand uns Wilhelm Franke mit großer Tatkraft

zur Seite. Ihnen allen und manchen ungenannten Helfern

sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Münster, im März 1981

Manfred Kohrt

Jürgen Lenerz

1. WISSENSCHAFTSTHEORIE

UND WISSENSCHAFTSGESCHICHTE

DER LINGUISTIK

PRAGMATIK

IN DER GRAMMATIK

Frühe Ein- und Ansichten (Apollonios Dyskolos: Moduslehre)* Wilfried Kürschner

0.

Einleitung

Unter der Überschrift "Pragmatik in der Grammatik" möchte ich auf ein Thema eingehen, das die Sprachtheorie im zu Ende gehenden Jahrzehnt stark beschäftigt hat und das noch keineswegs ausdiskutiert ist.

Mochte es zu Beginn der siebziger Jahre so

scheinen, als sei die pragmatische Wende zuallererst eine Reaktion auf Chomskys formale, den Sprachbenutzer, die Sprechsituation außer acht lassende Grammatiktheorie, so wurden bald auch Vorläufer entdeckt und rezipiert, auf die man zurückgreifen und die man weiterentwickeln konnte. In ihrem 1975 erschienenen Überblick mit dem Titel "Linguistische Pragmatik" stellt B. SCHLIEßENLANGE ( 1 9 7 5 : 2 1 ) "das Konvergieren verschiedenartiger philosophischer, sozialwissenschaftlicher

und sprachwissenschaftlicher

Traditionen in der linguistischen Pragmatik" heraus. Unter anderem nennt sie den amerikanischen Pragmatismus von Peirce und Morris, die Ordinary Language Philosophy mitsamt der Sprechakttheorie und schließlich auch gewisse Tendenzen und Fragestellungen sprachwissenschaftlicher Natur. Was den letzten Punkt b e t r i f f t SCHLIEBEN-LANGE ( 1 9 7 5 : 5 5 ) spricht von der

- B.

"sprachwissenschafts-

internen Tradition" -, behandelt sie insbesondere die Entwicklung innerhalb der Transformationsgrammatik und hier wieder die Sonderrichtung der Generativen Semantik. Ich möchte hier an eine weitere, ungleich ältere sprachwissenschaftsinterne Tradition erinnern, die seit etwa zwei Jahrtausenden die abendländische Sprachtheorie und Grammatikschreibung beeinflußt hat. 1.

Apollonios Dyskolos

Zu diesem Zweck greife ich auf einen alexandrinischen Grammatiker zurück, und zwar auf Apollonios mit dem Beinamen Dyskolos, auf deutsch: der Griesgrämige, Mürrische. Diesem Apollonios Dyskolos

4

verdanken wir neben kleineren grammatischen Schriften die umfangreichste, uns weitgehend erhalten gebliebene Syntax des Griechischen. Apollonios wirkte in der ersten H lfte des zweiten Jahrhunderts nach Christus in Alexandria. Er ist damit etwa 200 bis 250 Jahre j nger als der zweite bekannte alexandrinische Grammatiker: Dionysios Thrax, der um 100 vor Christus die Schrift περί γραμματικές [peri grammatik s; 'Von der Grammatik'] verfa te. Dieses Buch hatte, nach der Darstellung im "Kleinen Pauly" ( 1 9 7 5 : S p . 7 2 ) , eine "gewaltige Wirkung": Es wurde n mlich f r den gramm[atischen] Lehrbetrieb der Folgezeit einschlie lich der byz[antinischen] Epoche (vgl. die gro e Zahl von Komm[entaren] und Scholien) zugrunde gelegt und diente auch im M [ i t t e l - ] A f i t e r ] und in der Neuzeit (bis zum 18. J h . ) als Muster und Grundlage aller Grammatiken. Diesem schmalen B ndchen - in einer gedruckten Ausgabe von 1816 umfa t es ganze 16 Seiten - f gte also Apollonios Dyskolos etwa 200 Jahre sp ter die "Vier B cher ber die Syntax" (περί συντάξεως β ι β λ ί α τέσσαρα [peri synt xe s biblia tessara]) hinzu. Sie umfassen in der gleichen Ausgabe 344 Seiten - urspr nglich war der Umfang noch gr er: Vom vierten Buch ist n mlich nur der Abschnitt ber die Pr positionen erhalten. Die ersten drei B cher behandeln folgendes: Das erste Buch die Lehre von den Redeteilen (Wortarten) im R ckgriff auf Dionysios Thrax, dazu noch die Syntax des Artikels, das zweite Buch befa t sich mit der Syntax der Pronomina, das dritte schlie lich mit der Kongruenz und der Syntax des Verbs. Abschnitte aus diesem dritten Buch werden im fol2 genden besprochen. 2.

Zur Behandlung der Verbmodi bei Apollonios - Parallelen zur performativen Analyse

Bei Apollonios finden wir an mehreren Stellen eine Analyse der Modi, die uns erstaunlich modern vorkommt. Uns, die wir die Sprechakttheorie rezipiert haben und insbesondere ber die Rolle von sprechaktindizierenden Verben, den sogenannten performativen Verben, nachgedacht haben, kommt dies sofort in Erinnerung, wenn wir folgendes lesen (ich zitiere aus der inzwischen zum Teil berholten bersetzung von Alexander BUTTMANN aus dem Jahre 1 8 7 7 ) Im Zusammenhang mit der offenbar von fr heren Grammatikern und

5 Philosophen diskutierten Frage, ob der Infinitiv zu den Verbformen zu rechnen sei, erkl rt Apollonios: Da ferner der Infinitiv des seelischen Verhaltens ... entbehrt, so hindert nichts denselben statt aller Modi zu gebrauchen, indem man das was die Eigenth mlichkeit jedes einzelnen Modus ausmacht ... hinzusetzt, und umgekehrt auch jeden einzelnen Modus in ihn zu verwandeln. Denn das γράφε [gr phe; 'schreib'] will so viel sagen als γράφειν σοι προστάσσω [gr phein soi prost ss ; ' z u schreiben befehle ich d i r ' ] , indem nothwendig noch hinzugesetzt wird der im Imperativ liegende Begriff προστάσσειν [prost ssein; ' b e f e h l e n ' ] und das Pronomen; denn dieser beiden ... entbehrt der Infinitiv; περιπατοίης [peripatoies; 'm gest du Spazierengehen'] ist gleich εύχομαι σε περιπατεΐν [euchomai se peripatein; "ich w nsche, da du spazierengehst'], und γράφεις [gr pheis; 'du schreibst 1 ] gleich ορίζομαι σε γράφε ιv [horizomai se gr phein; 'ich erkl re, da du schreibst']. (B TTMANN 1877: 1 7 0 ; UHLIG 1910: 291 f . ) Uns interessiert hier nicht so sehr der Argumentationskontext, in dem dieses Zitat steht, sondern vielmehr die Art, wie die unterschiedlichen Modalformen analysiert werden. Durch die hinzugef gten bersetzungen der griechischen Ausdr cke d rfte das Wesentliche schon herausgekommen sein. Betrachten wir es noch kurz im einzelnen. Der pr sentischen Imperativform γράφε 'schreib* wird der Ausdruck γράφε ιν σοι προστάσσω ' z u schreiben befehle ich dir' an die Seite gestellt. Mit dem προστάσσω 'ich befehle" wird der Modus der Ausgangsform zum Ausdruck gebracht, der Dativ des Personalpronomens, σοι ' d i r 1 , bezeichnet die angesprochene Person, der Infinitiv γράφε ιν 'schreiben' die Handlung, um die es hier geht. Hier liegt, wie mir scheint, die erste explizite performative Analyse in der Geschichte der europ ischen Sprachwissenschaft vor. Die Illokution (um mit Searle zu sprechen) einer u erung, hier des Einwort-Satzes γράφε, wird durch lexikalische Umschreibung (προστάσσω) zum Ausdruck gebracht. Der Rest, γράφειν σοι, stellt das dar, was im modernen Sinn "Proposition" genannt wird. Und dieses Verfahren ist, wie bei Sprechaktanalysen auch, in zweifacher Weise zu verstehen: einmal als metasprachliche Explikation durch den Grammatiker, zum anderen als Aufweis pragmatisch quivalenter u erungen auf der objektsprachlichen Ebene. Vereinfacht gesprochen: Unter bestimmten Bedingungen ist es gleichg ltig, ob ich einen Schreib-Befehl u ere, indem ich sage: Schreib, oder indem ich sage: Ich befehle dir zu schreiben.

6

Die Erkenntnis, da geben sind, ist

Modi durch beschreibende Verben wiederzu-

f r Apollonios vermutlich nicht n e u , sondern ei-

ne, die auf Grund der grammatischen Tradition, in der er steht, naheliegt. Denn mindestens seit Dionysios Thrax d r f t e ein solches Verfahren zumindest unterschwellig bekannt sein - dies zeigt die grammatische Terminologie. In den Namen der Modi, wie sie Dionysios aufgef hrt sind, sind n mlich die betreffenden tionsverben morphologisch-wortbildungsm

bei

Explika-

ig enthalten. Der Impe-

rativ hei t schon dort (UHLIG 1883: 47) προστακτική £γκλισις [prostaktiki egklisis], wo έ γ κ λ ι σ ι ς nicht mehr bedeutet als

'Bie-

gung, Flexion'. Es sind auch Hinweise darauf vorhanden, da

dies

auf eine noch

ltere, durch Aristoteles vermittelte Tradition bis

auf Protagoras zur ckgeht. Und auf dem Wege der grammatischen Terminologie ist dann auch sp ter stets ein St ck Pragmatik in den Grammatiken erhalten geblieben - diese These will ich gegen Ende noch etwas weiter ausf hren. Wir m ssen aber zuerst noch kurz die beiden weiteren F lle im obigen Zitat besprechen. Bei περιπατοίης ( ' m gest du Spaziereng e h e n 1 ) handelt es sich um eine pr sentische aktivische Optativform der 2. Person Singular. Zur Umschreibung benutzt Apollonios das Verb εΰχεσθαι

[euchesthai] 'w n s c h e n ' . Und bei Dionysios

Thrax hei t der hier vorliegende Modus ευκτική έ γ κ λ ι σ ι ς [euktik? e . ] . - Schlie lich noch γράφεις 'du s c h r e i b s t ' . Es ist die 2. Person Singular Pr sens Aktiv Indikativ. Es wird umschrieben mit ορίζομαι σε γράφειν 'ich erkl re, da tionelle Name f r diesen Modus ist

du schreibst 1 . Der tradi-

dementsprechend

οριστική 6γ-

κλισις [horistik e . ] . Daneben gibt es auch, wie Apollonios bemerkt (BUTTMANN 1877: 2 0 0 ; UHLIG 1 9 1 0 : 3 4 6 ) , f r den Indikativ den Namen άποφα(ν) τική δγκλισις [apopha(n) tike 1 e . ] 'aussagender Modus'. Mit diesem umschreibenden Verfahren hat Apollonios ein weiteres Ziel erreicht: Er will dem Leser deutlich machen, warum in der technischen Terminologie der Grammatik die Modi so hei en, wie sie hei en. Auch dies klingt erstaunlich modern: Sie erhalten ihre Namen από των εν αύταϊς δηλουμένων πραγμάτων [ap

t n en

autais deloumen n pragm t n] "von der Art der durch sie bezeichneten Handlungen'

(BUTTMANN 1 8 7 7 : 2 0 0 ; UHLIG 1 9 1 0 : 3 4 6 ) .

3.

Komplikationen der Analyse: Frages t z e , indikativische Wunschs tze

Nach dem, was wir bisher geh rt

haben, k nnte es den Anschein ha-

ben, als w rden hier formale Kategorien auf eindeutige Weise mit inhaltlichen Leistungen verkn p f t , als w re zum Beispiel f r Apollonios jedes Vorkommen eines indikativischen

Verbs mit der Illo-

kution oder Sprechintention des δρίζεσθαι [ h o r i z e s t h a i ] , des Erkl rens, Sagens, Bestimmens gekoppelt. Da dem aber nicht so ist, bemerkt Apollonios selbst und zeigt dies unter anderem an Wunschs tzen und an Frages tzen. Dazu folgendes Zitat. Apollonios weist zun chst darauf h i n , da

Verben im Optativ in der Regel mit Ad-

verbien vorkommen, die den Wunsch zus tzlich signalisieren. Ein solches Adverb ist

εΓθε:

Vielleicht m chten in solchen Verbindungen die dabeistehenden Adverbia berfl ssig erscheinen, weil der Optativ seinem Wesen nach das είθε [eithe; 'Wunschadverb 1 ] schon in sich schliesst. Zwar in S tzen wie είθε έγραψε Τρύφων [eithe egrapse Tryph n; 'm ge Tryphon doch schreiben' - έγραφε: 3.P. S g . Aor. Akt. I n d i k a t i v ] , εύθε έλάλησε [eithe el lese; 'm ge er doch plaudern 1 - έλάλησε: ... I n d . ] und hnlichem ist klar dass είθε nothwendig ist, damit der Indikativ durch das dabeistehende Wunsch-Adverb die w nschende Bedeutung erhalte. Denn o f f e n b a r unterscheidet sich έγραφε Τρύφων ['Tryphon s c h r i e b ' ] von εύθε έγραφε Τρύφων [ s . o . ] . (BUTTMANN 1 8 7 7 : 2 0 3 ; UHLIG 1 9 1 0 : 3 5 0 f . ) Indikativformen k nnen also W nsche signalisieren, bed r f e n dann aber einer formalen Auszeichnung durch ein zus tzliches Adverb. Die 1:1-Zuordnung Modus - Illokution ist

auch aufgehoben im

Fall von indikativischen Frages tzen: Der ... Indikativ kann ... die ihm innewohnende Bejahung verlieren und ver ndert dann auch die (urspr ngliche) Benennung οριστική. E r wird nehmlich z u m I n t e r r o g a t i v u s [έπερώτησις - eper tesis ' F r a g e ' ] , indem er nach den Handlungen forscht, zB. wenn wir sagen: γέγραφας; [gegraphas?; 'hast du geschrieben?'] λελάληκας; [lel l§kas?; 'hast du g e p l a u d e r t ? ' ] ... So wird (aus dem ορισμός [horismos; 'Erkl r e n ' ] des Indikativs) der fragende Modus (έπερώτησις [ s . o . ] ) . (BUTTMANN 1877: 2 0 2 ; UHLIG 1910: 3 4 9 ) Aus diesem Zitat wird meiner Ansicht nach zweierlei deutlich. Zum einen die Gebundenheit des Apollonios an die Terminologie, die Formal-Ausdrucksseitiges mit Inhaltlichem verkn p f t . Da in Frages tzen der hier genannten Art von Erkl ren, Sagen, Bestimmen nicht die Rede sein kann und dennoch der Indikativ verwendet wird, erkl rt Apollonios, da

der Modus seine Benennung verliere. Inter-

8

essant ist nun, da Apollonios aber auch keinen neuen Modus-Namen einf hrt. Er spricht neutral von έπερώτησις 'Frage 1 - und nicht, wie der bersetzer es haben will, von einem "fragenden Modus". Nun haben aber, so erfahren wir von Choiroboskos, einem byzantinischen Grammatiker des 6. oder 7. nachchristlichen Jahrhunderts, der Vorlesungen ber die Syntax des Apollonios Dyskolos abhielt nun h tten aber bestimmte Philosophen auch eine ερωτηματική £γκλισις [er tematike" e . ] , einen Modus interrogativus, einen 'fragenden Modus', angesetzt. Choiroboskos weist dies zur ck mit dem Argument, es k nne keinen Modus interrogativus geben, επειδή ουκ £χει t iac φωνάς [epeid£ ouk echei idias ph n s] - 'weil er keine eigene Lautung h a t ' , formal also nicht von anderen Verbmodi unterschieden ist (UHLIG 1 9 1 0 : 3 4 9 ) . 4.

Deutung der Modi als Indikatoren der Sprechintention

Derselbe Choiroboskos, der einem Modus interrogativus soeben seine grammatische Existenzberechtigung abgesprochen hat, geh rt aber nun zu den Grammatikern, die nach Apollonios den Terminus δγκλισις neu gedeutet haben, βγκλισις bedeutete bei Apollonios nichts weiter als 'Biegung, Flexion"; es war der Name f r eine formale, dem Verbparadigma angeh rende Kategorie. Zwar sah er in den Modi, auf eine nicht ganz klare Weise, den Ausdruck einer gewissen ψυχική διάθεσις [psychik diathesis], eines "seelischen Verhaltens", wie Buttmann bersetzt (etwa am Anfang des ersten Zitats oben). ber die Deutung dieses Konzepts ist vor einigen Jahren eine gewisse Diskussion entstanden - zu verweisen ist auf die Aufs tze von HAHN ( 1 9 5 1 ) und KOLLER ( 1 9 5 8 ) . Eine Deutung dessen, was Apollonios unter der ψυχική διάθεσις verstanden haben k nnte, hat auch STEINTHAL (1891: 278-293) versucht. Nach alledem kann man sagen, da Apollonios um eine Beschreibung bem ht war, in der formale und inhaltliche Gesichtspunkte getrennt sind. Dies gelang ihm allerdings nicht immer. Wir haben vorhin von Frages tzen gesprochen, bei denen er der Verbform den Namen Indikativ absprach. Andererseits haben wir gesehen, da in indikativischen Wunschs tzen weiterhin vom Indikativ die Rede ist, der eine "w nschende Bedeutung" erh lt, und zwar durch das hinzugesetzte Adverb. Kriterium war f r Apollonios offenbar, ob

9

durch weitere formal, d . h . ausdrucksseitig fixierbare Elemente sozusagen die Last der Illokutionsanzeige mitgetragen wird und nicht allein auf die Modalform beschr nkt ist. Sobald zus tzliche lexikalische Elemente hinzutreten - dies ist bei den behandelten Wunschs tzen der Fall, nicht aber bei den in Betracht gezogenen Frages tzen -, gewinnt bei Apollonios die formale Seite die Oberhand. Dies l t sich besonders gut an seiner Behandlung des Modus coniunctivus, der υποτακτική £γκλισις [hypotaktike" e . ] , demonstrieren. Der Konjunktiv, so hei t es bei Apollonios, sei von einigen als Modus dubitativus, διστακτική £γκλισις [distaktik£ e . ] , bezeichnet worden. Das lehnt Apollonios ab, denn: ... dem l sst sich mit Grund entgegensetzen: dass die Verbalform selbst die Bedeutung des Zweifels nicht in sich schliesst, sondern dass die dabeistehenden Conjunktionen [ z . B . εάν in εάν γράφω - e n gr ph ; 'wenn ich schriebe'] ihm die zweifelnde Bedeutung erst verliehen haben ... (BUTTMANN 1877: 2 1 5 ; UHLIG 1910: 375) Und er f hrt dann eine Reihe weiterer Konjunktivkonstruktionen a u f , die alle ihren speziellen Inhalt aus der Konjunktion, mit der die S tze konstruiert sind, erhalten. Diese doch immerhin recht klare Scheidung, die Apollonios erreicht hatte, ging dann in sp terer Zeit wieder verloren. M glicherweise unter -dem Einflu von Autoren, die vor und nach Apollonios geschrieben hatten, wurde die formale Kategorie der έγκλισης von vornherein inhaltlich gedeutet, wenn auch gewisse R ckkoppelungen an die Ausdrucksseite erhalten blieben. So spricht der schon erw hnte Choiroboskos davon, da die £γκλισις eine ψυχική προαίρεσις [psychike" proairesis], eine 'seelische Neigung', eine 'seelische Absicht 1 sei. Er f hrt fort: "Die Seele bewegt sich in Richtung Erkl ren oder Befehlen oder W nschen oder Zweifeln." ( bersetzt nach dem Zitat in STEINTHAL 1891: 2 8 0 . ) Damit sind die Modi eindeutig mit dem, was wir modern Illokutionen oder Sprechintentionen nennen, identifiziert. Und zwar, wie es scheint, eineindeutig und ohne da die recht subtilen Unterscheidungen des Apollonios ber cksichtigt werden. Wie es zu einem solchen Umschlag gekommen sein mag, dar ber macht sich wiederum Steinthal Gedanken, die ich hier aber nicht ausf hrlich referieren kann. Sie m ten allerdings in einer unsere 'neuen' Gesichtspunkte miteinbeziehenden Geschichte der Grammatik ber cksichtigt werden.

10

5.

Ausblicke

Die Begriffsbildungen des Apollonios,

seiner Vorläufer und seiner

Nachfolger kann man unschwer in heutigen Grammatiken und in

vie-

len linguistischen Strömungen wiedererkennen. Sie haben sich auf eine genauer zu erforschende Weise in der gesamten abendländischen Grammatiktradition erhalten. Dies ist

auf vielerlei Weise

geschehen. Einerseits durch die lateinische Grammatik "Institutio de arte grammatica" des Priscianus aus dem 5 . / 6 . Jahrhundert, der in seinen syntaktischen Beschreibungen weitgehend auf Apollonios Dyskolos z u r ü c k g r e i f t . Andererseits, und wohl noch viel stärker, durch das schmale Bändchen der "Ars minor" des Donatus aus dem 4 . Jahrhundert,

das jahrhundertelang den Lateinunterricht

prägte und auch der Beschreibung anderer Sprachen zugrunde gelegt wurde. Und schließlich durch die

Adaptationen dieser beiden und

weiterer Werke, die die grammatische Beschreibung der zu Ehren gekommenen Nationalsprachen in A n g r i f f nahmen. Ich sehe in dieser Tradition ein stets mehr oder weniger unterschwellig vorhandenes Wissen von pragmatischen Dingen. So wurden die verbalen Modi, um die es hier ging, stets auch inhaltlich gedeutet - schon ihre Namen zeigen dies ja. Man wird aber aus heutiger pragmatischer Sicht bemängeln, daß die Ausdruck-InhaltsKoppelung viel zu eng gesehen wird. So setzt beispielsweise SEARLE (1969 / 1 9 7 1 : 51) ohne Zögern eine Illokution "Ja-Nein-Frage" an, die - besonders vom Englischen her gesehen - sozusagen Modus-unabhängig ist.

Und umgekehrt weist man dem Imperativ - der sich in

den meisten indogermanischen Sprachen als eigene formale Kategorie gehalten hat - mehr als nur eine einzige bestimmte Illokution 'Befehlen' zu: Daneben wären - unter der neutralen, umfassenden Kategorie 'Auffordern 1 - Illokutionen wie ' B i t t e n ' , 'Flehen' usw. anzunehmen. Mir scheint die Beschäftigung mit den frühen Grammatikern aber dennoch lohnend zu sein. Die Syntax des Apollonios Dyskolos etwa zeigt uns, daß schon sehr früh ein Schwanken festzustellen

ist

zwischen formaler, einzelsprachlicher Sprachbetrachtung, der eine inhaltliche Deutung im zweiten Schritt folgt, und einer mehr inhaltsbezogenen Betrachtung, die Inhalte sekundär mit Ausdruckskategorien koppelt. Wenn man so will, liegen hier die Wurzeln für

11

die Unterscheidung und auch für die Vermischung von Semasiologie und Onomasiologie, von interpretativer und generativer Semantik., von ausdrucksbezogener Deutung und a priori, universell etablierten Illokutions- oder Sprechintentionskatalogen, von Hörer- und Sprecherperspektive. Welche dieser Alternativen man wählt oder ob man eine Synthese versucht, scheint mir weitgehend von praktischen Zwecken und Absichten der Sprachanalyse bestimmt.

Anmerkungen *

Für den Druck redigierte Fassung meines Habilitationsvortrags vom 19. Dezember 1979 (Philosophische Fakultäten der Universit ä t Freiburg i . B r . ) .

1

BEKKER ( 1 8 1 6 ) .

2

Die maßgeblichen Textausgaben sind für Dionysios Thrax: UHLIG ( 1 8 8 3 ) , für Apollonios Dyskolos: UHLIG ( 1 9 1 0 ) . - Allgemein orientierende Literatur in Auswahl: STEINTHAL ( 1 8 9 1 : K a p . 2 ) , GUDEMANN ( 1 9 1 2 ) , MURRAY ( 1 9 4 6 ) , ROBINS ( 1 9 5 1 : K a p . 1 , 1 9 6 7 : K a p . 2 ) , SCAGLIONE ( 1 9 7 0 ) , PINBORG ( 1 9 7 5 ) , AMIROVÄ/OL'CHOVIKOV/ R02DESTVENSKIJ ( 1 9 8 0 : 8 8 - 1 0 1 ) .

Literatur AMIROVA, T. A. / OL'CHOVIKOV, B. A. / ROÄDESTVENSKIJ, Ju. V. ( 1 9 8 0 ) : Abriß der Geschichte der Linguistik. Ins Deutsche übersetzt von Barbara Meier, herausgegeben von Georg Friedrich Meier. Leipzig: VEB Bibliographisches Institut. BEKKER, Immanuel ( 1 8 1 6 ) : Anecdota graeca. Volumen secundum. Apollonii Alexandrini de coniunctionibus et de adverbiis libri. Dionysii Thracis grammatica. Choerobosci, Diomedis, Melampodis, Porphyrii, Stephani in earn scholia. Berlin: Reimer. BUTTMANN, Alexander ( 1 8 7 7 ) : Des Apollonios Dyskolos vier Bücher über die Syntax. Übersetzt und erläutert von Alexander Buttmann. Berlin: Dümmler. GUDEMANN ( 1 9 1 2 ) : "Grammatik". Paulys Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft. Neue Bearbeitung. [ . . . ] Siebenter Band: Fornax - Helikeia. Stuttgart: Metzler: Sp. 1780-1811 . HAHN,

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Der Kleine Pauly ( 1 9 7 5 ) : Der Kleine Pauly. Lexikon der Antike. Auf der Grundlage von P a u l y ' s Realencyclopädie der classi-

12

sehen Altertumswissenschaft [ . . . ] . Band 2: Dicta Catonis luno. München: Druckenmüller (Artemis). - Nachdruck: München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1979. KOLLER, Hermann ( 1 9 5 8 ) : "Die Anfänge der griechischen Grammatik". Glotta 37: 5-40. MURRAY, Gilbert ( 1 9 4 6 ) : "The beginnings of grammar, or first attempts at a science of language in Greece". MURRAY, Gilbert: Greek studies. London: Oxford University Press: 171-191. PINBORG, Jan ( 1 9 7 5 ) : "Classical antiquity: Greece". SEBEOK, Thomas A. ( e d . ) : Current trends in linguistics. Volume 13: Historiography of linguistics. The Hague etc.: Mouton: 69-126. ROBINS, R. H. ( 1 9 5 1 ) : Ancient & medieval grammatical theory in Europe. With particular reference to modern linguistic doctrine. London: Bell. ( 1 9 6 7 ) : A short history of linguistics. London: Longmans. SCAGLIONE, Aldo D. ( 1 9 7 0 ) : Ars grammatica. A bibliographic survey [ . . . ] . The Hague etc.: Mouton. SCHLIEBEN-LANGE, Brigitte ( 1 9 7 5 ) : Linguistische Pragmatik. Stuttgart etc.: Kohlhammer. SEARLE, John R. ( 1 9 6 9 ) : Speech acts. An essay in the philosophy of language. London: Cambridge University Press. - Ubers.: Sprechakte. Ein sprachphilosophischer Essay. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1971. STEINTHAL, Hteymann] ( 1 8 9 1 ) : Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern mit besonderer Rücksicht auf die Logik. Zweiter Teil. Berlin: Dümmler, 2.A. - Nachdruck: Hildesheim: Olms, 1971. UHLIG, Gustav ( 1 8 8 3 ) : Dionysii Thracis ars grammatica qvalem exemplaria vetvstissima exhibent. Svbscriptis discrepantiis et testimoniis qvae in codicibvs recentioribvs scholiis erotematis apvd alios scriptores Interpretern Armenivm reperivntvr edidit Gvstavvs Vhlig. Praemissae svnt praeter prolegomena: Adalbert! Merxii de versione Armeniaca dispvtatio atque Syrii interpretis lectiones. Svbiecta svnt: Svpplementa artis Dionysianae vetvsta indices tabvlae photolithographicae dvae. Leipzig: Teubner. - Nachdruck (Grammatici Graeci 1 , 1 ) : Hildesheim: Olms, 1979. - Teilweise übersetzt in: ARENS, Hans: Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart. Band 1: Von der Antike bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Nachdruck der 2. Auflage 1969. Frankfurt am Main: Athenäum Fischer Taschenbuch Verlag, o.J. [ 1 9 7 4 ] : 22-28. - Vollständig (von mir) übersetzt in: WEBER, Heinrich ( e d . ) : Texte zur Geschichte der Grammatik. Tübingen, 1980: 3-19 ( v e r v i e l f . ) . ( 1 9 1 0 ) : Apollonii Dyscoli qvae svpersvnt. Recensvervnt apparatvm criticum commentarivm indices adiecervnt Richardvs Schneider et Gvstavvs Vhlig. Volvmen altervm: Apollonii Dyscoli de constrvctione libri qvattvor. Recensvit apparatv critico et explanationibvs instrvxit Gvstavvs Vhlig. Adiectae svnt tabvlae phototypicae dvae. Leipzig: Teubner (Grammatici Graeci 11,2). - Nachdruck: Hildesheim: Olms, 1979.

LINGUISTISCHE THEORIEBILDUNG UND SPRACHLICHE VARIETÄTEN Kirsten Nabrings

Hand in Hand mit dem Aufstieg der generativen Transformationsgrammatik innerhalb der Linguistik hat eine Art Spaltung der Sprachwissenschaft in zwei Lager stattgefunden, die grob mit den Schlagworten 'Systemlinguistik 1 versus 'Sprachsoziologie* oder 'Soziolinguistik' charakterisiert werden kann. Die Wahl des Terminus 'Sprachsoziologie' als Gegenbegriff zur Systemlinguistik ist dabei allerdings anfechtbar; weiter gefaßt handelt es sich um den Gegensatz zwischen den unter dem Homogenitätspostulat arbeitenden Linguisten gegenüber denen, die die natürliche Heterogenität jeder Einzelsprache in den Vordergrund stellen und der Systemlinguistik den Vorwurf machen, unhaltbare Idealisierungen bezüglich ihres Erkenntnisobjekts vorgenommen zu haben. Worin besteht nun die sachliche Kontroverse, die die beiden Lager trennt? Einerseits ist es evident, daß die Heterogenität der Sprache nicht geleugnet werden kann. Das Bestehen von Dialekten innerhalb einer Einzelsprache, aktuelle Sprachwandlungsprozesse, das Vorkommen unterschiedlicher Soziolekte usw. u s f . , kurz die Existenz sprachlicher Varietäten, ist ein Phänomen, dessen Bedeutung für die sprachliche Verständigung niemand bestreiten wird. Auch Saussure, auf den das Homogenitätspostulat zurückgeht, leugnete mit der Forderung, sich auf die Beschreibung der langue, die ein homogenes System darstelle, zu konzentrieren, natürlich nicht die Existenz dieser Erscheinungen. Ihre Untersuchung weist er allerdings einer "linguistique externe" zu und erklärt die Analyse eines synchron funktionierenden homogenen Sprachsystems zur alleinigen Aufgabe der "linguistique interne", d.h. der Linguistik, soweit sie eine autonome Disziplin darstellt. Der sachliche Dissens besteht also keineswegs in einem Streit über die Anerkennung gewisser Phänomene, vielleicht nicht einmal in Meinungsverschiedenheiten über deren praktische Relevanz, sondern allein in den unterschiedlichen Auffassungen darüber.

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was den Gegenstand einer linguistischen Theorie bilden kann. Die mögliche Konsequenz, die Dialektologen, Sprachsoziologen usw. aus der Saussureschen Konzeption ziehen könnten, läge darin, die sie interessierenden Fragen, wenn sie denn nicht zur Linguistik finierenden quenz wird weil damit herzugehen

i.e.S. gehören sollen, innerhalb einer anders zu deWissenschaft weiter zu behandeln.. Eine solche Konsejedoch in der Regel schon deswegen nicht gezogen, eine Abwertung der eigenen Untersuchungsrichtung einscheint und Fragestellungen aus der Linguistik 'ver-

stoßen 1 werden, die doch einmal im Zentrum dieser Disziplin gestanden haben. Es ist allerdings nicht allein die Prestige-Frage 'Wer vertritt die (wahre) Linguistik? 1 , die hier zu Unstimmigkeiten f ü h r t » Wichtiger erscheint noch die Frage, ob Variation in der Sprache regelhaft beschreibbar ist und welche Folgerungen in bezug auf ihre Zuordnung zu langue / Kompetenz bzw.. parole / Performanz hieraus zu ziehen sind. Da diese Frage in der Regel im Rückgriff auf Chomskys Dichotomie behandelt wird, ist zunächst in Erinnerung zu rufen, daß Chomsky allein das der Sprachverwendung zugrunde liegende Regelsystem, d..h. die Kompetenz, zum Untersuchungsobjekt der Linguistik erklärt. Natürlich leugnet auch Chomsky nicht, daß die Untersuchung der Sprachkompetenz keine hinreichenden Aufschlüsse über den Gebrauch, den Sprecher von ihrer Sprache machen, geben kann. Hierfür muß man vielmehr "die wechselseitige Beeinflussung einer Vielzahl von Faktoren in Betracht ziehen, von denen die zugrunde liegende Kompetenz des Sprecher-Hörers nur einen darstellt." (CHOMSKY 1965 / 1969; 14) Was Chomsky an näheren Erläuterungen zur Kennzeichnung der Faktoren, die die Sprachverwendung beeinflussen, beibringt, bet r i f f t nun allein Fehler und Störfaktoren wie "falsche Ansätze, Abweichungen von Regeln, Abänderungen der Strategie mitten im Sprechen usw." (CHOMSKY 1965 / 1969: 14) Zudem scheinen für CHOMSKY ( 1 9 6 5 / 1 9 6 9 : 21) "die einzigen konkreten Ergebnisse und die einzigen klaren Überlegungen" bezüglich einer Theorie der Sprachverwendung aus Studien zu stammen, "die von solchen Sprachverwendungsmodellen ausgehen, die jeweils spezifische Arten generativer Grammatiken in sich einschließen", wobei er insbeson-

15 dere an Untersuchungen über Organisation und Begrenztheit des Gedächtnisses, über die Ausnutzung sprachlicher Mechanismen zur Bildung abweichender Sätze u.a. denkt, d . h . also durchweg auf Faktoren der psychischen Struktur und Verfassung eines einzelnen Sprechers abzielt. Damit werden zwar auch empirisch faßbare Regelmäßigkeiten des Sprachverhaltens benannt, jedoch nicht der Sprachverwendung zugrunde liegende R e g e l n erfaßt, d i e s o zial normierten Mustern entsprächen. Das der Sprachverwendung zugrunde liegende Regelsystem, über das der Sprecher-Hörer verfügt, bezeichnet dagegen die - sprachliche - Kompetenz; an Regeln für das Sprachverhalten kommen bei Chomsky also nur die Regeln der generativen Grammatik in den Blick. Damit wird - zumindest implizit - das Bestehen oder die Relevanz anderer Regeln, die den Sprachgebrauch leiten, in Abrede gestellt. Der auf dieser Basis zu rekonstruierende Dissens zwischen Systemlinguistik und Sprachsoziologie betrifft nun die Frage, ob das Sprachverhalten als noch durch andere Regeln gesteuertes zu begreifen ist und ob die Heterogenität einer Einzelsprache als geordnete - durch Regeln beschreibbare - Heterogenität erfaßt werden kann. Die Abwendung von Chomskys Modell basiert damit nicht mehr auf dem Argument, mit ihm könne die faktische Heterogenität der Sprache nicht beschrieben werden, sondern auf der Annahme, diese Heterogenität sei regelhaft.. Gefordert wird damit die Aufgabe der Identifikation von Strukturiertheit und Homogenität, die auch dem Systembegriff Saussures zugrunde liegt, "der Variation nicht als synchrone und regelhafte Tatsache konzipieren kann" (BIERBACH 1978 7 5 ) . Der Nachweis, daß sprachliche Variation regelhaft beschreibbar ist, ist längst geführt, und Weiterentwicklungen der generativen Grammatik nehmen Variation systematisch in die Rekonstruktion des Regelsystems einer Sprache auf. Allerdings arbeitet man in diesen Versuchen noch immer mit der Dichotomie Kompetenz - Performanz, wobei das Problem, welchem Bereich die Variation denn nun zugeschlagen werden soll, o f f e n ist. Z . T . begnügt man sich mit dem Hinweis, daß die Sprachverwendung eben systematischere Züge zeigt, als Chomsky das angenommen hatte, und ordnet Variation damit der Performanz zu; auf der anderen Seite wird die

16

These vertreten, daß das Wissen um Regularitäten in jedem Fall der Kompetenz zugewiesen werden muß. Beide Lösungen bleiben unbefriedigend, da sowohl der Begriff der Kompetenz als auch der der Performanz inhaltlich so bestimmt sind, daß die systematische Erfassung von Variation in ihnen keinen Platz hat. So müßte man mindestens einen der Begriffe umdefinieren. Dies hätte aber nur dann Sinn, wenn dabei gleichzeitig der Nachweis geführt würde, daß die herkömmlichen Begriffe Kompetenz und Performanz Größen bezeichnen, die sich für die Beschreibung und Analyse irgendwelcher Aspekte der Sprache und des Sprachgebrauchs als unfruchtbar erwiesen haben. Ich denke, daß man dies nicht behaupten kann, so daß die Kritik an den Dichotomien langue und parole bzw.. Kompetenz und Performanz nicht auf der These beruht, daß hier unzutreffende Abgrenzungen vorgenommen werden, sondern darauf, daß diese Modelle nicht genügend Differenzierungen erlauben. Infolgedessen erscheint es erforderlich, eine Zwischenebene einzuführen» Die Versuche einer Revision der Dichotomien und der Einführung einer weiteren Ebene der Sprachbetrachtung sind nun nicht neu* Vielmehr ist schon in Auseinandersetzung mit Saussure verschiedentlich auf die Schwächen des zweigliedrigen Modells hingewiesen worden und ebenso sind die Schwierigkeiten, die sich aus der Unterscheidung von Kompetenz und Performanz ergeben, - in der Regel ohne Rückgriff auf die Auseinandersetzung um Saussure schon aufgedeckt worden. Die Schwerpunkte der Kritik setzen dabei an unterschiedlichen Stellen an. Die kritischen Argumente gegen die Saussuresche Dichotomie, die Coseriu aufgegriffen und diskutiert hat und auf deren Grundlage er eine Revision des Modells mit den Komponenten System Norm - Rede vorschlägt, gehen davon aus, daß es in einer Sprache nicht nur die funktioneilen Oppositionen zwischen Elementen des Systems gibt, die im Sprechen in unendlich verschiedener Weise substantiell realisiert werden, sondern daß es daneben typische, übliche Muster der Realisation gibt, die vom System her nicht vorgeschrieben sind und insofern funktionell irrelevant bleiben, die aber als normale und konstante Elemente der Sprache angesehen werden müssen.. Nicht vom Problem der strukturellen Beschreibung der Sprache

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selbst ausgehend, sondern von der Sprachsoziologie und Pragmatik herkommend, haben verschiedene Autoren die Dichotomie Chomskys um eine zusätzliche Komponente zu ergänzen gesucht. Dabei stand im Vordergrund die Überlegung, daß ein Sprecher - ausgestattet mit der sprachlichen Kompetenz, d.h. der Fähigkeit, unendlich viele richtige Sätze in seiner Sprache zu bilden - noch nicht in der Lage ist, real zu kommunizieren, d.h. solche Sätze auch adäquat zu verwenden. Gegenüber Chomsky wird dabei hervorgehoben, daß die Sprachverwendung nicht eine mit gewissen Defekten ausgestattete Abbildung der - sprachlichen - Kompetenz ist, sondern daß ein Sprecher, um überhaupt grammatisch gebildete Sätze in Äußerungen umformen zu können, die Fähigkeit besitzen muß, in Redesituationen einzutreten, ja diese überhaupt erst hervorzubringen. Die Annahme, daß der Sprecher wissen muß, wie er die entsprechend seiner sprachlichen Kompetenz gebildeten Sätze in Interaktionssituationen einsetzen und wie er seine kommunikativen Intentionen mittels solcher Sätze verwirklichen kann, bildet den Ausgangspunkt der Theorie der kommunikativen Kompetenz. Während nun bei HABERMAS ( 1 9 7 1 ) die 'allgemeinen Strukturen möglicher Redesituationen' untersucht werden sollen und so das Konzept einer Universalpragmatik entworfen wird , wird in anderen Ansätzen hervorgehoben, daß kommunikative und (einzel)sprachliche Kompetenz nicht als isolierte Größen nebeneinanderstehen, sondern der Erwerb und die Kenntnis einer Einzelsprache bereits angelegt sind auf deren Verwendung in Interaktionssituationen. Die möglichen Redesituationen erscheinen dabei als konkret gesellschaftlich vermittelte 'Lebenspraktiken 1 , so daß das Konzept der kommunikativen Kompetenz erweitert wird auf die Forderung nach Einbeziehung der 'sozialen Kompetenz*. Neben der Kenntnis der allgemeinen Strukturen und Regeln einer Einzelsprache und der allgemeinen Fähigkeit, in Kommunikation einzutreten, wird damit das Wissen des Sprechers um die spezifischen Gewohnheiten, Normen und Muster des Sprachgebrauchs in einer einzelnen Gesellschaft zum Untersuchungsobjekt erhoben. Auf dieser Grundlage ist es nun auch möglich, eine Verbindung zwischen Überlegungen zur Heterogenität der Sprache, d.h. Analysen der Struktur einer Einzelsprache, und dem Konzept der kommu-

18

nikativen Kompetenz herzustellen. Folgt man allein den Überlegungen von Habermas, so ist die Bedeutung des Begriffs 'kommunikative Kompetenz 1 für die Analyse einer Einzelsprache in der Tat schwer einsehbar zu machen, da hier doch allein die universale Fähigkeit zur Kommunikation in den Blick kommt, wobei die

spe-

zifischen sprachlichen Äußerungsformen, auf die dabei verwiesen wird (deiktische Ausdrücke, Pronomina, performative Verben u s w . ) gerade nicht einzelsprachlich gebundene Typen repräsentieren sollen. Zudem käme es natürlich bei der Untersuchung der Fähigkeit zur Kommunikation nicht nur auf eine Analyse der Verwendung sprachlicher Elemente an, sondern hierher gehört wesentlich die Untersuchung unterschiedlicher Formen der menschlichen Kommunikation und ihrer Wechselbeziehungen. Will man dagegen dem Programm, wie es etwa Hymes und Wunderlich vorgeschlagen haben, folgen,

so geht es darum, folgende An-

nahmen konkret faßbar zu machen: In der kommunikativen Kompetenz eines zu einer bestimmten Sprachgemeinschaft gehörigen Individuums drücken sich die "faktischen kulturell-sozial abhängigen Kommunikationsmöglichkeiten gerade dieser Sprachgemeinschaft

aus.

Das heißt: in der kommunikativen Kompetenz einzelner Personen findet das System von sozialen Erwartungen und Kontrollen, das das sozial-kommunikative Verhalten der Umweltspersonen leitet, seinen Niederschlag" (WUNDERLICH 1972: 6 5 ) . Die Analyse der kommunikativen Kompetenz in diesem Sinn hat zum Ziel, das Wissen um die sozial verbindlichen Formen des Sprachgebrauchs von Sprechern bzw.

Sprechergruppen

zu beschreiben. Da hier das 'System der so-

zialen Erwartungen und Kontrollen' im Hintergrund steht, ordnet sich diese Analyse eher der Soziologie als der Pragmatik unter, freilich wird dabei nur ein Teilgebiet der sozialen Kompetenz zum Untersuchungsobjekt gewählt. Nicht nur die unterschiedliche Verwendung des Begriffs

kommu-

nikative Kompetenz, d.h. die Tatsache, daß so unterschiedliche Akzente gesetzt werden, sondern auch der begriffliche Aufschlußwert des Terminus selbst lassen es sinnvoll erscheinen, für die hier behandelten Ebenen andere Bezeichnungen zu wählen. Bevor ich meinen eigenen Vorschlag darstelle, möchte ich noch auf HYMES 1 ( 1 9 7 1 ) Unterscheidungen eingehen, an dessen Überlegungen ich mich

19

z.T. anschließe. Hymes unterscheidet vier verschiedene Arten von Urteilen über Äußerungen: 1) ob etwas formal möglich

ist.

Da entsprechend einer solchen Frage entschieden werden kann, ob eine Äußerung den vom System der Sprache zugelassenen ten entspricht oder nicht, ob sie grammatisch ist

Möglichkei-

oder nicht,

könnte man davon sprechen, daß der Sprecher hier nach seiner sprachlichen Kompetenz (im Sinne Chomskys) entscheidet. 2) ob etwas ausführbar

ist.

Nicht alles, was formal möglich ist,

kann auch realisiert werden.

Bei der Sprachproduktion kommen insbesondere "psycholinguistische Faktoren wie Gedächtnisbegrenzung, Perzeptionsmechanismen" usw. (HYMES 1971 / 1978: 3 1 4 ) zum Tragen. Diese Ausführbarkeit struktureller Möglichkeiten bezeichnet Hymes mit dem Terminus "feasibility" . 3) ob etwas angemessen (appropriate) "Der

ist.

Begriff der Angemessenheit ruft unmittelbar die gewünschte

Assoziation des Bezugs auf Kontextmerkmale hervor. ... Vom kommunikativen Standpunkt beziehen sich die Urteile weder allein auf den sprachlichen noch allein auf den kulturellen Bereich; beide werden sich vielmehr überschneiden, wenn sie nicht gar weitgehend zusammenfallen"

(HYMES 1971 / 1978: 3 1 5 ) . Ob eine Äußerung ange-

messen ist oder nicht, b e t r i f f t also die Frage nach den sozialen Normen der Sprachverwendung^ 4) ob etwas ausgeführt wird. Hier geht es um Urteile, die aufgrund der Kenntnis von Auftretenswahrscheinlichkeiten abgegeben werden können. Eine Äußerung kann grammatisch korrekt, leicht bildbar und verständlich sein und gegen keine sozialen Normen verstoßen, und trotzdem nur ten vorkommen. Da das Unübliche und Ungewohnte allerdings oft

selin

bestimmter Weise bewertet wird, liegt eine enge Verbindung zum Angemessenheitskriterium vor, d.h. seltenere Äußerungsformen können leicht eine soziale oder stilistische Markierung erhalten. Man könnte mit Searle annehmen, daß es eine Regel gibt, die etwa besagt: 'Sprich normal!' bzw. 'Bediene dich einer Ausdrucksweise, die der Kommunikationssituation angemessen ist!' Der Analyse der Performanz, verstanden als "konkrete Sprach-

20

Verwendung in konkreten Situationen", steht damit nach HYMES (1971 / 1978: 319) eine "breit angelegte Theorie der Kompetenz" gegenüber, in der zu zeigen ist, "in welcher Weise das vom System her Mögliche, Ausführbare und Angemessene zusammenwirken, um konkretes kulturelles Verhalten zu produzieren und zu interpretieren." Da Gegenstand einer solchen Theorie auch Muster der V e r w e n d u n g von Sprache, die durch psychische und soziale Faktoren beeinflußt werden/sind, führt Hymes hier den Begriff der "competence for use" ein. Es bleibt nun zu fragen, inwieweit die von Hymes unterschiedenen Urteilsformen über Äußerungen innerhalb der linguistischen Analyse von Einzelsprachen berücksichtigt worden sind bzw. berücksichtigt werden können. Was die Urteile über das formal Mögliche, die Frage nach der Grammatikalitat von Äußerungen, angeht, so entspricht dies dem Konzept der sprachlichen Kompetenz, wie Chomsky es verstanden hatte, und erfordert vom Linguisten also eine grammatische Beschreibung der Sprache. Die Ausführbarkeit sprachlicher Äußerungen scheint in das Gebiet der Psycholinguistik zu fallen. Auch diese leistet keine Analyse der Performanz, sondern versucht, empirische Regelmäßigkeiten der Sprachverwendung zu ermitteln, soweit sie durch die Struktur des menschlichen Gehirns beeinflußt wird. Das, was Hymes als soziale Angemessenheit und Ausführungswahrscheinlichkeit bezeichnet, fällt nun in den Bereich der verschiedenen Forschungsansätze, die sich mit der Analyse sprachlicher Varietäten befassen und die eine differenziertere Beschreibung einer Einzelsprache zu geben suchen, indem sie die für unterschiedliche Kommunikationsbereiche charakteristischen 'Sprachbräuche 1 oder 'Sprachgebräuche' in die Beschreibung aufnehmen. Die Untersuchung von Häufigkeitsverteilungen und selbst die Beschreibung von sprachlich sozialen Normen scheint allerdings zunächst auch bezüglich einer Einzelsprache insgesamt (also verstanden als 'homogenes Gebilde 1 ) durchgeführt werden zu können, und auf dieser Annahme baut das Coseriusche Konzept der Normebene auf. Hier wird nämlich die konkrete Vielfalt der aktuellen Äußerungen der 'Rede', das formal Mögliche dem 'System 1 zu-

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geordnet, und das, was nicht nur möglich ist oder aber zuweilen vorkommt, sondern in einer Sprache 'gebräuchlich' oder 'üblich' ist, wird der Ebene der 'Norm' zugewiesen. Wenn man nun davon ausgeht, daß es eine einzige, d i e Norm (im Sinne Coserius) der Sprache gibt, dann kommt eine präskriptive Komponente ins Spiel. In diesem Fall wird nämlich die - in der Regel kodifizierte - Norm, die durch die Prestige-Varietät (Gemeinsprache, Hochsprache, . . . ) gesetzt wird, als alleiniger Maßstab dafür angesehen, was in einer Sprache 'üblich* ist, wobei die übrigen - unterschiedlichen - Normen oder Sprachgebräuche, die für andere Sprechergruppen oder für andere Kommunikationsbereiche Geltung haben, vernachlässigt werden. Deren Berücksichtigung macht jedoch gerade das Ziel von Untersuchungen aus, die die Heterogenität einer Einzelsprache ins Auge fassen, und so möchte ich vorschlagen - Coseriu scheint in dieser Frage nicht ganz entschieden -, daß die Norm im Sinne Coserius einer bestimmten Ebene entspricht, der die unterschiedlichen 'Sprachbräuche 1 , die Varietäten einer Sprache, zugeordnet werden müssen. Das Wissen, das ein Sprecher von diesen Varietäten, den konventionellen und sozial verbindlichen Mustern des Sprachgebrauchs oder den 'Sprachbräuchen 1 seiner Sprachgemeinschaft hat, ist notwendig, um in einer Gesellschaft sprachlich angemessen handeln zu können. Die Fähigkeit, die für bestimmte Situationstypen angemessenen Äußerungsmuster zu unterscheiden, bildet daher eine notwendige Voraussetzung für die konkrete Sprachverwendung in konkreten Situationen. Entsprechend diesen Vorstellungen ist das gängige sprachtheoretische Modell sowohl hinsichtlich der Sprache als auch hinsichtlich des Sprecher-Hörers um eine Zwischenebene zu erweitern : System Varietäten

Sprachkompetenz Sprachgebrauchskompetenz

Äußerungen Realisation des Sprachverwendung, Performanz Sprachsystems

22 Anmerkungen 1

Vgl. hierzu vor allem COSERIU (1952

/ 1975).

2

Vgl. bes. HABERMAS ( 1 9 7 1 ) .

3

Das läßt zudem die Interpretation zu, daß die kommunikative Kompetenz z u r Sprachkompetenz h i n z u trete, d a s i e e s ermöglichen soll, fertig gebildete Sätze "in Äußerungen zu transformieren" (HABERMAS 1971: 1 O 3 ) .

4

Vgl. SEARLE ( 1 9 7 5 : 7 6 ) , wo es heißt: "Speak idiomatically unless there is some special reason not to."

5

Vgl. hierzu und zum gesamten Themenkomplex der Varietäten NABRINGS ( 1 9 8 1 ) .

6

Dabei ist natürlich auch die Ebene der konkreten Erscheinungen selbst, der Äußerungen also, als zweigeteilt zu betrachten.

sprachlichen

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PROBLEME

DER HISTORIOGRAPHISCHEN BESTIMMUNG DER LINGUISTIK

Peter Schmitter

Die Frage, was denn eigentlich Linguistik ist,

stellt sich natür-

lich einerseits für jeden Linguisten, andererseits aber in besonderem Maß dem Wissenschaftstheoretiker, der sich mit dem Problem der Autonomie des Faches auseinandersetzt, sowie dem Wissenschaftshistoriker. Wer nämlich eine 'Geschichte der Sprachwissenschaft 1 oder auch nur eine Teilgeschichte schreiben will, muß sich über den Objektbereich seiner Untersuchung klar sein und entscheiden, was als zur Sprachwissenschaft hinzugehörig in die Darstellung aufgenommen werden soll. Wenn man die Geschichten der Linguistik nun auf die dort verwendeten Kriterien zur Bestimmung des Objektbereichs hin untersuchen will, steht man vor der Schwierigkeit, daß diese Kriterien in der Regel überhaupt nicht explizit gemacht werden, die Historiographien also gar nicht zu erkennen geben, weshalb sie einen bestimmten Autor oder Text in ihrer geschichtlichen Darstellung erwähnen oder nicht.. Man muß sich daher nach einem Fall umsehen, bei dem der Geschichtsschreiber sich weitgehend dazu veranlaßt f ü h l t , sein Vorgehen zu legitimieren. Ein solcher Fall scheint das Problem des Anfangs der Sprachwissenschaft zu sein, das wir daher hier als exemplarischen Musterfall analysieren wollen. Bei dieser Analyse zeigt sich, daß man sich in 9 von 22 untersuchten Darstellungen dafür entscheidet, den Beginn der Sprachwissenschaft in einer einzigen Epoche, und zwar in der Antike, anzusetzen. Demgegenüber steht jedoch eine zweite, etwas größere Gruppe von Historiographen, die nicht einen, sondern zwei verschiedene Ansatzpunkte annimmt. Diese sehen nun einerseits einen 'eigentlichen' Anfang der Linguistik im 19. oder auch im 2O. Jahrhundert und betrachten dementsprechend das davorliegende Den2 ken bis hinunter zur Antike lediglich als Vorstufe dazu. Andererseits gibt es auch solche, für die gewissermaßen umgekehrt der eigentliche Beginn in der Antike liegt und im 19. Jh. nur die Institutionalisierung als eigenständiges Fach stattgefunden hat. Schließlich ist noch eine dritte Gruppe zu erwähnen, die sich

24

überhaupt nicht auf das Problem, einen konkreten Anfang der Linguistik anzugeben, einläßt und es stattdessen vorzieht, innerhalb der historischen Entwicklung von verschiedenen Phasen mit 4 unterschiedlichen Fragestellungen zu sprechen. Innerhalb der neueren Historiographie herrscht jedoch nicht nur ein Dissens in bezug auf die Epoche, in der der Anfang der Linguistik anzusetzen ist, sondern ebenfalls in der Frage, mit welchem Autor oder Werk man dann innerhalb einer Epoche die Geschichte des Fachs beginnen läßt. Nimmt man z . B . die Geschichten, die den Beginn in der Antike sehen, so steht an ihrem Anfang einmal ein Hinweis auf das alttestamentliche Buch "Genesis", ein anderes Mal die Erwähnung der altindischen Sprachbetrachtung, dann wieder ein Bericht über die Sprachphilosophie des Heraklit von Ephesus oder eine mehr oder weniger ausführliche Bezugnahme auf den platonischen "Kratylos". Wieder andere beginnen mit der Behandlung sprachlicher Fragen im alten Ägypten und in Mesopotamien (Sumerer und Akkader) oder im antiken China. Damit sind wir auf den phänomenologiscnen Befund gestoßen, daß es in der Geschichtsschreibung der Linguistik keine Einigkeit in der Beantwortung der Frage nach dem Anfang dieses Faches gibt. Dieses Ergebnis verlangt eine Erklärung, und die Ursache für den Dissens kann nur darin liegen, daß die Historiographen mit unterschiedlichen Kriterien operieren. Sehen wir uns daher die in den untersuchten Darstellungen explizit gemachten oder auch nur implizit enthaltenen Kriterien an, so lassen sich dort vier mehr oder minder eng umrissene Bereiche unterscheiden. Im ersten Fall wird die Zuordnung zur Sprachwissenschaft aufgrund d e s behandelten O b j e k t b e r e i c h s vorgenommen. Die bloße Beschäftigung mit einem Sprachproblem gilt hier als (hinreichendes) Kriterium, um einen Autor, ein Werk oder ein Dokument in die Geschichte der Linguistik aufzunehmen und damit als sprachwissenschaftlich relevant zu charakterisieren. Allerdings bestehen im einzelnen erhebliche Unterschiede in der Auffassung, wann man das Kriterium des Objektbereichs erfüllt sieht, d . h . bei welcher Art von Äußerung und welcher Thematik man von einer Beschäftigung mit sprachlichen Problemen sprechen zu können glaubt. So kommt es, daß man einmal schon eine mythische Erzählung oder Sprachdeutung für erwähnenswert erachtet, ein anderes Mal erst

25

ein philosophisches Fragment oder die Erfindung der Schrift und wieder ein anderes Mal die Entwicklung der deskriptiven Grammatik. Wo man den Anfang sieht, hängt also davon ab, welcher Fragestellung man innerhalb des allgemeinen Objektbereichs Sprache die ausreichende Dignität zumißt, um mit ihr die Geschichte des Faches anheben zu lassen. Ein zweiter bedeutender Unterschied besteht darin, welcher Grad von Relevanz mit dem Kriterium des Objektbereichs verknüpft wird, d.h. ob man das Vorliegen sprachlicher Thematik bereits als ausreichend betrachtet, um vorbehaltlos von Sprachwissenschaft zu sprechen, oder ob man dieses Kriterium als zu weit ansieht, um den linguistischen Bereich zu definieren, und deshalb erst, wenn weitere Kriterien e r f ü l l t sind, von eigentlicher Sprachwissenschaft reden möchte. Ein zweites Kriterium wird angesprochen, wenn man z . B . auf die "vraie methode de recherche" (GREGOIRE 1948: 1 6 7 ) , die "systematische Erforschung der Sprache" (ROBINS 1973: 5) oder "eine Kontrollmethode für die Hypothesen" (GRAUR 1974: 20) rekurriert, um zu begründen, weshalb man die Linguistik mit einem bestimmten Werk bzw. zu einer bestimmten Zeit beginnen läßt. In diesen Fällen wird das Prädikat, 'Sprachwissenschaft 1 zu sein, erst dann verliehen, wenn eine Untersuchung nicht nur die Sprache zum Objekt hat, sondern dieses Objekt auch 'methodisch* angeht. Wie nicht anders zu erwarten, gehen freilich auch hier die Meinungen darüber auseinander, wann das Kriterium der M e t h o d iz i t ä t erfüllt ist. Um n u r drei konträre Positionen anzuführen, sieht R . H . ROBINS (1973: 5) ihm bereits durch die "systematische Erforschung der Sprache" im "Griechenland der Antike" Genüge getan, während etwa A. GREGOIRE ( 1 9 4 8 : 1 6 7 , 17O) erst im Zusammenhang mit der Entwicklung der historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft zu Beginn des 19. Jh.s das Kriterium der Methodizität erfüllt sieht und U. MAAS ( 1 9 7 3 : 49) sogar erst die "strukturelle Linguistik" Leonard Bloomfields als linguistische Methode akzeptiert. A l s e i n drittes Kriterium findet m a n sodann d i e W i s s e n s c h a f t l i c h k e i t verwendet w i e etwa in d e n Fällen, wo man das griechische Altertum mit dem Satz "Verfolgt man die Geschichte der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Sprache"

26 (MOTSCH 1 9 6 7 : 13O) in die Geschichte der Linguistik einholt oder im umgekehrten Fall Heraklit und die übrigen Vorsokratiker aus ihr mit dem Urteil ausschließt: "Erst in den platonischen Dialogen erhalten die Aussagen über Sprache wissenschaftlichen Charakter" (PAUL 1 9 7 8 : 1 5 6 ) . Wie diese Zitate schon erkennen lassen, wird auch das Kriterium der Wissenschaftlichkeit unterschiedlich a u f g e f a ß t , und zudem ist in der Geschichtsschreibung auch nicht hinreichend geklärt, in welchem Verhältnis Wissenschaftlichkeit und Methodizität zueinander stehen. Die vierte Gruppe von Kriterien wird beispielsweise angesprochen, wenn G. MOUNIN ( 1 9 7 3 : 1 4 7 ) sagt: Versteht man unter Geschichte der Linguistik die Geschichte derjenigen Disziplin, die sich ihrer selbst bewußt wurde, indem sie sich einen Namen gab und sich durch Abgrenzung gegen die Grammatik und vor allem die Philologie definierte, so kann der Beginn einer solchen Wissenschaftsgeschichte erst um das Jahr 18OO angesetzt werden, als man zunächst von der vergleichenden Grammatik, dann von den Linguisten ( 1 8 1 6 ) und schließlich von der Linguistik (1830) sprach. Die hier herangezogenen Fakten der Bezeichnung einer Forschungsrichtung mit einem eigenen Namen, ihrer Abgrenzung gegenüber verwandten Disziplinen und ihrer Einrichtung als akademisches Lehrfach gehören ohne Zweifel allesamt zum Prozeß der Institutionalisierung eines Faches. Daher möchte ich, insofern der Beginn der Sprachwissenschaft mit H i l f e derartiger Gesichtspunkte bestimmt wird, v o m Kriterium d e r r u n g

I n s t i t u t i o n a l i s i e -

sprechen. Innerhalb dieses Kriteriums lassen sich jedoch

einerseits Faktoren unterscheiden, die mehr die äußere Organisation b e t r e f f e n wie die Namengebung und die verwaltungsmäßige Einrichtung als Universitätsfach, und andererseits solche, die sich auf die wissenschaftstheoretische Eigenständigkeit der Disziplin beziehen wie etwa die Abgrenzung der Linguistik gegen die "Grammatik". Die vorhin erwähnten unterschiedlichen Ansätze des Beginns der Sprachwissenschaft sind zum einen nun darauf zurückzuführen, daß die einzelnen Autoren mit verschiedenen Kriterien operieren, und zum anderen d a r a u f , daß auch die Verwendung desselben Kriteriums zu differierenden Ergebnissen führen kann. Ein relativ weitgehender Konsens läßt sich noch in dem Fall konstatieren, daß man

27

die Zugehörigkeit zur Linguistik über den Objektbereich bestimmt. iVird nämlich lediglich dieser Gesichtspunkt herangezogen, dann läßt man die Sprachwissenschaft übereinstimmend im Altertum beginnen. Eine Differenz besteht hier jedoch, wie wir gesehen haben, einerseits darin, welche Thematik man innerhalb des Objektbereichs für relevant genug erachtet, um mit ihrer Behandlung die Geschichte der Sprachwissenschaft anfangen zu lassen, und andererseits in der Frage, ob man die antiken Darlegungen bereits vorbehaltlos als 'Sprachwissenschaft' bezeichnet oder in ihnen eher eine Vorstufe zu einer späteren 'eigentlichen 1 Linguistik sieht. Diese zuletzt genannte Einschränkung findet sich freilich nur bei den Historiographen, die neben dem Objektbereich noch ein weiteres Kriterium heranziehen und das, was eigentlich zur Sprachwissenschaft gehört, entweder über die Wissenschaftlichkeit definieren oder auch über die Methodizität. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß die Frage, wann das Kriterium der Methodizität erfüllt ist, kontroverse Antworten erfährt. Dementsprechend führt auch die Anwendung dieses Kriteriums zu unterschiedlichen Ergebnissen in bezug auf den Beginn der Linguistik. Ähnliches gilt auch für das Kriterium der Wissenschaftlichkeit. 6 Unter Zugrundelegung des vierten Kriteriums der Institutionalisierung ist dagegen wieder ein gewisser Konsens in bezug auf den historischen Ansatz der Sprachwissenschaft gegeben, und zwar insofern man unter Rückgriff auf die äußere Organisation übereinstimmend das 19. Jh. als Zeitpunkt für die Etablierung dieses Faches nennt. Greift man jedoch innerhalb der Institutionalisierung auf die Autonomie des Faches als entscheidendes Kriterium zurück, so ergeben sich wiederum Differenzen: Für G. MOUNIN (1973: 1 4 7 ) ist dann z.B. schon im 19. Jh.. die Eigenständigkeit gegeben, während W. MOTSCH ( 1 9 6 7 ) eher dazu neigt, erst für das 2O. Jh.. von der Linguistik als autonomer Disziplin zu sprechen. Die historiographische Praxis zeigt also ein recht diffuses Bild. Man ist sich weder einig, welche und wie viele Kriterien man anlegen m u ß , um die Zugehörigkeit von Primärtexten zur Fachgeschichte zu bestimmen, noch herrscht ein Konsens darüber, wie die einzelnen Kriterien exakt zu definieren sind. Doch wenn die Selektionskriterien auch nicht definiert sind und sogar sehr kon—

28

troverse Vorstellungen über ihren Inhalt existieren, so läßt sich dennoch angeben, in welcher Relation sie zueinander stehen. Unter dem Gesichtspunkt ihrer Reichweite, oder besser: der mit ihnen gegebenen Differenzierungsmöglichkeit, lassen sie sich nämlich in eine hierarchische Ordnung bringen, bei der der Maßstab, ob es sich bei bestimmten Darlegungen um linguistische Aussagen handelt oder nicht, von oben nach unten immer strenger wird. Als oberstes Kriterium ist

zweifellos der Objektbereich zu nennen. Die Forde-

gung, daß eine Aussage, um als

linguistisch relevant gelten zu

können, einzelne Sprachen, sprachliche Phänomene oder die Sprache generell betreffen m u ß , kann als weitestes und damit zugleich schwächstes Kriterium angesehen werden. Unter Zugrundelegung dieses Kriteriums ist

der Kreis dessen, was in die Geschichte der

Linguistik eingeholt werden kann, am größten. Eine erste Einschränkung wird vorgenommen, wenn man fordert, daß solche Aussagen auch wissenschaftlichen Charakter haben len.

sol-

Worin die Wissenschaftlichkeit im einzelnen besteht, wird

jedoch in den Historiographien kaum erörtert und ist

auch in der

heutigen Wissenschaftstheorie noch weithin ungeklärt. Als Grundnerkmale wären aber beispielsweise die Intersubjektivität, d . h . die Verstehbarkeit und Kontrollierbarkeit der Aussagen sowie die Rationalität, Eindeutigkeit und logische Widerspruchsfreiheit der Argumentation zu nennen. Die dritte Stufe bildet dann das noch engere Kriterium der Methodizität', insofern man dieses Kriterium dahingehend spezifiziert, daß man als Maßstab für den Anfang der Linguistik und die Zugehörigkeit zu ihr die Verwendung bestimmter sprachwissenschaftlicher Methoden ansieht. Das vierte Kriterium ist

schließlich,

soweit damit auf die institutionelle Einrichtung

als akademi-

sches Fach Bezug genommen wird, außerhalb der Hierarchie anzusiedeln. Denn da hier die Organisationsform und die verwaltungsmäßige Eigenständigkeit der Disziplin, nicht aber Inhalt und Struktur der sprachwissenschaftlichen Aussagen, als Bestimmungsraerkmale verwendet werden, bewegt man sich in diesem Fall auf einer anderen Ebene der Argumentation. Insofern man innerhalb dieses Kriteriums freilich auf die wissenschaftstheoretische Autonomie der linguistischen Fragestellungen abzielt, geht es aber sehr wohl um das Problem, was denn das eigentlich Linguisti-

29

sehe an wissenschaftlichen Aussagen über die Sprache ist, und zwar wird diese Frage hier unter dem besonderen Aspekt der Abgrenzung der Linguistik gegen andere Disziplinen angegangen, die sich ebenfalls mit dem Objekt Sprache auseinandersetzen. In der Historiographie ist aber bisher kein eigenes Kriterium für eine derartige Abgrenzung entwickelt worden, vielmehr scheint der Geschichtsschreiber, wenn er bestimmte Aussagen der sonstigen Sprachforschung in die Geschichte der Linguistik aufnimmt, von einer intuitiven Vorstellung davon, was die Sprachwissenschaft im eigentlichen Sinne ausmacht, auszugehen und je spezifischen Relevanzüberlegungen zu folgen. Diese können thematisch bedingt sein, sich an der historischen Bedeutung orientieren, die eine andere Disziplin zu bestimmter Zeit für die Linguistik hatte, oder auch nur mit nicht weiter begründbaren Präferenzen und Interessen des jeweiligen Historiographen selbst zusammenhängen. Da es sich hier also nicht um ein Kriterium von gewissem Allgemeinheitsgrad handelt, sondern um einen weitgehend individuellen Maßstab, scheint es nicht geraten, für diese Art der Selektion ein eigenes Selektionskriterium anzusetzen, sondern solche Überlegun-

Objektbereich Wissenschaftlichkeit Methodizität

Relevanzkriterien

gen einer Ebene von 'Relevanzkriterien' zuzuordnen, die zu den Selektionskriterien noch hinzutreten und quer zu diesen liegen. Damit ist folgende Kriterienhierarchie gegeben, die in absteigender Folge jeweils engere bzw. mehr Bedingungen enthält:

Welche dieser Kriterien jedoch zur Selektion der Elemente, die Bestandteil der Geschichtsdarstellung werden sollen, herangezogen werden, hängt von der jeweiligen Gesamtkonzeption ab, die der Historiograph von der 'Geschichte', die er schreiben will, entwickelt hat. Somit kommen wir zu dem Ergebnis, daß es nicht d i e Geschichte der Linguistik gibt, sondern nur unterschiedliche Geschichten; und da als Kriterium für den Anfang der Linguistik lediglich noch hinzutritt, daß das Zeugnis, das den Beginn markie-

30

ren soll, das älteste erhaltene Zeugnis ist,

das die angelegten

Selektionskriterien e r f ü l l t , gibt e s auch nicht der Linguistik, sondern nur

d i e

d e n

Anfang

Anfänge der verschiedenen

Geschichten. Ein solcher Befund widerspricht aber eklatant einigen Konzeptionen, die in der modernen Diskussion um die Methodologie der Geschichtsschreibung entwickelt worden sind. In den programmatischen Beiträgen zur neueren Historiographie

der Linguistik

geht man nämlich davon aus, daß es die eine 'wahre' Geschichte der Linguistik gibt und man nur eine wissenschaftlich abgesicherte Methodik braucht, um endlich das erhoffte Ziel, nämlich "the establishment of a true history of the discipline" (KOERNER 1973/74: 6 ) , zu erreichen. Hiermit stimmt es natürlich völlig überein, daß man die bisherigen Geschichtsdarstellungen als ungenügend ansieht und als

'amateur-work' abqualifiziert und von

der "true historiography" (KOERNER 1976a: 5 4 4 ) als einer "discipline-to-be" (KOERNER 1973/74: 6) spricht.. Doch eine solche Vorstellung mißachtet, daß Geschichte nichts völlig unabhängig vom erkennenden Subjekt objektiv Gegebenes sondern rekonstruktiv gewonnenes Wissen darstellt. Geschichte

ist, ist

immer nur in Texten manifestierter "Wissensentwurf", in dem es auf Deutung und Sinngebung ankommt.. "Geschichte ist", BAUMGARTNER ( 1 9 7 6 : 2 7 6 f . ) sagt, "weder wiederholendes

wie H.M. Abbild

noch verdoppelnde Reproduktion des Geschehens, sondern eine spezifische, Bedeutung und Sinn verleihende konstruktive Organisation räumlich-zeitlich lokalisierbarer Elemente". Wie aber diese Rekonstruktion ausfällt, hängt weitgehend von den Fragestellungen und Interessen des Historiographen ab, und insofern sind die oben festgestellten Divergenzen bei der Beantwortung der Frage, was zur Geschichte der Linguistik hinzugehört, kein Zeichen eines Mangels oder methodologischen Defizits,

sondern Ausdruck eines

konstitutiven Merkmals von Geschichte überhaupt..

31

Anmerkungen 1

So THOMSEN ( 1 9 2 7 ) , PEDERSEN ( 1 9 3 1 ) , GRAY ( 1 9 3 9 ) , CARROLL ( 1 9 5 9 ) , COSERIU ( 1 9 6 9 - 1 9 7 2 ) , BLACK ( 1 9 7 3 ) , GOLOWIN ( 1 9 7 6 ) , PAUL ( 1 9 7 8 ) , NICKEL ( 1 9 7 9 ) .

2

Vgl. GREGOIRE ( 1 9 4 8 ) , ARENS ( 1 9 5 5 ) , LEROY ( 1 9 6 3 ) , WATERMAN ( 1 9 6 3 ) , IVIC ( 1 9 7 3 ) , GRAUR ( 1 9 7 4 ) sowie BLOOMFIELD ( 1 9 3 3 ) , LYONS ( 1 9 6 8 ) , CRYSTAL ( 1 9 7 5 ) , MAAS ( 1 9 7 3 ) .

3

So z . B . MOUNIN ( 1 9 7 3 ) , ROBINS

4 5

Vgl. u . a . BENVENISTE ( 1 9 6 2 ) . Vgl. z . B . ARENS (1955 / 2 . A . 1 9 6 9 ) : V I I , WATERMAN ( 1 9 6 3 / 2 . A . 1 9 7 0 ) : 5, GRAUR ( 1 9 7 4 ) : 20. Vgl. hierzu und zur gesamten Thematik ausführlicher SCHNITTER (1980) .

6 7

(1973),,

Vgl. KOERNER ( 1 9 7 6 b ) : 686, BURSILL-HALL ( 1 9 7 O ) und SIMONE ( 1 9 7 5 ) . Vgl. auch KOERNER ( 1 9 7 3 / 7 4 ) : 5f.

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32

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DAS DESKRIPTIVISMUS-POSTULAT IN DER LINGUISTIK Werner Z i l l i g

Der B e g r i f f 'Deskriptivismus-Postulat 1

1.

In seinen 'Elements de linguistique generale" schreibt Andre MARTINET ( 1 9 6 3 : 14) - ich zitiere im folgenden nach der deutschen Ü b e r s e t z u n g : Wir nennen eine Darstellung wissenschaftlich, wenn sie auf der Beobachtung der Tatsachen beruht, ohne eine Auswahl unter diesen im Namen gewisser ästhetischer oder moralischer Grundsätze vorzuschlagen. ' W i s s e n s c h a f t l i c h 1 steht also im Gegensatz zu ' n o r m a t i v 1 . ... Der heutige Sprachwissenschaftler ... wird Formen wie das hat noch .einmai l__gut_g_egangen , dem_Pete_r_ ^e^n_^u£h, ich kann das n_i_cht__ab ohne die edle Entrüstung des Puristen, aber auch ohne die Begeisterung des Neuerers begegnen: Er sieht in ihnen nichts als Tatsachen, die er zu verzeichnen und im Rahmen der Sprachgewohnheiten, unter denen sie a u f t r e t e n , zu erklären hat. Die Forderung, die Martinet hier erhebt, nämlich daß der Sprachwissenschaftler die Sprache lediglich zu beschreiben, nicht aber zu bewerten habe, wird nachfolgend als lat

1

bezeichnet. Der B e g r i f f

'Deskriptivismus-Postu-

'Deskriptivismus-Postulat 1

( D P ) und

d a s Attribut 'deskriptiv' werden also n i c h t i m Sinne d e s amerikanischen Strukturalismus gebraucht, um eine synchrone Linguistik von einer diachronen zu unterscheiden, und das DP wird auch nicht mit einer speziellen Ausformung des allgemeinen positivistischen Wissenschaftsdogmas von der ' V e r i f i z i e r b a r k e i t der wissenschaftlichen Sätze 1 in eins gesetzt, obwohl zwischen der allgemeinen Forderung nach Verifizierbarkeit und dem DP der

Lin-

guistik ein enger Zusammenhang besteht. 2.

Eine These als Ausgangspunkt

Die These, die ich hier begründen möchte, lautet nun: Das DP ist in seiner radikalen Form, wie sie Martinet an der soeben angeführten Stelle entwickelt, ein völlig unpraktikabler wissenschaftlicher Grundsatz. Darüber hinaus ist

jeder Versuch, die

Linguistik soweit wie möglich als eine rein deskriptive Wissenschaft zu etablieren, für die Linguistik selbst schädlich. Mit

34 derartigen Versuchen werden auf der einen Seite wichtige Problemstellungen künstlich unsichtbar gemacht; auf der anderen Seite begibt sich die Linguistik, solange sie dem DP folgt, weitreichender Wirk- und Einflußmöglichkeiten, die dann bestünden, wenn die Linguistik unter Beachtung der damit verbundenen Schwierigkeiten neben ihrer traditionellen deskriptiven Komponente eine zweite, evaluative Richtung ausbilden würde. 3.

Die Begründung der These

3.1.

Die faktische Mißachtung des Deskriptivismus-Postulats

Sucht man die unter 2. aufgestellte These zu begründen, so muß zunächst festgestellt werden: Eine Linguistik, die dem radikalen DP Martinets folgt, gibt es nicht; gäbe es sie,

so wäre sie

vermutlich ein ebenso triviales wie sinnloses Unternehmen. Warum nun gibt es diese rein deskriptive Linguistik nicht? Um diese Frage zu beantworten, muß hervorgehoben werden, worin die Forderung Martinets vor allem besteht: Martinet und alle die, die einer radikal deskriptiven Linguistik das Wort reden, fordern eine Sprachwissenschaft

, die Tatsachen aufzeichnet, ohne

eine Auswahl im Namen ästhetischer oder moralischer Grundsätze zu t r e f f e n . Es soll nun dahingestellt bleiben, ob Prädikate wie richtig/falsch, wohIge formt/ni cht-wohIge formt oder gelungen/ mißlungen ästhetischen oder moralischen Grundsätzen Ausdruck verleihen oder einer ganz und gar eigenständigen Kategorie der 'Wahrheit 1 zugeschlagen werden müssen; fest steht, daß eine Sprachwissenschaft, die sine ira et studio alle Tatsachen konkreten Sprechens aufzeichnet, nirgendwo zu sehen ist.

(Von eph-

emeren Existenzformen, wie sie in Freiburg und vielleicht irgendwann auch andernorts aufgetreten sind, sehe ich hierbei a b . ) Dies ist,

bedenkt man, wie die Praxis einer solchen Sprachwis-

senschaft aussehen müßte, auch nicht weiter verwunderlich. Linguisten, die dem DP folgen wollten, müßten eine Art 'statistischer Grammatik' schreiben, und eine solche Grammatik würde wohl an keiner Stelle zu eindeutigen Ergebnissen gelangen, sondern stets nur mehr oder weniger große Alternativenfelder mit prozentualen Vorkommensangaben vorlegen. Eine solche statistische Grammatik zur einzig zulässigen wis-

35

senschaftlichen Grammatik zu erklären, kommt vermutlich niemandem in den Sinn; und selbst wenn man annehmen wollte, die Grammatiken, die das Sprechen eines ideal gesetzten kompetenten Sprechers einer Sprache beschrieben, seien solche, die von seltenen Abweichungen absähen und die häufigsten Vorkommensformen verzeichneten - welcher Linguist hat wirklich jemals eine Grammatik mit Hilfe eines derartigen Auszählungsverfahrens zustande gebracht oder eine vorhandene Grammatik auf diese Weise über4 p r ü f t ? Und selbst dann, wenn sich jemand zu einer solchen Unternehmung bereit fände, bliebe es höchst z w e i f e l h a f t ,

ob auf

diese Weise eine auch nur halbwegs brauchbare Grammatik zustande käme. Jeder, der schon einmal gute Transkriptionen faktischer Gesprächsabläufe gesehen hat, wird das mit Fug bezweifeln. Wir können vorab also festhalten: In ihrer Forschungspraxis halten sich Sprachwissenschaftler nicht an das Vollständigkeitsgebot des DP; sie verzeichnen das als ' F a k t e n 1 , was ihnen richtig und zutreffend erscheint. Ist man hier ehrlich, so wird man sagen müssen, daß die Sprachwissenschaftler aus dem Bewußtsein der eigenen 'höheren Kompetenz 1 so verfahren, d . h . sie werden, wenn sie selbst die betreffende Sprache als Muttersprache sprechen, jedem Nicht-Linguisten, der die Gültigkeit ihrer grammatischen Regeln anzweifelt, vorwerfen, er beherrsche eben nur die Sprache nicht richtig. Diese Argumentationsweise aber ist ein deutlicher Hinweis d a r a u f , daß in der Sprachwissenschaft nicht allein das Vollständigkeitsgebot des radikalen DP mißachtet wird; die Linguisten gehen de facto davon aus, daß sie besser als die 'normalen 1 Mitglieder einer Sprachgemeinschaft wissen, welches die Regeln einer Sprache sind, und sie bewerten damit bereits während der Beobachtung, indem sie festlegen, welche Daten ' r i c h t i g ' sind und die zu formulierenden Regeln stützen; die Rest-Daten können dann immer noch der Performanz zugeschlagen werden. 3.2.

Die Theorieabhängigkeit der Tatsachen

Einer der wenigen Sätze, über die in der gegenwärtigen wissenschaftstheoretischen Diskussion Einigkeit bestehen d ü r f t e , besagt, daß die Fakten, die in einer wissenschaftlichen Untersuchung zutage gefördert werden, immer abhängig sind von der Theo-

36

rie, die der Untersuchung zugrunde liegt. Das bedeutet nicht, daß es unmöglich wäre, Untersuchungen und Systematisierungen vorzunehmen, die sich allein auf die Intuition dessen stützen, der diese Untersuchungen vornimmt; aber es wäre ein Irrtum, wollte man annehmen, daß die Intuition grundsätzlich frei von theoretischen Vorannahmen ist. Jeder, der seiner Intuition folgt, tut dies mit H i l f e der theoretischen Vorannahmen, die in die Alltagssprache und in das alltägliche, 'normale' Denken eingegangen sind.

Eine intuitive Datenerfassung und -systematisie-

rung verzichtet lediglich d a r a u f , ihre eigenen theoretischen Grundlagen zu reflektieren. Es gilt nun unter der Voraussetzung, daß Fakten in jedem Fall von zugrundeliegenden Theorien abhängig sind: bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen sind Bewertungen im Spiel. Zwar kann ein Linguist - um wieder auf unseren speziellen Fall zurückzukommen - so tun, als lieferte er mit seinen Daten und deren Systematisierung eine 'reine Beschreibung 1 der Sprache; bevor er aber zu dieser Beschreibung gelangt ist, hat er auf einer übergeordneten Ebene bereits eine Bewertung vorgenommen, denn er hat festgelegt, daß er die Theorie, die seiner Untersuchung zugrund e liegt, f ü r Theorien.

b e s s e r

hält, a l s andere,

konkurrierende

Und der L i n g u i s t , der sich hier für eine i n t u i t i v e ,

am 'gesunden Menschenverstand' orientierte Beschreibung entscheidet, bringt damit nur zum Ausdruck, daß er diesem intuitiven Vorgehen gegenüber explizit formulierten Theorien den Vorzug gibt. Auch bei vorgeblich 'reinen Beschreibungen' der Sprache werden, wie man sieht, Bewertungen vorgenommen, durch die festgelegt w i r d , was schließlich als Tatsache sichtbar wird. Damit soll freilich nicht gesagt werden, daß es auf der Ebene der unmittelbaren Darstellung von (theorieabhängigen) Fakten keinen Unterschied zwischen Bewertungan und Beschreibungen gibt. Wenn jemand von dem Attribut echt sagt, es entstamme dem Vokabular des 'Unmenschen'

(vgl. STERNBERGER / STORZ / SUSKIND 1 9 6 8 : 51 f f . )

oder einen Satz wie Das_wa_r w i r k l i c h echt stark! als sagekräftige

'wenig aus-

Floskel' bezeichnet, so wird jeder, der dies hört

oder liest, sagen, der B e t r e f f e n d e habe das Wort b z w . den Satz b e w e r t e t ,

während eine Äußerung w i e 'Echt_ stark kommt

37 vor allem in der Sprache Jugendlicher vor" als b e n d

eingestuft werden wird.

b e s c h r e i -

Eine theoretisch befriedigende

Erklärung des Unterschieds von Beschreibung und Bewertung geben zu wollen, würde den hier vorgegebenen Rahmen freilich sprengen, und es ist im vorliegenden Zusammenhang auch gar nicht beabsichtigt, zu behaupten, daß es eine Beschreibung der Sprache und des Sprechens nicht geben könne. Gezeigt werden sollte bisher lediglich, daß die deskriptive Linguistik vor Problemen steht, die bei der emphatischen Verkündigung des DP keine Beachtung finden, obwohl diese Schwierigkeiten sehr grundsätzlicher Art sind und die Frage, wie deskriptiv die deskriptive Linguistik bei näherem Hinsehen wirklich ist, sinnvoll erscheinen las-

sen. 4.

Die Aufgaben einer evaluativen

Linguistik

War bisher von den Schwierigkeiten die Rede, die sich einer Erfüllung des DP in den Weg stellen, so soll es nun darum gehen, die gegenwärtigen Möglichkeiten einer evaluativen Linguistik zu umreißen. Um die Bedeutung einer solchen wertenden Linguistik zu erfassen, ist es sinnvoll, zunächst einige Anmerkungen zu den generellen Relevanzkriterien, wie sie sich im Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft herausgebildet haben, zu machen. 4.1.

Exkurs: Die allgemeinen Relevanzkriterien der Wissenschaft

Ich gehe hier davon aus, daß das Verhältnis von Wissenschaft und Gesellschaft durch vier Relevanzbereiche bestimmt ist; es sind dies der Bereich der technischen Verwertbarkeit, der Bereich der therapeutischen Anwendbarkeit und die Bereiche des 'reinen Wissens 1 und der 'reinen Gelehrsamkeit'. Hinzu kommt, daß viele, wenn nicht alle wissenschaftlichen Disziplinen mehr oder weniger große Bedeutung als Hilfwissenschaften anderer Wissenschaften haben. Die technische Relevanz wird dort am klarsten sichtbar, wo durch naturwissenschaftliche Forschungen neue technische (und damit ökonomische und militärische) Entwicklungen eingeleitet werden. Therapeutisch relevant sind wissenschaftliche Arbeiten dann, wenn durch sie die Grundlagen zur Beseitigung bestehender, für Menschen negativer Zustände geschaffen werden. Die medizini-

38

sehen und die psychotherapeutischen Forschungen sind hier zentrale Paradigmen. Obwohl innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaft nun h ä u f i g so getan wird, als ob der dritte Relevanzbereich, also der Bereich der nicht anwendungsorientierten 'reinen Wissenschaft 1 , den Normalfall wissenschaftlichen Arbeitens darstellte, muß bei nüchterner Betrachtung doch davon ausgegangen werden, daß die 'reine Wissenschaft 1 die Reputation, die sie in der Öffentlichkeit besitzt, am Ende weniger der edlen Wahrheitssuche als vielmehr ihrer technischen und therapeutischen Anwendbarkeit und Verwertbarkeit verdankt. Der Begriff 'Grundlagenforschung

1

der

auf der einen und der Begriff der 'Luxus-

wissenschaft' auf der anderen Seite weisen auf die Zusammenhänge hin: Die "reine Wissenschaft 1 wird, im Stadium der Grundlagenforschung, immer schon verstanden als Fundament der technischen und therapeutischen

Anwendung. Die traditionellen Geisteswissen-

schaften werden immer dann zu 'Luxuswissenschaften', wenn nicht mehr als Lieferanten des ideologischen Staat und Gesellschaft

dienlich sind.

sie

Unterfutters von

(Daß die Geschichtswis-

senschaft und auch die Sprachwissenschaft heute mehr als in der Vergangenheit als Luxuswissenschaften eingeschätzt werden, hängt mit dieser sich verändernden Rollenzuweisung zusammen.) Der Begriff der hilfswissenschaftlichen

Relevanz ist

wohl aus sich

selbst heraus verständlich und bedarf deshalb keiner weiteren Erläuterungen. Es bleibt darauf hinzuweisen, daß die genannten vier Relevanzbereiche eine ideale Typisierung darstellen; in der Praxis gewinnen alle Wissenschaften ihre gesellschaftliche Bedeutung dadurch, daß alle vier Bereiche mehr oder weniger stark ausgeprägt sind. 4.2.

Die ( I r - ) Relevanz der deskriptiven Linguistik

Fragt man nun nach den Relevanzkriterien,

die die Linguistik ge-

genwärtig e r f ü l l t , so kann die Antwort nur lauten: Die Linguistik ist

dabei, wieder eine Form der reinen Gelehrsamkeit zu

werden. Hoffnungen von ehedem, die linguistischen Forschungen mit der Erstellung von Übersetzungsmaschinen und also technisch zu rechtfertigen, sind zumindest im Hochschulbereich nirgendwo mehr sichtbar. Und auch die Erwartung, daß die Probleme der

39

Chancenungleichheit, wie sie vor dem Hintergrund des schichtenspezifischen Sprechens a u f t r e t e n ,

durch linguistisch fundierte

Förderungsprogramme beseitigt werden k ö n n t e n , werden wohl, betrachtet man die E n t w i c k l u n g , die die Soziolinguistik genommen hat, kaum noch aufrechterhalten. Weil sich Erwartungen, die die Linguisten in den vergangenen Jahren bei sich selber und bei den die Forschungsmittel verteilenden Instanzen genährt haben, zerschlagen, wird die Linguistik nun nicht von heute auf morgen von den Hochschulen verbannt werden; das Beamtenrecht und die Findigkeit, die die einzelnen Wissenschaftler bei der Rechtfertigung ihres Tuns an den Tag legen, werden das verhindern. Dennoch ist

k l a r , daß eine Linguistik,

die sich auf das Gebiet des zweckfreien Beschreibens von Sprache und Sprechen z u r ü c k z i e h t , mehr und mehr an E i n f l u ß verlieren Q

wird.

Eine dem DP verpflichtete Linguistik gleicht ja,

um es

mit einem volkstümlichen Bild z u s a g e n , einem Wissenschaf tier, der immerzu Fußballspiele beobachtet, um sie dann in einer nur ihm und seinesgleichen

verständlichen Sprache zu beschreiben. Wel-

cher Fußballverein wird sich, auf die Versicherung h i n , nur mit diesen Beschreibungen könne das System des Fußballspiels wissenschaftlich erfaßt werden, bereit f i n d e n , eine größere Anzahl dieser Beobachter auf Vereinskosten zu beschäftigen? Der Verein, der solche wissenschaftlichen Beobachter beschäftigt,

wird - mit

einigem Recht - irgendwann f o r d e r n , daß die Fußballwissenschaftler Anleitungen erarbeiten, mit deren H i l f e die Spielstärke der Mannschaft gesteigert werden kann, und ein solcher Wissenschaftler würde eine höchst merkwürdige Figur abgeben, wenn er diese A u f f o r d e r u n g mit der Feststellung beantwortete, es sei ein Kennzeichen der Wissenschaft im allgemeinen wie der Fußballwissenschaft im besonderen, daß sie deskriptiv und nicht normativ sei; deshalb sei es ihm verboten, derartige Empfehlungen und Programme a u f z u s t e l l e n . Ich sehe nun nirgendwo ein Argument, das gegen eine Rückübertragung dieses Bildes auf die Lingustik spricht; ganz im Gegenteil: Nachdem in den vergangenen Jahren der Handlungscharakter des Sprechens betont und bewußt gegen die Systemauffassung der strukturellen Linguistik ins Feld g e f ü h r t worden ist, stehen alle Kategorien zur Verfügung, um einen Übergang von einer de-

40

skriptiven zu einer evaluativen/normativen Linguistik auch theoretisch zu rechtfertigen. 4.3.

Das Verhältnis von deskriptiver und evaluativer Linguistik

Es ist ein Gemeinplatz der Sprechhandlungstheorie, daß Sprecher, wenn sie sprachliche Handlungen vollziehen, unter bestimmten situativen Voraussetzungen mit bestimmten, angebbaren Äußerungen gewisse, wiederum angebbare Z i e l e zu erreichen suchen, und ebenso selbstverständlich ist es, daß in jeder Situation jeweils unterschiedliche Äußerungsformen zur Verfügung stehen, durch die der Sprecher sein Handlungsziel erreichen kann. Diese recht simplen Einsichten bilden die Voraussetzung einer genauen Bestimmung des Verhältnisses von deskriptiver und evaluativer Linguistik: Aufgabe der deskriptiven Linguistik ist es, die für den Vollzug der sprachlichen Handlungen geeigneten Äußerungsformen zu finden und zu beschreiben. Die evaluative Linguistik hat die Aufgabe, herauszufinden, welche Äußerungsformen zur Erreichung des Handlungsziels am geeignetsten und welche weniger gut geeignet sind. In einem nächsten Schritt muß die evaluative Linguistik eine Theorie schaffen, durch die geklärt werden kann, w a r u m d i e einen Formen z u r Erreichung eines Ziels besser geeignet sind als die anderen. Schließlich wird die evaluative Linguistik betonen, daß es die Äußerungsformen nicht allein sind, die für den (relativen) Erfolg oder Mißerfolg sprachlicher Handlungen verantwortlich zeichnen. Die Intonation und paralinguale Eigenheiten (Gestik, Gesichtsausdruck, Aussehen des Sprechers usw.) kommen hinzu. Eine evaluative Linguistik, der es nicht um die vordergründige Sicherung des eigenen Einflußbebereichs, sondern um das funktionstüchtige Programm einer linguistischen Sprech- und Schreiberziehung geht, wird hier nicht darauf hinweisen, daß dies alles Dinge seien, mit denen sich die Linguistik nicht zu befassen habe; sie wird sich vielmehr der Hilfe anderer Disziplinen, z . B . der Psychologie und der Rhetorik versichern, um zu einer fächerübergreifenden Kooperation zu kommen. Gegen das soeben skizzierte Programm einer evaluativen Linguistik wird - neben dem allgemeinen Einwand, daß das Programm noqh sehr allgemein sei und wenig Greifbares zu bieten habe -

41

angeführt werden können, daß es nicht zu sagen wisse, wie das Problem, auf das das DP aufmerksam mache, zu bewältigen sei. Es wird darauf hingewiesen werden, daß es keine verbindlichen Normen für eine Sprachbewertung gebe und daß das DP ja gerade des Fehlens solcher Normen wegen fordere, die Sprachwissenschaft müsse sich a u f d i e Sprach b e s c h r e i b u n g beschränken. Was hierbei übersehen wird, ist die Tatsache, daß es einer wissenschaftlichen Sprachnormforschung durchaus möglich ist, herauszufinden, welche Äußerungsformen zur Erreichung der jeweiligen kommunikativen Ziele am besten geeignet sind. 4.4.

Grundzüge einer wissenschaftlichen Sprachnormforschung

Jede Bewertung eines beliebigen Objekts kann als die Überprüfung einer Wert- oder Normentsprechung aufgefaßt werden. Ein Sprecher, der eine positive Bewertung ausspricht, sagt damit, daß die Sache, die er bewertet, einer (oder mehreren) Norm(en) entspricht; bewertet der Sprecher die Sache negativ, so geht er da9 von aus, daß sie einer (oder mehreren) Normen nicht entspricht. Eine evaluative Linguistik, die nicht den Traditionen einer sich elitär-konservativ gerierenden Sprachkritik folgt, muß deshalb im Rahmen einer wissenschaftlichen Sprachnormforschung herauszufinden suchen, welche Äußerungsformen bzw. Teile von Äußerungsformen im Hinblick auf gegebene Ziele wie zu beurteilen sind. Daß es allerdings auch hier nicht darum gehen kann, die Normen und Werte durch eine einfache 'Feststellung von Tatsachen 1 , die im Akte der Beobachtung gewonnen werden, direkt zu beschreiben, läßt sich aus dem, was oben (unter 3.1. und 3 . 2 . ) ausgeführt worden ist, ableiten. Es ist Aufgabe der evaluativen Linguistik, die Systematisierung der Sprachnormen vorzunehmen, so wie es Aufgabe der deskriptiven Linguistik ist, aus dem faktischen Sprechen die Grammatik einer Sprache zu extrahieren. Beides, die grammatische Arbeit der deskriptiven Linguistik wie die normensystematisierende der evaluativen Linguistik, ist eine schöpferische wissenschaftliche Leistung und nicht nur ein passives Registrieren im Sinne des DP. Obwohl also die Systematisierung der sprachlichen Normen zunächst eine Aufgabe für die Linguistik als Wissenschaft ist, wird eine solche Systematisierung dennoch nicht ohne Verbindung

42

zur Realität der Sprecher sein; die Verbindung ist

eine zweifa-

che: Einerseits sind die kommunikativen Ziele, die mit sprachlichen Handlungen verfolgt werden, mehr oder weniger klar vorgegeben,

auf der anderen Seite werden die Empfehlungen, die von der

evaluativen Linguistik ausgesprochen werden, immer einer Bewährungsprobe in der Sprachpraxis unterworfen sein. Hier muß sich dann zeigen, ob die sprachlichen Empfehlungen erfolgreich sind und also Bestand haben oder ob sie,

im Falle des M i ß e r f o l g s , mo-

d i f i z i e r t werden müssen.

Anmerkungen Vgl. in diesem Zusammenhang HAAS 1966: 1 1 6 f f . und LEHMANN 1972: 5 f f . Vgl. h i e r z u ESPERs ( 1 9 6 8 ) Ausführungen zum Carnapschen Objektivismus, bei dem 'descriptive terms' gleichgesetzt werden mit "terms designating observable properties of things" (ESPER 1968: 2 1 1 ) . Eine Auseinandersetzung mit der Geschichte des DP müßte darüber hinaus zeigen, daß das DP der Linguistik nicht abgelöst von der Entwicklung des modernen Wissenschaftsb e g r i f f s gesehen werden k a n n . Bereits Karl MANNHEIM ( 1 9 7 8 : 1O7) hat vermerkt: "Den modernen Intellektualismus charakterisiert . . . die Tendenz, ein emotional gebundenes, wertendes Denken nicht zu dulden. Wird es dennoch vorgefunden ... , so wird versucht, dieses Phänomen so zu konstruieren, daß das "wertende 1 Element als ablösbar, isolierbar erscheint, womit dann zumindest ein Rest reiner Theorie zurückbleibt." Ich verwende hier wie auch im folgenden ' L i n g u i s t i k ' und 'Sprachwissenschaft' als gegeneinander austauschbare B e g r i f f e , weil das DP in allen wie immer definierten Subdisziplinen einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit Sprache aufrechterhalten wird. Zu einigen Versuchen, Grammatiken an Befunden, die im Sinne des DP empirisch ermittelt worden sind, zu messen, vgl. MÖNNINK 1981. Zu der Frage der Theoriehaltigkeit der Alltagssprache vgl. FEYERABEND 1 9 7 6 : 3 3 5 f f . Natürlich sind hier die Übergänge fließend. 'Ich habe was gegen den Satz X wegen der falschen Diplomatesse des Stils 1 , 'Ich halte die Konstruktion im Deutschen nicht für möglich 1 und "Eine I n f i n i t i v k o n s t r u k t i o n dieser freischwebenden Art ist nur möglich, wenn ein handelnder Satzgegenstand die Stütze g i b t ' (vgl. SÜSKIND 1973: 5 6 f . ) sind Beispiele auf einer Skala, die von bewußt subjektiv formulierten Meinungsäußerungen bis zur quasi-deskriptiven Regelformulierung reicht. Es muß nicht gesondert betont werden, daß nicht selten subjekti-

43

ve Empfindungen in solche quasi-deskriptiven Regeln gefaßt und damit scheinbar objektiviert werden. 7

Ich habe an anderer Stelle (in ZILLIG 1980) versucht, diesen Unterschied mitsamt den bei der Unterscheidung auftretenden Schwierigkeiten näher zu bestimmen.

8

Daß eine dem DP verpflichtete Linguistik trotz aller Bemühungen Schwierigkeiten h a t , wenn sie ihre Ergebnisse in didaktische (und damit immer auch normative) Anweisungen umschreiben soll, wird nicht verwundern. Die neueren Entwicklungen bei der Veränderung der Richtlinien für den Deutschunterricht (vgl. KOLVENBACH 1 9 8 1 ) führen, wohl nicht zuletzt wegen dieser Schwierigkeiten, von der Linguistik weg und hin zu einem verstärkten Literaturunterricht.

9

Eine vorläufige Gliederung der in der mündlichen Kommunikation relevanten Normen findet sich in ZILLIG 198O: 3 5 3 f f .

1O

Zur Geschichte der Sprachkritik vgl. die sehr informativen Ausführungen von POLENZ ( 1 9 7 3 : 1 2 9 f f . ) .

Literatur ESPER, Erwin A. ( 1 9 6 8 ) : Mentalism and objectivism in linguistics. The sources of Leonhard Bloomfield's psychology of language. New York: American Eisevier. FEYERABEND, Paul ( 1 9 7 6 ) : Wider den Methodenzwang. Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie. Frankfurt: Suhrkamp. HAAS, Mary R. ( 1 9 6 6 ) : "Historical linguistics and the genetic relationship of languages". SEBEOK, Th.A. ( e d . ) ( 1 9 6 6 ) : Current trends in linguistics I I I . The Hague: Mouton: 113-155. KOLVENBACH, Hans-Jürgen ( 1 9 8 1 ) : "Gutachten zum Entwurf der Richtlinien für die Oberstufe des Gymnasiums in NordrheinWestfalen". Bildung Aktuell 1: 6-12. LEHMANN, Winfried P. ( 1 9 7 2 ) : Descriptive linguistics. An introduction. New York: Random House. MANNHEIM, Karl ( 1 9 7 8 ) : Ideologie und Utopie. Frankfurt/M: Schulte-Bulmke, 6 . A . MARTINET, Andre ( 1 9 6 3 ) : Grundzüge der Allgemeinen Sprachwissenschaft. Stuttgart etc.: Kohlhammer. - übers, von: Elements de linguistique generale. Paris: Armand Colin, 1960. MÖNNINK, Johan ( 1 9 8 1 ) : "Die Satzeinheit in der Interaktion". HINDELANG, Götz / ZILLIG, Werner (eds.) ( 1 9 8 1 ) : Sprache: Verstehen und Handeln. Akten des 15. Linguistischen Kolloquiums, Münster 1980, Bd. 2 . Tübingen: Niemeyer. POLENZ, Peter von ( 1 9 7 3 ) : "Sprachkritik und Sprachnormenkritik". NICKEL, Gerhard ( e d . ) ( 1 9 7 3 ) : Angewandte Sprachwissenschaft und Deutschunterricht. München: Hueber: 118-167.

44

STERNBERGER, Dolf / STORZ, Gerhard / SÜSKIND, Wilhelm E. ( 1 9 6 8 ) : Aus dem Wörterbuch des Unmenschen. Hamburg etc.: Ciaassen, 3.A. SÜSKIND, Wilhelm E. ( 1 9 7 3 ) : Dagegen hab 1 ich was. Sprachstolpereien. München: dtv. ZILLIG, Werner ( 1 9 8 0 ) : Bewerten. Die Sprechakttypen der bewertenden Rede. Münster: Phil. Diss.

2. PHONOLOGIE - MORPHOLOGIE - SCHRIFT

DIPHTHONGE UND ANDERE VOKALE

Camiel Hamans

Traditionellerweise hat man in der Phonologie immer angenommen, daß ein Unterschied zwischen Vokalen und Diphthongen besteht. Meistens geschieht das aus phonetischen, artikulatorischen Gründen. Für die Phonologie ist das jedoch nicht befriedigend, und darum habe ich nach anderen Gründen gesucht. In HAMANS (198o) habe ich gezeigt, daß Diphthonge sehr häufig, aber nicht immer betont werden. Jetzt möchte ich untersuchen, ob es einen Unterschied in der Distribution zwischen Vokalen und Diphthongen gibt. Im voraus kann ich schon sagen, daß ich kaum Gründe dafür gefunden habe, zwischen Diphthongen und Vokalen zu unterscheiden; hingegen gibt es durchaus Argumente, die einen Unterschied zwischen verschiedenen Arten von Vokalen plausibel machen. Bei dieser Untersuchung habe ich mich auf die sogenannten "Rhymeconditions" oder "Corebedingungen" beschränkt. Anders gesagt: ich habe mich gefragt, ob es in der Theorie der Silbenstruktur Abhängigkeiten zwischen "Peak" und "Coda" gibt. Wie BOOIJ (198o) bin ich der Auffassung, daß es im Holländischen keine oder so gut wie keine "Onsetconditions" gibt. Weil nach BAKKER ( 1 9 7 1 ) die Bedingungen in holländischen einsilbigen Wörtern dieselben sind wie in Wörtern mit mehreren Silben, habe ich nur Einsilbenwörter untersucht. Berücksichtigt wurden außerdem nur Wörter ohne Suffixe (also auch ohne Flexionsendungen, weil monosyllabische Wörter mit Flexionsendungen nur scheinbar Einsilber sind). Es ist schon seit langem bekannt, daß es im Holländischen (und nicht nur d a ) , keine Diphthonge vor -r gibt. So existieren im Holländischen keine Wörter mit -eir, -our und -uir; hingegen findet man durchaus Rhymes oder Gores, die einen langen oder gespannten Vokal vor -r enthalten:

48

aar eer oor

uur deur kier

boer

Auch kurze oder ungespannte Vokale gibt es vor -r; er, bar und lor. Nicht alle ungespannten Vokale können jedoch vor ^r stehen; es gibt keine Rhymes mit -ir und -ur, [ir ] und [ ], Ob es sich hier um "accidental gaps" handelt, werden wir noch sehen. Zwischen 1^ (Onset) und 1^ (Coda) gibt es ebenfalls keine langen Vokale und Diphthonge: *laal

*liel

*loel

*leel

*leul

*luil

*lool

*luul

*loul

*leil

Kurze Vokale t r i f f t man dagegen sehr wohl zwischen 1^ und 1^ an: lal lel lol

lil lul

Aber dieses Beispiel ist etwas problematisch. Vor -j^ findet man nämlich bei anderen Onsets gespannte Vokale und auch Diphthonge: paal heel kool

heul kiel koel

vuil heil Paul

Nur -uul gibt es nicht, obwohl mehrsilbige Wörter es enthalten: baskuul und crapuul. Diese Wörter sind französische Fremdwörter. Bis jetzt sind die Beispiele nicht sehr deutlich; deswegen erörtere ich sie nicht weiter und schließe jetzt Wörter mit einer Coda von zwei Konsonanten an. Dabei behandele ich jedoch nicht alle Codas mit zwei Konsonanten, sondern ich wähle einige Beispiele aus. Nehmen wir zuerst -1k. Vor -1k gibt es nur kurze Vokale: kolk, kalk und kelk (vielleicht auch noch: zwilk und zwulk). Hier sehen wir, daß a, und e völlig normal sind und regelmäßig vor -1k vorkommen, während und A nicht oder sehr selten dort erscheinen und dann in altertümlichen oder regionalen Wörtern stehen.

49

Vor -rk sehen wir ungefähr dasselbe. Es gibt: ark, kerk, vork, jurk und den Namen Dirk. Gespannte Vokale und Diphthonge findet man gleichfalls nicht in dieser Umgebung: *-aark *-oork *-eerk

*-uurk *-eurk *-ierk

*-oerk *-eirk *-ourk

*-uirk

Vor -rg ist es genauso: berg, zorg und ein regionales Wort aus dem Süden (barg), aber auch eins aus dem Norden (darg). Mit -yrg wird es schon etwas schwieriger. Es gab bis zum 19. Jahrhundert ein Wort bürg, aber eigentlich heißt und hieß das Wort burcht. Mit -irg finden sich schon keine Beispiele mehr. Kann man hier von einem "accidental gap" sprechen? Bei -Im als Coda gibt es auch nur Beispiele mit -aim (walm, haIm, palm, schalm, galm u s w . ) , -olm (molm und oIm) und -elm (helm). Mit -ilm haben wir im Holländischen nur das englische Wort film; mit -ulm findet man keine Wörter, obwohl das rückläufige Wörterbuch von NIEUWBORG ein mehrsilbiges Wort (aardmulm) aufführt. Die anderen Wörterbücher verzeichnen dieses Wort nur als Variante von aardmolm. Jedenfalls ist mulm (in aardmulm) veraltet. Vor -rm als Coda stehen nur kurze Vokale: arm/ worm, zwerm, -Irm gibt es wieder nicht, und -urm, [-Arm] nur in einer altertümlichen Variante von worm, nämlich wurm. Vor -rs als Coda finden wir: hars, kers und schors. Aber hier haben wir auch lange Vokale: aars, koers, beurs und möglicherweise andere. Bei -rf treffen wir wieder die kurzen Vokale an. Dieses Mal gibt es kein [l]: erf, korf, turf, garf. Vor -rf sehen wir auch einige Male ie; zwierf, stierf usw.; hier handelt es sich aber um eine spezielle Kategorie. Zwierf ist das Präteritum von zwerven, stierf von sterven. So etwas sehen wir auch bei der Coda -1p, wo es normalerweise nur kurze Vokale gibt: alp, we1p, stolp, hulp und vielleicht sogar wilp, eine regionale Variante von wulp, und schilp, eine altmodische und regionale Nebenform von schelp. Vor -1p gibt es auch ie [i] wie in hielp, das aber das Präteritum von helpen ist. Bei -rp als Coda treffen wir nur unsere kurzen Vokale an:

50

harp, dorp, terp, vielleicht noch slurp, aber gewiß nicht mehr -irp. An dieser Stelle sei festgehalten, daß es auch durchaus normal ist, daß man vor zwei Konsonanten eher kurze Vokale ant r i f f t , weil lange Vokale sowieso schon stark sind und kurze Vokale nur dann stark werden können, wenn darauf ein langer Konsonant oder zwei oder mehr Konsonanten folgen. Damit will ich selbstverständlich nicht behaupten, daß es vor zwei Konsonanten keine langen Vokale gibt oder geben kann (vgl. z . B . eend, maand, eind, aber nicht als Rhyme -oont, -uunt, -eunt, -ount, -uint, -oent und -ient). Vor -nt finden wir übrigens auch die kurzen Vokale: pant, pont, vent, punt und pint. Daraus kann man vielleicht folgendes schließen: wenn man lange, gespannte Vokale und Diphthonge vor einer bikonsonantischen Coda findet, dann t r i f f t man auch alle kurzen Vokale dort an. Aufgrund der bisher angeführten Beispiele komme ich zu der Schlußfolgerung, daß es eine Art Hierarchie bei den kurzen Vokalen gibt: , und :> kommen häufiger als und I vor. Anders gesagt: es gibt mehr Silbenbedingungen für und I als für die anderen kurzen Vokale. Wenn man diese Schlußfolgerung mit der Sonoritätshierarchie von KIPARSKY ( 1 9 7 9 ) verbindet, kann man vielleicht zwischen diesen beiden Gruppen von kurzen Vokalen einen Sonoritätsunterschied postulieren. Doch so weit bin ich noch nicht. Es sieht auf alle Fälle danach aus, daß Kiparskys Sonoritätshierarchie nicht im Gegensatz zu meinen bisherigen Beobachtungen steht. Kiparskys Hierarchie fängt mit "Stops" an, fährt mit "Fricatives, Nasals, Liquids" und "Glides" fort und kommt dann zu den Vokalen. Bei letzteren macht er auch wieder eine Unterteilung, aber nicht zwischen ungespannten ( " l a x " ) und gespannten ("tensed") Vokalen; er gibt vielmehr nur eine Hierarchie für u, j^, o, e und a. Bis jetzt habe ich nur einige Codas mit zwei Konsonanten untersucht. Es gibt im Holländischen jedoch auch andere: So haben wir etwa bei -rfst und -rnst Codas mit vier Konsonanten. Bei ihnen ist nur als Peak möglich: herfst und ernst. Auf den ersten Blick sieht es dabei aus, als habe Kiparsky recht, wenn er sagt, daß die Sonoritätshierarchie von Bell und Hooper, bei der nicht-

51

sonore Konsonanten nicht weiter unterteilt werden, nicht richtig sei.

Folgt man nämlich deren Gedankengang, so bieten die Kombi-

nationen -rfst und -rnst große Schwierigkeiten; denn man kann auf diese Weise nicht erklären, warum z.B. t: hinter s_ steht. Im Holländischen finden wir jedoch auch Codas wie etwa -ts, -rts

und -nts, die andererseits in Kiparskys Sonoritätshierar-

chie nicht erklärt werden können. Vielleicht ist ser,

es darum

bes-

das System von Bell und Hooper zu akzeptieren und, wie

BOOIJ (198o) bereits vorgeschlagen hat,

eine Markiertheitstheo-

rie für diese Fälle aufzustellen. Möglicherweise kann man eine derartige Hypothese auch auf Kiparskys Hierarchie anwenden. Ich fahre nun fort mit Codas, die aus drei Konsonanten bestehen. Auch diesmal behandele ich nicht alle Möglichkeiten, sondern nur -rst, -1st, -nst, -n,st, -mst, -kst, -xst -st,

und weiter -rts, -nts

und auch -ts. Das sind alle Codas,

die als letzte Konsonanten -st und -ts Vor -rst

und auch

haben.

finden wir nur die kurzen Vokale a ,

barst

garst

harst

karst

berst

gerst

kerst

werst

borst

dorst

hörst

korst

vorst

worst

e,

D:

Vielleicht gibt es auch einige lange Vokale: eerst, voorst; ich glaube aber, daß es sich hier um Wörter mit einem S u f f i x handelt. Daneben haben wir noch ein Wort knoest, das aber selten mit einem -t

am Ende ausgesprochen wird, und ein einziges Gegen-

beispiel, nämlich gierst. Bei -1st

haben wir, wie gewöhnlich, o t , e und :>: alst, eist

und ölst. Eist ist meistens eis, und ölst ist ein Name. Daneben gibt es auch hülst. Mit langen Vokalen gibt es nur das Dialektwort aalst, eine Nebenform von alst. Bei -nst als Coda treffen wir alle kurzen Vokale an: banst, genst, konst, winst und kunst. Nur die beiden letzten Beispiele sind normal, während alle anderen recht eigentümlich wirken. Wir finden also wieder einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen, aber die Silbenbedingungen bieten hier f ü r

und I mehr

Möglichkeiten. Auch vor -rnst kann i a u f t r e t e n : dienst. Mit -qst finden wir nur o und

, das aber ziemlich h ä u f i g :

52

angst, hengsty bei -mst haben wir nur D: körnst. Zusammenfassend kann man deshalb sagen, daß man bei einer Coda, die aus Nasal und -st besteht, alle kurzen Vokale antrifft; welcher Konsonant jedoch vor -st steht, ist von der Assimilation abhängig. Bei -kst haben wir nur und a: tekst und akst. Akst findet sich nur im rückläufigen Wörterbuch, während die anderen Wörterbücher es nicht aufführen. Vielleicht existiert es gar nicht. Wenn man bedenkt, daß e auch bei Codas von vier Konsonanten die einzige Möglichkeit war, ließen sich möglicherweise daraus noch weitere Schlüsse ziehen. Bei -xst haben wir nur ein Wort: oogst. Mit -st gibt es fast alle Möglichkeiten: alle kurzen Vokale (mast, mest, most, mist, rust) und auch viele lange (haast, oost, beest, biest, woest). Nur uu [ü] und eu [ö] treffen wir nicht an. Zwar gibt es ein Wort mit -uust, robuust, aber es handelt sich hier um ein Fremdwort. Auch Diphthonge können vor -st stehen: puist und lijst. Nur -oust [oust] besteht nicht. Fahren wir fort mit -rts, -nts und -ts. Vor -rts haben wir als Nucleus nur zwei oder drei kurze Vokale, nämlich wieder und 3. Auch lange Vokale stehen vor -rts, in dem Falle jedoch nur a, e und o. Vor -nts finden wir nur kurze Vokale, nämlich und . Bei -ts gibt es alle kurzen Vokale und ungefähr alle langen. Von den Diphthongen treffen wir nur ou nicht vor -ts an. Diese Daten sind nicht sehr deutlich und möglicherweise auch nicht ausführlich genug. Man kann jedoch etwas daraus schließen: daß es nämlich eine Hierarchie bei kurzen Vokalen und wahrscheinlich auch bei langen und Diphthongen gibt. Ob es auch eine alle Vokale umfassende Hierarchie gibt, kann ich noch nicht sagen. Meine Daten sind ohne weiteres vereinbar mit den Frequenzdaten, die BARKER (1971) gegeben hat; seine Daten laufen fast alle parallel mit den Silbenbedingungen, die sich aus meinen Daten ergeben. Bakker hat etwa 3ooo einsilbige Wörter untersucht. Wenn man seine statistischen Daten etwas ordnet, sieht man, daß es bei langen Vokalen und Diphthongen eine Zäsur zwischen a, e

53

o und den anderen gibt. Man sieht zudem, daß sich in dieser letzten Gruppe wiederum zwei Kategorien unterscheiden lassen: oe [u], ei [ei], ie [i] und ui [AÜ] und daneben eu [ö], ou [au] und u [ü]. (Bei den kurzen Vokalen sind seine Daten einfacher und stimmen mit meiner Hypothese überein: es gibt nur zwei Gruppen: a, e, 3 und I und ) . Wie schon erwähnt, gehören nach BAKKER ( 1 9 7 1 ) die Diphthonge statistisch in zwei Gruppen, obwohl sie einer einzigen Silbenbedingung unterliegen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob diese Schlußfolgerung richtig ist.

Literatur BAKKER, J.J.M. ( 1 9 6 2 ) : Constant en Variabel. De Fonematische Structuur van de Nederlandse woordvorm. Asten. BOOIJ, G . E . (198o): "De syllabe in de generatieve fonologie". Spektator 9: 548-558. HAMANS, C. ( 1 9 8 o ) : "Accent and Diphthongization". WEIGAND, E . / TSCHAUDER, G. ( e d s . ) : Perspektive: textintern. Akten des 14. Linguistischen Kolloquiums, Bochum 1979. Bd. I. Tübingen: Niemeyer: 11-17. KIPARSKY, P. (1979): "Metrical structure assigment is cyclic". Linguistic Inquiry 1o: 421-442. NIEUWBORG, E . R . ( 1 9 7 8 ) : Retrograde Woordenboek van de Nederlandse Taal (2. A . ) . Deventer etc.: Kluwer.

DIE OPPOSITION ZWISCHEN NULL UND NICHTS - SUFFIXE IM FLEXIONSPARADIGMA W . U . S . van Lessen Kloeke

1.

Kappen

Im Deutschen wird das Stammbildungssuffix -en vor spezifischen

Suffixen

regelmäßig abgekappt (vgl. KLOEKE 1978). Es fehlen denn auch nach Angabe von MATER (1967) die auslautenden Sequenzen lein,

... en-ig,

4f

...

en-isch,



...

•W·

... en-chen,

·£

... en-

en-lich. Daß es sich bei diesem

stammbildenden S u f f i x möglicherweise um ein Saussuresches Zeichen mit der Bedeutung [- Menschlich] oder [- Belebt] h a n d e l t , läßt sich aus folgenden Tatsachen schließen. Mehrere Substantive, die im M h d . nach der

-Flexion d e k l i n i e r e n , erweitern ihre Basis um eine Endung auf n^,

was in einigen Fällen zu B e d e u t u n g s d i f f e r e n z i e r u n g f ü h r t (1)

Lump Tropf Drache Franke Rappe

(l):

Lump-en Tropf-en Drach-en Frank-en Rapp-en

Umgekehrt verlieren die Bezeichnungen für Lebewesen C h r i s t , S c h ö f f e , Heide das auslautende n_ der Basis und t r e t e n in die Klasse der Wörter mit n_-Flexion über. Schließlich erfahren die Wörter Faden, Ofen, Wagen Restrukturierung und bilden im Nhd. Derivationen wie Fäd-chen, Ö f - c h e n , Wäg-lein. Kappen ist

eine Sonderform von ' t r u n c a t i o n ' : Ein spezifisches Mor-

phem wird vor einem anderen spezifischen ist

Morphem g e t i l g t ; diese Tilgung

völlig regelmäßig und vorhersagbar ( v g l . ISACENKO 1972 und ARONOFF

1976). Das Zeichen impliziert das Morphem oder das W o r t , aber n i c h t des Morphem ist

je-

ein Zeichen. Die stammbildenden S u f f i x e -e, -is, -a,

-us, -um sind zum Beispiel keine minimalen Zeichen, aber vor dem Pluralsuffix

-en werden sie regelmäßig abgekappt: Bas-^-en, Bas-/^-en,

Fuchsi-X-en, Glob-^-en, Kolloqui-yQrt-en. Eine Kappregel tilgt Morpheme nach folgendem Schema ( 2 ) : (2)

[

X

+ SUFF1] + SUFF 0

56

Vor dem Diminutivsuffix -eben werden in Leut-j£-chen, Fetz-j^/i-chen die auslautenden Suffixe ^£

und

"en regelmäßig getilgt; es gibt dagegen

keine Regel, die -er in dieser Position abkappt, z.B.

Dick-er-chen.

Die mit dem diskontinuierlichen A f f i x Ge- ... -e gebildeten Derivationen mit stimmhaftem Obstruent im Wurzelauslaut wie Ge-web-e, Geländ-e, Ge-birg-e, Ge-häus-e (vgl. WURZEL 197O: 181,

Regel SV5b)

bil-

den ebenso wie etwa Ge-bräu, Ge-stühl, Ge-tier, Ge-fäß, Ge-büsch einen Genitiv mit -s und haben ebenso wie letztere einen Plural auf ... e sowie einen Dativ Plural auf ... en. Die Substantive beider Gruppen gehören also zur selben Deklinationsklasse, und namentlich bilden

sie

beide auf dieselbe Weise ihren Plural auf -e. Vor dem P l u r a l s u f f i x

-e

wird das auslautende -g der Basis in Ge-web-^-e, Ge-länd-/£-e usw. regelmäßig abgekappt. 2.

Eliminierung des Flexions-£

Die meisten Feminina, eine große Zahl von Maskulina und einige Neutra bilden einen Plural mit dem Suffix -en. Substantive, deren Basis auf Schwa + Resonant auslautet, behalten im ganzen Flexionsparadigma die kanonische Form ...

eR(C) (vgl. BECH 1963)und haben demnach die Plural-

endung -n. Entsprechend WURZEL (1970: 175,

Regel SV2d) kann hier eine

Eliminierungsregel angenommen werden ( 3 ) : (3)

/

L

...

eR +

(C)l

JN

Diese Regel gilt für Pluralformen von Feminina und Maskulina Tafel-n, Oper- , Muskel-n, Bauer-

( N e u t r a dieses Typs f e h l e n ) , sowie für

ver-

einzelte Fälle wie Triumvir-n, Mogul-n, Konsul- , Nachbar-n. 3.

Umlaut im Plural

Es gibt zwei Pluralsuffixe im Deutschen, die mit Umlaut einhergehen: -e und -er. Vor der Pluralendung -er w i r d ein umlautfähiger Vokal immer umgelautet: Reichtüm-er ( M ) , Spitäl-er ( N ) . E s gibt keine Feminina, d i e einen Plural mit -er b i l d e n . Im Dativ Plural lauten all diese Substantive auf ... ern aus. Die Pluralbildung mit -e geht bei Maskulina und N e u t r a manchmal mit Umlaut einher: Bäss-e neben Arm-e ( M ) , Flöß-e neben Schaf-e ( N ) . Feminina mit umlautfähigem Stammvokal werden immer umgelautet: Xngst-e

57

usw. Im Dativ Plural lauten all diese Substantive auf ... en aus. Es gibt Substantive auf ... eR, die im Nominativ Plural keine Endung bekommen. 3ei Maskulina und Neutra wird jedoch manchmal der Stammvokal umgelautet: Äcker, A p f e l , Gräben neben Computer, Hobel, Balken ( M ) , Klöster neben Opfer Pronomen ( N ) . Bei Feminina mit dieser Auslautstruktur wird der u m l a u t f ä h i g e Vokal immer umgelautet: Mütter, Töchter. Der Dativ Plural der auf Nasal auslautenden Substantive mit dem N o m i n a t i v Plural identisch; die auf eine Liquida

ist

auslautenden

Substantive lauten jedoch auf ... ern bzw. ... ein aus. Ebenso wie in WURZEL (1 7 ) kann angenommen werden, daß nicht nur die Feminina Mutter, Tochter sondern auch Maskulina und Neutra wie etwa Acker, Computer, A p f e l , Hobel, Graben, Balken, Brodem bzw. Kloster, Opfer , Takel, Pronomen alle einen Plural mit -e bilden. Die Generalisie- · rung, daß alle Feminina dieses Typs umgelautet werden, bleibt damit aufrechterhalten. Alle betreffenden Substantive verlieren nach Regel (3) das Flexions-e, z.3. Mütter-/^. Die Pluralbildung setzt also ein Pluralzeichen mit vollständig spezifiziertem phonologischen Gehalt voraus, das unter spezifischen ist

Bedingungen mit n u l l alterniert. Der Umlaut

ein Ergebnis von A l l o m o r p h i e vor einem spezifischen S u f f i x , das bei

Maskulina und Neutra manchmal, aber bei Feminina immer Umlaut auslöst. 4.

Flexion der Diminutiva

Diminutiva wie Hündchen und Hiindlein unterscheiden sich im Nominativ Plural nicht vom Nominativ Singular. Der Umlaut ist

hier eine Begleit-

erscheinung der Suffixe -chen und -lein. Der Dativ Plural dieser Substantive ist

mit dem N o m i n a t i v Plural ( u n d dem N o m i n a t i v Singular) iden-

tisch. Die Derivationen auf -chen wären sehr wohl als Wörter des in Abschnitt 3 behandelten Typs zu analysieren. Sie könnten ein P l u r a l s u f f i x -e e r h a l t e n , das nach Regel (3) zu e l i m i n i e r e n wäre. Für die Analyse der Derivationen auf -lein müßte die E l i m i n i e r u n g s r e g e l allerdings ähnlich wie bei Wurzel m o d i f i z i e r t werden. Die Frage ist

n u n , ob der Plural des Diminutivs als eine Bildung

mit einem Nullallomorph des Pluralsuffixes, also als Hünd-chen-j^, oder als eine endungslose Form Hünd-chen zu analysieren ist,

was gleichsam

auf eine Opposition zwischen null und nichts hinauskäme. Der Plural Kinderchen, den es in einigen Spielarten des Deutschen neben Kindchen g i b t , läßt f r e i l i c h auf eine dritte Möglichkeit schließen. Daß dae -er

58

in diesem Fall ein Pluralzeichen ist, •tt-

fügungen wie

das Kinderchen und

-K-

geht daraus hervor, daß Singular-

Kinderchen-s ausgeschlossen sind.

Analog zu dieser Form mit f a k u l t a t i v e m Pluralzeichen vor dem Diminutivs u f f i x könnte zum Plural Hund-e auch eine Pluralbildung Hünd-j^-chen in Erwägung gezogen werden. Als v i e r t e Möglichkeit käme schließlich noch Hünd-^-chen-^ als Pluralstruktur in Betracht, übrigens ein Muster, das belegt ist,

denn PAUL (1917: 29) zitiert Mädercher neben Mädcher.

Im Paradigma von Kindchen lassen sich indessen bloß zwei Flexionsendungen belegen: Im Genitiv Singular Kindchen-s ist im Plural Kind-er-chen

ein Kasuszeichen,

ein Numeruszeichen nachweisbar.

lassen sich schematisch darstellen ( 4 ) , (4)

[

·—* •'-x X ] [ Dim. ] [ Käs. ]

(5)

[

X ] [ Plur.]

Diese Vorkommen

(5):

[ Dim. ]

E»ie beiden Schemata weisen jeweils eine A f f i x k a t e g o r i e und eine Reihenfolge dieser A f f i x e auf. Sie lassen sich zu folgender morphologischen Verkettungsbedingung (MVB) zusammenfügen (6)

[

(6):

-~^ t~\ *-* X ] [ Plur.] [ D i m . ] [ Käs. ]

Diese MV3 ist

notwendigerweise strenger als die beiden voneinander un-

abhängigen Schemata. Jeweils ein A f f i x aus der angegebenen Kategorie kann an einer spezifischen Stelle in der Kette erscheinen, f r e i l i c h kann die b e t r e f f e n d e Stelle auch leer bleiben. Wenn die Basis Kind die Stelle X a u s f ü l l t , dann passen Kjnd-chen, Kind-chen-s sowie Kind-erchen in dieses Schema. Ein Gegenbeispiel zu MVB (6) bilden jedoch einige D i m i n u t i v a . Zu Sack gibt es (z.T. d e m o t i v i e r t e ) Säck-chen

Ableitungen Säck-el,

aber auch Säck-el-chen. Letzteres Beispiel macht eine Neu-

fassung der MVB notwendig ( 7 ) : (7)

[

X ] [ Plur.] [ D i m . ] [ D i m . ]

[ Käs. ]

Aus der Verkettungsbedingung lassen sich mehrere Folgerungen ziehen. 1. Nach MV3 (7) können Wörter im Deutschen, außer möglicherweise innerhalb der als X s p e z i f i z i e r t e n Teilkette, kein Genuszeichen enthalten. 2. Sie besagt, daß es kein Numeruszeichen für den Singular gibt; nur P l u r a l z e i c h e n sind zugelassen. 3. Sie bringt zum A u s d r u c k , daß Pluralund Kasuszeichen zwei gesonderte Kategorien sind und außerdem sogar

59

durch ein oder zwei D i m i n u t i v z e i c h e n g e t r e n n t werden k ö n n e n . Für die oben erwähnte P l u r a l f o r m Hündchen bedeutet die MV3 ( 7 ) , daß zwei von vier möglichen Aufgliederungen ausscheiden, denn nach dem Dim i n u t i v kann kein Pluralzeichen und m i t h i n auch nicht dessen N u l l a l l o morph a u f t r e t e n . ist

Analog zu den Pluralformen Kind-chen und Kind-er-chen

also noch an zwei Pluralstrukturen

zu denken: Hünd-chen und Hünd-

j^-chen. Letztere Form setzt voraus, daß die Basis für D i m i n u t i v b i l d u n g fakultativ

für den Plural s p e z i f i z i e r t sein kann. Das bedeutet aber

auch, daß eigens eine Kappregel formuliert werden müßte, die das Plural s u f f i x -e vor dem D i m i n u t i v s u f f i x tilgt. Man kann ohne diese N u l l a l l o morphie auskommen, wenn man dagegen die Basis der Regel für D i m i n u t i v bildung um ein fakultatives P l u r a l s u f f i x -er erweitert (8)

0

->

+chen

(8):

/

Nach Regel (8) b i l d e t , außer im Falle der -er-Plurale, die unmarkierte Substantivkategorie die Basis für D i m i n u t i v d e r i v a t i o n . Das Substantiv Hund gehört nicht zur -er-Klasse; im N o m i n a t i v Plural von Hünd-chen kann also in keiner der Derivationsstufen ein P l u r a l z e i c h e n a u f t r e t e n . Für die Kasusbildung der Substantive hat die MVB (7) ebenfalls Konsequenzen. Sie v e r b i e t e t , ein einziges Morphem zugleich als Kasuszeichen und als Pluralzeichen zu i n t e r p r e t i e r e n . Der Dativ Plural Hunden enthält die Endung en, aber diese kann n i c h t als P l u r a l z e i c h e n gewertet werden, denn d a f ü r gibt es das Zeichen -e. Sie kann also entweder

ins-

gesamt als Kasuszeichen -en oder als eine Sequenz von Numeruszeichen und Kasuszeichen, -e-n bzw. -^-en, i n t e r p r e t i e r t werden. Plurale wie Kinder unterscheiden sich im G e n i t i v und Akkusativ n i c h t vom Nominativ, der Dativ Plural Kindern unterscheidet sich jedoch durch das Kasuszeichen -n. Die Form mit Numeruszeichen b i l d e t also die Basis für die Form mit dem Kasuszeichen -n. Analog bildet die P l u r a l f o r m Hund-e die Basis für die Dativform Hund-e-n. Es erübrigt sich j e g l i c h e Allomorphie. Plurale auf ... en unterscheiden sich im Dativ n i c h t von den anderen Kasus. Die Generalisierung, daß die meisten Substantive im Dativ P l u r a l die Form . . . n haben, läßt für diesen Kasus sowohl eine A u f g l i e d e r u n g Frau-en, Fuchsi-/f-en, Kind-chen, Kind-er-chen , Balk-en-^ wie eine mit zusätzlichem Nullallomorph -y( zu, denn eine entsprechende Degeminierungsregel wäre phonologisch nicht implausibel. Zu bedenken ist

jedoch,

60

daß die Plurale Brodem, Porti , Musea, Oma-s sich im Dativ auch nicht vom Nominativ unterscheiden. Die Deklinationsregel, die das Kasuszeichen für den Dativ Plural e i n f ü h r t , müßte mit negativen Spezifizierungen versehen, oder aber die erwähnten Formen müßten mit einem negativen Regelmerkmal versehen werden. Eine strengere Bedingung für eine solche Deklinationsregel

wäre jedoch, daß sie nur jene Formen an der

Basis s p e z i f i z i e r t , die tatsächlich Kasuszeichen erhalten ( 9 ) :

Weder Brodem, Porti , Musea, Oma-s noch Frau-en, Fuchsi-en, Kind-chen, Kind-er-chen erhalten nach dieser Regel eine Kasusendung im Dativ Plural.

Vorausgesetzt, daß die Eliminierungsregel (3) der Regel für Kasus-

bildung vorgeordnet w i r d , können auch die Pluralformen der in Abschnitt 3 behandelten Substantive vom Typ Balk-en nicht die Basis für letztere Regel bilden. Diminutiva erhalten im Genitiv Singular ein Kasuszeichen -s. Mit Ausnahme der Wörter vom Typ Kinderchen sind Diminutiva sonst weder für Kasus noch für Numerus gekennzeichnet. Die Regeln für D i m i n u t i v b i l d u n g (8) und Kasusbildung (9) gewährleisten eine entsprechende Flexion ohne Nullallomorphie.

Literatur ARONOFF, Mark.(1976): Word formation in generative grammar. Cambridge, Massachusetts etc.: MIT Press. BECH, Gunnar (1963): "Zur Morphologie der deutschen Substantive". Lingua 12: 177-189. ISACENKO, Aleksandr V. (1972): "Rol 1 usecenija v russkom slovoobrazovanii". Journal of Slavic Linguistics and Poetics 15: 95-125. KLOEKE, W . U . S . van Lessen (1978): "Kappen und Umlaut in der deutschen Morphologie". RAAD, Andre A. van/VOORWINDEN, Norbert Th. J. ( e d s . ) : Studien zur Linguistik und Didaktik. Festschrift für C. Soeteman. Leiden: Vakgroep Duits: 151-177. - Auch in Utrecht Working Papers in Linguistics 6 (1978): 29-58. MATER, Erich (1967): Rückläufiges Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. Leipzig: Enzyklopädie, 3. A u f l . 1970. PAUL, Hermann (1917): Deutsche Grammatik. II: Halle: Niemeyer.

Teil 3: Flexionslehre.

WURZEL, Wolfgang U. (1970): Studien zur deutschen Lautstruktur. Akademie.

Berlin:

DADAISMUS,

TYPOGRAPHIE UND RECHTSCHREIBUNG: KURT SCHWITTERS

ALS ORTHOGRAPHIEREFORMER

Manfred Kohrt

O. "Nur Kurt Schwitters kann über Kurt Schwitters schreiben", hat Schwitters selbst mehrfach gegenüber Käthe Steinitz bemerkt (vgl. STEINITZ 1 9 6 6 : 8 ) . Die gesamte Literatur über Schwitters 1 Werk - von SPENGEMANN ( 1 9 1 9 ) bis GEIER (1980) - wäre demnach ein Ding der Unmöglichkeit, da sie allein von Kurt Schwitters handelt, aber nicht von ihm stammt - und auch ich will hier das anscheinend Undenkbare versuchen, nämlich über Schwitters zu schreiben, ohne Schwitters zu sein. Zur Erörterung steht dabei ein Thema, das Kurt Schwitters vor allem Mitte der 20er Jahre beschäftigt hat: das Problem der Orthographiereform. Der Teil der Aktivitäten von Schwitters, der mit der Rechtschreibung zusammenhängt, ist von den Interpretatoren in der Folgezeit fast völlig ausgeklammert worden und wurde bestenfalls am Rande erwähnt - quasi als zusätzliches Kuriosum, das das schillernde Bild seiner Persönlichkeit um eine weitere Facette bereichert. Es sei nicht bestritten, daß diese Vernachlässigung auch gute Gründe hatte: zum einen waren - wie man noch sehen wird - Schwitters 1 Überlegungen zur Rechtschreibreform nicht so originell, daß sie um dieser selbst willen untersucht zu werden verdienten, und zum anderen hat das Orthographieproblem anscheinend für das literarische Werk, geschweige denn das bildnerische, keine entscheidende Rolle gespielt. Sobald man jedoch die besondere Genese dieser Reformüberlegungen in die Betrachtung mit einschließt, erweisen sie sich in zumindest zweifacher Hinsicht als bedeutungsvoll - und am Beispiel von einem dieser m . E . relevanten Aspekte will ich diese Einschätzung im folgenden zu erhärten versuchen. 1. Schwitters 1 Rechtschreibkritik und seine Reformvorschläge Ein jedes Vorhaben, die geltende Rechtschreibung zu ändern, setzt offenkundig die Einsicht in deren Verbesserungsbedürftigkeit vor-

62

aus, und vor der Reform steht so grundsätzlich die Kritik (aus der aber natürlich schon die Grundlinien der für notwendig erachteten Reform hervorgehen). Für Schwitters 1 Kritik an der herkömmlichen Orthographie können wir uns vor allem auf zwei Quellen stützen: zum einen auf eine Folge von drei Briefen, die Schwitters am 2 . , 13. und 17. Juli 1927 über Fragen der Schriftund Rechtschreiberneuerung an Walter Borgius gerichtet hat (s. SCHWITTERS 1 9 7 5 : 1 1 9 - 1 2 6 ) , und zum anderen auf eine Veröffentlichung von Schwitters aus demselben Jahr, die im "Hannoverschen Kurier" vom 6. März 1927 unter der (wohl nicht von Schwitters stammenden) Überschrift "Deutsche Schreibung" abgedruckt ist. Dieser letzte, 2 bis heute anscheinend unentdeckt gebliebene Quellentext enthält zudem den wohl umfassendsten Entwurf einer Neuregelung der deutschen Rechtschreibung, den Schwitters selbst zum Druck gegeben hat. 3 In den Augen von SCHWITTERS ( 1 9 2 7 ) war die geltende Rechtschreibung seiner Zeit "nuur histoorisch und das reesultaat von komproomis", anstatt - wie es wünschenswert wäre - systematisch angelegt zu sein. Der Haupteinwand von SCHWITTERS ( 1 9 7 5 : 1 2 2 ) ist dabei, daß diese Orthographie auf einem "sehr mangelhafte[nJ Alphabeth [sie!]" beruht, und die Fehlerhaftigkeit dieses Alphabets begründet er folgendermaßen: "Ich habe festgestellt, dass wir im Deutschen 41 verschiedene Laute haben, wenn man bei den Vokalen lang und kurz verschieden nennt, dagegen haben wir nur 2O verschiedene Zeichen, 4 wenn man die 6 zusammengesetzten oder doppelten abrechnet." Für die Konsonanten zählt SCHWITTERS ( 1 9 7 5 : 1 2 0 ) a u f , was seiner Meinung nach ( u . a . ? ) fehlt: "Es fehlen die Zeichen für ng, seh, ch, es gibt keine unterschiedlichen Zeichen für Gaumen r und Zungen r, für ch in noch und ch in mich, für j in jeder und j in jamais, für th weich und th hart (englisch), für s hart und s weich." Und er fügt hinzu: "Dafür sind doppelte Zeichen für gleiche Laute vorhanden." In dem Mißverhältnis von Laut- und Buchstabenseite, das durch diese Äußerungen umrissen und exemplifiziert ist, sieht Schwitters das zentrale Problem der deutschen Rechtschreibung, und andere Problembereiche, die wie etwa die Groß- und Kleinschreibung die Gemüter damals und heute sehr stark beschäftigten, bleiben demgegenüber im Hintergrund.

63

Der generelle Reformplan, der sich aus dieser Kritik ableitet, liegt klar auf der Hand, und SCHNITTERS ( 1 9 2 7 ) faßt seine Grundlinie in dem folgenden Satz zusammen: "eigentlich müste jeeder laut einen buuchstaaben haaben". Es wären also zunächst neue Buchstaben für all die Laute einzuführen, die bislang gar nicht eigens bezeichnet oder nur durch eine Buchstabenverbindung wiedergegeben werden; Schwitters nennt in diesem Zusammenhang "dii laute seh, ch und andere wii das ng", macht aber keinerlei explizite Vorschläge für das Aussehen dieser neuen Buchstabenformen. Eliminiert werden müßten andererseits all die Zeichen, die in Schwitters' Diktion "zusammengesetzt" sind (= sich auf eine Lautfolge beziehen) bzw. die "doppelt" sind (= sich auf Laute beziehen, die schon durch ein anderes Zeichen wiedergegeben werden). Für die Konsonanten gibt Schwitters die folgende Liste solcher nicht-notwendigen Buchstaben: "das c, das q, das v, das x, das y sind überflüssig." In dieser Aufzählung vermißt man neben dem j£ den zweiten "zusammengesetzten" Buchstaben z^ ihn will Schwitters mit der gen)

(einigermaßen merkwürdi-

Begründung beibehalten, daß er ihn "jaa anders als ts" sprä-

che. Bewahren will er außerdem auch noch das v aus der obigen Liste,

"weil man es anders sprechen kan, als das f " . Zu den Diphtonghen merkt SCHWITTERS ( 1 9 2 7 ) nur an, daß es "ei-

ne fraage

[sei], ob das ai und das äu sterben müssen", d . h . ob

sie zugunsten von ei und eu zu eliminieren wären. Das Kernstück seines Reformvorschlags aber bildet zweifellos die Schreibung der Vokale, bei der sich das wohlbekannte und oben bereits erwähnte Problem der Unterscheidung von Länge und Kürze stellt. Während SCHWITTERS ( 1 9 7 5 : 1 2 2 ) in einem Brief an Borgius erwägt, daß "für kurz oder lang bei den Vokalen [ . . . ] irgend eine geringe Zutat eines Striches erfolgen [müßte]" , schlägt er im "Hannoverschen Kurier" eine grundsätzlich andere Lösung vor: a l l e k u r z e n w o o k a a l e s i n d e i n f a c h , a l l e l a n g e n w o o k a a l e s i n d d o p p e l t zuu s c h r e i b e n , aaber nicht doppelt z u leesen, sondern lang, sollen nuun zwei aufeinander folgende wookaale doppelt gesprochen werden, soo schreibe ich deen zweiten gros, z . b . geEert. Dieses wäre alles [ . . . ] . Durch die Doppelschreibung der Vokalzeichen erübrigen sich natürlich die sogenannten Dehnungskennzeichen wie das nachgesetzte h,

64 und überflüssig werden - was diese Motivation anbelangt die Verdopplungen von Konsonantenzeichen, die als

- auch

Indikatoren

für die Kürze eines vorangehenden Vokals gewertet werden. 2. Zur Theorie der "optophonetischen Schrift" Wie bereits angeführt, war SCHWITTERS ( 1 9 2 7 ) der Ansicht, daß die zu reformierende Rechtschreibung "nuur historisches komproomis ist"

- aber er bemerkte zur gleichen Zeit auch, daß die in seinem

Sinne reformierte Orthographie "wiider zuu einem komproomis" (wenn auch zu einem besseren) führen würde. Eine wirklich systematische Anlage ohne jede Verfälschung durch die Übernahme von Althergebrachtem schien ihm nur dadurch möglich, daß ein völlig neues Alphabet geschaffen würde. Zur Gestaltung eines solchen neuen Schriftsystems hat sich Schwitters ausführliche Gedanken gemacht, die 1927 unter dem Titel "Anregungen zur Erlangung einer Systemschrift" in der holländischen Zeitschrift "i 10" veröffentlicht wurden und die der "Sturm" im folgenden Jahre nachdruckte. SCHWITTERS ( 1 9 2 8 : 1 9 6 )

zufolge verlangt die Erstellung eines

neuen Schriftsystems zunächst die Beantwortung der Frage, was denn Schrift überhaupt ist, und er gibt selbst die folgende Antwort darauf: "Schrift ist das niedergeschriebene Bild der Sprache, das Bild eines Klanges." Die Schrift hat also die lautliche Seite widerzuspiegeln, d . h . sie muß - in Schwitters Terminologie "optophonetisch" sein. Und SCHWITTERS ( 1 9 2 8 : 1 9 6 ) führt dazu wei-

ter aus: 9 Systemschrift L J verlangt, daß das ganze Bild der Schrift dem ganzen Klang der Sprache entspricht, und nicht, daß hier und da einmal ein Buchstabe mehr oder weniger dem durch ihn dargestellten Laute entspricht, wenn er einzeln aus dem Klang herausgenommen werden würde.

Inwiefern aber gibt die herkömmliche Orthographie nicht den "ganzen Klang der Sprache" wieder? SCHWITTERS ( 1 9 2 8 : 2 0 3 ) führt dazu ein Beispiel an: Bei [der herkömmlichen Schrift] sehen Sie eine große Ähnlichkeit zwischen E und F und eine große Verschiedenheit zwischen E und 0. Im Klange sind aber E und 0 verwandter als E und F. Da ist eine deutliche Unlogik [ . . . ] . Aus dieser Kritik können wir ein positives Gegenbild ableiten:

65

mit dem berufenen "ganzen Klang der Sprache" ist offensichtlich d a s L a u t s y s t e m d e r Sprache gemeint, u n d dieses wird dann adäquat widergespiegelt, wenn den phonetischen Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten jeweils graphische Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten entsprechen. Was damit postuliert wird, ist als o eine S t r u k t u r i s o m o r p h i e v o n Lautsystem u n d Schriftsystem, bei der nicht nur Laute und Buchstaben, sondern phonetische und graphische Merkmale zueinander in Beziehung gesetzt werden. So wird etwa der Gegensatz vokalisch-konsonantisch dadurch widergespiegelt, daß "alle Konsonanten mager und eckig, aber alle Vokale fett und rund geschrieben" werden (SCHNITTERS 1 9 2 8 : 2 0 3 ) , und aus den Zeichen für die stimmlosen Konsonanten kann durch Spiegelung an der Kopfseite jeweils das Zeichen für den entsprechenden stimmhaften Konsonanten gewonnen werden. Diese Beispiele müssen hier genügen, um die Grundzüge des Vorgehens von Schwitters zu illustrieren; geschaffen wird dadurch ein System von neuen Zeichen, das SCHWITTERS ( 1 9 7 5 : 1 1 8 ) selbst als sehr präzise" eingeschätzt hat.

"international und

3. Der Hintergrund Der gerade in Ansätzen charakterisierte Versuch von Schwitters, aus der Konfiguration der Schriftzeichen die (artikulatorisch zu bestimmenden ) Eigenheiten der Laute direkt ablesbar zu machen, steht offensichtlich in der Tradition der Bemühungen um eine wie es bei HAAS ( 1 9 7 6 : 1 4 7 ) heißt - "phonetic feature script", wie sie um die Jahrhundertwende schon mehrfach vorgeschlagen worden ist - man denke nur an die 'analphabetischen 1 Repräsentationen von JESPERSEN ( 1 9 O 4 ) oder die "Organic 1 notation" bei SWEET ( 1 9 O 6 ) . Doch die Wurzeln reichen noch t i e f e r , und Sweet hat sich bereits beim Entwurf seiner Organischen' Schrift an einem früheren Vorbild orientiert, das eine ganze Reihe von Bezugspunkten mit den von Schwitters vorgetragenen Gedanken aufweist und das schon 6O Jahre vor dem Zeitpunkt erschien, zu dem Schwitters sein eigenes Zeichensystem für die Darstellung von Sprechlauten entwickelte. Gemeint ist damit die Schrift von A.M. BELL (1867) mit dem Titel "Visible Speech: The Science of Universal Alphabetics; or Self-interpreting Physiological Letters for the Writing of All Languages in One Alphabet" . Hier ist nicht der Raum, um die vielfältigen grundsätz-

66

liehen Ähnlichkeiten zwischen den von Bell und Schwitters entworfenen Systemen wirklich zu beleuchten, die sich von dem gemeinsamen Ausgangspunkt her ergaben: daß nämlich die herkömmlichen Schriftzeichen für die exakte Widerspiegelung phonetischer Tatbestände nicht tauglich waren. Anstelle einer gründlichen Elaborierung der Ähnlichkeiten müssen hier also ein paar (oberflächliche) Hinweise genügen: Zum einen ging es Bell und Schwitters - wie die Zitate zuvor gezeigt haben - um eine Darstellung der Laute a l l e r Sprachen ; zum anderen steht die von Bell verwandte Bezeichnung "Visible Speech" in einem mehr als engen Verhältnis zu Schwitters 1 Begriff der "optophonetischen Schrift", und zum dritten spielen in Beils System Spiegelungen von Zeichen ebenso wie bei Schwitters 1 Entwurf eine nicht unbedeutende Rolle. Durch den Verweis auf Bell werden Schwitters 1 Überlegungen mit gutem Recht, wie ich meine - mit den Anfängen der wissenschaftlichen Phonetik verknüpft. Der "Versuch, das Schriftproblem mit wissenschaftlichen Methoden zu lösen", bildete laut TILLMANN/MANSELL (198O:89) den Ausgangspunkt für die Entwicklung der Phonetik in der Mitte des vorigen Jahrhunderts, und sie führen dafür auch einen Kronzeugen an: "Für den Österreicher Brücke stand 1856 eine Reform der Orthographie im Vordergrund: Die Rechtschreibung sollte 'mehr als bisher mit der Aussprache in Übereinstimmung zu bringen 1 sein ('anstatt uns von diesem Ziele allen Schreibens noch weiter zu e n t f e r n e n 1 ) . " Daß dieser Zusammenhang nicht so einfach ist, wie Tillmann und Mansell unterstellen , soll uns nicht weiter kümmern; wichtiger ist hier, daß die Auffassungen von Brücke und Schwitters in diesem Punkt offenbar konvergieren: Wenn Schrift das 'Bild eines Klanges 1 (Schwitters) ist, dann muß allem Anschein nach das 'Ziel allen Schreibens' (Brücke) das sein, diesen Klang optisch möglichst genau widerzuspiegeln. Diese Auffassung vom Wesen der Alphabetschrift bzw. vom Sinn und Zweck des Schreibens in Alphabetschrift ist nun aber keineswegs eine bloß individuelle, nur zufällig von Brücke und Schwitters geteilte Vorstellung, sondern entspricht vollkommen der traditionellen Konzeption von der Beziehung zwischen gesprochener und geschriebener Sprache, wie sie sich u . a . schon in Kap. 1,7 von Quintilians "De institutione oratoria" findet: "Ego (nisi quod

67

consuetude obtinuerit) sic scribendum quidque iudico, quomodo sonat. Hie enim usus est literarum, ut custodiant voces, et velut depositum reddant legentibus." In der Folgezeit ist das, was hier als normale Verfahrensweise der Schreibkundigen (und als Empfehlung) formuliert wird, als unumstößlicher theoretischer Grundsatz genommen worden, der bis heute den generellen Hintergrund für Reformvorschläge verschiedenster Provenienz abgegeben hat. Und es ist so kein Wunder, daß sich die Basis von Schwitters 1 Überlegungen bereits in den ersten drei "Grundgesetze[n] der orthographischen Wissenschaft" von KRAUTER (1881) findet: "I. Gleiches ist immer gleich zu bezeichnen. II. Verschiedenes ist immer verschieden zu bezeichnen. III. Ähnliches ist wo möglich ähnlich zu bezeichnen." Schwitters 1 Reformgedanken stehen also, von ihm wohl unbemerkt, in einer langen Tradition, und der oben zitierte Satz des "eigentlich müste jeeder laut einen buuchstaaben haaben" ist in noch schärferer Form schon bei Klopstock zu lesen, der im Jahre 1779 schreibt: "Kein Laut darf mer als Ein Zeichen; und kein Zeichen mer als Einen Laut haben." (KLOPSTOCK 1 8 4 4 : 3 3 1 ) Und bei dieser grundsätzlichen Übereinstimmung ist es nicht weiter verwunderlich, daß der ebenfalls bereits angeführte Gedanke von Schwitters, daß "für kurz oder lang bei den Vokalen [ . . . ] irgend eine geringe Zutat eines Strichs erfolgen [müste]", von Klopstock bereits in die Tat umgesetzt worden ist. 1 4 Und auch anderes an Schwitters 1 Vorschlägen ist schon vorgebildet: die grundsätzliche Doppelschreibung bei Langvokalen steht in offenkundiger Verbindung zur Orthographie des Niederländischen und stellt durchaus keine revolutionäre, völlig selbständig entwickelte Neuerung dar. Wie diese Beispiele zeigen, war unter der grundsätzlichen Prämisse, daß das Geschriebene die gesprochene Sprache möglichst genau ("lautgetreu") abzubilden hat, zwar noch Originales, aber kaum noch Originelles möglich. 4. Zur Bedeutung der Genese von Schwitters 1 Reformvorschlägen Es gibt nun allerdings etwas, was Schwitters' Überlegungen zu Schrift- und Rechtschreibreform gleichermaßen von den Bemühungen der frühen Phonetiker (wie etwa Bell) wie von denen der verschiedenen Orthographieerneuerer (wie z . B . Klopstock) abhebt - und das

68

ist ihr Entstehungszusammenhang, der gerade in seiner Besonderheit für das Problem der Rechtschreibreform allgemein von Bedeutung ist. Für die 'normalen' Orthographiereformer des 19. und 20. Jahrhunderts gilt (oder galt zumindest bis vor k u r z e m ) , daß man sich über die Funktion, über Sinn und Zweck der vorgeschlagenen Neuerungen eigentlich wenig bis gar keine Gedanken machte und sich auch in gedruckter Form kaum weiter darüber ausließ. Motivation und Ziel der Veränderung schienen quasi selbstevident zu sein und gingen anscheinend natürlich aus der 'Sachstruktur' des behandelten Gegenstands hervor. Die Orthographie wurde dabei immer wieder als etwas gesehen, was ihrem Wesen nach die 'getreue' Widerspiegelung des äußeren Erscheinungsbilds der gesprochenen Sprache gewährleisten sollte, und die Reform hatte nur die Erfüllung dieser vorgesetzten Aufgabe zu erleichtern, indem sie das System der Entsprechungen zwischen den elementaren Einheiten beider Sprachebenen zu optimieren versuchte. Das Besondere an den Bemühungen von Schwitters ist nun, daß hinter dieser allgemeinen Zweckbestimmtheit ein besonderes Interesse an der Wiedergabe der bloßen Form der Sprache (und eben nicht ihres Inhalts!) aufscheint. Seine Bemühungen um eine Rechtschreibreform verdankten sich offensichtlich den Problemen, denen er sich bei der Aufzeichnung seiner "Ursonate" gegenübergestellt sah (vgl. SCHWITTERS 1 9 3 2 ) . Genereller gesprochen: es ging also um das Problem d e r schriftlichen Darstellung v o n L a u t g e d i c h t e n . Was aber ist denn überhaupt ein "Lautgedicht"? Die einigermaßen erschöpfende Beantwortung dieser Frage würde eine eigene Abhandlung verlangen, denn in den literaturwissenschaftlichen (!) Arbeiten herrscht weitestgehend heillose Verwirrung, was die Ausgrenzung dieses Terminus anbelangt, seine inhaltliche Strukturierung und die Bestimmung seiner 'eigentlichen', seiner prototypischen Vertreter in der Geschichte der Avantgarde. In unserem Zusammenhang dürfte aber die folgende, recht hemdsärmlige und der Begründung wie der Spezifizierung gleichermaßen bedürftige Begriffsbestimmung ausreichen: Lautgedichte sind demzufolge solche poetisch intendierten Formen oder Ereignisse, bei denen auf die formale Erscheinungsweise von Sprache rekurriert und gleichzeitig deren inhaltlicher Widerpart weitestgehend ausgeblendet wird.

69 Schwitters 1 "Ursonate", als ein Beispiel für ein solches Lautgedicht, ist so zwar als Folge von Lauten interpretierbar (und zudem - partiell - etwa auch als Folge von formalen Wörtern), aber diese äußerlich faßbare Sprachhaftigkeit bleibt auf der Inhaltsseite ohne direkte Entsprechung - die formalen Einheiten bleiben in ihrer Verkettung ohne vordergründigen Sinn ( d . h . ohne einen Sinn, der nicht über Assoziationen mühsam einzuholen w ä r e ) . Die in der gesprochenen Sprache damit nicht inhaltlich, sondern nur formal bestimmbaren Elemente galt es nun aber schriftlich zu fixieren, wenn das Lautgedicht nicht nur ein einmaliges, vergängliches Ereignis bleiben sollte - und dieses Problem war es, was Schwitters letztlich zu seinen "kompromißlerischen 1 Aussagen über eine allgemeine Rechtschreibreform f ü h r t e . Dabei war er sich im klaren darüber, auch mit der endgültigen veröffentlichten Form der Ursonate "nur eine sehr lückenhafte angäbe der gesprochenen sonate zu geben", bei der "wie bei jeder notenschrift" nicht nur eine, sondern "viele auslegungen möglich" sind, und er kam zu dem Fazit: "besser als zu lesen ist die sonate zu hören" (SCHWITTERS 1 9 3 2 : 1 5 5 ) , Da jedoch sein Plan, die Ursonate vollständig auf Schallplatte aufzunehmen, bekanntlich scheiterte, blieb er für die Bewahrung dieser Dichtung über die Zeit hinweg auf das Vehikel der Schrift angewiesen. Doch kehren wir von den Problemen bei der Aufzeichnung der Ursonate zu Schwitters 1 Überlegungen zur Rechtschreibreform zurück. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, was SCHWITTERS ( 1 9 2 7 ) über die Nutzanwendung seiner vorgeschlagenen Orthographie feststellt: "in diiser Schreibung", so erklärt er, "haabe ich nuun ein instrument geschaffen, mit deem man alles einigermaaßen richtig sprechen kan, auch wen man das wort nicht kent." Mit anderen Worten: der Vorteil bei dem revidierten Rechtschreibsystem ist der, daß das Lautlesen nunmehr rein mechanisch vonstatten gehen und auf jedes Sinnverstehen verzichten kann. Diese Ausklammerung des Sinns und die alleinige Konzentration auf die Rekonstruktion der äußeren Form ist nun sicher durchaus berechtigt, wenn wir sie vom Problem der Aufzeichnung der Ursonate her sehen - aber beides wird in dem Moment problematisch, wo dieser besondere Fall quasi als Prototyp für schriftsprachliche Kommunikation überhaupt angesehen wird - was bei Schwit-

70

ters offensichtlich der Fall ist. Natürlich finden wir die im Zusammenhang mit der Ursonate bedeutsamen Handlungen des Aufschreibens und des Lautlesens auch sonst in schriftsprachlicher Kommunikation, aber üblicherweise haben sie dort einen völlig anderen Stellenwert: sie stehen im Dienst von kommunikativen Intentionen und sind damit primär auf die Vermittlung von Inhalten gerichtet. Daß eine modellhaft vorgegebene lautliche Form annähernd getreu aus dem Geschriebenen zu reproduzieren sein soll, ist das besondere Interesse von Schwitters in einer besonderen, ausdrücklich vom normalen Sprachgebrauch abgetrennten Situation - aber keineswegs ein Interesse, das gleichermaßen für das alltägliche Schreiben überhaupt gelten würde. Das "Ziel allen Schreibens", um diese absolute Formulierung von Brücke noch einmal zu verwenden, ist gerade nicht die Vermittlung von formalen, sondern von inhaltlichen Aspekten von Sprache, und der Sinn, nicht die Laute stehen im Vordergrund. Leider aber ist für die Rechtschreibreformer des 19. und auch noch des 20. Jahrhunderts weitestgehend charakteristisch, daß sie das Schreiben allein als eine auf Formaspekte reduzierte Tätigkeit ansehen und das eigentlich Wichtige an dieser Art des Handelns unterschlagen: seine besondere kommunikative Funktion. Erst in dem Moment, wo die vielfach übliche Reduktion der komplexen Handlung des Schreibens auf einen bloßen Ubertragungsakt zwischen zwei formalen Repräsentationssystemen von Sprache überwunden ist, wird m . E . die Frage der Rechtschreibreform (und etwa auch die des Schreibenlernens) adäquat diskutiert werden können.

Anmerkungen 1 Ausgeklammert bleibt hier der zweite Aspekt, unter dem Schwitters 1 orthographische Überlegungen noch von Bedeutung sind: die Theorie des 'Lautgedichts 1 ; die Erhellung dieses Punktes muß einer gesonderten Arbeit vorbehalten bleiben. 2 So fehlt dieser Text in dem Verzeichnis "alle[r] Veröffentlichungen [...], die Schwitters selbst betreut hat", das SCHEFFER (1978:312 f f . ) - gestützt auf die Vorarbeit von Bollinger.in SCHMALENBACH ( 1 9 6 7 : 3 7 9 f f . ) - angelegt hat. 3 Möglicherweise enthält jedoch der unveröffentlichte Nachlaß noch Genaueres; so weist SCHMALENBACH ( 1 9 6 7 : 3 6 9 ) auf ein Manuskript mit dem Titel "typographic und Orthographie" hin.

71

4 Diese sechs Buchstaben sind offenbar (s. unten) c_, £, v, , und _·, das J3, das gewissermaßen "außerhalb" des normalen Alphabets steht, scheint Schwitters von vornherein auszuklammern. 5 "im weesentlichen schreibe ich auch alles klein, schreibe aber im gegensatz zum Bauhaus alle eigennaamen gros" (SCHWITTERS 1 9 2 7 ) . 6 Vgl. dazu Abschnitt 2 sowie Anm. 14 unten. 7 Ganz verzichten will SCHWITTERS ( 1 9 2 7 ) jedoch nicht auf die Verdopplung der Konsonantenzeichen: "doppelte konsonanten sollen [...] geschriiben werden, wen man sie [ s i e l ] einzeln sprechen kan." Sie sollen demnach inlautend zwischen Vokalen erhalten bleiben, im Auslaut und vor Konsonanten aber schwinden. 8 Mit gutem Recht wendet sich SCHWITTERS ( 1 9 7 5 : 1 2 0 ) gegen den gebräuchlichen (und auch von Borgius verwandten) Begriff der "phonetischen Schreibweise": "Es muss heißen optophonetisch, weil die phonetische Sprache durch gleichwertige optische Schrift bezeichnet werden muss." Und in einem späteren Brief heißt es: " [ . . . ] die Schreibweise muss natürlich optisch sein, und das Bild der Schrift, nicht der einzelnen Laute, muß parallel dem Klang der Sprache, nicht dem einzelnen Laute, sein. Das nenne ich opto-phonetisch." (SCHWITTERS 1 9 7 5 : 1 2 2 ) . 9 Zur Kennzeichnung seiner neuen Schrift erwog SCHWITTERS ( 1 9 7 5 : 127) in einem Brief vom 1 4 . 8 . 1 9 2 7 verschiedene B e g r i f f e : "optophonetisch, Verkehrsschrift, dynamisch" (denn ein "guter Name ist wichtiger als alles Andere"). Die Bezeichnung "optophonetische Schrift", die ihm sonst anscheinend am geläufigsten war, schien ihm letztlich wohl doch zu technisch und kompliziert, um als populäres Markenzeichen brauchbar zu sein. Neben dem gängigeren Terminus "Systemschrift" verwandte Schwitters auch gern das Wort von der "plastischen Schreibung" für seine Vorschläge (vgl. etwa SCHWITTERS 1 9 2 7 ; zur Begründung für diese Bezeichnung s. SCHWITTERS 1 9 2 8 : 2 0 3 ) . 10 In einem Brief vom 1 3 . 7 . 1 9 2 7 schwankt SCHWITTERS ( 1 9 7 5 : 1 2 3 ) noch, ob er vom akustischen Eindruck oder von der Bildungsweise der Laute ausgehen solle; in seinem Aufsatz zur Systemschrift vermerkt er dann aber ausdrücklich, daß er "nicht den Klang, sondern den Ort der Entstehung in [sJeine phonetische Ordnung eingereiht" habe (SCHWITTERS 1 9 2 8 : 2 0 4 ) . 11 Vgl. BELL

( 1 8 6 7 : 1 8 ) , SCHWITTERS

(1928:196).

12 Ob und inwiefern nicht sprachlich geformte Laute von Bell oder Schwitters überhaupt erfaßt werden sollten, ist nicht völlig eindeutig auszumachen; vgl. dazu die Darstellung von Beils ö f f e n t lichen Auftritten in BELL ( 1 8 6 7 : 2 2 f f . ) ("there is nothing uttered by human organs which Mr. Bell does not claim to represent with equal fidelity" WHITNEY 1875:303) sowie die Bemerkungen bei SCHWITTERS ( 1 9 2 8 : 2 0 4 ) : "Die durch Hustelaut, Würgelaut, Brüllaut und Pferdelaut bezeichneten Quadrate enthalten zwar Laute, die ich bilden kann, aber es ist mir unbekannt, ob man sie in Sprachen verwendet." 13 Schlichte Feststellungen wie "Brückes Motiv ist eine Verbesserung der deutschen Orthographie" (TILLMANN/MANSELL 1980:175) sind allzu grob und tragen der Entstehungsgeschichte seiner Arbeit nicht

72 genügend Rechnung. Den Aussagen von BRÜCKE (1856:505) zufolge entstand sie auf Anregung eines Mitglieds der Redaktion der "Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien". Der Anlaß für diese Aufforderung lag nahe, denn 1855 hatte R. von Raumer in eben dieser Zeitschrift seine Abhandlung "Über deutsche Rechtschreibung" veröffentlicht, in der er einer 'phonetischen 1 Ausrichtung der Orthographie das Wort redete. Auf diese letztere Abhandlung aber beziehen sich die von Tillmann und Mansell aus dem Zusammenhang gerissenen Zitate von Brücke, die der folgenden Passage entnommen sind: "Ich hatte die schönen Abhandlungen von Rudolf von Raumer gelesen, in welchen in einer so klaren und einsichtsvollen Weise gezeigt wird, dass es, wenn wir einmal an unserer Orthographie ändern wollen, gerathen ist, sie mehr als bisher mit der Aussprache in Übereinstimmung zu bringen, anstatt uns von diesem Ziele allen Schreibens noch weiter zu entfernen." (BRÜCKE 1856:505) Was von Tillmann und Mansell als eigenes Motiv von Brücke dargestellt wird, ist also ein Reflex der Arbeiten von Raumers! 14 Zur Kennzeichnung der Länge des betreffenden Vokals hatte Klopstock ein sogenanntes "Tonzeichen" vorgesehen, einen nach oben geöffneten Bogen unter dem Vokalzeichen, der allerdings nur dort stehen sollte, "wo man [diesen TonJ mit dem abgebrochnen verwexeln könte" (KLOPSTOCK 1 8 4 4 : 3 5 2 ) . 15 Daß Schwitters mit dem Niederländischen vertraut war, hat er selbst angemerkt (vgl. etwa SCHWITTERS 1 9 7 5 : 1 2 5 ) ; u . a . übernahm er es auch, Texte aus der Zeitschrift "De Stijl" ins Deutsche zu übertragen (vgl. SCHWITTERS 1 9 7 5 : 9 5 ) . 16 Da man von "Reform" eigentlich erst in dem Moment sprechen kann, wo bereits eine weitestgehend konsolidierte Norm der Schreibung besteht, beziehe ich mich hier nur auf diese beiden Jahrhunderte; das hier Festgestellte gilt natürlich aber sinngemäß auch für die Normierungsvorschläge früherer Jahrhunderte. 17 Die Ansicht von SCHULDT ( 1 9 7 2 : 1 1 ) , daß die Ursonate "überwiegend wortartige und wortkettenartige Gebilde" enthalte, ist sicherlich übertrieben; hier wäre eine genauere Analyse notwendig.

Literatur BELL, Alexander M. (1867) : Visible Speech: The science of universal alphabetics; or self-interpreting physiological letters, for the writing of all languages in one alphabet. London: Simpkin, Marshall and Co. BRÜCKE, E. ( 1 8 5 6 ) : "Physiologie und Systematik der Sprachlaute". Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien 7: 5O5-545, 589-632, 686-700. GEIER, Manfred ( 1 9 8 0 ) : Schriftbilder. Zur Funktion der Sprache in den MERZ-Collagen von Kurt Schwitters. (unveröffentlicht) HAAS, William ( 1 9 7 6 ) : "Writing: The basis options". HAAS, W. ( e d . ) : Writing without letters. Manchester: Manchester University Press: 131-2O8.

73

JESPERSEN, Otto ( 1 9 0 4 ) : Phonetische Grundlagen. Leipzig und Berlin: Teubner. KLOPSTOCK, Friedrich Gottlieb ( 1 8 4 4 ) : Sämmtliche Werke. B d . 9 . Sprachwissenschaftliche Schriften. Leipzig: Göschen. KRAUTER, J.F. ( 1 8 8 1 ) : "Grundgesetze der orthographischen Wissenschaft". Zeitschrift für Orthographie 1: 17O-174. SCHEFFER, Bernd ( 1 9 7 8 ) : Anfänge experimenteller Literatur. Das literarische Werk von Kurt Schwitters. Bonn: Bouvier. SCHMALENBACH, Werner ( 1 9 6 7 ) : Kurt Schwitters. Köln: DuMont Schauberg. SCHULDT ( 1 9 7 2 ) : "Lautgestaltung. Beitrag zu einer Klärung des Begriffs an Hand der ' U r s o n a t e ' " . Text und Kritik 35/36: 10-12. SCHWITTERS, Kurt ( 1 9 2 7 ) : ["Deutsche Schreibung".] Hannoverscher Kurier 79, Nr. 1O9 vom 6 . 3 . 1 9 2 7 . ( 1 9 3 2 ) : Ursonate. Hannover: Merzverlag. ( 1 9 7 5 ) : Wir spielen, bis der Tod uns abholt. Briefe aus f ü n f Jahrzehnten. Frankfurt etc.: Ullstein. SPENGEMANN, Christof 573-582.

( 1 9 1 9 ) : "Kurt Schwitters". Cicerone 11:

STEINITZ, Kate T. ( 1 9 6 6 ) : Kurt Schwitters. Erinnerungen aus den Jahren 1918-3O. Zürich: Die Arche. SWEET, Henry ( 1 9 O 6 ) : A primer of phonetics. 3. edition. Oxford: Clarendon. TILLMANN, Hans G. / MANSELL, Phil ( 1 9 8 O ) : Phonetik. Lautsprachliche Zeichen, Sprachsignale und lautsprachlicher Kommunikationsprozeß. Stuttgart: Klett-Cotta. WHITNEY, William Dwight ( 1 8 7 5 ) : " B e l l ' s Visible Speech". WHITNEY, W . D . Oriental and linguistic studies. Second series. London: Trübner: 3O1-317.

ÜBER DIE

RHYTHMISCHE NATUR DES V/ORTAKZENTS

IM DYIRBAL UND HOPI

Dan Maxwell

1.

Einführung

Das folgende Zitat ist aus JESPERSEN (1909: 1 5 6 ) : It is easier to alternate between strong [S] and weak [ W ] syllables than to pronounce several equally strong or equally weak syllables consecutively. Auf der Basis der in diesem Zitat enthaltenen Idee hat SCHANE ( 1 9 7 9 ) eine neue Analyse des Wortakzents im Englischen vorgelegt. Meiner Ansicht nach ist diese Analyse als wichtiger Gegenvorschlag zu derjenigen von CHOMSKY/HALLE ( 1 9 6 8 ) ( i m folgenden: SPE) zu betrachten. Ziel dieses Beitrags ist zu zeigen, wie das System, das Schane für das Englische erstellt hat, auch für andere nicht verwandte Sprachen verwendet werden kann. Zunächst werde ich die Analyse von Schane kurz zusammenfassen. Dann werde ich zu den Analysen des Dyirbal und des Hopi übergehen. In diesen Sprachen sind die von meinen Quellen angegebenen Fakten viel einfacher und eindeutiger als im Englischen. Aus diesen Analysen wird gefolgert, daß das von Schane eingeführte System auf einfache Weise Sprachvergleiche in bezug auf Wortakzentsysteme ermöglicht; deshalb ist es der SPE Analyse vorzuziehen. Schane hat sich über die phonetischen Merkmale von starken ("strong") Silben nicht geäußert; dennoch wird aus seiner Analyse klar, daß eine starke Silbe mit einer betonten Silbe gleichzusetzen ist, auch wenn die Stärke dieser Betonung nur den zweiten Grad erreicht. Am Beispiel des Hopi aber werden wir sehen, daß Jespersens Idee ein zusätzliches Phänomen erklärt, wenn wir den Begriff der starken Silbe auch mit dem Merkmal Länge verbinden.

76

2.

Schanes Analyse des Englischen

Bei Schanes System gibt es drei Arten von Regeln, die ich zunächst in diesem Abschnitt erläutern möchte. Darauf folgen einige Beispiele. 2.1.

S-Placement Rules (SPR)

Die Angaben dieser Regelart hängen immer mit der Silbenzahl, in einigen Fällen aber auch mit der Silbenstruktur zusammen. Ein Beispiel für diese Art von Regel ist Schanes Antepenultimate Rule ( A P R ) , die besagt, daß die drittletzte Silbe eines Stammes stark ist. Diese und andere Regelarten lassen sich wieder verwenden nach Affigierung einer Vor- oder Nachsilbe. Eine zweite SPR für das Englische heißt Final Rule ( F R ) . Dadurch wird in vielen Fällen - vor allem bei schweren Silben - die letzte Silbe eines Wortes durch ein S gekennzeichnet. Bei Schanes Analyse besteht der Unterschied zwischen "schweren" und "leichten" Silben darin, daß das vokalische Element bei einer schweren Silbe lang oder ein Diphthong ist oder zwei Konsonanten vorausgeht. Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen dieser Regelart und Jespersens Idee. 2 . 2 . Rhythmic Constraints

(RC)

Schane bemerkt, daß APR und FR voneinander unabhängig operieren. Oft erzeugen sie starke Silben im gleichen Wort. Da die letzte und die drittletzte Silbe keine Verkettung bilden, verstoßen sie nicht gegen Jespersens Prinzip. Es wird aber keine Beschränkung eingeführt, daß die SPRs keine solchen Verkettungen erzeugen dürfen. Derartige Verkettungen, die wegen der verwickelten Verhältnisse zwischen Silbenzahl und Silbenstruktur gelegentlich doch vorkommen, werden dann meistens durch RCs ausgeschaltet. So wird Jespersens Idee - eher durch Schanes RCs als durch die SPRs - zum festen Teil der Analyse des Wortakzentmusters im Englischen. Es ist zu erwarten, daß alle Sprachen mit "rhythmischem" Wortakzent solche RCs haben, auch wenn diese sich in Einzelheiten voneinander unterscheiden. Der im Englischen am häufigsten vorkommende RC ist Schanes (i) "Weakening Convention" (WC).

77 Dadurch wird bei einer Verkettung von zwei starken Silben jenige Silbe geschwächt,

die-

der erst nach Affigierung von einer

oder mehreren zusätzlichen Silben eine starke Betonung zugewiesen wird. Nach Schane gibt es im Englischen noch zwei RCs, die die Verkettung von schwachen Silben in bestimmten Fällen schließen sollen. Diese Beschränkungen nennt er Constraint" (HC) und (iii)

(ii)

aus-

"Heavy

"Initial Constraint" (1C) . Wenn die

erste von zwei schwachen Silben "schwer" ist,

wird sie durch HC

in eine starke Silbe umgewandelt. Dieser Vorgang wird von Schane in folgender Weise abgekürzt:

(D

(H) W W

( (H)

= "heavy")

Wenn zwei schwache Silben am Anfang eines Wortes stehen, wird die erste durch 1C in eine starke Silbe umgewandelt:

(2)

/W W S

Diese beiden RCs werden von Schane folgendermaßen zusammengefaßt:

(3)

(L) ~ S WW

( (L)

= "light")

l

S S

2.3. Detail Rules ( D R ) Neben SPRs und RCs gibt es in diesem System noch eine dritte Art von Regeln, Detail Rules

(DR) . Sie dienen dazu, bei starken

Silben den genauen Betonungsgrad anzugeben. Bis auf zwei Arten von Ausnahmen besagt die Regel für das Englische, daß der stärk ste Betonungsgrad auf der letzten starken Silbe liegt, es sei denn, diese Silbe ist

die letzte im Wort.

2 . 4 . Beispiele Ich werde nun einige Beispiele a n f ü h r e n , um das bisher rein abstrakt dargelegte System weiter zu erläutern. Ähnlich wie im Deutschen gibt es im Englischen trennbare und

78 nicht trennbare A f f i x e . Ein Affix ist

trennbar, wenn dem Stamm,

an den es angehängt wird, ein schon existierendes Wort zugrunde liegt. Das Suffix -ment z . B . ist

immer trennbar, da die Stämme

in replacement, movement, advancement usw. immer unabhängige Wörter bilden. Im allgemeinen erhalten nur die nicht trennbaren Suffixe durch FR ein S; nach dem vorangehenden Suffix -ataber erhält auch -ive ein S, obwohl es hier trennbar (4)

ge-ne-ra-tive

(5)

con-tem-pla-tive W

W

W

W

W

W

W

FR

W

W

S

APR

S

W

S

FR

S

W

S

WC

S

W

W

S

WC

s s

HC

-

-

-

-

HC

s

l

4

FR W l S

APR

FR

WC

ist:

1s

iW

W

is W

W

s s

W

W

1 s

W

s

W

s s s

W

ls

Der zum Teil ungleiche Verlauf dieser beiden Derivationen kann auf die unterschiedlichen Strukturen der jeweils zweiten Silbe zurückgeführt werden. In generative ist diese Silbe leicht, in contemplative ist sie schwer. Deswegen wird nur im zweiten Wort dieser Silbe durch HC ein S zugewiesen. Dadurch wird eine unannehmbare Verkettung von W-Elementen beseitigt, aber eine andere Verkettung von S-Elementen geschaffen. Diese wird dann durch WC ausgeschaltet. Die zweite Derivation zeigt, daß Verkettungen von S-Elementen auf mindestens zweierlei Weise gebildet werden können: durch Affigierung einer starken Silbe gerade neben einer anderen starken Silbe und durch die Entstehung des Musters - nach den SPRs -, das den Bedingungen des HC entspricht. (6)

®

S WW Diese beiden gerade besprochenen Möglichkeiten werden wir

auch im Hopi finden.

79

3.

Der Wortakzent im Dyirbal und im Hopi

Jede vollständige Analyse des englischen Betonungssystems muß äußerst kompliziert sein. Außerdem ist kaum zu erwarten, daß ein Übermaß an lexikalisch markierten Ausnahmen vermieden werden kann. In dieser Hinsicht scheint Schanes System weder besser noch schlechter als das SPE-System zu sein. Aber Schanes System hat folgenden Vorteil: Ein ihm zugrunde liegendes Prinzip kann auf das Betonungssystem anderer Sprachen übertragen werden. Systeme, die eine Basis für die Analyse von verschiedenen, nicht verwandten Sprachen aufweisen, sind anderen Systemen ohne eine solche Basis überlegen. In diesem Abschnitt möchte ich Schanes System auf Dyirbal und Hopi übertragen. Diese beiden Sprachen sind genetisch weder miteinander noch mit dem Englischen verwandt. 3.1.

Der Wortakzent im Dyirbal

Dyirbal ist eine fast oder jetzt vielleicht sogar völlig ausgestorbene Sprache der Urbevölkerung Australiens. Nach DIXON ( 1 9 7 2 ) , der meine Quelle für alle Daten ist, sind die Betonungsregeln im Dyirbal ziemlich einfach: Jede ungerade Silbe - von links gezählt - ist betont, z.B. buybal. Die einzige Ausnahme besteht darin, daß die letzte Silbe bei drei- und fünfsilbigen Wörtern unbetont bleibt, z . B . jiinayman. Nach Dixon ist diese Ausnahme dadurch zu erklären, daß eine betonte Silbe am Ende eines Wortes direkt neben der ersten Silbe des folgenden Wortes stehen würde und die so entstehende Kette von betonten Silben gegen den bevorzugten Rhythmus dieser Sprache verstoßen würde. Dieser Rhythmus ist ein Phänomen, das offensichtlich noch auf Jespersens Prinzip zurückzuführen ist. der folgenden Weise vor: (7) jiinayman W W W AS

lS

W

lS

# S

WS

S W

l W

# S

Die Derivation geht in

Im Dyirbal aber wird, im Gegensatz zum Englischen, (i) kein Unterschied zwischen schweren und leichten Silben gemacht und

80

(ii) bei der einzigen SPR vom Anfang anstatt vom Ende des Wortes gezählt. Deswegen wird durch Anfügung von Suffixen kein Akzentwechsel verursacht. Mit Ausnahme des schon erwähnten Falles ist es unmöglich, daß Verkettungen von starken oder schwachen Silben entstehen. So brauchen wir beim Dyirbal die RCs nur in sehr begrenztem Umfang zu verwenden. Das Dyirbal unterscheidet sich von der englischen Sprache weiter dadurch, daß es nur zwei Betonungsgrade hat - stark und schwach (bzw. betont und unbetont). Starke Silben werden hinsichtlich der Betonung untereinander nicht weiter differenziert. Bei Schanes System kann dieser Unterschied auf einfache Weise berücksichtigt werden, indem wir die Möglichkeit einräumen, daß es in Sprachen wie dem Dyirbal keine Detail Rules gibt. Mir ist unbekannt, ob diese beiden Sprachen bezüglich des Betonungsgrades jeweils eine Reihe von anderen Sprachen vertreten. Es scheint mir aber klar, daß mit Schanes System die Möglichkeit gegeben ist, solche Erscheinungen auf natürliche Weise zu behandeln. 3.2.

Der Wortakzent im Hopi

Hopi ist eine Indianersprache, die im amerikanischen Bundesstaat Arizona gesprochen wird; sie gehört zur uto-aztekischen Sprachfamilie. Nach KALECTACA ( 1 9 7 8 ) - meine Quelle für alle Daten sind die Fakten hier etwas komplizierter als im Dyirbal, aber noch weitaus einfacher als im Englischen. Bei zweisilbigen Wörtern bekommt immer die erste Silbe die Hauptbetonung, z . B . kwäahu ' A d l e r 1 , mäana 'Mädchen 1 . Bei mehrsilbigen Wörtern erhält jedoch die zweite Silbe die Hauptbetonung, es sei denn, die erste Silbe ist schwer. In diesem Fall rückt die Hauptbetonung auf die erste Silbe, z . B . kwaakwahut 'Adler 1 ( P L ) , aber ikwaahu 'mein Adler 1 . Im Rahmen des Systems von Schane können wir diese Fakten durch eine Kombination aus einer SPR, die ich Initial Stress ( I S ) nennen werde, und zwei RCs, nämlich HS und WC, beschreiben:

81 (8)

ikwaahu W

IS

W

IS

4-S l W

WC

lS

(9)

kwaakwahut

W

W

W

W

i

IS

W

S

W

S

W

S

W

IS

l S

S

W

WC

S

l

W

W

Bei den beiden obigen Derivationen habe ich IS-Regel zweimal angewandt, einmal im Stamm und einmal nach Präfigierung der Vorsilbe. In Schanes System ist es grundsätzlich so, daß die SPRs nach Anfügung von trennbaren A f f i x e n noch einmal angewendet werden. In diesem Beispiel aber führt dieser Vorgang dazu, daß die Regel WC in einem Fall die neu präfigierte Silbe und im ändern Fall die Stammsilbe abschwächen m u ß . Diese Regel im Hopi unterscheidet sich von der gleichen Regel im Englischen dadurch, daß die Silbe, die geschwächt werden m u ß , nicht immer die Silbe ist, die zuerst ein S erhalten hat. Diese Silbe kann auch nicht immer durch ihre Stellung bestimmt werden. Statt dessen muß im Hopi eher eine Kombination von Silbenstruktur und Silbenstellung berücksichtigt werden. Die zweite Silbe wird geschwächt, wenn die erste schwer ist; sonst wird die erste Silbe geschwächt. Ähnlich ist der Fall bei mehrsilbigen Wörtern ohne Affigierungen. IS und HC führen immer zu einer Verkettung von starken Silben, und diese muß durch WC aufgelöst werden. Genau wie bei den obigen Derivationen wird die Wahl der Silbe, die geschwächt wird, durch die Struktur der ersten Silbe bestimmt. Hierzu einige Beispiele: (1o) atsvewa 'Stuhl 1 (11) palamori 'rote Bohnen' W

W

W

W W W W

I S

J,S W W

I S

S W W W

HC

SSW

HC

S S W W

WC

SWW

WC

J, l

l

iW

l

S W W

Auch die Angabe von HC muß etwas anders sein als im Englischen. Im Hopi wird bei allen mehrsilbigen Wörtern die zweite Silbe stark, unabhängig davon, ob sie schwer ist. Aber genau wie im Englischen hat HC die Wirkung, Verkettungen von schwachen Silben auszuschließen.

82

Leider macht Kalectaca keine Angaben über den Akzent zweiten Grades, obwohl man an Tonbandaufnahmen erkennen kann, daß nicht alle Silben außer der hauptbetonten gleich schwach sind. Wenn Jespersens Idee für das Hopi z u t r i f f t , wäre zu erwarten, daß bei vier- oder fünfsilbigen Wörtern noch eine weitere Silbe stark ist. Falls diese Vermutung stimmt, würde man bei einer vollständigen Beschreibung auch Detail Rules benötigen, um verschieden starke Silben zu unterscheiden. Ich möchte ein weiteres Phänomen erwähnen, das mit Jespersens Idee geklärt wird. Die Wörter ikwaahu 'mein Adler 1 und kwaakwahut 'Adler 1 ( P l . ) in (8) und (9) zeigen unterschiedliche Länge beim ersten Stammvokal. Wie bei vielen Wörtern im Hopi wird der Plural hier durch eine reduplizierende Vorsilbe gebildet. Wenn diese Silbe lang ist, wird der Vokal der ursprünglichen Stammsilbe immer verkürzt. Diese Verkürzung erfolgt auch nach Possessiv-Vorsilben mit langen Vokalen, z . B . itaakwahu 'unser Adler 1 . Anscheinend ist eine Verkettung von langen Silben im Hopi nicht zulässig. Wenn wir Silben mit langen Vokalen als starke Silben betrachten, dann ist diese Verkürzung noch ein Phänomen, das durch Jespersens Idee erklärt werden kann, da Verkettungen von starken Silben in keiner der drei behandelten Sprachen vorkommen. Bei seiner Analyse des Englischen hat Schane den Begriff der starken Silbe immer mit Betonung, nicht Länge, gleichgesetzt. Andererseits hat er festgestellt, daß schwache Silben in vielen Fällen verkürzt ausgesprochen werden. Es ist klar, daß Betonung sowie Länge phonetische Eigenschaften sind, die eine gemeinsame Funktion haben, nämlich die Hervorhebung einer bestimmten Silbe innerhalb eines Wortes. So scheint es mir vernünftig, den Begriff der starken Silbe in dieser Weise zu erweitern.

4.

Zusammenfassung

In der Erläuterung des Systems des Wortakzents im Dyirbal und Hopi habe ich versucht zu zeigen, daß das von Schane eingeführte System für viele Sprachen vollständig anwendbar ist. Das leitende Prinzip dieses Systems ist Jespersens Idee, daß eine Verkettung von starken oder schwachen Silben im Englischen schwie-

83

riger zu realisieren ist als ein Wechsel zwischen beiden

Sil-

benarten. Dieser Gedanke ist in Schanes Beschreibung hauptsächlich durch Rhythmic Constraints e r f a ß t . Diese dienen d a z u , alle Verkettungen von starken Silben und viele Verkettungen von schwachen Silben auszuschließen. In meiner Analyse von Dyirbal und Hopi habe ich WC und HC aus Schanes Analyse des Englischen übernommen, wenn auch mit Änderungen, die den Gegebenheiten dieser beiden Sprachen Rechnung tragen.

Anmerkungen 1

Kenneth Pike hat mir ein paar Sprachen genannt, die gelegentlich Verkettungen von starken Silben erlauben, und er erwähnte auch das englische Wort sardine, bei dem für ihn beide Silben gleich betont sind.

2

Dixon macht keine Angaben über das Akzentmuster eines dreibzw. fünfsilbigen Wortes vor einer Pause. Wenn seine Erklärung aber richtig ist, würde man gerade in diesem Fall eine starke (betonte) Silbe erwarten. Allerdings ist Kalectacas Definition von "schwer" in einigen Einzelheiten anders als bei Schane. Dieser Unterschied ist auf Verschiedenheiten der jeweiligen Vokalsysteme selbst zurückzuführen: Im Gegensatz zum Englischen gibt es im Hopi keine Diphthonge und auch keine ungespannten Vokale ( z u mindest unter den Phonemen). Dafür kommen lange Vokale viel häufiger vor als im Englischen.

3

(Ich möchte Gabriele Werner für ihre Hilfe bei der sprachlichen Verbesserung der Arbeit und für das Tippen des Manuskripts danken. )

Literatur

CHOMSKY, Noam / HALLE, Morris (1968): The Sound Pattern of English. New York: Harper & Row. DIXON, Robert ( 1 9 7 2 ) : The Dyirbal Language of North Queensland. London: Cambridge University Press. JESPERSEN, Otto ( 1 9 o 9 ) : A Modern English Grammar on Historical Principles, Sounds and Spellings. London: Allen and Unwin. KALECTACA, Milos ( 1 9 7 8 ) : Lessons in Hopi. Tucson: University of Arizona Press. SCHANE, Sanford A. ( 1 9 7 9 ) : "The Rhythmic Nature of English Word Accentuation". Language 55: 559-6o2.

DER EINSATZ VON MATRIXDRUCKERN MIT GERINGEM AUFLÖSUNGSVERMÖGEN ZUR DARSTELLUNG PHONETISCHER UND LINGUISTISCHER ZEICHENVORRÄTE

Rüdiger Pfeiffer-Rupp / Reinhard Remke

1. Aufgabenstellung und Lokalisierung In diesem Beitrag soll über ein werden, das eher im Bereich der lokalisieren ist; man könnte es Graphetik verweisen. Gleichwohl

Entwicklungsvorhaben berichtet Anwendungen von Linguistik zu in den Bereich der angewandten könnten Linguisten die mutmaß-

lichen Hauptnutznießer davon sein. Wie allgemein bekannt ist, bestehen bei der Herstellung und Verarbeitung sprachwissenschaftlicher Texte, insbesondere solcher mit phonetischen Einsprengseln, gewisse schreibtechnologische Probleme. Dies t r i f f t umso mehr zu, wenn man diese Texte auch auf elektronischen Datenträgern speichern möchte, um sie von Zeit zu Zeit umarbeiten zu können. Sieht man sich im Druck erschienene Arbeiten an, so fällt einem - wenn man den Blick dafür hat - unweigerlich mancher typographische Mangel a u f . Dies hat damit zu tun, daß die Schriftträger in den unterschiedlichen Schreib- und Satztechnologien mit den speziell in Phonetik und Linguistik benötigten Sonderzeichenvorrat meist nicht oder nicht vollständig verfügbar sind. Dies gilt für "echte" Satzverfahren wie etwa den Fotosatz ebenso wie für "satzähnliche" Schreibverfahren, die in jedermanns Reichweite sind, wie etwa die Kugelkopftechnik bei Schreibmaschine (oder, schon weniger in jedermanns Reichweite, beim Composer). Wünsche, die auf Komplettierung des Angebots beispielsweise im Bereich der Composerschriftköpfe abzielen, haben wenig Aussichten auf Erfolg, solange der Hersteller Entwicklungskosten in der Größenordnung von 1 5 0 . 0 0 0 D M ansetzen muß (schriftliche Mitteilung I B M ) . Selbst wenn man hier ein weitergehendes Angebot hätte, so wäre damit eigentlich noch nicht viel gewonnen. Für den intensiven Schriftmagazinwechsel ist die Kugelkopftechnik nicht vorgesehen. Bei einer Speicherschreibmaschine müßte man beim Abspeichern des Textes auch noch Steuerzeichen eingeben und für das automatische Ausschreiben des Textes jeweils Schreibwerkstopps vorsehen: ein Aufwand, der bei einem

86

Schriftkopfwechsel nach jedem oder jedem zweiten oder dritten Zeichen die Textlänge des Tastoskripts (also der bei der Eingabe angeschlagenen Tasten) vervielfacht und überhaupt schon einige Artistik erfordert. Das alternative Verfahren der zyklischen Bearbeitung - je ein Bearbeitungsgang mit Platzlassen für den Zeichenvorrat der übrigen Bearbeitungsgänge - führt zu Auslassungen und Fehlern (und ist

allenfalls bei programmierbaren Datensicht-

geräten/Druckern gangbar, aber auch nur für die Ausgabe). 2. Lösungsmöglichkeiten Nun für bis Sie und

gibt es seit einiger Zeit Matrixdrucker, die als Schreibwerke Datenverarbeitungsanlagen unterschiedlicher Größenordnung hin zum Heimcomputer und Taschenrechner - Verwendung finden. unterscheiden sich beim Auflösungsvermögen ihrer Rasterung bei den schreibtechnologischen Realisierungen (etwa als Farb-

strahl-, Thermo- oder Nadelstichdrucker). Weit verbreitet sind solche, die sieben übereinanderliegende Nadeln benutzen, die über das Papier fahren und an bestimmten Positionen einzeln oder in Bündeln ansteuerbar sind. Meist werden 5x7-Matrizes benutzt (5 Punktpositionen in der Horizontalen, 7 Punktpositionen in der Vertikalen für die Darstellung eines einzigen Zeichens). Solche Matrixdrucker sind an Speicherwerke und Eingabewerke angeschlossen, zumeist an ein Bildschirmgerät mit Tastatur. Bei dieser Konfiguration vollzieht sich die Texterstellung in zwei Phasen: zunächst die Eingabe (Tastostkript), die am Bildschirm direkt angezeigt wird. Fehler können dabei leicht korrigiert werden. Hat man genug korrigiert, beläßt man das Arbeitsergebnis so im Speicher des Geräts

(Primärspeicher und/oder Sekundärspeicher in Form

von Magnetkassette oder Diskette oder sonstigem Datenträger). Die zweite Phase ist dann das Ausschreiben des Textes auf dem Drucker. In dem Maße, wie man den Pr-imärspeicher (Arbeitsspeicher) über längere Zeit unverändert belassen kann odern den Sekundärspeicher wieder verfügbar hat, kann man diese Phasen beliebig oft wiederholen. Geräte dieser Art finden in Rechenzentren oder auch auf Institutsebene zunehmende Verbreitung. Zumeist ist

der Zeichenvorrat

jedoch herstellerseitig genormt und enthält kaum mehr Zeichen als eine Schreibmaschinennormaltastatur. Inzwischen gibt es jedoch

87

Geräte, die es dem Endbenutzer gestatten, seinen Zeichenvorrat selbst zu definieren und eine Tastaturzuordnung vorzunehmen . 3. Projektrahmen Das Vorhaben, über das hier berichtet wird, f ä l l t in den Rahmen eines weitergespannten Entwicklungsprojekts. Dabei geht es darum, phonetische und sprachwissenschaftliche Sonderzeichen auf einem 2 Matrixdrucker mit höherem Auflösungsvermögen zu implementieren . Zunächst einmal sollten Erfahrungen mit der typographischen Gestaltung von Matrixdruckerzeichen geringerer Auflösung gesammelt werden. In einem ersten Arbeitsschritt sind mehrere Zeichensätze zu je 96 Zeichen für einen Matrixdrucker mit einer 5x7-Matrix gestaltet worden . Bei dem verwendeten Gerät handelt es sich um einen Tally-Drucker, der auf einer 5x7-Matrix in der Horizontalen zusätzlich noch einen Halbschritt zuläßt, so daß man es eigentlich mit einer 9x7-Halbschrittmatrix zu tun hat: da)

12345

7x5-Matrix

9x7-Halbschritt-Matrix

Die 9x7-Halbschritt-Matrix ist jedoch nur mit gewissen Einschränkungen belegbar. Wenn nämlich ein Funkt im Halbschrittmodus ausgewählt wird, muß der unmittelbar rechts davon gelegene ebenfalls im Halbschrittmodus genommen werden - oder ausgelassen werden:

(2a)

(2b)

Der Halbschritt ist trotz dieser Einschränkung nützlich, weil er das Abrunden von typographischen Linienführungen ermöglicht, was der Qualität und wechselseitigen Unterscheidbarkeit der Zeichen sehr zugute kommt. Ohne den Halbschritt wäre es wohl kaum möglich gewesen, überhaupt zu versuchen, etwa 9OO unterschiedliche Zeichen auf einer 5x7-Matrix bei Unterscheidung von Groß- und Kleinbuchstaben unterzubringen. Ein derartiges Raster ist sonst ziemlich die Untergrenze für eine einigermaßen differenzierende Gestaltung.

88

Viele 5x7-Matrizes lassen beispielsweise die Unterlängen bei Kleinbuchstaben fort (vgl. ( 3 c ) , ( 3 d ) , ( 3 e ) , ( 3 f ) im Kontrast zu (3a) und ( 3 b ) ) , oder sie verzichten ganz auf Kleinbuchstaben (so daß der in ( 3 g ) , (3h) benutzte Raum allein für die Versalhöhe der Zeichen zur Verfügung steht).

Außerdem benutzten wir eine Tandberg-Datenendstation ( T D V 2 1 1 4 ) , die über zwei Diskettenstationen verfügt und als dezentrale Datenverarbeitungsanlage genutzt wird. Auf ihr ist endbenutzerseitig die Definition von Sonderzeichen möglich, und zwar mittels eines Zeichengenerators, d. h . , eines entsprechenden Programms, das den Bildschirm selbst für die Protokollierung der Zeichengestalt benutzt. Mit diesem Zeichengenerator kann man - innerhalb der Menge der Konfigurationen alternativ besetzbarer Punktmengen des Rasters eine beliebige Anzahl von Zeichengestalten herstellen, die im entsprechenden Raster vergrößert auf dem Bildschirm erscheinen. Für die Benutzung der Tastatur bei der Texterstellung nachher besteht jedoch leider eine Beschränkung: man kann zu den 96 Zeichen der Normaltastatur nur noch jeweils maximal 31 zusätzliche Zeichen für den gleichzeitigen Zugriff hinzufügen (bei 128 Zeichen insgesamt liegt offenbar eine Kapazitätsgrenze, die mit der Hardware zusammenhängt) . Aber nichts hindert einen, für ein jeweils anderes Arbeitsr profil andere einunddreißig Zeichen zur Normaltastatur hinzuzufügen. Die 31 Zeichen sind quasi über eine Supershifteinrichtung dann automatisch bestimmten anderen Tasten zugewiesen ( f ü r einen derartigen Vorschlag vgl. PFEIFFER-RUPP 198Oa). Diese quantitative Beschränkung besteht für den Tally-Drucker nicht. Es ist hier möglich, alle Kombinationen, die der Drucker zuläßt, für den Ausdruck anzusprechen. Die Erstellung der Zeichen geschah mit einem von R. Remke geschriebenen Programm. Wie schon der Zeichengenerator für die Bildschirmdarstellung, benutzt auch dieser Zeichengenerator den Bildschirm selbst zur Protokollierung der Eingabe, unterscheidet sich aber in der Größe der Matrix (Bildschirmdarstellung: 8x14-M.atrix, jedoch nur im Ausmaß 7x13 problem-

89 los - ohne Zusammenwachsen benachbarter Zeichen - zu benutzen; Drucker: wie eingangs erwähnt, 9x7-Halbschritt-Matrix). 4. Arbeitsverfahren Bei der Protokollierung der Zeichenkonfiguration für ein einzelnes Zeichen wird der Bildschirm als Eingabehilfsmittel benutzt. Mittels einiger Funktionstasten läßt sich auf dem Bildschirm ein blinkender Punkt (Cursor) in alle Richtungen bewegen. Wo er gerade steht, kann ein Rasterpunkt gesetzt oder gelöscht werden. Diese Positionen, die in der Größe eines einzelnen Buchstabens oder Zeichens bereitstehen, entsprechen nachher einem einzelnen Rasterpunkt. Hat man einen Zeichensatz Zeichen für Zeichen auf diese Weise protokolliert, (4) kann man einen Hardcopy-Ausdruck erhalten, der die Rasterung in der Vergrößerung wiedergibt, die man zuvor bei der Eingabe auf

, ,,,,,,. · ·· ^ ·

dem Bildschirm gesehen h a t (vgl. ( 4 ) ) . J e doch ist dieser nicht unbedingt ein propor-

» · £ »£. »r£»»r».

tionsgetreues Abbild des Zeichens. Abb. ( 4 ) , die eine Protokollierung von Bildschirmzei-

»,£,,»,. »·£···£· • ''£££·.

r r r £££

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££ > r ·

chen in ihrem etwas größeren Rasterfeld wiedergibt, entspricht nämlich nicht ganz den Proportionen der Punkte auf dem Bildschirm, die nämlich eine gewisse vertikale Streckung durchmachen. Daher muß das Grunddesign für die Zeichen der Bildschirmdarstellung eher breit angelegt werden. Auch verfließen die Punkte des späteren Bildschirmzeichens und die des späteren Matrixdruckerzeichens in unterschiedlicher Weise, so daß die Zeichen für Bildschirmdarstellung und Matrixdrucker in getrennten Arbeitsgängen und unter Zugrundelegung teilweise verschiedener Baupläne erarbeitet werden müssen. Die Figuren runden sich in den beiden Medien in unterschiedlicher Weise zu kontinuierlichen Linienzügen - teils in erwünschter, teils in unerwünschter Weise. Manchmal muß durch unterschiedliche Kompensationsprozesse der Gestaltung etwas gegengesteuert werden. So kann beispielsweise ein Bogen auf der Bildschirmdarstellung etwa durch Auslassen eines Endpunkts einer kurzen Geraden simuliert werden, während bei der Druckerdarstellung

90

dieser E f f e k t dadurch nicht bewirkt würde (vgl. 5 ) . Daher müssen Bildschirm- und Matrixdruckerdarstellung letztlich divergieren.

(5a)

5. Graphetische Voraussetzungen Die obige Beobachtung leitet über zu einem zentralen Bereich, nämlich den graphetischen bzw. typographischen Überlegungen, die speziell angestellt werden mußten, bevor die Protokollierung (und stellenweise Korrektur) der einzelnen Zeichengestalten am Zeichengenerator möglich und sinnvoll war. Eingangs ist ausgeführt, daß eine 5x7-Matrix so ziemlich die gröbste Rasterung ist, mit der man überhaupt etwas anfangen kann. Meist wird die gesamte Höhe von 7 Rasterpunkten allein für die Großbuchstaben verbraucht. Benutzt man Groß- und Kleinbuchstaben, so spart man sich oft die Unterlängen und verwendet für die Oberlängen zwei Rasterpunkte, für den Raum zwischen Grund- und Mittellinie dann 5 Rasterpunkte. Die Zeichen g , p, q und y erscheinen dann mit anderer Grundlinie bzw. nach oben verschoben (vgl. die Illustrationen unter (3c) bis ( 3 f ) ) . Schematisch entspricht dies einer Aufteilung, wie ( ß a ) sie zeigt. Eine solche Schreibraumaufteilung wäre für ein phonetisches Alphabet nicht akzeptabel, überhaupt tragen Unterlängen wesentlich zur Unterscheidbarkeit der Zeichen bei; wenn einige neuzeitlich-moderne Schriften die Unterlängen sehr stark reduzieren, so ist das ein graphostilistisches Phänomen, das meist durch die Willkür des Schriftkünstlers, oft aber auch durch äußere Zwänge hervorgerrufen ist - wie etwa durch den Zwang, möglichst eng (kompreß) zu setzen (zum Beispiel im Ausspracheduden (= MANGOLD 1 9 7 3 ) ) . in der Schrift, die R. Remke am Tally-Drucker 4 seines Arbeitsplatzes verwendet, ist die Aufteilung des Schreibraums 1:5:1 (also ein Rasterpunkt für die Zeichen mit Oberlänge, fünf Rasterpunkte für die Zeichen, die nur zwischen Mittel- und Grundlinie des Schreibraums sich erstrecken, sowie ein Rasterpunkt (zusätzlich) für die Zeichen mit Unterlänge - vgl. ( 6 b ) ) .

91

Damit werden auch Unterlängen darstellbar. Allerdings verfahrt diese Schrift nicht ganz konsequent: bei Zeichen mit Oberlänge (also b, d usw.) , die man als ein p bzw. Oberlänge ansehen kann, ist

mit zusätzlicher

der "q-Bestandteil" auf nur 4 Raster-

punkte höhenmäßig zusammengestaucht, was in ist.

(f>d)

schematisiert

Entsprechend wird dann mit Zeichen mit Unterlänge verfahren.

Zwar muß beim Design von Schreibmaschinenschriften die Lage von unter- und oberlängenlosen

Zeichen nicht immer ganz mit der Grund

linie des Schreibraums zusammenfallen, aber so, wie diese Matrixdruckerschrift a u s f ä l l t , wirkt sie doch sehr unregelmäßig. Aus diesem Grunde verwendet der Bauplan der

Matrixdruckerschriften

für den phonetischen und sprachwissenschaftlichen Zeichensatz eine Aufteilung 1:5:1 konsequent (vgl.

( 6 c ) ) . Der Nachteil

ist

freilich, daß Ober- und Unterlängen nur recht schwach ausgeprägt sein können, was für Druckschriften des Fotosatzes beispielsweise zu rügen wäre. O) für eine 'kleine VP' argumentiert werden. Diese Regel erzeugt Sätze wie (2O) und ( 2 1 ) : (20)

John bought more books than Peter did [ e] [ e records] . v NF -

(21)

Peter [- sends Mary] more flowers than John does [v §] LNP § letters].

Für zusätzliche Argumente vgl. CHOMSKY ( 1 9 8 o ) .

2.

Nominativ-Dativ-Inversion Deutschen

2.1.

im Niederländischen

und im

Eine Hypothese

Es gibt im Deutschen Sätze mit intransitiven Verben, in denen das Subjekt (der Nominativ) und das indirekte Objekt (der Dativ) vertauscht worden sind (vgl. ( 2 2 ) ) . Auch die Passivisierung eines ditransitiven Verbums erlaubt diese Umstellung (vgl. ( 2 3 ) ) (22a) (22b) (23a) (23b)

— , daß diese Geschichte (N) meinem Vater gefiel. — , daß meinem Vater (D) diese Geschichte gefiel. — , daß diese Urne (N) unserem Museum (D) worden ist. — , daß unserem Museum (D) diese Urne (N) worden ist.

(D) nicht (N) nicht geschenkt geschenkt

Die gleiche Erscheinung findet sich auch im Niederländischen,

101

obwohl es in dieser Sprache so gut wie keine morphologischen Kasus mehr gibt. Die nachfolgenden Klammerstrukturen repräsentieren zwei Hypothesen über die Struktur solcher Sätze: (24a)

[s

DATj

..

[

(24b)

[s

DAT..

[^

(25a) (25b)

[s [

DAT DAT.

NOM± [ e.. [ e . [-

e

e..

[- nicht g e f i e l ] ] ]

[- NOM±

nicht gefiel] ] ]

[- e ± geschenkt worden ist] ] ] . geschenkt worden ist] ] ]

Mit ( 2 4 a ) wird postuliert, daß der Nominativ in der Subjektstelle basisgeneriert worden ist, 'weil es eben ein Subjekt ist 1 . Der Dativ wird dieser Auffassung nach von irgendeiner Topikalisierungsregel mit dem Subjekt vertauscht. Der Status einer solchen Topikalisierung 1 ist mit jedoch völlig unklar. - Die Klammerstruktur in ( 2 4 b ) repräsentiert die alternative Hypothese, daß der Nominativ (das Subjekt) in der DO-Stelle basisgeneriert worden ist. Der Dativ wird durch NP-Verschiebung in die Subjektposition gestellt. Die beiden Hypothesen kehren in ( 2 5 a ) und ( 2 5 b ) wieder. Nach (25a) ist die NP. aus der Objektstelle an die Subjektstelle verschoben worden, während der Dativ 'topikalisiert' worden ist. Nach ( 2 5 b ) ist das logische Objekt in der Objektstelle stehen geblieben und ist dort zum Nominativ geworden, während der Dativ durch NP-Verschiebung an die Subjektstelle geraten ist. Die zweite Hypothese enthält zwei Behauptungen: A) ein Nominativ darf in der Objektstelle auftreten, B) ein Dativ darf in der Subjektstelle auftreten. Annahme B mag falsch sein in dem Sinne, daß in solchen Strukturen keine Subjektstelle vorhanden zu sein braucht, weil die Subjektfunktion schon in der Objektstelle realisiert worden ist. In dem Fall könnte auf Verschiebung der Dativ-NP verzichtet werden. Ich werde in diesem Artikel der Frage nachgehen, ob es syntaktische Evidenz für diese Hypothese gibt und welche Folgen für die Kasus-Theorie sich daraus ergeben. Die semantischen Bedingungen für Nominativ-Dativ-Inversion werde ich außer Betracht lassen.

102

2.2.

Der Nominativ in der Objektstelle

Im Niederländischen und im Deutschen gibt es eine Regel der was-für-Spaltung (ndl. wat-voor-splitsinq); (26)

Was hat der für Romane geschrieben?

Was-für-Spaltung ist erlaubt unter der Bedingung, daß die betreffende NP von V regiert wird. Diese Bedingung ist genden niederländischen Daten abzuleiten:

aus den fol-

(27a) SU: *Wat hebben voor raensen jou geholpen? Was haben für Leute dir geholfen? (27b) Wat voor mensen hebben jou geholpen? (28a) 10: *Wat heb jij voor mensen je stuk gestuurd? Was hast du für Leuten deinen Aufsatz geschickt? (28b) Wat voor mensen heb jij je stuk gestuurd? (29a) DO: Wat heb jij in Italie voor musea bezocht? Was hast (29b) Wat voor (3oa) PN: Wat zijn Was sind (3ob) Wat voor

du in Italien für Museen besucht? musea heb jij in Italie bezocht? dat voor mensen? das für Leute? mensen zijn dat?

Dasselbe Argument läßt sich auch anhand deutscher Daten entwickeln, wie die Übersetzungen in ( 2 7 ) - ( 3 o ) zeigen. Die Baumstruktur (31) ist der obigen Daten:

(31)

eine schematische Repräsentation

103

Damit hat die kleine VP-Hypothese sich als fruchtbar erwiesen. Die Annahme, daß eine wat-voor-NP bzw. was-für-NP eine Spaltung nur dann erlaubt, wenn sie von V regiert wird, ermöglicht eine Analyse der Syntax von Existentialsätzen im Niederländischen, die auch zur Analyse der Nominativ-Dativ-Inversion führen wird. Nehmen wir an, daß in bestimmten Existentialsätzen des Niederländischen das Subjekt in der DO-Stelle erscheint, und nehmen wir weiter an, daß (wie im Englischen) ein lokatives Wort wie er 'da, dort 1 die leere Subjektstelle füllen m u ß . Unter diesen Annahmen stellt die Anwendung der was-für-Spaltung in (32a) keine Überraschung dar: 4 (32a) Wat z i j n * ( e r ) voor dingen gebeurd? Was sind *(es) für Sachen passiert? (32b) Wat voor dingen zijn *(er) gebeurd? Folgt man der obigen Argumentation, so läßt sich anhand der folgenden Daten aufzeigen, daß auch bei der Nominativ-Dativ-Inversion der Nominativ in der Objektstelle a u f t r i t t : (33a)

(33b) (33c) (34a) (34b) (34c)

*Wat z i j n ( e r ) voor rare verhalen jouw vader verteld? Was sind ( e s ) für wunderliche Geschichten deinem Vater erzählt? Wat z i j n (er) jouw vader voor rare verhalen verteld? Wat voor rare verhalen z i j n ( e r ) jouw vader verteld? *Wat zouden ( e r ) voor boeken Peter nou bevallen? Was würden (es) für Bücher Peter nun gefallen? Wat zouden Peter noz voor boeken bevallen? Wat voor boeken zouden Peter nou bevallen?

Wenden wir uns jetzt dem Dativ zu. 2.3.

Der Dativ in der Subjektstelle?

Wie schon in 2 . 2 . gezeigt wurde, dürfen indefinite NPs manchmal in der DO-Stelle auftreten. In dem Fall ist im Niederländischen das Expletivum er 'da, es 1 obligatorisch: (35)

— , dat * ( e r ) iets raars gebeurd is. daß *(es) etwas Merkwürdiges passiert

ist

1O4

Wenn es wahr ist, daß er dazu da ist, um eine leere, obligatorisch generierte Subjekt-NP grammatisch zu machen, dann läßt sich das fakultative Erscheinen von er in Beispiel ( 3 6 ) leicht durch die Annahme erklären, daß der Dativ, was fakultativ möglich ist, in die Subjektstelle verschoben worden ist: (36a)

(36b)

—, dat (er) mijn oom iets raars gegeven zal worden. daß (es) meinem Onkel etwas Merkwürdiges geschenkt wird werden —, dat ( e r ) Karel iets raars overkomen is. daß (es) Karl etwas Merkwürdiges passiert ist

Ich möchte es bei diesem Argument bewenden lassen.

3.

Zur Theorie

Die jetzige Theorie erlaubt die Nominativierung einer NP in der DO-Stelle nicht, weil eine solche NP nicht von INFL regiert wird (vgl. 1 ) . Die Theorie muß also geändert werden, um die in 2. vorgeschlagene Analyse inkorporieren zu können. Betrachten wir dazu die Struktur für Beispiel ( 2 3 ) :

(37) COMP INFL

Der Dativ (das 10) wird als Schwester von V generiert ( N P . ) . Das logische DO wird als Komplement zu [ +V] generiert ( N P . ) . NP. wird zwar von [+V] regiert, aber [+V] ist kein kasuszuweisendes Element. Es gibt also zwei Möglichkeiten: Entweder wird NP. an

105

die Subjektstelle verschoben, wo sie zum Nominativ werden kann (s. ( 2 3 a ) ) , oder NP..^ erhält diesen Kasus in der Objektstelle (s. ( 2 3 b ) ) , während N P . verschoben wird. NP. wird durch [ + v ] regiert, aber nicht durch werden (V) oder INFL. Werden aber regiert [+VJ, und INFL regiert werden. Diese Beobachtung erlaubt die folgende Änderung in der Theorie: (38a)

(38b)

Wenn eine NP von einer Kategorie K regiert wird, die keinen Kasus zuweisen kann oder d a r f , empfängt sie ihren Kasus von dem ersten kasuszuweisenden Element durch die sie ch-regiert wird. ch(ain)-regiert genau dann wenn , regiert. re regiert (n ^ 1). -1 9 iert und

In ( 3 7 ) wird NP. von werden (V) und von INFL ch-regiert. Werden ist kein kasuszuweisendes Element (darauf werde ich noch zurückkommen) , und darum kann INFL den Nominativ zuweisen. Ich bin der Meinung, daß die Inversion des Subjekts bei intransitiven Verben wie gefallen in der gleichen Art und Weise gelöst werden kann. Die schematische Tiefenstruktur für Sätze wie ( 2 2 a ) und ( 2 2 b ) sieht wie folgt aus:

INFL

Es wird angenommen, daß gefallen für zwei NPs subkategorisiert ist. Die erste NP, N P . , muß ein Dativ sein und erscheint darum als Schwester des V. Was ist nun mit N P . , dem Objekt'? NP. wird von gefallen regiert, aber wir müssen annehmen, daß be-

1O6

stimmte Verben (u.a. gefallen) keine kasuszuweisenden Elemente sind, weil das Objekt 1 nie ein Akkusativ ist. Diese Idee ist weniger abstrus als es scheint. Man vergleiche dazu (4o) und ( 4 1 ) : (40) (41)

Er wird ein guter Arzt. Ich habe ihn einen guten Arzt werden gesehen.

Auch werden ist kein kasuszuweisendes Element. Der Kasus des Prädikatsnomens wird immer dem des Subjekts angeglichen. Wenn gefallen kein kasuszuweisendes Element ist, kann NP. auf zweierlei Weise ein Nominativ werden. Entweder sie wird an die Subjektstelle verschoben - was Sätze wie (22a) erzeugt oder sie bleibt in der Objektstelle stehen und erhält den Nominativ von INFL, durch das sie ch-regiert wird. In diesem Fall darf N P . an die Subjektstelle verschoben werden, so daß ( 2 2 b ) erzeugt wird. Anscheinend dürfen Sprachen sich dadurch voneinander unterscheiden, daß manche - zum Beispiel das Niederländische und das Deutsche - sowohl ( 3 ) wie (38a) gehorchen, während andere Sprachen - wie zum Beispiel das Englische - nur der Regel (3) gehorchen. Caveat emptor.

Anmerkungen Vgl. DEN BESTEN (demn.) und VAN RIEMSDIJK ( m s . ) für weitere Versuche, dem Kasussystem des Deutschen gerecht zu werden. Wahrscheinlich ist eine solche Kasuszuweisung nur möglich, wenn der Akkusativ und der Dativ morphologisch nicht mehr unterschieden werden können. Es wäre schön,_wenn Intransitiva mit Dativobjekten für die Schwester des V subkategorisiert wären. In dem Fall sind die Schwankungen im Urteil über was-für-Spaltungen mit solchen Objekten erklärbar: (ia) ?Was hast du für Leuten geholfen? (ib) Was für Leuten hast du geholfen? (iia) ?Was bist du in Italien für Leuten begegnet? (üb) Was für Leuten bist du Italien begegnet? Manche Sprecher finden (ia) und (iia) gut. Aber es gibt vie-

107

4

5 6

le, die sie schlecht finden, wenn auch besser als Spaltungen wie ( 2 8 a ) . Das mag damit zusammenhängen, daß die betreffenden Objekte zwar Schwestern von V sind, aber definitionsgemäß auch von V regiert werden. Die deutsche Glossierung scheint mir auch ohne es ungrammatisch. Peter Bosch (Nijmegen) hat mich darauf hingewiesen, daß das expletive da den Satz grammatikalisch macht. Ich verdanke Henk van Riemsdijk (Amsterdam) diese Beispiele. In ANDREWS (1976) wird argumentiert, daß im Isländischen, einer SVO-Sprache, der Nominativ im Passiv in der DO-Stelle stehen kann, während der Dativ 'Subjekt 1 werden kann. Isländisch gehört also zur ersteren Gruppe.

Literatur

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DIE TRADITIONELLE SYNTAX UND DAS ADVERB Abraham P. ten Gate

Seit einigen Jahren wird in den Niederlanden eine Diskussion über geführt,

dar-

ob im muttersprachlichen Unterricht die Grammatik -

womit besonders die Syntax aemeint ist

- abgeschafft werden soll-

te . Da das Niederländische kaum syntaktisch bedingte Flexionsmorpheme kennt, würden sich mangelnde syntaktische Kenntnisse nicht in fehlerhafter Sprachbeherrschung niederschlagen

(was im

übrigen wohl für jede beliebige Sprache z u t r i f f t ) , während die wenigen Regeln, die man für die Orthographie braucht, wie die Kongruenz zwischen Subjekt und Personalform, leicht durch Tricks (sog.

Eselsbrücken) ersetzt werden könnten. Zwar wird die Ablö-

sung des Syntaxunterrichts damit begründet, daß dadurch für andere Unterrichtsziele mehr Zeit frei wird; aber das Unbehagen an der Syntax dürfte besonders durch zwei andere Faktoren ausgelöst worden sein, nämlich erstens weil die traditionelle Syntax keine systematische Einsicht in die Sprachstruktur

vermittelt und dem

Schüler deshalb bei der Analyse keine objektnahen Anknüpfungspunkte bietet, und zweitens weil die traditionelle Syntax durch eine äußerst verwickelte und undurchschaubare Terminologie gekennzeichnet

ist.

Obwohl die Diskussion besonders die Grundschule b e t r i f f t ,

hat

sie sich rasch auf die höheren, sekundären Schultypen ausgeweitet, wo die Fremdsprachenlehrer, die bisher damit rechnen konnten, dal? den Schülern elementare Syntaxkenntnisse von ihren niederlandistischen Kollegen vermittelt wurden, sich b e t r o f f e n sehen, weil ihre Stundenzahl eine Aufgabenvergrößerung nicht z u l ä ß t . Im Fremdsprachenunterricht - und zwar besonders im Deutschunterricht - ist die Syntax ein wichtiger Bestandteil des L e h r s t o f f s ,

da au^er der

Kongruenz zumindest noch das direkte und das indirekte Objekt und das Präpositionalobjekt von den Schülern zu durchschauen sind und auch die deutsche Passivkonstruktion Niederländer tückisch ist. den Universitäten

weoen des Kasussystems für

In der Ausbildung von Deutschlehrern an

und Lehrerausbildungsinstituten wird denn auch

immer noch die Beherrschung der sog. pädagogischen Grammatik

ver-

110

langt, was gründliche Kenntnisse der deutschen Morphologie, der Gebrauchsregeln für die einzelnen Morpheme und auch der Syntax beinhaltet. Obwohl der Markt einen sehr aeringen Umfang hat, erscheint sogar für diesen tertiären Unterrichtsbereich eine breite Auswahl von Grammatiken und Syntaxen, denen die eine Besonderheit gemeinsam ist, da^ sie alle traditionell, also vor-strukturali2 stisch ausgerichtet sind . Grund für diesen Konservatismus ist, neben einer gewissen Innovationsträgheit der Lehrbuchautoren, die Tatsache, daß viele der neueren Theorien immer noch fragmentarisch sind, nach wenigen Jahren von ihren Entwerfern und Adepten in den Papierkorb geworfen werden oder ohnehin durch ihren hohen Abstraktionsgrad für didaktische Zwecke wenig geeignet erscheinen. Bevor hier die Leistung der traditionellen Syntax anhand eines exemplarischen Teilkomplexes kritisch untersucht wird, sind noch einige allgemeine Bemerkungen vorauszuschicken: (a) Entgegen einer landläufigen und für historische Grammatiken im allgemeinen zutreffenden Auffassung, nach der in traditionellen Grammatiken die Syntax neben Laut- (Phonologie) und Formenlehre (Morphologie) eine bescheidene Rolle spielt, sind synchrone traditionelle Syntaxen recht umfangreich. (b) Die Vorstellung der generativen Grammatik, daß Sprachproduktion und -rezeption durch eine regelgesteuerte Kompetenz erklärt werden sollen, ist den traditionellen Syntaxen völlig fremd; es kommt ihnen darauf an, jeden wohlgebildeten Satz vollständig analysieren, also zerteilen zu können, wobei für jedes Wort die Wortart, für jeden Satzteil die syntaktische Funktion und außerdem für Adverbien und Adverbialsätze die sog. 'logische Bedeutung 1 (siehe unten) angegeben werden muß. (c) Die traditionelle Grammatik trennt nicht scharf zwischen den 'Ebenen der Sprachbeschreibung 1 , also Morphonologie, Syntax und Semantik. Dies t r i f f t insbesondere für die Ebenen der Syntax und der (Satz-)Semantik, die praktisch als eine Einheit angesehen werden, zu. 1. Das Adverb in der traditionellen Syntax Im Folgenden wird ein Kernstück der in den Niederlanden

verwende-

ten traditionellen Syntax des Deutschen, nämlich die Behandlung des Adverbs erörtert. Adverbien sind bekanntlich für jedes gram-

111

matische Modell ein Problem: Einerseits wird immer wieder betont, daß sie schwer beschreibbar sind, andererseits haben die Adverbien in den letzten Jahren eine wichtige Rolle in der linguistischen Argumentation gespielt, indem sie zur Evaluierung von Grammatiken herangezogen wurden. Die traditionelle Syntax verfolgt in bezug auf die Adverbien vor allem ein Ziel: Der Studierende soll Adverbien und Adverbialbestimmungen auf Grund formaler Kriterien identifizieren und sie einer semantischen Kategorie zuordnen können. 1.1. Die formale Klassifizierung des Adverbs umfaßt folgende Kategorien : (a) das Adverb (morgen, schnell, nach oben); (b) die Adverbialbestimmung (in größter Eile) ; (c) Nominalphrasen im Genitiv (meines Wissens); im Dativ (wir werden ihm seine Kindereien versalzen); oder im Akkusativ (seinen Weg gehen); (d) ein Infinitiv mit oder ohne .zu (er legt sich schlafen; man ist um zu leben); (e) adverbiale Nebensätze (er kommt, wenn ich ihn brauche). 1 . 2 . Die semantische Klassifizierung erfolgt unter dem Aspekt der 'logischen Bedeutung 1 , die Kerkhoff folgendermaßen definiert: Zwischen den verschiedenen syntaktischen Einheiten können ... Beziehungen des Ortes, der Zeit, des ^rundes usw. bestehen. Es handelt sich dabei nicht um die Bedeutung, die jedes Wort an sich schon hat; von logischer Bedeutung sprechen wir erst, wenn das betreffende Wort (die Wortgruppej einer ändern syntaktischen Einheit eine Angabe über Ort, Zeit, Grund usw. beilegt. So wird man z . B . beim Substantiv Ort' erst dann von logischer Bedeutuna des Ortes sprechen, wenn es etwa folgendermaßen gebraucht ist: Er übernachtete an diesem Ort - wenn es also eine lokale Beziehung zu 'übernachten 1 herstellt. Die Bezeichnung 'logisch' unterscheidet diese 'Bedeutung* von der semantischen Bedeutung, die ein Wort außerdem noch besitzt (KEPKHOFF 1957: 8 ) . Wie aus dem Zitat hervorgeht, scheint Kerkhoff mit logischer Bedeutung die satzsemantische Funktion eines Adverbs, d.h. die Tatsache, daß ein Adverb irgend etwas modifiziert (einen Bereich hat)/ und die verallgemeinerte Bedeutung (alle Temporaladverbien, wie etwa morgen, vor Jahrtausenden und während des Kriegs), haben die gemeinsame Eigenschaft, da", sie sich auf einen Zeitpunkt oder auf einen Zeitablauf beziehen) auf einen Nenner zu bringen, wodurch

112

diese zwei Aspekte verwischt werden. Die erste Funktion, der Skopus, macht eben das Wesen der Adverbiale aus und rechtfertigt eine unterschiedliche Analyse der beiden Sätze Diese Stadt gefällt mir nicht und Es g e f ü l l t mir nicht in dieser Stadt. Einmütig teilen die traditionellen Syntaxen die logischen Bedeutungen in die vier Großkategorien der Lokal-, Temporal-, Modalund Kausalbestimmungen ein, aber in der weiteren Unterteiluna dieser Großkategorien zeigen sich erhebliche Unterschiede. Kerkhoff zergliedert die Temporalbestimmungen sinngemäß noch in die Unterkategorien ' G l e i c h z e i t i g k e i t ' , 'Vorzeitigkeit' und 'Nachzeitigk e i t 1 . Van Dam, dessen Einteilung als Beispiel für eine engmaschige semantische Klassifizierung hier folgt, unterscheidet bei den M

odalbestimmungen nicht weniger als

15 und bei den Kausalbestim-

mungen aanze 7 Subkatenorien (VAN DAN1 1 9 7 2 : 2 3 f . ) : (i) Lokalbestimmungen: er saß im Lehnstuhl; (B) Temporalbestimmungen: das Konzert findet am Freitag statt; (C) Modalbestimmungen (Bestimmungen der £rt und Weise) und zwar : ( c 1 ) Beschaffenheit: er war in der a u f f ä l l i g s t e n Weise gekleidet; ( c 2 ) Grad: ich bin im höchsten Maße beunruhigt; ( c 3 ) Quantität: es gab Früchte im Ü b e r f l u ß ; er ißt genug; ( c 4 ) Mittel oder Werkzeug: er siegte durch einen unbekannten Trick; er fiel durch die Hand des Mörders; ( c 5 ) begleitender Umstand: er kam mit seiner (ohne seine) Frau; ( c 6 ) Maßstab: ich beurteilte ihn nach seinem Können; (c7) Wert: das ist keinen Schuß Pulver wert; ( c 8 ) B e j a h u n g : er wird aanz bestimmt kommen; ( c 9 ) Verneinung: er fürchtet sich nicht im aerinasten; ( c l O ) Unsicherheit: er kommt vielleicht; ( c 1 1 ) Vertauschung: er tauschte den Hut gegen einen großem um; ( c 1 2 ) Beschränkung: er ist in aewissem Sinne z u f r i e d e n ; ( c 1 3 ) Gemäßheit: deinem Wunsch entsprechend wurde ich gut empfangen; ( c 1 4 ) Ausschließung: er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht; ( c 1 5 ) H e r k u n f t : diese Figur ist aus Holz; (D) Kausalbestimmungen: ( d 1 ) Ursache: er f i e l durch einen unglücklichen Z u f a l l ; ( d 2 ) Grund: er hat aus Liebe aehandeit; (d3) Urheber: er wurde von seiner Braut geküßt; ( d 4 ) Folge: infolge seiner Ausdauer erreichte er sein Z i e l ; ( d 5 ) Zweck ( f i n a l ) : wohllautshalber spricht man nicht gerne viele Zischlaute hintereinander; ( d 6 ) Bedinaung ( k o n d i t i o n a l ) : unter solchen Umständen wäre ich nicht aekommen; ( d 7 ) Einräumuna ( k o n z e s s i v ) : trotz seines Bemühens erreichte er sein Ziel nicht.

1 13 Manchmal scheint bei dieser Einteilung reine Willkür zu herrschen. So pa.^t das Adverb wohl lautshalber, das Van Dan unter die

finalen

Kausalbestiiranungen (d5) einordnet, wohl auch unter ( d 2 ) ; die Bezeichnung ' H e r k u n f t 1 bei ( c 1 5 ) ist recht unglücklich gewählt, da auch die Adverbialbestimmung in diese Figur ist aus Afrika eine Herkunftsbestimnur.q

genannt werden kann, wenn auch deutlich eine

lokale; statt ' H e r k u n f t 1 wäre hier vielleicht auch heit'

( c 1 ) am Platz gewesen, wo dieser Begriff

'Beschaffen-

sowieso recht ver-

schwommen wirkt. Ungewollt komisch ist das Modaladverb 'des begleitenden Umstände' mit dem zugehörigen Beispielsatz ( c 5 ) , neben dem KERKHOFF ( 1 9 5 7 : 13) noch Adverbialbestimmungen des

'fehlenden'

und des 'unerwarteten Umstands' annimmt, allerdings mit angemesseneren Beispielen 4 . Der Anglist KRUISINGA ( 1 9 3 5 : 67) deutet für diese Fälle auf die Möglichkeit einer Koordination

h i n : mit ist

in

dieser Verwendung "sehr eng mit der Konjunktion und verwandt ... Der Bedeutungsunterschied zwischen den beiden Wörtern mit und und ist

klein". Es fragt sich auch, wieso ( c 1 4 : Ausschließung)

nicht unter (c5: begleitender bzw. fehlender Umstand) erscheinen soll. Zur Erleichterung der Zuordnung werden manchmal Tests in der Form von Fragen angeführt:

lä.3t sich die Adverbialbestimmung mit-

tels w o ( h i n / - h e r ) oder wann erfragen, dann handelt es sich um eine Lokal- bzw. Temporalbestimmung; ist

die Frage wie oder wodurch/

warum angemessen, liegt eine Modal- oder Kausalbestimmung vor. Heikel ist dann die feinere Unterteilung: Hier entscheidet letztlich wohl die grammatische Intuition oder das Geschick des Analysierenden. So ist

die Frage wie? für Van Dams Untergruppe (c15)

unangemessen, und ebensowenig passen warum und wodurch zu d3, 6 und 7: Man kann hier nur sehr spezifisch fragen,

z . B . mit unter

welcher Bedingung? und mit welcher Einräumung?. Die für die traditionelle Syntax typische Behandlung des 'logischen Subjekts" in Passivsätzen, das als kausale Adverbialbestimmung des Urhebers (d3) oder als wird, ist dig,

Subjektadverbial

(FELTKAMP 1975: 31) beschrieben

auch nach den eigenen Kriterien dieser Syntax fragwür-

da sich das logische Subjekt nicht durch die modalen und

kausalen warum und wodurch erfragen

länt.

FELTKA.MP ( 1 9 7 5 : 3 2 f . ) bemerkt zu Recht, daß bei der Einteilung in Bedeutungskategorien "wegen der Undeutlichkeit der Kriterien im

114

Unterricht viel ümfug getrieben wird" und warnt "vor Dogmatismus". 1.3. Als letztes bleibt die Funktion der Adverbien zu erörtern. Adverbien modifizieren etwas, nämlich entweder ein anderes Satzglied, das Satzglied, in dem sie enthalten sind, oder den P.estsatz. In dieser syntaktisch-semantischen Frage bleibt die traditionelle Syntax reichlich vage. FLOTHUIS (1937: 2 6 f . ) unterscheidet sekundäre Adverbiale, die zu einem Adjektiv oder Adverb gehören, und primäre Adverbiale, die in der unter 1 . 2 . vorgeführten Weise klassifiziert werden, und von denen angenommen wird, daß sie das Verb modifizieren (VAN DAM 1972: 23, RIEFT 1978: 3 2 3 ) . Nach GUNKEL/TIESEMA (1970: 69) kann ein Adverb auch einen ganzen Satz näher bestimmen, wie in Gewiß, er hat recht. HEEMSTFA (1947: 5 2 f . ) behandelt diese Kategorie, zu der er Adverbien wie höflicherweise, vernünftigerweise, gebührenderweise, bekanntlich und nachgewiesenermaßen sowie wirklich, vielleicht, nicht, auf keinen Fall, überhaupt usw. und einige Arten von adverbialen Nebensätzen zählt, sogar ausführlich, womit er eine Ausnahme unter den hier besprochenen Arbeiten darstellt. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die traditionelle Syntax die Syntax und die Satzsemantik bei der Behandlung der Adverbien zugunsten der semantischen Klassifizierung nach der 'logischen' oder verallgemeinerten Bedeutung, der durchweg die größte Aufmerksamkeit gewidmet wird, vernachlässigt. 2. Das Adverb in anderen grammatischen Modellen 2.1. Es ist eine entscheidende Schwachstelle der verschiedenen Valenzmodelle, daß sie mit den Adverbien wenig anzufangen wissen. Bei den Versuchen, die Valenz der Valenzträger festzulegen, erweisen Adverbien sich als eine eigenwillige Kategorie, die meistens als freie Angaben aus dem Rahmen fallen. Eine Ausnahme ist hier das Modell BONDZIOs ( 1 9 8 O ) , das - zurückgreifend auf Tesniere - dieses Problem dadurch zu lösen versucht, da.3 den Adverbien der Status von ValenztrMgern zugesprochen wird, deren Leerstellen durch die syntaktischen Einheiten, die sie modifizieren, besetzt werden. 2.2. Die generative Transformationsgrammatik behandelt vor allem die syntaktischen Aspekte der Adverbiale. In frühen Versionen die-

115

ser Grammatik (vgl. vor allem STEINITZ 1969, LAKOFF/ROSS 1 9 6 6 ) erscheinen Adverbien an drei Stellen im Stammbaum, nlimlich als VPAdverb, als PrüdP-Adverb und als Satzadverb, die alle durch Tests wohlunterschieden sind. Da die Unterscheidung von Prl'dP und VP problematisch ist,

überwiegt in späterer Zeit eine Zweiteilung der

Adverbien in Prädikats- und Satzadverbien (BARTSCH 1 9 7 2 , THOMASON/ STALNAKER 1 9 7 3 ) , wobei die Satzadverbien unter semantisch-pragmatischen Gesichtspunkten in evaluierende, Subjekt-, Sprecher- und komplementorientierte (vgl. u.a. SCHREIBER

Adverbien usw. weiter eingeteilt werden 1971, LEHRER 1 9 7 5 ) .

2 . 3 . In der Generativen Semantik ist das

syntaktisch-semantische

Spektrum gröCer, da Adverbien als Operatoren auf verschiedenen Ebenen semaritische Prädikate oder Konfigurationen semantischer Prädikate modifizieren, wie aus dem bekannten Satz Ich habe Fred fast getötet hervorgeht:

Die drei Lesarten dieses Satzes können

durch die unterschiedliche Stellung des Adverbs fast in der Hierarchie der semantischen Prädikate beschrieben werden (Vgl. SEUREN 1973:

18). Dieses Modell erreicht dadurch, von anderen problema-

tischen Aspekten, die mit der Dekomposition verbunden sind, abgesehen, einen hohen Präzisionsgrad in der Festlegung des Skopus. 2.4.

Die Kasusgrammatik kennt im Prinzip die gleichen Einteilungs-

prinzipien wie die beiden zuletzt behandelten Modelle, nc'jnlich in der früheren Entwicklungsphase (FILLMORE

1968) Satz- und Prädi-

katsadverbien (Kasus), und in der späteren Entwicklung

(FILLMORE

1971) die semantische Modifizierung von Tiefenprädikaten, die mit der aus der Generativen Semantik übernommenen Dekomposition verbunden ist.

Da" die Kasusgrammatik hier zu erwähnen ist,

obwohl

sie für die Adverbialproblematik wenig bringt, hängt damit zusammen,

daß der Kasusbegriff auffällige Parallelen zu dem Begriff der

'logischen Bedeutung 1 aufweist. In beiden Fällen ist

eine Bedeu-

tungsverallgemeinerung gemeint, die Beziehungen zwischen Satzteilen bzw. zwischen einem Satzteil und dem Restsatz zum Ausdruck bringt. Es gibt allerdings zwei Unterschiede, nämlich: (a) Obwohl FILLMORE

(1968: 25) nicht ausschließt, daß seine Ka-

susliste erweitert werden soll ("additional cases will surely be needed"), versucht die Kasusgrammatik im allgemeinen die Zahl der separaten Bedeutungsrelationen möglichst gering zu halten (so vor

116

allem ANDERSON 1 9 7 7 ) , während die traditionelle Syntax eine möglichst breite Terminologie anzustreben scheint. VAN DAM ( 1 9 7 2 : 23) bemerkt zu seiner schon recht großzügigen Einteilung, daß dadurch "der Reichtum der Möglichkeiten [nicht] erschöpft wird", und KERKHOFF ( 1 9 4 6 : 25) weist darauf hin, daß es "noch mehr Bedeutungsabstufungen" gäbe. Die logischen Bedeutungen bilden offensichtlich ein offenes Begriffssystem ohne klare definitorische Abgrenzung der E i n z e l b e g r i f f e . (b) Die Kasusgrammatik dehnt die 'logische Bedeutung 1 auch auf Satzteile a u s , die nach der traditionellen Syntax ausschließlich eine syntaktische Funktion haben, also Subjekt, Objekt usw., wodurch gewissermaßen eine Adverbialisierung aller Satzteile stattfindet. Allerdings wird dem 'logischen Subjekt 1 der Passivkonstruktion von der traditionellen Syntax eine (konstante) logische Bedeutung zugeordnet. 3. Schlußfolgerung Die traditionelle Syntax hat, um die semantische Subklassifizierung der Adverbiale zu ermöglichen, einen in dieser Form einzigartigen Begriffsapparat aufgestellt, der jedoch, wie sich zeigte, nicht eindeutig, ja sogar widersprüchlich und empirisch schlecht überprüfbar ist. Andererseits gibt es in der traditionellen Syntax Ansätze zur Beschreibung des Adverbialskopus, deren Plausibilität aus dem Vergleich mit moderneren Syntaxtheorien hervorgeht, die aber in der traditionellen Syntaxbehandlung von zweitrangiger Bedeutung sind. Von Bedeutung ist auch die Übereinstimmung zwischen dem Kasusbegriff und der 'logischen Bedeutung 1 . Abschließend ist noch zu bemerken, daß es auf die Dauer unbefriedigend ist, daß zwischen dem Syntaxunterricht in der Lehrerausbildung und der modernen Syntaxforschung eine so breite K l u f t besteht, wobei leider auch festgestellt werden mu'?, da.3 es für die traditionelle Syntax als Unterrichtsmodell im Moment noch keinen Ersatz gibt, so daß die traditionelle Syntax vorläufig und informal mit Elementen aus verschiedenen Modellen blo.G 'renoviert' werden könnte.

117

Anmerkungen 1 2

3 4

5

Ich danke den Anwesenden bei meinem Vortrag und W.Abraham für wertvolle Kritik. Wenn manche Lehrbücher neue Theorien erwähnen, dann ist damit oft die Sprachinhaltsforschung, wie sie in älteren Auflagen der Duden-Grammatik begegnet, gemeint. FELTKAMP ( 1 9 7 5 ) integriert in seine Syntax sowohl konstituentielle wie dependentielle Elemente, wodurch besondere Probleme entstehen, auf die in diesem Rahmen nicht eingegangen werden kann. Das Buch wird im Folgenden ohne Kommentar mit den traditionellen Syntaxen mitbehandelt Die Darstellung folgt im wesentlichen VAN DAN (1972: 2 3 ) , ohne dabei Vollständigkeit anzustreben. Näjnlich (KERKHOFF 1957: 3 2 ) , Grüßend trat der Bote ein (begleitender Nebenumstand) Ohne zu grüben verlie" er das Haus (fehlender Nebenumstand) Statt eines Gru.3es brummte er nur (unerwarteter Nebenumstand) Der Satzteil guten Mutes in Guten Mutes verlie.l er seine Eltern wird von ihr (S. 11) als halbprüdikative Bestimmung (die sog. "bepaling van gesteldheid" oder Pri'.dikatergi'nzung, die von dem Niederlandisten VAN DEN TOORN ( 1 9 7 6 : 4 5 f f . ) als Subjekt- oder objektbezogenes Adverb beschrieben wird; vgl. auch POLLMANN/ STURM 1977: 1 2 3 f f . ) aufgefaßt. Der Unterschied zwischen modalen Adverbialbestimmungen des begleitenden (bzw. fehlenden und unerwarteten) Nebenumstands einerseits und den halbprMikativen Bestimmungen andererseits ist bei Kerkhoff offenbar kaum beschreibbar. Heemstra versucht ansatzweise auch die Satzadverbien mittels eines Paraphrasentests von anderen Adverbien zu unterscheiden. Er vergleicht dazu die ST.tze Er fragte die Däne höflich, ob ... und Er lie.j der Däne höflicherweise den Vortritt und paraphrasiert höflich und höflicherweise durch in höflichem Tone bzw. durch es war höflich von ihm, dal ..., womit einer der Tests von THOMASON/STALNAKER (1973: 205) vorweggenommen wird.

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118 FILLMORE, Charles J. ( 1 9 6 8 ) : "The case for case". BACH, Emmon/ HARMS, Robert T . : Universals in linguistic theory. New York, etc.: Holt u.a. Übers.: "Plädoyer für Kasus". ABRAHAM, Werner ( e d . ) : Kasustheorie. Frankfurt/M.: Athenäum. ( 1 9 7 1 ) : "Some problems for case grammar". O'BRIEN, Richard J. ( e d . ) : Report of the 22nd annual R . T . M . on linguistics and language studies. Washington, D . C . : Georgetown U . P . FLOTHUIS, M . H . ( 1 9 3 7 ) : Hauptpunkte der deutschen Syntax in Fragen und Antworten. Groningen etc.: Noordhoff. GUNKEL, R. / TIESEMA, H . D . ( 1 9 7 0 ) : Praktische deutsche Syntax. Groningen: Wolters-Noordhoff. HEEMSTRA, Joh. ( 1 9 4 7 ) : Grundriß der deutsch-niederländischen Satzlehre. Haarlem: Gottmer. KERKHOFF, Emmy L. ( 1 9 4 6 ) : Kleine Anleitung zur Satzanalyse. Bussum: Van Dishoeck, 2 . A . 1 9 5 7 . KIEFT, P. (unter Mitwirkung von BOONSTRA, P . E . ) ( 1 9 7 8 ) : Deutsche Sprachlehre für angehende Deutschlehrer. Zutphen: Thieme. KRUISINGA, Etsko ( 1 9 3 5 ) : Einführung in die deutsche Syntax. Groningen etc.: Noordhoff. LAKOFF, George / ROSS, John R. ( 1 9 6 6 ) : Criterion for verb phrase constituency. Cambridge, Mass.: Havard ( N . S . F . ) . LEHRER, Adrienne ( 1 9 7 5 ) : "Complement-oriented adverbs". Linguistic Inquiry 6: 4 8 9 - 4 9 4 . POLLMANN, Thijs / STURM, Arie ( 1 9 7 7 ) : Over zinnen gesproken. Termen en begrippen van de traditionele grammatica. Culemborg: Educa. SCHREIBER, Peter A. ( 1 9 7 1 ) : "Some constraints on the formation of English sentence adverbs". Linguistic Inquiry 2: 83-101. SEUREN: Pieter A . M . ( 1 9 7 3 ) : "Einleitung". SEUREN, Pieter A . M . ( e d . ) : Generative Semantik: Semantische Syntax. Düsseldorf: Schwann. STEINITZ, Renate ( 1 9 6 9 ) : Adverbialsyntax. Berlin: Akademie. THOMASON, Richmond H. / STALNAKER, Robert C. ( 1 9 7 3 ) : "A semantic theory of adverbs". Linguistic Inquiry 4: 195-220. Van den TOORN, M . C . ( 1 9 7 6 ) : Nederlandse grammatica. Groningen: Wolters-Noordhoff.

EINIGE TILGUNGSARTEN IN ENGLISCHEN KONDITIONALSÄTZEN 1

Günther Deiner

0. Ich behandele drei elliptische Varianten englischer Konditionalsätze: VP-Ellipsen (vgl. ( 1 ) ) , Nullkomplement-Anaphern (vgl. ( 2 ) ) u n d Nichtkonstituenten-Ellipsen (vgl. ( 3 ) ) . ( 1 ) If someone has to drink this wine, then I will . (2) If someone has to drink this wine, then I ' l l volunteer (3) She likes most people if .. not all _.

.

1. Nullkomplement-Anaphern Der Unterschied zwischen den Ellipsen in (1) und (2) scheint gering zu sein. Das in (1) ist eine VP: drink this wine. Das in ( 2 ) ist eine Infinitivphrase: to drink this wine. Die Situation ist selbstverständlich komplexer. Das würde ein Versuch zur Ableitung der Infinitivphrase zeigen. HANKAMER/SAG (1976: 411-415) schrieben VP-Ellipsen und Nullkomplement-Anaphern grundverschiedene Eigenschaften zu. Das drückte sich in unterschiedlicher Klassifizierung aus: NullkomplementAnaphern wurden als Tiefenanaphern klassifiziert, VP-Ellipsen dagegen als Oberflächenanaphern. Diese Unterscheidung beruht auf den Identitätsspielarten, die zwischen Antecedens und Anapher möglich sind. Oberflächenanaphern wie VP-Ellipsen erfordern Konstruktionsidentität der Umgebungen von Antecedens und Anapher. Im Beispiel ( 1 ) befinden sich sowohl Antecedens als auch Anapher in einer Aktivkonstruktion. Oberflächenanaphern erfordern zudem linguistische Antezedenten. Folglich lassen sie sich als Ergebnis syntaktischer Tilgung beschreiben. Für Tiefenanaphern wie Nullkomplement-Anaphern reicht dagegen das Bestehen einer syntaktischen Ableitbarkeit (wie z. B. die von Aktiv ->· Passiv) aus. Dieser Kontrast zwischen Oberflächenanaphern und Tiefenanaphern ist durch das Beispielpaar ( 4 ) und (5) dargestellt: (4) "If this wine has to be drunk, then I will . (5) If this wine has to be drunk, then I ' l l volunteer .

120

"Identitäts"-Spielarten zwischen Antecedens und Anapher sind bis in pragmatische Bereiche zu verfolgen. Das führte Hankamer und Sag zur Annahme von pragmatisch kontrollierten Anaphern. Solche Anaphern müssen keine linguistischen Antezedenten besitzen. Vielmehr werden basiserzeugte in geeigneter Weise interpretiert. Das Beispiel (6) soll die pragmatische Kontrollierbarkeit einer Nullkomplement-Anapher zeigen. ( 6 ) [You walk into the room and see I have just drunk an entire gallon of Schmidt's beer. I respond to your critical look by saying ...] They forced me 0. (SAG 1979: 158 [Hervorhebung nicht im Original]) Ein entsprechendes Konditionalsatzbeispiel läßt sich leicht konstruieren: (7) [At a cocktail party, an obese person is being offered a tray of petits fours. That person might accept by saying ...] If you force me . Die doppelten Unterstreichungen in (6) und (7) sollen Skepsis am Begriff der pragmatischen Kontrollierbarkeit andeuten. Die parasprachliche Natur der unterstrichenen Ausdrücke ist nicht zufällig. Ich bin zuversichtlich, daß diese Skepsis für mehr als nur ein Beispiel angeblich pragmatisch kontrollierter Anapher bestätigt werden kann. Auf den Nachweis muß aus Platzgründen verzichtet werden. Das kann man tun, da es neben der Skepsis gegenüber dem Begriff der pragmatischen Kontrollierbarkeit handfestere Angriffspunkte an der Ellipsentheorie von Hankamer und Sag gibt. Die Unterscheidung in Oberflächenanaphern und Tiefenanaphern ist nämlich durch syntaktische Überlegungen zu erschüttern. VPEllipsen verletzen bekanntlich zwei Ross-Constraints - den Complex NP Constraint (CNPC) und den Sentential Subject Constraint (SSC). Es läßt sich zeigen, daß sich Hankamers und Sags Nullkomplement-Anaphern in dieser Hinsicht wie VP-Ellipsen verhalten. Das lehrt ein Vergleich von (8) mit (9) und von (1O) mit (11).

121

C N P C : V P - E l l i p s e (8) Since German pedestrians obey the red light, the police would be surprised if they observed [someone [who didn't A ]„].._.. o Nr C N P C i N u l l k o m p l e m e n t - A n a p h e r (9) Since the World Wildlife Fund relies on wealthy nations to donate funds, it would be regrettable if [those [which refused"!] s ] Np could easily afford a contribution. S S C : V P - E l l i p s e (10) The idea that John continually misspells his own name ""~"-·~" -"" « would seem unbelievable if [the fact that [he does A i s l N P were not so well known. SSC : N u l l k o m p l e m e n t - A n a p h e r ( 1 1 ) The news that John is to join the army would seem to be * unremarkable if [the idea that [he volunteered ^ C ^ M P were not so disconcerting. Im Unterschied zu VP-Ellipsen und Nullkomplement-Anaphern gehorchen Prozesse wie Comparative Deletion Ross-Constraints. Sie operieren nur innerhalb von Sätzen. Anaphorische Beziehungen zwischen Ellipse und Antecedens können über Satzgrenzen hinweg bestehen. WILLIAMS (1977: 102) formalisierte diesen Unterschied durch Zuweisung der beiden Prozesse zu verschiedenen Grammatikkomponenten: Regeln wie Comparative Deletion gehören zur Satzgrammatik; VP-Ellipse ist dagegen eine Erscheinung der Diskursgrammatik. VP-Ellipsen und Nullkomplement-Anaphern verletzen also beide zwei Ross-Constraints. Verhaltensgleichheit besteht auch hinsichtlich des Operierens über die Satzgrenze hinaus. Das veranschaulichen die Umformungen von ( 8 ) - ( 1 1 ) unter ( 1 2 ) - ( 1 5 ) . ( 1 2 ) German pedestrians obey the red light. So the police would be surprised if they observed someone who didn't . (13) The World Wildlife Fund relies on wealthy nations to donate funds. Therefore it would be regrettable if those nations which refused could easily afford a contribution. ( 1 4 ) John continually misspells his own name. That would seem unbelievable if the fact that he does were not so well known. (15) John is to join the army. That would seem unremarkable

122

if the idea that he volunteered were not so disconcerting. Gehen wir von Hankamers und Sags Unterscheidung aus, dann verhalten sich die Tiefenanaphern in ( 1 3 ) und ( 1 5 ) in einer Hinsicht wie Oberflächenanaphern. Das ist unbefriedigend. Plausibler ist die Annahme, daß es sich bei Nullkomplement-Anaphern um einen syntaktisch von VP-Ellipsen nicht durchweg zu unterscheidenden Vorgang handelt. Auch in positiver Hinsicht verhalten sich VP-Ellipsen und Nullkomplement-Anaphern analog; beide sind dem Backwards Anaphora Constraint unterworfen: ( 1 6 ) If an anaphor precedes its antecedent, then it must also be more deeply embedded than its antecedent. (SAG 1976: 2 5 4 ) Die Beispiele ( 1 7 ) und ( 1 8 ) veranschaulichen den Backwards Anaphora Constraint: ( 1 7 ) a . They will go to Rome if they can . b. If they can , they will go to Rome. ( 1 8 ) a . You may go to Rome if you want . b. If you want , you may go to Rome. Bisher sprechen also zwei Indizien - ein schwaches und ein etwas stärkeres - gegen Hankamers und Sags Unterscheidung in Tiefenanaphern und Oberflächenanaphern: 1. Die geforderte strikte pragmatische Kontrollierbarkeit von Nullkomplement-Anaphern ist ein zweifelhaftes Kriterium. 2. In bezug auf die Verletzung und Einhaltung syntaktischer Beschränkungen verhalten sich VP-Ellipsen und NullkomplementAnaphern entsprechend. Hinzu kommt ein Gesichtspunkt, auf den Schachter aufmerksam machte: 3. Er zeigte, daß VP-Ellipsen entgegen der Auffassung von Hankamer und Sag durchaus pragmatisch kontrolliert werden können: ( 1 9 ) (John tries to kiss Mary. She says:) John, you m u s t n ' t . (20) (John pours another martini for Mary. She says:) I really shouldn't. (SCHACHTER 1977: 7 6 4 )

123

2. VP-Ellipsen Aufgrund der Ausf hrungen im ersten Abschnitt lassen sich die Beispiele unter ( 2 1 ) s mtlich als VP-Ellipsen klassifizieren: a. could b. wanted (21)

He might eat

cake if

he < c. dared

Δ.

d. preferred e. forced himself *Want (zusammen mit p r e f e r ) , dare und force geh ren verschiedenen Verbklassen an. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Komplemente (vgl. AKMAJIAN/HENY 1975: 3 4 6 - 3 4 8 ) . Sie verhalten sich allerdings in einer Hinsicht konform: VP-Ellipsen betreffen nur 2 die am Ende einer VP befindliche VP . Dies veranschaulicht ( 2 2 ) f r die Beispiele unter ( 2 1 ) . Die relevante VP ist dabei fett gekennzeichnet. ' a. could [[Δ] γ [[Δ] Ν ] Ν ρ ] ν ρ b. [wanted [U] T7 [ (22) d, [preferred [[Δ] ν [ Δ] ] e. [forced himself [[, Ν Ν ρ ν Ρ ] VP , Die Konstruktionen des Paradigmas ( 2 1 ) verhalten sich entsprechend dem Backwards Anaphora Constraint. Vgl. ( 2 3 ) : 'could wanted to (23) -He might Δ if he dared to eat cake

Der Backwards Anaphora Constraint wird auch dann eingehalten, wenn man den Hauptsatz bis auf eine VP reduziert. Ein Vergleich zwischen ( 2 4 ) und ( 2 5 ) veranschaulicht dies. can ( 2 4 ) Let him eat cake if he < wants ' Δ.

(25)

::

Let him Δ if

he
MfrΦά

Φ Λ ο α οι Φ4-ι O >· p cd 43 4-1 ι «d 01 :o l

cd fl Φ p Φ b04> .0 φ^ρ^ ^ g

φ

bo

Λ 3 fl ra Φ4π O O O Cd 43 4H H » > -d ra :o

P rt cd A ra Φ«ΗΛ o cd 43 «H Φ H τ) ra :o f>

s

Λaa ο cd o > P

ufi t M Φ

P rt rt ra Φ h cd 4H cd 43 Pm

:cd l l /^^\ P-l p » Cd 43 4-1 Ο

fr «d oi :o v^·

Ο

P fl O

Λ fl ra Φ 4-1 .M υ o cd 43 4-1 Φ H |> »d ra :o p

CM

ra Φ:ο p cd 43 Φ Φ P β bObO

m ΦΡ . cd43-d fn P ra

β

Tt cn:o bO

Φ O i i r t P Φ b04> |

fr

(H CQ Φ:α)

φ rt α rt bo bO rt φ ·Η Ο 43 Φ fr >,ω φ ra

fl £^ n ρΦ ρrt 34-1

C 43 ·Η P 4H Φ

ρ ra afr:o ho l 43 Φ fl ra fl bO

S

•Η -Ρ

S« «H Φ

fl

•d ι FH Φ •H fl bD fr O 43Φ

β> ι>

rt φ 004343 φρ

l 4343 Φ

P) CQ,Q ω

φ

SZ

rt ra Φ ρ Φ·Η fl Φ

σι Φ Φ:ο cd -P H Φ

•d rt cd 43 ra

4-1 ra

l

£·( 00 Φ:Λ O. f j

rt φ 43 «rt

α

φ ,ο

*

4-1

l ·Η

ra ra cd

rt

fO α φ Φ cd Φ b043 43

Φ·Η Ο

II

43 fl

fr > M φ φ Cj Q Q *^J ra Φ Ρ cd4n P cd 4> -H fi «M o P οι Θ fr :o f.

4-ι m φ ft

43

cd ι ι rt .rt rt Φ /~Ν Vld ° a Diag °

8

Vgl. SEGUY / RAVIER ( 1 9 7 3 : 2504) und ROHLFS ( 1 9 7 0 : 1 7 8 , § 4 9 5 ) . Die Abstufungen würden z . B . - bei extrem niedriger "Gaskognität" wie in dem Orte Donzac - a nur noch vor O b j e k t s i n f i n i tiven und nicht mehr vor Substantiven einschließen, also ajmi (a) kantä (vgl. KELLY 1973: 2 0 5 ) .

9

Überschneidungen auch von Ansätzen beider Erscheinungen scheinen m . E . nach den entsprechenden Daten von ROHLFS ( 1 9 6 6 - 1 9 6 9 ) in allen Dialekten Italiens ausgeschlossen. Auch wenn solche Überschneidungen von Ansätzen im katalanischen Sprachraum, besonders im nichtsubstantivischen Bereich, belegt zu sein scheinen ( z u l e t z t ROHLFS 1971 für die B a l e a r e n ) , läßt sich d a s Katalanische eindeutig mehr d e m "französischen d e Typ" als dem "spanischen a-Typ" zuordnen, was wir an anderer Stelle begründen werden, wo dann auch vom en in Tens tinta? - No en tine, von der Veränderlichkeit der Partizipien und anderen korrelierenden Erscheinungen zu handeln sein wird.

159

10 Die entsprechende "wegführende" Funktion vermuten wir bei dem in der französischen Syntax so leistungsstarken de auch sonst, z.B. bei der Markierung prädikativer Adjektive (im Gegensatz zu a t t r i b u t i v e n ) , die "tiefenobjektliche" Substantive begleiten wie in Encore un carreau de casse.

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16O

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CONFIGURATIONAL GRAMMAR AND THE TRACE-PRO DISTINCTION

Jan Koster

1.

Configurational grammar

1.1. Configurational grammar is not a new kind of grammar, like relational grammar or functional grammar, but a further development of certain notions that have been part of transformational generative grammar since its inception. For present purposes, we may distinguish two families of concepts within generative grammar. There have been what I call Configurational notions, like the various conceptions of "command" and certain locality principles, together with conditions on representations like filters. Some of these notions got their classical formulation in seminal papers like LEES/KLIMA ( 1 9 6 3 ) , KLIMA ( 1 9 6 4 ) , and LANGACKER ( 1 9 6 9 ) . At the same time, generative grammar was characterized by derivational notions like transformations, and especially in the years following Aspects (CHOMSKY 1965) by the concept of the cycle. Research on the cycle and rule ordering formed the culmination point of derivationally oriented generative grammar. Although none of the present formulations of transformational grammar can do without derivational notions, the Configurational principles, particularly dominant in the study of anaphora, are gradually becoming more prominent. This development was caused by two factors. First, it appeared that anaphoric relations could not too easily be incorporated in the transformational paradigm. Nontransformational theories of anaphoric relations have become standard since JACKENDOFF (1972). A second development in the direction of a theory dominated by Configurational notions was the prominence of trace theory in the research program that grew out of Conditions (CHOMSKY 1973). In this program, many individual transformations were reduced to a general, overgenerating transformation schema, "move a", where unwanted structures could be filtered out by general conditions and idiosyncratic filters ( c f . CHOMSKY/LASNIK 1977) . Moreover, the notion of the cycle was shown to be an unnecessary primitive vis-ä-vis the relevant data (FREIDIN 1978). Not surprisingly, the whole notion of major transformations was

162

put into question (KOSTER 1 9 7 8 ) , and it

seemed to become possible

to formulate most of generative grammar as a configurational theory, modelled after the non-transformational theory of anaphora ( c f . KOSTER 1980a, 1980b). It should be stressed that none of these studies was intended to be an attack on transformations in general. Nothing was said, for instance, against minor movement transformations as an innocuous descriptive device in certain areas of grammar ( c f . EMONDS 1 9 7 6 ) . The need for transformations was only disputed for those phenomena that were usually described by the major transformations NP-movement and Wh-movement, in the sense of CHOMSKY ( 1 9 7 6 ) . In f a c t , Chomsky had suggested the possibility of basegenerating the relevant structures since the beginning of trace theory (see the last section of CHOMSKY 1973, and KOSTER 1978 for d i s c u s s i o n ) . The real

issue has always been the alleged deviant

locality properties of movement rules (in comparison with rules of anaphora). Thus, the relation between a moved category and its trace was claimed to be uniquely characterized by Subjacency. I believe this uniqueness claim to be false, and I will return to the issue below. 1.2.

Before going into some recent arguments, I would like to

give a brief outline of the major idea behind the unified configurational conception of generative grammar. In this context, it

is perhaps useful to clarify the general

idea in somewhat metaphorical terms. Suppose then that the phrasestructure rules of the base introduce a coordinate system, a map, with the major categories as points on this map. Looking at the various rules of grammar, we will observe that they establish a connection between two ( a n d not more than two) points on the map. In principle, one could imagine a connection between any two points on the map. But fortunately the geography of grammar is not that arbitrary. There is in fact only a very limited and universal subclass of the possible connections that enter into grammatical rule, and this subclass we might call the class of possible grammatical configurations. Grammatical configurations are determined by two dimensions, defined by primacy and locality principles. It should be clear that the major configurations are not limited to rules of anaphora. So-called movements f a l l within similar

163

dimensions, and so do rules of agreement and rules of predication. Subject-verb agreement, for instance, is characterized by the two dimensions j u s t mentioned: the subject c-commands the verb in question ( p r i m a c y ) , and subject and verb cannot be too far apart

(lo-

cality: they must be in the same c l a u s e ) . WILLIAMS (1980) has convincingly shown that predication is constrained by similar notions. In other words, the theory of configurations abstracts away from the specific content of the various rules. It there is a universal

is my claim that

"rule space", defined by u n i f o r m primacy and

locality notions, which is a common module of all

possible rule

connections. 1.3.

Recent work has shown that the theory of configurations has

to be supplemented with a theory of "states". Suppose that we conceive notions like "case",

"government", and "having a thematic

role" as states in which certain nodes can be. Thus, a case-marked NP can be said to be in state +C, while a caseless NP is

in state

-C. Similarly, we can distinguish the states ;+G for government and the states +T for thematic roles. States can be assigned directly, on the basis of the nature of the c o n f i g u r a t i o n in which the node in question occurs, or they can be "inherited" from the nodes that are bound by the receiving nodes ( c f . CHOMSKY ( f o r t h c o m i n g ) ) . Moreover I will argue that the states C and G can also be assigned

in-

herently . It

is generally assumed that case-assignment may depend on a

certain lexical category stance,

( l i k e V, N , A, or P ) . In German, for

the case of the object depends on the verb. This is

in-

the

configurationally determined form of case-assignment. Besides, nodes can receive case even when they do not depend on any lexical item at all.

This is the inherent form of case-assignment. An ex-

ample is the nominative case of the topic in examples like the following ( f r o m VAN RIEMSDIJK 1 9 7 8 : 1 6 8 ) : (1)

Der Hans ( n o m . ) , an den ( a c c . ) erinnere ich mich nicht

This example shows both forms of case-assignment: the inherent nominative of Per H a n s , and the lexically governed accusative den, which is dependent on the preposition

an.

I would like to propose that in a quite similar f a s h i o n , there are also two kinds of government. Lexical government is like the

164 standard notion of government, proposed by Chomsky in his Pisa lectures (see CHOMSKY (forthcoming)). A node is lexically governed if it is (minimally) c-commanded by a lexical category (V, N, A, or P ) . Furthermore, I will assume that nodes that are not lexically governed are automatically inherently governed. This approach has the advantage that, with one exception to be discussed shortly, all nodes are contained in a minimal governing category, the relevant domain for locality principles (see KOSTER 1980a,b). A node can only "escape" from locality principles if it is not governed ( - G ) , so that the major categories that contain it are not governing categories. The state -G can only be brought about, I believe, by a "degoverning" element, a member of the general class of absorbers. In most current theories, "being governed" is not the natural state of nodes, but a marked state caused by a governor. If there is no governor, a category remains ungoverned. My own assumptions, however, entail that government ( + G ) is the natural state for a node, and that it can only become ungoverned (-G) by an absorber. The notion of absorption was introduced by Aoun, Vergnaud, and others, to account for properties of clitic constructions and of passives. CHOMSKY (to appear), for instance, assumes that the passive morpheme -ed, a s u f f i x to the verb, absorbs the case of the following object. As a consequence, this object position cannot be lexically filled because of the case filter (i.e. lexical NPs without case make the sentence ungrammatical). JAEGGLI (1980) has generalized this notion of absorption to government: clitics in French and Spanish are supposed to absorb both the case and the government of the objects to which they are connected. Jaeggli ingeniously accounts for the doubling facts in Spanish (i.e. the cooccurrence of a clitic and a corresponding object) by assuming that the case of the object NP is "protected" against the absorbing effects of the clitic by the case-assigner a that is typically prefixed to NP-objects in doubling situations in Spanish. Similarly, I would like to propose that a node can be protected against the effects of government absorption by a lexical governor (without an absorbing a f f i x or clitic). The effects of absorption can be demonstrated with infinitives. Suppose, for instance, that the formative to (in English,

probably

165

a part of Aux, in Dutch (te) a prefix to the verb) absorbs both the case and the (inherent) government of infinitival subjects. This accounts for the properties that are usually ascribed to the element PRO. The assumption that to is an absorber also accounts for the fact that we have a lexical subject if to is absent, as in the complements of verbs of perception: (2) He saw [^ Bill go] Bill occupies a case-marked and governed position, which is obligatorily lexically filled. Like in the doubling cases discussed by Jaeggli, an NP in an absorption position can be saved if there is an extra lexical element that both governs and assigns case. The verb believe might be regarded as such an extra case-assigner in familiar examples of exceptional case-assignment like He believes [Bill to go]. Here, the absorbing effects are neutralized by the case-assigner (and governor) believe. A case where only the absorption of government is saved is a familiar Raising example like John seems [ £ to go]. Again, to absorbs both the inherent case and government of the infinitival subject, but in this case only the government is saved (seem does not assign case). In general, the elements from the class of grammatical formatives can act as absorbers, with a f f i x e s to the verb and clitics as the most typical examples. Needless to say, that this is only the barest outline of a general theory of states and absorption. 2. 2.1.

The trace-PRO distinction Besides the general theory of configurations and states, I

assume free indexing in the base ( c f . CHOMSKY ( f o r t h c o m i n g ) ) , and a procedure for the assignment of thematic roles, like the one formulated by BORER ( 1 9 8 0 ) . The essence of this approach is that thematic roles are either assigned directly to NPs in basic positions, or inherited from traces. Thus, in John eats John is the agent according to its base position and in John.1 seems e.1 to eat the agent status of John is inherited from the trace e . . If a lexical NP binds one or more traces we have what CHOMSKY (to appear) calls a function chain ( G F . , . . . , G F ) . In the example just given, John is G F-L, , while the trace is GFn ( n = 2 ) . One of the basic as~ sumptions of standard generative grammar is that function chains in such cases are built by "move a". But given the possibility to

166

inherit thematic roles, the transformational derivation by "move a" seems entirely superfluous. It

should be noted that t r a n s f e r of

thematic roles was one of the functions of movement of NPs in earlier theories, but with θ-assignment in S-structure, there is 4 simply no need for movement. Function chains are f u l l y determined by the base rules, the lexical properties of verbs like seem, and the configurations defined by the binding theory ( c f . KOSTER 1980a, 1980b). Before discussing some recent arguments, I would like to make two further assumptions. The f i r s t assumption is that lexical government can go down into subordinate clauses, unless it

is blocked

by a complementizer. A second assumption that is crucial for what follows is the ECP. The exact formulation is subject to some controversy, but let us assume that it entails that a thematic role can only be inherited from a lexically governed empty N P . These two assumptions account for standard ECP f a c t s ,

like the --that-t

phenomenon: (3)

Who. do you think [- (*that) l

e. saw Bill]

o

l

This sentence is only grammatical without the complementizer that. The explanation I assume here is that the complementizer blocks proper government of the trace by the matrix verb think. An ungoverned trace does not transfer a thematic role to the sentence-initial Wh-phrase. A similar explanation will do for the fact that doubled objects cannot be fronted by Wh-movement in Spanish (see JAEGGLI 1980; note that we do not have to assume a trace-PRO distinction) . Another fact

that is explained this way is the follo-

wing contrast discussed by CHOMSKY (to appear; his example ( 3 6 ) ) : (4a)

They, thought [^- that [ [_· l

o

o

e. to help each other] would l

be d i f f i c u l t ] ] (4b)

"They, seem [^- that [[-= 3 b t> be d i f f i c u l t ] ]

e . to help each other] would 3

According to the ECP explanation j u s t mentioned, ( 4 b ) is ungrammatical because the empty infinitival subject e. is ungoverned, so that no thematic role is transferred a thematic role of its planation, it

to they. ( t h e y , in ( 4 a ) has ——*-] ·*-! o w n ) . Given the availability of an ECP ex-

is not necessary to make a distinction between trace

and PRO in ( 4 b ) and ( 4 a ) , respectively. Nor is it

necessary to

base the explanation on Subjacency, as Chomsky does.

167

Another non-argument for the trace-PRO distinction has been derived from the following interesting cases, observed by Luigi Burzio: (5a)

They assigned one interpreter each to the visiting diplomats

(5b)

One interpreter each, was assigned e. to the visiting diplomats

(5c)

One interpreter each, seems [ e. to have been assigned e_. to the visiting diplomats]

(6)

-One interpreter each,

tried [ e, to be assigned e, to the

visiting diplomats] The basic f a c t , which no doubt requires a more general explanation, seems straightforward: the relevant interpretation is only available if each is part of the object of assign, or part of an NP in the function chain (GF, ) of this object

(GF ) . Sentence (6) is un-

grammatical because each is here part of the subject of try, which does not form a function chain with the object of assign (as the subject of seem d o e s ) . As noted before, function chains are also unambiguously defined in a theory without movement or the tracePRO distinction, and therefore it

is by no means necessary to re-

fer to the trace-PRO distinction to explain the contrast between (5) and (6) ( c f . CHOMSKY (to a p p e a r ) ) . 2.2.

In general,

it

is extremely d i f f i c u l t ,

if not impossible, to

demonstrate that the following structures not only d i f f e r with respect to the thematic status (basic vs. inherited)

of the matrix

subject, but also in the f u r t h e r nature of their derivation (movement vs. base-generation) val subjects

and in the nature of the empty i n f i n i t i -

(trace vs. P R O ) :

(7a)

John, seems [ e.

to go]

(7b)

John,

to go]

Λ

tries [ e,

ji

According to the assumptions made earlier, e. is governed by seem. This is possible because seem does not select a complementizer in this case, and it

is necessary because only governed empty NPs

transfer a thematic role. But is there really much reason to believe that e,K. in ( 7 b ) is not governed? L e t ' s play the d e v i l ' s advocate for a moment, and assume that it loose? Nothing at all,

is governed. What would we

as far as I can tell.

But we would correct-

168 ly predict that e^ must be bound. More generally, we would predict

that so-called PRO is always obligatorily bound if it is lexically governed by the matrix verb, which is only possible if the infinitive is not introduced by a complementizer. This prediction also seems to be borne out. A more specific prediction is the ungrammaQ

ticality of the following sentence: (8) *It was tried [ e to go] This sentence is ungrammatical because the infinitival subject e, governed by try, is not bound within its minimal governing category (the matrix S ) . It seems to me that, apart from the independently given difference in the status of the matrix subject, ( 7 a ) and ( 7 b ) have the exact same properties. Most differences mentioned in favor of a trace-PRO distinction are a function of government as defined here. Infinitival subjects can only be ungoverned if government by the matrix governor (like a verb) is blocked by the complementizer for. An ungoverned empty NP is not obligatorily bound. This explains the fact that infinitives with long-distance antecedents (Super Equi) or infinitives without a controller are always infinitives that can be introduced by f o r . I think we must conclude with WILLIAMS (1980) that there is a fundamental distinction between two kinds of PRO. PRO in infinitives without (possible) for is always obligatorily and locally bound in my opinion a function of its being governed. PRO in other contexts is not governed, in many cases not locally or obligatorily bound, and in general not dependent on the binding theory for its interpretation like the first PRO. If trace and PRO cannot be distinguished in terms of government, are there other properties that uniquely define these elements? Not that I know o f . Thematic roles, for instance, are not only transferred by traces, but also by Wh-phrases, as in topicalized constructions (see KOSTER 1980a,b). There is even less ground for the assumption that the antecedent-trace relation is constrained by a unique locality principle: Subjacency. All empty elements, including PRO and the empty V in gapping constructions, must be bound in their minimal governing 9 category. If what I have said is correct, "move a" has no unique defining properties, and therefore no well-founded existence. It seems to

169

me that not the derivational notions, like transformations and their various interactions, but the configurational ideas will turn out to be the lasting contribution of the past twenty years of generative grammar to linguistics.

Notes 1

2

For the command notions, see KOSTER ( 1 9 7 9 ) . For the locality principles, see KOSTER (1978) and (1980a,b). For filters, see CHOMSKY/LASNIK ( 1 9 7 7 ) . Primacy notions are the command notions, and also the notion subject ( f o r a configurational treatment, see CHOMSKY (to a p p e a r ) ) . Locality principles are, for instance, clause mate principles and domain principles like Subjacency.

3

There are some convincing arguments that traces are governed: see CHOMSKY (forthcoming); see also below.

4

Inheritance of thematic roles simply reproduces the major function of the earlier movement rules. Note that the two ways to transfer θ-roles are not notational variants, since Wh-phrases also transfer thematic roles in clear non-movement contexts (see KOSTER 1 9 8 0 a , b ) .

5

For different formulations, see KAYNE (1979) and JAEGGLI (1980) .

6

Noam Chomsky has pointed out to me that we loose an ECP explanation for the ungrammaticality of examples like John. was tried [ e. to go]. According to the ECP explanation, the infinitival subject (the trace) is not properly governed. Under my assumptions government from try goes down into the embedded clause so that the ECP explanation is no longer available. Note, however, that passives with a non-pleonastic subject are always limited to transitive verbs. This must be an independent factor since John was seemed [ e to go] is also ungrammatical, while an ECP explanation is not available in this case. So, I do not see the force of the objection.

7

I assume that the complementizer for is always available at LF.

8

It is remarkable that the Dutch equivalent of ( 8 ) , which has an optional complementizer om, is acceptable. Dutch has also verbs like English try, which never have a complementizer. In those cases, constructions like (8) are ungrammatical.

9

See KOSTER (1978) . The relevant condition, the Bounding Condition, was reformulated in terms of government in KOSTER (1979) and incorporated in the binding theory in KOSTER (1980a,b). Note that verbs are inherently governed according to my assumptions, so that (in the case of Gapping) they have to be bound in their minimal governing category ( f o r the facts, see KOSTER (1978:104-108)).

170

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ZUR GENERIERUNG DER SATZEINLEITENDEN POSITIONEN IM DEUTSCHEN Jürgen Lenerz

Im folgenden möchte ich den Versuch machen, einen Vorschlag zu präzisieren, wie er u.a. von KOSTER (1975), DEN BESTEN (1977) und THIERSCH (1978) entwickelt worden ist. Sämtliche im Deutschen satzeinleitend vorkommenden Strukturen lassen sich durch nur zwei Regeln beschreiben, die im Einklang mit allgemein in der Grammatiktheorie postulierten Prinzipien optional und ex1 trinsisch ungeordnet angewandt werden können. Das Entscheidende an dieser Darstellung ist jedoch weniger ihre Einfachheit als die Tatsache, daß sie es erlaubt, die durch sie beschriebenen Fakten aus allgemeinen Prinzipien abzuleiten, die unabhängig begründet als Axiome der Grammatiktheorie zu postulieren sind. Insofern stellt die gegebene Formulierung eine deduktive Theorie der zu beschreibenden Fakten dar, die in dieser Hinsicht eine 'Erklärung 1 finden. Die im folgenden zugrundegelegten Annahmen sind daher nicht ohne Bedeutung für die Grammatiktheorie. So sollen insbesondere die Basisregeln (1) so formuliert werden, daß die erforderlichen Transformationen (2) als zyklische, strukturerhaltende Transformationen betrachtet werden können (vgl. EMONDS 1976). Da Regeln wie (2) jedoch im allgemeinen als typische Wurzeltransformatio2 nen angesehen worden sind , hat die hier vertretene gegensätzliche Auffassung die Konsequenz, daß ein weiteres wesentliches Argument für die Existenz solcher Wurzeltransformationen entfiele. Vor allem soll gezeigt werden, daß die nur in Wurzelsätzen zu beobachtenden Phänomene der Verbzweitstellung und der Voranstellung eines Satzgliedes bei einer geeigneten Formulierung der Regeln und der Strukturerhaltungshypothese deduktiv ableitbar sind, ohne daß die Grammatiktheorie ein eigens ausdrücklich zu formulierendes Konzept der Wurzeltransformation benötigte. Insofern bedeutet ein möglicher Verzicht auf den Begriff der Wurzeltransformation eine wünschenswerte Vereinfachung der Gramma-

172

tiktheorie, da a) kein deskriptiver Verlust eintritt, b) die generative Kraft der möglichen Grammatiken durch, den Verzicht auf die relativ unrestringierten Wurzeltransformationen weiter eingeschränkt wird und c) das Konzept der Wurzeltransformationen an sich ad hoc und rein taxonomisch ist. Das von mir angenommene Regelsystem sieht wie folgt aus:* COMP S ( X " ' ) ([+ W]) C-Tps] [+Tps], ... kann lexikalisch als es realisiert werden, kann lexikalisch als daß, weil, ... realisiert werden. (1g) [+W] kann lexikalisch als ob, warum, ... realisiert werden. Transformat ionen: (2a) V-Voranstellung (kurz: V-VOR) : ...V f i n ===>V f i n ... (2b) X'"-Voranstellung (kurz: X-VOR) : .. .X' " .. .==^· X" '.. Da in dem zur Verfügung stehenden Raum auf eine ausführliche Begründung der Details dieses Vorschlages verzichtet werden muß, mögen die folgenden kurzen Bemerkungen genügen: 1. Sowohl X 1 1 ' wie [±W] sind als fakultative Expansionen von COMP angenommen, damit Strukturen mit nur einer phonetisch realisierten Position in COMP ohne Tilgungsregeln generiert werden 4 können. 2. Lexikalische Füllung des (bis auf [-Tps]) merkmallosen X 1 ' 1 ist nur durch das (ebenfalls entsprechend merkmallose und nichtreferentielle) expletive es möglich, das auch für nicht-spezifizierte NPs einsetzbar ist: (i) Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein ( X * ' ' = es) (ii) Es regnete. (Subjekt-NP = es) (iii) Er hat es weit gebracht (Objekt-NP = es) 3. Ein lexikalisch nicht realisierter Knoten erhält als terminales Symbol das (leere) Element ' e 1 , das transformationell durch lexikalisches Material ersetzt oder durch Interpretationsregeln indiziert wird. Ein Satz mit nicht ordentlich gebundenem

173

Knoten ' e 1 wird als uninterpretierbar angesehen und damit von der semantischen Komponente der Grammatik ausgefiltert (vgl. zu diesem Prinzip KOSTER 1978). 4. Die relativ flache Struktur [Oc , CPAM-D····] COQ · · · ] ] » die v/wlT-t in Anlehnung an die Vorschläge von CHOMSKY/LASNIK (1977) angenommen wird, garantiert, daß X-VOR nicht gegen als gültig angenommene Restriktionen wie den "Specified Subject Constraint" (SSC), den "Prepositional Island Constraint" (PIC), das Prinzip der strikten Zyklizität u.a. verstößt.-' 5. Unter X-VOR mögen im Deutschen die Regeln NP-MOVEMENT und WH-MOVEMENT des Englischen zusammenfallen (vgl. THIERSCH 1978: 83-123). 6. Wenn beide Transformationen (V-VOR und X-VOR) als strukturerhaltend angesehen werden, dann ergibt sich ihre Anwendungsdomäne im Einklang mit den üblicherweise angenommenen Prinzipien wie "strikte Zyklizität", "Subjazenz" usw. Es folgt zudem aus den Merkmalen der basisgenerierten Knoten unter COMP, daß V-VOR das finite Verb nur an die Position [±W] stellen kann, während X-VOR alle Satzglieder mit dem Merkmal [-Tps] in die Position X 1 1 1 in COMP setzen kann. Durch die Basisregeln in (1) können n nun folgende Strukturen generiert werden: (3) [g

L"cOMP

'-X'1'

^ [-Tps]

'•[iW]

^ '-S . ..^ [+Tps]

(3a) es daß (3b) es e (3c) e daß (3d) e e (3e) daß (3f) e (3g) es (3h) e (3i) e Da es keine Regel der interpretativen Komponente gibt, die ein leeres Element ' e ' in COMP bindet, werden die Strukturen in (3b), (3c), (3d), ( 3 f ) , (3h) und (3i) von der semantischen Komponente als "uninterpretierbar" ausgefiltert (s.o. Nr.3.), sofern die leeren Knoten nicht transformationell gefüllt werden. Das ist

174

durch die vorliegenden Regeln in allen Fällen außer in (3i) möglich, für das es sozusagen keine "Rettung" gibt (vgl.CHOMSKY/ LASNIK 1977: 445). Durch die optionale und extrinsisch nicht geordnete Anwendung von V-VOR und X-VOR sind nun auf der Grundlage von (3) die in O (4) aufgeführten Strukturen ableitbar (s. Schaubild (4) auf der folgenden Seite). (4a) operiert auf der von der Basis generierten Struktur ( 3 b ) , (4b) auf ( 3 c ) , (4c) auf ( j a ) , (4d) auf ( 3 f ) und (4e) auf (3h). Anstelle der basisgenerierten vollen NP die Mühle kann auch ein Fragepronomen was, ein starkes d-Pronomen die oder ein schwaches Personalpronomen sie generiert werden, die entsprechend von X-VOR erfaßt werden können. X-VOR kann natürlich ebenso andere Satzglieder voranstellen wie z.B. am rauschenden Bach, das pronominalisiert als wo oder dort realisiert würde. Den auf diese Weise autonom syntaktisch generierten Strukturen in (3) und (4) weist die semantische Komponente der Grammatik, wenn möglich, eine Interpretation zu. Dabei spielen z.T. natürlich auch pragmatische Interpretationsprinzipien eine Rolle. Von den in (3) generierten Strukturen werden alle außer ( 3 a ) , (3e) und ( 3 g ) ? wie ooen gezeigt, als uninterpretierbar ausgefiltert, wenn die leeren Knoten nicht gefüllt werden. Das geschieht in (4). Die Interpretation von (4a) und (4c) als unabhängige Aussagesätze sowie von (4d) als Entscheidungsfrage, Imperativ bzw. uneingeleiteter, vorangestellter Konditionalsatz ist ebenso klar wie die Interpretation von (4e) als Relativsatz. Auch die Interpretation von (3e) ist problemlos: Normalerweise handelt es sich bei diesen Strukturen um eingeleitete Nebensätze wie in (5a); sie können aber auch unabhängig vorkommen, wie (5b) und (5c) zeigen, und werden Je nach Kontext dann pragmatisch interpretiert als zweifelnde oder nachhakende Frage bzw. als drohende Ermahnung: (5a) Ich weiß, daß du nach Hause kommst. (5b) Ob er wohl nach Hause kommt? (5c) A: Kommt er nach Hause? B: Wie bitte? C: Ob er nach Hause kommt? (5d) Daß du mir bloß bald nach Hause kommst!

175

-P PH Φ ft ft cd



rH

Λί

pq dΦ

Ό

rH Λί

Λ

fi

CQ

O

co

d Φ

pq d φ Ό d φ

ο

0



d φ ο

CQ ~j

cd

cd

fH

fH

ecd

B cd

Φ

φ

-p fn

t

cd

' and /3 contain values (underlined above) whose presence entails the presence of the other three component values. There is no such value in jr.

3.3. The complex values ct^ , cCj , A and y appear to be functives of definiteness and determinants of the values of definiteness in the absolute sense. As determinants they work as follows : (A) A name specified by the value rt... or oC„ admits the and rejects a ( n ) ; therefore, it is DBF in the absolute sense. (B) A name specified by the value β admits a(n) and rejects

2OO

the; therefore, it is IND in the absolute sense. ( C ) A name specified by the value f admits the as well as a ( n ) ; therefore, it is DEF/INO in the absolute sense. Fig. 1 represents the two-dimensional system of oppositions and the system of co-occurrence holding between the resulting complex values and the articles. In Pig. 2, the square, identical with that in Fig.1, is divided into areas corresponding to particular values of definiteness in the absolute sense.

disjunctive non-disjunctive «Μ

c

3

u.

the

*-!

Ul'

the

of

Υ

Ο

Ο C

0)

σ Έ
Lautereignisse, die der LESER verursacht; eine sprachliche Kodierung dieser Lautereignisse mit einem Inhalt (NACHRICHT) ; jemanden, dem das Vorlesen gilt (EMPFÄNGER, ADRESSAT, ZUHÖRER); eine Vorlage, von der abgelesen wird (SCHRIFTSTÜCK, TEXT). In letzterem kann 'sagen' von 'vorlesen' unterschieden werden, denn dabei ist keine TEXTVORLAGE erforderlich; in den übrigen Mitspielern stimmen 'vorlesen 1 und 'sagen' überein. Bei 'sprechen' kann neben der TEXTVORLAGE auch der ZUHÖRER aus der Spezifikation fallen; 'brummein' erfordert weder TEXTVORLAGE, noch ZUHÖRER und NACHRICHT. So gesehen verringert sich die Anzahl der Sachverhaltsbeteiligten von 'vorlesen' bis 'brummeln' um je einen von fünf bis auf zwei und dementsprechend auch die Komplexität der Spezifikation. Auch wenn man geteilter Meinung darüber sein kann, ob auch jede beteiligte Größe sachverhaltstyp-spezifisch ist oder ob die Abfolge

330

in dieser Reihe in allen Einzelheiten nachvollziehbar ist, erscheint es mir plausibel, bei 'vorlesen 1 und 'bruiraneln 1 (den Extremen meiner Beispielreihe) sowohl von inhaltlicher Verwandtschaft zu sprechen ('das Äußern von L a u t e n 1 ) , als auch von unterschiedlicher Komplexität in der semantischen Spezifikation. Auch bei ' f ü t t e r n 1 und 'essen 1 halte ich dafür,von unterschiedlicher semantischer Komplexität zu sprechen, da eine Spezifikation der beteiligten Größen bei ' f ü t t e r n ' einen Mitspieler mehr ergibt: denjenigen, der über das Essen verfügt und es dem ESSER überläßt. 2 Eine andere Möglichkeit, die Annahme von Komplexitätsunterschieden plausibel zu machen, besteht in der Gegenüberstellung von Sachverhalts typen in sprachlichen Konstruktionen, die Gleichzeitigkeit des Geschehens ausdrücken. Dabei werden die Sachverhaltstypen zuerst genannt, die als Teil- oder Begleitereignisse/-zustände zu den zweitgenannten anzusehen sind:

(6a)

Er b r u m m e l t

beim Sprechen.

E r s p r i c h t laut beim Vorlesen. E r s c h m a t z t beim Kauen. E r k a u t langsam beim Essen. Durch Vertauschen der Lexeme entstehen in der Regel abweichende oder zumindest komisch wirkende Ausdrücke, da ein umfassenderer Sachverhaltstyp als Modifizierung eines einfachen verwandt wird:

(6b)

Er

s p r i c h t

beim Brummein.

Er l i e s t vor beim Sprechen. E r k a u t beim Schmatzen. Er i ß t beim langsamen Kauen. Es muß allerdings darauf geachtet werden, daß beim Vertauschen der Lexeme die Lesarten beibehalten bleiben. Es gibt nämlich Fälle, in denen ein Vertauschen von modifizierenden und modifizierten Lexemen möglich scheint, auch wenn die betreffenden Sachverhaltsbeteiligten inhaltliche Ähnlichkeit aufweisen. Aufgrund der Konstruktion ( 7 a ) E r s p r i c h t laut beim Dozieren. kann 'dozieren 1 gegenüber 'sprechen' als der komplexere Sachverhaltstyp aufgefaßt werden (wenn die oben genannte Beobachtung zut r i f f t ) . Es ist jedoch auch eine vertauschte Version möglich: (7b) E r d o z i e r t beim lauten Sprechen. Trotzdem steht dies nicht in Widerspruch zur obigen Annahme. Das Verb dozieren liegt in zwei Lesarten vor (man vergleiche dazu die

331 gängigen Bedeutungswörterbücher), wobei in ( 7 a ) dozieren als 'eine Vorlesung halten 1 und in ( 7 b ) als 'eine bestimmte Art, zu ändern zu sprechen' umschrieben werden kann. Dieses Beispiel widerspricht also nicht der Beobachtung, daß unterschiedlich komplexe Sachverhaltstypen nicht in geschilderter Weise vertauschbar sind, sondern ist eine weitere Bestätigung dafür. Es wäre bei Verwendung dieser beiden Lesarten auch möglich, sie in e i n e r Konstruktion in die richtige Abfolge zu bringen: (8a) Er d o z i e r t- beim Dozieren-, Oder anders: Er spricht in der typischen, unsympathischen Art, ... wenn er eine Vorlesung hält. 3.

Zur Repräsentation von Alltagswissen in lexikalischen Einheiten

Die hier skizzierte Kohärenzanalyse setzt eine syntaktische Valenzstrukturbeschreibung der eingegebenen Einzelsätze voraus. Valenzträger und nominale Komplemente sind also bereits ermittelt und weisen eine oberflächenstrukturelle Spezifikation auf. Komplexe Sätze sind in Satzkonstituenten zerlegt. Auf Oberflächenprobleme bei der Analyse werde ich daher im folgenden nicht mehr eingehen. Die Kohärenzanalyse arbeitet mit zwei Lexikontypen, einem Prädikatlexikon und einem Argumentlexikon. Stichwörter des Prädikatlexikons sind die (lemmatisierten) Wortlaute von Valenzträgern (in der Regel Verben). Lexeme, die ähnliche Sachverhaltstypen repräsentieren, sind hier in semantische Klassen zusammengefaßt und weisen gemeinsame Spezifikationen a u f . Dies gilt analog auch für die Einheiten des Argumentlexikons. Stichwörter sind dort allerdings keine Wortlaute "natürlicher" Lexeme, sondern als Wortformen konstruierte 4 "künstliche" Adressen, die von den Spezifikationen des Prädikatlexikons übernommen sind und über die die Einheiten beider Lexikontypen aufeinander bezogen werden können. 3.1

Die Repräsentation von lexikalisierten Sachverhaltstypen

Durch Valenzträger ausgedrückte Sachverhaltstypen werden im Prädikatlexikon entsprechend ihrer (relativen) Komplexität durch eine oder mehrere Propositionen spezifiziert. Der propositionale Rahmen umfaßt neben der Angabe, ob es sich um ein Ereignis oder einen Zustand handelt, jeweils ein verallgemeinertes Prädikat (Basisereignis/-zustand) und die sachverhaltstyp-spezifische Konfiguration

332 von Argumentstellen. Diese sind entsprechend ihrer Teilhabe an den repräsentierten Ereignissen und Zuständen durch einen Klassennamen etikettiert, den ich J.S. PETÖFI folgend hier Argument-Label nennen werde. Diese Labels sind als "sprechende" Kurzbezeichnungen angelegt ( s . o . ) - es handelt sich dabei einmal um relationale Ausdrücke wie DIEB, BEUTE, LAST, SPEISE, SITZPLATZ, ESSER, TRÄGER, es sind aber auch Sachbzeichnungen möglich wie PERSON, PFLANZE, METALL, KÖRPERTEIL XY; das hängt von den Lexemen ab, die die betreffende Argumentstelle besetzen können. Der propositionalen Spezifikation von Sachverhaltstypen zugeordnet ist

eine weitgehend explizite Auf-

listung entsprechender sprachlicher Ausdrücke, und zwar für die gesamte semantische Klasse (also jeweils ein V e r b f e l d ) . D i e propositionale Spezifikation sierter Sachverhaltstypen ist

k o m p l e x e r

lexikali-

so angeordnet, daß sich einfachere

lexikalisierte Sachverhaltstypen darauf beziehen lassen. Dies gilt jedoch nur für inhaltsverwandte Ausdrücke, deren Zusammengehörigkeit unserem Alltagswissen entsprechend plausibel ist;

also für Le-

xeme wie essen, kauen, schmatzen, l ö f f e l n , schlucken etc.

- nicht

jedoch für allgemeine Ausdrücke wie verursachen, beabsichtigen, geschehenj verändern etc., die nicht sachverhaltstyp-spezifisch sind. Diese Zuordnungsauflage ist

bestimmend für die Gliederung der

propositionalen Spezifikation komplexerer Sachverhaltstypen.

Sie

kann durchaus als disziplinierende Beschränkung aufgefaßt werden, die einer Atomisierung von Spezifikationen entgegensteht, neben ihrer beabsichtigten Funktion für die Kohärenzermittlung. Die Zuordnung von einfacheren zu komplexeren Sachverhaltstypen wird also dadurch ermöglicht, daß die Spezifikationen der einen mit Teilen der umfangreicheren Spezifikationen der anderen verträglich sind. Eine derart gegliederte Propositionsmenge für komplexe Sachverhaltstypen nenne ich Propositionales Gefüge. Propositionale Gefüge sind zusammengesetzt aus mehreren einfachen Propositionen; aus Verknüpfungssymbolen, die angeben, ob zwischen den inkorporierten Sachverhaltstypen zeitliche Abfolge oder Gleichzeitigkeit vorliegt; aus Grenzsymbolen, die die Propositionsmenge gliedern. Auch innerhalb Propositionaler Gefüge sind den inkorporierten Teil-, Begleit- und Folgeereignissen/-zuständen

ent-

sprechende sprachliche Ausdrücke zugeordnet. Dazu einige Beispiele: Verben wie essen, speisen, fressen, zu

333 sich nehmen, frühstücken,

futtern, verzehren werden als Lexikali-

sierungen eines Sachverhaltstyps

'essen' zusammengefaßt. Dieser

ist

durch ein Propositionales Gefüge repräsentiert. Darin inkorporiert sind die Repräsentationen von Teil-, Begleit- und Folgeereignissen /-zuständen, die durch Lexeme wie l ö f f e l n ,

stochern, schmecken,

kauen, nagen, beißen, lutschen,schmatzen, schlucken, hinunterwürgen, hinunterbringen, verschlingen/ rülpsen, satt etc. ausgedrückt 5 werden können. Die propositionale Spezifikation enthält verallgemeinerte Prädikate wie VERFÜGBAR SEIN, KONTROLLIEREN, BERÜHREN, BEARBEITEN, ANPASSEN, GERÄUSCHERZEUGEN, EINVERLEIBEN, KÖRPERZUSTAND und EMPFINDEN. Lexeme, die Sachverhaltsbeteiligte ausdrücken, können unter Argument-Labels zusammengefaßt sein wie ESSER, SPEISE, ESSORT, SPEISEBEHÄLTNIS, ESSGERÄT, KÖRPERTEIL:HAND, KÖRPERTEIL:MUND und KÖRPERGERÄUSCH, SPEISEEIGENSCHAFT. Die Anordnung der Propositionen durch Klammern wird entsprechend der zutreffenden Lexikalisierungen vorgenommen. Dabei ist

folgende Darstellung möglich:

'essen': zu sich nehmen, essen, frühstücken, futtern,

...

K[ZUSTAND: VERFÜGBAR SEIN FÜR (SPEISE, SPEISEBEHÄLTNIS, ESSER, ESSORT)]:

(vor sich haben, sitzen an, sitzen vor, . . . ) ^ II

[EREIGNIS: KONTROLLIEREN (ESSER, KÖRPERTEIL:HAND, ESSGERÄT, SPEISE, SPEISEBEHÄLTNIS) & EREIGNIS: BEARBEITEN

(ESSER, KÖRPERTEIL:HAND, ESSGERÄT, SPEISE, SPEISEBEHÄLTNIS)]:

(schneiden, aufspießen, l ö f f e l n , ·*

stochern in, zerdrücken, . . . )

IIK[EREIGNIS: ANPASSEN (ESSER, KÖRPERTEIL :MUND, SPEISE)]:

(kauen, beißen, nagen, knacken, lutschen, schlecken, zergehen lassen, . . . ) & IV [EREIGNIS: GERÄUSCHERZEUGEN (ESSER, KÖRPERTEIL:MUND, KÖRPERGERÄUSCH) ] :

(schmatzen, rülpsen, . . . ) & V [ZUSTAND: EMPFINDEN (ESSER, KÖRPERTEIL:MUND, SPEISE, SPEISEEIGENSCHAFT)]:

(schmecken, genießen, . . . ) >

334

VI [EREIGNIS: EINVERLEIBEN (ESSER, KÖRPERTEIL:BAUCH, SPEISE)]: (verschlingen, schlucken, hinunterwürgen, sich einverleiben, hinunterbringen, . . . ) ·+ VII

[ZUSTAND: KÖRPERZUSTAND(ESSER, KÖRPERTEIL:BAUCH)]: (satt, voll, befriedigt, gestopft, gesättigt,

...)>

Die Abfolge der Teilereignisse und -zustände hat prototypischen Charakter; sie berücksichtigt nur das, was Lexeme wie essen, speisen/ frühstücken, futtern an Gemeinsamkeiten aufweisen können. Stilistische Eigentümlichkeiten, tageszeitliche Besonderheiten, Sprecherattitüden usf. gehen nicht in die Spezifikation ein. Es fehlen weiterhin noch eine Menge von Charakteristika, die uns in Verbindung mit 'essen 1 geläufig sind, also durchaus nicht zu medizinischem, physiologischen, ernährungswissenschaftlichem, kulturgeschichtlichem, anthropologischem Spezialwissen zu rechnen sind: Essensmotivationen (physiologische, psychische, soziale, rituelle), Essensnormen, Verhaltensvorschriften, Essensanlässe, über die wir tagtäglich Worte verlieren. In der Darstellung bleibt auch einstweilen der Schleifencharakter der Ereignis- und Zustandsabfolge (ab VI könnte wieder in II oder III von neuem "gelöffelt" oder "gekaut und geschmatzt" werden, bis in VII ein Stop-Ausdruck: satt a u f t r i t t ) nicht ohne formale Entsprechung. Für unseren Zweck ist ein Schleifensymbol nicht notwendig; als Lexikalisierungen wären allenfalls Adverbien denkbar. 3.2

Die Repräsentation von Sachverhaltsbeteiligten

Die Nomina werden nicht als Einzellexeme beschrieben, sondern als Kandidaten für Argumentstellen, sind also abgeleitet von der propositionalen Spezifikation der Valenzträger.Nomina erhalten ihre Spezifikation auch nicht v o r der Kohärenzanalyse, wie dies bei Verben der Fall ist. Nomina werden im Verlauf der Analyse abhängig von ihrer Bindung an Verben, die durch Labels charakterisierbar ist, mit Informationen aus dem Argumentlexikon angereichert. Dabei sind folgende Informationkomponenten vorgesehen: ArgumentLabels, die als Stichwort dienen und über die der entsprechende Sachverhaltstyp zitiert werden kann. Für konventionelle ArgumentStellen-Besetzungen ist eine explizite Auflistung der Kandidaten vorgesehen. Diese Liste enthält die Wortlaute derjenigen Lexeme,

335 die in Verbindung mit dem betreffenden Sachverhaltstyp unter dem generalisierenden Label als Sachverhaltsbeteiligte "üblich" sind. Dies wäre z . B . bei ESSGERAT für die Lexeme Messer/ Gabel, Löffel, Stäbchen, Tomatenmesser, Tortenheber, ... der Fall; oder bei dem Label SPEISE für Lexeme wie Obst, Apfel, Birne, Salat, Rosenkohl, Spaghetti, Forelle, ... ( u r r g h ) . Dieser Spezifikationstyp entspricht einer Thesaurusliste, wobei das Argument-Label als 'head 1 angesehen werden kann. Nun ist es jedoch denkbar, daß sich der Wortlaut eines Argumentstellen-Kandidaten nicht unter dem zutreffenden 'head 1 der Liste finden lä ßt · ES kann sich dabei um eine unübliche Stellenbesetzung handeln (es wird so vieles gegessen, um beim Thema zu bleiben), es kann eine Proform (es, sie, alles) vorliegen oder die Thesaurusliste ist unvollständig, was in Anbetracht der vielfältigen Kompositionsmöglichkeiten des Deutschen nicht unwahrscheinlich ist. Für solche Fälle ist eine propositionale Argumentstellen-Spezifikation vorgesehen, in der Eigenschaften und Zustände und Relationen aufgeführt sind, die die Teilhabe an dem betreffenden Sachverhaltstyp charakterisieren. Beispiele hierfür sind: Für SPEISE (ZUSTAND: VERFÜGBAR SEIN FÜR (SPEISE, ESSER)', ANGEPASST SEIN AN (SPEISEDIMENSION, E S S E R ) ) j f ü r ESSGERÄT (EIGENSCHAFT: KONTROLLIERBAR SEIN FÜR (ESSGERÄT, ESSER), SOLIDE (ESSGERÄT) ).Diese sachverhaltstyp-spezifischen Charakterisierungen können über RedundanzregeIn der Art SOLIDE -» [+konkret, ^abzahlbar] mit einer oberflächennahen Valenzspezifikation, die mit inhärenten Nomenmerkmalen vorgenommen ist, konfrontiert werden. Dies ist zumindest als Behelf eine annehmbare Lösung.

Anmerkungen 1

2

3

Die Darstellung von Textkohärenz durch Wiederfinden von Spezifikationen, die von aufgetretenen lexikalischen Einheiten abgeleitet sind und die entweder explizit oder als Ableitungen von anderen Lexemen vorkommen können, wird von BELLERT (197o) erwähnt. Hier läßt sich die unterschiedliche Komplexität noch durch eine Paraphrase anzeigen: füttern läßt sich durch zu essen geben substituieren, einen Ausdruck der neben essen ein weiteres Prädikat (geben) aufweist. Dies spricht dafür, ' f ü t t e r n ' als komplexeren Sachverhaltstyp darzustellen. Bei inhaltlicher Verschiedenheit - wenn sich das Problem der un-

336

terschiedlichen Komplexität für uns nicht stellt - ist Vertauschen der Lexeme in der Regel möglich. Zwar ändert sich der Sinn der Ausdrücke, sie bleiben jedoch akzeptabel: Er s i n g t beim Arbeiten. - Er a r b e i t e t beim Singen, oder: Er s p i e l t beim Essen. - E£ i ß t beim Spielen. In WEBER (1976a, 1976b) habe ich hier von "Protowörtern" gesprochen. Eine ausführlichere Darbietung der betreffenden Verbfelder habe ich (1977) versucht und bin auch auf Oberflächencharakteristika näher eingegangen. Für den Sachverhaltstyp 'transportieren' und damit zusammenhängende Ereignisse liegt in WEBER (1976b) eine detaillierte Darstellung vor. Diese Darstellung entspricht im wesentlichen dem hand-out meines Vertrages ( 1 9 7 7 ) . Nähere Angaben zur Informationsverwertung innerhalb der Kohärenzanalyse sind WEBER ( 1 9 7 9 ) zu entnehmen.

Literatur BELLERT, Irena ( 1 9 7 o ) : "On a condition of the coherence of texts". International Symposion on Semiotics. Warschau, 1968. Semiotica 2: 335-63. übers.: KALLMEYER, Werner u . a . ( e d s . ) ( 1 9 7 4 ) : Lektürekolleg zur Textlinguistik, Band 2: 213-45. Frankfurt: Athenäum. FALSTER JAKOBSEN, Lisbeth/ OLSEN, Jörgen ( 1 9 7 8 ) : "Textkohärenz und Involvierungen". Deutsche Sprache 1:1-2o. PETÖFI, Janos S. (1975):"Alle Wege führen zum Lexikon". DRACHMANN, Gabereil ( e d . ) ( 1 9 7 7 ) : Akten der 2.Salzburger Frühlingstagung für Linguistik: 413-27. Tübingen: Narr. WEBER, Heinz J. ( 1 9 7 6 a ) : "Semantic frames, semantic fields, and text analysis". Beitrag zum Internationalen Kongreß für Computerlinguistik (COLING). Ottawa, 1976 (in den Kongreßakten). ( 1 9 7 6 b ) : Semantische Merkmale zur Identifikation von Satz- und Textstrukturen". Beiträge zum I.Internationalen Kolloquium des Sonderforschungsbereichs 'Elektronische Sprachforschung 1 : Automatische Lexikographie, Analyse und Übersetzung, Saarbrücken (vervielfältigt). ( 1 9 7 7 ) : "Grundzüge eines satzübergreifenden Analyseverfahrens. Gleichzeitig eine konzeptuelle Studie über Aktionen mit Hand und1 Fuß". Beitrag zur Tagung der Fachgruppe 'Künstliche Intelligenz in der Ges. f. Informatik, Bad Honnef (Kurzfassung im 14. K . I . Rundbrief der Ges. f. I n f . , Mai 1977). ( 1 9 7 9 ) : "Satzübergreifende Analyse von Valenzstrukturen". EGGERS, Hans (ed.) Maschinelle Übersetzung, Lexikographie und Analyse. Akten des 2.Internationalen Kolloquiums Saarbrücken, Band 2: 151-55. WILKS, Yorick A. ( 1 9 7 8 ) : "Making preferences more active". Artificial Intelligence 11/3: 197-223.

T E X T K R I T I S C H E APPARATE - L I N G U I S T I S C H B E T R A C H T E T Reinhard Wonneberger

1. Zum Handlungskontext der T e x t k r i t i k Textkritik ist

wohl s e i t j e h e r f ü r d e n S t u d i e n a n f ä n g e r e i n

Schreckgespenst. Aus den Apparaten der w i s s e n s c h a f t l i c h e n tionen starrt ihm ein undurchdringliches

Edi-

Geflecht aus Textbruch-

s t U c k e n u n d h e r a u s g e b e r i s c h e n K ü r z e l n e n t g e g e n . Zwar h a b e n d i e LehrbUcher der T e x t k r i t i k für jedes e i n z e l n e dieser Kürzel eine Erklärung bereit und können so die geheimnisvollen Formeln aufschließen helfen.

Aber schon b e i m e i g e n s t ä n d i g e n U m g a n g m i t d e r

Methode hapert es, und auch der w o h l w o l l e n d e B e t r a c h t e r kann zweifeln,

ob der Aufwand des Unternehmens T e x t k r i t i k in einem

vernünftigen Verhältnis zum Ergebnis steht. Dies l ä ß t s i c h b e s o n d e r s d e u t l i c h a n d e r T e x t k r i t i k z u r B i b e l zeigen, da hier die Überlieferung besonders v i e l s c h i c h t i g und verzweigt

i s t u n d daher f ü r d i e T e x t k r i t i k immer w i e d e r z u e i n e r

H e r a u s f o r d e r u n g geworden ist STACKMANN 1 9 6 4 : 2 4 4 ) , b i s

( v g l . L U T Z - H E N S E L 1 9 7 5 : 43-50;

hin zur Gründung eigener I n s t i t u t e

(z.B. das Institut für neutestamentliehe Textforschung in Münster). Wir w e r d e n u n s d a h e r i m f o l g e n d e n v o r a l l e m a u f B e i s p i e l e a u s der biblischen Textkritik beziehen; für die Textkritik der philologischen Fächer seien e x e m p l a r i s c h f o l g e n d e A r b e i t e n g e n a n n t : REICHMANN ( 1 9 7 8 ) ; LUTZ-HENSEL MAAS ( 1 9 2 7 ) ; sowie d i e

( 1 9 7 5 ) ; KANE ( 1 9 6 9 ) ; K I R C H N E R ( 1 9 5 0 ) ;

Sammelbände MARTENS/ZEILER ( 1 9 7 1 ) ; GANZ/

SCHRÖDER ( 1 9 6 8 ) ; K U H N / S T A C K M A N N / W U T T K E ( 1 9 6 8 ) . An d e r B i b e l , s p e z i e l l a m A l t e n T e s t a m e n t , l ä ß t s i c h z u g l e i c h auch d i e K r i s e d e r T e x t k r i t i k v e r d e u t l i c h e n , d a s s c h o n e r w ä h n t e Mißverhältnis von Aufwand und Ergebnis.

Denn T e x t k r i t i k w i r d

auch v o n d e n w i s s e n s c h a f t l i c h e n A u t o r e n w e n i g e r a u s N e i g u n g

ja als

aus P f l i c h t betrieben. Die meisten Kommentare begnügen sich bei der T e x t k r i t i k mit einem Kondensat aus Textbefund und Verweisen auf S p e z i a l l i t e r a t u r ; E r l ä u t e r u n g e n sind dünn g e s ä t . Hier d e u t e t sich ein w i s s e n s c h a f t l i c h e r V e r s t e i n e r u n g s p r o z e ß a n ; denn noch z u B e g i n n d e s J a h r h u n d e r t s h ä t t e j e d e r F o r s c h e r

338 seinen E h r g e i z darein g e s e t z t , zu e i n e r s c h w i e r i g e n S t e l l e eine m ö g l i c h s t g e n i a l e K o n j e k t u r v o r z u s c h l a g e n . I n z w i s c h e n aber h a t die W i s s e n s c h a f t dem ü b e r l i e f e r t e n Text wieder seinen v e r d i e n t e n Rang e i n g e r ä u m t , d i e T e x t k r i t i k w i r d r e s t r i k t i v p r a k t i z i e r t (zur E n t w i c k l u n g SANDERS

1 9 7 9 ; ORLINSKI 1966; COPPENS

1960).

Dem A n f ä n g e r b l e i b t ohnehin kaum e i n e C h a n c e ; denn die m e i s t e n Varianten sind f ü r d i e A u s l e g u n g u n i n t e r e s s a n t ; u m g e k e h r t

sind

die wenigen wichtigen Fälle meist so schwierig, daß kaum Spielraum f ü r e i g e n e Ü b e r l e g u n g e n b l e i b t . Freilich scheinen d i e s e Probleme n i c h t in der Sache s e l b s t zu liegen, sondern in einer v e r f e h l t e n drei Gebieten zu beobachten

A k z e n t s e t z u n g , die auf

ist:

- die Darstellung der Textkritik - die Zielsetzung der T e x t k r i t i k - die Stellung der T e x t k r i t i k zu den übrigen exegetischen Methoden. Auf a l l e n drei G e b i e t e n sind A l t e r n a t i v e n

zum gegenwärtigen

Stande denkbar; wir wollen uns hier exemplarisch dem ersten Gebiet zuwenden. Die herkömmliche E i n f ü h r u n g in die T e x t k r i t i k - z . B . WÜRTHWEIN ( 1 9 5 2 ) - beginnt bei den S c h r e i b m a t e r i a l i e n , wendet sich dann der T e x t g e s c h i c h t e zu und kommt erst zum S c h l u ß zum e i g e n t l i c h e n Umgang m i t E i n z e l s t e l l e n . D a m i t v e r l a n g t s i e

vom Lernenden eine

beträchtliche V o r l e i s t u n g , ehe er zu eigener B e s c h ä f t i g u n g mit dem Text vordringen

darf.

Dieses S c h w e l l e n h i n d e r n i s l ä ß t sich v e r m e i d e n , wenn wir n i c h t die systematische, sondern die heuristische und vom eigenen Standort

Blickrichtung wählen

"ad f o n t e s " v o r a n s c h r e i t e n , also konkret

wenn wir den t e x t k r i t i s c h e n Kosmos vom A p p a r a t aus e r s c h l i e ß e n . Der erste S c h r i t t zum Verstehen des A p p a r a t e s ist

das Auflösen

der Siglen. Dazu bieten die meisten Editionen ein Verzeichnis der Abkürzungen, das vorwiegend nach dem Alphabet geordnet

ist.

Dadurch l ä ß t sich zwar eine u n b e k a n n t e A b k ü r z u n g a u f l ö s e n , es läßt sich aber kein Ü b e r b l i c k ü b e r die G e s a m t h e i t der m ö g l i c h e n Fälle gewinnen. Diese Gesamtheit wollen wir als

'textkritisches

Inventar' bezeichnen. Eine klare V o r s t e l l u n g vom Inventar wäre für alle von V o r t e i l ,

339

- für den Lehrenden, weil er dann schnell und einfach ein Grundgerüst vermitteln könnte; - für den A n f ä n g e r , weil er sich im Meer der Siglen l e i c h t e r zurechtfinden könnte; - f ü r d e n F o r s c h e r , w e i l e r s e i n e n E i n z e l f a l l b e s s e r einordnen könnte. Ein solches Inventar a u f z u s t e l l e n P r o b l e m : für eine vorgegebene,

ist

ein linguistisches

sehr r e s t r i n g i e r t e Sprache

ist

eine Beschreibung der s y n t a k t i s c h e n , semantischen und pragmat i s c h e n G e s i c h t s p u n k t e zu g e b e n . D a b e i kommt es a b e r w e n i g e r auf eine a u s g e f e i l t e Theorie an als

auf den praktischen

N u t z e n , wes-

halb wir ganz schlicht von ' E d i t i o n s k u n d e ' sprechen wollen. Einige ausgewählte Komponenten einer solchen Editionskunde wollen wir im folgenden

skizzieren.

2. Variantendarstellung Das Ziel des A p p a r a t e s , a l t e r n a t i v e Lesarten wiederzugeben, wird im einfachsten erreicht

Fall durch wörtliches

Anführen der Variante

( V a r i a n t e n w i e d e r g a b e , auf die wir h i e r aber nicht w e i t e r

eingehen k ö n n e n ) . Das a l l e i n r e i c h t aber zur D a r s t e l l u n g der

Les-

arten nicht aus. Vielmehr muß angegeben werden, auf welche Teile des Textes die V a r i a n t e zu beziehen ist

( R e f e r e n z s y s t e m ) . Da der

Apparat möglichst knapp formuliert werden soll

(Ziel der Redun-

danzvermeidung), werden bestimmte Fälle nicht w ö r t l i c h , sondern durch B e g r i f f e wiedergegeben (Subs t i t u t i o n s a u s d r ü c k e ) . Ähnliches gilt für die zwischen Text und Varianten bestehenden Beziehungen (Relationsausdrücke). 2 . 1 Das Referenzsystem Die T e x t ü b e r l i e f e r u n g w i r d in der Regel so d a r g e s t e l l t , daß ein Text f o r t l a u f e n d a b g e d r u c k t w i r d u n d d i e ü b r i g e n T e x t e n u r

als

A b w e i c h u n g e n v o n d e m a b g e d r u c k t e n T e x t n o t i e r t w e r d e n . Dann a b e r muß irgendwie gekennzeichnet w e r d e n , auf welche T e x t p a r t i e n

sich

die Varianten beziehen. Das e i n f a c h s t e Septuaginta

V e r f a h r e n d a z u wird z . B . in der Ausgabe der

( L X X ) von RAHLFS ( 1 9 3 5 ) a n g e w e n d e t . Dabei w i r d das

Textwort bzw. die W o r t g r u p p e , auf die sich die Änderung b e z i e h t , zu Beginn des Eintrages w i e d e r h o l t ; e c k i g e K l a m m e r "]" w i r d a n g e z e i g t ,

durch eine g e s c h l o s s e n e daß das Zitat aus dem Haupt-

340

t e x t b e e n d e t ist.

G e l e g e n t l i c h wird aber auch die R e f e r e n z durch

eine l a t e i n i s c h e Beschreibung h e r g e s t e l l t : s e q u e n t i a u s q u e a d f i n e m u e r s u s (RAHLFS 2.Kon 23,29 LXX - 2.Sam 2 3 , 2 9 ) .

1935: 1,619 zu

Dieses V e r f a h r e n hat den V o r t e i l , daß nicht in den Text e i n g e g r i f f e n z u w e r d e n b r a u c h t , a u c h wenn d i e D a r s t e l l u n g d e r

Varianten

sich ä n d e r t . Es hat aber für den B e n u t z e r den großen N a c h t e i l , d a ß e r n i c h t schon a u s d e m Text e r s e h e n k a n n , o b V a r i a n t e n

vor-

liegen u n d a u f w e l c h e T e x t p a r t i e n s i e s i c h b e z i e h e n . Diese Nachteile vermeidet

das von den Masoreten erdachte

S y s t e m d e r T e x t b e z e i c h n u n g , w i e es i n B H S w i e d e r g e g e b e n

ist.

Man f i n d e t d o r t ü b e r d e m b e t r o f f e n e n W o r t i m Text e i n e n C i r c e l lus "o".

H a n d e l t es s i c h u m m e h r e r e W ö r t e r , d a n n w i r d j e e i n

Cir-

cellus über die WortzwischenrMume gesetzt ( z . B . Gen 2 , 1 8 ; Jes

1,20)

Wenn i n n e r h a l b e i n e r s o l c h e n W o r t f o l g e a u f e i n e n T e i l d e r s e l b e n r e f e r i e r t werden soll, wird der C i r c e l l u s bei beiden Wörtern des T e i l s t ü c k e s g e s e t z t ( z . B . J e s 3 , 1 5 ; v g l . B H S S . X ) . D i e s e s Verfahren erspart die Wiederholung der b e t r o f f e n e n Textwörter; gleich zeigt es s o f o r t , wo Notierungen a n z u t r e f f e n

zu-

s i n d . Zwar

h a n d e l t es s i c h b e i d e n m a s o r e t i s e h e n K o m m e n t a r e n n i c h t u m T e x t v a r i a n t e n , sondern um s t a t i s t i s c h e und k o n k o r d a n z ä h n l i c h e Angaben,

aber das Problem der T e x t b e z e i c h n u n g ist

d a s s e l b e . Die

N a c h t e i l e des m a s o r e t i s c h e n V e r f a h r e n s w e r d e n umso d e u t l i c h e r , j e m e h r A n m e r k u n g e n i n e i n e r Z e i l e s t e h e n . Denn u m d i e ge Anmerkung zu f i n d e n , muß zweimal abgezählt

zugehöri-

werden: einmal

d i e Z a h l d e r C i r c e l l i , zum z w e i t e n d i e Z a h l d e r A n m e r k u n g e n , d i e o h n e h i n d u r c h K l e i n d r u c k schwer z u l e s e n u n d n u r a n h a n d kleiner Funkte voneinander Anzumerken ist

abzugrenzen sind.

h i e r n o c h , d a ß B H S d i e R e f e r e n z i m Codex L e n i n -

g r a d e n s i s n i c h t k o r r e k t w i e d e r g i b t u n d d i e s auch n i c h t e r w ä h n t . Denn d e r K o d e x v e r w e n d e t v i e r v e r s c h i e d e n e R e f e r e n z z e i c h e n : -

Punkt l i n k s o f f e n e r Ring ( s p i r i t u s l e n i s ) rechte o f f e n e r Ring ( s p i r i t u s a s p e r ) g e s c h l o s s e n e r Ring ( c i r c e l l u s )

und s e t z t diese Zeichen nicht in die Mitte des W o r t e s , sondern u n t e r b e s t i m m t e K o n s o n a n t e n . Dies i s t

zwar f ü r d i e t e x t k r i t i s c h e

A u s w e r t u n g o h n e B e l a n g , h a t aber f ü r d i e E i n s c h ä t z u n g d e s m a s o retischen Konzeptes Bedeutung

(vgl.

SCHEDL 1 9 7 4 : 7 2 ) .

341

Den n ä c h s t e n S c h r i t t b i l d e t d a s R e f e r e n z s y s t e m v o n B H S . Hier werden zur B e z e i c h n u n g der b e t r o f f e n e n T e x t s t ü c k e hochgestellte kleine lateinische Buchstaben ( a , b , c . . . ) Ob d a d u r c h e i n E i n z e l w o r t

verwendet.

oder eine W o r t g r u p p e b e z e i c h n e t w e r d e n

s o l l , e r g i b t s i c h aus d e r S t e l l u n g d e s B u c h s t a b e n s z u m W o r t : hinter dem Wort bezieht sich der Buchstabe nur auf dieses, vor d e m W o r t ö f f n e t e r eine K l a m m e r , d i e d u r c h E r s c h e i n e n d e s s e l b e n Buchstabens h i n t e r einem s p ä t e r e n Wort geschlossen w i r d . Der Fall "schließende Klammer" ist zelwortes

nun mit der Bezeichnung des

Ein-

synonym. Um hier Verwechslungen zu vermeiden, wird im

Apparat nicht nur der Buchstabe w i e d e r h o l t , sondern auch zwischen "Einzelbuchstaben" den.

|al

und 'Klammerbuchstaben'

|b-b|

unterschie-

Z u s ä t z l i c h wissen muß man aber, daß ein Buchstabe vor dem

e r s t e n W o r t d e s V e r s e s a u f d e n g a n z e n V e r s r e f e r i e r t , ohne d a ß es einer W i e d e r h o l u n g (schließende Klammer)

bedürfte.

In folgendem Beispiel treten die Referenzzeichen gehäuft a u f : ab

/wajjanach/c

(l.Kön 7,47)

sie bedeuten: | a | der Buchstabe s t e h t vor dem ersten W o r t , bezieht sich also auf den ganzen Vers; es folgt kein weiteres la||b| der Buchstabe steht ebenfalls vor dem ersten Wort, e r ö f f n e t a b e r eine K l a m m e r ; dies i s t d a r a n z u e r k e n n e n , daß - ein weiteres I b l nach dem f ü n f t e n Wort f o l g t - der Apparat I b - b t ausweist, - das |b| nicht e r s t e r Buchstabe vor dem e r s t e n Wort des Verses ist. Ist b e i m e h r e r e n W ö r t e r n a u f d i e s e l b e B e m e r k u n g i m A p p a r a t z u r e f e r i e r e n , dann w i r d d e r e n t s p r e c h e n d e B u c h s t a b e b e i j e d e m Wort wieder g e s e t z t , z . B . |a|

Smal in Jer 5 1 , 3 4

wo d i e F o r m e n d e r

1 . P e r s o n P l u r a l aus d e r s c h r i f t l i c h e n

(Ketib) von den Masoreten durchgängig

Vorlage

in Singular k o r r i g i e r t

w e r d e n ( Q e r e ) . I n B H K w a r l e d i g l i c h d i e e r s t e Form m a r k i e r t u n d nur i m A p p a r a t n o t i e r t w o r d e n : " i d i n v e r b i s s e q u e n t i b u s " ( i d i d e m ) , so daß bei den ü b r i g e n vier Formen die V a r i a n t e aus dem Text n i c h t e r s i c h t l i c h w a r . Würde dieses B e z e i c h n u n g s v e r f a h r e n , wie es für die Masoreten n a h e l i e g t , mit h e b r ä i s c h e n B u c h s t a b e n d u r c h g e f ü h r t , dann wäre nicht nur die Lesbarkeit des Textes b e e i n t r ä c h t i g t , sondern die

342 Hilfszeichen

könnten

beim A b s c h r e i b e n auch l e i c h t in den Text

eindringen. Das Verfahren s e t z t also voraus, daß die S c h r i f t Edition nicht zugleich die des Textes

der

ist.

BHK w a r i n d i e s e r R i c h t u n g n o c h e i n e n S c h r i t t w e i t e r g e g a n g e n und hatte zwischen Referenz mit kleinen lateinischen und

s o l c h e r mit k l e i n e n g r i e c h i s c h e n B u c h s t a b e n

unterschieden. Letztere

:

,

!a,b,c...| ,

. . .!

kennzeichnen "bloße Varianten

und minder

w i c h t i g e M i t t e i l u n g e n " ( s o B H KS . I I I ) , d i e d a n n a u c h i n

einem

eigenen Apparat d a r g e s t e l l t w e r d e n . Das R e f e r e n z s y s t e m wird also dazu b e n u t z t , Aussagen über die Qualität der zu erwartenden Varianten zu machen. Dieses e r l e i c h t e r n , ist

Verfahren sollte dem Benutzer die Arbeit

aber w i s s e n s c h a f t l i c h

sicher sein kann,

unbefriedigend,

da man nie

ob eine V a r i a n t e des minder w i c h t i g e n

Apparates

n i c h t doch w i c h t i g gewesen w ä r e . Dieses Vorgehen von BHK b e s c h r e i t e t den Weg vom a n a l y t i s c h e n zum s y n t h e t i s c h e n R e f e r e n z s y s t e m , wie er

sich ansatzweise

in Gestalt der aristarchischen Zeichen f i n d e t ,

schon

die wir ebenso wie

die m a s o r e t i s e h e n K a t e g o r i e n aber e r s t u n t e r d e r R u b r i k ' E d i t ions t e c h n i s c h e B e g r i f f e 1 haben d i e R e f e r e n z a u s d r ü c k e

behandeln.

Beim analytischen System

lediglich die Aufgabe,

betroffene

Textteile zu markieren. Beim synthetischen System tun sie auch, machen aber darüber hinaus schon Angaben über die

dies

zu

er-

wartenden Änderungen. Ein weitgehend

synthetisches Referenzsystem ist

nach den Vor-

arbeiten von W e s t c o t t / H ö r t und P.Schmiedel mit der von Erwin N e s t l e neu b e a r b e i t e t e n Testamentum Graece" e i n g e f ü h r t NESTLE ( 1 9 2 7 : 9*f)

13.Auflage

1927 des

w o r d e n . Die Zeichen

"Novum sind bei

d a r g e s t e l l t . Sie m a r k i e r e n schon im Text

sechs

verschiedene Arten von V a r i a n t e n , n ä m l i c h : -

Ersetzung Einfügung Auslassung Umstellung Interpunktion Z w e i f e l an der Z u g e h ö r i g k e i t

W o l l t e man dieses System systematisch zu

d a r s t e l l e n , dann wäre

unterscheiden zwischen -

solchen R e f e r e n z z e i c h e n , die sich nur auf ein Wort bzw. eine Stelle beziehen können:

'Einfügung',

'Interpunktion';

343

- solchen, die sich e i n e r s e i t s auf W o r t g r u p p e n , anderers e i t s a u f E i n z e l w ö r t e r b e z i e h e n k ö n n e n u n d f ü r d i e entsprechend je verschiedene Zeichen vorgesehen sind: 'Ersatz1; 'Auslassung1; - s o l c h e n , die sich der N a t u r der Sache nach nur auf mehrere Wörter beziehen können: ' U m s t e l l u n g 1 ; - und s c h l i e ß l i c h s o l c h e n , bei denen die U n t e r s c h e i d u n g zwischen Einzelwort und Wortgruppe nicht gemacht wird: 'Zweifel an der Z u g e h ö r i g k e i t ' . Letztere Bezeichnung f ä l l t also aus der Systematik

heraus.

NESTLE ( 1 9 2 7 : 8*f) h a t s e i n e r z e i t d i e E i n f ü h r u n g n e g a t i v begründet, indem er sie

auf den P l a t z m a n g e l z u r ü c k f ü h r t ,

der

durch die Angabe der h a n d s c h r i f t l i c h e n Bezeugung e i n g e t r e t e n und den Leser b e s c h w i c h t i g t , er könne unschwer l e r n e n , die

sei,

Zei-

chen z u ü b e r l e s e n . E r h a t a b e r z u g l e i c h a u f d e n V o r t e i l h i n g e wiesen, daß sich schon beim Lesen ein grobes Bild von der Sicherheit der Ü b e r l i e f e r u n g e i n s t e l l t . Ein solches System b i e t e t s i c h e r l i c h ein Optimum an textkritischer Information;

so wird es bei

STEER ( 1 9 6 8 : 39) anhand

eines Textbeispiels auch für a l t h o c h d e u t s c h e Editionen empfohlen. Leider lassen s i c h aber d i e s y n t h e t i s c h e n R e f e r e n z z e i c h e n n i c h t auf

das Alte Testament ü b e r t r a g e n , da sie allzu leicht mit den

h e b r ä i s c h e n A k z e n t e n v e r w e c h s e l t werden k ö n n t e n . Aber auch anders g e s t a l t e t e Zeichen wären kaum a k z e p t a b e l ,

da das S c h r i f t b i l d

durch

die Vokalisierung, die Akzente und die masoretischen Zeichen ohnehin schon sehr komplex

ist.

2.2 SubstitutionsausdrUcke Mit dem zuvor behandelten

R e f e r e n z s y s t e m wird nur die Referenz

auf die insgesamt b e t r o f f e n e T e x t s t e l l e a u f g e d e c k t . Bei der Beschreibung

der Varianten

muß aber manchmal auf Teile dieser

T e x t s t e l l e oder umgekehrt auf sie

ü b e r g r e i f e n d e Komplexe zurück-

g e g r i f f e n w e r d e n . Dies geschieht im e i n f a c h s t e n f ü h r e n des hebräischen

Fall durch An-

T e x t e s . Wenn es sich j e d o c h um e i n z e l n e

Zeichen wie Akzente oder um E i g e n s c h a f t e n des T e x t e s , z . B . metrischer Art,

h a n d e l t , dann ist

es zweckmäßiger, d a f ü r be-

schreibende Ausdrücke zu verwenden. Wir bezeichnen sie stitutionsausdrücke, da sie

als

Sub-

s t e l l v e r t r e t e n d für einen bestimmten

Text oder seine T e i l e g e s e t z t w e r d e n . Aus Raumgründen müssen wir uns damit b e g n ü g e n , die weitere Unter-

344

t e i l u n g in ' t e x t b e z o g e n e 1 , Substitutionsausdrücke

'editionstechnische' und 'grammatische'

nur zu nennen.

2.3 Relationsausdrücke Unter dem Stichwort

' R e l a t i o n s a u s d r ü c k e ' wollen wir jene Siglen

b e s p r e c h e n , die eine B e z i e h u n g z w i s c h e n verschiedenen

Texten oder

zwischen einem z i t i e r t e n T e x t s t ü c k und seiner Q u e l l e b z w . Bezeugung h e r s t e l l e n . Da s i n d z u n ä c h s t j e n e S t a n d a r d r e l a t i o n e n , die wie wir gesehen haben - in einem s y n t h e t i s c h e n R e f e r e n z s y s t e m durch eigene Zeichen d a r g e s t e l l t werden, nämlich E r s e t z u n g , fügung,

Ein-

Auslassung und Umstellung: Ri 9,6 Ri 1 0 , 4 Ex 32,9 Gen 2 4 , 1 0 Jos 2 2 , 2 6 Gen 1 2 , 1 6

Einfügung Auslassung Einfügung Auslassung Tilgung Umstellung

ins om pr

addit,-unt p l u s q u a m , d e e s t in additum,-it,-unt dele(ndum),-t,-ent excidit,-erunt hue t r a n s p o n i t , -endum insere(ndum) omittit,-unt praemittit,-unt

Gen 1 9 , 2 7 Jos 1,8 Jos 1,7

Einfügung Auslassung Voranstellung

tr

transpone(ndum)

Ex 10,1

Einfügung

> add dl exe hue tr

Erst durch diese Zusammenstellung nach sachlichen

Gesichtspunk-

ten wird d e u t l i c h , daß es für die Standardsachverhalte jeweils eine ganze Reihe von Siglen g i b t . So können markiert werden: - d i e E i n f ü g u n g d u r c h : "+" o d e r "add" oder "pr" oder "ins"; - die A u s l a s s u n g d u r c h : " ) " oder "de" oder "exe" oder "om". E i n e s o l c h e M a n n i g f a l t i g k e i t d e r S i g l e n w ä r e f r e i l i c h n u r dann g e r e c h t f e r t i g t , wenn ihnen u n t e r s c h i e d l i c h e S a c h v e r h a l t e z u grunde lägen. Wir werden auf diese Frage später zurückkommen. Schon j e t z t sei

aber darauf hingewiesen,

daß sich i n d e n S i g l e n

zwei v e r s c h i e d e n e A r t e n des G e b r a u c h s m i t e i n a n d e r m i s c h e n . Am d e u t l i c h s t e n w i r d d i e s b e i d e m S i g l u m "dl",

das a u f d r e i e r l e i

verschiedene Weise a u f g e s c h l ü s s e l t wird: - z u m e i n e n als I m p e r a t i v : " d e l e t " - zum anderen als Gerundivum "delendum" - und s c h l i e ß l i c h als f i n i t e V e r b f o r m in den beiden Numeri "delet", "delent". 3. Weitere K a t e g o r i e n Die V a r i a n t e n d a r s t e l l u n g

deckt nur einen B r u c h t e i l des t e x t k r i -

345

tischen Apparates ab. Aus Raumgründen können wir aber die ü b r i g e n Kategorien hier nur kursorisch behandeln. Die w i c h t i g s t e Gruppe sind die fassen nicht nur die

'Herkunftsangaben*.

' H a u p t q u e l l e n ' , d a r u n t e r auch d i e Ü b e r s e t -

zungen und Fragmente, sondern auch Schriften

Sie um-

die ' Z i t a t t r ä g e r ' , also

der alten Kirche und des J u d e n t u m s , die in Gestalt von

Zitaten zur Textüberlieferung beitragen. Da die h a n d s c h r i f t l i c h e Überlieferung weit gefächert

i s t , muß zwischen ' E i n z e l b e z e u g u n g ' -

und S a m m e l b e z e u g u n g - b e z o g e n auf H a n d s c h r i f t e n g r u p p e n - u n t e r - , schieden werden. E x t r e m f a l l ist vrs

v e r s i o n e s omnes vel p l u r i m a e

hier der B e g r i f f : Gen 7,2

a l l e oder d i e meisten Übersetzungen

Daneben s t e h e n ' A l l g e m e i n e B e z e u g u n g s b e g r i f f e ' w i e " a l l e " , "wenige" u n d ' H e r k u n f t s v e r w e i s e ' , d i e z . B . a u f b e e i n f l u s s e n d e P a r a l lelen

hinweisen.

Eine weitere H a u p t g r u p p e sind die denen die t e x t k r i t i s c h e B e u r t e i l u n g

'Kritischen Aussagen', in des Herausgebers ihren Nie-

d e r s c h l a g f i n d e t . Dazu g e h ö r e n z u n ä c h s t

die

'Bewertungsausdrücke',

d i e etwas ü b e r d i e S i c h e r h e i t u n d V e r l ä ß l i c h k e i t d e s T e x t e s oder der Verbesserungsversuche aussagen. Die 'Korrekturanweisungen' zeigen dem Leser, wie

e r d e n Text r e p a r i e r e n s o l l . D i e ' E r k l ä -

r u n g e n ' f u h r e n M a t e r i a l a n , d a s e i n e Ä n d e r u n g ohne A n h a l t i n d e r Überlieferung begründen kann. Ein Sonderfall

sind die ' A b l e i -

1

t u n g e n , b e i denen s p r a c h v e r w a n d t e W ö r t e r h e r b e i g e z o g e n w e r d e n . Gelegentlich werden auch ' H i n t e r g r u n d i n f o r m a t i o n e n ' gegeben, z . B . hpleg

hapax legomenon

Ri 3,22

einmaliges Wort.

Im Z u s a m m e n h a n g der H i n t e r g r u n d i n f o r m a t i o n e n w ä r e auch ein

Groß-

teil der im masoretischen Apparat gemachten Angaben zu behandeln. 4. Textkritische

Sprechakte

Wie wir oben schon am B e i s p i e l des S i g l u m s "dl"

gesehen haben,

v e r m i s c h e n sich b e i d e n S i g l e n v e r s c h i e d e n e V e r w e n d u n g s w e i s e n . W i r d das S i g l u m als ' f i n i t e V e r b f o r m * a u f g e s c h l ü s s e l t , dann h a t e s die F u n k t i o n e i n e r t e x t k r i t i s c h e n H a n d l u n g s a n w e i s u n g : d e r B e n u t z e r s o l l d i e s e s oder j e n e s t i l g e n , d . h .

der Herausgeber

l e i t e t ihn zu einem b e s t i m m t e n t e x t k r i t i s c h e n Vorgehen an. Während es sich hier e i n d e u t i g um eine Kommentierung h a n d e l t , ist

dies beim f i n i t e n Gebrauch n i c h t von vornherein auszumachen.

346

In manchen Fällen kann nämlich die

f i n i t e V e r b f o r m einen Sachver-

halt beschreiben, der durch bloßes

Betrachten

des Textbestandes

erkennbar ist: Septuaginta et

Syriaca p r a e m i t t u n t

c o p u l a m (Jos

1,8).

Ebenso kann es s i c h aber um eine Vermutung des Herausgebers

han-

deln: additum ex Dt 9 , 1 3 ? (Ex 3 2 , 9 ) . Schließlich findet zunächst Mi.

sich noch eine d r i t t e Verwendungsweise, die

recht verwirrend erscheint: + add

(Ex 2 3 , 1 9 ) ,

zu transskribieren: "Samaritanus addit additum",

was offenbar

besagen soll, daß Samaritanus eine nicht w ö r t l i c h a n g e f ü h r t e

Ein-

fügung vornimmt. Bei dieser Verwendungsweise spielt das Kürzel "add"

also die Rolle eines S u b s t i t u t i o n s a u s d r u c k e s .

Welche Folgerungen sind nun aus diesen Beobachtungen zu ziehen? Zum e i n e n i s t

das B e s c h r e i b u n g s s y s t e m der BHS an l a t e i n i s c h e n

Kurzsätzen orientiert, bei

denen d i e h ä u f i g e n B e g r i f f e d u r c h mög-

l i c h s t wenige K ü r z e l w i e d e r g e g e b e n w e r d e n . Die A b k ü r z u n g e n sind also semantisch

a u s g e r i c h t e t ; dabei wird in Kauf genommen, daß

sich verschiedene Verwendungsweisen mischen.

Die Verwendungs-

weisen sind n i r g e n d s b e s c h r i e b e n ; sie können nur an der j e w e i l i g e n Stelle aus dem Kontext e r s c h l o s s e n w e r d e n . Damit läßt sich ein E i n b l i c k in d i e G e s e t z m ä ß i g k e i t e n d e r T e x t k r i t i k n u r d u r c h l ä n g e r e Übung, nicht durch vorgängige

Einarbeitung erwerben.

Zugleich

können ein und dieselben t e x t k r i t i s c h e n Sachverhalte durch

ver-

schiedene Formulierungen d a r g e s t e l l t werden. Wie ist

hier Abhilfe zu s c h a f f e n ?

Unsere Ü b e r l e g u n g e n lassen zwei S c h r i t t e als scheinen. Zumeinen e m p f i e h l t verhalte zunächst also danach,

zweckmäßig

er-

e s s i c h , d i e t e x t k r i t i s c h e n Sach-

nach der i l l o k u t i o n ä r e n Rolle zu u n t e r t e i l e n ,

ob es sich um eine H a n d l u n g s a n w e i s u n g des Heraus-

gebers, die R e k o n s t r u k t i o n des Zusammenhanges zwischen Übersetzung und U r t e x t , die H e r l e i t u n g

einer Einfügung aus anderen

Text-

s t e l l e n , die B e s c h r e i b u n g von T e x t s a c h v e r h a l t e n oder von Beziehungen zwischen zwei Zeugen, eine s p r a c h l i c h e Kommentierung oder anderes

handelt. Innerhalb dieser i llokutionären Rollen

ist

dann

eine U n t e r t e i l u n g nach sachlichen G e s i c h t s p u n k t e n zu t r e f f e n .

347

Ein alphabetisches Verzeichnis der textkritischen Kürzel müßte bei einer solchen da die

einzelnen

U n t e r g l i e d e r u n g nur noch als

Register

R u b r i k e n - wie schon unsere L i s t e n

nur wenige Einträge enthalten

fungieren,

zeigen können ·

und dadurch schnell überschaubar

sind. Außerdem sollte diese Zusammenstellung als

'Inventar1 verstan-

den w e r d e n ; es d ü r f e n also n i c h t nur die h ä u f i g e n und daher abgek ü r z t e n Phänomene a u f g e f ü h r t

w e r d e n , s o n d e r n e s müssen a l l e Phä-

nomene g e n a n n t w e r d e n , d i e b e i e i n e m b e s t i m m t e n t e x t k r i t i s c h e n Sachverhalt

aufgetreten sind.

Schon d i e h i e r a n g e s c h n i t t e n e n w e n i g e n P r o b l e m e l a s s e n welche V i e l f a l t

an Phänomenen zu beschreiben ist,

nur im Rahmen e i n e r e i n z i g e n

wenn man auch

E d i t i o n wie BHS V o l l s t ä n d i g k e i t

s t r e b t . Eine solche A u f b e r e i t u n g des M a t e r i a l s ist l i c h , wenn man von einer eher p r a k t i s c h kunde zu einer l i n g u i s t i s c h s t ä r k e r kommen w i l l . Eine solche

ahnen, an-

aber unerläß-

ausgerichteten

Editions-

ausgearbeiteten Theorie

Theorie nämlich böte die Chance, die

den verschiedenen philologischen Fächern getrennt

in

verlaufende

t e x t k r i t i s c h e Entwicklung unter ein gemeinsames methodisches Dach

zusammenzuführen.

Literatur Danken möchte i c h F . B . B r e v a r t , M ü n s t e r , f ü r seine L i t e r a t u r hinweise zur außerbiblischen Textkritik Tübingen, für

und H.P.Rüger,

die M i t t e i l u n g einiger Belege zu den Siglen der

BHS. Klammerung durch "l" bezeichnet hochgestellte Zeichen. BHK = K I T T E L , R .

(ed.)

(1937): Biblia Hebraica.Stutt gart.

BHS = ELLIGER, K . / R U D O L P H , W . ( e d s . ) S tuttgartensia. Stuttgart.

3.Auflage,

( 1 9 6 7 / 1 9 7 7 ) : Biblia Hebraica

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George ( 1 9 6 9 ) : " C o n j e c t u r a l ( 1 9 6 9 ) : 155-169.

Emendation".

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VERZEICHNIS DER AUTOREN UND HERAUSGEBER

BESTEN, Hans den (Instituut voor Algemene Taalwetenschap, Spuistraat 210, 1O12 VT Amsterdam, Niederlande). Tätig am Instituut voor Neerlandistiek und Instituut voor Vertaalkunde der Universität Amsterdam. Hauptarbeitsgebiete: Theoretische Linguistik, Syntax. DEIMER, Günther (Gauss-Str. 20, FB 4, 5600 Wuppertal 1 ) . Wiss. Assistent an der Gesamthochschule Wuppertal, Anglistik. Hauptarbeitsgebiet: Syntax. DORFMÜLLER-KARPUSA, Käthi (Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft der Universität Bielefeld, Postfach 864O, 48OO Bielefeld) . Lehrbeauftragte für neugriechische Sprache am Sprachenzentrum der Universität Bielefeld. Hauptarbeitsgebiete: Semantik, Textlinguistik. ENGEL-ORTLIEB, Dorothea (Herwigredder 24, 20OO Hamburg 5 6 ) . Stipendiatin der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Hauptarbeitsgebiete: Psycholinguistik, Textlinguistik. EROMS, Hans-Werner (Universität Passau, Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft, Graf-Salm-Str. 5, 839O Passau). Professor für Deutsche Sprachwissenschaft. Hauptarbeitsgebiete: Syntax, Textlinguistik, Stilistik, öffentliche deutsche Sprache. GOBYN, Luc (Molenstraat 192, B-8320 Brügge 4 ) . Stipendiat der belgischen Nationalstiftung für Wissenschaftliche Forschung ( N . F . W . O . ) . Hauptarbeitsgebiete: Textlinguistik, Pragmalinguistik, Erzähltextanalyse. HAMANS, Camiel (Gabriel Metsustraat 24 bv , 1O71 EB Amsterdam, Niederlande) . Wiss. Assistent. Hauptarbeitsgebiete: Phonologie und Semantik des Niederländischen. KLEIN, Eberhard (Vionvillestr. 15, 28OO Bremen 1 ) . Doktorand an der Universität Bremen. Hauptarbeitsgebiete: Syntax und Semantik des Englischen. KLOEKE, W . U . S . van Lessen (Sumatrastraat 2O, 6524 KK Nijmegen, Niederlande) . Wiss. Mitarbeiter am Instituut Duits der Universität Nimwegen. Hauptarbeitsgebiete: Morphologie, Phonologie. KÖRNER, Karl-Hermann (Romanisches Seminar der TU Braunschweig, Wendenring 1 , V / V I ) . Professor für Romanische Sprachwissenschaft. Hauptarbeitsgebiete: Semantik und Syntax der westromanischen Sprachen, bes. Französisch und Spanisch. KOHRT, Manfred (Meinertzstr. 21, 44OO Münster). Wiss. Assistent am Germanistischen Institut der Universität Münster. Hauptarbeitsgebiet: Theorie der Schrift=Sprache.

350

KOSTER, Jan (Veldstraat 6, 6533 Nijmegen, Niederlande). Associate Professor an der Universität Amsterdam. Hauptarbeitsgebiet: Syntax. KÜRSCHNER, Wilfried (Hachbergerstr. 2, 78O9 D e n z l i n g e n ) . Professor für Allgemeine Sprachwissenschaft und Germanistische Linguistik an der Universität Osnabrück, Abt. Vechta. Hauptarbeitsgebiete: Grammatik des Deutschen, Geschichte der Sprachwissenschaft. LENERZ, Jürgen (Braunsbergstr. 23, 44OO M ü n s t e r ) . Wiss. Assistent am Germanistischen Institut der Universität Münster. Hauptarbeit sgebiete: Syntax, Morphonologie und Semantik des Deutschen und Englischen. MAXWELL, Dan {Rektoratsweg 123, 44OO Münster). Lektor am Englischen Seminar der Universität Münster. Hauptarbeitsgebiet: Syntaxtypologie. NABRINGS, Kirsten (Institut für Allgemeine Sprachwissenschaft der Universität Münster, Bispinghof 17, 440O M ü n s t e r ) . Wiss. Mitarbeiterin. Hauptarbeitsgebiete: Sprachsoziologie, Kommunikationstheorie, Pragmatik. NIKOLAUS, Kurt (Möckernstr. 70, 10OO Berlin 6 1 ) . Wiss. Mitarbeiter am Germanischen Seminar der Freien Universität Berlin. Hauptarbeitsgebiete: Textsemantik, kognitive Textverarbeitung, Ontogenese von Diskursfähigkeiten. ODMARK, John t (Zentrales Fremdspracheninstitut der Universität Hamburg, Von-Melle-Park 5, 20OO Hamburg 1 3 ) . Dozent für Englisch. Hauptarbeitsgebiete: Sprachlehrforschung, pragmatische Texttheorie und -analyse. PFEIFFER-RUPP, Rüdiger (Fachbereich 23 der Universität Münster, Scharnhorststr. 100, 4400 M ü n s t e r ) . Wiss. Assistent. Hauptarbeitsgebiete: Sprachliche MerkmalSysteme, Notations- und Transkriptionsprobleme, Linguistik des Englischen, Sprachdidaktik. REMKE, Reinhard (Sonderforschungsbereich 7 'Mittelalterforschung 1 , Salzstr. 4 1 , 44OO M ü n s t e r ) . Wiss. Mitarbeiter. Hauptarbeitsgebiete: Informatik, Elektronische Datenverarbeitung. RIEMSDIJK, Henk van (Sarphatistraat 29, 1018 EV Amsterdam, Niederlande) . Tätig am Instituut voor Algemene Taalwetenschap der Universität Amsterdam. Hauptarbeitsgebiet: Generative Grammatiktheorie. ROTHKEGEL, Annely (Waldwiese 9, 660O Saarbrücken). Wiss. Mitarbeiterin am Sonderforschungsbereich 1OO 'Elektronische Sprachforschung 1 , Universität Saarbrücken. Hauptarbeitsgebiete: Computerlinguistik, Textlinguistik. RUDOLPH, Elisabeth (Lentersweg 46, 2OOO Hamburg 6 3 ) . Freiberuflich linguistisch tätig. Hauptarbeitsgebiete: Syntax und Semantik von Satzverknüpfungen, Beziehungen zu Philosophie und Allgemeiner Sprachwissenschaft, Vergleich mit romanischen Sprachen, Partikelforschung . SCHNITTER, Peter (Institut für Allgemeine Sprachwissenschaft der Universität Münster, Bispinghof 17, 44OO M ü n s t e r ) . Wiss. Assistent. Hauptarbeitsgebiete: Semantik, Zeichentheorie, Geschichte der Sprachwissenschaft.

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SROKA, Kazimierz (Pomorska 15 A 30, 8O-333 Gdansk - Oliwa, Polen). Tätig an der Universität Gdansk. Hauptarbeitsgebiet: Syntax. TAPPE, Hans Thilo (Fritz-Meyer-Str. 68, 30O8 Garbsen 1 ) . Doktorand an der Universität Göttingen. Hauptarbeitsgebiet: Syntax im Rahmen einer generativen Theorie. TEN GATE, Abraham P. (Vakgroep Duitse Taal- en Letterkunde, Rijksuniversiteit, Grote Rozenstraat 15, 9 7 1 2 TG Groningen, Niederl a n d e ) . Wiss. Mitarbeiter. THIERSCH, Craig (Englisches Seminar der Universität Köln, AlbertusMagnus-Platz, 5 Köln 4 1 ) . Wiss. Assistent. Hauptarbeitsgebiete: Generative Syntax und Semantik (im Rahmen der 'Revised Extended Standard T h e o r y 1 ) , autosegmentale Phonologie, maschinelle Sprachverarbeitung. VAN DE VELDE, Marc (Gaverlandstraat 2, B-981O D r o n g e n ) . Dozent am Dolmetscherinstitut Hivet-Gent. Hauptarbeitsgebiete: Syntax Deutsch-Niederländisch, Soziolinguistik. WEBER, Heinz J. (Kirchweg 17, 66OO Saarbrücken). Wiss. Mitarbeiter am Sonderforschungsbereich 1OO 'Elektronische Sprachforschung", Universität Saarbrücken. Hauptarbeitsgebiete: Semantische Repräsentationen, automatische und linguistische Textanalyseverfahren. WICHTER, Sigurd (Germanistisches Institut der Universität Bochum, Universitätsstr. 150, 4630 Bochum). Privatdozent. Hauptarbeitsgebiete: Semantik, gesprochene Sprache, Verbmorphologie. WONNEBERGER, Reinhard (Alttestamentliches Seminar der Universität Hamburg, Sedanstr. 19, 2OOO Hamburg 1 3 ) . Wiss. Assistent. Hauptarbeitsgebiete: Textlinguistik, Pragmatik, Syntax. ZILLIG, Werner (Germanistisches Institut der Universität Münster, Johannisstr. 1-4, 4400 M ü n s t e r ) . Wiss. Assistent ( m . d . V . b . ) . Hauptarbeitsgebiete: Pragmatik, Wissenschaftstheorie der Linguistik.