Soziolinguistik und empirische Textanalyse: Schlagzeilen- und Leadformulierung in amerikanischen Tageszeitungen 3484104104, 9783484104105

Die Buchreihe Linguistische Arbeiten hat mit über 500 Bänden zur linguistischen Theoriebildung der letzten Jahrzehnte in

144 33 80MB

German Pages 360 Year 1980

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Soziolinguistik und empirische Textanalyse: Schlagzeilen- und Leadformulierung in amerikanischen Tageszeitungen
 3484104104, 9783484104105

Table of contents :
VORWORT
0. EINLEITUNG
0.1 Soziolinguistik und Zeitungskommunikation
0.2 Zielsetzung und zentrale Hypothesen
0.3 Abkürzungen, Schreibweise und Definitionen
1. THEORETISCHER RAHMEN UND MODELLPERSPEKTIVEN
1.1 Forschungsstand und Prolegomena einer Theoriekonzeption
1.2 Zur Theorie einer Zeitungskommunikationshandlung
1.3 Elemente einer Theorie der Schlagzeilenformulierung
2. KORPUS UND METHODEN DER ANALYSE
2.1 Datengewinnung und Primärkorpus
2.2 Korpusaufbereitung und -systematisierung
2.3 Methoden der Datenanalyse
3. AUSWERTUNG
3.1. Systematische Analyse textinterner Komponenten
3.2. Interrelationen textinterner, textanalytischer, textphänotypischer und textexterner Komponenten
4. ZUSAMMENFASSUNG
5. LITERATUR

Citation preview

Linguistische Arbeiten

94

Herausgegeben von Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Heringer, Christian Rohrer, Heinz Vater und Otmar Werner

Hannes Kniffka

Soziolinguistik und empirische Textanalyse Schlagzeilen- und Leadformulierung in amerikanischen Tageszeitungen

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1980

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Knlffka, Hannes: Soziolinguislik und empirische Textanalyse : Schlagzeilen- u. Leadformulierung in amerikan. Tageszeitungen / Hannes Kniflka. Tübingen: Niemeyer, 1980. (Linguistische Arbeiten; 94) ISBN 3-48440410-4

ISBN 3-484-10410-4

ISSN 0344-6727

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1980 Alle Rechte vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege zu vervielfältigen. Printed in Germany. Druck: fotokop wühelm weihert KG, Darmstadt.

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

IX

0.

EINLEITUNG

l

0.1

Soziolinguistik und Zeitungskommunikation

l

0.2 0.3

Zielsetzung und zentrale Hypothesen Abkürzungen, Schreibweise und Definitionen

7 12

1. 1.1

THEORETISCHER RAHMEN UND MODELLPERSPEKTIVEN Forschungsstand und Prolegomena einer Theoriekonzeption

14 14

1.1.1 1.1.2

Stand der Schlagzeilenforschung Prolegomena einer soziolinguistischen Theorie sprachlichen Verhaltens

14

1.2 1.2.1 1.2.2

Zur Theorie einer Zeitungskommunikationshandlung Komponenten verbaler Interaktion Ethnographie schriftlicher Kommunikation

22 22 25

1.2.2.1 1.2.2.2 1.2.5 1.2.4 1.3 1.3.1

Formen .von Kommunikation Strukturelle Merkmale einer ZKH Zum theoretischen Status eines Komponentenmodelis einer ZKH Systematische und methodische Konsequenzen Elemente einer Theorie der Schlagzeilenformulierung Kanonische Merkmale von Zeitungsberichten in Tageszeitungen

25 29 32 35 40 41

1.3.2 1.3.3

Systematische und zeichenlinguistische Analyse von Textprodukten Soziolinguistische Regeln

45 48

2. 2.1 2.1.1 2.1.2

KORPUS UND METHODEN DER ANALYSE Datengewinnung und Primärkorpus Fieldwork und Situation des linguistischen Observer Korpus der Zeitungen

52 52 52 54

2.2 2.2.1 2.2.2

Korpusaufbereitung und -systematisierung Setting Leser

57 58 62

19

2.2.5

Sender

65

2,2.3.1

Autoren- und Quellenangaben in Berichten in Tageszeitungen

69

2.2.4

Zeitstratifikation der Textprodukte

71

2.2.5

Mitteilungsform und -inhalt der Textprodukte

74

2.2.6

'Phänotyp' eines Zeitungsberichts

84

2.3

Methoden der Datenanalyse

95

2.3.1

Empirischer Status, Reichweite und Interdependenz soziolinguistischer Analyse

95

2.3.2

Systematische Befragung und Experimente

104

2.3.2.1

Versuchspersonen-Intensivgruppe

104

2.3.2.2

Tests und Textmanipulation

107

2.3.2.2.1

Bewertungstests! Schlagzeilenbewertung ' E m o t i o n a l ' - ' F a c t u a l ' ; ' P r o 1 - ' C o n t r a 1 - ' N e u t r a l 1 (Verdikt im Angela-Davis-ProzeO)

108

Textmanipulation: Vertauschung uerständniskonstitutiver Elemente

120

Multiple Choice Test zur persuasiven und grammatischen Beu/ertung (sprachlicher Varianten) von Schlagzeilen

125

2.3.2.2.4

Test zur Bewertung grammatischer Verhältnisse des Lead

131

2.3.2.2.5

Empirischer Status von Textkohärenzrelationen: für Schlagzeilen:Leads

134

2.3.2.2.2 2.3.2.2.3

Zuordnungstests

2.3.3

Interviews

2.3.3.1

Systematisch-standardisiertes Interview zur P,C,N-Bewertung

2.3.3.2

von S, HS und US

146

Systematisch-halbstandardisierte Interviews

153

2.3.3.2.1 Interview zur persuasiven Wertigkeit von S 2.3.3.2.2

143

153

Leserperzeption der Komponenteninterrelation Zeit-Mitteilungsinhalt

156

2.3.3.2.3

Interview zum Titelseitentext eines Berichts

159

2.3.3.2.4

Gegenüberstellung won Titelseitenberichten aus zurei Zeitungen verschiedenen politischen Standorts

163

2.3.3.3

Unsystematische Interviews

175

3.

AUSWERTUNG

3.1,

Systematische Analyse textinterner Komponenten

178

3,1,1

'Informationsrepertoire* der kanonischen Textteile S und L

178

3.1.1.1

Mitteilungsanhalt des Lead

17B

3.1.1.2

Kontrast des IE-Repertoires von Lead und Body

181

3.1.1.3

IE-Repertoire von Schlagzeile und Lead

187

VII

3.1.2

Anzahl und Kombination von IE in Lead und Schlagzeile eines Zeitungsberichts

190 192

3.1. Z. 2

Textteilspezifische Charakteristika der Schlagzeile -Anzahl und -Kombination des Lead

3.1.2.3

Relation

197

3.1.2.1

3.1.3 3.1.4

3.1.4.1

Schlagzeile : Lead und S-Formulierungsteilstrategien 1

Zum Status von 'Us als propositionalen Einheiten und IE als Konstituenten von Ws Textintem-formale Instanzen und Kohärenzstrukturen in Zeitungsberichten Referierung des Namens Angela Davis in S und L

3.1.4.2 Syntaktische Konstruktion, Diathese und Lexem des zP-Ausdrucks 3.1. . 2.1 Textteilspezifische und Sq-Regeln für { H ) S : L 3.1.4,2.2 Co-Regeln für Subjekt, Diathese und Lexem des zP-Ausdrucks 3.1.4.2.3 3.1.4.3 3,1.4.3.1 3.1.4.3.2 3.1.4.3.3 3.1.4.4 3,1.4.5 3.1.5

195

199 206 209 216 218

in S:L

226

AI-Regeln für S:L und S-Formulierungsteilstrategien

230

Syntaktischer Status des zP-Ausdrucks in S und L Merkmale des syntaktischen Status des zP-Ausdrucks in S und L Kookkurrenz syntaktischer Merkmale von textinternen Instanzen S:L-Relation Tempus in Schlagzeile und Lead

242 245 250 252 256

Weitere textintern-formale Gegebenheiten Informationsdiskurs, Plazierung von IE und Wortstellung in Zeitungsberichten

258

3.1.5.1 3.1.5.2 3,1.5.3

Informationsdiskurs des Lead und 'Positionen' eines Lead Plazierung positionsvariabler IE in L -Diskurs des Lead und Formulierung der Schlagzeile

262 271 280

3.2.

Interrelationen textinterner, textanalytischer, textphänotypischer und textexterner Komponenten

284

3,2.1

3.2.1.1 3.2.1.2 3.2,1.3 3.2.2

259

Schlagzeilenformulierung zu textidentischen Leads Kovariation textintern-formaler und inhaltlicher Instanzen und S-Formulierungsstrategien für S zu textidentischen L

287

Interrelation Mitteilungsform, -Inhalt und Persuasion für S zu textidentischen L

302

Kovariation textinterner, textanalytischer und textphänoVariablen für S zu textidentischen L Kovariation textinterner und textanalytischer Werte des L und S:L-Textkoharenz

284

312 316

VIII 3.2.3

Interrelation von ZKH-Kornponenten. Vergleichsperspektive Phänotyp eines Zeitungsberichts

324

3.2.4

Soziolinguistische Profilformeln für ZKH-Exetnplare

326

4,

ZUSAMMENFASSUNG

332

5.

LITERATUR

340

VORWORT

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 1980 von der Philosophischen Fakultät der Universität Köln als Habilitationsschrift angenommen. Sie beruht auf einer umfangreicheren Untersuchung, die ich 1972 in Kalifornien begonnen habe. Ich habe vielen zu danken, ohne deren Hilfe ihre Durchführung unmöglich gewesen uäre. In erster Linie den Informanten der 'Intensivgruppe 1 , namentlich L,B.Alexander, L,T,Cross, T.E.Lamer, G.F.Turner und, vor allem, J,M.Cross. Ohne ihre Geduld und Kooperation in zahlreichen, z . T . sicher'langweiligen'Befragungen, von denen hier aus Raumgründen nur ein geringer Teil referiert wird, wären solide leserbezogene Daten über die untersuchten Zeitungsberichte nicht verfügbar gewesen. Keinen geringeren Dank schulde ich einer Reihe von journalistischen Fachleuten, namentlich R.S.Hennion, UPI San Francisco, und J. Bodenstein, AP Bonn, für uneingeschränkte Hilf s- und Intervievi/bereitschaft bei der Beschaffung senderbezogener Daten und für einen Einblick in die interne journalistische Praxis. Für gelegentliche sprachliche Auskünfte bin ich S.E.Qlsen, C.Hall, K.A.Hlavacek und E.L.Myers verpflichtet. Der Main Library der Stanford University und der Portland State University habe ich für die Hilfe bei der Erstellung von Kopien und Fotographien von Zeitungen zu danken. Hinweise für die Druckfassung verdanke ich A.Greive, V.Neuhaus, M.Reis, H.Seiler, J.Untermann, H.Vater, A.Wollmann und N.Würzbach. Mein besonderer Dank gilt H.Seiler, der das Habilitationsverfahren mit Umsicht betreut und mir zahlreiche wertvolle Anregungen gegeben hat, H.Vater, der mir durch langjährige Schonung bei der Institutsarbeit die Fertigstellung der Arbeit erleichtert, zahlreiche konstruktive Verbesserungsvorschläge zur Erstfassung gemacht und die Veröffentlichung in dieser Reihe angeregt hat,sowie M.Reis, die diese Arbeit, obschon nicht primär damit befaßt, durch zahllose kompetente Ratschläge und ein Höchstmaß an moralischer Unterstützung gefördert hat, H. Müller und P.Vonneguth danke ich für ihren Einsatz bei der Erstellung des Druckmanuskripts, Köln, im Juli I960

Hannes Kniffka

O.EINLEITUNG

Diese Untersuchung will zur Klärung von drei Fragen beitragen: 1. Wie läßt sich die sprachliche und kommunikative Variation, die für Schlagzeile und Lead von Berichten (News Stories) in ca.30 amerikanischen Tageszeitungen vom gleichen Tage zum gleichen Thema vorliegt, adäquat beschreiben und erklären? 2. Welche sprachlichen und kognitiven Strukturen und Gesetzmäßigkeiten zeichnen die 'Schlagzeilenformulierung' und '-aufmachung' genannten kommunikativen Aktivitäten aus, und wie lassen sie sich in ihrem Interaktionszusammenhang empirisch analysieren? 3. Welche regelhaften Beziehungen bestehen zwischen den insgesamt an der Konstitution solcher Kommunikationshandlungen beteiligten 'Komponenten 1 ?

0.1 Soziolinguistik und Zeitungskommunikation Gegenstand dieser Arbeit sind konkret die Faktoren des sozialen Kontextes oder der komplexen Konstellation sozialer Kontexte und die Charakteristika der 'Kommunikativen Kompetenz' (Hymes) der beteiligten Interlokutoren, die Für die Variation von durch Schlagzeilen (S) und Leads {'Vorspänne 1 , L) von Berichten in Tageszeitungen ( T Z ) manifestierten Kommunikationshandlungen verantwortlich sind. Im Sinne einer Pilotstudie sollen einige m e t h o d o l o g i s c h e Prinzipien empirischer Soziolinguistik und die sie tragenden theoretischen Annahmen a n einer bestimmten Form sprachlichen V e r h a l t e n s überprüft und praktisch illustriert werden« Von einer 'sozialinguistischen' Fragestellung zu sprechen ist gerechtfertigt durch die folgenden allgemeinen Hypothesen über den Gegenstand: - eine 'zeichenlinguistische' (d.h.grammatische) Analyse allein ist dem Gegenstand weder der Beschreibung noch der Erklärung nach angemessen. - eine Beschreibung und Erklärung von S a l l e i n

ist ebenfalls inadäquat.

S lassen sich adäquat nicht aus sich selbst erklären, sondern nur auf der Basis von und im Zusammenhang mit größeren Textportionen. - Eine Untersuchung allein des v e r b a l e n Teils von S ist unzureichend; sie sind auch und gerade durch nicht-verbale Merkmale definiert. - Eine Analyse von S allein als "gefrorenen" T e x t p r o d u k t e n ist ebenfalls unzureichend. Eine adäquate Erklärung der Variation von S gleichen Themas und Tages hat notwendig Tatbestände zu berücksichtigen, die sich nicht an Merkmalen der Textprodukte festmachen lassen bzw. diesen nicht selbst anhaften. Dies wird im einzelnen e m p i r i s c h nachzuweisen sein. Der hauptsächliche Aspekt der Argumentation ist dabei der, daß die einzelnen Dimensionen der Variation nicht unabhängig voneinander bestehen, sondern daß zwischen ihnen ein in Regeln formulierbares Beziehungsgefüge besteht, dergestalt, daß die Variation in e i n e r Dimension die Erklärungsperspektive für die in einer anderen abgibt. Es ist also zu beweisen, (a) d a ß es Regeln für diese Zusammenhänge gibt, die Voraussagen über S erlauben, und (b) daß es linguistisch relevante Regeln d i e s e r A r t gibt, u n d schließlich (c), w e l c h e Regeln f ü r diese spezielle Art und Form einer Kommunikationshandlung bestehen. Einzig adäquate M e t h o d e f ü r d i e Erfassung dieses Gegenstands scheint W,Labors Analyse von 'Sprache im sozialen Kontext 1 zu sein. Als R a h m e n für die Absteckung des Phänütnenbereichs bietet sich eine modifizierte Version der 'Ethnography of Communication* an, wie sie Hymes, Gumperz, Eruin-Tripp u.a.entwickelt worden ist. "Es bleibt noch viel zu tun auf dem Gebiet der Beschreibung und der Analyse der Gebrauchsmuster von Sprachen und Dialekten in einer bestimmten Kultur, als da sind: die Formen von 'Sprechereignissen'('speech events'); die Regeln für eine angemessene Auswahl der Sprecher; die Wechselbeziehungen von Sprecher, Publikum, Gesprächsgegenstand, Übertragungskanal und Kontext des Sprechakts (setting); die Art und Weise in der sich die Sprecher der Mittel ihrer Sprache bedienen, um bestimmte Aufgaben auszuführen. Diese funktionelle Betrachtungsweise ist komplementär zur Untersuchung der Sprachstruktur gedacht. .,. Wir werden uns mit der Form sprachlicher Regeln, ihrer Kombination zu Systemen, der Koexistenz mehrerer Systeme und der Entwicklung dieser Regeln und Systeme in der Zeit befassen.Wenn nicht die Notwendigkeit bestünde, diese Untersuchung gegen das Studium der Sprache außerhalb des sozialen Kontextes abzusetzen, würde ich es vorziehen zu sagen, daß es sich bei ihr ganz einfach u m S p r a c h w i s s e n s c h a f t handelt. , , , Es scheint selbstverständlich genug, daß die Grundtatsache für jede Form von allgemeiner Sprachwissenschaft die Sprache sein müßte, so wie sie von eingeborenen Sprechern verwandt wird, die miteinander im Alltagsleben kommunizieren," {W.Labov 1970;1971,112f.),

Eine Soziolinguistische 1 Analyse ist daher nicht irgendein Beiu/erk einer 'linguistischen 1 . Sie ist nicht eine zusätzliche Untersuchungsperspektive, die lediglich 'Korrelationen 1 sprachlicher mit außersprachlichen Erscheinungen zum Gegenstand hat. Soziolinguistik im in dieser Untersuchung gemeinten Sinne beschreibt und erklärt all die Gesetzmäßigkeiten, systematischen Bedingtheiten der Textprodukte und des zu ihnen führenden sprachlichen Verhaltens, die über die 'zeichenlinguistischen 1 hinausgehen bzw. von der Zeichenlinguistik außerachtgelassen u/erden. Eine erste Standartbestimmung für diese Untersuchung IMOt sich anhand der Skizze des Fachbereichs Sozialinguistik geben, die Mathiot 1971 gegeben hat. Sie ist insgesamt im Bereich der 'Mikroforschung 1 anzusiedeln; einige Aspekte des Themas - etwa das System der Referierung von Personennamen in Zeitungsberichten (vgl.u.3.1.4.1) - sind mutatis mutandis (System von Anredeformen) in diesem Bereich ausgiebig untersuchte Fragen. Der Gegenstand 'schriftliche' Kommunikation mittels Zeitungstexten übersteigt aber in verschiedener Hinsicht den Bereich der Mikroforschung, Er steht in einer speziellen Relation zu den 'domains of usage' und den Forschungen über 'language attitudes', die Mathiot 1971 als Teilgebiete der Erforschung der 'sociolinguistic dynamics' den zentralen Problembereichen der Makroforschung zurechnet. Bei den ersteren handelt es sich - vereinfacht - darum, soziolinguistische Bedingungen dafür anzugeben, daß von einem Sprecher einmal diese, ein anderes Mal jene Variante einer Sprache (oder eine verschiedene Sprache) gewählt wird (auf verschiedenen Ebenen, in einer Stadt, einem Land, einer Nation u s w . ) . Die vorliegende Untersuchung verfolgt ein im Prinzip ähnliches Ziel, nur stellen die Textvarianten in verschiedenen (US-amerikanischen und kanadischen) Tageszeitungen nicht 'Variationen einer Sprache' in der hier gemeinten groben» sondern einer weit subtileren Größenordnung dar (obschon die Auswahl der Zeitungen verbietet, etwa von nur einem Standard der Zeitungssprache zu sprechen). Hit 'Sprachattitüden 1 ist in der genannten Klassifikation die Erforschung der Verhaltensweisen von Sprechern ihrer eigenen Sprache und der Sprache(n) der Leute gegenüber gemeint, mit denen sie sich identifizieren oder von denen sie sich distanzieren u/ollen, insbesondere der Komplex der 'Sprachloyalität 1 (meist in einem multilingualen K o n t e x t ) . Modifiziert für einen weit engeren Bereich (innerhalb einer Sprache) kann man hier von Attitüden bzw.Einstellungen der Interlokutoren zu ihrer eigenen Spra-

ehe und der Sprache der Partner sprechen. Es bedarf keiner «eiteren Erörterung, daß das Verhältnis eines Zeitungsredakteurs zu seiner eigenen Sprache, zur Sprache der Leute, über die er berichtet, und derjenigen, für die er schreibt, und auch umgekehrt Spracheinstellungen von Lesern, ihre Einstellung zu bestimmten 'Zeitungsstilen 1 (z.B. der NEW YORK TIMES) von Bedeutung für die Kommunikatianshandlung sind. Eine genauere Standortbestimmung dieser Untersuchung und Begründung für die Wahl einer soziolinguistischen Beschreibungs- und Erklärungsperspektive ist theoretisch in Kap, l, empirisch-analytisch in 2 und 3 gegeben. Abschließend einige Anmerkungen zum hiesigen Stand der Soziolinguistik und zu Leitlinien für diese Themawahl, Die soziolinguistische Diskussion hierzulande ist (immer noch), von Ausnahmen abgesehen, durch zweierlei gekennzeichnet: (1) ein unausgewogenes Verhältnis von Theorie und Empirie (2) eine wenig reflektierte Begrenzung des Qbjektbereichs dieses Fachs. Ersteres - neben breit angelegten empirischen Untersuchungen ohne hinreichende theoretische Fundierung auf der einen finden sich theoretische Erörterungen ohne entsprechende empirische Absicherung auf der anderen Seite - hat seinen wesentlichen Grund wohl im Fehlen einer erklärungsadäquaten soziolinguistischen Theorie, worauf mehrfach hingewiesen worden ist (vgl,Wunderlich 1971:297). Gleichzeitig liegt dies jedoch, was bisher weniger Beachtung gefunden zu haben scheint, in dem unter ( 2 ) genannten Tatbestand begründet. Es hat den Anschein, als hätte die Gleichsetzung von Soziolinguistik mit Beschreibung von schichtenspezifischem Sprachverhalten im Rahmen von 'Defizithypothese' und 'emanzipatorischem Sprachunterricht', wie sie hier vor nicht langer Zeit weithin üblich war, die Entwicklung einer produktiven Theorieund Methodendiskussion gehemmt oder verhindert, Vielleicht ist in d i e s e m Rahmen ein ausgewogenes Verhältnis von Empirie, Theorie und Anwendung auch schwer erreichbar. Eine 'integrierte soziolinguistische Beschreibungstheorie 1 (Hymes 1967) wird wohl nur durch eine Synthese verschiedener Ansätze in einem weiter abgesteckten Gegenstandsbereich, ein komplexes Methodenspektrum, empirische Daten aus vielen Bereichen und eine interdisziplinäre Perspektive zu gewinnen sein.

Eine an keiner Stelle theoretisch wie empirisch ausreichend abgesicherte Begrenzung des Gegenstandsbereichs lauft diesem Bestreben zuwider. Mit einer Methode allein und von einem Bereich allein aus kann eine 'Theorie der Soziolinguistik' nicht entworfen werden (vgl.u.1.1,). Praktische Erfordernisse etwa des primärsprachlichen Unterrichts in der konkreten Ausbildungssituation eines Landes, durch Anwendungshorizont und Praxisfeld bedingte Gesichtspunkte insgesamt sind zweifellos maßgebende Faktoren (neben anderen) dafür, was erforscht wird. Es wäre aber mehr als kurzsichtig, momentane (inländische) Erfordernisse zum ausschließlichen Maßstab einer Begrenzung des Gegenstandsbereichs einer Wissenschaft zu erheben, was am Beispiel Soziolinguistik gut demonstrierbar ist: Noch vor wenigen Jahren galt eine Beschäftigung mit Bi- und Multilingualismus in dem Stil und Ausmaß, wie sie in den USA in Psycho- und Soziolinguistik üblich war, als eine Art 'exotischer Luxus', erst recht etwa die mit Pidginisierungs- und Kreolisierungsproblemen. Durch die Situation der Gastarbeiter(kinder) in diesem Land hat sich dies kurzfristig geändert, nicht aber etwa die Einschätzung der Beschäftigung mit Fragen der Sprachplanung und -Standardisierung in Ländern der Dritten Welt. Gerade Arbeiten zu diesen Themenbereichen waren und sind aber von besonderem methodischen Aufschlußwert. Hält man an dem (heute noch in weiter Ferne liegenden) Ziel einer erklärungsadäquaten soziolinguisfcischen Theorie fest, so ist für einen geeigneten und praktikablen Weg zu diesem Ziel allgemein festzustellen: -

Programmatische Erklärungen, eine sich selbst potenzierende Literatur zur Sekundärliteratur über einige (wenige) methodisch relevante Arbeiten und erst recht eine Ideologisierung wissenschaftlicher Inhalte und Methoden, die man ihren faktischen Resultaten nach unter dem Rubrum Ideologie s t a t t Methode klassifizieren muß, helfen der soziolinguistischen Forschung wenig weiter, Fortschritte werden sich nur erzielen lassen (1) durch eine akribische Rezeption bestehender Methoden (vgl. etwa Fishman 1971) und (2) eine experimentell-exemplarische Erprobung neuer Methoden an 'neuem 1 Material.

Allgemeine Leitlinien für die Wahl des Untersuchungsgegenstands waren: -

Es sollte 'alltägliches' sprachliches Verhalten untersucht werden, Es sollte sich um schriftlich konstituiertes sprachliches Verhalten handeln,da die bisherige soziolirtguistische Literatur vorwiegend oder ausschließlich gesprochenes alltägliches Verhalten betrifft,

-

Es sollte sprachliches Verhalten untersucht werden, dessen Variation v o r g e g e b e n , d . h . in ihren Erscheinungsformen 'belegt 1 ist und nicht erst experimentell erzeugt werden muß,

Daraus ergibt sich die konkrete Themastellung: Zeitungsberichte gleichen Tages und Themas sollen hinsichtlich der anderen (variierenden) Komponenten verglichen werden. Dies ermöglicht erst eine s y s t e m a t i s c h e Vergleichsperspektive (vgl.u.1.1.) und eine exakte empirische Methode für die Analyse (der Variation) sprachlichen Verhaltens. Die kanonischen Teile S und L eines Zeitungsberichts sind nicht nur verbal und zugleich graphisch-visuell delimitierbar, sondern neben S sind L als V o r l a g e n ihrer Formulierung belegt, was für die Rekonstruktion des zu S führenden sprachlichen Verhaltens von entscheidender Bedeutung ist (vgl,u.Q.2. und 1,2.}.

Statt des Berichts über das Urteil im Angela-Davis-Prozess vom 4.6*1972 in Tageszeitungen vom 5.6.1972 hätten ebensogut die (am gleichen Tag in der amerikanischen Presse erscheinenden) Berichte über die B e e r d i g u n g des Herzogs von Windsor oder über eine Ö l p e s t an der kanadischen Westküste untersucht werden können. Der prinzipielle Ertrag für die soziolinguistische Analyse wäre der gleiche gewesen. Aus praktischen Gründen (der Gewährleistung eines wenigstens ca.30 Zeitungen umfassenden Korpus für Berichte zum gleichen Ereignis) und aufgrund der Tatsache, daß divergierende Leserreaktionen zu erwarten waren, empfahl sich der Angela-Davis-Bericht (vgl.u.2.1.-3,): Es handelte sich um eine 'brisante' Meldung über einen im Bewußtsein der amerikanischen Bevölkerung sehr unterschiedlich und kontrovers bewerteten Sachverhalt. So schien gewährleistet, daß in genügend Zeitungen eine relativ ausführliche und in der Gestaltung der Nachricht unterschiedliche Version gefunden werden konnte. Die Auswahl der Zeitungen erfolgte in erster Linie nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten, die ich 1972 in Kalifornien hatte.

0.2 Zielsetzung und zentrale Hypothesen

Wie kommen die Variationen der Textprodukte zustande (durch welches spezifische Zusammenwirken von Komponenten kann man sie adäquat erklären), und was bedeuten sie in dem konkreten Interaktionszusammenhang einer durch Zeitungstexte etablierten Kommunikationshandlung? Diese Zielsetzung impliziert die übergreifende Hypothese dieser Arbeit: Eine linguistische Untersuchungsperspektive ist zwar primär auf Texte ausgerichtet, auch eine linguistische Beschreibung muß jedoch die anderen (relevanten) Komponenten in Rechnung stellen, d.h, als n o t w e n d i g e n T e i l der Öeskription enthalten. Andernfalls i s t sie deskriptionsinadäquat.

Eine Theorie einer 'Zeitungskommunikationshandlung' (vgl.u.1.2) als Teiltheorie sprachlichen Verhaltens und eine Theorie der Schlagzeilenformulierung als Teiltheorie (der Senderhandlung) einer Zeitungskommunikationshandlung hat zwei weitere Postulate zu erfüllen: (1) Es gilt, die Dimensionen ^ ü b l i c h e n sprachlichen Verhaltens zu erfassen. ( 2 ) E s gilt, d i e p s y c h o l o g i s c h r e a l e n handlungen zu erfassen.

Einheiten der Teil-

Das alltägliche sprachliche Verhalten eines S-Autors ist durch die Maxime 'wie (in welcher Form X von S) bringe ich Meldung bzw.Information Y? 1 bestimmt. Für die Formulierung eines Lead zu einem Zeitungsbericht hat ein Journalist die bekannte Lasswellsche Formel Wer?Was?Wann?Wo?Warum?Wie? internalisiert (fortan die '6 Ws 1 ).

8

Es ist daher nicht von syntaktischen Kategorien auszugehen, sondern von solchen 'inhaltlichen', für die aufgrund textueller und äußerer Evidenz indiziert bzü,wahrscheinlich ist, daO es sich um psychologisch reale Kategorien der Senderhandlung handelt,

Ziel dieser Untersuchung ist, für einen kleinen Teilbereich einmal minutiös darzustellen, a/ie sprachliche Formulierung f u n k t i o n i e r t . Im einzelnen sollen die folgenden Hypothesen bewiesen werden! (1) Schlagzeilen und Leads von Zeitungsberichten werden nicht in 'freier Variation' formuliert. Forin und Inhalt einer S sind durch eine spezifische Menge textteilspezifisch-kategorischer und -kanonischer Regeln (vgl.u.3.1) autorunabhängig-überindividuell festgelegt und darüber hinaus von Form und Inhalt des L e a d , zu dem sie formuliert ist, strukturell abhängig, S sind also auf der Basis von L begrenzt vorhersagbar. Daraus, daß bereits für Form und Inhalt einer S eine solche regelhafte Bedingtheit nachweisbar ist, ergibt sich als methodische Konsequenz, daß S f v g l . o . ) nicht allein aufgrund von sich selbst beschrieben werden können, und, was noch wichtiger ist, daß es unempirisch oder unwissenschaftlich ist, ohne Ermittlung des systematischen Stellenwertes und der strukturellen Bedingtheit eines Textsegmentes ( z , B . eines Wortes) in diesem Sinne quasi 1 'stellenlesend' einzelnen Textelementen irgendwelche 'interpretatorischen Werte zuzuordnen ( z . B . hinsichtlich ihrer Persuasion auf Leser), Die avisierten textteilspezifischen Regularitäten für S und L - sie schließen solche der Varietät (Gumperz) und des Genre (Hymes) ein - wie z.B, die, daß in S eine Variation zwischen ANGELA/ANGELA DAVIS vorkommt, nicht aber in L, daß die S eines Berichts (im Unterschied zum Titel eines Editorial) nicht allein ANGELA (DAVIS) lauten kann, sondern minimal ANGELA DAVIS ACQUITTED lauten muß, daß in S, nicht aber in L inexpliziter Ausdruck (ANGELA DAVIS SIPS CHAMPAGNE) allein vorkommen kann, sind klärlich nicht deckungsgleich mit gewohnten grammatischen Regeln für das amerikanische Englisch bzw. amerikanische S, sondern gehen Über diese hinaus. Das gleiche gilt für Textkohärenzregeln der S:L-Relation, wie z.B. die, daß eine 'aktivische 1 S JURY FREES ANGELA DAVIS nur dann möglich ist, wenn der betreffende L ebenfalls 'aktivischen' Ausdruck (An all-white jury_acquitted Angela Davis) hat, nicht aber bei 'passivischem* (z.B.Black_ jnilitant Angela Davis was found innocent..., vgl .u.3.1.4,2], daß für das Lexem des Ausdrucks für den Freispruch in S:L teils als solches, teils zusammen mit der syntaktischen Konstruktion ein sehr feines Regelsystem besteht usw., Bestehen solcher 'eigener' Regelsysteme für S,L und S:L besagt, daß sie tnaterialiter* von syntaktisch-grammatischen verschieden sein k ö n n e n, aber nicht müssen. Allein deshalb ist eine 'zeichenlinguistische' Analyse allein inadäquat.

(2) über die in (1) genannten Regelhaftigkeiten hinaus lassen sich allgemeinere Gesetzmäßigkeiten der S-Formulierung nachweisen und inform von 'Formulierungsteilstrategien' (FTS) je für Form und Inhalt und für beide zusammen definieren. Die frappierendste Strategie ist zweifellos die der 'komplementären Nivellierung' (bezüglich Form und Inhalt einer S, vgl.u.3.2,1), insbesondere da sich dafür regelhafte Kovariation mit in der Leserrezeption empirisch nachweisbaren Persuasionsstrategien aufzeigen läßt.Contra-engagierte S des Korpus zeigen ein spezifisch verschiedenes 'FTS-Syndrom' gegenüber Pround 'Neutral'-engagierten, wenngleich keine notwendigen oder 1:1 Zuordnungen zwischen FTS und Persuasionsstrategien anzunehmen sind.

( 3 ) Zwischen d e n beiden semiotischen Dimensionen W o r t l a u t u n d A u f m a c h u n g einer S und analog zwischen den zu ihnen führenden Aktivitäten S-Formulierung u n d -Aufmachung bestehen g e s e t z m ä ß i g e Zusammenhänge, die sich inform regelhafter Kovariationsmuster exakt definieren lassen. S mit Implikatur (Typus ANGELA DAVIS SIPS CHAMPAGNE) sind an k l e i n.e Aufmachung gebunden, aber nicht umgekehrt (vgl,u,3.2.3). Die Kovariation kann dabei für jede der beiden Komponenten konstatiert werden, was methodisch von Bedeutung sein kann: S mit Implikatur = bestimmte (komplexe) Varianten verbaler Komponenten zeigen eine Restriktion hinsichtlich ihres graphisch-visuellen Vorkommensstatus, die auch für ihre Definition von Bedeutung ist.'Klein 1 aufgemachte S erlauben eine Variation zwischen Implikatur und explizitem Ausdruck,'groß' aufgemachte offenbar nicht.

Für S,L und die S:L-Relation lassen sich darüber hinaus Erscheinungen beobachten, die nicht im gleichen Sinn wie die obigen (soziolinguistischen) Regelstatus haben, gleichwohl jedoch die Unterscheidung _+ üblicher Senderverhaltenaweisen für dieses Korpus erlauben, Sie betreffen z.B. das grundsätzliche 'Informationsrepertoire' dieses Berichts und seine Proportion in den kanonischen Textteilen - die Informationsstruktur von S und L selbst ist strikt geregelt, vgl.u,3,l.l - bestimmte (durch das konkrete Berichtthema motivierte) etablierte Arten der Informationsgebung (z.B. Generierung eines inhaltlichen Kontrasts in L durch Begriffe für den Freispruch einerseits und Ausdrücke wie black_roilj.taj3^ andererseits), die (durch handwerkliche journalistische Anweisungen bedingte) Bevorzugung aktivischer Ausdrucksweise in L in amerikanischen T Z u . ä ,

(5) In dieser Untersuchung werden einige qualitative Aussagen über S von (amerikanischen) Zeitungsberichten gewonnen bzw.bestätigt, die für eine Interpretation in größerem Zusammenhang relevant sind. Sie sind hier jedoch eher ein Beiprodukt. Die bezeichnendste ist vielleicht die Bestätigung für 'double talk' in S, daß also in großen, nicht an spezifisch selektierte Leserschaften adressierten Tageszeitungen die Tendenz besteht, persuasiv nicht (ein)eindeutige Formulierungen im Sinne eines Identifikationsangebots für möglichst viele Leser zu wählen.

10

Die Frage der Generalisierbarkeit der anhand dieses Korpus gewonnenen Ergebnisse ist theoretisch in 1,1 erörtert. Hier mag der Hinweis genügen, daß in einer (parallel angelegten) Nachfolgeuntersuchung über 50 Berichte in deutschen Tageszeitungen eine a u s n a h m s l o s e Bestätigung der strukturellen Aussagen über S, L und die S:L-Relation in (l)-(5) sowie w e i t g e h e n d e Übereinstimmung für die in (4) und (5) genannten und ihnen ähnliche 'materielle' Merkmalausprägungen nachgewiesen wurde (vgl.auch 4.). Das verbale Verhalten 'S-Formulierung zu Zeitungsberichten' ist bei amerikanischen und deutschen TZ-Journalisten nicht nur nicht grundsätzlich verschieden, sondern nachweislich strukturell i d e n t i s c h und in vielen Merkmalen von Strategien (z.B. der Rolle von Implikaturen bei der S-Formulierung) i m D e t a i l k o n g r u e n t ( v g l , K n i f f k a 1979, im Erscheinen und u.3.2.1).

Schließlich ist darauf zu verweisen, was diese Untersuchung n i c h t

will:

(1) Als Linguist ist man p r i m ä r mit Kommunikationshandlungen unter dem Aspekt des verwendeten Zeicheninventars befaßt {vgl.o.). Aussagen über die publizistischen Einheiten, Daten von Zeitungen, Leserpopulationen usw. werden hier nur nach Maßgabe ihres soziolinguistischen Erklärungswertes berücksichtigt. Diese Einschränkung ist im Sinne der Fragestellung legitim und aus praktischen Gründen geboten. Im Sinne Labov's 'kumulativen Prinzips' habe ich Wert darauf gelegt, die wichtigsten publizistischen Daten der Zeitungen in Rechnung zu stellen {vgl.u.2.1-2.2}, wäre im übrigen aber zufrieden damit, wenn Vertreter der Massenkomrcunikationsforschung, der publizistischen Wirkungsforschung, Leserschaftsforschung und benachbarter Wissenschaften sagen würden, daß nach dieser Analyse des Korpus durch den Linguisten ihre Arbeit erst anfängt, (2} In einer Pilotstudie über S- und L-Formulierung, die Konzeptualisierung und Hypothesengewinnung für einen linguistisch bisher nicht systematisch erforschten Bereich leisten 1 will, kann nicht als Ziel angestrebt werden, statistisch 'repräsentative Ergebnisse zu gewinnen (vgl. auch u.1.1). Die Verwendung deskriptiv- und inferenzstatistischer Verfahren in der Soziolinguistik ist m.E, ein großer Gewinn, Dies jedoch nur dann, wenn die Gewinnung spezifizierter Hypothesen einen gewissen Stand erreicht hat, wenn Klarheit darüber besteht, welche Variablen überhaupt infragekommen, welche Fragestellungen möglich, nützlich für linguistisches Erklärungsinteresse und für eine statistische Überprüfung geeignet sind, Ohne eine genaue systematische Analyse des Stellenwerts einer Variablen im gesamten Rahmen der anderen irgendein Merkmal heuristisch auszuwählen und bei einer Vielzahl von Lesern zu messen,hieße den zweiten Schritt vor dem ersten tun. Die exakte Angabe von Häufigkeitsverteilungen k a n n in der Linguistik sehr sinnvoll sein, sie ist jedoch kein Selbstwert und nicht die einzig mögliche Dimension sinnvoller Aussagen.Eine nießtheoretische ersetzt nicht eine linguistische Fragestellung.

11

Irgendein Anspruch auf statistische Repräsentativität der Ergebnisse für die Zeitungen oder die Leserrezeptionen, oder gar alle Tageszeitungen bzw.Zeitungsleser in den USA wird selbstverständlich nicht erhoben. Dies wäre bei einem Sample von 30 von insgesamt etwa 1900 Tageszeitungen in den USA, das zudem nicht nach strengen Gesichtspunkten einer Zufallsstichprobe gewonnen ist, auch nachgerade absurd. (3) Diese Arbeit will insbesondere keine interpretatorischen Aussagen machen wie etwa 'Wort in Text y manipuliert in dieser oder jener Weise', 'Zeitung a zeigt mit der Wortwahl b diese oder jene Manipulation'» Sie will weder Beispiele für 'Manipulation' liefern noch feststellen, was diese eigentlich ist. Sie will vielmehr nachweisen ( s , o , ( l ) , S , 8 ) , daß diese Redeweisen linguistisch wissenschaftlich irrelevant bzw. unwissenschaftlich sind, Die Darstellung ist ude folgt gegliedert: Kap. l (Theoretischer Rahmen und Hodellperspektiven) wird in 1.1 eine kurze Charakteristik des Stands der Schlagzeilenforschung und allgemeiner Merkmale einer soziolinguistischen Theorie gegeben. In 1.2. u/ird nach einer Klassifikation von Kommunikationshandlungen eine Definition einer Zeitungskommunikationshandlung erarbeitet und im Anschluß an eine Skizze von Komponcntenmodellen der Ethnographie der Kommunikation ein solches f ü r eine ZKH entworfen. Wichtig ist dabei nicht nur die systematische Definition von Komponenten einer ZKH und zwischen ihnen bestehenden 'Interrelationen' und von 'Instanzen' (einer Komponente) und zwischen ihnen bestehenden ' R e l a t i o n e n ' , sondern vor allern die Reduktion auf vier Komponenten(bereiche) - textinterne, textexterne, textphänotypische und textanalytische (leserorientierte), vgl.u.0.3, - die die Grobgliederung für die folgenden Kapitel abgibt ( v g l . u . ) · In 1.3 werden die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Beschreibung der S-Formulierung diskutiert, der Status einer 'systematischen' und einer 'zeichenlinguistischen 1 Textanalyse und der von soziolinguistischen 'Sequenz-', 'Kookkurrenz-' und 'Alternationsregeln' (in modifizierter Version gegenüber Ervin-Tripp 1967j1972) modelliert. Kap.2 (Korpus und Methode der Analyse) enthält in 2.1 Bemerkungen zur Fieldworkund Observer-'Situation,2,2 die Primärkorpora (S- und L - ' U r l i s t e n ' , auf die immer wieder verwiesen wird),Ferner wird eine Systematisierung und Problematisierung hinsichtlich textexterner und -phänotypischer Instanzen versucht. In 2.3 wird eine Diskussion der verwendeten Erhebungstechniken und Analysemethoden und eine (ausschnitthafte) Darstellung einiger systematischer, halbsystematischer und nicht-systematischer Befragungen (Tests und Interviews) zur Gewinnung textanalytischer Daten von Lesern gegeben, K a p . 3 enthält die zentrale soziolinguistische Auswertung textinterner Daten für S und L (3.1). In 3.1.1-3.1.3 u/erden zunächst die R e g u l a r i t ä t e n der Komponente Mitteilungsinhalt, in 3.1.4 die der Mitteilungsform dargestellt. 3.1.5 hat den 'Informationsdiskurs 1 in L und seine Auswirkungen auf S zum Gegenstand, Kap.3.2 bietet eine systematische Darstellung von Komponenteninterrelationen {3.2.1 unter dem Gesichtspunkt von Schlagzeilen zu sender- und textidentischem L, 3.2.2, bezüglich Interrelationen textinterner und textanalytischer, 3.2.3.textinterner und textphänotypischer). In 3.2.4 wird ein ( k u r z e r ) Ausblick auf aus dieser Analyse resultierende 'Ausgangspositionen' f ü r eine übergreifende Interpretation von ZKH-Exemplaren gegeben.

12 0.3

Abkürzungen, Schreibweise und Definitionen (Auswahl)

AD FTS S-FTS HS US L S TZ WZ

Angela Dayis Formulierungsteilstrategie Formulierungsteilstrategie f ü r eine Schlagzeile HAUPTSCHLAGZEILE (in K a p i t ä l c h e n ) Unter- bzw-Überschlagzeile ( ' k i c k e r - 1 b z w . ' d e c k - 1 headline; 'Demonstrativzeile* b z w . ' U n t e r z e i l e ' , v g l . u . 2 . 2 . ) Lead, 'Vorspann' eines Zeitungsberichts (Gesamt-)Schlagzeile eines Berichts Tageszeitung Wochenzeitung (Wochcnmagazin u . a . )

IE

Informationselement (vgi.u.3.l.l}

W ZKH

W-Frageelement der Lasswellschen Formel (Wer?Was?Wann?Wo?Warutn?Wie?) Zeitungskommunikationshandlung (Zeitungsbericht in Zeitung X = Exemplar einer ZKH) zentrale Proposition (eines L und eines Berichts; h i e r ; ' F r e i s p r u c h ' f ü r Angela Davis) 'Kommunikative I m p l i k a t u r 1 ; für Ausdruck, der qua Vorkommensstatus (d.h. ausschließlich in HS dieses Berichts) 'Freispruch' implizieren Cimplikatieren') kann ( z . B . A D CELEBRATES AFTER VERDICT)

zP KI

VP Versuchspersonen (befragte Leser); VP-A, VP-8,...^einzelne Leser VPIG 'Versuchspersonenintensivgruppe 1 ( v g l . u . 2 , 3 ) Testwerte (in KAPITÄLCHEN) für persuasive Werte von 5 und L: E EMOTIONAL (sensationell, emotional) F FACTUAL (sachlich, faktisch-nüchtern) P PRO (Einstellung zum Urteil) C CONTRA ( " " "} P/C als PRO oder CONTRA verstehbare (Formulierung in) S, L N NEUTRAL (keine der drei Persuasionen P,C, P/C wird im Text vermittelt) Einzelne Abkürzungen in Tabellen für syntaktische Kategorien, Relationen und Merkmalausprägungen sind in diesen und im Text der betreffenden Kapitel {vgl.u, 3.1.4.2 und 3.1,4.3) erläutert.

Schreibweise Textbeispiele aus HS werden in Kapitälchen, alle anderen durch Unterstreichung repräsentiert. Mit werden nicht nur ungrammatische, sondern auch in 5, L nicht belegte und aufgrund der Analyse als in S,L u n ü b l i c h wahrscheinliche Formen gekennzeichnet. Originalkommentare von UP werden in /.../ eingeschlossen.

1 2

Teils auch 'Dachzeile' genannt. Es handelt sich um eine abkürzende Redeweise: Hier interessieren nur die eine Implikatur vermittelnden A u s d r ü c k e tur S'Freispruch 1 ) selbst, v g l . u , 3 , l , 4 , 2 .

i n H S , nicht d i e Implika-

13

Liste von Definitionen

Zeitungskommunikationshandlung ( Z K H ) : Mit Hilfe von Zeitungstexten etablierte e i n e m Thema/Ereignis geltende Kommunikationshandlung (mit d e n Merkmalen der Massenmedienkommunikation), die als spezifisches Zusammenwirken ' t e x t i n t e r n e r 1 , ' t e x t e x t e r n e r 1 , 'textphänotypischer 1 und 'textanalytischer 1 Komponenten zu beschreiben ist ( S . 2 9 f f . ) ; 'Komponenten einer Z K H 1 sind nach der Konzeption der 'Ethnographie der Kommunikation' (Gumperz/ Hymes 1972) modelliert textinterne Komponenten: M i t t e i l u n g s f o r m , ( o f f e n b a r e r ) Hitteilungsinhalt, Genre (Hymes 1972,65); verbale Mittel (35, 178ff.) textexterne Komponenten: O r t , Zeit, Sender, Leser, K a n a l , Setting ( S . 5 8 f f . ) textanalytische Komponenten: durch systematische Befragung/experimentell ermittelte Daten der Leserrezeption des perlokutiven E f f e k t s , der Persuasion von Zeitungstexten; Leserbeiifertung von Texten im Experiment (im Unterschied zur originalen Rezeption am 5.6.72) ( 5 , 9 5 f f . ) textphänotypische Komponenten: Gesamtheit der graphisch-drucktechnischen Gestaltung eines Zeitungsberichts (Aufmachung einer 5, Plazierung des Berichts auf einer Zeitungsseite, in einer Zeitung, textbegleitende Fotographien u . a . ) ( S . 8 4 f f . ) Komponenten einer Z K H : systematische Perspektiven der Beschreibung und Erk l ä r u n g einer ZKH oder Teilhandlung einer ZKH ( S . 3 2 f F . ) Instanzen einer Komponente: nächstniedere, prinzipiell selbständig variable Größen einer Komponente (z.8.Ortsinstanzen- Ort des berichteten Ereignisses, des Agenturkorrespondenten, der Zeitungsredaktion, des Erscheinensortes der Zeitung, des Lesers) ( S . 3 2 f f . ) Interrelationen: Beziehungen zwischen Komponenten oder Instanzen verschiedener Komponenten einer ZKH (z.B.zwischen W o r t l a u t und Aufmachung einer S) Relationen: Beziehungen zu/ischen Instanzen e i n e r Komponente ( S . 3 2 f f . ) Teilhandlungen einer ZKH: Senderhandlung und Leserhandlung (S.38, 6 2 f f . ) Teilhandlungen der Senderhandlung; Formulierung und Aufmachung eines Berichts und einer S ( S . A O f f . , S . 2 8 4 f f . ) Textprodukt: fertiger Text auf einer Zeitungsseite als Produkt der Senderhandlung und Gegenstand der Leserhandlung 3 kanonische Textteile: Schlagzeile, Lead ( ' V o r s p a n n ' ) und 'Body' (auf den Lead folgender eigentlicher T e x t ) eines Zeitungsberichts S:L-Relation: Textkohärenzrelation Schlagzeile:Lead (Abfolge in Senderhandlung verschieden von der im Textprodukt) i 3 ß f f . , 1 3 4 f f . , 1 9 0 f f . , 2 3 ü f f . , 2 8 4 f f . ) soziolinguistische Regeln: Sequenz- ( S q - ) , Kookkurrenz-(Co-) und Alternations(Al-)Regeln in einer adaptierten Version der Konzeption von Eruin-Tripp 1969 ( S . 4 8 f f . ) Sq-Regeln: Beschreibung v o n Regularitäten einer Instanz z w i s c h e n Textteilen, z.B. in 3:1 Co-Regeln: Beschreibung intratextteilspezifischer Regularitäten für zwei oder mehr Instanzen AI-Regeln: Beschreibung von Regularitäten f ü r S-Alternatiuen zu textidentischem Lead S-Formulierungsprinzipien: allgemeine(re) zugrundeliegende Gesetzlichkeit der verbalen A k t i v i t ä t Schlagzeilenformulierung ( S . 2 8 7 f f . ) S-Formulierungsstrategien: sprachlich-kognitive Mechanismen der S-Fortnulierung im Hinblick auf die sprachlichen Ausprägungen, darunter die psychologisch realen Formulierungsstrategien für Schlagzeilen ( S « 2 8 7 f f . , 2 9 6 f f , ) P r o f i l f o r m e l eines ZKH-Exemplars: Schematische Darstellung der die I n d i v i d u a l i tät eines ZKH-Exemplars ausmachenden Komponentenbefunde ( S . 3 2 6 f f . )

1. THEORETISCHER RAHMEN UND MODELLPERSPEKTIVEN

1.1

Farschungsstand und Prolegomena einer Theoriekonzeption

Eine Forschungsgeschichte zu dem in 0.1 erörterten Untersuchungsziel und zu der in 0.2 formulierten Fragestellung existiert meines Wissens nicht. Weder weisen Untersuchungen über den Beschreibungsgegenstand (S und L von Tageszeitungsberichten) eine vergleichbare Fragestellung oder eine empirische soziolinguistische

Dimension

a u f , noch haben andererseits empirische sozio-

linguistische Arbeiten (sei es der Ethnographie der Kommunikation, sei es anderer Ausrichtung), soweit ich sehe, Zeitungskarnmunikation (und schriftliche Kommunikation überhaupt) zum Gegenstand. * Während die letzteren vielfach m e t h o d i s c h von Aufschluß sind, sind erstere - mit Unterschieden im einzelnen - diesbezüglich eher negativ,Damit soll die Brauchbarkeit eroterer für andere Erklärungsinteressen und auch die Tatsache, daß sie diverse

richtige Beobachtungen enthalten» nicht global in

Abrede gestellt werden. Für die hier vorliegende Fragestellung - welche strukturelle Bedingtheit besteht für das zu S und L von Zeitungsberichten führende sprachliche Verhalten - kann ich mich jedoch allein auf letztere als Vorarbeiten im weiteren Sinne berufen. Der hier relevante Forschungsstand ist der der neueren Soziolinguistik (vorwiegend in den USA, vgl.u.1.2).

1.1.1

Stand der Schlagzeilenforschung

Eine der bekanntesten und umfangreichsten Arbeiten über die Schlagzeile aus neuerer Zeit ist Sandig 1971. Da sie in vieler Hinsicht als typisch für die (nicht-sozialinguistische) Schlagzeilenforschung gelten kann und den derzeitigen Forschungsstand recht gut widerspiegelt, sei sie hier stellvertretend für andere Arbeiten besprochen. Der Vollständigkeit wegen ist darauf hinzuweisen, daß Vf. in neueren l

Zu Wallace 1977 vgl.u.Anm.3.

Arbeiten (Sandig 1972a, 1972b, 1973 u . a . ) zwar ihren 'theoretischen Standort' weitgehend modifiziert (vorwiegend im Anschluß an die Pragmatik), eine grundsätzliche Revision der Ergebnisse (von Sandig 1971) aber tn,W. nicht vorgenommen hat und auch in neueren Arbeiten - wiederum typisch für einen Großteil der neueren Literatur zur Schlagzeile, 'Zeitungssprache 1 u.a. - keinen grundsätzlich anderen Ansatz der empirischen Methode zeigt. Sandig 1971 beteuert zwar mehrfach, daß eine "syntaktische Typologie der Schlagzeile" nicht genügt, erörtert bei den "Voraussetzungen für eine Klassifizierung von Schlagzeilen nach syntaktischen Typen" zum Schluß (S.53-59) auch summarisch "Die für Schlagzeilen typische Komnaunikationssituation" und stellt "Überlegungen zur Transformationsmethode und zu einer Theorie situationsgebundener Sprache" {auf eineinhalb Seiten) an, gibt dann jedoch, ohne daß den genannten Voraussetzungen in irgendeiner systematischen Weise Rechnung getragen würde, eine "syntaktische Klassifizierung von Schlagzeilen nach Gesichtspunkten der Sprachökonomie"(S,60-120). Wenn man die Arbeit an ihrem Titel und ihrer Zeit mißt - freilich liegen {spätestens} seit Mitte bzw.Ende der sechziger Jahre relevante Untersuchungen von Soziolinguistik und Pragmatik vor - und anerkennt, daß sowohl die Beschäftigung mit dem Thema wie auch einige Beobachtungen verdienstvoll sind, bleibt die genannte Diskrepanz in der Gesamtkonzeption ungelöst, ist das Fehlen einer empirischen Analysemethode zu beklagen und ein Teil der Ergebnisse höchst fragwürdig bzw, unhaltbar. Die schiere Aufzählung kommunikativer Faktoren ohne Analyse ihres gesetzmäßigen Zusammenwirkens und sich daraus u.a. auch für die Syntax von S ergebender Konsequenzen erübrigt sich. Wären wesentliche kommunikative Faktoren (und z,B.auch textsortenspezifische Kriterien, vgl.u,) systematisch berücksichtigt worden, sähe die syntaktische Klassifikation anders aus. Die Klassifizierung so vieler und so heterogener Schlagzeilen erweckt ein wenig, um ein bekanntes Bild zu gebrauchen, den Eindruck einer Klassifikation von.Münzen nach ihrem Helligkeitsgrad (genauer: diversen impressionistischen Auffassungen von Heliigkeitsgraden) statt nach ihrem Nennwert, von der theoretischen Definition und empirischen Zuordnung der Klassen ganz abgesehen. Welchen Aussagewert für die Linguistik viele Feststellungen haben, ist mir nicht ersichtlich.Dies mag ein Zitat eines Textpassus verdeutlichen. Im Zusammenhang mit der diachronen Entwicklung deutscher Schlagzeilen wird festgestellt (S.155): "1945 sind im Vergleich1 zur heutigen Situation und auch im Vergleich zum 'Völkischen Beobachter von 1935 noch immer wenige Verbalsätze zu finden. Vor allem die 'Frankfurter Rundschau 1 tendiert zu lapidaren hinweisenden Themaüberschriften. Insofern bestätigt sich die von Mahin und Straumann festgestellte Beruhigung in Nachkriegszeiten auch hier, zwar nicht in einem Rückgang der Überschriften überhaupt, wie es in England und den USA in früherer Zeit geschah, aber in der teilweisen Rückkehr zu älteren, gemäßigteren Mustern." Abgesehen von der sachlichen Richtigkeit der publizistischen Daten - kein Zeitungswissenschaftler wurde über 40 Jahre alte Angaben über Zeitungen

16

unbesehen übernehmen - und davon, daß wenige Seiten zuvor (S.132,Anm,1} Straumann 1935 gerade gescholten wurde ("...vermischt Synchronie und Diachronie, und dies, obwohl er de Saussure k e n n t " ) , ist die Interpretation inform der Gleichung "wenige Verbalsätze" = "Tendenz zu lapidaren hinweisenden Themaüberschriften" (in e i n e r Zeitung) = "Beruhigung in Nachkriegszeiten" ( ! ) = "teilweise Rückkehr zu älteren, gemäßigteren Mustern" in. sich widersprüchlich, inhaltlich doch wohl zu einfach und - insgesamt mystisch. Dazu kommt, daß nicht mit einem Wort erläutert wird, wie diese Daten gewonnen und gemessen wurden (dem Quellenverzeichnis 5.172 ist lediglich zu entnehmen, daß dieser Aussage insgesamt 4 ( ! ) Ausgaben der Frankfurter Rundschau für 1945 zugrundeliegen). Es handelt sich also um impressionistische, nicht um reliable und valide empirische Daten. Einige Bemerkungen zu den "Ergebnissen" (S,158f.); Vf. unterscheidet Zeitungsüberschriften "nach der Kommunikationsfunktion" in "Überschriftsätze" und "Überschriften ohne Satzwert UThemaüberschriften)", bei ersteren "einerseits Verbalsätze als Kurz- oder Vollsätze und andererseits Nominalsätze." "Nominalsätze" (verschiedener Untertypen) sind laut Vf. z.B. Blau-gel r ber__2usammen_stoß ( S , 9 3 ) , Rekordhaushalt der USA (S. 95), Hixon als Fr äs id en tschaftskand idat ( S . 9 6 ) , Bollwerk Milch E S . 9 6 ) , Pas_s^ejrschei.^-Verhandlung (S.96), Zwei Autos und ejLn_Jtoftor (S.101). "Themaüberschriften" seien dagegen z.B.

Mejürre (3,106), jjoc_hge_sj3i_e_l_t (S.106), Q und X (S.106) .sowie die "anregenden Hauptzeilen" in einer zweizeiligen Überschrift {5,1063 Zwischen Bangkok und Rio de Janeiro H-U--Fi_stellt sein neues Flugprogramrn vor (S. 106) Karikatur und _Ti_ef sinn Saul Steinberga Zeichnungen und^ Collagen der letzten, Jahre in_ Hamburg (3.106) Diese wenigen Beispiele zeigen, daß die Klassifikation (zumindest) sehr schwammig ist: Warum (syntaktisch) erstere (im einzelnen unterschiedlich) nicht auch als "Überschriften ohne Satzwert", einige der letzteren nicht auch als "Nominalsätze" im gleichen Sinne wie erstere klassifizierbar sind, ist nicht ersichtlich (ein Eingehen auf weitere sich aufdrängende syntaktische Fragen erspare ich mir h i e r ) . Die Formulierung "nach der Kommunikationsfunktion" scheint auf den ersten Blick eine richtige(bzw. mögliche) Erklärung zu implizieren, insbesondere wenn man sie im Zusammenhang mit der S.106 erwähnten (zutreffenden) Verbindung mit Textsorten versteht. Betrachtet man die Definition einer "Kommunikationsfunktion" jedoch genauer, so verfliegt die erhoffte Klarheit sofort: (S,106)"Die Funktion von Themaüberschriften ist es nicht, kurze Vorinformation zu sein, sondern entweder a n r e g e n d durch Rätselhaftigkeit oder o r i e n t i e r e n d durch Kürze ohne Satzcharakter z u wirken. Rätselhafte Überschriften und solche, die nicht aus sich allein verständlich sind, sollen einen ohnehin lesewilligen Leser zur Lektüre eines Kommentars oder einer Glosse a n r e g e n . "

17

Auch dieses Zitat ist nicht allein für diese Arbeit, sondern für eine (-sich selbst möglicherweise als 'soziolinguistisch' verstehende) Literatur zum Thema insgesamt typisch, was den empirisch-methodischen Ansatz und den Argumentationsgang betrifft. Warum die Überschrift eines Zeitungskommentars/-leitartikels oder einer Glosse einen Leser zu seiner Lektüre anregt/anregen soll, die eines Zeitungsberichts dagegen nicht, ist schlechterdings unerfindlich. Alles, was man überhaupt über die 'Funktion' einer Überschrift gesichert aussagen kann ( v g l . u . ) , ist, daß sie eben dies tut. Woher bezieht Vf, die Einsicht, daß ein Leser eines Kommentars oder einer Glosse "ohnehin lesewillig" ist ( W . B . der eines Zeitungsberichts offenbar nicht, oder nicht im gleichen Maße}? Ist nicht viel wahrscheinlicher, daß ein Leser gerade a u f g r u n d einer Schlagzeile (gleichgültig wozu) über seine Lesewilligkeit hinsichtlich des weiteren Texts entscheidet und ist dies nicht / u . a . ) gerade auch der Sinn der graphischen Distinktion^die eine S bietet? 2 Ist die (zutreffende) größere Kürze von Kommentarüberschriften (relativ zu S von Berichten, vgl.o.0.2) statt aus intendierter "Rätselhaftigkeit" nicht viel eher aus der Tatsache zu erklären, daß Kommentare k o n k o m i t a n t e Texte zu Berichten (nicht selten auf der gleichen Zeitungsseite) sind? Zeigt sich nicht darin gerade die von Vf.so häufig - in ihrer Ausschließlichkeit wohl unzutreffend - bemühte Tendenz zur "Sprachökonomie"(vgl,u,)? Wie steht es schließlich mit der Definition der verwendeten Kriterien als solcher? Was sind "rätselhafte", was "nicht aus sich allein verständliche" bzw. nicht-rätselhafte und aus sich allein verständliche Überschriften/ Schlagzeilen? Eine "Themaüberschrift" Die Dürre (FAZ 1968) und ein "Überschriftsatz" Bollwerk Milch oder Zwei Autos und ein Hoftor (beide aus der Rhein-NeckarZeitung 1966) sind für einen heutigen Leser, der nicht zufällig in Heidelberg wohnte und sich daran erinnert, eindeutig nicht einmal graduell hinsichtlich der genannten Kriterien irgendwie verschieden. Schon der Kontext in einem Buch 1971 macht sie exakt gleich rätselhaft und aus sich allein (un)verständlich, was schlagend zeigt, daß es sich schon gar nicht um s y n t a k t i s c h bedingte Verständlichkeit/Unverständlichkeit handeln kann, sondern allein durch die 'komplexe Voraussetzungssituation' (S.J.Schmidt) des Rezipienten bedingte,. Es hat den Anschein, als ob hier Vorinformiertheit und Lesewilligkeit des Lesers, syntaktische und 'informationeile'(vgl.o. "orientierend durch Kürze ohne Satzcharakter"), grammatische und kommunikative, textsortenspezifische und 'persuasive' Kategorien und Bedingtheiten jeweils miteinander verwechselt und insgesamt untereinander vermengt in einen Topf geworfen so etwas wie "Kommunikationsfunktion" ergeben, was dann seinerseits in den Rang eines Klassifikationskriteriums erhoben wird. Dies gilt im Prinzip auch für L (vgl,Carstensen 1971:34f.), der üblicherweise in Druck und Spalteneinteilung vom folgenden Text abweicht (vgl.u,2.2 und 3.1.5).

18

Das von Vf. (3,107) zitierte Beispiel Löwe irn^ Rückwärtsgang (KommentarÜberschrift) neben Manöver 'Schwarzer Löwe* soll verschoben werden ("Nachrichtenüberschrift 11 ) in derselben Ausgabe und parallele Beispiele hätten als Indiz dafür gewertet werden können, daß es sich um einen klassenhaften textsortenspezifischen Unterschied von Kommentar vs.Bericht einschließlich seiner S bzwseines Titels handelt: Er besteht (unter anderem) darin (vgl.u.3.1.2 und 3.1.M, daß die S eines Berichts ein 'assertierendes' Element enthalten muß, ein Kommentartitel nicht (in dem von mir für deutsche TZ untersuchten Korpus sind1 alle Berichte über die Terroristenfestnahme mit einer 'zweigliedrigen S des Typus (MUTMASSLICHE) BUBÄCK-MÖRDER FESTGENOMMEN versehen, alle Kommentare zu diesem Thema «eingliedrig1 wie TRIUMPH?, GEFASST u . a . ) . Wo Vf. eine "Rätselhaftigkeit" als Funktion bemüht, liegt also in Wirklichkeit ein relativ simpler an die spezifische Kommunikationssituation, die eine Zeitungsseite etabliert, gebundener Textsortenunterschied vor. Es verwundert dann nicht mehr, daß es in der Zusammenfassung (S.158) heißt "Themaüberschriften zeigen ein anderes sprachökonomisches Verfahren", vorher (5,107, bezogen auf "Themaüberschriften"wie Die Dürre) "Diese Art von Überschriften steht außerhalb sprachökonomischer Tendenzen." Daß die Feststellung am Ende des Buches (S.159) "Fehler, d.h. Abweichungen vom üblichen, die als ungrammatisch anzusehen sind, kommen in Schlagzeilen nicht vor: Es gibt keine 'Semi-Sentences' im Sinne von Katz" zumindest problematisch in ihrem Inhalt ist, hätte Vf, bereits ihrem eigenen und dem bei Straumann 1935 und Warren 1959 untersuchten Material entnehmen können. Daß eine adäquate Aussage überhaupt nur möglich ist, indem eine Problematisierung hinsichtlich (a) des(im allgemeinen Sprachgebrauch) üblichen und ( b ) des in S c h l a g z e i l e n Üblichen vorgenommen wird, wird in 3.1.4,3 zu zeigen sein.

Der Hauptunterschied der vorliegenden Untersuchung gegenüber der bisherigen Schiagzeilenforschung, f ü r die Sandig 1971 nicht das schlechteste Beispiel ist, laßt sich in drei Punkten zusammenfassen: 1. Ohne ein tertium comparationis, ohne eine systematische Vergleichsperspektive wie z.B. Berichte gleichen Themas bekommt man die Dimension sprachlicher Variation, um die es sich in einer S handelt und die zwischen verschiedenen S besteht, nicht in den Griff. 2. Wenn S allein aus sich selbst beschrieben u/erden, ist lediglich 'freie Variation' feststellbar. Bei Einbeziehung der zugrundeliegenden L ist die S-Variation hingegen als regelhaft nachweisbar. 3. Eine systematische Analyse der S:L-Relation erlaubt die Rekonstruktion von Einheiten und Regeln des zu 5 führenden sprachlichen V e r h a l t e n s .

19

Methodisch setzt also 2. die unter 1.genannte Perspektive, 3, die unter 1. und 2. genannten voraus. Allgemeiner: Eine Beschreibung von 'sprachlichem Verhalten im sozialen Kontext 1 setzt dessen genaue Analyse voraus.

1.1,2. Prolegomena einer soziolinguistischen Theorie sprachlichen Verhaltens Es ist unrealistisch, wenn nicht unmöglich beim derzeitigen Forschungsstand, eine 'Gesamttheorie sprachlichen Verhaltens' zu konzipieren. Sprachliches Verhalten ist erst seit relativ kurzer Zeit überhaupt Gegenstand systematischer sprachwissenschaftlicher Forschung, sei es als 'Performanztheorie', als 'integrierte soziolinguistische Beschreibungstheorie' (Hymes 1967) oder als 'Sprachhandlungstheorie, in der linguistische GröQen nicht nur mit außerlinguistischen Größen korreliert werden, sondern als Größen verstanden werden, die einen Handlungskontext sowohl voraussetzen wie auch verändern 11 (Wunderlich 1972b:298). Daraus sind zwei (im engeren Sinn) theoretische und eine methodische Konsequenz abzuleiten; (1) Es wird nur möglich sein, Theorien für spezielle T e i l b e r e i c h e Auf den Aufsatz von W.D.Wallace, 1977, How Registers Register: A Study in the Language of Mews and Sports, in: Studies in the Linguistic Sciences, Vol.7,1977, 46-78 bin ich erst nach Abschluß des Manuskripts aufmerksam geworden. Wallace 1977 bietet zwar eine systematische soziolinguistische Analyse (im Hahmen der Firth-Halliday-Tradition) und saubere empirische Methode, berücksichtigt jedoch nicht sprachliches Verhalten als Erklärungsperspektive für die Variation der Textprodukte. Materialiter handelt es sich um eine Kontrastierung der beiden 'Register' (politische) Nachrichten vs. Sportnachrichten, untersucht an ca.je 10 Textbeispielen für beide aus je 5 Ausgaben von zwei US-amerikanischen TZ, CHICAGO TRIBÜNE und CHAMPAIGN-URBANA-COURIER,Gemessen werden "non-quantitative features" (wie z.B. "adding of color", 'Würzen' einer Nachricht) und "quantitative features" ( z , B , Anzahl der Sätze pro Zeile, Anzahl von Passivkonstruktionen) . Das Untersuchungsziel dieses Aufsatzes ist von dem hier gewählten sehr verschieden, nicht wenige Ergebnisse ( z , B , für den Aufbau eines Zeitungsberichts und professionelle Maximen amerikanischer Zeltungsredaktionen) jedoch parallel, Die Abhängigkeit der S von L ist jedoch nicht erkannt t und so begrüßenswert grundsätzlich das Ausgehen von exakt gemessenen textuellen Größen ist, bleibt ra.E. die Insuffizienz der Erklärung allein durch 'statische r Merkmale von Textprodukten offenkundig.

20

sprachlichen Verhaltens zu entwerfen. In dieser Arbeit werden Bausteine einer linguistischen Theorie einer ZKH gewonnen, genauer einer Theorie der Senderhandlung als Teilhandlung einer ZKH. Sie ist durch eine Theorie der Leserhandlung zu ergänzen, zu der andere Wissenschaften (publizistische Wirkungsr forschung, literaturwissenschaftliche Rezeptionsforschung) Bausteine zur Verfügung stellen. Genau genommen .muß man won zwei Teiltheorien der Senderhandlung entsprechend zwei aufeinander bezogenen Teilhandlungen (S-Formulierung und-Aufmachung) ausgehen. (2) Die in den Kapp. 2 und 3 analysierten Tatbestände enthalten empirische Indikatoren dafür, daß die in der Linguistik eingebürgerten Theoriekonstrukte, d i e primär durch d e n Begriff G r a m m a t i k t h e o r i e konstituiert sind, für eine Teiltheorie sprachlichen Verhaltens und seiner psychologisch realen Einheiten zu modifizieren, z.T. grundsätzlich zu überdenken sind, Dies betrifft vor allem den G e l t u n g s b e r e i c h der Theorie. Eine empirische linguistische Teiltheorie sprachlichen Verhaltens scheint derzeit nur als eine 'Theorie mittlerer Reichweite 1 (Middle Range Theory, Merton 1965) konzipierbar. Damit werden in der empirischen Sozialforschung Theorien gekennzeichnet, "die ihrem Geltungsumfang nach mehr als nur erklärende Aussagen über e i n z e l n e , raum-zeitlicn eng begrenzte empirische Regelmäßigkeiten versuchen, die andererseits aber keine umfassenden, komplexen gesellschaftlichen Totaltheorien sind"(Hartfiel 1976:665). (3) Aus (1) und (2) und aus der Tatsache, daß keine empirischen Vorarbeiten zur Verfügung stehen, ergibt sich, daß ein Katalog r e l e v a n t e r B e s c h r e i b u n g s- u n d E r k l ä r u n g s k a t e g o r i e n erst E r g e b n i s einer empirischen Analyse sein kann (und nicht wie in grammatiktheoretischen Arbeiten wenigstens partiell vorausgesetzt werden kann). Praktische Konsequenz daraus ist, daß in einer Pilotstudie über ein systematisch aufbereitetes Korpus die Notwendigkeit besteht, nicht nur die Ergebnisse selbst, sondern auch das Verfahren der Ergebnisfindung und des Argumentationsgangs (wenigstens ausschnittweise) darzustellen, wenn dies auch besonderen Aufwand besagt.

21

Es ist müßig, global Spekulationen über die Generalisierbarkeit von Ergebnissen einer empirischen Untersuchung anzustellen, sofern Reliabilität und Validität für sie und Schlüssigkeit des Verfahrens gegeben (nachvollziehbar dokumentiert) ist, Es ist klärlich eine e m p i r i s c h e Frage, inwieweit die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung auf Zeitungsberichte über andere Themen in derselben und in anderen Sprachen und Kulturen, auf andere Textsorten in Tageszeitungen (Kurzmeldungen, Reportagen, Hintergrundberichte, Anzeigen u . a . ) , analog modellierte Textkategorien anderer schriftlicher Kommunikationsformen (z.B,Briefe, Pamphlete) und anderer Medien ( z . B , Titel und Einleitungstext von Fernsehsendungen, öffentlichen Vorträgen usw.) übertragbar sind. Dabei ist der zweite Schritt nicht vor dem ersten zu tun (ugl.o,Q,2). Die 'Übertragbarkeit 1 in diesem Sinne ist jedoch nicht das primäre Anliegen dieser Arbeit. Anders gesagt: Es ist eine Generalisierung über Generalisierbarkeit möglich. Die vorliegende Untersuchung zielt primär auf die grundlegende 'dynamische' Gesetzlichkeit, gleichsam die 'konstitutiven Regeln 1 der Formulierung von S und U und von S zu L ab. Diese sind ihrer Natur nach in weit höherem Maße generalisierbar als 'statische' für das sprachliche Material von Textprodukten aufzeigbare Übereinstimmungen, Wenn m , a . W , eine international renommierte TZ wie die NEW YORK TIMES und eine Lokalzeitung aus Kalifornien in allen möglichen Materialausprägungen für S divergieren, bedeutet dies keineswegs, daß das verbale Verhalten 'S-Formulierung' in beiden strukturell verschieden wäre {alle Lextinternen und textexternen Indikatoren sprechen für das Gegenteil, ugl.u.3,l und 3.2). Wenn Schlagzeilen amerikanischer TZ-Berichte mit 'Implikatur 1 in HS gemeinhin keine US wählen, dagegen Schlagzeilen deutscher TZ-Berichte (zu einem anderen Thema) eine Implikatur in HS gewöhnlich in US durch expliziten Ausdruck 'auflösen] besagt dies nicht Vorliegen eines strukturell anderen, sondern vielmehr gleichartigen, 'elementarparallelen 1 Formulierungsverhaltens (Produktivität einer Alternative Implikatup/expliziter Ausdruck für die S-Formulierung in beiden Sprachen bzw. analoges Verfügen über eine Regel der S-Formulierung bei deutschen und amerikanischen TZ-Journalisten). In diesem Sinne kann erwartet werden, daß die hier empirisch gewonnenen Ergebnisse weit über dieses Korpus hinausreichen,Die Erprobung an weiterem Textmaterial wäre ein zweiter Schritt.

22

1.2

Zur Theorie einer Zeitungskommunikationshandlung

1,2.1 Komponenten verbaler Interaktion Die Forschungsperspektive, in einer Sprachbeschreibung 'Komponenten des Sprechens 1 zu berücksichtigen, ist in der Linguistik einige Jahrzehnte zurückzuverfolgen, Hymes 1967a weist auf K,Bühler, K.Burke, R.Jakobson, C.Morris, B.Malinowski u.a. hin. Systematische Komponenten- und Faktorenanalysen sprachlicher Interaktion sind jedoch wohl zuerst in den fünfziger und sechziger Jahren in den USA (vor allem im Rahmen der Bilingualismusforschung) vorgenommen worden, wobei Einflüsse von selten der Psychologie, Anthropologie und anderer Wissenschaften unverkennbar sind. Statt einer ausführlicheren historischen Darstellung der Entwicklung von Komponentenschemata - aufschlußreich sind auch die Modifikationen, die Autoren wie Gumperz, Hymes, Ervin-Tripp ( v g l . u . ) im Laufe der Zeit an ihren Ansichten vorgenommen haben - möchte ich hier nur eins der ältesten (Ervin-Tripp 1964b; 1968) und die neueste Version des Modells von Hymes (Hymes 1972} kurz referieren. In ihrer Untersuchung über japanisch-englische bilinguale Sprecher {Ervin-Tripp 1955) hatte V f . Hypothesen über den Zusammenhang von Wahl einer Sprache (durch bilinguale Sprecher) und Veränderung des Inhalts experimentell untersucht und durch Experimente mit französisch-englischen bilingualen Sprechern (Ervin-Tripp 1964a)bestätigt. In einer bahnbrechenden Studie (Ervin-Tripp 1964b An Analysis of the Interaction of Language, Topic and Listener) nahm sie diese und Gedanken von Hymes 1962 unter systematischem Gesichtspunkt wieder auf und formulierte, Gegenstand der soziolinguistischen Forschung sei die Analyse sprachlichen Verhaltens inform der Beziehungen zwischen "the setting, the participants, the topic, the functions of the interaction, the form, and the values held by the participants about each of these" (Ervin-Tripp 1968:192 nach Hymes 1962:25). Sie fährt fort (ibid,)i"Verbal behavior is everywhere structured as a highly cohesive system, and therefore it is a convenient starting point."

23

Für die Beschreibung der einzelnen Komponenten nach 1968:l93ff.)gilt vereinfacht: (1) Setting enthält zwei in Kombination vorkommende Komponenten: "locale" (Zeit und Ort} und "situation", was nur ungenau mit 'Sprechsituation' zu übersetzen ist; gemeint ist damit die Situation von in Kommunikation tretenden Menschen einschließlich der dabei deutlich werdenden 'stehenden Verhaltensmuster'. Situationen in diesem Sinne sind z.B. ein Familienfrühstück, eine Fakultätssitzung, ein Rendezvous u.a.. (2) Participartts (Teilnehmer) ist die allgemeinste Formulierung für die an einer Kommunikation beteiligten Personen. Entscheidend ist dabei die Erfassung sozialer Attribute (Geschlecht, Alter, Beruf usw.) und die relative und situationsspezifische Rollendistribution. Wichtig ist, daß z.B. die Asymmetrie in der Rollenverteilung von Sender und Empfänger durch andere Komponenten bedingt erklärt wird (z.B.durch die Situation}, d.h. es wird eine Beschreibung einer Komponente in Relation zu (einer) anderen gegeben. (3) Topic bezeichnet (abweichend vom zeichenlinguistischen Sprachgebrauch) den Offenbaren Gesprächsgegenstand1 ("manifest content or referent of speech"}, das den Gesprächspartnern offenbare Thema, über das gesprochen wird. Offenbar 1 hinsichtlich der unterschiedlichen Relation zu Form und Funktion der Interaktion (4) und ( 5 ) , weil hinsichtlich Topic äquivalente Sätze verschiedene Form haben können. Die Komponente Topic soll dabei "subject matters", allgemeine Sachbereiche wie Ökonomie, Haushalt usw., den propositionalen Gehalt einer Äußerung und die Stellenwerte in einem kognitiven System (Großmutter-Mutter sind verschieden, Mutter-Mama äquivalent hinsichtlich des Topic) beinhalten. ( 4 ) Function_of interaction meint gegenüber Topic als Offenbarem' den 'latenten Inhalt' einer Äußerung. Der Begriff zielt auf den komplexen Wirkungszusammenhang zwischen Sprecherintention bzw. vom Sprecher intendierter 'Persuasion' der Äußerung, Hörerrezeption und -reaktion und Rückwirkung auf den Sprecher. Dabei werden 6 Arten einer Initiierung dyadischer Interaktion unterschieden (in erster Linie gemäß der Hörerreaktion): (a) Bitten um Gegenstände, Dienstleistungen und Information (z.B.Wie spät ist, es?) ( b ) Bitten um 'sozialen Response'; die gewünschten Hörerreaktionen sind dem Sprecher oft nicht explizit oder auch nur bewußt; man kann als Spielarten 'direkte' ("overt") und 'indirekte' ("covert") Interaktionen (z.B.Applaus vs. Was für ein herrliches Kleid Sie anhaben!) unterscheiden. ( c ) Anbieten von Information oder Interpretation (Haben_Sig_ schonjvon dejn Feuer gehört?) ( d ) 'Expressive Monologe* (Sender reagiert auf äußere Stimuli ohne Rücksicht auf eventuelle Hörerreaktionen) (e) Ausweichkonversationen {durch Konversation wird unliebsame alternative Aktivität, z.B. Warten an einer Bushaltestelle, Irritation durch eine Klimaanlage o.a. vermieden oder überbrückt). (f) Routinen {mit restringierten Alternativen bei Dank, Gruß u.a.) (5) Form soll 4 Aspekte der Kommunikation wiedergeben: (a) 'Kanal* {mündliche, schriftliche Kommunikation usw.) (b> 'Kode' oder 'Varietät 1 , hier {ohne Unterschied) verstanden als systematische Menge der sprachlichen Signale, die in bestimmten Settings zusammen vorkommen (zum Begriff 'Varietät' von Gumperz vgl.Dittrnar 1973:133ff.).

( c ) 'soziolinguistische Varianten 1 (i.e.freie Variation innerhalb eines Kode) (d) nicht-sprachliche Signale {paralinguistische und nicht-verbale Elemente) ( 6 ) Values zielt auf die Einstellungen der Interlokutoren zu Befunden der anderen Komponenten ab (z.B. unterschiedliche Bewertung der Ausfüllung von Sprechpausen bei weißen und schwarzen Amerikanern, vgl."norms of interpretation" bei Hymes 1972:64). Im Anschluß an diese Beschreibung der Komponenten diskutiert Ervin-Tripp beispielhaft einige Arbeiten, die jeweils eine spezifische Konstellation von zwei oder mehr Komponenten als relevanten Aspekt für die Wahl eines konkreten sprachlichen Repertoires (Kode einer Sprache bzw. einer Sprache in einem multilingualen Setting) beschreiben, wie z.B. Participant-Function-Form (Bernstein 1962), Participant-Form (Ferguson 1964;Rubin 1962; Putnam/O'Hern 1955), Topic-Form (Fischer 1958; Gumperz 1964b), SettingForm (Ferguson 1959). Das System von Komponentenbeziehungen wird jedoch nicht weiter beschrieben und erklärt. Ebensowenig, wie man grundsätzlich die relevanten Komponenten einer speziellen Interaktionsform empirisch ermittelt (vgl.u.1.3). Vf. hat die gleiche Thematik mit einer Veränderung ihrer Perspektive erneut diskutiert (Ervin-Tripp 1969;1972). Die zentrale These der neuen Version ist, daß 'die Regeln der verbalen Ausgabe und des Verstehens organisiert sein müssen, um soziale 'features' zu spezifizieren'(Ervin-Tripp 1969:16). Der 'radikale Wandel in der Auffassung 1 , den Vf. selbst feststellt, besteht, wenn ich es recht sehe, vor allem darin, daß nicht mehr wie oben die Komponenten selbst im Mittelpunkt stehen, sondern die Formulierung sog."soziolinguistischer Regeln' (vgl.u.1.3): Das Zusammenwirken der oben genannten Komponenten konstituiert sich in komplexen Begularitäten, die durch 'soziolinguistische Regeln' beschreibbar sind. Sequenzregeln definieren z.B. Sprechereignisse und Sprechakte, Kookkurrenzregeln z.B. Stile, Register und Repertoires.

Hymes, der eigentliche Inaugurator der'Komponentenmodelle des Sprechens',gibt den ausführlichsten Katalog, indem innerhalb der einzelnen Komponenten wichtige Unterscheidungen getroffen werden (z.B. die von "audience" und "addressee" für die Empfängerkoraponente, worauf hier nicht weiter theoretisch eingegangen werden kann!. In der neuesten Konzeption (Hymes 1972:58ff.) unterscheidet er folgende Komponenten: 1.message form (Mitteilungsform) 2.message content (Mitteilungsinhalt) 3.setting (Situierung hinsichtlich Raum und Zeit) 4,scene (Szene als 'psychologische Situierung'} 5.speaker (Sender} 6.addresser ('Addressant') 7.hearer ("audience", Empfänger) 8,addressee (Adressat) 9,purposes-outcomes f Ergebnisse) 10.purposes-goals (Zwecke, Absichten)

11. key ('Schlüssel', z.B. ironische Redeweise) 12. channels (Kanal, Medien) 13. forms of speech (Variation hinsichtlich historischer Unterschiede, Vorliegen oder Fehlen gegenseitiger Verständlichkeit, 'funktionale Varietäten 1 , verschiedene Kodes, Varietäten, Register) 14. norms of interaction Sinteraktionsnormen in einer Sprechgemeinschaft, z.B. unterschiedliche Ausfüllung von Sprechpausen bei weißen und schwarzen Amerikanern, unterschiedliches Gesprächsverhalten bei Amerikanern und Arabern) 15. norms of interpretation (Bewertungsnoruien gegenüber 'Gebrauchsnormen 1 in 14., z . B . unterschiedliche Einschätzung und Bewertung der Ausfüllung von Sprechpausen bei schwarzen und weißen Amerikanern) 16. genres {Kategorien wie Gedicht, Erzählung, Vorlesung, Geschäftsbrief; häufig, jedoch nicht notwendig koinzidierend mit 'Sprechereignissen* und daher analytisch notwendig davon zu unterscheiden)

t2,2.

Ethnographie schriftlicher Kommunikation

l,2.2.I.Formen von Kommunikation Sprachliche Kommunikationshandlungen lassen sich je nach Untersuchungsinteresse auf sehr verschiedene Weise klassifizieren und katalogisieren. Komponentenschemata wie die oben genannten können dabei als Raster dienlich sein, z.B. durch eine genaue Beschreibung der Ausgestaltung einer Komponente und auch die Art und Zahl der 'Leerstellen' für Komponenten. Begriffe wie 'face-to-face-communication', 'Massenkommunikation 1 , 'schriftliche Kommunikation' und auch Gattungsbezeichnungen wie 'Gespräch'» 'Telefonkommunikation* usw. berücksichtigen meist einen als signifikant erachteten Unterschied e i n e r Komponente, meinen tatsächlich jedoch Merkmalbündel für Beziehungen zwischen mehreren Komponenten. Eine mögliche Klassifikation für Kommunikationshandlungen ist z.B.

sprachliche Kommunikation

X

\

face-to-face

/

non-face-to-face

\ —-.

mündlich schriftlich Mischform / \ /\ /N Massen Indiv. tl)

(2)

/ \ -—

mündlich schriftlich Mischform S\ /\ /\

M I

M I

M I

(3) (4)

(5) (6)

(7) (8)

M I (9)

(10)

H I

(11) (12)

26

Beispiele für Klassen (1}-(12): (1) Öffentlicher Vortrag (2) Gesoräch 'unter vier Augen'

ein Bericht untergebracht wird.Eine Meldung Frau Müller freigesprochen kommt nicht auf die Titelseite, es sei denn, Frau Müller ist 'jemand', dort wo die Zeitung erscheint.Die Meldung Angela Davis freigesprochen findet sich (vgl.u.) jedoch weitaus in den meisten Tageszeitungen quer über die USA auf der Titelseite.In diesem Fall ist also von einer Interrelation der Komponenten Sender-Ortsinstanzen der Zeitung und cies berichteten Ereignisses - Mitteilungsinhalt - Vorwissen der Leser auszugehen. Für die unten zu diskutierende Textvariation des Lead ist die Senderinstanz Nachrichtenagentur von zentraler Bedeutung, Die Textsorte Zeitungsbericht sähe schwerlich so aus, wie sie aussieht, wenn nicht die Maximen der Nachrichtengebung und -Verarbeitung von Agenturen (und ähnlich von Zeitungsredaktionen) beständen. Aus diesem Grund soll die Tätigkeit des "Mikrokosmos 1 einer Nachrichtenagentur hier summarisch unter Berücksichtigung von Komponenteninterrelationen charakterisiert werden. Nachrichtenagenturen wie AP und UPI sind privatwirtschaftliche gewerbliche Unternehmen, die davon leben, einem Abnehmer-XKundenkreis die Ware 'MeldunDie Daten sind der Literatur und extensiven Interviews mit Mitarbeitern von Agenturen, B.S.Hennion, UPI San Francisco^und J.Bodenstein, AP Bonn., entnommen, denen auch an dieser Stelle für ihre Hilfe herzlich gedankt sei.

67

gen 1 zu verkaufen.Die Wettbewerbsfähigkeit, d . h , die Anzahl der am Dienst einer Agentur interessierten Kunden und damit der Gewinn, hängt entscheidend - außer natürlich von der 'Qualität 1 , d.h. der sachlichen Richtigkeit der Information - davon ab, wie s c h n e l l eine Agentur Nachrichten verfügbar machen kann.Es besteht erhebliche Konkurrenz zwischen den einzelnen Agenturen auf nationaler und internationaler Ebene in diesem Sinne. Die gesamte Tätigkeit einer Nachrichtenagentur muß unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden. Das Lieferanten-Kunden-Verhaltnis ist unmittelbar relevant für die Ware: Hat ein Kunde eine Meldung gekauft, kann er praktisch damit machen, was er will. Eine Zeitungsredaktion etwa geht durch den Kauf einer Agenturmeldung keinerlei Verpflichtungen ein, was sie mit der Meldung im weiteren macht, wie sie sie bringt, ob sie sie überhaupt bringt usw. Im allgemeinen ist es zwar üblich, daß eine Zeitung, die einen Agenturtext abdruckt, das Agenturzeichen angibt, die Agentur wird sich selbst jedoch lediglich dafür interessieren, wenn in einer Zeitung z.B. unter dem Agenturzeichen Behauptungen mit irgendwelchen juristischen Konsequenzen aufgestellt werden.Die Agentur ist dabei selbstverständlich nur für den Text verantwortlich, wie er (als Originalfernschreiben) an die Zeitung geht.Die Tatsache, daß Agenturtexte in Zeitungen relativ wenig verändert werden im allgemeinen, beruht also nicht darauf, daß Agenturen ihre Meldungen möglichst authentisch weitergegeben wissen möchten,oder daß eine solche Verpflichtung von seiten der Zeitungen bestände, sondern darauf, daß die Agenturen bemüht sind,Zeitungen mit einer möglichst konsumgerechten Ware zu beliefern (vgl.o.1.3). Die wesentlichen konstitutiven Elemente des Kommunikationsprozesses einer Nachrichtenagentur sind: ( 1 ) der Hitarbeiter {"Stringer") einer Agentur, der (meist als festangestellter Redakteur) vom Ort des Geschehens berichtet; bei wichtigen Ereignissen handelt es sich meist um mehrere Stringer. ( 2 ) das Agenturbüro im Bereiche des Mitarbeiters, die Zweigstelle, an die er die Meldung weitergibt (hier z.B. das AP-Büro in San Francisco). (3) die Agenturzentrale (im Falle von AP z.B. New Y o r k ) , in der sämtliche Meldungen aus dem In- und Ausland zusammenlaufen. Wie vollzieht sich der konkrete Ablauf der Nachrichtenübermittlung zwischen diesen? Der Stringer gibt unmittelbar nach dem zu berichtenden Ereignis ( d . h . wenige Minuten nach der Urteilsverkündung in San Jose etwa) seinen Text an das zuständige Agenturbüro (telefonisch oder per Telex, was immer schneller ist) durch. Die zentrale Person dort (wie auch in der Agenturzentrale) ist der "Slotman": Er nimmt die von dem Stringer hereinkommenden Texte auf, überfliegt ihren Inhalt und trifft eine Entscheidung über die Reihenfolge, in der die ihm vorliegenden Meldungen an die Zentrale (per Telex) weitergegeben und als was {mit welcher Dringlichkeitsstufe, v g l . u . ) sie geschickt werden. Seine redaktionelle Einflußnahme auf den Text einer Meldung ist infolge des Zeitdrucks und angesichts des Informationsgefalles {gegenüber dem Stringer) sehr begrenzt. Der Slotman in einer Zweigstelle korrigiert, soweit nötig, formale und äußerliche Dinge (Tippfehler, unkorrekte Namen- und Datumangaben u , ä . i , beläßt den Inhalt und die Formulierung des Textes des Stringers in der Regel unverändert. Er sorgt also dafür, daß eine Meldung möglichst schnell (in der Rangfolge ihrer Wichtigkeit) und in möglichst korrekter Form an die Agenturzentrale geht. In dieser laufen auf einer Vielzahl von Fernschreibern viele Meldungen gleichzeitig ein. Der Slotman der Zentrale bekommt also z.B.15 Meldungen

68

gleichzeitig auf den Tisch und entscheidet, welche als die wichtigste zuerst auf die Hauptfernschreibleitung an die Abnehmer kommt. Er ist die entscheidende Instanz d a f ü r , welche Wichtigkeit einer Meldung beigemessen wird und ist für die Reinfassung {i.e. die an die Abnehmer gehende Endfassung) verantwortlich, Seine redaktionellen Kompetenzen sind also erheblich größer als die des Slotman in einem Zweigbüro. Er kann z.B, eine Meldung kürzen oder sie, falls s.E.der Stringer schlecht formuliert hat, im 'Agenturstil' (wer hat was wann wo warum wie gemacht, v g l . u , und o.0.2) neuformulieren. Er kann eine Meldung von besonderer Wichtigkeit unterteilen, dergestalt daß z.B. die ersten Zeilen als 'Blitzmeldung' ( v g l . u . ) sofort in den Fernschreiber gegeben werden, der Rest bei späterer Gelegenheit. Er kann auch z . B . einen bereits vorgeschriebenen Background -Bericht über ein erwartetes Ereignis mit einbauen, Im Normalfall beschränkt sich aber auch seine redaktionelle Tätigkeit auf die Erstellung einer Reinfassung eines vorliegenden Textes. Daß er eine Meldung völlig neu formuliert, dürfte die Ausnahme sein,Der von ihm "autorisierte' Text wird bevor oder während er in den Hauptfernschreiber geschrieben wird gegengelesen. Auf die Tätigkeit in einer Zeitungsredaktion ist bereits oben und. in 1.3.1 kurz hingewiesen worden, Der Text der Agenturzentrale gelangt gleichzeitig an sämtliche Abnehmer, z,B, auch in die Fernschreibräume der Zeitungsredaktionen. Handelt es sich um eine sensationelle Meldung, was sich am Fernschreiber durch ein Klingelzeichen ankündigt, wird der Lochstreifen sofort abgerissen und die Meldung nicht in den 'Kasten', sondern direkt auf den Tisch des Redakteurs vom Dienst gelegt. Dieser kann gegebenenfalls, selbst wenn schon angedruckt ist, die Maschinen stoppen lassen und in wenigen Minuten die Meldung noch mit aufnehmen. Vom verantwortlichen Redakteur, der den zu druckenden Text (L + Body) endgültig formuliert, geht dieser an den "Headliner", der die S formuliert. (vgl.o.1.3,1), Die in der Regel ca.6-8 Stunden vor Andruck stattfindende Redaktionskonferenz ist die entscheidende Instanz für Plazierung und Aufmachung eines Textes in der Zeitungsausgabe: In ihr wird u.a,festgelegt, mit welchem Bericht 'aufgemacht' wird (welcher Bericht die Titelgeschichte abgeben soll). Anhand des Umbruchs, vorklischierten Bildern usw. wird festgelegt, wieviele textbegleitende Fotos und wieviele Spalten der Bericht haben soll u.ä. Die Redaktionskonferenz legt üblicherweise den Phänotyp eines Berichts und einer Zeitungsseite fest, einen Text in Formulierung und Inhalt jedoch nur dann, wenn dieser bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegt, was nicht selten nicht der Fall i s t . ( b e i aktuellen Meldungen über wichtige Ereignisse; eine allgemeine Regel für alle Zeitungen läßt sich schwer geben). Bei wichtigen Ereignissen, z.B, dem Urteil im AD-Prozeß, ist häufig ein Redakteur speziell darauf angesetzt. Als Zeitspanne für den gesamten Kommunikationsablauf vorn Stringer bis zum Abnehmer (z,B einer Zeitungsredaktion) vergehen in der Regel nur ein paar Minuten, im einzelnen Fall abhängig von der Dringlichkeitsstufe einer Meldung: Im amerikanischen Bereich von Associated Press ( A P ) besteht eine Zweiteilung in "Flash" bzw,"Urgent", im deutschen eine Dreiteilung in "Blitz", "Vorrang" und "dringend". Die Komponenten Mitteilungsform und Zeit haben direkte Relevanz für die Mitteilungsforra: Eine Flash/Blitz-Keldung etwa besteht maximal aus einem kurzen Satz, häufig nur aus minimalen für das Verständnis notwendigen Satzfragmenten (wie z.B. ,' DEAD).

69

Die Überschrift eines Agenturtextes wird so kurz wie möglich gehalten; sie besteht zumeist nur aus einem Kennwort (z.B.ANGELA).Für die Formulierung von Lead und Body bestehen feste professionelle Regeln. Aus den (auf Band aufgenommenen) Interviews mit deutschen und amerikanischen Agenturredakteuren und den untersuchten Korpora für amerikanische und deutsche Zeitungsberichte (vgl.o.0.2) ist der Eindruck zu gewinnen, daß es sich um dasselbe Regelarsenal handelt, daß es in den USA vielleicht etwas rigider gehandhabt wird als hier. Dies bedürfte jedoch weiterer Überprüfung an weiteren systematischen Korpora. Zunächst werden Ort, Datum und Agenturzeichen angegeben. Der konkrete Text (Lead) beginnt mit dem 'Subjekt 1 des Satzes. Die Redakteure erklärten übereinstimmend, das der L zu beginnen habe Das Gericht in San Jose sprach ...frei bzw. Angela Davis wurde ... freigesprochen..., nicht: Am 4_.Juni 12 um 12 Uhr Ortszeit _s_prach in San Jose das Gericht Angela Davis frei (entsprechend die englische Version, vgl.u.3.1.5). Der Aufbau richtet sich konkret nach der Wer?Was?Wann?Wo?Wartim?Wie? Fragenbatterie, d , h , diesen Angaben zufolge gäbe es keine wesentliche themabedingte Variation der Abfolge der Ws (vgl.jedoch u.3.l,3 und 3,1.5). Nachrichtenagentur-Redakteure sind ferner gehalten, jegliche Tatsachenbehauptungen zu unterlassen und in jedem Fall die Quelle anzugeben. Namentlich gekennzeichnete Agenturtexte (vgl,u.die UPI-Fernschreiben) haben etwas mehr Freiheit hinsichtlich der Wiedergabe persönlicher Eindrücke und Meinungen als nicht namentlich gekennzeichnete, Erstere sind also den Texten zeitungseigener Autoren direkt vergleichbar. Abschließend ein Wort zur Komponente Kanal; Die Fernschreibleitungen einer Nachrichtenagentur haben eine bestimmte maximale Kapazität, Die Agenturzentralen üben daher eine technisch bedingte Selbstzensur aus: Pro Tag kann nur eine bestimmte Menge an Fernschreiben gesendet werden, der Rest wird überhaupt nicht oder zu späterer Zeit gesendet. Die so gegebene Auswahl scheint hinsichtlich der 'Meinungsbildung' und potentiell einer "Manipulation* von Machrichten einschneidender als die weitgehend standardisierte Formulierung (im Falle eines L und eines Berichts auf Agenturebene}. Man sollte mit diesem Begriff, wie schon mehrfach gesagt, aber sehr vorsichtig sein, denn es dürfte im konkreten Fall außerordentlich schwierig wenn nicht unmöglich sein,z,B, eine bestimmte Verfahrensweise einer Agentur als n i c h t technisch motiviert z u beweisen, 2.2,3.1 Autoren- und Quellenangaben in den AO-Berichten in TZ Die oben genannten Merkmale und strukturellen Gesetzmäßigkeiten der Senderinstanzen sind alltäglichen Zeitungslesern, soweit sie journalistische Laien sind, nicht bekannt, zumindest im alltäglichen Vollzug einer ZKH nicht gegenwärtig . Sie sind ebensowenig in den Textprodukten direkt indiziert» f ü r ihre Erklärung jedoch von entscheidender Bedeutung, Die Textprodukte machen hingegen in Byline ( ' A u t o r z e i l e 1 ) und Dateiine ( 'Ortamarke') explizite Angaben über Autornamen und Agenturen als Textquellen. Abb, 3 ( s . u . ) enthält die betreffenden Angaben in den Berichten dieses Korpus.

70

Abb. 3 : Autoren- und Quellenangaben

DATELINE

BYLINE

Mr. 1 Kr. 2 Hr. 3 fir, 4 Hr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 9 Hr. 10 Hr. 11 Hr. 12 Hr. 13 HP. 14 Nr. 15 Hr. 16 Hr. 17 Hr. 18 Hr. 19 Hr. 20 Nr. 21 Nr. 22 Hr. 23 Nr. 24 Nr. 25 Nr. 26 Nr. 27 Nr. 28 Hr. 29 Nr. 30 Nr. 31 Nr. 32

by Stan Moreillon Staff Writer by Carolyn Anspacher by Stephen Cook Examiner News Staff _ by Philip Hager Times Staff Writer -

by Philip Hager The Los Angeles Times -_ _ _ by Theo Wilson! . _. News - Chicago Tribune Dispatch) by Earl Caldwell Special to the New York Times by Linda Deutsch -

by James W. Singer Special to the Star by Linda Deutsch From Post-Dispatch Wire Services _

AP UPI UPI AP AP AP UPI UPI AP AP AP AP AP AP —

-

by Davis Holmstrom Staff Correspondent of the Christian Sc.Mon.-

From the Associated Press and Reuters News Agency -

UPI AP

Die auffälligste Regelhaftigkeit ist wohl, daß Wochenzeitungen dieses Korpus keine Autor- und Quellenangaben in dem Bericht über dieses Ereignis enthalten: Sie haben Mieder Byline noch Dateiine (ygl.auch u.3.1.3). Bei den TZ des Korpus weiß der Leser also, wer der Verfasser und/oder welches die Quelle des Berichts über das Urteil im AD-ProzeÖ ist. Aus unsystematischer Befragung ( u g l . u . 2 . 3 ) einzelner MP ist mation relativ belanglos ist:

jedoch zu entnehmen, daß diese Infor-

Informanten gaben ausschließlich an, daß sie

se Information in diesen Berichten- und wohl generell beim Genre

die-

B e r i c h t

überlesen. Der Name des Autors eines Berichts kann zwar im Einzelfall eine

71

kommunikative Funktion haben (wenn der Leser einen Autor persönlich oder vom Schreiben kennt und einen bestimmten Bericht erwartet). Sie scheint jedoch in keiner Weise mit der Bedeutung der Namenangabe in einem Editorial vergleichbar, Informantenaussagen und eigene Beobachtung besagen, daß in diesem Genre der Name eines renommierten Kommentators gleichsam wichtiger als das behandelte Thema und die Sachinformation ist: Ich kenne ca. ein Dutzend (vornehmlich ältere) kalifornische Leser, die in der Zeitung N r . 2 SAN FRANCISCO CHRONICLE als erstes den Kommentar des Kommentators Herb Caen (der an festem Platz im Innern der Zeitung steht) täglich lesen, ohne das Titelblatt eines Blicks gewürdigt zu haben. Manche interessiert an dieser Zeitung überhaupt nur dieser. Dafür finden sich zahlreiche Beispiele noch prominenterer Kommentatoren. Man könnte versucht sein» in einer 'korrelativen' Methode die Autor- und Quellenangaben für die Erklärung der Variation der Textprodukte zu benutzen (vgl. 0,2.2.2). Dies ist jedoch nur bei hinreichender Information über die Textautoren praktikabel und auch dann nur von begrenztem Aussagewert ( v g l . o . ) . Man hat dabei u.a. zu bedenken, daß Zeitungsredakteure natürlich nicht nur für Leser, sondern auch für ihre Vorgesetzten schreiben, worauf Silbermann-Krüger 1973 u.a. hingewiesen haben, Für die einzigen beiden expliziten Merkmale von Autoren, Geschlecht und Zugehörigkeit zu Agentur bzw,Zeitung ist ein negatives Ergebnis festzustellen, was hier vorweggenommen sei; Texte von weiblichen und von männlichen Autoren und von Agentur- bzw, von Zeitungsredakteuren unterscheiden sich in keiner erkennbaren klassenhaften Weise. Freilich ist das Sample für Generalisierungen über diese Berichte hinaus diesbezüglich zu klein. Die Hauptaufgabe von Abb.3 ist die Illustration der Einschränkung der Variation der Texte in den 27 TZ (im Unterschied zur Variation der S ) t Etwa die Hälfte der Zeitungen hat je einen von vier bzw.fünf Agenturtexten C v g l . u . ) und eine Zeitung den Bericht einer anderen (Nr.10 den von Nr.7) zur Grundlage. Dieser Datenbefund ist (vgl.o,1.3,3) für die Formulierung von AI-Regeln von großer methodischer Bedeutung. 2.2.4 Zeitstratifikation der Textprodukte Eine adäquate Beschreibung dieser ZKH kann die Komponente Zeit nicht allein im Rahmen des Setting beschreiben, sondern muß die für die Textprodukte konstitutiven Zeitinstanzen systematisch isolieren, Abb.4 verzeichnet die Ver-

72 teilung der 27 TZ des Korpus im Hinblick auf die Zeitinstanz 'Erscheinenszeit 1 einer Zeitung in drei Klassen unter Berücksichtigung der Angabe der näheren Kennzeichnung der Zeitungsedition (soweit vorhanden). Abb, 4 Erscheinenszeit der Tageszeitungen vom 5.6.72 MOMTAGMQRGEN Zeitung Nr, 1 Mr. 2 Nr. 5 Nr. 7 Nr. 8 Hr. 9 Nr. 10 Hr. 11 N r . 15 Hr. 17 Nr. 19 Nr. 21 Nr. 23 Nr. 30 Nr. 18

Edition

1. 3. 1. 2.

1. 2. 2. 1. "final" "late City"

MONTAGMITTAG

Zeitung

Nr. 12 Nr. 14 Nr. 22 Nr. 28

Edition

1. 1. 2. "Western"

MONTAGABEND

Zeitung

Hr. 6 Nr. 3 Kr. 4 Nr.13 Hr. 16 N r . 20 Nr. 32 Hr. 31

Edition 1. 1. 2. 2. 5.

"Capital Special" 4.

(Dienstag 6,6.72)

"final City" 5. 3. 1. 1,

Die obige Verteilung ist ein Husterbeispiel für die Notwendigkeit der Annahme eines Komponentenmodells: Für sich a l l e i n besagt d i e Klassifikation hinsichtlich der Erscheinenszeit wenig. Allenfalls die 'absolute' Verteilung auf verschiedene Zeitzonen ist von begrenztem Interesse. Signifikante Ergebnisse sind jedoch feststellbar, wenn man diese Verteilung mit Daten für Variation in anderen Komponenten vergleicht. Aus dem Vergleich von Abb. l und Abb.4 erkennt man, daß in allen drei Erscheinensklassen Zeitungen aus allen geographischen Bereichen der USA (Ostküste, Westküste, Mittelwesten usw.) vertreten sind. Eine kategorische Verteilung liegt also nicht vor; Abb.4 ist lediglich zu entnehmen, daß relativ gröÖere Häufigkeit späterer Editionen für Zeitungen der Ostküste vorkommt, was auch durch den Zeitzonenunterschied erklärbar ist. Aufschlußreich ist die Analyse der Interrelation der Komponenten Sender - Zeit Mitteilungsform und -Inhalt. Erstens ist festzustellen, daß diese Dreiteilung

hinsichtlich psychologisch realer Gegebenheiten der Senderhandlung auf eine Z w e i teilung reduzierbar ist: Agenturtexte sind bereits für Zeitungen eines bestimmten Erscheinensdatums konzipiert ( v g l . u . ) · Soweit sie Agenturtexte bringen, stimmen die Texte der 'mittags erscheinenden Zeitungen ausnahmslos mit denen der A b e n d Zeitungen überein und können mit diesen zu einer Klasse zusammengefaßt werden. Zweitens ist eine zwar nicht systematisch, jedoch durch handwerkliche Regeln bedingte Leerstelle zu verzeichnen: Keine Abendzeitung bringt einen ' f r ü h e r e n ' (für Morgenzeitungen konzipierten) Agenturtext.Für einen Journalisten ist er trivialerweise überholt, sobald ein neuer (für Abendzeitungen konzipierter) Text vorliegt, gleichgültig,was in ihm stand und wieweit der neue Text inhaltlich von ihm abweicht. Linguistisch ist diese Leerstelle jedoch höchst bedeutsam, da der Leser einer Abendzeitung gegebenenfalls eine ganz andere oder anders akzentuierte Nachricht erhält als die, der der Bericht eigentlich gilt: Für die S handelt es sich immerhin um eine Variation z.B. von ANGELA DAVIS ACQUITTED gegenüber ANGELA DAVIS SIPS CHAMPAGNE. Eine Abendzeitung könnte auch den ersteren Text und die erstere S bringen. Für Zeitungsjournalisten stellt sich diese Frage der Sinntreue jedoch nicht, da ihre Aktivität dem medienrealen Gesetz der letzten Meldung (vgl.o.) unterliegt. Linguistisch besteht die Aufgabe , a l l e Textexemplare zu vergleichen. Dies schon deshalb, weil für viele Leser der Bericht in 'ihrer' Zeitung die einzige schriftliche Information über das Thema ist.Man kann jedoch nur diejeni gen direkt vergleichen, die vergleichbare Bedingungen hinsichtlich zeitlicher und anderer Komponentenbedingungen haben. Eine Morgenzeitung vom 5.6.72 kann die Nachricht über die Champagnerparty nicht 'unterschlagen 1 ,weil diese in Redaktionen quer über den Kontinent noch nicht verfugbar war. Die nächstfolgende Ausgabe (vom 6.6.72) hat möglicherweise ganz andere Prioritäten und die Ereignisse um Angela Davis vom Vortage sind vielleicht nicht mehr aktuell (genug). Die für die Textvariation des Mitteilungsinhalts wichtigsten Gegebenheiten der Komponente Zeit sind also nicht irgendwelche absoluten Daten, sondern die Relationen der drei Instanzen (1) Datum des berichteten Ereignisses, (2) Erscheinensdatum der Zeitungsausgabe und 0) Zeitkonzeption für Texte einer Senderinstanz (Agentur) für eine andere (Zeitung),

74

2.2.5 Mitteilungsform und -inhalt der Textprodukte Detaillierte Beweise für die oben behandelte systematische Bedeutung textexterner Komponenten aufgrund des konkreten Textmaterials sind in Kap. 3 gegeben (besonders instruktiv sind z.B. Textmodifikationen in dieser Hinsicht). Der Textwortlaut von 5, L und Body von Zeitungsberichten ist als eine Interrelation der Komponenten Sender-Kanal-Genre-Mitteilungsform und -inhalt (im Sinne von Hymes 1972) beschreibbar. Die kanonischen Textteile sind psychologisch reale Einheiten der Senderhandlung. Für die Leserhandlung ist dies aus verbalen und phänotypischen Gegebenheiten für S (abweichende Formen, vgl.u.3.1 und 'Blickfangfunktion 1 ,vgl.o.1.3.1), aus verbalen für L (6Ws, vgl.u.3.1.3) wahrscheinlich. Die Schlagzeilen-'Urliste' unten folgt der Liste der Zeitungen des Korpus in Abb.l. Die Lead-'Urliste' (s.u.) führt sender- und textidentische L zusammen auf. Diese beiden systematischen Korpora sind der primäre Ansatzpunkt der systematischen Analyse textinterner Komponenten in Kap.5 und wurden in dieser Form in zahlreichen Experimenten (vgl.Z,3) benutzt. Der Wortlaut von 5 und L läßt sich unter Abstraktion von ihrem Pbä'notyp (ugl. u.2.2.6) testen, aber nicht umgekehrt. Der Phänotyp wird ferner üblicherweise n a c h dem Wortlaut in der Senderhandlung festgelegt. Deswegen wird der Wortlaut (als die eigentliche Zielkategorie der Analyse) hier vor dem Phänotyp dargestellt. Eine Wiedergabe des Body aller Texte ist hier aus Raumgründen nicht möglich. Zur Illustration sind im Anschluß an die S- und L-Urlisten die Originale der UPI-Fernschreiben - (a) und (b) für Morgen-, (c) für Abendzeitungen vom 5,6.72 möglichst wort- und bildgetreu wiedergegeben. Danach wird eine aus dem Vergleich aller Zeitungsberichte rekonstruierte Version der AP-Fernschreiben für Morgen- und Abendzeitungen (ausschnitthaft für die ersten Textparagraphen) gegeben. Aus nicht nur anekdotischen Gründen sei erwähnt, daß es mir nicht möglich war, ein Original des AP-Telex zu bekommen, Das AP-Büro San Francisco teilte mir mit, daß ich "den Text in jeder Zeitung nachlesen könne - eine Veränderung der Meldung im Hause von AP habe nicht stattgefunden". Dies ist kein Anzeichen mangelnder Kooperativität, noch von Überempfindlichkeit gegenüber Medienuntersuchungen, sondern vor allem Ergebnis der Struktur von AP (Zusammenschluß von Zeitungen}. AP verkennt hier jedoch die Bereitschaft zu Textmodifikationen bei ihren Kollegen von der Zeitung ( v g l . u , } .

75

Schlaqzeilen-Urliste dejr^ jeitungeii J (HAUPT- und Unterschlagzeilen) 1. ANGELA DAVIS IS ACQUITTED OF ALL SHOOTOUT CHARGES No Discord/ Jury Verdict in 1? Hours 2. ANGELA DAVIS ACQUITTED A Wild Scene in Courtroom As The Verdict Is Returned/ Not Guilty On All 3 Charges 3. ANGELA FREE; LITTLE ARGUMENT IN JURY Tears of Joy in Court 4. JURY CLEARS ANGELA DAVIS, CLAIMS NO CONVICTION VOTE 5. JURY FREES ANGELA OF ALL THREE CHARGES 6. ANGELA DAVIS CELEBRATES AFTER VERDICT 7. ANGELA DAVIS NOT GUILTY, JURY FINDS Militant Cleared On All 3 Counts After Only 13 Hours Deliberation 8. ANGELA DAVIS FOUND INNOCENT 12 Jurors Receive Ovation 9. ANGELA DAVIS CLEARED ON ALL COUNTS Followers Cheer Decision Reached By White Jurors 10. ANGELA ACQUITTED ON ALL 3 COUNTS 11. California Jury Finds

ANGELA INNOCENT

12. ANGELA CELEBRATES VERDICT WITH TOASTS, PUBLIC PARTY 13. ANGELA DAVIS IS ACQUITTED, STILL LABELS TRIAL ' U N F A I R ' Goal Now Freedom of Oppressed' 14. DAVIS JURY SAT 'AMIABLY 1 15. JURY FREES ANGELA DAVIS Verdict Finds Her Innocent On All Counts 16. FOREWOMAN SAYS DAVIS JURY HAD NO MAJOR CLASH 17. ANGELA DAVIS ACQUITTED ON ALL CHARGES 18. All-White Jury Returns Verdict After 13 Hours; Courtroom Rings With Applause, Cheers of Supporters ANGELA DAVIS FOUND INNOCENT 19. Unanimous Verdict Took 13 Hours. ANGELA DAVIS ACQUITTED IN KIDNAPHQSTAGE PLOT 20. To Fight For Oppressed 1 . ANGELA ELATED AT ACQUITTAL 21. ANGELA DAVIS FREED BY ALL-WHITE JURY

76

22. ANGELA DAVIS ACQUITTED; VERDICT IS CHEERED 23. ANGELA DAVIS RULED INNOCENT

'Power to the People 1 Defense Attourney Shouts

24. ANGELA DAVIS (Editorial) 25. ANGELA IS FREE 26. - -

(vgl.0.2,1.1)

27. ANGELA FREE 28.

Acquitted On All Charges

CASTS OFF "CHAINS"

ANGELA DAVIS TRIAL ENDS WITH 'INNOCENT'

29. ANGELA'S TRIUMPHANT ACQUITTAL 30. Sobs at 'Peoples Victory' ANGELA DAVIS FOUND NOT GUILTY 31. ANGELA DAVIS SIPS VICTORY CHAMPAGNE 32.

FREE ANGELA DAVIS TOASTS HER JURY

Lead (Vorspann)-Urliste Leads von Nachrichtenagenturen Zeitungen mit dem 1.AP-Text (vgl.u.): Nr. 9 Nr.11 Nr.19 Nr.21 Nr.23

THE GREGONIAN, Portland GREAT FALLS TRIBÜNE, Montana THE PHILADELPHIA INQUIRER THE ATLANTA CONSTITUTION THE DALLAS MORNING NEWS

An all-white jury found black militant Angela Davis innocent Sunday of murderkidnap-conspiracy charges and «/as giuen an ovation of cheers and applause in the courtroom. Nr.18 BOSTON HERALD TRAVELER:

yesterday statt Sunday (sonst gleichlautend)

Nr, 8 THE SAN DIEGO UNION: Attribut black militant fehlend; Zeitangabe yesterday hinter charges.

77

Nr.30 THE GLOBE AND MAIL, Toronto (Quellen; AP und R E U T E R ) : An all-u/hite jury acquitted black militant Angela Davis on all counts of murder, kidnapping and conspiracy yesterday in a verdict she called "A people's victory". The verdict, ending 13 hours of jury deliberation and a 13-week trial, caused people in the crowded courtroom to break into smiles, shouts and sobbing. Zed jjjnqen mi t^ dem_ 2. AP-Tex t ( v q l . u . ) : Nr. 4 Mr. 14 Nr.16 Nr.32

THE THE THE The

SACRAMENTO BEE MINNEAPOLIS STAR EVENING SUN, Baltimore, Md. Sun, Vancouver, Canada

N r , 4 , 16: The jurors who acquitted Angela Davis on murder-kidnap-conspiracy charges had no major disagreements on her innocence from the start of their deliberations, the forewoman said. Nr.14 kidnapping statt kidnap

A

Nr,32 forgman statt forewoman; says statt said

Zeitungen mit dem 1. UPI-Text ( v q l . u . ] : Nr. 5 THE SACRAMENTO UNION An all-white jury acquitted Angela Davis of all charges against her Sunday and the black militant communist went free to "resume the struggle against oppression". diem 2 . U PI -Te χ t

Nr.6 APPEAL-DEMOCRAT, Marysville, Cal. Nr.13 THE DENVER POST, Denver, Colorado Angela Davis was freed Sunday and kissed and embraced the all-white jurors who acquitted her. But she said she had not changed her mind about the injustice of the American court system. Nr.13* membe r s^ ο f the all-white jury statt jurors (entsprechend that statt who)

Unterstrichene Textsegmente stellen Textmodifikationen durch Zeitungsredaktionen dar.

7

Zeitungen mit dem, 3.UPI-Text; Nr.12 ANCHORAGE DAILY TIMES Nr,31 THE DAILY COLONIST, Victoria, Canada (zusätzlich in N r . 6 , nicht auf der Titelseite, sondern auf 5,23) Nr.12,(6): Angela Davis sipped champagne in a victory toast with the jurors who acquitted her Sunday of murder-kidnap charges and celebrated later at an ear-splitting public party. Nr,31: A jubilant Angela Davis sipped champagne at a noisy nightclub victory celebration into the early hours Monday in celebration of her acquittal on murder, kidnap and conspiracy charges.

Zeitungen mit eigenen Texten/Texten eigener Jtedakteure: N r . l SAN JOSE MERCURY An all-white jury Sunday found Angela Davis innocent of all charges against her — murder, kidnapping and conspiracy — stemming from the Aug.7, 1970 Marin County escape attempt — and joyous pandemonium erupted in the courtroom. N r . 2 SAN FRANCISCO CHRONICLE Angela Davis, the 28-year-old black militant who has no faith in American justice, was acquitted yesterday of murder, kidnap and conspiracy charges by white middle class men and women. N r . 2 SAN FRANCISCO EXAMINER Angela Davis held her breath, but she knew she was finally free of murder, kidnap and conspiracy charges even before the three "not guilty" verdicts were announced to the shrieking, sobbing delight of her courtroom supporters. N r . 7 LOS ANGELES TIMES (Textautor: Philip Hager) Angela Davis was found innocent Sunday of murder, kidnaping and conspiracy in the August, 1970, Marin Civic Center kidnap attempt in which a judge was killed by a shotgun blast and three of his abductors were fatally shot, Mr. 10 THE IDAHO STATESMAN (Übernahme des Texts von Philip Hager von Nr..7) Black militant Angela Davis was found innocent Sunday of murder, kidnaping and conspiracy in the August, 1970, Marin County Civic Center kidnap attempt in which a judge was killed and his three abductors were fatally shot. Nr.15 CHICAGO TRIBUNE Screams of joy and sobs of relief erupted in Angela Davis 1 courtroom today as the· black scholar, with tears streaming down her face, heard an all-white jury find her innocent of murder, kidnaping and conspiracy. Nr.17 THE NEW YORK TIMES A f t e r just 13 hours of deliberations, an all-white jury found Angela Davis not guilty today of murder, kidnapping and criminal conspiracy charges.

79

Nr.20 THE EVENING STAR, Washington, D , C . Angela Davis has vowed to give "all I have" working for oppressed people after her acquittal on three charges steming from a kidnaping attempt that left four persons dead. Mr. 22 ST.LOU IS POST-DISPATCH Miss Angela Davis was free today but she has not changed her mind about the injustice of the American court system. Nr.24 PEOPLE'S WORLD, Seattle/San Francisco (WZ vom 10.6 72; Editorial) With Angela free at last from the terrible nightmare of two years of frameup , there is at last time to take a look at the road down which we have come and the path ahead. Mr. 25 THE SACRAMENTO OBSERVER (WZ vom 8.6.72) Angela is free! Angela is free! So came the shouts from San Jose, California, after an all-white jury acquitted Angela Davis of all charges against her Sunday and allowed the black sister to go free to "resume the struggle against oppression." Mr,26 — Nr.27 BERKELEY BARB (WZ 9,-15.6,72) " I ' m going to continue to fight , to give all I have to the struggle, to work to free all political prisoners", Angela said last Sunday. (§ 2} After 22 months of flight, imprisonment and trial Angela Y.Davis was acquitted of murder, kidnap and conspiracy charges in San Jose on Sunday June 4th at 10:30 AM. The jury of 11 whites and one Chican deliberated 13 hours on the verdict. There was not one ballot for a conviction. "The winning of an acquittal is a people's victory," Angela continued. "The very fact of an acquittal does not mean it was a fair trial, A f a i r trial would have been no trial. Justice is always a struggle until we change the entire fabric of society. My views have not changed." Mr,28 CHRISTIAN SCIENCE MONITOR The all-white j u r y in the Angela Davis trial has found her innocent of all charges of first degree murder, kidnapping and conspiracy. Nr.29 TIME (Wochenmagazin vom 12,6.72) The end, after more than 13 weeks, was somehow anticlimactic. All the passion, the emotion, the rhethoric that had surrounded the case of The People of California V.Angela Davis evaporated in a t i n y , heavily guarded courtroom in San Jose last weekend. An all-white jury of seven women and five men found the 28-year-old black activist and member of the communist party not guilty of kidnaping, murder, and conspiracy in connection with the bloody shootout at the Marin County Courthouse in August 1970, "This is the happiest day of my life", said a smiling Angela, surrounded by members of her family, after each jury member had hugged her on the way out of court.

80

{a}

UPI-Fernschreiben-Originale für Morgenzeitungen

246 A ANGELA 6-4 URGENT 3RD LD 229A BY DONALD B.THACKREY SAN JOSE, CALIF, (UPI) — AN ALL-WHITE JURY ACQUITTED ANGELA DAVIS OF ALL CHARGES AGAINST HER SUNDAY AND THE BLACK MILITANT COMMUNIST WENT FREE TO "RESUME THE STRUGGLE AGAINST OPPRESSION." THE 28-YEAR-OLD FORMER UCLA PROFESSOR HAS FOUND INNOCENT OF ANY PART IN A CONSPIRACY TO TAKE HOSTAGES FROM A SAN RAFAEL COURTHOUSE THAT LED TO THE SHOTGUN SLAYING OF A JUDGE AND THE KILLING OF THREE OTHER PERSONS. THE SEVEN-WOMEN, FIVE-HAN JURY FOUND HER INNOCENT OF EACH OF THE THREE COUNTS OF THE INDICTMENT — MURDER, KIDNAPING AND CONSPIRACY — AS A WILD SHRIEK OF EXHILARATION WENT UP FROM THE SPECTATORS IN THE TINY COURTROOM. WHEN COURT CLERK ART VANEK READ THE FIRST "NOT GUILTY" ON THE KIDNAP, MISS DAVIS SMILED BROADLY AND SAID,"GEE!" BY THE TIME HE HAD REACHED ALL THREE VERDICTS OF INNOCENT, MEMBERS OF THE FAMILY WERE WEEPING AND ANGELA RAN BACK TO EMBRACE THEM. MORE ÖPI 06-04 05:10 PED 247 A ANGELA 6-4 1ST ADD 3RD NIGHT LD ANGELA SAN JOSE 246 A XXX THEM. DESPITE A CHAIN OF CIRCUMSTANTIAL EVIDENCE FROM 97 STATE WITNESSES, THE JURY FOUND THERE WAS "REASONABLE DOUBT" THAT ANGELA KNEW OF, OR PARTICIPATED IN JONATHAN JACKSON'S INTERVENTION IN A SAN RAFAEL COURTROOM ON AUG. 7, 1970.IN AN ATTEMPT TO FREE HIS BROTHER, GEORGE, AND THE OTHER SOLEDAD BROTHERS. SUPERIOR COURT JUDGE HAROLD HALEY WAS KILLED BY A SHOTGUN BLAST TO THE HEAD AFTER HE WAS LED TO A GETAWAY VAN WITH THE WEAPON TAPED TO HIS NECK. AFTER JUDGE RICHARD E.ARNASON FORMALLY ANNOUNCED THE DEFENDANT WAS FREE AND THAT HER BAIL OF 2, 102,500 WAS TO BE RETURNED, THE TALL, SLENDER ANGELA, WEARING A BRIGHT PRINT DRESS, WALKED OUT TO AN AREA OUTSIDE THE CHAIN LINK FENCE OF THE COURTHOUSE COMPLEX TO MINGLE WITH ABOUT 400 SUPPORTERS WAITING THERE. "THIS IS NOT ONLY THE HAPPIEST DAY OF MY LIFE," SHE SAID, "BUT I AM SURE THAT ALL OF THE PEOPLE WHO STRUGGLED FOR ME ACROSS THIS COUNTRY AND AROUND THE WORLD ARE AWARE THAT IT IS A SYMBOL THAT WE ARE GOING TO FREE ALL POLITICAL PRISONERS AND THE OPPRESSED." MISS DAVIS THEN HELD A BRIEF NEWS CONFERENCE. MORE UPI 06-04 05:14 PED

(b) (Fortsetzung Fernschreiben j~ür Morgenzeitungen) 248 A ANGELA 6-4 2ND ADD 3 RD LD ANGELA SAN JOSE 246 A XXX CONFERENCE. SHE WAS ASKED WHETHER SHE WOULD SEEK TO RETURN TO HER POST AS ASSISTANT PHILOSOPHY INSTRUCTOR AT UCLA FROM WHICH SHE WAS FIRED BY THE BOARD OF REGENTS. " I HAVEN'T MADE ANY PLANS," SHE SAID. "I'VE BEEN WAITING FOR THIS DAY AND NOW I CAN START MAKING PLANS. THIS IS MY HAPPIEST DAY BECAUSE IT MEANS THIS IS NOW OUT OF THE WAY SO I CAN RESUME THE STRUGGLE AGAINST OPPRESSION,"

81

MISS DAVIS WAS ASKED WHAT SHE THOUGHT OF HER ACQUITTAL BY AN ALL-WHITE AMERICAN JURY. "I D I D N ' T THINK OF THEM AS PART OF THE JUDICIAL SYSTEM," SHE SAID. "I THOUGHT OF THEM AS PART OF THE PEOPLE, PEOPLE WHO HAVE TO BE BROUGHT INTO THE FIGHT AGAINST INJUSTICE." "IF YOU ARE IMPLYING THAT ΜΪ ACQUITTAL CHANGES MY MIND ABOUT THE AMERICAN JUDICIAL SYSTEM, THEN YOU ARE WRONG. THE FACT OF MY ACQUITTAL MEANS THERE WAS NO FAIR TRIAL AT ALL. THE ONLY FAIR TRIAL WOULD HAVE BEEN NO T R I A L . " A N G E L A ' S MOTHER, MfiS.SALLYE DAVIS, SAID THE VERDICT HAD ENDED "22 MONTHS OF TOTAL NIGHTMARE SINCE ANGELA WAS FIRST ACCUSED. MORE UPI 06-04 05:18 FED

249 A ANGELA 6-4 3RD ADD 3RD LD ANGELA SAN JOSE 246 A XXX ACCUSED "WE ARE GRATEFUL TO THE PEOPLE OF THE WORLD WHO ENGAGED IN THIS GREAT STRUGGLE, NOT ONLY TO FREE OUR DAUGHTER BUT AGAINST OPPRESSION EVERYWHERE. 1 ' PROSECUTOR ALBERT W.HARRIS JR. LEFT THE COURTHOUSE WITHOUT MAKING ANY COMMENT. THE JURORS ALSO HELD A NEWS CONFERENCE. MOST OF THEM WERE SMILING WIDELY AND OBVIOUSLY HAPPY WITH THEIR VERDICT, THEY REFUSED, HOWEVER, TO SAY HOW MANY BALLOTS WERE TAKEN BEFORE ANGELA WAS ACQUITTED OR TO DISCUSS EVENTS THAT TRANSPIRED DURING DELIBERATIONS. ANGELA WAS STANDING IN THE BACK OF THE ROOM DURING THE LAST PART OF THE J U R Y ' S NEWS CONFERENCE, AND SHE EMBRACED AND THANKED EACH OF THE JURORS AS THEY FILED OUT. PICKUP 8TH PGH 229 A: THE JURY UPI 06-04 05:21 FED

{c)

UPI-Fernschreiben-Original

f r Abendzeitungen

BY JACK V.FOX San JOSE, CALIF. ( U P I ) — ANGELA DAVIS WAS FREED SUNDAY AND KISSED AND EMBRACED THE ALL-WHITE JURORS WHO ACQUITTED HER. BUT SHE SAID SHE HAD NOT CHANGED HER MIND ABOUT THE INJUSTICE OF THE AMERICAN-COURT SYSTEM. "THE ONLY FAIR TRIAL WOULD HAVE BEEN NO TRIAL," SHE SAID. MISS DAVIS, 28, THE FORMER UCLA INSTRUCTOR WHO IS AN ADMITTED COMMUNIST, WAS FOUND INNOCENT OF ALL CHARGES THAT SHE CONSPIRED IN THE SAN RAFAEL KIDNAPING OF HOSTAGES AND MURDER OF A JUDGE. SHRIEKS OF JOY FILLED THE TINY COURTROOM ON HER ACQUITTAL AND THE USUALLY STONE-FACED MISS DAVIS GRINNED BROADLY , SAID "GEE" AND THEN WENT OUT ONTO A MALL TO TALK TO SOME 400 SUPPORTERS. "THIS IS NOT ONLY THE HAPPIEST DAY OF MY LIFE," SHE SAID, "BUT I AM SURE THE PEOPLE WHO STRUGGLED FOR ME ACROSS THIS COUNTRY AND AROUND THE WORLD ARE AWARE THAT IT IS A SYMBOL THAT WE ARE GOING TO FREE ALL POLITICAL PRISONERS AND THE OPPRESSED." AS THE JURORS FILED OUT, THE SPECTATORS IN THE 40 BY 40 FOOT ROOM STOUD AMD JOINED IN THUNDEROUS APPLAUSE. AT A NEWS CONFERENCE A SHORT TIME LATER, SHE WAS ASKED WHAT SHE THOUGHT OF HER ACQUITTAL BY AN AMERICAN JURY WHICH INCLUDED NO BLACKS. "I DIDN'T THINK OF THEM AS PABT OF THE JUDICIAL SYSTEM," SHE SAID.

82 " I THOUGHT OF THEM AS PART OF THE PEOPLE, PEOPLE WHO HAVE TO BE BROUGHT INTO THE FIGHT AGAIMST INJUSTICE." IF YOU ARE IMPLYING THAT MY ACQUITTAL CHANGED MY MIND ABOUT THE AMERICAN JUDICIAL SYSTEM, THEN YOU ARE WRONG. THE FACT OF MY ACQUITTAL MEANS THERE WAS NO FAIR TRIAL AT ALL. THE ONLY FAIR TRIAL WOULD HAVE BEEN NO T R I A L . " DESPITE A CHAIN OF CIRCUMSTANTIAL EVIDENCE FROM 97 STATE WITNESSES, THE SEVEN WOMAN, FIVE MAN J U R Y FOUND THERE WAS "REASONABLE DOUBT" THAT ANGELA KNEW OF OR PARTICIPATED IN JONATHAN JACKSON'S BREAK INTO A MARIN COUNTY COURTHOUSE OH A U G . 7 , 1970. THE STATE HAS CHARGED ANGELA AS A PARTY TO THE PLOT, MOTIVATED BY HER LOVE FOR GEORGE JACKSON AND DETERMINATION TO FREE HIM AND THE OTHER "SOLEDAD BROTHERS". SUPERIOR COURT JUDGE HAROLD HALEY WAS KILLED BY A SHOTGUN BLAST IN THE HEAD in A GETAWAY V A N , JONATHAN JACKSON, 17, AND TWO CONVICTS HERE ALSO KILLED. TWO WOMEN JURORS WERE WOUNDED AND A DEPUTY DISTRICT ATTORNEY PARALYZED FOR LIFE. PROSECUTOR ALBERT W.HARRIS J R . , DOWNCAST AND ALMOST OVERLOOKED IM THE TUMULT OF CELEBRATION, LEFT THE SANTA CLARA COUNTY COURTHOUSE COMPLEX WITH NO COMMENT, THE JURY RECEIVED THE CASE AT 11 A . M . FRIDAY AFTER 13 WEEKS OF TRIAL. THEY DELIBERATED 13 HOURS BEFORE BRINGING IN THEIR VERDICTS. THE JURY, HEADED BY FOREWOMAN MARY TIMOTHY, A MEDICAL TECHNICIAN AT STANFORD UNIVERSITY, WHOSE HUSBAND IS A PALO ALTO ATTORNEY, NOTIFIED JUDGE ARNASON AT 10:30 A . M . PDT THAT THEY HAD REACHED THEIR VERDICT.. ARNASON LOOKED AT THE THREE FORMS ON THE COUNTS OF THE INDICTMENT — KIDNAP, MURDER AND CONSPIRACY. THEN HE HANDED THEM TO COURT CLERK ART VANEK. WHEN VANEK READ THE FIRST NOT GUILTY VERDICT, THERE WAS A GASP IN THE COURTROOM, THEN THE SOUND OF SOBBING AND LAUGHTER MIXED. WHEN HE CONCLUDED ALL THREE VERDICTS OF INNOCENCE, MISS DAVIS ROSE AND RAN TO HER PARENTS IN THE SPECTATOR SECTION AND EMBRACED THEM AND HER TWO BROTHERS AND SISTER. MRS.TIMOTHY WAS ASKED LATER WHAT SHE THOUGHT OF THE AMERICAN JURY SYSTEM. "WELL, I THINK IT IS THE BEST ANYONE HAS YET DEVISED," SHE SAID. ANGELA WAS ASKED WHETHER SHE WOULD SEEK TO RETURN TO HER POST AS ASSISTANT PHILOSOPHY PROFESSOR AT UCLA WHERE SHE WAS FIRED BY THE BOARD OF REGENTS.· "I H A V E N ' T MADE ANY PLANS," SHE SAID. " I ' V E BEEN WAITING FOR THIS DAY AND I NOW CAN START MAKING PLANS. THIS IS THE HAPPIEST DAY BECAUSE IT MEANS THIS IS HOW OUT OF THE WAY SO I CAN RESUME THE STRUGGLE AGAINST OPPRESSION."

Rekonstruierte Fassung des AP-Berichts für Morgenzeitungen

An all-white jury found black militant Angela Davis innocent Sunday of murderkidnap-conspiracy charges and was given an ovation of cheers and applause in the courtroom. "Power to the people! Power to the jury!" shouted defense attorney Howard Moore Jr. as jurors were led past Miss Davis' cheering supporters in the courtroom after announcing their verdict, reached after 13 hours of deliberation in the 13-week-long trial. Two jurors - a 22-year-old woman and a 69-year-old man - were wiping tears from their eyes as they left the jury box. Miss Davis burst into tears, hugged her long-time friend Kendra Alexander seated next to her, then went into the spectator section and threw her arras around her mother Sallyc Davis. The tall, slender defendant then embraced her father, brothers and sister. The 28-year-old Miss Davis, a Communist Party member and former UCLA philosophy teacher, had faced for nearly two years charges that she had plotted a 1970

83

Marin County Courthouse escape attempt in which four died. She had spent 16 months in jail while awaiting trial, but was freed on bail just before the case went to court Febr.28, She was not present at the scene of the crime and maintained throughout that she was thoroughly innocent. "The defendant will be discharged," announced Superior Court Judge Richard E. Arnason, "The bail will be exonerated," The judge praised all participants and said that as a result of this trial, "all of us who walk the streets of our society can hold our heads higher than before... You have conducted yourselves admirably." Defense attorney Leo A.Branton, saying he spoke for the prosecution and defense, praised Arnason for the "even-handed manner in which you have handled this trial." He called Arnason's work a credit to the judiciary and the country. The defense and Miss Davis' supporters apparently had hints in advance that the verdict would be acquittal. Grinning and jubilant, they gathered in the courthouse corridor beforehand, clapping hands and singing a spiritual with the words "We've got our minds set on freedom, H a l l e l u j a h , " , . ,

Rekonstruierte Fassung des AP-Berichts für Abendzeitungen The Jurors who acquitted Angela Davis on murder-kidnap-conspiracy charges had no major disagreements on her innocence from the start of their deliberations, the forewoman said. Mary Timothy revealed the lack of discord while attending a festive party celebrating Sunday's verdict. A Mexican-American on the jury said he related to defense arguments about the persecution of blacks. Another source said the all-white jury voted at least three times before handing in its verdict. On the first ballot, taken Friday afternoon shortly after they began deliberating, the jurors voted 9 for acquittal and 3 undecided. There were no votes for conviction during the balloting, the source said. Hysterical sobs of joy intermingled with shrieks of happiness in the courtroom when the verdict was returned. Miss Davis wept quietly, tears streaming down her cheeks.She was found innocent of engineering the bloody August 7 » 1970 Marin County Courthouse escape attempt in which a judge, two convicts and their accomplice were slain. She had spent 16 months in jail before she was freed on 3 102500 bail five days before the trial began Feb.28. The tall black Communist hugged and kissed members of the 7-woman, five-man jury when they met for the first time at a news conference shortly after the verdict was announced, "This is the happiest day of my life" she told a crowd of 300 supporters outside the courthouse who had been chanting "The power of the people - it set Angela free." The jubilant Miss Davis declared the acquittal l l a people's victory" - not a triumph for American justice. At a private post-verdict party the lone Mexican-American on the jury, Louis Franco, told attorneys he was moved by the defense's final arguments, which centered on persecution of blacks in America for centuries.,. Bine extensive Analyse des kanonischen Textteils Body erübrigt sich im Sinne der Themastellung (vgl.o.1,3.1), Wo er sinnvoll zu berücksichtigen ist - z.B. für 'S-L-Bodytetrukturelle Relationen und die Identifizierung von PersuasionsStrategien - ist darauf im einzelnen eingegangen (vgl.u.3.1.2 und 3.1.4).

4

2.2,6 Phänotyp eines Zeitungsberichts Man könnte sagen, Objekt der Lesehandlung seien einfach 'Texte'. Die bisherige linguistische (vgl.Sandig 1971) und, soweit ich sehe, auch lifceraturwissenschaftliche Forschung hat meist dies getan, wenn sie Zeitungsberichte, Schlagzeilen u , ä . untersuchte. Es gibt jedoch eine Reihe von empirischen Indikatoren, die besagen, daß dabei nicht nur einige akzidentelle Merkmale nicht erfaßt u/erden, sondern eine zentrale, eigenartige '•semiotische Dimension* des Textprodukts Zeitungsbericht unberücksichtigt gelassen wird: 1.Einige Indikatoren bietet das alltägliche Leseverhalten Zeitungslektüre t Soweit es in Eigenbeobachtung zugänglich ist, scheinen dafür folgende Abläufe als

t y p i s c h annehmbar (was nicht bedeuten soll, daß das Leseverhalten

jedes Lesers genau in dieser Weise von statten gehen m u ß ) ; Man liest einen Zeitungsbericht im Unterschied z.B. zu einer wissenschaftlichen Abhandlung häufig nicht im strengen Sinn d i s k u r s i v . Man nimmt z.B. zunächst die {in spezifischer Weise gefaltete) Zeitung und wirft einen ersten Blick auf den oben rechts bzw.links {oder rechts und links) plazierten 'Aufraacher 1 ( v g l . u . ) . Dieser wird verkaufstechnisch häufig gerade so plaziert. Danach entfaltet man die Zeitung, überfliegt die Schlagzeilen des 'Titelblatts, z.B. in der Reihenfolge ihrer Größe, betrachtet die Fotographien und liest ihren Text, liest sich dann in einem Bericht, der einen speziell interessiert, Vorübergehend fest, unterbricht dann an irgendeiner Stelle die Lektüre, weil sie nicht mehr interessant genug ist, weil man aufbrechen muß usw. Oder man blättert, wenn einen Aufmacber und KurzmeldungenÜberschriften der Titelseite nicht interessieren, sogleich zum Lokalteil um; oder man überfliegt nur ganz kurz das Titelblatt, liest dann die Todesanzeigen auf der Rückseite (einer Lokalzeitung) und danach den Lokalteil, urn danach mit der genaueren Lektüre eines vorher avisierten Berichts zu beginnen, Es ist wahrscheinlich, daß Leser feste individuelle Alltagsroutinen in diesem Sinne internalisiert haben (in Relation zu 'ihrer 1 Zeitung) und daß diese auch z,B. hinsichtlich Boulevard- gegenüber 'seriöser 1 Tageszeitung typisierbar sind. Es ist weiter wahrscheinlich, daß die Art dieses nicht-diskursiven schrittweisen Erstellens eines Gesamteindrucks eines Berichts auf einer Zeitungsseite

ebenso wie die Art der graphischen Gestaltung selbst eine Lese-

handlung kognitiv nicht unmaßgeblich beeinflussen. 2, Würde man Zeitunglesen allein als sprachliches Dekodieren von Texten fassen, und wären die graphisch-visuellen Tatbestände der Aufmachung nicht relevant, müßte eine maschinenschriftliche Reproduktion eines Zeitungsberichts bei gleichem Wortlaut den gleichen kommunikativen Effekt haben wie dieser.

85

Es ist experimentell beweisbar ( v g l . u , 2 . 3 ) , daß dies keineswegs der Fall ist, und es ist auch schwer verstellbar, daß es Tageszeitungen in der üblichen Form gäbe, wenn dies so wäre: Man würde sich den erheblichen Aufwand für die Aufmachung sparen. 3, Für bestimmte sprachliche (verbale) Varianten (z.B. in S, vgl.u.3.2.3) sind in empirischer Analyse Vorkommensrestriktionen für bestimmte Aufmachungstypen nachweisbar, Ware die Aufmachung irrelevant, könnten sie nicht bestehen. 4. Aufmachung und Plazierung eines Berichts in einer Zeitung sind grundsätzlich von ebenso großem, möglicherweise größerem kommunikativem Gewicht als die Mittel verbaler Komponenten; Wenn etwa eine renommierte amerikanische Tageszeitung wie die NEW YORK TIMES am Tage nach der Wahl eines Kandidaten zum Präsidenten der USA keinen Bericht auf der Titelseite, sondern nur eine Kurzmeldung auf Seite 25 oder überhaupt keine Meldung zu diesem Ereignis bringen würde, könnte dies unter Umständen eine stärkere kommunikative Gewichtung (z.B. größere Antipathie) signalisieren,als es verbale Explizierung in einer Titelgeschichte vermochte. Alles dies ist auch ein Argument d a f ü r , daß das Nebeneinander sprachlicher (verbaler) und graphischer Mittel eines Zeitungsberichts als Konkomitanz zweier eigenständiger semiotischer Systeme bzw. als doppelte Repräsentation von Sprache verstanden werden muß,und daß es inadäquat ist, für letztere irgendeinen 'Para-'Status anzunehmen (der häufig impliziert, daß eine Analyse ihrer Eigengesetzlichkeit nebensächlich ist), Keine der Komponenten vorliegender Schemata (vgl.o.1.2.1) berücksichtigt insgesamt die hier relevanten Gesichtspunkte befriedigend, Von Hymes 1972 enthalten die Komponenten Instrumentalities (Channels), Message Form und Genre jeweils einige Teilaspekte, Die Begriffe 'Form 1 , 'Medium' oder 'Gestalt 1 eines Zeitungsberichts sind zu vage und/oder anderweitig belastet. Der Begriff 'Aufmachung ' käme arn ehesten infrage, ist jedoch umgangssprachlich und im journalistischen Fachjargon für einen kleineren Bereich der fraglichen Merkmale üblich. Dasselbe gilt für den Begriff 'Layout 1 , Ich möchte daher den Begriff P h ä n o t y p eines Zeitungsberichts einführen. Er bezeichnet die Gesamtheit der Mittel der graphisch-drucktechnischen Gestaltung, der Organisation und der Plazierung eines Berichts auf einer Zeitungsseite und in einer Ausgabe insgesamt, die für die visuelle Wahrnehmung des Lesers

86

von den Zeitungsmachern verwendet werden. Die Komponente Phänotyp ist wie die anderen Komponenten einer ZKH als ein System von 'Instanzen 1 anzusehen, zwischen denen mannigfaltige regelhafte Relationen bestehen. Die wichtigsten phänotypischen Instanzen eines Zeitungsberichts und seiner kanonischen Textteile sind: (!) (2) (3) {4} (5)

Plazierung des Berichts auf der Titelseite bzw, in der Zeitungsausgabe Größe und Aufmachung der (Haupt-)Schlagzeile {vgl.u.} Spaltenzahl eines Berichts relativ zum Standard der Titelseite textbegleitende Fotographien Gesamtorganisation des Berichts (Paragrapheneinteilung, Zwischentitel, Satzart und Typenspiegel usw.) (6) Relation (hinsichtlich der Aufmachung) zu anderen Berichten derselben Zeitungsausgabe bzw.-seite, insbesondere zum nächstgrößeren und nächstkleineren { v g l . u , ) Die letztgenannte Instanz ist relevant in Interrelation zu textinternen und textanalytischen Komponenten: Es ist nicht nur von Bedeutung, ob der Bericht über den Freispruch von Angela Davis die größte S der Titelseite und den größten Raum auf dieser hat bzw. nicht hat bzw, überhaupt nicht auf ihr erscheint. Nicht minder ist von Bedeutung, welches Thema der eventuell'vorgezogene' (größer aufgemachte) Bericht hat, ob z.B. die größte S der Titelseite lautet US JETS BLAST RAIL BRIDGES WITHIN 50 MILES OF CHINA oder SECOND MY LAI-TYPE MASSACRE CONFIRHED (wie in Nr.16 bz«/.Nr.22 dieses Korpus, in ersterer findet sich der AD-Bericht nicht auf der Titelseite, in letzterer in kleinerer Aufmachung auf dieser). Der Phänotyp eines Zeitungsberichts ist der direkteste und der verläßlichste Indikator für das Gewicht, das ZeitungsJournalisten einem Ereignis in der Berichterstattung zumessen, für die publizistische Brisanz einer Meldung.Man könnte von einer spezifischen Interrelation der Komponenten Setting-Mitteilungsinhalt-Phänotyp sprechen, Für die journalistische Gewichtung einer Meldung mit phänotypischen Mitteln ist folgende Hierarchie binärer Merkmale (vorwiegend, jedoch nicht ausschließlich der oben unter (1) und (2) genannten Instanzen) konstruierbar: (1) +_ spezielle Edition

Eine Zeitungsredaktion hält ein bestimmtes Ereignis für so wichtig, daß sie eine besondere Edition herausbringt. Einen solchen Fall bietet das vorliegende Korpus nicht; vielleicht kann man sagen, daß das Thema dieses Berichts {für amerikanische TZ) generell nicht dieses Kaliber hat.

87

(2) + ganze Titelseite

Auf der Titelseite einer TZ finden sich ein oder mehrere Berichte ausschließlich über e i n Ereignis. Auch dieser Fall ist im untersuchten Korpus nicht vertreten, einige Exemplare kommen jedoch in die Nähe dieser Konstellation ( v g l . u . ) .

(3) + 'Banner 1 S

Quer über die ganze Breite des Titelblatts findet sich eine S mit großer Druckaufmachung ("Banner" oder "Streamer"), vgl.u.Nr.5; diese maximale Aufmachung einer S liegt in Nr.l,2,3,5,9,15,15 und 18 vor.

(4) + Titelgeschichte ('Aufmacher'}

Ein Bericht hat als Titelgeschichte die größte S der Titelseite und steht in ihrer oberen Hälfte. Beispiele des Korpus: Nr.4,7,8,17,19,20,23,30.

(5) + obere Hälfte des Titelblatts

Ein Bericht ist n i c h t Titelgeschichte und hat nicht die größte S der Titelseite, befindet sich aber in ihrer oberen Hälfte.Beispiele des Korpus: Nr.6, 11 (vgl.u.).

(6) +_ untere Hälfte des """ Titelblatts

Ein Bericht hat die zweit-Drittgrößte oder eine kleinere S des Titelblatts und befindet sich (meist nur ein- oder zweispaltig) in der unteren Hälfte des Titelblatts. Beispiele des Korpus: Nr.14, 22,32 (vgl.u.).

(7) -*- letzte Seite der Zeitung

Ein Bericht befindet sich nicht auf der Titelseite, sondern auf der letzten, der zweitwichtigsten Seite der Ausgabe. Kein Beispiel des Korpus, (Häufig ist dies in Boulevardzeitungen)

(8)

Seite 2 {Rückseite des Titelblatts)

Weder Titel- noch letzte Seite der Zeitung,sondern Seite 2 enthält einen Bericht: Beispiel Nr.16

(9)

in Ausgabe eines bestimmten Tages

Ein Bericht befindet sich irgendwo im Innern einer Zeitung, also in minder gewichtiger Plazierung in der nächstmöglichen Ausgabe.Beispiele: Nr.28,31

Gesamtberichterstattung

Sine Tageszeitung berichtet in k e i n e r Ausgabe über ein bestimmtes Ereignis (mediengesetzlich impliziert ein '-' in (9)normalerweise ein '-' in (10): Fehlen eines Berichts in der nächstmöglichen Ausgabe besagt Fehlen überhaupt). Dieser Fall ist in den Zeitungen des Korpus nicht vertreten, offensichtlich wegen der Brisanz des zu berichtenden Ereignisses.

Dieses Kontinuum binär definierter phänotypischer Merkmale läßt sich für das vorliegende Korpus vereinfachen. Die phänotypiscne Variation kann hinreichend bei Annahme von nur z w e i binären Merkmalen beschrieben u/erden:

B8

+ B a n n e r C±B) Aufmachung der Schlagzeile und + T i t e l s e i t e ( + T S ) . + Banner bedeutet, daß eine quer über die ganze Titelseite reichende Schlagzeile, also die grüßte mögliche Aufmachung einer HS, vorliegt; -Banner besagt, daß es sich um die größte Schlagzeile der Titelseite, jedoch nicht eine Banner-HS handelt. Für b e i d e Falle ist in der journalistischen Fachsprache der Terminus 'Aufmacher 1 ("Main Headline"; abweichend won dem hier verwendeten Begriff 'Haupt- 1 gegenüber 'Unterschlagzeile', vgl.o.0.3) üblich, der die größte Schlagzeile und den größten Bericht der Titelseite einer Zeitung meint. + Titelseite bedeutet» daß ein Bericht die z w e i t g r ö ß t e oder eine kleinere Schlagzeile auf der Titelseite hat; - Titelseite besagt, daß Bericht und Schlagzeile nicht auf der Titelseite stehen (bzw. diese keinen Hinweis auf das betreffende Thema enthält). Abgesehen von der Ökonomie der Beschreibung ist diese Reduktion dadurch gerechtfertigt - und dies ist das entscheidende Argument - daß die Distinktion von + Banner einerseits und + Titelseite andererseits die entscheidende psychologisch reale Opposition in der Senderhandlung reflektiert: Eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Frage der Redaktionskonferenz, auf der über die endgültige Fassung einer Zeitungsausgabe entschieden wird, ist, womit 'aufgemacht' wird (welches der größte Bericht und die größte S der Titelseite sein soll). Von dieser Frage ist in weitaus den meisten TZ des Korpus der AD-Bericht betroffen, Im folgenden sind einige Beispiele für phänotypische Klassen dieser Definition gegeben (weitere sind in 3,2.4 genannt). Die für diese Untersuchung wichtigste Frage nach regelhafter Kovariation zwischen Senderstrategien für den Wortlaut und für den Phanotyp von Zeitungsberichten (insbesondere Schlagzeilen) ist ausführlich in 3,2.3 behandelt. Die wichtigste Frage innerhalb einer S, die Unterscheidung von Haupt- und Unterschlagzeilen, ist z u g l e i c h eine textinterne und eine textphänotypische. Sie scheint (primär) Varianten bzw.Alternativen für Mitteilungsform- und inhalt, d.h. der HS- und US-Formulierung zu betreffen, die phänotypischen Ausdruck finden und wird daher in 3.1 systematisch analysiert. Im Anschluß an die Kopien von Titelseiten von Zeitungen des Korpus (Abb.5} wird in Abb.6 eine Übersicht über die größten und zweitgrößten Schlagzeilen der Titelseite und entsprechende textbegleitende Fotographien gegeben.

89 rtbb. 5

Ph notyp eines Zeitungsberichts

(1) + Banner-Ph notyp

N r . 2 SAN FRANCISCO CHRONICLE

N r . 5 THE SACRAMENTO UNION

EXTRA EXTRA EXTRA EXTRA

Jury Frees Angela 3b Sacramento ilnfam

....

COUCTTE Wild Scene in Courtroom | ei, D«, I As the Verdict Is Returned , Family's

* Λ

·«

.,

·

Mk

TV bebales Wind Up With _.—r Ά Full House :

·

*'

ry-j-fn'frrr—rj 2 Pessersby Save

Jury Press Angela 5^fS

RuiM B»rriiifirun> Or li

Offer «ff/ f)f Utiir Ton.™

'Holocaust Ί/ They Got In -

. ΚΛΪΪΤ> l rl fViiwsnt S

UrcuhMitmOweftXtuitoteiHep«! s w ΟΛΙΙ (MmiiiiiiliiftiMrQJi'wi· » *~

A

ο

Ν 150 Million Kations

φ L,

S 8 F-iCMrHMOOMMi-iruMMOr-tr-tfHfHMCMMrHrHOfHOr^OM'-lOO

CX,



co

s Mo



— W

-P

l §i~l 00 't.

•H β

M M CO ffl

Ϊ53^δ

& co

~|f jff'l

ε

CQ

to ΓΜ ω j ri —

it

•H t-, Φ

D

4-1

c :O

PL,

M t-·

tO

g

1-1

c B Φ

H M CQ M K

o o ω

Φ

td

N

•a 0) jj tu

Q tO

< a a 05 !

cc oo

Q O Q Q Q

aOQC»

•O ·* M M O

1.:

Φ

£->

Q

to ω Ο a

CO

05

•σ co π) o a

£-·

•a!

CQ co H CO
Ο CO O Q

Cd

u co

U Q CQ

^O

E

SQ

M


£>

Du

Cl· W

rH

-3-

rH

t—

fH

rH

φ -H

rH— (S

t-

tu Cd

LTl

r* .

Γτΐ

f^j

ΓΓ .

Et.

Cd Cd f*T

ST

Ci4

Cl·.

EI-I

Ei*

Cd

bu

PO

tu

Cd

Cd

Ed

Cd

Cd

Cd

CM

Ct.

fT^

f*|

fj^

fr |

EU

ω

rH

Cu

Ed

bj

tu

Et*

fc.

Cd

rH

m

f *-r

l

N

rH.

CM

CM




Cu >

Cu >

1

1

CU

Ou

ι

ι

f

Cu >

ι

t

Cu >

> >

Cd Cl·

r?

lar, hm, I think that's used entirely positive. Heard an all-white jury once again very positive, find her innocent^ of murder, kidnapping and conspiracy. I: Black scholar is a positive word? S: Scholar is a very positive word. I: And all r white? ^ : All-white brings out the fact that an all-white jury would acquit ... it's just,' hm, I mean - certainly it points to the problematic of the Black situation in the United States. Hey, but I don't think by any reason it's negative - I think it's very positive. The, eh, the first article is more emotional in what it reports on, talks about the - her emotions upon finding out that she was freed as the headline reads,emotional outbursts and then her moans of Thank God or on the other side the moans

168 (S:) of the spectators of Thank_God and - another thing that comes up is very interesting - they call her a blacky scholar, they also refer to her as a brilliant j)h i losophy instructor which of course is very positive, I: Are there any words or phrases in the first article that you would think have a negative connotation? S: Hm —

I: Did you underline any in that respect? S: I didn't underline any - hm, of course, it talks about a prosecutor, okay, and how he had accused her of engineering - a raid on the Marin County Civic Center to release prisoners, okay, it does sum up the negative side of the case to a certain extent but mainly the positive is emphasized. I: In other words - would you characterize the first article as a whole as positive? S: Well, I think it's much more emotional, I don't think it's quite so neutral, I think it is pro-Angela Davis, I think they refer to her in very positive terms, hm, positive establishment terms - I think you can offend the establishment by referring to someone as a Black Militant Communist , I think you can plea - you can appease the establishment by referring to her as a black scholar and a brilliant philosophy instructor — also in other ways, though it may be not so positive in that it emphasizes more the emotional feeling of her being freed. It talks about how she's feeling, how people stand and how people reac.t to it in more than what actually went on and infact more than it would, for instance, discuss the facts of the trial hm - it talks about the support of her whole family and who her family is, and obviously there are some very interesting people in her family, a football player for the Cleveland Browns, you know, that's definitely positive for me, you know, and, em, of course when it talks about the - negative accusations, the engineering a raid on and premeditated murder - when it brings these - the article seems to be brought back down into the real world. These words seem somehow almost out of place in a way because it kind of brings you back to reality of what actually did happen; not that Angela Davis was involved - I don't know that, but the fact is that this did happen and that murders have occurred. I: Okay. What is the over-all impression as to the political point of view of the author? S: Em, I think - I d-on't know what the political point of view is. I don't think he's - I don't think the author shows any prejudice against her. I don't think the author, em, hints at her being guilty whatsoever, but more or less sums up the emotions in the courtroom in a p r o-Angela Davis fashion, I: Okay. How about the second article? S: Well, the second article is - at quite different tone than the first. The first article begins Jury frees Angela Davis which - and of course the subtitle is verdict finds her innocent on all counts. The second begins Angela_Da v i s ac _qu i t ted - more neutral immediately and more professional, Verdict is cheercd^ - once again though the verdict - - once again it shows that the emotional tone towards Angela Davis and her case was pro, I: What else did you underline? Si I underlined words like Black militant^ and communi_st and - well, like I said that's an entirely different connotation to me than a black scholar. A militant of course is - somebody that's very radically against the establishment. And a communist, of course, for most Americans and a lot of other people, too, is not exactly the political side one favors. So the expression itself definitely has a negative connotation, — It begins by saying Angela was__fr_ee today bu t _ shg_ _has_ not changed jier mind^abou_t^ the^ J.nju_s t ice of _thg^ JUnerlea n^_ court system. I think the author has to do here more with - injustice and justice than in the first article and I'm not exactly sure the author is

169

pro Angela Davis - but more I; But more? S: I'm not saying it's con, I ' m saying it's a little bit sarcastic. The system freed her although she was accused in these things which she could have been involved in, okay, by giving her a fair trial she was freed but, em, she still badmouths the system. And - what she represents - she represents a Black militant and a communist - okay, and these are ordinary traits that if there were injustice in the system that they could really screw her and oppress her. But they freed her.

I: Would you say this is the tone of the article as a whole? S: I think it is - I've been convinced that this more or less is somewhat sarcastic. I: Okay.- Do you have any additional remarks? S: No. (TEIL II: Vorlage der Titelseiten mit verdecktem Zeitungskopf) I: These are the original newspapers with the mastheads covered. This one is article (!}, this is article ( 2 ) . Is there anything in the make-up, layout, selection of photographs etc. that you would like to comment on? S: In i l ) the headline takes up the entire top of the paper - obviously that is significant. That is t h e main story. The first thing that catches your attention. You also see Angela Davis smiling. You see her surrounded by men, okay, with the undertitle Angela Davis flanked by her attorneys after jury found her innocent - this is the main story Jury frees Angela Davis. I: You remember your comments on the text a minute ago - what does the make-up and location on front page say to you? S: It wouldn't change my mind by reading I: Does this mean that in I I ) it intensifies the evaluation as pro? S: No, but it builds the article up to be an important issue by putting it by having the main spread on the top of the newspaper. Now this, of course, - there are other things in this newspaper that catch your attention immediately (referring to text ( 2 ) } like the raassacre at My Lai and this other riot thing and then Angela Davis is actually quite ... I: In (2) Angela Davis is not t h e main story, right? S: It doesn't look like it, does it? I - I still feel that the article ( 2 ) is halfway - is not entirely pro Angela Davis, I think it's up and above her story and - I don't think it's touched by the fact that they acquitted her - that they either found her guilty or not found her guilty; I think it's more or less interested in the fact that she did get a fair trial although she shits on the system. I: In other words S: I definitely think (2) is more factual than ( 1 ) , but I don't think (2) is entirely neutral. I think there's a definite tone about it of sarcasticness and I think it's obvious I: Could you give any examples? S: Grinned broadly, Miss Davis - okay - the usually stone-faced Hiss Davis grinned broadly. I: Does that sound sarcastic? S: I think in the context of the article, yes. The article begins by saying that Angela was free today but she tos not changed her mind about the injustice of the American court system. It goes on to talk about what Angela Davis represents in this establishment, how she definitely is a threat to it, and yet within the system she received a fair trial. Hey there was no discrimination in any way, even a white jury freed her, because the facts did not show anything to the contrary and it ends up with another statement from

170

Angela Davis,saying, em, over the last week or so we've heard of numerous threats that have come in,t sheL saidc., But_I'm^ not going to all_o_w_ that _to p reven t mg fr o m becoming active in the 1iberation struggle. I think the whole article is framed in more or less the justice of the American court system. I: It is a pro approach to American justice and to the American court system in article ( 2 ) ? S: I definitely think it is, I think this is where the sarcasm comes in a little bit - making fun of her a little bit. I: Okay, thank you. (Teil III und IV: In diesem Interview wurden die Zeitungsnamen reotypen für die Zeitungen gegeben, vgl.o.) I: S: I: S: I: S: I:

S: I:

v o r den Ste-

Okay, I show you the names of the two papers now. (1) is the CHICAGO TRIBUNE, (2) is the ST.LOUIS POST-DISPATCH. Do you happen to know these newspapers? Ho. Neither of them? No. You have no information about the two papers whatsoever? Ho. Okay, looking at everything together - the wording and content of the texts, the make-up and masthead of the papers - how would you classify them if you are told that one of them is considered heavily conservative, the other leftoriented? I would say that the ST.LOUIS POST-DISPATCH is a little more conservative and the CHICAGO TRIBUNE is more liberal. Why?

S: Well - the main argument - of course there is a big difference here - there is more reported in the ST.LOUIS POST-DISPATCH. I; And article (!}? S; All I can go by is a feeling of a more liberal newspaper would be more pro to the Angela Davis symbol. And I find that this set-up and what is written, the tone of the article (1) more liberal than for instance say this (pointing at ( 2 ) ) . (Teil IV: Nennung der bekannten Stereotype für die Zeitungen) I:This paper, the CHICAGO TRIBUNE, is considered heavily conservative, this one, the ST.LOUIS POST-DISPATCH, is considered leftoriented. Given this information - does it influence your first evaluation? I think you remember what you said about the text and make-up? S: No - em I: Is there anything in (1} CHICAGO TRIBUNE that strikes you as being conservative? S: Well the American flag dangling up in the left-hand corner. I: Oh - that's conservative? S: Well, well - I shouldn't have tried to judge the newspapers by just the Angela Davis article, I find - reporting now to the CHICAGO TRIBUNE - I find the article written about Angela Davis more liberal than I find the article written about Angela Davis in the ST.LOUIS POST-DISPATCH. I: Is there anything in the latter that shows some kind of a leftorientation? S: No, I wouldn't know. I think what's reported here were issues of the time My Lai, of course, the massacre, the California race - no I would not be

171 I: S: I:

able to tell. Well - could the choice of My Lai. as biggest headline on the front page in* dicate that it is a little more xeftoriented? Well, that could be, but Angela Davis could be one of the biggest symbols for a leftoriented paper also. Okay, that's fine. Thank you very much for your help.

Zusammenfassung des Interviews mit VP-V: Datum: 25.Juni 1972 Ort: Palo Alto, Kalifornien; Wohnzimmer der Informantin Anwesend: VP-V; Interviewer Dauer: ca.30 Minuten VP-Charakteristika: VP-V und VP-S haben gemeinsam: Alter (26 b z w . 2 7 ) ; CollegeAusbildung; Angehörige der weißen oberen Mittelklasse; liberal-gemäßigte politische Überzeugung; Vorwissen: Hilfe zum Verständnis für einen Non-Native Speaker Anmerkung zur Notierung: Die folgende Zusammenfassung des Interviews wurde anhand des Tonbandprotokolls vorgenommen. Sie ist inhaltlich vollständig hinsichtlich der Angaben von VP-V, verzerrt natürlich den Gesprächsverlauf.

Von VP-V durch Unterstreichung markierte Textsegraente in Text (!}: screams of joy; sobs of relief; erupted; black scholar; tears streaming down her face; emotional outburst; moans of "Thank God"; two years of "agony and terror"; brilliant philosophy instructor; slumped forward; steady pounding applause; sobbed to them "Oh, you beautiful people"; clutching their hands; taking deep breaths of anxiety; heavy choking sobs; buried her head; smiled broadly and said "Gee!". Von VP-V durch Unterstreichung markierte Segmente in Text (2h free... but has not changed her mind about the injustice; black militant and communist; cries of joy; usually stone-faced Miss Davis; "symbol that we are going to free all political prisoners and the oppressed"; thunderous applause; "fight against injustice"; "The only fair trial would have been no trial"; "We celebrate some and steel ourselves for the struggle ahead"; "I can begin to give all I have to free all political prisoners and oppressed people"; new mood in America; "government repression"; personal safety; "me...becoming active in the liberation struggle". Teil I: Zusammenfassung der Textcharakterisierung von (1) und (2) durch VP-V: (1): /Extremely pro article on Angela Davis. All sentences work toward stirring up feelings of sympathy and empathy. Article is emotional and conveys the relief of Angela Davis who, it is implied, was accused unjustly and made to endure two-years of agony and terror . She is called a black scholar and a brilliant phi1osophy instructor in contrast to article (2) where she is called a militant and communist. Her intelligence is stressed, not her political stance. Nowhere

172

in this article is it mentioned that she is a communist. The people supporting Angela Davis, especially her family, show human responses and evoke thus our empathy: Tears streaming down her face, screams of jo;^, sobs of relief, steady pounding applause, moans of Thank God , . . , while in contrast the opposite side is shown disappointed - the prosecutor slumped forward in his_seat, a rather childish and uncalled for response./ (2):/Very con article seen in the way it presents the reactions of Angela Davis. It does not give the emotional and human responses of Hiss Davis but rather presents her in a negative manner as a militant and communist by continually quoting her political statements of plans for the future: free. . . but has not changed her mind about the in Justice _of _ the American court system, symbol w free all political prisoner a ana the oppressed, fight against injustice,... steel ourselves for the struggle .ahead. . .active in the liberation struggle. The terms she uses in these quotes auch as oppressed , political prisoners, goyerriment_re;prej5ion etc. are all militant and communist jargon. By presenting these quotes from the hard unsympathetic usually ^tone-faced Miss Davis as a heralding of the future, a new 'mood forecast ', the article strives to strike fear and apprehension into the hearts of its readers at the release of such a person. The acquittal for this newspaper thus means a triumph for communism and a setback for the 'American way of life 1 . Teil II: Zusammenfassung der Angaben von VP-V: /Both represent about same amount of story on front page. (1) has a much bigger headline - paper considers story more important, especially since it is also no. I story whereas in ( 2 ) it is a secondary story and Mv Lai is first. (2) headline less sensational and more blase than (1). ( 2 ) more emotional picture and larger than in (1} - victory hug vs. Angela flanked by attorneys, (2) puts rest or continuation of story closer to front than ( 1 ) , to be taken also as evidence of more importance. Both headlines rather neutral, though (1) more emotional than ( 2 ) . / Teil III: Zusammenfassung der Angaben von VP-V: / ( 2 ) textual ly is heavily conservative, (1) liberal leftoriented. The conservative (2) attributes less Importance to the story than ( 1 ) , the headline is more factual , smaller and blase . Story is more important in (1) because of larger headline, treated as primary rather than secondary story, text continued on page 2 rather than 5. ( l i apt to be from small California town because of local news stories surrounding as opposed to national in ( 2 ) . (2) main headline seems to indicate a liberal paper both in presenting My Lai headline as primary and as a liberal find./ Teil IV; Zusammenfassung der Angaben von VP-V: /The pictures indicate the political point of view - (2) liberal (emotional), (1) factual. (1) must be taken cynically - I have read both stories with a liberal outlook and took CD as straightforward. The presentation of the quotes in (2) must be then the mere presentation of her reactions, emotional outburst-, scholar - should know better, tears streaming down her face , clutching their hands, taking deep breaths of anxiety.

173

Ausschnitt der Titelseiten Text ( i ;

Text (2)

r- 5ÜJMS POST-DISPATCH* ~ «Mtrtt. «W i -a

fury Frees Angela iace Fixing Probe h-dered by State

t:

Verdict FMs ' Her Innocent ,·! on All Counts ,,

»*'^!.S5t

Second My Lai-T\j>e Massacre Confirmed

I(H) Officer* Join Kiat Drill

' !VKmieiri *·*ki- 4 jtnmai Vi»

'-f,

f.pft In HrJp lSai,i.l tnsri tiin.il

Pupil I

Ergebnisse und Ausblick: VP-S und VP-V stimmen hinsichtlich sprecherspezifischer Merkmale weitgehend überein tvgl.o,}, weisen jedoch einen wesentlichen Unterschied auf: VP-S kennt die beiden Zeitungen nicht einmal dem Namen nach, VP-V kennt dagegen die beiden Zeitungen und die für sie geltenden Stereotype der politischen Standorte.Man ist versucht, den Unterschied der Reaktion in Teil IV (gegenüber sehr großer Übereinstimmung in Teil I und II des Interviews) damit in Zusammenhang zu bringen (insbesondere auch aufgrund der Parallelen im Verhalten anderer VP, auf die hier nicht näher eingegangen werden k a n n ) : VP-S bleibt in IV bei der Interpretation, die sie in I gegeben hat. Sie versucht - vereinfacht - zu erklären, wie die Texte im kommunikativen Gesaratrahmen der Zeitungsseitenoriginale gleichsam dennoch, d.h. in Diskrepanz mit den für die Zeitungen als solche anzunehmenden Stereotypen ihren Wert behalten, hält also diese Diskrepanz von Textstandort und Zeitungstandort durchaus für möglich. Sie erkennt zwar bei zusätzlicher Aufmerksamkeit bestimmte phänotypische Elemente wie die amerikanische Flagge in der CHICAGO TRIBÜNE, die den Zeitungsstandort markieren, dies führt jedoch nicht dazu, daß sie ihre Einschätzung des Texts revidiert. Anders verhält sich VP-V: Ihr geht gleichsam schlagartig'ein Licht auf, wenn sie erfährt, aus welchen Zeitungen die Texte stammen. Die in Teil I und Teil II des Interviews gegebenen Lesarten werden sofort verworfen und die Interpretation von Text (1) und (2) z . T . radikal korrigiert - in der Weise, daß sie den von VP-V internalisierten Stereotypen für die Zeitungen konform ist. Das PRO-Engagement von Nr.15 CHICAGO TRIBÜNE w,ird nun als Zynismus definiert, die Referierung negativer Informationen inform provozierender Ausdrücke in Nr.22 ST.LOUIS POST-DISPATCH als 'reines Zitieren' gewertet.

174

Das Bewertungsverhalten der beiden genannten VP repräsentiert gleichsam die beiden Pole, zwischen denen das der anderen untersuchten VP anzusiedeln ist, ohne daß man sagen konnte, VP-S und VP-V zeigten 'extremes' Verhalten. Für alle VP ist charakteristisch, daß Einschränkungen und Relativierungen der eigenen (Leser-)Kompetenz nicht bei der Beurteilung der Texte in I-III, sondern ausschließlich in Teil IV bei Kenntnisnahme der Herkunft der Texte geäußert werden. Einige VP machen (wie VP-V, vgl.o..) auch direkt explizit, daß es so etwas wie ein unbeeinflußtes für bare Münze nehmendes Verständnis ('straightforward') des Textwortlauts gibt und außerdem ein solches aufgrund diverser Voraussetzungen, Vorkenntnisse, z.B. über den Zeitungsnamen, das mit dem ersteren nicht notwendig identisch ist. Abgesehen davon, daß aus den Interviews selbst vielfach Beispiele für Mehrdeutigkeit/Ambivalenz einzelner Wörter, Phrasen u.a. entnehmbar sind (vgl. auch das Interview mit VP-S}, ist als eine eigene Quelle für Ambivalenz, wenn man so will, die Kenntnis des Zeitungsnamens bei Lesern erkennbar. Daß für die Rezeption eines Textes von Bedeutung ist, in welcher Zeitung, wo und wie in einer Zeitung er erscheint, ist eine beinahe triviale, altbekannte Tatsache. Die obigen Interviews haben das Ziel, einen detaillierten Beweis zu führen, wie diese (exemplarisch) konstituiert wird^und worauf sie sich erstrecken kann. Sie machen zugleich deutlich, wie komplex 'textanalytische 1 Werte zu konzipieren und wie schwierig sie im Einzelfall empirisch nachzuweisen sind, Für das Bewertungsverhalten der untersuchten VP im einzelnen ist festzustellen: 1. Es sieht so aus, als ob Leser (im Experiment) einen 'politischen Standort 1 aus dem Wortlaut eines Textes in der Weise interpretieren, daß sie diesen in einzelnen Textelementen erkennen und dann für den Gesamttext generalisieren. Dies ist im vorliegenden Experiment fraglos durch die Aufgabenstellung bedingt und als solches nicht weiter von Bedeutung. Bezeichnend ist jedoch, daß die von Lesern angegebenen Elemente, die persuasiv in besonderem Maße identifizierend oder exponiert sind, im allgemeinen d i e s e l b e n sind. Man kann dies als eine Auffindungsprozedur persuasiv 'merkmalhaltiger' und 'merkmalloser' Textelemente verwenden. 2. Damit sind jedoch keineswegs realiter in der Lesehandlung vorkommende rezeptioneile Werte oder auch nur in dieser besonders wichtige Daten gefunden. Nicht-textinterne Daten wie Aufmachung und Zeitungsnamen bzw. ihre Äquivalente in der Leserhandlung kommen quasi als 'Vorzeichen 1 hinzu, unter denen das Gesamtverständnis abläuft. Sie können gegebenenfalls konträre rezeptioneile Wertigkeit besagen (vgl.o.}. Der faktische rezeptionelle Wert eines Textes ergibt sich also aus dem für den Wortlaut u n d denen für die anderen Komponenten. 3. Die Klassen verbaler Elemente, die in dieser Hinsicht besonders für Ambiva.lenz exponiert sind,scheinen attributive 'Epitheta' zu den Hauptpersonen (des berichteten Ereignisses) und - vor allem - Zitate (von Kommentaren derselben) zu sein. Darauf ist in 3. näher eingegangen. 4. Erwachsene gebildete Leser scheinen so etwas wie 'Perseverabionen 1 der Bewertung zu haben: VP-V bezeichnet z.B. - in dieser Form singular für die untersuchten VP - die S von Text (2) einmal als blase und kommt darauf bei der Bewertung des Textes immer wieder zurück, Leser entwickeln häufig bei der Bewertung eines Textes so etwas wie eine 'kumulative Verständnislogik': Weil mit der Diktion von Text (1) nach Meinung von VP-V gut zusammenpassend wird die Tatsache, daß die anderen Titelseitenberichte lokale Themen behandeln,zusammen mit der Tatsache, daß das Interview in Kalifornien stattfand, dahingehend gedeutet, daß es sich in diesem Fall um eine Lokalzeitung aus Kalifornien handelt.

175

Aufgrund der Ergebnisse dieser und anderer Interviews sind einige Generalisierungen ( a ) über die Texte von Zeitungsberichten, j b } die Leserbewertung und (c) die Senderhandlung möglich: (a) Es ist allgemein plausibel (vgl.o.2.3.1), für den politischen Standort einer Zeitung als ganzer und für den eines Berichts in ihr eine gewisse Kongruenz anzunehmen: 'Linksradikale1 1 Zeitungen bringen keine 'konservativen 1 , 'rechtsradikale' keine 'liberalen Berichte, wie immer die Begriffe im einzelnen definiert sein mögen. Wie die obigen Beispiele zeigen, sind daraus jedoch k e i n e allgemeinen Voraussagen von den ersteren auf die letzteren oder umgekehrt ableitbar. Die Ergebnisse oben beweisen, daß i l ) der politische Standort einer Zeitung und der eines Berichts in ihr nicht notwendig identisch sind bzw, ersterer in letzterem nicht signifikant zum zum Ausdruck kommen muß {2} Leser auch Texten des.Genre Zeitungsbericht grundsätzlich politische Standorte (im wesentlichen mit identischen Termen wie Zeitungen als ganzen} zuerkennen ( z . B . 'x ist ein liberaler Bericht') (3) die Stimmigkeit bzw.Kompatibilität von beiden häufig erst im Sinne einer Self Fulfilling Prophecy in der ganzheitlichen Leserrezeption aller Komponenten erstellt wird (und im Textwortlaut nicht merkmalhaltig nachweisbar ist). (b) Werden VP Texte a l l e i n in ihrem Wortlaut vorgelegt, findet sich keine grundsätzliche Variation der Bewertung, Der Wortlaut wird von VP meist sehr einheitlich bewertet und ist VP geradezu verdächtig {subjektiv} klar. Relativ größere oder auch erhebliche Unterschiede in der Bewertung finden sich dann, wenn VP erfahren, aus welcher Zeitung ein Text stammt und ihnen die betreffenden Zeitungen bekannt sind. In diesem Fall wird ein Text nicht selten gänzlich 'mit anderen Augen' gelesen, d.h. die für den Wortlaut gegebene Lesart von demselben Leser wie selbstverständlich mit dem für die Zeitung internalisierten Stereotyp in Einklang gebracht, die Persuasion eines Textes nicht selten völlig anders bewertet. ( c ) Es ist anzunehmen, daß dieser zentrale Tatbestand - ein Zeitungstext gewinnt seine faktische kommunikative Wertigkeit erst im Gesamtrahmen des Zusammenwirkens aller Komponenten des Textprodukts als Gegenstand der Leserhandlung ein kognitives Pendant in der Senderhandlung hat: Die Herausgeber und Autoren der CHICAGO TRIBUNS und des ST.LOUIS POST-DISPATCH können offenbar bei der Textformulierung davon ausgehen, daß der auf einer Zeitungsseite in i h r e r Zeitung gedruckte Text bei ihren Lesern den gewünschten kommunikativen Effekt hat. Eine deutlichere Markierung des Wortlauts ist offenbar weder nötig noch erstrebt, je nach Thema vielleicht gerade nicht erwünscht.

2 . 7 . 3 . 3 . Unsystematische Interviews Interviews des Typs (3) repräsentieren okkasionelle, informelle Gespräche innerhalb des originalen Setting der ZKH, z . T . d i r e k t veranlaßt durch die ZKH, Sie enthalten die 'teilnehmender Beobachtung 1 des Linguisten zugänglichen Primärdaten des Leserverhaltens (vgl.o.2.3.3) und sind trotz ihres fragmentarischen Charakters von großer Bedeutung für die Gewinnung erster Arbeitshypothesen.

Im folgenden werden drei Beispiele für spontane Gespräche am 5.6.

72 genannt, in denen Lesereinstellungen zum Verdikt artikuliert werden.

176

Datum: 5.6.72; früher Abend Ort: Autofahrt von Palo Alto nach Sacramento Anwesend: VP-G als 'hitchhiker'; Interviewer I: G: I: G:

(hält an) Whe're you heading? Sacramento Gee! That's great! (alltägliche Konversation) G: You have an accent. Whe're ye from? I: Germany G: What's it like over there I: (Schilderung einiger Informationen über Deutschland) Have you read today's paper? (Reicht VP-G Zeitung Nr.2 SAN FRANCISCO CHRONICLE} G; No (Nimmt Zeitung und liest Aufmacher) I; How about the Angela Davis verdict? G: Yeah! I was really glad when I heard that. (emphatisch) That made my day! I: Why? G: I'm sure she was not guilty. She's way too intelligent. - That does not mean that Jonathan Jackson was not intelligent but he was too much involved emotionally to be rational, (VP-G Merkmale vgl.o,2.3.3.2.1; engagierter Anhänger von AD)

Datum: 5.6.72; Vormittags, Schulpause Ort: Lehrerzimmer einer High School Anwesend: Direktor ( P ) , Lehrer, Interviewer Situation: P liest die Zeitung (Nr.5 SACRAMENTO UNION); einige schwarze Schüler lärmen auf dem Flur P: (zu Lehrern auf die Schüler gemünzt) Now they think they can get away with everything - 'We showed it to them'('Jetzt glauben sie, sie können sich alles erlauben - 'denen haben wir's gezeigt'l) Erklärte, daß er AD für schuldig hält und äußerte CONTRA-Einsteilung zum Verdikt, hatte jedoch kein Vorurteil gegen Schwarze. Datum: 5.6,72; Nachmittags Ort: Wohnzimmer einer Ranch Anwesend: VP-W (89 jährige Kalifornierin; negative Einstellung zu AD) t Interviewer W: (liest ihre Zeitung Nr.3 SAN FRANCISCO EXAMINER} Did you read today's paper? I: No, W: (reicht Titelblatt von Nr.3) I: liest Titelblatt-Aufmacher laut) Angela free; Little Argument in Jury W: (sarkastisch) Oh no - you can't say Angela any more, it's Hiss Davis now... if you see what Blacks are doing these days - this country sure is going down the drain.

177

Abschließende Bemerkung zur Gewinnung textanalytischer Daten von Lesern Systematisch durch Experimente und Interviews gewonnene Daten, wie Leser Texte (S, L oder Zeitungsberichte als ganze) bewerten, sind nicht ipso facto Daten der originalen Textbeuiertung durch Leser, die in alltäglicher Zeitungslektüre vorgenommen werden. Daten der Textbewertung sind als solche nicht notwendig Daten der originalen Rezeption von (Zeitungs-)Texten, erst recht nicht die dominanten psychologisch realen Werte der Leserhandlung. Man kann einen Zeitungstext sprachlich dekodieren, ohne eine Bewertung hinsichtlich persuasiver Werte wie PRO, CONTRA, NEUTRAL o.a. vorzunehmen, wenigstens im Prinzip. Textanalytische Daten, die für den systematischen Vergleich von Zeitungstexten und ZKH-Exemplaren als ganzen notwendig sind, können jedoch durch spezielle Analyseprozeduren als Entsprechungen für originale Werte der Leserbewertung von Texten gesichert bzw. wahrscheinlich gemacht f und diese ihrerseits als Bestandteile der Leserrezeption, die ü b l i c h e r w e i s e von Lesern für einen konkreten Text (z.B. Zeitungsbericht über ein bestimmtes Thema) aktiviert werden, aufgezeigt werden. Aufgrund der oben dargestellten exemplarischen Daten ist wahrscheinlich, daß die Bewertung der S und Berichte zu d i e s e m Thema nicht unmaßgeblich anhand von Kriterien wie PRO, CONTRA, NEUTRAL, EMOTIONAL, FACTUAL (und natürlich weiteren, hier nicht berücksichtigten) von amerikanischen Zeitunglesern vorgenommen wird und daß diese für das Gesamtverständnis der Texte in der Leserhandlung eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Die PRQ-Persuasion einer S ANGELA FREE CASTS OFF "CHAINS" ist nicht irgendein akzidenteller, additiver, sondern ein zentraler, integrierter Wert der Leserrezeption dieser S. Man kann annehmen, daß dies ebenso oder ähnlich für die Perspektive der Sender gilt; Die von Lesern dem Wortlaut (allein) zugeschriebenen persuasiven Werte entsprechen hier exakt den für die Sendercharakteristika erwarteten. Dies ist keineswegs immer der Fall, wie die oben erörterten Beispiele der Texte von Nr.15 und Nr.22 zeigen. Aus allen diesen Fällen ist entnehmbar, daß die Leserbewertung verbaler Elemente untereinander, verbaler und phänotypischer Elemente und dieser und textexterner Elemente in Zusammenhang steht; die Leserbewertung von Texten und von Sendern ist voneinander abhängig ( v g l . o . ) . Alle oben diskutierten textanalytischen Daten haben fragmentarischen und vorläufigen Status. Eine Pilotstudie will primär in 'Pretests' und explanativen Interviews ermitteln, welche Daten überhaupt infrage kommen. Überprüfung an größerem Sample und Operationalisierung anhand etablierter Analyseinstrumente wie z.B. dem Semantic Differential wären ein zweiter Schritt,Er setzt die Gewinnung valider Parameter aus der Leserperspektive voraus.

3. AUSWERTUNG

3.1t Systematische Analyse textinterner Kampanenten

Gegenstand der Analyse in 3.1 sind die verbalen Komponenten Mitteilungsinhalt (3.1.1-3.1.3) und Mitteilungsform {3,1.4 f f . ) . Sie werden im Sinne der Fragestellung (vgl.o.0.2) in dieser Abfolge behandelt. Die allgemeinen Gesetzmäßigkeiten des Genre Zeitungsbericht und seiner kanonischen Textteile 5 und L sind in 1.3. diskutiert. Dort ist auch der deskriptive und argumentative Status einer 'systematischen' und einer zeichenlinguistischen Analyse, wie sie hier gegeben werden soll, erörtert,

3,1,1 'Informationsrepertoire 1 der kanonischen Textteile S und L eines Zeitungsberichts 3.1.1.1 Mitteilungsinhalt des Lead Welche Informationen werden in den Leads der Berichte des Korpus insgesamt, welche in einem konkreten L gegeben? Welche Auswahl aus dem insgesamt verfügbaren Potential mitteilbarer Informationen über das Ereignis des Freispruchs von Angela Davis

wird kanonisch in diesem Textteil vermittelt?

Wie sieht die Häufigkeitsverteilung

von 'Informationselementen' (IE; zur De-

finition vgl.u.3.1,3) f ü r die Gesamtheit der 19 autor- und textverschiedenen L des Korpus aus? Die in Abb.12 ( s . u . ) gegebene Liste von IE in L ist aus der L-'Urliste*(vgl.o. 2 . 2 , 5 ) in der Weise gewonnen, daß die Informationen ' p u n k t f ö r m i g ' zusammengefaßt sind. Sie verzichtet zunächst bewußt auf jede linguistisch mögliche Systematik und dient dazu, von einem quasi- naiven

Analysestandpunkt eines (belie-

bigen) Lesers aus anzugeben, welche IE ein L enthält und was als ein IE gewisser referentieller

Eigenständigkeit.,

als 'neue I n f o r m a t i o n ' , wie viele Leser

sagten, angenommen werden kann. Sie ist selbstverständlich gänzlich subjektiv, naturgemäß unvollständig und willkürlich hinsichtlich Anzahl und Definition der einzelnen ' P u n k t e 1 , Gleichwohl kann aufgrund der Tatsache, daß die Klassi-

179

fikationen des linguistischen Observer und der befragten Leser ( U P I G ) weitgehend deckungsgleich sind, angenommen werden, daß Leser eine grundsätzlich ähnliche'Liste' von IE erstellen, wenn sie mit dieser Aufgabe konfrontiert werden. Denotativ weitgehend parallel finden sich die unten genannten ' P u n k t e ' des Informationsgehalts in allen Listen wieder. Die Liste für das Informationsrepertoire des L in Abb.12 enthält; 1, die Menge der in L gegebenen Information (im Vergleich zur Menge des Body und der Schlagzeile, v g l . u . ) 2, die relative Häufigkeit des Vorkommens der betreffenden IE in L bezogen auf die Zeitungen des Korpus 3, einen ersten Eindruck über die Relationen der einzelnen IE zueinander hinsichtlich ihrer Vorkommenshäufigkeit: Je kleiner die IE-'Kennziffer', je größer die Vorkommenshäufigkeit des betreffenden IS in L dieses Korpus.

Abb. 12

Informationsrepertoire des Lead LEADS

IE 1. Angela Davis

Verdikt ;Freispruch Datum (Tag) des Verdikts 3 Anklagepunkte: Mord-Entführung- Verschwörung ausschließlich weiße Geschworene AD-Kommentare zum Verdikt ('Sieg des Volkes' u . a . ) Emotionale Szene der Urteilsverkündung i. Gerichtssaal AD-Attribut: militante Schwarze (black militant) Ereignis des Delikts (Ort, Zeit) Dauer der Verdiktfindung Genauere Angaben zur Jury-Zusammensetzung 12. Ort des Prozesses {im Text des Lead) 13. Einmütigkeit des Freispruchs 14. Opfer des Delikts 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11.

15. 16. 17. 18. 19. 20.

Dauer des Prozesses

Gesamtzeit seit Delikt (Flucht, Inhaftierung usw.) Umarmung mit Geschworenen Alter von AD (28 Jahre) Champagnerparty am Abend nach dem Verdikt AD-Attribut: Schwarze Gelehrte 21. Vollständiges Zitat der AD-Kommentare 22. Explizite Wertung des Prozesses (frame-up u . a . ) 23, Resümierende Stellungnahme zum Gesamtverlauf

19 19 14 13 12 8 7 5 4 3 3 3 2 2 2 2 2 2 1 1

1 1 1

ZEITUNGEN

31

31 23 24 19 9 12 11 5 3 3 3 5 3 2 2 3 2 2 1

1 1 1

180

Erläuterung: Der Verständlichkeit wegen sind, soweit möglich, deutsche Entsprechungen gewählt; die Übersetzung ist hier nicht von Belang, Die Zahlenangaben in Spalte LEADS beziehen sich auf die 19 autorverschiedenen L, die in Spalte ZEITUNGEN auf die 31 Zeitungen des Korpus, Die Differenz der gegebenen zur Gesamtzahl ergibt die Menge der L bzw.Zeitungen, in denen ein IE {in L) 'fehlt'. Die Verteilung der 19 L auf die 31 Zeitungen und die Zeitungsnamen sind 2.2.5 zu entnehmen. Für die IE ist nur das Vorkommen in L berücksichtigt. Denotativ nicht relevante Ausdrucksvarianten und die Plazierung im L-Diskurs (vgl.u,3.1.5) sind hier vernachlässigt.Als IE 4, ist z.B. nur explizites of murder, kidnapping and conspiracy, murder-kidnap-cc^s£iracy {charges) u.a., nicht jedoch summarisches of all three charges gezählt. Die ersteren beiden sind referenz- und informationsidentisch, der letztgenannte Ausdruck macht einen Informationsunterschied {bei Referenzidentität) aus, Glack militant als Attribut bei der ersten oder einer späteren Verwendung des Hamens AD in L wird hier nicht unterschieden. Maßstab für diese Liste ist also der Offenbare Mitteilungsinhalt' des L. Die Verteilung einzelner IE in Abb.12 läßt sich im Hinblick auf bereits bekannte allgemeine Gesetzmäßigkeiten (vgl.o.1.3) erklären: Der (Bericht-)0rt wird normalerweise in der 'Dateiine' {'Ortsmarke') angegeben; er ist gleichsam als eigener 'kanonischer Textteil 1 institutionalisiert (in TZ-Berichten). Er findet sich nur in L-Texten von Wochenzeitungen, die normalern/eise keine Dateiine haben. Explizite Wertung des Prozesses ist genrespezifisch für den L eines Berichts ausgeschlossen. Sie findet sich nur in einem Editorial (Nr.24). Resümierende Stellungnahme zum Gesamtverlauf des Prozesses (IE 23.) findet sich nur in einem Wochenmagazin (Nr.29 T I M E ) . Von zentraler Bedeutung sind die folgenden Generalisierungen für den Informationsgehalt eines L: 1. O b l i g a t o r i s c h e IE in L dieser Berichte sind offenbar IE l, (Name der 'Hauptperson' des berichteten Geschehens, und zwar in der offiziellen Variante Angela Davis) und IE 2. (Freispruch als Inhalt des Verdikts,und zwar i n e x p l i z i t e r Version, vgl.u.}. Alle anderen IE kommen nicht in jedem L dieser Berichte vor, sind also als solche fakultative L-IE. Allerdings sind IE 1. -t- IE 2. (vgl.u,3.1.2), obschon sie einen vollständigen Satz darstellen, eine informationeil für L nicht hinreichende Kombination: Einige der weiteren IE zusammen rait IE 1. 4- IE 2. 'machen erst eine Meldung', die dem Status des Textteils L gerecht wird, 2. Die relative Häufigkeitsverteilung von IE läßt einige (beliebige) Unterscheidungen hinsichtlich überzufälliger journalistisch-handwerklicher Routinen der Informationsauswahl für einen Lead von Berichten zu diesem Thema zu: Offensichtlich sind einige IE'zentral', d.h. häufig vorkommend in L, wie etwa die Mitteilung'ausschließlich weiße Geschworene', einige'peripher*, d.h. selteni er) in L vorkommend, wie etwa die Information, daß AD und die Geschworenen sich umarmen. Die Mehrzahl der Journalisten (L-Autoren) dieses Korpus hält offenbar nur IE 3,,4, und 5. für in L des Berichts mitteilenswert

181

- außer natürlich IE 1. und 2, - , die anderen IE für weniger mitteilenswert in L (als diese) und bevorzugt für nicht in L piazierungswürdig. Ala Erklärungsperspektive für die -Verteilung und -Abfolge in L ist dies natürlich unzureichend (vgl.u.3.1.2 und 3,1,5). 3. Aufgrund dieser Verteilung ist zu vermuten, daß IE 1. und 2, von besonderer Bedeutung für die Erklärung und Definition der kategorischen und kanonischen Gesetzlichkeit des Textteils Lead sind,und daß für die Erklärung der Variation der Textexemplare dieses Korpus eine 'mittlere' Gruppe von IE, z.B. IE 3.-IE 10, von besonderem Interesse sind.

Für die linguistische Gewinnung von Regeln für die Komponente Mitteilungsinhalt ist das Ausmaß an R e k u r r e n z der -Verteilung auf L als solches bemerkenswert : Zeitgleiche L sind nicht voneinander kopiert, sondern unabhängig voneinander formuliert. Die -Uerteilung kann weder rein zufällig sein,noch ist sie hinreichend in ihrer Struktur durch den Tatbestand 'Berichte gleichen Themas und Datums' erklärbar. Die Übereinstimmung des Mitteilungsinhalts der L muö durch ein'elementarparalleles 1 journalistisches Verhalten erklärt werden, dem ein gemeinsames internalisiertes Wissen um genre- und textteilspezifische Regeln zugrundeliegt.

3.1,1.2 Kontrast des IE-Repertoires von L und Body eines Berichts Welche Informationen u/erden (noch) nicht in L, sondern (erst) in einem Body gegeben? Welche Informationsauswahl aus L bzw.L + Body enthält eine Schlagzeile?Welche IE kommen sozusagen deswegen in L nicht vor, weil sie bereits in 5 enthalten sind? Welche IE finden sich typischerweise in L u n d 5, welche komplementär in L oder S eines Berichts? Welche typische Gesamtproportion des Mitteilungsinhalts für die drei kanonischen Textteile S, L und Body ist für dieses Korpus festzustellen? Welche Information bezogen auf eine aus dem Vergleich aller Zeitungen des Korpus rekonstruierte Gesamtmenge kommt in einer Zeitung (in S,L und Body insgesamt) n i c h t vor? Soweit diese Fragen den 'lE-Diskyrs' und die Textkohärenz i n und z w i s c h e n den kanonischen Textteilen eines Berichts betreffen, sind sie weiter unten behandelt. Hier soll zunächst eine Kontrastierung des globalen Inforirationsrepertoires von L vs.Body und danach S vs, L gegeben werden. Die Gesamtheit der IE aller 31 Berichte kann hier aus Raumgründen nicht dargestellt werden. Zur Illustration des Mitteilungsinhalts des L gegenüber dem des Body sei jeweils e i n Body-Text für eine Morgen-, Abend- und Wochenzeitung mit der in Abb. 12 gegebenen Liste für die in L insgesamt vorkommenden IE kon-

182 trastiert.Gewählt sind (1) der AP-Text für Morgenzeitungen, ( 2 ) der 2,UPI-Text {für Abendzeitungen, vgl,o.2.2.5) und (3) der Body-Text des Wochenmagazins Nr,29

. In Leads fehlende,im AP-Body Tür Morgenzeitungen (1) enthaltene IE

1. Kommentar und Name eines der AD-Verteidiger; Namen von Freundin, Eltern 2. Details der emotionalen Szene der Urteilsverkündung (z.B,2 Geschworene weinen) 3. Physische Attribute von AD: Groß und schlank 4. Berufliches Attribut von AD: Frühere Philosophie-Dozentin an der ÜCLA 5. AD 16 Monate im Gefängnis, gegen Kaution entlassen 6. AD nicht anwesend beim Verbrechen in San Marin County 7. Permanente Unschuldsbeteuerung 8. Wortlaut des Richterspruchs zur Freilassung und Rückerstattung der Kaution (inkl.Käme des Richters); Lob für Prozeßteilnehmer 9. Vorinformation über das Verdikt bei AD-Verteidigern 10. Szene im Flur vor der Urteilsverkündung (Singen von Spirituals) 11. Kleidung von AD (Minirock usw.) 12, Bruder von AD: Professioneller Football-Star bei den Cleveland Browns 13, Applaus von 150 Anhängern für die Verteidigung vor dem Gerichtsgebäude l . Name des Mitangeklagten 15. Kommentar: Prozeß Testfall für die amerikanische Justiz 16. Anhänger-Kommentare zum Prozeß ('politischer Prozeß 1 ; ' K o m p l o t t ' ; U S H , ) 17. Details des Ablaufs des Delikts in Marin County 1970 18. Antrag der Anklagevertretung; unterstelltes Tatmotiv: Liebe zu G.Jackson 19. Hinweis auf die Soledad Brothers 20. Kennzeichnung des Playdoyers von AD: Verhaltene und gelehrte Diktion 21. Beschreibung der Physis von AD: Attraktiv u . a . 22. Kennzeichnung von AD: Berühmtheit in Kalifornien; auf FBI-Liste der 10 meistgesuchten Personen 23. Festnahme von AD in einem Motel in New York City 2k. Zahl und Namen der Opfer des Delikts 25. Tatwaffen auf den Namen AD registriert und von ihr gekauft 26. Applaus für AD von 300 Anhängern nach der Urteilsverkündung vor dem Gerichtsgebäude 27. Kommentar von AD'S Mutter: Ende eines 22monatigen Alptraums 28. AD-Kommentar: Persönliche Sicherheit gefährdet (Morddrohungen) 29. Geschworenen-Weigerung eines Kommentars zur Urteilsfindung jn^Lgadji fehlende, im UPI-Body für Abendzeitungen^^(2J_^enthaltene Ig 1. 2. 3. k, 5.

AD-Attribut: Frühere Philosophie-Dozentin an der UCLA AD-Attribut: Gewöhnlich versteinertes, jetzt 'breit grinsendes* Gesicht Ansprache von AD zu ca.350 Anhängern vor dem Gerichtsgebäude AD's Dank an Sympathisanten in den USA und in der ganzen Welt AD-Kommentar zum Verdikt: Freispruch ist Symbol für die Befreiung aller Apolitischen Gefangenen'

Die Listen verzeichnen die IE der auf den Lead folgenden Textparagraphen im wesentlichen in der Reihenfolge des Textdiskursea.

183

6. Freispruch trotz Kette indirekter Beweise (circumstantial evidence) 7. Begründung des Verdikts: Zweifel (reasonable doubt) der Geschworenen an AD's Teilnahme an der Durchführung und Planung des Verbrechens (party_to the plot)

8. Tatmotiv für AD in der Sicht der Anklagevertretung; Liebe zu G.Jackson 9. Erwähnung der Soledad Brothers 10. Zahl und Namen der Opfer des Delikts in Marin County 1970 11. Namen des Richters, des Staatsanwalts, der Forewoman 12. Reaktion des Staatsanwalts auf die Urteilsverkündung: Verläßt Gericht mit gesenktem Kopf und ohne Kommentar 13. DetailChronologie seit Aufnahme der Geschworenenberatungen 14. Genauere Angaben zur Szene der Urteilsverkündung 15« Kommentar der Forewoman der Jury zum amerikanischen Justizsystem 16. Zukunftspläne beruflicher und privater Natur von AD 17. Vorgeschichte der Entlassung AD's aus ihrem Job an der UCLA

In Leads fehlende, in TIME-Body (l Woche später) enthaltene IE (3) 1. Weltweite Aufmerksamkeit des AD-Prozesses

2. Detail der Szene des Delikts in Marin County 1970 3. Charakterisierung des Haupttäters J.Jackson, Bruder von G.Jackson(Freund von AD) A. Tatziel laut Anklagevertreter:Geiselnahme zur Befreiung der Soledad Brothers

5. Prozeß der Soledad Brothers: Mord an einem Gefängniswärter des Soledad Prison (später Freispruch) 6. Name des 1970 getöteten Richters und Brutatlität des Verbrechens

7. 8. 9. 10.

AD-Aktivitäten für die Soledad Brothers AD-Aufenthalt in San Francisco zur Zeit des Verbrechens Flucht und Untertauchen von AD kurz nach dem Verbrechen Festnahme von AD im Oktober 1970 in einem Motel in Manhattan

11. 12. 13. 14.

Tatverdacht für AD: Registrierung der Tatwaffen auf ihren Namen AD 13 Monate in Kalifornien in Haft Entlassung aus der Haft gegen Kaution im Februar 1972 Vorgeschichte von AD und Bekanntheitsgrad: UCLA-Affäre

15. Resultat des Prozesses: AD Symbol für Minderheiten in den USA, Strafvollzugsreform, Linksradikale, Women's Liberation Front 16. Öffentliche Bewertung des Prozesses: Testfall für die amerikanische Justiz 17. Verteidigung: 'politischer Prozeß'; Anklage: reiner Kriminalfall 18. Kommentar des Hauptanklägers im Bekanntenkreis: Freispruch besser als auch nur geringer Anschein eines politischen Verfahrens 19. Beweismaterial der AnklageVertretung: Ausschließlich circumstantial evidence

20. Schwerwiegendste Anklage Beteiligung an der Verbrechensplanung (conspiracy) 21. Tatmotiv: Liebe zu G.Jackson 22. Beweismaterial: AD's Liebesbriefe an G.Jackson 23. Besonderes Verdachtsmoment: Anwesenheit von AD in der Umgebung des Orts des Verbrechens kurz zuvor (zusammen mit J.Jackson) 24. Schrotgewehr von AD in der gleichen Woche gekauft 25. 95 Zeugen der Anklagevertretung 26. 6000 Seiten Prozeßakten

27. 12 Zeugen der Verteidigung; Hamen der Verteidiger 28. Argumente der Verteidigung: AD nicht anwesened bei Verbrechen; Waffenkauf wegen Drohbriefen; Zeugen der Anklage unglaubwürdig; AD 1 s Intelligenz inkompatibel mit so plumper Verbrechensplanung; emotionaler Appell Think Black. ~~

184

Der Vergleich des Mitteilungsinhalts der 3 obigen Bodies macht zunächst wahrscheinlich, daß den Texten bzw. Autoren für dieses Ereignis so etwas wie ein gemeinsames G r u n d r e p e r t o i r e d e s Informationsgehalts zu Gebote steht. Freilich ist hier eine Beeinflussung der späteren durch die früheren Texte möglich, aus äußeren Gründen von (1) auf (2) weniger wahrscheinlich als von beiden auf (3). Anordnung und Formulierung der einzelnen Informationen sind im einzelnen unterschiedlich, der Mitteilungsinhalt der 3 Bodies insgesamt jedoch weitgehend kongruent, was parallele journalistische Handhabung einer zugrundeliegenden Informationsinenge besagt (völlige Divergenz der Mengen wäre eine ebenso mögliche Konstellation). Für den Vergleich dieser 3 -Mengen des Body mit der obigen Liste für IE in L ist auch die umgekehrte Verteilung von Interesse, d.h. welche der in Leads dieses Korpus insgesamt gegebenen IE in den 3 Bodies n i c h t vorkommen. Dabei könnte man unterscheiden, (a) welche IE im Body (Berichttext nach dem L) und (b) welche IE im Gesamttext (L + Body) eines Berichts 'fehlen'. Für letzteres ergeben sich im vorliegenden Fall die Klassen (la)-(3a): (la) In Leads d.Korpus vorkommende, in AP-Text (insgesamt> fehlende IE: 1. Ort des Prozesses 2. Einmütigkeit des Freispruchs

3. Champagnerparty am Abend nach dem Verdikt 4. Explizite Wertung des Prozesses durch den Autor (vgl.o,) (2a) In Leads^j^prpus^ jor kommende^ in UPI-Text i insgesamt) fehlende IE: 1. 2. 3. ^, 5.

Ort des Prozesses Einmütigkeit des Freispruchs Gesamtzeit seit Delikt (Dauer des Prozesses) Champagnerparty am Abend nach dem Verdikt Explizite Wertung des Prozesses durch den Autor (vgl.o,)

(3a) In Leads et.Korpus^ vorkommende, in TIME-Text (insgesamt) fehlende IE: 1. 2. 3. A. 5.

AD-Kommentar zum Verdikt (Verfahren 'ungerecht' u.a.) Einmütigkeit des Freispruchs Champagnerparty am Abend nach dem Verdikt Vollständige Zitate von AD-Kommentaren Explizite Wertung des Prozesses durch den Autor (vgl.o,)

Die Verteilung von IE in L in Abb.12 und die obigen Listen zeigen, daß für den Mitteilungsinhalt des kanonischen Textteils L feste Regeln bestehen. Diese Art

15 informationeller Übereinstimmung und Rekurrenz der Verteilung von IE auf L und Body in Berichten dieses Themas ist nur durch ein Sendern gemeinsames Verhalten der Informationsgebung zu erklären. Entscheidend ist, daß sich dies in detaillierter empirischer Analyse nachweisen läßt. Die lE-Verteilung im einzelnen ist in dreifacher Hinsicht zu kommentieren; 1. die globale Proportion des Informationsrepertoires der kanonischen Textteile 2. die Übereinstimmung/Abweichung der einzelnen Zeitungen 5. die Art der inhaltlichen Relation im Hinblick auf die Informationselemente selbst. 1. Die Gesamtmenge der IE alier L findet sich mit Ausnahme der in (la)-Oa) genannten (vgl.u.) üblicherweise in e i n e m (beliebigen) Body.Jeder der 3 Bodies enthält insgesamt erheblich mehr IE als alle L zusammen: Die Menge der L-IE und zusätzlich IE, die in keinem L vorkommen. 2. Die 'Ausnahmen' (la)-(3a) erklären sich wie folgt; Subjektive Stellungnahme des Autors zum Berichteten ist genrespezifisch in einem Zeitungbericht (in L und Body) nicht möglich ( u g l . o . ) j die Ortsangabe erfolgt in der Dateiine vor dem L-Text. Das Vorkommen der IE 'Einmütigkeit des Freispruchs' und 'Champagnerparty 1 in L, ihr Fehlen im Body - der linguistisch eigentlich interessante Fall ist durch eine zweifache Bedingtheit bestimmt:Erstens durch die textexterne Komponente Zeit, Für die beiden Agenturtexte existieren jeweils 'Fortsetzungen' späteren Datums, die die fraglichen IE nicht nur enthalten, sondern in L thematisieren (vgl.u.3.1.4.2). Die Agenturberichte dieses Tages zu diesem Thema insgesamt enthalten also diese IE. Zweitens ist dies einer Genre- und Themabedingtheit in Korrelation mit der 2 durch die Komponente Zeit zuzuschreiben; Diese IE kommen,wenn überhaupt, nur in L vor; im Body deshalb nicht, weil bereits in L. Daß sie einen besonderen informationeilen Status für diesen Bericht haben, ist distributioneil dadurch indiziert, daß sie in der Schlagzeile (vgl.Nr.16, Nr.12,31 u . a . ) statt eines expliziten Ausdrucks für den Freispruch vorkommen können ( v g l . u , ) . Der Lead eines Berichts kann als das 'informationelle Herzstück', der Kern der Meldung o.a. angesehen werden (vgl.o.1.3). Die in ihm gegebene Information ist wichtiger als die im Body gegebene. Daß die Komponente Zeit (Relation der Instanzen Ereignis-, Bericht- und Erscheinenszeitpunkt) keine hinreichende Determinierung ergibt, erkennt man z.B. daraus, daß die WZ Nr.29 die beiden fraglichen IE weder in L noch im Body enthält, obwohl sie darüber verfügt.

186

2. Die Informationsauswahl für L und Body in den 31 Zeitungen des Korpus bzw. 19 autorverschiedenen L zeigt keine erratischen Ausnahmen, sondern eine bemerkenswerte, alles andere als triviale Konvergenz, die durch Anwendung textteilspezifischer autorunabhängiger Regeln zu beschreiben ist. Die wichtigste für den Hitteilungsinhalt des L ist die '6 W-Regel' (vgl.o,1.3). Die obige Analyse erlaubt nicht nur eine exakte empirische Verifikation dieser Regel, sondern den Nachweis einer t h e m a b e d i n g t e n Variation u n d nuancierterer, in dieser Regel nicht erfaßter informationeller Strukturierung von L und Body von Zeitungsberichten. 3t AuQer IE, die grundsätzlich in L vorkommen- themabedingt dafür prädestiniert zu sein scheinen, unabhängig von möglicher Variation hinsichtlich Autoren, Zeitungen, Erscheinensorten, Mitteilungsabsichten u.a. - finden sich in den obigen Listen IE, die rekurrent n i c h t in L vorkommen. IE mit den Distributionsmerkmalen -L und + Body sind etwa: 1. Nationale und internationale Bedeutung des AD-Prozesses 2. Vorgeschichte und Detailbeschreibung des Delikts 3. Detailablauf und Kausalkette des Prozesses (Tatverdacht, Flucht, Anklage, Inhaftierung, FBI-Liste usw.; Tatmotiv} 4. B e g r ü n d u n g für den Freispruch (ausschließliches Vorliegen von circumstantial evidence) 5. Reaktionen der offiziellen Prozeßbeteiligten (Richter, Staatsanwalt usw.) 6. Attribute von AD-AngehÖrigen 7. Bestimmte Attribute von AD: Physische Erscheinung, Diktion, berufliche Vergangenheit usw.) Der interessanteste Fall dieser unzweifelhaft nicht zufälligen Verteilung ist, daß k e i n Lead der Berichte des Korpus eine Angabe darüber enthält, w a r u m AD freigesprochen wurde, abweichend von der 6 W-Regel offenbar bedingt durch das Thema: Die juristische Begründung für den Freispruch ist nach übereinstimmender Meinung der Autoren offenbar'nebensächliche'Information bei dieser Meldung. Die Details der Verdiktfindung sind nicht-öffentlich, für nicht wenige Leser ferner die Unterscheidung direkter und indirekter juristischer Evidenz vielleicht nicht wichtig oder voll nachvollziehbar. Diese Daten für die Struktur der Komponente Mitteilungsinhalt des L und Body sind G r u n d l a g e einer Interpretation inhaltlicher Unterschiede d e r B e richte. Sie sind selbstverständlich nicht die einzigen dafür wichtigen Daten. Interpretatorisch wesentlich ist z.B. die komplementäre Verteilung diverser Attribute zu AD in L und Body: Former UCLA (philosophy) instructor kommt in L in keinem Fall, hingegen in jedem Body vor; in nur einem L findet sich black scholar, in 11 Leads dagegen das Attribut black militant zu AD.

187

Darin scheint sich ein in L beliebtes Prinzip des 'inhaltlichen Kontrastes 1 zu dokumentieren: Black militant AD acguittBd ist unzweifelhaft eine Meldung größerer Brisanz als black_ scholar AO acquitted o.a.. Neben dieser handwerklich-journalistischen Routine sind einige IE selbst persuasiv spezifisch markiert: Die beiden genannten Attribute 'verstärken 1 oft CONTRA- bzu/.PRO-Persuasion; explizite Nennung der 3 Anklagepunkte (vgl.o.) ist üblicherweise komplementär zu einer PRO-Persuasion, vollständige Zitate der AD-Kommentare zum Verdikt andererseits komplementär zu einer CONTRA-Persuasion eines L. Zu diesen interpretatorisch bedeutsamen Unterschieden des Hitteilungsinhalts kommen Ausdrucksvarianten gleicher oder nahezu gleicher Information: In Nr.6 und 13 umarmt AD die Geschworenen, in Nr.29 umarmen die letzteren AD. Der von AD angekündigte Kampf für die Unterdrückten wird einmal als 'Fight for Oppressed'. ein anderes Mal als Fight fqr„'OppressedJ zitiert.Darauf ist in 3,2 näher eingegangen.

3.1.1.3 Informationsrepertoire von Schlagzeile und Lead Abb. 13 Informationsrepertoire der Schlagzeile(n) '.ad-IE Lea

l

II

1U

IV

-HS-US -HS+U5 +HS-US +HS+US

i. Angela Davis 2 , Verdikt : Freispruch S.Datum (Tag) des Verdikts k. 3 Anklagepunkte explizit; Mord, Entführung, Verschwörung (4J summarisch; all charges 5. nur weiße Geschworene 6, AD-Kommentare zum Verdikt 7. Szene im Gerichtssaal 8. Attribut black militant 9. Angabe des Delikts 10. Dauer der Verdiktfindung 11. Zusammensetzung der Jury (exakt) 12. Ort des Prozesses 13. Einmütigkeit des Freispruchs 14. Opfer des Delikts 15. Dauer des Prozesses 16. Gesaratzeit seit Delikt 17. Umarmung mit Geschworenen 18.AD-Alter 19. Champagnerparty nach Verdikt 20, Attribut black scholar 21 , Vollst . AD-Kommentar 22. Explizite Wertung d. Prozesses 23. Resümierende Stellungnahme

0 7 31

0 0 0

31 20 0

0 4 0

31 21 28 28 23 30 29 27 31 30 26 31 31 31 31 31 26 31 31 29 31

0

0 6 1 0 1 0 2 0 0 0 3 0 0 0 0 0 5 0 0 2 0

0 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

4

2 2 7 1 0 4 0 1 2 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

188

Erläuterung zu Abb.13: Abb.13 verzeichnet, in wieviel Zeitungen ein IE des Lead in der Hauptschlagzeile (HS) und/oder Unterschlagzeile (US) vorkommt. Kolumne I = IE kommt weder in HS noch US, 11= in US, aber nicht in HS, 111= in HS, aber nicht in US, IV= in HS und zugleich in US vor. Für IE 5- (allwhite jury)bedeutet dies: In 28 (von insgesamt 31) TZ kommt es weder in HS noch in US vor, in 2 Zeitungen allein in US, in l Zeitung aliein in HS, in keiner Zeitung in HS + US. Der Unterschied von Deck- und Kicker-US ist hier vernachlässigt, ebenso die Tatsache, daß eine US als solche fakultativ ist. Die Plazierung von IE innerhalb der S läßt sich so also nicht hinreichend determinieren (vgl.u.3.1.2). Die Verteilungstypen I-IV haben unterschiedlichen Status: Die eigentliche hier interessierende Opposition* ist die von III und II auf der einen gegenüber I auf der anderen Seite, IV ist keine im gleichen Sinne produktive Klasse, da eine S als ganze in der Regel ein IE nur einmal enthält und US auf der Basis von HS formuliert werden. Unter speziellen Bedingungen kann eine ÖS IE der HS (bestimmte IE mit bestimmter Ausdrucksvariation, vgl.u.) wiederaufnehmen. Maßstab für die Klassifikation ist der explizite Ausdruck eines IE {vgl.die Erläuterung zu Abb.12), Im allgemeinen bereitet die Identifikation eines Lead-IE in S keine Schwierigkeiten, zumal auch eine textteilspezifiscne Variation der Form als regelhaft zu erweisen ist ( v g l . u . ) . In einigen Fällen ist die Vergleichbarkeit fraglich, z.B. bei IE 9 . ( D e l i k t ) , das in S ohne Ort, Zeit usw. im Zusammenhang mit summarischem Ausdruck für die Anklagepunkte vorkommt ( N r . l ...ACQUITTED OF ALL SHOOTOUT CHARGES).Inhaltlich ist dies als IE 9 - , nicht IE 4. oder summarisches ( 4 . ) zu werten. Obschon die Verteilung im einzelnen zufällig (korpusabhängig) ist, lassen sich einige Gesetzmäßigkeiten für das Verhältnis des IE-Repertoires des L und der S und von HS und US zueinander erkennen: Es finden sich (1) IE mit ä q u i v a l e n t e r Distribution (a) in L und S insgesamt (z.B. IE 5,,7.,ia), (b) L und HS {z.B. IE 1. ,2. ,9. ,19, , 2 2 . ) und Cc) L und US (z.B. IE 6.,8.,10.). Daneben ( 2 ) IE k o m p l e m e n t ä r e r Distribution in L und Schlagzeilen (z.B. IE 3.,4.,11.,14.,15.,16.,17.,18.,20.,21.,23.). Die in L häufigeren IE ( z . B . IE l,-10.) sind in allen Klassen vertreten.Dies, die eindeutige Verteilung von IE in (1) gegenüber ( 2 ) , die Proportion von (la) Fällen gegenüber ( I b ) und (Ic) Fällen, die Unterscheidfaarkeit von (Ib) gegenüber (Ic) und auch die zumeist relativ große Häufigkeitsdifferenz von IE in einer Klasse (ugl.o.Abb.13) besagen, d a ß e s t e x t t e i l s p e z i f i s c h e Regeln für das Informationsrepertoire gibt, die autorunabhängig festlegen, welche Information in welchem Textteil (S bzw.L) und in welchem Teil einer S (HS bzw.US) zu geben ist. Verschiedene IE haben unterschiedliche Funktion in S und L und in HS und US; anders gesagt, die kanonischen Textteile 5 und L und HS und US haben je spezifische Prioritäten für den Informationsgehalt.

189

Nach Ausweis des Korpus ist z.B. nicht üblich, daß in einer S (HS und US) das D a t u m (IE 3.) des berichteten Ereignisses genannt wird, was in L das nächsthäufige IE nach IE l, und 2. ist. IE 4., explizite Nennung der 3 Anklagepunkte Mord-Entführung-Verschwörung, das in L nächsthaufige IE nach IE 5., kommt in dieser Form in k e i n e r S vor, sondern nur in der summarischen (kürzeren) Variante of all (thjrge^charqes. Nicht üblich heißt hier offenbar soviel wie nicht möglich: Es kommt allem Anschein nach nicht vor, daß Journalisten - Headliner in diesem Fall - gegen diese Regeln verstoßen. Ähnlich strikt geltende, 'kategorische 1 Regeln betreffen IE l , ( A n g e l a Davis) und IE 2.(Freispruch-Ausdruck), wodurch deren Sonderstatus in Berichten dieses Korpus erwiesen wird: Keins der L-IE außer diesen beiden kommt in der Hehrzahl der S vor. IE 2. zeigt singular - neben sonst üblicher komplementärer Verteilung ein und desselben IE in HS und US - Vorkommen in HS u n d US ( N r . 2 , 7,15,25, vgl.u.3.1.4.2) eines Berichts. Daß eine solche informationeile Redundanz in S von Zeitungsberichten gerade und allein für dieses IE vorkommt, kann als ein distributionelles Indiz dafür gewertet werden, daß diese Information in Berichten dieses Themas eine besondere Bedeutung hat: Es ist die 'zentrale Proposition' ( z P , vgl.u.3.1,4.2) dieses Berichts, d.h. der Kern der Aussage dieser Meldung - zusammen mit IE 1. bildet es den 'Kernsatz' dieses Berichts - und zugleich der Anlaß, der überhaupt zu dieser Meldung in TZ f ü h r t . Neben diesen kategorisch geregelten Instanzen des Mitteilungsinhalts finden sich weniger strikt geregelte Erscheinungen» die aufgrund dieses Korpus als + übliches bzw. mehr oder minder übliches journalistisches Verhalten der Inforrnationsgebung beschrieben werden können, Attribute für die Hauptperson sind in S (im Unterschied zu L) extrem selten, jedoch möglich (in bestimmter Ausdrucksvariante): Das Attribut black milrtant kommt in S dieses Korpus nicht vor, die Variante militant singular in einer US ( N r . 7 ) , nicht in HS. Offenbar sind üblicherweise in S andere Informationen vorrangig. Es bedarf keiner u/eiteren Erläuterung, daß eine allein distributionelle Analyse von Elementen des Mitteilungsinhalts und eine Analyse allein von Elementen dieser Komponente nicht deskriptions- und erklärungsadäquat ist. Sie ist jedoch eine der Voraussetzungen für Adäquatheit: Zur Beurteilung dessen, was Vorkommen bzw.Nicht-Vorkommen eines bestimmten IE in S und L und was die Wahl einer bestimmten Form für ein IE bedeutet, ist es notwendig, abzuklären, welche Variation dafür grundsätzlich und 'systematisch' überhaupt möglich ist, im Rahmen welcher kategorischer und kanonischer Regeln für die Textteile sie steht.

190

3,1.2

Anzahl und Kombination von IE in Lead und Schlagzeile(n) eines Zeitungsberichts

In 3,1.2 sollen 3 Fragen untersucht werden: 1.Welche Anzahl und Kombination von IE liegt in e i n e m Berichtexemplar vor? 2.Welche diesbezüglichen Übereinstimmungen und Abweichungen zwischen Berichtexemplaren finden sich für S und L und welcher Art ist die Variation? 3.Welche Regularitäten sind f ü r die Relation S:L aus dem Vergleich der Berichtexemplare des Korpus feststellbar und was besagen sie für die Formulierung von Schlagzeilen zu Zeitungsberichten? Es gilt, (1) die Gemeinsamkeiten und spezifischen Unterschiede einzelner Berichtexemplare (allein) auf der Ebene des Hitteilungsinhalts, vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Kombination von IE zu ermitteln (die Plazierung im Textdiskurs ist hier vernachlässigt und in 3,1,5 erörtert); (2) sollen über diese Variation Aussagen gewonnen werden, die als Parameter e i n e r textinternen Komponente mit denen anderer textinterner, textphanotypischer und textexterner Komponenten in Beziehung gebracht werden können und als 'Rahmenbedingungen 1 für die Interpretation von ZKH-Exemplaren von Bedeutung sind. Für die hier - in 3.1 insgesamt - gewonnenen Aussagen über Klassen, Shnlichkeitsrelationen u.a. von Berichtexemplaren und innerhalb eines Berichtexemplars ist grundsätzlich 'psychologische Realität' nicht gewährleistet; Ein alltäglicher Leser muG diese Kategorien und Strukturen weder so noch überhaupt wahrnehmen. Ob und inwieweit er z.B. die beiden AD ACQUITTED (Nr.2} und AD ACQUITTED ON ALL CHARGES (Nr.17), die ein 'Minimalpaar 1 hinsichtlich des Verblexems bilden, als mehr bzw.weniger ähnlich empfindet als 2.B.Nr.2 AD ACQUITTED und Nr.8 AD FOUND INNOCENT, die ein Hinimalpaar hinsichtlich der Menge darstellen, und der jeweilige 'kontrastive Aspekt' (H.Seiler) überhaupt ein psychologisch reales Korrelat in der Leserhandlung hat, ist nicht a priori und generell entscheidbar, sondern empirisch zu ermitteln. Es handelt sich in 3.1 nicht um die Gewinnung statistisch repräsentativer Ergebnisse für den Informationsgehalt von Zeitungsberichten, für amerikanische Tageszeitungen oder auch nur für d i e s e n Bericht in ihnen (vgl.o.O,2). Dieses Sample erlaubt jedoch in vielen Fallen Generalisierungen über +übliche journalistische 'Verhaltensweisen' hinsichtlich des Hitteilungsinhalts dieses Berichts, die weit über das Korpus hinausreichen dürften. Abb.14 gibt an, wieviele und welche IE in S und L der Zeitungen Nr.1-32 vorkommen.

191 Abb. 14 Anzahl und Kombination von

US _ Nr. Hr. Hr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.

1 2 3 4 5 6 7 8

Nr. 9 Nr. 10 Nr. 11 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 1? Nr. 18 Nr. 19 Nr. 20 Nr. 21 Nr. 22 Nr. 23 Nr. 24 Nr. 25 Nr. 27

_ _ 12 5,10,7 __ __ 13710 -

HS

US

LEAD

1,2,9, ( 4 )

13,10 ~27T4)

5,3,1,2,4,9,7 1,18,8,6,2,3,4,5,11 1,2,4,2,7 2,1,4,13 5, 2,1, ( 4 ) , 3,8,0 1,2,3,17,5,2,6 1,2,3,4,9,14

1,2 1,2,13 2,1,13 2,1, ( 4 ) 1,19 i,~ 1,2

1,2, ( 4 ) 1,2, ( 4 ) 1,2

1,19 1,2,6 1,19 2,1

1,13 1,2, ( 4 ) 1,2 1,2,9 1,2 1,2,5

7 _

8,2,(4),10

7 7,5 6 2,(4) _

1,2,7

-

1,2 1

7 -

1,2 1,2,22

2, ( 4 !

-

Nr. 28 Nr. 29

-

1,2 1,22,2

-

Nr. 30 Nr. 31 Nr. 32

7 -

1,2

~



In Schlagzeile(n) und Lead

1,19 2,1,19

5,1,2,4,3,7 5,8,1,2,3,4,7 8,1,2,3,4,9,14 5,8,1,2,3,4,7

1,19, 2, 3, 4, (19) 1,2,3,17,5,6 2,1,4,13 7,1,3,20,5,2,4 2,1,4,13 10,5,1,2,3,4 5,8,1,2,3,4,7 5,8,1,2,3,4,7 1 , 6 , 2 , ( 4 ) , 9, U 5,8,1,2,3,4,7 1,2,3,6 5,8,1,2,3,4,7 1,2,22,16 1,2, 12, 5, 2,1, ( 4 ) , 3, 6 21,6,1,3/16,1,2,4,12,3,5, 11,10,13,21 5,1,2,4 15,23,1,7,12,3,5,11,18,8 2,4,9,17

5,2,8,1,4,3,6,10,15,7 1,19,3,2,4 2,1,4,13

6 5 4 3 3 2 6 3

5 3 3 2 4 2 4 2 3 5 5 3 3 3 3 1 4

7 9 5 4 7

7 6 6 7

7 7 6 6 4

7 4 6 7

7 6 7 4 7 4

9

1

4 1 1 4 5 0 3 2 4 4 4 2 2 3 2 3 2 2 3 4 1 4 3 5

3 15 2 4

12

3 14 3 10 2 5 4 3

11

2 7 3 1

Erläuterung; Die -Einträge verwenden die Kennziffern für IE in Abb.12. Die Matrix ist gewonnen, indem die S-ürliste (vgl.o.2.2.5) daraufhin durchgesehen ist, welche IE in S vorkommen.Zeilen= Zeitungen Nr.1-32. Spalten: HS=Hauptschlagzeile; US links von HS = Kicker-US; US rechts von HS = Deck-US. Spalte S enthält die Summe der IE der Schlagzeile, L die des Lead; Spalte D gibt die quantitative Differenz der -Anzahl in beiden an. Die Reihenfolge der -Einträge entspricht der Reihenfolge im Textdiskurs, ohne Rücksicht auf die syntaktische Konstruktion (Jury j,cqmtted_ AD ist als Abfolge 2,1, Jury found AD_ innocent ist wie AD acquitted als Abfolge 1,2 gewertet. Unterstreichung eines IE in US, HS bedeutet, daß das betreffende IE in L reicht vorkommt (aud dem Body übernommen ist, v g l . u . ) , JE in ( . . . ) sind textteilspezifische Ausdrucksvarianten (mit referentieller Identität). Hehrfachvorkommen eines IE (in Textteil) ist als solches gezählt.

192

3.1.2,1 Textteilspezifische Charakteristika der Schlagzeile(n) Für die Beurteilung der im folgenden diskutierten Regularitaten von S ist daran zu erinnern, daß (1) Schlagzeilen die ureigenste Kreation von Zeitungen sind - S u/erden im Unterschied zum restlichen Text eines Berichts nicht übernommen (vgl.o.1.3) - und daß ( 2 ) die vorliegende Korpusauswahl nach äußeren ( d . h . textexternen) Gesichtspunkten erfolgte, hinsichtlich textinterner Gegebenheiten der Texte also zufällig ist (es sind nicht etwa besonders ähnliche Zeitungen und Berichtexemplare ausgewählt, sondern diejenigen, die mir 1972 in Kalifornien erreichbar waren). Schon die Übereinstimmung von z w e i S hinsichtlich struktureller Daten ist somit ein bemerkenswertes Faktum, das potentiell 'elementarparalleles 1 journalistisches Verhalten der S-Formulierung repräsentiert, Den in Abb.14 enthaltenen Daten ist folgendes zu entnehmen: 1. Die Gcsamt-Schlagzeile dieses Berichts in den untersuchten TZ enthält üblicherweise mehr IE als ihre M i n i m a l form (2 I E ) . Weitaus am häufigsten (15 von 31 Zeitungen) sind S mit 3 IE, gefolgt von mit 2 IE (6) und S mit 5 IE (4 Zeitungen), 2, Für die H a u p t Schlagzeile in der Minimalform (16 von 31 Zeitungen) lassen sich zwei Typen unterscheiden; (1) HS mit IE 1.+ 2. (Name AD und Ausdruck für den Freispruch) in 11 Zeitungen und (2) HS mit IE 1. +· 19./13. (Name AD + Ausdruck für die Einmütigkeit der Jury/die Champagnerparty} in 5 Zeitungen. Bei (1), d.h, e x p l i z i t e m Ausdruck für den Freispruch treten üblicherweise u/eitere IF. (in HS oder in einer US) hinzu, bei ( 2 ) , d.h. n i c h t - explizitem Ausdruck (ugl.u.3.1.4.2) treten üblicherweise k e i n e weiteren IE (und auch keine US) hinzu (Minimalform einer HS mit explizitem Ausdruck der zP kommt singular in Nr.28, mit nicht-explizitem relativ häufig vor). Die bzw. einige der nicht-expliziten Ausdrücke scheinen einen 'konversationeilen Implikaturen' (Grice) ähnlichen Status zu haben: Ein Ausdruck AD CELEBRATES AFTER UERDICT o.a. als HS hat offenbar die Implikatur 'AD freigesprochen' für Leser, Eine für die Informationsgebung in einer S wie für die Definition (des kommunikativen Status) einer Implikatur wesentliche Regularität ist also, daß expliziter Ausdruck der zentralen Proposition in HS Vorkommen weiterer Information in S erfordert, nicht-expliziter bzw.eine Implikatur der zP enthaltender dagegen gerade verbietet.Für die journalistische Praxis heißt dieses:

Eine HS AD ACQUITTED ollein'macht'noch keine Meldung HS iiüe

a l s

S dieses Berichts,

AD CELEBRATES AFTER VERDICT, AD SIPS VICTORY CHAMPAGNE o.a. machen

gerade allein(als S dieses Berichts)eine Meldung. 3. Das Vorkommen von US ist

nicht allein, wohl aber primär eine Frage des

Mitteilungsinhalts. Zusätzlich zu der in 2. genannten Bedingung (expliziter zP-Ausdruck) gilt: Eine US kommt üblicherweise vor, wenn die HS nicht mehr als 2 IE aufweist, Kicker-US und Deck-US kommen überwiegend, jedoch nicht notwendig in komplementärer Verteilung in S vor. Die Beleglage kann hier jedoch zufällig sein. Im übrigen dürften in dieser Hinsicht beträchtliche redaktionsspezifische Unterschiede bestehen {große nationale und internationale Zeitungen verwenden offenbar M/eit weniger US als kleinere, regionale Z e i t u n g e n ) , 4. Die HS eines Zeitungsberichts besteht minimal aus 2

Informationsele-

menten, einem referierenden und einem assertierenden. Ein einziges It

ist

nur im Genre Editorial (Kommentar, Leitartikel) möglich, d.h. die Opposition Schlagzeile eines Zeitungsberichts - Titel eines Kommentars folgt dein Muster ANGELA DAVIS A C Q U I T T E D - ANGELA DAVIS

o d e r

A C Q U I T T E D . Deutsche Schlagzei-

len und Kommentartitel verhalten sich ebenso ( v g l . K n i f f k a ini Erscheinen). Der Grund ist wahrscheinlich, daß letztere die in ersteren gegebene Information voraussetzen können, aber nicht umgekehrt (Kommentare sind h ä u f i g Berichten konkomitante Texte, insbesondere im Falle des Aufmachers, v g l , o . l , l , l ) , 5. Einige Feststellungen über die Globalverteilung des IE-Repertoires auf die kanonischen Textteile (vgl.o.3,1.1) lassen sich bei Berücksichtigung der 'horizontalen 1 Perspektive (des Textdiskurses} exakter formulieren:Der Name AD kommt z.B. US

v o r

o b l i g a t o r i s c h

in der HS, nicht in US (auch nicht in

der HS) vor, was durch aus dem Material dieses Korpus konstruierte

Beispiele illustrierbar

ist:

(1) Angela Davis Freed by Ail-White Jury MILITANT ACQUITTED OH ALL THREE COUNTS ( 2 ) """MILITANT ACQUITTED ON ALL THREE COUNTS

Angela Davis Freed by All-white Jury 13) +BLACK SCHOLAR NOT GUILTY, JURY FINDS Angela Davis Verdict Took 13 Hours {4} """NOT GUILTY ON ALL THREE CHARGES Angela Davis Acquitted by White Jurors

194

Die in (i}-(4) verwendeten Elemente sind sämtlich in HS und US des Korpus belegt.

Teils sind wörtliche, teils geringfügig modifizierte US als HS gewählt

und umgekehrt. Grammatisch und 's-grammatisch* hinsichtlich der Mitteilungsform bestehen keine Bedenken, gleichwohl sind S dieses Typs nicht belegt. Offensichtlich ist eine solche IE-Distribution in S mit Regeln des Mitteilungsinhalts nicht vereinbar (Beispiel (1) zeigt dabei, daß nicht allein eine durch Koreferenz in der links-nach-rechts Abfolge bestimmte Regulsrität vorliegt), 6. Die

-Kombination für den propositionalen Gehalt einer HS läßt sich durch x

folgende Regel zusammenfassen:

HS;

-Kombination

9.' 13. 22. IE l. 2.« 5. < 6. 7. 19. 13. s

Anm. : IE ( A . i ist hier als

. 1 repräsentiert.

7, Für IE (außer IE 2., vgl.o.) gilt komplementäre Distribution in HS und US. Für einige der in HS oder US vorkommenden fakultativen S-IE, wie IE. 5 (ausschließlich uieiGe Geschworene), IE 7. {emotionale Szene im Gerichssaal } und IE 10. (Dauer der Verdiktfindung) ist erheblich größere Häufigkeit in US als in HS und Indifferenz gegenüber der Distinktion Kicker- gegenüber Deck-US bezeichnend. Für andere, z.B. IE ( 4 . ) und IE 9. (Delikt) findet sich größere Häufigkeit in HS, Offenbar besteht bei Journalisten, die diesen Bericht für TZ bearbeiten bzw. eine S dazu formulieren, u/eitgehende Übereinstimmung darin, welchen Status diese IE für S haben und wohin sie zu plazieren sind. Die Unterscheidung HS-US ist eine textinterne und zugleich eine phänotypische. Ihre primäre Funktion ist offenbar die Gewichtung von Informationen relativ zum Berichtganzen; In HS gegebene Information ist gedichteter - in der Senderperspektive wichtiger - als in US gegebene. Die oben genannte Gesetzlichkeit ist wie gesagt primär eine solche des Mitteilungsinhalts. Sie impliziert jedoch partiell Gegebenheiten der Mitteilungsform (vgl.u.3,1.4.2); Die Häufigkeit von IE (4.) of all ( three) charges in HS in HS ist zweifellos auch durch die syntaktische Konstruktion bedingt. Die Interrelation formaler und inhaltlicher Gegebenheiten ist in 3.2 behandelt.

195

Das wesentlichste linguistische Fazit dieses Befundes ist,

daß sich eine so

weitgehende Regularität des Mitteilungsinhalts für S zu Berichten desselben Themas überhaupt findet,und daß nicht nur übliche und nicht-übliche Fälle für dieses Korpus klar unterscheidbar sind, sondern kategorische Regeln allein für den Mitteilungsinhalt formulierbar sind. Aufgrund der oben genannten Feststellung über die S-Formulierung in TZ und wohl auch der alltäglichen Laienerfahrung der Zeitungslektüre wäre eher völlige Irregularität und 'freie Variation 1 - insbesondere für diese Komponente - zu erwarten.Damit ist jedoch nur ein sehr kleiner Teil des Regelsystems der S-Formulierung erfaßt. Positiv sind die aufgezeigten Regularitäten des Mitteilungsinhalts von S für die Untersuchung von Komponenteninterrelationen, z.B. auch die Feststellung der persuasiven Wertigkeit einer S von Bedeutung (vgl.u.3.2); negativ ist die Feststellung von Belang, daß notwendige Kovariation sprachlich-formaler und -inhaltlicher Kategorien

n i c h t

vorliegt. Der Mitteilungsinhalt zeigt eine Be-

dingtheit sui generis. 3.1.2.2

-Anzahl und -Kombination des Lead

1. Der Lead eines Berichts über das Thema "Angela Davis freigesprochen 1 enthält (vgl.o,Abb.l4) obligatorisch IE 1. und IE 2. Ein zentraler Unterschied zur S ist also, daß expliziter Ausdruck für den Freispruch (in formal variabler Ausprägung, vgl.u.3.1.4.2) vorkommen muß; inexpliziter allein genügt nicht. 2. Außer diesen beiden IE enthält ein Lead obligatorisch

z w e i

weitere IE,

minimal also 4 IE (in diesem Korpus finden sich überwiegend L mit 6 oder 7 I E ) ; Entweder JE 3.(Datum des Verdikts) oder IE 4, (3 Anklagepunkte murder-kidnapping and_ conspiracy) oder beide + e i n

weiteres IE (beliebiger A r t ) .

Letzteres ist die weitaus häufigste Konstellation (20 von 31 Zeitungen). 3. Für die IE-Kofnbination der Lead-Minimalform läßt sich folgende Regel angeben:

,

v

IE 1..2.
. 2.2 gegeben wird.

206

3,1.4

Textintern-formale Instanzen und Kohärenzstrukturen in Zeitungsberichten

In 3.1*1 -3.1.3 sind

Gesetzmäßigkeiten des Mitteilungsinhalts (vorwiegend

von S, L und S:L) erörtert. Wenn von psychologisch realen Einheiten des propositionalen Gehalts die Rede ist,

sind damit natürlich formal-inhaltliche

Einheiten impliziert. Die formale Ausprägung ist (bis auf die Definition von IE) jedoch vernachlässigt. In 3.1.4

soll analog eine Analyse der Gesetzlichkeit der Komponente Mitteilungs-

f o r m, der Ausdrucksseite der Texte,unternommen werden. Gegenstand der Analyse sind konkret syntaktisch, morphosyntaktisch, lexematisch, syntakto-semantisch usw.indizierbare Tatbestände von 'Instanzen' der Mitteilungsform (vgl.o, 1.2.4). Die Auswahl der untersuchten textintern-formalen Instanzen erklärt sich wie folgt! 1. Für die Darstellung sind solche Instanzen ausgewählt, die in a l l e n Berichten dieses Korpus vorkommen. Es werden die Obligatorischen' prinzipiell selbständig variablen nächstniederen Einheiten der Komponente Mitteilungsform untersucht. 2. Alle textintern-formalen Instanzen sind als (variable) Ausprägungen von oben als zentralen inhaltlichen, (zumindest potentiell) psychologisch realen Einheiten der Senderhandlung konzipiert. Nach dem oben über die zP und das Wer und das Was Gesagten ist klar, daß diese die entscheidenden Kategorien von S, L und Zeitungsberichten sind und daß die ihnen entsprechenden Ausdruckskomplexe besondere Aufmerksamkeit verdienen. 3. Aus den in 1.3.1 erörterten allgemeinen Aufbauprinzipien eines Zeitungsberichts ist ersichtlich, daß die für die Erklärung der Variation der Zeitungsberichte insgesamt entscheidenden Merkmale in S und L lokalisiert sind. Die Erfassung ihrer Variation impliziert gleichsam die des restlichen Textes, aber nicht umgekehrt, 4. Zu diesen textinternen Kriterien kommen solche des Forschungsstandes und Forschungsinteresses: Es sind textintern-formale Instanzen ausgewählt, die im Verdacht stehen, für die soziolinguistische Beschreibung und Erklärung der Textvariation besonders aufschlußreich oder selbst soziolinguistische 'Marker' o d e r ' I n d i k a t o r e n ' (Labov 1971b) zu sein, wobei dieser Verdacht aufgrund von Pretests, Tests und Interviews, die für diese Untersuchung durchgeführt wurden ( v g l . o . 2 . 3 ) , und Inferenz aus vorliegenden aoziolinguistischen Untersuchungen (z.B. über Anredeformen, vgl.u.) besteht. Lediglich in diesem Sinne kann die Auswahl als 'subjektiv' angesehen werden (wenn damit soziolinguistisches Forschungsinteresse gemeint ist). Die Auswahl der untersuchten Instanzen ergibt sich also zwangsläufig einerseits aus den in 1.2 und 1.3 diskutierten (empirisch gesicherten) theoretischen Annahmen über den Gegenstand und die gewählte ModellPerspektive, andererseits aus für dieses Korpus aufzeigbaren empirischen Indikatoren für das Textmaterial von S und L.

207

Bei der Darstellung werde ich so vorgehen, daß (a) mehrere formale Kategorien zugleich - Instanzen in ihren Relationen (ugl.o.l.2.4) - und (b) ihr Status für die Textkohärenzrelation S:L besonders zum Ausdruck kommen. Dies ist Voraussetzung für die empirische Untersuchung von S-Formulierungsstrategien globalerer Natur, die in 5,2.1 erörtert werden. Gleichzeitig soll an diesem Materialauschnitt (1) die in 1.3.3 vorgestellte Konzeption 'soziolinguistischer Regeln 1 exemplarisch im Hinblick auf das Material dieses Korpus erörtert und (2) auch das Verfahren der Regelgewinnung einschließlich der Diskussion deskriptiver Alternativen detailliert illustriert werden. Dadurch sind Wiederholungen und eine (an der Interpretation won Texten Interessierten vielleicht pedantisch anmutende) Ausführlichkeit vorprogrammiert, für die es m . E . jedoch keine akzeptable methodologische Alternative gibt, In Abb.15 ( s . u . ) sind die folgenden Instanzen und Instanzenrelationen in S:L berücksichtigt: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Wahl Wahl Wahl Wahl Wahl Wahl

der Namensform für Angela Davis der Subjekts-NP der Verbdiathese für den Freispruchausdruck !zP-Ausdruck) des Verblexems " " " des Verbtempus " " " des'syntaktischen Status' für den zP-Ausdruck

Zwischen den genannten Instanzen bestehen nicht die gleichen systematischen Rer lationen: 2. und 3. korrelieren z.B. gemäß grammatischen Regeln des Englischen, zwischen 4. und 5. (und 3.) bestehen semantische, partiell grammatische (z.B. 'aspektuelle') Beziehungen; die Variation von l,, 4, und 6, ist voneinander und uon der der anderen Instanzen prinzipiell unabhängig; Es sind nicht wie bei den vorgenannten einige Kombinationen aufgrund grammatischer Regeln ausschließfaar, sondern grammatisch alle Varianten frei kombinierbar. Ebensowenig existieren 'stilistische' Regeln, die.einige Kombinationen generell ausschließen. Es ist im übrigen erst E r g e b n i s einer empirischen Untersuchung, welche spezifische Gültigkeit stilistische Regeln in dieser Varietät und in den Textteilen S und L haben; a priori Generalisierungen sind meist tautologisch. Die Daten in Abb.15 sind den S- und L-Urlisten (vgl.o,2.2.5) entnommen. Der Wortlaut von HS und L ist nur insoweit berücksichtigt, als er für die Identifizierung des Ausdruckskomplexes Angela Davis freigesprochen (einschließlich aller formalen Alternativen) - für den 'Kernsatz'im Sinne von Dressler 1972:192 - notwendig ist.

208

Abb,15 Form der Relation Schlagzeile:Lead Angela Davis + Freispruchausdruck HS ;tc.

L

1 ANGELA DAVIS IS ACQUITTED ,,.

i i . found Angola Davis innooi-nL

...

:;r. 2 ANGELA. OAVIS ACQUITTED

Angela D a v i s , « . . , was acquitted ...

•Jr. 3 ANGELA FREE; ; ...

Angela Davis held her broath, :iijt sin· knew she was f i n a l l y f r e e ...

M r . 4 JURY CLEARS ANGELA DAVIS,

...

The jurors

who acquitted Angela iJavis . , .

Nr. 5 JURY FREES ANGELA ...

...acquitted Angela Davis

Mr. 6 ANGELA DAVIS CELEBRATES ...

Angela Davis was freed

Nr. 7 AMGELA DAVIS NOT G U I L T Y , . . .

Angela Davis was found innocent ...

...

...

Nr. 3 ANGELA DAVIS FOUND ,INNOCEHT

. . . f o u n d A n g e l a Davis innocent ....

Mr. 9 ANGELA DAVIS CLEARED . ..

...found ... Angela Davis innoccnc ...

M r , 10 ANGELA ACQUITTED

...Angela Davis was found innocent ...

...

Nr. 11 California Jury finds AMGELA

. . . f o u n d ... Angela Davis innocent

Kr.12 ANGELA CELEBRATES VERDICT ...

Angela Davis sipped champagne . ..uit-h t lie j u r o r s , -,;:i3 ^cqui tv^'J iier ...

Nr.13 ANGELA DAVIS IS ACQUITTED,...

Angala Davis was freed ....

Nr,14 DAVIS JURY SAT 'AMIABLY 1

The jurors, who acquitted Angela Davis ...

Mr.15 JURY FREES ANGELA DAVIS

Screaitis of joy . . . e r u p t e d in A.ngela Davis 1 courtroom today as the black scholar ... heard an all-white j u r y f i n d her innocent.

Nr.16

The jurors who acquitted Angela Davis ...

FOREWOMAN SAYS DAVIS JURY HAD NO MAJOR CLASH

Nr.17 ANGELA DAVIS ACQUITTED

...

Nr.16 ANGELA DAVIS POUND INNOCENT Nr.19 ANGELA DAVIS ACQUITTED ... .2 ANGELA ELATED AT ACQUITTAL Mr. 21 ANGOLA DAVIS FREED BY ... Mr.22 ANGELA DAVIS ACQUITTED;

After ..., ...found Anoela Davis not guilty ... found ... Angeld Davis innocent ... ... found ... Angela Davis innocQ.it ... Angela Davis has vowed ... after her acq u i t t a l ... . . . f o u n d ...

...

Angela Davis innocent ...

Miss Angela 3avis was free today

...

Nr.23 ANGELA DAVIS RULED INNOCENT

...

Mr.24 ANGELA DAVIS ( e d i t o r i a l )

With Angela free at last frorrs

Mr.25 ANGELA IS FREE; ...

Angela is free!Angela is frsel So came th« shouts from San Jose, California, after an all-white jury acquitted Angela Davis..

N r . 2 7 ANGELA F R E E ; . . .

" I ' m going to continue to f i g h t . . . " , A n g e la said ... - After ..., Angela Y.Davis was acquitted ...

N r . 2 3 AMGELA DAVIS TRIAL ENDS WITH 1 INNOCiMT'

The all-white jury in the Angela Davis trial has found her innocent. . .... the case of the people of C^liforr.ia v.Angela Davis ... . A n all-whit« j u r y ... found the ...blac* a c t i v i s t n o t g u i l t y ...acquitted ... A n g e l n Davis ...

N r . 2 9 A N G E L A ' S TRIUMPHANT ACQUITTAL

llr.30 AliiSLA DAVIS FOUND MOT GUILTY

Nr.3i A:-;GSLA DAVIS SIPS VICTORY Mr. 32 FSES ANGELA DAVIS TOASTS HER _ JJJ3Y

found ... Angela Davis innocent ... ...

A j u b i l a n t Angela Davis sipped champagne ... in celebration of her acquittal ... The jurors 'who acquitted Angela Davis

...

Erläuterung: In Spalte HS ist nur die HAUPTSCHLAGZEILE (nur in N r . l l , in der Kicker-US +· HS einen Satz darstellen (können), auch eine US) berücksichtigt. '...' bedeutet, daß die HS weitere Elemente enthält. In Spalte L ist der Wortstellung entnehmbar, was Subjekt i s t : ' . . . ' vor dem Verb vor AD bedeutet, daß ein Subjekt an ajLl-whj/be Jury einzusetzen ist. Die Abweichungen der L von WZ ( N r . 2 5 , 2 7 , 2 9 ) und des Editorial ( M r . 2 4 ) sind weiter unten erörtert (die kanonischen Regeln für L gelten hier nicht),

299

3.1.4.1 Referierung des Namens Angela Davis in 5 und L

Im Englischen findet sich ein (sozioiinguistisch gut dokumentiertes) System von Anredeformen (vgl.Ervin-Tripp 1971 mit weiterer Literatur), Wer wen wann wie anredet, hangt von Merkmalen der Interlokutorenbeziehung wie Alter, Vertrautheitsgrad, sozialer Stellung der Partner u . a . und der Situation (Formalitätsgrad, Publikum usw.) ab. Handelt es sich um einen Kommunikationsakt, in dem nicht jemand direkt angesprochen, sondern anderen über diesen Jemand berichtet wird, gelten spezielle Regeln, die nicht annähernd ausführlich untersucht sind wie erstere. Für die Namensreferierung der Hauptperson dieser Zeitungsberichte stehen allgemein die folgenden Alternativen zur Auswahl; (1) (2) (3) ( ) (5) (6)

Angela Davis (Vorname + Familienname) Angela Y.Davis (Vorname ·+- 'Middle Käme' + Familienname) Angela (Vorname allein) Miss Angela Davis ('Title of Respect 1 + Vorname + Familienname} Miss Davis ( " ·+· Familienname) Davis (-) (Attribut zu Nomina wie jurv_, trial, durch spezielle syntaktische Regeln bestimmt)

Als 'Anredeformen' sind davon in alltäglicher, nicht-spezifischer Kontextsituierung im gesprochenen amerikanischen Englisch lediglich (3) und (5) üblich. Die anderen bedürfen einer spezifischen Markierung durch den Kontext, die Interlokutorenbeziehung usw.i (2) ist etwa denkbar als Anrede eines Staatsanwalts oder Standesbeamten, (1) scherzhaft unter guten Freunden, (4) z.B. bei ironischer und/oder emphatischer Verwendung, ( 6 ) z.B. in einer Interaktion Lehrer zu Schüler u . a . , Für die Namensreferierung in Zeitungsberichten sind 0} und (5) möglich - in bestimmtem Vorkommensbereich, vgl.u. - aber keineswegs die üblichsten Varianten, sodaß man grob von einer komplementären Verteilung in Redekonstellationstypen (H.Steger) bzw.Textsorten sprechen kann. Darauf, wie auch auf die Unterschiede der Namensreferierung in verschiedenen Kommunikationsformen (z.B.Erwähnung eines Namens in einem Telefongespräch, Brief oder einer Zeitung) kann hier nicht eingegangen werden. Für diese Varianten der Namensreferierung in Zeitungsberichten gelten durch die kanonischen Textteile konstituierte Regeln, teils kategorischer, teils kanonischer Art. Schlagzeile-, Lead und Body eines Zeitungsberichts haben je

210

ein eigenes Regelsystem. Die Variante (5) Miss Davis kommt nach Ausweis des Korpus ausschließlich im B o d y , nicht in S und L eines Berichts vor.Für sie ist offenbar Vorerwähnung im Text Voraussetzung, genauer! Vorkommen einer personidentifizierenden Variante im Text des L e a d ist notwendige Bedingung ihres Vorkommens im Body. Eine Konstellation (personidentifizierendes) ANGELA DAVIS ( H S ) - Hiss Davis/Davis (L) - Hiss Davis (Body) bietet das Korpus nicht. Für die Schlagzeile finden sich die Varianten (l)ANGELA DAVIS, (3) ANGELA und (6) DAVIS-, wobei (1) die bei u/eitem häufigste Variante ist. Eine dieser Namensformen m u ß in der HS eines Berichts dieses Themas erscheinen Cvgl.o. 3.1.2), in US erscheint dagegen grundsätzlich keine von ihnen,In US kommen allenfalls koreferierende Ausdrücke wie militant vor ( v g l . u . ) . Koreferenz durch andere Ausdrücke (z.B. Pronomina) kann hier vernachlässigt werden, da dadurch keine soziolinguistisch relevanten Unterschiede konstituiert sind, 'Identifizierende 1 Variante oben bedeutet nicht, daß dies das einzige Kriterium für die Auswahl ist. Alle drei in HS vorkommenden Varianten sind selbstverständlich referentiell 'identifizierend' aufgrund des sprachlichen und außersprachlichen Kontextes: Die Sender/Schlagzeilenautoren können offenbar davon ausgehen, daß Lesern der S dieses Berichts in TZ vom 5.6.72 klar ist, wer gemeint ist. Aus der Tatsache, daß die Variante Davis- in HS nur zusammen mit Nomina vorkommt, die sich auf das Prozeßgeschehen beziehen, kann man vielleicht schließen, daß sie nicht im gleichen Sinne eindeutig ist wie die beiden anderen (vielleicht kommen deshalb HS des Typs *DAVIS CELEBRATES AFTER VERDICT gegenüber belegtem Nr.12 ANGELA CELEBRATES VERDICT ... nicht vor, außer natürlich wegen der genannten Beschränkung auf das Vorkommen als erstes Glied eines 'Kompositums 1 , vgl.o.). Vorkommen dieser und Fehlen der Varianten ( 2 ) , (4) und (5) in S ist zweifellos auch durch die in ihr gebotene Kürze des Ausdrucks und die informationelle Redundanz der letzteren bedingt. Die Variation von (1) und (3) läßt sich jedoch nicht einfach als eine 'Ellipse' {vgl.u,3.1.4.3) bedingt durch formale Gegebenheiten der HS beschreiben. Sie muß im Zusammenhang mit Sendereinstellungen, -Intentionen und -persuasionen, Leservorinformation, -erwartung usw. erklärt werden. Die beiden Varianten signalisieren verschiedene Werte in dieser Hinsicht (vgl.u. und 2.3). Inwieweit dafür auch von Belang ist, daß der Name auf eine weibliche Person referiert, vergleichbar dem im Deutschen vorhandenen Unterschied von z.B. Brandt sagte gegenüber die Flickenschiidt sagte .bedürfte weiterer Untersuchung. Eine einfache Analogie ist schon wegen des Artikelunterschieds nicht annehmbar.

211

Der

L e a d

dieses Berichts erlaubt nach Ausweis des Korpus in TZ nur eine

Variation zwischen (1) AngeIB Davis, (2) Angela Y.Davis und (4) Hiss Angela Davis.

Eine kategorische textteilspezifische Regel

ist:

In L von TZ bzw. im ersten L-Satz mit der Offiziellen Version 1 der Nachricht (vgl.o.1.3.1) können nur Varianten vorkommen, die die Form Angela Davis enthalten (Vorkommen des Vornamens Angela allein ist in L regelwidrig). Die Verhältnisse in Wochenzeitungen sind keine Ausnahme zu dieser Regel, da (1) die kanonische Leaddefinition f ü r sie nicht z u t r i f f t und (2) bezeichnenderweise auch in ihnen die Offizielle Version' die Form Angela Davis enthält ( v g l . N r . 2 7 mit Angela said in dem dem L vorangestellten Zitat, aber Angela

,Davi s ...was

acquitted für den offiziellen Ausdruck der z P ) . Vorkommen allein der korrekten, offiziellen Form der Namensreferierung in L ist neben anderen ein textueller Indikator für die Definition des 'ritualisierten' Status dieses Textteils und die Kontrastierung gegenüber 5 und Body. Bezeichnend ist auch, daß die explizitesten und vollständigsten Varianten, Hiss Angels Davis und Angela kommen.

.Davis (so der amtliche Verdikttext} ausschließlich in L vor-

Auch dieser Befund spricht für den Lead als 'Herzstück' eines Berichts.

Für L findet sich die strikteste Beschränkung, in S ist grundsätzlich eine größere Variationsbreite möglich als in L. Dieses Faktum ist nicht nur für diese, sondern alle anderen textintern-formalen Instanzen nachweisbar ( v g l . u . ) . Dafür sind jedoch zusätzlich Regeln für die 5:L-Relation in Rechnung zu stellen, die keine textteilspezifische, sondern intertextteilspezifische Regularität beinhalten ( v g l . u . ) . Im Body der untersuchten Berichte kommen die Varianten (2) und (4) überhaupt nicht, je nach politischer Couleur des Berichts zumeist entweder ( > } oder (5) (sowie koreferierende Ausdrücke wie the former UCLA instructor u . a . ) vor. Ein ausdrücklich auf Angela eingeschworener, d.h. mit ihr stark sympathisierender Bericht wechselt im Body so gut wie nie zu Hiss Davis, wohl aber andere Berichte ( f ü r die persuasive Wertigkeit sind jedoch genauere Differenzierungen nötig, v g l . u . ) . Die Variante (1) ist im Body vergleichsweise selten. Für die Beschreibung der Variation der Berichte ist die Verteilung in belegten S:L-Paaren von besonderer Bedeutung. Die Namensreferierung zeigt dafür folgende Häufigkeitsverteilung: HS 1. 2. 3. 4.

ANGELA DAVIS ANGELA DAVIS DAVISANGELA

L Angela Davis Miss Angela Davis Angela Davis Angela Davis

Zahl der Zeitungen 19 l (Nr,22) 2 (Hr.14,16) 7

212

Dies läßt sich zu einer Sequenzregel (vgl.o.l.3.3) zusammenfassen: Die Namensreferlerung für das VJer in ( H ) S : L richtet sich nach der Sq-Regel (1) (1) HS (AäD) : L. AD

feu lesen! In einer HS sind die Varianten ANGELA oder DAVIS oder beide zu einem L mit (allein) der Variante Angela Davis für die Namensreferierung möglich). Die in WZ vorkommende Konstellation (AMGELA:Angela vor L 4- Angela (Y.)Davis L in N r . 2 5 j 2 9 ) kann hier vernachlässigt werden. Für die (H)S:L Relation in TZBerichten bestehen nach Ausweis des Korpus also nur zwei produktive Typen: (a) ANGELA DAVIS:Angela Davis und (h) ANGELA:Angela Davis, alle andere oben genannten Konstellationen sind weniger üblich, Sequenzen wie AD:A, A D : D in ( H ) S : L regelwidrig. Aufgrund der Häufigkeitsverteilung von (a) und (b) und aufgrund konkomitanter Indikatoren anderer textinterner Instanzen kann man ( a ) als den 'merkmallosen 1 , (b) als den 'merkmalhaltigen' Fall der Namensreferierung in S;L annehmen, Die obige Sq-Regel kann man durch die Einträge für den Body ergänzen, in dem allein die Varianten Angela und Hiss Davis häufiger vorkommen.Systematisch läßt sich eine Sq-Regel (2) für 5 und Body formulieren: (2) Wenn in S die Variante ANGELA gewählt ist, ist im Body meist auch die Variante Angela gewählt, aber nicht umgekehrt. Die Sq-Regel (2) gilt nicht mit gleicher Striktheit wie (1), gibt jedoch die bei weitem üblichste Konstellation an: Zeitungsberichte, in deren HS die Form ANGELA vorkommt, referieren im Body überwiegend mit der Form Angela, weniger häufig mit der Form Hiss Davis auf sie. Zahlreiche Zeitungsberichte mit der Form Angela im Body wählen jedoch die Form ANGELA DAVIS in der HS, Die Sq-Regel (2) betrifft jedoch nur das Textprodukt (und möglicherweise die Leserhandlung), Für die Textgenese in der Senderhandlung ist sie nicht aussagekräftig, da 5 zu L (und z.T,Body) formuliert werden (vgl.o.l,5.1), Für die kausale Erklärung der Variante in 5 ist also von der umgekehrten Bedingtheit auszugehen. Aufgrund der Beobachtung, daß im Body einiger Berichte auschließlich die Variante Angela, im Body anderer Berichte dagegen eine Variation zwischen Angola und MissDayis vorkommt, läßt sich eine Sq-Regel (3) für die Entsprechung b z w . ' i n d i r e k t e ' Sequenz von S und Body formulieren: (3) Wenn im Body eines Berichts ausschließlich die Variante Angela vorkommt, kommt auch in (H)5 ausschließlich die Variante ANGELA vor. Wenn im Body eines Berichts eine Variation von Angela und Miss Davis vorkommt, ist in ( H ) S eine Variation von ANGELA und ANGELA DAVIS möglich.

213

Es ist möglich, vielleicht naheliegend, daß der in dieser Sq-Regel erfaßte Tatbestand eine (in einer Alternationsregel formulierbare) tatsächliche Formulierungsalternative für (H)S b e t r i f f t , Daß stark PRO-engagierte Zeitungen sowohl im Body u/ie in S ausschließlich die Form Angela wählen ( v g l . o . ) f ist sehr plausibel. Im strengen Sinne als psychologisch reale S-Formulierungsalternative nachweisbar ist dies jedoch nicht, da nicht von S-Varianten zu identischen L und Body ausgegangen u/erden kann (vgl.o.1.3.3 und u . ) . Von Interesse ist an diesem Beispiel, daß auch bei Invarianz bzw.Indifferenz des L eine Beeinflussung der S durch den Text, zu dem sie formuliert ist, möglich ist (was voraussetzt, daß in diesen Fällen der Schlagzeilenautor mehr als nur den Lead gelesen hat). Als psychologisch reale S-Formulierungsalternative ist nur die Variation von ANGELA DAVIS/ANGELA als solche nachweisbar (in S zu textidentischem L, vgl.u.).

Man könnte es bei den obigen textteilspezifischen und Sq-Regeln bewenden lassen, und in deren Rahmen die Variation ANGELA DAVIS/ANGEL A f uias textinterne (verbale) Gegebenheiten angeht, als freie Variation ansehen (daß soziolinguistisch in keinem Falle eine freie Variation vorliegt» ist bereits durch die genannten Fakten indiziert). Eine solche strukturelle Beschreibung würde sich jedoch wesentlichen textinternen Daten verschließen. Die Namensreferierung in S und L erfolgt nicht im luftleeren Raum, sondern im Zusammenhang anderer sprachlicher Mittel, z.B, den oben genannten textintern-formalen Iristanzen, Es empfiehlt sich, nach ihnen Ausschau zu halten und zu prüfen, welche Relationen zwischen ihnen und der Namensreferierung für AD bestehen. Diese Überprüfung ist auch dann sinnvoll und notwendig, u/enn sie negatives Ergebnis hat: Auch der Nachweis, daß die Variation dieser Instanz mit der benachbarter n i c h t korreliert, ist strukturell für die Beschreibung der Mitteilungsform relevant. Die fraglichen Tatbestände sind in Form von Co-Regeln (vgl.o.1.3.1) zu notieren. Für Namensreferierung und Lexem des zP-Ausdrucks lassen sich folgende Minimalpaare von H5 aufzeigen: N r . l 7 ANGELA DAVIS ACQUITTED ON ALL CHARGES - Nr.10 ANGELA ACQUITTED ON ALL 3 COUNTS Nr.5 JURY FREES ANGELA - Nr.15 JURY FREES ANGELA DAVIS Nr.8 ANGELA DAVIS FOUND INNOCENT - N r . l l California Jury Finds ANGELA INNOCENT M r . 6 ANGELA DAVIS CELEBRATES AFTER VERDICT - Nr.12 ANGELA CELEBRATES VERDICT WITH TOASTS, PUBLIC PARTY

214

Eine Korrelation der Variation ANGELA DAVIS/ANGELA mit der Lexemvariation für den Freispruchausdruck liegt offensichtlich nicht vor: Beide Varianten der Namensreferierung kommen mit verschiedenen Verblexemen, ein und dasselbe Verblexem kommt mit beiden vor.Aus dem Fehlen einer allgemeinen notwendigen Korrelation läßt sich jedoch nicht schließen, daß grundsätzlich zwischen den zP-Lexemen und den Formen der Namensreferierung keine besonderen Affinitäten bestehen könnten: HS wie N r . 3 ANGELA FREE; LITTLE ARGUMENT IN JURY, Nr.25 ANGELA IS FREE, Nr.27 ANGELA FREE CASTS OFF "CHAINS" legen nahe, daß adjektivisches FREE für den Freispruchausdruck vorzugsweise oder üblicherweise mit der Form ANGELA in HS vorkommt. HS mit ANGELA DAVIS + FREE adj. mit 'prädikativem 1 Status finden sich im Korpus nicht, singular attributives Adj. in Nr.32 FREE AD TOASTS HER JURY. Eine Co-Regel (1) (1) Wenn die zP in HS durch prädikatives Adj.FREE ausgedrückt ist, sich üblicherweise die Variante ANGELA, nicht ANGELA DAVIS

findet

ermöglicht keine definitiven Aussagen über die S-Formulierung (und die Abhängigkeit der beiden in dieser), Sie stellt jedoch eine relevante Aussage über die Textprodukte dar, insofern für beide Varianten (vgl.o.2.3.3) ein besonderer persuasiver Status nachweisbar ist. Die Interpretation von Texten muß Regularitäten dieser Art in Rechnung stellen. Aus den oben genannten HS-Minimalpaaren ist weiter ersichtlich, daß eine Korrelation des Vorkommens zwischen der Variation ANGELA DAVIS/ANGELA und explizitem/nicht explizitem zP-Ausdruck nicht besteht (vgl.u.3,1.4.2). Eine positive Korrelation findet sich jedoch zwischen ANGELA DAVIS/ANGELA und einer formalen Variation des zP-Lexems dergestalt, daß die Form ANGELA nur bei monolexematischen Verbalausdrücken für die zP (FREE_ a d j . / v b , ; CLEAR;ACQ U I T ) , nicht bei polylexematischen (FIND INNOCENT; FIND NOT GUILTY) vorkommt. Das bedeutet: Wenn die zP in HS durch FREE, CLEAR, ACQUIT ausgedrückt ist, ist eine Variation von ANGELA DAVIS/ANGELA nachweisbar, bei FOUND/RULED INNOCENT/ NOT GUILTY ist nur ANGELA DAVIS belegt. Die S von N r . 11 California Jury Finds ANGELA INNOCENT ist kein Gegenbeispiel, da hier die HS allein aus ANGELA INNOCENT besteht. Möglicherweise repräsentiert dies eine Co-Regel (2) (2) Wenn die Form ANGELA gewählt w i r d , wird ein monolexematischer zP-Ausdruck gewählt, aber nicht umgekehrt. Wenn die Form ANGELA DAVIS gewählt wird, ist eine Variation zwischen mono- und polylexematischem zP-Ausdruck möglich, letzterer aber üblich. Oder allgemeiner: Wahl der kürzesten Variante in einer Instanz in HS besagt konkomitante Wahl der kürzesten Variante auch in der anderen Instanz.

215

Die HS von Nr.ll ANGELA INNOCENT liefle sich als Bestätigung dafür ansehen. In nach allgemeinerem Sinne könnte dies einen Unterschied 'AllegroForm' gegenüber 'Langform' o.a. repräsentieren. Es handelt sich dabei um eine Distinktion des formalen Ausdrucks, nicht um eine inhaltlich-stilistische: Acquit ist ebenso wie bzw. noch mehr als find innocent die Offizielle 1 Variante für den Freispruchausdruck (vgl.u.3.1.4.2). Zu den genannten Gründen,daß ANGELA FREE,ANGELA ACQUITTED einerseits gegenüber ANGELA DAVIS FOUND INNOCENT, ANGELA DAVIS ACQUITTED, jedoch keine S''"ANGELA FOUND INNOCENT, "'"ANGELA FOUND NOT GUILTY andererseits belegt sind, kommen weiterhin Gründe des formalen Aufbaus einer HS und satzrhythmische Kriterien: Vielleicht existiert so etwas wie ein 'Symmetrieprinzip* zwischen Nominalund Verbalphrase in dieser Hinsicht f ü r HS. Außerdem sind natürlich Kovariationsphanomene zwischen Mitteilungsform und -inhalt hier zu nennen: Eine übliche, wenngleich nicht notwendige Korrelation - hier Komponenteninterrelation - scheint zu repräsentieren, daß bei informationeller Minimalform einer HS eher die Form ANGELA DAVIS,bei nicht-minimaler, Informationen 'erweiterter 1 diese neben ANGELA vorkommt, nach dem Muster Nr,2 ANGELA DAVIS ACQUITTED gegenüber Nr.10 ANGELA ACQUITTED ON ALL COUNTS neben Nr.17 ANGELA DAVIS ACQUITTED ON ALL CHARGES. Dies kann seinerseits mit satzrhythmischen Bedingungen verknüpft sein. All diese im weitesten Sinne mit Co-Regeln textintern-formaler Instanzen erfaßbaren Regularitäten scheinen jedoch eher sekundäre, nicht voll befriedigende Gesichtspunkte für die Erklärung zu sein, daß die Variationen der Formen des Wer und des Lexems des Verbs für das Was in diesen Berichten in S:L so vorliegen, wie sie vorliegen. Betrachtet man allein Kookkurrenzphänomene für I n s t a n z e n , bleibt die Erklärung unbefriedigend, was man durch die Zufälligkeit der Beleglage entschuldigen könnte. Eine schlagende Erklärung für den Belegbefund, insbesondere das Fehlen von HS des Typs ^ANGELA FOUND INNOCENT, das bei der relativen Häufigkeit der Variante ANGELA einerseits und der Form ANGELA DAVIS FOUND INNOCENT andererseits schwer verständlich ist, ergibt sich dann, wenn man nicht Kookkurrenz von Instanzen a l l e i n in S, sondern in S u n d L, gleichsam Kookkurrenz von S:L-Relationstypen bzw.S-Formulierungsteilstrategien berücksichtigt ( v g l . u . ) : In S:L findet sich Veränderung der Form der Narnensreferierung nach dem Muster ANGELA CHS) · Angela Davis ( L ) n u r dann, wenn die syntaktische Konstruktion (aus L in HS) b e i b e h a l t e n n/ird. Die Form ANGELA kommt nur dann als Subjekts-NP vor, wenn sie auch in L Subjekts-NP ist; als Objekts-NP in HS nur

216

dann, wenn sie auch in L Objekts-NP ist (vgl.Paare wie Nr.10 ANGELA ACQUITTED :Angela Davis mas acquitied; Nr.5 JURY FREES ANGELA: An all-white, jury acquitted Angela Davis; die Variante Angela ist in L textteilspezifisch nicht möglich, vgl, . ) . Die deutlichste Bestätigung ist d a f ü r , daß der produktivste syntaktische Relationstyp für HS:L, passivische HS:aktivischem L {vgl.u.3.1.4.2) in keinem einzigen Fall die Variante ANGELA in HS zeigt. Veränderung dieser beiden Instanzen in HS:L kommt also nicht konkomitant, sondern nur komplementär vor. Mit dieser Co-Reqel korreliert ihrerseits die Veränderung des Lexems des zP-Ausdrucks in HS:L unterschiedlich für acquit und find innocent (vgl.u, 3.1.4.2), sodaß eine adäquate Erklärung für ANGELA ACQUITTED gegenüber + ANGELA FOUND INNOCENT gefunden ist. Da sich diese Co-Regeln auch für S-Varianten zu textidentischem L nachweisen lassen, ist die Annahme einer Alternationsregel für psychologisch reale Alternativen der 5-FormuIierung gesichert; S-Autoren verändern entweder die Form der Namensreferierung in S:L o d e r die syntaktische Konstruktion, nicht beide gleichzeitig, Eine umfassendere Erklärung des sich darin äußernden 'komplementären Nivellierungsprinzips'der S-Formulierung ist in 3.2.1 geyeben.

3.1.4,2 Syntaktische Konstruktion, Diathese und Lexem des zP-Ausdrucks Im folgenden sollen die oben in 3.1.4 genannten textintern-formalen Instanzen Subjekts-NP, Diathese und Lexem für den zP-Ausdruck jeweils einzeln und hinsichtlich ihrer Relationen in S;L untersucht werden, Was die Subjekts-NP in S und L repräsentiert, welche Diathese das zP-Uerb hat und welches der dafür möglichen expliziten und nicht-expliziten Lexeme gewählt u/ird, ist, wie Abb.16 (vgl.u,) zu entnehmen ist, n i c h t textteilspezifisch (kategorisch für eine Instanz allein) geregelt, sondern prinzipiell in S und L variabel, wobei zu untersuchen ist, ob und welche festen Korrelationen zwischen den Instanzen vorliegen, Die in Abb.16 verzeichneten Daten, die aus den S- und L-Urlisten gewonnen sind, sollen daraufhin untersucht werden, welche Sequenz-, Kookkurrenz- und Alternationsregeln (vgl,o.l,3.3) für die drei Instanzen in 5:L formuliert werden können.

217

Abb.16 Kookkurrenz lexematischer und syntaktischer Textkohärenzstrukturen der Relation Schlagzeile:Lead

Subjekts-NP

Kr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 9 Hr. 10 Hr. 11 Hr. 12 Hr. 13 Hr. 14 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 17 Nr. 18 Nr. 19 Hr. 20 Hr. 21 Nr. 22 Nr. 23 Nr. 24 Nr. 25 Nr. 27 Nr. 28 Nr. 29 Nr. 30 Hr. 31 Nr. 32

Verbaldiathese

Lexem

+ Identität

S

L

S

L

S

L

AD AD AJ J AD AD/J AD AD A-

J

P

AD AD J J AD AD J J AD J AD/J AD J X/J J J J J AD J AD J X/AA-/J AD J J J AD J

P N

A P K A A P P A P P A A/A P A A/A A A A A N A N A

a a f c f

i a f a a f i i i i

A-/J AAD J J J AD AD AD AAD AD AD 0 AAX X AD AD AD

A A A. . ki N P P

P N/A A pki A . A A , P P P N P P P

0

H M N N P A A?ij

H N P A A A A/N A

KI ng i c a

1

KI

a KI

f KI

a i a a f a

i 0 f f

i a ng KI

f

a f a i a ng

i i a i f i f f/a a i ng a a a

Su

D

Lex

-t+ + + + + _

+ + + + __

+ + 4._

+ + + + + +_

·»· + + + + _+

+ -

_ _

. _ 4 _

+ _

+

+

_

_ -

+ -

0 + + _ -

0 0 + + - _ _ - +

_ -t-

+

-







Erläuterung: Spalte Subjekts-NP: AD=Angela Davis; A-=Angela; J= Jury/Jurors; X= weder AD noch J ist Subjekt; 0= kein vollständiger Satz (nur in Editorial N r . 2 4 ) ; ' / ' = doppeldeutige oder komplexe Konstruktion (Subjekt des S bzw.L-Matrixsatzes und des zP-Ausdrucks nicht identisch). Spalte Verbaldiathese: A=Aktiv; A = Aktiv eines Ausdrucks mit Implikatur 'Freispruch'; P=Passiv; N=Neutrale Diathese (adj.free; auch is free; nominales acquittal u . a . ) . Spalte Lexem: a=acquit; f=free ( a d j . / v b . ) ; c=clear ( v b . 3 ; i=innocent (ruled/ found innocent); ng=not guilty; KI='Kommunikative Implikatur'-Ausdruck (vgl. u.). Spalte Identität: '·*-' indiziert Identität ('Beibehaltung' '-' indiziert Verschiedenheit ( ' V e r ä n d e r u n g ' ) für Subjekt, Diathese, Lexem in S:L,

218

3.1.4.2,1 Textteilspezifische und 5q-Regeln für (H}S:L

Für die Wahl des Subjekts einer HS besteht eine dreifache Auswahl: Entweder ist AO oder ein Ausdruck für die Geschworenen-Jury oder ein dritter Ausdruck, zu dem AD Attribut ist, Subjekt. Exzeptionellen Status haben die HS Nr.28 AD TRIAL ENDS WITH INNOCENT, Nr.29 ANG E L A ' S TRIUMPHANT ACQUITTAL ( v g l . u . ) und der Titel des Editorial Nr.24, der (genrespezifisch abweichend) nur aus dem Namen ANGELA DAVIS besteht ( v g l . o . ) . Die Standardform scheint ein Subjekt AD in HS zu sein (21 Zeitungen) gegenüber JURY o.a. (5 Zeitungen) und X (2 Zeitungen), Eine HS besteht normalerweise aus

e i n e m

Satz, d . h . das Subjekt der HS

und das Subjekt des zP-Ausdrucks sind identisch. Nur in 2 Fällen (Nr.7 ANGELA DAVIS NOT GUILTY, JURY FINDS und Nr.l6 FOREWOMAN SAYS DAVIS JURY HAD NO MAJOR CLASH) liegt ein eingebetteter Satz (und Verschiedenheit des Subjekts) vor. In einer S (Mr.11 California Jury Finds ANGELA INNOCENT, vgl.o.) lassen sich Kicker-US und HS zu einem Satz kombinieren, d.h. es liegt syntaktische Doppeldeutigkeit vor: Die HS kann auch als eigener Satz aufgefaßt werden. Die Aufmachung suggeriert dies gerade. Für das Subjekt des Matrixsatzes in HS (wenn vom Subjekt des zP-Ausdrucks verschieden) sind also nur die Varianten AD und J produktiv (forewoman wird dem letzteren zugerechnet). Für L gilt prinzipiell die gleiche Auswahl ( A D , J , X ) , Subjekt des Matrixsatzes kann hier jedoch auch X sein und AD ist nicht obligatorische Konstituente der Subjekts- bzw.Objekts-NP ( v g l . N r . L Nr,15), Die Häufigkeitsverteilung von AD und J in S und L ist

jedoch grundsätzlich

ver-

schieden: In 17 Zeitungen findet sich ein Subjekt jury in L (in insgesamt 20 Zeitungen ist es in L Subjekt des zP-Ausdrucks), in 12 Zeitungen ein Subjekt Angela Davis (in nur 10 AD als Subjekt des zP-Ausdrucks). Einen Fall eines eingebetteten Satzes mit AD als Subjekt des zP-Ausdrucks findet man in L dieses Korpus (im Unterschied zur HS N r . 7 , vgl.o.) nicht. Die Zahlenproportion ist natürlich verzerrt dadurch, daß textidentische L vorkommen. An der Tatsache, daß insgesamt in dieser Hinsicht eine Asymmetrie von HS und L vorliegt, ändert dies jedoch nichts. Die Distinktion von HS und S erübrigt sich in diesem Zusammenhang, Die gewonnenen Regeln betreffen konkret die HS;L-Relation, gelten jedoch für die S:L-Relation allgemein, da zu L nur HS, zu diesen öS formuliert werden tvgl.o.1,3.1).

219

Von Interesse ist die Relation (H)S:L hinsichtlich der Wahl des Subjekts des zP-Ausdrucks, uicbei HS (im Hinblick auf die Sequenz in der Senderhandlung) als von L abhängige Variable beschrieben wird. Die Verteilung in Abb.16 zeigt, daß abhängig von Gegebenheiten in L Restriktionen für HS bestehen. Sie lassen sich in Form von Sq-Regeln (1) und (2) formulieren (die Frage der Notation ist hier nicht von Belang): (1) Wenn das Subjekt des zP-Ausdrucks in L Angela DavjLs ist, dann ist AD auch Subjekt des die zP enthaltenden HS-Satzes. Ein Subjekt AD des zPAusdrucks in L impliziert ein Subjekt AD des zP-Ausdrucks in HS, aber nicht umgekehrt. Diese Regel gilt unabhängig von dem syntaktischen Status, den der zP-Ausdruck in L hat (vgl.u.3.1.4.3), Sie ließe sich, wenn man von (sehr seltenenen) HS wie Nr.7 absieht, einfacher formulieren: Wenn AD Subjekt des L ist, umgekehrt.

dann ist es auch Subjekt der HS, aber nicht

5q-Regel ( 2 ) : Ein Subjekt JURY, JURORS o.a. des zP-Ausdrucks in HS ist nur dann möglich, wenn auch in L jury, jurors o.a. Subjekt des zP-Ausdrucks ist. Nach Ausweis dieses Korpus gilt also eine 'Schlagzeilen-grammatische' (die S:LRelation betreffende) ausnahmslose Regel) die besagt, daß eine Konstellation + J:AD als Subjekt des zP-Ausdrucks in HS:l_ (z.B.^JÜRY FREES AD: AD utas acq uij^ted of murder-kidnap-conspiracy charges) u n g r a m m a t i s c h ist. Die Häufigkeitsverteilung dieses Korpus suggeriert, daß die umgekehrte Verteilung (AD:Jury) das produktive und übliche Muster f ü r das Subjekt des zPAusdrucks in S:L ist. Eine befriedigende Erklärung d a f ü r ist nur in größerem Rahmen möglich (vgl.u. 3.2.1),Hier sei vorweggenommen, daß sie in der - offenbar (auch) durch normative journalistische Regeln bedingten - Bevorzugung des Aktivs für L und in dem Bestreben einer Ausdrucksvariation in S:L (vgl.das 'variatio delectat'Pfinzip in 3.2.1) zu suchen ist. Die D i a t h e s e des die zP ausdrückenden Verbs ist grundsätzlich semantisch-referentiell oder themabedingt - AD ist Objective'der Handlung des Freispruchs im Sinne von Fillmore 1971 - in Abhängigkeit von der Wahl des Subjekts und des Verblexems: Liegt ein Subjekt AD zusammen mit explizitere Ausdruck der zP vor, so ist nur Passiv-Diathese (P) oder ' N e u t r a l i t ä t ' der

220

Diathese des Verbs für den Freigpruch (N) möglich, d.h. Ausdrücke wie ÄIKis/ was acquitted o.a. oder Angela's acquittal, Angela was/is free o.a.; daß die letzteren formal als Aktiv anzusehen sind, kann hier vernachlässigt werden. N wird hier zur Unterscheidung von den übrigen Diathesen verwandt (=Nicht-A, Nicht-P). Liegt ein Subjekt jurv_ zusammen mit explizitem zP-Ausdruck vor, so ist nur Aktiv-Diathese (A) möglich (jury acquits/acquitted AD o . a . ) . P, N, A und auch Terme wie 'Subjekt' werden hier ausschließlich zur oppositionellen Kennzeichnung der in Abb.15 und 16 enthaltenen Varianten in 5:L benutzt. Das Erkenntnisziel ist ( a ) die exakte Beschreibung dieser Verteilungsstrukturen und (b) die Rekonstruktion von S-Formulierungsstrategien aus ihnen (vgl.o.l.?). Die Frage der Nomenklatur ist vergleichsweise belanglos in diesem Zusammenhang (man könnte , und Z statt P , N , A gebrauchen). Damit soll freilich nicht die grundsätzliche grammatiktheoretische Problematik von Begriffen wie ' S u b j e k t 1 , 'Passiv 1 u . a . ignoriert werden. Sie steht hier jedoch nicht zur Debatte. Inwieweit syntsxtheoretische Überlegungen grundsatzlich für die Beschreibung varietätsspezifischen sprachlichen Verhaltens relevant und auf die empirische Analyse desselben applikabel sind, wäre Gegenstand einer eigenen Untersuchung (anderer Zielsetzung als der vorliegenden, vgl.o. 0 . 2 ) . Handelt es sich um 'nicht-expliziten 1 Ausdruck für die zP, so ist unabhängig davon, ob AD oder J Subjekt des zP-Ausdrucks ist, eine Aktiv-Diathese möglich: Es finden sich HS wie Nr.6 AD CELEBRATES AFTER VERDICT und HS wie Nr.16 FOREWOMAN SAYS DAVIS JURY HAD NO MAJOR CLASH mit nicht-explizitem zP-Ausdruck. Aufgrund dieser Fälle läßt sich keine einfache Korrelation von Subjekt- und Diathesenwahl annehmen. Für die in Nr,6 und N r « l ä in HS vorliegenden 'nicht-expliziten' Ausdrücke der zP verwende ich den Ausdruck 'kommunikative Implikatur', in Anlehnung an den Begriff 'konversationeile Implikatur 1 von Grice (1968)1971). Dies bedarf der Erläuterung. Die Unterscheidung "expliziter 1 gegenüber 'nicht-explizitem' zP-ftusdruck ist eine idealtypische Konstruktion, die binäre Klassifikation einer realiter nur als Kontinuum vorliegenden Ausdrucksvariation referentieller Identität besagt, Sprecher des amerikanischen Englisch stimmen darin üfaerein, daß die Ausdrucksweise Angela Davis acquitted 'direkter* den Sachverhalt Eine ausführliche Diskussion der Frage von Implikaturen in Zeitungsschlagzeilen soll an anderer Stelle erfolgen. Hier können nur einige wenige Hinweise gegeben werden.

221

des Freispruchs zum Ausdruck bringt bzw. auf diesen referiert als z.B. AD cleared... , dieses seinerseits direkter, ausdrücklicher, eindeutiger o.a. ist als eine Ausdrucksweise AD sips victory champagne. Für Sprecher 'impliziert' der Ausdruck victory in diesem Satz, daß AD den Prozeß gewonnen hat, was synonym mit 'Freispruch 1 ist oder sein kann, da das Geschworenen-Verdikt nur die Alternativen 'schuldig' (Verurteilung) und 'unschuldig' (Freispruch) zuläßt.Ausdrucksweisen wie AD celebrates verxjict_, Forewoman__says Davis Jury had no major clash, AD celebrates verdict wrth_toasts^ public party sind Sprechern intuitiv noch weniger deutlich, direkt u . ä , zum Ausdruck des Sachverhalts, daß AD freigesprochen wurde. Dies ist jedoch eine sehr grobe und vage Angabe, ungeachtet der Tatsache, daß Sprecher sie im Sinne einer 'folk taxonomy' (weitgehend übereinstimmend) so und nicht anders artikulieren. Linguistisch ist die Annahme einer binären Distinktion^'explizit' weniger dadurch als durch formale distributioneile Kriterien gerechtfertigt-und daraus rekonstruierbare Daten für Alternativen des Formulierungsverhaltens (vgl.u.3.2.1): S mit acquit, clear u.ä, einerseits und mit celebrates after verdict u.a. Ausdrücken für die z? andererseits zeigen klassenhaft verschiedene Strukturmerkmale, von denen eins bereits oben ( f ü r die S:L-Relation) genannt wurde. Diese Daten unterliegen keinem Zweifel. Die gesamte Argumentation ist gleichwohl in einer Hinsicht defizitär: Es werden nur Aussagen über Sätze und Bestandteile von Sätzen und die ihnen zuschreibbaren Bedeutungen getroffen. Nicht erfaßt ist darin die Dimension der S p r a c h v e r w e n d u n g , die Tatsache, daß S sprachliche Äußerungen sind, die mit bestimmtem Sinn in bestimmter Situation von bestimmten Sprechern getätigt werden. Grice's Terminus 'konversationeile Implikatur' betrifft die Unterscheidung des wörtlich Gesagten und des mit einer Äußerung Gemeinten. Man kann etwas wörtlich sagen, aber etwas Anderes als dieses oder etwas darüber Hinausgehendes damit meinen. Das Gemeinte ergibt sich aus dem wörtlich Gesagten zusammen mit dem Hintergrundwissen, das den Partnern gemeinsam ist,und Fakten des 'Kontextes 1 der Äußerung. Während Schlagzeilen wie Angela Davis acquitted wörtlich sagen, was sie meinen, meinen S wie AD sips vict_ory__c_h_ampag_ne ( AD celebrates after verdict mehr als das, was sie wörtlich sagen, nämlich daß Angela Davis feiert und freigesprochen wurde. Die konversationeile Implikatur im Sinne von Grice ist 'weil sie freigesprochen wurde'.Vereinfacht kann man sagen, diese S haben die Implikatur 'Freispruch', Es ist klar, daß dies nicht impliziert ist in den betreffenden Sätzen (im Sinne des klassischen Implikationsbegriffs) und auch keine 'semantische Präsupposition* sein kann: AD sips victory champagne impliziert weder, daß ein Freispruch-Urteil, noch das überhaupt ein Urteil vorliegt (sie kann z.B. gegen Kaution entlassen sein und demonstrativ Champagner trinken zum Ausdruck ihrer Siegessicherheit,1 zur Hißachtung des Gerichts u . a . ) . Präsuppc— niert ist 'AD freigesprochen weder in dieser Äußerung noch in AD celebrates aTter verdict, da z . B . nicht konstant bei starker Negation, Die terminologische Neufassung 'kommunikative Implikatur' soll nicht suggerieren, daß es auch 'nicht-kommunikative' Implikaturen gibt, sondern zum Ausdruck bringen, daß der kommunikative Status a l s zu einem Bericht dieses Tages zu diesem Thema entscheidend dafür ist, daß die Äußerung dieser HS diese Implikatur hat bzw. haben kann. Dies mag ein Beispiel des untersuchten Korpus für Schlagzeilen deutscher Zeitungsberichte illustrieren: Auf die Gricesche Distinktion'konversationeller'und'konventioneller Implikaturen 'und die 'Kooperationsprinzipien'bzw.'-maximen* kann hier nicht näher eingegangen werden.

222

Zu Berichten über die Festnahme von zwei Terroristen, die als Bubackattentäter verdächtigt werden,kommen außer Schlagzeilen wie MUTMASSLICHE BUBACKMÖRDER GEFASST S wie SONNENBERG HATTE BUBACK-MQRDWAFFE vor. Die Äußerung SQNNSNBERG HATTE BÜBACK-MORDWAFFE hat die schwache KontextImplikatur 'Sonnenberg hat mit dem Buback-Mord etwas zu t u n ' , jedoch nicht gleichermaßen 'Sonnenberg ist festgenommen worden' {z.B, kann die Mordwaffe mit Fingerabdrücken von Sonnenberg gefunden worden sein). Als S zu einem Bericht dieses Themas in einer TZ-Ausgabe dieses Tages, die ja zumeist nicht die Priraärinformation über das Ereignis ist, kann sie dagegen die Implikatur 'Sonnenberg festgenommen* haben und hat offenbar gerade diese Implikatur (die betreffenden Zeitungen bringen keinen anderen Bericht über die Festnahme, sondern dieser Bericht beinhaltet sie in der gleichen Weise wie ein Bericht mit einer 'expliziten' S, er weist nur zusätzliche Information über die Tatwaffen a u f ) . Offenbar ist also der kommunikative Status einer S zu diesem Bericht an diesem Tage eine hinreichende Gewähr dafür, daß sie für Leser die Implikatur 'Sonnenberg festgenommen' hat oder haben kann. Für dieses Korpus genügt es im Sinne einer Arbeitsdefinition, Nicht-Vorkommen eines expliziten Lexems für den zP-Ausdruck und Vorkommen von Ausdrücken wie ( A ) celebrates, sips champagne u.a. in HS, die die Implikatur 'freigesprochen 1 haben können, als Bedingung für das Vorliegen 'Kommunikativer Implikaturen' zu beschreiben. Die Ausdrucksweise ( KI-Ausdruck für die zP r und der Eintrag 'KI' für das Lexem des zP-Ausdrucks in Abb.16 ist eine verkürzende Vereinfachung für 'ein Ausdruck, der die Implikatur 'Freispruch' haben kann' , 'ein 'Freispruch 'implikatierender Ausdruck 1 o.a. (die Implikatur ist natürlich 'Freispruch 1 , nicht das sie tragende Lexem).

Für die HS:L-Relation liegt, mie Abb.16 zeigt, eine der SubjektVerteilung entsprechende Diathesenverteilung (bei explizitem zP-Ausdruck)vor: Irt Korrelation mit AO;J findet sich als häufigste Konstellation P:A für die Diathesen in HS;L, ein Beispiel für A:P bietet das Korpus nicht. Als eine weitere Sq-Regel für die Diathese läßt sich angeben, daß N-Diathese in L ausschließlich N- oder P-Diathese in HS zur Folge hat ( v g l . N r . 3 ANGELA FREE.,.:...she knew she aas free...; Mr,20 ANGELA ELATED AT ACQUITTAL:...after her, acquittal; bzw, NT. 22 ANGELA DAUIS ACQUITTED; Hiss Angela. Davis was free...), nicht A-Diathese. Das völlige Fehlen von Paaren ude ''"JURY FREES ANGELA DAVIS: Angel a__Da vis w_as acquitted bzw. Angela Davis was free_._._, o.a. einerseits und die Produktivität des Typs P:A andererseits kann nicht als Zufall erklärt werden. Bemerkenswert ist nicht n u r , d a ß es eine solche mit gleicher Striktheit wie eine grammatische geltende, jedoch durch keine der bekannten grammatischen erfaßte Regel für die 5:L-Relation gibt, sondern auch, daß sie bereits für eine so geringe Zahl textinterner Instanzen formulierbar ist.

22J

Welche Konstellation zeigt die dritte Instanz, das Lexem für den zP-Ausdruck? Abb.16 ist entnehmbar, welche Lexemvarianten insgesamt für den zP-Ausdruck vorkommen und wie ihre Häufigkeitsverteilung für HS und L aussieht (sie ist verzerrt dadurch, daß textidentische L vorliegen, Mehrfachvorkornrnen expliziten zP-Ausdrucks in L bzw.. im gleichen Satz des L - hier in N r . 6 und 13 - und Wiederaufnahme des zP-Ausdrucks in US - hier in N r . 2 , 7 , 1 ^ , 2 5 , vgl.u. - nicht berücksichtigt sind). Die Häufigkeitsverteilung als solche ist bei diesem Korpusumfang nicht weiter von Belang, Von Interesse ist, daß sich auch hier bereits Regularitäten feststellen lassen. Die relative textteilspezifische Häufigkeit der Lexemvarianten ist die folgende:

acquit free (33 clear U ) innocent (5) not guilty (6) KI (7) 0 (1 (2)

HS

US

L

9 7

1 -

14

2 5 2

1 1

5 1

27

1

6 12 2 —

Die Verteilung der Lexeme (l}-(5) ist bei aller Lückenhaftigkeit und Zufälligkeit des Korpus nicht gänzlich ohne Aussagekraft. Argumente dafür, daß textteil- und textsortenspezifische Unterschiede und noch allgemeinere Regularitäten bestehen, sind bereits den Tests und Interviews (vgl,o.2.3) entnehmbar und wurden z . T . schon bei der Variation ANGELA DAVIS/ANGELA erwähnt. Die vertikalen Proportionen sind weniger ' z u f ä l l i g ' , wenn man sie auf dem Hintergrund der horizontalen analysiert. Es ist zunächst feststellbar, daß die einzelnen Lexeme nicht gleichmäßig verteilt sind, offenbar also nicht völlig gleichrangige Varianten in diesen Berichten darstellen. Acquit und innocent sind deutlich die Standardvarianten im L e a d (die restlichen machen weniger als ein Drittel der 19 autor- und textverschiedenen L aus). In HS findet sich - als solches nicht unwesentlich - grundsätzlich dasselbe Variantenrepertoire wie in L, ergänzt um die Variante KI. Bezeichnend einerseits für den textteilspezifischen Status von S im Vergleich zu L und andererseits für eine empirische 'semantische' Beschreibung der einzelnen Varianten ist die Tatsache, daß die Variante free_ relativ häufig in S, relativ selten in L gewählt wird (in 7 HS; nur in 5 L unabhängig voneinander) und daß die Varian-

224

te clear überhaupt nur in S vorkommt. Free bezeichnet (insbesondere in adjektivischer Form) eher den 'resultativen Zustand 1 der Freispruchhandlung als diese selbst, vergleichbar Grad inexpliziter

freu - freigesprochen irrt Deutschen. Clear ist noch einen

und allgemeiner. Das Lexem /ird nicht primär für die Re-

ferierung des juristischen Akts eines Freispruchs verwendet wie acquit, f_ind/ ruled innocen/t oder die 'performative 1 Variante ( f i n d ) not quil_ty, sondern stellt gleichsam einen unspezifischen Oberbegriff d a r . Nimmt man die Verteilung f ü r _free_, clear und KI zusammen, ergibt sich eine erste, freilich fragmentarische Charakterisierung des Textteils Schlagzeile: In 5 besteht offenbar nicht die Tendenz, eine möglichst detaillierte, offizielle Hitteilung des eigentlichen zu berichtenden propositionalen Gehalts zu geben - diese besteht vielmehr für L, was dessen Vorliebe f ü r die expliziten, offizieller} Varianten belegl - sondern eher die Tendenz zu einem stärker 'verarbeiteten', interpretierenden Resume. Dies ist jedoch noch sehr vage und bestätigt eigentlich nur die landläufige Meinung über Schlagzeilen. Wesentlich konkretere Strukturen zeichnen sich ab, wenn man die Ausprägung des zP-Lexems in belegten S:L- P a a r e n untersucht, vor allem die Frage, ob S und L identisches oder verschiedenes Lexem haben. Außer einer relativ u/eitgehenden Differenzierung und den erwähnten Restriktionen für cle_ar und KI ist zumindest eine, bei der relativen Häufigkeit des Lexems wahrscheinlich Überzufällige Restriktion feststellbar: Ein zP-Ausdruck mit dem Lexem innocent findet sich in HS nur dann» wenn dies auch in L vorliegt. Alle anderen Lexeme kommen, so scheint es auf den ersten Blick, offenbar unabhängig davon, ob sie in L vorliegen oder nicht, in HS vor. Charakteristisch ist etwa die Konstellation mit acguit in HS, dem 2 L mit acquit, 2 mit frejs, 3 mit innocervt und 2 mit not guilty entsprechen. Bei den anderen Lexemen (ausgenommen innocent) scheint es - zunächst - ähnlich. Wie erklärt sich diese frappierende Konstellation? Warum findet sich die genannte Sq-Struktur für acquit, nicht aber ein einziger Beleg f ü r

i-a,

i-f,

i-ng im Korpus? Warum andererseits ausschließlich i-i, belegt in 5 voneinander unabhängigen HS, formuliert zu identischem L? Die wahrscheinlichste Erklärung dafür ist die, daß hier eine Implikationsrelation reflektiert ist, die so etwas wie eine 'Explizitheits-' und Offizialitäts-' hierarchie der Lexeme des zP-Ausdrucks nach dem Muster S=x-l : L=x repräsentiert. Es sieht so aus, als stünde in S jeweils der weniger explizite, weniger formell-offizielle, mehr interpretierende und 'implikatierende* Ausdruck, im

225

zugehörigen L das jeweils explizitere, offiziellere oder ein identisches Lexem, Daraus kann man für die kommunikative Funktion der beiden Textteile ableiten: L expliziert, spezifiziert, exemplifiziert die Formulierung in S, nicht umgekehrt. In L als dem Herzstück eines Berichts erfolgt die eigentliche, 'ritualisierte' Meldung, der ein Bericht gilt (vgl.o.1.3.1). S dient dazu, zur Lektüre won L und Bericht anzureizen, zu ihnen hinzuführen. Aufgrund der belegten S:L-Paare läßt sich also eine Skala der Lexeme für den zP-Ausdruck aufstellen: Sie reicht von KI als Extremwert minimaler Explizitheit und Offizialitat 1 - mit im einzelnen noch unterschiedlichen Werten auf der einen Seite, über clear, free^ find innocent, find not guilty bis zu acqurt_ als Extremwert maximaler Explizitheit und Offizialitat 1 auf der anderen Seite. KI und cJear sind,weil zu inoffiziell,vom Vorkommen in L ausgeschlossen. Not guilty ist die Variante des Originalverdikts; in einem Bericht rückt es uiohl auch durch die Formulierung in die Nähe von find innocent. Acquit ist die offizielle Variante für den 'reportativen Akt 1 {Gruber 1971) eines Freispruchs im Englischen. Nur zu ihm existiert ein substantivischer Term (acquittal). Dies kann als ein Argument dafür verwandt werden, acquit in einem Zeitungsbericht über einen Freispruch einen grundsätzlich anderen Status zuzubilligen als den anderen Varianten; Die obige Sq-Regel - in HS kommt eine linksstehende, in L eine davon rechtsstehende Variante des obigen Kontinuums vor - läßt sich in 23 von insgesamt 31 Zeitungsberichten belegen.Sie wird nur von acquit als einer Art 'Allerweltsform' oder 'passepartout'-Lexem zum Ausdruck dieses Inhalts durchkreuzt: In den restlichen 8 Zeitungen wird jeweils das Lexem des L durch acquit in HS ersetzt (mit Ausnahme von Nr.7 ANGELA DAVIS NOT GUILTY, JURY FINOS, die hinsichtlich textanalytischer und textinterner Komponenten in vielfacher Hinsicht als Ausnahme markiert ist, d , h , deren Abweichung in spezifischer Weise motiviert ist, v g l . u . ) . Für das Lexem des zP-Ausdrucks in H5:L läßt sich jedoch eine noch allgemeinere Regularität beobachten: D i e Proportion v o n i d e n t i s c h e m gegenüber v e r s c h i e d e n e m Lexem i n diesem Korpus ist 8:23, Offenbar ist der übliche Fall der S-Formulierung, das Lexem des zP-Ausdrucks (in begrenztem Rahmen nach einem bestimmten Prinzip, vgl.o.) zu variieren. Diese Variation des Ausdrucks ( f ü r eine wesentliche oder die wesentlichste inhaltliche Kategorie eines L und einer S)iuäre gleichsam definitorischer Bestandteil der S:L-Relation, Dies besagt für diese Instanz: Primäre Maxime der S-Formulierung ist nicht einfach 'Wahl des kürzesten Ausdrucks 1 o.ä, - in diesem Fall müßte free häufiger als die anderen Lexeme sein, find innocent dürfte eigentlich überhaupt nicht

226

vorkommen - sondern so etwas wie ' v a r i a t i o delectat', was jedoch ( a ) einem allgemeinen Prinzip unterliegt und (b) für einzelne Lexeme unterschiedlich gehandhabt wird. Dies ist jedoch nicht die ganze Wahrheit. Die Einschränkung unter ( b ) läßt bereits vermuten, daß sie nicht in Torrn einer Sq-Regel für eine Instanz allein f o n n u l i e r b a r ist.

Eine Spezifizierung dieser Regel läßt sich vornehmen,

wenn man die Relationen der Instanzen Subjekt, Diathese und Lexem des zPAusdrucks im Hinblick auf regelhafte Kookkurrenz - die nicht durch grammatische Regeln festgelegt ist - systematisch untersucht. Das ' v a r i a t i o delectat 1 -Formulierungsprinzip für textintern-formale Instanzen einer S ist seinerseits im Zusammenhang mit Gegebenheiten des Mitteilungsinhalts zu beschreiben, wie in 3.2,1 gezeigt. 3.1.4.2.2 Co-Regeln für Subjekt, Diathese und Lexem des zP-Ausdrucks in S:L Wie variiert das zP-Lexem in HS gegenüber L, wenn Subjekt und Diathese in H5:L gleichzeitig bzw. nicht gleichzeitig variieren? Ist d a f ü r Rekurrenz feststellbar, die darauf schließen läßt, daß autorunabhängige Co-Regeln für diese Instanzen in HS:L vorliegen und welche Muster zeigen die einzelnen Lexemvarianten in dieser Hinsicht? Die Spalte + Identität in Abb.16 oben enthalt die folgenden 'Kookkurrenztypen' für Subjekt, Diathese und Lexem des (1) (2) (3) (4) (5)

' ·+ >+ i_ ·+

+ + _ _

« +' _t +· _»

in in in in in

8 4 9 5 4

Zeitungen; Zeitungen: Zeitungen: Zeitungen: Zeitungen:

zP-Ausdrucks in H S : L :

Nr.l,9»17,19,21,29,30,32 Nr.2,3,20,?5 Nr.4,5,10,12,13,14,15,16,31 Nr.8,11,18,23,28 Nr.6,7,22,2?

Das Editorial N r . 2 4 kann hier außer Acht bleiben. Die Aufstellung zeigt, daß eine systematische Korrelation für das Lexem dann vorliegt, wenn Subjekt und Diathese nicht korrelieren: Wenn Subjektaechsel, nicht jedoch zugleich Diathesenwechsel vorliegt oder umgekehrt, muß Lexemwechsel vorliegen (Konstellationen wie

'+ - + ' und

'- + +' kommen nicht v o r ) .

Das bedeutet: Eine Variation Identität/Wechsel des Lexems kommt nur dann vor, wenn Subjekt und Diathese korrelieren ( d . h . entweder in HS:L beibehalten oder parallel verändert w e r d e n ) , andernfalls besteht diese Option für das Lexem nicht, Ersteres ist nach Ausweis des Korpus der übliche(re) Eall (Typen (l}-(4) = 26 von 51 Zeitungen). Die Typen sind quer über verschiedene Texte (autor-

22?

und textverschiedene L , 5 verschiedenster Zeitungen) verteilt, stellen also keine irgendwie für Sender spezifischen Merkmale dar, sondern beziehen sich auf die S:L-Relation schlechthin. Die Typen ( l ) - ( 4 ) können je nach Untersuchungsinteresse kontrastiert werden, Die Proportion von ( 1 ) , (3) und ( 4 } (insgesamt 22 Zeitungen) gegenüber ( 2 ) ( = 4 Zeitungen) besagt, daß für HS:L ein Wechsel wenigstens in e i n e r dieser Instanzen typisch ist. (2) scheint demgegenüber der 'raerkmalhaltige' Fall, der im Hinblick auf Komponenteninterrelationen besonderes Interesse verspricht. Das obige allgemeine Formulierungsprinzip lautet negativ formuliert: S zu Zeitungsberichten weisen üblicherweise einen formalen unterschied dieser Art (in diesen Instanzen) auf. Sie wiederholen nicht echoähnlich Textelemente des Lead. Der Proportion von (2) zu (3} scheint folgende Co-Regel entnehrabar: Werden Subjekt und Diathese [aus L in S) beibehalten, ist Veränderung des zP-Lexems weitaus üblicher als Beibehaltung (erstere ist mehr als doppelt so häufig wie letztere). Werden Subjekt und Diathese n i c h t beibehalten, ist Lexembeibehaltung neben Lexemveränderung üblich. Die oben für die Instanz Lexem (allein) festgestellte Proportion von (überwiegender)Veränderung gegenüber Identität in HS:L hat keine Parallele bei Subjekt und Diathese, die man als 'Konstruktion des zP-Ausdrucks' zusammenfassen könnte. Diese wird nach Ausweis des Korpus insgesamt etwa gleich häufig beibehalten wie verändert.Es ist wahrscheinlich, daß sich dies für syntaktische Instanzen in HS:L schlechthin feststellen läßt (nicht nur den zP-Ausdruck) und ein allgemeines textintern-formales Merkmal der S-Formulierung repräsentiert: Syntaktische Instanzen haben einen relativ geringeren 'Veränderungsindex 1 in S:L als lexematische, was zusammen mit anderen Gesichtspunkten und Argumenten suggeriert (vgl.u.3.2.1}, daß letzteren für die Beschreibung der Variation der Textexemplare ein größeres Gewicht zukommt als ersteren. Lexematische Instanzen zeigen eine Variation, die vielfältiger und offenbar gravierender ist als die syntaktischer für die Konstituierung sprachlicher Variation von Zeitungsberichten. Die Ergebnisse in 2.3 legen nahe, dies auf die Signalisierung kommunikativer Unterschiede mittels textintern-formaler Elemente zu verallgemeinern. Die Parallelität der Ergebnisse der systematischen Befragung und der systematischen Analyse in 3.1, die voneinander unabhängig durchgeführt sind, gewährleistet Validität der Aussage für diese sprachliche Varietät und dieses Genre. Kookkurenz läßt sich nicht nur im Hinblick auf textinterne Instanzen, sondern auch die spezifischen Merkmalausprägungen von Instanzen,

die verbalen Elemente

selbst, untersuchen. Dies ermöglicht in einigen Fällen genaueren Aufschluß über textinterne Strukturen und ist

vor allem dann von besonderem Interesse,

\renn einige sprachliche Elemente in einer Kommunikationshandlung - hier etwa der Name Angela Davis in diesem Zeitungsbericht - einen besonderen Status haben, Co-Regeln für 2 prinzipiell selbständige Variable sind generell in zweifacher Weise formulierbar, hier ausgehend von Merkmalen der Konstruktion oder ausgehend von Merkmalen des Lexems des zP-Ausdrucks,

228

Wählt man Identität des zP-Lexems als Klassifikationsprinzip, so ergibt die Kontrastieruns von ( 2 ) '+ + -t·' mit (4) ' + ' , daß in allen 4 Zeitungen für ersteres Angela Davis in der Subjekts-NP vorkommt; für die Diathese findet sich einmal P, dreimal N, für das Lexem zweimal a-a, einmal f-f, einmal f,af,a (HS, US und L von Nr,25, vgl.o.). Identität aller drei Variablen in S und L liegt also nur dann vor, wenn (1) ein Subjekt bzw. eine Subjekts-NP mit AD und {2} die Lexeme acquit und/oder free vorkommen, nicht jedoch bei anderen Lexemen. Die 5 '- - +' Zeitungen zeigen nicht nur e i n e Merkmalausprägung für HS, sondern eine Variation von AD-J (4 Zeitungen) und X-J (l Zeitung), für die Diathese eine Variation von P-A (3 Zeitungen) und H-A (2 Zeitungen), übereinstimmend also kein Subjekt JURY in HS, und weisen gleichzeitig ausnahmslose Übereinstimmung für das Lexem auf: In allen 5 Zeitungen findet sich eine Konstellation i-i in HS:L. Identität des zP-Lexems zusammen mit Veränderung der Konstruktion (Subjekt und Diathese} des zP-Ausdrucks liegt also nur dann vor, wenn es sich um das Lexem innocent handelt. Dies läßt sich in einer Co-Regelil) zusammenfassen: (1) Lexemidentität für den zP-Ausdruck in HS und L findet sich in zwei Ausprägungen, a oder f einerseits und i andererseits, die komplementär verteilt sind zu Veränderung bzw.Identität der Konstruktion: a und f liegen ausschließlich bei Identität, i ausschließlich bei Veränderung der Konstruktion vor. Die vier restlichen Typen ( v g l . o . ) , denen Veränderung des zP-Lexems in S:L gemeinsam ist, zeigen folgende Merkmalausprägungen: S

L

a a a f f c c

i f rig a i

ng

ng

a i

KI KI

a

3 2 2 3 2 1 1 1 1 4

f,a

1

a i

Zahl der Zeitungen

Die in Sq-Regeln formulierbaren Unterschiede sind bereits oben diskutiert.Von Bedeutung ist hier, daß sich Kookkurrenz einer bestimmten Lexem-Sequenz in HS:L mit Identität bzw.Veränderung der Konstruktion vergleichbar den oben genannten Verhältnissen bei Lexemidentität n i c h t findet. Es ibt keine ausnahmslose Restriktion auf bestimmte Ausprägungen feststellbar, sondern für denselben Lexem—Veränderungstyp (a-i t f-a, f-i usw.) liegt in verschiedenen Zeitungen jeweils Identität u n d Wechsel der Konstruktion vor.Bei oder zusammen mit Lexemveränderung variiert die Konstruktion des zP-Ausdrucks also offenbar beliebig. Wählt man Merkmale der Konstruktion bzw. des Subjekts als Klassifikationsprinzip, so lassen sich die folgenden Co-Regeln formulieren: (2) Identität des Lexems für den zP-Ausdruck in HS:L liegt nur dann vor, wenn in HS AD Subjekt des zP-Ausdrucks ist, aber nicht umgekehrt.

229

(3) Identität des zP-Ausdrucks in HS und L kann nicht vorliegen, wenn JURY Subjekt des zP-Ausdrucks in HS ist. Nr.28 ANGELA DAVIS TRIAL ENDS WITH IHMOCEHT:The all-white Jury in the AD trial has .found her innocent.._. wird ersterem zugerechnet, da hier AD der Subjekts-NP angehört. Es lassen sich demnach (zumindest) zwei Arten von Co-Regeln unterscheiden: In ( 2 ) und (3} wird ein syntaktisches Faktum der Ausprägung des Subjekts in HS mit einem Faktum der S:L-Relation für das Lexem des zP-Ausdrucks korreliert. Die syntaktische S:L-Relation einerseits und die konkrete Lexemausprägung an-; dererseits sind nicht von Belang. In (1) wird eine Korrelation von relationalen Werten für die Konstruktion und das Lexem in S:L festgestellt, gleichsam "komplementäre Kookkurrenz' dieser beiden Instanzen für verschiedene Lexeme. Der Status dieser Co-Regeln scheint von besonderem Interesse für die Beschreibung von S-Formulierungsstrategien wie Beibehaltung des Lexems bzw. der Konstruktion des zP-Ausdrucks usw.; über die faktische Abhängigkeit dieser Variablen im S-Formulierungsprozess ist damit jedoch nichts ausgesagt. Man kann ebensogut eine Regel "wenn a oder f als Lexem des zP-Ausdrucks in S beibehalten werden, muß die Konstruktion beibehalten, wenn i beibehalten wird, muß die Konstruktion verändert werden' wie eine Regel 'a und f können nur dann als Lexem des zP-Ausdrucks in S aus L beibehalten werden, wenn auch die Konstruktion beibehalten wird, i kann nur dann beibehalten werden, wenn die Konstruktion verändert wird 1 annehmen, Co-Regeln beziehen sich (vgl.o.1.3.3) auf an Textprodukten festmachbare Regularitäten für Relationen von Instanzen einer Komponente.Die Gesetzmäßigkeiten und konkreten Bedingtheiten der S-Formulierung in der Senderhandlung lassen sich nur anhand von AI-Regeln rekonstruieren. Eine hier nur summarisch zu nennende deskriptive Alternative für Co-Regeln wäre, die Relationen nicht nur von Instanzen in einzelnen Sätzen von Textteilen und Textteilen selbst und die Kookkurrenz von relationalen Werten zwischen Textteilen ( z . B . die S:L-Relation} zu untersuchen, sondern sie auf einen Bericht als ganzen zu beziehen. Die Frage,was kommt zusammen womit vor, läßt sich auch auf die Gesamtheit der Kovariation textinterner Instanzen in einem Bericht projezieren, ohne daß eine direkte Zusammengehörigkeit der Variablen im Textdiskurs vorliegt. Es ist möglich, daß dadurch bestimmte Erscheinungen von Koreferenz deutlicher gefaßt werden könnten. Insgesamt wäre dies (im Hinblick auf potentielle Folgerungen für die S-Formulierung) weniger produktiv und ökonomisch. Der Hauptgeltungsbereich für Co-Regeln sind zweifellos Sätze von kanonischen Textteilen und diese selbst. Die oben genannten Co-Regeln für die drei Instanzen Subjekt, Diathese und Lexem des zP-Ausdrucks in HS und L lassen sich zu einer Co-Regel zusammenfassen und in der unten gegebenen Form notieren.Die Notation verwendet als einziges Symbol zusätzlich zu den genannten das Symbol '&' zur Kennzeichnung der Relation zwischen den drei Instanzen. Sie abstrahiert gänzlich von den Gegebenheiten des Formulierungsprozesses und betrifft nur die Konkomitanz der Instanzen in S und L. Sie geht von der Distinktion expliziter vs.nicht-expliziter zP-Ausdruck als übergeordneter Dichotomie aus. Links ist jeweils der Eintrag für S, rechts der für L gegeben.

230

Summarische Co-Regel für Subjekt, Diathese und Lexem des zP-Ausdrucks in S und L

J

&

A

&

AD

AD

&
I J

( 3 ) < A A [N

(links jeweils HS-, rechts L-Wert)

(1) Passivische Diathese des zP-Ausdrucks in L wird in HS beibehalten oder (seltener nach Ausweis dieses Korpus) durch neutrale (z.B.einen adjektivischen oder substantivischen Ausdruck) ersetzt. P in L kann nicht durch A in HS ersetzt werden, ( 2 ) Neutrale Diathese des zP-Ausdrucks in L wird in HS beibehalten oder durch passivische ersetzt. M-Diathese kann nicht durch aktivische ersetzt werden, (3} Aktivische Diathese des zP-Ausdrucks in L kann in HS durch passivische oder neutrale ersetzt oder beibehalten werden. Das Korpus suggeriert abnehmende Häufigkeit in der Reihenfolge P-A-N in HS für L mit A. Allein L mit aktivischem zP-Ausdruck erlauben also das vollständige Repertoire an Variationen dieser Instanz in HS. Der diesbezügliche Formulierungsspielraum -..selbstverständlich nicht der Forraulierungsspielraum eines Autors zur Signalisierung kommunikativer Werte als solcher - ist in diesem Fall größer als in den beiden anderen, AI-Regeln ( l ) - ( 3 ) gelten nur für die Diathese expliziten zP-Ausdrucks in HS:L (vgl.o,3.1.4.2.1). Bei Wahl eines nicht-expliziten bzw.Wahl von KI in HS liegt Neutralisation hinsichtlich der Diathese vor (in N r . 6 liegt in L eine Kombination

passivischer + aktivischer, in Nr,12 aktivischer, in Nr.31 neutraler zP-

Ausdruck vor). KI in HS kommt unabhängig von der Diathese in L vor. Die Tatsache, daß zu einigen L ausschließlich S mit explizitem zP-Ausdruck, zu anderen L (spezieller formal-inhaltlicher Struktur, vgl.u.3.2) sowohl S mit KI wie S mit explizitem zP-Ausdruck vorkommen - Minimalpaare sind HS N r . 4,14,16; Nr.6,13 zu textidentischen L - macht wahrscheinlich, daß durch AIRegeln festgelegt ist, ob KI gewählt werden

k a n n, nicht jedoch, daß

KI gewählt werden m u ß . Dies ist vielmehr eine freie Variation, die der Autor nach Belieben

bei entsprechender L-Vorlage entscheiden kann. Mit anderen Wor-

ten: In Fällen von S mit KI besteht grundsätzlich auch die Alternative, expliziten zP-Ausdruck zu wählen - KI ist jedoch der übliche, durch L nahegelegte Fall - in Fällen von S mit explizitem zP-Ausdruck besteht jedoch nicht grundsätzlich die Alternative, KI zu wählen.Darauf ist in 3.1.4.3 und 3.2.1 näher eingegangen. Hier ist von Bedeutung, daß die Entscheidung für eine bestimmte

2>4 Alternative {expliziten zP-Ausdruck) in HS gleichzeitig eine Entscheidung für bestimmte Teilalternativen besagt - im Falle der Diathese eine Variation im Rahmen der AI-Regeln ( l ) - ( 3 ) - die Entscheidung für die andere Alternative ( K I ) keine entsprechende Einschränkung für die Form beinhaltet. Dies ist ein Argument (neben anderen) dafür, expliziten zP-Ausdruck u s . K I t o d e r 4- KI als die relativ größte und grundsätzlichste S-Formulierungsalternative der Mitteilungsform (und des Mitteilungsinhalts) zu beschreiben. Zur Beurteilung von N r . 6 , die eine scheinbare Ausnahme darstellt, v g l , u . 3 . 2 . 1 und 5,2.4. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß die Aussagen über die Alternative +_ KI und auch die obigen AI-Regeln für die Oiathese des zP-Ausdrucks auch für das Korpus deutscher Zeitungsberichte und die S-Forrnulierung zu ihnen gilt. Mit der Beobachtung der oben geschilderten Reguläritaten für S:L und der Formulierung von AI-Regeln im obigen Sinne ist jedoch die (oozio)linguistiüche Aufgabe noch nicht e r f ü l l t . Es fehlt (abgesehen von der Frage der Notation) die detaillierte Erklärung und Beweisführung für eine adäquate Erklärung der Alternativen, wie sie dieses Korpus bietet. Es ist ein in linguistischen Arbeiten verbreitetes Hißverständnis,zu glauben, die Aufgabe des Linguisten sei mit der Beobachtung von Reguläritaten und der darauf aufbauenden Formulierung von Regeln bewältigt, und die Verifikation und Validierung der Regeln der Leserintuition zu überlassen.Eine linguistische Regel bedarf m . E . in jedem Fall expliziter Konstruktvalidierung, wenigstens einer Anleitung zu dieser. Dies sei am Beispiel des Lexems des zP-Ausdrucks exemplarisch illustriert. Die geeignetste Methode scheint, ein syntaktisches Raster parallel für jedes vorkommende (explizite) Lexem zu konstruieren

und auf dieser Basis 'Formu-

lierungsprofile' für die einzelnen Lexeme als Abfolge binärer Entscheidungsschritte zu definieren (zur Frage der psychologischen Realität v g l . o . ) .

acquit HS

(la) ANGELA DAVIS ( I S ) ACQUITTED ( 2 a ) "'"JURY ACQUITS ANGELA DAVIS " ( 3 a ) ANGELA ELATED AT ACQUITTAL

L

( I b ) Angela Davis was acquitted... (2b) An all-white jury acquitted A D . , . ( 3 b ) Angela Davis has vowed.,, after

her acquittal Beibehaltung des Lexems acquit für den zP-Ausdruck aus L in HS ist nur in Form der Paare ( l a ) - ( l b ) und {3a)-(3b} im Korpus belegt. Vorkommen in 3 voneinander unabhängigen S:L-Paaren und die Tatsache, daß es sich um zwei ver-

235

schiedene Diathesen (P und N) paralleler Konstellation handelt { N r . 2 , 2 0 , 2 5 ) , sprechen dafür, im Falle dieses Lexems eine weitere AI-Regel ( 4 } anzunehmen : ( 4 ) Beibehaltung des Lexems acquit für den zP-Ausdruck in HS aus L korreliert mit Beibehaltung der Konstruktion des zP-Ausdrucks. Für die nicht vorkommenden S;L-Paare läßt sich eine Skala gradueller NichtGrammatikalität angeben, nach Maßgabe davon, wieviele Regeln der 'S-Grammatik' verletzt werden: Die Paare + { l a ) - ( 2 b ) , + ( l a ) - ( 3 b ) , + (3a)-{lb) und ^(3a)-(2b) sind nach den AI-Regeln ( l ) - ( 3 ) oben bildbar - und insgesamt auch Für Fälle von Lexembeibehaltung belegbar (vgl.u.l—sie verstoßen jedoch gegen die syntaktische Seite von Hegel ( 4 ) , die für dieses Lexem gilt. Das Paar (2a)-(2b) ist 'ungrammatischer* als die genannten, da es gegen eine generelle Regel für Lexembeibehaltung gültig für a l l e Lexeme expliziten zP-Ausdrucks in HS:L verstößt: Beibehaltung einer Aktivkonstruktion mit dem Subjekt Jury ist nur dann möglich, wenn Lexemveränderung vorliegt, Das Paar * i2aT-T2b) entfällt also bei allen expliziten zP-Lexemen {acquit, free^ not guilty, ^innocent., clear). Die Paare ( 2 a ) - ( l b ) und " (2a)-(3bi sind gleichsam maximal 's-ungrammatisch', insofern sie gegen alle genannten Regeln verstoßen: Erstens ist eine Konstellation HS Aktiv; Passiv/Neutral in L für die Diathese ausgeschlossen (das Korpus zeigt die umgekehrte Verteilung als produktiven Typ). Zweitens schließt Beibehaltung einer Konstruktion mit dem Subjekt jury Beibehaltung des (expliziten) Lexems aus ( v g l . o . ) . Drittens kann das Lexem acquit nur dann beibehalten werden, wenn auch die Konstruktion beibehalten wird. Es ist möglich, daß es weitere Regeln gibt, die z.B. besagen, daß ACQUIT in HS in einer Konstruktion + JÜRY ACQUITS ANGELA DAVIS nicht üblich ist (im Unterschied zu weniger offiziellen Lexemen wie CLEAR und FREE) aufgrund sernantisch-stilistischer textteilspezifischer Regeln, Dies ist jedoch nicht empirisch exakt wie die obigen Regeln belegbar und kann Zufall der Beleglage sein. Hier erübrigt sich dieser Fall aufgrund der vorgenannten Regeln. Vorliegen eines zP-Ausdrucks mit acquit in P oder N-Diathese in L besagt jedoch nicht, daß das Lexem in HS beibehalten werden muß, wie Nr.27 ANGELA FREE...:,..Angela^ JfJJavis^was acquitted zeigt.Ersatz des Lexems acquit durch ein anderes oder Beibehaltung dieses Lexems in HS ist also eine freie Alternative. Wenn sich keine textinterne Bedingtheit aufzeigen läßt, ist das Vorkommen in S allein durch Gesichtspunkte anderer Komponente (z,B.textexterne und textanalytische, vgl.o.2.3) determiniert. Die Gesamtheit der nach Ausweis des Korpus für acquit als Lexem des zPAusdrucks möglichen Variation in HS wird durch die folgende Graphik verdeutlicht. Sie geht aus von der Wahl dieses Lexems in einer der drei möglichen Diathesen in L und bildet schematisch 'Entscheidungsschritte' zu den entsprechenden Repräsentationen in HS ab. Als Abfolge wird _+ K I , Wahl des konkreten (expliziten) Lexems, Wahl der Diathese angenommen. Es handelt sich {vgl.o.} aufgrund der Beleglage weder um Alternativen der S-Formulierung noch um Abbildung des Verlaufs des Formulierungsprozesses, Welche Abhängigkeit der Wahl des zP-Lexems von der der Diathese besteht und welche Kriterien dafür in Frage kommen (links-nach-rechts-Abfolge u . a . ) wäre Gegenstand einer eigenen Untersuchung.

236 LEAD

I.Lexemwahl L

iHAUPTJSCHLAGZEILE

2.Diathesenwähl L

3.+;expliz. zP-Ausdr,

4,*ident, Lexem

S.Diath,wähl

6.Lexemwähl

ZeitungNr.

., +acquit

Passiv

ACQUIT

Nr.2

x

Neutr.

FREE adj.

Nr.2?

f N

-acquit

'--explizit

(nicht belegt} ,,+acquit

Neutr.

ACQUIT

Nr.20

+explizit; acquit(

Neutral