Sowjetisch-indische Beziehungen 1941–1966: Imperiale Agenda und nationale Identität in der Ära von Dekolonisierung und Kaltem Krieg [1 ed.]
 9783412514457, 9783412500177

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Andreas Hilger

Sowjetisch-indische Beziehungen 1941–1966 Imperiale Agenda und nationale Identität in der Ära von Dekolonisierung und Kaltem Krieg OSTEUROPA IN GESCHICHTE UND GEGENWART BAND 2

Osteuropa in Geschichte und Gegenwart Band 2 Im Auftrag des Center for Eastern European Studies (CEES) herausgegeben von Tanja Penter, Jeronim Perović und Ulrich Schmid

Die neue Reihe Osteuropa in Geschichte und Gegenwart kommt einem ­ ach­senden Bedürfnis nach profunder Analyse zu zeitgeschichtlichen und w aktuellen Entwicklungen im östlichen Teil Europas nach. Osteuropa ist geographisch weit gefasst und umfasst einen Raum, der im Wesentlichen die sozialistischen Länder des ehemaligen »Ostblocks« einschließt, wobei Russland und die Staaten der ehemaligen Sowjetunion einen Schwerpunkt bilden sollen. Die Reihe ist interdiszi­plinär ausgerichtet. Historisch orientierte Arbeiten sollen ebenso einbezogen werden wie solche, die sich mit gegenwartsbezogenen politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ­kulturellen Themen auseinandersetzen. Die Herausgeber

Andreas Hilger

Sowjetisch-indische Beziehungen 1941–1966 Imperiale Agenda und nationale Identität in der Ära von Dekolonisierung und Kaltem Krieg Mit 13 Abbildungen

Böhlau Verlag Wien Köln Weimar

Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf.

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Inhalt

1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Imperium und Nationalstaat. Sowjetisch-indische Beziehungen in Zeiten von Dekolonisierung und Kaltem Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 2. Sowjetisch-indische Beziehungen 1917 bis 1947: Orientierungen im neuen Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.1. 1917 bis 1941: Fremde Welten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2. 1941 bis 1947: Umkreisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Sowjetisch-indische Beziehungen 1947 bis 1955: Aufbau und Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.1. Akteure und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3.1.1. UdSSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3.1.2. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.2. Interaktion und Weltbilder: Wahrnehmungen 1947 . . . . . . . . . . . . 133 3.3. Politik: Diplomatie und Parteibeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3.3.1. 1947 bis 1949: Auftakt mit Hindernissen . . . . . . . . . . . . . . . . 151 3.3.2. 1949 bis 1951: Umbruch in Asien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.3.3. 1951 bis 1953: Erweiterte Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3.3.4. 1953 bis 1955: Aufbruchstimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3.4. Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 3.4.1. 1947 bis 1951/52: Autarkie und Überlebenskampf . . . . . . . . 235 3.4.2. 1951/52 bis 1955: Neue Ansätze, alte Probleme . . . . . . . . . . 248 3.5. Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda: Zum Verhältnis von Zivilisierungsmission und Nationalkultur 261 3.5.1. Kulturdiplomatie und Literaturbeziehungen: Eiszeit und Tauwetter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 3.5.2. Propaganda und Informationspolitik: Von der Konfrontation zur Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . 284

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Inhalt

4. Sowjetisch-indische Beziehungen 1955 bis 1964/65: Umstrittene Ziele, ambivalente Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4.1. Akteure und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 4.1.1. UdSSR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 4.1.2. Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 4.2. Interaktion und Weltbilder: Wahrnehmungen 1955 . . . . . . . . . . . . 352 4.3. Politik: Diplomatie und Parteibeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 4.3.1. 1955 bis 1956: Wandel und Kontinuitäten . . . . . . . . . . . . . . . 379 4.3.2. 1957 bis 1958: Spannungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 4.3.3. 1959 bis 1960: Aufruhr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 4.3.4. 1961 bis 1962: Eskalationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 4.3.5. 1963 bis 1964/65: Schadensbegrenzung und Neuaufnahmen 481 4.4. Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 4.4.1. Widersprüche imperialer und nationaler Wirtschaftsprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507 4.4.2. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540 4.5. Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda: Zum Verhältnis von Zivilisierungsmission und Nationalkultur . 560 4.5.1. Kulturdiplomatie und Literaturbeziehungen: Offenheit versus Dogmatismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 4.5.2. Propaganda und Informationspolitik: Schwierige Überzeugungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584 5. Sowjetisch-indische Beziehungen 1965/66 – Neubeginn? . . . . . . . . . 614 6. Bilanz: Sowjetisches Imperium und indischer Nationalstaat 1941–1966 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 Verzeichnis der Grafiken und Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 Grafiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 691 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 695 Publizierte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 700 Zitierte Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 710 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 757

1. Einleitung

Imperium und Nationalstaat. Sowjetisch-indische Beziehungen in Zeiten von Dekolonisierung und Kaltem Krieg »Long years ago we made a tryst with destiny, and now the time comes when we shall redeem our pledge, not wholly or in full measure, but very substantially. At the stroke of the midnight hour, when the world sleeps, India will awake to life and freedom.« Die Sätze, mit denen Indiens Premierminister Jawaharlal Nehru sein Land in der Nacht vom 14. auf den 15. August 1947 auf die staat­ liche Unabhängigkeit einstimmte, haben bis heute nichts von ihrer suggestiven Sprachgewalt verloren. In wenigen Worten fasste Nehru seine Sicht auf den Verlauf und die Ergebnisse des indischen Unabhängigkeitskampfes zusammen. Er beschwor eine lichte Zukunft, ohne die dringlichen Aufgaben der Gegenwart zu vergessen. »The service of India means the service of the millions who suffer. It means the ending of poverty and ignorance and disease and inequality of opportunity.« Zugleich wies der Premier seinem Land einen prominenten Platz in der Welt zu. »Those dreams are for India, but they are also for the world, for all the nations and peoples are too closely knit together today for any one of them to imagine that it can live apart. Peace has been said to be indivisible; so is freedom, so is prosperity now, and so also is disaster in this One World that can no longer be split into isolated fragments.« Zum Abschluss seiner Ansprache nahm Nehru den Mitgliedern der Verfassungsgebenden Versammlung das Versprechen ab, sich ganz dem Dienst am neuen Gemeinwesen zu widmen, »to the end that this ancient land attain her rightful place in the world and make her full and willing contribution to the promotion of world peace and the welfare of mankind«.1 1

Nehru vor Verfassungsgebender Versammlung, »A tryst with destiny«, 14./15.8.1947, in: Nehru, India’s foreign policy, S. 13–15. Jawaharlal Nehru, u. a. 1947–1964 Premierminister und Außenminister, u. a. 1951–1954 Präsident INC. Hier und im Folgenden meint »Indien« bis August 1947 das Gebiet des gesamten Indian Empire oder British Raj, d. h. die direkt beherrschten Gebiete sowie die rund 600 Fürstenstaaten. Danach bezeichnet »Indien« Gebiet und Staat der Republik Indien, die bis Januar 1950 als dominion unter Indische Union firmierte. »Pakistan« umfasst in dieser Studie die heutige Is-

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Einleitung

Sowjetische Stellen kommentierten die – doppelte – Staatsgründung auf dem Subkontinent mit nüchterner Zurückhaltung. Außenminister Vjačeslav Molotov gratulierte Nehru und dem indischen Volk mit einem förmlichen Telegramm zur Unabhängigkeit. In Moskau nahm die erste indische Botschafterin, Vijaya Lakshmi Pandit, die offiziellen Glückwünsche des stellvertretenden Außen­ministers Andrej Vyšinskij entgegen. Frau Pandit hatte ihr Beglaubi­ gungsschreiben am 13. August überreicht, nachdem Delhi und Moskau auf indische Initiative hin bereits Monate vor der Unabhängigkeit die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vereinbart hatten.2 Nach den ersten diplomatischen Signalen blieb es dem Politbüro-Mitglied Andrej Ždanov vorbehalten, die südasiatischen Entwicklungen und ihre Bedeutung für die sowjetischen internationalen Beziehungen programmatisch zu bewerten.3 Hierfür nutzte er die Gründungskonferenz der Kominform im September 1947. Es war reiner Zufall, dass diese Veranstaltung so zeitnah auf die Unabhängigkeit Indiens und Pakistans folgte. Ihr Fokus lag eindeutig auf dem

lamische Republik Pakistan und die Volksrepublik Bangladesh, die erst 1971 entstand. Die Islamische Republik Pakistan wurde 1956 ausgerufen, vorher lautete die offizielle Bezeichnung dominion of Pakistan. »Südasien« wird in dieser Studie alternierend zu »(indischer) Subkontinent« gebraucht und bezeichnet pragmatisch pauschal die heutigen Staaten Republik Indien, Islamische Republik Pakistan und Volksrepublik Bangladesh. Die übrigen Staaten, die grundsätzlich zu »Südasien« gezählt werden, stehen nicht im Fokus der Studie, vgl. Mann, Geschichte Indiens, S. 13–22; Mann, Sinnvolle Geschichte, S. 13–25. 2 Zum Ablauf im August 1947 vgl. Gupta, Stalin’s policy, S. 59 f.; V. L. Pandit an Nehru, 18.8.1947, Nehru Memorial Museum & Library, New Delhi (NMML), V. L. Pandit Papers, 1st instalment, No. 472, Subject File 53 (im Folgenden zitiert als: NMML, V. L. Pandit Papers I, 472, 53); Times of India (ToI), 15.8.1947, S. 5; Pravda, 14.8.1947, S. 1; britische Botschaft Moskau an Außenminister Bevin, 12.9.1947, British Library, India Office Records (BLIOR), L/PS/12/4639A; Kap. 2.2. V. L. Pandit, u. a. 1947–1949 Botschafterin in der UdSSR, 1949–1951 Botschafterin in den USA, 1955–1961 Hochkommissarin in Großbritannien, 1946–1968 indische Delegation bei den UN, 1953 Präsidentin der Generalversammlung der UN; Vjačeslav Michajlovič Molotov, u. a. 1939–1949 und 1953–1956 Volkskommissar für Äußere Angelegenheiten/Außenminister, 1926–1957 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium; Andrej Januar’evič Vyšinskij, u. a. 1940–1949 stellv. Außenminister, 1949–1953 Außenminister, 1953–1954 stellv. Außenminister und Ständiger Vertreter UdSSR bei UN, 1939–1954 Mitglied ZK. 3 Der Begriff der »internationalen Beziehungen« beinhaltet auch in dieser Studie über das zwischenstaatliche Verhältnis hinaus die Kontakte und Verbindungen zwischen und zu internationalen und gesellschaftlichen Organisationen und ihren Vertretern sowie individuelle Kontakte. Er beschränkt sich nicht auf die politische Sphäre, sondern deckt zugleich wirtschaftliche, militärische und kulturelle Aspekte ab, vgl. Geschichte der internationalen Beziehungen, Conze u. a. (Hg.); Dülffer/Loth (Hg.), Dimensionen. Andrej Aleksandrovič Ždanov, u. a. 1939–1948 Mitglied Politbüro, 1934–1948 Mitglied ZK-Sekretariat.

Imperium und Nationalstaat

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Geschehen in Europa.4 Ždanovs Referat entwarf jedoch ein globales Panorama, in dem er auch asiatischen Regionen einen Platz zuwies. In Stalins Auftrag rief er zum weltweiten Kampf des »antiimperialistischen und demokratischen Lagers« gegen die »imperialistische Expansion« der USA und ihrer Verbündeten, gegen »koloniale Ausbeutung« und gegen einen neuen Krieg auf.5 Hinsichtlich potentieller Bündnispartner in der (später) sogenannten Dritten Welt fiel Ždanovs Bestandsaufnahme zwiespältig aus.6 Generell zeigte er sich überzeugt, dass der Zweite Weltkrieg die »Krise des Kolonialsystems« wesentlich verschärft habe. Indien kam in der Aufzählung der von der UdSSR geführten »antiimperialistischen« Kräfte nur als Sympathisant vor. Zudem setzten die USA und Großbritannien in der Moskauer Lesart auf einen aggressiven, antisowjetischen Propagandakrieg, um »Indien […] dem Imperialismus gegenüber in Gehorsam und in weiterer politischer und wirtschaftlicher Unterjochung zu halten.« Ždanov ließ in seinen Ausführungen offen, ob er die indische kommunistische Partei (CPI) zu den »erstarkten« Verbänden zählte, die das sozialistische Lager gegen derlei feindliche Propaganda und Machenschaften mit verteidigen sollten. Wenige Wochen zuvor hatte er hinter den Kulissen erkennen lassen, dass Moskau die CPI nicht für sonderlich schlagkräftig hielt.7 4 Vgl. Adibekov, Das Kominform, S. 54–71; Haslam, Russia’s cold war, S. 89 f.; Békés, Soviet plans; Volynec, Ždanov, S. 454–476. 5 Ždanov auf VI. Sitzung, 25.9.1947, in: Procacci (Hg.), Cominform, S. 216–251. Hier auch die folgenden Zitate. Iosif Vissarionovič Stalin, u. a. 1919–1953 Mitglied Politbüro, 1922–1953 ZK-(General-)Sekretär, 1941–1953 Vorsitzender SNK/SovMin. 6 Zu Genese und Implikationen des Begriffs »Dritte Welt« vgl. u. a. Tomlinson, What was the Third World?; Wolf-Phillips, Why »Third World«?; MacFarlane, Taking stock; Berger, After the Third world; Diskussion im Forum der 1979 gegründeten Zeitschrift Third World Quarterly 1 (1979), Nr. 1 und Nr. 2 sowie Themenheft derselben Zeitschrift 2004, Nr. 1, After the Third World. Die Zeitschrift hat ihren Titel bis heute nicht geändert, 1992 allerdings um den Untertitel »Journal of emerging areas« ergänzt. In der Kurzcharakteristik des Verlags ist mittlerweile von mehreren »Dritten Welten« die Rede, http://www.tandf.co.uk/journals/titles/01436597. asp (letzter Zugriff: 10.4.2018). Die sowjetische Terminologie variierte und konnotierte mitunter eine vorausgesetzte »antiimperialistische« Orientierung der neuen unabhängigen Länder. Wirtschaftspolitische Diskussionen in der UdSSR bezeichneten die Staaten dagegen zunächst schlicht als »kapitalistische Länder«, dann als »in wirtschaftlicher Hinsicht schwach entwickelte« Staaten. In der sowjetischen Orientalistik wurde ab Anfang der 1960er-Jahre zunehmend von »Entwicklungsländern« gesprochen. Der Begriff »Dritte Welt« wurde in der UdSSR ab den 1970er-Jahren hoffähig, vgl. Boden, Die Grenzen, S. 99 f.; Šastitko, Predislovie, S. 16 f.; Socializm, kapitalizm, slaborazvitye strany 1, S. 125. 7 Protokoll Gespräch Ždanov mit Mitglied ZK CPI, Dange, am 6.9.1947, 9.9.1947, Russisches Staatsarchiv für Sozio-Politische Geschichte, Moskau (RGASPI), f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 230– 234. Shripad Amrit Dange, u. a. ab 1943 ZK-Mitglied, ab 1947 Vors./Generalsekretär AITUC, 1962–1964 CPI-Vorsitzender.

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Einleitung

Die Hauptlast des weltweiten antiimperialistischen Kampfs trug nach Meinung des Kremls ohnehin die UdSSR. Die Sowjetunion nahm dabei für sich in Anspruch, dass ihr als Verkörperung eines »neue[n], höhere[n] soziale[n] System[s]«, somit quasi aus ihrer sozialistischen Natur heraus auch in ihrem internationalen Wirken aggressive und »ausbeuterische« Neigungen fremd seien. Die sowjetische Politik bemühe sich vielmehr, erläuterte Ždanov in Polen, um die »Schaffung der besten Bedingungen für die Verwirklichung des Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft«: »Eine dieser Bedingungen ist äußerer Friede.«8 In dieser Sichtweise reflektierte die sowjetische Außenpolitik nichts weniger als die »Hoffnungen der gesamten fortschrittlichen Menschheit« auf einen langen Frieden, der sich unter kapitalistischen Bedingungen nicht verwirklichen ließ. Die indischen und sowjetischen Verlautbarungen von 1947 sind ganz oder teilweise reine Visionen geblieben. Um einen Schwerpunkt herauszugreifen: Der Kampf gegen die Armut ist bis heute nicht gewonnen. Der Human Development Index zeigt eindeutige Tendenzen an, auch wenn die Basiskriterien nicht unumstritten sind. Indien nimmt hier in der aktuellsten Rangliste (2015) unter 188 Staaten den 131. Platz ein.9 Die Russische Föderation rangiert an 49. Stelle, post-sowjetische Staaten Zentralasiens sind zwischen Russland und Indien platziert.10 Pakistan wird übrigens an 147. Stelle geführt.11 Stalins und Ždanovs Staat war nur gut 40 Jahre nach der Gründung der Kominform gänzlich verschwunden. Indien hat seine territoriale Integrität bewahren können, sah und sieht sich bis heute jedoch mit sezessionistischen Bestrebungen, kommunalen Spannungen und gewaltsamer politischer Fundamentalopposition konfrontiert.12 Der Fragile States Index des Fund for Peace, der soziale, wirtschaftliche und politische Entwicklungen bewertet, setzt den seinen Maßstäben nach funktionsunfähigsten Staat auf Position 1, den solidesten auf Rang 178. Im Jahresbericht 2018 findet sich Indien auf Platz 72 wieder, Russland auf Platz 69. Damit gilt es als unsicherer als Turkmenistan (Nr. 86) und Kazachstan

 8 Wie Anm. 5.   9 HDI 2015, http://report.hdr.undp.org (letzter Zugriff: 30.4.2018). Zur Diskussion der Kriterien vgl. Klingebiel, Entwicklungsindikatoren, S. 14 ff.; Geuting, Entwicklungshilfe, S. 18 ff., 72 ff. 10 Kazachstan auf Platz 56, Turkmenistan auf 111, Uzbekistan auf 105, Kirgisien und Tadžikistan auf den Plätzen 120 bzw. 129, ebd. 11 Ebd. Bangladesh stand auf Rang 139. 12 Vgl. Chandra/Mukherjee/Mukherjee, India, zuletzt Hain, Die Sicherheit.

Imperium und Nationalstaat

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(117). Die anderen zentralasiatischen Nachfolgestaaten der UdSSR werden als etwas störanfälliger als Russland eingestuft.13 Hinter derlei Momentaufnahmen staatlicher Entwicklung verbergen sich zumindest in Teilen ebenso langfristige wie dynamische nationale und überregionale politische, wirtschaftliche, militärische, ideelle und gesellschaftliche Prozesse und deren globale Wechselwirkungen. Hierbei stellt sich die viel diskutierte Globalisierung auf mehreren Ebenen als »anhaltende Spannung zwischen Prozessen der globalen Integration« auf der einen und »dem Streben nach lokaler Autonomie« auf der anderen Seite, als konfliktträchtige »Herausbildung selbstbestimmter lokaler Identitäten im Vorgang globaler Vergesellschaftung« dar.14 Dieser ambivalente Charakter ist politischen, wirtschaftlichen wie kulturellen Entwicklungen eigen und wird die Ausgestaltung internationaler Beziehungen auf unabsehbare Zeit weiter mitbestimmen.15 Die eingangs zitierten Reden belegen, dass sich indische wie sowjetische Führungspersönlichkeiten 1947 des komplexen Verhältnisses zwischen innerstaatlichen Vorhaben und internationalen Ansprüchen ihrer Staaten bewusst waren. Auch in ihren Augen beschränkte sich die Interdependenz keineswegs nur darauf, auf ein internationales Umfeld hinzuarbeiten, das die erwünschte interne Entwicklung zuließ. Die innerstaatlichen und -gesellschaftlichen Pläne waren vielmehr untrennbar mit korrespondierenden internationalen Leitvorstellungen verbunden.16 Diese hatten weitreichende Implikationen für die eigene Positionierung in einer internationalen Nachkriegsstruktur und damit auch für bilaterale Beziehungen. Sowohl die sozialistische Vormacht UdSSR als auch ein 13 http://fundforpeace.org/fsi/2018/04/24/fragile-states-index-2018-annual-report/ (letzter Zugriff: 30.4.2018). Uzbekistan wird auf Platz 67 geführt, Tadžikistan auf 63 und Kirgizien auf 65. Pakistan rangiert hier auf Platz Nr. 20, Bangladesh auf Nr. 32. 14 Bright/Geyer, Globalgeschichte, S. 54, 58. Vgl. Bayly, Die Geburt, S. 13 f., 594–609; Conrad/ Sachsenmaier, Introduction, S. 12–16; Conrad/Eckert, Globalgeschichte, S. 27–30; Dirlik, Globalisierung, S. 178–187; Sachsenmaier, Global perspectives; Lynn, Globalization. Zum Begriff »Globalisierung« vgl. Osterhammel/Petersson, Geschichte; Cooper, Was nützt der Begriff. 15 Erinnert sei hier an regelmäßige trilaterale Treffen der Außenminister von China, Russland und Indien sowie an die BRICS-Gipfel, vgl. u. a. Rothermund, The era, S. 30 f. Zu indischen Beziehungen mit dem post-sowjetischen Raum vgl. Shams-du-din (Hg.), India and Russia; Kavalski, India and Central Asia; Sikri, Challenge and strategy; India and Central Asia, Santha­ nam u. a. (Hg.). 16 Diese Überlegungen greifen auf das konstruktivistische Theorienangebot zurück, vgl. Hopf, Social construction; Ulbert, Sozialkonstruktivismus; Ulbert/Weller (Hg.), Konstruktivistische Analysen; Lehmkuhl, Diplomatiegeschichte; Hudson, Culture; Rödder, Klios, S. 672–675, 685 f. Wichtige Anregungen aus der historischen Soziologie bietet Saull, Rethinking, auch wenn dort mitunter empirische Befunde über Kulturbeziehungen und Propagandawirkungen der UdSSR ignoriert werden.

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Einleitung

nichtsozialistischer neuer Staat wie Indien mussten ihr Verhältnis zueinander im Rahmen der zunehmenden Ausdifferenzierung globaler Konstellationen, die einerseits durch die Dekolonisierung wesentlich mitstrukturiert, andererseits durch die aktuellen Bedingungen des Kalten Kriegs mitgeprägt wurden, definieren.17 Zugleich strebten sie an, die multilaterale Gesamtmatrix in ihrem Sinne auszugestalten. Sowohl hinsichtlich der inneren Entwicklungen der Einzelstaaten als auch bezüglich ihrer internationalen Präsenz und bilateralen Beziehungen war die Zeit vom Zweiten Weltkrieg bis zum zweiten indisch-pakistanischen Krieg von wesentlicher Bedeutung. Wie bei derlei Periodisierungen üblich, markieren die entsprechenden Daten keine absoluten Zäsuren. Sie kennzeichnen in den analytischen Kategorien vielmehr relevante Übergangsphasen. Mit Blick auf die innerstaatlichen Entwicklungen signalisieren die Schlagworte der ›Ära Nehru‹ sowie von ›Hoch-‹ oder ›Spätstalinismus‹ und ›Destalinisierung‹ den inneren Zusammenhang der beiden Jahrzehnte. Auf internationaler Ebene steht der Zweite Weltkrieg für den Aufstieg der UdSSR zur internationalen Großmacht. Als einer der Sieger sah sie sich in der Lage und berechtigt, in neuen Gebieten der Welt ihre Ansprüche mit mehr Nachdruck anzumelden als zu Zeiten der Komintern. Auch deshalb entwickelten sich Regionen der Dritten Welt nach 1945 zu Kristallisations- und Eskalationspunkten des Kalten Kriegs. Dieser erreichte nach Kuba eine erste Entspannungsphase, symbolisiert durch das beschränkte 17 Der Begriff ›Kalter Krieg‹ ist nicht unumstritten, weil er die politisch-militärische Ebene der Auseinandersetzung privilegiert und die Wandlungen und Entspannungsphasen innerhalb des strukturellen Dauerkonflikts nicht fasst. Zudem blendet er die zahlreichen ›heißen Kriege‹ außerhalb Europas und das militärische Vorgehen gegen Aufstandsbewegungen in Osteuropa aus. Die Bezeichnung ›Ost-West-Konflikt‹ ist ein Versuch, diese Aspekte zum Ausdruck zu bringen. Die Terminologie läuft jedoch Gefahr, aufgeladene Essentialisierungen von ›Ost‹ und ›West‹ fortzuschreiben. Insgesamt hebelt die Multipolarität der internationalen Beziehungen eine Kategorisierung grundlegender Konflikte entlang überkommener Raumvorstellungen und daraus abgeleiteter Benennungen aus: Der Inhalt des sowjetischen Begriffs »Osten« (vostok) lässt sich ebenso wenig mit der ›westlich‹ geprägten Kategorie ›Ost‹ in Einklang bringen wie das subkontinentale Verständnis vom ›Westen‹ mit demjenigen der UdSSR. Damit können die Hilfskonstrukte ›Ost‹, ›West‹ usw. verschiedene Beziehungsfelder und Verflechtungen nicht mehr fassen. In dieser Studie wird daher mit dem reflektierten Begriff ›Kalter Krieg‹ operiert. Zur Diskussion vgl. u. a. Dülffer, Europa, S. 4 f.; Stöver, Der Kalte Krieg, S. 19–27; Kwon, The other cold war, S. 6–10. Erinnert sei in diesem Kontext auch an Debatten über das Verhältnis von UdSSR resp. Russland zu ›Europa‹ und über den Gehalt von ›Europa‹-Bildern vgl. u. a. Lemberg, Zur Entstehung; Scherrer, Kulturologie, S. 134–146; Frevert, Eurovisionen, bes. S. 118–121, 139–166; Kaelble, Europäer, bes. S. 15–17, 44 ff., 55–57, 128 ff., 157 ff.; Faraldo/Gulińska-Jurgiel/Domnitz (Hg.), Europa; Neumann, Uses of the Other, S. 99 ff.; Tolz, Russia; Malia, Russia.

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Atomteststopp-Abkommen von 1963. Parallel hierzu zeigte der sowjetisch-chinesische Konflikt, der ab Anfang der 1960er-Jahren offen ausgetragen wurde, dass die Einheit des ›sozialistischen Weltsystems‹ bloßes Wunschdenken war. Nicht nur die Gegensätze zwischen führenden sozialistischen Staaten schlugen sich spürbar auf das sowjetische Verhältnis zur Dritten Welt nieder.18 In einzelnen Ländern bildeten sich bis 1965/66 sozialistische Vorposten. Sie entwickelten im Zeichen vollständiger Unabhängigkeit selbstbewusste, distinkte Interpretationen von Sozialismus und Internationalismus. Dadurch wurden die Beziehungen zwischen Zweiter und Dritter Welt noch komplexer.19 Aus der Perspektive der Dritten Welt besiegelte der Zweite Weltkrieg den Zusammenbruch der europäischen Kolonialreiche in Asien.20 Bis Mitte der 1960er-Jahre erlangte Asien im Wesentlichen die formelle Unabhängigkeit von den europäischen Kolonialmächten. Auch in Afrika war die Dekolonisierung zu diesem Zeitpunkt ein unumkehrbarer Prozess. Die neuen unabhängigen Staaten artikulierten 1955 in Bandung, 1960 mit der Dekolonisations-Resolution der UNO Nr. 1514, 1961 in Belgrad und 1964 mit der G-77 eigene Positionen. Die post-koloniale Aufbruchstimmung ging jedoch nie in eine belastbare internationale Einheitsfront der Dritten Welt über. Für die inneren Differenzen standen im gegebenen Zeitraum beispielsweise die Paktsysteme von SEATO und Bagdad-Pakt (ab 1954), die Kongo-Krise (ab 1960) oder die Diskussionen um ein ›Zweites Bandung‹ (ab 1963).21 Diese Spannungen beeinflussten ihrerseits die Beziehungen einzelner Vertreter der Dritten Welt zur UdSSR. Entwicklungen, Höhen und Tiefen in den sowjetisch-indischen Beziehungen stellen, bei eigenen Akzentuierungen und Verlaufsmustern, ein besonders prägnantes Beispiel grundsätzlicher Problemlagen im Verhältnis zwischen der Dritten und Zweiten Welt dar.22 Der Subkontinent bot in sowjetischen Augen früh und komprimiert eine Vielzahl regionaler und internationaler, politischer, ideologischer, wirtschaftlicher, kultureller sowie militärstrategischer Herausforderungen und Anknüpfungspunkte. Die sowjetischen Führungen reagierten kontinuierlich auf diese Anreize, wenn auch über die Jahre hinweg unter-

18 Vgl. Friedman, Shadow cold war. 19 Vgl. u. a. Gleijeses, Conflicting; Radchenko, The Soviet Union; Olsen, Soviet-Vietnam relations; Speich, Kenyan style; Mazov, Politika. 20 Vgl. Ansprenger, Auflösung; Rothermund, Delhi. 21 Vgl. Rothermund, Delhi, S. 187–210; Berger, After the Third World? 22 In dieser Studie ist wechselweise und ohne weitere Implikationen oder Hierarchien entweder von sowjetisch-indischen oder von indisch-sowjetischen Beziehungen die Rede.

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schiedlich und in wechselnder Intensität.23 Unter Nikita Chruščev nahm das unabhängige Indien endgültig eine zentrale Stellung in den sowjetischen Beziehungen zur Dritten Welt ein. Zugleich war das Land zentraler Orientierungspunkt anglo-amerikanischer Debatten um die angemessene Dritte-Welt-Politik.24 Insgesamt bildeten sich von den 1940er-Jahren bis Mitte der 1960er-Jahre Kernelemente und -probleme der sowjetisch-indischen Beziehungen heraus, die das Gesamtverhältnis auf Dauer bestimmten. Die indischen Entwicklungen blieben nach 1947 eng mit den Geschehnissen in Pakistan verzahnt, das vollkommen andere innenpolitische und internationale Strategien verfolgte.25 Eine komparative Gesamtanalyse der sowjetischen Kontakte zu beiden Staaten und ihren Gesellschaften schien, als ich die Arbeit an dem Projekt aufnahm, geeignet, sowohl Ziele und Motive des Moskauer Umgangs mit neuen Staaten als auch das Eigengewicht von Partnerländern der UdSSR noch schärfer zu fassen. Dieser Zugriff erwies sich aufgrund der extrem asymmetrischen Beziehungen Moskaus zu Delhi bzw. Karachi/ Rawalpindi und angesichts der äußerst schlechten Quellenlage für die gesamten sowjetisch-pakistanischen Verbindungen bald als wenig aussagekräftig und insgesamt impraktikabel. Die Beziehungen der UdSSR zur Dritten Welt wurden in der Forschung lange Zeit exklusiv im Bezugsrahmen des Kalten Kriegs diskutiert. Zunächst lösten sich kulturgeschichtliche Detailstudien aus diesem Korsett, indem sie konkrete Interaktionen sozialistischer Akteure mit Vertretern der Dritten Welt in den Blick nahmen. Damit wurden Reibungen deutlich sichtbar, die nicht der Systemkonkurrenz des Kalten Kriegs entsprangen, sondern Ausgangslagen außerhalb der Blockkonfrontation zugeschrieben werden können. Das Wechselverhältnis von Dekolonisierung und Kaltem Krieg lässt sich offenkundig nicht allein durch ein ausdifferenziertes Verständnis des Kalten Kriegs als multipolare, »weitgehend entgrenzte politisch-ideologische, ökonomische, technologisch-wissenschaftliche und kulturell-soziale Auseinandersetzung« abdecken, solange Prozesse in der Dritten Welt nur als Gradmesser oder Gründe für Erfolge und Misserfolge 23 Vgl. Trockij an ZK RKP (b), 5.8.1919, in: Meijer (Hg.), Trotsky papers I, S. 621–627; Lenin, Lieber weniger, aber besser, 2.3.1923, in: Lenin, Werke, Bd. 33, S. 471–490, hier S. 488; Lenin, The question of nationalities or »autonomisation«, 31.12.1922, in: Lenin, Questions, S. 164– 170, S. 169 f. 24 Vgl. u. a. Clarkson, The Soviet theory, S. 9 f., 2–23, 131; McMahon, The cold war; McGarr, The cold war. Nikita Sergeevič Chruščev, u. a. 1939–1964 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium, 1953– 1964 Erster ZK-Sekretär, 1958–1964 Vors. SovMin. 25 Vgl. Burke/Ziring, Pakistan’s foreign policy; Talbot, Pakistan; Talbot, India; Low, Pakistan.

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einer »Dritte-Welt-Strategie« der UdSSR erscheinen.26 Die Analyse muss vielmehr Standpunkte und Perspektiven jenseits des amerikanisch-sowjetischen Systemwettbewerbs einbeziehen, um den »multiplen Kontexten« der bilateralen Beziehungen gerecht zu werden.27 Hierfür ist eine Gesamtkonzeption erforderlich, die unter Beachtung der miteinander verflochtenen Abläufe Einflüsse und Auswirkungen ursprünglich eigenständiger Entwicklungen von Dekolonisierung und Kaltem Krieg aufnehmen kann. Dies gelingt, indem man die indisch-sowjetischen Beziehungen als dynamische Interaktion zwischen einem Nationalstaat und einem Imperium betrachtet. Diese übergeordnete konzeptionelle Fassung bedarf vorab einiger terminologischer Klärungen. Dekolonisierung wird hier als langfristiger Prozess verstanden, in dem in den politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Sphären koloniale Strukturen, Institutionen, Eliten und Ideen ersetzt, umgewandelt oder ergänzt werden.28 Mit dem Erringen der formalen staatlichen Unabhängigkeit standen in Indien Aufgaben auf der Tagesordnung, die sich, losgelöst von modernisierungstheoretischen Implikationen, unter dem Begriff nation building zusammenfassen lassen.29 Darunter fielen einmal der Auf- bzw. Umbau staatlicher Institutionen und politischer Organisationen mit dem Einsatz 26 Zitate nach Stöver, Der Kalte Krieg, S. 21, und aus dem Titel von Rubinstein, Moscow’s Third World strategy. Forschungsüberblicke bieten Hilger, Sowjetunion; Engerman, The Second World’s Third World; Rupprecht, Die sowjetische Gesellschaft; Aust, Russland, S. 22–24; Themenheft Outre-Mers 95 (2007), Nr. 354–355, L’URSS et le sud. Ältere Bestandsaufnahmen sind u. a. Horn, Soviet-Indian relations; Durham, The Soviet Union; Geyer (Hg.), Sowjet­union 1–2. 27 Westad, The cold war, S. 2–6; Rodman, More precious; Goscha/Ostermann (Hg.), Connecting histories; Hasegawa (Hg.), The cold war; Fraser, Decolonization; Stuchtey/Fuchs, Introduction, v. a. S. 21–34; Masuda, Cold war crucible, S. 1–9. 28 Die Begriffsklärung in Anlehnung an Frey, Dekolonisierung, S. 3–5 und Osterhammel, Kolonialismus, S. 21, 119–121. Vgl. Robinson, Imperial theory; Louis/Robinson, The imperialism. 29 In Abgrenzung von Karl W. Deutsch vgl. Stütz, »State-building«, S. 20–22. Eine Unterscheidung von state und nation building hebt die komplexe Verbindung von institutionellen und ideellen Prozessen auf. Die Begriffe »Transformation« oder »Transition« sind in ihrer gängigen Verwendung eng an ein marktwirtschaftlich-demokratisches Endziel gebunden. Zudem implizieren sie eine Totalität und Radikalität des Wandels in allen systemkonstituierenden Elementen, wie sie gerade für frühe post-koloniale Entwicklungen nicht durchgängig angenommen werden können. Neokolonialistische Debatten sowie die Dependenztheorie privilegieren einzelne Aspekte der Dekolonisierung. Sie verwischen prägnante Unterschiede zwischen kolonialen und postkolonialen Machtverhältnissen und und können daher auch die Ausgestaltung postkolonialer internationaler Beziehungen nicht sauber analysieren, vgl. Frey, Dekolonisierung, S. 5; Merkel, Systemtransformation, S. 17 f.; Polanyi, The great transformation, S. 11–40; Zamindar, The long partition; Hasan/Nakazato (Hg.), The unfinished agenda; Talbot, India; Khalidi, Indian Muslims; Khilnani, The idea; Roy, Beyond belief; Zachariah, Developing; Mondal, Nationalism, S. 2–128; Bandyopadhyay (Hg.), Decolonization.

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entsprechender einheimischer Funktionseliten. Dieser Vorgang bedingte entweder eine Neustrukturierung oder eine neue Bekräftigung der hergebrachten innergesellschaftlichen Beziehungsmuster. Zum nation building gehörte ferner der Aufbau einer effizienten Volkswirtschaft, die den von der neuen Führung gestellten wirtschaftspolitischen Ansprüchen genügte. Zugleich galt es, die innere Kohärenz des Staatsvolks zu einer Nation zu verdichten, zu einer »group of people that imagines itself to be a […] community, that is distinct from the rest of humankind, believes that it shares characteristics, perhaps origins, values, historical experiences, language, territory, or any of many other elements, and on the basis of its defined culture deserves self-determination«.30 Um die breite, im Grundsatz multiethnische, -religiöse und schichtenübergreifende Unabhängigkeitsbewegung in einen integrierten Nationalstaat mit selbstbestimmter Herrschafts- und Gesellschaftsorganisation zu überführen, mussten in Indien Umfang und Gehalt der Nation innerhalb neuer territorialer Grenzen sowie die führenden nationalstaatlichen Leitideen, Werte und Normen erst noch abschließend verhandelt und mit Leben gefüllt werden.31 Im Prozess des nation building standen den Akteuren Denkgebäude, Organisationsmodelle und Herrschaftspraktiken zur Verfügung, die sie einerseits (teil-)autonomen Traditionen, andererseits externen oder universalen Ursprüngen zuschrieben. Die Debatten über europäische Anleihen antikolonialer Nationalismen, um Genese und Gehalt der ›Zwei-Nationen-Theorie‹ oder über die Wirkungskraft ›subalterner‹ Entwürfe müssen hier nicht aufgenommen werden. Sie haben jedoch ebenfalls den Blick dafür geschärft, dass das indische nation building ein langwieriger und umstrittener Prozess war (und ist). In der konkreten Situation der 1940er- bis 1960er-Jahre handelte es sich vornehmlich um ein elitäres Projekt, dessen Endziele und Mittel zum Teil innerhalb, zum Teil außerhalb der staatstragenden Schichten in unterschiedlicher Radikalität diskutiert oder gänzlich in Frage gestellt wurden.32 30 Modifiziert nach Suny, The empire, S. 28 f. Vgl. Anderson, Die Erfindung, S. 15 f.; Jansen/Borggräfe, Nation, S. 7–32, 82–117; Estel, Nation. 31 Vgl. Tan/Kudaisya, The aftermath; Talbot, India; Khilnani, The idea; Roy, Beyond belief; ­Zachariah, Nehru; Thakurta, Visualizing the nation; Tejani, Indian secularism; Framke, Delhi; Bandyopadhyay, From Plassey, S. 343–404; Kaviraj, The imaginery institution. 32 Vgl. Chatterjee, Nationalist thought. Seine These trägt allerdings wenig zur Erklärung der Zwei-Nationen-Theorie der Liga bei, vgl. Hayat, The charismatic leader, S. 180 f., 235 f. Insgesamt überzeugender ist die vermittelnde Position eines »hybriden« Nationalismus, vgl. den Beitrag Fischer-Tiné, Herbert Spencer, in: Fischer-Tiné (Hg.), Handeln, hier S. 121–123; Houben, Historische Repräsentationen, S. 209–212; Dietmar Rothermund, Einleitung, in: ders. (Hg.), Aneignung, S. 1–14, hier S. 4–9; Bayly, Die Geburt, S. 249–300; Reinhard/Müller-Luck-

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Diese Debatten betrafen auch die internationale Dimension der Dekolonisierung. Zum einen galt es, wie bereits erwähnt, für die Verwirklichung nationaler Aufgaben entsprechende internationale Rahmenbedingungen sicherzustellen. Darüber hinaus ging es darum, auf der internationalen Bühne nationalstaatliche Souveränität und Handlungsfähigkeit des neuen Staats zu demonstrieren, dem nationalen Selbstbild internationale Anerkennung sowie nationalen Vorstellungen bezüglich der internationalen Ordnung Einfluss zu verschaffen. Die selbständige Formulierung von Grundsätzen, Methoden und Zielen eigener internationaler Beziehungen sowie die Teilhabe an der Gestaltung des internationalen Systems verband sich mit dem Prozess des nation building.33 Die bolschewistische Programmatik stellte dagegen die Idee des Nationalstaats sowie deren inhärente Loyalitätshierarchien und Prioritätensetzungen zur Disposition. Die Fundamentalopposition gegen überkommene Grundeinheiten und -prinzipien einzelstaatlicher sowie internationaler Organisation trug zur ursprünglichen inneren und äußeren Dynamik des sowjetischen Modells bei.34 Die Forschung muss eine adäquate Terminologie finden, die die internen und externen Dimensionen gemeinsam beschreibt.35 Aus meiner Sicht ist der Begriff Imperium gut geeignet, die UdSSR sowohl in ihren inneren als auch in ihren internationalen Beziehungsstrukturen zu erfassen.36 Die Kategorisierung lässt sich entlang der folgenden Typologie vornehmen, die die Forschung herausgearbeitet hat:37 a) die große territoriale Ausdehnung; b) die Multiethnizi-

33 34 35 36 37

ner (Hg.), Verstaatlichung, S. VI–XIV, bes. S. XII f. und S. 69–87. Zur Zwei-Nationen-Theorie, zu den subaltern-studies und zum nationalen Selbstverständnis allg. vgl. neben Anm. 31 Mann, Sinnvolle Geschichte, S. 121 ff., 185 ff., 206 ff., 236 ff.; Gottlob, Historie; Ranajit Guha, On some aspects of the historiography of colonial India, in: Subaltern Studies 1, S. 1–8; Chaturvedi, Eine kritische Theorie; Prakash, Can the »Subaltern« ride?; Spivak, Can the Subaltern speak?; Bose/Jalal (Hg.), Modern South Asia. Die Diskussion um autonome und abgeleitete Zugänge ist im Übrigen auf den Bereich der internationalen Beziehungen übertragen worden, vgl. Acharya/Buzan (Hg.), Non-Western international relations theory. Vgl. Thakur, The politics, S. 14; Miller, Wronged; Nayar/Paul, India; Raghavan, War. Vgl. Blank, Sorcerer; Hirsch, Empire; Martin, The affirmative action empire; van Ree, The political thought, S. 190 ff. Zu dieser doppelten Perspektivierung als der eigentlichen Herausforderung vgl. auch Plaggenborg, Experiment, S. 246 f.; Suny, The empire, S. 23–25; Hirsch, Empire, S. 3–10; Motyl, Imperial ends, S. 1 f. Der Begriff wird für die UdSSR mittlerweile wieder häufiger verwendet, in aller Regel jedoch ohne weitere Begründung. Vgl. Osterhammel, Die Verwandlung, S. 606–616; Suny, The empire, S. 25–27; Motyl, Imperial ends, S. 4 f., 21 f.; Pietrow-Ennker, Einleitung, S. 11–14; Howe, Empire, S. 30 f.; Münkler, Imperien, 7–50, 70 ff.; Burbank/Cooper, Empires, S. 4, 8 f., 14 f., 395–397; Lieven, Empire, S. 289–296, 316 f., 330; Pomper, The history, S. 1–3; Jobst/Obertreis/Vulpius, Neuere Imperiumsforschung,

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tät der Gesamtbevölkerung, oftmals einhergehend mit Multireligiosität; c) eine asymmetrische, autoritär gehandhabte Zentrum-Peripherie-Struktur, in der ein Machtgefälle wahrgenommen wird und in der die Peripherien untereinander wenig Verbindungen haben. Die Ausnutzung dieser Struktur ist variabel und flexibel und keineswegs auf die wirtschaftliche, geschweige denn kapitalistische Ausbeutung der Peripherie festgelegt;38 d) die Existenz einer imperialen Elite, ohne dass es zu der Herausbildung einer homogenen imperialen Gesamtgesellschaft gekommen wäre. Die UdSSR war von der Grundidee her kein großrussisches nationales Unternehmen, sondern ein elitäres Konstrukt der Bolschewisten. Im Laufe der Jahre bedienten sie sich auf sehr unterschiedliche Art und Weise nationaler Traditionen oder Ansprüche – oder hatten sich ihrer zu erwehren. Eine Überhöhung der Russen war in der allgemeinen Nationalitätenpolitik keineswegs zwangsläufig angelegt. Sie schimmerte in der Praxis mehrfach durch, wurde aber nicht durchgängig verfolgt.39 Das sowjetische Imperium stützte sich, e), mit seiner Interpretation von Sozialismus auf ein eigenes System privilegierter Weltdeutung und Sinnstiftung, das Differenzen unterschiedlichen Gehalts hierarchisierte und eine eigene Symbolpolitik produzierte. Ethnische Differenzierungen wurden, sofern zu verschiedenen Zeiten mit Bedeutung versehen, in diese Sinngebung integriert. In ihrer imperialen »Zivilisierungsmission« beanspruchte die Metropole Moskau, ihre Kultur, d. h. ihre zentralen Sinnsysteme, Legitimationsdiskurse, ihre Wahrnehmungs- und

S. 46–56; Gebhardt, Die Idee; Gehler/Rollinger, Imperien, S. 3–26; Mueller, Die Sowjetunion, S. 1165–1168; Plaggenborg, Experiment, S. 246–321; Raffass, The Soviet Union, S. 201–222; Beissinger, Rethinking empire. In der Debatte um vermeintliche Kontinuitäten vom Zarenreich zur UdSSR inkl. des Stellenwerts der sogenannten »persistenten Faktoren« erlaubt die hier vorgestellte Typologie die Herausarbeitung der deutlichen Diskontinuitäten, vgl. Mueller, Russländische Kontinuitäten; Hellie, The structure; Rieber, How persistent; Rieber, Persistent factors. Das Begriffspaar »Imperialismus« und »imperialistisch« schließlich sollte für Analysen des »Zeitalters des Imperialismus« reserviert bleiben, vgl. Rudolf Walther, Imperialismus, in: Geschichtliche Grundbegriffe, Band 3, S. 171–236. 38 Vgl. Münkler, Imperien, S. 76 ff.; Plaggenborg, Exerpiment, S. 298 ff.; Stone, Satellites, S. 5 f., 72 f. 39 Vgl. neben Anm. 37 Cohen, Russian imperialism; Simon, Waren die Republiken; Smith, Red nations; Slezkine, Imperialism; Vujačić, Stalinism; Hopf, Social construction, S. 55–69; Brudny, Reinventing Russia, S. 1–17; Gestwa, Technologische Kolonisation, S. 88–110; Sahni, Crucifying the Orient, S. 109 ff.; Baberowski, Der Feind; English, Russia, S. 40 ff.; Brandenberger, National bolshevism; Brandenberger, Stalin’s populism; Hosking, Rulers; Raffass, The Soviet Union, S. 144–160. Allg. zu imperialen Nationen vgl. jetzt Berger/Miller (Hg.), Nationalizing empires.

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Deutungsmuster, Werthaltungen und Normen monopolistisch vorzugeben sowie in steter Performanz durchzusetzen.40 Schließlich wird f) der Bestand eines Imperiums in letzter Konsequenz immer auch durch Zwang gewährleistet. Die unmittelbare Ausübung polizeilicher oder militärischer Gewalt ist die ultima ratio imperialer Herrschaft. Unterhalb dieser letzten Eskalationsschwelle ist sie in ihren Schattierungen vom formal zum informal empire nicht auf eine einzige Art von Machtausübung festgelegt.41 So muss die Ausdehnung des Imperiums nicht einseitig auf die Möglichkeit setzen, »dem Verhalten anderer« »den eigenen Willen […] aufzuzwingen«.42 Hegemonie-Konzeptionen von Gramsci und Triepel verweisen darauf, dass die Kompromiss- und besonders die Konsensfähigkeit einer Führungsmacht dieser eine weitgehende Einflussnahme ermöglichen können; diesen Sachverhalt hat Lundestad mit Blick auf die USA als »empire by invitation« beschrieben.43 Sowjetische Politik, Propaganda und Wissenschaft entzogen sich jeder Debatte um den imperialen Charakter der UdSSR, indem sie den Imperiums-­ Begriff auf kapitalistische Ausbeutungsformen verengten. Im hier vorgestellten Verständnis vermeidet der Begriff einseitige Verkürzungen oder Instrumentalisierungen und erweist sich gegenüber terminologischen Alternativen als überlegen. Bezeichnungen wie ›sozialistisches Lager‹ oder ›sozialistisches Weltsystem‹ sind als Kategorien schlicht zu unscharf.44 Jochen Laufer hat jüngst wieder den Begriff Pax Sovietica ins Spiel gebracht. Dieser Terminus konzentriert sich auf 40 Vgl. Amar, Sovietization; Barth/Osterhammel (Hg.), Zivilisierungsmissionen; Watt/Mann (Hg.), Civilizing missions; Mertelsmann (Hg.), The Sovietization; Hoffmann, Stalinist values, S. 17 ff., 39 ff.; Shibusawa, Ideology, S. 32–34; Stolberg, For the soul, S. 165–168. Zum hier genutzten breiten Kulturbegriff vgl. Arbeitsdefinitionen von Sieder, Kulturwissenschaften, S. 26; Paulmann, Grenzräume, S. 195; Tschopp/Weber, Grundfragen, S. 29–45. 41 Vgl. Adomeit, Imperial overstretch, S. 11, 31 f., 559 f.; Motyl, Imperial ends, S. 14; Cohen, Russian imperialism, S. 19 f.; Doyle, Empires, S. 19–21, 129–131; Walter, Gewalt. Miller/Rieber, Introduction, S. 1 f., sprechen von imperial rule, da dieser Begriff für verschiedene Ausformungen flexibler gehandhabt werden könne. Mir scheint die gängige Unterscheidung von formal und informal empire ausreichend zu sein. 42 Weber, Herrschaft, S. 128. Davon bleibt das Merkmal eines Imperiums, seinen erreichten Bestand in letzter Instanz durch Gewalt abzusichern, unberührt. Zum »Nachbar« im übertragenen Sinn vgl. Münkler, Imperien, S. 16–18, 150 ff. Doyle, Empires, S. 19 f., spricht von »imperializable peripheries«. 43 Lundestad, The American »empire«, S. 32. Vgl. Triepel, Hegemonie, S. 125–147, 185–187; Haug, Historisch-kritisches Wörterbuch, Band 6/1, Sp. 1–29; Bieler/Morton, Neo-Gramscianische Perspektiven; Lehmkuhl, Pax, S. 23–56. 44 Nolte, Weltsystem, stuft die UdSSR auf der Basis von Wallersteins Weltsystem als Halbperipherie ein; auch dies wird v. a. der doppelten Perspektive nicht gerecht, die Argumentation bleibt selektiv. Darwins Begriff des »britischen Weltsystems« in Absetzung vom Empire ist

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die diplomatisch-militärische Sphäre internationaler Beziehungen und ist in der vorgeschlagenen Definition eng auf Laufers Untersuchungsthema, die sowjetische Deutschlandpolitik 1941 bis 1945, zugeschnitten.45 Spricht man dagegen von einer Hegemonialmacht UdSSR, so werden zwar wirtschaftliche und kulturelle Aspekte ihrer Außenbeziehungen aufgenommen. Der Hegemonie-­Begriff kann jedoch gleichfalls die innenpolitische Dimension der UdSSR nicht sinnvoll erfassen.46 Die begriffliche Aufspaltung der UdSSR entlang ihrer – veränderlichen – politischen Grenzen in ein inneres »Vielvölkerreich« und ein äußeres Imperium begibt sich ebenfalls der Chance, interne und externe Entwicklungen zusammenzudenken.47 Begreift man die UdSSR als Imperium, so betrieb ihre Führung über die 1940er-Jahre hinaus empire building. Aus Sicht Moskaus musste die innere Herrschaft stabilisiert und gefestigt werden. Die Entwicklung zu einer kommunistischen Gesellschaft war keineswegs abgeschlossen. Die umfassende Transformation musste vielmehr mit neuem Schwung vorangetrieben werden. Stabilisierung und Ausbau des sowjetischen Imperiums in der internationalen Arena gingen damit Hand in Hand.48 In der imperialen Entfaltung hob sich der vermeintliche Gegensatz zwischen Ideologie und Machtpolitik auf. Die sowjetische Führung ging davon aus, durch die stete Erweiterung ihrer Zivilisation über die »fließenden« Außengrenzen hinweg auch an Sicherheit und Stabilität zu gewinnen.49 Wie alle imperialen Akteure, so agierten auch die sowjetischen Entscheidungsträger in unterschiedlichen Kontexten und unter verschiedenen historischen Bedingungen mit wechselnden Instrumenten. Eine rasche Sowjetisie-

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nicht übertragbar, vgl. Darwin, The empire project, S. XI f., 1–13. Beissingers »aggressively modernizing state« fokussiert v. a. auf inter-sozialistische Wirtschaftsbeziehungen, vgl. Jersild, The Soviet state, S. 112 f. Laufer, Pax, S. 8 f., definiert die Pax Sovietica unter Stalin als »sowjetische Friedensordnung«, die »Möglichkeiten zum Aufbau des Sozialismus in und außerhalb der UdSSR gewährte, aber niemals grenzenlos war, sondern vielmehr gerade auf Abgrenzung vom Rest der Welt basierte.« Vgl. Triepel, Hegemonie, S. 125–256; Doyle, Empires, S. 34 f., 44 f., 129–136. Zu entsprechenden Debatten über die USA vgl. u. a. Lehmkuhl, Pax, S. 48 ff.; Frey, Dekolonisierung, S. 6 f. Als Beispiel zuletzt Raffass, The Soviet Union. Die Unschlüssigkeit greifbar im Titel von Halbach, Das sowjetische Vielvölkerimperium. Vgl. auch Carrère d’Encausse, Risse, S. 7 f. Vgl. u. a. Zubkova, Obščestvo; Pyžikov/Danilov, Roždenie; Hasegawa, Racing the enemy; ­Hasanli, At the dawn; Behrends, Die »sowjetische Rus«. Da es keinen inneren Gegensatz zwischen diesen Polen gibt, ist es in meinen Augen unnötig, von einem »revolutionär-imperialen Paradigma« zu sprechen, vgl. Subok/Pleschakow, Der Kreml, S. 20 f.; Zubok, A failed empire, S. X; Adomeit, Imperial overstretch, S. 51–57; Imam, Ideology, S. 122–126; Gould-Davies, Rethinking. Zum Charakter der Außengrenzen vgl. Münkler, Imperien, S. 17 f., 127 ff., 150 ff.; Osterhammel, Die Verwandlung, S. 607–610.

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rung über das Baltikum und Osteuropa hinaus galt im Moskau der späteren 1940er-Jahre weder als unmittelbar realisierbar noch als notwendig. Das Vorgehen im engeren Machtbereich lässt allerdings exemplarisch die auf lange Sicht anvisierte Totalität sowjetischer Ausdehnung erkennen. Für die Übernahme der fremden Gesellschaften wälzte das sowjetische Imperium alle relevanten Organisationsbereiche der Gesellschaften – Wirtschaft, Politik, Militär sowie Werte- und Normensysteme – um und orientierte sie neu.50 Eine Integration in das sowjetische Imperium bedeutete nichts anderes, als dass außenstehende Gesellschaften durch imperiale Manipulation der relevanten »Machtquellen« und ihrer vorhandenen Organisationsformen völlig neu geformt und strikt auf die Metropole Moskau hin ausgerichtet wurden.51 Somit stellten die Kernkomponenten, die für die Ausbildung eines Nationalstaats maßgeblich waren – Wirtschaft, Politik, Militär und Kultur –, zugleich die entscheidenden Ansatzpunkte imperialer Einflussnahme dar. Vor diesem Hintergrund erweitert das Gegensatzpaar von Imperium und Nationalstaat die klassische, an den Kalten Krieg gebundene Perspektive auf die sowjetisch-indischen Beziehungen. Der Ansatz schärft den Blick für potentielle eigenständige, d. h. originär nicht vom Kalten Krieg generierte Konfliktlinien zwischen den Ideengebäuden Kommunismus und Nationalismus sowie zwischen der UdSSR und neuen Staaten. Dabei lassen sich die vom Kalten Krieg diktierten Aktionen und Reaktionen umstandslos in den erweiterten Interpretationsrahmen aufnehmen. Somit werden für Indien und die Sowjetunion qualitativ unterschiedliche Antriebskräfte und Motivationen ihrer Beziehungspflege in ihrer potentiellen Eigenständigkeit und zugleich in ihrer komplexen Verknüpfung, die miteinander verwobenen Parallelprozesse in genauer austarierter Gewichtung analysierbar. Im Fazit führt die integrierte Untersuchung der politischen, militärischen, wirtschaftlichen und kulturellen Dimensionen nationalstaatlich-imperialer Beziehungen Überlegungen und Anforderungen fort, wie sie in der Erweiterung der traditionellen Diplomatiegeschichte zur Geschichte internationaler Beziehungen allgemein sowie in der New Cold War 50 Vgl. zur Sowjetisierung neben Anm. 40 Lemke, Einleitung, S. 11–15; Rees, Introduction; O’Sullivan, Stalins Cordon sanitaire, S. 301–380; Naimark/Gibianski (Hg.), Establishment; Volokitina u. a., Moskva; Zubkova, Pribaltika; Mertelsmann (Hg.), Sovietization; Feest, Zwangskollektivierung; Hopf, Reconstructing, S. 83–95, 101–106; Borhi, Soviet economic imperialism; Jersild, The Soviet state; Brzezinski, Der Sowjetblock; Naimark, Die Russen, S. 586 ff.; Foitzik, Sowjetische Militäradministration, S. 398–409. 51 Vgl. Mann, Geschichte, Band 1, S. 13–64. Als weitgehend implizite Anwendung Manns auf die russisch-sowjetische Geschichte vgl. Lieven, Empire, v. a. S. 289 ff., 414 f.

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History im Besonderen diskutiert und formuliert werden. Dabei nutzen beide Forschungsfelder und damit auch der hier umgesetzte Zugang Denkanstöße post-kolonialer Theorienbildung.52 Zusammengefasst: Es geht auf den folgenden Seiten – nach einem Abriss der Beziehungen bis 1947 – um Selbstbilder und damit korrespondierende wechselseitige Perzeptionen im national-imperialen Verhältnis. Es wird geklärt, welche Erwartungen an die bilateralen Beziehungen damit verknüpft waren, welche Möglichkeiten sich beide Seiten von Kontakten, Kooperationen und Verflechtungen versprachen, aber auch, wo in ihren Augen die Gefahren der Verbindungen lagen. Es wird beschrieben, mit welchen Mitteln Akteure versuchten, im bilateralen Verhältnis nationale und imperiale Vorhaben zu realisieren, an welche Grenzen sie stießen, und inwieweit die ursprünglichen Grundannahmen und Handlungsrahmen modifiziert wurden. Damit kommt nicht nur den zentralen Entscheidungsträgern und -prozessen, sondern auch den konkreten Umsetzungen der Repräsentanten vor Ort hohe Bedeutung zu. Die Aktivitäten aller Akteure lassen sich grundsätzlich an Wissensbestände, Bewertungsmaßstäbe und Interpretationsmuster der jeweiligen nationalen respektive imperialen Kultur zurückbinden. Handlungsziele wurden auf dieser Basis entwickelt, die Handlungsbedingungen durch entsprechende geformte Grundeinstellungen und Erwartungshaltungen vorstrukturiert. Dabei stand den Akteuren in der unmittelbaren Realisierung eine divergente Auswahl von konkreten Handlungsoptionen und Kapazitäten offen. Sie verfügten durch individuelle Auslegungen, Akzentuierungen und Selektionen über – unterschiedlich eng begrenzte – Spielräume, und sie machten im direkten Kontakt eigene Erfahrungen, die das eigene Ziel-, Handlungs- und Deutungsrepertoire verifizierten oder falsifizierten. Somit war die handlungsanleitende Wahrnehmungs- und Interpretationsstruktur den Rückkopplungen der agierenden Individuen ausgesetzt, die in der kontinuierlichen Reproduktion des Gesamtmusters

52 Vgl. Loth/Osterhammel (Hg.), Internationale Geschichte; Kießling, Der Dialog; Lehmkuhl, Diplomatiegeschichte; Conrad/Eckert, Globalgeschichte; Westad, The cold war; Lundestad, East; Leffler, For the soul; Smith, New bottles; Connelly, Rethinking; Gould-Davies, The ­Logic; Young, Post-colonialism; Conrad/Randeria (Hg.), Jenseits des Eurozentrismus; Randeria/Eckert (Hg.), Vom Imperialismus; Chakrabarty, Provincializing Europe; Kerner, Postkoloniale Theorie; Ferro, Colonization; Bartolovich/Lazarus (Hg.), Marxism; Said, Orientalism; Sachsenmaier, Global perspectives; Costa, Vom Nordatlantik; Lebow, A cultural theory; Rödder, Klios; Gienow-Hecht/Schumacher (Hg.), Culture; Duara, The cold war.

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Neubetonungen, Bedeutungsverschiebungen oder ganze Neukonfigurationen anstoßen oder vornehmen konnten – oder dies unterließen.53 Für die Erfassung dieser Wechselbeziehung stellt die Arbeit entlang der Chronologie der indisch-sowjetischen Beziehungen die involvierten Persönlichkeiten verschiedener Ebenen und Kontaktfelder in ihren institutionellen Zusammenhängen und Prägungen vor. Um die Grundzüge ihrer, wenn auch mitunter arg limitierten, Interaktionen zu erfassen, erfolgt in einem zweiten Schritt für ausgewählte Schlüsseljahre eine kompakte Beschreibung der indisch-sowjetischen Begegnungen in verschiedenen Zusammenhängen als Kulturkontakte im weiteren Sinn. Die Schlüsseljahre wiesen jeweils eine geänderte Quantität und Intensität direkter Aufeinandertreffen indischer und sowjetischer Akteure jedweder Profession sowie eine neue Dichte der entsprechenden medialen und internen Berichterstattung auf. Sie kennzeichneten damit qualitativ neue Stufen im sowjetisch-indischen Verhältnis. Presse- und Rechenschaftsberichte, literarische Aufarbeitungen oder Fotoreportagen bieten, versteht man sie als Reiseberichte im weiteren Sinn, das Material, um diese Wegmarken von Selbst- und Fremdwahrnehmungen, von wechselseitigen Zuschreibungen und Ansprüchen, Erfahrungen und Rückschlüssen mitsamt relevanter Änderungen zu dokumentieren.54 Dabei war aufgrund der jeweils gegebenen politischen Bedingungen die Bandbreite artikulierbarer Perspektiven in Indien ungleich größer als in der UdSSR. Daher ist in den entsprechenden indischen Quellen die Komplexität des multidimensionalen Wechselverhältnisses zwischen strukturellen Handlungsbedingungen, gruppenspezifischen Erwartungen und individuellen Akteuren deutlicher fassbar. Für die sowjetische Seite lassen publizierte und klassifizierte Texte und Bilder der Stalin-Ära, die zur Verfügung stehen, individuelle Handlungsspielräume oder Ausprägungen kaum erkennen. Für die Jahre nach 1953 häufen sich zumindest indirekte Hinweise. Sie bleiben jedoch punktuell, das entsprechende Gesamtbild unscharf. Im Ganzen ließ das sowjetische Berichts53 Vgl. u. a. Mark, Im Schatten, S. 34–36; Brendecke, Imperium, S. 16–25; von Thiessen/Windler (Hg.), Akteure; Baberowski, Selbstbilder; Transnational, Albert u. a. (Hg.); Wenzlhuemer, Globalgeschichte erzählen. Ich danke Hr. Wenzlhuemer herzlich für die Möglichkeit, das Manuskript vor der Publikation zu lesen! 54 Vgl. Baller/Pesek/Schilling/Stolpe, Einleitung; Pratt, Imperial eyes, S. 4–8; Agai/Pataki, Einleitung; Agai, Wenn einer eine Reise tut; Bödeker/Bauerkämper/Struck, Einleitung; Oberloskamp, Fremde neue Welten, S. 5, S. 341 ff.; Zahn, Reise, S. 21 ff., 434 ff.; Drace-Francis, Towards a natural history; Murawska-Muthesius, The Cold-War traveller’s gaze; Guentcheva, Images; Hau/Tejapira, Introduction; Chirico, The travel narrative; Sahatova, Reisen; Hartmann, Literarische Staatsbesuche; Fitzpatrick/Rasmussen (Hg.), Political tourists; Gorsuch, All this is your world, S. 20 f., 166 f.

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wesen über die Beziehungen zu Indien keine originär privaten Beschreibungen zu. Nur der Grad der expliziten Politisierung änderte sich, je nach anvisiertem internationalem und sowjetischem Publikum sowie in Abhängigkeit von der erwünschten akuten Stoßrichtung der Materialien. 55 Massentaugliche Erziehungs- und Bildungserzeugnisse oder vertrauliche Informations­ berichte waren zudem stets mit Ergebenheitsbekundungen nach oben durchsetzt. Ohnehin waren die sowjetischen Vertreter internationaler Beziehungen spezifischen Auswahlverfahren unterworfen, ihre Bewegungen im bilateralen Raum unterlagen weitgehender Kontrolle. Sowjetische Reiseberichte aller Art waren immer Bestandteil einer konzertierten Aktion von oben, in der die aktuelle Moskauer Weltsicht dargelegt, die sozialistische Mission nach außen bekräftigt und die sowjetischen Bürger auf das Imperium und seine Mission eingeschworen wurden. Dies konnte mit der individuellen Selbstvergewisserung der Akteure zusammenfallen, musste aber nicht.56 Daher muss vielfach offenbleiben, inwieweit Repräsentanten der sowjetischen Ordnung im direkten Kontakt mit der indischen Seite doch einmal in der Lage und willens waren – bzw. bei entsprechender Gelegenheit gewesen wären – vorgestanzte Muster zu durchbrechen. Immerhin gingen selbst zu Stalins Zeiten einzelne sowjetische Funktionäre in Indien ganz profan auch auf Souvenirjagd.57 Als Schlüsseljahre bieten sich die Jahre 1947 und 1955 an. Bis zur indischen Unabhängigkeit 1947 kam es nur zu rudimentären Kontakten zwischen britisch-indischen und sowjetischen Bürgern. Nach einem recht schwungvollen Auftakt 1947 verhielten sich beide Seiten zunächst wieder abwartend. Ab 1952/1953 nahmen die Beziehungen in der ganzen Breite deutlichere Formen an. 1955 schienen nicht zuletzt Nehrus Besuch in der UdSSR sowie Chruščevs Gegenvisite in Indien zu signalisieren, dass das Verhältnis eine höhere Qualität erreicht hatte. Inwieweit sich dies bewahrheitete, darüber wird in der Schlussbetrachtung zum Jahr 1965 Bilanz gezogen. Die Analysen der engeren Themenfelder der indisch-sowjetischen Beziehungsgeschichte können an diese Knotenpunkte anknüpfen. Die Arbeit untersucht hierbei drei Schwerpunkte: politische Beziehungen, Wirtschafts- und

55 Vgl. aus der Stalinzeit beispielhaft Volgins verschiedene Darstellungen der Reise zum Wissenschaftskongress: Volgin, 7.2.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, ll. 11 ff.; Volgin, Poezdka; Volgin, V Indii; Volgin, Po gorodam; Wolgin, In Indien; Volgin, 18 dnej v Indii, in: Izvestija, 2.2.1947, zit. in Gupta, Stalin’s policy, S. 33, 46. 56 Vgl. Anm. 53–54; Hellbeck (Hg.), Autobiographical practies; Hellbeck, Galaxy. 57 Vgl. Volgin, Po gorodam, S. 30.

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Kulturbeziehungen. Die militärische Dimension erscheint im sowjetisch-indischen Verhältnis der Jahre als Aspekt der Diplomatie und nicht der Wirtschaft. In der Praxis setzten die politisch-diplomatischen Verbindungen den Gesamtrahmen für alle Kontakte. Daher wird dieses Feld chronologisch dicht beschrieben. Auf diese Weise lässt sich im Auf und Ab der Beziehungen mit ihren Zu- und Wechselfällen, Neuansätzen und Umorientierungen, Um- und Abbrüchen die prozesshafte Entwicklung greifen. Zugleich erlaubt der politische Bereich Auffächerungen, die für die Analyse des national-imperialen Kontakts überhaupt aufschlussreich erscheinen. Dies betrifft zum einen transnationale Verbindungen auf der Parteienebene.58 Aktivitäten der kommunistischen Bewegung in Indien waren wegen ihrer alternativen Vorstellungen über das nation building und seine internationale Einbettung sowie als potentieller Partner für die sowjetische imperiale Expansion von wesentlicher Bedeutung, bargen aber spezifische Untiefen. Generell ist daran zu erinnern, dass vermeintlich gesellschaftliche Kontakte auf sowjetischer Seite grundsätzlich eine staatsorientierte Ausprägung erfuhren. Daneben lassen sich bei der gegebenen Akten- und Forschungslage gerade im politischen Sektor die Einwirkungen dritter Staaten durchgängig nachvollziehen. Drittstaaten traten in den Entwicklungssträngen von Kaltem Krieg und Dekolonisierung als Partner, Unterstützer oder als Gegenentwurf indischer oder sowjetischer Programmatik auf. China zum Beispiel übte direkten Einfluss auf indische und sowjetische Agenden aus, weil es aktuelle Entwicklungsaufgaben eines Dritte-Welt-Landes mit ideologisch-politischen Grundsatzentscheidungen verband. Pakistan präsentierte sich innen- und außenpolitisch als Alternative zu Indien und wurde in Delhi wie Moskau genutzt, um sich von konkurrierenden Entwicklungs- und Beziehungsmustern abzugrenzen.59 Die Einwirkung Großbritanniens zumindest auf die Frühphase der indischen Dekolonisierung liegt auf der Hand. Washingtoner Außenpolitikern schwebte ihrerseits bereits 1949 vor, Indien für ihre globalen und wirtschaftlichen Ziele zu gewinnen.60 Schon aus pragmatischen Gründen kann die vorliegende Studie keine internationale 58 Transnationale Beziehungen definiert nach Paulmann, Grenzüberschreitungen, S. 179, als »regelmäßige Interaktionen über nationale Grenzen hinweg, bei denen mindestens ein Akteur kein Staatsvertreter ist oder nicht als Regierungsabgesandter auftritt«. Vgl. Risse-Kappen (Hg.), Bringing transnational relations; Sphären von Öffentlichkeit, Rittersporn u. a. (Hg.); Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte; Zimmermann, International – transnational. 59 Vgl. u. a. Dutt, India’s foreign policy, S. 20 f.; Sen Gupta, The fulcrum, S. 19 f. 60 Vgl. State Department, Sparks, Final Draft Indian Policy Statement for Clearance, 23.5.1949, National Archives, Maryland (NARA), RG 59, Lot 57D373; Department of State Policy Statement, 1.12.1950, India, FRUS 1950 V, S. 1476–1480, hier S. 1476.

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Gesamtgeschichte der indisch-sowjetischen Beziehungen leisten. Ohne zumindest partielle Berücksichtigung der Bedeutung Chinas und Pakistans, der USA oder Großbritanniens lassen sich die bilateralen Beziehungen jedoch nur ungenügend erklären, wirkten sich doch Absichten und Aktivitäten der Drittstaaten sowohl auf die nationale Konsolidierung als auch auf imperiale Expansionschancen aus. Darüber hinaus standen unterschiedliche nationale und imperiale Ansätze mit Aktivitäten von internationalen Gemeinschaften wie den UN oder der Blockfreien-Bewegung – hier mit starker Präsenz Jugoslawiens – in enger Wechselwirkung. In der Darstellung relevanter Themenfelder und Fallbeispiele werden in dieser Studie weniger die Überlegungen Dritter als vielmehr die indische bzw. sowjetische Bewertung respektive Beantwortung ihrer Angebote und Forderungen diskutiert. Die Analyse der Wirtschafts- und Kulturbeziehungen erfolgt vor dem Hintergrund dieser detaillierten Rekonstruktion der politischen Landschaft. Auf eine durchgängige Rückbindung an die komplexen internationalen Kontexte und Konzeptionen kann daher im Wesentlichen verzichtet werden. Für diese Bereiche werden Zielsetzungen und Umsetzung in einer kompakten Gesamtschau zusammengefasst, um entsprechende Grundthemen und Problemfelder aufzuzeigen. Im wirtschaftlichen Bereich ging es beiden Seiten darum, ihre wirtschaftspolitischen Zielsetzungen sowohl im Innern als auch mit Blick auf die eigene internationale Positionierung voranzutreiben. Die grenzüberschreitenden Wirtschaftsverbindungen sollten zudem die allgemeinen politischen Programme mit wirtschaftlichen Mitteln aller Art unterstützen sowie, punktuell, außergewöhnliche Notlagen oder Herausforderungen wirtschaftlicher Natur bereinigen. Zur Verfolgung dieser komplexen, miteinander verbundenen Grundaufgaben bedienten sich sowjetisches Imperium und indische Nation im Großbereich der Außenwirtschaft zahlreicher Instrumente. Sie reichten von der Handelspolitik bis hin zu unterschiedlichen Hilfs-, Unterstützungs- und Kooperationsleistungen etwa im Wirtschaftsaufbau, in der Wirtschaftsplanung oder in der Ausbildungspolitik. Die Untersuchung der Kulturbeziehungen setzt ebenfalls auf mehreren Ebenen an. Klassische Mittel der überkommenen Propaganda und Kulturdiplomatie zielten darauf, einem Massenpublikum eigene, politisch definierte Vorzüge und Wahrheiten plausibel und schmackhaft zu machen. Darüber hinaus ging es aus Sicht des Imperiums darum, die nationale Kulturlandschaft Indiens von Grund auf zu transformieren.61 Zu diesem Zweck waren nationale Norm- und Wert61 Vgl. Barghoorn, Soviet foreign propaganda, S. 8–15; Sager, Moskaus Hand, S. 5 f.; Simon, Propaganda 1, S. 1 f.; Kalnins, Agitprop, S. 17 f.

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vorstellungen umzulenken: »Culture in the narrow sense of artistic and symbolic expression was supposed to help transform culture in the broader sense of beliefs and values interwoven into everyday life.«62 Das imperiale Vorhaben musste sich am kulturellen Selbstverständnis sowie dem Selbstbehauptungs- und Ausstrahlungswillen einer Nation und ihrer Akteure reiben. Die Komplexität der entsprechenden Aushandlungs-, Umgehungs- und Konfrontationsprozesse wird hier exemplarisch anhand der sowjetisch-indischen literarischen Kontakte analysiert – ein aussagekräftiges Beispiel, das in den Debatten um den kulturellen Kalten Krieg überraschenderweise bislang kaum herangezogen wurde.63 In dem hier skizzierten Gesamtzugriff bleiben einige Detailfragen der indisch-sowjetischen Beziehungen offen. Dagegen wurde Wert darauf gelegt, Unwuchten zu vermeiden, die sich zu Lasten der indischen (oder sowjetischen) Perspektive aus dem ungleichen Engagement, das Moskau oder Delhi beispielsweise in der bilateralen Kulturlandschaft und in international agierenden gesellschaftlichen Organisationen zeigten, oder aus einer unausgeglichenen Quellenüberlieferung und Forschungsliteratur hätten ergeben können. Tatsächlich ist, um damit zu beginnen, die Quellenlage keineswegs einfach. Der Zugang zu Archivalien sowjetischer und indischer Provenienz ist nur teilweise gegeben. Das gilt für zentrale Regierungs- und Parteiakten ebenso wie für individuelle Nachlässe oder Unterlagen gesellschaftlicher und kultureller Organisationen.64 Neben Memoiren mit höchst unterschiedlicher Aussagekraft haben publizierte Quelleneditionen ebenfalls differierenden Nutzwert. Während diverse russische Editionen tiefe Einblicke in sowjetische Entscheidungsprozesse 62 Hoffmann, Stalinist values, S. 50. Zum Kulturtransfer allg. vgl. u. a. Feuchter/Hoffmann/Yun (Hg.), Cultural transfers; Engel/Menzel (Hg.), Kultur; Aust/Schönpflug, Vom Gegner lernen; Hixson, Parting the curtain; Péteri (Hg.), Nylon curtain; Reid, The Soviet pavilion; Richmond, Cultural exchange; Caute, The dancer. 63 Vgl. Jones, The Thaw, S. 123 f.; Hammond, On the frontlines, S. 3–5; Piette, The literary cold war, S. 1–11; Beljakova, »Russkij« Amadu; Volland, Inventing; Hanuschek/Hoernigk/Malende (Hg.), Schriftsteller. 64 So bleiben das russische Präsidentenarchiv, das Archiv des Verteidigungsministeriums sowie geheimdienstliche Archive Russlands in der Regel weitgehend verschlossen. Die Nutzung des für die poststalinistische Periode wichtigen Russischen Staatsarchivs für Zeitgeschichte, Moskau (RGANI), leidet weiterhin unter der intransparenten und selektiven Deklassifizierungspraxis. In den indischen National Archives, New Delhi (NAI), sind Unterlagen der relevanten Ministerien und Behörden einschließlich des MEA in höchst unterschiedlicher Dichte archiviert und erschlossen, darüber hinaus viele Akten mit Kashmir- oder Chinabezug unzugänglich. Daneben sind Akten trotz Verzeichnung aus unterschiedlichen Gründen immer wieder »nicht auffindbar«, wie die stereotype Auskunft dann lautet. Der Aktenzugang in der NMML wird liberaler gehandhabt, doch bleiben der Forschung neben dem vollständigen Nachlass Nehrus auch derjenige von Krishna Menon verschlossen.

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liefern, beschränken sich die sehr lückenhaften indischen Publikationen vor allem auf offizielle Dokumente und Verlautbarungen.65 Eine Ausnahme stellt die Reihe dar, die den – für die Zeit ab 1947 im Archiv selbst weiterhin unzugänglichen – Nachlass von Nehru aufbereitet. Sie deckte bei Fertigstellung des Manuskripts den Zeitraum bis 1961 ab. Dabei genügt sie kaum höheren editorischen Ansprüchen. Zudem schwankt die Aussagekraft der abgedruckten Dokumente erheblich.66 Die Editionen werden in beiden Ländern durch Darstellungen von Autoren mit privilegiertem Aktenzugang ergänzt. Sie widmen den sowjetisch-indischen Beziehungen indes nur einige Zeilen.67 Die Quellensituation wird dadurch erschwert, dass die Überlieferungsschwerpunkte in Delhi und Moskau häufig nicht miteinander korrespondieren. Das heißt, dass einzelne Themenfelder vergleichsweise ausführlich entweder nur in russischen oder nur in indischen Akten dokumentiert sind: Fragen der Außenwirtschaft (bis Ende der 1950er-Jahre), der Parteibeziehungen (bis 1955/56) sowie der Kulturkontakte beispielsweise ließen sich vor allem in russischen Archiven bearbeiten, während Inhalte und Ergebnisse der indisch-­ sowjetischen Gipfeldiplomatie weitgehend auf der Basis indischer Archivalien beschrieben werden. Probleme der militärischen Zusammenarbeit, geheimdienstliche Aktivitäten, die Moskauer Einflüsse auf die CPI nach 1955/56, die internen Diskussionen der ZK-Apparate der KPdSU über das Beziehungs­dreieck Moskau – Delhi – Peking oder die Tätigkeit der indischen und sowjetischen Diplomatie in internationalen Foren sind weder in ungedruckten noch in veröffentlichten Archivalien durchgängig zu fassen.

65 Vergleichsweise ergiebig sind Erinnerungen von K. P. S. Menon, T. N. Kaul, B. K. Nehru und R. Dayal, für die sowjetische Seite die von Chruščev, Kapica und Fedotov. Mikojan hat die geplante ausführliche Darstellung seiner Reisen u. a. nach Indien und angestrebte Charakterisierungen auch indischer Politiker dagegen nicht mehr umgesetzt, vgl. Memoirenplan 1954–1965, o. D., RGASPI, f. 84, op. 3, d. 191, ll. 14 ff. An Editionen vgl. u. a. Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1–3; Molotov, Malenkov, Kaganovic, hg. von Kovaleva u. a.; Tomilina (Hg.), Nikita Sergeevič Chruščev; Jain (Hg.), Soviet South Asian relations; Naik (Hg.), Russia; Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations; Foreign policy of India; Poplai (Hg.), India 1947–50. 66 Selected Works of Jawaharlal Nehru (im Folgenden SWJN), online unter http://nehruportal. nic.in/writings (letzter Zugriff: 10.4.2018). Der publizierte Nachlass des Liga-Führers Jinnah erweist sich für die hier interessierenden Fragen als wesentlich unergiebiger, vgl. Zaidi (Hg.), Quaid-i-Azam. 67 Vgl. Gopal, Jawaharlal Nehru; Gopal, Radhakrishnan; Fursenko/Naftali, Khrushchev’s Cold War; Zubok, A failed empire.

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Archivüberlieferungen aus Drittstaaten bieten wesentliche Ergänzungen. Partei- und Verwaltungsakten der ehemaligen DDR oder der Nachlass des britischen Kommunisten Harry Pollitt gewähren nicht nur Einblicke in sowjetische, sondern auch in indische Lageeinschätzungen und Motivationen. Darüber hinaus dokumentieren sie sozialistische Gemeinschaftsunternehmungen in Südasien. Die britischen National Archives, der Nachlass von Lord Mountbatten, die Unterlagen der amerikanischen National Archives – von denen aus Zeitgründen nur zentrale Bestände des State Department ausgewertet werden konnten –, Kernbestände der Presidential Libraries, die in den Niederlanden oder im Netz zugänglich sind, sowie Quelleneditionen westeuropäischer und amerikanischer Provenienz leisten in größerem Umfang Ähnliches, hier mit Schwerpunkt auf der indischen Seite. Ein früher Blick in die Archive der Vereinten Nationen und der Weltbank (2006) erbrachte für die Studie nur wenige zusätzliche Erkenntnisse. Das pakistanische Archivwesen schließlich steckt noch in den allerersten Anfängen. Recherchen in chinesischen Archiven waren aufgrund fehlender Sprachkenntnisse nicht möglich. Neben den innen-, außen-, wirtschafts-, kultur-, militär- und parteipolitischen Archivalien nutzt die Studie ausgiebig Reiseberichte und -illustrationen aller Art inklusive literarischer Verarbeitungen von bilateralen Begegnungen. Allerdings sind indische Berichte über Aufenthalte in der UdSSR vergleichsweise dünn gesät.68 Auf eine intensive Bearbeitung des parallelen Filmmaterials wurde verzichtet, da es für den Propagandasektor redundant ist und kulturelle Interaktionen anhand der indisch-sowjetischen Literaturbeziehungen analysiert werden. Für die Einbeziehung der veröffentlichten Meinung greift die Studie auf hauptstädtische Presseerzeugnisse zurück.69 Für die Sowjetunion waren die Zeitungen und Zeitschriften Pravda, Izvestija, Literaturnaja Gazeta sowie Novoe Vremja und Ogonek als zentrale Periodika mit politischem und kulturellem Agitations-, Bildungs- und Erziehungsanspruch nach innen und/oder außen maßgeblich. Ihre Auflagen machten ein Vielfaches des Ausstoßes der (wissenschaftlichen) Periodika zu internationalen Fragen oder literarischen internationalen

68 Vgl. Kumar, Indian view, S. 15–21. Bis weit in die 1950er-Jahre hinein dominierten Berichte von kommunistischen oder linken Reisenden das Feld, andere Darstellungen stammten mitunter von Indern, die ihren Wohnsitz seit Jahren außerhalb Indiens hatten. 69 Akzentverschiebungen, die sich in den sowjetischen republikanischen Organen im Vergleich zur Hauptstadtpresse ergeben konten, dürfen für diese Ära – anders als in späteren Jahren – nicht überschätzt werden, vgl. Kap. 3.5.2. und 4.5.2; Meier, Eine Theorie, S. 126–130.

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Kontakten aus.70 Die indische Medienlandschaft war in der Ära Nehru äußerst bunt. Die indische Presse litt aber immer unter der insgesamt äußerst begrenzten Leserschaft. Die Blätter erschienen in vergleichsweise geringer Auflage und überlebten mitunter nur Monate. Zeitungen mit einer Auflage von 90.000 bis 100.000 Exemplaren galten als erfolgreich.71 Angesichts der Sprachenvielfalt konnten nur englischsprachige Zeitungen eine landesweite Verbreitung erreichen. Die Times of India und die Hindustan Times sind hier aussagekräftige Beispiele.72 Beide Gazetten galten als gut unterrichtet, waren überregional bedeutsam und begleiteten – unterschiedlich – kritisch die verschiedenen Phasen der indischen Außenbeziehungen.73 Schließlich sagte man beiden Zeitungen keine ausgesprochen prosowjetische Neigung nach.74 Für die Jahre bis 1947 enthielt die Liga-nahe Zeitschrift Dawn notwendige Ergänzungen aus muslimischer Sicht. Weitere Erkenntnisse über zeitgenössische indische Stimmungsbilder und 70 Allein Ogonek erschien 1955 in einer Auflage von 850.000 Exemplaren, die sich binnen fünf Jahren auf gut 1,7 Millionen steigerte. Die deutlich teuereren Fachzeitschriften Sovetskoe Vostokovedenie und Učenye zapiski mussten sich mit Auflagen von 2–4000 resp. 16–18.000 Exemplaren zufriedengeben. Bemerkenswert auch das deutliche Absinken der Auflage von MĖiMO zwischen 1957 und 1960, vgl. Letopis’; Pečat’ SSSR 1965, S. 66; Kalnins, Agitprop, S. 85–90. Zu einzelnen Erzeugnissen vgl. Zubok, Zhivago’s children, S. 142 f.; Fomičeva (Hg.), Literaturnaja gazeta. 71 Vgl. AICC Parliamentary Committee meeting, 5.8.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 456–460, hier S. 457; Nehru vor All-India Newspaper Editors’ Conference, 8.11.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 285– 296, hier S. 286–292. 72 1965 sahen Meinungsumfragen die beiden Zeitschriften hinsichtlich der Leserschaft auf Spitzen- bzw. guten Mittelplätzen, vgl. Monthly public opinion surveys 10 (1964/65), Nr. 119, S. 18; Monthly public opinion surveys 11 (1965/1966), Nr. 129/130, S. 5. Zur Einschätzung vgl. auch Brecher, Nehru, S. 568 f.; Mathai, Reminiscences, S. 101–104. 73 Vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, Bundesarchiv, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Berlin (SAPMO-BArch), DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 108; MID, Kuprikov, Pressestimmen kapitalistischer Länder zum Nehru-Besuch, 13.6.1955, Archiv für Außenpolitik, Moskau (AVP), f. 90, op. 17, p ­ apka 50, d. 11, ll. 111 ff.; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 28.7.1963, National Archives, Kew (NAK), PREM 11/4867; Leiter SIB-Abteilung Bombay, Krotkov, Vermerk über Presse Bombay, 23.5.1960, Russisches Staatsarchiv, Moskau (GARF), f. 8581, op. 2, d. 511, l. 102. 74 Daran änderte sich auch nichts, als die Times of India später vergleichsweise gute geschäftliche Beziehungen mit der sowjetischen Presseagentur unterhielt, vgl. neben der vorangegangenen Anm. Benediktov an Brežnev, 8.9.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 36, d. 14, ll. 100–103. Zu – unerfüllten – frühen Hoffnungen sowjetischer Propagandisten auf eine Multiplikatorenrolle der Hindustan Times vgl. [VOKS], Vermerk über indische Presse, [nach August 1946], GARF, f. 5283, op. 19, d. 143, ll. 52 ff.; Leiter MID-Abt. SOA, Michajlov, an ZK, Baranov, 27.5.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 630, ll. 84 ff.; SIB-Leiter Pozdeev an Grigor’jan, 30.5.1952, Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 479, ll. 104 ff. Ivan Aleksandrovič Benediktov, u. a. 1952–1971 ZK-Mitglied, 1947–1953, 1953–1955 Landwirtschaftsminister, 1953 sowie 1959–1967 Botschafter in Indien); Georgij Aleksandrovič Žukov, u. a. 1952–1957 stellv.

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Bewertungsmaßstäbe ließen sich aus Meinungsumfragen des Indian Institute of Public Opinion gewinnen. Sie entwickelten sich aufgrund der Erhebungsbasis und der regionalen Konzentration allerdings erst im Laufe der späten 1950erund 1960er-Jahre zu einem verlässlicheren Indikator für gesamtindische Einstellungen. Im Ganzen erweist sich die Quellenlage für die Jahre bis 1955/1956 als äußerst kompakt. Für den darauffolgenden Zeitraum lassen sich in der insgesamt kontinuierlichen, doch dünneren Abdeckung relevante Ereignisse oder Teilentwicklungen von grundsätzlicher Bedeutung in adäquater Tiefe erfassen. Die vorliegende Literatur über die indisch-sowjetischen Beziehungen ist nur bedingt in der Lage, Überlieferungsengpässe zu überbrücken. Bis 1989/1990 musste jede Darstellung indisch-sowjetischer Kontakte aus einigen wenigen offiziellen Verlautbarungen, aus Presseberichten sowie aus den Unterlagen vor allem britischer oder amerikanischer Beobachter destilliert werden. Die sowjetische Historiografie hatte, ungeachtet der Tatsache, dass sie selbst unter einer Unterversorgung mit sowjetischen Quellen litt, zu beweisen, dass sich die Partei auch in der Vergangenheit stets bewährt hatte.75 Darstellungen aus Westeuropa und den USA suchten kaum den Dialog mit der sowjetischen Forschung. Sie interessierten sich vornehmlich für vermutete realpolitische Erwägungen Moskaus gegenüber dem Westen und China und fügten die sowjetisch-indischen Beziehungen in diesen Rahmen ein.76 Besonderes Interesse haben angesichts des – von USA wie UdSSR gleichermaßen hervorgehobenen – Modellcharakters der indischen Wirtschafts- und Planungspolitik die sowjetisch-indischen Wirtschaftsbeziehungen gefunden. Die entsprechenden Darstellungen kamen häufig ohne historisch-kritische Fundierung aus, blieben auf eine Auswertung offizieller Materialien ohne Hintergrundinformationen

Chefredakteur Pravda, 1957–1962 Vors. GKKS, 1962–1982 stellv. Vors. Sowjetisches Komitee zur Verteidigung des Friedens; K. P. S. Menon, u. a. 1948–1952 Staatssekretär MEA, 1952–1961 Botschafter in der UdSSR. 75 Exemplarisch Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 8. Auch diese letzte offiziöse sowjetische Darstellung führt zwar eine beeindruckende Reihe von Archiven auf (S. 13 f.), verwertet aber neben publiziertem Material nur wenige, zweitrangige Bestände. Vgl. ferner Hough, The struggle; Clarkson, The Soviet theory; Eran, Meždunarodniki. 76 Herauszuheben aus der älteren Literatur sind Rothermund, Indien; Stein, India; Durham, The Soviet Union; Donaldson, Soviet policy; Geyer (Hg.), Sowjetunion. Zu allg. Interpretationsmustern vgl. Rubinstein, Moscow’s Third World Strategy, S. 32–37; MacFarlane, Superpower rivalry, S. 159–163, 172–174; Plaggenborg (Hg.), Handbuch, S. 304–309; Geyer (Hg.), Sowjetunion, S. 537–571.

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angewiesen und lesen sich vornehmlich als deskriptive Faktensammlung.77 Die nationale Geschichtsschreibung Indiens, die sich per se wenig mit den internationalen Beziehungen nach 1947 auseinandersetzte, lässt sich im Kern in diese Grundmuster einpassen.78 Sie stellte jedoch die indische Außenpolitik weniger als Getriebene dar, sondern, zum anderen Extrem hin übertreibend, als entscheidende Gestalterin der bilateralen Kontakte.79 Im Fazit konzentrierte sich das Interesse der gesamten historischen Forschung bis 1989/1990 bei äußerst prekärer Quellenlage auf die Rekonstruktion außen- und entwicklungspolitischer Abläufe sowie auf angenommene sowjetische Deutungen und Vorhaben im Rahmen des Kalten Kriegs. Doch auch nach 1989/90 hat die Forschung das breit aufgefächerte Quellenmaterial nur in geringen Teilen und nie für einen systematischen Gesamtzugriff, wie ihn diese Studie entwickelt, zu Rate gezogen.80 Vielmehr fiel mit dem Zusammenbruch der Zweiten und dem »Ende der Dritten Welt«81 das geschichtswissenschaftliche Interesse an den Beziehungen der UdSSR zu Indien weitgehend in sich zusammen. Die wenigen indischen Arbeiten, die nach dem Ende des Kalten Kriegs erschienen, führen nicht über den 1989/90 erreichten Forschungsstand hinaus:82 Die Geschichte internationaler Beziehungen Indiens bleibt ein Stiefkind der indischen Geschichtswissenschaft.83 Auf der anderen Seite arbeiten aktuelle russische Publikationen mit zum Teil traditionellen Interpretationen vor allem die frühere sowjetische und ausländische Forschung auf. Dabei stellen sie die sowjetische Epoche immer deutlicher in ein angeblich in 77 Vgl. Clarkson, The Soviet theory; Mehrotra, India; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik. 78 Vgl. Guha, India, S. 12. Die recht große Zahl indischer Beschreibungen, die prosowjetisch argumentieren, hat Banerjee, India, S. 6 f., zutreffend als Arbeiten vom »bhai-bhai«-Typ bezeichnet. Er greift ein Schlagwort der chinesisch-indischen bzw. sowjetisch-indischen Beziehungen der fünfziger Jahre auf: »Hindi Chini bhai-bhai« bzw. »Chindi Rusi bhai-bhai« (Inder und Chinesen/Russen sind Brüder). Ein typisches Beispiel ist Anand, Indo-Soviet relations. Auf der anderen Seite weisen indische Biographien mitunter einen nahezu hagiografischen Charakter auf, vgl. beispielhaft Gajrani/Ram, Aruna Asaf Ali. 79 Vgl. Jain, Soviet policy; Prasad, Indo-Soviet relations; Rai, The red star; Ray, Domestic compulsions; Sen Gupta, The fulcrum. 80 Vgl. Singh, The Soviet Union; Chand, Bibliography; Kumar, Indian view; Bibliografija Indii. 81 Nach dem Titel von Menzel, Das Ende der Dritten Welt. 82 Vgl. Bakshi, Russia; Beg, In the tug of war; Sharma, India – USSR relations; Varma, Foreign policy dynamics. 83 Vgl. Lal, The history; Mann, Sinnvolle Geschichte; Gottlob, Historie; Bose, Post-colonial histories; Prakash, Writing post-orientalist histories; Chibber, On the decline; Rothermund, Die Geschichtsschreibung; Lal, Provincializing. Ausnahmen sind Raghavan, War; Hilger/Unger (Hg.), India.

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der Zarenzeit einsetzendes Kontinuum guter russisch-indischer Beziehungen. Ein Paradigmenwechsel oder kritische Erweiterungen traditioneller Ansätze werden durch die personellen Kontinuitäten in der Wissenschaftslandschaft über 1989/1990 hinaus offenbar zusätzlich erschwert.84 Letztlich sind die neuen archivalischen, theoretisch-methodischen und konzeptionellen Möglichkeiten und Herausforderungen weder in Indien und Russland noch außerhalb der beiden direkt betroffenen Länder für die Erforschung dieses zentralen Themas der internationalen Beziehungen des 20. Jahrhunderts genutzt worden.85 Zum Abschluss der Einführung sind noch einige technische Hinweise angebracht. Die Übersetzungen im Text stammen vom Verfasser; Übersetzungen aus dem Englischen erfolgten, um innerhalb von Sätzen den Lesefluss zu erleichtern. Schreibweisen indischer Personen- und Ortsnamen sowie Bezeichnungen von Institutionen in Indien folgen der zeitgenössisch gängigen englischsprachigen Form (z. B. Bombay anstelle Mumbai). Personen- und Ortsnamen und Institutionen in der UdSSR werden in der bis Mitte der 1960er vorliegenden Benennung und in der Regel in der wissenschaftlichen Transkription des Russischen wiedergegeben (z. B. Leningrad und nicht Sankt-Peterburg). Sofern sich Bezeichnungen für sowjetische Einrichtungen in der deutschen Umschrift durchgesetzt haben und eindeutig verständlich sind, wie beispielsweise ZK oder Kreml, wird auf diese Version zurückgegriffen. Die im Verlauf der Studie entweder im Argumentationszusammenhang des Haupttextes oder bei erster Nennung im Anmerkungsapparat präsentierten Übersichten über Karrieren relevanter (und detaillierter greifbarer) Akteure sowie Kurzangaben über Dienststellungen anderer Beteiligter sind dem Quellenkonvolut bzw. einschlägigen Quelleneditionen und Handbüchern entnommen und werden nicht gesondert nachgewiesen. Die ausführlicheren Zusatzangaben sind aus pragmatischen Gründen weitgehend auf indische und sowjetische 84 Vgl. Belokrenickij, Vostok; Krysin/Skorochodova, Istorija; Belokrenickij/Naumkin, Istorija vostoka 6; Silin, Strategičeskij balans; Kuznecov, Tibet; Stepanov, Politika; Krysin, Kašmirskaja problema. Weiter greifend dagegen Jurlov/Jurlova, Istorija Indii. In anderen post-sowjetischen Republiken findet das Thema, soweit ich sehe, (noch) keine spezielle Aufmerksamkeit. Vereinzelte Arbeiten liegen, wenn, dann in den neuen Nationalsprachen vor. 85 Vgl. dagegen die Fülle an neuerer aussagekräftiger Literatur zu anglo-amerikanischen Beziehungen mit Südasien oder Arbeiten zu allgemein internationalen Beziehungen der UdSSR (oder Chinas) im Kalten Krieg, u. a. Wainwright, Inheritance; Singh, The limits; Madan, With an eye; Smith, Conflicting commitments; Hack, Defence; Darwin, Britain; Reynolds, Britannia; Heinlein, British government policy; Klein, Cold war orientalism; McMahon, The cold war; Merrill, Bread; McGarr, The cold war; Rotter, Comrades; Pullin, Money; Zhang, Economic cold war; Chen, Mao’s China; Radchenko, Two suns; Lüthi, The Sino-Soviet split; Ali, Cold War; Boden, Die Grenzen.

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Einleitung

Handelnde beschränkt. Das Personenregister gibt die ersten Fundstellen der zusätzlichen biografischen Daten an. Daher entfallen in der Regel solch weiterführende Angaben bei wiederholter Namensnennung. Verwenden die Quellen reine Dienstbezeichnungen ohne Namensnennung, so wird dies der Einfachheit halber in den Nachweisen übernommen. Die vorliegende Monografie stellt eine überarbeitete und gekürzte Version meiner Habilitationsschrift dar, die 2015 von der Helmut Schmidt Universität angenommen wurde. Die gesamte Studie wäre ohne die großzügige Unterstützung von Seiten zahlreicher Institutionen und Personen nicht zustande gekommen. Mein Dank gilt den Deutschen Historischen Instituten in London und Moskau, die mir längere Forschungsaufenthalte in Großbritannien und Russland ermöglicht haben. Ich danke der Gerda Henkel Stiftung, die Archivreisen nach Indien und innerhalb Deutschlands finanzierte sowie den Druck unterstützte. Dem Roosevelt Study Center bin ich dafür dankbar, dass es mir ein Stipendium für einen mehr­ wöchigen Studienaufenthalt im niederländischen Middleburg gewährte. Alle Einrichtungen haben nicht nur substantielle finanzielle Unterstützung gewährt, sondern auch den langwierigen Forschungs- und Schreibprozess mit verständnisvoller Geduld begleitet. Für die Möglichkeit, das Projekt oder Teile hiervon zur Diskussion zu stellen, für die Bereitschaft, einzelne oder sogar alle Kapitel der Studie zu kommentieren, für Anregungen, konstruktive Kritik, für Hinweise auf und Zugang zu Quellen oder für organisatorische Hilfestellungen danke ich besonders Kirsten Bönker, Sandra Dahlke, Amit Das Gupta, Andrej Doronin, Jost Dülffer, David C. Engerman, Marc Frey, Il’ja Gajduk (†), Andrea Graziosi, Michael Jonas, Nikolaus Katzer, Freddy Litten, Lorenz Lüthi, Rudolf Mark, Vojtech Mastny, Robert McMahon, Stephan Merl, Bogdan Musial, Sabrina Nowack, Julia Obertreis, Christian Ostermann, Tanja Penter, Eric D. Pullin, Srinath Raghavan, Giles Scott-Smith, Vijay Singh, Bernd Stuchtey, Hari Vasudevan, Bernd Wegner, Roland Wenzlhuemer und Jeremiah Wishon. Bernd Schäfer und seiner Familie in Washington, Nikita Petrov, Irina und Dima Šmelev in Moskau bin ich sehr dankbar dafür, dass sie alles getan haben, damit ich mich auf diesen Archivreisen heimisch fühlen konnte. Der Herausgeberin und den Herausgebern der Reihe bin ich zu Dank dafür verpflichtet, dass sie die Monografie in ihre Serie aufgenommen haben. Dem Böhlau Verlag danke ich für die kompetente und freundliche Betreuung.

2. Sowjetisch-indische Beziehungen 1917 bis 1947: Orientierungen im neuen Jahrhundert

2.1. 1917 bis 1941: Fremde Welten Bis in die 1940er-Jahre hinein konnte es keine offiziellen Beziehungen zwischen der indischen Nationalbewegung und dem sowjetischen Staat geben. Die britische Kolonialmacht hatte kein Interesse an Verbindungen Britisch-Indiens nach Moskau. Darüber hinaus behinderte sie aus wohlverstandenem Eigeninteresse heraus auch indische gesellschaftliche Kontakte zur UdSSR nach Kräften. Die am Weltgeschehen interessierte und in derlei Fragen aktive indische Öffentlichkeit stellte ohnehin nicht mehr als eine verhältnismäßig kleine Gruppe innerhalb der schmalen gebildeten Oberschicht dar.1 Im Indischen Nationalkongress (INC) – und in der Liga – waren sich verschiedene Führungspersönlichkeiten durchaus der Bedeutung internationaler Verbindungen oder Diskurse für ihre eigene Sache bewusst. Diese Einsicht setzte sich jedoch im Alltagsgeschäft des INC nicht weitflächig durch und führte lediglich zu isolierten Aktivitäten in Richtung Sowjetunion.2 Zudem konnten sich die indischen Nationalisten nur auf eine dürre Presseberichterstattung stützen, um außenpolitische Entwicklungen zu verfolgen: Noch 1947 gab es keinen indischen Korrespondenten in Moskau.3 Insgesamt hielten sich die indischen Medien, sofern international interessiert, im Wesentlichen an eine antisowjetische Linie, die mit der briti-

1 Auch nach den Reformen von 1935 waren nur rund 15 % der Inder wahlberechtigt. Als Indikatoren der sozialen Schichtung können das Verhältnis von Stadt- und Landbevölkerung (82,3 % Landbevölkerung 1951) und die hohe Analphabetenrate (1951: 84 % insgesamt, 92 % unter der weiblichen Bevölkerung) dienen, vgl. zusammenfassend Chandra/Mukherjee/Mukherjee, India, S. 14–23; Rothermund, Indien, S. 85 f.; Framke, Delhi, S. 15–24. Zum geringeren Stellenwert außenpolitischer Fragen in der Nationalbewegung der 1920er- und 1930er-Jahre vgl. Singh, Between two fires 1, S. 4–133; Dixit, Across borders, S. 9–18, 31 f. Exemplarisch Prasad, Autobiography. 2 Vgl. Iqbal Singh, Between two fires 1, S. 20–144; Manela, Wilsonian moment, S. 78 f., 91–97, 163 f., 174 f.; Bakshi, Russia, S. 1 f. 3 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an Secretary to the Cabinet, 25.4.1947, BLIOR, L/ PS/12/4639A.

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Sowjetisch-indische Beziehungen 1917 bis 1947

schen Sicht konform ging.4 Die wenigen positiveren Schlaglichter auf sowjetische wirtschaftliche Entwicklungen zeigten wiederum kein Verständnis für den revolutionären respektive bolschewistischen Gesamtkontext.5 Unter den Bedingungen britischer Zensur und Herrschaft standen der indischen Nationalbewegung kaum verlässliche alternative Informationsquellen über die UdSSR zur Verfügung.6 Blätter der jungen CPI oder anderer linker radikaler Sympathisanten mit ihren undifferenzierten Lobhudeleien über einen Staat, den die jeweiligen Autoren nie gesehen hatten, erreichten kein breiteres Publikum.7 Besuche nichtoffizieller indischer Persönlichkeiten in der Sowjetunion – wie von Vater und Sohn Nehru 1927 oder Rabindranath Tagore 1930 – waren die Ausnahme.8 Eine originär indische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Osteuropa einschließlich der UdSSR fand nicht statt.9 Die indische Rezeption kultureller Leistungen blieb im Kern auf einige wenige, politisch interessierte Persönlichkeiten beschränkt. Für den Bereich der Literaturkontakte spielten etwa linke literarische Strömungen in Bengalen eine – wohl nicht wirklich bedeutende – Rolle. Daneben machte es sich die Anfang der 1930er-Jahre gegründete Progressive Writers’ Association (PWA) zur Aufgabe, jenseits eng4

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Zur Dominanz von Reuters vgl. Raghavan, The press, S. 64 ff., 74–85, 113–125. Indischen Konkurrenzagenturen ging es v. a. um eine adäquate Berichterstattung über die indische Nationalbewegung, vgl. Agrawal, Press, S. 150 f., 161, 164–173; Nehru, Sowjetrussland, S. 15 f., 18 f. Zur indischen Presselandschaft insges. vgl. Framke, International events, S. 49, Anm. 3; Framke, Delhi, S. 18 f. Vgl. Agrawal, Press, S. 150 f., 166 f., 173 f., 180 f. Vgl. Brief Tagore, 25.9.1930, in: ders., Letters, S. 13 f.; Nehru, Sowjetrussland, S. 18 f.; Zaheer, The light, S. 3; Briefwechsel einzelner Inder mit VOKS, 1928 bis 1933, in: Indo-Russian relations II, Roy u. a. (Hg.), S. 1–25. Vgl. Mitrokhin, Everest. Vgl. Nehru, Sowjetrussland; Tagore, Letters; D. Vasil’ev, O namerenii Tagora. Dazu kamen einige wenige andere isolierte Einzelreisende, die das Gesamtbild nicht änderten, vgl. Nehru an Namboodiripad, 13.1.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 854; Kotovskij (Hg.), SSSR, S. 68–75. Die Besuchsmöglichkeiten waren unter den Bedingungen des Stalinismus und aufgrund der angespannten sowjetisch-britischen Beziehungen selbst für indische Kommunisten, der CPI nahestehende Persönlichkeiten oder Linke anderer Parteien äußerst eingeschränkt. Subhas Chandra Bose etwa erhielt Ende 1935 kein Visum für die UdSSR. Der Grund hierfür lag möglicherweise in seiner früheren Kritik an der sowjetischen Politik und seinen Vergleichen zwischen Kommunismus und Faschismus. Dass die UdSSR Bose 1941 den Transit aus Afghanistan nach Berlin ermöglichte, war allein dem Drängen der deutschen Seite zu verdanken, vgl. Bose, His Majesty’s opponent, S. 104, 195–198; Bose/Bosem (Hg.), Netaji, Bd. 2, S. 350–353. Motilal Nehru, u. a. 1928–1929 Präsident INC; Rabindranath Tagore, bengalischer Schriftsteller, 1913 Nobelpreisträger für Literatur; Subhas Chandra Bose, u. a. 1938–1939 Präsident INC, 1943–1945 Chef der Provisorischen Unabhängigen Indischen Regierung (Japan) und der Indischen Nationalsarmee. Vgl. Chakraborty, Russian Studies; Kumar, Indian view, S. V–VIII; Sinha, Science, S. 50 f., 193 f.

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lischer Übersetzungen russischer Klassiker Werke sowjetischer Autoren nach Indien zu bringen. Die Gründung der PWA ging auf die Initiative linker, vornehmlich nordindischer Schriftsteller aus der Urdu-schreibenden Oberschicht zurück. Sie verstanden sich als engagierte, eigenständige Schriftsteller und keineswegs als verlängerter Arm Moskaus.10 Popularität gewannen die von ihnen vorgestellten Literaten indes vor allem bei Gesinnungsgenossen.11 Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass beispielsweise TASS-Korrespondent Oleg Orestov, der 1944 nach Indien kam, Fragen gestellt wurden, die eine abgrundtiefe Unkenntnis des Gros der indischen Bevölkerung über die UdSSR enthüllten.12 Einschätzungen der wenigen Vertreter der indischen Öffentlichkeit, die unter den gegebenen Umständen mit genaueren Kenntnissen über die sowjetischen Entwicklungen aufwarten konnten, waren ambivalent. Die Berichte von Nehru und Tagore über ihre Aufenthalte in der UdSSR führen vor Augen, dass indische Kritiker des British Empire mit einer Mischung aus Faszination und Distanz auf das bolschewistische Projekt blickten. Dessen Verheißung nationaler Emanzipation und wirtschaftlicher Prosperität konnte in der indischen Situation der 1930er-Jahre eine gewisse Attraktivität entfalten. Gewaltmaßnahmen und -charakter des Regimes stießen jedoch bereits jetzt auf Ablehnung.13 In der politisierten Öffentlichkeit Indiens gewannen in den 1930er-Jahren generell linke Ansichten aller Schattierungen an Bedeutung. Hiervon zeugten neben der PWA die Gründung der Congress Socialist Party (CSP, 1934), der Aufschwung von Gewerkschaften (AITUC) und Bauernorganisationen (All-India Kisan Sabha) sowie Kontakte führender Vertreter des INC zur jungen, die meiste Zeit illegalen CPI.14 In den Gesellschaftskreisen von Zentren wie Bombay gehör10 Bezeichnenderweise entstand das Manifest der Bewegung in London. Vgl. insgesamt die Dokumentation in: Pradhan (Hg.), Marxist Cultural Movement II und III; Prakash, Mumbai, S. 119–157; Russell, Leadership, S. 71, 73 f., 77–79; Gopal, Literary radicalism, S. 15 ff., 124 ff.; Malik, The marxist literary movement; Ali, The progressive writers’ movement; Das, A history, S. 86–90, 170–173, 223–227; Coppola, The All-India Progressive Writers’ Association; Zaheer, The light, S. VII–XIX, 5–7, 85–87, 129 f.; Machwe, A personal view; Waltz, The Indian People’s Theatre Association; Dasgupta, Rhyming revolution; Kotovskij (Hg.), SSSR, S. 75–89. 11 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Abbas in SSP, 28.10.1954, Russisches Staatsarchiv für Literatur und Kunst, Moskau (RGALI), f. 631, op. 26, d. 5137. 12 Orestov, Sem’ let, S. 225 f. 13 Vgl. Anm. 8; Manela, Wilsonian moment, S. 174 f. 14 Vgl. allg. Overstreet/Windmiller, Communism; Kautsky, Moscow; Chowdhuri, Leftism; Gupta, The agrarian drama; Donaldson, Soviet policy, S. 47 ff.; Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 161– 163, 311–318. Für die Frühzeit ferner Dmitriev, Indian revolutionaries; Shah, Muslim freedom fighters; Persic, Revoljucionery; Sardesai, Velikij oktjabr’.

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ten marxistische Denkansätze in diesen Jahren zum akzeptablen Gedankengut. Entsprechende Moden der bright boys der reichen Familien mochten sich während ihrer Studien in England zur Überzeugung verfestigen.15 Die Anziehungskraft lag hier ebenfalls darin begründet, dass linke Ideengebäude immer auch auf antikolonialen Fundamenten ruhten. Im Umkehrschluss konnten indische Kommunisten nur unter Anerkennung des Primats der Unabhängigkeitsbestrebungen als Teil der breiten Bewegung agieren. Auf der internationalen Bühne übersetzte sich eine allgemeine Begeisterungsfähigkeit für Linkstendenzen keineswegs automatisch in Enthusiasmus für sowjetische Aktivitäten.16 Moskaus Politik trug dazu bei, dass sich die indische Nationalbewegung von der UdSSR nicht sehr viel erwartete. Ungeachtet globalrevolutionärer Ideen, die russische Spitzen in den ersten Phasen der Oktoberrevolution punktuell formulierten, zeigte die sowjetische Diplomatie in den Folgejahren kein besonderes Interesse an den Entwicklungen in den britischen Kolonien.17 Dem entsprach, dass sich der erste sowjetische Korrespondent in Indien überhaupt nicht vor August 1942 akkreditieren ließ.18 Die Komintern erwies sich als untaugliches Instrument, um der UdSSR in Indien Gehör und Einfluss oder um Moskau einen tiefen Einblick in die indische Gesamtsituation zu verschaffen. Ein wesentlicher Teil der internationalen kommunistischen Verbindung lief über britische Kommunisten bzw. über Inder, die in der Metropole des British Empire ihre Heimat gefunden hatten.19 Indische Komintern-Funktionäre, die in Moskau arbeiteten, waren ebenso wenig in Indien verankert.20 Emissäre von und nach Indien waren äußerst selten unterwegs, ihre Informationen mitunter wenig aktuell und letztlich an der Komin15 Vgl. Thapar, All these years, S. 5–7, 13–15; Krishnan, Testament, S. 46–54, 114–120, 141 f.; Sen Gupta, S. A. Dange, S. 548; Zaheer, The light, S. 287 f.; Sen, A traveller, S. 3–16, 58 f.; Moscovitch, Harold Laski’s Indian students; Weiner, Party politics, S. 117–232; Gajrani/Ram, Aruna Asaf Ali, S. 5 f., 17, 203 f., 246–254. 16 Vgl. Nehru, Sowjetrussland; Nehru, An autobiography, S. 377–380; Nehru, Glimpses, S. 989– 1005; Dutt/Robinson, Rabindranath Tagore, S. 296–299; Agrawal, Press, S. 150 f., 173 f.; Bose, His Majesty’s opponent, S. 82 f., 87 f., 97 f., 131 f., 197 f. 17 Vgl. Vermerk über Gespräch India Office, Morley, mit erstem Sekretär und Presseattaché sowjetische Botschaft London, Zinčenko, 25.6.1942, BLIOR, L/I/1/1089. Indische Unabhängigkeitsaktivisten in London oder in Westeuropa pflegten offenbar keine bemerkenswerten Kontakte mit der sowjetischen Diplomatie, vgl. Varkey, V. K. Krishna Menon, S. 1–32. 18 Vgl. GoI, External Affairs Dpt., an SoS for India and Burma, 25.1.1943, NAK, FO 371/36977. 19 Vgl. Overstreet/Windmiller, Communism, S. 82–100; Callaghan, Rajani Palme Dutt, S. 154 ff.; Owen, The British left, S. 211 ff., 255 ff. 20 Zu Genese und Politik der indischen kommunistischen Partei sowie zu den Komintern-Aktivitäten nach Indien vgl. neben den in Anm. 14–15 genannten Titeln Gupta, Comintern; Roy, M. N. Roy; ders., The twice-born heretic; Imam, Colonialism; Indo-Russian relations, Roy

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tern-Linie ausgerichtet.21 Die Bolschewisierung der Komintern belastete die fragilen Kontakte zusätzlich. In ihrem Verlauf wurde 1929 der ehemals prominente Mitstreiter M. N. Roy ausgeschlossen.22 1931 brach die Komintern die in der Liga gegen Imperialismus institutionalisierten Beziehungen zu Jawaharlal Nehru ab.23 Infolge des Linksrucks stufte die von Moskau kontrollierte internationale kommunistische Bewegung die indische Unabhängigkeitsbewegung zum bourgeoisen Manöver herab, das die weltweiten antisowjetischen Kräfte unterstützen sollte. Schließlich machte Stalins Terror auch vor indischen Kommunisten in Moskau nicht halt. Ihm fielen mehrere indische Emigranten zum Opfer, darunter bekannte Persönlichkeiten wie Abaninath Mukherjee oder Virendranath Chattopadhyaya.24 Beide waren in den 1930er-Jahren auch in den sowjetischen Wissenschaftsbetrieb eingebunden. Ihr Schicksal steht damit zugleich für die stalinistische Verfolgung der sowjetischen Human- und Sozialwissenschaften. Wie in anderen Fachbereichen, so arbeitete die Politik seit Anfang der 1930er-Jahre daran, in den Orientwissenschaften ihren Kontroll- und Leitungsanspruch flächendeckend durchzusetzen. Die relevanten Forschungseinrichtungen wurden auf Unionsebene zentralisiert und ihre Tätigkeit strikterer Planung und Aufsicht unterworfen.25 Eine nicht unerhebliche Zahl sowjetischer Orientalisten und Indologen ging in den blutigen Verfolgungen der späten 1930er-Jahre unter,

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u. a. (Hg.); Singer, Peasants; Roy, M. N. Roy’s memoirs; Donaldson, Soviet policy, S. 7 ff.; Squires, Saklatvala; Politbjuro CK RKP (b) – VKP (b) i Komintern, hier S. 270 f., 392 f., 514, 545 ff., 754 ff.; Banac (Hg.), The diary, S. 126. Vgl. Memorandum Achar Singh China, November 1940, in: Indo-Russian relations 2, Roy u. a. (Hg.), S. 309–347. Manabendra Nath Roy, u. a. Mitbegründer der mexikanischen und indischen KP (Tasˇkent 1920), Funktionär der KI, 1927 Leiter der KI-Delegation nach China. Vgl. Nehru, An autobiography, S. 173 f.; Brecher, Nehru, S. 109–120; Brown, Nehru (2003), S. 81–84. Vgl. Gupta, Comintern, S. 271–275; Barooah, Chatto, S. 321–325. Santanu Banerjee, Stalin’s Indian victims, in: The Indian Express, 28.9.2003, http://www.indianexpress.com/storyOld. php?storyId=32362 (letzter Zugriff: 10.4.2018), spricht von insgesamt 45 Opfern. Kurzbiographien in: Vasil’kov/Sorokina (Hg.), Ljudi. 1956 hatte sich das MID mit offiziellen Suchanfragen der indischen Regierung auseinanderzusetzen. Es teilte beispielsweise am 26.10.1956 der indischen Botschaft mit, dass Mukherjee gemäß Information »kompetenter Organe« als sowjetischer Staatsbürger in der UdSSR »verstorben« sei, AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 6, l. 65. Abaninath Mukherjee, u. a. 1920 Mitbegründer der Tasˇkenter CPI, Delegierter KI-Kongresse 1920–1921, Mitarbeiter des IVAN; Virendranath Chattopadhyaya, u. a. Mitglied KPD (!), Mitarbeiter KI, Delegierter KI-Kongress 1921. Vgl. Smiljanskaja/Romanova/Naumkin, Predislovie; Sahai-Achuthan, Soviet Indologists. Allg. vgl. Tolz, Russian academicians, S. 26–86, 115–122; Hirsch, Empire, S. 139 f., 214 f.; Kemper, Red Orientalism.

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sei es wegen ihres fachlichen Interesses am Ausland, wegen persönlicher Nähe zu Einrichtungen der sowjetischen Außenbeziehungen (Komintern, KUTV, VOKS, NKID, OGPU u. a.), wegen einer beharrlichen Verfolgung traditioneller Forschungsschwerpunkte oder aufgrund institutioneller Bindungen an Leningrad.26 Die Säuberungen demonstrierten, dass die unabhängige Fachinformation in Stalins UdSSR weder gewünscht noch möglich war. Das Credo einer »fortschrittlichen« sowjetischen Orientalistik formulierte der Chefredakteur des Fachblatts Sovetskoe Vostokovedenie 1940: Sie hatte »im Kampf mit bourgeoisen Konzeptionen« »den Osten, der aus jahrhundertelangem Schlaf erwacht und in den Kampf mit dem Weltimperialismus eingetreten ist, zu studieren und mit ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit den Völkern des ausländischen Ostens in ihrem Kampf um nationale Befreiung, um die Schaffung einer neuen, nationalen Kultur, zu helfen«.27 Analog zur Wissenschaft konnte es im kulturellen Bereich der UdSSR bis Ende der 1930er keine dauerhaften Ansätze zu einer künstlerisch eigenständigen und gültigen Auseinandersetzung mit Indien geben. Für die gesamte Literatur galt, was R. H. Stacy für die Poesie formuliert hat: »[I]n the great gray mass of officially recognized Soviet poetry in that long, dreary period that sets in after the penultimate reverberations of symbolism and its successor movements had faded away, and, especially, after the dread effects of ›socialist realism‹ became apparent, though we continue to find allusions to India, these are apt to be either crude, commonplace, or maudlin«.28 Später erinnerten sowjetische Akteure aus ihren (vor-)sowjetischen Kinder- und Jugendbüchern nur Geschichtchen über 26 Unter den Indologen sind für die späten 1930er-Jahre mindestens fünfzehn Opfer des Stalinismus dokumentiert, von denen neun ermordet, die übrigen zu Haft oder Verbannung verurteilt wurden. Einzelne Verhaftungen und Verurteilungen von sowjetischen Asienexperten setzten bereits in den 1920er-Jahren ein. Mehrheitlich waren von den Säuberungen offenbar Spezialisten, die sich mit Fragen innersowjetischer Regionen beschäftigten, sowie Sinologen, Japanologen, Turkologen und Iranwissenschaftler betroffen, vgl. Vasil’kov/Sorokina (Hg.), Ljudi; Duda, Jenö Varga, S. 134–137; Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 78; Šastitko, Predislovie (O kollegach), S. 3–6; ders., Predislovie (Slovo), S. 3–7; Eran, Mezhdunarodniki, S. 23 ff.; Serebrjanyj, Drevneindijskaja literatura, S. 378 f.; Simonija, Gafurov, S. 75 f. Zu einzelnen Persönlichkeiten vgl. Neizvestnye stranicy 2, S. 62–124 und S. 125–147 sowie Neizvestnye stranicy 1, S. 39–81, 82–107. Zu parallelen institutionellen Umorganisationen vgl. Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 70–102; Kononov, Vostočnyj fakul’tet, S. 25 f.; Sahai-Achuthan, Soviet Indologists, S. 325 ff. 27 Barannikov, Očerednye zadači, S. 5 f., 9 f. In den ersten beiden Jahrgängen der Zeitschrift (1940 und 1941) bemühte man sich noch um eine Verbindung von Klassik und Aktualität, vgl. Jahrgang 1 (1940), S. 235–254 (Rezensionen); Barannikov, O nekotorych položenijach; Beskrovnyj, Dviženie. 28 Stacy, India, S. 83 f.

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Dschungel und Tiger.29 Sie hinterließen allerdings mehr Eindruck als das bereits aus der Zarenzeit bekannte Gesamtwerk des indischen Literaturnobelpreisträgers Tagore, das im Kontext der internationalistischen Erziehung auch sowjetischen Lesern, doch nun in spezifisch »progressiver« Interpretation, zugänglich blieb.30 Letztlich schnitten Zensur und Säuberungen der 1930er-Jahre in allen Bereichen endgültig internationale Kontakte sowie Deutungen ausländischer Prozesse ab, die sich außerhalb der von der Parteispitze vorgegebenen Kanäle und Sichtweisen bewegten.31 Die gesellschaftliche Partizipation an der Ausgestaltung internationaler Beziehungen der UdSSR war eine bloße Chimäre. Im Fazit blieb der Subkontinent für sowjetische Beobachter aller Schichten und Ebenen eine terra incognita zweitrangiger Bedeutung. Vage, exotische Verklärungen, hohle internationalistische Appelle oder punktuelle Verbeugungen vor von Moskauer Kulturbürokraten definierten Kulturleistungen konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Subkontinent auf der sowjetischen internationalen Landkarte ein weißer Fleck war.

2.2. 1941 bis 1947: Umkreisungen Der Angriff Hitler-Deutschlands auf die UdSSR schmiedete inner- und außerhalb Indiens unerwartete Allianzen. Damit änderten sich die außenpolitischen Rahmenbedingungen für die sowjetisch-indischen Beziehungen. Das Government of India (GoI), das India Office sowie die britische Diplomatie mühten sich nun, via Presse und offiziellen Vertretern ein positives Bild Britisch-Indiens als unverzichtbaren Bestandteil eines erfolgreichen, soliden und wohlwollenden British Empires in die UdSSR hineinzutragen.32 Britische Offizielle setzten in diesem Zusammenhang unter anderem darauf, durch eine sorgsame Anleitung des ersten TASS-Korrespondenten in Indien, P. Gladyšev, der UdSSR 29 Vgl. Pudovkin, Poezdka, S. 304; Tursun-Zade, O sebe, in: ders., Izbrannye proizvedenija 2, S. 3–8, hier S. 7 f.; Sánchez-Sibony, Red globalization, S. 283. 30 Vgl. Stacy, India, S. 66–93. Gor’kijs Bibliothek der Weltliteratur konzentrierte sich auf traditionelle Klassiker, vgl. Kjetsaa, Maxim Gorki, S. 244 f.; M. Gor’kij, Keldyš u. a. (Hg.), S. 142–161, 293–309. 31 Symptomatisch hierfür war die begrenzte Zahl von Institutionen, die ungeprüft ausländische Literatur nutzen durften, vgl. Bljum (Hg.), Cenzura, S. 279 f. 32 Vgl. SoS for India and Burma an GoI, External Affairs Dpt., 29.6.1942, BLIOR, L/PS/12/4036; britische Botschaft Moskau (Kujbyšev) an Ministry of Information, 8.1.1943, sowie Antwort, 25.1.1943, NAK, FO 371/36977; GoI, Dpt. for Information and Broadcasting, Shah, an India Office, Morley, 11. und 31.7.1944, NAK, FO 371/43320.

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das korrekte »Verständnis« für Indien und das Raj zu vermitteln.33 Das GoI organisierte für den Journalisten Rundreisen in ausgewählte Regionen Indiens sowie Gespräche mit loyalen Angehörigen des Empire. Sporadische Kontakte ­Gladyševs zur Opposition wurden dagegen mit Misstrauen betrachtet.34 Darüber hinaus scheute die britische Zensur nicht davor zurück, in Gladyševs Berichterstattung nach Moskau einzugreifen.35 Die britisch-indischen Bemühungen stießen bis 1945 auf sowjetischer Seite auf wenig Resonanz. Die sowjetische Presse fuhr fort, den Subkontinent weitgehend zu ignorieren.36 Gladyšev selbst irritierte seine britischen Betreuer in Indien immer wieder damit, dass er sich vor allem an (positiven) indischen Äußerungen über die UdSSR interessiert zeigte.37 Zu den in London respektive New Delhi geplanten Besuchen offizieller Delegationen aus Indien in der Sowjetunion ist es im Krieg aufgrund Moskauer Desinteresses und fehlender indischer Finanzmittel offenbar nicht gekommen.38 Darüber hinaus weigerten sich die sowjetischen Behörden bis Mai 1945 standhaft, in der UdSSR offiziöse Dokumentationen und Filme über Indien zu zeigen.39 Diese Informationspolitik korrespondierte mit der sowjetischen Linie, den eigenen Bürgern möglichst wenig Zugang zu ausländischen Medien, Verlautbarungen, Nachrichten und Eindrücken aller Art zu gewähren und die Deutungshoheit über das internationale Geschehen zu monopolisieren.40 Es war hierfür symptomatisch, dass 33 Vermerk für GoI, External Relations Dpt., Publicity Officer Oberst Wheeler, über Gladyševs Exkursion in den Punjab und den North West Frontier District, 3.3.1943, NAK, FO 371/36977. 34 Ebd. 35 Vgl. GoI, External Affairs Dpt., an SoS for India and Burma, 25.1.1943, BLIOR, L/PS/12/4036. 36 Vgl. Ministry of Information an India Office, Morley, 12.2.1943, BLIOR, L/I/1/1089; FO an Morley, 20.2.1943, ebd.; Shah an India Office, Morley, 11.7.1944, NAK, FO 371/43320; Vermerk Ministry of Information, 12.9.1945, BLIOR, L/PS/12/4036. 37 Vgl. Vermerk India Office, Januar 1943, BLIOR, L/I/1/1089; Telegramme GoI, Dpt. for Information and Broadcasting, 15.10.1942 sowie GoI, External Affairs Dpt., an SoS for India and Burma, 25.1.1943, ebd. sowie NAK, FO 371/36977. 38 Vgl. Vermerk für GoI, External Relations Dpt., Publicity Officer Oberst Wheeler, über Gladyševs Exkursion in den Punjab und den North West Frontier District, 3.3.1943, NAK, FO 371/36977; britische Botschaft Moskau an FO, 23.10. und 22.11.1945, BLIOR, L/PS/12/4036 sowie NAK, FO 371/47892. Zu einer CPI-lastigen goodwill-Mission aus Indien ist es 1942/1943 entgegen der Annahme von Overstreet/Windmiller, Communism, S. 570, aufgrund des britisch-indischen Einspruchs nicht gekommen, vgl. Briefwechsel GoI, FO und britische Botschaft Moskau, 1943, NAK, FO 371/36993; Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 104 f. 39 Vgl. britische Botschaft Moskau an Ministry of Information, 17.5.1945, BLIOR, L/PS/12/4036. 40 Vgl. zum Zensurwesen u. a. Agitprop ZK, Aleksandrov/Fedoseev, an ZK-Sekretär Ščerbakov, 5.5.1944, in: Babičenko (Hg.), Literaturnyj front, S. 132–134; Glavlit an Molotov und Malenkov, 26.10.1945, in: Bljum (Hg.), Cenzura, S. 326 f.; Bericht britische Botschaft Moskau (Kujbyšev) über sowjetische Vorlesung über Indien, 20.6.1942, BLIOR, L/I/1/1089. Georgij Fedorovič Alek-

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das Politbüro im Februar 1943 die Zeitschrift Inostrannaja Literatura einstellte.41 Im Bereich der Wissenschaft beklagte sich Jenő Varga, Leiter des Instituts für Weltwirtschaft und Weltpolitik, 1945 ganz allgemein über die schlechte Versorgung mit Literatur zu aktuellen internationalen Entwicklungen.42 Vereinzelte Stippvisiten sowjetischer Wissenschaftler auf Bitten des GoI konnten und sollten nicht dazu beitragen, die sowjetische Indienforschung zu beleben.43 Für die Jahre 1941 bis 1945 wies die sowjetische Wissenschaftslandschaft so gut wie keine Publikationen auf, die etwas anderes als Indiens Rolle im Zweiten Weltkrieg behandelten.44 Der institutionelle Ausbau der allgemeinen Orientwissenschaften, der 1944 einsetzte, entfaltete erst nach 1945 Wirkung.45 Künstlerische Auseinandersetzungen gleich welchen Niveaus mit dem indischen Thema fanden in der UdSSR während des Kriegs nicht mehr statt. In allen Bereichen konzentrierte sich das »[wachsende] Interesse der sowjetischen Öffentlichkeit an Indien« allein auf den britisch-indischen Beitrag zum verzweifelten Kampf gegen Hitler-Deutschland.46 Dies war zu wenig, als dass sich britische Ideen, sandrov, u. a. 1940–1947 Leiter ZK-Abt. für Agitation und Propaganda, 1947–1954 Direktor Philosophieinstitut AN, 1954–1955 Kulturminister; Petr Nikolaevič Fedoseev, u. a. 1943–1946 erster stellv. Leiter ZK-Abt. für Agitation und Propaganda, 1945–1949 Chefredakteur von Bol’ševik. 41 Vgl. Beschluss Politbüro, 18.2.1943, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 485. 42 Vgl. Aleksandrov/Fedoseev an ZK-Sekretär Malenkov, 3.7.1945, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 25 f. Jenö Varga, 1927–1947 Leiter des Instituts für Weltwirtschaft und Weltpolitik der AN. 43 Konkret ging es jeweils um Fragen im Gesundheits- und Versorgungswesen, vgl. GoI, Dpt. for Information and Broadcasting, an SoS for India and Burma, 13.6.1943, BLIOR, L/I/1/1089; Schriftwechsel FO, GoI und britische Botschaft Moskau, Ende 1944, NAK, FO 371/43320; FO an britische Botschaft Moskau, [22].2.1945, NAK, FO 371/47892; Schtscherbinowski, Der »Tag der Unabhängigkeit«. 44 Vgl. Bibliografija Indii (1965 und 1976); Shah an India Office, Morley, 11.7.1944, NAK, FO 371/43320; Vermerk Ministry of Information, 12.9.1945, BLIOR, L/PS/12/4036; Imam, Colonialism, S. 446–453. Die zweite Ausgabe der Fachzeitschrift Sovetskoe Vostokovedenie ging vier Wochen vor dem deutschen Überfall in Druck, Band 3 erschien erst nach Kriegsende. 45 1944 eröffneten die Universitäten in Taškent, Baku und Tbilissi in ihren Historischen und Philologischen Fakultäten eigene »Orientabteilungen«. Das IVAN wurde ab August 1941 aus Leningrad größtenteils nach Taškent evakuiert. Ab Winter 1942/1943 siedelten verschiedene Mitarbeiter des Instituts nach Moskau über. Sie betrieben die Gründung einer »Moskauer Gruppe« des IVAN, die sich 1943 konstituierte und 1946 zu einer Abteilung des IVAN aufgewertet wurde, vgl. Kononov, Stoletie, S. 88; Tamazišvili, Akademik I. Ju. Kračkovskij; Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 104 f., 113–116; Rodionov, Profiles, S. 52 f.; Marachonova (Hg.), Vospominanija, S. 320 f., 326. 46 Vermerk britische Botschaft Moskau (Kujbyšev), 20.6.1942, BLIOR, L/I/1/1089. Vgl. stellv. Vors. Parteikontrollkommission, Škirjatov, an Stalin u. a., 29.10.1942, über Vortrag und Diskussion mit A. N. Tolstoj vor Autoren, in: Kudrjašov (Hg.), Vojna 1941–1945, S. 178–183, hier S. 183.

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die Kriegsbeziehungen zu einer nachhaltigen propagandistischen Stärkung des Empire zu nutzen, hätten verwirklichen lassen.47 Dafür gewann das Interesse der indischen Öffentlichkeit an der UdSSR durch den Krieg neuen Auftrieb. Angesichts der militärischen und bündnispolitischen Entwicklungen konnten Inder ab 1941 ihr Interesse und »Neugier […] an nahezu allen Aspekten russischen Lebens« offen zeigen.48 Ab 1941 riefen in diversen Städten Britisch-Indiens prominente Bürger aller Couleur Gesellschaften der Freunde der Sowjetunion ins Leben. 1944 fand der erste gesamtindische Kongress der lokalen Vereinigungen mit rund 2000 Teilnehmern statt. Gegen Kriegsende existierten derartige Clubs in 22 Städten Indiens.49 Es wäre eindeutig verfehlt, unter den Mitgliedern dieser Organisationen nur aufrechte Kommunisten oder indische Nationalisten zu vermuten. 1943 waren etwa die Führungspersönlichkeiten der 350 Mann starken Gesellschaft der Freunde der Sowjetunion in Lahore allesamt Nicht-Inder.50 Der gesamtindische Kongress 1944 erhielt Grußtelegramme sowohl des INC als auch der Liga und der CPI, und hochrangige Kongressvertreter nahmen an den Veranstaltungen teil. Ihren ursprünglich breiten Charakter verlor die Bewegung erst nach dem Krieg im Zuge der Radikalisierung der indischen Kommunisten.51 Auf der anderen Seite finden sich in den Quellen durchaus Hinweise darauf, dass einzelne Inder sich von einer antiimperialistischen Sowjetunion in der Nachkriegszeit Rückendeckung für die Unabhängigkeitsbewegung erwarteten. Die Presse, Memoiren und der rudimentäre Briefwechsel indischer Privatpersonen mit der sowjetischen Kulturgesellschaft VOKS offenbaren eine Mischung aus genuiner Neugier, prosowjetischer politischer Einstellung, Bewunderung für 47 Vgl. britischer Botschafter Moskau, Kerr, an Eden, 16.11.1944, NAK, FO 371/43320; Vermerk Ministry of Information, 12.9.1945, BLIOR, L/PS/12/4036. 48 GoI, Dpt. Information and Broadcasting, an SoS for India and Burma, 13.6.1943, BLIOR, L/I/1/1089. 49 Filialen entstanden u. a. in Bombay, Delhi, Karachi, Calcutta, Madras, Lucknow und Lahore. Ab 1946 publizierte die Zentralstelle der Gesellschaften eine eigene Monatszeitschrift, das Indo-Soviet Journal, mit einer Auflage von rund 3000 Exemplaren, vgl. Vermerk über ISCUS und Vorläufer, o. D., GARF, f. 5283, op. 19, d. 222, ll. 131 ff.; Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 96–116; Overstreet/Windmiller, Communism, S. 407–411; Dimitrov/Panjuškin an Molotov, 28.7.1945, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 8–10; Mosejkina, Pomošč’, S. 183. Georgi Dimitrov (Michajlov), u. a. 1935–1943 Generalsekretär IKKI; Aleksandr Semenovič Panjuškin, u. a. 1941–1952 und 1956–1971 Mitglied ZK, 1944–1947 stellv. Leiter ZK-Abt. Internationale Information, 1947–1952 Botschafter und Resident in den USA, 1953–1958 Vors. ZK-Kommission für Auslandsreisen, 1954–1955 KGB-Abteilungsleiter, 1958–1973 Leiter ZK-Abt. für Auslandskader. 50 Vgl. Vermerk für GoI, External Affairs Dpt., Publicity Officer Oberst Wheeler, über Gladyševs Exkursion in den Punjab und den North West Frontier District, 3.3.1943, NAK, FO 371/36977. 51 Vermerk über ISCUS und Vorläufer, o. D., GARF, f. 5283, op. 19, d. 222, ll. 131 ff.

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die sowjetischen Leistungen im Krieg sowie privaten Hoffnungen auf Hilfe in materiellen Notlagen.52 Insgesamt wiesen britische Bestandsaufnahmen sowie die veröffentlichte Meinung eine enorme Bandbreite von Einstellungen zur UdSSR auf. Sie variierten mit der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, der sozialen Stellung und der grundsätzlichen politischen Orientierung der indischen Beobachter, die eigene Akzente setzten. So informierte etwa die von Liga-Schwergewicht Liaquat Ali Khan geleitete Zeitung The Dawn im Sommer 1942 ihre Leser, dass gerade die muslimischen Völker der UdSSR einen »bemerkenswerten Anteil an der Verteidigung der UdSSR« hätten.53 Für die weiteren Entwicklungen waren die Reaktionen der indischen – loyalen wie oppositionellen – Eliten von Bedeutung. Auf sie zielten daher die britischen Bemühungen, das Interesse an der Sowjetunion in systemkonformen Bahnen zu halten. Da die radikale Abschottung der Vorjahre im Verhältnis zu einem Bündnispartner nicht mehr opportun war, ergriff das Raj die Initiative, um bei der indischen Leserschaft die Deutungshoheit über die sowjetische Realität zu behalten.54 Ab 1942 publizierte das GoI eine eigene Zeitschrift, die Soviet Union News, »um die Aufmerksamkeit einer großen Zahl von Personen in Indien, die an Russland interessiert sind, von fragwürdigen Publikationen abzulenken, die pseudo-linke Organisationen herausgeben«.55 Ziel war es, für eine längerfristige Kooperation mit der UdSSR zu werben, ohne kommunistische Ideen auch nur zu erwähnen.56 Ob den britischen Machern und ihren Autoren aus der früheren russischen Emigration diese Balance gelang, sei dahingestellt: Die britische Botschaft in der Sowjetunion betrachtete das Monatsblatt schlicht als »gekonnte sowjetische Propaganda«.57 Sowohl der sowjetische TASS-Vertre52 Der zersplitterte Schriftverkehr von VOKS 1943/1944 in GARF, f. 5283, op. 19, d. 2. Vgl. Dutt, With Nehru, S. 10; Artikelserie The Dawn zu Stalingrad, 12.10., 18. und 25.10., 1. und 29.11. sowie 6.12.1942, jeweils S. 1; ebd., 31.1.1943, S. 5, Russia’s cultural revolution; ebd., 28.2.1943, S. 4, The Red Army; ebd., 30.10.1943, S. 6; ebd., 7.11.1943, S. 8, The lesson India can learn from USSR; indische Gedichte aus den Kriegsjahren in Vest’, Andžaparidze u. a. (Hg.), S. 219–222, 224–226. 53 Dawn, 21.6.1942, S. 2, Muslims in the Soviet Union. Languages and literature being revived. Liaquat Ali Khan, u. a. enger Mitarbeiter Jinnahs, 1946/1947 britisch-indischer Finanzminister, 1947–1951 Premierminister von Pakistan. 54 Vgl. zur Zensur Bhattacharya, Propaganda, S. 91–94, 130; Gupta, Communism, S. 224 f.; Vermerk über ISCUS und Vorläufer, o. D., GARF, f. 5283, op. 19, d. 222, ll. 131 ff. 55 GoI, External Affairs Dpt., an SoS for India and Burma, 3.6.1943, BLIOR, L/I/1/1089. Vgl. Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 108. 56 Shah an India Office, Morley, 11.7.1944, NAK, FO 371/43320. 57 Britische Botschaft Moskau (Kujbyšev) an Ministry of Information, 8.1.1943, NAK, FO 371/36977.

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ter als auch das Sowjetische Informationsbüro (SIB) arbeiteten im Krieg gerne mit den Soviet Union News zusammen, während VOKS nach Kriegsende insbesondere den Emigranten Falschmeldungen unterstellte.58 Sowjetische Propaganda- und Kulturbürokratien bemühten sich im Krieg mit Eifer darum, das indische Interesse an der UdSSR im offiziellen Sinn Moskaus zu nutzen. Auch sie wandten sich in der Praxis vor allem an die städtischen Führungsschichten. Nach 1941 setzte Moskau erste Rundfunksendungen nach Indien ab.59 Das SIB rühmte sich in seinen Rechenschaftsberichten, gerade in Indien sehr viel Material lanciert zu haben. Die selbstkritischen Mängellisten in denselben Bilanzen stellten das Eigenlob jedoch gleich wieder in Frage. In der Tat: Die sowjetische Pressepolitik in Südasien litt daran, dass es an Journalisten und Übersetzern fehlte, um ansprechende Artikel zu produzieren. Im Ergebnis entsprachen die Lieferungen selten genug den inhaltlichen und qualitativen Anforderungen der indischen Konsumenten. Zudem wurden nur wenige Leser erreicht, da keine Zusammenarbeit mit großen »kapitalistischen« Zeitungen gelang.60 Auf einer anderen Schiene konnte VOKS die Freundschafts-­ Gesellschaften nur sporadisch mit limitierten Buchauflagen sowie mit einzelnen (Kriegs-)Filmen versorgen.61 Der Einfluss, den Filme, Bücher, Poster, Fotos, Schaubilder und Radiosendungen auf die indische Gesamtbevölkerung ausübten, lässt sich nicht einmal ansatzweise bestimmen. Ihre insgesamt unbedeutende Zahl und Reichweite sowie das nur isolierte Aufblitzen in den Quellen legen es aber nahe, dass die indische Resonanz äußerst gering war.62 Daran änderte auch nichts, dass die sowjetischen Bemühungen im audiovisuellen und literarisch-propagandisti58 Vgl. Anm. 55–56 sowie [VOKS], Vermerk über indische Presse, [nach August 1946], GARF, f. 5283, op. 19, d. 143, ll. 52 ff. 59 Vgl. GoI, External Affairs Dpt., an SoS for India and Burma, 12.7.1942, BLIOR, L/PS/12/4036. 60 Vgl. Ščerbakov an Stalin, 1.7.1944, Rechenschaftsbericht SIB für 1941–1944, in: Kudrjašov (Hg.), Vojna, S. 348–353; stellv. Leiter SIB, Lozovskij, an Stalin/Molotov, Sommer 1945, GARF, f. 8581, op. 2, d. 155, ll. 17 ff.; TASS-Korrespondent Gladyšev an SIB, 3.3.1945, GARF, f. 8581, op. 2, d. 160, ll. 36–38. Aleksandr Sergeevič Ščerbakov, u. a. 1941–1945 ZK-Sekretär und Leiter SIB, 1943/44–1945 Leiter ZK-Abt. für Internationale Information; Solomon Abramovič Lozovskij, u. a. 1939–1946 stellv. NKID, 1945–1948 Leiter SIB, 1949 verhaftet, 1952 hingerichtet. 61 Ab 1943 war für den Vertrieb kommerzieller Filme eine halboffizielle sowjetische Vertretung unter Sayadiant aktiv, die aufgrund von Transportproblemen (via Iran) nie zufriedenstellende Mengen liefern konnte, vgl. Kerr an FO, 27.8.1943, NAK, FO 371/36977. 62 Briefverkehr VOKS, 1943/1944, GARF, f. 5283, op. 19, d. 2. Zu den – kaum verständlichen – Moskauer Radiosendungen in bengalischer Sprache vgl. Briefwechsel SoS for India and Burma und GoI, 19.10. und 10.11.1943, NAK, FO 371/36977. Sowjetisches Fotomaterial war der indischen Presse in der Regel schlicht zu teuer, vgl. Gladyšev an SIB, 3.3.1945, GARF, f. 8581, op. 2, d. 160, ll. 36–38.

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schen Sektor durch die Aktivitäten der 1943 gegründeten, CPI-nahen Indian People’s Theater Association (IPTA), der PWA und durch Schriften und Flugblätter der CPI selbst unterstützt wurden. Gerade die CPI konnte, nachdem sie im Winter 1941/1942 auf die offizielle Koalitionslinie der britischen Regierung eingeschwenkt war, im Krieg relativ ungehindert ihre Sicht auf die UdSSR unters Volk bringen. Ihre Agitation konzentrierte sich jedoch vornehmlich auf innenpolitische Themen. Darüber hinaus war die CPI mit ihren 5000 (1942) bis 30.000 (1945) Mitgliedern in der politischen Landschaft Indiens weitgehend marginalisiert und ein schwacher potentieller Bündnispartner, um die Entwicklungen in Britisch-Indien zu formen. Die Partei hatte kaum Verbindungen zu den muslimischen Bevölkerungsschichten. Dem INC und seinen Anhängern wiederum entfremdete sich die CPI endgültig, als sie sich 1942 gegen die Quit India-Kampagne stellte und in den folgenden Jahren das Recht auf Abspaltung verschiedener Sprach- und Religionsgruppen einschließlich der Muslime von Indien anerkannte, ja einforderte.63 Moskau setzte in den Kriegsjahren hinsichtlich der aktuellen und künftigen Beziehungen zu Südasien ohnehin noch ganz auf die Diplomatie. Diese konzentrierte sich im Großen Vaterländischen Krieg darauf, den Krieg im Bündnis zu gewinnen und zu gewährleisten, dass die UdSSR bei der Gestaltung der Nachkriegswelt ein gewichtiges Wort mitzureden hatte.64 Hinsichtlich des Subkon63 Vgl. Sarkar, Mourning the nation, S. 70 f., 178 f.; Thapar, All these years, S. 14 f., 23 f.; Overstreet/ Windmiller, Communism, S. 171–222, 488–498; Gupta, Communism, S. 196–212, 224 f., 237– 241, 268 f.; Ali, Communists, S. 507–513; Leghari, The socialist movement, S. 7–21; Chowdhuri, Leftism, S. 7–135; Chandra, P. C. Joshi; Druhe, Soviet Russia; Shourie, The only fatherland. 64 Vgl. allg. Arbeitsmaterialien verschiedener NKID-Spitzen und –Kommissionen ab 1941, die u. a. koloniale Fragen v. a. im Licht der sowjetischen Beziehungen zu den USA und Großbritannien und mit Blick auf die sowjetische Großmachtstellung behandelt wissen wollen: Lozovskij an Stalin/Molotov, 26.12.1941, in: SSSR i germanskij vopros 1, S. 141–143; Anl. zu Beschluss Politbüro, 28.1.1942, ebd., S. 146–148; Botschafter Washington, Litvinov, an Molotov, 29. und 31.3.1943, ebd., S. 197–200; stellv. NKID Litvinov an Molotov, 3.8.1943, ebd., S. 232–235; stellv. NKID Majskij an Molotov, 11.1.1944, ebd., S. 333–360. Vgl. ferner Aufzeichnung Gespräch Molotov mit Premier Churchill, 9.6.1942, in: Ržeševskij (Hg.), Stalin i Čerčill’, S. 303 ff.; Vermerke Gromyko u. a., 18.2. und 9.9.1944, in: Die Sowjetunion auf internationalen Konferenzen 3 (Dumbarton Oaks), S. 30–32, 201–206; Molotov an Majskij, 24.8.1941, sowie Deklaration der UdSSR auf der Londoner Konferenz am 24.9.1941, in: SSSR i germanskij vopros 1, S. 113 f., 115–117. Zu sowjetischen Bemühungen, über Zugeständnisse hinsichtlich der Teilnahme britischer Dominions oder Kolonien in alliierten Kommissionen die Teilnahme sowjetischer Republiken und damit die Anerkennung von Status und Territorium dieser Gebiete zu erreichen vgl. Noten NKID an britischen Botschafter, 26.7. und 17.10.1943, in: SSSR i germanskij vopros 1, S. 231 f., 325. Anthony Eden, u. a. 1940–1945, 1951–1955 britischer Außenminister, 1955–1957 Premier.

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tinents lassen sich für die Kriegsjahre weder konkrete politische Planungen der UdSSR noch relevante politische Kontakte zu indischen Vertretern feststellen. Sowjetische Dienststellen starteten zumindest bis Ende 1943/Anfang 1944 keine erkennbaren Initiativen, um sich systematisch über die Region zu informieren.65 Die provisorische sowjetische Handelsvertretung in Calcutta kümmerte sich ab Anfang 1942 vor allem um Lieferungen der Alliierten respektive Indiens an die UdSSR.66 Die Komintern ordnete ihre ohnehin schwachen direkten Kontakte den Erfordernissen des sowjetisch-britischen Kriegsbündnisses unter und stellte ihre Aktivitäten nach Indien faktisch ein.67 Die seit jeher rudimentären sowjetisch-indischen Parteibeziehungen kamen bereits vor der offiziellen Auflösung der Komintern 1943 zum Erliegen. Als sich der Sieg der Alliierten über Deutschland und Japan sowie das sowjetische militärische Ausgreifen über die Vorkriegsgrenzen hinweg deutlich abzeichneten, wuchs im Rahmen der allgemeinen Nachkriegsplanungen das sowjetische Interesse an Kolonial- und Mandatsgebieten und damit auch an den Entwicklungen auf dem Subkontinent.68 Während sich die sowjetische Diplomatie 1942 und Mitte 1943 gegenüber Roosevelts Ideen zu einem Treuhandsystem oder zur Frage der italienischen Kolonien passiv verhielt, betonten NKID-Planer 1944 nachdrücklich, dass das »Problem der Kolonien zweifellos eines der wichtigsten Probleme der Neugestaltung nach dem Krieg darstellt« und dass sich die sowjetische Diplomatie eiligst auf diese Perspektive einstel-

65 Vgl. Dimitrov/Panjuškin an Molotov, 28.7.1945, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 8–10. Demgemäß spielt die UdSSR in älteren und jüngeren Darstellungen zur Geschichte Indiens im zweiten Weltkrieg kaum eine Rolle, vgl. Voigt, Indien; Khan, The Raj; Raghavan, India’s war. 66 Zum Umfang von Lebensmittellieferungen aus Indien an die UdSSR im Krieg vgl. Official Report Legislative Assembly Debates, 7.11.1946, S. 628 f., BLIOR, L/PS/12/4045. Demnach setzten die Lieferungen erst 1942/43 ein und umfassten bis 1945 u. a. 150 Tonnen Hülsenfrüchte, 1186 Zentner Butter, 51 Tonnen Zucker und über 2 Mio. (britische) Pfund Tee. Zur Tätigkeit insgesamt vgl. GoI, External Affairs Dpt., an SoS for India and Burma, 28.6.1946, BLIOR, L/ PS/12/4044; Capt. C. W. R. Corfield, Report on route etc., o. D., BLIOR, L/WS/2/84; FO an britische Botschaft Moskau, 19.12.1944, BLIOR, L/PS/12/4044. 67 Letzte nachweisbare interne Diskussionen über eine mögliche Entsendung indischer Aktivisten nach Indien datieren von Oktober 1941 und blieben offenbar ergebnislos, vgl. Indo-Russian relations 2, Roy u. a. (Hg.), S. 305–309, v. a. S. 308 f. Möglicherweise kamen lose Verbindungen chinesischer Kommunisten nach Südostasien und Südasien zustande, jedoch ohne sowjetisches Zutun, vgl. Dimitrov an Mao, 13.1.1942, in: Komintern i vtoraja mirovaja vojna 2, S. 184; Li Kuja an Dimitrov vom 6.3.1942, ebd., S. 200 f. 68 Parallele Etappen der Nachkiegsplanung lassen sich z. B. auch für den Nahen Osten feststellen, vgl. Bachmann, Tel Aviv, S. 32 f.

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len müsse.69 Die sowjetische Direktive für die UN-Vorbereitungskonferenz in Dumbarton Oaks ließ erkennen, dass Moskau im Bereich der Kolonial- und Mandatspolitik mitzureden gedachte.70 Im Sommer 1945 nahmen Stalin und seine Diplomaten den Kampf um die ehemaligen italienischen Kolonien in Nordafrika auf.71 Im ZK-Apparat verfügte die Internationale Abteilung (OMI) unter Aleksandr Ščerbakov, die aus der Komintern hervorgegangen war, seit Sommer 1944 über eigene Sektoren für das British Empire und für Südostasien. Interessanterweise bearbeitete die Abteilung Indien zu diesem Zeitpunkt in der Sektion »Stiller Ozean« und nicht zusammen mit Großbritannien und den dominions.72 Folgt man den Erinnerungen eines der führenden Kenner indischer Literaturen, Evgenij Čelyšev, so stellte sich auch das Militär im Sommer 1944 auf neue Verhältnisse in Asien ein. Als sich Čelyšev mehr oder weniger zufällig im Fremdspracheninstitut der Roten Armee bewarb, legte ihm sein Professor das Studium indischer Sprachen nahe: »Dort nämlich«, so der Lehrer, »entwickeln sich jetzt die Hauptereignisse, aber Deutschland ist schon Vergangenheit«.73 Stalin hatte bereits Ende 1943 in Teheran grundsätzliches Interesse am Schicksal des Subkontinents signalisiert. In einem Vieraugen-Gespräch mit dem Empire-kritischen Roosevelt waren sich beide Spitzenpolitiker schnell einig geworden, dass, ganz anders als der britische Premier behauptete, »Personen, die 69 Majskij an Molotov, 11.1.1944, in: SSSR i germanskij vopros 1, S. 333–360, hier S. 350 f. Für die Passivität der Vorjahre vgl. Aufzeichnung Gespräch Molotov mit Roosevelt, 2.6.1942, in: Ržeševskij (Hg.), Stalin, S. 244–246; Litvinov an Molotov, 29. und 31.3.1943, in: SSSR i germanskij vopros 1, S. 197–200; Gespräch Molotov mit Eden, 22.5.1942, in: Ržeševskij (Hg.), Stalin, S. 130–136, hier S. 131. 70 Vgl. Beschluss Politbüro, 29.6.1944, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 37; Hilderbrand, Dumbarton Oaks, S. 56 f., 170–178. 71 Vgl. Stalin und Molotov auf 1., 4.–7. Vollsitzung Potsdamer Konferenz, in: Fischer (Hg.), Teheran, S. 204, 240, 259, 270, 279–283, 289; Litvinov an Molotov, 28.6.1945, in: Davidson/Mazov (Hg.), Rossija i Afrika 2, S. 135–138; Aufzeichnung Gespräch Bevin mit Molotov, 23.9.1945, NAK, FO 800/501. Zu Indochina vgl. Aufzeichnung Gespräch Molotov mit französischem Botschafter Moskau, Catroux, 24.8.1945, in: SSSR i germanskij vopros 2, S. 220–227. 72 Vgl. Beschluss Politbüro, 27.12.1943, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 37. Französische Kolonien wurden dagegen zusammen mit Frankreich im Sektor West- und Südeuropa behandelt. Das OMI, wahrscheinlich zu der Zeit identisch mit einer in anderen Dokumenten sogenannten ZK-Auslandsabteilung, nahm seine eigentliche Tätigkeit offenbar erst im Juli 1944 auf, vgl. Findbuch RGASPI, f. 17, op. 128; Adibekov, Das Kominform, S. 37 f., 43 f.; Adibekov/Šachnazarova/Širinja, Organizacionnaja struktura, S. 232–240. 73 Čelyšev, Izbrannye trudy 3, S. 167. Das Institut eröffnete im September 1944 eine eigene indische Abteilung. Evgenij Petrovič Čelyšev, u. a. ab 1956 im IVAN Leiter des Sektors für Literatur und Sprachen Indiens, ab Anfang der 1960er-Jahre IVAN-Sektorleiter für Literaturen des Nahen Ostens und Indiens, Mitglied in der Bewegung der Autoren Asiens und Afrikas.

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von der Indienfrage nicht direkt berührt« seien, »sie besser entscheiden« und »objektiver sehen« könnten »als Personen, die zu dieser Frage eine unmittelbare Beziehung hätten«.74 Auch wenn Indien in der kurzfristigen Kriegspolitik für die UdSSR sekundär war, so blieb es doch Bestandteil der mittel- und langfristigen Nachkriegsvorstellungen. Auf der Gründungskonferenz der Vereinten Nationen in San Francisco verlieh der sowjetische Außenminister öffentlich seiner Überzeugung Ausdruck, »dass einmal die Zeit kommen wird, da auch die Stimme des unabhängigen Indien ertönt.«75 Die »Veränderung der internationalen Lage im Kontext der Zerschlagung von Hitler-Deutschland und der bevorstehenden Zerschlagung von Japan verstärkte und wird in Zukunft die Bedeutung Indiens als äußerst wichtigen politischen und wirtschaftlichen Faktor der Weltentwicklung noch verstärken«, stimmte man sich auch im ZK-Apparat Ende auf eine dekolonisierte Welt ein.76 Dass die UdSSR allerdings den indischen Unabhängigkeitskämpfer und Führer der in Japan aufgestellten Nationalarmee (INA), Subhas Chandra Bose, im August 1945 aktiv zur Flucht in die Sowjetunion ermuntert hätte, ist äußerst unwahrscheinlich. Boses Beraterkreis erwartete sich von der sowjetischen Option wenig. Bose selbst sah in ihr ein letztes »Abenteuer ins Ungewisse«.77 Auf diplomatischer Ebene agierte die UdSSR in diesem Zeitraum aktiver. In den Gesprächen mit dem Gesandten von US-Präsident Harry Truman, William Averell Harriman, machte Stalin im Oktober 1945 seinem Ärger darüber Luft, dass die Briten immer noch keine ernsthafte Absicht hätten, den Kolonialstatus von Indien zu ändern.78 Wenige Wochen später drohte Molotov dem britischen Außenminister, Ernest Bevin, dass die sowjetische »extreme Zurückhaltung

74 Die sowjetischen Publikationen des Gesprächsprotokolls sind unvollständig und die Originalversionen der Mitschriften im AVP weichen im Detail vom amerikanischen Protokoll ab, vgl. Roberts, Stalin’s wars, S. 181 f. mit Anm. 68; Die Sowjetunion auf internationalen Konferenzen, Band 2, S. 75–78; Fischer (Hg.), Teheran, S. 17–21; FRUS, The conferences at Cairo and Tehran, S. 483–486. 75 Molotov auf 5. Plenartagung, 30.4.1945, in: Die Sowjetunion auf internationalen Konferenzen 5, S. 146. 76 Dimitrov/Panjuškin an Molotov, 28.7.1945, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 8–10. 77 Bose, His Majesty’s opponent, S. 300–306, Zitat S. 300 f.; Ali, The untold, S. 53 f. 78 Roberts an FO, Sargent, 27.10.1945, DBPO 1, 2, S. 506–509, hier S. 508 f. In der amerikanischen Aufzeichnung erscheinen die Äußerungen milder, vgl. FRUS 1945 II 2, S. 567–575, hier S. 574. Frank Roberts, u. a. 1945–1947 britischer Gesandter Moskau, 1949–1951 stellv. Hochkommissar Delhi, stellv. Under-Secretary of State, 1960–1962 Botschafter Moskau.

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hinsichtlich Indiens«, die die UdSSR im Krieg geübt habe, vorbei sein könnte.79 In diesem Zeitraum opponierte die UdSSR heftig gegen die Mitgliedschaft Britisch-Indiens in der Far Eastern Commission und gegen eine britisch-indische Teilnahme an den bevorstehenden Friedenskonferenzen.80 In beiden Streitpunkten gab Stalin schließlich noch während der Moskauer Außenministerkon­ ferenz nach. Im Gegenzug stellte der britische Außenminister größere Rechte für Indien in Aussicht.81 Die sowjetische Politik bezüglich des indischen Subkontinents fügte sich in die zunehmend verhärtete sowjetische Frontstellung gegen die Verbündeten ein. Aufgrund der lückenhaften Aktenlage sind die Moskauer Absichten nicht konkret zu bestimmen. Sicherlich zielte die sowjetische Diplomatie mit ihren Manövern auch auf die internationale Partizipation sowjetischer Teilrepubliken und die internationale Anerkennung von Territorium und Status der baltischen Republiken. Möglicherweise spekulierte man in Moskau darauf, Meinungsverschiedenheiten zwischen Großbritannien und den USA in der Indienpolitik zu verschärfen, um so die anglo-amerikanische Partnerschaft zu unterminieren.82 So oder so konnte sich die UdSSR 1945/1946 in außenpolitischen Streitfragen von einem britisch gesteuerten Indien keine Vorteile versprechen.83 Zudem hatte die marxistisch-leninistische Theorie, nach der Großbritannien und das gesamte kapitalistische System durch den Verlust von Kolonien weiter geschwächt würden, nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Die Moskauer Strategen verfügten zu diesem frühen Zeitpunkt, wie bereits gesehen, allerdings kaum über gesicherte Kenntnisse bezüglich der innen- und gesellschaftspolitischen Machtverteilungen in den zukünftigen Staaten oder hinsichtlich ihrer wahrscheinlichen außenpoli79 Protokoll Gespräch Molotov mit Bevin, 18.12.1945, DBPO 1, 2, S. 748–755, hier S. 754 f. Vgl. sowjetischer Botschafter Washington, Novikov, an Molotov, 27.9.1946, in: Jensen (Hg.), Origins, S. 3–16, hier S. 8, 12 f. 80 Roberts an FO, Sargent, 27.10.1945, DBPO 1, 2, S. 506–509; Aufzeichnung Gespräch Harriman mit Stalin, 24.10.1945, FRUS 1945 II, S. 567–575; Aufzeichnung 4. und 5. informelles Treffen der drei Außenminister, Moskau, 19.12.1945, sowie Protokoll Gespräch Bevin mit Stalin, 19.12.1945, DBPO 1, 2, S. 771–784; Protokoll Gespräch Stalin mit UN-Generalsekretär Trygve Lie, 23.7.1946, in: Roginskij (Hg.), Dve besedy, S. 106. William Averell Harriman, u. a. 1943–1946 US-Botschafter in UdSSR, 1961, 1965–1969 Sonderbotschafter, 1961–1963 Assistant SoS Far Eastern Affairs, 1963–1965 Under SoS Political Affairs. 81 Aufzeichnung 7. informelles Treffen der drei Außenminister, Moskau, 21.12.1945, DBPO 1, 2, S. 805–816, hier S. 812; FO an britische Delegation Moskau, 23.12.1945, ebd., S. 839; Protokoll Gespräch Stalin mit Trygve Lie, 23.7.1946, in: Roginskij (Hg.), Dve besedy, S. 106. 82 Vgl. Aufzeichnung 4. informelles Treffen der drei Außenminister, Moskau, 19.12.1945, sowie Bericht Bevin für Kabinett, 1.1.1946, DBPO 1, 2, S. 771–776, 920–924; Luard, A history 1, S. 31 ff.; Gaiduk, Divided together, S. 1–71; Bar-Noi, The cold war, S. 26–30. 83 Vgl. zur Pariser Friedenskonferenz Gupta, Stalin’s policy, S. 18–20.

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tischen Orientierung.84 Aus diesem Grund war es dringend geboten, fundierte Informationen über Indien zu erhalten. Bereits im Frühjahr 1944 hatte ein zweiter ständiger sowjetischer Korrespondent seine Tätigkeit in Indien aufgenommen.85 Wichtiger war, dass sich die ZK-Abteilung für Außenpolitik ab 1945/1946 bemühte, Kontakte zu indischen Kommunisten zu reaktivieren bzw. zu initiieren und auf diese Weise den eigenen Kenntnisstand über die Situation in Indien zu aktualisieren.86 Der Abteilung arbeiteten außerdem Dienststellen von Armee, Geheimdiensten und internationaler kommunistischer Bewegung zu.87 Parallel dazu sammelte beispielsweise der Schriftstellerverband Material über die Literaturszene in Indien.88 Der neue Verlag für Ausländische Literatur sollte ab 1946 durch die Übersetzung fremdsprachiger Werke aus allen Lebensbereichen dazu beitragen, die sowjetische Wissensbasis zu erweitern.89 Die Einrichtung einer eigenen Moskauer Abteilung des Instituts für Orientalistik (IVAN) 1946 kündigte an, dass die Partei die Forschung in Zukunft stärker in die Pflicht zu nehmen gedachte.90

84 Vgl. Bericht Bevin für Kabinett, 1.1.1946, DBPO 1, 2, S. 925–927; Aufzeichnung Gespräch Bevin mit Stalin, 19.12.1945, ebd., S. 779–784, hier S. 783. 85 Unterlagen zum Visumantrag in NAK, FO 371/43320. 86 Vgl. Vermerk Dimitrov/Panjuškin, 4.5.1945, zur Einladung von Rahul Sankritajan, CPI, nach Moskau, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1198, l. 2; Machwe, Rahul Sankrityayan, S. 25 f.; Vermerk [VOKS] über Allindisches Volkstheater, 25.3.1945, GARF, f. 5283, op. 19, d. 143, ll. 5 ff. 87 Vgl. Leiter 1. Verwaltung NKGB, Fitin, an Dimitrov, 25.7.1945, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 7; Assistent stellv. NKID, Lichačev, an OMI, Baranov, 8.3.1946, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1007, ll. 1 ff.; Schriftverkehr ZK-Abteilung mit Forschungsinstitut 205 über CPI und indische Gewerkschaftsbewegung, Juli–August 1945, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 753, ll. 2 ff., 46 ff.; stellv. Leiter 7. Verwaltung GlavPURKKA an Dimitrov, 14.6.1945, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 22, ll. 1–18. Die 7. Verwaltung, zuständig für militärpolitische Propaganda und Aufklärung, stützte sich hier v. a. auf Material aus der Politverwaltung des Militärbezirks Turkestan. 88 Vgl. Vermerke und Kurzbewertungen ab März 1946 in RGALI, f. 631, op. 14, d. 57. 89 Vgl. Vermerk Aleksandrov/Fedoseev für Malenkov, 3.7.1945, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 25 f.; Beschluss Politbüro, 4.5.1946, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 551–553. 90 Vgl. zu traditionellen Schwerpunkten und ersten Gehversuchen in politiknäheren Feldern Chronik des IVAN für 1946, in: Izvestija Akademii Nauk Sojuza SSR, Otd. Literatury i jazyka 6 (1947), Nr. 2, S. 167–170; Kononov, Vostočnyj fakul’tet; Lobanova, Kafedra; Tansykbaeva/ Kutina, Indija, S. 38 f.; gemeinsame Sitzung AN-Abteilungen für Geschichte und Philosophie, Wirtschaft und Recht sowie Literatur und Sprache, 14.–18.6.1947, in: Voprosy istorii, (1947), Nr. 10, S. 147–153; Barannikov, O kul’turnych otnošenijach; Beskrovnyj, Bor’ba; Barannikov, Sovetskaja Indologija; Rezensionen in Voprosy Istorii, (1946), Nr. 5/6, S. 105–115. In der Fachzeitschrift Sovetskoe vostokovedenie enthielt erst Jahrgang 6 (1949) wieder einen Artikel mit direktem Südasienbezug, vgl. Barannikov, Indijcy. Die Trudy des IVAN, die bis 1946/1947 erschienen, konzentrierten sich auf Themen der Sprach- und Literaturwissenschaft und der (früh-)neuzeitlichen Geschichte.

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Zugleich erfuhr die gesamte informationspolitische Aufbereitung und propagandistische Begleitung der sowjetischen internationalen Positionierung ab 1945 eine neue Qualität. Das galt für Darstellungen, die sich zwecks innerer Konsolidierung und ggf. Mobilisierung an die sowjetische Bevölkerung richteten ebenso wie für die Aktivitäten nach Indien. Es war der politischen Führung in Moskau weiterhin ein Anliegen, dass sie allein und exklusiv der eigenen Bevölkerung Informationen oder Interpretationen zur internationalen Situation präsentierte.91 So verschloss sich die UdSSR ab 1945 noch radikaler alternativen Nachrichten und Deutungen zur indischen Entwicklung. Immer neue Zensur- und Kontrollmaßnahmen behinderten die Berichterstattung ausländischer Korrespondenten.92 Im September 1946 schränkte das Politbüro den ohnehin schwierigen Zugang sowjetischer Bürokratien zu ausländischer Literatur aller Art weiter ein, der individuelle Bezug wurde verboten. Zur Begründung hieß es, dass die bisherige »falsche Praxis« »zur Vergeudung von Devisen und zur Verbreitung von antisowjetischer Propaganda, die in ausländischen Zeitungen, Zeitschriften und Büchern enthalten ist«, geführt habe.93 Das Informationsmonopol verband sich in der Ždanovščina mit dem neu aufgenommenen Kampf gegen ausländische, unsozialistische kulturelle – »kosmopolitische« – Einflüsse.94 In diesem Gesamtkontext kam die ohnehin geringe Publikation indischer Autoren in der UdSSR gänzlich zum Erliegen.95 Parallel zu den Abschottungsmaßnahmen verschärfte sich in den sowjetischen Medien der Ton gegenüber der britischen Kolonialmacht und ihrer Indienpolitik.96 Dabei fanden Texte von CPI-nahen Kritikern des Empire zuneh-

91 Vgl. allg. zu Novoe Vremja Dimitrov/Ponomarev an Molotov/Malenkov, 7.8.1945, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 717, ll. 104 ff.; zur Pravda Beschluss Politbüro, 2.8.1946, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 53–55; Entwürfe für ZK-Beschlüsse, 8. und 13.8.1946, ebd., S. 55 f., 60– 66; Glotova (Hg.), Učityvaja naličie krupnych nedostatkov; Volynec, Ždanov, S. 429–454. 92 Vgl. Beschluss ZK, 25.2.1946, in: Maksimenkov (Hg.), Bol’šaja cenzura, S. 562 f.; Fainberg, Unmasking. 93 Beschluss Politbüro, 14.9.1946, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 604 f. 94 Vgl. Bericht stellv. Leiter Verwaltung für Propaganda und Agitation, Egolin, an Malenkov, 3.8.1945, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 535–545, hier S. 542 f. 95 Vgl. Bibliografija Indii (1965 und 1976). 96 Vgl. britische Botschaft Moskau an FO, 30.7., 16.8. und 29.10.1945, NAK, FO 371/47892 sowie BLIOR, M-5–93; Roberts an Bevin, 28.9.1945 und 14.3.1946, DBPO 1, 6, S. 115–119, 305– 312; Vermerk Ministry of Information, Publicity about India in Soviet Union, 12.9.1945, BLIOR, L/PS/12/4036; Aufstellungen entsprechender Artikel in BLIOR, L/I/1/780, 1 und NAK, FO 371/56874.

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mend Verbreitung.97 Auch die sowjetische Wissenschaft meldete sich mit einigen Beiträgen zu Wort, die die britische Politik in Indien – doch noch nicht die Politiker der Unabhängigkeitsbewegung – kritisierten.98 Derweil arbeiteten Moskaus Propagandaapparate weiterhin daran, der Außenwelt ein positives Bild der UdSSR zu vermitteln. Angesichts des spätestens ab 1946 absehbaren baldigen Abzugs der Briten aus Indien warb die sowjetische Propaganda- und Informationspolitik in der Region intensiv für die sowjetische Weltsicht. Durch Beeinflussung der gesellschaftlichen und politischen Meinungsbilder sowie, indirekt, der damit verbundenen strukturellen Machtverhältnisse wollte man zukünftige internationale Standpunkte im sowjetischen Sinne beeinflussen.99 Tiefer reichende Bemühungen im Literaturexport setzten jedoch erst im Umfeld der indischen Unabhängigkeit ein. Die sowjetische Propaganda stand dauerhaft vor dem Problem, entlang der vorgegebenen Parteilinie ideologische Schlagkraft mit konsumentenorientierter Attraktivität zu verbinden. In Britisch-Indien blieb die relevante Medienlandschaft nach 1945 im Wesentlichen britisch dominiert.100 Für die sowjetische Pressearbeit bedeutete dies, dass gerade die überregionalen Zeitungen noch Ende 1946 kaum auf das, recht unsystematisch und halbherzig angebotene, Material aus sowjetischen Quellen zurückgriffen. Sie verließen sich für ihre Berichterstattung lieber auf britische Agenturen.101 Daneben sah die britische Administration nach Kriegsende keinen Grund mehr, Indien ein positives Bild der UdSSR zu vermitteln.102 Der Versuch, indische Autoren vor Ort für die sowjetische Propaganda einzuspannen, litt nach 1945 nicht nur unter finanziellen Engpässen, sondern auch an der anhaltenden Isolierung der CPI

 97 Vgl. Vizekönig Wavell an SoS for India and Burma, 5.8.1945, mit Stellungnahme India Office an FO, 27.8.1945, NAK, FO 371/47892; Presseübersicht stellv. Leiter GlavPURKKA, Sapožnikov, für SIB, Lozovskij, 14.12.1945, GARF, f. 8581, op. 2, d. 156, ll. 157 ff.  98 Vgl. D’jakov, K političeskomu položeniju; D’jakov, Indija i ee narody; Buševič, Bor’ba Indii. Weitere Titel zusammengestellt bei Overstreet/Windmiller, Communism, S. 249–255; Gupta, Stalin’s policy, S. 15–21.  99 Vgl. Dimitrov/Panjuškin an Molotov, 28.7.1945, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 8–10, hier ll. 8 f.; Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 121–126. 100 Vgl. Vermerk [VOKS], [nach August 1946], GARF, f. 5283, op. 19, d. 143, ll. 52 ff. 101 Vgl. GoI, Dpt. for Information and Broadcasting, an India Office, 18.11.1946, BLIOR, L/I/1/1089; Beschluss Politbüro, 30.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 38; Pechatnov, Exercise, S. 19–21. 102 Vgl. Vermerk Commander in Chief India, Auchinleck, für Wavell, 11.5.1946, Mountbatten Papers Database, MB1/D130/1.

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in der indischen Nationalbewegung.103 Nachdem Mahatma Gandhi 1944 in einem Briefwechsel CPI-Generalsekretär Joshi über die politische Linie der Partei, ihre Finanzierung und über ihre Verbindungen zur Polizei ins Kreuzverhör genommen hatte, setzte die INC-Führung bis Dezember 1945 den Ausschluss der CPI-Mitglieder aus dem Kongress durch.104 Zu dieser Zeit gab es faktisch keine sowjetische Verbindung zur CPI. Es ist davon auszugehen, dass die CPI vor dem Besuch ihres ZK-Mitglieds Dange in Moskau im August 1947 keinerlei direkte Anweisungen aus der UdSSR erhielt. Die oberflächlichen Publikationen der sowjetischen Presse und Publizistik enthielten in der Regel keine Stellungnahmen zur CPI und können nicht als verbindliche Fingerzeige aus Moskau interpretiert werden. Wissenschaftliche Veröffentlichungen stellten keine autorisierten Beschreibungen geltender politischer oder ideologischer Erwägungen des Kremls, sondern nur potentielle Lesarten dar. Die sowjetische Politik konnte wissenschaftliche Standpunkte jederzeit nach Belieben desavouieren, so dass sie ausländischen Kommunisten keine verlässliche Orientierung boten. Als ähnlich unsicher erwies sich die indirekte Anleitung durch die britische kommunistische Partei (CPGB), die Rajani Palme Dutt ab 1945 wiederbeleben wollte. Indische Kommunisten sahen potentielle Führungsansprüche aus London generell mit gemischten Gefühlen und hegten aufgrund ihrer Vorkriegserfahrungen erhebliche Zweifel an der internationalen Solidarität metropoler Arbeiterklassen.105 Dass britische Positionen zum Teil im Gegensatz zu sowjetischen Presseverlautbarungen standen, verstärkte nur das indische Misstrauen.106 Im August 1947 schließlich sprach die CPI den britischen Genossen rundweg jede Fähigkeit zu »irgendeiner ernsthaften Hilfe­ stellung« ab, da es »bis heute bei der Führung der englischen KP kein echtes

103 Vgl. Vermerk FO, Warner, über Gespräch mit Vertretern von GoI, External Affairs Dpt., und India Office, 12.8.1946, BLIOR, L/PS/12/4038; Nehru, The disovery, S. 575 f.; Gajrani/Ram, Aruna Asaf Ali, S. 45, 51 f. Die Zahl der Mitglieder der CPI stieg in dem Zeitraum allerdings etwas an, von 30.000 (1945) über 53.000 (1946) auf 89.000 Personen 1948, vgl. Overstreet/ Windmiller, Communism, S. 357. 104 Vgl. Donaldson, Soviet policy, S. 59 f.; Overstreet/Windmiller, Communism, S. 220–222; P. C. Joshi, Congress and Communists, in: People’s war Nr. 22, 26.11.1944, in: Bhasu (Hg.), Documents of the communist movement 5, S. 13–48. Puran Chand Joshi, u. a. 1935–1947 CPI-Generalsekretär. 105 Vgl. Gupta, Comintern, S. 107 ff., 156 ff.; Owen, The British left, S. 211–216. Rajani Palme Dutt, u. a. 1923–1965 Mitglied Exekutivkomitee der CPGB, führender Theoretiker der Partei. 106 Vgl. Callaghan, Rajani Palme Dutt, S. 226–230.

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Verständnis für die Probleme kolonialer Völker und besonders des indischen Problems« gebe.107 Die Erfolge der frühen sowjetischen Propaganda waren offenbar gering. Indische wie britische Beobachter konstatierten, dass sich die kriegsbedingte Begeisterung vieler Inder für die UdSSR bis 1946 merklich abgekühlt hatte. Nehru schrieb den Gesinnungswandel vor allem den Aktionen der CPI, aber auch der kruden Machtpolitik der Sowjetunion im Iran zu.108 Britische Beamte in Delhi und London dagegen hielten das positive Image der UdSSR, das sie im Krieg genossen hatte, lediglich für eine kurzfristige Verirrung einer grundsätzlich antikommunistisch eingestellten Mehrheit.109 Einzelne Politiker der Liga respektive in Bengalen nutzten 1946 und 1947 sozialistische Ideen immerhin als Manövriermasse, um im Kampf um die Unabhängigkeit zu punkten.110 Derlei Episoden unterstrichen erneut, dass sich verschiedene indische Nationalisten der weltpolitischen Blockbildung und der Chancen, die sie für neue Kräfte bieten konnte, bewusst waren. Das Hauptaugenmerk der indischen Öffentlichkeit und Politik lag 1945 bis 1947 jedoch nicht auf internationalen Fragen, sondern war auf die endgültige Durchsetzung der Unabhängigkeit gerichtet. Chronologie und Dramatik dieser Ereignisse müssen hier nicht weiter beschrieben werden.111 Es handelte sich keineswegs um einen britischen benevolenten, kontrollierten transfer of power. London agierte unter der Prämisse, dass Großbritannien trotz der eigenen Schwäche eine Macht in Asien und in der Welt bleiben sollte. Das Commonwealth sollte als »unabhängige politische,

107 Aufzeichnung Gespräch Dange mit Mitarbeitern OVP, 24.7.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 202 ff. 108 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 5.5.1946, NMML, J. N. Papers (M. O. Mathai), 2 A. 109 Vgl. Vermerk Warner über Gespräch mit Vertretern des GoI, External Affairs Dpt., und des India Office, 12.8.1946, BLIOR, L/PS/12/4038. 110 Vgl. Gupta, Stalin’s policy, S. 17 f.; Mountbatten an Gouverneur von Bengalen, Burrows, 16.5.1947, Mountbatten Papers Database, MB1/D108/39; Talbot, Pakistan, S. 89 f.; Zaheer, The separation, S. 8–14; Wolpert, Shameful, S. 142–149; Chatterji, Bengal, S. 260–265; Chakrabarty, The partition, S. 132–150; Gordon, Brothers, S. 577–588. 111 Aus der Fülle der Literatur seien hier nur einige weitere Werke genannt, die unterschiedliche Perspektiven und Dimensionen beleuchten: Khan, The great partition; Talbot, Khizr Tiwana; Anita Singh, The origins; Tunzelmann, Indian summer; Copland, The princes; Copland, The master; Hasan (Hg.), Inventing boundaries; Amarjit Singh, Punjab divided; Talbot/Singh, The partition; Sarkar, Mourning; Kabir, Gender; Brobst, The future; Low/Brasted (Hg.), Freedom; Ahmed, Jinnah; Tan/Kudaisya, The aftermath; Hodson, The great divide; Metz, The political career; Bandyopadhyay, From Plassey, S. 405–472; Themenheft JPHS 50 (2002); Alpes, The Congress; Kuracina, Sentiments; Gilmartin, Empire; Chester, Borders.

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militärische und wirtschaftliche Einheit« die britische Globalstellung abstützen, auch dank eines probritischen Indien in seinen Reihen.112 Die führenden Vertreter der indischen Nationalbewegung befassten sich spätestens mit Amtsantritt der Interims-Regierung am 2. September 1946 endgültig selbst mit der internationalen Positionierung ihrer neuen Staaten.113 In diesem Zusammenhang war auch zu entscheiden, ob sie die Möglichkeiten ausloten wollten, die sich aus offiziellen Kontakten zur antibritischen, unbekannten UdSSR ergeben mochten. Sowohl die ideologische Renaissance der Sowjetunion als auch ihre Entfremdung von den ehemaligen Bündnispartnern waren zu diesem Zeitpunkt weit fortgeschritten. Das im Krieg erheblich geschwächte Moskau setzte in dieser Phase noch ganz auf Wiederaufbau und innere Konsolidierung. Den zweiten Schwerpunkt machten Sicherungsmaßnahmen gegen militärische Einfallswege durch Europa und Asien aus. Die sowjetische Führung konnte ihre knappen Ressourcen nicht in allen Feldern weltweit in gleicher Intensität investieren. Sie war aber wie in den Vorjahren keineswegs geneigt, sich dem »Weltmachtstreben« der USA und der »reaktionären« Politik Großbritanniens zu unterwerfen oder durch vollständige Passivität in die Hinterhand zu geraten.114 Stalin behielt längerfristige globale Chancen im Auge und war zu gezielten Einsätzen unterschiedlicher Machtmittel durchaus bereit. Angesichts einer insgesamt eher zurückhaltend agierenden UdSSR erwies sich in den sowjetisch-indischen Beziehungen von 1946/1947 die indische Seite als der Aktivposten. Hier wiederum waren es Spitzenvertreter des INC, die gegen den Widerstand ihrer Ministerkollegen aus der Liga aktiv wurden.115 Als neuer indischer Außenminister und Vizepräsident der Interimsregierung präsentierte Nehru der Öffentlichkeit am 7. September 1946 sein Bild der zukünftigen 112 Singh, The limits, S. 6. Vgl. Moore, Making, v. a. S. 16–19, 64 f., 80 f., 91 f., 196 f.; Harris, Attlee, S. 362–388; Heinlein, British government policy, S. 4–42; Hyam, Britain’s declining empire, S. 104–131; Judd, The lion, S. 169–189; Darwin, Britain; Clarke, The last thousand days; Kent, British Imperial strategy; Louis/Robinson, The imperialism. 113 Formal wurden sie zu Mitgliedern des Exekutivrats des Vizekönigs berufen. 114 Vgl. N. Novikov an Molotov, 27.9.1946, in: Jensen (Hg.), Origins, S. 3–16, hier S. 3, 8, 12 f.; Gaiduk, Soviet cold war, S. 126 f., 134 f. Zum Begriff vgl. Wiederkehr, Weltmachtstreben. 115 Vgl. Pressekonferenz Liaquat, 26.10.1946, in: Long (Hg.), Dear Mr. Jinnah, S. 267–273; Aufzeichnung Gespräche Jinnah mit Chief of Staff, Ismay, 9.4.1947, Mountbatten Papers Database, MB1/D69/44; Aufzeichnung Gespräch Mountbatten mit Liaquat Ali Khan, 19.4.1947, ebd., MB1/D70/27; persönlicher Bericht Mountbatten Nr. 9 an SoS for India and Burma, 12.6.1947, ebd., MB1/D83/9; Aufzeichnung Gespräch Interimsregierung mit Vizekönig, 7.6.1947, in: Mansergh (Hg.), Transfer of power 11, S. 184–189. Pakistan ließ sich ab dem 14.8.1947 in Moskau zunächst von der britischen Botschaft vertreten, der pakistanisch-sowjetische Botschafteraustausch erfolgte Ende 1949/Anfang 1950.

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Außenbeziehungen Indiens. Er machte deutlich, dass sich Indien im Namen seiner Friedenspolitik keinem der beiden existierenden Machtblöcke anschließen, sondern gute Beziehungen sowohl zu den USA als auch zur UdSSR anstreben würde.116 Einzelne indische Diplomaten machten sich daran, diese Vorstellungen mit Leben zu füllen. Zwar agierte die vom Vizekönig bestückte indische Delegation auf der Pariser Friedenskonferenz im September und Oktober 1946 gemäß britisch-imperialer Tradition im britischen Interesse und wurde darob in Moskau entsprechend kritisch gesehen.117 Aber hinter den Kulissen nutzten indische Akteure die Gelegenheit, zwecks Ausweitung der zukünftigen internationalen Präsenz Indiens über das Commonwealth hinaus und analog zu Verbindungen zu den USA und China der UdSSR den Austausch diplomatischer Vertretungen vorzuschlagen. Zugleich bat Nehrus Gesandter Krishna Menon um Lebensmittelhilfen. Dieser Schritt stellte in Nehrus Augen einen freundlichen, doch unverbindlichen Einstieg in bilaterale Beziehungen dar und wurde in Delhi als Versuchsballon betrachtet, um die sowjetische Haltung gegenüber dem neuen Staat zu ergründen.118 Der eigenwillige Menon ging jedoch weiter und sprach außerhalb seines Auftrags bei Molotov die Möglichkeit an, dass in Zukunft sowjetische Militärexperten an indischen Militärschulen unterrichten könnten.119 Menon machte sich generell dafür stark, die indisch-sowjetischen Beziehungen möglichst schnell auf eine solide und breite Grundlage zu stellen.120 Nehru selbst erwog einen Besuch in der UdSSR. Er konnte den Plan aufgrund der innerindischen Entwicklungen nicht weiterverfolgen.121 Derweil verlief ein 116 Vgl. Rundfunkansprache Nehru, 7.9.1946, hier zit. nach Singh, Between two fires 1, S. 167–171. 117 Vgl. Gupta, Stalin’s policy, S. 18–20. 118 Vgl. Wavell an SoS for India and Burma, 12.9.1946, sowie GoI, Food Department, an SoS for India and Burma, 17.9.1946, BLIOR, L/PS/12/4045; britische Botschaft Moskau an FO, 25.9.1946, ebd. Die Bitte nahm offenbar Anfragen des GoI von Sommer 1946 auf, vgl. Hearing GoI, Food Dpt., September 1946, NAI, 20/4, Eur (Secret); Ankit, The Kashmir conflict, S. 27 f.; Krishna Menon, u. a. 1929–1947 Sekretär India League (London), 1947–1952 Hochkommissar in London, 1952–1962 UN-Delegierter, 1957–1962 Verteidigungsminister. 119 Vgl. Hearing GoI, Food Dpt., September 1946, NAI, 20/4), Eur (Secret); Nehru an V. L. Pandit, 14.11.1946 und 1.4.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1946–1950 bzw. 1, 54; Singh, Between two fires 1, S. 186–188. Anders als von Arora, V. K. Krishna Menon, S. 71 f., behauptet, lassen die Quellen kein grundsätzliches sowjetisches Einverständnis mit den Überlegungen Menons erkennen. 120 Vgl. Krishna Menon an Nehru, 19.10.1946, NAI, 20 (4) Eur (Secret). 121 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 5.12.1946, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru 1946–1950; Nehru an K. P. S. Menon, 5.12.1946, NMML, J. N. Papers (M. O. ­Mathai), 2A: Correspondence with K. P. S. Menon; Malik an Molotov, 27.2.1947, AVP, f. 6, op. 9, papka 52, d. 768, ll. 5 ff.

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erster Probelauf der neuen indischen Außenpolitik und ihrer Auswirkungen auf die indisch-sowjetischen Beziehungen bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen recht positiv. Indien wurde hier international erstmals durch Schwergewichte des INC und nicht mehr durch handverlesene Vertraute des Empire vertreten. Als Außenminister gab Nehru der Delegation ein dezidiert unabhängiges Diskussions- und Abstimmungsverhalten auf. Im Sinne seiner Friedenspolitik verlangte er eine objektive Würdigung auch sowjetischer Positionen. »­[I]n this world tug-of-war there is in the whole more reason on the side of Russia, not always of course. […] I do not want you or our delegation to become a camp-follower of the Russian group; still less do I want you to hover around the British Commonwealth group.«122 Im Verlauf der Sitzungen näherten sich die indischen Vertreter demgemäß unter anderem in Fragen der Auskunftspflicht über militärische Einrichtungen im Ausland der sowjetischen Position an. Die sowjetische Delegation unterstützte derweil das Vorgehen der indischen Vertreter gegen die südafrikanische Rassendiskriminierung.123 Zur engeren Kooperation gehörte nach Ansicht der indischen Regierung, die Beziehungen zur UdSSR zusätzlich auf breiterer gesellschaftlicher Basis, wenn auch politisch kontrolliert, zu pflegen. In der bereits erwähnten Rundfunkansprache vom 7. September bezeichnete Nehru die UdSSR als »Nachbarn in Asien«.124 Da lag es nahe, dass der semi-offizielle Indian Council of World Affairs im Oktober 1946 die asiatischen Republiken der UdSSR zur Asien-Konferenz nach Delhi einlud, die im März/April 1947 stattfand.125 Parallel hierzu sprach die Indische Wissenschaftsvereinigung im Oktober 1946 Einladungen zum 34. Indian Science Congress im Januar 1947 aus. Die INC-Führung nutzte beide Veranstaltungen an der Liga vorbei als Instrument demonstrativer indischer Selbstdarstellung auf internationaler Bühne. Die sowjetische Führung reagierte im Rahmen ihrer aktuellen Möglichkeiten und (geografischen) Prioritäten auf die diversen indischen Avancen. Mit Blick 122 Nehru an V. L. Pandit, 14.11.1946, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru 1946–1950. 123 Vgl. Gupta, Stalin’s policy, S. 21–32. 124 Singh, Between two fires 1, S. 167–171. 125 Krishna Menon stellte Molotov bereits Ende 1946 die Einladung in Aussicht, vgl. Arora, V. K. Krishna Menon, S. 72. Sie erreichte das NKID am 7. bzw. 14.10.1946, gesonderte Einladungen waren bereits vorher an die Republiken Azerbajdžan, Kirgizien, Kazachstan, Turkmenien, Uzbekistan und Tadžikistan ergangen, AVP, f. 7, op. 11, papka 15, d. 220, ll. 14 ff. Nehru war zunächst Vorsitzender des Organisations- und des Arbeitskomitees, mit Übernahme der Regierungsämter agierte er als Ehrenpräsident des Organisationskomitees, vgl. Asian Relations, S. 6.

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auf die grundsätzliche »Besonderheit und Eigenart der internationalen Rolle Indiens sowie seiner Lage in Asien im System kolonialer Länder« zeigten sich die politischen Spitzen in Moskau bemüht, den Botschafteraustausch mit Delhi zügig zu realisieren.126 Bereits am 2. Oktober 1946 sprach sich Molotov für die Aufnahme diplomatischer Beziehungen aus. An umfassenden Verhandlungen mit der Interimsregierung hatte die sowjetische Führung allerdings kein Interesse. Das Thema der Militärexperten wurde seitens der UdSSR ebenfalls nicht aufgegriffen. Wegen Dürre »in einer Reihe von landwirtschaftlichen Gebieten«, so die offizielle Darstellung der sowjetischen Hungersnot, sah sich die UdSSR »in diesem Jahr« außerdem außerstande, Getreide zu liefern. Ausgewählte europäische Länder konnten im selben Zeitraum offenbar auf sowjetische Lebensmittellieferungen hoffen.127 Die Zurückhaltung erklärte sich auch daraus, dass Stalin keineswegs an einem offenen Konflikt mit dem britischen Imperium über Indien gelegen war. Noch auf der Moskauer Außenministerkonferenz im März 1947 brachte Bevin in Gesprächen mit Stalin recht deutlich zum Ausdruck, dass man in London die Region zum eigenen Geschäftsbereich zählte. »Stalin apparently agreed that India is a difficult question and said that Russia was not interfering but wished success to Great Britain in her enterprise.«128 Im Juni 1947 ernannte die Interimsregierung Nehrus Schwester Vijaya Lakshmi Pandit zur ersten Botschafterin in der UdSSR. Zu diesem Zeitpunkt war es ausgemacht, dass der Widerstand der Liga gegen Kontakte zur UdSSR für den Kurs des künftigen Indien keine Bedeutung mehr hatte. Pandit erreichte Moskau am 8. August 1947, wenige Tage vor der Unabhängigkeit ihres Staates.

126 Malik an Molotov, 27.2.1947, AVP, f. 6, op. 9, papka 52, d. 768, ll. 5 ff. 127 Sowjetische Note, 2.10.1946, AVP, f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, ll. 1–3. Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 8.12.1946, BLIOR, L/PS/12/4639A; indische Note, 2.4., sowie sowjetische Note, 7.4.1947, AVP, f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, ll. 8 ff.; Jurlov/Jurlova, Istorija Indii, S. 611–613. Zu Lebensmittelsituation und -exporten vgl. britische Botschaft Moskau an FO, 25.9.1946, BLIOR, L/PS/12/4045; Zubkova, Russia, S. 40–50; Zima, Golod, S. 149; Foitzik, Selbstbezogene Vergangenheitserbauung, S. 58–60; Babiracki, Soviet soft power, S. 254, Anm. 3. Nach polnischen Angaben wurde am 8.2.1946 ein Vertrag über die sowjetische Lieferung von 200.000 Tonnen Getreide abgeschlossen, am 29.8.1947 folgte ein zweiter über die Lieferung von 300.000 Tonnen. 1948 registrierte Polen die Lieferung von 300.000 Tonnen, vgl. Notatka informacyjna w sprawie obrotów handlowych polsko-radzieckich, Warszawa 4 lutego 1952, in: Archiwum Urzedu Rady Ministrow, Gabinet Jedrychowskiego 33, Bl. 136–146. Diesen Hinweis verdanke ich Bogdan Musiał, Warschau. Vgl. ferner Haslam, Russia’s cold war, S. 90–92. 128 SoS for India and Burma an Mountbatten, 12.4.1947, Mountbatten Papers Database, Dok. MB1/ D40/12.

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Am 27. September 1947 berief das sowjetische Politbüro Kirill Novikov zum ersten Botschafter in Indien.129 Er traf am 23. Dezember 1947 in Delhi ein. Die Herstellung diplomatischer Beziehungen brachte für die UdSSR keine Garantie auf politische Einflussnahme und für Indien keine automatische Unterstützung durch die UdSSR mit sich. Das zeigte sich noch im selben Jahr auf der UN-Vollversammlung. Hier kandidierte Pandit auf Drängen von arabischen und anderen Staaten und offenbar ohne weitere Konsultation mit Delhi für einen Platz im Sicherheitsrat. Entgegen erster Absprachen mit dem sowjetischen Delegationsleiter Vyšinskij sah sich die indische Diplomatie unversehens in Kampfabstimmungen gegen den ukrainischen Vertreter verstrickt. Nach mehreren ergebnislosen Durchgängen zog sich Pandit aus dem Rennen zurück, ihre Beziehungen zu Vyšinskij waren »etwas abgekühlt«.130 Nehru blieb trotzdem entschlossen, an seinem Kurs der außenpolitischen Ungebundenheit festzuhalten. Er erwartete über kurz oder lang sowohl die internationale Akzeptanz einer selbständigen Politik des neuen Staats mit ihren eigenen Prioritäten als auch eine engere Kooperation mit beiden Lagern des Kalten Kriegs.131 In Moskau sah man die indischen Entwicklungen derweil zunehmend kritisch. In der wissenschaftlichen Publizistik und Presse wurden Sorgen über die anhaltende britische Präsenz nach der Unabhängigkeit, über die politischen Ansichten führender Politiker des INC (und der Liga) sowie über die ersten Teilungskonflikte und ihre Folgen lauter.132 Das Politbüro zählte, wie Ždanovs Kominform-Rede verdeutlichte, Indien zu den umkämpften Regionen der Welt, in denen »fortschrittliche« und »imperialistische« Kräfte um die Zukunft der neuen Staaten und ihrer Gesellschaften rangen.133 Moskau kam es daher durchaus entgegen, dass sich die sowjetisch-indischen Beziehungen nicht auf die rein diplomatische Annäherung beschränken sollten. In diesem Sinne reagierten die sowjetischen Apparatschiks auf die halbamtlichen indischen Initiativen 129 Kirill Vasil’evič Novikov, u. a. ab 1942 Leiter der Zweiten Europäischen Abt. MID, 1947–1953 Botschafter in Delhi, 1953–1955 Leiter der MID-Abt. SOA, ab 1955 (stellv.) Leiter MID-Abt. für Internationale Organisationen. 130 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 21.9. und 14.11.1947, sowie V. L. Pandit an Bajpai, 9.10.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 47 und 55; Aufzeichnung Gespräch V. L. Pandit mit britischem Hochkommissar Delhi, Shone, 30.12.1947, BLIOR, L/PS/12/4639A; Gupta, Stalin’s policy, S. 64–68; Singh, Between two fires 1, S. 207 f. 131 Vgl. Nehru vor Constituent Assembly, 4.12.1947, SWNJ 2, Vol. 4, S. 594–603. 132 Vgl. Žukov, Kolonial’nyj vopros; Pravda, 10.8.1947, S. 4, Plany Anglii po kontrolju nad indijskoj armiej; Pravda, 14.8.1947, S. 4, Položenie v Indii; Pravda, 19.8.1947, S. 4, Razdel Pendžaba i Bengalii sowie Stolknovenija v Indii v den’ nezavisimosti; Pravda, 3.11.1947, S. 4, Sobytija v Kašmire. 133 Wie Anm. 5.

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hinsichtlich der Asienkonferenz und erster Wissenschaftskontakte positiv. Um die adäquate (Selbst-)Darstellung wissenschaftlicher und gesellschaftspolitischer Erfolge der UdSSR sicherzustellen, behielt sich die Partei die Zusammenstellung und laufende Kontrolle der Delegationen vor. Das Auswahlverfahren für den Wissenschaftskongress dauerte so lange, dass die Wissenschaftsdelegation erst mit dreitägiger Verspätung, am 5. Januar 1947, in Indien eintraf.134 Die Asien-Konferenz hielt man im MID für ein hochpolitisches Unternehmen. In Moskauer Augen wollte die Interimsregierung mit der Veranstaltung Prestige und Unabhängigkeit Indiens unterstreichen und dazu ein asiatisches Gemeinschaftsgefühl fördern, das letztlich von imperialistischen Hintermännern instrumentalisiert werden würde. Die sowjetische Seite wollte die politischen Implikationen umgehen, indem sie ihre Delegierten als Männer aus Wissenschaft und engagierter Öffentlichkeit der zentralasiatischen und kaukasischen Republiken präsentierte.135 Ihre parteiamtlichen Verbindungen blieben verborgen.136 In den Konferenzdebatten torpedierten die Gesandten auftragsgemäß jeden Versuch, pan-asiatische Gemeinschaften zu bilden.137 Daneben baute die sowjetische Seite darauf, Verbindungen zu linken gesellschaftlichen Organisationen in Indien auf- und auszubauen. Das NKID versprach sich von der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Indien ganz generell die Chance, »positiven Einfluss auf die Stärkung der Position demo134 Vgl. Indian Council an NKID, 15.1.1947, AVP, f. 6, op. 9, papka 52, d. 769, l. 29; Vermerke VOKS/NKID, Anfang 1947, GARF, f. 5283, op. 19, d. 143, ll. 145 ff. und RGASPI, f. 17, op. 128, d. 214, ll. 1 ff.; Rechenschaftsbericht Volgin über Delegationsreise, Eingang 8.2.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, ll. 11 ff.; Beschluss Politbüro, 27.12.1946, sowie Leiter ZK-Kaderverwaltung, Baranenkov, und ZK-Verwaltung Agitation, Wissenschaftsabteilung, Suvorov, an ZK-Sekretär Kuznecov, 26.12.1946, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1, S. 341; Malik an Molotov, 10.1.1947, AVP, f. 6, op. 9, papka 52, d. 768, ll. 1 f.; Stolte, The Asiatic hour, S. 57. Für die politische Überwachung vor Ort sorgte Delegationssekretär Bol’šakov, Indien-Referent der ZK-Abteilung für Außenpolitik. Vjačeslav Petrovič Volgin, u. a. 1947 bis 1951 Mitglied des Obersten Sowjets der UdSSR, 1942–1953 Vizepräsident AN, ab 1949 für die Konferenzen der Weltfriedensbewegung aktiv. 135 Armenien, Azerbajžan, Georgien, Kazachstan, Kirgizien, Tadžikistan, Turkmenien und Uzbekistan. 136 Plyševskij, Mitglied der außenpolitischen Kommission des ZK, trat als zweiter Vertreter des Pazifik-Intituts in Erscheinung, vgl. Malik an Molotov, 17.3.1947, AVP, f. 6, op. 9, papka 52, d. 769, l. 42; Kap. 3.2. 137 Vgl. Malik an Suslov, 17. und 18.1.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 214, ll. 22 f., 27 f.; Vermerk geschäftsführender Leiter MID-Abteilung Südostasien, Prichodov, 19.3.1947, AVP, f. 6, op. 9, papka 52, d. 769, ll. 37 ff.; Asian relations, S. 156; Abschlussbericht sowjetische Delegation Asien-Konferenz, 7.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 405, ll. 18 ff.; Izvestija, 31.5.1947, S. 4. Ju. K. Prichodov, u. a. (1947) MID-Abt. Südostasien, (1949) Botschafter der UdSSR in der Mongolei.

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kratischer Elemente in Indien auszuüben«.138 Der linksgerichtete Weltbund der Demokratischen Jugend (WFDY) schickte bereits Anfang 1947 gegen den erklärten Willen konservativer Regierungsmitglieder in Delhi eine Jugendkommission nach Indien. Sie sollte die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Jugend und Studenten untersuchen und Kontakte knüpfen. Der Kommission gehörte neben Vertretern aus Dänemark, Jugoslawien und Frankreich die sowjetische Journalistin Ol’ga Čečetkina an.139 Ab dem 20. Juli 1947 weilte schließlich S. A. Dange, Vorsitzender des Allindischen Gewerkschaftskongresses (AITUC) und Mitglied des ZK der CPI, als Gast des sowjetischen Allunions-Zentralrats der Gewerkschaften (VCSPS) in Moskau.

138 Malik an Molotov, 27.2.1947, AVP, f. 6, op. 9, papka 52, d. 768, ll. 5 ff. 139 Vgl. Präsident WFDY, de Boysson, an Nehru, 3.10., sowie Antwort Nehru, 28.11.1946, NAI, 25 (4)-Eur (Secret); Bericht Home Department, IB, 20.11.1946, ebd.; Efimova, Did the Soviet Union, S. 452, 455–463; Tschetschetkina, Indien.

3. Sowjetisch-indische Beziehungen 1947 bis 1955: Aufbau und Wandel

3.1. Akteure und Institutionen Die wechselseitigen Wahrnehmungen von indischen Nationalisten und der sowjetischen Politik und Gesellschaft hatten 1917 bis 1947 in aller Regel auf Berichten aus zweiter Hand beruht. Sie wurden auf beiden Seiten durch spezifische Muster von Selbst- und Fremdwahrnehmung gefiltert und durch eine Prioritätensetzung selektiert, die um die Gewinnung der nationalen Unabhängigkeit bzw. um die Konsolidierung und Stärkung des sozialistischen Imperiums kreiste. Dabei hatten sich zugleich die institutionellen Instrumente, derer sich beide Partner auch in Zukunft bedienen würden, herausgebildet; ein Teil dieser Apparate wurde bereits erwähnt. Daneben waren seit den 1920er-Jahren jene Akteure – in beiden Staaten tatsächlich in ganz überwiegender Mehrheit Männer – herangewachsen, die ab 1947 für die konkrete Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen relevant wurden. Die handelnden Akteure und Kollektive werden im Folgenden genauer vorgestellt werden. In diesem Zusammenhang sind die wichtigsten Grundauffassungen, Hierarchien und Mechanismen zu skizzieren, die die sowjetischen bzw. indischen Beziehungen prägten. Die Beschreibung beleuchtet zugleich die behördlichen und personellen Ressourcen, die ab 1947 zur Verfügung standen. In der UdSSR waren zu diesem Zeitpunkt die Apparate und Zuständigkeiten sowohl flächiger als auch differenzierter ausgebildet als in dem neuen Staat Indien. Auf der anderen Seite wirken indische individuelle Akteure mitunter deutlich profilierter als ihre sowjetischen Gegenüber. Insgesamt lassen sich auf beiden Seiten Perzeptions- und Deutungsstrukturen erkennen, die 1947, zum Auftakt der national-imperialen Beziehungsgeschichte, abgerufen wurden. Sie entfalteten ihre Wirksamkeit in zahlreichen direkten Begegnungen. Die Interaktionen legten neben Kompatibilitäten wichtige Diskrepanzen und Gegensätze offen. Sie umrissen somit für die kommenden Jahre generelle Möglichkeiten und potentielle Bruchstellen im bilateralen Verhältnis, die konkrete Beziehungsfelder mitbestimmen würden.

Akteure und Institutionen

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3.1.1. UdSSR 3.1.1.1 Politische Führung, Partei und Ministerien

Ted Hopf hat wesentliche Kategorien der sowjetischen Konstruktion internationaler Beziehungen benannt, die eingangs für eine Kurzcharakterisierung des in der UdSSR nach 1945 vorherrschenden Verständnisses der Außenbeziehungen genutzt werden können. Hierzu gehört das Verhältnis der Klassen zueinander, das als Basis der globalen Konstellationen verstanden wurde, dazu die Einstufung und Hierarchisierung von Staaten und Völkern über Vorstellungen und Definitionen von Modernität und (entsprechender) nationaler Wertigkeit. Mit diesen beiden Punkten war das in letzter Konsequenz globale Projekt eines ›Neuen Menschen‹ verbunden. Im Gesamtzusammenhang von antagonistischen Beziehungen und fixen Leitlinien und Zielen kam schließlich der Toleranz für respektive dem Umgang mit wahrgenommenen Abweichungen, Differenzen und Alternativideen eigene Bedeutung zu.1 Diese Merkmale lassen sich mit den für die internationalen Beziehungen der UdSSR nach 1945 relevanten Kennzeichen eines Imperiums – die asymmetrische Beziehungsstruktur zwischen Zentrum und Peripherie, die Zivilisierungsmission sowie die inhärente Gewaltbereitschaft – zur Deckung bringen und daher mit für die Beschreibung der imperialen Perspektive nutzen. Dabei steht für die Jahre des Hochstalinismus außer Zweifel, dass nicht eine elitäre Gruppe, sondern Stalin über die internationalen Beziehungen der UdSSR entschied. »Wenn ich nicht mehr bin«, soll der Diktator seine Getreuen gemahnt haben, »werden euch die imperialistischen Mächte wie Hühnern den Hals umdrehen«.2 Der Diktator betrachtete die internationalen Beziehungen als Fortsetzung eines erbarmungs- und kompromisslosen Klassenkampfs im globalen Maßstab, in dem sein Sozialismus siegen würde. Die ideologische Klassenkonzeption war Mitte der 1940er-Jahre deutlich mit ethnischen und rassistischen Komponenten durchsetzt. Für die internationale Positionierung der UdSSR ergab sich aus derlei Denkweisen eine ambivalente Mischung. Langjährige Abwehrhaltungen und Einkreisungsängste hatten sich zur reflexartigen Xenophobie verdichtet, die mit 1

Vgl. Hopf, Social construction, S. 40–82, ausdifferenziert in Hopf, Reconstructing, S. 43–71 mit der entsprechenden Debatte in H-Diplo/ISSF Roundtable, Vol. VI, No. 6 (2014), unter http:// www.h-net.org/~diplo/ISSF/PDF/ISSF-Roundtable-6–6.pdf (letzter Zugriff: 10.4.2018), hier v. a. die Beiträge von Roberts und Jackson. 2 Zit. nach Talbott (Hg.), Chruschtschow erinnert sich, S. 365. Vgl. – auch zu Abweichungen – Chruščev auf ZK-Plenum, 26.3.1958, in: Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 309; Subok/Pleschakow, Der Kreml, S. 209; Hopf, Reconstructing, S. 30–33.

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ethnisierten Annahmen verbunden blieb. Auf dieser Basis sah der Stalinismus die staatstragenden slawischen Nationen der UdSSR unter russischer Führung als Vorreiter eines im marxistisch-stalinistischen Sinne aufgeklärten und fortschrittlichen ›Europa‹, das nicht bürgerlich war und sich damit auch nicht der angeblichen ›kapitalistischen Kulturlosigkeit‹ auslieferte. Das Überlegenheitsgefühl war allerdings brüchig. Sowjetische Vertreter einschließlich Stalins präsentierten sich nach ›Westen‹ hin immer wieder als überempfindliche underdogs, die versuchten, Selbstzweifel durch überforsche Ansprüche zu kompensieren. Ungeachtet dessen wurde das behauptete Kulturgefälle innerhalb der UdSSR auf ein sowjetisch-›asiatisches‹ Verhältnis übertragen, bei dem der nichtsowjetische ›Osten‹ in allen Lebens- und Politiksphären eine weit untergeordnete Stellung einnahm. Die Tendenz zu einer sowjetischen Essentialisierung des ›Ostens‹ war trotz des progressiven Vokabulars unübersehbar.3 In dieser Konstellation, die entscheidend von den Dichotomien Proletariat und Bourgeoisie, Russen und Nicht-Slawen, ›europäisch‹-sozialistische ›Fortschrittlichkeit‹ und ›asiatischer‹ ›Rückständigkeit‹ geprägt war, musste das sowjetische Konzept in Stalins Augen in ständiger Auseinandersetzung mit dem ›Feind‹ auch unter Anwendung von Gewalt durchgesetzt werden: mittels individueller Gewalt, aber auch, im internationalen Kontext bedeutsamer, struktureller sowie – bei angemessenen Erfolgsaussichten – organisierter militärischer Gewalt.4 Dabei ließ die absolut gesetzte, stalinistische Globalmission keinen Raum für dritte Wege oder neutrale Beobachter. In der konkreten Situation der Nachkriegszeit galt es allerdings zunächst, die Sicherheitslage der gebeutelten Sowjetunion für zukünftige Auseinandersetzungen und Expansionen zu verbessern. Parallel hierzu war das gegnerische Lager zu schwächen und auseinanderzudividieren. Die stalinistischen Grundauffassungen waren seit den 1930er-Jahren unter den in die internationalen Beziehungen involvierten sowjetischen Funktionären und Bürokraten gedankliches Allgemeingut. Dies gewährleisteten zum

3 Exemplarisch vgl. Protokoll Gespräch Stalin mit Regisseur Ėjzenštejn u. a., 26.2.1947, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 612 ff.; Toast Stalin auf Empfang für mongolische Delegation, 2.2.1943, in: Nevežin (Hg.), Zastol’nye reči, S. 332 f.; Stalin vor Armeekommandeuren, 24.5.1945, ebd., S. 470 f. Vgl. neben Kap. 1, Anm. 17 und 39, Behrends, Völkerfreundschaft; Shiraev/Zubok, Anti-Americanism, S. 11 ff.; van Ree, The political thought, S. 190 ff., 196 ff., 253 f.; Yekelchyk, Stalinist patriotism; Heinzig, Die Sowjetunion, S. 592 ff.; Tsygankov, Russia, S. 216–235; Schimmelpenninck van der Oye, Russian Orientalism; Kemper, Red Orientalism. 4 Vgl. van Ree, The political thought, S. 211–253, 279–284; Plaggenborg, Stalinismus; Baberowski, Der rote Terror; Werth, Ein Staat; Yakovlev, A century.

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einen die internen Machtstrukturen, die auf Stalin zugeschnitten waren.5 Im Krieg blieb die Außenpolitik eine Domäne des Diktators, auch wenn die akuten Herausforderungen dazu führten, dass die Mitglieder der Spitzengruppe und ihre Getreuen sich aktiver in die Geschäftsführung einschalteten. Dem drohenden Bedeutungsgewinn der Genossen steuerte Stalin unmittelbar nach Mai 1945 gegen. Seine scharfen Attacken auf Molotov und Mikojan, die Volkskommissare für Äußeres und für Außenhandel, machten deutlich, dass Stalin weiterhin auf seiner alleinigen Kompetenz in internationalen Fragen beharrte.6 Die Zusammensetzung des Kreises seiner engsten Zuarbeiter und Exekutoren sowie die Organisationsformen internationaler Dienststellen sollten sich bis 1953 einige Male ändern. Der für internationale Beziehungen der UdSSR relevante Personenkreis fand sich nach Kriegsende in der Politbüro-Kommission für Auswärtige Angelegenheiten zusammen.7 Die Gruppe zog bald auch wichtige finanz- und innenpolitische Fragen an sich und avancierte damit zur Instanz für »alle Fragen von nationaler Bedeutung«.8 Was darunter fiel, blieb in Stalins Ermessen gestellt. Die Tagungsordnungen der Kommissionssitzungen spiegelten sein Streben nach vollständiger Kontrolle wider. So beriet die oberste Führung der UdSSR nicht nur über Anweisungen für Delegationen zu internationalen Konferenzen, über das Abstimmungsverhalten in den UN oder über die Besetzung sowjetischer Botschafterposten, sondern auch über Urlaubsanträge sowjetischer Botschafter und über Gehälter indischer Angestellter in sowjetischen Einrichtungen.9 Am 9. November 1950 befand die Kommission 5 Vgl. allg. Rosenfeld, The special world; Khlevniuk, Master; Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace; Gorlizki, Stalin’s cabinet. 6 Das GKO löste sich am 4.9.1945 auf. Zur wechselnden Zusammensetzung seit 1941 vgl. Polit­bjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 21, Anm. 1. Zur Führungsriege ab 1945 vgl. ­Pechatnov, The allies; Stalin an Mikojan, 22.9.1945, in: Politbjuro CK VKP (b), S. 191, Chlevnjuk u. a. (Hg.); Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace, S. 17–25; Pyžikov/Danilov, Roždenie, S. 211– 218. Anastas Ivanovič Mikojan, u. a. 1935–1966 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium, 1953–1955 Handelsminister, 1958–1964 erster stellv. Vors. SovMin. 7 Beschluss Politbüro, 29.12.1945, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 24 f. 8 Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace, S. 48. Vgl. Beschlüsse Politbüro, 21.4. und 3.10.1946, 8.2.1947 und 9.4.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 38 sowie Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 39–43, 74; Vermerk Stalin, o. D., ebd., S. 43 f. 9 Vgl. exemplarisch Beschlüsse Politbüro, 29.6.1944, 21.11.1945, 7.1.1946, 8.3.1947 und 12.4.1951, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 37; RGANI, f. 89, op. 38, d. 65; RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1064; RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1582. Zu Urlaubszeiten vgl. Beschluss Politbüro, 19.3.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1615. Zu Gehältern vgl. Grigor’jan/Gromyko an Stalin u. a., 21.6.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1197, l. 1; Beschluss Politbüro, 25.6.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40. Vagan Grigor’evič Grigor’ jan, seit 1920 Parteimitglied, u. a. 1952–1956 ZK-Kandidat, 1933–1946 Redakteur der Zeitschrift »Zarja Vostoka« (Tbilisi), 1946–1947 Abt.-Leiter Zentrale Presse in

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sogar über das Telegramm, das Stalin Nehru zum Geburtstag schickten wollte. Die Instanz entschied sich für: »[M]eine Glückwünsche zusammen mit Wünschen für Ihre gute Gesundheit«.10 Der Kommission gehörten zunächst neben Stalin, Molotov und Mikojan die Genossen Berija, Malenkov und – bis zu seinem Tod am 31. August 1948 – Ždanov an. Die personelle Zusammensetzung spiegelte politische Schwerpunkte der sowjetischen Nachkriegsjahre wider: Wirtschaft, Rüstung und internationale Beziehungen. Auf die Person bezogen demonstrierte die Mitgliedschaft außerdem die Zugehörigkeit zur engsten Führungsmannschaft, die höchste Staats- und Parteiämter okkupierte – zur sogenannten šesterka, dem Sextett der Macht.11 Änderungen reflektierten daher nie nur sachliche Erwägungen, sondern immer auch machtpolitische Intrigen und Erwägungen. Gegen Stalins Verschwörungsphobien und sein zynisches Machtkalkül waren auch die Mitglieder des engsten Zirkels nicht gefeit. Blutige Säuberungen nach 1945 deuteten weder auf wirksame Opposition in den Führungskreisen noch auf elaborierte Versuche hin, neue (internationale) Politikentwürfe und Denkmodelle zu etablieren. Im Oktober 1946 erweiterte der Wirtschaftsfachmann Voznesenskij die šesterka zu einem Septett, der semerka.12 Der ebenfalls unter anderem für Wirtschaftsfragen verantwortliche Kaganovič sowie Verteidigungsminister Bulganin stiegen 1947 respektive 1948 in den erlauchten Kreis auf, ZK-Sekretär Chruščev 1950.13 Die beiden außenpolitischen Spitzenfunktionäre Molotov und Mikojan verloren im März 1949 ihre Ministerämter, hielten sich aber vorerst in der

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ZK-Verwaltung für Propaganda und Agitation, 1947–1949 stellv. Chefredakteur Kominform-Zeitung, 1949–1954 Leiter ZK-Kommission/-Abt. für Internationale Fragen/Beziehungen mit ausländischen KPs; Andrej Andreevič Gromyko, u. a. 1956–1989 ZK-Mitglied, seit 1939 im NKID, 1946–1948 Ständiger Vertreter UdSSR im SC, 1946–1957 (erster) stellv. MID, 1957–1985 MID. Beschluss Politbüro, 9.11.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1567. Zu weiteren Funktionen und Positionswechseln vgl. Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.); Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace; Subok/Pleschakow, Der Kreml, S. 1–247. Lavrentij Pavlovič Berija, u. a. 1946–1953 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium, 1945–1953 Vors. Spezialkomitee beim SNK/SovMin, 1953 erster stellv. Vors. SovMin, 1953 hingerichtet. Georgij Maksimilianovič Malenkov, u. a. 1946–1957 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium, 1939–1946, 1948– 1953 ZK-Sekretär, 1944–1953 stellv. Vors. SNK/SovMin, 1953–1955 Vors. SovMin, 1955–1957 stellv. Vors. SovMin. Vgl. Beschluss Politbüro, 3.10.1946, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 38. Nikolaj Alekseevič Voznesenskij, u. a. 1939–1949 ZK-Mitglied, 1947–1949 Mitglied Politbüro,1942–1949 Vors. Gosplan; 1950 hingerichtet. Vgl. Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace, S. 49, 103. Lazar’ Moiseevič Kaganovič, u. a. 1930–1957 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium, 1947–1953 stellv. Vors. SNK/SovMin, 1953–1957 erster stellv. Vors. SovMin; Nikolaj Aleksandrovič Bulganin, 1937–1961 ZK-Mitglied, 1948–1958 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium, 1950–1955 erster stellv. Vors. SovMin, 1955–1958 stellv. Vors. SovMin.

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oberen Etage. In der Anfang 1950 neu eingesetzten Politbüro-Kommission für Außenhandel übernahm Mikojan den Vorsitz. Außerdem ließ Stalin Mikojan im März 1950 zum Bevollmächtigten des Ministerrats für die anlaufenden Lieferungen nach China berufen.14 Die Reorganisation der Parteispitze im Herbst 1952 diente der Vorbereitung einer neuen Terrorwelle, in der unter anderem Molotov und Mikojan als Opfer ausersehen waren. Sie wurden im Oktober 1952 nicht mehr zu Mitgliedern des Büros des ZK-Präsidiums ernannt. Das Büro war das neue Herz des Systems und damit auch für internationale Fragen und für Fragen des Außenhandels zuständig.15 In der ebenfalls neu zusammengestellten Präsidiums-Kommission für Auswärtige Angelegenheiten hatte Malenkov den Vorsitz inne. Zu den Mitgliedern zählten neben Außenminister Vyšinskij und Molotov auch Staatssicherheitsminister Ignat’ev, Außenhandelsminister Kumykin, der ubiquitäre Berija sowie die ehrgeizigen Brežnev und Suslov. Die Verteidigungskommission leitete Bulganin. Als Vorsitzender der Ideologiekommission konnte sich Šepilov profilieren. In seiner Kommission arbeitete Suslov ebenfalls mit.16 Sofort nach dem Tod des Diktators kehrten Molotov und Mikojan in den engsten Führungskreis zurück. Sie übernahmen erneut zentrale Machtpositionen und außenpolitisch relevante Ämter. Bis Ende März 1953 wurden die im Herbst 1952 eingerichteten Kommissionen des ZK-Präsidiums für Auswärtige Angelegenheiten und für Verteidigungsfragen, die Ideologische Kommission sowie das Büro des Präsidiums aufgelöst. Mit Stand 5. März 1953 präsentier14 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 4.3. und 9.4.1949 sowie 7.3.1950, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 68, 74, 329; Beschluss Politbüro, 19.1.1950, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 97, ll. 1 f.; Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace, S. 76–79. 15 Vgl. Beschluss ZK-Plenum, 16.10.1952, sowie Protokoll 1. Sitzung ZK-Präsidium, 18.10.1952, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 89–92; Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace, S. 148–159. 16 Šepilov war zudem mit Pavel Judin berufen, ein neues Lehrbuch zur politischen Ökonomie zu erarbeiten, vgl. Beschluss Politbüro vom 16.2.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1613. Semen Denisovič Ignat’ev, u. a. 1952–1961 ZK-Mitglied, 1952–1953 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium, 1951–1953 MGB; Pavel Nikolaevič Kumykin, u. a. 1952–1966 ZK-Kandidat, 1948–1951 (erster) stellv. MVT, 1951–1953 MVT, 1953–1969 stellv. MVT, sowjet. Vertreter in RGW; Leonid Il’ič Brežnev, u. a. 1957–1982 Mitglied ZK-Präsidium/Politbüro, 1956–1960 ZK-Sekretär, 1960–1964 Vors. Präsidium Oberster Sowjet, 1964–1982 Erster resp. Generalsekretär; Michail Andreevič Suslov, u. a. 1952–1953, 1955–1982 Mitglied Politbüro/ZK-Präsidium, 1947–1982 ZK-Sekretär; Dmitrij Trofimovič Šepilov, u. a. 1952–1957 ZK-Mitglied, 1956–1957 Kandidat ZK-Präsidium, 1946–1947 Redakteur Pravda-Ressort für Propaganda, 1947–1952 erster stellv. Leiter der ZK-­ Abteilung für Propaganda und Agitation, 1952–1956 Chefredakteur Pravda, 1956–1957 MID; Pavel Fedorovič Judin, u. a. 1952–1961 ZK-Mitglied, 1947–1953 Chefredakteur Komintern-Zeitschrift, 1953–1959 Botschafter in China.

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ten sich Malenkov, Berija, Molotov, Chruščev, Bulganin, Mikojan, Kaganovič, Vorošilov, der Vorsitzende von Gosplan, Saburov, und der Stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats, Pervuchin, als oberste Führungsmannschaft.17 Die folgenden Machtkämpfe, in denen sich bis 1955 Bulganin und Chruščev vor allem gegen Berija und Malenkov durchsetzten, müssen hier nicht weiter nachgezeichnet werden. Wie bei den Personalrochaden der Vorjahre, so war auch hier von Bedeutung, dass die poststalinistischen Spitzen bereits unter Stalin höchste Ämter erreicht hatten: Sie waren »all Stalin’s men«.18 Das galt auch für die weiteren Ebenen, die in den sowjetischen internationalen Beziehungen eine direkte Rolle spielten.19 17 Molotov übernahm das Außenministerium, Mikojan das erweiterte Ministerium für Binnenund Außenhandel, vgl. Protokoll Sitzung Ministerrat, ZK-Plenum und Präsidum Oberster Sowjet, 5.3.1953, in: Politbjuro CK VKP, Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 101–103, dazu S. 124, Anm. *. Als (erste) stellv. MID fungierten Vyšinskij, der zugleich Ständiger Vertreter der UdSSR in der UN wurde, Ja. Malik und V. V. Kuznecov, Vertreter Mikojans waren I. Kabanov, P. Kumykin und V. Žavoronkov. Ivan Grigor’evič Kabanov, u. a. 1952–1961 ZK-Mitglied, 1941–1951 Narkom/Minister für Elektroindustrie, 1951–1953 (erster stellv.) Vors. SovMin-Komitee für materiell-technische Versorgung, 1953 erster stellv. MVT, 1953–1958 MVT, 1958–1962 erster stellv. Vors. GKĖS; Vasilij Gavrilovič Žavoronkov, u. a. 1946–1948 stellv. Handelsminister, 1948–1953 Handelsminister, 1953–1962 (erster stellv.) Minister für Staatliche Kontrolle/stellv. Vors. Komitee für sowjetische Kontrolle; Jakov Aleksandrovič Malik, u. a. 1952–1961 ZK-Kandidat, ab 1937 im diplomatischen Dienst, 1946–1953, 1960–1980 stellv. NKID/MID, 1948–1953 Ständiger Vertreter UdSSR in SC, 1953–1960 Botschafter in Großbritannien; Vasilij Vasil’evič Kuznecov, u. a. 1952–1989 ZK-Mitglied, 1944–1953 Gewerkschaftsvors., 1953 Botschafter in China, 1953–1970 (erster) stellv. MID. Zum erweiterten Führungskreis zählten einstweilen u. a. noch Švernik, Ponomarenko und Mel’nikov. Kliment Efremovič Vorošilov, u. a. 1926–1960 Mitglied Politbüro/ ZK-Präsidium, 1953–1960 Vors. Präsidium Oberster Sowjet; Maksim Zacharovič Saburov, u. a. 1952–1957 Mitglied ZK-Präsidium, 1952–1961 ZK-Mitglied, 1949–1955 Vors. Gosplan, 1953– 1957 (erster) stellv. Vors. SovMin, 1957–1958 stellv. Vors. GKĖS; Michail Georgievič Pervuchin, u. a. 1952–1957 Mitglied ZK-Präsidium, 1957–1961 Kandidat ZK-Präsidium, 1950–1957 (­erster) stellv. Vors. SovMin, 1957–1958 Vors. GKĖS; Pantelejmon Kondrat’evič Ponomarenko, u. a. 1953–1956 Kandidat ZK-Präsidium, 1939–1961 ZK-Mitglied, 1948–1953 ZK-Sekretär, 1953– 1954 Kulturminister, 1957–1959 Botschafter in Indien (und Nepal), 1959–1961 Botschafter in Niederlande; Leonid Georgievič Mel’nikov, u. a. ZK-Mitglied 1952–1956, 1949–1953 Erster Sekretär KP Ukraine, 1953–1955 Botschafter in Rumänien, 1957–1961 Vors. SovMin Kazachstan; Nikolaj Michajlovič Švernik, u. a. 1952–1953, 1957–1966 Mitglied Präsidium ZK, 1953–1956 Vors. VCSPS, 1956–1962 Vors. Parteikommission. 18 Nach dem Titel von Medvedev, All Stalin’s men. Vgl. Mawdsley/White, The Soviet elite, S. 92– 98. 19 Die Zwischenebenen von ZK-Sekretariat und Orgbüro, die verschiedene Themenfelder überwachten bzw. (Orgbüro) für die Partei- und Organisationsarbeit einschließlich der Schulung und theoretischen Orientierung zuständig waren, waren mit Vertrauten des Führungszirkels besetzt. Sie müssen hier nicht weiter beschrieben werden. Zu Berufungen und Biographien vgl. Politbüro-Beschlüsse seit 1945, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 21–104.

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Innerhalb des Parteiapparats befasste sich nach Auflösung der Komintern zunächst die Abteilung für Auslandsinformation (OMI), ab Dezember 1945 die ZK-Abteilung für Außenpolitik mit internationalen Fragen.20 Nach Ščerbakovs Tod übernahm 1945 Suslov die Leitung. Die Abteilung wurde im Juli 1948 zu einer ZK-Abteilung für Außenbeziehungen umorganisiert, die am 12. März 1949 durch eine Außenpolitische Kommission des ZK ersetzt wurde. Analog zum Verfahren der Vorjahre übernahm die Kommission 1949 faktisch den Apparat der Vorgängerinstitution.21 Die ZK-Kommission wurde während des großen Revirements am 27. Oktober 1952 in eine ZK-Kommission für Verbindungen mit ausländischen kommunistischen Parteien umbenannt.22 Ab März 1953 fungierte die Einheit mit identischen Aufgaben erneut als ZK-Abteilung. Abteilungsleiter blieb bis 1954 Vagan Grigor’jan. Er stand dem Stab seit 1949 vor und konnte auf langjährige Erfahrungen in der parteiamtlichen Presse- und Propagandaarbeit zurückblicken.23 Als Leiter der Außenpolitischen Abteilung des ZK hielt Grigor’jan auch einen Sitz im Kollegium des Außenministeriums. Diese parteiamtlich-ministeriale Querverbindung wurde durch den Wechsel einzelner Beamter des MID in den außenpolitischen Apparat des ZK zusätzlich gestärkt.24 Nach Grigor’jan und kurzen Amtszeiten von Suslov und V. P. Stepanov rückte 1955 der bisherige erste Stellvertreter, Boris Ponomarev, an die Spitze der Abteilung für ausländische KPs.25 Ponomarev hatte seine Karriere im Sekretariat der Komintern 1936 begonnen und 1944 bis 1946 schon einmal als stellvertretender Leiter der ZK-Abteilungen für Information respektive Außenpolitik gearbeitet. Danach war er auf den Posten des stellvertretenden Vorsitzenden des SIB gewechselt. 1947 avancierte Ponomarev zu dessen Leiter, ab 1948 bekleidete

20 Leiter der OMI war Ščerbakov, Stellvertreter Manuil’skij, Dimitrov und zeitweise Panjuškin. Die OMI wurde erst am 2.8.1946 formal aufgelöst, vgl. Beschluss Politbüro, 2.8.1946, in: Politbjuro CK VKP (b), Clevnjuk u. a. (Hg.), S. 34–36. 21 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 12.3. und 18.4.1949, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 75. 22 Vgl. Beschluss Büro ZK-Präsidium, 27.10.1952, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 98. Wie in den Vorjahren, so oblag auch jetzt Molotov die allgemeine Aufsicht. 23 Vgl. Anm. 9. 24 Z. B. A. A. Smirnov, u. a. Leiter der 3. Europäischen MID-Abteilung, sowie Ja. M. Lomakin. 25 Vgl. Einleitung in Tomilina (Hg.), Otdel CK KPSS, S. 11. V. Stepanov, u. a. ab 1955 stellv. Leiter der Propagandaabt., 1955–1960 Redakteur, 1960–1962 stellv. Chefredakteur der Pravda, 1962– 1965 Chefredakteur von Kommunist sowie Mitglied der Ideologischen Kommission des ZK; Boris Nikolaevič Ponomarev, u. a. 1961–1986 ZK-Sekretär, 1948–1955 erster stellv. Vors. VPK ZK, 1955–1986 Leiter Internationale Abteilung ZK.

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er parallel den Posten des ersten stellvertretenden Vorsitzenden der Außenpolitischen ZK-Kommission.26 Unter ihren wechselnden Bezeichnungen war die ZK-Abteilung für Auswahl und Ausbildung international tätiger Parteikader sowie für die Pflege der Beziehungen »zu ausländischen kommunistischen Parteien und anderen Arbeiterorganisationen« zuständig.27 Darunter ließ sich ab 1947 auch die Kominform subsumieren. Die Abteilung sammelte in ihren vorrangig nach regionalpolitischen Gesichtspunkten aufgeteilten Sektoren Informationen aller Provenienz.28 Daneben kontrollierte sie die gesamten Auslandsaktivitäten sowjetischer wissenschaftlicher, kultureller, halbamtlicher und gesellschaftlicher Organisationen wie VOKS, Gewerkschaften, Rundfunk, Meždunarodnaja kniga, Schriftstellverband usw. sowie die Außenpropaganda des SIB.29 Die breite Aufgabenstellung führte unweigerlich dazu, dass sich die Zuständigkeiten der Außenpolitischen Abteilung mit den Interessen etwa der ZK-Verwaltung für Propaganda und Agitation, den ZK-Abteilungen für Wissenschaft und Kultur oder der ZK-Kommission, die die Reisekader prüfte, überschnitten. Dabei wurde die besondere Bedeutung, die im Behördenwirrwarr der Verwaltung für Propaganda und Agitation als zentralem ideologischen Apparat zukam, im Übrigen bereits durch die Zahl ihrer Mitarbeiter und die Prominenz des Führungspersonals unterstrichen.30 26 Mitarbeiter der nächsten Ebene, wie u. a. I. Vinogradov als stellvertretender Abteilungsleiter ab 1953, hatten die Parteikarriere ebenfalls zu Zeiten des tiefsten Stalinismus begonnen. Zur personellen Verzahnung mit dem SIB vgl. auch die Karriere von I. Plysˇevskij, 1947 Sektorleiter innerhalb der Abteilung für Außenpolitik, 1951 stellv. Leiter des SIB. 27 Beschluss Politbüro, 29.12.1945, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 24 f. 28 Vgl. u. a. Information K. Novikov, 5.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1187, ll. 20–43; Grigor’jan an Molotov, 28.6.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 162–173. Zur inneren Struktur vgl. Tomilina (Hg.), Otdel CK, S. 21 f.; Beschluss Politbüro, 23.12.1948, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39. 29 Vgl. Beschluss Politbüro, 13.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40. 30 Vgl. Beschluss Politbüro, 10.7.1948, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 60 f. Zum 30.12.1950 wurde die Propagandaabteilung des ZK in insges. 4 Abteilungen untergliedert: Propaganda/Agitation, Wissenschaft und höhere Lehreinrichtungen, Literatur und Kunst, Schulen. Suslov übernahm die Leitung der neuen Abteilung für Propaganda und Agitation. Zum 1.12.1954 zählte der ZK-Apparat 2330 Personen, davon 133 in der Abteilung für Propaganda und Agitation (104 Hauptamtliche), 80 in der Kommission für Auslandsreisen (24 Hauptamtliche), 111 in der Abt. Wissenschaft und Kultur (78 Hauptamtliche) und 156 (71 Hauptamtliche) der Abteilung für Verbindungen mit ausländischen KP. Der Löwenanteil war in der Allgemeinen Abteilung beschäftigt (342, davon 84 Hauptamtliche), vgl. Aufstellung ZK-Personal zum 1.12.1954, RGASPI, f. 17, op. 79, d. 91, ll. 1 ff.; Volynec, Ždanov, S. 408–417, 429–443.

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Die Verflechtung verschiedener Aufgaben- und Themenbereiche im Machtapparat, die Verzahnung von Partei- und Staatsämtern mit ihrer gegebenen Hierarchisierung und die andauernde Kontrolle der Tätigkeit durch Vertraute des Führungszirkels boten die strukturelle Gewähr für eine systemkonforme Aufgabenerfüllung. Daneben griff Stalins Kaderpolitik: Nach den Terror- und Kriegsjahren standen letztlich in allen ZK-Gremien Personen – größtenteils Russen und nahezu aussschließlich Männer – in der Verantwortung, die in den Vorkriegs- und Kriegsjahren ideologische Standfestigkeit, Belastbarkeit, Durchsetzungsvermögen nach unten und unbedingte Ergebenheit nach oben bewiesen hatten. Ihre ersten Erfahrungen mit internationalen Problemlagen hatten diese Führungskader, wenn überhaupt, dann unter Stalins Anleitung gemacht. Regionalen Sachverstand brachten höchstens Mitarbeiter aus der zweiten Reihe mit, die ihre Karrieren ebenfalls in der Stalin-Ära begonnen hatten. In ihrer Gesamtheit sahen die Kader keine inhaltlichen Alternativen zum herrschenden System. Sie waren darauf geeicht, Aufgaben im Rahmen der vorgegebenen Denkstrukturen anzugehen. Sie erfuhren die Außenwelt durch die besondere Brille des Stalinismus und waren bereit, sich ihr als Bolschewisten zu präsentieren. Sollte es im Einzelfall je einen Konflikt zwischen Sachverstand und Ideologie geben, so würden sie sachliche Erwägungen hinter Glaubenssätze und den bloßen Überlebenswillen zurückstellen. Dieses Personal würde eigene Initiativen oder Ideen für radikale Neuorientierungen in den internationalen Beziehungen weder entwickeln können noch wollen. Auf der anderen Seite mochten sich die Apparatschiks schwertun, taktische Schwenkungen und vor allem Neujustierungen sowjetischer Positionen, die die hergebrachten Feinddefinitionen berührten, umstandslos in die Praxis umzusetzen.31 Diese kollektive Grobcharakterisierung traf auf die Spitzen und Mitarbeiter der obersten staatlichen Behörden ebenfalls zu. Im real existierenden Machtgefüge der UdSSR waren Ministerrat und Fachministerien für die letzten Entscheidungen in internationalen Fragen von sekundärer Bedeutung.32 Das MID 31 Beispielhaft I. I. Kozlov, Studium der Orientalistik an der Universität Leningrad, u. a. ab 1934 KUTV-Lehrer und Indien-Experte des Komintern-Apparats, (spätestens) ab Sommer 1948 bis (mindestens) Dezember 1954 in ZK-Abteilung für Außenpolitik und ihren Nachfolgeeinrichtungen zuständig für Südasien. Zur Aufnahme des ehemaligen Indien-Korrespondenten Gladyšev in die Außenpolitische Kommission des ZK vgl. Vyšinskij an Molotov, 6.9.1949, sowie Beschluss Politbüro, 7.3.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1198, l. 3; f. 17, op. 163, d. 1543. Vgl. insges. zur »class of 38« Mawdsley/White, The Soviet elite, S. 91–135, v. a. S. 105 ff., 124 f., 133–135, zur Kadersituation nach dem zweiten Weltkrieg vgl. Volynec, Ždanov, S. 401–408. 32 Vgl. Beschluss SovMin Nr. 674, 28.3.1946, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 30–32.

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beispielsweise durfte erst ab Juni 1953 Dienstreisen seiner Mitarbeiter in die osteuropäischen Volksdemokratien selbständig, d. h. ohne Rücksprache mit den Parteiinstanzen, verlängern.33 Die Unionsministerien (bis 1946: Volkskommissariate) spielten vor allem in der Vorbereitung und Umsetzung der Beschlüsse der sogenannten Instanz ihre Rolle. In der Breite waren eine ganze Reihe von Fachministerien oder Staatskommissionen und -komitees der UdSSR zumindest indirekt an den sowjetischen internationalen Beziehungen beteiligt oder interessiert. Zu denken ist hier beispielsweise an das Kultur- und das Verteidigungsministerium, an wirtschaftliche Branchenministerien oder an die Rundfunkverwaltung. Alle Einrichtungen bauten bis in die 1950er-Jahre hinein organisatorische Einheiten für grenzüberschreitende Kontakte auf. Das Kulturministerium absorbierte 1953 verschiedene Stellen, die für die Auslandsbeziehungen von Belang waren.34 Mitspracherechte des Militärs bestanden unweigerlich, haben in den zugänglichen Archiven jedoch erst im Kontext der Militärhilfen der späten 1950er-Jahre Spuren hinterlassen. Außen- und andere Ministerien der Republiken waren in dieser frühen Phase für die internationalen Beziehungen der UdSSR weitgehend irrelevant und beschränkten sich vornehmlich auf Propaganda-, Protokoll- und Multiplikatorenfunktionen.35 In dieser bürokratischen Gesamtstruktur kam den Einrichtungen herausgehobene Bedeutung zu, die sich von ihrem Auftrag her ganz auf internationale Beziehungen in ihren unterschiedlichen Ausformungen konzentrierten und die bezüglich der übrigen Stellen Koordinierungs-, Beratungs-, Ausführungs- oder Kontrolltätigkeiten ausübten. An vorderster Stelle ist hier das Außenministerium der UdSSR zu nennen. Im MID folgte dem gehorsamen Molotov im März 1949 sein langjähriger Stellvertreter, der nicht minder Stalin-hörige Vyšinskij. Beide umgaben sich mit Stellvertretern, deren Loyalität zu Stalin gleichfalls außer Frage stand.36 Molotov und Vyšinskij führten ein Ministerium, in dem 33 Vgl. Beschluss SovMin Nr. 1557–164s, 19.6.1953, zitiert in RGANI, f. 5, op. 14, d. 15, l. 125. 34 Vgl. u. a. Arbeitsmaterialien ZK-Apparat für Sendungen nach Asien im Rundfunkkomitee des SovMin, 1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1568. 35 Vgl. exemplarisch Beschluss Politbüro 10.2.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40: Die Parteispitze beschloss den Austritt der UdSSR und zugleich den von Ukraine und Weißrussland. Vgl. ferner Beschluss Politbüro über Delegationsdirektiven ECOSOC, 1.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40; op. 163, d. 1529; Direktive für sowjetische Delegation 6. UN-Vollversammlung, RGASPI, f. 17, op. 62, d. 47; Aspaturian, The Union republics; Sawczuk, The Ukraine. 36 Unter den stellv. NKID/MID waren gem. Aktenlage Ja. Malik, Zorin, Puškin, Gromyko und V. V. Kuznecov auch mit subkontinentalen Angelegenheiten befasst. Alle hatten in früheren Jahren durch Studium oder Botschaftsposten Auslandserfahrungen. Valerian Aleksandrovič Zo-

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die strikt hierarchische Organisation dafür sorgte, dass »Befehle« von oben auch buchstabengetreu ausgeführt wurden. Zudem legte die Parteiführung Wert darauf, dass das Gros der Beamten aus zuverlässigen bzw. kontrollierten Partei­kadern bestand. Im Zentralapparat des MID waren beispielsweise 1949 95 Prozent der rund 1500 Mitarbeiter Parteimitglieder, und auch unter den Diplomaten der UdSSR war zu Stalins 70. Geburtstag die »überwiegende Mehrheit« in der VKP (b) organisiert. Beim Rest, so gab sich die Führung des MID überzeugt, sorgte die Abstammung aus Arbeiter- und Bauernfamilien dafür, dass sie den richtigen internationalen Klassenstandpunkt vertraten.37 Ohnedies überwachte die Partei die Ausbildung der angehenden Auslandsspezialisten in der Höheren Diplomatieschule (VDŠ) und im Institut für Internationale Beziehungen (IMO, später MGIMO). Hinter den genannten Statistiken verbarg sich die Realität der Säuberungen. Sie hatten das NKID Ende der 1930er-Jahre mit voller Wucht getroffen. Demgemäß waren von rund 130 Spitzenbeamten, die 1940 bis 1946 im Apparat des NKID Verantwortung trugen, 85 Prozent erst nach 1936 ins NKID eingetreten – darunter, 1939, der Wirtschaftswissenschaftler Andrej Gromyko. Die überwiegende Mehrheit der Neuzugänge hatte weder internationale Erfahrungen noch entsprechende Sprachkenntnisse.38 Wie die Kollegen aus dem Parteiapparat, so verdankte der neue Stab im NKID/MID seinen schnellen Aufstieg Stalin. Es war unvorstellbar, dass sich diese Kader in ihrer Berufsauffassung oder ihren Weltbildern Abweichungen von der Generallinie erlaubten. Diplomatie war in ihren Augen nicht die Kunst der ausgleichenden Verständigung, sondern ein kompromissloser Kampf gegen den Klassenfeind. Ihren konkreten Ausdruck fand diese Einstellung auf diplomatischem Parkett in einer demonstrativen Ignoranz gegenüber überkommenen Spielregeln der bürgerlichen Welt. Vyšinskijs Tiraden vor der UN sind legendär, doch auch andere sowjetische Vertreter verhielten sich entsprechend. »Ich bin kein Gentleman, sondern der Vertreter der Sowjetunion«, soll der UN-Diplomat Zarapkin in vollem Ernst beteuert rin, u. a. 1961–1971 ZK-Mitglied, ab 1941 im NKID, 1945–1947 Botschafter in Prag, 1947–1965 stellv. MID, 1952–1953, 1960–1962 ständiger Vertreter UdSSR in SC/UN; Georgij Maksimovič Puškin, u. a. 1961–1963 ZK-Kandidat, ab 1937 im NKID, 1945–1949 Botschafter in Ungarn, 1952–1954, 1959–1963 ab 1952 stellv. MID, 1949–1952, 1954–1958 Botschafter in DDR. 37 Aufzeichnung Gespräch Vyšinskij mit Mitglied Politbüro KPCh, Liu Shaoqi, 30.7.1949, in: Russko-kitajskie otnošenija V, 2, S. 172–175. Vgl. Israelyan, On the battlefields, S. 8 f., 36 f. 38 Vgl. US-Chargé d’Affaires Moskau, Grummon, an State Dpt., 6.7.1939, FRUS, Soviet Union 1933–1939, S. 770–773; Goreslavskaja, Andrej Gromyko, S. 37 f.; Watson, Molotov, S. 154–157; Dullin, Des hommes d’influences, S. 240 f., 334–338; Kocho-Williams, The Soviet diplomatic corps.

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haben.39 1951 hielt das Politbüro die Zeit für gekommen, gerade seine UN-­ Delegationen anzuweisen, ruhig und gemessen aufzutreten, damit man sich nicht schon durch das bloße Benehmen selbst isoliere.40 In das Gesamtbild des ideologisch-politisch unbedingt loyalen und mental stalinistisch verformten Personals fügten sich die für Südasien zuständigen Beamten und Diplomaten des NKID-MID nahtlos ein. In der MID-Zentrale betreute spätestens seit Ende 1947 die Südostasien-Abteilung – und nicht die für andere dominions des British Empire zuständige 2. Europäische Abteilung – den Subkontinent.41 Die Abteilung unterstand von 1947 bis 1950/1951 Konstantin Michajlov. Michajlov hatte als sowjetischer Botschafter in Afghanistan von 1937 bis 1943 Asienkenntnisse gesammelt und versuchte nach 1947, Hindi zu lernen.42 Dessen ungeachtet zeichnen indische Charakterisierungen den Abteilungsleiter als typischen Offiziellen der Stalin-Ära, mit starren Ansichten und extrem misstrauisch.43 Diese Charakterisierung traf auch auf Michajlovs Stellvertreter und (bis 1953) Nachfolger, M. Bachitov zu.44 Bereits nach dem ersten halben Jahr in Moskau war Botschafterin Pandit von der sowjetischen Diplomatie abgeschreckt. »In this country and especially in the Foreign Office one is considered guilty until proved innocent«.45

39 Grinevskij, Tauwetter, S. 114 f. Vgl. Gaiduk, Divided together, S. 129–132, 210; Israelyan, On the battlefields, S. 8 f., 11 f., 16–19, 36 f.; Fitzpatrick, On Stalin’s team, S. 173–175. Als ständige Vertreter im Sicherheitsrat fungierten 1946–1948 Gromyko, 1948–1953 Malik und 1953–1954 Vyšinskij. Dem folgte sein bisheriger Stellvertreter, Sobolev. Arkadij Aleksandrovič Sobolev, u. a. seit 1939 im NKID, 1942–1945 Botschaftsrat in Großbritannien, 1951–1953 Botschafter in Polen, 1953–1954 Leiter der Amerika-Abteilung des MID, 1955–1960 Ständiger Vertreter SC. 40 Vgl. Beschlüsse Politbüro mit Direktiven für 12. Sitzung ECOSOC und 6. UN-Vollversammlung, 26.1. und 24.10.1951, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 45, ll. 141, 146 ff. sowie d. 47. 41 Vgl. Aufzeichnung Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/ IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 106 f. Es ist nicht eindeutig, wann bzw. ob bereits Britisch-Indien von der erst 1946 gegründeten Abteilung übernommen wurde. 42 V. L. Pandit an Nehru, 18.8.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 53. Zu anderen Führungskadern der MID-Abteilung Südostasien zählten Prichodov sowie I. Usaev, 1951 erster Sekretär der Abteilung. 43 Vgl. Indischer Geschäftsträger Moskau, Dayal, an MEA, K. P. S. Menon, 21.10.1948 und 31.5.1949, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3 sowie NAI, 1 (68) Eur II/49. Rajeswar Dayal, u. a. 1948–1950 Botschaftsrat in Moskau, 1952–1954 ständiger Vertreter UN, 1955–1958 Botschafter in Jugoslawien, 1960 persönlicher Vertreter UN-Generalsekretär Hammarskjöld. 44 Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für die Zeit vom 1.–15.1.1951, NAI, 87–R&I. Bachitov übernahm spätestens 1951 die Abteilung. 45 V. L. Pandit an Nehru, 11.2.1948 und 15.4.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57. Vgl. Dayal an V. L. Pandit, 4.10.1948, sowie ders. an MEA, K. P. S. Menon, 3.10.1948, ebd., 2, 3.

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Ähnlich stellte sich die Situation an der sowjetischen Botschaft in Delhi dar. Ihre Größe spiegelte bis in die 1950er-Jahre hinein die Beschränktheit der diplomatischen Kontakte wider: Im Juni 1954 waren dort gerade einmal 20 sowjetische Bürger im Einsatz.46 Die Diplomaten vor Ort hatten sich darauf zu beschränken, möglichst umfassende Informationen nach Moskau zu übermitteln und Anweisungen aus der Metropole getreu auszuführen.47 Die Entwicklung eigener Konzepte oder Initiativen war unerwünscht.48 Dass Botschafter in Südasien mitunter erst spät über Moskauer Schritte informiert wurden, unterstrich ihre dienende, unselbständige Funktion.49 Von 1947 bis 1953 vertrat der bereits erwähnte Botschafter Kirill Novikov die UdSSR in Indien. Der gelernte Ingenieur und Angestellte des Ministeriums für Schwerindustrie stieß erst 1940 zum NKID. Innerhalb von zwei Jahren avancierte er zum Leiter der Zweiten Europäischen Abteilung. Als Fachmann für Großbritannien und das British Empire nahm Novikov unter anderem an der Jalta-Konferenz und verschiedenen UN-Versammlungen teil. Der »erklärte Stalinist« war ein wenig diplomatischer Charakter.50 In der indischen Öffentlichkeit und Politik missfiel insbesondere, dass Novikov nach der Ermordung von Mahatma Gandhi offen die indische Trauer missachtete.51 Nehru wiederum fand die Verschlossenheit des Botschafters wenig hilfreich für die bilateralen Beziehungen.52 In der Tat: Novikov wollte überhaupt keine intensiven Kontakte 46 Dazu kamen 12 indische Angestellte, vgl. Aufstellungen MID zum 1.1. und 1.6.1954, AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 1, ll. 47 f., 103. 47 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 17.11.1950 und 17.5.1951, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 45 bzw. op. 163, d. 1585. 48 Vgl. VPK, Grigor’jan, Entwurf für Telegramm an Botschafter Novikov, 21.2.1953, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 220 f.; Beschluss Politbüro, 26.11.1950, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 45; Kasnatschejew, Wegweiser, S. 46, 86–90. 49 Vgl. Gopal, Radhakrishnan, S. 237 f.; Čuev, Molotov, S. 130. 50 Vgl. Grinewskij, Tauwetter, S. 241 f.; Korbel, Danger, S. 126 f.; Menon, Russian panorama, S. 10 f.; Ankit, The Kashmir conflict, S. 29. 51 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi, Selby, an CRO, Atkins, 14.8.1948, BLIOR, L/ PS/12/4047. Gemäß Kaul, Diplomacy, S. 11, habe seine informelle Vorstellung in Moskau dazu geführt, dass Novikov – mit erheblicher Verspätung – kondolierte. Im Gegensatz zu Churchill und Truman schickte auch Stalin kein eigenes Beileidstelegramm, die indische Botschaft Moskau erhielt nur dürre Beileidskarten, vgl. Information Novikov für Mitarbeiter MID über die Lage in Indien, 5.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1187, ll. 20–43, hier l. 22 sowie V. L. Pandit an Bajpai, 2.2.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56. Im Sicherheitsrat dagegen drückte Gromyko unmittelbar nach der Ermordung eines »great Indian« und »one of the most outstanding political leaders« »tiefes Mitgefühl« aus, vgl. United Nations, Security Council, Official records, 3rd year, 238. Sitzung vom 30.1.1948, S. 309. 52 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 21.2.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54.

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zwischen den Völkern. 1949 kanzelte er einen indischen Journalisten ab, der in der Sowjetunion für ein Buch über die UdSSR Material sammeln wollte. Allein der bloße Gedanke, dass ein solch externer Bericht nützlich für die UdSSR sein könnte, erschien dem Diplomaten als Frechheit. Auch ohne den Journalisten, redete sich der Botschafter in Rage, kämen »Millionen [sic!] in die UdSSR«, um den »belebenden Geist einzuatmen, um Mut für den Kampf für den Frieden, für Demokratie zu schöpfen.« Die Sowjetunion, so Novikov, habe »Probleme, auch nur die freundschaftlich gesonnenen Personen zu empfangen«, geschweige denn Skeptiker, deren Ziel einer Reise in die UdSSR es sei, herauszufinden, ob man die Sowjetunion »loben oder schmähen« sollte.53 Diplomatische Weggefährten schrieben Novikovs Fehlgriffe nicht nur politischen Überzeugungen zu. Die ehemaligen Genossen gingen davon aus, dass übermäßiger Alkoholkonsum des Botschafters dazu beitrug, dass er 1953 wegen Erschöpfung aus Indien abberufen wurde.54 Der Rückruf war kein Misstrauensvotum der neuen Führung. Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Indien übernahm Novikov im MID-Zentralapparat die Leitung der Südostasien-Abteilung. Im Herbst 1954 wurde er für seine Dienste ausgezeichnet, 1955 wechselte er in Spitzenpositionen der MID-Abteilung für Internationale Organisationen.55 In diesen Funktionen war Novikov auch Mitglied im MID-Kollegium. Novikovs Nachfolger, Ivan Benediktov, trat im Juli 1953 seinen Posten in Delhi an. Der studierte Agrarexperte hielt sich seit Ende der 1930er trotz verhältnismäßig kurzer Parteizugehörigkeit in den Spitzen von Volkskommissariat und Ministerium für Landwirtschaft. Obwohl die Partei Benediktov 1949 wegen unwürdigen Lebenswandels streng verwarnte, blieb er im Ministeramt und stieg 1952 noch einmal ins ZK auf.56 Seine Versetzung nach Delhi mochte mit den anstehenden Verhandlungen über ein Handelsabkommen zusammenhängen. Bereits Ende 1953 wurde Benediktov nach Moskau zurückgerufen. Ausländische Beobachter erklärten sich den schnellen Wechsel damit, dass Benediktov in der sowjetischen Landwirtschaft als Feuerwehrmann gebraucht

53 Protokoll Gespräch Novikov mit Aruna Asaf Ali u. a., 6.10.1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 1 ff. 54 Vgl. Grinewskij, Tauwetter, S. 136 f.; Israelyan, On the battlefields, S. 103 f. 55 Vgl. Monatsbericht indische Botschaft Moskau für November 1954, 6.12.1954, NAI, 60–R & I I/54. 56 Vgl. Beschluss Politbüro, 26.12.1949, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1538, l. 181. Neben privaten Verfehlungen wurden Benediktov Unterschlagungen und Mehrausgaben im Ministerium vorgeworfen.

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wurde.57 Wie sein Vorgänger, so hatte auch Benediktov die stalinistische Weltsicht verinnerlicht.58 Der nächste sowjetische Botschafter, Michail Men’šikov, übergab am 2. November 1953 sein Beglaubigungsschreiben.59 Die Berufung des erfahrenen Fachmanns für Außenhandel erklärt sich eindeutig aus den aktivierten sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen zu dem nichtsozialistischen Indien und zu anderen neuen asiatischen Staaten. Men’šikov hatte während des Kriegs im Rahmen der UNRRA in den USA und in Polen gearbeitet. Nach seiner Ernennung zum stellvertretenden Außenhandelsminister 1946 übernahm er 1949 die Führung des Ministeriums. Zwei Jahre später setzte ihn Stalin jedoch wieder ab, offiziell wegen Unfähigkeit. Dahinter standen vermeintliche Fehlschläge im Handel mit dem kapitalistischen Ausland und ausbleibende Erfolge in der Zusammenarbeit mit sozialistischen Staaten. Vor dem Hintergrund der durchgängigen politischen Kontrolle der Handelsbeziehungen diente die Absetzung eventuell auch einfach dazu, einen Getreuen Mikojans loszuwerden.60 1952/1953 war Men’šikov immerhin wieder für verschiedene Aktionärsgesellschaften in China tätig. Britische Diplomaten bewerteten seine »sozialen Qualitäten« wesentlich höher als die seiner Vorgänger. Indische Beobachter registrierten erfreut, dass der neue Botschafter dem toten Gandhi seine Referenz erwies.61 Das post-stalinistische Moskau schätzte Men’šikovs Fähigkeiten im diplomatischen Umgang mit nichtsozialistischen Staaten. Der Botschafter, seit 1956 Mitglied des ZK, wechselte 1957 auf den Botschafterposten in Washington. Das zweite sowjetische Ministerium, das für die sowjetisch-indischen Beziehungen von unmittelbarer Bedeutung war, war das Ministerium für Außenhandel. Auch hier hatten die Säuberungen der 1930er-Jahre tiefe Spuren hinterlassen: Ende 1938 standen zehn von 21 Abteilungen des Hauses ohne Leitung da, in 15 von 25 Ländern, mit denen die UdSSR Handelsbeziehungen unterhielt,

57 Vgl. Radio Free Europe, Background Information USSR, 8.7.1959, Khrushchev and the MID, Open Society Archives, catalog.osaarchivum.org/catalog/osa:ca29ba4b-ec29–4139–91b7f2b9831ad00a (letzter Zugriff: 24.4.2018). 58 Vgl. Litov (Hg.), I. A. Benediktov, S. 22–46; Balandin, Malenkov, S. 35–41; Kaul, Reminiscences, S. 245. 59 Vgl. AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 1, l. 1. 60 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 24.12.1949, 19.1.1950 und 3.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1538 und 1604; f. 84, op. 1, d. 97, ll. 1 f.; Mikojan, Tak bylo, S. 529–533; Men’šikov, S vintovkoj, S. 136–154. 61 Britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 21.12.1953, NAK, FO 371/112211. Vgl. Bhatt, Indo-Soviet relations, S. 11 f.

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war die Position des sowjetischen Handelsvertreters unbesetzt.62 Die Personaldecke des NKVT/MVT wurde nach 1945 mehrmals deutlich aufgestockt. Das notwendige Fachwissen vermittelte das hauseigene Institut für Außenhandel. Inwieweit diese Einrichtung bereits in den 1940er-Jahren Regionalspezialisten für die Dritte Welt ausbildete, ist unklar.63 Im MVT hielt Stalins Personalpolitik die Spitzenkader ebenfalls strikt unter Kontrolle und in ängstlicher Anspannung. Pavel Kumykin, der Mikojan und Men’šikov auf den Posten des Außenhandelsministers folgte, brach bei der Nachricht über seine Ernennung im Herbst 1951 sogar in Tränen aus.64 Dabei hatte der langjährige Spezialist für Fragen des Außenhandels vor dem Krieg von den Säuberungen profitiert und 1939 eine Abteilung im NKVT übernommen. Als 1953 Mikojan an die Spitze des um die Zuständigkeit für den Binnenhandel erweiterten Ministeriums zurückkehrte, wechselte Kumykin auf den Stellvertreterposten zurück, den er bis 1969 innehatte. In der Funktion des stellvertretenden Ministers vertrat Kumykin die UdSSR im RGW. Mikojan selbst konzentrierte sich nach erneuter Aufteilung des Handelsministeriums auf die innere Wirtschaftspolitik. Zum Außenhandelsminister stieg im August 1953 Ivan Kabanov auf. Kabanov, 1952 zum Kandidaten des ZK-Präsidiums avanciert, hatte seine Karriere seit 1938 auf Führungsposten der technischen Industrie absolviert. Sein recht unvermittelter Wechsel in den Außenhandel mochte auf verstärkte Bemühungen um Technologieimporte hindeuten. Angesichts der zähen Entwicklung internationaler sowjetischer Wirtschaftsbeziehungen passte das Außenhandelsministerium der UdSSR seine Organisationsstruktur erst Anfang der 1950er-Jahre an die geänderte politische Landkarte in Südasien an.65 Zuvor griff das MVT in frühen Kontakten zu Indien offenbar auf Organisationsformen und Experten zurück, die sich in den Wirtschafts­ 62 Vgl. Mikojan, Tak bylo, S. 334–339; Pavlov, Anastas Mikojan, S. 105. 63 Vgl. ZK-Sitzung, 24.1.1948, RGASPI, f. 17, op. 116, d. 337; Kumykin an Mikojan, 10.1.1952, RGAĖ, f. 4372, op. 99, d. 644, ll. 1 ff. Vgl. die Karriere von Anatolij Akimovič Kucenkov, Jg. 1929, Absolvent des MVT-Instituts für Außenhandel (1950), Promotion über den indischen Außenhandel nach 1945, 1951–1958 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts, 1958–1961 Tätigkeit bei Kommunist, 1961–1965 Pravda-Korrespondent Südostasien/Südasien. 1976–1988 Chefredakteur von Narody Azii i Afriki. 64 Vgl. Mikojan, Tak bylo, S. 532 f. 65 Ab ca. 1951/52 existierte innerhalb der Vertragsverwaltung des MVT eine Abteilung für Indien und Pakistan, Ende 1953 lässt sich eine Abteilung für Indien, Pakistan und Ceylon nachweisen, spätestens 1955 wurde eine Verwaltung für Handel mit Ländern Südostasiens und dem Nahen Osten eingerichtet, vgl. Pozdeev an Grigor’jan, 5.1.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 791, ll. 1 f.; Findbucheinträge RGAĖ, f. 413, op. 13; Ausarbeitung Abt. Indien, Pakistan, Ceylon, Eršov, 17.11.1953, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 7188, ll. 1 ff.

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beziehungen der UdSSR zu Bruderstaaten bewährt hatten.66 Ungeachtet dessen ist es unter den derzeitigen Archivbedingungen nicht möglich, die mit Südasien befassten Vertreter des MVT auf allen Ebenen zu identifizieren. In Indien selbst wurden, wie bereits erwähnt, die sowjetischen Handels­ interessen ab 1942 von einer Handelsagentur in Calcutta vertreten.67 Die Agentur genoss bis Ende 1953 diplomatische Privilegien.68 Der besondere Status war relevant, da sich sowjetische Handelspolitiker vorher – und nachher – vermutlich nicht nur mit handels- und wirtschaftspolitischen Themen, sondern auch mit Propaganda oder verstohlener Spionage beschäftigten.69 Im Dezember 1953 wurde auf Basis eines Handelsabkommens eine sowjetische Handelsvertretung in Delhi eingerichtet. Zweigstellen in Bombay und Calcutta übernahmen die Aufgaben der bisherigen Handelsagentur.70 Die operative Umsetzung von Import- und Exportgeschäften oblag Allunions-Export-Import-Vereinigungen. Sie waren entlang der Produktlinien organisiert.71 Noch 1953/54 fehlte es in Indien an einem angemessenen Netz entsprechender Büros.72 Im Behördengeflecht der UdSSR lassen sich schließlich persönliche oder institutionelle Querverbindungen des MVT zu und Kooperationen mit der Hauptverwaltung des Ministerrats für Wirtschaftsbeziehungen mit Ländern der Volksdemokratie (GUĖS) unter Konstantin Koval’ annehmen.73 Daneben waren immer wieder einzelne wirtschaftliche Fachministerien aufgrund verschiedener 66 Vgl. u. a. die Abstimmungen zu Bhilai zwischen MVT bzw. der Hauptverwaltung des Ministerrats für Wirtschaftsbeziehungen mit Ländern der Volksdemokratie und dem Ministerium für den Bau von Unternehmen der metallurgischen und chemischen Industrie, 1955, RGAĖ, f. 8593, op. 2, d. 2138, ll. 7 ff. 67 Unter Leitung von A. N. El’šin. El’šin wurde im April 1949 durch Ivan S. Andrienko ersetzt. Als Stellvertreter fungierte ein Andreev, ab 1951/52 ein Vladimirskij. Weitere biographische Angaben liegen nicht vor. 68 Vgl. MEA an sowjetische Botschaft Delhi, 16.12.1953, AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 2, l. 15. 69 Vgl. stellv. Leiter »Geheimabteilung« MVT, Belov, an Grigor’jan, 27.5.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 447, ll. 20 ff.; US-Botschafter Delhi, Grady, an State Department, 23.3.1948, FRUS 1948 V, S. 500 f.; MEA an sowjetische Botschaft Delhi, 29.2.1948, AVP, f. 172, op. 1, papka 1, d. 1, l. 9; Intelligence Analysis Division an State Department, SOA, 16.9.1949, NARA, RG 59, Lot 57D373. 70 Diplomatische Privilegien genossen nun der offizielle Handelsvertreter und seine 2 Stellvertreter, vgl. Briefwechsel zum Handelsabkommen, 2.12.1953, AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 12, ll. 1–9, hier l. 8. 71 Wie z. B. Avtoėksport, Mašinoėksport, Meždunarodnaja kniga, Sovėksportfil’m usw. 72 Vgl. Wissenschaftliches Forschungsinstitut MVT, Ausarbeitung zu Außenhandel Indiens, Moskau 1953, zit. nach RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, ll. 1 ff., hier ll. 7–15. 73 Konstantin I. Koval’, u. a. 1956–1961 ZK-Kandidat, 1945–1950 stellv. Chef SMAD für Wirtschaftsfragen, 1950–1955 stellv. MVD, 1955–1957 Vors. GUĖS.

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Finanz- und Produktionsfragen direkt oder indirekt mit Indien befasst. Deren Kontakte nahmen jedoch erst ab Mitte der 1950er-Jahre ein beachtenswertes Ausmaß an, und auch dann blieben die Spezialministerien auf die Expertise der eigentlichen MVT-Spezialisten angewiesen.74 Darüber hinaus bewegte sich das MVT (wie die GUĖS) im komplexen Verbund sowjetischer Wirtschaftsplanung. Hier gewannen Gosplan und andere Planungsbürokratien mit ihren kurz-, mittel- und langfristigen Prioritätensetzungen sowie Import- und Exportplanungen Einfluss auf alle Außenwirtschaftsbeziehungen. Der Leiter von Gosplan, Saburov, hatte 1938 mit dem Aufstieg zum stellvertretenden Chef der Behörde seine eigentliche Karriere in der Wirtschaftsbürokratie begonnen, die ihn auf den Chefsessel von Gosplan und von 1952 bis 1957 ins ZK-Präsidium führte. Analog zur Diplomatie hatten sich im Rahmen multilateraler Organisationen auch sowjetische Außenwirtschaftsexperten mitunter mit Südasien auseinanderzusetzen. In der ECAFE ließ sich die UdSSR in den 1940er- und 1950er-Jahren durch ihre regionalen Diplomaten vertreten.75 Im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, RGW, gab es seit Herbst 1949 eine Kommission für die Koordinierung des Außenhandels mit kapitalistischen Ländern. Sie fristete allerdings wie der gesamte RGW bis 1954 ein Schattendasein.76 Ein dritter Apparat bleibt in der Geschichte der sowjetischen Außenbeziehungen oft – und zu Unrecht – unerwähnt: Die Staatssicherheit, das heißt NKGB-MGB, ab 1954 das KGB. Der Anteil geheimdienstlicher Aktivitäten an internationalen Erfolgen und Misserfolgen von Staaten ist nicht verlässlich zu bestimmen. Der tatsächliche Einfluss geheimdienstlichen Wissens auf politische Entscheidungsfindungen ist aufgrund der Aktenlage kaum rekonstruierbar und höchst variabel, die Maßnahmen derartiger Dienste in der Auslandspropaganda nur ansatzweise erforscht. Der sicherheitspolitische Gesamtertrag der Nachrichtendienste darf für die Epoche des Kalten Kriegs sicherlich nicht zu hoch veranschlagt werden.77 Es ist allerdings unbestritten, dass gerade Stalin sich auch auf internationalem Feld immer wieder seiner Čekisten bediente. Die zivile wie militärische Auslandsspionage der UdSSR baute unter wechselnden Bezeichnungen und Zuordnungen nach dem Zweiten Weltkrieg Horchposten in Südasien auf. Konkrete Personen und Unternehmungen lassen sich aus den 74 75 76 77

Vgl. Beschluss Politbüro, 21.12.1950, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1086. Vgl. Beschluss Politbüro, 21.5.1948, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1070. Vgl. Kap. 3.4.1. Vgl. Andrew (Hg.), The missing dimension; Garthoff, Foreign intelligence. Allg. vgl. Hilger, Sowjetunion (1945–1991); Haslam, Near and distant neighbours. Die Aktivitäten der militärischen GRU sind noch wesentlich schlechter dokumentiert.

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verstreuten Dokumenten und Memoiren nur ansatzweise erschließen.78 Greifbar ist die erste Residentur, die das MGB ab 1947 in Delhi betrieb. Ihr Gründungsleiter war Pavel Erzin, offiziell erster Sekretär der sowjetischen Botschaft. Der frühere Hirte und Elektromonteur verdankte seine internationale Karriere Stalins Organen, in die er 1940 eintrat. Für den Auslandseinsatz – Erzin war bis 1947 in London tätig – befähigten ihn nach Ansicht der Vorgesetzten, in dieser Reihenfolge, seine politische Bildung, sein energisches und moralisch standfestes Handeln und die Fähigkeit, die notwendigen Kontakte zu Ausländern zu knüpfen. Aus unbekannten Gründen wurde Erzin 1950 zum Stellvertreter des Residenten zurückgestuft. Er arbeitete bis 1952 in Delhi. Danach verlieren sich seine Spuren.79 Da sich die sowjetische Spionage im Übrigen in den Folgejahren auch der Dienste einzelner Inder versicherte, kam es in den bilateralen Beziehungen immer wieder zu punktuellen Irritationen.80 Daneben nutzte das Politbüro die Sicherheitsapparate als Instrument, um den Kontakt zu indischen Kommunisten zu pflegen. Darüber hinaus spielte gerade das KGB eine aktive Rolle in der sowjetischen Propaganda und Gegenpropaganda. Auch für diesen Bereich ist in den spärlichen Quellen der Einfluss auf einzelne Kampagnen oder potentielle Reibungen mit den offen tätigen gesellschaftlichen und amtlichen Organisationen nur schemenhaft zu erkennen.81 Zu guter Letzt waren die Organe nahezu unentbehrlich, um Personal und Tätigkeit der übrigen sowjetischen Behörden mit Beziehungen zu und Aufgaben in Indien zu überwachen und gegebenenfalls auch zu beeinflussen.82 Im November 1949 übertrug das Politbüro dem MGB gar die »čekistische Betreuung des MID-Apparats«, da »die Mitarbeiter des Außenministeriums wegen der Art 78 Vgl. Beschluss Politbüro, 21.2.1952, in: Lubjanka, Chaustov u. a. (Hg.), S. 400 f.; Grigor’jan an Molotov, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 53–66; stellv. Leiter 6. Verwaltung MVD, Kireev, an Leiter Schiffsverwaltung MVD, 14.11.1953, www.kgbdocuments.eu (Zugriff 4.6.2012); KI an Bulganin, 29.9.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 118, ll. 126 ff.; KI an Chruščev, 12.11.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 120, ll. 136 ff., hier ll. 139, 142; Vermerk stellv. Vors. KI, Solodovnik, 12.11.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, ll. 117 ff. In den genannten Unterlagen wird immer auch auf Geheimpapiere indischer Provenienz Bezug genommen. 79 Vgl. Vermerk Baranenkov, 30.3.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 82 f.; Dienko (Hg.), Razvedka, S. 174. 80 Vgl. ToI, 23.5.1954, S. 1, Employment of Indian as spy »improper«. 81 Zu Verbindungen mit der CPI vgl. Mitteilung 1. Verwaltung NKGB, 25.7.1945, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, l. 8; Grigor’jan an Stalin, 10.5. und 8.7.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, ll. 85 ff.; V. Stepanov/Kozlov, an Suslov, 28.1.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 242, l. 2. Zu sogenannten »aktiven Maßnahmen« des KGB in Indien vgl. Andrew/Mitrokhin, The world, S. 314–319. 82 Vgl. Beschluss Politbüro, 30.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 38; Beschluss Orgbüro, 25.6.1947, zit. in Pechatnov, Exercise, S. 23; Grigor’jan an Stalin, 27.12.1951, RGASPI, f. 17, op. 82, d. 1198, ll. 93–97.

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ihres Dienstes Verbindung mit Ausländern haben«.83 In der ZK-Kommission für Auslandsreisen, die die Verlässlichkeit aller sowjetischen Amtsträger, die ins Ausland reisten, prüfte, war die Geheimpolizei gleichfalls vertreten.84 Kommissionsleiter Panjuškin, der bis in die 1950er-Jahre hinein Aufgaben sowohl in der Diplomatie als auch in der Spionage wahrnahm, personifizierte geradezu die enge Verflechtung zwischen Außenpolitik und Geheimdienst in den sowjetischen internationalen Beziehungen.85 3.1.1.2. Behörden, gesellschaftliche Organisationen und Wissenschaft

Unterhalb von ZK und Ministerien und ohne substantielle Entscheidungsbefugnisse war eine ganze Reihe behördlicher oder angeblich gesellschaftlicher propagandistischer, kultureller und wissenschaftlicher Einrichtungen in die sowjetischen Auslandskontakte involviert. Es muss noch einmal unterstrichen werden, dass die politische Führung der UdSSR mit ihren strikten Auswahlverfahren, Kontrollmechanismen und einer kopflastigen Kompetenzverteilung keine eigenständige gesellschaftliche Teilhabe an den sowjetischen internationalen Beziehungen zuließ. Die Tätigkeit der diversen Organisationen war oftmals nur unzureichend voneinander abgegrenzt, so dass Kompetenzstreitigkeiten, Koordinierungsprobleme und Konkurrenzkämpfe die Aktivitäten dieser Einrichtungen mitprägten. Die Verbände und ihre Vertreter demonstrierten, angestachelt vom steten Misstrauen und Kontrolleifer der Parteispitze, durch gegenseitige Kritik und Selbstkritik wieder und wieder ihre Loyalität nach oben sowie ihre Wachsamkeit gegenüber dem »Feind«. Diese Absicherung konnte, das hatten die 1930er-Jahre gezeigt, jenseits institutioneller Erwägungen für Führungspersönlichkeiten von lebenswichtiger Bedeutung sein. Sie trug aber weder zu einer reibungslosen Zusammenarbeit der Organisationen noch zu internationaler Attraktivität bei.86 83 Beschluss Politbüro, 14.11.1949, in: Lubjanka, Chaustov u. a. (Hg.), S. 293. 84 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 25.6.1947 und 26.5.1949, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 120 f. sowie RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40. Selbst diplomatische Kuriere des MID mussten sich dem Genehmigungsverfahren unterziehen, konnten aber ab November 1950 immerhin auf ein Mehrfachvisum hoffen, vgl. Beschluss Politbüro, 1.11.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1566. 85 Vgl. Kap. 2.1., Anm. 49. 86 Zu Säuberungen in VOKS vgl. Golubev/Nevežin (Hg.), VOKS, S. 316 f.; Pechatnov, Exercise, S. 10 f. Zu erfolgreichen Karrieren vgl. Pal’gunov, Tridcat’ let, S. 228 f. sowie RGANI, f. 5, op. 28, d. 101, ll. 181 ff. Nikolaj Pal’gunov, u. a. in 1920er- und 1930er-Jahren Tätigkeit als Journalist/ Auslandskorrespondent und Zusammenarbeit mit OGPU/NKGB, ab 1940 Leiter NKID-Presseabteilung, 1943–1960 TASS-Generaldirektor; Leonid Fedorovič Il’ičev, ab 1938 Redaktion von Bol’ševik, nach Redaktionsposten in Izvestija und Pravda 1949–1952 (stellv.) Chefredakteur

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Ein besonderes Augenmerk der Obrigkeit lag zum einen auf der Presse- und Informationslandschaft der UdSSR. Ihr kam nicht nur für die Außendarstellung und -propaganda, sondern auch für die innere Mobilisierung und Erziehung eine nicht zu überschätzende Bedeutung zu.87 Seit 1941 war das SIB für die Verbreitung (positiver) Informationen über die UdSSR zuständig. TASS arbeitete in der Theorie als Nachrichtenagentur für In- und Ausland. Die formelle Unterscheidung hatte in den internationalen Propagandakriegen der Nachkriegszeit geringe praktische Bedeutung.88 Daneben sollten Presse- und Agenturvertreter die sowjetischen Zentralbehörden exklusiv mit zusätzlichen Nachrichten aus dem Land versorgen. Hierbei war die Grenze zu geheimdienstlicher Tätigkeit mitunter fließend. Die Chefredaktion der Pravda erinnerte ihre Auslandsvertreter beispielsweise im Juli 1952 daran, dass publizierte Meldungen kein Material enthalten durften, welches »Anlass zur Behauptung geben könnte, dass die Korrespondenten eine Tätigkeit ausüben, die die Grenzen ihrer Korrespondenten-Pflichten überschreitet«.89 Bei Kriegsende verfügte TASS gerade einmal über zwei Korrespondenten in Indien. Noch Ende der 1940er-Jahre herrschte ganz allgemein ein Mangel an Journalisten mit internationalem Sachverstand und Fremdsprachenkenntnissen. Ungeachtet dessen weitete sich das sowjetische Presse- und Informationsnetz bis Anfang der 1950er-Jahre sukzessive aus. Mit dem Ziel, die eigene Propaganda besser auf die »Eigenheiten der verschiedenen Länder« einzustellen, erhöhte das Politbüro bereits 1946 die Zahl von Pressekorrespondenten und SIB-Ver-

Pravda, 1952–1956 ZK-Kandidat, u. a. 1944–1948 Chefredakteur der Izvestija, 1953–1958 Leiter MID-Presseabteilung, ab 1958 Leiter der ZK-Abteilung für Propaganda und Agitation in den Unionsrepubliken, ab 1961 ZK-Sekretär, 1962–1965 Vorsitzender der Ideologiekommission des ZK, ab 1965 stellv. MID; A. I. Denisov, u. a. 1930er-Jahre Parteihochschule, (spätestens) ab 1947 Vorsitzender VOKS; N. A. Vizžilin, ab 1938 Mitarbeiter ZK-Kaderverwaltung, 1948 Parteiverweis, 1950 VOKS, 1953 stellv. Leiter VOKS; Nina V. Popova, u. a. ab 1942 Rayonsekretärin in Moskau, 1945–1968 Vorsitzende des sowjetischen Frauenverbands. 87 Vgl. Entwürfe für ZK-Resolutionen, 8. und 13.8.1946, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 55 f., 59–66; Volynec, Ždanov, S. 429–454. 88 Vgl. Wavell an SoS for India and Burma, 5.5.1945, BLIOR, L/PS/12/4036; Roth, Sow-Inform, S. 138 f., 148 f. 89 Anweisung Chefredakteur Pravda an Korrespondenten in kapitalistischen Ländern, bestätigt durch Politbüro, 3.7.1952, in: CK Politbjuro VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 120 f. Vgl. Vermerk TASS-Korrespondent Orestov, 11.1.1948, AVP, f. 117, op. 1, papka 1, d. 10, ll. 8–21; Pozdeev an Grigor’jan, 6.5.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 37 ff.; SIB Indien, Matveev, an Grigor’jan, Vermerk über innenpolitische Situation in Indien, vor 4.9.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 742, ll. 88 ff.; Roth, Sow-Inform, S. 153 f.

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tretungen unter anderem in Indien.90 Eigene Abteilungen für die nichtsozialistischen Länder Südostasiens richtete die Moskauer SIB-Zentrale jedoch wohl erst im April 1953 ein. Im Herbst 1954 arbeiteten in Delhi dann sieben sowjetische und 58 indische Angestellte für das SIB.91 Vor Ort hatten die sowjetischen Vertreter mit schwierigen Arbeits- und Lebensbedingungen zu kämpfen.92 Darüber hinaus waren bisweilen auch sowjetische und indische Erwartungen an die Zusammenarbeit inkompatibel. So rief die SIB-Zentrale 1952 einen Mitarbeiter aus Delhi wegen »Grobheit« ab. Er hatte sich immer wieder verächtlich über Indien, seine Einwohner und die indischen Mitarbeiter geäußert.93 All die Jahre sorgten sich die Moskauer Spitzen um Effektivität und Schlagkraft ihrer Apparate. Das Politbüro hatte das SIB bereits 1946 dafür kritisiert, dass es angeblich viel zu defensiv agierte und nichts zur »Entlarvung« der »imperialistisch-reaktionären« Politik der USA beitrug.94 Die Unterstellung des SIB unter das Kulturministerium 1953 lässt sich als erneuter Versuch verstehen, die Leistung durch organisatorische Maßnahmen zu steigern.95 Das Problem lag allerdings tiefer. Journalisten und Propagandisten standen vor der undankbaren Aufgabe, sowohl die ideologisch-propagandistischen Vorgaben zu erfüllen als auch fremde Gesellschaften zu begeistern. Die sowjetischen Abgesandten entschieden sich im Konfliktfall lieber dafür, Moskauer Reinheitsgeboten zu folgen, als durch potentielle Häresien neue Anhänger zu gewinnen.96 Im Ergebnis erwiesen sich SIB-Materialien für ausländische Leser

90 Vgl. Pal’gunov, Tridact’ let, S. 269–287; Beschlüsse Politbüro, 9.10.1946 und 25.6.1947, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 88–92, 121 f.; Pechatnov, Exercise, S. 9 f., 17 f. 91 Vgl. Grigor’jan an Stalin, 15.11.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1197, ll. 6 f.; Notiz Pozdeev, 1953, RGANI, f. 5, op. 16, d. 646, l. 141; Leiter SIB Delhi, Efimov an Men’šikov, 6.11.1954, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 9–16; [ZK?], Sorokin, an Agitprop, 10.8.1953, RGANI, f. 5, op. 16, d. 646, ll. 115 ff. 92 Vgl. Efimov an Men’šikov, 6.11.1954, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 9–16. 93 Vgl. Aufzeichnung Gespräch K. Novikov, mit CPI, Sundarayya, 7.8.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 953, ll. 150 ff.; Grigor’jan/Gromyko an Stalin, 21.6.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1197, l. 1; geschäftsführender SIB-Leiter Popov an Molotov, [Mai 1949], RGASPI, f. 17, op. 137, d. 147, l. 1; Beschluss Politbüro, 25.6.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40; Pozdeev an Grigor’jan mit Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1951, 30.5.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 479, ll. 104 ff. 94 Beschlüsse Politbüro, 9.10.1946 und 25.6.1947, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 88–92, 121 f. Vgl. Pechatnov, Exercise, S. 9 f., 17 f. 95 Vgl. Kulturministerium, Leiter Abt. Südostasien, Akopjan, an ZK-Sekretär Pospelov, 15.7.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 678, ll. 30 ff. 96 Vgl. bereits Vermerk zu Visumantrag Orestov, Mai 1944, NAK, FO 371/43320; Pudovkin, Poezdka, S. 301.

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einfach als unattraktiv, wie das Politbüro bemängelte, allerdings in Missachtung der tatsächlichen Ursachen.97 Daneben legten es die sowjetischen Informations- und Propagandaaktivisten darauf an, in ihrem internationalen Auftreten ganz systemgerecht Wachsamkeit und Kampfeswillen zu demonstrieren. Es kam, wie es kommen musste: Im März 1952 beschwerte sich der indische Botschafter in Moskau, Radhakrishnan, im MID über die sowjetische Presseberichterstattung zu Indien im Allgemeinen und über fehlerhafte und beleidigende Texte des Pravda-Korrespondenten Borzenko im Besonderen. Radhakrishnan rannte zu diesem Zeitpunkt offene Türen ein, da man sich im Kreml bereits einer sanfteren Tonart nichtsozialistischen Gesellschaften gegenüber annäherte.98 Bis Juli 1952 erarbeitete Vyšinskij gemeinsam mit dem stellvertretenden Chefredakteur der Pravda, Il’ičev, neue Richtlinien für die Pressevertreter. Borzenko und andere Journalisten wurden nun kritisiert, weil sie sich (zu) häufig »grobe und beleidigende Ausfälle gegen die Regierung und gegen offizielle Persönlichkeiten der Länder ihres Aufenthalts« erlaubt hätten. Ihre Artikel, oft »in einem marktschreierisch-agitatorischen Stil geschrieben«, waren demnach »arm an faktischen Daten über die wirtschaftliche und politische Situation des Landes und seine Außenpolitik« und beruhten mitunter auf »unüberprüften und unzuverlässigen Quellen« und Gerüchten.99 Kurz darauf versicherte Stalin Radhakrishnan persönlich, dass der ungeliebte Borzenko zurückgerufen werde.100 Borzenko reiste ab, allerdings nicht ohne sich bei seinem Chefredakteur über die Unfähigkeit der sowjetischen Botschaft in Delhi zu beschweren und sich bei der Führung ins rechte Licht zu rücken: »Genosse Stalin ist der populärste Mensch in Indien«, berichtete Borzenko ein  97 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 9.10.1946 und 25.6.1947, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 88–92, 121 f.; Pechatnov, Exercise, S. 9 f., 17 f.  98 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Vyšinskij mit Radhakrishnan, 22.3.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 100–103; Nehru an Chief Ministers, 15.4.1952, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 578–590; Kap. 3.3.1. Sarvepalli Radhakrishnan, u. a. 1949–1952 Botschafter in der UdSSR, 1952–1962 Vizepräsident, 1962–1967 Präsident.  99 Anweisungen Pravda-Chefredakteur an Korrespondenten im kapitalistischen Ausland, Politbüro bestätigt, 3.7.1952, in: Politbjuro CK VKP (b), Chlevnjuk u. a. (Hg.), S. 120 f. Neben Borzenko wurde auch O. Čečetkina gerügt, die mittlerweile in Italien für die Pravda arbeitete. Da Pravda-Artikel zusätzlich in der sowjetischen Rundfunkpropaganda verarbeitet wurden, wurde auch diese Anfang 1952 zum Ziel innersowjetischer Kritik, vgl. Vermerk ZK, Ivanov/ Kirnasovskij, 4.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 782, ll. 23–26. 100 Aufzeichnung über Gespräch Stalin mit Radhakrishnan, 5.4.1952, NMML, J. N. (S. 4), Vol. No. 123 Pt. II, 294–297, hier zit. nach: Revolutionary democracy 12 (2006), No. 1, unter http:// www.revolutionarydemocracy.org/rdv12n1/3convers.htm (letzter Zugriff: 10.4.2018). Für diesen Hinweis danke ich sehr herzlich Vijay Singh, Delhi.

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letztes Mal nach Moskau. »Hunderte Millionen Inder lieben ihn und kennen ihn als Führer der Völker«.101 Sowjetische Institutionen, die sich unmittelbar um weitergehende gesellschaftliche Kontakte mit der weiten Welt kümmerten, standen vor analogen Herausforderungen und Problemen wie die sowjetischen Medien. Nach kritischen Stimmen aus dem Orgbüro sollte unter anderem eine Umorganisation der Allunionsgesellschaft für kulturelle Verbindungen mit dem Ausland (VOKS) deren Tätigkeit effektiver gestalten.102 Strukturen für die Beziehungen zu nichtsozialistischen Staaten in Asien wurden in der VOKS-Zentrale wahrscheinlich erst Anfang der 1950er-Jahre geschaffen.103 Republikanische Ableger der VOKS, die die das Zentrum unterstützen und ergänzen sollten, entwickelten sich nach dem Krieg ebenfalls nur langsam.104 Innerhalb der UdSSR übernahmen VOKS-Mitarbeiter die Betreuung ausländischer Gäste aus dem kulturellen und gesellschaftlichen Spektrum. Wichtiger war jedoch die Tätigkeit im Ausland. In Indien war VOKS, unabhängig von organisatorischen Anpassungsproblemen, bis Ende der 1940er-Jahre endgültig, wenn auch in schwacher Besetzung, etabliert. Die Gesellschaft konnte mitunter auf Kontakte zu den örtlichen Freundschaftsgesellschaften aufbauen und lokale Kulturvereine nutzen. In der Praxis dienten die VOKS-Vertreter vor allem als Verteiler für sowjetische Presse- und Kulturerzeugnisse und als Organisatoren entsprechender Ausstellungen.105 Daneben sollten sie Türöffnerfunktionen für sowjetische Kulturinstitutionen erfüllen. Mit diesem Profil stand VOKS wiederum in Konkurrenz zum SIB.106 Periodische Kritik aus ZK und Diplomatie an der Tätigkeit der VOKS in Südasien deutet darauf hin, dass sich die Allunionsgesellschaft bis Mitte der 101 Pravda an Molotov, Malenkov und Vyšinskij mit undat. Vortragsnotiz Borzenko, 30.6.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1199, ll. 25–45. 102 Vgl. Beschluss Orgbüro, 29.9.1945, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 26–28; Beschluss Politbüro, 30.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 38; Pechatnov, Exercise, S. 19–21. 103 Vgl. Entwurf Beschluss SovMin, 11.1.1950, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1196, ll. 6–8; Einzelmaterialien zur Struktur in GARF, f. 5283, op. 18. Leiterin der Südostasien-Abt. war Ju. F. Kosjakina. 104 Vgl. Beschluss Politbüro, 14.1.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1611; Vermerk Referent ZK, Važnik, 25.9.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 101, ll. 146 ff.; Sekretär sowjetisches Friedenskomitee, Kotov, an ZK, 3.7.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 261, ll. 97 ff. 105 Vgl. Bericht VOKS über Besuch Generalsekretär Allindische Gesellschaft der Freunde der UdSSR, Jambhekar, 2.4.–5.5.1948, GARF, f. 5283, op. 19, d. 177, ll. 1 ff.; Beschluss Politbüro, 6.9.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1628, l. 186; Materiallieferungen an die Gesellschaft in Srinagar gem. Liste, 18.11.1947, GARF, f. 5283, op. 19, d. 143, l. 12; Assistant Director Intelligence Bureau, Jayaram, an MEA, P. A. Menon, 16.10.1948, NAI, 1 (19)-Eur. II. 106 Vgl. Denisov an ZK, Orlov, 14.4.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 487, ll. 9 f.

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1950er-Jahre im indischen öffentlichen Leben keine einflussreiche oder auch nur weithin sichtbare Stellung erarbeiten konnte.107 Dieser Befund galt auch für die Aktivitäten anderer Verbände. Sie engagierten sich bezüglich Indiens recht verhalten. Zu nennen sind das Komsomol, Frauen- und Gewerkschaftsorganisationen, die Handelskammer der UdSSR und das sowjetische Komitee für die Verteidigung des Friedens mit seinen internationalen Verbindungen im Weltfriedensrat. Daneben sind die Filmindustrie, Spezialverlage wie der Verlag für Fremd­sprachige Literatur und insbesondere die Auslandskommission des Schriftstellerverbands erwähnenswert.108 Religiöse Institutionen wurden dagegen in Indien augenscheinlich nicht intensiv eingespannt.109 Für die Vertreter all dieser Apparate galt, dass sie kein hohes politisches Gewicht und vielfach keine prägnante internationale Südasien-Expertise besaßen. Sie zeichneten sich vielmehr durch ihr aktives Mehrfachengagement für die letztlich von oben vorgegebenen Aufgaben aus. Nicht zuletzt die Erfahrungen des Großen Terrors trugen auch auf dieser Ebene dazu bei, dass sie bereit waren, den Parteikurs in der internationalen Gesellschafts- und Kulturpolitik zu vertreten und damit die Ždanovščina in den internationalen Beziehungen zu verwirklichen.110 Die Kernidee dieser Leitlinie lieferte Stalin in seinen Schimpftiraden gegen Redakteure der Zeitschriften Zvezda und Leningrad: »Bei euch geht man vor ausländischen Autoren auf Zehenspitzen. Ist es eines sow-

107 Vgl. Materialien zu Entwürfen Beschlüsse ZK und SovMin, 1948 bis 1950, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1142, 1184, 1196; Beschluss Politbüro, 6.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1605; Aufzeichnung Gespräch K. Novikov mit CPI, Sundarayya, 7.8.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 953, ll. 150 ff. 108 Zu Reisen u. a. Aktivitäten verschiedener Einrichtungen von Jugend bis Gewerkschaft vgl. Grigor’jan an Stalin, 8.6.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1198, ll. 69 f.; Beschlüsse Politbüro, 9.12.1950, 24.1. und 14.6.1951, 27.5. und 3.9.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1570, 1574, 1588, 1621, d. 1628; Vermerke VPK über Themenplan Ausstellung »Leben und Arbeit der sowjetischen Frau«, 12.9.1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 9; stellv. Vors. Antifaschistisches Komitee sowjetischer Frauen, Parfenova, an ZK, Tereškin, 10.12.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 953, ll. 170 ff.; Kotov an Grigor’jan, 10.5.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 743, l. 113 ff. Zu Weltfriedenskongressen in Paris (1949) bzw. Warschau (1950) und dem Stockholm-­Appell gegen Atomwaffen (1950) vgl. Schlaga, Die Kommunisten, hier v. a. S. 53–86, 133–206; Der Zweite Weltfriedenskongress. Beilage zu Neue Zeit (1950), Nr. 48, hier S. 26. Zum SSP vgl. Vermerk ZK-Abt. Wissenschaft und Kultur, 6.10.1953, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1953–1957, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 162–165; David-Fox, Showcasing, S. 304–307; Kap. 3.5.1. 109 Vgl. Beschluss ZK, 6.2.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1612. 110 Vgl. David-Fox, Showcasing, S. 304–307; Heeke, Reisen, S. 29 ff.; Rossija i zapad, Borisov u. a. (Hg.), S. 147 f., 166 f.; English, Russia, S. 31–37.

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jetischen Menschen würdig, vor dem Ausland auf Zehenspitzen zu gehen? Ihr reizt dadurch zu servilen Gefühlen, das ist eine große Sünde.«111 Der in Südasien aktive stalinistische Gesellschafts- und Kulturvertreter stellte eine Mischung aus einem »Ideologen-Fundamentalisten« und einem »Karrieristen-Funktionär« dar. Er wurde nahezu idealtypisch von Nikolaj S. Tichonov und Mirzo Tursun-Zade verkörpert.112 Tichonov hatte sich seit den 1920er-Jahren indischen Sujets gewidmet. Insgesamt empfahl er sich durch systemgerechte Indien-Lyrik für höhere Aufgaben. Amerikanische Literaturkritiker verwarfen Tichonovs Gedichte als banale Gebrauchsprodukte, »voller fader Klischées, süßlich, oder plump politisch«.113 Dagegen machte seine frühe Abkehr von einer »falschen ästhetischen Exotik« und die strikte Orientierung an den Maximen des sozialistischen Realismus Tichonov in der UdSSR zu einem wichtigen Schriftsteller: »Die wahre Schönheit des Ostens sah der Dichter schon in diesem Gedicht [Sami, 1919–1920, Anm. d. Verf.] nicht in der grellen Buntheit exotischer Farben, sondern im kämpfenden Menschen, im jungen Arbeiter«.114 Während der Ždanovščina fügte sich Tichonov der literaturpolitischen Selbstisolierung der UdSSR. Er verlor im Kontext der Hetzjagd auf die Zeitschriften Zvezda und Leningrad 1946 zwar die Führung des Schriftstellerverbands, blieb aber Mitglied des neu geschaffenen Sekretariats, das unter Generalsekretär Fadeev den neuen Kurs vertrat.115 Tichonov engagierte sich treu für die internationalen Beziehungen der UdSSR. Als gesellschaftlicher Aktivist war er seit 1949 Vorsitzender des sowjetischen Friedenskomitees.116 In der Eigenschaft eines Literaturfunktionärs vertrat Tichonov über die Grenzen hinaus seinen unverbrüchlichen Glauben an Kernsätze des 111 Stenogramm Sitzung Orgbüro, 9.8.1946, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 566–581, hier S. 568. Vgl. Beschluss Orgbüro, 26.8.1946, ebd., S. 591 ff.; Aleksandrov an Ždanov, 26.9.1946, in: Kremlevskij kinoteatr, Anderson u. a. (Hg.), S. 768; Suslov an Ždanov, 22.5.1947, in: Nadžafov/ Belousova (Hg.), Stalin, S. 116–118; Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace, S. 32–38; Volynec, Ždanov, S. 476–543; Boterbloem, The life, S. 253 ff.; Simonow, Aus der Sicht, S. 126 f. 112 Sokolov, Chudožestvennaja kul’tura, S. 73 f. 113 Stacy, India, S. 81. 114 Istorija Russkoj Sovetskoj literatury 3, S. 433–437, hier S. 435. 115 Vgl. Beschlüsse Orgbüro, 13.9.1946 und 27.12.1948, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 603, 643–646. Nikolaj Semenovič Tichonov, u. a. ab 1944 Präsident des Schriftstellerverbands, ab 1946 Mitglied des Redaktionskollegium von Znamja sowie der Kommission für die Verleihung des Stalinpreises (Kunst, Literatur); Aleksandr Aleksandrovič Fadeev, u. a. 1946–1954 Vors. des SSP. 116 Vgl. Beschluss Politbüro, 7.8.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1627, l. 71; Tichonov an Suslov, Jahresbericht für 1953, 1.2.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 119, ll. 256 ff.; Sofronov, Narody Azii; Sofronov, Mogučij golos.

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sozialistischen Realismus.117 Anfang 1952 erhielt er für seine politisch korrekte literarische Darstellung einer Dienstreise zu »progressiven« Autoren Pakistans den Stalin-Preis erster Stufe in der Rubrik Poesie.118 Ein Besuch Tichonovs bei den »progressiven« Kollegen Indiens war am Widerstand der indischen Behörden gescheitert.119 Von Tichonovs Werk und Engagement zeigte sich unter anderem Mirzo Tursun-Zade beeindruckt.120 Dieser begann seine literarisch-politische Doppelkarriere in den frühen 1930er-Jahren als Literaturredakteur und Autor der Gazette Komsomolec Tadžikistana. Aus dieser Zeit rühren erste Gedichte, die die Völker Afghanistans und Indiens zum Unabhängigkeitskampf aufriefen. In der Nachkriegszeit empfahl sich der Dichter den Moskauer Oberen dann mit einer Lyrik, die auf der einen Seite die »Rolle des großen russischen Volkes im historischen Schicksal des tadžikischen Volkes« gebührend würdigte und auf der anderen Seite »sowjetische Menschen« als Persönlichkeiten neuer Qualität zeichnete.121 Mit diesem œuvre konnte Tursun-Zade nicht nur im Schriftstellerverband Tadžikistans reüssieren, sondern auch, 1946, ins ZK der tadžikischen KP aufsteigen.122 Darüber hinaus schien der Poet durch seine künstlerische wie ideologische Verlässlichkeit prädestiniert zu sein, seine Republik 1947 auf der Asien-Konferenz in Delhi zu vertreten. Die Reise verarbeitete Tursun-Zade in literarischen Produktionen, die ganz dem offiziellen Geschmack entsprachen. Für seinen Gedichtzyklus erhielt Tursun-Zade 1947 einen Stalinpreis 2. Stufe.123 »Das ganze System der Bilder, der ganze Inhalt des Zyklus ist auf der Gegenüberstellung zweier Welten, zweier Weltanschauungen, zweier Systeme aufgebaut«, schwärmte die sowjetische Literaturkritik noch Jahre später. »Im Gegensatz zu den Kolonisatoren rufen die Gäste aus dem sowjetischen Land, die den ersehnten Gedanken von Freiheit verkörpern, schon allein durch ihr Erscheinen bei 117 Vorwort Tichonov zu Indijskie rasskazy, Moskau 1953, zit. in RGALI, f. 631, op. 26, d. 5100. 118 Vgl. Pravda, 15.3.1952, zit. nach Svin’in/Oseev (Hg.), Stalinskie premii, S. 426–438. Tichonov wurde der Preis für die Werke »Dva potoka« und »Na Vtorom Vsemirnom kongresse mira« zugesprochen. 119 Vgl. sowjetische Botschaft Delhi an MEA, 23.5.1949, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 1, l. 27; Dayal an MEA, K. P. S. Menon, 31.5.1949, NAI, 1 (68) Eur II/49. Zu späteren Aufenthalten in Indien vgl. Stenogramm Sitzung Auslandskommission SSP und Sektion Übersetzungen, 5.6.1952, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5104. 120 Vgl. Babaev, Mirzo Tursun-Zade, S. 66 f.; Tursun-zade, Russkaja duša. 121 Babaev, Mirzo Tursun-Zade, S. 18, 27 f., 62 f., 78 f. 122 Vgl. Babaev, Mirzo Tursun-Zade, S. 133 f. 123 Vgl. Svin’in/Oseev, Stalinskie premii, S. 759 f. Der Zyklus »Indijskaja ballada« (1947/1948) in: Tursun-Zade, Izbrannye proizvedenija 1, S. 62–99.

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den Indern ein Gefühl der Achtung und der Freude hervor.«124 Von nun an war Tursun-Zade als einer der für die Südasien-Thematik maßgeblichen Poeten etabliert. Er wurde ob seiner Verdienste um Literatur und Politik 1951 zum Vollmitglied der tadžikischen Akademie der Wissenschaften berufen. Er engagierte sich in den folgenden Jahren immer stärker im Schriftstellerverband der UdSSR und war aus den literarisch-gesellschaftlichen Beziehungen zur Dritten Welt und zu Indien nicht mehr wegzudenken.125 Es ist bezeichnend, dass es das sowjetische Establishment nicht störte, dass seine beiden Gesandten in Indien gar nicht sonderlich bekannt, geschweige denn populär waren.126 Angesichts des mehrfach angesprochenen Mangels an Indienexperten und -kenntnissen in den hier vorgestellten Organisationen und Ämtern und vor dem Hintergrund eines sowjetischen Gesamtsystems, dessen Führung sich die strikte Deutungshoheit über internationale Entwicklungen vorbehielt, liegt schließlich die Frage nach der Situation der wissenschaftlichen Indienforschung in der UdSSR nahe. Hier blieben auch unter den Bedingungen des Stalinismus Reibungen zwischen wissenschaftlichen Traditionen und Fragestellungen auf der einen und politischen Anforderungen auf der anderen Seite erhalten. Sie verbanden sich mit innerwissenschaftlichen Debatten um Forschungsschwerpunkte und -methoden. Die erwähnte Aufwertung der »Moskauer Gruppe« des IVAN in eine Abteilung 1946 erfolgte gegen die Vorstellungen vieler Leningrader Orientalisten. Moskau bot in den Kriegs- und Nachkriegsjahren sicherlich bessere Arbeitsbedingungen als das alte Zentrum der russisch-sowjetischen Orientalistik.127 Außerdem erhielten die verschiedenen universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Hauptstadt, die sich mit Fragen der Orientalistik

124 Babaev, Mirzo Tursun-Zade, S. 67–69. 125 Vgl. Grigor’jan an Stalin, 5.5.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1403, ll. 2–5; Babaev, Mirzo Tursun-Zade, S. 84–88. 126 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Hauptsekretär Auslandskommission Schriftstellerverband, Apletin, mit indischem Journalisten I. Singh, 24.1.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 13 ff. Vgl. auch die Tätigkeit von Anatolij Vladimirovič Sofronov, u. a. 1948–1953 Sekretär des SSP, danach Chefredakteur von Ogonek. Er stieg ab den 1950er-Jahren in den Kreis der für Südasien relevanten Literaturaktivisten auf. 127 Mindestens 43 Orientalisten und Mitarbeiter des Leningrader Instituts kamen während der Blockade Leningrads oder an den Fronten des Zweiten Weltkriegs sowie in der Evakuierung ums Leben, vgl. Trudy Archiva Vostokovedov IVR RAN 1 (2011), S. 340 f.; Barannikov, Sovetskaja indologija, S. 7; Notiz der Herausgeber, in: Sovetskoe vostokovedenie 3 (1945); Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 104 f.

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und Indologie befassten, nun endlich einen organisatorischen Mittelpunkt.128 Wissenschaftspolitisch entscheidend war jedoch, dass die räumliche Nähe der Forschungseinrichtung zum Parteizentrum einen Etappensieg derjenigen Wissenschaftsmanager darstellte, die die Leningrader Fokussierung auf klassische Sprachen und Literaturen sowie auf die ältere Geschichte endgültig zugunsten des Studiums neuer Sprachen und aktueller Entwicklungen aufbrechen wollten.129 Faktisch publizierte bis zum Ende der 1940er-Jahre nur eine Handvoll Autoren zur zeitgenössischen Gesamtsituation auf dem Subkontinent oder zur jüngsten Geschichte Südasiens.130 Bis Anfang der 1950er-Jahre fehlte es für die modernen Sprachen Asiens sogar an verlässlichen Wörterbüchern.131 Mit dem Generalangriff auf den sogenannten »Kosmopolitismus« in den sowjetischen Wissenschaften einschließlich der Orientalistik forcierte die Politik die Unterwerfung der Wissenschaft. Die Partei nahm für sich in Anspruch, die Themen zu setzen und über die korrekten Auslegungen zu befinden. 1947 setzte der Kreml ein deutliches Zeichen, indem, vornehmlich auf Betreiben Voznesenskijs und Ždanovs hin, Jenö Vargas’ Institut für Weltwirtschaft und Weltpolitik in das Wirtschaftsinstitut der Akademie der Wissenschaften überführt und in seiner Tätigkeit Voznesenskijs Gosplan unterstellt wurde. Damit war Vargas differenzierterem Bild der Nachkriegsentwicklung von Kapitalismus und Imperialismus sowie seinen unorthodoxen Einschätzungen kolonialer Entwicklungsmöglichkeiten eine klare Absage erteilt.132 Konsequent verwarf Ždanov im August 1947 in einem Gespräch mit indischen Kommunisten jede inhaltliche Eigenständigkeit der sowjetischen Indologie.133 Im April 1949 128 Vgl. Tamazišvili, Akademik I. Ju. Kračkovskij; Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 104 f., 113–116; Rodionov, Profiles, S. 52 f. Zu nennen ist hier neben den Ausbildungsstätten der Volkskommissariate bzw. Ministerien v. a. das Moskauer Orientinstitut (MIV). Es wurde 1920/1921 auf der Basis des Instituts für moderne orientalische Sprachen gegründet und 1954 in das Moskauer Staatsinstitut für internationale Beziehungen (MIMO) integriert. 129 Vgl. zur Forschungslandschaft zusammenfassend Eran, Mezhdunarodniki, S. 9–31, 45–65; Šastitko, Predislovie (Slovo ob učiteljach), S. 3–6; Lobanova, Kafedra indijskoj filologii, S. 86–91; Petrosjan, Vstreči, S. 19–25; Guber, Izučenie Indii, S. 55 f. 130 Vgl. die entsprechenden Jahrgänge von Sovetskoe Vostokovedenie 3–6, 1945–1949, dazu Bibliografija Indii; Sen Gupta, The fulcrum, S. 50 f. 131 Vgl. Referent VPK, Baškirov, an Grigor’jan, 16.2.1950, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1191, l. 7. 132 Vgl. Beschluss Politbüro, 12.9.1947, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1922–1952, S. 360– 362; Duda, Jenö Varga, S. 163–166, 175–190, 198–240; Kuczynski/Steinitz (Hg.), Diskussion; Ra’anan, International policy formation, S. 62–72. Roh, Rethinking, S. 841 ff., stellt persönlich-machttaktische Erwägungen in den Vordergrund und vernachlässigt die wissenschaftspolitische Gesamtbedeutung. 133 Vgl. Protokoll Gespräch Ždanov mit Dange, 16.8.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 217– 234.

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wurde auf einer gemeinsamen Sitzung der Moskauer Dependance des IVAN und des Pazifikinstituts die »schändliche Verbeugung einzelner Orientalisten vor allem Fremdländischen« an den Pranger gestellt. Im Endergebnis kappte Stalins »Antikosmopolitismus« die ohnehin nur äußerst schwach entwickelte wissenschaftliche Kommunikation mit Indien.134 Das Politbüro rang sich zwar Ende 1949 im Rahmen seiner globalen Friedenspropaganda dazu durch, eine sowjetische Delegation zum indischen Wissenschaftskongress zu entsenden. Deren vorrangige Aufgabe bestand allerdings darin, der Dominanz kapitalistischer Einflüsse entgegenzuarbeiten. Zu diesem Zweck sollten die Delegierten Kontakte zu »progressiven indischen Wissenschaftlern« aufbauen, Erfolge sowjetischer Wissenschaft propagieren und mit »Vorträgen über die Stalin’sche Wissenschaft und Kultur« brillieren.135 Die politische Indienstnahme schloss a priori jeden ergebnisoffenen Austausch mit nichtsozialistischen Kollegen aus: »[Z]wischen der bürgerlichen Orientalistik – der Dienerin und der Waffe des Imperialismus – und der sowjetischen Orientalistik gibt es und kann es nichts Gemeinsames geben.«136 Die sowjetische Orientalistik blieb unter Druck. 1949 wurde die Hauszeitschrift des IVAN, Sovetskoe Vostokovedenie, kurzerhand eingestellt, nachdem sich insbesondere Moskauer Orientalisten gegen ihre angebliche »Position 134 Neben sowjetischen ideologischen Vorbehalten erschwerten Finanznöte und eine schwerfällige Bürokratie auf beiden Seiten die Verbindungen, vgl. wissenschaftlicher Hauptsekretär AN, Topčiev, an Grigor’jan, 18.2.1952 und 9.2.1953, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 502 sowie d. 785, ll. 210 ff.; geschäftsführender wissenschaftlicher Hauptsekretär AN, Sisakjan, an Grigor’jan, 24.8.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 502, ll. 63–85; Vermerk VOKS, 28.1.1948, GARF, f. 5283, op. 19, d. 173, l. 46; ZK-Verwaltung für Propaganda und Agitation an Malenkov, 31.5.1949, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 422–424; GoI (?), Forschungsdepartment, an MEA, Deputy Secretary, Banerji, 31.10.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II; Denisov an Grigor’jan, 12.7.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 66 ff. Aleksandr Vasil’evič Topčiev, u. a. ab 1949 Akademik, 1949–1958 Wissenschaftlicher Hauptsekretär der AN, ab 1958 Vizepräsident AN. 135 Vgl. Präsident AN, Vavilov, an Molotov, 12.12.1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 5, ll. 271 f.; Beschluss Politbüro, 30.12.1949, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1, S. 423 f.; Topčiev an Grigor’jan mit Bericht geologischer Delegation auf 38. indischem Wissenschaftskongress, 31.12.1950–2.2.1951, 9./10.4.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 742, ll. 9 ff.; Abschlussbericht Wissenschaftsdelegation Dezember 1953/Januar 1954, 23.2.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 1 ff. 136 Učenyj sovet Tichookeanskogo instituta, S. 159. Vgl. AN-Präsident Nesmejanov/Topčiev an Grigor’jan, 3.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 785, ll. 43 f.; Grigor’jan an Suslov, 9.4.1952, ebd. Aleksandr Nikolaevič Nesmejanov, Chemiker, ab 1943 Akademik, ab 1944 Parteimitglied, 1951 bis 1961 AN-Präsident. In diesem Zusammenhang sei an die intellektuellen Schulden späterer Autoren der Dritten Welt inkl. Edward Saids bei marxistischen sowjetischen Analysen erinnert, vgl. Tolz, European, national, and (anti-)imperial; Tolz, Russia’s own Orient, S. 20 f., 82 f., 100 f.

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abseits vom Leben, von scharfen und aktuellen Fragen« gewandt hatten.137 Wenige Wochen später postulierte das Präsidium der Akademie der Wissenschaften, dass das IVAN auf der ganzen Linie versagt hätte: »In diesen Tagen, in denen im Osten Ereignisse von weltgeschichtlicher Bedeutung stattfinden, in denen die Krise des Kolonialsystems des Imperialismus nie dagewesene scharfe Formen annimmt, ist eine solche Rückständigkeit der sowjetischen Wissenschaft bezüglich aktueller Probleme der Orientalistik nicht hinnehmbar«.138 Die Geschichtswissenschaften mussten sich 1949 bis 1953 ebenfalls mehrmals herbe Kritik gefallen lassen. Im Duktus der politisch denkenden Zunftoberen »entlarvte« die sowjetische Historiografie angeblich die »nationale, rassistische und soziale« imperialistische Unterdrückung nur in höchst ungenügender Weise und vernachlässigte sträflich die Gegenwehr »demokratischer Kräfte«.139 Auch Vertreter aus dem Pazifik- und aus dem Wirtschaftsinstitut der Akademie, die Ende der 1940er die Situation in der kolonialen und postkolonialen Welt diskutierten, konnten politischen Ansprüchen nicht gerecht werden.140 Die Außenpolitische Kommission des ZK vermisste hier überzeugende Aussagen zum Stellenwert Indiens in den globalen »Plänen der anglo-amerikanischen Imperialisten« und forderte eine aggressivere »Entlarvung« des »reaktionären Charakters des Gandhismus«.141 Die inhaltliche Formierung ging mit organisatorischen Einschnitten Hand in Hand. 1950 wurde das gesamte Institut für Orientalistik nach Moskau verlegt, das Pazifik-Institut dem IVAN eingegliedert.142 Das neue IVAN wurde innerhalb der Akademie der Wissenschaften aus der Abteilung für Literatur und Sprache in die Abteilung für Geschichte und Philosophie überführt. Im 137 Braginskij am 11.1.1950 in Kul’tura i žizn’, zit. nach Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 125. Die Kritik wurde in einer Sitzung der Moskauer Gruppe des IVAN und verschiedener Orientalisten aus Leningrad aufgenommen, vgl. V Moskovskoj gruppe Instituta vostokovedenija. 138 Beschluss Präsidium AN, 1.7.1950, zit. in: Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 134. Vgl. im Detail Beschluss ZK mit Materialien, 3.7.1950, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1, S. 456–458; Kul’tura i Žizn’, 11.8.1950, S. 4, mit Beitrag Direktor IVAN, Tolstov, zit. in: Sahai-Achuthan, Soviet Indologists, S. 328; V Moskovskoj gruppe Instituta vostokovedenija. In den Beschlüssen auch entsprechende Kritik am Pazifik-Institut. Zu entsprechenden Mängeln in der Sinologie vgl. Grigor’jan an Molotov, 18.9.1950, in: Kitajskaja narodnaja respublika 2, S. 57 f. 139 Neotložnye zadači, S. 3. Vgl. Očerednye zadači istorikov-vostokovedov; Zadači sovetskich istorikov; Beschluss Sekretariat ZK, 28.5.1953, in: Afiani/Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1952– 1958, S. 63 f. 140 Vgl. Buševič, Bor’ba sowie die im Literaturverzeichnis genannten Arbeiten von D’jakov, Žukov und Balabuševič. 141 Vermerk VPK zum Artikel Balabuševič, Novyj ėtap, 1949/50, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, l. 84. 142 In Leningrad verblieb die Sammlung alter Handschriften.

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Institut befasste sich nun ein eigener Sektor mit Indien und Afghanistan. 1954 kam ein weiterer Sektor für Sprachen und Literaturen Indiens und Südostasiens hinzu.143 Ungeachtet der dringlichen Aufgaben wurden dem Institut zumindest Anfang der 1950er-Jahre nur wenige neue Stellen zugestanden.144 1955 sollen rund 220 Forscher dort beschäftigt gewesen sein, davon 44 Indienexperten.145 Das IVAN sollte zugleich die bislang häufig isolierten republikanischen Forschungen zur Orientalistik auf die Moskauer Generallinie einschwören.146 Im für die Südasienforschung relevanten Taškent wurde das Institut der uzbekischen Akademie der Wissenschaften für Orientalische Handschriften in ein Institut für Orientalistik umgewandelt. Auch hier lautete die offizielle Anweisung, das Studium aktueller Probleme »der Länder des ausländischen Ostens« zu intensivieren.147 Der sogenannte Perspektivplan des neuen IVAN wollte die Aktivitäten noch weitaus eindeutiger auf die aktuellen politischen Interessen ausrichten, als es vor dem Krieg der Fall gewesen war. Ab 1950 standen die »demokratischen Länder des Ostens« – Korea, Mongolei, Vietnam und vor allem China – sowie Entwicklungen in Japan im Vordergrund. In den Sprach- und Literaturwissenschaften waren die Forschungen Stalins jüngster Kritik an den Arbeiten Marrs anzupassen. Daneben hatten die sowjetischen Orientalisten im Sinne der innersowjetischen Überhöhung Russlands das »enorme wissenschaftliche Erbe und 143 Vgl. »Chronika« [IVAN], in: Kratkie soobščenija 2 (1952), S. 73–75; O rabote Instituta Vosto­ kovedenija; Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 154 f., 160 f., 190. 144 Der Ministerrat diskutierte Mitte 1950, die Ausbildung von Spezialisten für »die Länder des ausländischen Ostens« deutlich auszubauen. Der Schwerpunkt lag auf China, doch wurde Südasien in alle Maßnahmen – Sprachausbildung, Wörter- und Lehrbücher, Übersetzerstudium – einbezogen, vgl. undat. Entwurf für Beschluss SovMin, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 212, ll. 49 f.; IVAN, Tarkovskijan, an Suslov, mit Resolution Suslov, 13.7.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, l. 62.; Kasnatschejew, Wegweiser, S. 22 f. 145 Vgl. Eran, Mezhdunarodniki, S. 69. Für die frühere Moskauer Gruppe nennen Kuznecova/ Kulagina, Iz istorii, S. 114 f., insges. 36 Mitarbeiter. 146 V Moskovskoj gruppe. Die seit den Kriegsjahren gegründeten regionalen Forschungszentren deckten in aller Regel nicht die ganze Breite des Fachs ab, sondern konzentrierten sich auf ihre Nachbarregionen, vgl. Vostokovednye centry; Tansykbaeva/Kutina, Indija, S. 38–45; Eintrag »Vostokovedenie« in der BSĖ 9 (1951), S. 193–202, hier S. 200; Rabota vostokovedov; Kostina/Smirinova, Izučenie, S. 171–175. Das Leningrader Orientinstitut hatte 1945 versucht, Kontakte zu anderen sowjetischen Forschungszentren aufzufrischen, vgl. die beiden folgenden Anm. 147 Vostokovednye centry 2, S. 15. In der Praxis blieb die Edition orientalischer Handschriften und Manuskripte ein Schwerpunkt der uzbekischen Forschung. Ab 1952 erschien hier eine Sammlung asiatischer Handschriften, die hauseigenen Trudy wurden ab 1953 publiziert. Vgl. zur Editionstätigkeit des Sektors der kazachischen Wissenschaftsakademie für Orientalistik (1956) und seiner Vorläufer Bustanov, Soviet Orientalism, S. 15–35, 89–93.

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die fortschrittlichen wissenschaftlichen Traditionen der russischen Orientalisten« der vorrevolutionären Epoche intensiv zu pflegen. Die Vorarbeiten für die Očerki po istorii russkogo vostokovedenija, die sich auf Höhepunkte der russischen Indologie konzentrierten, setzten in dieser Zeit ein. Die Očerki gingen im August 1953 erstmals in den Druck. Dagegen mühten sich die Učenye zapiski des IVAN, die ab 1950 erschienen, tagesaktuelle Bezüge der Südasienforschung herauszustellen. Insgesamt nahmen die entsprechenden Publikationen bis 1953/1954 zwar langsam, doch merklich an Zahl zu und weiteten ihre thematische Bandbreite aus.148 Die Indologie tat sich dabei nach wie vor schwer damit, Taktik- oder Politikwechsel des Kremls rechtzeitig zu wittern bzw. in wissenschaftliche Texte zu übersetzen. Im Frühjahr 1951 diskutierten Mitarbeiter des IVAN auf Aufforderung der VPK in einer geschlossenen Sitzung die Klassenverhältnisse in Indien und unterwarfen aktuelle Arbeiten des Hauses einer vernichtenden Kritik. Auf Geheiß der VPK wurden nicht einmal die entsprechenden Diskussionsbeiträge veröffentlicht. Für die Einschätzung der indischen Kräfteverhältnisse wurde die interessierte Öffentlichkeit bezeichnenderweise auf den Abdruck des in Moskau redigierten Programmentwurfs der CPI verwiesen.149 Anfang 1953 kam schließlich das AN-Präsidium zu der Einsicht, dass das IVAN immer noch nicht zu einem »echten Zentrum wissenschaftlicher Arbeit in der Orientalistik« geworden sei und aktuelle Themen vernachlässige. Zudem hätten verschiedene Mitarbeiter »wegen einer schwachen theoretischen und politischen Vorbereitung und ungenügender Kenntnis der aktuellen Lage in den Ländern des Ostens« mehrfach Schriften mit »ernsthaften Fehlern« publiziert. Notgedrungen übte die Wissenschaft erneut Selbstkritik.150 148 Vgl. Perspektivplan zur Tätigkeit IVAN, in: Kratkie soobščenija 1 (1951), S. 3–16; Sanžeev, Trudy; Borovkov, Vostokovedenie v SSSR, S. 395–398. Zur Sprachwissenschaft vgl. V Institute Vostokovedenija Akademii Nauk SSSR, S. 71; Zadači žurnala Sovetskoe Vostokovedenie, S. 7. Die Beiträge in den Kratkie soobščenija des IVAN illustrieren die anhaltende Schwierigkeit, laufende Forschungen mit aktuellen politischen Problemen zu verbinden. Nikolaj Jakovlevič Marr, russischer Sprachwissenschaftler und Orientalist, u. a. ab 1912 Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, 1931–1934 Vizepräsident der sowjetischen AN. 149 Die Berichte abgedruckt als »Correlation of classes in India«, in: Revolutionary Democracy 6 (2000), Nr. 2. Vgl. Grigor’jan an Suslov, 1.12.1950 und 15.8.1951, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1191, l. 69; ZK-Abt. für Wissenschaft und Hochschulbildung, Jakovlev/Mitin, an Suslov, 8.9.1951, ebd.; Programmentwurf, in: Voprosy Istorii (1951), Nr. 10, S. 65–73. Zum CPI-Programm vgl. Kap. 3.3.3. 150 Vgl. V Prezidiume Akademii Nauk; Rumjancev/Stepanov an Suslov, 2.6.1953, dazu Stellungnahme D’jakov, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, l. 40 ff., ll. 52 ff. Es ging um D’jakov, Indija vo vremja i posle vtoroj mirovoj vojny.

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Stalins Tod änderte nichts daran, dass die Partei gegenüber der Wissenschaft auf ihrer führenden Rolle beharrte. 1953 zählten die »Entlarvung« der Kolonialpolitik, die Untersuchung der »Krise des Kolonialsystems«, die besondere Erkundung der asiatischen Volksdemokratien, die »systematische Entlarvung der bürgerlichen Ideologie« sowie Studien zu modernen Sprachen und Literaturen zu den vordringlichen – in weiten Teilen unerledigten – Arbeiten des IVAN.151 1954 wurde der Aufgabenkatalog passend zur neuen Politik um Forschungen zum nichtkapitalistischen Entwicklungsweg und über die Entstehung bourgeoiser Nationen im Orient erweitert.152 Erst um die Jahreswende 1954/1955 wagten es sowjetische Wissenschaftler, das bisherige Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik und entsprechende Resultate zu bemängeln. Nach ihrer Rückkehr vom indischen Wissenschaftskongress rapportierte die sowjetische Delegation dem ZK-Sekretariat einen desaströsen Stand der sowjetischen Indologie. Beklagt wurde nicht mehr nur pauschal die geringe Quantität fachspezifischer Arbeiten, sondern auch ihr fachwissenschaftlicher Gehalt. In den Publikationen bliebe vieles im Dunkeln, da die sowjetische Literatur über Indien viel zu häufig rein agitatorischen Charakter trage und Argumente durch Schimpftiraden ersetzt habe.153 Hinter den wissenschaftspolitischen Anwürfen und Forderungen lässt sich ein gewisses Beharrungsvermögen traditioneller Forschungspositionen der Orientalistik in den 1940er- und 1950er-Jahren feststellen. Auf der anderen Seite fand die politisch gewollte Umorientierung der Orientalistik und der Indologie auch unter Wissenschaftlern einige Befürworter. Es muss dahingestellt bleiben, inwieweit deren inhaltliche und methodische Nähe zu systemkonformen Ansätzen individuellen wissenschaftlichen und politischen Überzeugungen oder reinem Opportunismus entsprang. Die Wissenschaftslandschaft unter Stalin blieb von der Verquickung konkurrierender Forschungsprogramme und der korrespondierenden Kämpfe um Ressourcen mit persönlichen Karriereplänen sowie inner- und außerwissenschaftlichen ideologischen Glaubenskämpfen geprägt. Um zum Erfolg zu kommen, hatten individuelle und kollektive Wissenschaftsentwürfe den Ton zu treffen, der von oben vorgegeben wurde. Abweichungen von politischen Vorstellungen wurden im Extremfall immer noch strafrechtlich 151 V Prezidiume Akademii Nauk. 152 Vgl. O rabote Instituta Vostokovedenija, S. 170, 172. 153 Stellv. Leiter Gosplan und Delegationsleiter, Degtjar’, an ZK-Sekretär Pospelov, mit Rechenschaftsberichten über Aufenthalt u. a. beim Wissenschaftskongress, Januar 1955, 24.5.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 117, ll. 4, ll. 43 ff. Paradigmatisch die Entwicklung der wissenschaftlichen Bewertung Gandhis, vgl. Kap. 3.5.1.

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verfolgt.154 So waren in der Wissenschaftsorganisation ausschließlich diejenigen Wissenschaftler, die zumindest als überzeugte Stalinisten wahrgenommen wurden, in der Lage, die grundsätzliche Entwicklung der sowjetischen Orientalistik und Indologie mitzubestimmen. Sie mussten sich hierfür eng an die politisch definierten Wegmarken halten und konnten, wenn gewollt, nur in diesem engen Rahmen nach wissenschaftlichen Spielräumen suchen. Die skizzierten wissenschaftspolitischen Entwicklungen erzeugten spezifische Wissenschaftskarrieren. Dass Südasien-Spezialisten weder Spitzenpositionen der Akademie der Wissenschaften noch des IVAN besetzen, war eventuell auch dem Stellenwert der Region in der sowjetischen Wissenschaftslandschaft geschuldet.155 In der Südasienforschung selbst verkörperte Aleksej Barannikov ein gewisses Traditionsbewusstsein der Zunft. Barannikov, 1890 in eine Arbeiterfamilie geboren, schloss sein Philologiestudium 1914 ab und widmete sein ganzes Berufsleben den indischen Sprachen. Dabei setzte er sich in Leningrad für das Studium neuerer Sprachen ein, ohne klassische Schwerpunkte der traditionellen Philologie zu vernachlässigen. Mit diesem anspruchsvollen Spagat schien er der Partei 1938 ein akzeptabler Kandidat für die freigewordene Leitung des IVAN zu sein. Sein Vorgänger, der Turkologe Aleksandr Samojlovič, war dem Terror zum Opfer gefallen. Die Politik zog Barannikov dem renommierten F. I. Ščerbatskoj eindeutig vor. Dieser hatte sich seinen internationalen Ruf durch Forschungen zum Buddhismus und zu klassischen Literaturen erworben. Er war in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre aufgrund eben dieser Prioritäten und wegen seiner Kontakte zu führenden Politikern der nationalen Minderheit der Burjaten in Ungnade gefallen. Barannikov führte das IVAN nur bis 1940. Ein Wissenschaftler, der programmatisch zwar aktuelle Bestandsaufnahmen indischer Entwicklungen forderte, aber zugleich das klassische Studium alter Sprachen und Geschichten hochhielt, war auf Dauer doch keine adäquate Wahl für

154 Mindestens fünf Indologen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg zu längeren Haftstrafen verurteilt, darunter 1952 Evgenij L. Štejnberg als »Kosmopolit«, vgl. Vasil’kov/Sorokina (Hg.), Ljudi, u. a. S. 427 f. 155 Das IVAN wurde 1940 bis 1950 vom gelernten Altägyptologen Vasilij Struve geleitet. Er hatte sich u. a. durch Arbeiten über den Klassencharakter altorientalischer Gesellschaften (Zentralasien, Naher Osten) hervorgetan. Zum Nachfolger wurde 1950 der Historiker und Ethnograf Sergej Tolstov bestallt, den im Februar 1953 der Historiker Vsevolod Avidev ablöste. Avidev hielt sich bis 1954. Wissenschaftlicher Sekretär des IVAN war in dieser Periode Dmitrij Ivanovič Tichonov. Er arbeitete wie Tolstov über zentralasiatische Themen und gehörte dem IVAN von 1936–1961 an, bevor er für 15 Jahre an das Institut für Ethnografie wechselte.

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den Direktorenposten. Barannikov blieb dem IVAN jedoch erhalten und leitete nach dem Krieg bis zu seinem Tod 1952 den Sektor für indische Philologie.156 Die Wissenschaftler, die in der Indologie selbst die politisch gewollte Richtung umzusetzen halfen, zeichneten sich größtenteils durch politisch-wissenschaftliche Doppelkarrieren seit den 1920er- und 1930er-Jahren aus.157 Ein, wenn nicht der wichtigste Vertreter dieser Gruppe war Aleksej D’jakov. Der gelernte Mediziner, Parteigenosse seit 1917, arbeitete 1923 bis 1932 im tadžikischen Parteiapparat, als Gesundheitskommissar in Tadžikistan und als Abteilungsleiter im Zentralasiatischen Büro des ZK. 1932 bis 1936 lehrte D’jakov an der KUTV. Parallel dazu absolvierte er am Institut der Roten Professur ein Studium der Geschichte kolonialer Länder. Die KUTV vermittelte ihm erste Kontakte zu indischen Studenten. Am Institut der Roten Professur sog D’jakov die Dogmen des Stalinismus auf. Nach Stationen im Wissenschaftlichen Forschungsinstitut für nationale und koloniale Probleme (1938) und im Weltwirtschaftsinstitut (ab 1939) organisierte D’jakov 1941 bis 1944 Radiosendungen nach Indien. Darüber verlor er die wissenschaftliche Laufbahn nicht aus den Augen. 1944 promovierte er in Geschichte über »die nationale Zusammensetzung der Bevölkerung Indiens«, drei Jahre später habilitierte er sich mit einer Arbeit über die britische Nationalitätenpolitik in Indien nach 1935. 1945 trat D’jakov als Forscher des Pazifikinstituts auf, mit dem er 1950 dem IVAN zugeschlagen wurde. D’jakov, der zumindest Englisch und Urdu beherrschte, avancierte zum Leiter des Sektors für Indien und Afghanistan. Nach einer Auseinandersetzung über die Bewertung des Nationalkongresses und anderer aktueller Probleme Indiens verlor D’jakov 1952 seine Stellung als Sektorleiter, blieb aber Mitarbeiter des IVAN und Lehrer an der MGU.158 Neben D’jakov taten sich die Indien-Experten Vladimir Balabuševič und Iosif Braginskij durch ihr politiknahes Wissenschaftsverständnis hervor. Insbesondere Braginskij profilierte sich nach dem Krieg mit Kritik an der Tätigkeit 156 Zum Kontext und Gewicht der Burjaten-Verbindungen vgl. Snelling, Buddhism, 236–263. 157 Vgl. bereits Eran, Mezdunarodniki, S. 97–126. 158 D’ jakov war nach Mitte der 1950er-Jahren in der IVAN-Abt. für Nah- und Mittelost u. a. für Pakistan zuständig. Vgl. ferner die Karriere von Igor’ M. Rejsner. Er befasste sich in den 1920er-Jahren im NKID mit Indien und Afghanistan, bevor er ab Ende der 1920er eine wissenschaftliche Laufbahn einschlug. Er leitete nach 1956 den Sektor für Geschichte und Philosophie Indiens; Sofija Moiseevna Mel’man kam aus der politischen Schulung. Sie war in den 1920er-Jahren zunächst als Politarbeiterin in der Roten Armee, dann als Lehrerin an der Militär-Politischen Akademie im Einsatz, 1926 bis 1936 unterrichtete sie an der KUTV. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Weltwirtschaft und des IVAN promovierte 1941 über die nationale Industrie Indiens; nach 1956 Leiterin des Sektors Wirtschaft Indiens im IVAN.

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des IVAN.159 Im Unterschied zu den genannten Kollegen startete der jüngere Evgenij Žukov in der Wissenschaft. Er schloss 1927 bzw. 1929 die Leningrader Orient-Fakultät mit Schwerpunkt Japanologie ab, promovierte 1935 in Geschichte, habilitierte sich spätestens 1944 und wurde im Dezember 1946 zum korrespondierenden Mitglied der Akademie gewählt. 1943 bis 1950 war Žukov Abteilungsleiter bzw. Direktor des Pazifik-Instituts. Er bewies als Mitarbeiter der OGPU (1932–1933), im ZK-Apparat (1933–1937) sowie erneut im NKVD (1937–1939), als stellvertretender Vorsitzender des Rundfunkkomitees (1941–1943 respektive 1943–1945), als stellvertretender Politischer Berater des sowjetischen Repräsentanten in Japan und als verantwortlicher Mitarbeiter bei Izvestija, Novoe Vremja und Pravda (1945–1949) politische Zuverlässigkeit. Nach der Fusion des Pazifik-Instituts mit dem IVAN blieb Žukov der Posten des stellvertretenden Institutsdirektors. 1953 wechselte er von dort auf den Stuhl des stellvertretenden Direktors des Instituts für Geschichte. Anhand der detaillierteren Darstellung der sowjetischen Institutionen und Akteure in der eigentlichen Anfangsphase der sowjetisch-indischen Beziehungen lässt sich nachdrücklich belegen, wie schwer es Moskau fiel, sich auf eine intensivere Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen zu Indien einzulassen und einzustellen. Zum anderen wird an den institutionellen und kaderpolitischen Entwicklungen deutlich, wie eng sowjetischerseits die Grenzen für internationale Beziehungen gezogen waren. Die Handlungsspielräume für Interaktion und Austausch waren gering. Die beteiligten sowjetischen Institutionen erwiesen sich als eine streng hierarchisierte, weitgehend geschlossene Gesellschaft. Die gemeinsame inhaltliche Ausrichtung aller relevanten Ebenen in Partei- und Staatsbürokratien wurde durch vielfältige Kontrollmechanismen und durch nackte Angst, aber eben auch durch gemeinsame Grundüberzeugungen gesichert. Die Akteure waren buchstäblich auf Linie gebracht. Vielfach verdankten sie ihre Karrieren Stalin sowie ihrer immer wieder bewiesenen, gelebten Treue und Anhänglichkeit ihm und seinen Vorhaben gegenüber. Die 159 Vladimir Vasil’evič Balabuševič, u. a. 1925 Studienabschluss an der Indisch-Afghanischen Einheit des Moskauer Instituts für Orientalistik, 1925–1938 Profintern, 1942 Promotion am Institut für Weltwirtschaft und Weltpolitik über indische Nationalbewegung, 1950–1970 IVAN, ab 1952 Leitung Sektor Indien/Afghanistan. Ab 1955 stand Balabuševič dem Sektor für Geschichte und Wirtschaft Indiens vor, ab 1956 der Indien-Abteilung; 1961 übernahm Balabuševič die Abteilung Indien, Pakistan und Ceylon/Nepal. Daneben war er Vizepräsident der sowjetisch-indischen Kulturgesellschaf; Iosif Samuilovič Braginskij, u. a. ab 1929 Lehrer an KUTV, 1931 Studienabschluss an MIV, 1940 Promotion über den russischen Imperialismus, 1950–1989 IVAN mit Redaktion der Fachpublikationen, ab 1951 korrespondierendes Mitglied der tadžikischen AN. Braginskij leitete bis 1961 die Literaturabteilung des Instituts.

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kultur-, außen- und wirtschaftspolitischen Kader des Hochstalinismus hatten den Alleinvertretungsanspruch des chozjajns längst akzeptiert. Sie verstanden sich tatsächlich als »Rädchen« (Stalin). Sie bereiteten emsig Entscheidungen der Instanz vor und waren dabei eifrig bemüht, dem Diktator seine Wünsche quasi von den Lippen abzulesen. Sodann machten sie sich daran, Stalins Vorgaben um jeden Preis umzusetzen. Die bedingungslose Übernahme der stalinistischen Ideenwelt schloss die Verinnerlichung der Grundannahmen über eine feindliche Außenwelt ein. Diese Einstellung fand in der kalten Distanziertheit Novikovs ebenso ihren Ausdruck wie in den Ausfällen Borzenkos. M. N. Roy, Mirza Sultan-Galiev oder Maksim Litvinov, die zu verschiedenen Zeiten für alternative kommunistische bzw. sowjetische Denkmodelle in den internationalen Beziehungen geworben hatten, waren längst zum Schweigen gebracht worden oder blieben marginalisiert.160 Ungefilterte Kenntnisse oder andere Meinungen über Indien, die die überkommenen, trotz aller Unvollständigkeit sehr bestimmten Ansichten über Indien geändert hätten, wollte und konnte sich keiner der aktiven Akteure aneignen. Ein Perspektivenwechsel, der andere Einstellungen nachvollziehbar machte, war für sie undenkbar. Sie waren als Kollektiv passgenaue Repräsentanten des Stalinismus. Als Individuen blieben sie disponibel. Jeder war entbehrlich, wenn er die eng gezogenen strukturellen Denk- und Handlungsgrenzen überschritt oder auch nur zu überschreiten drohte. Sie waren als Person auch dann entbehrlich, wenn sie, wie im Fall Borzenko geschehen, im blinden Eifer nicht mehr zügig genug auf taktisch-operative Veränderungen reagierten und Vorgaben in störender Weise übererfüllten – oder wenn Sündenböcke für internationale Misserfolge gesucht wurden. Trotz der radikalen Abgrenzungsmechanismen und des tief sitzenden Misstrauens gegenüber dem Ausland schlechthin kamen die sowjetischen Institutionen nicht umhin, in ihren verschiedenen Aktivitäten in und gegenüber Indien auf nichtsowjetische Ansprechpartner zurückzugreifen. Auf die Unterstützung durch Vertreter des osteuropäischen Blocks oder durch westeuropäische kommunistische Führer konnten sich Politik und Diplomatie der UdSSR in der Regel verlassen. Die ungarische Regierung fragte 1951 sogar an, ob es sowjetische Einwände gegen die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Indien gebe. Mit der Volksrepublik China sollte sich die Kooperation von Beginn an trotz erfolgversprechender Ansätze ambivalenter gestalten; darauf geht Kapitel 3.3. ein.161 160 Vgl. Biographien von Samaren Roy (Literaturverzeichnis); Bucher-Dinç, Die mittlere Wolga; Sheinis, Maxim Litvinov. 161 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 24.5., 18.9.1951 sowie Einzelbeschlüsse aus 1952, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 46; op. 3, d. 1090; op. 163, d. 1611 und 1614.

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Vor allem suchten die sowjetischen Vertreter den Kontakt zu ausgewählten indischen Gruppen und Persönlichkeiten. Dies war notwendig, weil der Informationsfluss aus Indien, der über die engen sowjetischen Kanäle erfolgte, zu dünn war. Zweitens ging es darum, Moskau-genehme Kräfte in Indien selbst zu sammeln und zu stärken. Linke Bewegungen aller Art, von der CPI bis hin zur Friedensbewegung, galten in Moskau unabhängig von ihrer aktuellen Größe als sicherer Beleg für die große Sympathie des indischen Volkes zur UdSSR.162 In der Hochphase des Stalinismus konzentrierten sich sowjetische Diplomaten und Funktionäre bei ihrer Suche nach Partnern in aller Regel auf ›progressive‹ Gesprächspartner. Sie ließen sich nach Moskauer Maßstäben an der besonderen Nähe zu, besser noch an der aktiven Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei Indiens erkennen. Aus sowjetischer Perspektive garantierte diese Anbindung eine unbedingt prosowjetische Einstellung und disponierte zu unermüdlichem prosowjetischen Wirken. Dass sich indisch-kommunistische und sowjetische Lagebeurteilungen mitunter als inkompatibel herausstellten, deutete auf die Unzulässigkeit derartiger Annahmen hin, wurde aber einstweilen ignoriert.163 Die Beteiligten verkannten auch die Gefahren, die solch geschlossene Interaktions- und Informationskreisläufe für beide Seiten bargen. Sie reproduzierten letztlich nur eine Wahrnehmung ohne wirkliche Basis in den indischen Konstellationen. So entsprachen geschönte Berichte der CPI über die breite Anhängerschaft der Partei im Land zwar dem sowjetischen Wunschdenken, trübten aber zusätzlich das ohnehin reduzierte Wahrnehmungsvermögen sowjetischer Entscheidungsträger.164 Indische Linke verfingen sich in ähnlichen Zirkelschlüssen, wie ein Beispiel aus der Kinogeschichte zeigt. Während eines Aufenthalts in Indien schaute sich der sowjetische Regisseur Vsevolod Pudovkin den 1950 produzierten Film »Chinnamul« seines bengalischen Kollegen Nemai Ghosh an. Der Film war in den Traditionen der linken Kulturszene Bengals verwur162 Vgl. Tätigkeitsbericht VOKS-Bevollmächtigte in Indien, Erzina, für 1949, o. D., RGASPI, f. 17, op. 137, d. 4, ll. 57 ff.; Plyševskij an Grigor’jan mit Vermerk SIB Delhi über innenpolitische Lage in Indien, 4.9.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 742, ll. 88 ff.; Grigor’jan an Stalin, 5.5.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1403, ll. 2–5. 163 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Apletin mit I. Singh, 24.1.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 13 ff.; Grigor’jan an Stalin, 25. und 27.11.1950 sowie 12.3.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1198, ll. 21, 25, 49–58; Dange an New Times (Novoe Vremja), D’jakov, Februar/März 1946, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1007, l. 5 f.; Briefwechsel NKID/MID und ZK über Besuch von CPI-Mitglied Sankrityayan, in: Indo-Russian relations 2, Roy u. a. (Hg.), S. 390–397; Gopal, Central Asia, S. 79–88. 164 Vgl. Protokoll Gespräch Dange mit Plyševskij u. a., 24.7.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 202 ff.; Topčiev, Tätigkeitsbericht betr. Auslandsverbindungen AN, 18.2.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 502, ll. 104 ff.

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zelt. Er zeichnete sich durch einen klaren Klassenstandpunkt und ein Kunstverständnis aus, das dem sozialistischen Realismus nahekam. In Calcutta war der Film alles andere als ein Kassenschlager. Pudovkin jedoch war sofort von dem Streifen begeistert. Ghoshs Opus wurde in der UdSSR auf Anraten Pudovkins breit protegiert. Der kultur- und außenpolitisch gewollte Erfolg in der UdSSR machte den Film wiederum zu einem »geschätzten Kunstobjekt für die indische Linke«.165 Im Zuge der sachten politischen Nachjustierung, die ab 1951/1952 in der Pro­ pagandapolitik zu registrieren war, erweiterte sich konsequenterweise auch der Kreis sowjetischer Kontakte. Parallel hierzu fuhr die sowjetische Botschaft in Delhi ihre offenen Verbindungen mit CPI-Vertretern zurück. Ein allzu exklusiver und demonstrativer Schulterschluss der sowjetischen Vertreter mit indischen Kommunisten sollte nun als potentielle Belastung der generellen sowjetischen Beziehungen nach Indien vermieden werden.166 3.1.2. Indien 3.1.2.1. Politische Führung und Verwaltungsapparat

Die für die internationalen Beziehungen relevanten indischen Behörden mussten sich in den ersten Jahren erst noch herausbilden. Die Anzahl staatlicher wie nichtstaatlicher Akteure war deutlich geringer als beim Gegenstück UdSSR. Dabei überlappten sich in beiden Sphären persönliche Netzwerke und institutionelle Strukturen. Zugleich nahm die weit gespannte Kongressbewegung in politischen und gesellschaftlichen Organisationen aller Art häufig eine herausgehobene Sonderstellung ein. Damit waren in Indien die Grenzen zwischen internationalen Aktivitäten staatlicher, parteiamtlicher und gesellschaftlicher Vertretungen bisweilen fließend, die Bandbreite politisch-ideologischer, kultureller Wahrnehmungs- und Handlungsoptionen größer. Sie werden im Folgenden in Anlehnung an die Hauptaspekte der sowjetischen Stellen und Akteure beschrieben, um Kompatibilitäten und Widersprüchlichkeiten erkennbar zu machen. Dabei wird deutlich, dass auch den indischen internationalen Beziehungen eine Persönlichkeit, Nehru, von herausgehobener Bedeutung war.

165 Der Film wurde in der UdSSR unter dem Titel »Obezdolennye« bekannt. Vgl. Sarkar, Mourning, S. 183 f.; Pudovkin, Poezdka, S. 318 f.; Monatsbericht indische Botschaft Moskau für November 1951, NAI, 87–R&I. 166 Vgl. Vyšinskij/Grigor’jan an Molotov, 20.3.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1197, ll. 103 f.

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Am 2. September 1946 übernahmen erstmals indische Politiker die Verantwortung für die internationalen Beziehungen, die von der britischen Krone weitgehend unabhängig waren. Die Zusammensetzung des Kabinetts spiegelte die Notwendigkeit wider, innerhalb der Unabhängigkeitsbewegung verschiedene regionale, religiöse und politische Ausrichtungen zu berücksichtigen. In den letzten Monaten des Raj hielt ein Ziel die verschiedenen Strömungen im Kongress und in den mit ihm verbundenen Parteien zusammen: Es galt, die Unabhängigkeit schnell, endgültig und mit möglichst minimalen Konzessionen an die Muslim-Liga zu erlangen. Die Liga-Spitze hatte sich längst darauf versteift, um nahezu jeden Preis ihr Pakistan zu schaffen. Sie entschloss sich erst am 26. Oktober 1946 zum Eintritt in die Übergangsregierung. Da der Kongress weiterhin die Ämter für Außen-, Innen- und Verteidigungspolitik für sich in Anspruch nahm, mussten sich die Liga-Vertreter unter anderem mit den Ministerien für Handel und Finanzen begnügen. Angesichts des extremen Antagonismus von Liga und Kongress war für die folgenden Monate weder an die Ausarbeitung einer gemeinsamen, stringenten Innen- oder Außenpolitik noch an den systematischen Aufbau entsprechender Einrichtungen oder eines Personalreservoirs zu denken. Mit der Unabhängigkeit am 15. August 1947 ergriff der Kongress endgültig die politische Macht im Land. Die formale konstitutionelle Unterordnung der indischen Regierung unter die britische Krone war nicht von langer Dauer. Am 26. Januar 1950 wurde Indien zur Republik, ohne das Commonwealth zu verlassen.167 Staatsoberhaupt war nunmehr der Präsident. In diesen Konstellationen beschränkten sich die Generalgouverneure der Krone, Lord Mountbatten und, ab Juni 1948, Chakravarti Rajagopalachari, in der Außenpolitik auf eine beratende Rolle. Dabei mochten die Worte des letzten Vizekönigs in der Übergangsperiode 1947/1948 mehr Gewicht haben, doch standen in dieser frühen Phase vor allem die Beziehungen zu Pakistan und der Kashmir-Konflikt im Fokus. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass die Generalgouverneure – oder Lady Mountbatten – Einfluss auf die Entwicklung der indischen Beziehungen zur UdSSR genommen hätten.168 Der erste Präsident Indiens, Rajendra Prasad, meldete sich in seiner zwölfjährigen Amtszeit (1950– 167 Vgl. Kap. 2.2., Anm. 112; Gopal, Jawaharlal Nehru 1, S. 331–337. 168 Vgl. zu Debatten um die Rolle der Mountbattens im Teilungsprozess v. a. Tunzelmann, Indian summer; Ankit, Mountbatten. Chakravarti Rajagopalachari, u. a. 1937–1939 Premier Madras, 1947–1948 Gouverneur Westbengalen, 1948–1950 Generalgouverneur Indien, 1950–1951 Innenminister, 1952–1954 Chief Minister Madras, 1959 Mitgründer der Swatantra Party; Louis Mountbatten, u. a. 1943–1946 oberster all. Kommandeur SEAC, 1947 Vizekönig von Indien, 1947–1948 Generalgouverneur; Edwina Mountbatten, u. a. 1947 Vizekönigin.

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1962) vornehmlich auf innenpolitischem Terrain zu Wort. In der Außenpolitik durchliefen seine Verlautbarungen quasi eine Vorzensur des Premiers.169 In den indischen Außenbeziehungen blieb Nehru nach dem 15. August 1947 die dominante Figur. Er war bis zu seinem Tod im Mai 1964 sowohl Premier als auch Außenminister des Landes.170 Daneben spielte er auch in anderen für die internationalen Beziehungen Indiens bedeutsamen Feldern eine wichtige Rolle. So saß er unter anderem der Planungs- sowie der Atomkommission vor und hatte das – wenn auch vornehmlich repräsentative – Amt des Präsidenten der Literaturakademie inne. Nehru war zugleich derjenige indische Spitzenpolitiker, der seit Jahren am intensivsten über die internationale Situation sowie die adäquate indische Position nachgedacht hatte. Die Überlegungen basierten auf dem nationalstaatlichen Programm. Dabei konnte sich Nehru, wie er selbst zugab, den in Erziehung und Lebensverlauf gewachsenen langjährigen Bindungen an die britische politische Kultur nie entziehen.171 Diese Prägung mochte im Übrigen nicht nur eine Distanz zum sowjetischen Modell, sondern auch eine vornehme Zurückhaltung gegenüber dem amerikanischen Selbst- und Sendungsbewusstsein mit sich bringen.172 Für Indien schwebte Nehru eine wissenschaftsbasierte, damit vermeintlich auf objektiven Kriterien beruhende und planbare wirtschaftliche und soziale Entwicklung vor. Nur so ließen sich seiner Überzeugung nach Armut sowie soziale Ungleichheiten friedlich überwinden. Das angestrebte Entwicklungsprogramm verband die Kategorien von Moderne und Nation. Nehru definierte den nationalen Fortschritt im Wesentlichen entlang der Kategorien, die ehemalige Kolonialmächte (und ihre Opponenten im Staatenkonzert) entworfen hatten, und auch die Maßstäbe für entwicklungspolitischen Erfolg und Misserfolg entnahm der indische Premier diesen Diskursen. Er sprach diesem ›Europa‹ allerdings jedwede Exklusivität auf den entscheidenden Gebieten ab. Nehru war davon überzeugt, dass sich die indische Nation in allen Bereichen auf Augen169 Vgl. Nehru an Prasad, 22.9. und 6.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 201 f., 458; Nehru an K. P. S. Menon, 13.6.1960, SWJN 2, Vol. 61, S. 431 f.; Kumarasingham, The Indian version, S. 728–751. Rajendra Prasad, u. a. 1946 Präsident Verfassungsgebender Versammlung, 1950–1962 Präsident. 170 Die stellv. Außenminister, von B. V. Keshkar (1948–1952) über Anil Kumar Chanda (1952– 1954) und Syed Mahmud (1954–1957) bis zu Laxmi N. Menon (1957–1962) und Dinesh Singh (1962–1967) spielten in internen Abläufen, soweit aus Akten und Literatur ersichtlich, keine maßgebliche Rolle. 171 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 5.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 328–330, hier S. 338. 172 Vgl. u. a. Thakur, The politics, S. 260 f.; Raghavan, War, S. 8 f.; McMahon, The cold war, S. 41 f., 89; Rotter, Comrades, S. 88–90; McGarr, The cold war, S. 14 f.

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höhe bewegen würde, sobald sie die Möglichkeit zur freien Selbstentfaltung und zum gleichberechtigten Austausch besaß. Auf dieser Grundlage wies Nehrus Blick auf die internationalen Beziehungen im Vergleich zur sowjetischen bzw. stalinistischen Weltsicht eigene Perspektiven und Akzente auf. Dem Gegensatzpaar ›asiatisch-kolonial‹ versus ›europäisch-imperial‹ wurde ein prominenter Platz eingeräumt, ergänzt und erweitert um eine Dichotomie zwischen ›spirituellen‹ und ›materiellen‹ Werten. Dafür entfielen stalinistische Klassenantagonismen. Derlei Gegensätze waren Nehrus Überzeugung nach nicht auszukämpfen, sondern gewaltlos auszubalancieren und aufzulösen. Er setzte darauf, dass das ureigenste Interesse aller Völker im globalen wirtschaftlichen, technologischen und sozialen Fortschritt lag. Der ließ sich in seinen Augen durch die friedliche Kooperation einer grenzübergreifenden internationalen Interessengemeinschaft erreichen. Diese wiederum konnte Nehru zufolge nur auf Basis einer allgemeinen, vollständigen Anerkennung der absoluten Unabhängigkeit, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung aller Nationen und ihrer Staaten funktionieren. Diese Argumentationskette lag beispielsweise Hoffnungen auf eine gedeihliche Zusammenarbeit der Staatengemeinschaft im Rahmen der UN zugrunde. In diesem Gesamtkonzept sah Nehru für Indien eine wichtige Rolle vor. Aus einer Interpretation der indischen Vergangenheit, in der sich kulturell-zivilisatorische Distinktionen erwiesen hätten, sowie aus den Erfolgen der indischen Unabhängigkeitsbewegung schöpfte Nehru die Gewissheit, dass sein Land für nationale sowie international relevante Problemlagen adäquate Lösungsstrategien bereithielt, gerade weil es sich gegen vermeintlich ›europäische‹ machtpolitische und gewaltsame Zugänge abgrenzte. Damit erschien Nehru in der konkreten Situation des Kalten Kriegs ausschließlich eine ungebundene, aktive Außenpolitik für Unabhängigkeit und Frieden geeignet, sich sowohl expansionistischen Tendenzen der Großmächte entgegenzustemmen als auch ihren machtpolitischen Konflikt zu beenden.173 Dieser doppelten Aufgabe stellte sich Nehru in Asien mit besonderem Engagement. Hierbei war für das direkte Verhältnis zur Sowjetunion bedeutsam, dass Nehru eine gewisse Nähe zu zentralasiatischen Völkern der UdSSR zu spüren meinte, nicht aber zu den dort dominierenden Slawen oder zur UdSSR als Staat mit einer ›europäisch‹-imperialen Vergangenheit. Dagegen neigte er mitunter dazu, Entwicklungen im entfernten 173 Vgl. neben Nehrus eigenen Werken u. a. die Gesamtaufnahmen Brown, Nehru; Sinigoj, Indien; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history; Jain, India’s foreign policy; Brecher, Nehru; Khilnani, The idea; Zachariah, Nehru; Zachariah, Developing India; Raghavan, War; Schöttli, Strategy.

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und ihn weniger berührenden Europa vor allem aus dem Blickwinkel globaler Friedenspolitik und weniger als Problem nationaler Selbstbestimmung zu interpretieren.174 Mit Blick auf die indische Position wiesen die Überlegungen in Teilen eine unreflektierte Nähe zu Zivilisierungsideen auf, war doch die Grenze zwischen einer global selbstlos zum Wohle aller wirksamen und einer grundsätzlich herausgehobenen, potentiell hegemonialen Stellung Indiens verschwommen. Zudem wurden im indischen Verhältnis zu den angrenzenden Himalaya-Staaten Traditionen und Instrumentarien einer ›europäisch‹-imperialen Sicherheitspolitik sichtbar. So blieb im Spannungsfeld von sicherheits- und nationalpolitischen sowie ideologischen Intentionen auf der einen und ihrer praktischen Umsetzung auf der anderen Seite die entsprechende Unterscheidung gerade für skeptische Beobachter aus Pakistan und China schwierig, die Diskrepanzen zwischen Fremd- und Selbstbild erwiesen sich als dauerhaft.175 Ungeachtet dessen wollte der aktive Gestaltungswille indischer Politik grundsätzlich die gleichberechtigten nationalstaatlichen Grundeinheiten internationaler Kooperation unangetastet lassen. Nehrus Außenpolitik ging tatsächlich von einer internationalen Gemeinschaft aus, die auf selbständigen, gleichberechtigten und selbstbestimmten National- respektive Multinationenstaaten basierte. Aus seinem Selbstverständnis als Demokrat und als Nationalpädagoge heraus legte Nehru Wert darauf, dass seine hier skizzierten Leitlinien und Grundorientierungen sowie ihre praktische Umsetzung von einer breiten Mehrheit im Lande verstanden und mitgetragen wurden. So ließ es sich der Außenminister immer wieder angelegen sein, die gesamte Bevölkerung, das Parlament und seine

174 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 1.2.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 311– 327; Nehru an Foreign Secretary, 14.8.1952, SWJN 2, Vol. 19, S. 667 f.; Aufzeichnung 3./4. Sitzung Colombo-Konferenz, 29.4.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 426–430, hier S. 429 f.; Nehru an MEA, Secretary General u. a., 18.6.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 476–480, hier S. 478. 175 Vgl. Khan, Cold war co-operation, S. 213–217; Garver, Protracted conflict, S. 121, 140–149, 169–179, 251 f., 300 f.; Singh, From Delhi; Maxwell, India’s China war, S. 96 f.; Hoffmann, India, S. 48–50; Briefwechsel indischer/pakistanischer Premier 1951, in: Appadorai (Hg.), Select documents, S. 216–226. Zur Abgrenzung eines multiethnischen Staats von einem Imperium vgl. Suny, The empire, S. 25 f.; Suny, Ambiguous categories; Beissinger, The persisting ambiguity; Amin, Pakistan’s foreign policy, S. 24–29; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 202–222; Nayar/Paul, India, S. 3, 17 f., 86, 142; Dixit, Across borders, S. 20–24; Wagner, Die »verhinderte« Großmacht, S. 124–162; Singh, Between two fires 1, S. 21–173, 205 f., 216 f.; Yadav/Barwa, Relational control, S. 93–97.

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Untergebenen über die Stellung Indiens in der Welt zu belehren.176 Daneben führte der selbstgewählte Bildungsauftrag dazu, dass sich Nehru kontinuierlich ins diplomatische Alltagsgeschäft einmischte.177 Trotz aller Bemühungen – und ungeachtet der bunten, mitunter schrillen Presseberichterstattung – blieb die breite Masse in internationalen Fragen jedoch nur wenig bewandert und bestenfalls punktuell interessiert. Der Premier wertete die Ignoranz schlicht als schweigende Zustimmung.178 Auch innerhalb der Kongresspartei entwickelten in der ersten Phase indisch-sowjetischer Beziehungen weder Basis noch Mittelbau Ansprüche auf eine aktive Beteiligung. Sie enthielten sich in aller Regel der Kritik an internationalen Positionen und Maßnahmen ihres unverzichtbaren Frontmanns.179 »Die praktische Tätigkeit des INC im Bereich der Außenpolitik«, resümierten sowjetische Beobachter noch 1955 zutreffend, »läuft, wie in der Innenpolitik, im Kern auf die Annahme von Resolutionen hinaus, die den außenpolitischen Kurs der Regierung Nehru gutheißen und aufrufen, die Bevölkerung Indiens zur Unterstützung dieses Kurses zu mobilisieren.«180 Die Haltung der Mehrheitspartei übertrug sich auf das indische Parlament. Die Lok Sabha organisierte auch in ihrem Consultative Committee on Foreign Affairs keine substantielle Kontrolle oder gar Kritik der indischen Außenpolitik.181 Parteien wie die CPI, die (Praja) Socialist Party oder die Bharatiya Jana Sangh, die auf eine alternative

176 Exemplarisch Nehru an Chief Ministers, 15.10.1947, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 1–5; Nehru vor Studenten Lucknow-Universität, 17.2.1951, SWJN 2, Vol. 15,2, S. 224– 226. 177 Vgl. exemplarisch zum Ausschank alkoholischer Getränke auf Empfängen indischer Botschaften Vermerk Nehru, 20.10.1950, NAI, 11 (88) FSP/50. Vgl. Dixit, Indian foreign service, S. 74–77, 84 f. 178 Vgl. Nehru auf 28. Jahressitzung Federation of Indian Chambers of Commerce and Industry, 5.3.1955, SWJN 2, Vol. 28, S. 3–13, hier S. 9; Nehru an Chief Ministers, 15.4.1952, SWJN 2, Vol. 18, S. 591–598, hier S. 592 f.; Roberts an CRO, Garner, 13.11.1950, NAK, DO 35/2591; Rotter, Comrades, S. 25–31; Appadorai, The domestic roots, S. 69–71. 179 Kongress-Resolutionen zur Außenpolitik wurden in der Regel von Nehru entworfen und ohne nennenswerte Änderungen verabschiedet, vgl. Foreign Policy Resolution, 18.1.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 474 f.; Congress Resolution on Foreign Affairs, 16.5.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 505 f.; AICC-Resolution, 24.1.1954, SWJN 2, Vol. 24, S. 452 f. 180 Solodovnik an Chruščev, 4.6.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 98 ff., hier l. 103. 181 Vgl. Nehru in Lok Sabha, 17.9. und 24.12.1953 sowie 18.5.1954, SWJN 2, Vol. 23, S. 389, Vol. 24, S. 570–579, hier S. 570, 573 sowie Vol. 25, S. 411–423, hier S. 416; Appadorai, The domestic roots, S. 69–71.

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Außenpolitik drängten, waren bis Mitte der 1950er-Jahre im Zentralparlament einfach zu schwach, um entsprechenden Einfluss auszuüben.182 Dagegen hatte Nehru im engeren Führungszirkel von Partei und Staat mit Gegenwind zu kämpfen. Über die Geschicke des Landes entschied im Grunde eine überschaubare Kerntruppe, deren Angehörige in den 1940er- und 1950er-Jahren im Wechsel verschiedene Ministerposten und Parteiämter bekleideten. Personelle Verflechtungen über Amtsgrenzen hinaus sowie der kontinuierliche Wechsel von Führungspersönlichkeiten zwischen den Ministerien sicherten oft weniger die Koordination von Sachinteressen als die Kontinuität des individuellen Einflusses. Die Spitzenpolitiker waren mehrheitlich Vertreter der sozialen Eliten, gewandte, selbstbewusste und durchsetzungsstarke Politiker mit einem unterschiedlich ausgeprägten individuellen Sendungsbewusstsein. Amerikanische Diplomaten beschrieben sie mehrheitlich als »gebildete, britisch- und amerikanisch ausgebildete Individuen mit breiten Perspektiven«.183 Washingtoner oder Londoner Hoffnungen auf eine gewachsene hohe Affinität der indischen Vertreter zu amerikanischen und westeuropäischen außen-, gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Vorstellungen waren sichtlich übertrieben. Die gesamte indische Führungsschicht wollte die Weichen für eine unabhängige, sichere und prosperierende Zukunft ihres Staats stellen. Sie differierte jedoch über den Weg dahin sowie, grundsätzlicher, über die genaue Ausgestaltung dieser lichten Zukunft. So wurden die Inhalte des vom Kongress und der Regierung propagierten Endziels »Sozialismus« höchst unterschiedlich definiert. Die Diskrepanzen setzten sich in Diskussionen um die internationale Orientierung und Stellung Indiens im Kalten Krieg hinein fort. Bereits frühe Meinungsunterschiede bezüglich der Härte, die gegenüber indischen Kommunisten gezeigt werden sollte, über mögliche Implikationen dieser Politik für die indisch-sowjetischen Beziehungen, daneben Debatten über die Tibet- und China­politik, über das Schicksal integrationsunwilliger Fürstenstaaten sowie über die Kashmir- und Pakistanpolitik zeigten, wie weit innerhalb der Kongressund Staatsführung die Ansichten in international relevanten Fragen auseinandergingen. Allerdings war kein indischer Führungspolitiker vom existierenden

182 Die Kongresspartei gewann in den Wahlen 1951/52 364 von 489 Sitzen. Die Socialist Party errang 1951/52 mit 10,5 % der Stimmen 12 von 545 Sitzen, die CPI mit 3,3 % 16 Sitze, die Bharatiya Jana Sangh 3 % bzw. 3 Mandate. 183 State Department, SOA, Draft of India Policy Statement, 29.9.1950, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 2, Policy Statements 1951. Vgl. Brittain, Envoy, S. 17 ff., 48 f., 95; Brecher, India, S. 239–243.

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sowjetischen Modell überzeugt oder sprach sich dafür aus, sich dem sowjetischen Lager anzuschließen.184 Um mit dem von 1948 bis 1950 formal ranghöchsten Politiker zu beginnen: C. Rajagopalachari war bekennender Antikommunist und Gegner der UdSSR. Er verstärkte ab 1950 den konservativen Flügel des Kabinetts. Rajagopalachari verließ 1951 die Regierung, weil diese in seinen Augen zu linkslastig agierte; 1957 würde Rajagopalachari die Kongresspartei verlassen und 1959 die rechtskonservative Swatantra Partei gründen.185 Präsident Prasad galt ebenfalls nicht nur sowjetischen Stellen als konservativer Politiker, auch wenn er 1955 als Befürworter einer indischen Annäherung an die UdSSR wahrgenommen wurde.186 Es war jedoch der Innenminister und stellvertretende Premier, Patel, der sich nach 1947 zu Nehrus wichtigstem Gegenspieler entwickelte. Generalgouverneur Mountbatten hielt Patel für »beinahe so nervös wie amerikanische Politiker, was Kommunisten anbelangt«.187 Mit dieser Einstellung und im Bewusstsein eines starken Rückhalts in Partei und Nationalbewegung war Patel der Politiker, der in internationalen Angelegenheiten mehrfach Beratungsbedarf und Mitsprache einforderte.188 Zudem scheute er sich nicht, ausländischen Diplomaten

184 Vgl. aus der Fülle von Belegen u. a. Vermerke MEA, Bajpai, 9.6.1949 und MEA, Banerji, 1.9.1949, NAI, 1 (87)-Eur. II; MEA, P. A. Menon, an Dayal, 14.7.1949, sowie Antwort, 9.8.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II; V. L. Pandit an Nehru, 1.3.1949, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57; Patel an Nehru, 4.6.1949 und 7.11.1950, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 134 f., 335–342; Briefwechsel Nehru-Patel, 6.12.1949, ebd., S. 86–88; Patel an Nehru, 30.6.1949, 28.3. und 3.7.1950, ebd., S. 250 f. sowie Vol. 10, S. 14–22, 356–359; T. T. Krishnamachari an Nehru, 13.10.1952, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru; US-Botschafter Delhi, Henderson, an SoS, 27.1. und 12.4.1951, FRUS 1951, 6, S. 2090 f., S. 2142 f.; Brecher, Nehru, S. 396–400; Gandhi, Rajaji, S. 316 f., 323–325. 185 Vgl. Gespräche Rajagopalacharis während seiner Zeit als Chief Minister in Madras mit einer jugoslawischen Goodwill-Mission Ende 1952, zit. nach »Russia and Communism«, o. D., NAI, EII/53/1391/67; Copley, The political career, S. 11 f., 253 f., 259 f.; Gandhi, Rajaji, S. 339 f.; Srinivasan, Gandhi’s conscience keeper, S. 40–47. 186 Vgl. Vermerk über Regierung, ohne Verf., 7./12.3.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 405, ll. 2–27; Vermerk Solodovnik, 12.11.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, ll. 117 ff., hier ll. 123 f.; Kumarasingham, The Indian version, S. 728–751. 187 Mountbatten an SoS for India and Burma, 1.5.1947, Mountbatten Papers Database, MB1/ D40/17. 188 Vgl. neben Anm. 184 Patel an Nehru, 21.9.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 216 ff.; Briefwechsel Patel und Nehru, 28./29.3.1950, ebd., Band 10, S. 14–23; Gandhi, Patel, S. 448 f., 461 f., 508 f., 518 f.; Panjabi, The indomitable Sardar, S. 167–295; Schöttli, Strategy, S. 171–205, 278–285.

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gegenüber in globalen Fragen eine eigene, durchaus Nehru-kritische Haltung zu vertreten.189 Seinem Innenministerium arbeitete im Übrigen das Intelligence Bureau zu. Dieses war bis Ende der 1960er innerhalb sowie, mit geringen Ressourcen und anscheinend mäßigem Erfolg, außerhalb Indiens aktiv.190 Der indische Nachrichtendienst arbeitete auch nach 1947 eng mit der britischen Spionage, dem MI5, zusammen und kooperierte zumindest in Sachen China mit der CIA.191 Derartige Verbindungen hatten politische Implikationen: Der erste postkoloniale Sicherheitschef, T. G. Sanjevi, reihte sich bereits im Sommer 1949 vor Beamten des State Department demonstrativ in die globale antikommunistische Front ein.192 Sein Nachfolger, Bhola Nath Mullik, Sicherheitschef 1950 bis 1964, galt britischen Vertretern als ihr bester Mann in der indischen Hauptstadt.193 Britische und indische Agenten waren nicht nur durch gemeinsame Zeiten im Empire, sondern auch durch eine geteilte Aversion gegen Krishna Menon, den ersten indischen Hochkommissar in London und Vertrauten Nehrus, verbunden. Das waren Frontstellungen, die wiederum auf Nehrus Verhältnis zu Patel und anderen konservativen Politikern zurückwirkten.194

189 Vgl. Henderson an State Department, 28.7.1950, NARA, RG 59, Central Files, India – C 0057, 691.61, Reel 1; State Department, SOA, Draft of India Policy Statement, 29.9.1950, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 2, Policy Statements 1951. 190 Eine eigene Auslandsaufklärung (Research and Analysis Wing, RAW) wurde 1968 installiert. Bis in die 1950er-Jahre war die Koordinierung der Aufklärungsinteressen verschiedener Behörden – Verteidigung, MEA, Innenministerium – kaum gewährleistet, vgl. Berichte und Stellungnahmen von IB, MEA und Innenministerium über eine VOKS-Ausstellung, Oktober 1948, NAI, 1 (19)-Eur. II; Patel an Nehru, 6.1.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 25 f.; Nehru an Secretary General MEA, 5.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 307; Vaughn, The use and abuse, S. 1 f., 16 f. 191 Vgl. Nehru an B. G. Kher, 9.9.1952, SWJN 2, Vol. 19, S. 632–634; Andrew, Defend the realm, S. 442–446; Zachariah, Nehru, S. 235 f.; McGarr, Quiet Americans; Lintner, Great Game, S. 30–32. Indische Akten des NAI zur Tätigkeit des IB waren nicht zugänglich. 192 Sanjevi nutzte zugleich die Gelegenheit, pakistanische Politiker einschließlich Liaquat als potentielle Schwachpunkte der antikommunistischen Front zu denunzieren, vgl. Aufzeichnung Gespräch Under-Secretary of State, Webb, mit MEA, Pillai, 28.6.1949, NARA, Lot 57D373, Box 1, Memo Book 1949; McGarr, Quiet Americans, S. 6–8. 193 Vgl. Andrew, Defend the realm, S. 445; Vermerk FO für Commonwealth Prime Ministers’ Conference 1955, NAK, PREM 11/919. Mullik war seit 1927 in Polizeidiensten. 194 Vgl. Sanjeevi Pillai an Home Secretary, H. V. R. Iyengar, über Gespräch mit Krishna Menon, 4.1.1949, sowie Briefwechsel Patel mit Nehru, 6.1.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 25 f.; McGarr, A serious menace; Walton, Empire, S. 130–138; Nehru an Home Minister, 1.6.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 636.

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Patels Tod am 15. Dezember 1950 beendete den latenten Machtkampf zwischen Nehru und seinem Stellvertreter.195 Die Auseinandersetzungen um den richtigen Kurs in Innen-, Wirtschafts-, Außen- und Außenwirtschaftspolitik gingen indes weiter.196 Unter Patels Verbündeten respektive Nachfolgern stachen vor allem C. D. Deshmukh, S. K. Patil und T. T. Krishnamachari hervor. Deshmukh wie Krishnamachari profilierten sich insbesondere während der indischen Auseinandersetzungen um die Wirtschaftsplanung und um die Entwicklung des öffentlichen Sektors als Kritiker des sowjetischen Wirtschaftsmodells. Beide hatten bereits Anfang der 1950er-Jahre als Finanzminister bzw. als Verantwortliche für Handel und Industrie eine klare außenpolitische wie außenwirtschaftliche Hinwendung zu Großbritannien und den USA befürwortet, um die finanziellen und wirtschaftlichen Probleme des Landes anzugehen. S. K. Patil bezeichnete der US-Generalkonsul in Bombay als »unseren Mann in diesem Teil des Landes«.197 Auch der stellvertretende Vorsitzende der Planungskommission, V. T. Krishnamachari, gerierte sich als überzeugter Antikommunist.198 Das sowjetische KI rechnete schließlich (1955) noch Verteidigungsminister Katju sowie das prominente muslimische Kabinettsmitglied, Maulana Azad, Minister für Bildung und Wissenschaft, zu Nehrus Kontrahenten. Innenminister Pant und Eisenbahnminister Shastri wurden in Moskau dagegen als bedingungslose Gefolgsleute des Premiers geführt.199 195 In der Partei konnte sich Nehru erst jetzt gegen den von Patel gestützten Das Tandon durchsetzen. Von 1951–1955 hatte Nehru den Vorsitz des INC inne. Er gab das Amt danach an seinen Vertrauten U. N. Dhebar ab. 196 Vgl. US-Botschafter Delhi, Bowles, an State Department, 15.5.1952, FRUS 1952–1954 XI, S. 1639 f.; US-Geschäftsträger Delhi an Department of State, 26.5.1952, ebd., S. 1644 ff. Chester Bowles, u. a. 1951–1953, 1963–1969 US-Botschafter in Indien, 1961 Under-Secretary of State. 197 Nehru an Desai, 13.5.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 366. 198 Vgl. Nehru an Desai, 13.5.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 366; Solodovnik an Chruščev, 4.6. und 9.11.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 98 ff., hier ll. 107–111 sowie d. 345, ll. 68 ff., hier ll. 70–76; Aufzeichnung Aussagen Mitglied Politbüro CPI, R. Sen, 1.5.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 15, ll. 22 ff.; US-Botschafter Delhi, Allen, an State Department, 12.11.1954, FRUS 1952–1954 X, S. 1778 f., hier S. 1778. C. D. Deshmukh, u. a. 1943–1949 Gouverneur Zentralbank, 1950–1957 Finanzminister; S. K. Patil, u. a. 1949–1952 Bürgermeister Bombay, 1964–1967 Eisenbahnminister; T. T. Krishnamachari, u. a. 1952–1956 Minister für Industrie und Handel, Minister für Stahl, 1957–1958, 1962/63 Minister für Wirtschaft und Verteidigungskooperation, 1963–1965 Finanzminister; V. T. Krishnamachari, u. a. 1946–1949 Premier von Jaipur, 1953– 1960 stellv. Vors. Planungskommission. 199 Vgl. Roberts an CRO, Garner, 13.11.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 256; Aufzeichnung Gespräch britisches Hochkommissariat Delhi mit V. T. Krishnamachari, 15.1.1948, in: British Documents on Foreign Affairs IV, Series E, Vol. 7, S. 61–65, hier S. 64; Vermerk Solodovnik, 12.11.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, l. 117 ff., ll. 129; Dixit, Across borders, S. 9 f. K. N. Katju, u. a. 1951–1955 Innenminister, 1955–1957 Verteidigungsminister, 1957–1962 Chief Minister

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Das skizzierte Personaltableau verdeutlicht, dass sich auch in Indien qua Amt verschiedene Fachministerien und -behörden in Außenpolitik und Außenwirtschaft einbrachten. Regierungen von Bundesstaaten und Gebieten wie Kashmir wirkten zwar kaum direkt an außenpolitischen Entscheidungsprozessen und Aktivitäten mit.200 Doch im Zentrum herrschte eine gewisse Vielstimmigkeit. Da das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MEA) in seinen Anfängen unter anderem die Außenwirtschaftspolitik oder die staatliche Außenwerbung vernachlässigte, gewann die Behördenkonkurrenz zusätzliche Dynamik. Neben dem Innenministerium, den miteinander konkurrierenden Ministerien für Industrie und Handel sowie Finanzen oder der Planungskommission meldeten auch das Amt für Rundfunk und Information oder die Bildungsbehörde internationale Zuständigkeiten an. Letzterer unterstand beispielsweise (bis 1960) das Indian Council for Cultural Relations, das für die auswärtige Kulturarbeit zuständig war.201 Insgesamt sollten neben einem Border Defence Committee seit den späten 1940er-Jahren ein Defence Committee und ein Joint Intelligence (Sub-)Committee, ab 1950 ein Foreign Affairs Committee des Kabinetts für Kooperation und Abstimmung sorgen. Das MEA sah sich jedoch weiterhin häufiger mit Alleingängen anderer Minister und Behörden konfrontiert.202

Madhya Pradesh; G. B. Pant, u. a. 1946–1954 Chief Minister United Provinces/Uttar Pradesh, 1955–1961 Innenminister; L. B. Shastri, u. a. 1952–1956 Eisenbahn- und Transportminister, 1957–1961 Minister für Kommunikation und Transport/Handel und Industrie, 1961–1963 Innenminister, 1964–1966 Premier; A. K. (Maulana) Azad, u. a. 1947–1958 Bildungsminister. 200 Vgl. u. a. Kashmir-Beauftragter Colban an Generalsekretär Lie, 24.2.1950, UNA, S-0693: UNCIP, Box 2, File 13; Nehru an Chief Ministers, 4.10.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 210–218. 201 Vgl. Rana, Asian diplomacy, S. 64 f.; Dixit, Across borders, S. 301–305; Rana, Inside diplomacy, S. 98 f., 149 f., 271 f., 376 f.; Banerji, India, S. 26 f.; Pullin, Money, S. 377–381; Nehru an Chief Ministers, 1.3.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 37–50; Nehru an MEA, Secretary General, 11.11.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 487–489; Nehru an Finanzministerium und Cabinet Secretary, 15.5.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 244 f. Erst im Laufe der 1950er-Jahre zog die External Publicity Division des MEA den 1950 gegründeten Indian Information Service an sich. 202 Dem Foreign Affairs Committee gehörten bei seiner Gründung Mitte 1950 Nehru, Patel, Rajagopalachari und Gopalaswami Ayyangar an. Arora, V. K. Krishna Menon, S. 201, nennt daneben ein Economics Committee. Zu außenpolitischen Alleingängen vgl. Nehru an Minister, 20.3.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 624 f.; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, mit Schreiben Nehru an Eden, 23.5.1954, NAK, FO 371/112067. Gopalaswami N. Ayyangar, u. a. 1947/48 Minister ohne Portfolio, Vertreter in SC.

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Geschlossener zeigte sich die Regierung, wenn es darum ging, gegenüber dem Militär den Primat der Politik zu behaupten.203 Ein einheitliches internationales Auftreten wurde auch dadurch erschwert, dass Nehru bereits in den späten 1940er-Jahren dazu tendierte, Beratungen in kleinere informelle Gruppen auszulagern. Auf diese Weise wurden innerparteiliche Oppositionelle weniger überzeugt oder eingebunden als umgangen.204 Unter Nehrus persönlichen Vertrauten, die für diesen Zugang eine Rolle spielten, stach Krishna Menon hervor. Menon war in dieser ersten Periode überhaupt nicht in der indischen (politischen) Landschaft verankert; er hatte seit den 1920er-Jahren in Großbritannien für die indische Unabhängigkeit gearbeitet. Ein Mann von profunden linken Überzeugungen und ein hoch emotionaler Antiimperialist, agierte Krishna Menon nach 1947 zunächst als indischer Hochkommissar in London und als Leiter verschiedener indischer UN-Delegationen. Sein Biograf schreibt ihm zudem Mitspracherechte bei der Besetzung von Posten im MEA zu.205 Menon sah sich eher als Nehrus gleichberechtigten Vertrauten denn als seinen Gesandten.206 Nehru selbst hielt große Stücke auf Menons analytische Fähigkeiten und auf dessen persönliche Diplomatie.207 Der Premier bemühte sich jedoch ganz bewusst, den vor allem in den USA und in Großbritannien verbreiteten Eindruck zu zerstreuen, dass Menon sein enger Partner wäre.208 Tatsächlich machten Menons übersteigertes und zugleich über203 Vgl. Cohen, The Indian army, S. 171–176; Franke, War, S. 67 f.; Minutes State-Joint Chiefs of Staff Meeting, 28.11.1952, FRUS 1952–1954, Vol. IX, Dokument Nr. 109; Cariappa, Field Marshal, S. 80, 89 f., 102 f., 132 f.; McGarr, India’s Rasputin, S. 254; Raghavan, Soldiers, S. 120–122; Singh, Leadership, S. 40 f. 204 1949 etwa beriet Nehru die Besetzung des Botschafterpostens in Moskau mit Rajagopalachari, Patel sowie Bajpai und K. P. S. Menon, vgl. Nehru an V. L. Pandit, 19.2.1949, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54. Vgl. US-Geschäftsträger Delhi an State Department, 26.5.1952, FRUS 1952–1954. XI, S. 1644–1646; Roberts an CRO, Garner, 13.11.1950, NAK, DO 35/2591; Dixit, Across borders, S. 322–326; Interview K. P. S. Menon 8.11.1976, NMML, Transcripts of Oral History, Nr. 363; Dutt, With Nehru, S. 291–294; Raghavan, War, S. 24 f. 205 Vgl. Nehru an Menon, 5.5.1946, NMML, J. N. Papers (M. O. Mathai), Nr. 2 A; Patel an Nehru, 6.1.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 25 f.; Arora, Krishna Menon, S. 24–98, 178 ff.; Varkey, V. K. Krishna Menon, S. 1–63; Chakravarty, V. K. Krishna Menon; McGarr, India’s Rasputin, S. 240 f., 245–247, 252, 255. 206 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 23.1.1951, SWJN 2, Vol. 15,2, S. 585; Nehru an V. L. Pandit, 23.1.1955, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru. 207 Vgl. beispielhaft Rede Nehru vor Congress Parliamentary Party, 3.5.1955, SWJN 2,28, S. 144– 156, hier S. 152–154; Nehru an Krishna Menon, 26.11.1958, ebd., S. 787 f.; Sinigoj, Indien, S. 154–156. 208 Vgl. britische Botschaft Washington, Tomlinson, an FO, China and Korea Department, ­Addis, 10.2.1953, NAK, FO 371/105483.

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empfindliches Selbstbewusstsein, seine angegriffene Gesundheit und das labile Nervenkostüm ihn zu einem schwierigen Kollegen und mitunter zu einer außenpolitischen Belastung.209 In London und Washington war er ohnehin äußerst unbeliebt. Dort wurde er unter der Hand als »Hindu Vyshinski« oder »Hindu Dulles« bezeichnet – »alienating people as he goes.«210 Gesprächspartner aus der Dritten Welt zeigten sich von Menons »gönnerhaftem Gehabe« ebenso wenig angetan.211 Insgesamt war Menon nicht der Strippenzieher indischer Außenpolitik, zumal einflussreiche Beamte und Minister immer wieder gegen den Gesandten arbeiteten.212 Ungeachtet dessen hätte Nehru ihn 1952 gerne als neuen Botschafter in Moskau gesehen. Menon lehnte das Angebot ab, angeblich aus Gründen »reiner Unangemessenheit«. Über die letzten Motive schweigen sich Quellen und Literatur aus.213 Sowjetischen Informationen zufolge plante Nehru dann Ende 1954, Menon zum Außenminister ernennen, scheiterte aber am Widerstand konservativer Kabinettsmitglieder.214 Nehrus Privatsekretär M. O. Mathai wiederum wollte wohl erst gar nicht gezielten Einfluss auf außenpolitische Entscheidungen und Diskussionen in Delhi nehmen. Mathai, der Nehrus volles Vertrauen genoß, kanalisierte über seine Position jedoch den Zugang von Personen und Informationen zum Premier. Es spricht vieles dafür, dass er bis zu seinem Sturz 1959 auf Gehaltslisten indischer Geschäftsleute und des CIA stand, die er mit umfangreichen Infor-

209 Vgl. Briefwechsel Nehru mit Kabinettskollegen und Menon Juli bis Oktober 1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 745–755; McGarr, India’s Rasputin, S. 245; Dayal, A life, S. 196; Nehru, Nice guys, S. 372–375. 210 Das Zitat aus späterer Zeit nach US-Botschafter Delhi, Galbraith, an Kennedy, 6.8.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 164. Vgl. Aufzeichnung Gespräch Molotov mit Nehru, 8.6.1955, AVP, f. 6, op. 14a, papka 45, d. 198, l. 40 ff.; Nehru an V. L. Pandit, 4.11.1953, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1951–1963; V. L. Pandit an Nehru, 22.1.1954, ebd., 47; Aufzeichnung Gespräch US-Außenminister Dulles mit indischem Botschafter Washington, G. L. Mehta, 15.6.1954, FRUS, Supplement Eisenhower: Secretary of State’s Memoranda of Conversation, Nr. 508; State Department, DePalma, an Merritt, 16.11.1955, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 6, Memo File 1955; McGarr, India’s Rasputin, S. 241, 253; Arora, V. K. Krishna Menon, S. 123. Vgl. noch nach Menons Rücktritt britischer Hochkommissar Delhi, Gore-Booth, an CRO, Garner, 24.7.1963, NAK, DO 196/209: »Mr. Krishna Menon is I regret to say in excellent health and spirits«. 211 Vgl. Arora, V. K. Krishna Menon, S. 117; Boquérat, India’s commitment, S. 221. 212 Vgl. McGarr, India’s Rasputin, S. 256; exemplarisch Dayal, A life, S. 196–203. 213 Nehru an Krishna Menon, 25.3. und 3.4.1952, SWJN 2, Vol. 17, S. 646 f. mit Anm. 5, Vol. 18, S. 217–219. 214 Vgl. Solodovnik an Chruščev, 9.11.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, l. 68 ff., hier l. 74 f.

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mationen über Interna der indischen Innen- und Außenpolitik versorgte.215 Nehrus Tochter Indira Gandhi schließlich konnte während der Amtszeit ihres Vaters zunehmend außen-, partei- und innenpolitische Erfahrung sammeln. Sie wurde aber offenkundig nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen. Hinter den Kulissen mochte sie über Allianzen und Spitzen zum Beispiel gegen ihre ungeliebte Tante V. L. Pandit für die Außenpolitik relevante personelle Konstellationen in Delhi in Bewegung halten, aber kaum entscheidend beeinflussen.216 In der Bilanz nahm Nehru für Konzeption und Durchführung der indischen internationalen Beziehungen eine herausragende Stellung ein. Gegen Nehru konnten in der indischen Politik der 1940er- und 1950er-Jahre keine international relevanten Entscheidungen getroffen werden. Er blieb im demokratischen System jedoch für Diskussionen und Einflüsse erreichbar und musste seine Politik an die Zustimmung von Kabinett, Parlament und Öffentlichkeit binden. Darüber hinaus war Nehru in der Vorbereitung und Durchführung seiner Politik auf Funktionstüchtigkeit und Unterstützung des Regierungsapparats angewiesen. Dieser entwickelte sich unter den schwierigen Bedingungen der Teilung und knapper Kassen auf der Basis überkommener Ämter. Neue Ziele und Formen indischer internationaler Beziehungen mussten hier erst noch aufgenommen und eingeübt werden. Das postkoloniale Indien nutzte für seine Administration ganz allgemein Strukturen des Empire. Daneben griff es auf ehemalige Zentralkader sowie, in geringerem Maße, auf Verwaltungseliten der ehemaligen Fürstenstaaten zurück. Auch der Kernbestand des neuen auswärtigen Dienstes (IFS) rekrutierte sich aus britischen und indischen Administratoren der Kolonialjahre. Selbst von den unteren Chargen kamen rund 80 Prozent aus dem Kolonialapparat.217 Die Spitzen des MEA wählte Nehru in Absprache mit wenigen Führungskräften höchstpersönlich aus. Hierbei achtete er weniger auf antikoloniale Meriten oder 215 Vgl. Zachariah, Nehru, S. 235; Frank, Indira, S. 205–207, 242 f.; Malhotra, Indira Gandhi, S. 91–93; Brecher, Nehru, S. 613 f.; Reid, Envoy, S. 198 f.; Gopal, Nehru 3, S. 122 f.; Mathai, Reminiscences. 216 Vgl. Gandhi (Hg.), Two alone; Nehru, Brecher, S. 613 f.; Reid, Envoy, S. 198 f. V. L. Pandit selbst verlor nach Anfang der 1950er-Jahre deutlich an Einfluss. Indira Gandhi, u. a. 1959 Präsidentin INC, 1964–1966 Ministerin für Information und Rundfunk. 217 Vgl. Nehru an Wohnungs- und Bauminister Swaran Singh, 15.6.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 254– 256, hier S. 254; Rana, Asian diplomacy, S. 47–53; Dixit, Indian foreign service, S. 22 ff., 104; Potter, India’s political administrators; Burra, The ICS; Chakrabarty, Jawaharlal Nehru; Chandra/Mukherjee/Mukherjee, India, S. 80–82, 189–218. Der Auswärtige Dienst war hier kein Sonderfall, auch in der Armee beispielsweise ging der Übergang zu einer indisch-postkolonialen Führung nur langsam vonstatten.

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nationalistischen Eifer als auf Effizienz in der Verwaltungsarbeit und Erfahrungen im internationalen Geschäft.218 So wurde 1947 der Karrierebeamte Sir Girja Shankar Bajpai erster Generalsekretär und damit zweitwichtigster Mann im Außenministerium.219 Bajpai hatte seit 1940 dem Exekutivrat des Vizekönigs angehört und Britisch-Indien sechs Jahre lang in Washington vertreten. Nach einem Intermezzo des Briten Hugh Weightman nahm K. P. S. Menon, seit den 1930er-Jahren im Dienst der Krone, Ende 1947 als Foreign Secretary den nächsthöheren Posten ein. Bajpai und Menon gehörten zu der winzig kleinen Minderheit von hohen indischen Beamten, die unter britischer Herrschaft umfassende Erfahrungen im Ausland – in den USA und in China – hatten sammeln können.220 Die nächste Stufe innerhalb des MEA wurde ebenfalls von Eliten des ehemaligen Indian Civil Service (ICS) besetzt: Commonwealth Secretary Subimal Dutt, die Joint Secretaries Chetakar S. Jha und B. N. Chakravarty, sie alle konnten früher begonnene Karrieren im neuen Ministerium mit Elan fortsetzen.221 Sir Bajpai gab seine Stellung im Außenministerium 1952 auf. Zu seinem Nachfolger bestimmte Nehru N. Raghavan Pillai, seit 1922 im ICS und, in den Augen britischer Diplomaten, nach Mullik Londons zweitbester Mann in Delhi.222 Foreign Secretary K. P. S. Menon wechselte 1952 auf den Botschafterposten in Moskau. Ihm folgte zunächst ein Cousin Nehrus, Ratan Kumar Nehru. 1955 ging R. K. Nehru als Botschafter nach Peking, und Subimal Dutt 218 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 12.10.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 583–585; Dixit, Indian foreign service, S. 40 f.; Jha, From Bandung, S. 317–320. Die entsprechenden Personalentscheidungen trafen anfangs Nehru, Mountbatten, Patel und Maulana Azad. 219 Zur Struktur des MEA vgl. Gundevia, Outside, S. 23 f.; Rana, Asian diplomacy, S. 53 f.; Organigramm in Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin (PA AA), MfAA, A 9988, Bl. 242. Unterhalb des Secretary General, des Foreign Secretary und des Commonwealth Secretary waren die Südabteilung (für Mittelost und Südostasien), Amerika-Abteilung (Nord- und Südamerika), die Ostabteilung (gem. DDR-Aufstellung mit China, Nepal, Sikkim, Bhutan und Grenzgebieten), die Afrikaabteilung (einschließlich der Kolonien), eine Westabteilung und die Verwaltungsabteilung angesiedelt, dazu kamen eine Pakistanabteilung, Protokoll- und Öffentlichkeitsabteilung. 220 Vgl. Dixit, Indian foreign service, S. 24 f., 44, 72; Vermerk über Gespräch Warner mit Foreign Secretary Weightman, 12.8.1946, BLIOR, L/PS/12/4038. Für die späteren Foreign Secretaries – N. R. Pillai, R. K. Nehru, Subimal Dutt, M. J. Desai, C. S. Jha, Rajeshwar Dayal und T. N. Kaul – traf dies nicht mehr zu. 221 Vgl. weiterhin Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Senior Officers des MEA, 26.10.1952, NMML, M. O. Mathai Papers, 2 A, 30. Neben dem damaligen Foreign Secretary hatten B. F. H. B. Tyabji als Commonwealth Secretary sowie S. N. Haksar und H. Dayal als Joint Secretary allesamt dem ICS anghört; nur Joint Secretary I. S. Chopra und der Leiter der Historischen Abteilung, K. Zachariah, entstammten nicht dem ICS. 222 Vgl. Andrew, Defend the realm, S. 445; Vermerk FO für Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 1955, NAK, PREM 11/919.

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stieg zum neuen Foreign Secretary auf. R. K. Nehru wie Dutt hatten sich seit den 1920er-Jahren im ICS bewährt. Angesichts der geringen Zahl von jährlichen Neueinstellungen nach 1947 und einem verkrusteten Aus-, Fortbildungs- und Beförderungswesen blieb die Gruppe aus dem ICS mit ihrem hergebrachten Arbeitsstil dominant. Das MEA präsentierte sich bis in die 1960er-Jahre hinein als elitäres, von Zeit zu Zeit snobistisches Raumschiff, das sich im Regierungsgefüge auch dank des direkten Zugangs seiner höheren Beamten zu Nehru relativ selbständig – anders ausgedrückt: isoliert – bewegte.223 Zugleich erwies sich das MEA als Brutstätte für verdeckte Konkurrenzkämpfe und Günstlingswirtschaft, so dass die interne Zusammenarbeit unter mangelhafter Kooperationsbereitschaft und gegenseitigem Misstrauen litt.224 Nach außen machte sich sowohl bei vielen ehemaligen Angehörigen des ICS als auch bei neuen Kadern aus der Nationalbewegung die mangelnde internationale Erfahrung in ganz alltäglichen Dingen bemerkbar. Im April 1951 sah sich das indische Außenministerium gar genötigt, unter den eigenen Diplomaten ein Handbuch mit Benimmregeln zu verteilen. Hier wurde nicht nur an die Vorteile regelmäßiger Zahnpflege erinnert, sondern auch daran, dass man im Ausland die Gesetze der Gastgeber zu beachten habe und es in Verhandlungen vermeiden sollte, das Gegenüber niederzuschreien.225 Gravierender war es, dass sich verschiedene ehemalige Angehörige des ICS schwer damit taten, ihre »koloniale Mentalität« abzulegen.226 Zwar musste aus einer kolonialen Karriere keineswegs zwangsläufig auf kontinuierliche, offen oder verdeckt ausgeübte Opposition der Beamten gegen die neuen Herren 223 Vgl. Dixit, Indian foreign service, S. 54–61, 83 f., 86–91, 95–97; Rana, Inside diplomacy, S. 34 f., 44–46, 252 f., 271–274; Kaul, Diplomacy, S. 85; Singh, My China, S. XI f.; Tyabji, More memoirs, S. 102–104; Gonsalves/Rana, Oral history record, S. 7–10, 28–31; Jha, From Bandung, S. 317 f. Bis 1949 wählte eine Kommission des MEA Kandidaten aus den bestehenden Apparaten für Übernahmen aus, erst danach gab es offene Bewerbungsverfahren. Dixit, Indian Foreign Service, S. 40 f., nennt für die Jahre bis 1955/56 in den höheren Ebenen 6–8 Neueinstellungen jährlich, danach 10–12, ab Mitte der 1960er-Jahre 15–20. 224 Vgl. K. P. S. Menon an Nehru, 23.9.1947, und Antwort 12.10.1947, NMML, M. O. Mathai Papers, 2 A: Correspondence with K. P. S. Menon, sowie SWJN 2, Vol. 4, S. 583–585; V. L. Pandit an Nehru, 4., 20.11. und 26.11.1946 sowie 1.3.1951, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 47 sowie 1, 55; Rana, Inside diplomacy, S. 35 f. 225 Vgl. Bajpai an V.  L.  Pandit, 11.5. und 12.6.1951, NMML, V.  L.  Pandit Papers  1, 55–56; K. P. S. Menon an V. L. Pandit, 4.8.1948, ebd., 2, 9; Vermerk Nehru, 20.10.1950, NAI, 11 (88) FSP/50. 226 Nehru in Lok Sabha, 24.3.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 384–395, hier S. 393. Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 4., 20.11. und 26.11.1946, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 47; Singh, Between two fires 1, S. 235 f.

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geschlossen werden. Viele indische Offizielle hatten vielmehr ihre Loyalitäten spätestens seit Anfang der 1940er-Jahre sukzessive an die Zukunft angepasst, und in Einzelfällen hatte der enge Kontakt zu britischen Kreisen dazu geführt, indische Beamte mit »progressivem« Gedankengut zu infizieren.227 Dennoch war das Gesamtproblem gegeben, inwieweit alte Kader in der Lage und willens waren, radikal neu formulierte politische Ansätze und diplomatische Zugänge auch aktiv umzusetzen. Nicht ohne Grund warnte V. L. Pandit 1951 ihren Bruder: »The people directly under you are not bound by your principles and policies and are nearly all trying to arrange things to suit themselves and their favourites while they are still in power. You would not even know of the string pulling in which high officers are engaged until a fait accompli is presented to you in convincing terms.«228 Der spätere Deputy Secretary im MEA, Prem Krishen, war V. L. Pandit bereits an der Moskauer Botschaft aufgefallen, da er »die schlimmste Form eines ICS-Komplexes« aufwies.229 Unter den Altfunktionären fehlte es mangels Vorlauf im British Empire ohnehin an Experten für die Gebiete der UdSSR. Dafür gehörten britische Überlegungen des Great Game zu ihrem Erbgut. Schließlich konnten sich britische Diplomaten nach 1947 sehr enger Beziehungen zu führenden Vertretern des MEA rühmen.230 Insgesamt lässt sich für das Gros der Spitzenbeamten sicherlich bis in die frühen 1950er-Jahre hinein zumindest eine sehr kritische Einstellung bezüglich der weitgehend unbekannten, aber traditionell als aggressiv-expansiv eingeschätzten UdSSR annehmen.231 Ob eine antisowjetische Grundeinstellung dafür verantwortlich war, dass MEA-Buchhalter ohne Wissen Nehrus und Bajpais der neuen Botschaft in Mos-

227 Vgl. Krishnan, Testament, S. 39 f.; Jha, From Bandung, S. 4–7, 40 f.; Nehru, Nice guys, S. 148 f.; Potter, India’s political administrators, S. 126–131; Burra, The ICS, S. 105–128. 228 V. L. Pandit an Nehru, 1.3.1951, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 55. Vgl. Kaul, A diplomat’s diary, S. 49 f., 55 f. 229 V. L. Pandit an Bajpai, 9.10.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 55. 230 Vgl. Nehru an Secretary General, Foreign Secretary, Minister of Home Affairs und Cabinet Secretary, 20.4.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 260–262; Nehru an Chief Ministers, 6.11.1953, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 3, S. 412–431, hier S. 429 f.; Dutt, With Nehru, S. 41; Brobst, The future of the Great Game, S. 25–33; McGarr, The cold war, S. 29, 35; Ankit, Mountbatten. 231 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 26.11.1946, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 47; Interview mit K. P. S. Menon, 8.11.1976, NMML, Transcripts of Oral History, Nr. 363; Dixit, Across borders, S. 334 f.; Raghavan, War, S. 21 f., 233 f.; Gundevia, Outside, S. 80 f.; Singh, Between two fires 2, S. 249 f.

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kau 1947 Gelder vorenthielten, lässt sich nicht klären.232 Hohe Mitarbeiter des Außenministeriums hielten aber beispielsweise ganz bewusst Großbritannien zu Beginn des Koreakriegs über indische Initiativen gegenüber der UdSSR auf dem Laufenden und berieten vorrangig mit britischen Kollegen über die Krise.233 K. P. S. Menon hegte noch 1954 den Verdacht, dass der britische Hochkommissar, der immer ausgezeichnet über Vorgänge im Ministerium informiert schien, »seine Agenten« im Haus hatte.234 Bajpai plauderte mit amerikanischen Vertretern ebenfalls über Vertrauliches aus Außenpolitik und Kabinett.235 Auf der anderen Seite konnten sich Antikommunisten im MEA, die sich als Realpolitiker verstanden, sowjetische Unterstützung in der Wirtschafts- oder Kashmir­ politik oder zur Ausbalancierung von Ausdehnungsgelüsten der USA vorstellen.236 Der Wunsch, die indische Unabhängigkeit zu stärken und dem Land einen bedeutenden internationalen Rang zu verschaffen, war ein gemeinsamer Nenner der internationalen Linien von ehemaligen Unabhängigkeitskämpfern und früheren britisch-indischen Beamten. Letztlich verfügte die Regierung ungeachtet existierender Meinungsverschiedenheiten und potentieller Irritationen kaum über personelle Alternativen zu den Altkadern. Zudem zweifelte Nehru – ob berechtigt oder nicht – nie grundsätzlich an der Ergebenheit seines außenpolitischen Stabs. So trug denn auch ein K. P. S. Menon seit 1952 als Botschafter in Moskau die behutsame indisch-sowjetische Annäherung mit. Ob er angesichts seines Misstrauens gegen Stalins Politik Motor dieser frühen Entwicklungen sein konnte, ist aber unwahrscheinlich. Karrieren wie die von K. P. S. Menon oder des oben erwähnten Prem Krishen weisen darauf hin, dass nicht nur Beamte der Zentrale, sondern auch eine große Schar indischer Diplomaten nach 1947 aus den Reihen des ICS stammten.237 232 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 22.8.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1946–1950. 233 Vgl. FO an britische Botschaft Moskau, 14.7.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 23; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 3. und 4.10.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 213 f.; Singh, Between two fires 2, S. 125 f. 234 Vgl. K. P. S. Menon an MEA, Gundevia, 1.2.1954, NMML, Gundevia Papers, 324. 235 Vgl. Henderson an SoS, 8.4.1950, FRUS 1950 V, S. 1406–1408; US-Geschäftsträger an State Department, 26.5.1952, FRUS 1952–1954 XI, S. 1644–1646. 236 Vgl. Dayal, A life, S. 126 f., 150 f.; Dutt, With Nehru, 107, S. 212 f.; Kaul, Diplomacy, S. 23–26. 237 Vgl. an Karrieren u. a. B. N. Rau, u. a. ab 1910 im ICS, ab 1944 Premier von Jammu und Kashmir, 1949–1952 UN-Vertreter. Seine Nachfolger Arthur Lall und L. K. Jha hatten ihre Karrieren ebenfalls im ICS begonnen. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen: Binay Ranjan Sen, u. a. seit 1922 im ICS, 1951–1952 Botschafter in den USA; Sir Arcot Ramasamy Mudaliar, ICS, u. a. seit 1939 Mitglied des Imperial Legislative Council, ab 1942 Mitglied im War Cabinett, 1947 Dewan von Mysore, indischer Delegierter in der ECOSOC.

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Angesichts der Spannungen zwischen kolonialer Mentalität und post-kolonialen Leitlinien berief Nehru in diesem Bereich jedoch zum Teil Persönlichkeiten zu Botschaftern, die in den Jahren des Unabhängigkeitskampfes sein persönliches Vertrauen erworben hatten. Von ihnen versprach sich der Regierungschef, dass sie aus eigener Überzeugung heraus und intuitiv vor Ort die neue Qualität indischer internationaler Beziehungen lebten. Das schien auch deshalb wünschenswert, weil der junge diplomatische Dienst im Ausland gerade in der Anfangszeit ohne klare programmatische Positionsbestimmung der Zentrale auskommen musste. In der gesamten Periode wurden die Akteure vor Ort oftmals nur recht lückenhaft informiert und instruiert.238 Ab 1947 betrafen entsprechende Überlegungen Nehrus ob des internationalen Stellenwerts vor allem die Botschaften in Washington, London und Moskau.239 Die erste indische Botschafterin in Moskau, Vijaya Lakshmi Nehru Pandit, verband Meriten aus der antikolonialen Bewegung mit diplomatischen Fähigkeiten und internationaler Erfahrung. Sie hatte zudem den Vorteil, als Nehrus vertraute Schwester gut über dessen internationale Vorstellungen informiert zu sein. In ihrer Korrespondenz mit Nehru zeigte sich V. L. Pandit dem sowjetischen Modell gegenüber durchaus offen. Ob sie in derlei Schreiben ihre letzten Gedanken offenlegte, sei dahingestellt: Sowjetische und britische Beobachter waren früh überzeugt, dass V. L. Pandit die UdSSR recht kritisch sah, und spätestens 1948 war sie von ihren begrenzten Möglichkeiten in Moskau explizit enttäuscht. Sie hinterließ in den sowjetisch-indischen Beziehungen keine bleibenden Spuren. Eine eindeutig prosowjetische Haltung, die allein zu einem diplomatischen Erfolg in Moskau geführte hätte, entsprach weder der indischen Außenpolitik noch V. L. Pandits Verständnis.240 Nach einigem Hin und Her entschied sich Nehru 1949 dafür, Sarvepalli Radhakrishnan zu ihrem Nachfolger zu ernennen.241 Nicht nur in britischer 238 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 5.12.1946, NMML, M. O. Mathai Papers, 2 A: Correspondence with K. P. S. Menon; V. L. Pandit an Nehru, 15.10.1952, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 47; Vermerk Nehru, 5.3.1953, NAI, 2 (5) R & I/54; Kaul, Diplomacy, S. 85; Dutt, With Nehru, S. 27; Jha, From Bandung, S. 40 f. 239 Vgl. Nehru an C. D. Deshmukh, 19.7.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 745. 240 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 11.2. und 3.3.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57; V. L. Pandit an Nehru, 12.1.1948, ebd., 1, 472, 53; Vermerk VOKS (?), o. D., GARF, f. 5283, op. 19, d. 143, l. 177 ff.; Suslov an Molotov, 6.3.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, l. 30 ff.; Gouverneur United Provinces, Wylie, an Mountbatten, 8.7.1947, BLIOR, L/PS/12/4639A; Vermerk britisches Hochkommissariat Delhi, 30.12.1947, ebd. 241 Zu alternativen Kandidaten vgl. Nehru an V. L. Pandit, 19.2. und 15.3.1949, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54 sowie SWJN 2, Vol. 10, S. 491 f.; Gopal, Radhakrishnan, S. 214 f.

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Einschätzung stimmten Radhakrishnans Ideen bezüglich der internationalen Stellung und Aufgabe Indiens nahezu exakt mit Nehrus Auffassungen überein, ungeachtet Radhakrishnas konservativer Grundfärbung.242 Nehru selbst hielt den distinguierten Philosophen aufgrund seines wissenschaftlichen Profils für besonders geeignet, die indische Politik in Moskau zu vertreten: »A person like you, well-known internationally in non-political activities and with broad nationalist and humanist views would be welcomed in the Soviet Union and would start off with an initial advantage, which most others would not.«243 Das, so Nehru, »interessante Experiment« mit dem, dies die britische Sicht, »Träumer« dauerte bis 1952.244 Da sich Krishna Menon der Berufung auf den ebenso »schwierigen wie wichtigen Posten« verweigerte, blieb Nehru fast nichts anderes übrig, als mit K. P. S. Menon auf einen der wenigen auslandserfahrenen Beamten des MEA zurückzugreifen.245 Der Rückgriff auf den vergleichsweise disziplingewohnten und administrativ erfahrenen Beamten mochte einen Grund darin haben, dass die Diplomaten aus der Kategorie persönlicher Vertrauter bisweilen zu weiten Auslegungen ihrer Spielräume tendierten. Bereits Nehrus Sondergesandter Krishna Menon hatte sich in seinen Gesprächen mit Molotov 1946, wie gesehen, über die Beschlusslage der Interimsregierung hinausgewagt.246 In den folgenden Jahren neigten weitere Akteure mit starken Überzeugungen und gesundem Selbstwertgefühl gleichfalls dazu, ihre Botschaftertätigkeit für eigene Initiativen zu nutzen und bilaterale Beziehungen selbständig zu gestalten. So war Nehru beispielsweise Ende Dezember 1953 schlicht entsetzt, als er von Vorschlägen des indischen Botschafters in Belgrad zur ausländischen Militärhilfe an Indien erfuhr.247 In 242 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 29.7.1949, BLIOR, L/PS/12/4639B; McGarr, The cold war, S. 261–265. 243 Nehru an Radhakrishnan, 7.5.1949, NAI, 1 (73) Eur. II. (Secret), abgedr. in Iyengar (Hg.), Nehru, S. 535–537. Zur akademischen Karriere vgl. Gopal, Radhakrishnan, S. 14–138, 199–212; Maligora, Philosophie. 244 Nehru an V. L. Pandit, 24.8.1949, NMML, Private Papers V. L. Pandit 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1946–1950 sowie Vermerk FO zu Memorandum Radhakrishnan, Juli 1951, NAK, FO 371/94849. 245 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 25.3. und 3.4.1952, SWJN 2, Vol. 17, S. 646 f. mit Anm. 5, sowie Vol. 18, S. 217–219. Die UdSSR erteilte am 3.7.1952 ihr Agrément für den neuen Botschafter, Menon überreichte am 18.10.1952 sein Beglaubigungsschreiben. 246 Vgl. Anm. 119–120. 247 Vgl. Nehru an Foreign Secretary, 18.12.1953, SWJN 2, Vol. 24, S. 443. Bezüglich Chinas vgl. Panikkar an M. O. Mathai, 19.11.1949, NAI, 730–CJK/49. Kavalam Madhava Panikkar, u. a. 1944–1947 Chief Minister Bikaner, indischer Botschafter in China (1948–1952), Ägypten (1952– 1953) und Frankreich (1956–1959).

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Moskau spekulierte Radhakrishnan im Januar 1950 in Gesprächen mit den sowjetischen Spitzen über einen Freundschaftsvertrag mit der UdSSR und musste vom indischen Außenministerium zurückgepfiffen werden. Noch im selben Jahr entwickelte Radhakrishnan eigene Ideen für die Beendigung des Koreakriegs. Erneut stießen sie bei Generalsekretär Bajpai auf wenig Gegenliebe. 1951 schließlich forderte der Botschafter offenbar ebenfalls aus eigener Initiative mehr sowjetisches Engagement in der Kashmirfrage.248 Derweil mischte sich aus London Hochkommissar Krishna Menon ungebeten in indisch-sowjetische Verhandlungen über Lebensmittellieferungen ein, zum Schaden der indischen Seite. Das sowjetische MID äußerte prompt sein Befremden darüber, »dass Indien immer noch so abhängig von Britannien ist, das solche Transaktionen immer noch in London und nicht direkt zwischen den beiden Ländern arrangiert werden müssen«.249 Unterhalb der Botschafterebene blieb es zumindest an der indischen Botschaft Moskau durchgängig bei der Dominanz von ehemaligen Angehörigen des ICS – bezeichnenderweise konnten diese Diplomaten sowjetischen Funktionären, die Hindi lernen wollten, keinerlei sprachliche Hilfestellung geben.250 Zu den im ICS sozialisierten Jungdiplomaten zählten die karrierebewussten Gundevia, T. N. Kaul und R. Dayal. Sie sollten ab Mitte der 1950er im MEA Karriere machen.251 Dabei gab sich etwa Kaul als romantischer Bewunderer des Sozialismus, während Gundevia 1951 der US-Botschaft als schützenswerte Informationsquelle für geheime indisch-sowjetische Wirtschaftsverhandlungen galt.252 Andere indische Diplomaten aus der zweiten Reihe erwiesen sich während der frühen Gehversuche aus Delhis Sicht als klare Fehlbesetzungen. Der erste Kulturattaché, Dr. Hiranmay Ghoshal, ein Akademiker linker Färbung, trug sich quasi schon bei seiner Ankunft im August 1947 mit Rücktrittsgedan248 Vgl. Gopal, Radhakrishnan, S. 224–245; Gupta, Stalin’s policy, S. 159 f.; Memorandum Radhakrishnan zum Kalten Krieg, Juli 1951, NAK, FO 371/94849; Gundevia, Outside, S. 91 f., 95 f. Zu Ambitionen Dayals vgl. sein Schreiben an K. P. S. Menon, 20.12.1948, NMML, V. L. Pandit Papers, 2, 3; Dayal an K. P. S. Menon, 11.1.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II.; Gopal, Radhakrishnan, S. 219 f., 224–226, 230 f. 249 FO, Ledwidge, an CRO, Rumbold, 23.8.1948, BLIOR, L/PS/12/4639B. Vgl. V. L. Pandit an Bajpai, 10.7.1948, NMML, Private Papers V. L. Pandit 1, 55. 250 Vgl. V. L. Pandit an Bajpai, 9.10.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 55; Pandit, The scope, S. 238; Dayal an MEA, Menon, 21.10.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3; Kap. 3.1.1. 251 Y. D. Gundevia, u. a. seit 1931 im ICS, war in den 1950er-Jahren Botschafter in der Schweiz und Hochkommissar in Sri Lanka; T. N. Kaul, ICS 1939, u. a. erster Sekretär indische Botschaft UdSSR (1950), 1962–1966 Botschafter in UdSSR. 252 Vgl. US-Botschafter Moskau, Kirk, an SoS, FRUS 1951, VI, S. 2151; Kaul, Diplomacy, S. 8–15, dagegen aber Kaul, A diplomat’s diary, S. 1 f.

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ken.253 Public Relations Officer Bhatia wurde frühzeitig wegen diplomatischer Untauglichkeit aus Moskau abgezogen.254 Die Schwäche im Bereich der Außenpropaganda war nur ein Beispiel für die insgesamt schwierigen Einsatzbedingungen der neuen Botschaft. Ihr Personalbestand war weitaus geringer als der in London und Washington. Die harten Lebens- und Arbeitsverhältnisse führten immer wieder zu ungeplanten Vakanzen. Die Botschafter unterlagen durch zusätzliche Aufgaben in UN-­ Organisationen oder durch parallele Akkreditierungen einer Mehrfachbelastung. Radhakrishnan blieb außerdem aufgrund wissenschaftlicher Verpflichtungen regelmäßig seinem Dienstort fern. Letztlich agierte die indische Botschaft in Moskau eher als Aufklärungstrupp denn als Instrument der Beziehungspflege.255 Somit musste der indische Staatsapparat erst noch sukzessive an Beziehungen zur UdSSR gewöhnt werden. Nehrus Richtlinienkompetenz und seine führende Rolle als internationaler Akteur bedeuteten nicht, dass allein seine konkreten Vorstellungen die Kontakte prägten. Administrative Altkader beharrten in Teilen auf eigenen Wahrnehmungs- und Deutungsmustern, persönliche Vertraute Nehrus mochten ihre Aktivitäten von Vorstellungen der Zentrale abkoppeln. Sie alle teilten jedoch die Auffassung, dass dem unabhängigen Indien in den internationalen Beziehungen ein wichtiger Platz zukam. Grundlegende Dispositionen relevanter politischer und amtlicher Akteure in Indien waren mit denen ihrer sowjetischen Pendants kaum zu vereinbaren. Darüber hinaus konnten sowjetische Vertreter die ungewohnte Vielstimmigkeit Indiens mitunter als inkohärent, im schlechtesten Falle als verschlagen wahrnehmen. Indische Akteure rieben sich daran, dass es, so ihre Perzeption, sowjetischen Vertretern an Offenheit gegenüber den neuen Kontakten mangelte. Diese Gegensätzlichkeiten spiegelten sich nicht zuletzt darin, dass indische Repräsentanten bei ihren sowjetischen Partnern vermeintlich wenig Widerhall fanden, wenn es ihnen darum ging, den Anspruch auf Indiens internationale Rolle und Geltung in den bilateralen Beziehungen umzusetzen.

253 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 26.8.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 638 f. Ghoshal blieb bis mindestens 1949 in Moskau, war aber immer wieder aus gesundheitlichen u. a. Gründen abwesend. 254 Vgl. Bajpai an V. L. Pandit, 17.1.1948, sowie V. L. Pandit an Nehru, 11.2.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 55 und 57; Prem Bhatia, Four Months in Russia, o. D., NAI, 1 (34) EUR II/49. 255 Vgl. Nehru an Master Tara Singh, 27.7.1947, sowie Nehru an Gandhi, 22.8.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 14–16, 667 f.; Aufstellung über die Mitarbeiter, Juli 1949, NAI, 1 (73)-Eur. II. (Secret); indische Botschaft Moskau, Kapur, an MEA, K. P. S. Menon, 16.9.1949, NAI, 1 (68) Eur II/49; Radhakrishnan an Nehru, 17.8.1951 und Antwort vom 31.8.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 667 f.; Brittain, Envoy, S. 90 f.; Dayal, A life, S. 108 f.

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3.1.2.2. Politische Opposition, Gesellschaft und Wissenschaft

Über die Jahre hinweg gewannen die indischen internationalen Beziehungen noch an Komplexität, da sich nicht nur indische Regierungsstellen oder staatlich kontrollierte Verbände international betätigten. Die indische kommunistische Partei legte von Anfang an den klarsten Gegenentwurf zur amtlichen Programmatik vor – und sie hatte Chancen auf eigene Kontakte nach Moskau. Die Stellung der CPI in Indien und ihre programmatischen Kapriolen werden in Kapitel 3.3. ausführlich beschrieben. Hier interessieren zunächst, bei begrenzter Quellenlage, organisatorische Besonderheiten der Partei und Kollektivcharakteristika ihres Führungspersonals, die wesentlich zur konkreten Ausgestaltung der Parteiaktivitäten beitrugen. Generalsekretär der CPI war von 1935 bis 1948 P. C. Joshi. Joshi verlor im Zuge des Linksrucks der CPI seinen Posten und wurde aus der Partei ausgeschlossen. Nach Abkühlung des linksradikalen Eifers 1951 kehrte Joshi zurück und übernahm ab Mitte der 1950er-Jahre neue Spitzenämter. 1948 rückte zunächst B. T. Ranadive in die Position des Generalsekretärs auf. Ranadive, seit 1943 Mitglied in ZK und Politbüro, war in der Gewerkschaftsbewegung Bombays groß geworden und vertrat die (städtische) radikale Linke der Partei. Als sich in der Partei 1950 wiederum ein neuer Kurs durchsetzte, musste er seinen Stuhl räumen. Auch er konnte allerdings später wieder ins ZK zurückkehren. Die neue Linie 1950 wurde durch Chandra R. Rao verkörpert. Der Sohn einer reichen Bauernfamilie wollte sich in seinen Revolutionsversuchen zuvorderst auf die Bauernschaft stützen. Rao hielt sich keine zwei Jahre, war aber ebenfalls nach einer Wartezeit erneut im ZK präsent. 1951 übernahm Ajoy Kumar Ghosh den Posten des Generalsekretärs. Diese Personalentscheidung wurde bereits in enger Abstimmung mit Moskau gefällt. Ghosh war 1931 aus dem terroristischen Untergrund zur CPI gestoßen und zügig aufgestiegen. 1936 wurde er Mitglied des Politbüros, 1938 rückte er in die Redaktion der Parteizeitung ein. Ghosh wurde dem zentristischen Spektrum zugerechnet. In seiner elfjährigen Amtszeit gelang es ihm, den fragilen Zusammenhalt der Fraktionen zu bewahren. Die zentrifugalen Kräfte wurden unter anderem von S. A. Dange und E. M. S. Namboodiripad vertreten.256 Dange 256 Daneben sind zu nennen Ramen Sen, A. K. Gopalan, G. Adhikari sowie Bhupesh Gupta. Gupta war nach Studien in Calcutta und London in den 1930er-Jahren mehrere Jahre in Haft und ließ sich im Gefängnis für die CPI gewinnen; 1953 stieg er ins ZK der CPI auf. Ramen Sen, seit 1930 Mitglied der CPI, war nur von 1948–1951 nicht Mitglied des ZK. Er gehörte zum Gewerkschaftsflügel der Partei. Gopalan kam über den INC und die CSP 1939 zur CPI, nach 1947 Fraktionsvors. CPI.

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hatte sich, angetrieben von Nachrichten aus dem sozialistischen Russland, ab den frühen 1920er-Jahren in der CPI engagiert. Der Jungpolitiker konnte dabei auf die wohlwollende finanzielle Unterstützung eines Bombayer Industriellen vertrauen. Dange gehörte, mit einer kurzen Unterbrechung 1950/1951, dem ZK der CPI, ab 1951 dem Politbüro an. Seine eigentliche Machtbasis in der indischen Politik bestand allerdings aus Bombays Gewerkschaften. Als Präsident respektive Generalsekretär des AITUC avancierte Dange schließlich auf globaler Bühne zum Vizepräsidenten der linken World Federation of Trade Unions (WFTU). Mit Recht betonen Biografen, dass sich Dange jedoch vor allem als indischer Kommunist und weniger als Bolschewik oder Internationalist verstand. E. M. S. Namboodiripad, Sprössling einer reichen Brahmanen-Familie, kam in den 1930er-Jahren über die Congress Socialist Party zur CPI, ungeachtet nur schwacher Kenntnisse der entsprechenden Programmatik. Seine Theoriekenntnis fußte auf einer höchst selektiven Lektüre von Lenin, Trockij, Stalin und verschiedenen westeuropäischen Autoren. Daneben hatten ihn Nehrus Erzählungen über die UdSSR Ende der 1920er-Jahre beeindruckt. Namboodiripad war seit 1943 Mitglied des ZK und saß seit 1950 im CPI-Politbüro.257 Die knappen Skizzen lassen erkennen, dass personelle Konstellationen in der Parteispitze programmatische Schwankungen überdauerten. Diese Kontinuität verdankte sich nicht nur Ghoshs Versuch, durch Personalentscheidungen, die alle Flügel berücksichtigten, ideologischen Fliehkräften entgegenzuwirken.258 Die gemeinsame gediegene soziale Herkunft herausragender Spitzenfunktionäre mochte die für kommunistische Parteien seit den 1930er-Jahren ungewohnte personalpolitische Toleranz unterstützen; zudem hatten die Spitzenkader die Stürme im Moskau der 1930er-Jahre nur aus der Ferne miterlebt.259 Im indischen Kontext ergab sich aus der elitären Abstammung verschiedener Funktionäre, dass sich in der CPI individuelle Verbindungen zu nichtkommunistischen Eliten bewahrten. Bezeichnenderweise ordnete Innenminister Patel 1949 an, kommunistische Kinder von Ministern oder anderen Personen

257 Vgl. Gupta, S. A. Dange; Interview Namboodiripad, NMML, Transcripts of Oral History, Nr. 794. 258 Protokoll Gespräch Ghosh mit Malenkov, Suslov u. a., 6.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 26 ff., hier l. 31. 259 Vgl. Zagoria, Social bases, S. 112 f., 118 f., 120–122; Sen Gupta, Communism (1972), S. 12–15, 152 f.; Krishnan, Testament, S. 21–32; Sen, A traveller, S. 3–16, 231–235; Overstreet/Windmiller, Communism, S. 556–575.

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von öffentlicher Bedeutung nicht in ihren Wohnhäusern zu verhaften, um die »Würde« der Eltern nicht zu verletzen.260 Der elitäre Charakter zahlreicher Führungspersönlichkeiten war für die Partei auch von unmittelbarerer Bedeutung, konnten sich doch dadurch lokale Bastionen und nationalkommunistische Züge halten.261 Seit der Vorkriegszeit hatten die Flügel in der weitgehend auf sich allein gestellten CPI recht eigenständige Positionen entwickelt und artikuliert. In den Auseinandersetzungen vermengten sich ideologische Glaubenskriege mit unterschiedlichen regionalen Erfahrungen oder Erwartungen sowie mit Generationskonflikten. Die radikale Linke etwa war traditionsgemäß eher in südlichen und östlichen Regionen stark, in denen teilweise besonders viele Flüchtlinge der Teilungskonflikte lebten (u. a. Andhra Pradesh, Kerala und Westbengalen). Die Zentrale konnte schon aufgrund ihrer organisatorischen Schwäche die Streitereien nicht wirksam eindämmen.262 Klärende Hilfestellungen von außen ließen auf sich warten, da die Kontakte der CPI nach Moskau bis Ende der 1940er-Jahre äußerst schwach blieben. Die Radikalisierung der Partei in dieser Zeit verdankte sich vor allem autochthonen Bemühungen des linken Flügels.263 Die Richtungskämpfe schlugen auf die Mitgliederzahlen durch. Infolge des Linksschwenks sank der Mitgliederbestand der CPI von 90.000 im Jahr 1948 innerhalb von nur zwei Jahren auf knapp 18.000 Personen ab. 1952 zeigte sich die Partei mit 30.000 Mitgliedern leicht erholt. Bis 1954 legte sie auf 75.000 Aktivisten zu.264 Die Entwicklung der Parteilinie wirkte sich ebenfalls auf ihren Einfluss in ursprünglich parteinahen Gewerkschafts-, Bauern-, Studenten- oder Kulturorganisationen aus. Der Dogmatismus der CPI ab 1946/1947 schränkte den Kreis der nichtkommunistischen Linken, die sich in diesen Organisationen engagieren wollten oder durften, spürbar ein.265 Erst nach der kommunistischen Absage an den bewaffneten Kampf in Indien 1951 und im Umfeld der 260 Patel an Krishna Sinha, 24.3.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence IX, S. 56–58. 261 Vgl. Sen, A traveller, S. 17–19, 114 f., 138–141; Sen Gupta, S. A. Dange, S. 555 f.; Krishnan, Testament, S. 114–120, 183 f., 225 f.; Zinkin, Reporting India, S. 190 f.; Donaldson, Soviet policy, S. 146 f.; Rotter, Comrades, S. 224 f. 262 Vgl. Guha, India, S. 105 f.; Overstreet/Windmiller, Communism, S. 223–308, 339–343, 346– 352; Kautsky, Moscow, S. 39–88, 100–168; Zagoria, The social bases, S. 101. 263 Zur Jugendkonferenz in Calcutta im Februar 1948 vgl. Anm. 375–377. 264 Zahlen nach Overstreet/Windmiller, Communism, S. 357 und Chandra, P. C. Joshi, S. 259. 265 Vgl. Pravlenie VOKS, Kislova, an ZK, 1.7.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 630, ll. 99 ff.; Aufzeichnung Gespräch Aruna Asaf Ali mit Denisov, 22.8.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 83 ff.; Gajrani/Ram, Aruna Asaf Ali, S. 220 f.; Thapar, All these years, S. 66–69, 73–75; Overstreet/Windmiller, Communism, S. 207–209, 366–405; Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 96–98.

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bereits angesprochenen ansatzweisen Öffnung der sowjetischen Beziehungen für weitere gesellschaftliche Kreise konnten diese Organisationen wiederbelebt werden. VOKS machte sich daran, die seit 1945 arg dezimierten Freundschaftsgesellschaften im Land zu reaktivieren und, im März 1952, unter dem Dach der Indo-Soviet Cultural Society (ISCUS) zu vereinigen. Die sich unpolitisch gebende Kulturgesellschaft soll bis 1956 42 Zweigstellen in ganz Indien aufgebaut haben, denen mindestens 7600 Mitglieder angehörten. Analog lässt sich dieser limitierte Annäherungsprozess beim All-Indischen Friedenskongress respektive -komitee (ab 1949) verfolgen. Diese und ähnliche Kleinverbände zeichneten ab 1950/1951 auf indischer Seite dafür verantwortlich, dass der Delegationsaustausch mit Moskau wieder in Gang gesetzt wurde.266 Wie hinsichtlich der früheren Freundschaftsgesellschaften, so ist für die aktiven Mitglieder von ISCUS, Friedenskongress und anderen, miteinander eng vernetzten und personell verknüpften linken gesellschaftlichen Organisationen (einschließlich indisch-chinesischer Gesellschaften) ebenfalls eine enorme Bandbreite individueller Motive für die Mitarbeit anzunehmen. Sie reichten von politischen Überzeugungen und wirtschaftlichen Erwägungen über die Hoffnung auf individuellen Prestigegewinn durch gesellschaftliches Engagement bis hin zu apolitischer Bewunderung für sowjetische Technik und Maschinen.267 An der Spitze standen vielfach Persönlichkeiten der sozialen Oberschicht, die linke gesellschafts-, wirtschafts- und bzw. oder außenpolitische Überzeugungen mit einem starken indischen, antikolonialen Nationalismus verbanden und daher ihre Kontakte zur Nationalbewegung keineswegs aufgaben. Als Beispiele sind hier A. V. Baliga, R. M. Jambhekar, Sir Sokhey, Aruna Asaf Ali oder Saifuddin Kitchlew zu nennen.268 Die Gedankenwelt dieser linksgerichteten Persönlichkeiten, die sich außerhalb des Orbits der CPI für 266 Vgl. Gromyko an Politbüro, 22.1.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1197, ll. 101 f.; Grigor’jan an Stalin, 27.12.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1198, ll. 93–97; Pozdeev an ZK mit Jahresbericht SIB Delhi, 12.1.1955, 18.2.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 23–76; Overstreet/Windmiller, Communism, S. 409–424. 267 Vgl. Charakteristiken zu ISCUS Hyderabad, Mai 1954, GARF, f. 5283, op. 19, d. 222, ll. 54 f.; Vermerk VOKS-Bevollmächtiger Indien, Šudenko, über Gründungskonferenz ISCUS Andhra am 11.6.1954, 22.7.1954, GARF, f. 5283, op. 19, d. 222, l. 22 ff. Die indisch-chinesische Freundschaftsbewegung entwickelte sich ab 1951, vgl. Overstreet/Windmiller, Communism, S. 429 f. 268 Aruna Asaf Ali, u. a. seit den 1930er-Jahren CSP und aktives Mitglied des INC, ab 1948 Sozialistische Partei, ab 1953 CPI, 1954 Mitbegründerin der kommunistischen Frauenorganisation, 1956 Austritt aus der CPI, 1958 Bürgermeisterin von Delhi; Saifuddin Kitchlew, u. a. Jura-Studium in Großbritannien, ab 1920er-Jahren Führungsmitglied INC, Austritt aus INC im Umfeld der Teilung, ab Anfang der 1950er-Jahre Engagement im indischen Friedensrat und in der Weltfriedensbewegung, 1952 Stalinpreis; Generalmajor Sir Sahib Singh Sokhey, u. a. Veteran

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engere Beziehungen mit der UdSSR einsetzten, bot der kommunistischen und sowjetischen Propaganda Anknüpfungspunkte. Diese spekulierte darauf, entsprechende Organisationen mit CPI-Vertretern zu durchsetzen oder inhaltlich gänzlich zu vereinnahmen. In der Praxis zeigte sich jedoch immer wieder das hohe Eigengewicht indischer Nichtkommunisten. Beispielsweise konstatierten bereits 1952 sowohl das Moskauer ZK als auch die CPI-Spitze, dass die indische Friedensbewegung mehrere ihrer kommunistischen Mitglieder vom korrekten CPI-Weg abzubringen schien.269 Auch im Kultursektor ließ sich ein Auf und Ab indischer Interaktionsbemühungen beobachten. Indische Linke wurden hier nicht nur von der CPI, sondern auch von der spätstalinistischen Moskauer Politik brüskiert. Dies demonstrieren Erfahrungen von Mulk Raj Anand. Der in der Vorkriegszeit zeitweise in London ansässige Autor hatte sich seit den 1930er-Jahren einen Namen als Schriftsteller und indischer Nationalist gemacht. Ende 1948 besuchte Anand erstmals die UdSSR. Er präsentierte sich dort als ebenso empathischer wie selbstbewusster Gesprächspartner mit starken Vorbehalten gegen vermeintliche Zivilisierungsmissionen aller Art sowie insbesondere gegen die Nachkriegspolitik der USA und Großbritanniens.270 Nur ein Jahr später brandmarkte Botschafter Novikov in Berichten nach Moskau Anand dennoch als unzuverlässigen Schwächling. Er habe sich von der antikommunistischen Stimmung in Indien »erschrecken« lassen und vermeide es daher, die CPI in ihrem Kampf zu unterstützen.271 Nach 1951/1952 konnte sich Anand erneut für indisch-sowjetische gesellschaftliche und Literaturbeziehungen ins Gespräch bringen. Er erhielt im Juni 1953 sogar den internationalen Friedenspreis.272 Anand persönlich begriff seine Prominenz in sowjetisch-indischen Literaturbeziehungen nach wie vor als Chance, sich über sowjetische kulturelle Entwicklungen auf den neuesten Stand zu bringen und dem eigenen Werk zusätzliche Verbreitung zu verschaffen. Daneben war des Ersten Weltkriegs, 1950–1952 Tätigkeit in der WHO; A. V. Baliga, u. a. Medizinstudium in Großbritannien, ab 1920er-Jahren INC-Aktivist; R. M. Jambhekar, u. a. ab 1941 Präsident der Freundschaftsgesellschaften. 269 Vgl. Grigor’jan an Molotov, 7.4.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1210, ll. 76–86, hier ll. 78 f.; Ghosh an ZK KPdSU, 14.11.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1206, ll. 98–107. 270 Vgl. Protokoll Gespräch Anand mit georgischen Autoren, 6.10.1948, RGALI, f. 631, op. 14, d. 1239; Dayal an MEA, K. P. S. Menon, 29.10.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3. 271 K. Novikov auf Mitarbeiterversammlung MID, Information über Indien, 5.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1187, ll. 20–43, hier l. 24. 272 Vgl. Stenogramm Sitzung Auslandskommission SSP und Sektion Übersetzungen, 5.6.1952, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5104; Aufzeichnung Gespräch Anand in Auslandskommission SSP, 29.6.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5135; Tupikova, Mul’k Radž Anand, S. 123.

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es Anand ein Anliegen, der sowjetischen Leserschaft seinen Blick auf Indiens Land, Kultur und Menschen nahezubringen.273 Neben Anand kristallisierte sich ab Anfang der 1950er-Jahre Khwaja Abbas als relevanter Mittelsmann zwischen indischen und sowjetischen Kulturlandschaften heraus. In seiner Person fanden literarische und filmische Verbindungen zusammen. Dem sowjetischen Publikum war Abbas Ende der 1940er durch die Filme Dharti ki Lal (Regie) und Neecha Nagar (Drehbuch) bekannt geworden. Diese sozialkritischen Filme entsprachen nicht dem Geschmack des offiziellen Indiens. Dafür wurde ihnen cineastische (Neecha Nagar) und sowjetische Anerkennung zuteil.274 Neben Anand und Abbas gehörten Bhabani Bhattacharya und Krishan Chander zu den wichtigsten literarischen Repräsentanten, die, einer realistischen Beschreibung sozialkritischer Sujets verhaftet, sich nationalbewusst für eine linke Politik in Indien engagierten. Sie erkannten in der aktiven Zusammenarbeit mit der sowjetischen Kultur vor allem ideelle, gesellschafts- und kulturpolitische Vorteile. Sie witterten aber auch individuelle Chancen: So erzählte Abbas 1954 Kollegen in Moskau mit einem lachenden und einem weinenden Auge, dass er »in einem Monat« in der UdSSR mehr Geld verdient habe als in Indien »während seines ganzen Lebens«.275 Schließlich ist auch für die wenigen Wissenschaftler Indiens, die sich bis Mitte der 1950er-Jahre in ihrer Sphäre für sowjetisch-indische Kontakte stark machten, ein Konglomerat unterschiedlicher Motivlagen festzuhalten. Unter ihnen nahm P. C. Mahalanobis in jeder Hinsicht eine herausragende Stellung ein. Er reiste 1951 das erste Mal in die UdSSR. Der Gründungsdirektor des Indian Statistical Institute (ISI) in Calcutta war Anfang der 1950er-Jahre wesentlich an der Ausarbeitung des Zweiten Fünfjahresplans beteiligt. Er gehörte zu der »goodliest fellowship of knights ever to be assembled in the service of a new state: intellectuals, men of distinguished education and good breeding, whose 273 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Anand mit Auslandskommission SSP, 29.6.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5135; Ali, The Progressive Writers’ Movement, S. 45 ff.; Anand, Apology, S. 141–189. 274 Vgl. Beschluss Politbüro, 13.10.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1601; Aufzeichnung Gespräch Tichonov u. a. mit Abbas, 28.10.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5137; SSP, Bericht über Aufenthalt Abbas in Moskau, 15.–28.12.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5133; Vermerke MEA, K. P. S. Menon/Bhandari, zu Dayal, 31.7. und 1.8.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II; Presseauswertung indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 15.3.1949, NAI, 35–R&I; Abbas, I am not. 275 Aufzeichnung Gespräch Tichonov mit Abbas, 28.10.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5137. Vgl. Syed Kasim Ali an SSP, Januar 1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5146, l. 14; Vermerk Anand über sowjetisch-indische Kulturarbeit, Juni 1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5153; Briefwechsel Apletin mit Bhattachariya, Januar bis Oktober 1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5146, ll. 25 ff.

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commitment to socialism or to social change in less grandiose terms hinged on their sense of being the harbingers of modernity and the custodians of the future of the nation.«276 Mahalanobis erwies sich als eine der treibenden Kräfte für die Zusammenarbeit mit sowjetischen Stellen – das konservative Lager betrachtete ihn gar als »sowjetischen Botschafter in Indien«.277 Der Chefstatistiker besaß linke Überzeugungen sowie die Fähigkeit, das indische Modernisierungsprojekt und dessen angestrebte internationale Anbindung mit der Beförderung der eigenen Karriere in Indien zu verbinden. Auf der Moskauer Seite machten ihn politische Einstellung und die Nähe zu Nehru zu einem der bevorzugten Ansprechpartner.278 Die vielfach enge Verknüpfung von nationalen Projekten und elitärer Karriere in Indien generell barg allerdings die Gefahr, dass diverse Entwicklungsprojekte führender Vertreter nur oberflächlich in der gesamtindischen Gesellschaft eingebettet blieben.279 Die indische wissenschaftliche Forschung über die Sowjetunion entwickelte sich derweil nicht merklich weiter. Einrichtungen, die sich speziell mit dem Studium der UdSSR oder Einzelaspekten von Geschichte und Kultur der sowjetischen Völker befassten, gab es nicht. Die maßgebliche Bibliografie über englischund hindisprachige Fachliteratur aus Indien enthält für die Jahre bis 1953 kaum entsprechende Einträge. Die wenigen Arbeiten reflektierten eher Stimmungen der politischen Landschaft Indiens, als dass sie sich um eine wirkliche Analyse sowjetischer Entwicklungen bemühten.280 Im Herbst 1946 eröffnete die Universität Delhi immerhin einen Ausbildungsgang für die russische Sprache. Die Hörerzahlen blieben überschaubar: Sowjetische Reporter berichteten 1954/1955 von rund 100 Studierenden in den Sprachkursen.281 »Man fühlt das große Inter276 Zachariah, Nehru, S. 190 f. 277 Tagebuch Dutt, Eintrag 6.10.1961, zit. in Das Gupta, Serving India, S. 424. Vgl. MEA, Dutt, an sowjetische Botschaft Delhi, 16.5.1951, AVP, f. 172, op. 4, papka 4, d. 7, ll. 25 f.; Grigor’jan/ Gromyko an Stalin u. a., 29.11.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1198, ll. 86–91. 278 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Mahalanobis mit stellv. Vorsitzenden VOKS, Kalisjan, 21.6.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 743, ll. 140 f.; Beschluss Politbüro, 17.3.1951, RGASPI, f. 17 op. 163, d. 1580; Nesmjejanov an Suslov, 25.2.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 242, Bl. 7 f.; Aleksandrov an Malenkov, Chruščev u. a., 7.7.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 71, Bl. 94 ff.; Rudra, Prasanta Chandra Mahalanobis, S. 170–173, 253–292, 324–370. 279 Vgl. Topčiev an V. Kuznecov, 6.9.1955, AVP, f. 47, op. 1, papka 43, d. 11, ll. 68 ff.; Engerman, Learning, S. 231 f.; Abraham, The making. 280 Vgl. Kumar, Indian view, u. a. S. III–VIII. 281 Vgl. Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 126; Aufzeichnung Gespräch V. L. Pandit mit Molotov, 10.2.1949, NAI, 1 (33)-Eur. II; Denisov an stellv. Leiter ZK-Abt. Ausländische KP, Stepanov, 4.7.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 101, ll. 77 ff., hier ll. 101 f.; Aufzeichnung Gespräch Tichonov mit Abbas, 28.10.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5137; Denisov an ZK, 27.1.1955, RGANI, f. 5,

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esse, das die Inder an der russsischen Sprache haben«, resümierte ein Mitarbeiter der sowjetischen Botschaft noch Anfang 1956: »Aber ich habe bislang noch keinen einzigen Menschen getroffen, der Russisch spricht oder versteht.«282 Schließlich blieb die indische Öffentlichkeit auch in Belletristik, Presse und politischer Publizistik auf marginale Texte linker Autoren oder auf Berichte angewiesen, die den Filter der weiterhin britisch dominierten Agenturen durchlaufen hatten. Die gesellschaftliche Verankerung von sowjetisch-indischen Beziehungen in Indien blieb schwach. Ihre Akteure waren teils glaubensstarke Kommunisten, teils individuelle Freigeister mit eigenen Agenden. Beide Gruppen stellten in der indischen Gesamtgesellschaft eine Randerscheinung dar. In der sowjetischen Perspektive kamen ihnen ausführende, keine gestaltenden Funktionen zu, die sie mitunter mehr schlecht als recht ausfüllen wollten oder konnten. Somit blieben die Beziehungen einstweilen vor allem eine Angelegenheit von Politik und Administration. Die zukünftige Entwicklung der tatsächlichen Interaktionen und Verbindungen war ungewiss, zumal bereits im vergleichsweise bewegten Auftakt 1947 zahlreiche Gegensätzlichkeiten und Unvereinbarkeiten aufschienen.

3.2. Interaktion und Weltbilder: Wahrnehmungen 1947 Das Jahr 1947 sah erstmals flächendeckend unmittelbare Begegnungen sowjetischer und indischer Akteure verschiedener Institutionen. Zuerst sei noch einmal kurz die Chronologie zusammengefasst: Wenige Wochen nach ihrer Konstitutierung lud die indische Interimsregierung für Januar 1947 Vertreter der sowjetischen Akademie der Wissenschaften zum 34. Jahreskongress der Indian Science Congress Association nach Delhi ein. Kurz darauf besuchte eine Delegation des Weltbundes der Demokratischen Jugend (WFDY), der auch eine sowjetische Vertreterin angehörte, Indien. Daneben nahmen vom 23. März bis zum 2. April 1947 sowjetische Delegationen an der ersten Asien-Konferenz teil, die in Delhi stattfand. In der zweiten Jahreshälfte folgten politische Treffen. Ab dem 20. Juli 1947 weilte der kommunistische Multifunktionär Dange in der UdSSR. Er wurde als Gast der sowjetischen Gewerkschaften geführt, traf aber mehrmals zu Konsultationen mit ZK-Apparat und -Führung zusammen. Darop. 28, d. 352, ll. 31 ff.; stellv. Leiter SIB, Mošenskij, an SIB Delhi, Efimov, 27.8.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 217–220. Zahlen nach Auėzov, Sobytie; Aksenov, Ob izučenie russkogo jazyka. 282 Aufzeichnung Gespräch sowjetischer Botschaftsrat Delhi, Kreškov, mit Prof. [Univ. Delhi] Las, 12.3.1956, AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 8, ll. 85 ff.

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über hinaus konnte Dange bis September 1947 ein für die Zeit umfangreiches Reiseprogramm absolvieren. Am 13. August 1947 trat schließlich V. L. Pandit offiziell ihren Botschafterposten in Moskau an und führte erste, wenn auch weitgehend unverbindliche, Gespräche. Botschafter Novikov erreichte seinerseits am 23. Dezember 1947 New Delhi. In den Kontakten manifestierten sich Weltsichten, Fremd- und Selbstbilder und grundsätzliche Leitvorstellungen von Kollektiven und Individuen, die Konzeption und Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen rahmten. Die zeitgenössischen Quellen offenbaren, auf welche Weise und inwieweit die beteiligten Akteure Grundannahmen sowjetischer und indischer internationaler Positionen, die 1947 in Delhi und in Moskau dominant waren, mit Leben füllten, wie getreu sie gegebene Strukturen verinnerlicht hatten und wie genau sie sich in ihren konkreten Begegnungen an ihnen orientierten. Damit kann im folgenden das Ausmaß an Interaktion, welches 1947 – und danach – möglich war und in dem Weltbilder, Deutungs- und Handlungsmuster erstmals konkret erprobt wurden, beschrieben werden. Auf der indischen Seite ging die übergroße Mehrheit aller Akteure mit Nehru von einem Modernisierungs- und Entwicklungsbedarf des Landes aus, ohne dass man in der UdSSR ein verbindliches Exklusivmodell für Asien oder Indien erkennen wollte. »Sie haben uns so viel beizubringen«, begrüßte Nehru die sowjetischen Delegationen der Asien-Konferenz ausgesucht freundlich. Aber: »Asiens Nationen müssen sich entlang der Richtschnur ihrer Nationalismen vorwärtsbewegen.«283 Die indischen Repräsentanten sahen sich 1947 von einem breiten antikolonialen Grundkonsens im Land getragen. Auf dieser Basis lag ihr Fokus eindeutig darauf, auf der bilateralen Bühne Selbstbehauptung und Aufwertung Asiens im Allgemeinen und Indiens im Besonderen zum Ausdruck zu bringen.284 In diesem Kontext kam deren vermeintliche Vorreiterrolle für die koloniale Welt zum Tragen. ›Asien‹ definierten diese Akteure einstweilen eher vage als Gemeinschaft der nach Unabhängigkeit strebenden Nationen auf dem asiatischen Kontinent, deren Einheit auf angeblich spezifisch ›asiatischen‹, das heißt friedlich-humanistisch-spirituellen Werten basierte. Diese Werte begründeten in ihren Augen 283 Nehru, Eröffnungs- und Schlussansprache vor Asien-Konferenz, in: Asian Relations, S. 22, 249. 284 Vgl. Sinigoj, Indien, S. 62 f., allg. Fischer-Tiné, The cult. Zur öffentlichen Stimmungslage mit Blick auf die antikolonialen Bewegungen in Südostasien allg. vgl. Lawrence, Transnational coalition-building, S. 463 f.; Thakur, Peacekeeping, S. 34 f. Vgl. in diesem Kontext zur Palästinapolitik Ginat, India.

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eine zivilisatorische Qualität, die zugleich auf globaler Ebene wesentlich dazu beitragen würde, eine bessere internationale Ordnung aufzubauen.285 Innerhalb dieser ›Asien‹-Vorstellung beanspruchten die indischen Vertreter – ungeachtet unterschiedlicher politischer Schlussfolgerungen – für ihr Land eine herausragende Stellung. Sie war ihrer Ansicht nach das Ergebnis verschiedener Faktoren. Dazu gehörten eine geografische Lage, die aus kulturhistorischen und aktuellen geopolitischen Gründen für zentral erachtet wurde, daneben die räumliche Ausdehnung, eine hohe Bevölkerungszahl und die potentielle Wirtschaftskraft. Außerdem hoben indische Akteure auf begonnene respektive geplante Anstrengungen in entwicklungspolitisch und modernisierungstheoretisch bedeutsamen wirtschaftlichen sowie wissenschaftlich-technologischen Sektoren ab. In der Argumentationskette kam schließlich dem Erfolg der eigenen Unabhängigkeitsbewegung gegen eine überholte ›europäische‹ Gewalt- und Machtpolitik immenses Gewicht zu. Die angeblich originären, besonders wertvollen Kernelemente dieser Unabhängigkeitsbewegung, nämlich Friedfertigkeit und überlegene Spiritualität, verkörperte der Übervater der indischen Nation, Mahatma Gandhi, ebenso idealtypisch wie paradigmatisch.286 In dieser Lesart führte das indische nationale Gesamtprojekt 1947 ureigene indische prä- und postkoloniale Leistungen bzw. Fähigkeiten zusammen. Das achttägige Besuchsprogramm, das die Interimsregierung 1947 für ausländische Besucher des Wissenschaftskongresses einschließlich der sowjetischen Delegation zusammengestellt hatte, war demgemäß darauf angelegt, das unabhängige Indien als gelungene »Synthese zwischen dem Alten und dem Neuen« vorzuführen.287 Die Rundreise kombinierte in und um Agra, Varanasi, Hyderabad, Aurangabad und Bombay klassische Sehenswürdigkeiten mit modernen Lehr- und Studieneinrichtungen. Sie führte vorkoloniale Kulturleistungen einer gesamtindischen, von Hinduismus und Islam geprägten Kulturnation mit nachkolonialen, ›modernen‹ Wissenschafts- und Entwicklungsplänen des erwachten Staatsvolks in einer Selbstbeschreibung zusammen.288 Die indische Botschaft in Moskau machte sich gleichfalls daran, mit Filmvorführungen einen »tiefen

285 Vgl. Abraham, From Bandung, S. 198–202; Stolte/Fischer-Tiné, Imagining Asia. 286 Vgl. hier zum Problem des Okzidentalismus u. a. Fischer-Tiné, Deep Occidentalism; ders., The cult. 287 Nehru, The discovery, S. 46 f. 288 Die publizierten sowjetischen Reiseberichte sind sich über die genaue Reiseroute nicht ganz einig, vgl. Slepkova/Krylov/Tichonova, Sotrudniki, S. 363–367.

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Eindruck vom ganzen Reichtum, von Indiens Vielfalt sowie von seinen Errungenschaften und Bestrebungen« zu vermitteln.289 Diese Selbstdarstellungen negierten alle kolonial konstruierten Gegensätze zwischen einem ›modernen Europa‹ und einem ›rückständigen Asien‹. Sie forderten die gleichberechtigte Anerkennung ›asiatischer‹ und natürlich indischer Beiträge zum globalen Fortschritt in eine bessere Zukunft und ihre vollständige Integration in weitere entsprechende Anstrengungen der Weltgemeinschaft. Mit dem international angelegten Wissenschaftskongress Anfang 1947 reihte sich die indische Nation demonstrativ mit ihren eigenen Fähigkeiten in die Reihen derer ein, die das universale Fortschrittsprojekt an der wissenschaftlich-technologischen Front vorantrieben. Die Botschaft von ebenbürtiger Teilhabe wurde noch einmal dadurch unterstrichen, dass die Universität Delhi zum Abschluss verschiedene internationale Teilnehmer einschließlich zweier sowjetischer Delegierter mit der Ehrendoktorwürde auszeichnete.290 Darüber hinaus artikulierten indische Akteure in der Begegnung ihre Interpretation einer internationalen Kooperation. Demnach war nur eine erhebliche indische Prägung geeignet, aus der angeblichen Sackgasse traditioneller Machtpolitik herauszuführen: »[W]e of the immortal East, […], we have a lesson to teach the world«. Die Aussage der Präsidentin der Asien-Konferenz, Sarojini Naidu, war überschwänglich formuliert, aber unter den indischen Teilnehmern vollkommen konsensfähig. »[W]e have emerged as pure gold, the gold of Asian consciousness, of wisdom, scholarship, culture, fellowship, service, dedication, dignity of the human spirit, and the one-ness of man«. Es sei daher, so Naidu, in ganz Asien anerkannt, dass es Indien zukomme, »die Fackeln der Welt wieder zu entzünden«.291 Im indischen Verständnis konnten gerade die zentralasiatischen Republiken der UdSSR diese Aufgaben nicht leisten, weder die asiatische Selbstbehauptung noch die Fusion ›europäischer‹ und ›asiatischer‹ Positiva. Ihre lehrreichen wirtschafts-, sozial- und nationalpolitischen Maßnahmen waren dafür

289 Dayal an K. P. S. Menon, 11.11.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3. Vgl. V. L. Pandit an K. P. S. Menon, 9.6.1948, ebd., 2, 9; V. L. Pandit an Nehru, 22.3.1948, ebd., 1, 57; indische Botschaft Moskau an MEA, 27.1.1950, NAI, 88–R&I. 290 Der Kanzler der Universität, Vizekönig Wavell, zeichnete Prof. Volgin für seine Arbeiten zur Geschichte des Sozialismus sowie Prof. Pavlovskij für Forschungen im Bereich von Zoologie und Parasitologie aus. 291 Schlussansprache Naidu, Asian relations, hier S. 252 f. Sarojini Naidu, u. a. langjährige Mitstreiterin Gandhis und Nehrus, 1947–1949 Gouverneurin United Provinces.

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zu eng an die Metropole Moskau gekoppelt.292 In dem indischen Gesamtbild erschien Moskau eben nicht als Protagonist antikolonialer Politik, sondern als Großmacht mit expansiven Tendenzen. »Wir haben unsere Freiheit von den Briten nicht gewonnen, um sie an eine andere Großmacht zu verlieren«, fasste Nehru die Erfahrungen der ersten unabhängigen Monate zusammen.293 Entsprechend selbst- und statusbewusst antwortete der Premier später auf Stalins russisch geschriebene Geburtstagswünsche in Hindi.294 Zumindest für Teile der indischen Vertreter kam der UdSSR unter den aktuellen Großmächten dennoch ein gewisser Sonderstatus zu. Sozialistische Politik konnte ihrer Meinung nach indischen emanzipatorischen Bestrebungen mehr bieten als ein Kapitalismus, der von der Ausbeutung fremder Nationen, geknechteter Klassen und unterdrückter Frauen lebte.295 Zwar betrachteten indische Nicht-Kommunisten die UdSSR immer auch durch das Prisma der real existierenden kommunistischen Bewegung in Indien, in der sie nur eine rein destruktive, »antinationale« Kraft erkannten.296 Nicht alle wollten jedoch sozialistischen Ideen an sich jeden Nutzen absprechen. Im Gegensatz zu einigen Kollegen hielt gerade Nehru die Verbindung nationaler Ambitionen und sozialistischer Entwicklungswege grundsätzlich nicht nur für möglich, sondern für geboten. Zudem erwarteten Nehru und einige indische Diplomaten – wie vor ihnen verschiedene westeuropäische oder amerikanische Beobachter der 1920erund 1930er-Jahre –, dass auf Dauer eine entwickelte russische nationale Identität ideologisch und vor allem machtpolitisch begründete Expansions- und Unterdrückungstendenzen der UdSSR obsolet machen würde.297 Mit einer solchen Überzeugung fiel es dieser Gruppe leichter, quasi im Auftrag internationaler

292 Vgl. sowjetische Konferenzbeiträge, in: Asian relations, S. 144–154, hier S. 148, 150, sowie 165, 181 f.; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Grady, 9.7.1947, FRUS 1947 III, S. 160 f. 293 Nehru an Ayyangar, 17.1.1948, SWJN 2, Vol. 5, S. 188–190. Vgl. Nehru, The discovery, S. 603; Kaul, Diplomacy, S. 13, 135. 294 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 17.11.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54. 295 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 23.1.1948, SWJN 2, Vol. 5, S. 539–542; V. L. Pandit an Nehru, 11.2.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57. 296 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 5.5.1946, NMML, M. O. Mathai Papers, 2 A, Correspondence with V. Krishna Menon; Vermerk Warner über Information Weightman, 12.8.1946, BLIOR, L/PS/12/4038; Nehru an V. L. Pandit, 14.11.1946, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru. 297 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 11.2. und 3.5.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57; Dayal, A life, S. 125; Kaul, Reminiscences, S. 150; Nehru bezeichnete die UdSSR viele Jahre entweder als »Sowjet-Russland«, »Sowjetunion«, oder schlicht als »Russland«.

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Entspannung eine globale Mittlerrolle anzustreben, für die man ausreichendes Verständnis für ›russische‹ Befindlichkeiten mitbrachte.298 Aus der Sicht sowjetischer Akteure stellten sich all diese Dinge vollkommen anders dar. In der UdSSR, so deren Auffassung, hatte der Sozialismus sowjetischer Prägung gesellschaftspolitisch fortschrittliche, wirtschaftlich und wissenschaftlich moderne sowie humanistische Anlagen eines wahren, sprich: nichtkapitalistischen ›Europa‹ zur Vollendung geführt. Er hatte Werten und Wünschen der Werktätigen zum Durchbruch verholfen und eine qualitativ neue Gesellschaftsordnung für die in Aussicht stehenden Menschen neuer Qualität geschaffen.299 Da war es eine Selbstverständlichkeit, dass man sich auch in Indien vermeintliche Keime entsprechender Umgestaltungsprozesse anschaute, zumal sich Nehru selbst sowjetischen Beobachtern zufolge zunehmend von linken Positionen entfernte.300 Volgins besonderes Interesse galt etwa Bombay als Laboratorium sozialer Beziehungen, in dem sich seinem geschulten Auge bereits ein »Stoßtrupp« der Arbeiterbewegung und eine »aktive Bauernbewegung« präsentierten.301 Sowjetische Vertreter auf der Asien-Konferenz ließen es sich nicht nehmen, außerhalb des offiziellen Programms linke Zentren in Bombay und in Calcutta aufzusuchen. Die nationale Einheit und Selbstbehauptung Indiens, fasste Ždanov im Gespräch mit indischen Kommunisten die maßgebliche Sichtweise zusammen, würde nicht im Selbstfindungs- und Entwicklungsprogramm indischer Eliten, sondern durch die demokratisch-proletarische Bewegung von unten errungen.302 Ausgestattet mit derlei Gewissheiten, führten die sowjetischen Vertreter 1947 im bilateralen Kontakt eben auch die Traditionen eines europäischen Überlegenheitsgefühls mitsamt dem entsprechenden Sendungsbewusstsein gegenüber vermeintlich naturhaft unterlegenen nichteuropäischen Gebieten fort. Ihrer 298 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 5.12.1946, NMML, M. O. Mathai Papers, 2 A, Correspondence with K. P. S. Menon; Nehru an Master Tara Singh, 27.7.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 667 f.; Nehru an V. L. Pandit, 1.4.1948, SWJN 2, Vol. 5, S. 577 f.; Nehru, The discovery, S. 603; V. L. Pandit an Dayal, 9.11.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3. 299 Vgl. Volgin, Poezdka, S. 20; Pavlovskij, Zametki, S 126. 300 Vgl. Suslov an Molotov, 6.3.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, ll. 30 ff.; Abschlussbericht sowjetische Delegation Asien-Konferenz, 7.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 405, ll. 18–28; ZK, Baranov, an Suslov und Ždanov, 2.8.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 195 ff.; Plyševskij/Bol’šakov, Annotation und Bewertung Materialien CPI, 6.8.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 207–218; Volgin, Poezdka, S. 25; Tschetschetkina, Indien, S. 69 f.; Žukov, V Indii 2. 301 Volgin, Poezdka, S. 25. 302 Vgl. Protokoll Gespräch Ždanov mit Dange, 16.8.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 219–229; Abschlussbericht sowjetische Delegation Asien-Konferenz, 7.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 405, ll. 18–28.

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Überzeugung nach stellte die UdSSR für das unbeweglich-rückständige ›Asien‹ das Erfolgsmodell schlechthin dar. Zugleich wirkte sie als Geburtshelfer einer sozialistischen Moderne in Asien. In ihren Augen verliefen die Entwicklungen im sowjetischen Zentralasien geradezu idealtypisch. Daher wurde der CPI-Funktionär Dange im Sommer 1947 zuerst durch die sozialistische Metropole Moskau und zu revolutionären Geschichtsorten in Leningrad geführt. Anschließend besichtigte er Symbole des industriellen Fortschritts in Magnitogorsk sowie Beweise des sozialistischen Aufschwungs in Uzbekistan.303 Auch die sowjetische Delegation für den indischen Wissenschaftskongress stellte der ZK-Apparat unter dem Gesichtspunkt zusammen, dass sie Stellenwert und Leistungsfähigkeit der Wissenschaften in der UdSSR und zugleich zentralasistische Möglichkeiten unter sozialistisch-sowjetischen Bedingungen verkörperten. Der Naturwissenschaftler und Rektor der zentralasiatischen Universität in Taškent, Umarov, fuhr mit, weil er ein »nützliches« Beispiel »der sich entwickelnden sowjetischen Kultur der Völker Zentralasiens« abzugeben schien.304 Umarov und Kollege Pavlovskij stellten folgerichtig die kulturellen, bildungs- und wissenschaftspolitischen Entwicklungen in Tadžikistan und Uzbekistan seit 1917 in den Mittelpunkt ihrer Auftritte. Auf der anschließenden Rundreise durch Indien hielten die beiden zentralasiatischen Vertreter mehrfach öffentliche Vorlesungen über Wissenschaft und Leben in ihrer Heimat und rückten kampfeslustig bis aggressiv die »verzerrten Vorstellungen […] über unsere sowjetische Realität« gerade.305 Der reisende Schriftsteller Tursun-Zade fühlte sich Wochen später durch das Unglück der Unberührbaren in Indien an

303 Zur Überhöhung Moskaus und zur Selbstinszenierung allg. vgl. Behrends, Metropole, S. 77– 81; Voerkelius, Russland; Rüthers, Moskau. 304 Malik an Molotov, 10.1.1947, AVP, f. 6, op. 9, papka 52, d. 768, ll. 1 f.; Rechenschaftsbericht Delegationsleiter Volgin, 8.2.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, ll. 11 ff.; Beschluss Politbüro, 27.12.1946, sowie Baranenkov und Suvorov an ZK-Sekretär Kuznecov, 26.12.1946, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1, S. 341. Delegationsleiter war, als Vizepräsident der AN, Volgin. Der Delegation gehörten der Epidemiologe Pavlovskij, Leiter der Filiale der AN in Tadžikistan und der Rektor der zentralasiatischen Universität Taškent, S. Umarov, zugleich Mitglied der uzbekischen AN, an. Dazu erhielt der Indologe Barannikov wegen seines Forschungsschwerpunkts auf neuindischen Sprachen und seinem Bekanntheitsgrad in Indien einen Reisepass. Es ist jedoch unklar, ob Barannikov überhaupt nach Delhi gelangte oder kurzfristig wegen Erkrankung ausfiel: Die Publikationen von Volgin und Pavlovskij erwähnten Barannikov nicht mehr und er fehlt in der späteren Darstellung von Korneev, Naučnye svjazi, S. 25 f. 305 Volgin, Poezdka, S. 23. Vgl. Volgin, V Indii, S. 61; Pavlovskij, Zametki, S. 128; Suslov an Molotov, 6.3.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, ll. 30 ff.

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die früheren, in Sowjetzeiten überwundenen, Schicksale von Leprakranken im uzbekischen Samarkand erinnert.306 Auf der Asien-Konferenz in Delhi hatten die sorgsam ausgewählten 14 Vertreter aus acht sowjetischen Republiken Zentralasiens und des Kaukasus ebenfalls das erreichte sozialistische kultur- und gesellschaftspolitische Niveau ihrer Regionen zu belegen.307 Zugleich verliehen sie der Grundannahme Ausdruck, dass sich die (zentral-)asiatischen – und kaukasischen – Völker nur durch slawische, insbesondere russische Hilfestellung in eine richtige, das heißt in die in Moskau ersonnene Richtung, entwickeln konnten. Dem entsprach, dass beispielsweise die azerbajdžanische Delegation vor vollem Haus den Modellcharakter der russischen Landwirtschaftspolitik für die asiatische Welt erläuterte.308 Im internationalen Kontext rückte die Teilnahme nichtslawischer Bürger die sowjetische Absetzung von ›imperialistischen‹ und rassistischen Praktiken des kapitalistischen ›Europa‹ ins rechte Licht. Sie bekräftigte zugleich die Moskauer Schirmherrschaft über anti- und post-koloniale Völker. Auf sich allein gestellt, so die sowjetische Botschaft, würde ›Asien‹ nur wieder dem Kapitalismus zur Beute fallen und hilflos untergehen. In dieser sowjetischen Weltsicht von 1947 kam eine wie auch immer geartete Führungs- oder auch nur prominente Rolle der indischen Nation erst einmal nicht vor. Der Staat Indien war in ihren Augen bereits im Sommer 1947 nur noch Spielball britischer oder amerikanischer Interessen.309 Sowjetische Funktionäre unterstellten sogar der CPI »gefährliche Illusionen« hinsichtlich des transfer of power.310 Auch in anderen Fragen sahen sich sowjetische Vertreter veranlasst, dem indischen Gegenüber, besser: »Schüler«, korrekte Verhaltensweisen vorzugeben. Epidemiologe Pavlovskij berichtete entsprechend nach seiner Rückkehr den sowjetischen Lesern, dass auf dem Wissenschaftskongress erst auf seine Initiative hin eine Frau zur Versammlungsleiterin gewählt worden sei.311 Auf Basis dieser Grunddeutungen realisierten sich in den konkreten Begegnungen im Ganzen neben einigen Schnittmengen vor allem bilaterale Gegen306 Vgl. Tursun-Zade, Indijskaja ballada (1947), in: ders., Izbrannye proizvedenija 1, S. 62–65. 307 Vgl. Kap. 2.2., Anm. 135–137. 308 Vgl. Asian Relations, S. 138; Stolte, The Asiatic hour, S. 63; Shimazu, Diplomacy, S. 238. 309 Vgl. MID-Abt. SOA an Vyšinskij, 8.8.1947, AVP, f. 7, op. 12, papka 21, d. 264, ll. 1 ff.; Informationsbericht 7. Verwaltung GlavPURKKA, 31.12.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 630, ll. 7 ff. 310 Annotation Plyševskij/Bol‘šakov zu Materialien der CPI, 6.8.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 207–218. 311 Pavlovskij, Zametki, S. 126. Vgl. Protokoll Gespräch Ždanov mit Dange, 6.9.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 230–234; Volgin, Poezdka, S. 23; Volgin, V Indii, S. 61; Suslov an Molotov, 6.3.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, ll. 30 ff.

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sätze. V. L. Pandit beispielsweise wurde in der sowjetischen Hauptstadt innerhalb weniger Wochen vom diplomatischen Alltag zermürbt. Die sowjetische Obrigkeit unterband systematisch alle Bemühungen indischer Diplomaten, zur sowjetischen Gesellschaft in engeren Kontakt zu treten.312 Der kleine indische Vorposten in Moskau zog sich auf die Interpretation eigener Einblicke entlang indischer Kategorien zurück.313 Geschäftsträger Dayal, der im März 1948 in Moskau eintraf, erinnerte später die zahlreichen Wunden, die der Krieg Moskau geschlagen hatte.314 In den Augen der weltläufigen V. L. Pandit ließ Moskau jedoch schlicht den imperialen Glanz kapitalistischer Hauptstädte vermissen und machte einen »schäbigen« Eindruck. Das Hotel Metropol, in dem Pandit zu Beginn untergebracht war und das das Beste am Platz sein sollte, war unrein: »Food is served in dirty plates by dirty servants.«315 Die Botschafterin zeigte sich selbst von den kulturellen Schätzen Moskaus relativ unbeeindruckt: »I think the Russians appreciate the fact that I made an effort to see their theatres and ballets and listen to their concerts.«316 Es war bezeichnend, dass V. L. Pandit während eines kurzen Abstechers nach Stockholm mehr über die schwedische Stadt als über ihren Amtssitz mitteilen wollte.317 Die UdSSR, das war eindeutig, war für zahlreiche Angehörige der indischen Elite keineswegs das vollendete ›Europa‹, sondern ein Gebiet außerhalb des – keineswegs unkritisch gesehenen – entwickelten ›Westens‹.318 Dagegen erlebten rangniedrigere Botschaftsangehörige Moskau mitunter positiver, waren ihre Vergleichsmaßstäbe doch gänzlich andere. Sie verglichen die sowjetische Hauptstadt mit den Lebensbedingungen der Heere von Armen in Indien, und der Vergleich fiel zu Gunsten Moskaus aus. »No naked people 312 Vgl. V. L. Pandit an Bajpai, 9.10.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 55; V. L. Pandit an Nehru, 31.8.1947, 12.1. und 11.2.1948, ebd., 1, 472, 53 und 57; V. L. Pandit an K. P. S. Menon, 5.8.1948, ebd., 2, 9; Dayal an V. L. Pandit, 4.10.1948, ebd., 2, 3; Dayal, A life, S. 113, 120 f., 125; Kaul, Diplomacy, S. 10 f., 14; Kaul, Reminiscences, S. 150. 313 Vgl. V. L. Pandit an Bajpai, 26.1.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56; V. L. Pandit an Nehru, 18.6.1948, ebd., 1, 57. Vgl. jedoch Kaul, Diplomacy, S. 8–15. 314 Vgl. Dayal, A life, S. 106, 121 f. 315 V. L. Pandit an Nehru, 8.8.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 53. Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 22.3.1948 und 15.3.1949, ebd. sowie 1, 57; Dayal, A life, S. 107; Kaul, Diplomacy, S. 8–15; Kaul, A diplomat’s diary, S. 1 f. Pandits spätere Beschreibung von Leningrad fiel positiver aus, vgl. V. L. Pandit an MEA, 13.7.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 9. 316 V. L. Pandit an Nehru, 29.2.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 53. 317 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 6.9.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 53. 318 Vgl. neben den vorhergegangenen Anm. V. L. Pandit an MEA, 13.7.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 9; V. L. Pandit an Dayal, 9.11.1948, ebd., 2, 3; Monatsbericht indische Botschaft Moskau, Dezember 1951, NAI, 87–R&I.

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in Moscow. No one starved or went without some shelter. All children went to school« – dies war ein erster Eindruck, der lange haften blieb.319 Ebenso positiv vermerkten sie, dass sie in der UdSSR keine Erfahrungen mit Rassismus oder einem Kastenbewusstsein machen mussten.320 Daneben registrierten Diplomaten wie T. N. Kaul eine hohe Zahl gleichberechtigt arbeitender Frauen als positives Moment der sowjetischen Gesellschaft.321 Es blieb der Botschafterin überlassen, derartige Details im Rahmen einer indischen Auseinandersetzung mit dem Pro und Contra einer diktatorisch forcierten Entwicklungspolitik zu diskutieren. Pandit war von der Fähigkeit des Regimes, Menschenmassen zu ordnen, zu lenken und zu mobilisieren ebenso nachhaltig beeindruckt wie von dem Durchsetzungsvermögen stalinistischer Politik.322 Den repressiven Elementen des sowjetischen Experiments maß Pandit nicht allzugroße Bedeutung bei. Ihrer Ansicht nach war die Bevölkerung Stalin aufrichtig zugetan: »He is the father of the Russian people and their comrade as well as leader.«323 Wäre diese Einschätzung bekannt geworden, dann hätte die Botschafterin bei sowjetischen Akteuren sicherlich Begeisterung ausgelöst. Diese suchten in den Begegnungen äußerst zielstrebig die Bestätigung ihrer Eigen- und Weltsichten. Dadurch wurde während der Begegnungen 1947 jedoch vor allem deutlich, dass die sowjetische Seite mit der gesamten nichtkommunistischen indischen Selbsteinschätzung an sich nur wenig anzufangen wusste. Mehr noch: Das indische Selbstverständnis stieß bei sowjetischen Akteuren auf wenig Akzeptanz. Demgemäß vermieden es die sowjetischen Gesandten während der Asien-Konferenz ganz bewusst, sich mit Gandhi zu treffen. Die bereits erwähnte kalte Ignoranz, die die sowjetische Diplomatie nach Gandhis Ermordung in Moskau und Delhi an den Tag legte, unterstrich erneut, dass man in der UdSSR einen ganz anderen Blick auf diesen »Prediger der Rückständigkeit« hatte.324 Der damalige Botschaftsmitarbeiter T. N. Kaul empörte sich noch Jahrzehnte später darüber. »They did not care to send anyone to sign the condolence book in the embassy. I went to the Head of the South-Asia Division in the Soviet Foreign Office and 319 Pandit, The scope, S. 240. Vgl. Kaul, Diplomacy, S. 25 sowie folgende Anm. 320 Britische Botschaft Moskau an Bevin, 12.9.1947, BLIOR, L/PS/12/4639A. Vgl. Brittain, Envoy, S. 91 f. 321 Vgl. Kaul, Diplomacy, S. 8–15. 322 Vgl. V. L. Pandit an K. P. S. Menon, 9.6.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 9; V. L. Pandit an MEA, 25.7.1948, ebd. 323 V. L. Pandit an Nehru, 3.5.1948, NMML, Private Papers V. L. Pandit 1, 57; Dayal, A life, S. 125. 324 Vgl. Abschlussbericht sowjetische Delegation Asien-Konferenz, 7.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 405, ll. 18–28; Žukov, V Indii 2; Tschetschetkina, Indien, S. 73–75.

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told him informally that this was a serious lapse and would create a very bad impression in India. He replied non-chalantly: »Gandhi said the Soviet Union is an enigma to him. Well, he is an enigma to us.«325 Aus analogen Gründen würdigte die sowjetische Seite den großen Tag der indischen Unabhängigkeit ebenfalls wenig euphorisch. Fasst man die sogenannte Sondermappe Stalins als Indikator für dessen aktuelle innen- und außenpolitische Hauptinteressen auf, so maß der Diktator dem indischen Unabhängigkeitstag keinerlei Bedeutung bei.326 Alle sowjetischen Vertreter ließen ihre Gegenüber spüren, dass man ihrer Meinung nach in Indien die Relevanz des Regierungswechsels weit überschätzte.327 Die sowjetische Hauptstadtpresse brachte im Umfeld nur dürre, kritische Meldungen über das Land.328 Die zaghaften Versuche der indischen Botschaft, in Moskau das indische nationalkulturelle Selbstverständnis zu verbreiten, stießen ebenfalls schnell an ihre Grenzen. Uday Shankar, Hauptdarsteller eines von der indischen Botschaft protegierten Films, durfte im November 1948 nur in der indischen Vertretung gastieren. Von 100 geladenen sowjetischen Gästen kamen kaum 40.329 Der Film, von dem sich indische Offizielle so viel versprochen hatten, spielte in der sowjetischen Wahrnehmung keine Rolle. Für öffentliche Vorführungen wählten Moskauer Stellen bis 1949 lieber indische Erzeugnisse mit sozialkritischem Inhalt aus. Diese wiederum beschädigten nach Meinung des MEA das indische Prestige. Es sei ein Fehler gewesen, sekundierte die indische Botschaft Moskau, Produktionen wie die bereits erwähnten Filme Dharti ki Lal und N ­ eecha Nagar für den Export freigegeben zu haben.330 Dass sich jenseits dieser Beobachtungen über die indischen Erfahrungen der Begegnungen 1947 vergleichsweise wenig sagen lässt, liegt einerseits in der desparaten indischen Überlieferung selbst begründet. Dazu kommt, dass die weitaus üppiger sprudelnden sowjetischen Quellen nicht dazu geeignet sind, 325 Kaul, Diplomacy, S. 11. Vgl. Kap. 3.1.1., Anm. 51. 326 Vgl. Osobaja papka I. V. Stalina, Einträge zum 16. und 27.8. und zum 3.10.1947. 327 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 31.8.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 53; Pandit, The ­scope, S. 235. 328 Vgl. V. L. Pandit an Bajpai, 22.4. und 8.6.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56; V. L. Pandit an Nehru, 15.4.1948, ebd., 1, 57; britische Botschaft Moskau an Bevin, 12.9.1947, BLIOR, L/ PS/12/4639A; Dayal, A life, S. 116 f.; Dange, Die Arbeiterbewegung. 329 Vgl. Kaul, Stalin, S. 10 f. Der Film gilt als surreale Tanzphantasie, die Motive von Shankars Werdegang aufnahm, vgl. Nasreen Munni Kabir, Play that back, 2006 http://www.outlookindia.com/article.aspx?231671 (letzter Zugriff: 11.4.2018). 330 Vgl. Vermerke K. P. S. Menon/Bhandari, 31.7. und 1.8.1949, zu Denkschrift Dayal, NAI, 1 (57)Eur. II; Presseauswertung indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 15.3.1949, NAI, 35–R&I.

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indische Blickweisen umfassend zu rekonstruieren. In ihrer Fokussierung auf Selbstbestätigung blendeten sowjetische Verfasser eigenständige indische Einstellungen weitgehend aus und drängten sie damit auch aus ihren Texten und Bildern heraus. Beispielsweise erfährt der Leser aus sowjetischen Darstellungen so gut wie nichts über indische Beiträge auf den indischen Wissenschaftsund Asienkonferenzen.331 In der sowjetischen Berichterstattung über indische Reaktionen blieben vielfach nur prosowjetische Haltungen übrig oder wurden merklich überhöht. Doch auch über die unmittelbaren Erlebnisse und Erfahrungen der sowjetischen Akteure in Indien geben derlei Zeugnisse wenig Aufschluss. Sie zeigen allerdings genau, welche kollektiven Deutungsmuster in der UdSSR über 1947 hinaus galten. Diese waren von den direkten Kontakten oder von indischen Deutungen gänzlich unberührt geblieben. Im Ganzen lesen sich die entsprechenden Erzählungen sowjetischer Reisender als Abrechnung mit der (ehemaligen) Kolonialmacht Großbritannien (und ihrem französischen Pendant) und ihrem Erbe. Sie übten zudem beißende Kritik an einer postkolonialen Politik, die sich dem sozialistischen Erfolgsrezept zur fundamentalen Neugestaltung des Landes verweigerte. Auf der anderen Seite beschworen sie die Kraft der Volksmassen, die sich ihren richtigen, das heißt revolutionär-sozialistischen Weg suchen würden. In den Darstellungen wurden exotische Topoi traditioneller bürgerlich-kolonialer Beschreibungen durch gleichermaßen selektive, formelhafte Versatzstücke der stalinistischen Weltanschauung ersetzt, die sie den indischen Entwicklungen überstülpten.332 Er wolle, sagt es Tursun-Zades Erzähler in den »Indischen Balladen«, nicht über die »indischen Magier und ihre Wunder«, nicht über Paläste vergangener Zeiten und auch nicht über »Tiger« schreiben. Seine Lyrik widmete sich stattdessen ganz der dramatischen Lage der Unberührbaren.333 »Indien ohne Wunder« betitelte Čečetkina konsequent ihre ebenso düstere wie klassenbewusste Darstellung, die 1948 erschien.334 In dieser Gesamtkonzeption nutzten sowjetische Berichterstatter insbesondere die katastrophale Situation der Unberührbaren in Indien, um das Versagen der britischen Kolonialmacht anzuprangern und eine 331 Vgl. Suslov an Molotov, 6.3.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, ll. 30 ff.; Abschlussbericht sowjetischer Delegation Asien-Konferenz, 7.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 405, ll. 18–28; Volgin, V Indii, S. 54. 332 Vgl. u. a. Illustrationen in Tschetschekina, Indien, dazu die folgenden Anm. 333 Tursun-Zade, Indijskaja ballada (1947), in: ders., Izbrannye proizvedenija 1, S. 62–65. Vgl. Tursun-zade, Mesjac v Indii, in: ders., Izbrannye proizvedenija 2, S. 287–290, hier S. 289 f. 334 Tschetschetkina, Indien.

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massentaugliche Radikalerneuerung der indischen Gesellschaft und Politik zu fordern.335 Das Sujet erlaubte in sowjetischen Augen zudem eine kompromisslose Totalkritik an allen religiösen Momenten in Indien, die den notwendigen Änderungen im Land im Wege stünden.336 Die sowjetischen Exegeten hatten für die »unvermeidlichen«, im sowjetischen Text in ironische Anführungsstriche gesetzten, »heiligen Kühe«, für »glückliche Affen«, die Burka oder religiöse Rituale nur Unverständnis, Hohn und Spott übrig.337 Die politisch-ideologische Pauschalkritik nahm klassische Hierarchisierungen mit ihren latenten Ethnisierungen auf. Voller Herablassung zählte die Journalistin Čečetkina »Merkmale« auf, die »einer orientalischen Stadt eigen« seien: »schmutzige, enge Straßen, eine lärmende Menge, bis in die späte Nacht geöffnete Läden, wo man alles finden kann«.338 Auch der Asien-Experte Žukov hielt mit seinen Überzeugungen nicht hinterm Berg, wenn er allgemeine Desinfektionsmaßnahmen für Einreisende im britisch-indischen Karachi schilderte: »Offenbar sind die Flughafenbehörden überhaupt nicht mit den sanitären Bedingungen in der Sowjetunion vertraut, und ihnen dünkte, das das sowjetische Flugzeug in der Lage war, irgendwelche […] Mikroben nach Indien einzuschleppen«. Dabei war doch gerade Indien, echauffierte sich Žukov, Brutstätte der furchtbarsten Krankheiten!339 In all diesen Darstellungen hielt im Gegensatz zu den imperialistischen Mächten die UdSSR als wahrhaftige, sozialistische Kultur- und Zivilisationsmacht Lösungen für Indiens grassierende Probleme bereit.340 Durchdrungen von dem Bewusstsein, in Indien und gegenüber indischen Bürgern als Verkörperung einer qualitativ besseren Gesellschafts- und Lebensform aufzutreten, waren die sowjetischen Emissäre letztlich geradezu verpflichtet, ein überwäl335 Vgl. Abschlussbericht sowjetische Delegation Asien-Konferenz, 7.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 405, ll. 18–28; Položenie v Indii, in: Pravda, 14.8.1947, S. 4; Tursun-Zade, Indijskaja ballada (1947), in: ders., Izbrannye proizvedenija 1, S. 62–65; Žukov, V Indii 1; Volgin, V Indii, S. 59; Volgin, Poezdka, S. 25; Pavlovskij, Zametki, S. 129 f.; Tschetschetkina, Indien, S. 66 f. 336 Vgl. Pavlovskij, Zametki, S. 129. 337 Volgin, Poezdka, S. 21–24. Vgl. Volgin, Po gorodam, S. 33; Tursun-Zade, Mesjac v Indii, in: ders., Izbrannye proizvedenija 2, S. 287–290, hier S. 289 f.; Tschetschetkina, Indien, S. 87 f., 93 f., 135 f. 338 Zitate nach Volgin, Poezdka, S. 20 sowie Tschetschekina, Indien, S. 62 f., 126 f., 137 f. Vgl. Volgin, V Indii, S. 54; Pavlovskij, Zametki, S. 125 f. 339 Žukov, V Indii 1. 340 Vgl. Pavlovskij, Zametki, S. 125, 131; Tursun-Zade, Visjačij sad, Tadž-Machal, Zapadnyj gost’, Gang sowie Putešestvennik po Indii, in: Tursun-Zade, Izbrannye proizvedenija 1, S. 65–72, 76 f., 79–96; Tschtschekina, Indien, S. 61 f., 81 f.; Volgin, Po godoram, S. 30, 35; Volgin, V Indii, S. 68.

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tigendes Interesse und grenzenlose Begeisterung der indischen Seite für alles Sowjetisch-Russische zu notieren. Diese Form der Selbstbestätigung steigerte sich unter den Bedingungen des Stalinismus bis zur Realitätsverweigerung einer Autorenschaft, die sich und ihren Staat durch hymnische Verzückung legitimierte. Beim Wissenschaftskongress, so sowjetische Texte, hätten westeuropäische oder amerikanische Wissenschaftler der wissenschaftlichen und kulturellen Kraft der sowjetischen Gesandten nichts entgegenzusetzen gehabt. Der Sekretär der Wissenschaftsdelegation berichtete seinen Vorgesetzten im ZK zusätzlich, dass die Menschen im muslimisch geprägten Hyderabad voller Begeisterung über die Religionsfreiheit in der UdSSR seien. Demgemäß entdeckten andere Delegierte unter Liga-Anhängern eine »bedeutende Zahl von progressiven Elementen« sowie ein zunehmendes »Interesse am Fortschritt der sowjetischen asiatischen Republiken«.341 Die sowjetischen Reisen wurden in dieser Art der Berichterstattung zum Triumphzug hochstilisiert. Für interessierte Neugier, geschweige denn für Bemühungen, ein fremdes Land und seine Bevölkerung kennen und verstehen zu lernen, für Interaktion und Austausch gab es hier weder Muße noch Veranlassung. Im Gegenteil: Am Schönsten, das bestätigten sowjetische wie indische Bürger, war es ohnehin im sozialistischen Heimatland. »Es ist doch so«, resümierte Čečetkina: »Wir leben, arbeiten und kämpfen und lieben und sind von alledem so begeistert, dass wir die Erde nicht bemerken, auf der wir schreiten, nicht die Luft, die wir atmen. Und verpflanzt man uns eines Tages auf einen anderen Boden oder setzt man uns in ein anderes Zimmer, in dem keine Luft ist, dann wird es uns plötzlich quälend klar, dass alles, was uns Freude und Glück bereitete, was unsere Hoffnungen und eine lichte Zukunft in sich schloss, unser Land, unsere Erde, unsere Luft war, ohne die wir weder leben noch arbeiten, noch lieben können. […]. Dieses Gefühl erfährt der Sowjetmensch, der gelegentlich ins Ausland kommt. Dort eröffnet sich vor ihm in ihrer ganzen Nacktheit die alte hässlische, kapitalistische Welt, und dadurch wird ihm unsere Welt, unsere junge, helle, sowjetische Welt noch schöner und teurer.«342 »Wir erfuhren auch«, spann Žukov den Faden fort, »dass viele dieser Menschen [in Indien] von der Existenz eines wunderbaren Landes im weiten Norden gehört hatten, in dem es keine Kasten gibt und in dem alle Menschen gleich sind – das Land Lenins.«343 341 Abschlussbericht Delegation Asien-Konferenz, 7.5.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 405, ll. 18 ff. Vgl. Suslov an Molotov, 6.3.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1068, ll. 30 ff.; Volgin, Poezdka, S. 23; Volgin, Po gorodam, S. 35; Tschetschekina, Indien, S. 90, 123 f. 342 Tschetschetkina, Indien, S. 241 f. 343 Žukov, V Indii 1.

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Der Triumph der sowjetischen Ordnung wurde zur Verheißung, die sowjetischen Triumphatoren wurden zu Propheten einer besseren Welt. Die auch in den osteuropäischen Volksdemokratien publizierte Čečetkina kleidete ihr quasi-­religiöses Missionsverständnis in passende Worte: »[I]ch habe euch doch von dem Land erzählt, wo alle Menschen gleich sind. […]. Die Frauen hoben ihre Kinder auf die Arme und streckten sie mir entgegen und baten mich um meinen Segen für ihr Glück.«344 Nach erfülltem Auftrag traten die Künder der neuen Welt ihre Himmelfahrt nach Moskau an: »In das sowjetische Flugzeug steigen die Passagiere ein. Georgier, Azerbajdžaner, Armenier, Kazachen, Uzbeken, Tadžiken, Turkmenen, Kirgisen, Russen … Verschiedene Nationalitäten, aber alles sowjetische Menschen – Genossen und Brüder. Und wir sehen, mit welchem Neid Dutzende Augenpaare der hier, auf indischem Boden, Zurückbleibenden, auf uns schauen.«345 Ein paar »Dutzend Augenpaare« – wohl unbeabsichtigt gestand Žukov ein, dass die Propheten kaum Jünger zurückließen. In den Begegnungen von 1947 zeigte sich, dass im Kern die Akteure beider Seiten mit ihrem spezifischen Gepäck von Erwartungen und Ansprüchen zur offenen Interaktion, zu Austausch, zu Lern- oder gar Adaptionsprozessen nur sehr bedingt in der Lage waren. Selbst der Bestand an faktischem Wissen über den Anderen änderte sich durch die ersten Zusammentreffen nicht wesentlich. Die hybride Überheblichkeit auf sowjetischer Seite ließ sich nicht mit den Bildern, die indische Betrachter von sich oder dem Gegenüber zeichneten, in Deckung bringen. Auch durch eine vorsichtig-zurückhaltende Anerkennung wirtschaftlicher oder sozialer Erfolge in der UdSSR wurden indische Vertreter nicht zu überzeugten Stalinisten bekehrt. Die sowjetische Gewissheit, für Indien passende Ziele und Methoden des nation building bereitzuhalten, das sich dem sowjetischen empire building untergeordnet hätte, fand in Indien außerhalb der kommunistischen Bewegung keine Unterstützung.346 Zahlreiche indische Vertreter konstatierten vielmehr eine tiefe Kluft zwischen eigener Perzeption und sozialistischem Anspruch. Vor allem aber lehnte es das Gros der indischen Akteure ab, das eigene Selbstbewusstsein und Nationalprogramm sowjetischen imperialen Expansionswünschen zu opfern. Die konkreten Beziehungen in Politik, Wirtschaft und Kultur entwickelten sich unter den Bedingungen dieser deutlich wahrgenommenen Gegensätze. 344 Tschetschetkina, Indien, S. 67 f. Vgl. ebd., S. 90, 129 f., 243 f.; Žukov, V Indii 1. 345 Žukov, V Indii 2. 346 Vgl. Dayal, A life, S. 125; ToI, 9.1.1947, S. 7; 14.1.1947, S. 3; Einzelmeldungen 8.–15.8.1947; 23.12.1947, S. 9; 27.12.1947, S. 10.

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3.3. Politik: Diplomatie und Parteibeziehungen Der Lackmustest, inwieweit innere wie internationale Zielvorstellungen beider Seiten – der international ausstrahlende Nationalismus indischer Prägung sowie die sozialistische Zivilisierungsmission des sowjetischen Imperiums – im politischen Alltag zu vereinbaren waren oder neben- bzw. sogar miteinander existieren konnten, erwies sich als aufwendiges Verfahren.347 Das Verhältnis wurde dabei zwangsläufig von tagesaktuellen sowie mittelfristigen Anforderungen in verschiedenen Bereichen und Kontaktfeldern beeinflusst. Beide Seiten wogen Chancen und Risiken ab, die intensivere bilaterale Beziehungen unter den Bedingungen des Kalten Kriegs sowie regionaler Dynamiken in Asien und angesichts wesentlicher Herausforderungen im Innern für relevante innen-, gesellschafts-, wirtschafts-, kultur- und außenpolitische Bestandteile des nationalen bzw. imperialen Projekts bergen konnten. Der neue Staat Indien sah sich an allen Ecken und Enden mit existentiellen Herausforderungen konfrontiert. Die Basisversorgung der Bevölkerung war in keiner Weise gesichert, infrastrukturelle, wirtschaftliche und gesellschafts- wie bildungspolitische Grundlagen für jede Spielart von Entwicklungspolitik nur in Ansätzen vorhanden. Der Verlust von Millionen Menschen, die in Indien keine Heimat sehen wollten oder konnten, riss große Lücken in das Gemeinwesen. Zugleich mussten ungeachtet der prekären Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse Millionen, die aus Pakistan geflohen oder vertrieben worden waren, kurzfristig mit dem Lebensnotwendigsten versorgt und auf Dauer in die indische Gesellschaft integriert werden. Im selben Zeitraum waren die verfassungspolitischen Fundamente und Grundziele der neuen Gesamtgesellschaft abschließend zu definieren. Die Endversion der indischen Verfassung nahm sozialpolitische Postulate sozialdemokratischer Prägung nur als Empfehlungen auf. In den folgenden Jahren zeigten etwa die nur halbherzige Inangriffnahme notwendiger Reformen in der Landwirtschaft, erbitterte Debatten über den Stellenwert hinduistischer Gepflogenheiten in der Kasten- und Familienpolitik sowie Verzö347 Vgl. Subok/Pleschakow, Der Kreml; Zubok, A failed empire; Roberts, Stalin’s wars; Hopf, Reconstructing; Chandra/Mukherjee/Mukherjee, India; Guha, India; Brass, The new Cambridge history IV,1; Brecher, Nehru; Brecher, India; Metcalf/Metcalf, A concise history; Gopal, Nehru 2–3; Brown, Nehru (2003); Zachariah, Developing India; Zachariah, Nehru; Jaffrelot, The Hindu nationalist movement; McMahon, The cold war; McGarr, The cold war; Wainwright, Inheritance; Singh, The limits; Malone/Raja Mahon/Raghavan (Hg.), The Oxford handbook; Heinzig, Die Sowjetunion; Chen, Mao’s China; Shen/Xia, Mao; Jersild, The Sino-Soviet alliance.

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gerungen in fundamentalen bildungspolitischen Maßnahmen, wie gewaltig die Gräben innerhalb der indischen Nation und wie dürftig materielle Ressourcen, die zu ihrer Überwindung beitragen konnten, waren. In diesen Prozessen musste der INC als maßgeblicher Träger der früheren Unabhängigkeitsbewegung erst noch beweisen, ob er sich eine breite Basis, Geschlossenheit, Anziehungs- sowie Durchschlagskraft erhalten konnte, nachdem der allgemeine Erzfeind – das British Empire – verschwunden war und die langjährigen Debatten über die politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Ausformung der Selbständigkeit der indischen Nation zur definitiven Entscheidung anstanden. Parteipolitisch gewendet: Der Kongress musste zeigen, dass er im angestrebten demokratischen Regierungssystem zur staatstragenden bzw. mehrheits- und konsensfähigen Partei taugte. Gegen nationalistisch-hinduistische, reaktionäre Fliehkräfte in Partei und Gesellschaft wehrte sich die INC-Führung einstweilen mit einer Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche. Doch es war die CPI, die in dem Beweisverfahren eine besonders radikale Gegenposition vertrat. Sie verwarf kategorisch alle Vorstellungen des INC bezüglich der eigentlichen Ziele der Unabhängigkeit. Konsequenterweise war es die CPI, die als erste die Zentralmacht vehement herausforderte. Wie in der Innenpolitik, so befand sich die Partei auch hinsichtlich der internationalen Beziehungen in Fundamentalopposition zu den im INC vertretenen Konzeptionen. Die hier nur angerissenen Diskussionen und Problemlagen waren im allgemeinen Verständnis eng mit den Bemühungen um Herstellung und Sicherung der staatlichen Integrität verwoben, mehr noch: Es lag wiederum an der Regierungspartei und ihren Spitzen, zu demonstrieren, dass sie zu ihren Bedingungen Zusammenhalt, Sicherheit sowie die internationale Anerkennung einer unabhängigen und globalen Rolle erreichen konnten. In diesem Zusammenhang war zunächst die Eingliederung der Fürstenstaaten zu bewältigen. Konflikte mit und um Junagadh oder Hyderabad sowie der ererbte Sonderstatus verschiedener Grenzgebiete ließen erahnen, dass die Stabilität auch in dieser Sphäre in den kommenden Jahren nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden durfte. In den indisch-pakistanischen Auseinandersetzungen um Jammu und Kashmir bündelten sich schließlich die vielschichtigen Reibungspunkte, die sich vor und während der Teilung mit der Liga respektive mit Karachi angehäuft hatten. Dabei setzte Pakistan nach anfänglichem Schwanken ab Anfang der 1950er-Jahre immer mehr darauf, sich vor allem den USA als antikommunistisches Bollwerk zu empfehlen, um Unterstützung gegen den großen Nachbarn Indien zu erhalten.

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Die führenden Staaten in den UN handelten in diesem Dauerkonflikt indischer Überzeugung nach nie als objektive Mediatoren, sondern ließen sich in ihrer Herangehensweise von überkommenen machtpolitisch-kolonialen Denkweisen sowie von ihren Interessenlagen im Kalten Krieg leiten. Und in der Tat: Sowohl Großbritannien als auch die USA verfolgten das Ziel, den Subkontinent möglichst als Ganzes für eigene Zwecke zu nutzen. Für Großbritannien war eine enge, im Commonwealth institutionalisierte Verbindung zu Indien wie Pakistan notwendig, um weiterhin trotz aller Schwächen den eigenen Anspruch auf Weltmachtstatus glaubwürdig aufrechterhalten zu können. Zudem erwies sich die Region als wichtiger Bestandteil einer antisowjetischen strategischen Offensiv- und Defensivplanung. Starke wirtschaftliche Interessen Großbritanniens sprachen ebenfalls für Londons anhaltendes Engagement in Delhi und Karachi. Dabei war eine klare Front gegen den islamischen Staat angesichts der prekären Stellung im Mittleren Osten in Londoner Augen zu vermeiden. Washington unterstützte britische geostrategische Überlegungen. Mit dem vermeintlichen Verlust Chinas, dem Koreakrieg, angesichts der Differenzen, die innerhalb des eigenen Bündnisses hinsichtlich der besten Vorgehensweise gegen den Kommunismus spürbar wurden und mit Blick auf eigene Exportmärkte verstärkten die USA ab Ende der 1940er- respektive Anfang der 1950er-Jahre ihre Aktivitäten in Südasien. Bis 1954/1955 erreichte Washington die Einbindung Pakistans in seine erweiterte Militär- und Bündnispolitik gegen die UdSSR und China. Es war Delhi unmöglich, außenpolitische Konzeptionen der Außenwelt zu ignorieren, wenn man auf internationaler Bühne einen aktiven Part spielen und die internationale Marschrichtung grundlegend beeinflussen wollte. Vielmehr musste man diese stets in eigene Überlegungen und Maßnahmen einbeziehen. Ob in diesen Aktivitäten eigene, ›asiatische‹ Konzeptionen dauerhaft trugen, das erprobte die indische Außenpolitik seit Ende der 1940er-Jahre an China. In Peking selbst setzte derweil Mao darauf, sein Reich nicht nur unumkehrbar auf einen sozialistischen Weg zu setzen, sondern diesem revolutionären Staat eine zentrale – in Pekinger Sicht ädaquate – Position in einer Staatenordnung, die gegen den Widerstand vor allem der imperialistischen Mächte im revolutionären Umbruch stand, zu sichern. Die UdSSR hatte 1947 die Kriegsfolgen längst nicht überwunden. Stalin räumte der gesellschaftlichen Erholung und Gesundung keine Priorität ein. Er forcierte stattdessen Regeneration und Ausweitung staatlicher Machtmittel. Der schwer- und rüstungsindustrielle Auf- und Ausbau schien bis Anfang der 1950er-Jahre gelungen zu sein. Die volkswirtschaftlichen und gesamtgesell-

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schaftlichen Kosten waren enorm und mochten das sozialistische Großprojekt bis an die äußerste Grenze belasten, ja erdrücken. Stalins Nachfolger setzten daher gerade in diesen Bereichen auf Kurskorrekturen. Sie stellten jedoch die Grundannahmen stalinistischer Politik zunächst nicht in Frage. Daher hatten sie an mehreren Fronten zugleich Mittel bereitzustellen und auf Höchstleistungen zu drängen. Es galt weiterhin, im Innern und, auf lange Sicht, im globalem Maßstab die selbstdefinierte Blüte gesellschaftlicher Entwicklungen zu erreichen. Zu diesem Zweck war das sozialistische Gesamtprojekt gegen äußere, sprich: kapitalistische Gegenwirkungen zu sichern, in enger Wechselwirkung mit der Schaffung der Bedingungen für eine sukzessive Ausdehnung in alle Himmelsrichtungen. Zur internationalen Positionssicherung und -erweiterung im Lagerwettkampf betrieb das stalinistische Moskau unter anderem die rücksichtslose Unterordnung der osteuropäischen Volksdemokratien. In Asien setzte Stalin darauf, sich des neuen Chinas als Juniorpartner zu versichern und vielversprechende Perspektiven in Korea auszunutzen. Zum Äußersten, zum sowjetisch-amerikanischen Krieg, wollte er es nicht kommen lassen. Sowjetische Bemühungen in den frühen 1950er-Jahren, die beispielsweise im Rahmen der Friedenskampagnen die eigene Politik einer breiteren Öffentlichkeit im Ausland schmackhafter machen wollten, blieben unter Stalin weitgehend taktischer Natur. Ob sie bei einer längeren Lebenszeit des Diktators dazu geführt hätten, sowjetische Außenbeziehungen dauerhaft aufzulockern oder gar grundsätzlich neu auszurichten, ist vollkommen ungewiss. Bis März 1953 eröffnete Stalins Außenpolitik, die sich fortgesetzt rigide gegen alle kapitalistischen oder unentschlossenen Staaten stellte, dem sowjetischen Imperium keine echten Erfolgsaussichten. Stalins Nachfolger machten sich daran, die größten Selbstblockaden aufzulösen. Hierfür boten die begrenzten Neuerungen Stalins Anknüpfungspunkte. Es blieb in Moskau jedoch bis Mitte der 1950er-Jahre umstritten, ob sich aus der größeren internationalen Geschmeidigkeit der Wille und die Fähigkeit zu echten Kompromisslösungen ­entwickeln sollte. 3.3.1. 1947 bis 1949: Auftakt mit Hindernissen In der neuen indischen Führung unterstrich nicht nur der alte und neue Außenminister Nehru wiederholt, dass die indische nationale Prioritätensetzung in eine eigenständige, aktive Außenpolitik münden müsse. Es war gewollt, dass sich die indische Politik gegen imperiale Ambitionen stellte. Das Missfallen

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beider Protagonisten der globalen Systemkonkurrenz nahm dieser Anspruch billigend in Kauf.348 Für die indische Diplomatie erwies es sich jedoch als recht schwierig, die in Nehrus Konzeption miteinander verwobenen, kurz-, mittel- und langfristigen Zielsetzungen von Unabhängigkeit und Antikolonialismus, Antirassismus, gesamtasiatischer Gemeinschaft, globaler Friedenspolitik und weltweiter Kooperation unter den gegebenen Bedingungen in die Praxis umzusetzen.349 Dies machte sich beispielsweise noch 1947 in den UN bemerkbar. Sie wurde von den Blöcken bereits jetzt vornehmlich als Kampfarena genutzt. Dadurch bestand die Gefahr, dass das indische Abstimmungsverhalten in den Sog dieser Auseinandersetzungen geriet.350 Zudem erwiesen sich generelle indische Hoffnungen auf eine Weltorganisaton, die dräuende Friedensprobleme kooperativ anging, als wenig fundiert. Sie waren mit der scharfen sowjetischen Ablehnung der UN als angeblich amerikanischem Instrument unvereinbar. Sowjetischen Delegierten ging es in den UN-Gremien nur noch darum, vermeintliche imperialistische Manöver zu »entlarven«, sowjetische Leistungen auf allen Feldern zu propagieren und ihre Veto-Macht in der Organisation zu verteidigen. Den klarsten Ausdruck fanden die unterschiedlichen Zugänge aus Delhi und Moskau in Debatten um die Aufnahme neuer Mitglieder. Der sowjetischen Diplomatie war es vollkommen gleichgültig, dass die eigene Blockadepolitik in dieser Frage diametral indischen Vorstellungen zuwiderlief, die der UN globale Repräsentativität und Relevanz verschaffen wollten.351 348 Vgl. Nehru vor Constituent Assembly, 4.12.1947 und 8.3.1948, SWNJ 2, Vol. 4, S. 594–603 sowie Vol. 5, S. 495–507; V. L. Pandit an Bajpai, 9.10.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 55; K. P. S. Menon an V. L. Pandit, 10.5.1948, ebd., 2, 9; Nehru vor AICC, 24.4.1948, SWJN 2, Vol. 6, S. 163–165. 349 Vgl. neben Kap. 3.1.2. und 3.2. Nehru vor Constituent Assembly, 18.11.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 590–592; Rundfunkansprache Nehru, 7.9.1946, in: Nehru, India’s foreign policy, S. 1–3; Nehru an Krishna Menon, 5.5.1946, NMML, J. N. Papers (M. O. Mathai), 2 A; Nehru an V. L. Pandit, 14.11.1946, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1946–1950; Nehru an INC, NWFP, Abdul Ghaffar Khan, 30.6.1947, SWJN 2, Vol. 3, S. 287–291; Vorlage Nehru für Presidential Address, 2.12.1948 (18.12.1948), SWJN 2, Vol. 8, S. 325–328. 350 Vgl. V. L. Pandit an Bajpai, 9.10.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 55; Nehru an Chief Ministers, 16.8.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 175–187, hier S. 186; Kap. 2.2; Gupta, Stalin’s policy, S. 70 f., 87–89; Imam, Ideology, S. 30 f.; Lee, The Korean war, S. 29–31. 351 Vgl. Molotov an Berija, 31.5.1948, AVP, f. 7, op. 21–k, papka 54, d. 4, ll. 1 f.; Direktiven für Delegationen 3. Sitzungsperiode ECAFE bzw. 7. Sitzung ECOSOC, 1.6.1948, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39, ll. 62 ff., 84 ff.; Gromyko im Sicherheitsrat, 20.1. und 26.5.1948, United Nations, Security Council (UN SC), Official Records 3rd year, 230. und 305. Sitzung; Aufzeichnung Gespräch Trygve Lie mit Under-Secretaries General, 4.3.1947, UNA, S-0847, Box 1, File 2; Nehru an V. L. Pandit, 15.3.1949, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54; Beschlüsse Politbüro, 17.9.1948,

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Die UN-Debatten über globale Fragen lieferten zu dem negativen Bild, das man sich im Kreml von der indischen Unabhängigkeit machte, nur einen weiteren Mosaikstein. Moskau hatte nach 1945, wie gesehen, das zukünftige Indien als eine internationale Größe betrachtet – ob als positive oder negative, war weniger eindeutig. Die sowjetischen Beobachter gingen realistischerweise davon aus, dass die britische oder amerikanische Politik in Indien ihre Position halten bzw. Fuß fassen wollte. In den Augen des MID erlaubte die Teilung des Subkontinents in zwei zerstrittene Staaten sowie ihr dominion-Status Großbritannien, »in maximaler Stufe seine wirtschaftlichen und politischen Positionen zu bewahren und für den Aufschwung der demokratischen Kräfte der Völker Indiens in ihrem Kampf für tatsächliche Unabhängigkeit neue Hindernisse zu schaffen«.352 Zugleich registrierten sowjetische Experten übersensibel tatsächliche und vermeintliche Bemühungen der USA, sich mittels Finanzpolitik und Propagandamaßnahmen in Indien festzusetzen.353 Vor diesem Hintergrund maß die sowjetische Politik den früheren Annäherungen der Interimsregierung an die UdSSR keine bleibende Bedeutung bei.354 Man ging vielmehr davon aus, dass die neue indische Regierung doch wieder dem anglo-amerikanischen Block folgen würde. Einseitige Gesten »für die Sache des Friedens«, das heißt zugunsten der UdSSR, wie sie der sowjetischen Führung vorschwebten, lagen tatsächlich außerhalb der Vorstellungen der indischen Außenpolitik.355 CPI-Funktionär Dange lag im August 1947 sicherlich nicht ganz falsch, wenn er davon ausging, dass Nehru in der Politik gegenüber der Sowjetunion »alles dafür tun« würde, »um enge freundschaftliche Beziehungen zur UdSSR als Staat herzustellen, aber dabei keinen sowjetischen Einfluss in Indien zuzulassen«.356 Sowohl die indische als auch die sowjetische Diplomatie agierte demgemäß 10.2. und 5.11.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39 und 40 sowie op. 3, d. 1078; Gesundheitsministerin Kaur an Novikov, 20.2.1949, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 5, l. 14; Nehru an Krishna Menon, 24.6.1949, SWJN 2, Vol. 12, S. 427 f. Allg. vgl. Barros, Trygve Lie, S. 3–44, 49 ff., 242 ff.; Dallin, Sowjetunion, S. 7–39, 90 f.; Bosco, Five to rule, S. 17 f., 54 ff.; Luard, A history 1, S. 31 ff., 88 ff., 98 ff.; Gaglione, The United Nations, S. 2 ff., 50 ff., 79 f.; Moeller, Die UNO-Politik; Gaiduk, Divided together, S. 43 ff.; Bhagavan, A new hope; Ryan, The United Nation, S. 38 f., 43–49. 352 K. Michajlov an Vyšinskij, 8.8.1947, AVP, f. 7, op. 12, papka 21, d. 264, ll. 1 ff. 353 Vgl. Informationsbericht 7. Verwaltung Politische Hauptverwaltung Streitkräfte, 31.12.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 630, ll. 7 ff. Zur ursprünglichen Zurückhaltung der US-Politik vgl. McMahon, The cold war, S. 13–56; McGarr, The cold war, S. 39–43; Brands, The specter, S. 39 f. 354 Vgl. Kap. 2.2. 355 V. L. Pandit an Nehru, 11.2.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57. Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 21.2.1948, SWJN 2, Vol. 5, S. 569 f.; Grady an SoS, 18.3.1948, FRUS 1948 V, S. 497 f. 356 Protokoll Gespräch Dange mit Ždanov u. a., 16.8.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 219– 229, hier ll. 222 f.

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äußerst zurückhaltend, was die Fortentwicklung der bilateralen Beziehungen anging.357 Die abweisende Haltung der UdSSR sowie die innenpolitische Herausforderung der Nehru-Regierung durch die CPI führten dazu, dass auch Nehru bald einen relativ nüchternen Blick auf die Chancen indisch-sowjetischer Kooperation entwickelte.358 Die indischen Kommunisten suchten nach dem Krieg eine Strategie, die der isolierten Partei trotz der starken dynamischen Unabhängigkeitsbewegung und regionalpolitischer Vielfalt den Griff nach der Macht ermöglichte. Der innerparteiliche Konflikt hierüber schlug sich in widersprüchlichen Verlautbarungen und Aktivitäten nieder. Im Zentralapparat setzte Generalsekretär Joshi auf eine Linie »loyaler Opposition« zur Interimsregierung, ohne Abweichler wie Ranadive oder G. Adhikari gänzlich mundtot machen zu können. In einzelnen indischen Regionen ließen lokale Kommunisten deutlich radikalere, revolutionäre Neigungen erkennen. Dagegen gingen viele Kongress-Vertreter mit Verboten und Verhaftungen vor. Nehru war im Sommer 1947 gesprächsbereiter, vorausgesetzt, die CPI würde seinem Verständnis der nationalen Gesamtaufgaben in Indien folgen.359 Da der INC unter Nehrus Führung an linksrevolutionäre wirtschafts- und gesellschaftspolitische Maßnahmen nicht einmal dachte, hielt der radikale CPI-Flügel mit der Unabhängigkeit die Zeit endgültig für gekommen, die Machtfrage neu zu stellen. Im Dezember 1947 setzte Ranadive im ZK der CPI eine völlige Neubewertung der Nehru-Regierung durch, auf dem zweiten Parteitag der CPI (28. Februar bis 6. März 1948) ergriff er gänzlich die Macht in der Partei. Der Parteitag verabschiedete eine ausführliche Political Thesis, die den neuen Konfrontationskurs ausformulierte. Die Delegierten riefen eine militante Endphase der »demokratischen Volksrevolution« in Indien aus. Um endgültig die demokratische Revolution und den Aufbau des Sozialismus zu verwirklichen, musste die Nehru-Regierung, in dieser Lesart nichts weiter als eine Vertreterin

357 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Molotov mit V. L. Pandit, 3.1.1948, AVP, f. 6, op. 10, papka 47, d. 639, l. 2; Aufzeichnung Gespräch Vyšinskij mit V. L. Pandit, 7.1.1948, AVP, f. 7, op. 21, papka 2, d. 24, ll. 1 f.; US-Botschafter Moskau, Smith, an SoS, 20.3.1948, über Gespräche mit V. L. Pandit, FRUS 1948 V, S. 499 f. 358 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Grady, 9.7.1947, SWJN 2, Vol. 3, S. 392 f. 359 Vgl. Protokoll Gespräch CIP-Delegation mit Malenkov u. a., 4.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 1 ff., hier ll. 19–22, 25; Nehru an Premier Madras, Reddiar, 25.7.1947, sowie Nehru an Innenminister Madras, Subbaroyan, 21.6.1947, in: SWJN 2, Vol. 3, S. 20, 236 f.; Rede Nehru, Delhi, 4.10.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 122–124.

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der indischen Bourgeoisie und Kollaborateurin des »imperialistischen Lagers«, hinweggefegt werden.360 Demgemäß pries Ranadive die blutigen Bauernunruhen in Telangana als wegweisend.361 Es handelte sich um Kämpfe in mehreren Distrikten des Fürstenstaats Hyderabad, die seit 1946 andauerten. Regionale CPI-Kräfte übernahmen dank organisatorischer Fähigkeiten und anfangs kluger Bodenreformen in »befreiten« Gebieten die Führung des Kampfs gegen Großbesitz und den ungeliebten Nizam von Hyderabad. 1948 radikalisierte die CPI in Telangana in Übereinstimmung mit dem Linksruck der Gesamtpartei ihre Bodenpolitik. Sie konnte zunächst ihre Machtposition im zerrütteten Fürstenstaat weiter ausbauen, entfremdete sich allerdings auf Dauer wichtigen Verbündeten in der bäuerlichen Oberschicht. Zudem griffen die Kommunisten zunehmend auf terroristische Mittel auch gegenüber der Zivilbevölkerung zurück. Im September 1948 rückte die indische Armee in Hyderabad ein, um den Beitritt des bedeutenden Gebiets zur Indischen Union zu gewährleisten. Die CPI, die sich 1947 noch für den Anschluss an Indien ausgesprochen hatte, setzte ihren angeblich revolutionären Feldzug nun gegen die Nehru-Regierung fort.362 Regierungskreise in Delhi und den Einzelstaaten werteten den Kurswechsel der CPI als klare Kampfansage, gefährdeten die radikalen kommunistischen Aktivitäten nicht nur in Hyderabad doch die nationale Aufgabe staatlicher Integration. Die Explosivität kommunistisch inspirierter Unruhen im angrenzenden Burma, aber auch in Malaya oder Indonesien steigerte zusätzlich die regierungsamtliche Sorge um die Stabilität des eigenen Staats.363 Die Amtsgewalt schlug daher brachial zu. In zahlreichen Staaten wurde die CPI und ihre Presse verboten, viele Mitglieder wurden mit oder ohne konkrete Beschuldigungen verhaftet und vielfach ohne Rechtsgrundlage lange in Haft gehalten. Die Regie360 Political Thesis, 6.3.1948, in: Rao (Hg.), Documents of the history of the Communist Party of India 7, S. 1–118. Vgl. weiter Materialien Sitzung ZK CPI, 7.–16.12.1947, und 2. Parteitag, 28.2.–6.3.1948, in: Basu (Hg.), Documents of the communist movement 5, S. 521–775. 361 Vgl. Overstreet/Windmiller, Communism, S. 271 f. 362 Vgl. Pernau, The passing, S. 319 f.; Sherman, The integration, S. 494 f., 506–512; Pavier, The Telengana movement, S. 95 ff.; Thirumali, Against Dora, S. 97 ff.; Phogat, Peasant movements, S. 171 ff.; Elliott, Decline; Dhanagare, Peasant movements. Zu weiteren Regionen vgl. Mukherjee, Communists, S. 401–417. 363 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 15.4., 1.7., 16.8. und 1.9.1948, 9.3. und 14.5.1949, SWJN 2, Vol. 6, S. 251–257, hier S. 255, Vol. 7, S. 325–333, hier S. 326 sowie Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 175–187, 193–200, 298–306, 340–353; Präsident Assam Congress Committee, Sarmah, an Patel, 10.5.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 517 ff. Zu Malaya/Burma vgl. Bayly/Harper, Forgotten Wars, 301–456, 461–466, zu Indonesien Boden, Die Grenzen, S. 71–82.

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rungen entließen streikende Angestellte des öffentlichen Dienstes und lösten Demonstrationen mit unverhältnismäßig großem und gewalttätigem polizeilichem Einsatz auf.364 Es war offensichtlich, dass sich in den Verfolgungen ein latenter antikommunistischer Furor der indischen Eliten austobte.365 Auch für Nehru war die Auseinandersetzung mit der aufständischen CPI mehr als eine Frage der inneren Sicherheit oder des Kampfes um die Konsolidierung einer nichtkommunistischen Demokratie. Letztlich betrachtete die gesamte indische Führungsmannschaft die Politik der CPI als einen erneuten Anschlag auf die fragile nationale Einheit, die für die von der Regierungspartei definierten nationalen Aufgaben so unabdingbar war. Die kommunistische Partei verging sich aus dieser Sicht – wie kommunale Organisationen im Land auch – an Zusammenhalt, Größe und Zukunft der indischen Nation und agierte schlicht »antinational«.366 Die, man darf hinzufügen: ›unindische‹, Gewalttätigkeit der Partei diskreditierte die vertretene Doktrin zusätzlich.367 Dagegen stand Nehru »als Person und als Kongress-Präsident […] für die Einheit Indiens«.368 Er und andere INC-Größen nahmen ohnehin für sich in Anspruch, den wissenschaftlichen Sozialismus weitaus besser zu verstehen als die KP-Angehörigen im Lande. Die Praxis der Partei sei rein destruktiv und faktisch »reaktionär«, da fortschrittshemmend, warfen sie der CPI vor.369 364 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 31.3.1948, SWJN 2, Vol. 5, S. 349; Information K. Novikov für MID, 5.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1187, ll. 20–45; Nehru an Chief Ministers, 1.4.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 94–101; Basu, Memoirs, S. 56–68; Gopalan, In the cause, S. 164 f., 177; Krishnan, Testament, S. 187–190; Overstreet/Windmiller, Communsim, S. 276–280, 292 f. 365 Vgl. Nehru an Patel, 19.11.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 525 f.; Nehru an Chief Minister Bihar, Sinha, 8.6.1948, SWJN 2, Vol. 6, S. 392; Nehru an Chief Minister Punjab, Bhargava, 1.5.1948 sowie an Gouverneur Punjab, Trivedi, 3.5.1948, ebd., Vol. 6, S. 388–390; Nehru an Chief Minister Westbengal, Roy, 13. und 23.5.1949, ebd., Vol. 11, S. 179, 183–185; Bandyopadhyay, Freedom, S. 54–56, 61–68; Gopal, Nehru 2, S. 70–73. 366 Vermerk Nehru, 28.6.1949, SWJN 2, Vol. 12, S. 369–374, hier S. 370. Vgl. Reden Nehru, Delhi, 4.10.1947, Sambalpur, 12.4.1948, und Kanpur, 28.9.1949, SWJN 2, Vol. 4, S. 122–124, Vol. 6, S. 2–5, sowie Vol. 13, S. 3–18, hier S. 8 f.; Nehru an Chief Ministers, 15.10.1947 und 1.3.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 1–5 sowie 2, S. 37 ff. Zur rechten Opposition vgl. Vermerk über Gespräch Nehru mit Shone, 30.9.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 237–240; Nehru an Chief Ministers, 7.12.1947 und 1.7.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 33 f., 141–152. 367 Vgl. Nehru an Lady Mountbatten, 7.11.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 301–303; Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 10. Sitzung, 19.10.1948, NAK, CAB 133/88. 368 Rede Nehru, Madras, 9.10.1952, SWJN 2, Vol. 19, S. 51–69, hier S. 65. 369 Presseempfang Nehru, 26.4.1948, SWJN 2, Vol. 6, S. 8–12, hier S. 10. Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 5.5.1948, ebd., S. 500 f.; Rede Nehru vor Bauern-Konferenz, 19.12.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 24–26; britische Botschaft Moskau an Attlee, 6.1.1948, BLIOR, L/PS/12/4639A.

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Indiens Verhältnis zur UdSSR konnte von diesen Konflikten nicht unberührt bleiben. Selbst Nehru und andere Diplomaten, die im Unterschied zu Patel die innenpolitische Auseinandersetzung mit der CPI nicht von Vornherein als Kreuzzug gegen den Kommunismus schlechthin aufgefasst hatten, vermuteten bereits 1948 starke sowjetische Einflüsse auf die CPI. Der indische Kommunismus, legte der Premier noch 1953 nach, »sei nahezu ein Agent einer fremen Macht«, der mehr deren Interessen als die des eigenen Landes im Auge habe.370 Zu diesen Einschätzungen trugen im Übrigen nicht zuletzt Meldungen des indischen Nachrichtendienstes bei.371 Im Umkehrschluss machte sich etwa Botschafterin Pandit Hoffnungen, über eine Verbesserung der indisch-sowjetischen Beziehungen die CPI zu beruhigen.372 Indische Führungskräfte und Behörden hatten mit derlei Überlegungen Recht und Unrecht zugleich. Richtig war, dass hinter dem Besuch Danges in Moskau 1947 eine Bitte des CPI-Generalsekretärs Joshi um »brüderliche Hilfe«, das heißt um »Ratschläge in den wichtigsten Fragen von Politik und Taktik unter den neuen und äußerst schwierigen Bedingungen«, stand, und richtig war auch, dass Ždanov Dange einzelne sowjetische Vorschläge zur Parteiarbeit präsentierte.373 Die sowjetische Partei sprach sich in diesen Beratungen allerdings gegen bombastische Losungen sowie gegen übereilte Maßnahmen der CPI aus und warnte davor, die wichtige indische Bauernschaft »zu verschrecken«. Ungeachtet der völlig unterschiedlichen Handlungsbedingungen hob Ždanov das Beispiel nordkoreanischer Kommunisten lobend hervor, die in einer »volksdemokratischen« Koalitionsregierung die Zügel in der Hand hielten. Näher an den indischen Realitäten war ein anderer Punkt Ždanovs. Ohne die, eingestandenermaßen langwierige Beseitigung der »archaischen« »reaktionären Kastenbeziehungen hielt Moskau sozialistische »und selbst demokratische Umwälzungen« in Indien für wenig wahrscheinlich. Zudem erkannte der ZK-Apparat die besondere Unterstützung, die Nehru »im Volk« genoss, als weiteres Hindernis

370 Nehru vor Angehörigen IAS u. a., 13.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 71–83, hier S. 75. 371 Vgl. Jayaram an MEA, P. A. Menon, 16.10.1948, NAI, 1 (19)-Eur. II; Patel an Nehru, 6.1.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence, S. 25 f.; Nehru an Home Minister, 1.6.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 636; Gupta, Stalin’s policy, S. 103–105. 372 Vgl. britische Botschaft Moskau an Attlee, 6.1.1948, BLIOR, L/PS/12/4639A; Aufzeichnung Gespräch Molotov mit Pandit, 30.3.1948, AVP, f. 6, op. 10, papka 47, d. 639, ll. 5 f. 373 Baranov an Ždanov/Suslov, 2.8.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 195 ff. Vgl. Protokolle Gespräche Dange mit OVP sowie mit Ždanov, 24.7. und 6.9.1947, ebd., ll. 202 ff., 230–234.

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für die CPI.374 Die Beratungen von August 1947 führten zweierlei vor Augen. Wenngleich die sowjetische Führung die Regierung Nehru sehr kritisch betrachtete, so setzte doch niemand im Kreml auf eine baldige sozialistische Revolution in Indien. Daher nutzte die VKP (b) im Februar 1948 die geradezu legendäre Jugendkonferenz südostasiatischer Länder in Calcutta auch nicht dazu, die CPI mit Aufstandsanweisungen zu versorgen.375 Die indischen Kommunisten wurden in Moskau, »in Verbindung damit, dass die indische kommunistische Partei keine Massenpartei ist (70.000 Mitglieder) und vergleichsweise geringen Einfluss auf die breiten Massen der Werktätigen Indiens hat«, nicht einmal der Teilnahme einer sowjetischen Delegation am CPI-Parteitag für würdig befunden.376 Das Versprechen Ždanovs, regere Kontakte zur indischen Bruderpartei zu pflegen, erfüllte Moskau bis Anfang der 1950er nicht.377 Ranadives Kurs in Richtung auf eine schnelle, gewaltsame Revolution in Indien war demnach nicht auf sowjetische Einflüsterungen zurückführen. In diesem wichtigen Punkt irrte man sich in indischen Amtsstuben also gründlich. Mehr noch: Die unübersehbaren Widersprüche zwischen indisch- und sowjetisch-kommunistischen Bewertungen der Gesamtsituation ließen erkennen, dass die Fassade des homogenen ›Weltkommunismus‹ feine Risse aufwies. Die Flügel der CPI versprachen sich in ihren Auseinandersetzungen von der kommunistischen Weltbewegung in dieser Zeit weniger verbindliche Kursbestimmungen als vielmehr prominente Argumentationshilfen im internen Fraktionskampf. Ranadive beispielsweise berief sich Anfang 1948 nicht auf Moskauer

374 Protokoll Gespräch Dange mit Ždanov, 16.8.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 219–229. Zu Nordkorea vgl. Armstrong, The North Korean revolution, S. 107–135; Ree, Socialism, S. 85– 186, 271 f.; Lankov, From Stalin, S. 1–48, 110–135. 375 Vgl. Konferenzbericht für Ždanov, 22.3.1948, ebd., op. 162, d. 39; ZK-Sekretär Komsomol, Michajlov, an Ždanov, 22.3.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 427, ll. 46–58; Beschluss Politbüro, 12.2.1948, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39; Efimova, Did the Soviet Union; McVey, The Calcutta conference; Themenheft von Journal of Southeast Asian Studies 40 (2009), Nr. 3, »The origins of the Southeast Asian Cold War«; Čavoški, Overstepping, S. 568 f.; Mišković, The pre-history, S. 189 f., 192. Nikolaj Aleksandrovič Michajlov, u. a. 1939–1971 ZK-Mitglied, 1938–1952 erster ZK-Sekretär Komsomol, 1952–1953 Leiter ZK-Abt. Propaganda und Agitation, 1955–1960 Kulturminister. 376 Suslov an Ždanov, 24.2.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, l. 6; Grußadresse Suslov an CPI-Parteitag, 28.2.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1175, l. 50. 377 Vgl. Protokoll Gespräch Dange mit Ždanov u. a., 6.9.1947, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1127, ll. 230–234.

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Direktiven, sondern auf die Unterstützung hochrangiger jugoslawischer Kommunisten, die Jugendkonferenz und Parteitag besucht hatten.378 Während im Innern indische Kommunisten das Nationalprojekt des INC vor erste Bewährungsproben stellten, drohten der Unabhängigkeit auf internationaler Ebene weitere Gefahren. Die Teilung Britisch-Indiens hob die früheren Konflikte zwischen INC und Liga auf eine zwischenstaatliche Ebene, mit hoher Sprengkraft für die innere Einheit der hinduistisch-islamischen Gesamtbevölkerung.379 Im MEA war man sich bewusst, dass der Konflikt um Kashmir nicht nur weitgehende nationalstaatliche Implikationen hatte, sondern zugleich eine Region mit geostrategischer Bedeutung im Kalten Krieg betraf. Für die britische Politik machte sich in Delhi Generalgouverneur Mountbatten für eine Vermittlungslösung stark. Es schien angesichts Nehrus grundsätzlicher Hoffnungen auf eine globale Entspannungspolitik ohnehin recht nahezuliegen, den Konflikt vor die Vereinten Nationen zu bringen.380 Eine direkte UN-Vermittlung barg aus indischer Perspektive allerdings die Gefahr, pakistanische Verantwortlichkeiten zu verwässern. Den Appell an den Sicherheitsrat wollte die indische Regierung daher als Versuch verstanden wissen, zusätzlichen Druck auf Pakistan auszuüben.381 Entgegen indischen Erwartungen behandelte die Mehrheit im Sicherheitsrat unter britischer Führung den Kashmir-Konflikt jedoch nur als ein Problem von vielen, die die indisch-pakistanischen Beziehungen belasteten. Der Kashmir-­ 378 Vgl. Sen, A traveller, S. 38 f.; Overstreet/Windmiller, Communism, S. 268 f.; Dedijer, Stalins, S. 24–33; Ra’anan, International policy formation, S. 111–113, 153; Ray, Sino-Soviet conflict, S. 7–10. 379 Vgl. Vermerk über Gespräch Nehru mit Shone, 30.9.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 237–240; Mountbatten an Chief of Staff, Ismay, 4.10.1947, Mountbatten Papers Database, MB1/D182/4. Zum indisch-pakistanischen Gesamtkonflikt vgl. u. a. Poplai (Hg.), India 1947–50 1, S. 276–346 sowie 2, 124–325; Appadorai (Hg.), Select documents 1, S. 73–389; Dasgupta, War; Rothermund, Krisenherd; Korbel, Danger; Lamb, Birth; Nawaz, The first Kashmir war; Schofield, Kashmir; Singh, Between two fires 2, S. 24–113; Raghavan, War, S. 31–148; Banerjee, India’s political unity, S. 123–142; Gopal, Nehru 2, S. 38–43; Burke/Ziring, Pakistan’s foreign policy, S. 16–60; Blinkenberg, India – Pakistan; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 121–137; Guha, India, S. 28–73. 380 Vgl. Nehru an Attlee, 25.10.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 274 f.; Nehru an Führer Nationalkonferenz Kashmir, Abdullah, 27.10.1947, ebd., S. 279–282; Nehru an indischen Gesandten Srinagar, Singh, ebd., S. 306 f.; Nehru vor Constituent Assembly, 25.11.1947, ebd., S. 340–345; Nehru an Chief Ministers, 5.1.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 42–47. 381 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Mountbatten mit Nehru, Liaquat u. a. indisch-pakistanischen Vertretern, 8.12.1947, SWJN 2, Vol. 4, S. 361–368; Nehru an Mountbatten, 26.12.1947, ebd., S. 399–403; Nehru an Attlee, 28.12.1947, ebd., S. 406 f.; Vermerk über Gespräch Mountbatten mit Nehru, 31.12.1947, ebd., S. 421.

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Konflikt stellte sich für Außenstehende keineswegs so eindeutig dar, wie man in Delhi wünschte. Das Gremium vermied eine klare Verurteilung Pakistans. Zudem setzten sowohl Großbritannien als auch die in Südasien noch zurückhaltenden USA darauf, die gesamte Region in eine antikommunistische Politik einzubinden, und Pakistan zeigte sich hinsichtlich dieser Strategie kooperativer. Bereits Anfang Februar 1948 zog Nehru enttäuscht Bilanz. »Our experience of international politics and the way things are done in these higher regions of the United Nations has been disappointing to the extreme […]. No doubt, all this will affect our international relations in the future.«382 Die UdSSR war zu diesem Zeitpunkt weder willens noch in der Lage, die mögliche Chance am Schopf zu packen. Die sowjetische Diplomatie verfolgte die Abläufe in Kashmir – und 1948 die Entwicklungen um Hyderabad – mit wachem Interesse, ergriff aber in dieser frühen Phase keine nachdrücklichen Maßnahmen.383 Die Debatten im Sicherheitsrat fügten sich aus sowjetischer Perspektive ganz in die globale Systemauseinandersetzung ein. Intern bewertete die UdSSR die Politik der Mehrheit als eindeutiges Votum pro Pakistan. Indiens kleiner Nachbar war in diesem Verständnis dazu auserkoren, unter anderem in Kashmir imperialistische Interessen abzusichern. Der Ausbruch offener Feindseligkeiten zwischen den neuen Staaten kam demnach dem britischen Einfluss in der Region entgegen. Beobachterkommissionen des Sicherheitsrats stützten einerseits die englisch-pakistanische Kollaboration ab, verschafften aber andererseits den USA Zugang zu militärstrategisch relevanten

382 Nehru an Chief Ministers, 5.2.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 56–62, hier S. 61. Resolutionen des Sicherheitsrats und der UNCIP, indische, pakistanische und UN-Verlautbarungen zusammengestellt u. a. in Poplai (Hg.), India 1947–50 1, S. 380–406 sowie Vol. 2, S. 425–545; Appadorai (Hg.), Select documents 1, S. 133–215. Vgl. McMahon, The cold war, S. 23–34, 54–70; Snedden, Would a plebiscite; Tremblay, Indo-US relations, S. 499–512; Singh, British diplomacy, S. 206–267; Jha, From Bandung, S. 178–191; Gandhi, Patel, S. 446–449, 475 f., 518 f.; Gopal, Nehru 2, S. 18–30; Ankit, The Kashmir conflict, S. 1–101; Husain, Mapping, S. 78–128. 383 Vgl. Materialsammlungen sowjetische Botschaft Delhi, 1947/48, AVP, f. 117, op. 1, papka 1, d. 10, ll. 26 ff. sowie f. 47, op. 3, papka 10, d. 25; Materialsammlungen MID, Abt. SOA, 1949–1950, AVP, f. 434, op. 3, papka 13, d. 49; op. 4, papka 12, d. 39 und papka 16, d. 16; op. 23, papka 45, d. 241; Gromyko an Vyšinskij, 29.1. und 10.7.1948, AVP, f. 117, op. 1, papka 1, d. 10, ll. 33 f., sowie f. 434, op. 3, papka 19, d. 29, ll. 24 ff.; Aufzeichnung Gespräch Molotov mit V. L. Pandit, 27.2.1948, AVP, f. 7, op. 21, papka 1, d. 3, ll. 1–3; Gromyko an Molotov, 19.3.1948, AVP, f. 117, op. 1, papka 1, d. 5; MID, Vermerk zur indisch-pakistanischen Frage im Sicherheitsrat, 7.6.1948, AVP, f. 434, op. 3, papka 19, d. 29, ll. 4 ff.; Ankit, The Kashmir conflict, S. 55, 115.

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Gebieten in unmittelbarer Nähe der UdSSR.384 Angesichts negativer Einschätzungen sowohl der indischen als auch der pakistanischen Regierung durch die UdSSR und mit Blick auf die faktische Machtlosigkeit im Sicherheitsrat konnte die sowjetische Zurückhaltung Moskaus Position in der Region gar nicht verschlechtern.385 Zugleich verbaute sich Moskau durch seine Zurückhaltung für die Zukunft keine theoretischen Chancen.386 Ob sich die Moskauer Strategen in ihrer frühen Kashmirpolitik tatsächlich von derlei langfristigen Überlegungen leiten ließen, muss bei der dürren Quellenlage jedoch Spekulation bleiben. Nehru zeigte sich von der Haltung Moskaus angetan. Dies war allerdings allein der Enttäuschung über anglo-amerikanische Positionen und nicht einer indisch-sowjetischen Verständigung zu verdanken.387 Im Kern waren der oberste indische Außenpolitiker und seine Gesandten in Moskau im Laufe des ersten Unabhängigkeitsjahres mit seinen stürmischen Ereignissen in Indien, Südasien und weltweit zu der Überzeugung gelangt, dass die Kombination von kommunistischen Expansions- und Hoheitsansprüchen auf der einen und Mechanismen des Kalten Kriegs auf der anderen Seite die asiatische Eigenständigkeit und Unabhängigkeit erheblich gefährdeten. Ein Nationalismus aber, der die Entwicklungsaufgaben des Landes meisterte, würde die Konkurrenz mit dem Kommunismus für sich entscheiden können.388 Für die bilateralen Beziehungen mit der UdSSR bedeutete dies, dass sich das außenpolitische Establishment in Delhi einschließlich Nehrus mit der sowjetischen Indienpolitik zunehmend schwertat. Er betrachte das »offizielle russische Verhalten« Indien gegenüber mit Unbehagen, ließ Nehru im Sommer 1948 seine Botschafterin in Moskau wissen. »Our attempts to increase friendly intercourse between India and the USSR have not met with any response in Russia.«389 Auch im Kreis der Commonwealth-Kollegen machte Nehru aus seinem Herzen keine Mördergrube. »Asian 384 Vgl. Ausarbeitung Oberreferent MID, Abt. SOA, Andreev, 9.9.1948, AVP, f. 117, op. 1, papka 1, d. 6, ll. 36 ff.; K. Michajlov an Molotov u. a., 23.5.1949, AVP, f. 7, op. 22, papka 35, d. 200, ll. 1 ff. 385 Vgl. Selby an CRO, Atkins, 8.7.1948, BLIOR, L/PS/4639B; Dayal an V. L. Pandit, 4.10.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3. 386 Vgl. Bajpai an V. L. Pandit, 11.5.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56; Gupta, Stalin’s policy, S. 98 f. 387 Vgl. Vermerk über Gespräch Nehru mit Mountbatten, 10.2.1948, SWJN 2, Vol. 5, S. 213; Nehru an Chief Ministers, 20.2. und 23.12.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 65–72, 246–254. 388 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 3. Sitzung, 12.10.1948, NAK, CAB 133/88; Dayal an K. P. S. Menon, 11.11.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3. 389 Nehru an V. L. Pandit, 21.6.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54. Vgl. Nehru an Lady Mountbatten, 7.11.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 301–303, hier S. 302.

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peoples had, […], no sympathy for Russian expansionist policies« – »[w]ether the expansion was Communist or Slavist or merely Russian, they did not like such expansionism and would oppose it.«390 Wenn Nehru derlei Ausführungen öffentlich oder vor Londoner und US-­ Diplomaten machte, schwang immer die Hoffnung mit, die anglo-amerikanischen Staaten selbst zu einer besonnenen Politik in Asien zu motivieren, die Ziele der Nationalbewegungen akzeptierte. Dies war gerade mit Blick auf Washington ein schwieriges Unterfangen. Generell zeigte sich 1948, dass Delhi in seiner Außen- und Wirtschaftspolitik nicht allzu viel von Stalins Opponenten zu erwarten hatte.391 Gerade die USA wiesen in indischen Augen vor allem in ihrer (Außen-)Wirtschaftspolitik klare »expansionistische Tendenzen« auf. Der in Indien wahrgenommene amerikanische Missionierungseifer verschärfte nicht nur die Spannungen zwischen Washington und Moskau, sondern hielt auch indische Eliten auf Abstand.392 Somit sah sich eine unabhängige indische Außenpolitik insgesamt schwierigen Bedingungen ausgesetzt. Daher formte sich im Kontext der Ablösung von Generalgouverneur Mountbatten im MEA langsam die Überzeugung, dass es verfehlt sei, gewachsene, neu formatierte Verbindungen mit der ehemaligen Metropole London radikal zu kappen. Das anstehende Bekenntnis zum »reaktionären Block« des Commonwealth erschien wiederum dem Kreml als außenpolitisches Pendant zur aggressiven indischen Hatz auf Kommunisten und alle, die dafür gehalten wurden.393 Die UdSSR nahm zu ungewöhnlichen Mitteln Zuflucht, um doch noch gegenzusteuern. Das MID arrangierte am 3. August 1948 ein Gespräch der indischen Botschafterin mit der sechsundsiebzigjährigen Aleksandra Kollontaj, ehemals Aushängeschild sowjetischer Gleichstellungspolitik und berühmte 390 Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 3. Sitzung, 12.10.1948, sowie 10. Sitzung, 19.10.1948, NAK, CAB 133/88. Vgl. Kaul, Reminiscences, S. 140–143; Nehru an Eisenbahnminister Ayyangar, 17.1.1948, SWJN 2, Vol. 5, S. 188–190; Vermerk Nehru, 28.6.1949, SWJN 2, Vol. 12, S. 369–374, hier S. 370. 391 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Parliamentary Under-Secretary Commonwealth Relations, Gordon-Walker, 30.1.1948, SWJN 2, Vol. 5, S. 203–205; Nehru an Patel, 21.5.1948, SWJN 2, Vol. 6, S. 453–455. 392 Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 10. Sitzung, 19.10.1948, NAK, CAB 133/88. Vgl. Kaul, Reminiscences, S. 140–143; Aufzeichnung Gespräch Vyšinskij mit Radhakrishnan, 7.4.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 20–22. 393 Zit. nach V. L. Pandit an Bajpai, 8.6.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56. Vgl. MEA an sowjetische Botschaft Delhi, 15.1.1949, 12.5.1950, 28.8.1951, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 2, l. 4, ebd., op. 3, papka 3, d. 2, l. 56 sowie ebd., op. 4, papka 4, d. 1, l. 89; sowjetische Botschaft Delhi an MEA, 4.3.1950, 14.5.1951, ebd., op. 3, papka 3, d. 1, l. 14 sowie ebd., op. 4, papka 4, d. 1, l. 48.

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femme fatale der Diplomatie. Unter Frauen listete Kollontaj sowjetische Wünsche an die indische Politik auf. Neben einer deutlichen Kritik an den Verfolgungen der »Kräfte von Fortschritt und Demokratie« in Indien verlieh Kollontaj vor allem dem sowjetischen Missfallen an der indischen internationalen Haltung Ausdruck. Indien solle doch endlich erkennen, so Kollontaj eindringlich, dass »die sowjetische Freundschaft« für Indien »viel wichtiger sei als die Freundschaft mit dem Westen«.394 Daneben tat der Kreml Nehru sein Missfallen über die indische Außenpolitik auch auf anderen, weniger prominenten Kanälen kund. In Delhi stieß Novikov bei mehreren Gelegenheiten nach und lockte mit unverbindlichen Versprechen, wenn sich Indien in Kashmir- und Hyderabadfragen an Moskau wenden würde.395 Auch Stalins Glückwünsche zum ersten Jahrestag der Unabhängigkeit signalisierten weitere Gesprächsbereitschaft der UdSSR.396 Die Mehrfachstrategie hinterließ in Delhi bestenfalls einen ambivalenten Eindruck. Sie änderte nichts an Nehrus grundsätzlichen Bedingungen für partnerschaftliche indisch-sowjetische Beziehungen. »It is just impossible for them [Soviet Union] to gain the goodwill or cooperation of India in anything by adopting bullying tactics«.397 Darüber hinaus blieb die globale Position Delhis von derlei Avancen unberührt. Es sei für Indien schlicht undenkbar, gab der Regierungschef im September 1948 der indischen UN-Delegation mit auf den Weg, sich in Krieg oder Frieden mit der UdSSR zusammenzutun.398 Allerdings hoffte Nehru weiterhin, im bilateralen Verhältnis zu Moskau eine Annäherung zu indischen Bedingungen zu erreichen. Der Premier, der sich in der Pflege internationaler Beziehungen einiges von persönlichen Treffen versprach, hatte frühere Reisepläne in die UdSSR schon allein wegen der dramatischen Umstände der Teilung nicht weiterverfolgen können.399 Im September 1948 suchte Nehru während der UN-Vollversammlung in Paris bewusst den 394 V. L. Pandit an K. P. S. Menon, 5.8.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 9. Vgl. Nehru an Krishna Menon, 19.8.1948, ebd., 1, 54. 395 Vermerk Nehru über Äußerungen K. Novikovs am 10.9.1948, 11.9.1948, SWJN 2, Vol. 7, S. 668 f. Vgl. Vermerk Nehru, 12.9.1948, ebd., S. 670 f.; Aufzeichnung Gespräch K. Michajlov mit Dayal, 24.9.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3; indische Botschaft Ankara an MEA betr. Gespräch mit sowjetischem Botschafter, 7.8.1948, NAI, 1 (34), EUR II/49; Naik, Russia’s policy, S. 30–38. 396 Vgl. AVP, f. 6, op. 10, papka 47, d. 636; Nehru an Pandit, 19.8.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54. 397 Nehru an Krishna Menon, 19.8.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54. 398 Vgl. Richtlinien für UN GA, 12.9.1948, SWJN 2, Vol. 7, S. 609–614, hier S. 614; Nehru an V. L. Pandit, 19.8.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54. 399 Vgl. Nehru an Kabinett, 6.11.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 296–300, hier S. 296; Kap. 2.2.

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persönlichen Kontakt zum sowjetischen Vertreter Vyšinskij.400 Dieser reagierte überraschend herzlich, wie V. L. Pandit feststellte. »Vyshinskij went all out to capture the P.M. and was so friendly I nearly collapsed. Several times I thought I must be dreaming. […]. P.M. was literally forced to drink all kinds of wine […]. What is more I believe he thoroughly enjoyed himself but keep it a dark secret.«401 Botschafterin Pandit hoffte, die neue Freundlichkeit bilateral nutzen zu können, zumal sich die sowjetische Diplomatie ihr gegenüber beeindruckt von Nehru gab.402 Die sowjetische Seite ließ es in der Folgezeit allerdings bei kleinen, unverbindlichen diplomatischen Gesten bewenden. Dass die indische Botschaft selbst Veröffentlichungen wie Čečetkinas »Indien ohne Wunder« zum Beleg für das wachsende sowjetische Interesse an Indien hochstilisierte, zeigt, wie weit man von einer Normalisierung der Verhältnisse entfernt war.403 Ungeachtet der gemischten Erfahrungen blickte das MEA Anfang 1949 optimistisch in die Zukunft. Nehru selbst hatte bereits aus Paris die Überzeugung mitgenommen, dass Indien von der internationalen Gemeinschaft als »potentielle Großmacht und insbesondere als eine, abgesehen von der UdSSR im Norden, dominante Macht in Asien« betrachtet und darob von allen Staaten freundlich behandelt werde.404 Daraus folgerte nicht nur Nehru, dass Delhi für Asien zumindest eine aktive Sprecherrolle zukam. Die Indonesien-Konferenz in Delhi im Januar 1949 belegte, dass sich die indische Politik und Diplomatie berufen fühlten, in vorderster Reihe von Delhi geprägte gesamtasiatische Interessen zu vertreten.405

400 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 26.9.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472: Correspondence with J. Nehru, 1946–1950; Nehru an Chief Ministers, 4.10.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 210–218. 401 V. L. Pandit an T. N. Kaul, 8.11.1948, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with V. L. Pandit. Vgl. Pressekonferenz Nehru in Delhi, 12.11.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 305–320, hier S. 311. 402 Vgl. V. L. Pandit an Dayal, 9.11.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3; Dayal an K. P. S. Menon, 21.10.1948, ebd.; Nehru an V. L. Pandit, 17.11.1948, ebd., 1, 54. 403 Vgl. Dayal an K. P. S. Menon, 11.11.1948 und 20.7.1949, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3 sowie NAI, 1 (68) Eur II/49; indische Botschaft Moskau an MEA, 10.11.1948, NAI, 1 (34) EUR II/49; Kap. 3.2. 404 Nehru an Patel, 27.10.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 284–288. 405 Vgl. Nehru an indischen Botschafter Jakarta, Yunus, 18.4.1948, SWJN 2, Vol. 6, S. 472–474; Nehru an Chief Ministers, 6.12.1948, 17. und 24.1., 3.2. und 2.10.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 230–245, 260–271, 470–479; Abschlussrede Nehru auf Indonesien-Konferenz, SWJN 2, Vol. 9, S. 169–172; Nehru vor Congress Working Committee, 16.12.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 331–335, hier S. 333; Dayal an K. P. S. Menon, 11.1.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II; Nehru an Patel, 6.9.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 81 ff.

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Moskauer Politiker und Funktionäre sahen die indischen Angelegenheiten nüchterner. Immerhin gestand Molotov Anfang 1949 der indischen Botschafterin zu, dass Indien, anders als etwa die Philippinen, nicht USA-hörig und -abhängig sei.406 Doch gerade die Indonesien-Konferenz kam amerikanischen Ansätzen erheblich mehr entgegen als sowjetischen. Dies unterstrich in der Wahrnehmung des Kremls die Gefahr, dass sich Delhi wieder einmal für imperialistische Zwecke, genauer: zur »Schaffung eines Blocks der asiatischen Staaten unter ideeller Führung des englischen und amerikanischen Imperialismus« instrumentalisieren ließ.407 Dies waren nicht die einzigen Diskrepanzen. In der Kashmirfrage hütete sich die sowjetische Diplomatie weiterhin, eindeutig Position zu beziehen, obwohl die indische Unzufriedenheit über die Politik der USA und Großbritanniens mit Händen greifbar war.408 Gerüchte über eine prosowjetische Einstellung des »Löwen von Kashmir«, Sheikh Abdullah, verärgerten Delhi mehr, als dass sie Moskau beeindruckten. Dort maß man Abdullahs sozialistischen Meriten oder linken Einflüssen im Staat nicht allzu viel Bedeutung bei und sah keinen Anlass für eigene Aktivitäten.409 Von der Reise in die USA im Oktober 1949 mochte sich Nehru auch versprechen, indisch-amerikanische Irritationen in der Kashmirpolitik zu bereinigen. Wichtiger war dem Premier jedoch, in Washington um Anerkennung für die unabhängige Stellung Indiens zu werben und eben nicht dem Drängen einiger Kabinettskollegen nachzugeben, die die indische Außenpolitik auf einen pro406 Vgl. Aufzeichnung Gespräch V. L. Pandit mit Molotov, 10.2.1949, NAI, 1 (33)-Eur. II sowie AVP, f. 6, op. 11, papka 14, d. 206, l. 1 ff. 407 Sektorleiter ZK-Abt. Internationale Information, Kozlov, an Ponomarev, 10.2.1949, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 631, ll. 57 ff. Vgl. Aufzeichnung Gespräch V. L. Pandit mit Molotov, 10.2.1949, NAI, 1 (33)-Eur. II; Presseauswertung indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 10.2.1949 sowie Bericht für erste Februarhälfte 1949, NAI, 35–R. & I. Zur Konferenz vgl. Gupta, Stalin’s policy, S. 115–119, 157–160; Frey, Dekolonisierung, S. 96 ff.; Boden, Die Grenzen, S. 52 ff.; Sawczuk, The Ukraine, S. 50–61. 408 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 2. und 16.9.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 448–469; US-Botschafter UN, Austin, an SoS, 16.1.1950, ebd., S. 1368 f.; Nehru an Krishna Menon, 9.1.1949, SWJN 2, Vol. 9, S. 157 f.; Khaled, Geopolitics; Khaled, The United States; Khaled, Indo-American disagreements; Korbel, Danger, S. 140–163. Sheikh Mohammed Abdullah, u. a. ab 1933 Präsident der Muslim-Konferenz resp. Nationalen Konferenz von Jammu und Kashmir, 1948–1953 Premier von Jammu und Kashmir. 409 Vgl. Vermerk Orestov, 11.1.1948, AVP, f. 117, op. 1, papka 1, d. 10, ll. 8–21; Vermerk MID, April 1948, AVP, f. 172, op. 1, papka 1, d. 4, l. 1; Patel an Nehru, 3.7.1950, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 10, S. 356–359; K. Michajlov an VPK, Baranov, 17.7.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 631, l. 1 ff.; K. Michajlov an Molotov u. a., 23.5.1949, AVP, f. 7, op. 22, papka 35, d. 200, l. 1 ff.; Nehru an Abdullah, 4.6.1949, SWJN 2, Vol. 11, S. 149 f.; Korbel, Danger, S. 206 f.; Ankit, The Kashmir conflict, S. 106.

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amerikanischen Kurs festlegen wollten.410 In dieser Gesamtkonstellation legte Nehru zwangsläufig Wert darauf, der UdSSR weiterhin den eigenen Willen zur Kooperation zu demonstrieren, und sei es nur, um Moskau gegenüber zu unterstreichen, »dass wir nicht gerade zu Trittbrettfahrern der US- oder UK-Politik werden«.411 Genau letzteres blieb die Befürchtung Moskaus. Zusätzlich zu den erwähnten prowestlichen Implikationen der Indonesienkonferenz registrierten beispielsweise sowjetische Kulturarbeiter eine kritische Masse amerikanischer Vertreter, die im Rahmen der Kashmir-Kommissionen, der ECAFE oder anderer UN-­ Organisationen nach Indien strömten. Im Umfeld der indischen Diskussionen über die Zugehörigkeit zum Commonwealth erkundigte sich das MID wiederholt nach den Plänen Delhis. Unablässig warben die sowjetischen Diplomaten für eine vollständige indische Unabhängigkeit außerhalb dieser Gemeinschaft.412 Die indische Führung entschied sich dennoch endgültig dafür, als Republik im Commonwealth zu verbleiben. Für Nehrus Außenpolitik handelte es sich hierbei nicht um ein Votum für einen der Blöcke des Kalten Kriegs. Vielmehr betrachtete man die entsprechende Neufassung des Verbands als Anerkennung, gar als Garant der indischen internationalen Bewegungsfreiheit.413 Der Beschluss Delhis löste in der UdSSR, die das Commonwealth eher als Instrument britischer imperialer Ambitionen bewertete, eine neue Welle Indien-kritischer Verlautbarungen aus.414 Analoges galt für die sowjetische Reaktion auf Nehrus USA-Reise, wobei sich die negativen Reflexe trotz des deutlichen Misserfolgs des Staatsbesuchs zeigten.415 In Verfolgung der früheren Linie reagierte 410 Vgl. Patel an Nehru, 21.9.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 216 ff.; Nehru an Chief Ministers, 14.5.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 340–353; McMahon, The cold war, S. 54–59; Ram, Superpowers, S. 49 f. 411 Nehru an Secretary General MEA, 14.2.1949, mit Bezug auf Note Dayal, 11.1.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II. 412 Vgl. Dayal an K. P. S. Menon, 6.12.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3. Zu entsprechenden Warnungen Stalins im Kontext der Chinapolitik vgl. Shen/Xia, Mao, S. 30 f. 413 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 16.4.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 321– 335; Nehru vor Parlament, 16.5.1949, in: Poplai (Hg.), India 1947–50 2, S. 70–83; Nehru vor AICC, 21.5.1949, ebd., S. 346 f.; Moore, Making, S. 128 f., 152–155; Jha, India, S. 21–39; Gopal, Nehru 2, S. 45–56; Heinlein, British government policy, S. 64–73; Singh, Keeping India; Rajan, India, S. 9–47; Singh, The limits, S. 32–36, 48 ff.; Srinivasan, Nobody’s Commonwealth, S. 257–264. 414 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 1.3.1949, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57; indische Botschaft Moskau an MEA, 7.5.1949, NAI, 1 (44) Eur II; Dayal an K. P. S. Menon, 11. und 31.5.1949, NAI, 1 (68) Eur II/49; CRO an britische Hochkommissare, 27.5.1949, BLIOR, L/WS/1/1173. 415 Vgl. Ram, Superpowers, S. 49 f.; McMahon, The cold war, S. 56–59.

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die indische Führung unverdrossen mit neuen Versuchen, die Beziehungen zur UdSSR zu aktivieren. 3.3.2. 1949 bis 1951: Umbruch in Asien Zu diesem Zweck schien ein personeller Neubeginn auf dem Botschafterposten nützlich zu sein. Es ist unklar, wie Nehru die Tätigkeit seiner Schwester in Moskau tatsächlich bewertete. V. L. Pandit machte 1949 aus ihrer zunehmenden Abneigung gegen die UdSSR, ihre Vertreter und deren Politik kein großes Geheimnis. Sie hatte während ihrer ganzen Anwesenheit keinen intensiven Kontakt zur Moskauer Führung aufbauen können. Bezeichnenderweise erinnerte sich Mikojan in seinen Memoiren gar nicht mehr an die Botschafterin.416 Auf jeden Fall war Pandits Ablösung in Delhi schon seit längerem im Gespräch. Nachfolger Radhakrishnan verschrieb sich ganz Nehrus hehren friedens- und entspannungspolitischen Zielen: »If USSR is able to accept our bonafides, if she is moved to feel that we have not sold away our liberty of action to any bloc, that we are genuinely interested in furthering world peace through freedom for oppressed nationalities and justice for all, it may help to ease the present tension a little«.417 Doch auch Radhakrishnan tat sich in Moskau zunächst schwer, da man dort nicht bereit war, etwa in Fragen der Commonwealth-, Asien- und Vietnampolitik von Maximalforderungen abzugehen.418 Immerhin empfing Stalin auf indisches Drängen hin am 14. Januar 1950 erstmals einen indischen Botschafter.419 Radhakrishnan nutzte die dreißigminütige 416 Vgl. Mikojan, Tak bylo, S. 547. 417 Radhakrishnan an Nehru, 9.5.1949, NAI, 1 (73)-Eur. II. (Secret). Vgl. Nehru an Radhakrishnan, 7.5.1949, in: Iyengar (Hg.), Nehru, S. 535–537; Nehru an V. L. Pandit, 24.8.1949, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1946–1950; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, Addison, 29.7.1949, BLIOR, L/PS/12/4639B. Am 16.6.1949 erbat Indien das sowjetische Agrément für Radhakrishnan. Es wurde nach Zustimmung des Politbüros vom 6.7. am 8.7.1949 offiziell übermittelt, vgl. RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 11; RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1527, l. 199; NAI, 1 (73)-Eur. II. (Secret). 418 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Radhakrishnan mit Vyšinskij, 8.9.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 13; Presseauswertung indische Botschaft Moskau für die Zeit vom 16.–31.1.1950, NAI, 88–R&I; Vermerk Vyšinskij, 26.1.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 19; indische Botschaft Moskau an MEA, 27.1.1950; vgl. Dayal an K. P. S. Menon, 29.9.1949, NAI, 1 (68) Eur II/49. 419 Radhakrishnan an K. P. S. Menon, 15.1.1950, NMML, J. N. (S. 4), Vol. 34, 286–287. Die Abschrift stellte mir freundlicherweise Vijay Singh, New Delhi, zur Verfügung. Vgl. Dayal, A life, S. 142 f.; Bericht indische Botschaft Moskau für 1.1.–15.1.1950, NAI, 88–R&I; britische Botschaft Moskau an FO, 15.1.1950, BLIOR, L/PS/12/4639B; Vermerk MID für Vyšinskij, 19.1.1950, AVP, f. 7, op. 23, papka 45, d. 235, l. 3; Aufzeichnung Gespräch US-Botschaft Delhi

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Chance, um für eine Beendigung des Kalten Kriegs und der Propagandafeldzüge zu werben. Stalin blieb gleichfalls seiner Linie treu: Ihn interessierte unter anderem, inwieweit London die indische Armee kontrollierte. Ganz generell ließ der Diktator seine große Skepsis hinsichtlich Indiens realer Unabhängigkeit spüren.420 So verlief das Gespräch zwar in »entspannter Atmosphäre«, zeitigte in den bilateralen Beziehungen aber keine spürbaren Folgen. Gerüchte, dass Nehrus Rückreise aus London ihn über Moskau führen würde, blieben bloße Gerüchte.421 Sowjetische Presseberichte zeichneten nach wie vor ein negatives Bild Indiens.422 Radhakrishnan selbst entwickelte die Idee eines indisch-sowjetischen Freundschaftspakts, wurde aber von MEA und Nehru mit Rücksicht auf anglo-amerikanische Reaktionen ausgebremst.423 Die selbstgewählte indische Aufgabe, zum Wohle der Nation (und der ganzen Welt) eigene entspannungs-, national- und asienpolitische Akzente zu setzen, gewann durch den Siegeszug der Kommunisten beim großen Nachbarn China noch an unmittelbarer Relevanz. Indische Regierungsstellen verfolgten die Entwicklungen in China mit gemischten Gefühlen. Nehru verstand Maos Sieg in erster Linie als Quantensprung asiatischer Entwicklungsmöglichkeiten und als neue Etappe auf dem Weg zur Weltgeltung Asiens.424 Wie Nehru, so attestierten auch andere indische Politiker von links und, mit Rajagopalachari als prominentem Beispiel, von rechts den chinesischen Kommunisten – im Gegensatz zu deren indischen Genossen – ein nationales Selbstbewusstsein, das eine blinde Gefolgschaft gegenüber Moskau auszuschließen schien. Ein kommunistisches Peking, so die Erwartungen, stand weltkommunistischen antiindischen Aktionen nicht automatisch zur Verfügung. Davon war unbenommen, dass die Regierung etwaige chinesisch-kommunistische Einflüsse auf die inneren Entwicklungen in Indien einschließlich der CPI-Aktivitäten sorgfältig überwachen

mit K. P. S. Menon, 21.1.1950, NARA, RG 59, Central Files, Soviet Union 1950–1954, Reel 6 (661.91); Roberts an FO, Harrison, 22.7.1950, NAK, FO 371/86746; Gopal, Radhakrishnan, S. 218 f., 222 f., 235 f. 420 Roberts an FO, Harrison, 22.7.1950, NAK, FO 371/86746. 421 Vgl. Vermerk MID für Vyšinskij, 19.1.1950, AVP, f. 7, op. 23, papka 45, d. 235, l. 3. 422 Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für die Zeit vom 16.–31.1.1950, NAI, 88–R&I. 423 Vgl. Nehru an Radhakrishnan, 6.2. und 15.3.1950, SWJN 2, Vol. 14,1, S. 204 f., 543; Vermerk Nehru, 18.7.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 655 f. 424 Vgl. Vermerk Nehru für Foreign Secretary, 5.12.1948, ebd., S. 416 f.; Nehru an Chief Ministers, 23.12.1948, 17.1.1949, 4.6.1949 und 1.7.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 246–254, 260–269, 368–372, 387–399; Nehru an Mdme. Chiang Kai-shek, 3.7.1948, SWJN 2, Vol. 7, S. 662 f.

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würde.425 Letztlich setzte das indische Establishment darauf, dass sich in einem friedlichen Wettbewerb zwischen indisch-demokratischer und chinesisch-kommunistischer Entwicklungspolitik das indische Programm durchsetzen würde, mit positiven Implikationen für Delhis Globalziele.426 Nehru und andere in­­ dische Spitzenpolitiker skizzierten derlei längerfristige Perspektiven unter anderem in ihren Gesprächen mit US-Vertretern, auch, um der Truman-Administration endlich eine andere Asienpolitik nahezubringen.427 Von diesen Einschätzungen ausgehend, legte sich Nehru früh auf eine Chinapolitik fest, die sich nicht in einem Feldzug gegen den Kommunismus erschöpfte. Über freundschaftliche Beziehungen zum neuen kommunistischen Staat, so das Kalkül, konnte die indische Politik dazu beitragen, den chinesischen Nationalismus noch zu stärken und ihn »von kommunistischer Kontrolle« zu lösen.428 Die diplomatische Anerkennung der neuen Zentralregierung in Peking stand daher für Nehru außer Frage. Sie sollte nur hinsichtlich des richtigen Zeitpunkts im Commonwealth abgestimmt werden.429 Dieser Kurs räumte Gegenargumenten der Konservativen in der indischen Regierung wenig Bedeutung ein. Diese rückten potentielle chinesisch-indische Streitpunkte in den Vordergrund. Allerdings gestand Nehru ihnen zu, dass »die Zukunft Tibets ein Diskussionsthema werden könnte«.430 Die besonderen Beziehungen Indiens zu Tibet gingen auf die britische Kolonialzeit zurück und wurden im unabhängigen Indien auch dank der ambitio425 Vgl. Rede Nehru, Kanpur, 28.9.1949, SWJN 2, Vol. 13, S. 3–18, hier S. 9 f.; Nehru an Chief Ministers, 18.1.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 3–9; britischer Hochkommissar Delhi, Nye, an SoS CRO, Noel-Baker, mit Note K. P. S. Menon, 15.1.1949, in: DBPO I,8, S. 200–202; Dayal an K. P. S. Menon, 30.6.1949, mit Vermerk Bajpai, 13.7.1949, NAI, 722–C.J.K. (Secret). 426 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 16.4.1949 und 16.2.1950, SWJN, 2, 10, S. 311–319, hier S. 312 f. sowie Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 23–32; Dayal an K. P. S. Menon, 20.8.1949, NAI, 1 (68) Eur II/49; Vermerk Dayal, 16.2.1950, NAI, 88–R&I; Panikkar an Nehru, 1.7.1950, sowie Vermerk Nehru, 29.7.1950, NAI, 771–C.J.K./50. 427 Vgl. Vermerk über Gespräch Nehru mit Truman u. a., 13.10.1949, FRUS 1949 VI, S. 1750–1752, hier S. 1751 f. Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Austin, 19.10.1949, ebd., S. 1752–1756, hier S. 1755; Henderson an SoS, 22.12.1948, FRUS 1948 V, S. 520 f. 428 Vermerk über Gespräch Nehru mit Henderson, 8.2.1950, NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057,691.61, Reel 1. 429 Vgl. u. a. indische Note an Großbritannien, USA, Burma, Sri Lanka und Kanada, 20.11.1949, SWJN 2, Vol. 14,1, S. 513 f.; Memoranden Bevin, 24.10. und 12.12.1949, in: DBPO I, 8, Dokumente Nr. 105 und 110. 430 Nehru an Chief Ministers, 6.12.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 230–245, hier S. 232. Vgl. Patel an Nehru, 6.12.1949, sowie Nehru an Patel, 6.12.1949, Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 86–88; Panikkar, Botschafter, S. 83–85; Raghavan, War, S. 233 f.

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nierten nationalen Selbstsicht nicht hinterfragt.431 Mit dem Vormarsch der chinesischen Kommunisten bemühte sich die tibetische Regierung ab Anfang 1949 schon aus purem Selbsterhaltungstrieb darum, ihre Kontakte nach Delhi zu verstärken. Das kam dem MEA entgegen, das mit regem Delegationsverkehr die Legitimität der indischen Präsenz in der Region unterstreichen wollte.432 Im indischen Kabinett waren die konkreten Folgen, die sich für die eigene Tibetpolitik aus Maos absehbarem Sieg ergaben, umstritten. Nicht nur Patel war von unmittelbaren chinesischen Begehrlichkeiten in Lhasa überzeugt.433 Im Zentrum der indischen Überlegungen stand indes nicht Tibets Schicksal. Den Entscheidungsträgern in Delhi ging es vielmehr um mögliche Auswirkungen einer chinesischen Machtübernahme in Tibet auf indische Interessen in Burma, Bhutan, Nepal und Sikkim, den Erhalt indischer Handels- und diplomatischer Vorrechte in Tibet sowie um Implikationen für die recht vage indisch-tibetische Grenzlage.434 Tatsächlich hatte Mao die Region bereits in den Blick genommen. Dies entsprach seiner Politik, die auf die revolutionäre Umgestaltung Chinas in den Grenzen imperialer Zeiten und auf eine zentrale Stellung Chinas in einer revolutionierten Welt zielte. Ab Sommer 1949 kritisierte die kommunistische Presse Chinas das indische Interesse an Tibet als Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten. Einstweilen hatte Peking sich noch auf Tibets »Befreiung« auf »politischem Weg« festgelegt.435 431 Vgl. Raghavan, War, S. 228 f.; Hoffmann, India, S. 25–27, 48–50; Miller, Wronged, S. 1–4, 28– 31; Lin, Boundary. 432 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit tibetischer Handelsdelegation, 8.1.1949, SWJN 2, Vol. 9, S. 470–472; Nehru an Patel, 30.5.1949, SWJN 2, Vol. 11, S. 141–143. 433 Vgl. Patel an Nehru, 4.6.1949, und Antwort Nehru 5.6.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 134 f.; Vermerk Nehru für Foreign Secretary, 5.6.1949, SWJN 2, Vol. 11, S. 389; Panikkar an M. O. Mathai, 19.11.1949, NAI, 730–CJK/49. 434 Vgl. Vermerk indischer Handelsagent und Gesandter Lhasa, Richardson, 15.6.1949, mit Vermerk Nehru für Secretary General, 9.7.1949, SWJN, 2, 12, S. 410 f.; Nehru an Finanzminister Matthai, 10.9.1949, SWJN, 2, 13, S. 260; Nehru an Chief Ministers, 1.12.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 480–495; Vermerk über Gespräch Henderson mit Bajpai, 7.2.1950, NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057, 691.61, Reel 1. Im Westsektor war insbesondere das Gebiet von Aksai Chin umstritten, im – insgesamt am wenigsten wichtigen – Mittelsektor u. a. Bara Hoti, im Ostsektor standen Gültigkeit und Verlauf der McMahon-Linie und damit v. a. Gebiete der NEFA zur Disposition, vgl. Lamb, The China-India border, S. 1–13; Hoffmann, India, S. 9–24. 435 Bericht chinesische Delegation, Liu Shaoqi, für ZK VKP (b), 4.7.1949, in: Russko-kitajskie otnošenija V, 2, S. 151–162, hier S. 152; Mao an Stalin, 12.6.1949, ebd., S. 141–147, hier S. 145. Vgl. Protokoll Gespräch Mao mit Mikojan, 6.2.1949, ebd., S. 81 ff., hier S. 83; Nehru an Chief Ministers, 16.9.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 459–469; Dokumente in Jain (Hg.), China South Asian relations 1, S. 5–10, 16. Zur chinesischen Sicht vgl. Garver, Pro-

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Asien, auch dies demonstrierten die rasanten Ereignisse, blieb eng mit traditionellen internationalen, ›europäischen‹ Konstellationen und Konflikten verbunden. Geradezu reflexartig feuerte die sowjetische Presse anlässlich der Colombo-Konferenz des Commonwealth Anfang 1950 aus allen Rohren gegen den englischen Imperialismus und seine angeblichen asiatischen Unterstützer.436 Im MEA machte man sich zwangsläufig Gedanken über Indiens Position im eskalierenden Kalten Krieg. Nie werde Indien, versicherte General­sekretär Bajpai US-Botschafter Henderson, zugunsten der UdSSR vergleichsweise gute Beziehungen zu anderen Staaten aufgeben.437 Nehru persönlich bestätigte dem Botschafter einen Tag später die Aussage. »It may be said that at present Indian public sympathy with Russia and communism is at the lowest. […]. If there should be a war, the Prime Minster was quite sure that the Indian public would not stand for entry into the war on the side of Russia.«438 Ungeachtet dessen verfolgte Nehru weiterhin das Ziel, seinem Land und größtmöglichen Regionen Asiens derlei Entscheidungen zu ersparen. Indische globale Friedenspolitik sowie Abschottung der Gebiete gegen »westliche imperialistische Mächte« und gegen die »Ausbreitung des Kommunismus« waren zwei Seiten derselben Medaille.439 Die freie Selbstbestimmung war auch deswegen notwendig, da die nationalen Konsolidierungs- und Entwicklungsaufgaben alle Kraft erforderten. In der Gesamtkonzeption des nation building verbanden sich in diesen Feldern außenund innenpolitische Dimensionen der komplexen, spannungsgeladenen Relationen zwischen Nationalismus und Kolonialismus, insbesondere jedoch zwischen Nationalismus und Kommunismus. Die Völker Asiens, so die Ausgangsprä-

tracted conflict, S. 35 f.; Chen, Mao’s China, S. 7 ff.; Sen Gupta, China’s belief system, S. 1 f., 26 f., 32; Zhang, Constructing »peaceful coexistence«, S. 509 f., 525 f.; Shao, Zhou Enlai, S. 131 ff., insbes. S. 134 f., 145, 155–160, 266 f.; Fravel, Strong borders, S. 41–51, 72–75. 436 Vgl. Presseauswertung indische Botschaft Moskau für die Zeit vom 1.–15.1.1950, NAI, 88– R&I. Zum Colombo-Plan vgl. Oakman, Facing Asia, S. 2–43; Lehmkuhl, Kanadas Öffnung, S. 8–31, 176–218; Boquérat, No strings, S. 117 f.; Akita/Krozewski/Watanabe (Hg.), The transformation. 437 Vermerk über Gespräch Henderson mit Bajpai, 7.2.1950, NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057, 691.61, Reel 1. 438 Vermerk über Gespräch Nehru mit Henderson, 8.2.1950, SWJN 2, Vol. 14,1, S. 562 f. sowie NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057, 691.61, Reel 1. Vgl. Radhakrishnan an Nehru, 29.10.1949, sowie Nehru an Radhakrishnan, 25.11.1949, SWJN, 2, 14,1, S. 541 f. mit Anm. 5; Chaudhuri, Forged, S. 29–36. 439 Vermerk Nehru, 28.6.1949, SWJN 2, Vol. 12, S. 369–374, hier S. 370. Vgl. Nye an SoS CRO, Noel-Baker, mit Note K. P. S. Menon, 15.1.1949, in: DBPO I,8, S. 200–202.

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misse, wollten sowohl nationale Freiheit als auch sozialen Fortschritt.440 Die Schlussfolgerungen für die indische Innenpolitik lagen auf der Hand: Solange die Regierung die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bevölkerung zumindest in Teilen erfüllte, solange hätte der Kommunismus keine echte Chance.441 Die militärische Machtprobe mit den indischen Kommunisten hielt Nehru bereits Ende 1948 im Wesentlichen für gewonnen.442 1949 erblickte die indische Regierung in den Aktionen der CPI nur noch »brutalen und blutigen« Terror, den weitere konsequente Gegenmaßnahmen niederkämpfen würden.443 Eine rein politische Auseinandersetzung, in der Kabinett und INC das Tauziehen zwischen Nationalismus und Kommunismus mit Entwicklungs- und Modernisierungserfolgen für sich entscheiden konnten, lag einstweilen noch in weiter Ferne. Nehru war sich bewusst, dass sich die indische Politik auf Dauer dieser Auseinandersetzung stellen musste.444 Vorerst setzten die Regierungen Delhis und einzelner Bundesstaaten jedoch weiter auf polizeiliche Maßnahmen. In dem unerklärten Krieg war die CPI gegen die indische Regierung und den INC chancenlos. Ihre Gewaltstrategie brachte nicht einmal ansatzweise die erhoffte Unterstützung der Werktätigen. Bis August 1950 sank die Zahl der Parteimitglieder auf maximal 20.000 Personen.445 Zugleich setzten sich innerhalb der Partei immer radikalere Kräfte durch. 440 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 6. Sitzung, 11.1.1950, NAK, CAB 133/78. 441 Vgl. Interview Nehru für Saturday Review of Literature, Cousins, März 1951, publ. 14. und 21.4.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 401–426, hier S. 415; Nehru an Chief Ministers, 2.9.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 448–458. 442 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 3. Sitzung, 12.10.1948, NAK, CAB 133/88; Nehru an Chief Ministers, 9.3.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 298–306. 443 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 9.3., 1.4., 14.5., 16.4., 4.6., 15.6., 2.10. und 3.11.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 298–320, 337–353, 368–386, 470–479 resp. Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 386–403; Pant an Patel, 13.3.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 294 f.; Patel an M. Menon, Madras, 16.2.1950, in: ebd., Vol. 9, S. 295–297; Untersuchungsbericht zu Polizeieinsatz in Gwalior, 12.8.1950, ebd., S. 521–527; Gouverneur Assam, Doulatram, an Patel, 29.6.1950, ebd., S. 199–202; Nehru an Chief Minister Westbengal, Roy, 13. und 23.5.1949, SWJN 2, Vol. 11, S. 179, 183–185; Nehru an Patel, 4.6.1949, ebd., S. 185 f. 444 Vgl. Nehru an Chief Minister Westbengal, Roy, 23.5.1949, SWJN 2, Vol. 11, S. 183–185, hier S. 184; Nehru an Chief Ministers, 1.9.1948, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 193– 200; Nehru an Patel, 19.6.1949, ebd., S. 244 f.; Nehru vor Congress-Funktionären, 14.7.1949, SWJN 2, Vol. 12, S. 223–226. 445 Zahlen nach Suslov an Ždanov, 24.2.1948, RGASI, f. 17, op. 128, l. 6, sowie Generalsekretär CPGB, Pollitt, an ZK VKP (b), 25.8.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 165 f. Bis Ende 1952 stieg die Mitgliederschaft auf rd. 30.000 Personen an, vgl. Schätzungen von MID und ZK, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, l. 43 sowie ebd., f. 17, op. 163, d. 1628, l. 143.

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Während Vertreter der kommunistischen Gewerkschaftsbewegung befürchteten, das revolutionäre Kampfmaßnahmen ihre städtischen Machtpositionen unnötig schwächten, zog der ländlich orientierte Flügel der Partei aus den vermeintlich erfolgreichen Aktionen in Telangana sowie aus dem chinesischen Beipiel ganz andere Schlüsse.446 Diese Kommunisten drängten seit Sommer 1948 darauf, in ganz Indien die Revolution auf dem Land zu entfachen. Wie in den Vorjahren, so zogen die zerstrittenen Fraktionen auch jetzt ausländische Koryphäen als Argumentationshilfen heran. Ranadives innerparteiliche Gegner diffamierten seine Politik nach dem sowjetisch-jugoslawischen Bruch als »titoistisch«.447 Ranadive sah sich jedoch vor allem durch die Lobpreisungen herausgefordert, die der linke Flügel auf chinesische Strategien sang. Daher kombinierte Ranadive in mehreren Leitartikeln für die CPI-Postille Communist die Abwehr gegen innerparteiliche Kritiker mit massiven Ausfällen gegen Mao. »Wir müssen vor allem bestimmt erklären«, schrieb er beispielsweise im Juni/ Juli 1949, »das die CPI die Arbeiten von Marx, Engels, Lenin und Stalin als autoritative Quelle des Marxismus ansieht. Es gibt keine einzige Partei, die erklärt hätte, dass die Theorie der »Neuen Demokratie«, die Mao vorgeschlagen hat, eine neue Ergänzung des Marxismus wäre«. In Auseinandersetzung mit einzelnen Mao-Zitaten hob Ranadive hervor, dass die chinesischen Kommunisten »faktisch« sogar »die Entwicklung des Kapitalismus unterstützen«, also sogar gegenrevolutionäre Politik betrieben.448 Als die kommunistischen Streitereien in Indien dieses Stadium erreicht hatten, die indisch-sowjetischen Staatsbeziehungen vor sich hindümpelten und auf der anderen Seite die Ausrufung der Volksrepublik China vor der Tür stand, hielt die oberste Instanz in Moskau offenbar die Zeit für gekommen, ideologische und strategische Debatten der CPI genauer zu verfolgen. Der Parteiführung in Moskau war angesichts der dynamischen Entwicklungen in Asien daran gelegen, 446 Kontakte der CPI nach China waren auch 1949 nur äußerst schwach ausgebildet, vgl. Protokoll Gespräch Mikojan mit Mao, 3.2.1949, in: Russko-kitajskie otnošenija V, 2, S. 62 ff. 447 Vgl. beispielhaft Joshi an Redaktion von »Für einen dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie«, 9.8.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 442, ll. 71 ff. In den folgenden Auseinandersetzungen 1950/51 wurde der Titoismus-Vorwurf auch gegen Dange laut, vgl. Zorin an Grigor’jan, 22.11.1950, sowie Grigor’jan an Stalin u. a., 3.12.1951 RGASPI, 17, op. 137, d. 426, ll. 131 ff. sowie f. 82, op. 2, d. 1210, ll. 16 ff. 448 Zit. nach Bemerkungen VPK zu Leitartikel »Der Kampf für Volksdemokratie und Sozialismus« (Communist Nr. 4, Juni–Juli 1949), 14.2.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1201, ll. 213 ff. Vgl. Kautsky, Moscow, S. 63 ff.; Overstreet/Windmiller, Communism, S. 288–291. Ungeachtet dieser Breitseiten tauschten Ranadive und Mao wenige Wochen später anlässlich der neuen Regierungsbildung in Peking freundliche Grüße aus, vgl. Ranadive an Mao, 12.10.1949, sowie Antwort Mao, 19.10.1949, in: Karnik (Hg.), Indian Communist Party Documents, S. 46–48.

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sich sowohl die oberste ideologische Deutungskompetenz als auch die praktische Gefolgschaft der kommunistischen Gemeinden zu bewahren. Der Kreml musste sich über das tatsächliche Potential sowie über die Loyalitäten der CPI Klarheit verschaffen, denn die wurde immer noch als die einzige echte linke Partei und damit als einziger organisierter Bündnispartner vor Ort betrachtet.449 Die Schlagkraft Maos, der seinen Sieg auf dem chinesischen Festland weitgehend selbständig erstritt, beeindruckte Moskauer Strategen durchaus. Der sowjetische Diktator hatte jedoch schon jugoslawische Eigenwilligkeiten nicht dulden wollen und betrachtete Handlungsspielräume eines starken Chinas per se mit Argwohn. Daher genoss Mao Ende der 1940er-Jahre nicht Stalins Vertrauen.450 Einzelne untergeordnete sowjetische Funktionäre in Indien deuteten den chinesischen Aufstieg zwar gerne als Menetekel für die Nehru-Regierung.451 Stalin jedoch dachte überhaupt nicht daran, den chinesischen Kommunisten selbständige gesamtasiatische Führungsaufgaben zu überlassen.452 Im ­Februar 1949 sahen kurzlebige sowjetische Gedankenspiele über eine »Ost-Kominform« für den Anfang nur die Mitgliedschaft der chinesischen, japanischen und koreanischen Parteien vor.453 Entsprechend kritisch betrachtete man in den Führungsebenen des MID die chinesische Rolle im Weltkommunismus und in Asien. Botschafter Novikov etwa konnte explizit nichts mit chinesischen Vorstellungen anfangen, nach denen sich Arbeiter vorübergehend »damit abfinden sollen, dass die Kapitalisten die Firmen leiten, dass die Kapitalisten die Arbeiterklasse ausbeuten, weil es derzeit vorteilhaft sei für die Arbeiterklasse und für die Kapitalisten, in Frieden zu leben.« […]. »Was ist das, ›bürokrati449 Vgl. exemplarisch zur sowjetischen Kritik an anderen linken Bewegungen »Doktor Lohias Standpunkt«, in: Neue Zeit, (1950), Nr. 43, S. 28–30. 450 Vgl. Heinzig, Die Sowjetunion, S. 80–285; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 23–33; Goncharov/ Lewis/Litai, Uncertain partners, S. 1–109, bes. S. 44–51; Shen, Mao, S. 44–105; Zhang/Chen (Hg.), Chinese communist foreign policy, S. 81–148. 451 Vgl. Erzina, Tätigkeitkeitsbericht VOKS Indien, o. D., RGASPI, f. 17, op. 137, d. 4, ll. 57 ff. 452 Vgl. Stalins Gespräche mit sowjetischen Wirtschaftswissenschaftlern, 22.2. und 30.5.1950, in: Pollock (Hg.), Conversations, S. 29 f., 38, 40 f. Unterschiedliche Einschätzungen in Gaddis, We now know, S. 67; Heinzig, Die Sowjetunion, S. 331 ff., v. a. S. 338–341; Sen Gupta, The fulcrum, S. 335 f.; Shen/Xia, Mao, S. 24 f., 28 f., 242 f.; Shen/Xia, Leadership, S. 201–211. Für das Verhältnis zu anderen asiatischen KPs vgl. Efimova, Stalin sowie Boden, Die Grenzen, S. 84–92; Wolff, Japan. 453 Vgl. Protokoll Gespräch Mikojan mit Mao, 3.2.1949, in: Russko-kitajskie otnošenija V,2, S. 62 f. Wenige Wochen später ging Stalin bereitwillig auf Maos Vorschlag ein, das ganze Unternehmen auf unbestimmte Zeit zu vertagen, vgl. Stalin an Kovalev, 26.5.1949, in: ebd., S. 136–138; Aufzeichnung über Gespräch Stalin mit Liu Shaoqi, Juli 1949, in: Goncharov/Lewis/Litai, Uncertain partners, S. 232 f., dazu ebd., S. 71 f., 208 f.; Heinzig, Die Sowjetunion, S. 338–342, 358–362; Čavoški, Overstepping, S. 565.

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scher Kapitalismus‹?«, spottete Novikov in einer Mitarbeiterversammlung des MID. »Ich habe die Arbeiten Lenins, des Genossen Stalin durchgeschaut. Ich habe Gen. Molotov gesagt, dass ich keine Definition dieses Ausdrucks gefunden habe.« Der Außenminister hatte geantwortet, dass sich diese Terminologie aus der konkreten Situation Chinas ergeben hatte. »Für Chinesen ist der Begriff ›bürokatischer Kapitalismus‹ vollkommen verständlich«, so Molotov vielsagend, »für andere Länder ist er möglicherweise nicht verständlich.«454 Vor diesem Hintergrund ließ sich Molotov Anfang Juli 1949 von Novikov ausführlich über die Geschicke der CPI informieren. Im Eilverfahren wurden nun auch maßgebliche Verlautbarungen der CPI von 1948 ins Russische übersetzt.455 Auf Molotovs Anordnung hin reichte die VPK Anfang September 1949 eine genaue Analyse programmatischer Schriften der CPI-Flügel nach. Grigor’jans Ausarbeitung belegte zunächst einmal, dass sich in Moskau 1949 nichts an der negativen Sicht auf die indische offizielle Politik und Diplomatie geändert hatte, im Gegenteil: Die Bewertungen hatten sich noch verschärft. Das Papier warf der indischen Regierung »Heuchelei« vor, die ihre durchgängig probritische und -amerikanische Außenpolitik ebenso verschleiern sollte wie die unverändert starke »Position der englischen Monopole in Indien«. Die indische Bourgeoisie sei in bedeutenden Teilen, so Grigor’jan weiter, viel zu eng »mit dem ganzen System der feudal-leibeigenschaftlichen Ausbeutung der breiten Massen des indischen Volkes verbunden«, als dass sie Indiens drängende Entwicklungs- und Gesellschaftsprobleme lösen könnte. Grundsätzlich, so das Fazit, könne nur die Arbeiterklasse Abhilfe schaffen. Die CPI war indes nach Ansicht der Moskauer Politexperten mangels theoretischer Kenntnisse und aufgrund fehlender revolutionärer Erfahrung der Aufgabe überhaupt nicht gewachsen. Sie erging sich aus sowjetischer Sicht in unproduktiven Flügelkämpfen und brauchte, so das Fazit der VPK, den konkreten Rat Moskaus.456 Den Anstreichungen nach zu urteilen arbeitete Molotov den Situationsbericht penibel durch. Zu einer Einladung von CPI-Abgeordneten, wie sie auch Ranadive vorschwebte, mochte sich die sowjetische Parteispitze zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht entschließen. Ranadive war auch den Moskauern zu 454 K. Novikov auf Mitarbeiterversammlung MID, 5.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1187, ll. 20–45, hier ll. 30 f. Er bezog sich auf Veröffentlichungen von Li Lisan. 455 Ebd. ll. 25 f. Die Materialien hatte die CPI 1948/49 auf eigene Initiative übermittelt, vgl. RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1207. Sie wurden durch unregelmäßige Standardberichte u. a. von TASS ergänzt, vgl. Aufstellung TASS-Berichte, 4.5.1949, ebd., d. 1208, l. 1. 456 Grigor’jan an Molotov, 2.9. und 29.12.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 53–66, hier ll. 54 f., sowie f. 17, op. 137, d. 1208, ll. 67 ff., hier l. 71.

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»links« und zu offensichtlich nur darauf bedacht, sich im Kreml Schützenhilfe gegen innerparteiliche Kritiker zu holen.457 Darüber hinaus standen 1949/1950 andere akute Fragen von größerer unmittelbarer Bedeutung für Zusammenhalt und Ausdehnung des Imperiums auf der Tagesordnung. Die anstehenden Verhandlungen mit Mao, Entwicklungen in Korea sowie Säuberungswellen in der UdSSR und in Osteuropa hatten Vorrang.458 Immerhin genehmigte das Politbüro im März 1950 der VPK eine Dienstreise nach Indien, um die Situation vor Ort weiter zu studieren.459 Daneben widmete sich die Kominform-Zeitschrift Für dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie den weltkommunistischen Implikationen der indischen Querelen. Ende Januar wies das Editorial der Zeitschrift Ranadives Kritik an Mao zurück, ohne jedoch die Erfahrungen Chinas zu verabsolutieren.460 Die Stellungnahme mag die südindische Fraktion im Frühjahr 1950 mit ermutigt haben, Ranadive zu stürzen. Mit Rao wurde ein Mitglied des CPI-­ Sekretariats in Andhra neuer Generalsekretär. Er setzte vollständig auf den bewaffneten Guerilla-Kampf einer Agrarrevolution.461 Die desaströse Gesamtsituation der CPI veranlasste wiederum Dange, sich gegen die neue Wende auszusprechen. Daneben startete der ehemalige Generalsekretär Joshi im Sommer 1950 einen beispiellosen Privatfeldzug, um, mit wachem Blick für die ideologischen Befindlichkeiten in Moskau, die Kominform als Ganzes sowie britische, pakistanische und französische Kommunisten

457 Grigor’jan an Molotov, 29.12.1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 1208, ll. 67 ff., hier l. 71. Vgl. Grigor’jan an Molotov, 2.9.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 53–66, hier l. 65. 458 Der zweite Mann der KPCh, Liu Shaoqi, hielt sich seit Ende Juni 1949 in Moskau auf, Mao ab dem 16.12.1949. Spätestens ab September 1949 setzte sich Stalin mit nordkoreanischen Plänen für begrenzte oder Generaloffensiven auseinander, vgl. Heinzig, Die Sowjetunion, S. 285 ff.; Weathersby, Should we fear this, S. 6 ff. Zu terroristischen Säuberungen osteuropäischer Parteien sowie zur Leningrad-Affäre vgl. Hodos, Schauprozesse; Gorlizki/Khlevniuk, Cold peace, S. 79–89. Zur zurückhaltenden Vietnampolitik der Zeit vgl. Gaiduk, Confronting Vietnam, S. 2–11; Olsen, Soviet-Vietnam relations, S. 12–25. 459 Vgl. Beschluss Politbüro, 7.3.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1543. 460 Vgl. »Mighty advance of the national liberation movement in the colonial and dependent countries«, 27.1.1950, in: Rao (Hg.), Documents of the history 6, S. 609–613; Ausarbeitung VPK, 23.3.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 442, ll. 16 ff. Die CPI formulierte ihre Lehren aus dem Editorial am 22.2.1950 in einem Zirkular des Politbüros, in: Rao (Hg.), Documents of the History of the Communist Party of India 6, S. 614–627. 461 Vgl. Ausarbeitungen des Andhra-Flügels, Mai bis Juli 1950, in: Rao (Hg.), Documents of the history 7, S. 628–944; Pavier, The Telengana movement, S. 116–121, 152–154.

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gegen die aktuelle »trotzkistisch-titoistische« CPI-Führung zu mobilisieren.462 Die CPGB witterte offenkundig eine Chance, sich wieder ins indische Spiel zu bringen und sich in Moskau lieb Kind zu machen. Beflissen gab Parteichef Pollitt dem Moskauer ZK Kenntnis von seinen Ermahnungen an die CPI, das »trotzkistisch-titoistische Krebsgeschwür« zu entfernen.463 Die VPK hätte dieser Warnungen kaum bedurft. Sie schilderte Stalins semerka bereits im Juli 1950 die Brisanz der ideologischen Unklarheiten in Delhi. Ihrem Eindruck nach waren anglo-amerikanische Agenten dabei, die CPI mit Hilfe der »verräterische[n] Tito-Clique« zu zersetzen.“464 Ende 1950 fasste CPI-Funktionär Ghosh in einer innerparteilichen Streitschrift den Stand der Dinge aus indischer Sicht zusammen. »Today the reality is that nobody in the Indian Party can solve this crisis […]. We must, therefore, contact the international leaders.«465 Dies war die einhellige Meinung aller zerstrittenen CPI-Fraktionen. Am 6. Oktober 1950 bat Rao im Namen des ZK der CPI die Moskauer Genossen um ein bilaterales Treffen, da man in Indien die explosiven Meinungsverschiedenheiten aus eigener Kraft nicht mehr »bereinigen« konnte.466 Dieses Mal entschloss sich das Moskauer Politbüro, der indischen Bitte zu entsprechen: Die »grenzenlosen Diskussionen« der CPI dienten Stalin mittlerweile bereits als abschreckendes Beispiel für andere kommunistische Parteien in Asien.467 Die dynamischen Entwicklungen in Asien ließen es Moskau Ende 1950 unabdingbar erscheinen, sowohl den aktuellen als auch den wünschenswerten Platz Indiens in diesen Prozessen zu bestimmen und entsprechende sowjetische Einflüsse zu aktivieren. Es war naheliegend, dass sich die Parteiführung in Moskau selbst ein Bild von den realen Erfolgsaussichten prosowjetischer Gruppen im Land, den laufenden Regierungsdebatten und ihren potentiellen Auswirkungen 462 Joshi an Redaktion Für einen dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie, 9.8.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 442, ll. 71 ff. Vgl. Zorin an Grigor’jan, 27.4.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 442, ll. 37 ff.; Grigor’jan an Molotov/Stalin, 6., 8. und 13.6.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1202, l. 94 ff., d. 1203, ll. 1 ff., 69 ff. sowie d. 1204, ll. 1 ff. 463 Overstreet/Windmiller, Communism, S. 303 f. Vgl. Pollitt an VPK, 25.8.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 165 f.; Callaghan, Rajani Palme Dutt, S. 248–252. 464 Grigor’jan an Stalin u. a., 5.7.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 140–149, hier l. 148. 465 Zit. nach Overstreet/Windmiller, Communism, S. 302 f. Vgl. Ghosh, Dange und Ghate, »A note on the present situation in our party«, 30.9.1950, in: Rao (Hg.), Documents of the history 7, S. 945–1039; Zorin an Grigor’jan, 22.11.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 131 ff.; Pavier, The Telengana movement, S. 162–166. 466 Grigor’jan an Stalin, Molotov u. a., 21.10.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 182 f. 467 Stalin an indonesische KP, Januar 1951, zit. nach Efimova, Stalin, S. 116 sowie Boden, Die Grenzen, S. 83–85.

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auf die indische Innen- und Außenpolitik machen und den Kurs der CPI entsprechend ausrichten wollte. Außerdem konnte es sowjetischen Beobachtern nicht verborgen geblieben sein, dass indische Spitzenpolitiker ihrerseits außenpolitische Grundsatzdebatten führten. In diesen verschafften sich oppositionelle Stimmen gegen Nehrus bisherige Linie deutlicher Gehör. Kritiker forderten eine offene Festlegung Delhis auf eine proamerikanische Politik. Sie begründeten dies mit den wirtschaftlichen Entwicklungsaufgaben Delhis und dem schwelenden indisch-pakistanischen Konflikt. Zugleich versprachen sie sich von den USA Rückendeckung hinsichtlich der Beziehungen zum neuen China.468 Die sowjetische Führung betrachtete die chinesische Entwicklung seit 1949 naturgemäß positiver und versprach sich von ihr neue Impulse und Möglichkeiten in der Asien-, Indien- und Globalpolitik. Mao schien derlei Hoffnungen bezüglich Indiens durchaus bedienen zu wollen. Anfang Januar 1950 teilte der chinesische Führer sowjetischen Gesprächspartnern seine Auffassung mit, dass die indische Regierung in ihrer Chinapolitik nur danach strebe, dass Indien und andere »Amerika und England zugeordneten Länder« »ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen in China wahren« und im Bund mit dem rechten Flügel der chinesischen Bourgeoisie »Zersetzungstätigkeit gegen das neue demokratische Regime« durchführen könnten.469 Daher war nach der indischen Anerkennung der Regierung Mao am 30. Dezember die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen von ersten Scharmützeln begleitet. Konkret ging es Peking darum, parallele indische Beziehungen zur Kuomintang zu unterbinden.470 Schließlich bekräftigte der chinesisch-sowjetische Freundschafts- und Bündnisvertrag vom 14. Februar 1950 mit seinen Zusatzabkommen die neue chinesisch-sowjetische Bruderschaft. Die Verhandlungen hatten gezeigt, dass Moskau

468 Vgl. Patel an Nehru, 28.3.1950, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 10, S. 14–22; Henderson an SoS, 28.3.1950 und 8.4.1950, FRUS 1950 V, S. 1401–1403, 1406–1408; Nehru an V. L. Pandit, 5.6.1950, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1946–1950. 469 Protokoll Gespräch Mao mit sowjetischem Vertreter Peking, Kovalev, 6.1.1950, in: Russko-Kitajskie otnošenija V, 2, S. 256 f. Vgl. Protokoll Gespräch sowjetischer Botschafter Peking, Roščin, mit Zhou Enlai, 10.11.1949, ebd., S. 218 f., hier S. 219; Kovalev an Stalin, 24.12.1949, in: Goncharov/Lewis/Xue, Uncertain partners, S. 240 f.; Heinzig, Die Sowjetunion, S. 298 f. 470 Vgl. Protokoll Gespräch sowjetischer Geschäftsträger Peking, Šibaev, mit Zhou Enlai, 31.12.1949, in: Russko-Kitajskie otnošenija V, 2, S. 248; Protokoll Gespräch Mao mit Roščin, 1.1.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1242, l. 3–7; Mao an Liu Shaoqi, 20.1.1950, in: Goncharev/Lewis/Xue, Uncertain partners, S. 256. Dokumentation der Verhandlungen in NAI, 751–CJK/50.

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Mao eher als Juniorpartner betrachten wollte.471 Ungeachtet dessen pries die sowjetische Diplomatie den frischen Vertrag in Indien sofort als Modell auch für die sowjetisch-indische Zusammenarbeit an.472 Die politische Kaste in Moskau ging allerdings nicht ernsthaft davon aus, dass sich ambitionierte Ideen einer Anbindung Indiens zu Amtszeiten der Nehru-Regierung realisieren ließen.473 Es muss aufgrund der Aktenlage offen bleiben, ob Stalin Anfang 1950, als er Maos »Vormarsch auf Tibet« aus ganzem Herzen unterstützte, hiermit immer noch die Hoffnung verband, im benachbarten Indien eine »revolutionäre Situation« schaffen zu können.474 Auf jeden Fall war er mit dem Wind aus China im Rücken bereit, in anderen internationalen Fragen radikale Maßnahmen zu ergreifen. So ging die sowjetische Diplomatie in der Frage des chinesischen Sitzes im Sicherheitsrat nach Rücksprache mit Mao auf Konfrontationskurs zur UN.475 Die indische Delegation unterstützte die sowjetische Forderung nach dem Ersatz der Kuomintang-Vertreter durch Maos Gesandte. Sie hatte dabei allerdings ganz im Gegensatz zur UdSSR im Sinn, die UN keinen Zerreißproben zu unterwerfen.476 Nehru konnte daher der sowjetischen Marschroute nicht viel abgewinnen.477 Sein Botschafter Radhakrishnan kam dagegen auf die Idee, den ganzen Sicherheitsrat umzubauen und unter den ständigen Mitgliedern das »zweitrangige« Frankreich durch

471 Vgl. inkl. der relevanten Vertragstexte Heinzig, Die Sowjetunion, S. 435–592, 666–671; Lüthi, S. 31–34; Zhang, Economic cold war, S. 60–67; Shen/Li, After leaning, S. 3–15; Zubok, A failed empire, S. 79 f.; Galenovič, Rossija, S. 89–283. 472 Vgl. Vermerk über Gespräch Dayal mit K. Michajlov, 24.2.1950 (Auszug), NAI, 801–CJK/50; Bericht indische Botschaft Moskau für 16.–30.4.1950, NAI, 88–R&I. 473 Vgl. Aufzeichnung Gespräch K. Novikov mit Rajagopalachari, 7.11.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 15 f.; Berichte indische Botschaft Moskau für 16.–30.6. und 16.–31.10.1950, NAI, 88–R&I. 474 Protokoll Gespräch Stalin mit Mao, 22.1.1950, in: Russko-Kitajskie otnošenija V, 2, S. 267–271, hier S. 271. Vgl. Berichte indische Botschaft Moskau für 16.–28.2.1950, 1.–16.5.1950 und 1.– 15.7.1950, NAI, 88–R&I; Kuzmin, Hidden Tibet, S. 165 f. Zur Erzeugung einer »revolutionären Situation« vgl. Stalin an Kovalev, 23.5.1949, in: Russko-Kitajskie otnošenija V, 2, S. 136–138, hier S. 137; Heinzig, Die Sowjetunion, S. 549 f. 475 Vgl. Protokoll Gespräch Vyšinskij mit Mao, 6.1.1950, in: Russko-Kitajskie otnošenija V, 2, S. 257–259, hier S. 258; Beschluss Politbüro, 7.1.1950, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 43; Bericht indische Botschaft Moskau für 16.–31.1.1950, NAI, 88–R&I. 476 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 1.3.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 37–50; Vermerk über Gespräch Vyšinskij mit Radhakrishnan, 7.4.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 20–22, hier l. 20. 477 Nehru an ägyptischen Premier, Nahhas Pascha, 26.6.1950, SWJN 2, Vol. 14,2, S. 364 f.

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Indien zu ersetzen.478 Dieser Vorstoß nahm, was die Behauptung einer zentralen internationalen Rolle Indiens und Chinas anbelangte, wichtige Komponenten indischer Außenpolitik auf. Außerdem mochte es attraktiv erscheinen, das internationale Gewicht Frankreichs während der zähen Gespräche über die Aufgabe der letzten Besitzungen Paris’ in Indien weiter zu schwächen. Der global eher unpassende Zeitpunkt sowie die letztlich unausgegorene Massivität des Vorschlags deuten allerdings darauf hin, dass Botschafter Radhakrishnan hier wieder einmal ohne Anweisung aus Delhi agiert hatte.479 Während die sowjetische Führung Anfang 1950 das chinesische Momentum großflächig für Zwecke des sozialistischen Imperiums ausprobierte, setzte Nehrus MEA hinsichtlich Chinas auf eine indische Spielart des »Wandels durch Annäherung«. Ausgangsprämisse der praktischen Politik war der bereits erwähnte Glaubenssatz, dass China schlicht zu groß und wichtig war, »um nur ein Satellit der Sowjetunion zu sein«.480 Über gute bilaterale Verbindungen zu Peking ließe sich China in eine globale Friedens- und Fortschrittspolitik einbetten. In dieser Richtung agitierte auch der indische Botschafter in Peking, Panikkar, äußerst engagiert, doch nicht unbedingt objektiv.481 Mit derlei Auffassungen unterschied sich die indische Chinapolitik nicht nur grundsätzlich von sowjetischen, sondern auch von amerikanischen Ideen. Washington setzte nach dem »Verlust Chinas« verstärkt auf Japan als Stütze im pazifischen Raum. Dies war in Nehrus Augen ein Fehler, der nichts weiter bewirkte, als das Bündnis zwischen Peking und Moskau zu festigen.482 Seiner Meinung nach krankte Washingtons Politik ganz allgemein daran, dass sie sich ungebeten in asiatische Angelegenheiten einmischte. Dazu kam aus indischer Sicht das allgemeine Unvermögen der USA (und verschiedener westeuropäischer Mächte), in ureigenen asiatischen Angelegenheiten aller Art – sei es in der 478 Vgl. Vermerk über Gespräch Vyšinskij mit Radhakrishnan, 7.4.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 20–22, hier l. 21. Vyšinskij wich den Überlegungen aus und blockte weitere Ideen zu Regionalkonferenzen ab. 479 Vgl. auch Delhis Überlegungen gegen amerikanische Vorschläge, im Sicherheitsrat China durch Indien zu ersetzen, Harder, Not at the cost of China, S. 5–15. 480 Nehru an burmesischen Premier U Nu, 7.1.1950, SWJN 2, Vol. 14,1, S. 503–507. Vgl. Nehru an Bevin, 25.5.1950, SWJN 2, Vol. 14,2, S. 371–373; Nehru an ägyptischen Premier, Nahhas Passcha, 26.6.1950, ebd., S. 364 f.; Bericht erster Sekretär britische Botschaft Delhi über Gespräch Panikkar mit Mao, 20.6.1950, NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057, 696.61, Reel 1. 481 Vgl. Vermerk über Gespräch Panikkar mit Mao, 20.5.1950, NAI, 751–CJK/50; Panikkar an Nehru, 1.7.1950, mit Vermerk Nehru, 29.7.1950, und MEA, 14.8.1950, NAI, 771–C.J.K./50; Panikkar, Botschafter, S. 95–100, 122–124, 164–171. 482 Vgl. Nehru auf 5. Sitzung Colombo-Konferenz, 11.1.1950, SWJN 2, Vol. 14,1, S. 527–529; bereits Nehru an Cripps, 17./18.12.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 335–340, hier S. 336.

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Entwicklungs-, Kashmir- oder Vietnampolitik – angemessene Entscheidungen zu treffen. »It is rather odd for a number of Western powers to discuss and try to decide policies in regard to Asia, without consulting Asian countries. It has not apparently been fully realised yet by them that no policy affecting Asia can be successful without the full co-operation of Asian countries.«483 Der Umgang mit der nordkoreanischen Aggression im Sommer 1950 machte die Diskrepanzen erneut deutlich sichtbar. MEA-Generalsekretär Bajpai erläuterte US-Botschafter Henderson sehr genau, warum Indien der amerikanischen Reaktion auf Pjöngjangs Angriff nur in Grenzen etwas abgewinnen konnte. Von einer unqualifizierten Unterstützung der amerikanischen Politik erwartete sich das MEA demnach nur neue Schwierigkeiten in Asien. Burma, so die Befürchtung, würde möglicherweise Pekings Zorn ausgesetzt. Zudem vermengten in indischer Bewertung US-Strategien die koreanische Frage mit anders gelagerten Problemen in Taiwan und Indochina. Dort, so Bajpai, unterstütze Washington Kräfte, »die Millionen von Asiaten einschließlich vieler Inder als imperialistisch, kolonial oder reaktionär ansehen«.484 Letztlich sprach sich Delhi in den UN aus prinzipiellen Gründen seiner Friedens-, Asien- und UN-Politik für eine Verurteilung Nordkoreas aus. Die Stärkung der friedenswahrenden UN bedeutete in Nehrus Augen zugleich einen Schritt vorwärts in Richtung indischer globaler Entspannungsziele.485 Washingtons Vorschlag, die UN-Mitglieder zum entschlossenen Gegenschlag aufzurufen, folgte Delhi zögernd. Offenbar schien, so das indische Kalkül, tatsächlich nur eine klare Reaktion der Weltgemeinschaft den expansionistischen Ambitionen der »sowjetischen Gruppe von Staaten« Einhalt gebieten zu können.486 Nehru hatte den aggressiven Opportunismus des Kremls, der die Koreapolitik für die Schwächung des imperialistischen Lagers und für die stärkere

483 Nehru an Chief Ministers, 17.5.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 89–101, hier S. 100. 484 Henderson an SoS, 28.6.1950, RSC, Truman Office Files, Pt. 4, Reel 1. Vgl. u. a. zum Abstimmungsverhalten Nehru an Rau, 1.7.1950, SWJN 2, Vol. 14,2, S. 311–315; Nehru an Chief Ministers, 2. und 15.7.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 118–151; Gopal, Nehru 2, S. 100 f.; Singh, Between two fires 2, S. 194–198; Barnes, Branding an aggressor, S. 235; McMahon, The cold war, S. 85 f. 485 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 2.7.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 118– 137, hier S. 122; Gopal, Stalin’s policy, S. 173. 486 Nehru an Chief Ministers, 15.7.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 138–151, hier S. 141 f. Vgl. Vermerk Nehru über Gespräch mit Henderson, 15.9.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 627–629, hier S. 628.

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Anbindung Chinas nutzen wollte, recht treffend erfasst.487 Ein amerikanisches Oberkommando musste der indischen Politik jedoch ebenso kontraproduktiv erscheinen wie weitere einseitige Verurteilungen Chinas oder konfrontative Vereinigungsvorschläge. Im Ergebnis stellte die indische Regierung den UN-Truppen in Korea lediglich eine Sanitätseinheit zur Verfügung. Hinter den Kulissen engagierten sich indische Diplomaten unmittelbar für eine Eingrenzung sowie, auf längere Sicht, für die Lösung des Konflikts. In Moskau schlug Radhakrishnan dem stellvertretenden Außenminister Zorin am 1. Juli 1950 die »Übergabe der koreanischen Frage zur Prüfung« an Vertreter der USA, der UdSSR und Indiens anstelle der Korea-Kommission der UN vor.488 Radhakrishnans private Ideen führten zu nichts. In Peking erkundete Panikkar sowjetische und chinesische Positionen.489 Unabhängig davon, ob diese konkreten Sondierungen im direkten Auftrag des MEA erfolgten, entsprachen sie Nehrus allgemeiner außenpolitischer Linie. Die Führung in Delhi setzte auf eine indische Vermittlerrolle, die ganz selbstverständlich und offenkundig viel zu optimistisch die UdSSR in ihre Bemühungen einbezog.490 In einer persönlichen Botschaft an Stalin und US-Außenminister Dean Acheson präsentierte Nehru am 12. Juli 1950 Vorschläge zur Regulierung des Gesamtproblems, die alle indischen Ansätze der Vormonate fortführten. Es ging dem indischen Premier darum, zumindest einen erneuerten Sicherheitsrat als Verhandlungsraum der Großmächte wiederherzustellen, damit UdSSR, USA und China »mit Unterstützung und Kooperation anderer Nationen, die den Frieden lieben«, das Koreaproblem endgültig lösen könnten.491 Der Kreml griff in einer ersten Antwort die ihm genehmen Ideen, d. h. die Aufnahme Pekings in den Sicherheitsrat sowie die Zusammenarbeit mit »fried487 Vgl. Egorova, Die UdSSR, S. 79 f.; Shen, Sino-Soviet relations; Shen, Mao, S. 106–132, 178–203; Steininger, Der vergessene Krieg, S. 30–39, 76; Hopf, Reconstructing, S. 126–130; Stöver, Geschichte, S. 55–61, 147–150; Stueck, The Korean war, S. 52; Heinzig, Die Sowjetunion, S. 486 f.; Shen/Ji, After leaning, S. 24–50; Weathersby, Soviet aims, S. 27–36; Weathersby, Should we fear; Thornton, Odd man out. 488 Vermerk über Gespräch Zorin mit Radhakrishnan, 1.7.1950, weitergeleitet an Stalin u. a., 2.7.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 26. Vgl. Gopal, Radhakrishnan, S. 230–234. 489 Vgl. Radhakrishnan an Gromyko, 9.7.1950, AVP, f. 7, op. 23, papka 45, d. 235, l. 34; Nehru an Attlee, 8.7.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 25; Singh, The limits, S. 77, 83 f. 490 Vgl. Nehru an Attlee, 8.7.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 25; Vermerk über Gespräch Allen mit Kaul, 14.7.1950, NARA, RG 59, Lot 54D341, Box 17, 63.16 Korea; Vermerk über Gespräch Acheson mit V. L. Pandit, 17.7.1950, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 1, 06. 491 Nehru an Stalin/Acheson, 12.7.1950, SWJN 2, Vol. 14,2, S. 347 f. Vgl. Nehru an Attlee, 10. und 14.7.1950, NAK, PREM 8/1409; FO an britische Botschaft Moskau, 14.7.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 23.

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liebenden« Staaten, auf. Den Konfrontationskurs gegen die USA und die UN änderte Stalin damit keineswegs.492 Auf der anderen Seite machte die amerikanische Unbeweglichkeit zum Ärger Delhis weitere Sonderierungen ohnehin überflüssig.493 Das hieß aber nicht, dass der indische Chefdiplomat seine Grundüberzeugungen aufgab. Die Masse der asiatischen Volksbewegungen, umwarb Nehru unter anderem Attlee, würde nicht von einer kommunistischen Gesinnung, sondern von der Sehnsucht nach einem besseren und freieren Leben angetrieben. Antikommunistische Beschwörungsformeln gingen demnach an der asiatischen Realität vorbei. Eine geänderte ›westliche‹ Politik würde asiatische Interessen bedienen und, auch dies zum Wohle Asiens, die »expansionistische« UdSSR auf Distanz halten. Einstweilen jedoch spielte Washington der Sowjetunion nur in die Karten, zum eigenen und indischen Schaden.494 In einer aktiven indischen Chinapolitik sah Nehru entsprechend große Chancen. Durch die indisch-chinesische Kooperation und gute Nachbarschaft sollte über eine asiatische Zusammenarbeit hinaus globale Entspannung erreicht werden.495 Nehrus Mann in Peking, Panikkar, betrieb mit Verve die Annäherung. Er ging dabei allerdings weiter, als es den MEA-Spitzen lieb war und klammerte entgegen den Weisungen seiner Zentrale brisante Themen der indisch-chinesischen Beziehungen aus.496 Hierzu zählte Tibet. Indien bevorzugte, auch mit Blick auf die Nachbargebiete Nepal und Sikkim, die tibetische Autonomie bei Anerkennung der chi492 Vgl. Vermerk über Gespräch Gromyko mit Radhakrishnan, 15.7.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 30; Bericht indische Botschaft Moskau für 16.–31.7.1950, NAI, 88–R&I. Zur sowjetischen UN-Politik im Umfeld des Koreakriegs und zum Boykott gegen Lie vgl. Barros, Trygve Lie, S. 242–244, 266 f., 270 f.; Gaglione, The United Nations, S. 71 ff., 125 ff.; Luard, A history 1, S. 242 ff., 347 ff.; Gaiduk, Divided together, S. 167 ff., 177 ff., 196 ff. 493 Vgl. Nehru an Radhakrishnan, 21.7.1950, SWJN 2, Vol. 14,2, S. 356 f.; Nehru an Attlee, 16.7.1950, NAK, PREM 8/1409; Nehru an Stalin, 16.7.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 34; Nye an CRO, 19. und 22.7.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 62, 94; Bajpai an V. L. Pandit, 20.7.1950, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56. 494 Nehru an Attlee, 21.7.1950, NAK, PREM 8/1409. Vgl. Nehru an Attlee, 22. und 30.12.1950, NAK, PREM 8/1409; Nehru an Chief Ministers, 31.12.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 299–310; Henderson an State Department, 3.11.1950, FRUS 1950 V, S. 1471–1474; Vermerke über Gespräche Roberts mit Bajpai und Rajagopalachari, 27.7. und 5.8.1950, NAK, DO 35/2591. 495 Vgl. Nehru an Panikkar, 19.8. und 2.9.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 430–434; Nehru an Chief Ministers, 1.10.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 208–221; Kaul, Diplo­macy, S. 28–30, 33 f., 70. 496 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 26.10.1950, NAK, DO 35/2591; Nehru an Panikkar, 27.10.1950, SWJN 2, Vol. 15,2, S. 332 f.; Agrawal, India, S. 22–24; Gupta, Sino-Indian relations, S. 118–129; Gopal, Nehru 2, S. 177–179.

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nesischen Suzeränität.497 Panikkar ignorierte in Peking alle Gerüchte über und Hinweise auf eine anstehende chinesische Invasion und berichtete Delhi unverdrossen über indisch-chinesische Harmonien.498 Nehru setzte sich mit seiner Mischung aus aktuellen Informationen und festen Grundüberzeugungen auch in der Chinapolitik zunächst gegen Opponenten in Kabinett und Verwaltung durch.499 Damit traf er im Übrigen den Nerv der indischen Öffentlichkeit: Die feierte im Sommer 1950 frenetisch die Ankunft des neuen chinesischen Botschafters in Delhi.500 Unter diesen Prämissen riet Nehru tibetischen Delegationen Anfang September 1950 schlicht, mit Peking zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.501 Einen Monat später, am 7. Oktober 1950, rückte die chinesische Armee in Tibet ein, Zeitgenossen zufolge auch mit Hilfe sowjetischer Transportflugzeuge.502 Indiens Außenpolitiker reagierten auf die chinesische Aktion überrascht und geradezu beleidigt. Nehru erblickte im Vorgehen Pekings einen Angriff auf das gesamte indische Konzept friedlicher globaler Beziehungen mit starkem asiatischem Einfluss auf der Basis indisch-chinesischer Kooperation.503 Ungeachtet dessen führte der chinesische Vormarsch in Tibet bei Nehru und seiner Denkschule keineswegs zu einem radikalen Umschwung in der Chinaund Kommunismuspolitik. Vielmehr schrieben sowohl der Premier als auch die indische Botschaft in Moskau das chinesische Vorgehen nicht zuletzt einem 497 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 18.8.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 429 f.; State Department Policy Statement, 28.8.1950, FRUS 1950 V, S. 1484–1489; Nehru an Chief Ministers, 7.1.1952, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 536–545. 498 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 18.8.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 163– 176; Panikkar an Nehru, 22.8.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 431, Anm. 5.; Nehru an V. L. Pandit, 30.8.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 380–383; Nehru an Panikkar, 2.9.1950, ebd., S. 432–434. 499 Vgl. V. L. Pandit an Bajpai, 30.8.1950, sowie Antwort, 10.9.1950, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56; Henderson an SoS, 10.11.1950, FRUS 1950 V, S. 1474 f. 500 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 14.9.1950, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1946–1950; Bericht US-Botschaft Delhi zu 1.9.1950, NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057, 691.61, Reel 1. 501 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit tibetischer Delegation, 8.9.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 434–436. 502 Vgl. Sheng, Mao, S. 24; Chen, The Tibetan rebellion, S. 56–60; Gorbačev, Pochod; Kollmar-Paulenz, Kleine Geschichte, S. 159–163; Zhai, Tibet, S. 34–48; Kuzmin, Hidden Tibet, S. 165 f. 503 Vgl. Nye an CRO, 26.10.1950, NAK, DO  35/2591, Bl.  239 ff.; Nehru an Chief Ministers, 1.11.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 236–253; Nehru an Panikkar, 19., 22. und 25.10.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 436–443 sowie Vol. 15,2, S. 331; Nehru in Lok Sabha, 6.–7.12.1950, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 457 f.; indisch-chinesischer Notenwechsel Oktober/November 1950, in: Hasan (Hg.), Documents 2, S. 63–70. Panikkar, Botschafter, S. 128 f., 137 f.; Garver, Protracted conflict, S. 45–48, 89; Gopal, Nehru 2, S. 106–109.

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starken negativen sowjetischen Einfluss auf China zu.504 Damit bestätigte die chinesische Aktion in ihren Augen einmal mehr, dass die bisherige indische Politik auf dem richtigen Weg gewesen und jetzt eher noch zu intensivieren war. Daher ließ sich Nehru nicht darauf ein, vor der UN die Sache Tibets zu vertreten.505 Stattdessen versuchten er und Botschafter Panikkar, die indischen Gemüter zu beruhigen und das Verhältnis zu Peking zügig auf das alte Gleis gutnachbarschaftlicher Beziehungen zurückzuführen.506 Indischer Auffassung nach verliehen die Entwicklungen in Korea diesen Bemühungen besondere Dringlichkeit. Dass China nach deutlichen Warnungen ab Oktober 1950 aktiv und Ende November 1950 äußerst massiv in die Kämpfe eingriff, war in indischen Augen insbesondere der verfehlten Politik der USA geschuldet.507 Ihr wie Großbritannien und der UdSSR unterstellte die Spitze des MEA, dass sie in Ablehnung der indischen Selbständigkeit im Spannungsfeld von sowjetischem Sozialismus, anglo-amerikanischem Kapitalismus und asiatischem Nationalismus insbesondere auch die vermeintliche indisch-chinesische Achse aufsprengen wollten.508 Dagegen bemühte sich Indien, Peking gegenüber zu verdeutlichen, dass China keiner geschlossenen, US-geführten kapitalistischen Front gegenüberstand. Zugleich ventilierte man in indisch-chinesischen Gesprächen, dass die UdSSR nicht der einzige Freund Chinas bleiben müsste.509 504 Vgl. Nehru an Panikkar, 25.10.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 438–443; Nehru an Patel u. a., 18.11.1950, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 342–347, hier S. 345; Berichte indische Botschaft Moskau für 16.–31.10. und 1.–15.11.1950, NAI, 88–R&I; Henderson an SoS, 10.3.1951, FRUS 1951 VI, S. 2127–2130, hier S. 2128 f.; Sen Gupta, The fulcrum, S. 103–109. 505 Vgl. Interview Nehru für United Press, 1.11.1950, SWJN 2, Vol. 15,2, S. 335 f. 506 Vgl. Nehru an Rajagopalachari, 1.11.1950, SWJN 2, Vol. 15,2, S. 336–338; Nehru an Roy, 15.11.1950, ebd., S. 341; Nehru an V. L. Pandit, 1.11.1950, NMML, V. L. Pandit papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1946–1950; Vermerk Nehru für Patel u. a., 18.11.1950, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 343–347; Nehru an Chief Ministers, 17.11.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 262–272; Panikkar an Nehru, 19.11.1950, SWJN, 2, 15,2, S. 349, Anm. 2; politischer Jahresbericht indische Botschaft Peking für 1950, 5.1.1951, NAI, 3 (5) – R&I/51; chinesisch-indischer Notenwechsel, Oktober/November 1950, in: Mehra (Hg.), The North-Eastern frontier 2, S. 155–164; Garver, Protracted conflict, S. 45–50; Mehra, Essays, S. 149–156; Mullik, My years, S. 62–110; Sheng, Mao, S. 24–29; Zhai, Tibet, S. 46–52. 507 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 28.9.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 403 f.; Protokoll Gespräch Zhou Enlai mit Panikkar, 8.10.1950, in: Goncharov/Lewis/Xue, Uncertain partners, S. 276– 278; Nehru an Panikkar, 4.10.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 409; Nye an CRO, 4.10.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 214 ff.; Nehru an Chief Ministers, 8.10.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 222 f. 508 Vgl. Nehru an Rau, 17.11.1950, SWJN 2, Vol. 15,2, S. 578–580. 509 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 1. Sitzung, 4.1.1951, CAB 133/90, S. 6.

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Einstweilen agierten Stalin und Mao bei aller Unterschiedlichkeit ihrer Ausgangspositionen und Zielvorstellungen in Korea recht geschlossen.510 Auch aus diesem Grund war es breiten Kreisen des indischen politischen Establishments bewusst, dass die weitere Annäherung an Peking nicht einfach werden würde. Mit der chinesischen Präsenz in Lhasa erhielten zudem verteidigungs- und territorialpolitische Fragen neue Aktualität. Für die indische Regierung stand die überkommene Grenzziehung, die McMahon-Linie, nicht zur Disposition.511 Innerhalb des Kabinetts wollte gerade Patel in dieser Richtung mehr tun und forderte vehement konkrete Rüstungs- und Verteidigungsmaßnahmen an der indisch-chinesischen Grenze.512 Im Fazit beließ es die Politik in dieser Zeit bei Anordnungen, die fragile staatliche Präsenz Indiens in der Region zu stärken und wachsam gegen potentielle Infiltrationsbewegungen zu sein. Vertrags­ beziehungen mit den kleinen Anrainerstaaten unter indischem Einfluss rundeten das Paket ab.513 Kürzungen des Militärhaushalts, die Delhis außenpolitischer Gesamtkonzeption folgten, wurden in dieser Zeit nicht ausgesetzt. Dies unterstrich, dass die Regierung keine chinesische Aggression befürchtete.514 Ohnehin war die politische Führung über die pikanten Zusammenhänge von Rüstung, Waffengeschäften und Außenpolitik nicht glücklich. Rüstungsimporte, die Delhi seit den 1940er-Jahren vor allem im Kontext der Spannungen mit Pakistan tätigte, konnten aufgrund der politischen Sensibilität des Militärsektors von außen betrachtet eine engere Verbindung Indiens mit Großbritannien 510 Vgl. Chen, Mao’s China, S. 54–61; Shen, Mao, S. 138–203; Steininger, Der vergessene Krieg, S. 65 f., 76 f., 151 ff.; Shen/Ji, After leaning, S. 50 ff.; Stueck, The Korean war, S. 99–104, 119–124, 142–148, 158–162; Zhang/Chen (Hg.), Chinese communist foreign policy, S. 149–220. 511 Vgl. Nehru an Panikkar, 25.10. und 20.11.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 438–443, hier S. 442, Vol. 15,2, S. 349–351; Nehru an Chief Ministers, 1.11.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 236–253. 512 Vgl. Patel an Nehru, 7.11.1950, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 335–341. 513 Vgl. Nehru an Roy, 15.11.1950, SWJN 2, Vol. 15,2, S. 341; Nehru an Chief Ministers, 17.11., 3., 18. und 31.12.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 262–272, 275–310; Freundschaftsvertrag Indien – Bhutan, 8.8.1949, in: Poplai (Hg.), India 1947–50 1, S. 273–275; Freundschaftsvertrag Indien – Nepal, 31.7.1950, in: Foreign policy of India, S. 31–33; Vertrag Indien – Sikkim, 5.12.1950, ebd., S. 37–40. Im November 1950 konstitutierte sich ein interministerielles Kommittee unter Vorsitz des stellv. Verteidigungsministers, Generalmajor Himmatsinhji, um die Auswirkungen des chinesischen Einmarsches in Tibet zu analysieren und Maßnahmen für die eigene Grenzsicherung, Kommunikation und Verwaltung zu entwickeln, vgl. Sinha/ Athale, History, S. 38 f. 514 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 31.12.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 299– 310; Vermerk über Gespräch Nehru mit Henderson 15.9.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 627–629; Nehru an Cariappa, 28.12.1949, SWJN 2, Vol. 14,1, S. 324–326, hier S. 325; Agrawal, India, S. 52–60, 63 f.; Wainwright, Inheritance, zum Militärhaushalt ebd., S. 125, 134 f.

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und vor allem mit den leistungsfähigen USA signalisieren.515 Die UdSSR sah grundsätzlich die Option, amerikanische Positionen durch Waffenlieferungen aus dem Ostblock zu schwächen.516 Das kühle sowjetisch-indische Verhältnis verhinderte in dieser Phase jedoch, dass sich aus Andeutungen beider Seiten Gespräche oder gar Verhandlungen über sowjetische Militärhilfe entwickelten.517 Unabhängig von der allenthalben spürbaren sowjetischen Distanz gab der indische Premier die Hoffnung nicht auf, mit seiner Politik letztlich auch die sowjetische Führung überzeugen zu können. Die sowjetische Rückkehr in den Sicherheitsrat gab dieser Hoffnung Auftrieb. »[I]t is just possible that one of the reasons for their going back there was our appeal to them and to the USA«.518 So einfach ließ sich Stalin jedoch nicht beeinflussen. Die sowjetische Führungsspitze betrachtete den Boykott offenkundig selbst als Fehler und setzte nun in den UN auf ein öffentlich konzilianteres und gewinnenderes Auftreten. Die taktische Änderung kam für die ausführenden Organe wieder einmal überraschend: Das Politbüro kritisierte beispielsweise im August 1950 MID-Entwürfe für Direktiven zur fünften Generalversammlung, die noch im alten Stil verfasst waren. Das Auftreten der sowjetischen Vertreter, so die neue Vorgabe, solle ruhig und würdig sein, die UN als Friedensinstrument genutzt werden.519 Dieser Zugang korrespondierte besser mit sowjetischen Ansätzen, über den Stockholmer Appell (März 1950) und den Weltfriedensrat (November 1950) breitere Bevölkerungsschichten in aller Welt gegen die unliebsamen imperialistischen Regierungen und ihre Helfer zu mobilisieren. Dieses Kalkül stand auch hinter sowjetischen Vorschlägen von Herbst 1950, MEA-Generalsekretär Bajpai zum neuen Generalsekretär der UN zu ernennen. Anglo-amerikanische Beobachter 515 Vgl. Aufzeichnung Gespräch V. L. Pandit mit Acheson, 15.6.1950, FRUS 1950 V, S. 1412–1415; Henderson an SoS, Herbst 1950, ebd., S. 1474 f.; Nehru an V. L. Pandit, 20.2., 8. und 21.6.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 54. 516 Vgl. MID an sowjetische Botschaft Prag, 10.2.1951, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 45, l. 168; MID an sowjetische Botschaft Kabul, 10.2.1951, ebd., d. 45, l. 169; Beschlüsse Politbüro, 28.11. und 21.12.1951, ebd., d. 47, l. 173 sowie d. 48, l. 47. 517 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 18.8.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 53; Nehru an V. L. Pandit, 20. und 26.2.1948, ebd.; K. P. S. Menon an V. L. Pandit, 30.4.1948, ebd., 2, 9; Chief General Staff Indian Army, i.V. General Kalvant, an K. Novikov, 23.6.1949, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 5, l. 7. 518 Nehru an Chief Ministers, 3.8.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 155–162, hier S. 156 f. Vgl. Nehru an Chief Ministers, 16.10.1950, ebd., S. 224 ff.; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Nye, 29.9.1950, NAK, DO 35/2591, Bl. 202; Gupta, Stalin’s policy, S. 181. 519 Entwurf und Endfassung der Direktive, 26.8. bzw. 10.9.1950, sowie Beschluss Politbüro, 1.9.1950, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 44. Vgl. Beschlüsse Politbüro, 26.1. und 24.10.1951, 22.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 45, 47 sowie op. 163, d. 1618.

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werteten sie aus guten Gründen als weiteren Versuch, aus internationalen Diskrepanzen zwischen Indien und den USA respektive Großbritannien Kapital zu schlagen.520 Die sowjetische Diplomatie war im Übrigen mittlerweile endgültig davon überzeugt, dass sie für derartige Unternehmungen auf Pakistan nicht zählen konnte: Bereits Ende Januar 1950 hatte das Politbüro nach langem Hin und Her mit Karachi alle Pläne für einen Besuch des pakistanischen Premiers, Liaquat Ali Khan, in Moskau auf Eis gelegt.521 Es passte zu diesem Gesamtbild sowjetischer Politik, dass sich sowjetische Diplomaten in der Koreafrage nach wie vor kompromisslos zeigten, sich jedoch vor indischen Vertretern angenehm überrascht über die Koreapolitik Delhis in der UN äußerten.522 Anfang 1951 besuchten schließlich in Moskau Vyšinskij und in Peking Mao demonstrativ die Empfänge der indischen Botschaften anlässlich des Tags der Republik (26. Januar). Konsequent verbreitete TASS die Kunde vom angeblichen Schulterschluss Indiens mit China und der UdSSR »im Kampf um die Bewahrung des Friedens im Fernen Osten und in der ganzen Welt«.523 3.3.3. 1951 bis 1953: Erweiterte Möglichkeiten Die geschilderten verschachtelten Entwicklungen indischer wie sowjetischer Innen- und Außenpolitik stellten den Hintergrund für die Einladung einer CPI-Delegation nach Moskau dar. Die sowjetische Führung wollte die Streitigkeiten der CPI so schlichten, dass alle sowjetischen Interessen in Indien, in der internationalen kommunistischen Bewegung und in Asien in seiner globalen Einbettung gewahrt wurden. 520 Vgl. Cabinet Minutes, 19.10.1950, NAK, PREM 8/1301; FO an britische Botschaft Washington und britische UN-Delegation, 20.10.1950, NAK, PREM 8/1301; Gupta, Stalin’s policy, S. 170; Johnston, Peace; Schlaga, Die Kommunisten; Shulman, Stalin’s foreign policy, S. 7 f., 80–107, 134 f., 154 f., 165–167, 200–202; Dallin, Sowjetunion, S. 36 f. 521 Vgl. Chalevinskij (Hg.), SSSR i Pakistan, S. 15; Bachitov an Vyšinskij, o. D., AVP, f. 7, op. 22a, papka 16, d. 249, l. 11; Ausarbeitung MID, Andreev, zu Pakistan, 9.9.1948, AVP, f. 117, op. 1, papka 1, d. 6, ll. 37 ff.; Vyšinskij an Stalin, 11.8.1949, AVP, f. 7, op. 22a, papka 16, d. 249, l. 28; Andreev an Bachitov, 22.7.1950, AVP, f. 117, op. 3, papka 2, d. 4, l. 6; Beschlüsse Politbüro, 16.8.1949 und 26.1.1950, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40, 45. 522 Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für 16.–31.10.1950, o. D., NAI, 88–R&I; Aufzeichnung Gespräch Vyšinskij mit Radhakrishnan, 9.9.1950, AVP, f. 7, op. 23, papka 31, d. 14, l. 5 f.; Vermerk über Gespräch Gromyko mit Gundevia, 21.1.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 78–80, hier l. 78. Zur Koreapolitik vgl. Beschluss Politbüro, 17.11.1950, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 45, l. 68: Verhandlungslösungen würden nur den USA Luft verschaffen und Verluste ersparen, so die Moskauer Sicht. 523 Zit. nach Bericht indische Botschaft Moskau für 16.–31.1.1951, NAI, 87–R&I.

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In diesem Sinne entschied Stalin als Erstes über den Teilnehmerkreis der für den Winter 1950/1951 anstehenden Gespräche. Die britischen Kommunisten hatten sich im August 1950 ein Zusammentreffen chinesischer, sowjetischer, indischer und britischer Genossen gewünscht.524 Die außenpolitischen Experten des ZK-Apparats versprachen sich von der Beteiligung der CPGB keinerlei Nutzen. Ihr blieben im Weiteren nur noch Hilfsdienste. So ließ die VPK die Briten »Titoismus«-Vorwürfe gegen Dange prüfen.525 Die ZK-Experten votierten jedoch für die Teilnahme der KPCh, da sich die CPI-Spitze von Moskau neben allem anderen die Vermittlung einer »regelmäßigen Verbindung« mit Peking erhoffte.526 Es war bezeichnend, dass sich Stalin für eine rein bilaterale Variante entschied. Um die Pflege indisch-chinesischer Parteikontakte möge sich die CPI selber kümmern, beschied das Politbüro die indischen Genossen.527 Nach Moskau eingeladen wurden Parteichef Rao als Vertreter des linken, Dange als Fürsprecher des rechten Flügels. Es blieb in ihr Ermessen gestellt, weitere Führungskader mitzubringen.528 Die illegale Reise der CPI-Vertreter in die UdSSR wurde von Moskau organisiert.529 Sowjetische Diplomaten in Indien versorgten derweil zur Vorbereitung des Besuchs ihre Zentrale mit weiteren Parteidokumenten und -resolutionen der indischen Partei.530 Die Analysten der VPK sahen sich durch die Informationen in ihrer kritischen Bewertung des theoretischen und Klassenniveaus der CPI bestätigt. Zugleich nährten die Unterlagen den sowjetischen Verdacht, dass die Partei mit Maulwürfen der indischen Regierung sowie mit anglo-amerikanischen Agenten durchsetzt sei.531 Die indisch-sowjetischen Parteigespräche in Moskau begannen mit einer Doppelsitzung am 4. und 6. Februar 1951. Neben Rao und Dange waren zusätzlich das (linke) Politbüro-Mitglied Makineni Basavapunniah aus Andhra sowie

524 Vgl. Pollitt an VKP, 25.8.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 165 f. 525 Vgl. Grigor’jan an Stalin u. a., 3.2.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1210, ll. 16 ff. 526 Grigor’jan an Stalin u. a., 21.10.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 182 f. Auch das MID war gegen neue Verbindungen der CPGB zur CPI, vgl. Grigor’jan an Molotov, 23.11.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, l. 203. 527 Vgl. Grigor’jan an Stalin, 21.11.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, l. 201; Shen/Xia, Leadership, S. 205 f. 528 Vgl. Entwurf und Endversion der entsprechenden Telegramme, 23. und 24.10.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, l. 194 sowie ebd., f. 558, op. 11, d. 308, l. 1. 529 Vgl. Beschluss Politbüro Nr. 371, 20.12.1950, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 45, l. 106. 530 Vgl. u. a. Zorin an Grigor’jan, 20.11.1950 und 29.1.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 428, 741. 531 Vgl. Grigor’jan an Stalin u. a., 31.1.1951, RGASP, f. 82, op. 2, d. 1210, ll. 2–15. Diese Ausarbeitung nahm zahlreiche Bewertungen von Juli 1950 nahezu wörtlich auf, vgl. Grigor’jan an Stalin u. a., 5.7.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1208, ll. 140–149.

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ein Vertreter der Mitte, Politbüromitglied Ghosh, angereist.532 Bereits die erste Gesprächsrunde zeigte, dass die sowjetische Seite die Begegnung sehr ernst nahm. An ihr nahmen für die Gastgeber neben dem VPK-Vorsitzenden Grigor’jan und dem Chefredakteur von Für einen dauerhaften Frieden, für Volksdemokratie, Judin, die schwergewichtigeren Malenkov und Suslov teil. In dem Austausch wurden die tiefen Risse innerhalb der CPI offenbar. Die vier Inder sparten vor den sowjetischen Genossen nicht an heftigen gegenseitigen Vorwürfen. Der Befund, dass die Partei »demoralisiert« und handlungsunfähig sei, war nahezu das Einzige, worauf sich beide Flügel einigen konnten.533 In Indien selbst war es mittlerweile schon zu parteiinternen Prozessen gegen innerparteiliche Opponenten gekommen. Daher suchte gerade Dange die Chance, sich in Moskau gegen derlei Bedrohungen abzusichern. Auf seine Frage hin sprach sich im weiteren Verlauf der Gespräche Stalin höchstpersönlich gegen die Ermordung parteiinterner Kritiker aus, unterschied jedoch fein zwischen Maßnahmen einer kommunistischen Partei und dem Vorgehen einer kommunistischen Regierung.534 Inhaltlich stritten Dange und Gosh auf der einen, Rao und Basavapunniah auf der anderen Seite über das aktuelle revolutionäre Potential in Indien und damit über die besten Strategien gegen Nehrus Regierung. Diese Punkte waren auch aus indischer Sicht mit Problemen der Korea- und Friedenspropaganda sowie der grundsätzlichen ideologischen Bewertung von Nehrus Innen- und Außenpolitik verbunden. Alle Aspekte waren schließlich unauflöslich mit der Frage verknüpft, ob und inwieweit chinesische Erfahrungen auf die indische Situation übertragbar waren. Die sowjetischen Gesprächspartner bohrten vor allem dann nach, wenn es um die realen Machtverhältnisse in Indien ging. Die erfragten Auskünfte über den Maßstab der Aufstandsbewegungen in Telangana und Andhra oder den Einfluss der CPI auf die indische Armee sprachen jedem revolutionärem Optimismus Hohn. Selbst Rao zählte gerade einmal 500 bewaffnete Aufständische in Telangana und konnte in Andhra »faktisch keine organisierten Partisaneneinheiten« erkennen. Dem moderaten Ghosh gingen diese Aussagen noch zu 532 Vgl. Malenkov u. a. an Stalin, 8.2.1951, RGASPI, f. 82, op. 11, d. 310, ll. 1–11, hier l. 2. Makineni Basavapunn(a)iah tritt in den sowjetischen Quellen unter dem Namen V. Punnajja auf. Vgl. bereits Donaldson, Soviet policy, S. 97. 533 Vgl. Protokoll Gespräch CPI-Delegation mit Malenkov u. a., 6.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 12 ff. Die folgenden Ausführungen entwickeln meine früheren Analysen weiter, vgl. Indo-Soviet relations, Hilger u. a. (Hg.). 534 Vgl. Protokoll Gespräch Stalin mit Rao u. a., 9.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 71–86.

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weit: »[E]s gebe in der Bewertung […] eine Tendenz zur Übertreibung, indem jeder Vorfall auf dem Land als Aufstand betrachtet werde.«535 Darüber hinaus musste der linke Flügel einräumen, dass die CPI kaum über Verbindungen in die Streitkräfte hinein verfügte. Die Schwäche der Partei bestätigte die Moskauer Metropole in der Auffassung, dass, wollte sie auf die indische Politik Einfluss nehmen, sie sich nicht allein an diese CPI wenden dürfte. Am 8. Februar 1951 lag Stalin eine Zusammenfassung der Unterredungen vor.536 Er arbeitete die Vorlage intensiv durch. Eindeutig verstand sich Stalin sowohl in ideologisch-programmatischen als auch in organisatorischen Fragen der CPI als letzte und entscheidende Instanz. Am 9. Februar erläuterte er in einem über dreistündigen Lehrer-Schüler-Gespräch den indischen Delegierten seine Antworten auf deren Fragenkatalog.537 Stalin ließ sich in seinen Ausführungen zur indischen Situation ganz von seiner Interpretation marxistisch-­ leninistischer Revolutionslehren und russischer Revolutionserfahrungen von 1905 und 1917 leiten.538 Er passte auch maoistische Manöver umstandslos in die Abläufe der osteuropäischen »volksdemokratischen Revolutionen« ein, die »vor China begonnen« hatten. In Stalins Augen stellte der »chinesische Weg, über den überall gesprochen wird«, einfach eine antifeudale, bürgerlich-demokratische Revolution und damit die erste Etappe einer volksdemokratischen Revolution dar. In diesem Verständnis waren die osteuropäischen Länder weiter und hatten bereits das zweite Stadium, den Beginn der sozialistischen Revolution, erreicht. Stalin zufolge befand sich Indien noch vor einer Agrarrevolution, in der sich Bauern und »Kulaken« gegen »Feudale« zu verbünden hatten. Auf der taktisch-methodischen Ebene stutzte Stalin den Vorbildcharakter des »chinesischen Wegs«, das heißt des bäuerlichen Partisanenkampfes, ebenfalls zusammen: »Der chinesische Weg war für China gut. Er ist für Indien unzureichend«. Zur Begründung strich der sowjetische Führer neben einer im Vergleich höheren industriellen Entwicklungsstufe Indiens die angebliche Bedeutung sowjetischer Hilfestellungen für Maos Kriegführung heraus. Über einen »freundschaftlichen Nachbarstaat«, der als solides Hinterland dienen könnte, verfügte die CPI tatsächlich nicht. Im Endergebnis forderte Stalin von der CPI, sich 535 Protokoll Gespräch Rao u. a. mit Malenkov u. a., 6.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 12 ff., hier l. 32. 536 Vgl. Malenkov u. a. an Stalin, 8.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 1 ff. 537 Vgl. Protokoll Gespräch Stalin mit Rao u. a., 9.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 71 ff. Das Protokoll eines zweiten Gesprächs von Anfang März ist im Präsidentenarchiv nicht zugänglich. 538 Vgl. analog Moskauer Empfehlungen für die indonesische KP, Efimova, Stalin, S. 109–117.

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intensiver um Arbeiter und Soldaten zu bemühen, sich ansonsten mit Geduld zu wappnen und mit langem Atem auf eine Revolution vorzubereiten. Die aktuelle Schwäche der CPI und die innere Stärke der Regierung Nehru wurden von Stalin deutlich gesehen. Von einem »Bürgerkrieg« könne keine Rede sein, teilte er dem linken Flügel mit. Die Nehru-Regierung vertrat nach Moskauer Ansicht zwar weiterhin »Großbourgeoisie und […] Gutsbesitzer, die mit dem Imperialismus zusammenarbeiten und die feudale Ausbeutung unterstützen«. Sie verfüge aber eben über »Wurzeln innerhalb der Bevölkerung«.539 Aus der Analyse der indischen Gesamtsituation ergab sich für Stalin, dass sich die CPI zur eigenen bündnispolitischen Stärkung, zur Absicherung der Agrarrevolution, zur langfristigen Isolierung der nationalen Bourgeoisie von äußeren Bündnispartnern sowie zwecks weitsichtiger Spaltung aller bürgerlich-­imperialistischen Konstellationen ganz auf den Kampf gegen feudale Kräfte und die »britischen Imperialisten« konzentrierten sollte. »Die Reihe kommt«, so Stalins Kalkül, »natürlich auch an die Amerikaner und an die Kulaken. Doch das ist später, jeder der Reihe nach«. Im Fazit handelte es sich bei Stalins Richtlinien um eine südasiatische Variante traditioneller sowjetischer Minimal- und Maximalprogramme: »[D]er Entwurf des Programms der indischen Kommunistischen Partei ist ein ›Programm-Minimum‹, das die grundsätzlichen Aufgaben der ersten Etappe der Revolution widerspiegelt, die ihrem Wesen nach antifeudal und antiimperialistisch ist«, erklärte es Stalin Monate später erneut den indischen Genossen. »Es ist vollkommen wahrscheinlich, dass die erste Etappe der Revolution im Erfolgsfall unmittelbar in die zweite Revolutionsetappe übergeht, wobei das ›Programm-Minimum‹ im Falle dieses Erfolgs durch ein ›Programm-Maximum‹ ersetzt wird.«540 Über kurz oder lang werde sich nach revolutionären Erfolgen »ein bedeutender Teil, wenn nicht die Mehrheit, der nationalen Bourgeoisie mit der vereinigten revolutionären Front Indiens zusammenschließen«, waren Moskauer Analysten im ZK überzeugt.541 Nach Stalins Machtwort entstanden der entsprechende Programmentwurf sowie eine passende »Taktische Linie« der CPI in enger indisch-sowjetischer

539 Protokoll Gespräch Stalin mit Rao u. a., 9.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 71 ff., hier ll. 80, 85 sowie Fragenkatalog CPI-Delegation, 14.2.1951, mit Bearbeitungsvermerken Stalins, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 88 ff., hier l. 90; Entwurf der »Antworten der Freunde auf Fragen des Gen. Goshs«, 13.12.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, ll. 35 ff.; Grigor’jan an Molotov, 7.4.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1210, l. 76. 540 »Antwort der Freunde« auf Fragen Ghoshs, 20.9.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 312, ll. 27 ff. 541 »Antworten der Freunde« auf Fragen der CPI, 20.9.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 312, ll. 28 f.

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Koproduktion.542 Die Neuausrichtung der Partei schlug sich schließlich, wie bereits angesprochen, kaderpolitisch in der Beförderung des gemäßigten Ghosh zum neuen CPI-Generalsekretär nieder. Im Sinne einer gewissen Verbreiterung der Arbeitsgrundlagen interessierten sich sowjetische Stellen nun auch für nichtkommunistische linksgerichtete Oppositionsgruppen und Bewegungen im Land. Der indische Friedensaktivist Kitchlew, Präsident des im Mai 1951 gegründeten parteiübergreifenden indischen Friedensrats, gewann in der sowjetischen Presse eigene Prominenz.543 In den Folgemonaten zeigte sich, dass Moskau die Parteikonsultationen von Februar/März 1951 nicht als einmalige Angelegenheit betrachtete. Die CPI konnte nicht nur mit Hilfsgeldern des Internationalen Hilfsfonds für linke Arbeiterorganisationen rechnen, sondern auch mit Ratschlägen.544 Immer wieder sandte Generalsekretär Ghosh ausführliche Berichte und Fragen an Stalin und Genossen, die die indischen Anfragen aufmerksam bearbeiteten. Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass während des XIX. Parteitags der VKP (b) im Oktober 1952 ein weiteres Spitzengespräch der Parteiführungen stattfand.545 In welchem Umfang die indischen Genossen 1951/1952 Kontaktangebote Pekings nutzten, muss bei der gegebenen Aktenlage offenbleiben.546 Der kontinuierliche Austausch war aus Moskauer Sicht schon allein deshalb notwendig, weil sich die CPI-Mitglieder trotz aller Lippenbekenntnisse zur 542 Vgl. Dange u. a. an ZK VKP (b), 25.2. und 1.3.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1205, ll. 29 f., 49 ff. Das endgültige Programm wurde auf der CPI-Parteikonferenz vom 9.–15.10.1951 angenommen, abgedr. in: Basu (Hg.), Documents VIII, S. 1–18; die »Tactical line« ebd., S. 19–41. Vgl. Sen, A traveller, S. 81 f.; Chandra, A strategy, S. 263–278. 543 Vgl. Vermerk über Grußwort an indische Friedensbewegung, Februar 1951, RGASPI, f. 82, p. 2, d. 1197, ll. 83 f.; Beschlüsse Politbüro, 14.3., 17.8., 18.9. und 13.10.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1579, 1591 und 1604 sowie op. 3, d. 1090; Bericht indische Botschaft Moskau für März 1951, NAI, 87–R&I; Kotov an Grigor’jan, 26.4.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 743, ll. 96 ff.; Bericht Matveev, 17.9.1951, AVP, f. 21, op. 5, papka 7, d. 136, ll. 83 ff.; Plyševskij an Grigor’jan, 4.9.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 742, ll. 88 ff. 544 Vgl. Protokoll Gespräch Malenkov u. a. mit Rao u. a., 21.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 114 ff. 1951 z. B. überwies die VKP aus sowjetischen Mitteln offenbar 100.000 US-Dollar, für 1955 lässt sich eine Zahlung in Höhe von 50.000 USD belegen, dazu kamen Sachleistungen und Gelder aus dem Verkauf sowjetischer Literatur in Indien, vgl. RGANI, f. 89, op. 38, d. 26, 33 sowie Beschlüsse Politbüro, 9.12.1950 und 1.10.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1570 bzw. op. 162, d. 48, l. 177; Bowles an Dulles, 9.6.1952, FRUS 1952–1954 XI, S. 1648–1652; Grigor’jan an Chruščev, April 1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, l. 8; Sen, A traveller, S. 259 f. 545 Vgl. Grigor’jan an Stalin, 8. und 14.10.1952, 26.1.1953, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1210, ll. 92, 98, 100 (ll. 104–109 nicht freigegeben) sowie RGASPI, f. 592, op. 1, d. 1, ll. 63 ff.; Gopalan, In the cause, S. 189–199. 546 Vgl. Sen, A traveller, S. 84–116; Presseauswertung indische Botschaft Peking für die Zeit vom 1.3.–25.6. sowie vom 16.7.–31.8.1951, NAI, 19 R & I/51.

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sowjetischen Führerschaft weiterhin als eigenwillige regionalpolitische Denker und mitunter wenig kooperationsfähige Kommunisten erwiesen.547 In der Partei kursierten außerdem verschiedene Versionen über Stalins Ratschläge bzw. über deren Verbindlichkeit.548 In Telengana dauerte es noch bis Ende Oktober 1951, bis die Kommunisten endgültig die Waffen niederlegten.549 Die von Moskau aus betriebene, innenpolitische Neuaufstellung der CPI ging mit sowjetischen internationalen Rejustierungen Hand in Hand. Stalin war hinsichtlich der indischen Außenpolitik zu dem Schluss gekommen, dass Nehru im globalen Spiel der Klassengegensätze eine Stellung anstrebte, die ihm erlaubte, zwischen Großbritannien und Amerika zu »manövrieren«. Der indische Premier, so Stalin im Gespräch mit den indischen CPI-Spitzen, agiere keineswegs als bloße »Marionette des englischen Imperialismus«.550 In dieser Interpretation war der entscheidende Punkt, dass Delhi in der internationalen Arena bereits vor den auf Dauer angestrebten kommunistischen Umwälzungen in Indien dem sowjetischen Imperium von Nutzen sein konnte. Denn jede indische bourgeoise Regierung, die in den Brennpunkten des Kalten Kriegs in Asien auch nur in Ansätzen selbständig handelte, schwächte das imperialistische Großlager. In dieser Rechnung ging es nicht um die Unterordnung von Parteibeziehungen unter Staatsinteressen und auch nicht um eine Verschiebung von ideologischen hin zu realpolitischen Handlungsprämissen. Der Kreml beäugte weiterhin misstrauisch Nehrus »verdächtiges Spiel« »zwischen zwei Lagern«.551 Mit diesem sowjetischen Grundverständnis ging man in Peking konform. In Gesprächen mit dem sowjetischen Botschafter in Peking entwarf Außenminister Zhou Enlai das Bild einer zweigeteilten kapitalistischen Welt. Er zählte hier547 Vgl. Sondervotum von Rao und Punnajja an ZK, [vor] 27.2.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1205, ll. 29 f.; Grigor’jan an Stalin, 14.9.1951, 16.10.1952 und 1.1.1953, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 312, l. l1 ff. bzw. f. 82, op. 2, d. 1206, ll. 59–62, 98–107; Ghosh an Stalin, 29.7.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1206, ll. 42–46. 548 Vgl. Pavier, The Telengana movement, S. 166–168; Krishnan, Testament, S. 206 f. 549 Vgl. Resolution ZK CPI und Presseerklärung, 21./23.10.1951, in Grigor’jan an Stalin, 21.1.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1206, ll. 15 ff.; Sundarayya, Telangana people’s struggle, S. 414–434 f.; Pernau, The passing, S. 317–337; Pavier, The Telengana movement, S. 167–171; Sherman, The integration, S. 507–512. 550 Protokoll Gespräch Stalin mit Rao u. a., 9.2.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 310, ll. 71 ff., hier ll. 80, 85. 551 Grigor’jan an Stalin u. a., 2.7.1952, mit korrigiertem Entwurf für »Antworten der Freunde auf Fragen von A. Ghosh«, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, l. 51. Vgl. Vyšinskijs Ausfälle gegen die indische Koreapolitik vor der UN-Generalversammlung, 3.12.1952, in: UN GA, 7 th session, 14.10.1952–28.8.1953, 399. Sitzung; Berichte Attaché Delhi, Orlov, sowie dritter Sekretär Botschaft, Stepanov, 17.9.1951, AVP, f. 21, op. 5, papka 7, d. 136, ll. 1 ff., 50 ff.; Bericht Matveev, 17.9.1951, ebd., ll. 83 ff.

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bei Indien zu den Staaten, die von »imperialistischen« Mächten abhängig seien. Mittels bilateraler Beziehungen zu Delhi, so Zhou Enlais Kalkül, könne China die Gegensätze zwischen Indien und den »imperialistischen Metropolen« verschärfen.552 Doch Nehrus MEA wollte gerade in der chinesischen Politik partout keine ideologischen Antriebskräfte erkennen.553 In der Tibetfrage brach Nehru chinesisch-kommunistische Empfindlichkeiten hinsichtlich vermeintlicher Einmischungsversuche auf eine antikoloniale Übersensibilität herunter, die einem indisch-chinesischen Ausgleich nicht im Wege stehe.554 Erste Meldungen über chinesische Aktivitäten in der von Indien beanspruchten Region Aksai Chin änderten nichts an Nehrus Haltung.555 Im Gegenteil: Auch in anderen Krisenregionen Asiens verfolgte der Premier auf der Basis seiner miteinander verflochtenen China-, Asien- und Globalkonzeption und im Glauben an die indische Sprecherrolle eine Politik, die angenommene chinesische Nationalinteressen in Rechnung stellte.556 So gestand der indische Premier beispielsweise China legitime Wünsche hinsichtlich des japanischen Friedensvertrags zu.557 Der amerikanische Entwurf dagegen atmete Nehrus Ansicht nach ganz den Geist altkolonialer ›europäischer‹ Herrschaft. Eine indische Unterschrift wäre demnach auch dem Bruch mit China gleichgekommen.558 Delhi steuerte mit eigenen Ver-

552 Aufzeichnung, 27.7.1951, über Gespräch Roščin mit Zhou Enlai, 24.7.1951, in: Wolff, One finger’s worth, S. 41 f., Zitat S. 42. 553 Vgl. Nehru an Panikkar, 14.4.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 78–82; Bericht indische Botschaft Peking für die Zeit vom 26.6.–25.7.1951, ebd. 554 Vgl. Nehru an Joint Secretary MEA, Haksar, 21.7.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 647; Nehru an Chief Ministers, 2.6.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 403–414. 555 Vgl. Sinha/Athale, History, S. 23; Raghavan, War, S. 244 f.; Hoffmann, India, S. 35. 556 Vgl. Nehru an Attlee, 3.12.1950, NAK, PREM 8/1409; Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 4.–8.1.1951, NAK, CAB 133/90; Nehru an V. L. Pandit, 13.2.1951, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1951–1963; Nehru an Chief Ministers, 18.2.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 330–338; Vermerk Henderson über Gespräch mit Nehru, 20.2.1951, NARA, RG 59, Records of the Director, Southeast Asia Regional Conference and Country Files, 1951–1954, Box 6. 557 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 16.5.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 458–460; Nehru an Secretary-General MEA, 1.6.1951, ebd., S. 461 f.; Nehru an Chief Ministers, 22.7. und 31.8.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 441–454, 486–492. 558 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 19.8.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 474– 485, hier S. 484; Nehru an Rau, 23.7.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 603 f., hier S. 603; Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 6. Sitzung, 9.1.1951, NAK, CAB 133/90, S. 3. Im MEA hatte sich Bajpai sehr für den Friedensvertrag ausgesprochen, während Krishna Menon, Panikkar und Radhakrishnan den Premier unterstützten, vgl. Nehru an V. L. Pandit, 24.7.1951, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1951–1963; Singh, Between two fires 2, S. 236 f.

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tragswerken in Asien gegen.559 Bemühungen Washingtons, das sich seit China und Korea intensiver um die Anbindung des Subkontinents bemühte, konnte Nehrus Denkschule wenig abgewinnen.560 Die indischen Anhänger der Ausgleichspolitik waren überzeugt, dass ihre Politik in China Eindruck hinterließ.561 Bezüglich der sowjetischen Einstellungen zu Indien war man sich in Delhi Anfang 1951 weniger sicher. Dies lag auch darin begründet, dass Moskau in den UN weiterhin eine Politik verfolgte, die indischen Ansätzen diametral entgegenstand.562 Abgesehen von der Forderung, Peking in den Sicherheitsrat zu bringen, ergaben sich einstweilen kaum internationale Gemeinsamkeiten. Auch die beiderseitige Ablehnung des japanischen Friedensvertrags konnte über grundsätzliche Diskrepanzen in der internationalen Politik nicht hinwegtäuschen.563 Immerhin verbesserten im Frühling 1951 während akuter indischer Versorgungsnotstände Hilfslieferungen aus der UdSSR das sowjetische Image. In Delhi schätzte man insbesondere, dass Moskau, ganz im Gegensatz zur amerikanischen Politik, die entsprechenden Verhandlungen nicht mit politischen Implikationen auflud.564 Vor diesem Hintergrund unternahm es Botschafter Panikkar, in Peking Chancen eines Besuchs Nehrus in der UdSSR auszuloten. Der eigentliche Urheber der Idee lässt sich nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Panikkar berief sich in seinen Berichten an das MEA anscheinend auf sowjetische Initiativen. Demnach hatte der sowjetische Botschafter in Peking seinem indischen Kollegen einen sowjetisch-indischen Vertrag über Freundschaft, Handel und Kulturbeziehungen vorgeschlagen und eine sowjetische Einladung

559 Vgl. u. a. indisch-indonesischer Freundschaftsvertrag, 3.3.1951, in: Foreign policy of India, S. 55 f.; indisch-burmesischer Freundschaftsvertrag, 7.7.1951, ebd., S. 59 f.; indisch-japanischer Friedensvertrag, 9.7.1952, ebd., S. 70–74; indisch-philippinischer Freundschaftsvertrag, 11.7.1952, ebd., S. 78 f.; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 491 f. 560 Vgl. Brands, The specter, S. 49–58; McMahon, The cold war, S. 50 f., 103–140; Merrill, Bread, S. 54–80; McGarr, The cold war, S. 16–25. 561 Vgl. politischer Bericht indische Botschaft Peking für die Zeit vom 20.10.–15.11.1951, NAI, 19 R & I/51. 562 Zum Boykott des UN-Generalsekretärs durch die UdSSR vgl. Beschluss Politbüro, 10.2.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1576. Vgl. insges. Bericht indische Botschaft Peking für die Zeit vom 27.3.–30.4.1951, NAI, 19 R & I/51; Bericht indische Botschaft Moskau für August 1951, NAI, 87–R&I; Interview Nehru mit Cousins, März 1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 401–426, hier S. 414 f. 563 Vgl. Beschluss Politbüro, 17.12.1951, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 48, l. 32; Nehru an Rau, 8.11.1951, SWJN 2, Vol. 17, S. 510; Vermerk State Department über Abstimmungsverhalten, 6.2.1952, NARA, RG 59, Lot 57D259, Subject Files, Memo of Conversation, Box 6; Gupta, Stalin’s policy, S. 213 f., 244. 564 Vgl. Nehru an Panikkar, 14.4.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 78–82, hier S. 80; Kap. 2.4.1.

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in Aussicht gestellt, sobald Nehru einen entsprechenden Wunsch äußere.565 Die Südostasienabteilung des MID allerdings kommentierte noch Ende Juni 1951 etwaige Reisepläne Nehrus recht kritisch, und es erscheint unwahrscheinlich, dass sowjetische Diplomaten auf eigene Faust aktiv geworden wären.566 Im MEA waren altgediente Experten ebenfalls äußerst zurückhaltend. Nur Nehru zeigte sich von der Besuchsidee angetan. Angesichts der langen Leine, an der sich indische Diplomaten bewegten, liegt der Schluss nahe, dass sich der Premier eher für eine Initiative Panikkars erwärmte, als dass dieser im offiziellen Auftrag gehandelt hätte. Nehru war geneigt, im Sinn seiner Grundkonzeptionen die Kontakte als Hinweis auf eine willkommene Änderung der sowjetischen Einstellung zu Indien zu interpretieren.567 In der Praxis wollte Nehru handfestere Angebote aus Moskau abwarten. Dazu ist es 1951 nicht gekommen.568 Die sowjetische Politik gegenüber Indien sei im ganzen Jahr »zögerlich und inkonsistent« gewesen, lautete die unzufriedene Bilanz der indischen Botschaft in Moskau.569 Nach eigenem Dafürhalten verhielt sich Moskau jedoch nur konsequent. Die langfristigen Möglichkeiten, via Delhi das gegnerische Lager zu schwächen, waren das Eine, konkrete Maßnahmen in aktuellen Situationen das Andere. International tätige sowjetische Vertreter aller Sparten stuften die Nehru-­ Regierung und ihre Politik weiterhin als grundsätzlich bourgeois und proimperialistisch ein. Der sowjetische Schriftverkehr setzte die von Indien propagierte »positive Neutralität« immer in Anführungszeichen und hielt sie bestenfalls für »wolkig«.570 Sie war aus Moskauer Sicht im Vergleich mit Pakistan aber immer noch vorzuziehen.571 Daher ordnete Stalin Ende 1951 im Umfeld der neuerlichen Beratungen des Sicherheitsrats über Kashmir sowie der ersten gesamtindischen Parlamentswahlen (25. Oktober 1951 bis 21. Februar 1952) an, dass »bei der Bestimmung der Linie der Kommunistischen Partei [Indiens] in der 565 Vgl. Vermerk Nehru, 18.7.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 655 f., Anm. 3; Kapica, Na raznych paralleljach, S. 345. 566 Vgl. Bachitov an Gromyko u. a., 29.6.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 90 f. 567 Vgl. Vermerk Nehru, 18.7.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 655 f. 568 Vgl. Kapica, Na raznych paralleljach, S. 345. 569 Politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1951, Februar 1952, NAI, 3 (30) R&I/52. 570 Grigor’jan an Stalin, Molotov u. a., 21.2.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1199, ll. 18–23, hier l. 20. Vgl. Ignat’ev an Leiter Sonderabteilung ZK, Poskrebyšev, 22.12.1951, sowie Antworten Stalins, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 312, ll. 45–48, 55–58; Pozdeev an Grigor’jan mit Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1951, 30.5.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 479, ll. 104 ff. 571 Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für November 1951, NAI, 87–R&I; Beschluss Politbüro, 24.1.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1612, l. 30 f., ll. 52 ff.

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Kashmir-Frage […] auch zu bedenken [ist], dass die Position der Regierung von Sheikh Abdullah und der ihn unterstützenden indischen Regierung für das demokratische Lager gegenwärtig annehmbarer ist als die Position der herrschenden Kreise Pakistans. Kaschmirs Anschluss an Pakistan würde zur Unterdrückung Kaschmirs und zur Verstärkung des Einflusses der amerikanischen Imperialisten in Kaschmir führen.«572 Es liegt nahe, anzunehmen, dass Moskau die Kashmirfrage als potentiellen Hebel begriff, indische Beziehungen zu Großbritannien und den USA zusätzlich zu erschweren sowie den Zusammenhalt des Commonwealth auszuhöhlen. 1951 wirkte sich die indische Kashmir-Politik ganz von selbst in genau dieser Richtung aus, da sie ungeachtet der unklaren konstitutionellen Verhältnisse die Bindungen zwischen Delhi und Srinagar zementieren wollte. Internationale Vermittlungsversuche wurden als Einmischung in innere Angelegenheiten abgestempelt.573 Mit Blick auf die innenpolitischen Entwicklungen ließ die sowjetische Vorgabe an die CPI alle Möglichkeiten offen, Kontakte zu der sich weiterhin links gerierenden Abdullah-Regierung in Kashmir aufzubauen.574 Vor allem aber konnte diese Linie dem Ansehen der CPI in Indien selbst nur dienlich sein. Es galt, ihre Chancen in den anstehenden Wahlen zu erhöhen. Das Aufgreifen nationalpolitischer Anliegen war ein probates Mittel. Das Kabinett in Delhi nahm den Kurswechsel der CPI 1951 zunächst voller Misstrauen zur Kenntnis.575 Es entschied sich unter Nehrus Anleitung jedoch dazu, den kommunistischen Gewaltverzicht zu honorieren und sich der kommunistischen Herausforderung an den Urnen zu stellen.576 Der INC mit dem Premier an der Spitze führte gegen rechte und linke Opponenten einen rabiaten Wahlkampf. Gerade Nehru schoss sich dabei besonders auf die indischen Kommunisten als angebliche Verräter indischer Nationalinteressen und intel-

572 Beschluss Politbüro, 17.10.1951 (25.10.1951), RGASPI, f. 558, op. 11, d. 312, ll. 40 ff. sowie ebd., f. 17, op. 162, d. 47. 573 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 2.6., 7. und 22.7., 1. und 9.8.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 403–414, 432–473; Nehru an Abdullah, 28.11.1951, SWJN 2, Vol. 17, S. 429 f.; Raghavan, War, S. 189 ff.; Korbel, Danger, S. 168–187. 574 Vgl. Vermerk Jammu und Kashmir als Material zu Entwurf Beschluss Politbüro vom 13.10.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, ll. 26–33, hier ll. 28–30; Petruničeva, Nacional’no-osvoboditel’noe dviženie, S. 224; Ankit, The Kashmir conflict, S. 115 f. 575 Vgl. Nehru vor All India Congress Committee, 6.7.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 399–418, hier S. 417 f.; Nehru an Rajagopalachari, 25.7.1951, ebd., S. 465; Nehru an Ayyangar, 5.8.1951, ebd., S. 467. 576 Vgl. Vermerk Nehru für Home Ministry, 23.9.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 470–472.

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lektuell überforderte Krawallmacher ein.577 Allerdings räumte der CPI niemand große Wahlchancen ein. Der indische Regierungschef befürchtete auch keine unbeherrschbaren Einflussnahmen Moskaus zugunsten der CPI: »In all probability, the U.K. Government will not attempt to do anything which is obviously improper. Politically, they are mature. The Russians are careful and outwardly keep aloof. It is from the Americans that there is likelihood of interference in various ways.«578 Die CPI erzielte nicht nur, aber vor allem gerade in den Gebieten, in denen sie den bewaffneten Kampf geführt hatte, gute Ergebnisse. Gesamtindisch wurde sie mit 16 Sitzen stärkste Oppositionspartei. Das regional unterschiedliche Abschneiden konnten verschiedene Flügel als Bestätigung des eigenen Kurses reklamieren.579 Auch in den folgenden Monaten würde sich zeigen, dass die CPI ihre internen Macht- und Glaubenskämpfe längst nicht überwunden hatte.580 In der parlamentarischen Arbeit standen die kommunistischen Abgeordneten oft ohne Anleitung durch ihr ZK da und konnten die neuen Möglichkeiten kaum effektiv nutzen.581 Der Stimmengewinn der CPI traf die Kongressspitzen unvorbereitet. Im INC gingen die Meinungen über die Gründe und damit zugleich über Schlussfolgerungen, die der Kongress zu ziehen hatte, auseinander.582 Nehru und seine Kollegen blieben jedoch bei der Ansicht, dass die CPI auf den grundlegenden Systemwandel in Indien ziele und damit die im INC definierten nationalen Aufgaben torpediere. Man hielt die CPI weiterhin für fremdbestimmt. Erst eindeutige Wandlungen sowjetischer – und gegebenenfalls chinesischer – internationaler Positionen würden dazu führen, dass sich die indischen Kommunisten in das 577 Vgl. Wahlkampfauftritte Nehrus, 14. und 15.12.1951, SWJN 2, Vol. 17, S. 61–70, hier S. 62 f., 68; Nehru an Chief Ministers, 31.8., 4.10. und 1.11.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 486–492, 500–513, 519–529; Rede Nehru, Lucknow, 16.9.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 78–90. 578 Nehru an Home Secretary, Iyengar, 4.10.1951, SWJN 2, Vol. 16,2, S. 631 f., hier S. 632. 579 Nach Stimmen war die CPI drittstärkste Kraft. Den Erfolgen im ländlichen südlichen Bereich standen Misserfolge in den vernachlässigten Industriezentren entgegen, vgl. Ghosh an ZK VKP (b), 21.4.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1206, ll. 30 ff.; Zorin an Grigor’jan, 30.5.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 953, ll. 20 ff. 580 Vgl. Grigor’jan an Molotov, 7.4.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1210, ll. 76–86; Ghosh an Stalin, 21.4.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1206, ll. 31–40. 581 Vgl. Vermerk sowjetische Botschaft Delhi, 11.12.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 953, ll. 179 ff. 582 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 31.1., 15.4. und 17.10.1952, SWJN 2, Vol. 17, S. 605–610, hier S. 608 bzw. Vol. 19, S. 734 f. sowie Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 591–594; Nehru an T. T. Krishnamachari, 13.2.1952, ebd., S. 331; Rundbrief Home Secretary Iyengar, 5.2.1952, SWJN 2, Vol. 17, S. 161–163.

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nationale Gefüge integrieren ließen.583 In der Zwischenzeit galt es innenpolitisch, den eigenen Partei- und Regierungsapparat für die Notwendigkeit einer effektiveren Reformpolitik im Innern zu sensibilisieren.584 Im internationalen Kontext bemühte sich die indische Regierung nach Kräften, allzu enge Kontakte der CPI nach Moskau zu unterbinden.585 Die Moskauer Spitzen setzten 1952 die zarten Ansätze zur Auffächerung ihrer Indienpolitik fort. Dazu gehörte, dass der Kreml im Umgang mit der CPI Rücksicht auf regierungsamtliche Befindlichkeiten in Indien entwickelte. Bitten mittlerer CPI-Funktionäre um Ausstellungs- oder Fotomaterial aus der UdSSR, die an der indischen Außenpolitik vorbei gestellt wurden, hatten ab sofort zu unterbleiben, da sie »in den indisch-sowjetischen Beziehungen zu unerwünschten Belastungen« führen konnten.586 Die sowjetischen Bemühungen um breitere gesellschaftliche, linksorientierte Kreise jenseits der CPI wurden intensiviert. Dr. Kitchlew, der Ende 1952 für die indische Friedensbewegung den Stalinpreis erhielt, war Anfang 1953 einer der letzten ausländischen Besucher Stalins.587 Daneben nutzte die sowjetische Führung die internationale Wirtschaftskonferenz in Moskau im April 1952, um in Indien neue Ansprechpartner zu finden.588 Parallel sandte die sowjetische Führung Signale nach Delhi, dass man sich weitere wirtschaftliche Kooperationen vorstellen könnte.589 Das Verhältnis der sowjetischen Außenpolitik zur Regierung in Delhi blieb jedoch kritisch-ambivalent. Die sowjetische Führung gab ihre Überzeugungen von der aggressiven Natur des Imperialismus allgemein und entsprechender anglo-amerikanischer

583 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 19.4.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 540–549, hier S. 549; Nehru an CPI-Fraktionsführer Gopalan, 2.7.1952, SWJN 2, Vol. 18, S. 343 f. 584 Vgl. Vermerk Nehru für Congress Working Committee, 31.1.1952, SWJN 2, Vol. 17, S. 100–106, hier S. 104 f.; Vermerk Nehru für Principal Private Secretary, 19.2.1952, ebd., S. 167; Nehru an MEA, Foreign Secretary, 26.5.1952, SWJN 2, Vol. 18, S. 337 f. 585 Ghosh erhielt keinen Reisepass, um zum sowjetischen XIX. Parteitag zu fahren, vgl. Ghosh an ZK VKP (b), 22.9.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1206, ll. 55 ff.; Grigor’jan an Stalin, 16.10.1952, ebd., ll. 59–62; Vermerk Nehru, 26.11.1952, SWJN 2, Vol. 20, S. 290 f. 586 Vyšinskij/Grigor’jan an Molotov, 20.3.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1197, ll. 103 f. 587 Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für September und Dezember 1952, 31.12.1952, NAI, 60–R & I/52; Vermerk über Kitchlew, 1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 382, ll. 91 f.; Grigor’jan an Stalin, 5.5.1952, ebd., d. 1403, ll. 2–5; Shulman, Stalin’s foreign policy, S. 222–228, 259–262; Salisbury, Moscow Journal, S. 331–333. Diesen Hinweis verdanke ich David Wolff, Sapporo. 588 Vgl. Grigor’jan an Stalin u. a., 9. und 21.6.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1404, ll. 7 f. sowie ebd., f. 17, op. 163, d. 1589; Beschlüsse Politbüro, 15. und 20.8.1951 sowie 11.2. und 31.3.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1594 f., 1612 und 1615; Gupta, Stalin’s policy, S. 244–246; Kap. 2.4. 589 Vgl. Donaldson, Soviet policy, S. 109 f.; Kap. 2.4.

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»Pläne zur Einbeziehung Indiens in einen Aggressionskrieg« nicht auf.590 Grundsätzlich waren Gefahren für die UdSSR und für das Wohlergehen der Proletarier und Bauern der Welt nur zu bannen, wenn die Werktätigen auch in den neuen Staaten das Ruder selbst in die Hand nahmen. Die Bourgeoisie, so Stalin auf dem 19. Parteitag, war dagegen immer bereit, »die Rechte und die Unabhängigkeit der Nation für Dollars« zu verkaufen. Der greise Diktator rief daher die kommunistischen und Arbeiterparteien auf, »[d]as Banner der nationalen Unabhängigkeit und der nationalen Souveränität« zu »erheben und voran[zu] tragen […], wenn Sie Patrioten Ihres Landes sein, wenn Sie die führende Kraft der Nation werden wollen.«591 Der bourgeoisen Regierung in Delhi gestand Stalin, wie erwähnt, nur eine gewisse Beweglichkeit zwischen den Lagern zu, die es, geschmeidiger als in den letzten Jahren, für sowjetische Zwecke auszunutzen galt.592 Dies war der Hintergrund der Abberufung des hysterischen Pravda-Korrespondenten Borzenko aus Delhi.593 Stalin persönlich versicherte Botschafter Radhakrishnan bei dessen Abschiedsvisite, dass die sowjetische Spitze führende Repräsentanten Indiens wie Radhakrishnan oder Nehru nicht »als unsere Feinde betrachtete«. Doch dem Diktator war wichtiger, von ihm wahrgenommene außenpolitische Verstimmungen zwischen Delhi auf der einen und London respektive Washington auf der anderen Seite anzuheizen. Das sowjetische Volk sei im Glauben an die Gleichberechtigung der asiatischen Völker aufgewachsen, zeichnete der KremlChef im Gespräch sein Bild der Wirklichkeit – »und er sagte dies mit einiger Bewegung«, meldete der beeindruckte Radhakrishnan nach Delhi. Der Diktatur spielte geschickt auf der Klaviatur indischer Empfindlichkeiten. Während die UdSSR »alle Asiaten« als Gleichberechtigte behandle, würden die USA und Großbritannien »diese Völker nur verachten«, fuhr Stalin fort. Radhakrishnan zeigte sich in der gesamten Unterredung als empfänglicher Gesprächspartner. »[He] agreed generally with the sentiments expressed by the Generalissimo and said that Malaya, Indo-China, Morocco, Tunisia, Egypt and Iran and South Africa are illustrations of a very different policy towards, what may be called, 590 Grigor’jan an Molotov, 13.1.1953, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, ll. 165–168, hier l. 166 sowie Grigor’jan an Suslov, 23.1.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 10, ll. 3–6. Bezeichnenderweise erkundigte sich Stalin noch im Februar 1953 nach der Stärke der indischen Armee, vgl. K. P. S. Menon an Foreign Secretary, R. K. Nehru, 19.2.1953, NMML, JN (S. 4) Vol. 167, Pt. I, 119–123, zit. nach: Revolutionary democracy 12 (2006), No. 1, http://www.revolutionarydemocracy.org/ rdv12n1/3convers.htm (Zugriff 30.9.2016). Für diesen Hinweis danke ich Vijay Singh, Delhi. 591 Stalin vor 19. Parteitag, 14.10.1952, zit. nach Stalin, Werke 15, S. 246–248, hier S. 247. 592 Korrigierter Entwurf für Brief VKP (b) an CPI, 2.7.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, ll. 51 f. 593 Vgl. Kap. 2.1.1.

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backward peoples. ›Is this democracy?‹ he asked. The Generalissimo smiled and said: ›This is what they call democracy?‹.«594 Diese Gesprächsführung schien Stalin im Übrigen so vielversprechend zu sein, dass er sie zehn Monate später beim neuen Botschafter K. P. S. Menon wiederholte.595 In der Praxis der Indien-, Asien- und Weltpolitik zeigte sich die sowjetische Politik allerdings wenig entgegenkommend. Unwillig verweigerte sich Stalin Radhakrishnans Idee, die Kominform aufzulösen.596 Darüber hinaus diskutierte Stalin mit Zhou Enlai die Zerstörung der »amerikanischen Organisation« UN, die von Indien als Vehikel blockfreier und Friedenspolitik so geschätzt wurde.597 Moskau nutzte das Forum der UN nur, um in der Kashmirfrage das sowjetische Verständnis für Indien zu beweisen und Bruchstellen des imperialis­ tischen Lagers abzutasten. Auf Anweisung des Politbüros geißelte der ständige Vertreter der UdSSR im Sicherheitsrat, Malik, am 17. Januar 1952 alle Ideen der USA oder Großbritanniens über UN-Aktivitäten in Kashmir als »annexionistisch« und »imperialistisch«, da sie angeblich Kashmir in eine Militärbasis und Kolonie verwandeln sollten. Erstmals sprach sich die UdSSR offen dafür aus, die Selbstbestimmung der dortigen Bevölkerung durch eine demokratisch gewählte Verfassungsgebende Versammlung zu sichern.598 Die Regierungen in Delhi und Srinagar waren von dem sowjetischen Vorstoß angenehm überrascht. Dies ließ Delhi Moskau auch wissen.599 Dennoch machte sich der indische Regierungschef über das sowjetische Engagement keine Illusionen, transformierte es doch Kashmir zu einem Bestandteil des »sogenannten Kalten Kriegs zwischen Ost und West«. »I am not at all sure that this further development will be good.«600 594 Aufzeichnung über Gespräch Stalin mit Radhakrishnan, 5.4.1952, NMML, J. N. (S. 4), Vol. No. 123 Pt. II, 294–297, zit. nach: Revolutionary democracy, 12 (2006), No. 1, http://www.revolutionarydemocracy.org/rdv12n1/3convers.htm (letzter Zugriff: 11.4.2018). Für diesen Hinweis danke ich herzlich Vijay Singh, Delhi. Vgl. Gopal, Radhakrishnan, S. 250 f. 595 Aufzeichnung über Gespräch K. P. S. Menon mit Stalin, 19.2.1953, wie Anm. 590. 596 Wie Anm. 594. 597 Vgl. Protokoll Gespräch Stalin mit Zhou Enlai, 19.9.1952, in: Russko-Kitajskie otnošenija, V, 2, S. 330–335, hier S. 331; Nehru an Chief Ministers, 4.5.1952, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 595–607; Bericht indische UN-Delegation für 15.12.1952–14.1.1953, 3.2.1953, NAI, 64–R & I/54 (Secret); Gaiduk, Divided together, S. 199 f. 598 Malik vor SC, 17.1.1952, in: United Nations Security Council. Official records, 7 th year, 570. Vgl. Beschlüsse Politbüro, 26. und 28.11., 5.12.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1607 resp. op. 162, d. 47, l. 206. 599 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Zorin mit Gundevia, 19.1.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 95–97; Gundevia, Outside, S. 95 f., 98 f. 600 Nehru an Abdullah, 19.1.1952, SWJN, 2, 17, S. 438.

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In der Kashmirfrage sollte es in den kommenden Monaten keine Bewegung mehr geben. Die UdSSR verharrte auf ihrer Position, die Indien gegen die imperialistischen Führungsmächte sowie, dies die sowjetische Lesart, ihre pakistanische Gefolgschaft stützte.601 Ob Stalins späte Ideen über eine indisch-pakistanische Föderation als Lösung aller bilateralen Probleme vornehmlich darauf spekulierten, die Stellung der USA und Großbritanniens in Pakistan langfristig zu schwächen, lässt sich anhand der vorliegenden Akten nicht entscheiden.602 Die zunehmende militärische Bedeutung, die Pakistan unter anderem im Kontext der MEDO-Planungen für die USA respektive Großbritannien gewann, musste Stalin auf jeden Fall in Alarmstimmung versetzen.603 Sie beunruhigte auch Delhi: »I am not at all nervous about what Russia or China can do to India«, instruierte Nehru den indischen Hochkommissar in Karachi. »Indeed, Russia cannot act directly and China is hardly in a position to act across Tibet, and Himalayas, apart from our general friendly relations with her. The case of Pakistan is somewhat different.«604 Im Rahmen der sowjetischen Gesamtkonzeption sah der Kreml schließlich die indischen Beziehungen zu China in einem gänzlich anderen Licht als Delhi. In der Tibetpolitik riet Stalin den chinesischen Genossen im September 1952 zu einer kompromisslosen Haltung, verstärkter militärischer Präsenz und zum Bau direkter Verkehrsverbindungen über Land – ob der Diktatur hierbei genau die Transitwege vor Augen hatte, die später die indisch-chinesischen Beziehungen belasteten, ist ungewiss. Für die Versorgung chinesischer Truppen war Moskau bereit, Pekinger Bitten um weitere Flugzeuge zu erfüllen. Die indische Regierung war, dies wurde unter sozialistischen Brüdern offenbar, doch nur einer von vielen Gegnern: »Die tibetischen Lamas verkaufen sich an jeden Beliebigen«, begründete Stalin die sowjetische Haltung, »sowohl an die Amerikaner als auch an die Engländer oder die Hindus – an den, der mehr zahlt.« Stalin rannte offene Türen ein. Insgesamt setzte Peking 1952 noch darauf, den eigenen Einfluss in Südostasien und Südasien »auf friedlichem Wege« auszubauen, indem Friktionen im imperialistisch-indischen Bündnis aufgespürt und ausge601 Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für Dezember 1952, 31.12.1952, NAI, 60–R & I/52; Zorin vor SC, 23.12.1952, in: UN Security Council. Official records, 7 th year, 611. Sitzung. 602 Vgl. Vermerk Acting Assistant Secretary for Near Eastern, South Asian, and African Affairs an SoS, 24.1.1952, FRUS 1952–1954 XI, S. 1177–1179; SoS an US-Botschaft Karachi, 24.1.1952, ebd., S. 1179 f.; US-Botschaft Karachi an State Department, 11.2.1952, ebd., S. 1187; Gupta, Stalin’s policy, S. 247–249. 603 Vgl. Singh, The limits, S. 117–156; Rotter, Comrades, S. 58–66. 604 Nehru an G. Mehta, 20.9.1952, SWJN 2, Vol. 19, S. 602–604, hier S. 603.

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nutzt wurden.605 Gegen einen chinesischen Nichtangriffspakt mit Indien (und Burma) zu diesem Zweck hatte natürlich auch Moskau nichts einzuwenden.606 Die chinesisch-indischen Beziehungen gestalteten sich in der Praxis schwieriger und komplexer, als es Nehru wahrhaben wollte. Tibet und die damit einhergehenden Grenzfragen entwickelten sich immer deutlicher zum Kristallisationspunkt der unterschiedlichen Zugänge beider Seiten. Chinesisch-indische Gespräche, die seit dem Frühjahr 1952 geführt wurden, legten nahezu unüberwindbare Diskrepanzen zwischen Reichweite und Charakter von chinesischem und indischem Antikolonialismus und der Balance seiner sozialistischen wie nationalistischen Komponenten offen. Bevor sich Peking auf eine grundsätzliche Diskussion der indisch-tibetischen Beziehungen einließ, sondierte die chinesische Diplomatie, ob China in praktischen Fragen seiner Tibetpolitik – Handel, Versorgung und Kommunikation – auf indische Unterstützung rechnen konnte. Die indische Führung reagierte reserviert, weil man eigene Beziehungen zu Tibet erhalten wollte, und weil die Trassenführung einer chinesisch-­tibetischen Straße weitreichende Implikationen barg.607 Im Sommer 1952 formulierte Zhou Enlai gegenüber Botschafter Panikkar die als »Hoffnung« getarnte chinesische Grundsatzposition. Indien, so Pekings Anspruch, würde sicherlich keine Sonderrechte aus den »ungleichen Verträgen«, die China in der Vergangenheit vom britischen Imperialismus aufgezwungen worden waren, herleiten wollen. Stattdessen erwartete die chinesische Politik, dass Indien legitime Interessen Chinas anerkennen und auf dieser Basis solide Beziehungen neuer Qualität verhandeln würde.608 Die Instruktionen für den indischen Botschafter in Peking hielten eine entgegengesetzte Haltung fest. Die überkommenen Grenzen Indiens, aber auch die damit zusammenhängenden Grenzverläufe Nepals, Bhutans und Sikkims waren aus indischer Sicht längst fixiert und unverändert zu akzeptie605 Protokoll Gespräch Stalin mit Zhou Enlai, 3.9.1952, in: Sovetskoe-kitajskie otnošenija V, 2, S. 324–330, hier S. 329 f. Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für Mai 1952, 5.6.1952, NAI, 60–R & I/52; Andreev, Tibet, S. 350–354; Chen, The Tibetan rebellion, S. 90. Hinsichtlich der amerikanischen Unterstützung für Rebellen in Tibet, die möglicherweise bereits im Sommer 1950 einsetzte, ist nicht anzunehmen, dass die indische Regierung und besonders Nehru über diese Aktivitäten informiert waren. Vgl. zur Folgezeit Chang, Friends, S. 80; Garver, ­Protracted conflict, S. 55–58; Raghavan, War, S. 249 f.; Hoffmann, India, S. 38; Margolis, War, S. 196. 606 Vgl. Protokoll Gespräch Stalin mit Zhou Enlai, 19.9.1952, in: Sovetskoe-kitajskie otnošenija V, 2, S. 330–335, hier S. 330–332. Vgl. Nehru an U Nu, 17.9.1952, SWJN 2, Vol. 19, S. 653 f.; Material zu Reise Radhakrishnan nach China, 1952/1956, NAI, 10 (1)-FEA/56. 607 Vgl. Nehru an Panikkar, 12.4., 24.5. und 16.6.1952, SWJN 2, Vol. 18, S. 471–475. 608 Vgl. Panikkar an Nehru, 14.6.1952; chinesische Note an indische Botschaft Peking, 10.7.1952, SWJN 2, Vol. 18, S. 474 f. mit Anm. 2 und 4.

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ren.609 Dass China die genaue Grenzziehung in verschiedenen Sektoren geografisch keineswegs so eindeutig und historisch-politisch so unstrittig sehen musste, wurde in Delhi einstweilen nicht als tiefsitzendes Dilemma erkannt. Die ebenso nationalistisch wie ideologisch brisante Aufladung der chinesischen Argumentation wurde gleichfalls unterschätzt.610 In seiner Chinapolitik musste sich Nehru nicht nur gegen regierungskritische bzw. schlicht antikommunistische Stimmen verteidigen, die ein weiteres chinesisches Vordringen nach Indien befürchteten.611 Für die indisch-chinesischen Beziehungen war es vielleicht noch problematischer, dass Botschafter Panikkar Pekings Absichten viel rosiger bewertete als Nehru selbst. Daher thematisierte der Botschafter in seinen Pekinger Gesprächen entgegen den Anweisungen des MEA die Grenzproblematik erst gar nicht. Er zog es vor, die chinesische Gesprächsführung, die territoriale Gesamtprobleme nicht eigens aufgriff, als Einverständnis mit den indischen Ansprüchen zu deuten.612 Diese Eigenmächtigkeit ging möglicherweise auch Nehru zu weit. Er berief Panikkar im September 1952 ab und ersetzte ihn durch den kritischeren Nedyam Raghavan.613 Hinsichtlich der Generallinie in der China- und Asienpolitik ließ sich Nehru jedoch weder durch indische Kritiker oder Kapriolen des eigenen Personals noch durch chinesische Maßnahmen beirren. Immer wieder bekräftigte der Premier seine Überzeugung, dass die enge indisch-chinesische Kooperation für Frieden und Wohlergehen Asiens unabdingbar war.614 Auf dieser Basis und 609 Vgl. Nehru an Panikkar, 16. und 18.6.1952, SWJN 2, Vol. 18, S. 474 f.; Nehru an MEA, Foreign Secretary, und Panikkar, 29.7.1952, SWJN 2, Vol. 19, S. 651; Nehru an MEA, Foreign Secretary, 9.9.1952, ebd., S. 653; Nehru an indische Mission Lhasa, 9.9.1952, ebd.; K. P. S. Menon an indischen Botschafter Peking, Raghavan, 10.12.1952, SWJN 2, Vol. 20, S. 488 f. Meldungen über chinesische Grenzaufnahmen in diversen Distrikten sowie chinesische Grenzposten in umstrittenen Gebieten lagen wohl spätestens 1953 in Indien vor, vgl. Aktenbeschreibung klassifizierter Akten im NAI (N/53/1353/1201 (S), N/53/1811/105 (S), N/53/1396/105 (S) und N/53/1394/105 (S)). 610 Vgl. Maxwell, India’s China war, S. 19 ff., 39 ff.; Raghavan, War, S. 227–232; Hoffmann, India, S. 7–24. 611 Vgl. US-Geschäftsträger Delhi, Taylor, an State Department, 26.5.1952, FRUS 1952–1954 XI, S. 1644–1646, hier S. 1645; Bowles an State Department, 9.6.1952, ebd., S. 1648–1652; US-Botschaft Delhi an State Department, 21.5.1953, FRUS 1952–1954 IX, S. 113 f. 612 Vgl. Anm. 607–610; Berichte indische Botschaft Peking für März, Juni, August und September 1952, NAI, 19 R & I/52; US-Botschaft Delhi an State Department, 8.9.1952, NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057, 691.61, Reel 1. 613 Vgl. US-Vertretung Hongkong an State Department, 12.2.1953, NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057, 691.61, Reel 1; Bericht indische Botschaft Peking für März 1953, NAI, R & I/53. 614 Vgl. u. a. Nehru an Chief Ministers, 5.6. und 2.8.1952, SWJN 2, Vol. 18, S. 615–621, hier S. 617 sowie Vol. 19, S. 689–697, hier S. 694.

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voller Vertrauen in die natürlichen Schutzwälle des Himalaya setzte Nehru in der eigentlichen Grenzfrage auf den sukzessiven Ausbau der indischen Präsenz an der Grenze sowie eine kontinuierlich verdichtete Integration der grenz­nahen Räume in die Gesamtnation.615 Das komplexe, widersprüchliche Verhältnis zwischen indischen und sowjetischen Grundkonzeptionen durchzog die Asienpolitik beider Seiten und prägte damit auch deren Koreapolitik. Stalin war 1952 nach wie vor zufrieden, dass die anhaltenden Kämpfe die USA schwächten und somit dem sozialistischen Lager zum Vorteil gereichten.616 Der Kreml gestand Indien in diesem Spiel der Mächte nur eine sekundäre Rolle zu, ohne Einfluss auf maßgebliche Entscheidungen.617 Die indische Außenpolitik fürchtete weiterhin die Entgrenzung der Kämpfe und leitete daraus eine engagierte Vermittlerrolle ab.618 Im diplomatischen Hin und Her um die Kriegsgefangenen kam allerdings selbst Nehru zur Überzeugung, dass die sowjetische Führung, voller Misstrauen gegen die USA, gar keine Lösung der Koreafrage anstrebte.619 Die wüste Schärfe, mit der die sowjetische UN-Delegation indische Resolutionsentwürfe attackierte, unterstrich die Unvereinbarkeit indischer und sowjetischer Ziele und Motive.620 Nichtsdestotrotz unternahm Botschafter Menon am 17. Februar 1953 im direkten Gespräch mit Stalin neuerliche Anstrengungen, um den sowjetischen Führer zu einer friedlichen Lösung auf der Halbinsel zu ermuntern. Vergeblich: Stalin 615 Vgl. Nehru an MEA, Secretary General und Foreign Secretary, 5.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 555–558; Nehru an MEA, Secretary General, 9.3.1953, ebd., S. 308. 616 Vgl. Protokoll Gespräch Stalin mit Zhou Enlai, 20.8.1952, in: Russko-Kitajskie otnošenija, V, 2, S. 315–324, hier S. 321. 617 Vgl. Protokolle Gespräche Stalin mit Zhou Enlai, 20.8. und 19.9.1952, in: Russko-Kitajskie otnošenija, V, 2, S. 315–324, hier S. 322 sowie S. 330–335, hier S. 330. 618 Vgl. u. a. Bericht indische Botschaft Moskau für Juli 1952, NAI, 60–R & I/52; Nehru an Krishna Menon, 8., 12. und 25.11.1952, SWJN 2, Vol. 20, S. 420, 422 f., 429–431. Zur indischen Abstimmung mit Großbritannien und den USA vgl. Nehru an V. L. Pandit, 25. und 26.11.1952, ebd., S. 429–433. 619 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 4.12.1952, SWJN 2, Vol. 20, S. 557–565, hier S. 558 f.; Nehru an V. L. Pandit, 2.12.1952, ebd., S. 446 f.; Vermerk über Gespräche britische Botschaft Washington in State Department, 20.2.1953, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 3, 55.9 USSR. Zur indischen Einschätzung der weiteren Verhandlungen bis Anfang 1953 vgl. V. L. Pandit an Nehru, 25.11.1952, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 47; V. L. Pandit an MEA, Foreign Secretary, 2.12.1952, ebd., 1, 55; Nehru an V. L. Pandit, 25. und 26.11.1952, SWJN 2, Vol. 20, S. 429–431, 433; Nehru an K. P. S. Menon, 27.11., 2.12. und 16.12.1952, SWJN 2, Vol. 20, S. 437 f., 445, 464; US-Delegation UN an State Department, 26.11.1952, RSC, Truman Office Files, Part 3, Reel 14; Acheson an Truman, 26.11.1952, ebd. 620 Vgl. Nehru an indische Botschaft Washington, 10.12.1952, SWJN 2, Vol. 20, S. 458 f.; Bericht indische Botschaft Moskau für November 1952, NAI, 60–R & I/52 und 19 R & I/52; Bericht indische Botschaft Peking für Dezember 1952, ebd.; Stueck, The Korean war, S. 290–305.

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blieb dem kapitalistischen Hauptfeind gegenüber gänzlich unversöhnlich. »The peasant is a very simple man but very wise. When the wolf attacks him, he does not attempt to teach it morals but kills it. And the wolf knows it and behaves accordingly.« Menon war nahezu fassungslos. »I could not but trace a note of irony in this remark of his to the representative of a nation of which Mahatma Gandhi was the Father; indeed, his remark might have been provoked by my observation that our foreign policy had, as its background, our national struggle and the teachings of Gandhiji who taught that peaceful ends could not be attained by means which were not peaceful.« Hinsichtlich der Koreafrage blieb Stalin in der Audienz »silent as a Sphinx, merely, and somewhat mechanically, saying ›Da, Da‹ (yes, yes). For aught I knew, he might not have heard of our Korean resolution at all.«621 Gut zwei Wochen später war der Diktator tot. Nehrus Nachruf ließ Anerkennung für den Aufbau der UdSSR erkennen und lobte, für viele Zuhörer sicherlich überraschend, Stalin als einen Politiker, der bei aller Rücksichtslosigkeit mit verhindert habe, dass verschiedene Krisensituationen zu Kriegen eskalierten.622 Ungeachtet dieser öffentlichen Würdigung machte die indische Regierung keinerlei Anstalten, eine Delegation zu Stalins Beerdigung zu entsenden. Botschafter Menon lag krank in Budapest.623 Daher blieb es der CPI vorbehalten, bei den Bestattungsfeierlichkeiten das politische Indien zu vertreten.624 3.3.4. 1953 bis 1955: Aufbruchstimmung Das Verhältnis des indischen Nationalprogramms zum Kommunismus in all seinen Erscheinungsformen blieb problematisch. Nationalistische und kommunistische Kräfte bewerteten Indiens soziale Grundprobleme zwar ähnlich, vertraten jedoch Lösungsvorschläge, wie sie unterschiedlicher nicht sein konn621 K. P. S. Menon an MEA, Foreign Secretary, 19.2.1953, K. P. S. Menon an Foreign Secretary, R. K. Nehru, 19.2.1953, in: Revolutionary democracy 12 (2006), No. 1, http://www.revolutionarydemocracy.org/rdv12n1/3convers.htm (letzter Zugriff: 11.4.2018). Vgl. Menon, The lamp, S. 26–29; Menon, The flying troika, S. 20–32. Falscher Kontext in den Erinnerungen von Gundevia, Outside, S. 108 f. 622 Vgl. Nehru vor Lok und Rajya Sabha, 6.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 614–618, v. a. S. 614, 617 f.; Nehru an Chief Ministers, 8. und 19.4., 16.7. und 15.11.1953, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 3, S. 273–284, hier S. 281, S. 285–299, hier S. 299, S. 334–343, hier S. 334, S. 432–445, hier S. 437 f. 623 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 9.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 563 f. 624 Vgl. Liste kommunistischer Delegationen, RGANI, f. 5, op. 28, d. 8, ll. 17 ff.; Grigor’jan an Suslov, 9.4.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 10, ll. 26 f.

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ten.625 Dabei wurden die kommunistischen Rezepte in unmittelbarer Nachbarschaft, in China, mit großer Zielstrebigkeit erprobt. Alle real existierenden sozialistischen Programme stellten Nehrus grundsätzliche Prioritätensetzungen sowie Definitionen von Begriffen wie Freiheit und Entwicklung in Frage und bestimmten das Verhältnis zwischen Nationalismus, Demokratie, Kommunismus und Entwicklung auf abweichende Weise.626 Im Verlauf dieser, unterschwellig immer präsenten, Diskussion wurde Nehru nicht müde zu betonen, dass trotz aller vorzeigbaren Erfolge weder der sowjetische noch der chinesische Weg für Indien ein Modell darstellte. Dem indischen Regierungschef war der Preis, den die Menschen für die rasante und radikale Umgestaltung ihrer Staaten gezahlt hatten und weiterhin zahlten, schlicht zu hoch, die innenpolitischen Rahmenbedingungen viel zu repressiv.627 Die ›Fünf Prinzipien‹ (Panch Shila), die Indien und China 1954 formulierten, waren in dieser Hinsicht der Versuch, indische Entwicklungen durch eine verbindliche Neubestimmung des internationalen Verhältnisses zwischen Kommunismus und Nationalismus (in Asien) vor unerwünschten Modelltransfers zu schützen.628 Dem Kreml, der seinen bilateralen Kontakten zu Indien ebenfalls neuen Schwung verleihen wollte, dienten die Panch Shila zumindest als taktischer Ansatzpunkt. Es musste sich erst noch erweisen, wie weit sich die post-stalinistischen sowjetischen Politiker von den aus der Stalin-Ära ererbten, besser gesagt: von ihren verinnerlichten stalinistischen Sichtweisen und Grundkonzepten hinsichtlich der Dritten Welt lösen wollten und konnten. Die Ausgestaltung der Verbindung würde weiterhin von Aufgaben zur Stärkung des

625 Vgl. Nehru vor Spitzen Civil Services, 13.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 71–83; Nehru vor Parlament, 17.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 476–491, hier S. 477; Nehru an Narayan und Presseerklärung über Treffen, 18.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 437–440. 626 Vgl. Nehru vor Kongressfunktionären Meerut, 20.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 410–419, hier S. 419; Nehru vor State Development commissioners, 18.4.1953, SWJN 2, 22, S. 110–120, hier S. 111 f.; Rede Nehru, Sholapur, 30.4.1953, ebd., S. 121–123, hier S. 123. 627 Vgl. Rede Nehru, Agra, 7.7.1953, sowie Lucknow, 17.7.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 27–40, hier S. 33 sowie S. 40–52, hier S. 44 f.; Nehru an Chief Ministers, 17.10.1953 und 15.9.1954, SWJN 2, Vol. 24, S. 653–661, hier S. 655, sowie ebd., Vol. 26, S. 595–600, hier S. 597; Rede Nehru, Alla­ habad, 11.7.1954, ebd., S. 30–49, hier S. 48 f. 628 Vgl. indisch-chinesisches Kommuniqué, 29.4.1954, in: Foreign policy of India, S. 103–109; gemeinsame Erklärung Nehru/Zhou Enlai, 28.6.1954, ebd., S. 113 f.; Kaul, A diplomat’s diary, S. 61–66. Zur Begrifflichkeit von Panchasheel/Panch Shila vgl. Nehru an Fifield, 4.6.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 456 f. Er selbst, so Nehru, habe die Idee gehabt, den indonesischen Begriff im April 1955 für die Grundprinzipien des indisch-chinesischen Abkommens von 1954 zu übernehmen: »The words caught on«. Dagegen chinesische Genese gem. Khan, Muslim, S. 27.

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Imperiums sowie, damit einhergehend, von den Beziehungen zum globalen kapitalistischen Gegenspieler abhängen. Die indische Außenpolitik trachtete angesichts des inneren Zusammenhangs zwischen national-, asien- und globalpolitischen Aufgaben danach, sich gegen »expansionistische Tendenzen« der UdSSR, der USA und, »mit vielen wichtigen Einschränkungen«, Chinas eigene Bewegungsfreiräume zu erhalten.629 Die indische Politik, so Nehrus Gedankengang, musste sich nicht nur Übergriffen erwehren, sondern diese Spielräume aktiv schaffen, ausfüllen und erweitern. Nur so würde Indien nicht zu einer zweitrangigen Größe herabsinken, und nur so würde sich die indische Agenda auf internationaler Bühne umsetzen lassen. Das besondere Augenmerk der indischen Führung lag nach wie vor zuvorderst auf Asien, dazu auf afrikanischen Krisenherden. Die ›westliche‹ Politik des Kalten Kriegs konnte aus indischer Sicht den dynamischen Veränderungen in diesen Regionen der Welt, dem wachsenden politischen Bewusstsein der dortigen Bevölkerungen und vor allem ihren Bedürfnissen nach wirtschaftlichem Aufschwung und nationaler Unabhängigkeit nicht gerecht werden. Entwicklungen in Indochina, von Marokko bis Ägypten, in Nigeria, Kenia oder an der Goldküste boten Delhi reiches Anschauungsmaterial dafür, dass die in Großbritannien und vor allem den USA vorherrschenden internationalen Denkschulen die regionalen Entwicklungen kaum adäquat einordneten. So zielten die Panch Shila auch gegen die Vereinnahmung der Dritten Welt durch amerikanische (und westeuropäische) Kalte Krieger – mit mäßigem Erfolg.630 Damit sind die wesentlichen Rahmenbedingungen und Spannungs­momente der indisch-sowjetischen Beziehungen nach Stalins Tod skizziert. Die neue Kreml-Führung musste sich im politischen Alltag erst einmal um akute Schwachstellen in Innen- und Außenpolitik der UdSSR kümmern. Auf internationalem Gebiet setzte die Führungsmannschaft auf eine zügige Abwicklung des Koreakriegs. Dessen Kosten und mögliche Weiterungen erschienen Stalins Nachfolgern viel zu hoch und gefährlich, als dass sie das letztlich unkalkulier-

629 Bericht über indische Botschafterkonferenz 17.6.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 518–522, hier S. 519. 630 Vgl. ebd.; Vermerk über Gespräch SoS CRO, Swinton, mit Nehru, 11.6.1953, NAK, PREM 11/459; Nehru an Chief Ministers, 6.11. und 1.12.1953, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 3, S. 412–431, hier S. 429 f., S. 453–468, hier S. 456 f., 465 f.; Nehru an Krishna Menon, 15.8.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 517; Aufzeichnung Gespräch Dulles mit Krishna Menon, 13.10.1953, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 3, 55.11; Nehru an Churchill, 8.6.1953, NAK, PREM 11/459; Nehru an MEA, Secretarry General u. a., 25.10.1953, SWJN 2, Vol. 24, S. 596–598, hier S. 597; Nehru an Innenministerium, 25.10.1953, ebd., S. 322–325, hier S. 324.

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bare Spiel mit dem Feuer fortsetzen wollten.631 Unruhen im Satellitengürtel und interne Machtkämpfe führten dazu, dass die Spitze erst im August 1953 eine ausführliche internationale Bestandsaufnahme vorlegte.632 Der Kreml machte allerdings bereits vorher immer wieder deutlich, dass sich die sowjetische Politik nun auf eine friedliche Auseinandersetzung mit dem globalen Gegner festlegen wollte.633 Dazu gehörte auch eine neue Offenheit gegenüber der in Delhi geschätzten Weltorganisation. Indem Moskau Delhis Idee unterstützte, den neuen UN-Generalsekretär in Indien zu suchen, signalisierte die sowjetische Diplomatie zugleich mehr bilaterale Kooperationsbereitschaft.634 Das MEA nahm alle positiven Anzeichen aus Moskau und anderen Zentren des Kalten Kriegs auf, in denen es Chancen auf eine echte Entspannungspolitik erkannte.635 Angesichts des stetig wachsenden Vernichtungspotentials von Atom- und Wasserstoffbomben gewann die indische Friedenspolitik an Dringlichkeit.636 Daher unterstützte Nehru Anfang Juni 1953 engagiert Churchills Pläne für einen Dreier-Gipfel der verfeindeten Großmächte.637 Das Scheitern aller Konferenzideen war für Nehru nur ein weiterer Beleg dafür, dass weniger die UdSSR (oder China) als vielmehr die USA auch unter ihrer neuen Administration weltweit von einem Fehler zum anderen stolperte und eine Gefahr für den Weltfrieden bedeutete: »Generally speaking, there will be no war, that is, no big war, started either by Russia or by China. If there is a danger of a big war it is rather on the side of America; not deliberately, but by taking steps

631 Vgl. Shen/Ji, After leaning, S. 97–104; Gaiduk, Divided together, S. 206 f. Allg. Stueck, The Korean war, S. 308–330. 632 Vgl. Malenkow, Die innen- und außenpolitische Lage. 633 Vgl. Subok/Pleschakow, Der Kreml, S. 222–233; Zubok, A failed empire, S. 94–94–98; Roberts, A chance. 634 Vgl. Nehru an V. L. Pandit, 10.3.1953, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 47; Bericht indische UN-Delegation für die Zeit vom 15.3.–14.4.1953, 20.4.1953, NAI, 64–R & I/54 (Secret). Bei der Abstimmung im Sicherheitsrat gab es schließlich 2 Stimmen für V. L. Pandit, 1 gegen sie sowie 8 Enthaltungen. 635 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 28.3.1953, NAK, DO 35/7048; Nehru an Chief Ministers, 8.4.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 533–540, hier S. 538; politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1953, 11.2.1954, NAI, 3 (30) R & I/54. 636 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 22.8.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 596–596, hier S. 595; Nehru vor Lok Sabha, 2.4.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 445–449, hier S. 446. 637 Vgl. Commonwealth Prime Ministers’ Meeting, 3.6.1953, NAK, DO 35/7048, S. 4; Nehru an Chief Ministers, 16.7. und 15.11.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 574–579, hier S. 575 sowie Vol. 24, S. 668–677, hier S. 672 f.; Carlton, Churchill, S. 177–183; Bar-Noi, The cold war, S. 82–93, 101 f.; Roberts, A chance, S. 3–6. Winston Churchill, u. a. britischer Premier 1940–1945, 1951–1955.

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which accidentally may lead to a war«. Dieser Gefahr war, so die Schlussfolgerung, durch Indiens erhöhtes Engagement für ureigene Ziele gegenzusteuern.638 Die poststalinistischen internationalen Gehversuche sah Delhi mit gemischten Gefühlen. Ungeachtet spürbarer Veränderungen erschienen sowjetische Motive und Ziele indischen Beobachtern nicht allzu vertrauenserweckend.639 Das sowjetische Vorgehen gegen die Volksbewegungen in Osteuropa 1953 bewies der indischen Politik eine latente imperiale Aggressivität der UdSSR.640 Diese schien sich in Form klandestiner Hilfen für die ungeliebte CPI auf die bilaterale Ebene zu übertragen. Eine ganze Reihe kommunistischer Kader, dies die feste Meinung in Delhi, nutzte die neuen Reisefreiheiten, die ihnen die Regierung in Delhi gegen den Widerstand des Innenministeriums gewährte, »für medizinische und, wie man sicher annehmen kann, für politische Behandlungen« in der UdSSR.641 Damit überschätzte die indische Führung weiterhin den direkten Einfluss der KPdSU auf ihre Bruderpartei.642 Die sowjetischen Spitzen mussten sich zudem erst noch über ihre grundsätzliche Position gegenüber der indischen Regierung einig werden. Einstweilen bewerteten internationale Experten und Praktiker die indische Außenpolitik noch ganz gemäß alten Mustern.643 Zugleich mehrten sich jedoch die Anzeichen dafür, dass Moskau die punktuellen Freundlichkeiten von 1951/1952 ausbauen wollte. Eine Rückkehr zu bloßen Beschimpfungen Nehrus als »Kreatur der Großbourgeoisie, der Gutsbesitzer und der indischen Fürsten« schien dagegen ausgeschlossen. Einem Dolmetscher, der sich mit derlei Kanonaden auf eine Delegationsreise nach Indien einstimmte, entzogen Kulturministe638 Nehru vor Spitzen Civil Services, 13.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 71–83, hier S. 78 f. Vgl. Bericht über indische Botschafterkonferenz, 17.6.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 518–522, hier S. 520 f. 639 Vgl. Bericht über indische Botschafterkonferenz, 17.6.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 518–522, hier S. 519. 640 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 16.7.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 574–579, hier S. 574 f.; Nehru an MEA, Secretary General, 28.9.1953, ebd., S. 553 f. 641 Politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1953, 11.2.1954, NAI, 3 (30) R & I/54. Vgl. Nehru vor Spitzen Civil Services, 13.3.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 71–83; Namboodiripad an ZK KPdSU, 13.10.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 278, l. 78; Beschlüsse ZK-Präsidium, 25.1.1954 und 10.3.1955, RGANI, f. 89, op. 38, d. 18; Stepanov an Chruščev, 21.4.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 7, ll. 31 ff.; ZK, V. Stepanov/Mošetov an Suslov, 4.3.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 278, ll. 7 f. Zu indischen Diskussionen vgl. Nehru an Innenminister Katju, 12.5.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 308 f. 642 Vgl. Rumjancev/Stepanov an Suslov, 2.6.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, ll. 40 ff.; Stepanov/ Kozlov an Suslov, 28.1.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 242, l. 2. 643 Vgl. Roščin an ZK, Kozlov, 8.4.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, ll. 16 ff.; Pozdeev an Grigor’jan mit Tätigkeitsbericht SIB Delhi, 10.4.1953, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 952, ll. 136 ff.

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rium und Akademie der Wissenschaften wegen »politischer Unreife« kurzerhand den Reisepass.644 Derweil machte sich die indische Diplomatie daran, Friedenschancen in Korea zu nutzen. Unmittelbar nach Stalins Tod entdeckte das indische MEA Hinweise darauf, dass China und insbesondere die UdSSR ihre Politik abmildern und letztlich auf indische Konstruktionen der Vormonate zurückkommen könnten. Am 9. April 1953 besprach Botschafter Menon in Moskau mit einem ungewohnt positiv gestimmten Molotov die Perspektiven. In Delhi war Indiens oberster Diplomat hochzufrieden mit dem »Ausbruch des Friedens«, den Moskau zugelassen hatte.645 Die Waffenstillstandsverhandlungen sowie die damit einhergehenden Debatten über den Umgang mit Gefangenen der kriegführenden Parteien demonstrierten jedoch erneut, wie prekär die national­ bewusste Position Indiens auf internationaler Ebene war. Delhi erklärte sich früh mit sowjetischen Vorschlägen einverstanden, den Vorsitz der Repatriierungskommission neutraler Staaten zu übernehmen.646 Darüber hinaus war Indien daran interessiert, an einer Koreakonferenz teilzunehmen.647 Amerikanische Vertreter fanden sich mit der Führungsrolle Indiens in der Repatriierungskommission nur widerwillig ab und sprachen sich gegen die gleichberechtigte Beteiligung Indiens an der Konferenz aus.648 Im Gegenzug unterstützten 644 Aleksandrov/Ostrovitjanov an ZK, 25.9.1953, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 67 ff. Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 21.12.1953, NAK, FO 371/112211. Konstantin Vasil’evič Ostrovitjanov, u. a. 1952–1961 ZK-Kandidat, 1936–1947 Sektorleiter im Wirtschaftsinstitut der AN, 1947–1953 Direktor desselben Instituts, 1948–1954 Chefredakteur von Voprosy ėkonomiki, ab 1950 Mitglied Autorenkollektiv für neues Lehrbuch der Politischen Ökonomie, 1953–1962 Vizepräsident der AN. 645 Nehru an Chief Ministers, 19.4.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 540–549, hier S. 541. Vgl. Nehru an Chief Ministers, 8.4.1953, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 3, S. 273–284, hier S. 281 f.; K. P. S. Menon an R. K. Nehru und Nehru, 9.4.1953, NAI, EII/53/1363/67; Berichte indische Botschaft Peking für März und April 1953, o. D., NAI, EII/53/1391/67 sowie NAI, R & I/53. 646 Kommissionsvorsitzender war Generalleutnant K. S. Thimayya, Befehlshaber der indischen Wachmannschaften (ca. 5500 Mann) für die Gefangenen Generalmajor S. P. P. Thorat, vgl. NAI, 4 (49)-E II/53. Zu amerikanischen und britischen Finanz- und Transporthilfen vgl. Vermerk über Gespräche indischer Botschaftsrat Washington, Kakar, im State Department, 26.8. und 23.9.1953, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 3, 55.11 Korea; Nehru an Churchill, 1.9.1953, NAK, FO 371/105529; Singh, The limits, S. 101 f.; Stueck, The Korean war, S. 313–330. 647 Vgl. Reden Nehru, 17.9. und 2.10.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 389–407, hier S. 397 f. sowie ebd., Vol. 24, S. 3–12, hier S. 10 f.; Aufzeichnung Gespräch Dayal mit amerikanischem UN-Vertreter Wadsworth, 19.4.1954, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 4, 52. United Nations; Singh, The limits, S. 106 f. 648 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Dulles mit britischem Botschafter Washington, Makins, 30.7.1953, FRUS, Supplement Eisenhower: Secretary of State’s Memoranda of Conversation, Dok. Nr. 181; Vermerk für Acting SoS, 6.8.1953, ebd., Nr. 190; Aufzeichnung Gespräch Dulles mit nieder-

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China und die UdSSR eine indische Präsenz.649 In der wichtigen Kriegsgefangenenfrage selbst fand sich Indien dann weniger in der Rolle eines Vermittlers als eines Prellbocks wieder.650 Sowohl die USA als auch China bezweifelten die indische Unparteilichkeit. Indische Kommissionsmitglieder nahmen die ständigen Anfeindungen vor Ort mit gebotener Gelassenheit. »Since we are not pleasing either party entirely, we are probably on the right lines«.651 Mehr Sorge machte den indischen Truppen und dem MEA die südkoreanische Politik, die eine gütliche Einigung in der Gefangenenfrage torpedierte.652 Nehru vermutete hinter diesen Problemen Machinationen der Administration von US-Präsident Dwight Eisenhower. Dieser Verdacht unterstrich, wie kritisch er weiterhin die US-amerikanische Asienpolitik verfolgte. Deren Schwächen offenbarten sich in indischen Augen in der gesamten Chinapolitik sehr deutlich. Washington, so die Sicht des MEA, trieb mit seinem Konfrontationskurs Peking nur weiter in die Arme Moskaus. Nehru verharrte in der Vorstellung, den großen Nachbarn auf der Basis eines besonderen indisch-chinesischen Verhältnisses in die indische Asien- und Friedenspoli-

ländischem Außenminister, 6.10.1953, ebd., Nr. 257; Aufzeichnung Gespräch Dulles mit G. Mehta, 7.10.1953, FRUS 1952–1954 XI, S. 1724–1726; britische UN-Delegation an FO, 12. und 16.10.1953, NAK, FO 371/1055332–33. 649 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 26.8.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 521; Bericht indische Botschaft Peking bis 30.9.1953, NAI, R & I/53; britische Botschaft Moskau an FO, 24.9.1953, NAK, FO 371/105531; Bericht indische Botschaft Moskau für März 1954, 3.5.1954, NAI, 60–R & I/54. 650 Vgl. britische UN-Delegation an FO, 20.10.1953, NAK, FO 371/105534; Nehru an Raghavan, 11.1.1954, SWJN 2, Vol. 24, S. 537 f. Ein Teil der Gefangenen, die in ein neutrales Land wollten, wurde schließlich über Indien in die Zielstaaten verlegt, vgl. Vermerk über Gespräch südkoreanischer Botschafter Washington, You Chan Yang, im State Department, 19.2.1954, NARA, RG 59, Lot 58D742; Aufzeichnung Gespräch State Department, Korean Affairs, Jones, mit Botschaftsrat südkoreanische Botschaft, 25.2.1954, ebd.; Evans, Thimayya of India, S. 292–303; Khanduri, Thimayya, S. 161–184. 651 NNRC Korea an MEA, Pillai, 29.9.1953, NAI, 14 (39)-E II/53, Part I. Vgl. Thimayya an Nehru, 13.9.1953, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 47; Nehru an Raghavan, 23.10.1953, SWJN 2, Vol. 24, S. 502 f.; Nehru an Krishna Menon, 23.10.1953, ebd., S. 503 f.; Berichte indische Botschaft Peking für die Zeit bis 30.11.1953 und bis 31.12.1953, o. D., NAI, R & I/53; Nehru an Thimayya, 23.12.1953 und 11.1.1954, SWJN 2, Vol. 24, S. 532, 539 f.; Shen/Li, After leaning, S. 90–113. 652 Vgl. Vermerk über Gespräch britischer Hochkommissar Delhi, Clutterbuck, mit Pillai, 15.10.1953, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 3, 55.11; US-Botschaft Delhi, Confidential Security Information, 8.10.1953, NARA, RG 59, Lot 57D373, Box 3, 55.11 Korea; Aufzeichnung Gespräch Swinton mit Nehru, 16.11.1953, NAK, DO 35/6510; Lee, The Korean war, S. 95 f.

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tik einbinden zu können.653 Damit würden sich zugleich akute Probleme auflösen. So könnte die Achse Peking-Delhi Pakistan zur Vernunft bringen, das sich immer demonstrativer als nationaler wie internationaler Gegenentwurf zu Nehrus Politik präsentierte.654 Vor allem aber kämen indisch-chinesische Probleme, die sich aus Pekings Vormarsch nach Tibet ergeben hatten, aus der Welt. Chinesische Angriffe fürchtete Nehru in dieser Periode zu Recht nicht. Das MEA wollte jedoch schnell ein Gesamtpaket schnüren, das ohne weitere Diskussionen und auf Dauer neben chinesischen Hoheitsansprüchen traditionelle Verbindungen Indiens nach Tibet und insbesondere indische Grenzziehungen absegnete.655 Doch auch die chinesische Führung blieb ihren Grundüberzeugungen treu und beharrte darauf, dass »die Beziehungen zwischen dem Neuen China und der indischen Regierung in Chinas tibetischer Region durch Verhandlungen von Neuem aufgebaut werden sollten«.656 In der Zwischenzeit hatte sich das neue Führungskollektiv in Moskau eingerichtet. Erste Beben im kommunistischen Machtbereich waren glücklich überstanden. Nun konnten die Kreml-Herrscher ihren poststalinistischen Internationalismus vorstellen. Anfang August 1953 übernahm es der aktuell starke Mann der Führungsriege, Malenkov, den ersten kompakten außenpolitischen Entwurf nach Stalin öffentlich zu machen. Ungeachtet der überkommenen Lager-Rhetorik der Vorjahre betonte Malenkov in der Sache die Chancen bilateraler, vor allem wirtschaftlicher, Kooperation sowie die Notwendigkeit der friedlichen Koexistenz schlechthin. Diese Öffnung bedeutete keineswegs den Verzicht auf die langfristige Perspektive einer sozialistischen Welt.657 Auch wenn die sowjetische Führungsriege im Zusammenhang mit ihren internen Machtkämpfen das 653 Vgl. Nehru an MEA, Secretary General, 6.4.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 352 f.; Nehru an Raghavan, 19.4.1953, ebd., S. 354 f.; Berichte indische Botschaft Peking für April und Mai 1953, o. D., NAI, R & I/53 sowie EII/53/1391/67; Aufzeichnung über Gespräch Nehru mit Dulles, 22.5.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 506–513, hier S. 510; Nehru an MEA, Foreign Secretary, 23.7.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 490 f.; US-Botschaft Delhi an State Department, 26. und 28.7. sowie 25.8.1953, FRUS 1952–1954 XI, S. 1698–1702, 1714 f. 654 Vgl. Bericht indische Botschaft Peking für März 1953, 31.3.1953, NAI, R & I/53; Bericht indische Botschaft Peking bis 30.9.1953, ebd. 655 Vgl. Vermerk über Gespräch Gouverneur Bombay, Bajpai, mit US-Botschaft Delhi, 21.5.1953, FRUS 1952–1954 IX, S. 113 f.; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Dulles, 21.5.1953, ebd., S. 115–117, hier S. 115; Nehru an MEA, Secretary General u. a., 14.7. und 25.10.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 480 f. sowie Vol. 24, S. 596–598; Nehru an T. T. Krishnamachari, 1.8.1953, ebd., S. 245 f.; Nehru an Zhou Enlai, 1.9.1953, ebd., S. 485 f.; Entwurf Nehru für Aide Mémoire an chinesische Botschaft, 2.9.1953, ebd., S. 486–488. 656 Zit. nach SWJN 2, Vol. 24, S. 595, Anm. 2. Vgl. Nehru an Zhou Enlai, 1.9.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 485 f. 657 Vgl. Malenkow, Die innen- und außenpolitische Lage, hier S. 281–283, S. 295 f.

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Postulat der friedlichen Koexistenz noch nicht voll übernehmen wollte, blieb doch unverkennbar, dass Moskau in der Dritten Welt endgültig auf einen differenzierten Umarmungskurs setzte, der weitere Teile der Gesellschaften sowie ihre Regierungen zugleich anvisierte.658 Dieses Moskauer Kalkül bewertete die Regierung in Delhi nicht mehr als schwächlichen Sympathisanten oder bourgeoisen Kollaborateur des Imperialismus, sondern als vielversprechenden Bündnispartner. »Zu den Anstrengungen der friedliebenden Länder, die den Krieg in Korea beenden wollten, hat Indien einen beträchtlichen Beitrag geliefert«, erinnerte Malenkov seine Zuhörer. »Unsere Beziehungen zu Indien konsolidieren sich«, formulierte er die nächsten Wunschziele sowjetischer Politik. »Die kulturellen und wirtschaftlichen Bande wachsen. Wir hoffen, dass in der Zukunft die Beziehungen zwischen Indien und der Sowjetunion noch enger werden und dass sie sich im Zeichen freundschaftlicher Zusammenarbeit entwickeln.«659 Dies waren keine leeren Worte. Erfreut realisierte die indische Botschaft in Moskau, dass die sowjetische Presseberichterstattung positiver wurde.660 Erstmals erwies der sowjetische Botschafter Gandhis Grabstätte seine Reverenz.661 In den UN gab sich Vyšinskij unabhängig von der kritischen Haltung zur Institution an sich geradezu euphorisiert, als V. L. Pandit zur Präsidentin der Generalversammlung gewählt wurde.662 Schließlich schlossen Indien und die UdSSR im Dezember 1953 ihr erstes Handelsabkommen ab.663 Diese Annäherung konnte indes kaum darüber hinwegtäuschen, dass beide Seiten sie unterschiedlich interpretierten. Die indische Botschaft in Moskau zumindest wertete proindische Signale des Kremls selbstbewusst als Anerkennung der indischen Stellung in der Welt. Sowjetische Vertreter priesen die neue Herzlichkeit als Beweis dafür, dass die internationale »Autorität« der UdSSR gewachsen und Indien endlich die Gefahren der von den USA geförderten asiatischen Machtblöcke erkannt habe.664 658 Vgl. Subok/Pleschakow, Der Kreml, S. 233–247. 659 Malenkow, Die innen- und außenpolitische Lage, S. 284 f. Von den Beziehungen zu Pakistan erhoffte sich Malenkov eine »erfolgreiche Entwicklung«, ebd. 660 Vgl. politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1953, 11.2.1954, NAI, 3 (30) R & I/54. 661 Vgl. Kapur, The Soviet Union, S. 43 f. 662 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 23.9.1953, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, Correspondence with J. Nehru, 1951–1963; Malenkow, Die innen- und außenpolitische Lage, S. 293. 663 Vgl. Handelsabkommen mit begleitendem Briefwechsel sowjetische Botschaft und Handels- und Industrieministerium, 2.12.1953, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 73–83; Kap. 3.4.2. 664 Vgl. politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau, 11.2.1954, NAI, 3 (30) R & I/54; Pozdeev an ZK mit Tätigkeitsbericht SIB Delhi, 18.2.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 242, l. 42 ff.

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Für Washington war die Aufrüstung Karachis ein Baustein des globalen Feldzugs gegen die UdSSR und China, in dem die US-Politik auf Indien nicht zählen konnte. Aus der Perspektive der maßgeblichen pakistanischen Entscheidungsträger schien die Strategie, sich der US-Administration als verlässlicher Partner zu empfehlen, um zusätzlichen Rückhalt in der eigenen Indien- und Kashmirpolitik zu erhalten und um die eigene innenpolitische Stellung zu zementieren, Früchte zu tragen. Am 19. Mai 1954 unterzeichneten die USA und Pakistan ihr Mutual Defense Assistance Agreement.665 Es lag nahe, dass die Gegner, UdSSR und Indien, sich zur Abwehr tatsächlicher Ambitionen sowie vorgestellter Implikationen zusammenfanden. Die sowjetische Diplomatie bombardierte Pakistan ob seiner immer enger werdenden Verbindungen zur USA mit Protestnoten und versuchte zugleich, Karachi mit wirtschaftspolitischen Ködern zu locken.666 Das MEA ließ im Vorfeld des amerikanisch-pakistanischen Bündnisses seine Botschafter in China und in der UdSSR sondieren, inwieweit man sich auf chinesische und sowjetische Schützenhilfe gegen die drohende US-Pakistan-Allianz verlassen könnte.667 Dabei schloss die Regierung in Delhi Ende 1953/Anfang 1954 noch aus, sich ihrerseits auf einen Wettlauf um auswärtige Rüstungshilfen einzulassen.668 Die Logik des indisch-pakistanischen Konflikts führte indes dazu, dass das MEA nur Wochen später über den Kauf sowjetischer Flugzeugtypen für den Fall nachdachte, dass sich westeuropäische Offerten als unbefriedigend erweisen sollten.669 Ob Delhi tatsächlich Fühler nach Moskau ausstreckte oder ob Moskau vermeintliche Chancen beim Schopf packen wollte, geht aus den wenigen zugänglichen militärpolitischen Akten nicht hervor: »Aus heiterem Himmel« notifizierte die sowjetische Regierung am 28. Februar 1954 Delhi über ihre Pläne, einen Militärattaché nach Indien zu entsenden. Im Mai 1954 tauschten die beiden Staaten Militärvertreter aus, und bereits im November 1954 boten sowjetische Diplo-

665 Zur amerikanischen, britischen und pakistanischen Politik im Kontext des »Northern Tier«-Konzepts der US-Politik vgl. McMahon, The cold war, S. 130–172; Rotter, Comrades, S. 58–66; Burke/Ziring, Pakistan’s foreign policy, S. 148–172. 666 Vgl. US-Botschaft Moskau an State Department, 20.3.1954, FRUS 1952–1954 IX, S. 490; politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1954, 5.12.1954, NAI, F. 3(30)/R & I/55 (S); Ram, Superpowers, S. 129–134; Ray, Domestic compulsions, S. 39–91; Muhamad, The United States, S. 85–98; Ram, Soviet policy, S. 49–55. 667 Vgl. Nehru an MEA, Secretary General, 27.11.1953, SWJN 2, Vol. 24, S. 428–433, hier S. 433. 668 Vgl. Nehru an MEA, Foreign Secretary, 18.12.1953, SWJN 2, Vol. 24, S. 443. 669 Vgl. Nehru an Ministerium für Verteidigungsorganisation, 21.2.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 295 f.; Wainwright, Inheritance, S. 83 ff., 137 ff., 151 ff., 163 ff.

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maten via London Delhi sowjetische Flugzeuge an – einstweilen ohne Erfolg.670 Die Offerte bestätigte Delhi, dass die Entwicklung in Südasien den eigenen Wert für die Moskauer Geo- und Globalpolitik unweigerlich erhöht hatte. Die Verwandlung Pakistans in einen treuen Satelliten der USA, so der Jahresbericht der indischen Botschaft in Moskau für 1954, habe die UdSSR in ihrer Freundschaft zu Indien gestärkt. Der Beitritt Pakistans zum sogenannten Baghdad-Pakt, der CENTO, im Februar 1955 sollte diese Konstellationen besiegeln.671 Parallel hierzu verhärtete sich die indische Politik gegenüber Pakistan und den USA. Im Verhältnis zu Pakistan betrachtete Delhi alle Ansätze von Sommer 1953, zu einer bilateralen Lösung des Kashmirproblems zu kommen, nun endgültig als gescheitert.672 Auf Nehrus Drängen hin ließ die indische Regierung die UN wissen, dass man in Kashmir keine amerikanischen Beobachter mehr akzeptierte.673 Diese verkörperten, ätzte der Premier intern, die amerikanische Neigung, sich überall einzumischen und überall kommunistische Einflüsse zu wittern.674 Die Kommunisten in Südasien bemühten sich in dieser Phase weitgehend erfolglos, ihre Grundsatzpositionen mit den rasanten Prozessen in Asien und der Welt sowie mit der offeneren Haltung der UdSSR gegenüber der indischen Regierung in Einklang zu bringen. Auf dem dritten Parteitag der CPI in Madura (27. Dezember 1953 bis 4. Januar 1954) bildete die Bewertung der Nehru-Regierung einen Schwerpunkt der Debatten. Sie war untrennbar mit der außenpolitischen Kursbestimmung verknüpft. Die Fokussierung auf eine »anti-USA«-Linie würde die Partei angesichts der zahlreichen indisch-amerikanischen Zwistigkeiten auf eine »loyale Opposition« zur Nehru-Regierung beschränken, während

670 Nehru an Commonwealth Secretary, 12.11.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 493 f. Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 2.3.1954, NAK, FO 371/112211; US-Botschaft Delhi an State Department, 20.3.1954, FRUS 1952–1954 XI, S. 1350–1352; Gopal, Nehru 2, S. 188 f. 671 Vgl. Politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1954, 5.12.1954, NAI, F. 3(30)/R & I/55 (S); Ram, Superpowers, S. 135 f. 672 Vgl. Vermerk über Gespräch CRO, Garner, mit Pillai, 9.6.1953, NAK, DO 35/6675; Schriftwechsel indischer und pakistanischer Premier, November 1953–März 1954, in: Appadorai (Hg.), Select documents 1, S. 249–261; Korbel, Danger, S. 192–195, 240–250; Gopal, Nehru 2, S. 182–189. 673 Vgl. Nehru vor Lok Sabha, 1.3.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 335–343, hier S. 341 f.; Nehru an MEA, Secretary General, 5.3.1954, mit Entwurf Telegramm an indische UN-Vertretung (abgesandt 6.3.1954), ebd., S. 317 f.; Nehru an Commonwealth Secretary, 19.3.1954, ebd., S. 322 f. 674 Vgl. Nehru an Premier Kashmir, Bakshi, 11.9.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 374 f., hier S. 374; Nehru an T. T. Krishnamachari, 25.1.1954, SWJN 2, Vol. 24, S. 453 f., hier S. 454; Nehru an Panikkar, 12.11.1953, ebd., S. 422–424; Nehru an MEA, Secretary General, 27.11.1953, ebd., S. 428–433.

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ein antibritischer Schwerpunkt ihre Bekämpfung zuließ.675 Im weiteren Maßstab drehten sich die Diskussionen um das Ausmaß der kommunistischen Kooperationsbereitschaft gegenüber einer bürgerlichen Regierung einerseits und um die Synchronisationsfähigkeit indischer und sowjetischer kommunistischer internationaler Politik andererseits. Die verschiedenen Parteifraktionen waren sich wieder einmal uneins. Der Generalsekretär der britischen Kommunisten, Pollitt, wurde, obwohl offizieller Gast des Parteitags, von keiner Seite als Schiedsinstanz anerkannt, zumal er sich wohl kaum auf Moskauer Rücken­deckung stützen konnte.676 Auf jeden Fall gingen Aufzeichnungen Pollitts zufolge indisch und britisch-kommunistische Einschätzungen in wesentlichen Punkten auseinander. »CPI looked upon British imperialism as main enemy, that if it was not for Nehru, that Congress would collapse & our boosting of Nehru was harmful to CPI.«677 Im Unterschied zu den britischen Genossen betrachtete die CPI die Regierung Nehru Ende 1953 immer noch als den verlängerten Arm von »Monopolisten« und »Gutsbesitzern«, als im Innern reaktionär und außenpolitisch vor allem von britischen imperialistischen und Kapitalinteressen gelenkt.678 Auf dieser Basis legte sich die kommunistische Partei auf eine Generalopposition gegenüber der Regierungspolitik in internationalen Beziehungen fest, behielt sich aber die Unterstützung einzelner Maßnahmen der Regierung vor. In der politischen Praxis blieb die CPI ohnehin einflusslos. Die Partei war im Grunde handlungsunfähig, stellte Pollitt zu seinem Entsetzen fest. Er monierte eine »unangemessene Betonung von Differenzen«, »eine zerstrittene Führung«, »Diskussionen, als ob Indien und die CPI vom Rest der Welt isoliert seien«, sowie eine »völlige Unterschätzung der Kriegsgefahr« im Kalten Krieg.679 Der Anstieg der Mitglie675 Overstreet/Windmiller, Communism, S. 309–312, hier S. 311. Vgl. CIA, ›Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, ESAU XVI-62, 7.2.1962, S. 20–34, https://www.cia.gov/ library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 11.4.2018). 676 Vgl. Pollitt, Points for CC, 26.12.1953, Communist Party of Great Britain Archive (CPGBA), CP/Ind/Poll/4/2; Pollitt, Points closing speech, 3.1.1954, ebd. CP/Ind/Poll/4/2. Spätere Kritik des Moskauer ZK-Apparats an Pollitts Ausführungen muss nicht besagen, dass er 1953/1954 nicht Moskauer Überlegungen traf, vgl. Ausarbeitung ZK-Abt. Internationale Verbindungen, 1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 218 ff., hier l. 246. 677 Pollitt, Points on visit to India, o. D., CPGBA, CP/Ind/Poll/4/2, Bl. 4 f. Vgl. allgemein Callaghan, Rajani Palme Dutt, S. 254 f. 678 Political Resolution, in: Documents of the Communist movement VII, S. 247–281, hier S. 253–260, Zitate S. 253, 260. Vgl. Ghosh, On the work of the Third Congress of the Communist Party of India & Tasks before the Communist Party of India, ebd., S. 332–364; Chandra, A strategy, S. 284–287. 679 Pollitt, Points closing speech, 3.1.1954, CPGBA, CP/Ind/Poll/4/2. Pollitt zählte über 500 Änderungsanträge zur Abschlussresolution und – »unheard of« – 34 Enthaltungen in der Schlussabstimmung, allesamt von Delegierten aus Andhra, vgl. Pollitt, Points on visit to India, o. D., ebd., CP/Ind/Poll/4/2, Bl. 7, 9, 11.

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derzahl auf rund 100.000 Personen (1954) machte aus der Partei noch lange keine schlagkräftige Avantgarde.680 Ihre politischen Entscheidungen ließen auf Regierungsseite keinerlei Gedanken daran aufkommen, kommunistische Ratschläge auch nur anzuhören.681 Dies galt auch mit Blick auf das sozialistische Ausland. Im Kontext der laufenden Debatten über Wirtschafts- und Entwicklungspolitik unterstrich 1954 Nehru laufend, dass sowjetische Modelle aufgrund unterschiedlicher Ausgangsbedingungen, vor allem aber wegen ihrer Methoden für Indien wenig taugten.682 Wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen kamen trotz erster Abkommen und Besuche nur langsam in Gang.683 Auf politischer Ebene ließ der Kreml in den ersten Monaten 1954 noch keine Absichten erkennen, die indisch-sowjetischen Beziehungen erheblich zu intensivieren.684 Der Hauptfokus sowjetischer Politik lag in dieser Zeit auf dem sozialistischen Lager und in Europa. Die Moskauer Diplomatie befasste sich einstweilen nur im Zusammenhang mit den internationalen Großkonferenzen über Asien mit Indien. Auf die Asienpolitik, nicht auf die bilateralen Beziehungen zur UdSSR, richtete auch die indische Diplomatie unverändert ihren Blick. Delhis Hauptinteresse galt dem Reich der Mitte. Die Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Entwicklungsmodell konnte Indien, so Nehrus anhaltende Überzeugung, mit seiner Politik für sich entscheiden.685 Gerade angesichts des Ausgreifens der USA war es für ihn von unmittelbarer Bedeutung, dass die tibetischen Irritationen die indisch-chinesische Zusammenarbeit nicht weiter hemmten.686 In den 680 Vgl. Vermerk ZK-Abt. Internationale Verbindungen, 1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 218 ff., hier l. 247. Niedrigere Angaben bei Donaldson, Soviet policy, S. 106 f. 681 Vgl. Nehru vor Kongressfunktionären, Banda, 27.3.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 159–161, hier S. 160 f. 682 Vgl. Reden Nehru, Delhi, 11.7. und 28.11.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 30–49, hier S. 39 f. sowie ebd., Vol. 27, S. 508–522, hier S. 517 f. 683 Vgl. Kap. 3.4.2. sowie 3.5. 684 Botschafter Men’šikov, der im Januar und Februar 1954 die sowjetische ECAFE-Delegation in Ceylon geleitet hatte, weilte in den heißen Sommermonaten, vom 20. April bis zum 16. Juli 1954, erst einmal auf Heimaturlaub in Moskau, vgl. AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 1. 685 Vgl. Nehru an MEA, Secretary General, 27.11.1953, SWJN 2, Vol. 24, S. 428–433, hier S. 433; Bericht indische Botschaft Peking bis zum 31.12.1953, o. D., NAI, R & I/53; Kaul, Diplomacy, S. 38–42, 99; Nehru an Krishna Menon, 27.6.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 410; Nehru an Chief Ministers, 15.9.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 595–600, hier S. 597; Nehru an T. T. Krishnamachari, 25.11.1954, NMML, T. T. Krishnamachari Papers; Aufzeichnung Gespräch Krishna Menon mit FO, Joint Secretary Marquis Reading, 2.9.1954, NAK, FO 371/111844. 686 Vgl. Nehru an MEA, Secretary General, 3.12.1953 und 18.6.1954, SWJN 2, Vol. 24, S. 598 f. sowie Vol. 26, S. 476–480; Nehru an MEA, Secretary General/Foreign Secretary, 12.5. und 1.7.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 469 f. sowie Vol. 26, S. 481–484; Kaul, Diplomacy, S. 45, 100–109.

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Grenzregionen wollte Delhi, wie schon seit Jahren, durch aktive Verwaltung und die Einrichtung neuer Posten die indischen Ansprüche untermauern: »Nehru’s policy, in short, was to implement a hearts and minds programme whilst simultaneously taking measures to ensure India was not caught unaware.«687 Im Kern setzte die indische Diplomatie jedoch ganz auf die große Lösung. Das am 29. April 1954 unterzeichnete indisch-chinesische Abkommen mit seinen ›Fünf Prinzipien‹ sollte zusätzliche Vertragsmauern gegen alle chinesischen Eventualitäten errichten. Darüber hinaus betrachtete Nehru es als Fundament einer Friedenszone und als neues Muster internationaler Beziehungen weltweit.688 Die chinesische Führung pflegte eine andere Lesart und betrachtete die Abmachungen als geschmeidiges regionalstrategisches Instrument gegen die USA sowie als Mittel der »internationalistischen Mission der internationalen kommunistischen Bewegung«.689 Chinas Selbstdarstellung als eine Macht, welche innere Entwicklung und friedliche Koexistenz anstrebte, mochte einzelne Staaten im imperialistischen Lager und seinem Umfeld überzeugen, auf diese Weise dort Risse vergrößern und der Sache des Sozialismus dienen. Es würde sich in der internationalen Arena immer wieder aufs Neue erweisen müssen, ob hinter chinesischen und sowjetischen Bekenntnissen zur friedlichen Koexistenz tatsächlich Motive und Zielsetzungen standen, die sich mit indischen Auslegungen in Einklang bringen ließen. Während der Genfer Konferenz (26. April bis 20. Juli 1954) konnten sowohl die sozialistischen Staaten als auch Indien ihre aktuellen Konzeptionen dem Praxistest unterziehen. Delhis Ziel in Indochina war es, alle Einflüsse der verfeindeten Großlager auszuschalten und somit die behauptete Friedenszone in Asien auszubauen. In diesem Zusammenhang ließen sich zugleich pakistani-

687 Raghavan, War, S. 241–244, Zitat S. 242. 688 Vgl. Nehru vor Lok Sabha, 15.5. und 29.9.1954 SWJN 2, Vol. 25, S. 397–411, hier S. 399, sowie Vol. 26, S. 318–332, hier S. 326; Nehru an Mountbatten, 18.9.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 221–223; Nehru an MEA, Secretary General, u. a., 18.6.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 476–480; politischer Jahresbericht indische Botschaft Peking, 5.2.1955, NAI, 2 (2)-FEA/55; Nehru auf Konferenz Colombo, 5./6. Sitzung, 30.4.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 431–433, hier S. 431. Abkommen und Briefwechsel u. a. in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 459–467; Madan, With an eye, S. 113–126. 689 Vgl. Zhou Enlai vor chinesischer Delegation, 17.2.1954, CWIHP Document Readers, The 1954 Geneva Conference; Entwurf Zhou Enlai, Preliminary opinions on the assessment of and preparation for the Geneva Conference, bestätigt ZK CPC, 2.3.1954, ebd.; Zhou Enlai vor Liuzhou-Konferenz CPC, 3.–5.7.1954, ebd.; Waite, The end, S. 61; Schöttli, Strategy, S. 300 f.

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sche internationale Geländegewinne vereiteln.690 Ob Nehrus Wahl, die indische Position in Genf hinter den Kulissen von Krishna Menon vertreten zu lassen, glücklich war, ist zweifelhaft. Krishna Menon gewann in seinen Gesprächen den Eindruck, dass sich die sowjetischen, chinesischen und vietnamesischen Delegierten ihm gegenüber »offen und freundlich« verhalten hätten und seine Vorstellungen auch auf der anderen Seite des Konferenztischs nicht ohne Eindruck geblieben wären.691 Er war aber zu dieser Zeit längst die bête noire der Amerikaner. Doch auch Molotov, der in Genf noch die sowjetische Außenpolitik vertrat, zeigte sich in Gesprächen mit der britischen Delegation wenig erfreut über die Ankunft des indischen Sondergesandten. Der ließ sich in sowjetischen Augen nur schwer auf eine genehme Position festlegen.692 Dahinter stand offenkundig die sowjetische Befürchtung, dass indische Vermittlungsaktivitäten in Genf Delhi auf Kosten Chinas Prestigegewinne verschaffen könnten. Grundsätzlich argwöhnte Molotovs MID, dass »bestimmte Kreise Indiens, indem sie sich China annähern, darauf zählen, dies für die Schwächung der sowjetisch-chinesischen Zusammenarbeit auszunutzen, was den Plänen der herrschenden englischen Kreise entspricht.«693 Der sowjetischen Außenpolitik ging es 1954 vor allem darum, in der globalen Systemkonkurrenz auf friedlichem Wege, und zwar mittels asiatischer Fragen und mit chinesischer Unterstützung, zu punkten.694 Indien kam hier gerade recht, um in der praktischen Umsetzung der komplexen Vereinbarungen US-kritischen Auslegungen Gehör und Gefolgschaft zu 690 Vgl. US-Botschafter Ceylon an State Department, 29.4.1954, CWIHP Document Readers, The 1954 Geneva Conference; Nehru vor Parlament, 24.4. und 15.5.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 397– 411, hier S. 401–403 sowie S. 439–444, hier S. 440; Nehru an Chief Ministers, 14.4.1954, ebd., S. 550–555, hier S. 553; Boquérat, India’s commitment, S. 214–220. 691 Krishna Menon an Eden, 21.6., 15. und 17.7.1954, NAK, FO 371/112081. Vgl. Arora, V. K. Krishna Menon, S. 129–136; Rede Nehru, Allahabad, 11.7.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 30–49, hier S. 42 f. 692 Vgl. britische Delegation Genf an FO, 6.5.1954, CWIHP Document Readers, The 1954 Geneva Conference; chinesischer Botschafter Moskau, Zhang Wentian, an Zhou Enlai und ZK KPCh, 6.3.1954, ebd.; Zhang Wentian an chinesische Botschaft Moskau, Kenong, 6.4.1954, ebd.; Aufzeichnung chinesisch-französisches Delegationstreffen, 5.6.1954, in: Chen/Shen (Hg.), The Geneva conference, S. 34–36, hier S. 35; Zhou Enlai an Mao, 20.7.1954, ebd., S. 78–80, hier S. 80; Entwurf Vortrag Molotov vor ZK-Plenum, 24.6.1954, RGANI, f. 2, op. 1, d. 94, ll. 2 ff. 693 Vermerk stellv. Leiter MID-Abt. SOA, Volkov, 25.5.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, l. 128–132, hier l. 132. Vgl. Solodovnik an Chruščev, 12.11.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 120, l. 136–145, hier l. 140 f.; Aufzeichnung Gespräch Molotov mit Zhang Wentian, 6.3.1954, in: Chen/Shen (Hg.), The Geneva conference, S. 13 f. 694 Vgl. Molotov vor ZK-Plenum, 24.6.1954, CWIHP Document Readers, The 1954 Geneva Conference; Gaiduk, Confronting Vietnam, S. 24, 32–51; Asselin, Choosing peace; Olsen, Soviet-Vietnam relations, S. 41–49.

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verschaffen.695 Nicht zufällig sahen weder Moskau noch Peking vor, dass sich die UN in irgendeiner Form in Indochina engagieren könnte.696 Im Ergebnis einigten sich die Konferenzdelegierten auf eine Dreier-Kommission unter indischem Vorsitz (mit Kanada und Polen), die die Realisierung der Abkommen zu überwachen und kontrollieren hatte.697 Die indische Diplomatie wertete es als ihren Erfolg, dass sich gerade die chinesische Delegation für Kompromisslösungen in Indochina stark machte. Tatsächlich besuchte Zhou Enlai noch während der Konferenz für einige Tage Delhi. Der indische Premier brachte dem Gast burmesische Sorgen um kommunistische Aktivitäten im Grenzgebiet sowie, im Analogieschluss, Ängste Laos’ und Kambodschas vor einer aggressiven nordvietnamesischen Politik nahe.698 Zhou Enlai ließ es sich daraufhin angelegen sein, öffentlich die Absicht zu bekräftigen, die ›Fünf Prinzipien‹ auf die chinesische und nordvietnamesische Politik in der gesamten Region zu übertragen.699 Diese Aussage ließ sich ohne weiteres mit Pekings vorrangigem Anliegen vereinbaren, das amerikanische Vorhaben, in Chinas Nähe neue Militärblöcke aufzubauen, zu konterkarieren.700 Für Peking waren die Genfer Vereinbarungen nur eine Zwischenetappe, waren die ›Fünf Prinzipien‹ nur vorübergehend ein Mittel, um die eigene wirtschaftliche

695 Vgl. Zhou Enlai an Mao, 9.5. und 3.6.1954, CWIHP Document Readers, The 1954 Geneva Conference; [Politbüro], Direktive für sowjetischen Botschafter Nordvietnam, 30.9.1954, in: Bucharkin, Kreml’, S. 129–131; Aufzeichnung Gespräch Zhou Enlai und Malenkov, 29.7.1954, in: Chen/Shen (Hg.), The Geneva conference, S. 102 f. 696 Vgl. Zhang Wentian an Zhou Enlai und ZK, 6.3.1954, CWIHP Document Readers, The 1954 Geneva Conference; Zhou Enlai an Mao, 5.6.1954, ebd.; Molotov auf Sitzung Konferenz 11.5.1954, in: Ženevskoe soveščanie, AVP, f. 445, op. 1, papka 1, d. 1, ohne Zählung. 697 Vgl. Zhou Enlai an Mao, 3. und 5.6.1954, in: Chen/Shen (Hg.), The Geneva conference, S. 32– 34; Protokoll Gespräch Zhou Enlai mit Molotov u. a., 17.7.1954, CWIHP Document Readers, The 1954 Geneva Conference; Noten der Konferenz-Vorsitzenden und Kommissions-Mitgliedstaaten, 21. und 22.7.1954, ebd.; Boquérat, India’s commitment, S. 222–224; Thakur, Peacekeeping, S. 50 f., 58 f.; Gaiduk, Confronting Vietnam, S. 35 f., 38 f., 47 f. 698 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 27.6.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 410; Protokolle Gespräche Nehru mit Zhou Enlai, 25. und 26.6.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 366–383 und 390–396, hier S. 371–373, 380 f., 393 f. 699 Vgl. gemeinsame indisch-chinesische Erklärung, 28.6.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 410–412; Zhou Enlai an Mao, 15.7.1954, CWIHP Document Readers, The 1954 Geneva Conference. 700 Vgl. neben Anm. 696–698 Aufzeichnung Gespräch Zhou Enlai mit Eden, 17.7.1954, CWIHP Bulletin Nr. 16, The Geneva Conference of 1954, Dok. Nr. 69; Aufzeichnung Gespräch Zhou Enlai mit Mendès France, 23.6. und 17.7.1954, ebd., Nr. 71 bzw. Chen/Shen (Hg.), The Geneva conference, S. 51–55.

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und politische Stärkung im langfristigen Kampf gegen die USA abzusichern.701 In diesem Ansatz kam Delhi lediglich ein instrumenteller Wert zugunsten des sozialistischen Lagers zu. Wie weit chinesische Interpretationen vom indischen Zugang entfernt waren, ließ sich ab September 1954 an der ersten Taiwankrise ablesen. Während Nehru auf friedliche Lösungen drängte, verstand Peking dosierte Gewalt als adäquates Mittel, in einem strategischen Teilaspekt der globalen Auseinandersetzung mit den USA eigene Ansprüche durchzusetzen. Aktuell ging es für Peking darum, neben dem Bündnis der USA mit Taiwan auch die South East Asia Treaty Organisation aufzubrechen.702 Die SEATO – wie der kurze Zeit darauf installierte Bagdad-Pakt – lief auch allen indischen Grundprinzipien der Asien- und Globalpolitik zuwider. Nehru hatte vergeblich seinen britischen Amtskollegen beschworen: »Peace and stability in South-East Asia have greater chances and hopes of fulfilment […] by our seeking peace alliances rather than military alliances«.703 Nehrus Ansicht nach forcierte Washingtons globale antikommunistische Bündnispolitik einen Kurs, der enorme Kriegsgefahren barg. Zudem atmete er weiterhin den Geist kolonialer Einmischung in die ureigensten Angelegenheiten asiatischer Länder, wodurch auch das indisch-pakistanische Verhältnis weiter belastet wurde.704 Portugiesische Verlautbarungen der Zeit, wonach Lissabons Kolonie Goa unter dem Schutz der NATO stand, dienten in dieser Sicht als weiteres Negativbeispiel 701 Vgl. Zhou Enlai, »Preliminary opinions«, bestätigt ZK 2.3.1954, in: Chen/Shen (Hg.), The Geneva conference, S. 12 f.; Sen Gupta, China’s belief system, S. 8; Zhang, Constructing »peaceful coexistence«, S. 509–521; Zhai, China, S. 51 ff.; Shao, Zhou Enlai, S. 188–228; Zhang, Economic cold war, S. 140–148; Joyaux, La Chine, S. 246–254; Dittmer, Sino-Soviet normalization, S. 123 f., 126 f. Zu dauerhaften chinesischen Bemühungen um Pakistan in diesem Kontext, v. a. ab Bandung, vgl. u. a. Kapur, The embattled triangle, S. 62. Diese Dimension vernachlässigt Tang, Beyond India. 702 Vgl. Protokolle Gespräche Nehru mit Zhou Enlai, 20. und 26.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 11– 20, hier S. 14 f. sowie S. 43–46, hier S. 46; ZK CPC an Zhou Enlai, 27.7.1954, in: Chen/Shen (Hg.), The Geneva conference, S. 83 f., hier S. 83. Krishna Menon an Eden, 21.6. und 9.9.1954, NAK, FO 371/112081 und 111886; Aufzeichnung über Gespräch Judin mit Mao am 25.5.1955, 17.6.1955, in: Wingrove, Mao’s conversations, S. 38–43, hier S. 42 f.; Chen, Mao’s China, S. 11 f.; Fravel, Strong borders, S. 233–241. 703 Nehru an Eden, 1.8.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 419–423, hier S. 421. Vgl. Nehru an Krishna Menon, 16.7.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 361 f.; Nehru an indonesischen Premier Sastroamidjojo, 17.7.1955, ebd., S. 365 f. 704 Vgl. Nehru an Sastroamidjojo, 24.9.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 429–434, hier S. 430; Nehru vor Lok Sabha, 29. und 30.9.1954, ebd., S. 318–332, hier S. 319–324 f. sowie S. 332–343, hier S. 341; US-Botschafter Delhi, Cooper, an State Department, 23. und 25.5., 1.6. und 26.8.1955, FRUS 1955–1957 VIII, S. 279–284, 286–288, 291–293; Nehru an Chief Ministers, 26.4. und 1.7.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 556–564, hier S. 559 sowie Vol. 26, S. 553–567, hier S. 564 f.; Boquérat, India’s commitment, S. 216 f.; Gopal, Nehru 2, S. 182–189.

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der US-Politik. Militärbündnisse, einmal ins Leben gerufen, breiteten sich in Nehrus Augen wie Kraken über alle Regionen und Problemlagen aus. Von der SEATO erwartete Delhi daher per se nichts Gutes.705 Je verfahrener sich die Beziehungen Delhis zu den USA darstellten, desto größer mochten Nehrus Hoffnungen sein, seine internationalen Visionen durch eine Verständigung mit Peking auf eine festere Grundlage zu stellen. Die Gespräche, die Nehru im Oktober 1954 mit der chinesischen Führung hatte, legten allerdings ungeachtet der betonten Herzlichkeit, die beide Delegationen an den Tag legten, alle Differenzen bloß, die das bilaterale Verhältnis für die kommenden Jahre mitprägen und belasten sollten. Die immanente Konkurrenz um die moralisch-politische Führung in Asien blieb bestehen. Die offene Grenzsituation mit all ihren Implikationen wurde nicht geklärt.706 In der Bewertung der internationalen Situation sowie der Möglichkeiten und Grenzen der indisch-chinesischen Koexistenz gab es im Grundsätzlichen keine Übereinstimmung. Ideologische Denkmuster spielten in der chinesischen Politik eine weitaus größere Rolle, als es sich Nehru eingestehen wollte.707 Sollte Indien in der Verbindung aus Pekings Sicht seinen Part nicht erfüllen, würde die Liaison in Feindschaft umschlagen.708 Nehrus Vorhaben, die chinesische Führung durch Entgegenkommen auf indische Interpretationen und Ziele festzulegen, scheiterte am kühlen revolutionären Kalkül Maos. Dieser deklinierte ungerührt Vorund Nachteile eines Dritten Weltkriegs durch, mit für Nehru erschreckenden Schlussfolgerungen: »Chairman’s arguments would lead to the conclusion that 705 Vgl. Nehru vor Lok Sabha, 29.9.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 318–332, hier S. 322 f.; Gopal, Nehru 2, S. 214–217; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 325–328; Barooah, Indo-British relations, S. 206–213; Smith, Conflicting, S. 23–27. Auch hinsichtlich der französisch beherrschten Gebiete in Indien, die in diesem Zeitraum von Delhi übernommen wurden, hatten sich in indischer Sicht nationale Interessen an aktuellen Bündniskonstellationen und Imperialvorhaben Westeuropas gerieben, vgl. Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 322–324; Annoussamy, The merger; Neogy, Decolonization. 706 Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Mao, 19.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 6–11, hier S. 7 f.; Protokoll Gespräche Nehru mit Zhou Enlai, 20. und 21.10.1954, ebd., S. 11–20, hier S. 17–20 sowie S. 21–31, hier S. 24 f., 28–31; Nehru an Chief Ministers, 15.11.1954, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 4, S. 69–89, hier S. 82 f.; politischer Jahresbericht indische Botschaft Peking für 1954, 5.2.1955, NAI, 2 (2)-FEA/55; Vermerk Nehru über Reise nach China, 14.11.1954, Punkte 23–25, NMML, J. N. Papers (M. O. Mathai), 35. 707 Vgl. Vermerk Nehru, 14.11.1954, Punkte 35–38, 42–46, NMML, J. N. Papers (M. O. Mathai), 35; Nehru an MEA, Foreign Secretary, 21.10.1954, NMML, Private Papers M. O. Mathai, 2 A, 35; politischer Jahresbericht indische Botschaft Peking für 1954, 5.2.1955, NAI, 2 (2)-FEA/55. 708 Vgl. Protokoll Gespräch Mao mit Nehru, 23.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 32–40; Liu Shaoqi auf Konferenz KPCh, 23.3.1955, zit. nach Solodovnik an Chruščev, 12.11.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 120, l. 136–145, hier S. 136 f.

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war though bad and therefore, should be avoided, still if it comes, should be welcomed.« Selbst der Atomkrieg schien den chinesischen Führer nicht wirklich zu schrecken. »[I]t is difficult to sink entire China into the sea and so too India, no matter how many people are killed.«709 Ungeachtet der fundamentalen Meinungsunterschiede bewahrte sich Nehru einen positiven Blick auf die indisch-chinesische Zukunft, sprachen seiner Meinung nach politische Erwägungen und vermeintliche »emotionale Bindungen« zwischen den beiden Staaten und ihren Bevölkerungen für eine enge Kooperation zum Wohle Asiens und der ganzen Welt. Versuche, derlei Optimismus auch Zhou Enlai nahezubringen, wirkten als indische Umarmungstaktik, mittels derer spürbare Differenzen geglättet werden könnten.710 Die Beziehungen zu China machten zweifellos den Schwerpunkt indischer Asienpolitik aus. Die dynamische, zunehmend komplexere Entwicklung in vielen Regionen Asiens ließ indische Spitzendiplomaten jedoch auch an frühe Versuche von 1947 zurückdenken, bei denen gesamtasiatische Positionen auf breiterer Front entwickelt und vorgebracht werden sollten. Über eine multilaterale Kooperation konnten zudem afrikanische Staaten in eine Friedenszone außerhalb des Kalten Kriegs einbezogen werden.711 Nehru selbst war sich dabei wohl bewusst, dass afrikanische und asiatische Staaten in ihren außenpolitischen Grundorientierungen differierten.712 Das einigende Band, die Abwehrhaltung gegen Kolonialherrschaft und Imperialismus, schien dem Premier zunächst zu wenig, um Verbünde außerhalb des Kalten Kriegs zu institutionalisieren. Angesichts des indonesischen Drängens auf eine hochrangige Konferenz afrikanisch-asiatischer Staaten lenkte Nehru jedoch ein, um den lockeren Zusammenhalt nicht noch weiter zu gefährden. Die Konferenz

709 Protokoll Gespräch Mao mit Nehru, 23.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 32–40, Zitate S. 37, 40. Vgl. Protokoll Gespräch Mao mit Nehru, 19.10.1954, ebd., S. 6–11, hier S. 10; Pantsov/Levine, Mao, S. 583 f. 710 Vgl. Nehru an Zhou Enlai, 29.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 51–53, Zitat S. 52 f. 711 Zur Asienkonferenz 1947 vgl. Kap. 2.2. und 3.2. Vgl. Nehru vor Parlament, 17.9.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 407–421, hier S. 411; Nehru an Spitzen MEA, 5.11.1953, SWJN 2, Vol. 24, S. 338–343, hier S. 342; Nehru vor Congress Parliamentary Party, 3.5.1955, SWJN 2, Vol. 28, S. 144–156, hier S. 156; Nehru an Chief Ministers, 1.2. und 26.4.1954, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 3, S. 487–497, hier S. 492, S. 524–538, hier S. 528 f.; Ampiah, The political and moral imperatives, S. 31 f.; Kimche, The Afro-Asian movement, S. 43–46; Abdulgani, The Bandung connection, S. 12–21; Singh, The limits, S. 171 f. 712 Vgl. Nehru an MEA, Secretary General, 28.9.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 172 f.; Nehru an Commonwealth Secretary, 6.4.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 502–504; Sinigoj, Indien, S. 93 f.

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konnte zudem ein deutliches Zeichen gegen die Blockpolitik der USA – sowie ihrer antiindischen Partner – setzen.713 Nun ging es Nehru darum, dem kommenden Treffen eine möglichst breite Teilnehmerschar zu sichern, die sich auf die indische außenpolitische Generallinie der ›Fünf Prinzipien‹ einlassen würde. »Nichteinmischung« sei das Wichtigste, drängte er indonesische Kollegen. Nehru meinte hiermit gleichermaßen Einmischungen von Kolonialmächten sowie von kommunistischen Staaten und Parteien.714 In Afrika bot sich Ägypten als potentieller Bündnispartner gegen Block- und verdeckte Kolonialpolitik aus allen Richtungen an.715 Auf lange Sicht durfte sich angesichts der nuklearen Globalbedrohung, der weltweiten Aktivitäten der Großmächte im Kalten Krieg sowie der Differenzen innerhalb der Dritten Welt das Bemühen um die Friedenszone nicht auf Asien und Afrika beschränken. In Jugoslawien fand Delhi in dieser Zeit einen Ansprechpartner, der als sozialistischer Staat außerhalb des Orbits der UdSSR trotz klarer Eigenmotive für eine engere Kooperation in Frage kam.716 Aktuell maß die indische Diplomatie allerdings der Teilnahme Chinas an der Bandung-Konferenz die größte Bedeutung bei. Sie verlieh der asiatischen Bewegung Gewicht und würde China weiter in die indische Programmatik einbinden, so die Überlegung in Delhi.717 Peking war von der Konferenzidee begeistert, passte sie doch genau in die aktuelle chinesische Linie. Die Veranstaltung werde, war Mao im Gespräch mit dem sowjetischen Botschafter überzeugt, »dem Prestige der USA unter den Völkern Asiens und Afrikas ernsthaf713 Vgl. Protokolle Gespräche Nehru mit Zhou Enlai, 25.6. und 20.10.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 366–376, v. a. S. 373–375 sowie Vol. 27, S. 11–20, hier S. 13; Nehru an Gundevia, April 1954, NMML, Y. Gundevia Papers, 324; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit pakistanischem Premier Ali Bogra, 15.5.1955, SWJN 2, Vol. 28, S. 253–257, hier S. 254 f. 714 Nehru an indonesischen Premier Sastroamidjojo, 24.9.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 429–434, hier S. 432 f. 715 Vgl. gemeinsame Erklärung Nehru/Nasser, 16.2.1955, in: Foreign policy of India, S. 157; Aufzeichnung Gespräch sowjetischer Botschafter Kairo, Solod, mit indischem Botschafter Kairo, Jung, 23.2.1955, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 1, S. 254 f.; Brittain, Envoy, S. 129 f. 716 Vgl. Nehru auf 2. Sitzung Konferenz Bogor, 29.12.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 114–118, hier S. 117; Interview Nehru für jugoslawische Presseagentur Tanjug, 29.11.1954, ebd., S. 197 f.; Nehru an Chief Ministers, 24.12.1954, ebd., S. 557–565, hier S. 558 f.; gemeinsame Erklärung Nehru/Tito, 23.12.1954, in: Foreign policy of India, S. 145–147; Rajak, No bargaining chips; Kullaa, Non-alignment; Rajak, Yugoslavia, S. 101–107; ders., Auf der Suche. 717 Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Mao, 19.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 6–11, hier S. 10; Protokolle Gespräche Nehru mit Zhou Enlai, 26.6. und 20.10.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 383– 390, hier S. 389, sowie Vol. 27, S. 11–20, hier S. 14 f., 17–19; Vermerk Nehru, 20.12.1954, ebd., S. 107–112, hier S. 109 f.; Gopal, Nehru 2, S. 232–240.

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ten Schaden zufügen« und die innen- und außenpolitische Konsolidierung der kommunistischen Herrschaft in China voranbringen.718 Auf der Bandung-Konferenz warb Nehru konsequent für seine Auffassungen bezüglich der Asien-, Global- und Friedenspolitik außerhalb der Blockkonfrontation. Aus dieser Position heraus kritisierte er einerseits die vermeintlichen Einmischungsversuche der Kominform weltweit, stemmte sich aber andererseits gegen die Übernahme der Washingtoner antisowjetischen Politik. »Are we, the countries of Asia and Africa, devoid of any positive position except being pro-communist or anti-communist? Has it come to this, that the leaders of thought who have given religions and all kinds of things to the world have to tag on to this kind of group or that and be hangers-on of this party or the other carrying out their wishes and occasionally giving an idea? It is most degrading and humiliating to any self-respecting people or nation.«719 In stürmischen Debatten über eine Verurteilung der sowjetischen Außenpolitik rettete sich die Konferenz schließlich in die Absage an den Kolonialismus »in all seinen Manifestationen«. Die Formel erlaubte antisowjetische und neutrale Auslegungen.720 Ungeachtet dieser und anderer Meinungsverschiedenheiten der Teilnehmer zeigte sich der indische Premier mit der perzipierten Rolle Indiens, der beeindruckenden Vorstellung Zhou Enlais sowie dem Abschlusskommuniqué der Konferenz weitgehend zufrieden.721 Beobachter aus Drittstaaten erkannten vor allem chinesische Prestige- und Geländegewinne.722

718 Aufzeichnung über Gespräch Judin mit Mao am 30.3.1955, 7.4.1955, in: Wingrove, Mao’s conversations, S. 33–37, hier S. 37. Vgl. Zhang, Constructing »peaceful coexistence«, S. 521–525; Shao, Zhou Enlai, S. 188–215; Chen, Bridging revolution, S. 148–157. Im Übrigen trug der Terroranschlag auf das indische Flugzeug Princess of Kashmir, das ursprünglich für die chinesische Delegation bereitgestellt war, zu einer besonderen Aufmerksamkeit der indischen für die chinesische Delegation bei. 719 Nehru auf geschlossener Sitzung Bandung, 22.4.1955, SWJN 2, Vol. 28, S. 106–113, hier S. 109. 720 Abdulgani, The Bandung connection, S. 119 f. Vgl. Prashad, The darker nations, S. 41–50 sowie die folgende Anm. 721 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 28.4.1955, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 4, S. 159– 171, hier S. 165 f.; Nehru an Lady Mountbatten, 30.4.1955, SWJN 2, Vol. 28, S. 141–144; Aufzeichnung Gespräch K. P. S. Menon mit N. Michajlov, 30.4.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 14, d. 6, ll. 12 f.; Abraham, From Bandung, S. 203–208; Singh, From Delhi, S. 59–64; Kimche, The Afro-Asian movement, S. 68–74; Abdulgani, The Bandung connection, S. 29–31, 74 f., 101 f., 117–120, 137–142; Ampiah, The political and moral imperatives, S. 40 ff. Die aus den ›Fünf Prinzipien‹ entwickelten 10 Punkte im Abschlusskommuniqué der Konferenz, 24.4.1955, in: Foreign policy of India, S. 181, hier S. 180 f. 722 Vgl. Protokoll Kabinett, Bericht Dulles über Bandung, 29.4.1955, RSC, Eisenhower Cabinet Meetings, Reel 3; Gopal, Nehru 2, S. 242 f.

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Zu dieser Gruppe zählte – neben der pakistanischen – auch die sowjetische Führung.723 Diese hatte China bereits 1954 in den Wirtschafts- und diplomatischen Beziehungen signalisiert, dass der Kreml nach Stalin in seiner Politik auf ein gleichberechtigteres Zusammenwirken setzte. Chinesische diplomatische und wirtschaftspolitische Erfolge wertete Moskau nun ungezwungener als Plus für das gesamte sozialistische Lager.724 Mit Blick auf das eigene Engagement in Asien hatte Molotov im Januar 1955 für die zentralasiatischen und kaukasischen Republiken ein besonderes Interesse an Bandung angemeldet, ohne Erfolg: Sie seien, begründete unter anderem Delhi die Ablehnung, »in einem gewissen Sinne an eine europäische Macht angefügt«.725 Der Moskauer Versuchsballon hinsichtlich der Bandung-Konferenz und freundliche Grußbotschaften an die Versammlung unterstrichen erneut, dass der Kreml in seinen internationalen Beziehungen aktiver auf tatsächliche oder behauptete Gemeinsamkeiten mit US-kritischen Staaten abheben wollte. Damit setzte die sowjetische Führung mit Blick auf Indien ihrerseits auf eine Umarmungstaktik. Die sowjetische Presse hob bereits im Sommer 1954 hervor, wie ähnlich sich indische und sowjetische Asien- und Koexistenzpolitik seien, und übertrieb damit deutlich. Die sowjetische Diplomatie sprach sich für eine indische Teilnahme an Abrüstungsgremien der UN aus. Die fällige Verlängerung der Handelsabsprachen ging Ende 1954 ohne Probleme vor sich. Offizielle sowjetische Slogans zum Jahrestag der Oktoberrevolution 1954 bedachten erstmals Indien mit lobenden Worten. Auf den Festbanketten feierte Molotov das Band zwischen der UdSSR und den nicht-paktgebundenen Staaten Asiens.726 Der redigierte Eintrag der Bol’šaja Sovetskaja Ėnciklopedija über Nehru Ende 1954 stellte dessen Verfolgung durch die britische Regierung in den Vordergrund, während frühere Vermerke über seine angeblich feindliche Haltung gegenüber der UdSSR entfielen.727

723 Vgl. Beschlüsse ZK-Präsidium, 19. und 23.5.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 48 ff., 79 ff.; Vermerk Volkov, 25.5.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 128–132, hier ll. 130, 132; Plyševskij, Konferencija; Burke/Ziring, Pakistan’s foreign policy, S. 180. 724 Vgl. Chen, Mao’s China, S. 61–63; Fedotov, Polveka, S. 54–58; Zhang, Economic cold war, S. 161–165. 725 Nehru an indonesischen Premier Sastroamidjojo, 24.9.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 429–434, hier S. 429. 726 Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für die Zeit vom 21.9.–31.10.1954, NAI, 60–R & I/54; Briefwechsel Men’šikov mit Handels- und Industrieministerium, Iyengar, 23.12.1954, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 84 f.; Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 211 f. 727 Vgl. britische Botschaft Moskau an FO, Northern Department, 14.2.1955, NAK, FO 371/116667.

Politik: Diplomatie und Parteibeziehunge

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Bilateral wurde der Kreml ebenfalls aktiv. Der Heimaturlaub von Botschafter Men’šikov 1954 war anscheinend genutzt worden, um auf dieser Schiene diplomatische Initiativen vorzubereiten. Men’šikov schlug Nehru Ende August vor, angesichts erweiterter Kontakte in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft zu einer vertraglichen Ausgestaltung zu finden. »In this treaty those five principles could be mentioned as the basis of our relationship.«728 Daneben regte Moskau in vorsichtiger Distanz zu China an, die akute Taiwankrise durch eine Konferenz der Großmächte und der fünf Colombo-Staaten zu lösen. Auf diese Weise, so nahm der Kreml Versatzstücke indischer Grundhaltungen auf, könnten asiatische Probleme mit erheblicher Mitsprache asiatischer Staaten entschieden werden.729 Die Details der Moskauer Entscheidungsprozesse, die zu diesen Angeboten und Deklarationen führten, liegen aufgrund des unbefriedigenden Aktenzugangs weitgehend im Dunkeln. Die Aktivitäten entsprachen ganz der anstehenden globalen Neuaufstellung sowjetischer internationaler Beziehungen.730 Die Vorstöße führten die sowjetischen Ansätze der Vormonate mit neuer Konsequenz fort. Sie konnten im Kreml offensichtlich sowohl von Reformwilligen als auch von Traditionalisten mitgetragen werden. Reichweite und Tiefgang der internationalen Rejustierungen nach 1953 und damit der sowjetischen Öffnung gegenüber der Nehru-Regierung waren in der sowjetischen Führungsspitze jedoch erst noch abschließend zu bestimmen.731 Sowjetische Delegierte, die kurz vor Bandung Anfang April 1955 in Delhi an einer nichtstaatlichen Asienkonferenz teilnahmen, vertraten beispielsweise sehr viel offensivere Positionen, was den Schutz Asiens und nationaler Unabhängigkeiten vor imperialistischen Dunkelmännern anbelangte.732 Die indische Regierung mit Nehru an der Spitze stellte mit ihren verhaltenen Reaktionen auf die sowjetischen Vorschläge klar, dass sie keine Absicht hatte, 728 Nehru an K. P. S. Menon, 8. und 30.8.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 516 f., 520 f., Zitat S. 516 f. Vgl. Gopal, Nehru 2, S. 226 f. 729 Vgl. Aufzeichnung Gespräche Molotov mit indischem Geschäftsträger Kaul, 4., 7., 14., 21. und 28.2.1955, AVP, f. 6, op. 14a, papka 45, d. 198, ll. 5–8, 11–34; Aufzeichnung Gespräch Molotov mit K. P. S. Menon, 25.3.1955, ebd. ll. 35 ff.; Protokoll Gespräch Bulganin mit K. P. S. Menon, 8.4.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 116, ll. 38 ff.; Men’šikov, S vintovkoj, S. 181–186. 730 Vgl. Deklaration Oberster Sowjet, 9.2.1955, in: Pravda, 10.2.1955, S. 1; Zubok, A failed empire, S. 102 f.; Edemskij, Ot konflikta, S. 352–530; Hopf, Reconstructing, S. 198–253. 731 Vgl. Kap. 4.3.1. 732 Vgl. u. a. Swjagin, Die Konferenz; Resolutionen in: Neue Zeit (1955), Nr. 16, S. 3–6; Pravda, 7.4.1955, S. 2, Za mir i solidarnost’ v Azii; Pravda, 9.4.1955, S. 4, Protiv vmešatel’stvo imperialistov vo vnutrennie dela stran Azii; Pravda, 13.4.1955, S. 1, Narody Azii trebujut mira; Sofronov, Mogučij golos; Schlaga, Die Kommunisten, S. 162 f.; Kimche, The Afro-Asian movement, S. 126 f.; Sinigoj, Indien, S. 98 f.

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ihren wahrgenommenen internationalen Handlungsspielraum aufzugeben. Dem widersprach nicht, dass Nehru die Einladung zu einem offiziellen Besuch in der UdSSR trotz einiger kritischer Gegenstimmen gerne annahm, im Gegenteil: »I am anxious to develop our relations, culturally, scientifically, industrially, etc.«733 Delhi verlor in seinen Beziehungen zu den sozialistischen Großmächten und insbesondere zur UdSSR die eigenen Kommunisten, die CPI, nie aus dem Blick. Von der Verbesserung des Verhältnisses zu Moskau erwartete sich Delhi mäßigende Einflüsse auf die kommunistische Opposition. Das Kabinett wurde in dieser Hoffnung durch Berichte linksorientierter Reisender bestärkt.734 Innere Debatten der CPI trugen dazu bei, dass die Partei ihren Schrecken für die Nehru-Regierung weiter verlor.735 Die Fraktionskämpfe waren mit dem Parteitag Ende 1953 keineswegs beendet worden. Im unmittelbaren Umfeld des Besuchs von Zhou Enlai wurden im Politbüro der CPI Stimmen laut, die sich für eine breitere Zusammenarbeit mit der Kongress-Regierung stark machten. Sie scheiterten an einer linken Mehrheit. Angesichts der Konflikte ist es wahrscheinlich, dass Ghosh im Sommer 1954 seine Kur in Moskau erneut zu politischen Beratungen nutzen wollte. In den zugänglichen Akten finden sich allerdings keine relevanten Informationen über seinen Aufenthalt. Das Moskau-­ hörige CPGB-Mitglied R. Palme Dutt publizierte im Kominform-Organ jedoch Interpretationen der internationalen Situation, die mit der Lesart des rechten CPI-Flügels kompatibel waren.736 Generalsekretär Ghosh übte zum Wohl der Geschlossenheit der Partei weiterhin den Spagat zwischen linken und rechten Flügeln. Die CPI, schrieb er Anfang Dezember 1954 im Parteiblatt New Age, lasse sich in ihrer Politik ausschließlich von den Interessen der Massen leiten. Sie gehöre daher zu den »Unterstützern der aktuellen Veränderung in Nehrus Außenpolitik« und zugleich zu den »entschiedenen Gegnern seiner Regierung 733 Nehru an K. P. S. Menon, 30.8.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 520 f., Zitat S. 521. Nehru gab die sowjetische Einladung im November 1954 bekannt, am 4.12.1954 übermittelte Botschafter Menon in Moskau die grundsätzliche Annahme. Die offizielle Note des MEA folgte erst am 12.3.1955, am 28.3.1955 die öffentliche Ankündigung in Indien, vgl. Aufzeichnungen MID, o. D., AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 14, l. 6 sowie ebd., d. 19, l. 1; indische Botschaft Moskau an MID, 21.2.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 14, d. 3, l. 107; MID an indische Botschaft Moskau, März 1955, ebd., papka 50, d. 14, l. 45. 734 Vgl. Nehru an Commonwealth Secretary, 7.11.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 71 f.; Nehru an Katju, 15.4. und 28.8.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 258 f. sowie Vol. 26, S. 517–520. 735 Vgl. Nehru auf Botschafter-Konferenz, 28.–30.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 242–257, hier S. 257; Nehru an Innenministerium, 1.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 147 f., hier S. 148. 736 Vgl. Overstreet/Windmiller, Communism, S. 314–316; »Andhra Thesis« sowie Ramamurthy an N. M. Jaisoorya u. a., 1953, in: Karnik (Hg.), Indian Communist Party Documents, S. 86– 92, 179–194.

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im Allgemeinen«. Dies sei keine paradoxe Politik, schrieb Ghosh die Widersprüche schön, sondern die einzig wahre »konsistente Linie der Stärkung der Kräfte des Friedens, der Freiheit und der Demokratie sowohl im In- als auch im Ausland.«737 Die krachende Wahlniederlage der CPI in Andhra – gemessen an Sitzen, nicht an den Stimmanteilen – und die betonte Freundlichkeit Moskaus gegenüber der Nehru-Regierung ließen die internen Debatten ab März 1955 wieder aufflammen.738 Eine ZK-Resolution von Juni 1955 versuchte erfolglos, die Gräben zu schließen.739 Von der KPdSU durfte sich die CPI zur Zeit der indisch-­ sowjetischen Staatsbesuche keine konkrete Wegweisung erwarten. Die Moskauer Genossen kommentierten kühl Ghoshs »etwas panische« Reaktionen auf die Wahlen. Nicht die CPI habe eine Niederlage erlitten, hieß es im ZK-Apparat, »sondern die Illusionen einiger Genossen aus der Führung« hinsichtlich parlamentarischer Möglichkeiten im Allgemeinen sowie der Chancen in Andhra im Besonderen. Im Ganzen sei die Situation in der Partei gar »nicht so schlecht, wie sie Ghosh schildert«.740 Den Moskauer Funktionären war es vorläufig genug, wenn sich die CPI (endlich) stabilisieren und zu einem beachtenswerten Faktor in der indischen Landschaft mausern würde, der andere linke Kräfte in Indien an sich binden könnte. Auf diese Weise würde die kommunistische Bewegung in Indien im Vollzug historischer Gesetzmäßigkeiten die Macht im Land übernehmen. In der Zwischenzeit sicherten die Kooperationen auf Regierungsebene notwendige Rahmenbedingungen weltweit ab. Zugleich verliehen sie sozialistischen Entwicklungen auf bilateraler und globaler Ebene zusätzlichen Schwung – dies war, zugespitzt, Anfang 1955 der Stand der sowjetischen internationalen 737 Ghosh, Communist Answer to Pandit Nehru, New Age, 5.12.1954, abgedr. in: Sen (Hg.), Documents of the history VIII, S. 377–393, hier S. 389–391. Vgl. Ghosh, Nehru’s socialism – a hoax (New Age, 2.1.1955), ebd., S. 398–415; Draft Resolution für ZK-Sitzung Oktober 1954, in: Karnik (Hg.), Indian Communist Party documents, S. 208–214; Donaldson, Soviet policy, S. 112 f. 738 Der INC gewann mit 49,5 % der Stimmen 146 von 196 Sitzen, die CPI mit 31,2 % nur 15, vgl. SWJN 2, Vol. 28, S. 508, Anm. 3. Positiv gefärbte Artikel der Pravda dürfen in ihrer Wirkung auf den Wahlausgang nicht überschätzt werden, vgl. Pravda, 26.1.1955, S. 3; CIA, ›Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, ESAU XVI-62, 7.2.1962, S. 25, https://www. cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 11.4.2018); Overstreet/Windmiller, Communism, S. 318. 739 Vgl. Resolution ZK-Sitzung, 14.–26.6.1955, in: Basu (Hg.), Documents of the Communist movement VII, S. 448–472, hier v. a. S. 452 und 456; Chandra, A strategy, S. 286 ff. 740 Ausarbeitung ZK-Abt. für Internationale Verbindungen über die Situation der KPI, [Sommer 1955] RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 218 ff., hier ll. 249–251. Vgl. Solodovnik an K. Novikov, 31.5.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 15, ll. 99 ff.; Gupta, Communism (1972), S. 14 f., 81 f.; Zagoria, The social bases, S. 120–122.

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Konzeption. Damit hatte Moskau unflexible Taktiken der Vorjahre aufgegeben. Mit Blick auf Indien wurde dieser Entwurf in den Kernbereichen der Beziehungen ab 1955 einem Realitätstest unterworfen, in dem indische Ambitionen und Vorhaben bedeutende Rollen spielten. Es war keineswegs sicher, dass die neue sowjetische Grundlinie mit ihrer recht durchsichtigen, selbstbezogenen und trotz allem wenig ausdifferenzierten Herangehensweise die dynamischen und komplexen Herausforderungen der internationalen Beziehungen zu Indien würde meistern können.

3.4. Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte Wirtschaftliche Beziehungen zu Delhi wurden im sowjetischen Gesamtprogramm nicht nur als ein Aspekt der sowjetischen und gesamtimperialen Wirtschaftsentwicklung gesehen. Sie waren darüber hinaus integraler Bestandteil der Bemühungen, in Indien sozialistische Kräfte zu stärken und damit zugleich im Kalten Krieg gegen den ›Westen‹ zu positionieren. Für die indische Regierung sollten die Wirtschaftskontakte dagegen grundsätzlich der eigenen Entwicklungspolitik dienen und in diesem Zusammenhang die internationale politische Unabhängigkeit abstützen.741 Beide potentielle Wirtschaftspartner standen vor der Herausforderung, das jeweilige nationale bzw. imperiale Programm und die damit in Verbindung stehenden politischen Aktivitäten mit Antworten auf akute wirtschaftliche Zwänge sowie mit mittel- und langfristig wünschenswerten ökonomischen Entwicklungen in Einklang zu bringen. Zu Beginn waren, ganz unabhängig von den fragilen politischen Verbindungen, weder die tatsächlichen Möglichkeiten der UdSSR noch die wirtschaftliche Notlage in Indien dazu angetan, weitreichende Strategien in Angriff zu nehmen. Der indische Staat durchlebte 1947 eine eigene Stunde Null. Wirtschaftliche Prosperität war dringend geboten, zumal sie den freien Nationalstaat mit legitimieren sollte. Für die Herkulesaufgabe, die Versorgung der stetig wachsenden 741 Vgl. Barber/Harrison, The Soviet home front; Hanson, The rise; Zima, Golod; Hessler, Postwar normalization; Gregory, The political economy; Nove, An economic history; Chanin, Ėkonomičeskaja istorija 1; Frankel, India’s political economy; Lanier, Die Entwicklungspolitik; Goldsmith, The financial development; Lewis, India’s political economy; Thakur, The politics; Maljarov, Nezavisimaja Indija 1–2; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung; Rothermund, Indiens; Singh, India’s development experience; Unger, Entwicklungspfade; Guha, India; Zachariah, Developing India. Zu Grundzügen der Wirtschaftsbeziehungen vgl. Berliner, Soviet economic aid; Stanislaus, Soviet economic aid; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik; Mehrotra, India; Boquérat, No strings; Hilger, Revolutionsideologie.

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Bevölkerung sicherzustellen sowie möglichst zügig eine erfolgreiche wirtschaftliche Gesamtentwicklung anzustoßen, standen nur rudimentäre Mittel zur Verfügung. Aktuelle Verwerfungen der Weltwirtschaft bzw. Erschütterungen der Zahlungs- und Handelsmöglichkeiten Indiens verschärften immer wieder die strukturellen Probleme. Sie drückten sich am dringlichsten in Lebensmittelknappheiten und Massenarbeitslosigkeit aus. In der Politik sowie der interessierten (Wirtschafts-)Öffentlichkeit waren weder langfristige Ziele noch grundsätzliche Instrumente indischer Wirtschaftspolitik unumstritten. Vertreter unterschiedlicher Wege nahmen für sich in Anspruch, nicht nur die beste Zukunft anzustreben, sondern auch effizientere, erfolgreichere Methoden nutzen zu können. Das galt für Befürworter kommunistischer Ordnungs- und Gesellschaftsvorstellungen ebenso wie für Visionäre eines schrankenlosen Kapitalismus. Alle Protagonisten verwiesen auf ausländische Modelle und angebliche internationale Kooperationsmöglichkeiten, die ihre Entwürfe zusätzlich rechtfertigen und deren Erfolgsaussichten steigern sollten. Auf diese Weise verbanden sich Definitionen vorrangiger wirtschaftlicher Kernziele und wirtschaftspolitischer Methoden mit Fragen außenwirtschaftlicher Orientierungen, die untrennbar mit der internationalen Positionierung Indiens verbunden blieben. In der Praxis gingen konkrete Einzelmaßnahmen indischer Wirtschaftspolitik oftmals als Kompromisslösung aus langwierigen Diskussionen hervor und wiesen damit Inkonsistenzen auf. Nehru setzte auf eine selbstbestimmte Entwicklungspolitik, die unter möglichst weiter Nutzung eigener Ressourcen über zügig gesteigerte industrielle und landwirtschaftliche Produktionsleistungen eine ständig ausgeweitete Grundversorgung, Beschäftigung, Wohlfahrt und Chancengleichheit ermöglichen sollte. Die wirtschaftliche Entwicklung hatte mit einer sukzessiven sozialen Wandlung überkommener kolonialer Gesellschaftsstrukturen Hand in Hand zu gehen, um deren scharfe Gegensätze und harsche Ungleichheiten zu beenden. Ambitionierte Entwicklungsprojekte förderten diesen als ›Modernisierung‹ verstandenen Gesamtprozess und verliehen ihm Gestalt. Bei aller sozialistischen Rhetorik verzichtete Nehrus Regierung weitgehend auf radikale Einschnitte in existierende wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen. Sie setzte beispielsweise im wesentlichen Sektor der Landwirtschaftspolitik mit dem Community Development Programme (und seinen Nachfolgern ab den späten 1950er-Jahren) auf langfristige Veränderungen und auf bäuerliche Kooperation und nicht etwa auf einschneidende Bodenreformen. In der Industrie hatte der public sector immer mit der Privatwirtschaft zu konkurrieren. Der erste indische Fünfjahresplan 1951 bis 1955 bündelte vor allem (überkommene) Projekte und führte sie mit einigem Erfolg zu Ende. Die Ausarbei-

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tung des zweiten Plans, der die Jahre 1956 bis 1960 abdeckte, nahm ab 1954 feste Formen an. Hier war die Handschrift Nehrus und eines gleich gesinnten Beraterkreises weitaus deutlicher zu erkennen. Im Gesamtkonzept von wirtschaftlicher Selbständigkeit, Import-Substitution, Export-Pessismus und intensivem Kapitaleinsatz sollten öffentliche (schwer-)industrielle Unternehmen besonders gefördert werden. Das nun als Endziel der Nehru’schen Wirtschaftspolitik postulierte socialistic pattern (1955) – mitunter zurückhaltender beschrieben als socialised economy – bedeutete aber nie, dass man es der UdSSR gleichtun wollte. Die Regierung Nehru setzte weiterhin auf eine Kombination von Einzelinstrumenten aus Plan-, Staats- und Privatwirtschaft, um die skizzierten, im Grunde sozialdemokratischen Ziele zu erreichen.742 Allerdings entwickelte die Führung trotz anhaltender Widerstände bis in das Kabinett hinein mit den Jahren eine größere politische Bereitschaft, die Wirtschaftsbeziehungen zum Wohle des Nationalprogramms auch zur UdSSR zu intensivieren. Diese partielle Offenheit stieß auf eine UdSSR, die die katastrophalen wirtschaftlichen Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs bis Ende der 1940er-Jahre weitgehend aufgefangen hatte. Stalin zielte darauf ab, den eigenen Herrschaftsbereich innerhalb kürzester Zeit in die Lage zu versetzen, im globalen Systemkampf gegen Kapitalismus und Imperialismus Angriffe aller Art bestehen und offensive Chancen wahrnehmen zu können, um auf längere Sicht den für unvermeidlich gehaltenen gewaltsamen Konflikt siegreich zu führen. Die Prämissen von autarker Abwehrbereitschaft und Expansionsfähigkeit unter Bewahrung der sowjetischen Vorrangstellung im sozialistischen Lager übersetzten sich in eine kompromisslose Konzentration aller Ressourcen auf Kernsektoren der sowjetischen Schwer- und Rüstungsindustrie. Die Außenwirtschaftsbeziehungen der UdSSR fügten sich in diese Generallinie ein. Stärkung und Ausbau des Imperiums sowie die Zersetzung des gegnerischen Lagers waren auch mit wirtschaftlichen Mitteln anzugehen: Zunächst mit der Nutzung der Wirtschaften des imperialen Raums, die durch eine gewisse integrative Verdichtung erleichtert wurde, dann, indem Moskau über seine Wirtschaftsbeziehungen auf innere Entwicklungen kapitalistisch verfasster Länder wie Indien Einfluss nahm. Dieser Zugang gewann, parallel zur Ausdifferenzierung der politischen Ansätze, ab Anfang der 1950er-Jahre an Bedeutung. Damit einhergehend fächerte sich bis Mitte der 1950er-Jahre das Arsenal der Wirtschaftsbeziehungen auf. Neben 742 Begriff u. a. in Beitrag Nehrus auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 2. Sitzung, 11.10.1948, NAK, CAB 133/88; Nehru an Chief Ministers, 2.3.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 341–353.

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Instrumente der Handelspolitik traten erste technische, Wirtschafts-, Ausbildungs- und Finanzhilfen. Angesichts der miteinander verwobenen Zielsetzungen von Außenwirtschafts- und Außenpolitik lag es nahe, dass Moskau im Bereich der Wirtschaftsbeziehungen bilaterale Kontakte bevorzugte. Auf diesem Zugang lag in der gesamten Periode der Fokus der Wirtschaftsbeziehungen. Multilateralen Gemeinschaftsunternehmen, die im Rahmen der ohnehin ungeliebten UN oder anderer, noch viel eindeutiger von kapitalistischen Staaten, Prozeduren und Entwicklungsprogrammatiken dominierten Institutionen wie Weltbank und IMF, abgewickelt wurden, stand die UdSSR weitgehend negativ gegenüber. Der spät- und poststalinistische begrenzte Wille zu derlei Kooperationen entsprang einerseits der Überlegung, dass sich multilaterale Projekte nur durch Teilhabe anstatt durch die lange geübte Abstinenz ansatzweise mitsteuern und -kontrollieren ließen, anderseits der Hoffnung, dass Moskau den in diesen Foren gezeigten internationalen goodwill gegenüber Indien auf Dauer doch wieder für die bilateralen Beziehungen nutzen könnte. 3.4.1. 1947 bis 1951/52: Autarkie und Überlebenskampf Die UdSSR und das neue Indien konnten 1947 im Bereich der Außenwirtschaft ebenfalls nicht auf einer Tradition bilateraler Beziehungen aufbauen. Die sowjetische Handelsvertretung in Calcutta betreute während des Kriegs vor allem Transitlieferungen durch Indien und wickelte vereinzelt Käufe von Tee, Hülsenfrüchten, Zucker oder Butter ab. In den Akten nach 1945 hinterließ sie keine Spuren gesteigerter Aktivität.743 1947 kam es zu keinem schwungvollen Neustart. Das junge Indien lehnte etwa den Einsatz sowjetischer Experten ab, während Moskau indische Anfragen zu wirtschafts- und entwicklungspolitischen Details äußerst dilatorisch behandelte.744 Dahinter standen wirtschaftspolitische Unvereinbarkeiten. Es fehlte schon auf der konzeptionellen Ebene an ausreichenden Gemeinsamkeiten. Die Windungen der innerindischen Diskussion um die Rolle der Privatwirtschaft, internationale Partner und entwicklungspolitische Schwerpunktset-

743 Vgl. MEA an sowjetische Botschaft Delhi, o. D. [1947/48], AVP, f. 172, op. 1, papka 1, d. 1, l. 19; Vermerke GoI zu Visumangelegenheiten, März bis September 1947, BLIOR, L/PS/12/4044. 744 Vgl. MEA an sowjetische Botschaft Delhi, 29.3. und 8.12.1950, AVP, f. 172, op. 3, papka 3, d. 2, ll. 37, 120, sowie d. 8, l. 62; MEA an sowjetische Botschaft Delhi, 2.12.1949, und Antwort am 19.4.1950, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 1, l. 66 sowie ebd., op. 3, papka 3, d. 1, l. 28.

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zungen müssen hier nicht referiert werden.745 Für die unmittelbaren Beziehungen war es von Bedeutung, dass die Regierung Nehru unter den Schlagworten Modernisierung, technologischer Fortschritt, Industrialisierung und – mit der als Instrument breit akzeptierten – Planung eine Wirtschaftspolitik betrieb, die, indem sie das eigene Nationalprojekt förderte, als »sicherste Verteidigung gegen die Ausbreitung des Kommunismus« dienen sollte.746 Am sowjetischen Modell beeindruckte die wissenschaftlich untermauerte Wirtschaftsplanung, mit der sich anscheinend auch weite Teile der Bevölkerung für entwicklungspolitische Anstrengungen mobilisieren ließen.747 Indische Beobachter sahen vor allem auf messbare Entwicklungssprünge der zentralasiatischen Republiken. Insgesamt zeigten sie sich jedoch ob der realen Situation im Sozialismus im Allgemeinen eher ernüchtert. »[I]t is no longer a secret that Soviet agriculture is still backward, if not primitive«.748 »[O]n the whole, the best dressed man in Moscow is by far the one in the army uniform and the best dressed woman, his wife or daughter – or often a maid in a foreign embassy.«749 Die Anziehungskraft sowjetischer Wirtschaftspolitik erwies sich daher als sehr begrenzt, trotz indischer Aversionen gegen den US-amerikanischen Gegenentwurf. Ohnehin erwartete sich die Regierung in Delhi, die ungeachtet aller Beschwörungen eigener Ressourcen und wirtschaftlicher Selbständigkeitsbestrebungen nicht auf ausländische Zuschüsse, Wissensbestände sowie technische und wirtschaftliche Hilfestellungen verzichten wollte und konnte, insbesondere von gewachsenen Bindungen in die kapitalistische Weltwirtschaft hinein substantielle Unterstützung. Hierfür wurden zunächst die im Krieg angehäufte britische Sterling-Verschuldung und die gewachsenen Handelspotentiale mit dem Commonwealth genutzt, aber auch amerikanische Fühler.750 Die indische Politik ließ es sich angelegen sein, möglichst weite Handlungsspielräume zu bewahren und sich etwa gegen perzipierte amerikanische Instrumentalisierungen von 745 Vgl. Anm. 741. 746 Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 12. Sitzung, 20.10.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 283 f. Vgl. Nehru an Chief Ministers, 15.11.1947, 20.2.1948, 7.1., 1.4., 4.6., 1.7. und 15.8.1949, 2.2. und 1.10.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 13–19, 65–72, 258 f., 307–320, 368–372, 387–399, 430–447 sowie Vol. 2, S. 10 ff., 208–221. 747 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 15.8.1949, SWJN 2, Vol. 12, S. 314–323, hier S. 323; Nehru an Finanzminister Mathai, 14.9.1949, SWJN 2, Vol. 13, S. 29–33, hier S. 29 f. 748 Halbmonatsbericht indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 31.7.1950, NAI, 88–R&I. 749 Politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1951, Februar 1952, NAI, 3 (30) R & I/52. 750 Im August 1946 schuldete das Empire Delhi 1,160 Mio. Pfund, im Juli 1948 noch 960 Mio., vgl. Singh, The limits, S. 38 f.; Johri, India 1, S. 382–385.

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Handel und Hilfe zu wappnen. Aus diesen Überlegungen rührte das besondere indische Interesse an multilateralen Wirtschaftsverbindungen, wie sie unter dem Dach der UN und ähnlicher Organisationen möglich schienen. Das indische nationale Prestige, dies war Konsens aller wirtschaftspolitischen Denkschulen im Land, durfte von asymmetrischen Wirtschaftsbeziehungen nicht beeinträchtigt werden.751 Dies war eine Position, die der sowjetischen Führung zwar entgegenkam, aber eindeutig nicht weit genug ging. Vor ihren Augen fanden bis Ende der 1940er-Jahre indische Wege in der Wirtschaftspolitik, die das sowjetische Vorbild nicht in toto nachahmen wollten, keine Gnade. Unabhängig von der ideologisch-politischen Unbeweglichkeit hätte es indes auch die sowjetische Wirtschaftssituation kaum zugelassen, sich der indischen Außenwirtschaft als alternativer Partner anzudienen. Die UdSSR verfügte Ende der 1940er-Jahre nicht über die breite Palette von Kapital- oder Konsumgütern, die aktuellen Schwerpunkten des indischen Bedarfs entsprach.752 Unmittelbare politische Perspektiven, die außerplanmäßige Anstrengungen gerechtfertigt hätten, sah die Moskauer Führung in Indien nicht gegeben. Ideen von einer moralischen Verpflichtung der neuen Großmacht Sowjetunion zur Wirtschaftshilfe an bedürftige neue Staaten konnten die hartgesottenen Politiker im Kreml wenig abge-

751 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Bajpai mit Director Office Near Eastern and African Affairs, Henderson, 2.4.1948, FRUS 1948 V, S. 501–506, hier S. 504 f.; Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 2. Sitzung, 11.10.1948, NAK, CAB 133/88; Nehru an Finanzminister Mathai, 14.9.1949, SWJN 2, Vol. 13, S. 29–33; Gaglione, The United Nations, S. 94 f.; Dash, World Bank; Pal, World Bank, S. 198–248; Glietsch, Der Einfluss, S. 17–26, 33–46; Ram, Superpowers, S. 98–100. Im September 1948 sondierte Indien Möglichkeiten der Weltbank, die bis 1952 drei Anleihen gewährte, vgl. Statement Präsident Weltbank, McCloy, 9.5.1949, in: Das (Hg.), Sardar Patel’s correspondence 8, S. 75–79; indisches FM an Weltbank, Black, 20.7.1949, WBA, ADMCF, 91000/018/IN, Central Files 1946–1971, Operational Correspondence India, Box No. 181718B; Vermerk Weltbank zu Gespräch mit B. K. Nehru, 12.10.1949, ebd.; Office Memorandum, 24.7.1951, ebd., Box No. 181721B; Präsident Weltbank, Black, an Executive Directors, 5.8.1952, WBA, ADMCF, 91000/018/IN, Central Files 1946–1971, Operational Correspondence India, Box No. 181721B. Zu Commonwealth und Colombo-Plan vgl. Singh, The limits, S. 196 f. sowie Oakman, Facing Asia, Gesamtbewertung und Volumen ebd., S. 67, 82; zu indischen Handelsabkommen mit europäischen und asiatischen Staaten 1950/1951 vgl. AVP, f. 172, op. 3, papka 3, d. 2, ebd., op. 4, papka 4, d. 2, ll. 75, 113, 127, 222 f. 752 Vgl. Protokoll Gespräch Stalin mit Radhakrishnan, 15.1.1950, wie Anm. 419; Selby an CRO, Harrison, 25.5.1948, BLIOR, L/PS/12/4047; Molotov an Berija u. a., 31.5.1948, AVP, f. 7, op. 21– k, papka 54, d. 4, ll. 1 f.

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winnen. Geschäfte mit Indien, die politisch nicht schaden konnten, mussten für Moskau auch materiellen Profit abwerfen.753 Somit trafen indische Wirtschaftspolitiker, die 1948 nicht nur dringend notwendige Lebensmittel einkaufen, sondern über einen erweiterten Warenaustausch die Gesamtbeziehungen zur UdSSR neu beleben und den indischen internationalen Gestaltungsrahmen erweitern wollten, auf wenig Entgegenkommen.754 Die sowjetische Seite strebte danach, gegen Getreide die Defizitwaren Tee, Schellack und Baumwolle sowie dringend benötigte Devisen zu erlangen. Die indischen Verhandlungsführer sahen sich nicht nur mit überzogenen Preisvorstellungen konfrontiert, sondern mussten erkennen, dass die indische Wirtschaft die sowjetische Wunschliste einfach nicht erfüllen konnte.755 Sowjetische Wirtschaftsdiplomaten, ganz in ihrer Welt befangen, vermuteten hinter den zähen Verhandlungen wiederum Einflüsse dunkler politischer Kräfte inner- und außerhalb Indiens, die die beiden Staaten voneinander fernhalten wollten.756 Letztlich kam es 1948 zum Austausch von sowjetischem Weizen gegen indischen Tee. Am 31. März 1949 schlossen das indische Ernährungsministerium und die sowjetische Exportgesellschaft Ėksportchleb weitere selektive Tauschabkommen ab.757 Erneut hatte die UdSSR für ihr Getreide Preise verlangt, 753 Vgl. für die Gegenbeispiele Jugoslawien und Afghanistan Beschluss Politbüro, 31.5.1946, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 38; Mikojan an Politbüro, 20.9.1949, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 51, ll. 194 f.; Selby an CRO, Harrison, 25.5.1948, BLIOR, L/PS/12/4047. 754 Vgl. Aufzeichnung Gespräche V. L. Pandit mit Vyšinskij, 22.3.1948, und Molotov, 30.3.1948, AVP, f. 7, op. 21, papka 1, d. 3, ll. 7 ff., 26; Dayal an K. P. S. Menon, 20.8. und 20.12.1948, NAI, 1 (68) Eur II/49 sowie NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3; Bajpai an V. L. Pandit, 27.6.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56; Vermerk Nehru, 10.9.1948, SWJN 2, Vol. 7, S. 668 f.; Beschlüsse Politbüro, 18.11.1948, 19.3. und 28.9.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39, ll. 139, 165 ff. sowie ebd., d. 40 und op. 3, d. 1078. 755 Schellack war für Klebe- und Lackstoffe von Bedeutung, vgl. MEA, Bhojwani, an sowjetische Botschaft Delhi, 12.1.1949, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 5, l. 15; Vermerk Nehru zu Memorandum Dayal, 14.2.1949, mit Bearbeitungsvermerken Handelsministerium, 22.2.1949 und MEA, 3.6.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II; P. A. Menon an indische Botschaft Moskau, Dayal, 14.7.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II; indisches Handelsministerium an sowjetische Botschaft Delhi, Erzin, 9.3.1949, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 5, l. 6; Ernährungsministerium, R. Gupta, an stellv. sowjetischen Handelsagenten, Andreev, 12.3.1949, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 5, l. 17. 756 V. L. Pandit an K. P. S. Menon, 5.8.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 9. 757 Für 200.000 Tonnen Weizen, 20.000 Tonnen Mais und 100.000 Tonnen Ammoniumsulfat aus der UdSSR lieferte Indien 20.000 Tonnen Rohjute, 7000 Tonnen Tee und britische Pfund, vgl. indisch-sowjetisches Abkommen, 31.3.1949, AVP, f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, ll. 14 ff. Etwas niedrigere Mengen nennen Wissenschaftliches Forschungsinstitut MVT, Kucenkov, Ausarbeitung zu Außenhandel Indiens mit Hauptgütern, Moskau 1953, zit. nach RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, ll. 1 ff., hier l. 3 sowie Kabanov an Sekretariat Chruščev, 8.12.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 243, ll. 1–10, hier ll. 2 f.; Boquérat, No strings, S. 71.

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die über denen des Internationalen Weizenabkommens lagen, das die USA, Argentinien, Kanada und Australien 1949 mit Abnehmerländern geschlossen hatten.758 Ob parallele ungarische und polnische Abkommen respektive Verhandlungen mit Indien bereits innerhalb des RGW abgestimmt waren, muss dahingestellt bleiben.759 Mit der Gründung des RGW institutionalisierte die UdSSR Anfang 1949 ihre außenwirtschaftlichen Prioritätensetzungen.760 Auch wenn der Vorschlag für eine »enge wirtschaftliche Zusammenarbeit der Sowjetunion mit den Volks­ demokratien« neben der sowjetischen eine rumänische Unterschrift trug, so lag die Entscheidung in Moskauer Händen.761 Die mangelhafte Abstimmung von Wirtschafts- und Handelspolitik zwischen den Ostblock-Staaten, so Molotov in der Geheimsitzung der zukünftigen Mitglieder am 5. Januar 1949, »schädigt die wirtschaftlichen Interessen dieser Länder und hilft objektiv den Vereinigten Staaten von Amerika und England«. Enge wirtschaftliche Beziehungen zwischen der UdSSR und den osteuropäischen Satelliten und »insbesondere ihr koordiniertes Auftreten auf Außenmärkten und die Aufrechterhaltung von ständigen Verbindungen zur Abstimmung der wirtschaftlichen Tätigkeit« sollten demnach den Aufbau des Sozialismus in Osteuropa gewährleisten und das sozialistische Lager gegen die im Marshall-Plan verknüpften Wirtschaften Westeuropas und der USA stärken.762 Stalin sprach vom RGW als »wirtschaftlicher Basis des Kominform«.763 Der Wirtschaftsverbund war darauf abgestellt, den Warenkreislauf innerhalb des eigenen Lagers zu intensivieren und so die sozialistische Abhängigkeit von Importen aus dem kapitalistischen Ausland zu senken. Daneben waren die 758 Indien sollte Preise zahlen, wie sie auch von Großbritannien verlangt wurden, vgl. Banerji an Botschaft Moskau, 1.9.1949, NAI, 1 (57)-Eur.II; Men’šikov an Stalin, 17.1.1950, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 61, ll. 139–144; Beschluss Politbüro, 16.8.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40. 759 Vgl. Materialien sowjetische Botschaft Delhi, April 1949, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 5, ll. 19 ff. 760 Vgl. Beschluss Politbüro, 23.12.1948, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39. Albanien stieß im Frühjahr 1949 dazu, vgl. Beschluss Politbüro, 17.2.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40. 761 Vgl. sowjetische Vertreter RGW, Kosjačenko/Lavriščev, an Stalin u. a., 29.1.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1073, ll. 15 ff.; Protokolle 2. und 3. Sitzung Regierungsvertreter (zukünftiger) RGW-Staaten, 6.–7.1.1949, ebd., ll. 16 ff., 26 ff.; Gibianskij, Die Gründung, S. 27–30, 32, 37– 40; Dragomir, The formation; Metcalf, The creation, S. 471–479; Libbey, CoCom, S. 135–142; Szobi, Die Tschechoslowakei, S. 102; Kaplan, Die Entwicklung, S. 55–146. 762 Protokoll 1. Sitzung Regierungsvertreter (zukünftiger) RGW-Mitglieder, 5.1.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1072, ll. 1 ff.; Beschluss Politbüro, 23.12.1948, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39; Lavriščev/Loščakov an Stalin, 1.7.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1077, ll. 31 ff. 763 Zit. nach Gibianskij, Die Gründung, S. 40.

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immer noch unbedingt notwendigen Importe von strategischen Gütern und Rohstoffen, von Energieträgern oder Lebensmitteln sicherzustellen. Im Export hatten die Mitgliedsstaaten darauf zu achten, dem Gegner möglichst weder strategische Rohstoffe noch industrielle Ausrüstungen zur Verfügung zu stellen. Konkret schwebte Moskau eine Abstimmung der Volkswirtschaftspläne, die sowjetisch dominierte Planung der Wirtschaftsbeziehungen, eine engere technische Zusammenarbeit sowie die Abstimmung von Export- und Importplänen für wichtige Güter vor. Hiervon waren auch die sowjetisch-indischen Wirtschaftsbeziehungen betroffen, denn mit Baumwolle, Jute und Textilien fielen diverse Waren des indischen Exporttableaus unter die Absprachen.764 Mit Blick auf die kapitalistische Wirtschaft allgemein sprach sich der RGW im August 1949 für direkte Vergeltungsmaßnahmen gegen Länder und Firmen aus, die die RGW-Mitgliedstaaten im Handel »diskriminierten«.765 Darüber hinaus sollten Preisabsprachen und reger Informationsaustausch über den Handel mit dem kapitalistischen Ausland die sozialistische Ausgangsbasis verbessern. Die Gründung einer eigenen Kommission für die Koordination des Außenhandels mit kapitalistischen Ländern gleichfalls im August 1949 rundete das Paket ab.766 Deren Tagungen demonstrierten, dass innerhalb des RGW Eigeninteressen der Mitglieder in Abhängigkeit vom jeweiligen Entwicklungsstand virulent blieben. Sie artikulierten sich in unterschiedlichen Prioritätensetzungen im Handel mit dem kapitalistischen Ausland. Aufs Ganze gesehen griffen jedoch die Steuerungsmaßnahmen des RGW. Interne Statistiken belegen den drastischen Rückgang des Handels zumindest der Volksdemokratien mit kapitalistischen Staaten allgemein. Die Tendenz setzte sich Anfang der 1950er-Jahre weiter fort – verstärkt, aber keineswegs allein verursacht durch die Embargopolitik der USA und ihrer Verbündeten.767 764 Vgl. neben Anm. 760–762 Tätigkeitsbericht DDR-Vertreter Büro RGW 1951, Bundesarchiv, Berlin (BArch), DE 1, Nr. 12142, Bl. 1 ff.; Beschluss Politbüro, 11.8.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40; Niederschrift über Sitzung RGW-Kommission für Koordination des Außenhandels, 16.– 17.2.1951, 19.2.1951, BArch, DE/1, Nr. 12129; MVT-Vertreter in RGW-Büro, Semičastnov, u. a. an Molotov, 29.10.1949 und 4./5.11.1949, ebd., ll. 77 ff., 89 ff., redigierte Fassung in Molotov an Malenkov u. a., 15.11.1949, ebd., ll. 116 ff. 765 Sowjetischer Vertreter RGW, Lavrent’ev, an Stalin, 31.8.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1077, ll. 77 ff.; Kaplan, The Council for Mutual Economic Aid, S. 12–14. 766 Vgl. Lavrent’ev an Stalin, 31.8.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1077, ll. 77 ff.; Mikojan an Stalin, 11.11.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1567. 767 Die UdSSR hatte mit 57 % den größten Anteil am RGW-Handel. Der Anteil des kapitalistischen Auslands am Handel der Volksdemokratien betrug 1949 immer noch 48 % (1948: 58 %), 1950 lag dieser Anteil bei 38 % des Gesamtvolumens der RGW-Staaten. Bis 1952 ging der Handel des RGW mit kapitalistischen Ländern im Vergleich zu 1949 um 28 % zurück, für

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Unter diesen Prämissen stand es für die UdSSR gar nicht zur Debatte, sich aktiv in kapitalistisch geprägten internationalen wirtschaftspolitischen Institutionen zu engagieren. Weltbank und IMF wurden von der Sowjetunion boykottiert.768 Bei entsprechenden UN-Gremien und explizit bei der ECAFE legte es die sowjetische Diplomatie darauf an, deren globalen Einfluss, interpretiert als imperialistischer Machtgewinn, gering zu halten – oder, wie es Botschafter Novikov 1948 als Leiter der sowjetischen ECAFE-Delegation formulierte, die UdSSR »werde sich nicht damit einverstanden erklären, diese Kommission in ein Komitee für einen Marshall-Plan für Asien zu verwandeln«.769 So beschränkte sich der multilaterale Beitrag der UdSSR einstweilen darauf, vor globalen »Einmischungsversuchen« der »Wall Street« zu warnen und den »Unterdrückungscharakter« aller Vorschläge aus Washington oder London anzuprangern. Parallel dienten die Gremien als Bühne, Wirtschafts- und Entwicklungserfolge des eigenen Imperiums in den höchsten Tönen zu loben.770 Den neuen Staaten wurde derweil, auch mit Blick auf die beschränkten sowjetischen Ressourcen, empfohlen, sich mit eigenen Mitteln den »großen Monopole[n] der stärksten kapitalistischen Länder« und ihrem politischen oder militärischen Einfluss zu entziehen.771 Auf dieser kruden Mischung aus Propaganda und Geiz ließen sich in der multilateralen Sphäre ebenfalls keine engeren Wirtschaftskontakte zu Delhi aufbauen.772 Bis 1950 hatte sich auf beiden Seiten immerhin die wirtschaftliche Gesamtsituation verbessert. Damit war eine Vorbedingung für echte Wirtschaftsbeziehungen erfüllt. Angesichts positiverer Wirtschaftsdaten wandte sich in Delhi einzelne Staaten fiel die Reduzierung noch wesentlich deutlicher aus, vgl. Protokoll 3. Sitzung Regierungsvertreter (zukünftiger) RGW-Staaten, 7.1.1949, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1072, ll. 26 ff.; Lavriščev, an Stalin und Molotov, 27.4.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1075, ll. 34 ff.; Aufzeichnung Sitzung RGW-Büro, 27.10.1953, BArch, DL 2/3823, Bl. 76 ff., hier Bl. 76; Kaplan, The Council for Mutual Economic Aid, S. 14–24; Zhang, Economic cold war; Førland, Cold economic warfare. Handelsdaten für Indien in Aufstellung über Außenhandel der RGW-Staaten (ohne UdSSR und Albanien) mit Indien und Pakistan 1949–1953, o. D., [1953], RGANI, f. 5, op. 30, d. 73, l. 31; Tab. 2 d.–h. 768 Vgl. Beschluss Politbüro, 18.11.1948, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39, ll. 139, 165 ff.; Mason/Asher, The World bank, S. 29; Zwass, Der Rat, S. 15 f. 769 Zit. nach Selby an CRO, Harrison, 25.5.1948, BLIOR, L/PS/12/4047. Vgl. Beschlüsse Politbüro, 31.5.1948, 28.9. und 1.10.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 39, 41 f. 770 Molotov an Berija u. a., 31.5.1948, AVP, f. 7, op. 21–k, papka 54, d. 4, ll. l1 f. 771 Beschluss Politbüro, 1.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 40, ll. 249 ff. 772 Vgl. Halbmonatsbericht indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 15.5.1950, NAI, 88– R&I; Halbmonatsbericht indische Botschaft Washington für die Zeit bis 15.2.1953, NAI, EII/53/1391/67.

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Nehru mit neuem Elan – und weiterhin gegen den Widerstand einflussreicher Größen in Politik und Wirtschaft – dem Gesamtprojekt von Wirtschaftsplanung und Industrialisierung zu.773 Neben den drängenden Erfordernissen des nation building fühlte sich Nehrus Wirtschaftspolitik auch von internationalen Entwicklungen angetrieben. In Maos China kristallisierte sich hinsichtlich grundlegender Wirtschafts- und sozialer Probleme ein konkurrierender Lösungsansatz heraus, der auf andere asiatische Staaten und indische Massen anziehend wirken mochte. Auf der Gegenseite hatte sich die USA in der Zwischenzeit als problematischer Kooperationspartner erwiesen. Sie schien sehr zum Unwillen Delhis dazu zu neigen, Außenwirtschaftskontakte mit außenpolitischen Fragen zu vermengen.774 Mit Blick auf die indisch-sowjetischen Beziehungen stellte man sich in Delhi die Frage, ob die UdSSR nicht doch zu selbstloseren Kooperationen als die USA bereit wäre und inwieweit das eigene Land von konkreten sowjetischen Hilfestellungen profitieren könnte.775 Die Meinungen hierüber gingen allerdings im diplomatischen Korps und im Kabinett nach wie vor auseinander.776 Die sowjetische Seite versuchte einstweilen, vor allem mit propagandistischen Lobliedern auf die sowjetisch-chinesische Zusammenarbeit in die indischen Diskussionen zu intervenieren.777 Die Moskauer Spitze war sich grundsätzlich sicher, mit China auf das richtige Pferd zu setzen. In ihren Augen würde Peking den wirtschaftspolitischen Wettlauf mit Indien klar für sich entscheiden und sowjetische Investitionen in China mit politischen sowie wirtschaftlichen Gewinnen belohnen.778 Unabhängig davon sah sich die UdSSR aufgrund der 773 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 2.2., 1.5., 18.8. und 1.10.1950, Parthasrathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 10–19, S. 37–50, 163–176, 208–221. 774 Vgl. Rede Nehru, Nasik, 22.9.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 79–82, hier S. 81; Nehru an Chief Ministers, 1.10.1950, 1.2., 18.2. und 21.3.1951, Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 208– 221, 311–327, 330–338, 354–368. 775 Vgl. Halbmonatsberichte indische Botschaft Moskau für die Zeiträume bis 15.2., bis 31.3. und bis 15.4.1950, NAI, 88–R&I; Nehru an Chief Ministers, 15.7.1950, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 138–151; Vermerk Dayal, 16.2.1950, NAI, 88–R&I; Aufzeichnung Gespräch Radhakrishnan mit Vyšinskij, 7.4.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 20–22, hier l. 21. 776 Vgl. Henderson an SoS, 24.3.1951, FRUS 1951 VI, S. 2130–2132; Ernährungsministerium an Novikov, 12.4.1951, und MEA an sowjetische Botschaft Delhi, AVP, f. 172, op. 4, papka 4, d. 7, l. 5, sowie d. 2, l. 70; V. L. Pandit an Bajpai, 30.8.1950, und Antwort Bajpai, 10.9.1950, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56. 777 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Dayal mit K. Michajlov, 24.2.1950, NAI, 801–CJK/50. 778 Vgl. Protokoll Gespräch Stalin mit Zhou Enlai, 20.8.1952, in: Russko-Kitajskie otnošenija V,2, S. 315–324, hier S. 320; Zhang/Yao/Zhang/Jiang, Technology transfer, S. 44 ff., 95 ff., 108 ff.; Zhang, Sino-Soviet economic cooperation, S. 189–211; Zhang, Economic cold war, S. 62–173.

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eigenen Wirtschaftslage mittlerweile in der Lage, den Außenhandel mit kapitalistischen Staaten auszubauen. Von Bedeutung für Kontakte zu Ländern wie Indien war dabei, dass der sowjetische Produktionsstand nun einen umfassenderen Export von Industrieanlagen und Maschinen zuließ. Zugleich machten sich in der UdSSR Importlücken durch den einsetzenden Wirtschaftskrieg des CoCom noch stärker bemerkbar. Die sowjetische Führung musste erkennen, dass man für die angestrebte Autarkie paradoxerweise erst einmal eine Intensivierung der Außenkontakte ansteuern musste.779 Eine Änderung der sowjetischen Geschäftsgrundlage gegenüber weniger zentralen Märkten war damit jedoch nicht zwangsläufig verbunden. Auch 1950 waren indischen Experten von der UdSSR angebotene Lebensmittel zu teuer. Die sowjetische Diplomatie bewertete ihrerseits mühselige Verhandlungsrunden nach wie vor als Beleg dafür, dass Delhi sich in seinen Positionen von politischen Motiven leiten ließ, die möglicherweise von kapitalistischen Mächten eingeimpft worden waren.780 Mit den punktuellen diplomatischen und transnationalen gesellschaftlichen Auflockerungen um 1951 gewannen in Moskauer Sicht Wirtschaftsbeziehungen weiter an Gewicht. Sowjetische Wirtschaftswissenschaftler und -bürokraten wollten sich auf Konferenzen aktiver in indische Debatten um Wirtschaftsund Entwicklungspolitik einbringen. Es galt, vor Ort eigene »Errungenschaften« offensiver zu popularisieren und »progressiven wissenschaftlichen Organisationen« den Rücken zu stärken.781 Darüber hinaus setzte sich in Moskauer Zirkeln die Erkenntnis durch, dass es sich lohnen könnte, in Südasien auch mit außenwirtschaftlichen Maßnahmen nach innerkapitalistischen Bruchlinien zu suchen. Es blieb Stalin nicht verborgen, dass eine selektive Aktivierung des sowjetischen Handels und die Instrumentalisierung von Gegensätzen zwischen kapitalistischen Großmächten und kapitalistisch wirtschaftenden Entwicklungsstaaten nützliche Mittel im Systemkampf sein konnten.782 Nicht zufällig nutzten 779 Vgl. Vermerk MVT, [um August 1950], RGASPI, f. 84, op. 1, d. 64, l. 56–58; Mikojan an Stalin, 7.9.1950, ebd., d. 65, l. 27–34; Zhang, Economic cold war, S. 1–7, 63–68. 780 Vgl. Nehru an Landwirtschaftsminister Munshi, 6.8.1950 und Antwort 8.9.1950, SWJN 2, Vol. 15,1, S. 464; indisch-sowjetischer Notenwechsel Februar bis Juni 1951, AVP, f. 172, op. 4, papka 4, d. 1, l. 65 sowie f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, ll. 21 ff. 781 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 21.12.1950, 17., 21. und 25.9.1951, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1086, 1090 sowie op. 163, d. 1599; Gromyko an Stalin, 18.12.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1572; Beschluss ZK, 21.12.1951, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1, S. 516 f. 782 Vgl. Stalin, Ökonomische Probleme, S. 31 f., 39 f.; Rede Stalin auf 19. Parteitag, zit. nach Stalin, Werke 15, S. 246–248; Grigor’jan an Stalin, 11.10.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, ll. 93–113; stellv. Redakteur Novoe Vremja, Kuussinen, u. a. an Malenkov, 23.10.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 952, ll. 101 ff.

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sowjetische Diplomaten 1951 die UN-Wirtschaftsgremien intensiver, um über die traditionelle Propagierung des eigenen Modells eine wirtschaftspolitische Zweckgemeinschaft der Zweiten und Dritten Welt gegen die »Kolonialpolitik«, gegen die Militarisierung der Wirtschaft und gegen die Diskriminierung des sozialistischen Lagers zu konstruieren.783 Indische Entwicklungen mochten diesen Denkprozess zusätzlich stimulieren. Zumindest ließen sie erste Proben aufs Exempel zu. Im Sommer 1950 warfen Missernten, Überflutungen und Erdbeben längerfristige Kalkulationen Delhis über den Haufen. Die Naturkatastrophen zwangen die indische Regierung, sich für 1951 um zusätzliche Getreideimporte zu bemühen.784 Während Delhi in alter Tradition zunächst in Washington sondieren liess, bot die sowjetische Botschaft in Delhi mehrmals Getreide an. China zog mit einem Angebot über je 200.000 Tonnen Reis und Korn nach.785 Die indische Seite fühlte sich von Debatten des amerikanischen Kongresses über die Kopplung von Hilfen und Außenpolitik buchstäblich »verletzt«. »It is obvious that we cannot barter our freedom of choice in regard to our policy for any gift from abroad.«786 Angesichts der Entscheidungsprozesse in Washington gewannen die zunächst noch unspezifischen sowjetischen und chinesischen Vorschläge an Attraktivität.787 Ende April 1951 begannen hinter verschlossenen Türen indisch-sowjetische Verhandlungen über ein entsprechendes Tauschgeschäft. Die sowjetische Führung maß der Chance, sich auf wirtschaftspolitischem Feld gegen die USA zu profilieren, offenbar so viel Bedeutung bei, dass sie bereit war, für die Lieferungen auf eigene Reservebestände zurückzugreifen.788 Zudem stellten die sowjetischen Unterhändler nach Rücksprache mit Berija, dem Leiter des Atomprogramms, pikante Fragen nach der indischen Abgabe von atomwaffenfähigem 783 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 26.1., 28.7., 31.12.1951 und 22.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 45, ll. 141 ff., 146 ff. sowie d. 46 und op. 163, d. 1610, 1618. 784 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 1.9.1950, 1.10., 18.12.1950, 1.2. und 26.5.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 179–190, 208–221, 287–298, 311–327 und S. 400–402; SoS an US-Botschaft Delhi, 30.12.1950, FRUS 1950 5, S. 1481 f. 785 Vgl. Kirk an SoS, 18.3. und 23.4.1951, FRUS 1951 VI, S. 2130, 2151; Henderson an SoS, 24.3.1951, FRUS 1951 VI, S. 2130–2132, hier S. 2131; Berichte indische Botschaft Peking für die Zeit vom 27.3.–25.6.1951, NAI, 19 R & I/51; Pressekonferenz Nehru, 13.3.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 68–69, hier S. 67 f.; Boquérat, No strings, S. 125–145. 786 Nehru an Chief Ministers, 10.4.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 369–372, hier S. 370; Merrill, Bread, S. 60–76. 787 Vgl. Henderson an SoS, 3.4.1951, FRUS 1951 VI, S. 2137 f.; Nehru an Panikkar, 14.4.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 78–82, hier S. 79 f. 788 Vgl. Men’šikov an Poskrebyšev, 14.3.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1580; Beschluss Politbüro, 15.3.1951, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1088.

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Monazitsand gar nicht erst – mit dem gewünschten Effekt. Spitz ließen indische Diplomaten amerikanische Kollegen wissen, dass »die Sowjets im Gegensatz zur aktuellen US-Einstellung die Möglichkeit, für Weizen strategische Güter zu erhalten, nicht angesprochen haben.«789 Der Handel konnte schnell abgeschlossen werden. Allerdings nahmen die sowjetischen Vertreter hinsichtlich der Preis- und Lieferbedingungen nicht allzuviel Rücksicht auf die indische Notlage.790 Darüber hinaus kam Moskau parallel Bemühungen der CPI entgegen, den Mangel in Indien publikumswirksam zu lindern.791 Weder Delhi noch Moskau hatten großes Interesse, nun auf breiterer Front eine neue Qualität der Wirtschaftsbeziehungen zu begründen. Sowjetisch-indische Gespräche über mögliche Handelsabkommen, die die Gesandten in Peking initiiert hatten, ließen die Zentralen im Sand verlaufen.792 Grundsätzlich betrachteten hochrangige sowjetische Handels- und Wirtschaftsexperten den indisch-sowjetischen Tauschhandel jedoch als mögliches Muster für weitere Abkommen mit dem kapitalistischen Ausland – wenn sich Stalin denn dazu entscheiden sollte, mehr Wert auf die (kostengünstige) Versorgung der UdSSR mit Massengütern zu legen.793 In der innerindischen Kräftekonstellation konnten sich Nehru und sein Chefstatistiker Mahalanobis nach dem Tod Patels mehr Chancen ausrechnen, ihre ambitionierten Entwürfe nun auch mit Hilfe sowjetischen know-hows sowie sowjetischer materieller Hilfen voranzutreiben. Auf bilaterale und multilaterale kapitalistische Unterstützung wollten sie dennoch nicht verzichten.794 Aus dieser Gemengelage heraus entwickelte die sowjetische Politik bis Ende 1951 neue internationale und bilaterale wirtschaftspolitische Initiativen, die für 789 Kirk an SoS, 23.4.1951, FRUS 1951 VI, S. 2151. Vgl. Vermerk Berija zu Schreiben an Molotov, April 1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 87–89. 790 Indien zahlte für rund 150.000 Tonnen Getreide mit 5000 Tonnen Rohjute, 2500 Tonnen Schellack, 5500 Tonnen Tabak und 1850 Tonnen Tee, vgl. sowjetisch-indisches Abkommen, 22.6.1951, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 6724, ll. 48–61; Beschluss Politbüro, 15.3.1951, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1088; Nehru an Radhakrishnan, 23.3., 14.4. und 7.5.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 70 f., 77 f., 477 f.; Nehru an Krishna Menon, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 86, 477 f.; Bericht indische Botschaft Moskau für April 1951, o. D., NAI, 87–R&I; Gundevia, Outside, S. 91 f. 791 Vgl. Informationen US-Vertretung Delhi, Mai 1951, NARA, RG 59, Central Files, The Soviet Union 1950–1954, Reel 6 (661.91). 792 Vgl. SWJN 2, Vol. 16,2, S. 655 f., Anm. 3; Vermerk Bachitov, 29.6.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, l. 90 f. 793 Vgl. Mikojan, Finanzminister Zverev, Kosjačenko (RGW), Minister für Leichtindustrie, Kosygin, u. a. an Stalin, 9.5.1951, RGASPI, f. 558, op. 11, d. 155, ll. 93 ff. 794 Vgl. Zachariah, Nehru, S. 190 f.; Brown, Nehru, S. 240 f.; Rudra, Prasanta Chandra Mahalanobis, S. 206 ff., 228 ff.

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die indisch-sowjetischen Beziehungen von unmittelbarer Bedeutung waren. Auf einer Konferenz über die Förderung des Handels der asiatischen Länder in Singapur (9. bis 18. Oktober 1951) machte die UdSSR Offerten für qualitativ höherwertige Tauschgeschäfte auf bilateraler Basis. Die gesteigerte Leistungs­ fähigkeit der sowjetischen Wirtschaft schlug sich im sowjetischen Warenangebot nieder, das nun neben Lebensmitteln, Holz und Zement auch Landwirtschaftsmaschinen und Ausrüstungen für Industrieanlagen beinhaltete. Die sowjetische Führung verlieh ihren Vorschlägen auf der 8. ECAFE-Sitzung vom 29. Januar bis zum 8. Februar 1952 in Rangun vor größerem Publikum Nachdruck. Die Initiativen wurden durch die auflagenstarke Edition wirtschaftspolitischer und -propagandistischer Broschüren und Literatur untermauert. Zugleich verzichtete Moskau darauf, debattierte neue Hilfsfonds des ECOSOC gänzlich zu torpedieren, auch wenn sich die sparsame sowjetische Politik für rein freiwillige Beiträge aussprach.795 Im Dezember 1951 nahm die UdSSR erstmals an einer indischen internationalen Wirtschaftsausstellung (Bombay) teil. Die UdSSR wollte hier vor allem ihren Leistungsstand auf kulturellem, wissenschaftlichem, Bildungs- und natürlich auf wirtschaftlichem Gebiet präsentieren und mit der eigenen sozialistischen Ordnung gleich auch das Geheimnis ihrer Erfolge vorstellen. Die Ausstellung selbst räumte Fragen des Lebensstandards in der UdSSR nur wenig Raum ein. Sie konzentrierte sich mit Blick auf die globale Systemkonkurrenz und die eigenen Ambitionen in der Dritten Welt vielmehr auf Fortschritte in denjenigen Industriezweigen, »die einem Land wirtschaftliche Unabhängigkeit geben« und die Verwandlung eines rückständigen, abhängigen, »vor dem Ausland katz­buckelnden« Russlands in eine »fortschrittliche, mächtige Industriemacht« erlaubt hätten. Die UdSSR sei nun, so das Fazit, »fähig […], sich auch weiterhin nicht nur ohne irgendwelche Hilfe von außen schnell zu entwickeln, sondern auch, diese Hilfe anderen Ländern zu gewähren«.796 Unter diesem Motto wollten sowjetische Außenhandelsorganisationen die Gelegenheit nut795 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 25.9., 31.12.1951, 22.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1090 sowie op. 163, d. 1610 und 1618; Pozdeev an Grigor’jan, 5.1.1952 sowie Ševljagin an Grigor’jan, 18.1.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 791, ll. 1 f., 7 f.; Rubinstein, The Soviets, S. 92–99, 149–152; Gupta, Stalin’s policy, S. 249 f.; Gaglione, The United Nations, S. 95–97. 796 Vors. Sowjetischer Handelskammer, Nesterov, an Suslov, 23.8.1951, mit Plan sowjetischer Pavillon, dazu Vermerk Grigor’jan, 11.9.1951, und weiterer Schriftverkehr der VPK mit der Handelskammer bis November 1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 744; Grigor’jan an Nesterov, 3.11.1951, mit Ausstellungskatalog in der von VPK und ZK-Abt. Agitprop bearbeiteten Fassung, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 744, ll. 23–93, Zitate ll. 40 f., 64 f., 67 f., 72 f. Die Ausstellung wurde am 21.12.1951 eröffnet.

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zen, sowjetische Waren gegen »Rohstoffe, die die Sowjetunion interessieren«, einzutauschen.797 Schließlich liefen in Moskau ab Anfang 1951 Vorbereitungen für eine internationale Wirtschaftskonferenz. Diese sollte zum einen sowjetischen Wirtschaftsentwürfen und -modellen die globale Bühne zur Verfügung stellen, die die von kapitalistischen Staaten dominierten UN-Organisationen nicht boten. Daneben fügte sich die Planung in das allgemeine Bemühen der UdSSR, weltweit breitere Schichten anzusprechen und über Kontakte jenseits der eingefahrenen Parteiarbeit die Gesamtgesellschaften zu beeinflussen. Die Planungen nahmen ab Mitte 1951 Form an.798 Die Gästelisten spiegelten die politischen Hintergedanken der Konferenzplaner getreu wider. Ein Drittel der Konferenzteilnehmer rekrutierte sich aus der UdSSR, China und den Volksdemokratien. Die Hälfte der Delegierten sollte aus kapitalistischen Ländern kommen, wobei ein Drittel dieser Sitze für »progressive« Teilnehmer reserviert wurde. Das restliche Sechsel der Konferenzgäste war durch »Delegierte aus den rückständigen und schwach entwickelten Ländern« zu besetzen.799 Für Indien griff man in Moskau auf Persönlichkeiten zurück, die aus früheren Geschäften bekannt waren und/oder als »loyal« eingeschätzt wurden.800 Auf diese Weise kamen nur Inder aus nicht-regierungsamtlichen Kreisen in den Genuss einer Einladung. Da diese sich jedoch mit der Reiseorganisation schwertaten, vertagten die Moskauer Organisatoren die Konferenz von Ende 1951 auf April 1952.801 In diesem Monat konnten die Veranstalter dann 471 Delegierte aus 48 Ländern, darunter 28 Gäste aus Indien, begrüßen.802 Inhaltlich folgte die Konferenz erwartungsgemäß der üblichen sowjetischen »antiimperialistischen« Argumentation und hob auf angebliche wirtschaftliche wie politische Interes797 Beschluss Politbüro, 26.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1607. 798 Grigor’jan an Stalin, 9.6. und 21.6.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1404, ll. 7 f. sowie ebd., f. 17, op. 163, d. 1589. Das ZK hatte die Konferenz bereits am 10.2.1951 genehmigt. 799 Vgl. Beschluss Politbüro, 29.9.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1599; Nesterov/Ostrovitjanov, an Molotov, 2.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 789, ll. 166 f. 800 Men’šikov, Vorlage Liste der Vertreter kapitalistischer Firmen, die zur Konferenz eingeladen werden sollten, o. D. RGASPI, f. 17, op. 137, d. 521, ll. 101 ff. sowie ebd., d. 792, ll. 35 ff., d. 790, ll. 2 ff.; Aufzeichnung Sitzung Vorbereitungskomitee, 10.2.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 789, ll. 276 ff.; MVT an Molotov/Mikojan, 20.3.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 792, l. 66. 801 Beschluss Politbüro, 29.9.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1599. 802 Information über die Wirtschaftskonferenz, 12.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 790, l. 348. 38,7 % der Teilnehmer waren Vertreter von Handelsfirmen und Finanzwesen, 22,5 % Industrielle resp. Vertreter der Landwirtschaft, 15 % aus Gewerkschaften, 14,7 % aus Presse und Wissenschaft, vgl. Vermerk State Department, SOA, Fluker/Dahl, 26.5.1952, NARA, RG 59, Lot 57D259, Subject Files, Memo of Conversation, Box 6, 55.9 USSR.

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senidentitäten der vom Weltkapitalismus bedrohten Völker der Zweiten und der Dritten Welt ab. Auf der neuen Bühne konnten sich die RGW-Mitgliedsstaaten koordiniert in den Kampf gegen die westeuropäische und amerikanische Embargopolitik sowie in das Bemühen um Handelspartner aus der Dritten Welt einklinken. In rein wirtschaftlicher Sicht versprachen sich Planer des MVT gerade vom sowjetisch-indischen Handel bei gleichbleibender Produkt­palette bis 1954/1955 sagenhafte Steigerungsraten von mehreren Hundert Prozent, sofern sich indische Wirtschaftskreise unter anderem auf Dreiecks-­Geschäfte mit Peking und Moskau einlassen würden.803 3.4.2. 1951/52 bis 1955: Neue Ansätze, alte Probleme In der sowjetischen Wirtschaft machten sich jedoch Probleme bemerkbar, die auf Dauer die angestrebte Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen zu nichtsozialistischen Staaten erschwerten. Der sowjetischen Spitze blieb nicht verborgen, dass auf Märkten wie Indien qualitative Schwächen der sowjetischen Produktion die hehren Ziele im Export und im Konkurrenzkampf der Systeme gefährdeten. Dieser Missstand konterkarierte sowohl Importwünsche Moskaus als auch weitergehende Einflussmöglichkeiten auf die Wirtschaftspartner. So hatte bereits im November 1951 Außenhandelsminister Men’šikov sein Büro räumen müssen, da der sowjetische Handel mit dem kapitalistischen Ausland die Erwartungen nicht erfüllte.804 Doch auch danach blieb das sowjetische Sortiment für den Handel mit Indien überteuert, unansehnlich und wenig auf indische Bedürfnisse abgestimmt. Die ohnehin wenigen sowjetischen Außenhandelsorganisationen agierten allzu passiv.805 Daneben lief die Alltagsrealität in der UdSSR nach wie vor dem Bemühen zuwider, politisch-ideologisch ungebundene oder gar kritische Besucher von 803 Vgl. Ponomarev an Malenkov mit Mitteilung Ostrovitjanov über Sitzung der internationalen Vorbereitungskommission, Prag, 27.–29.6.1951, 7./9.7.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 521, ll. 1–7; Men’šikov/Kumykin an Molotov, 29.8.1951, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 59, ll. 1 ff.; Kumykin, Vorläufiges Handelsprogramm mit kapitalistischen Ländern, 1953–1955, 25.1.1952, mit Erläuterungen Kumykin, 5.3.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 792, ll. 27–34, 127–129; Beschlüsse Politbüro, 11.2. und 31.3.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1612, 1615; Mikojan vor RGW-Büro, 15.2.1952, BArch, DL 2/3823, Bl. 169 f. 804 Vgl. stellv. Handelsvertreter in Indien, Vladimirskij, an Vorsitzenden V/O Stankoimport, Sel’djakov, 16.1.1952, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 7016, l. 9; Beschluss Politbüro, 3.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1604, ll. 132 f.; Kap. 3.1.1. 805 Vgl. wissenschaftliches Forschungsinstitut MVT, Ausarbeitung zu Außenhandel Indiens, Moskau 1953, zit. nach RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, hier ll. 7–15.

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den Vorzügen sozialistischen Wirtschaftens zu überzeugen. Im Umfeld der internationalen Wirtschaftskonferenz beispielsweise lehnten es sowjetische Fabriken ab, ausländische Gäste zu empfangen: Die Fabrikgelände waren verdreckt, so die Begründung, die Zufahrtsstraßen unbefahrbar und von zerfallenen Wohnhütten gesäumt. Die UdSSR würde sich damit nur »blamieren«, beschwor ein Brandbrief die Instanzen. Diese ließen sich von der Wirklichkeit nicht beirren. Binnen weniger Tage wurden die Fabrikhallen, die zur Besichtigung anstanden, aufgeräumt, eine Straße provisorisch repariert. Bezeichnenderweise ließ die Führung hinsichtlich der Wohnhäuser einfach das Prinzip Hoffnung walten: Der möglicherweise negative Eindruck, den Besucher während der Anfahrt gewinnen könnten, würde sicherlich durch das solide mehrstöckige Wohnhaus, das der Fabrik direkt gegenüber lag, aufgefangen werden.806 Es musste sich allerdings erst noch erweisen, ob sich potentielle indische Partner von Potemkin’schen Dörfern nachhaltig blenden ließen. Grundsätzlicher stellte sich die Frage, ob sie die notwendige Geduld und das Vertrauen aufbrachten, um auf eine kontinuierliche Qualitätssteigerung sowjetischer Waren zu setzen. Die Dringlichkeit, mit der die Regierung Nehru ihre Entwicklungspolitik betreiben wollte, sprach gegen indisches Abwarten. Vor diesem allgemeinen Hintergrund stießen die sowjetischen Intiativen – UN- und Ausstellungspolitik, internationale Wirtschaftskonferenz sowie Handelsangebote– in Indien auf ein geteiltes Echo. Indische Beobachter aller Couleur bewerteten, wenn sie bereit waren, die sowjetischen Möglichkeiten auszutesten, auch 1952 die tatsächliche Leistungskraft der UdSSR-Wirtschaft kritisch.807 So kam es auf der Moskauer Wirtschaftskonferenz nicht zu substantiellen sowjetisch-indischen Abschlüssen.808 Darüber hinaus achteten alle indischen Politiker weiterhin sehr genau auf politische Implikationen und Untiefen erweiterter Wirtschaftskontakte. Konservative Kräfte stemmten sich nach wie vor gegen

806 Geschäftsführender Vors. Präsidium Allunions-Handelskammer, Borisenko, an Grigor’jan, 27. und 29.2.1952, dazu Schreiben der Mitarbeiter an Molotov, 22.3.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 791, ll. 44 ff., 54 ff. 807 Vgl. Nesterov an Grigor’jan, 30.4.1952, mit Auszügen aus Besucherbuch sowjetischer Pavillon, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 952, ll. 4 ff.; politische Monatsberichte indische Botschaft Moskau für Februar bis April 1952, NAI, 60–R & I/52; Puškin an Grigor’jan, 8.8.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 952, ll. 62 f. 808 Vgl. Entwürfe MVT für Beschlüsse des Ministerrats mit Begleitmaterialien, 10., 11. und 14.4.1952, sowie Berichte MVT an Mikojan und Stalin, 21. und 25.4.1952, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 60, ll. 21 ff., 74 ff., 89 ff., 150 ff., 160 ff.

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jeden merklichen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen.809 Delhis gesamtes politisches Establishment störte sich an der schrillen propagandistischen Begleit­ musik aller sowjetischen Unternehmungen. Auch Nehru und seine direkten Mitstreiter reagierten verschnupft, als die CPI Ende August 1952 Moskau um neue Lebensmittelhilfen bat.810 Im Auftrag des MEA-Chefs ließ der indische Chargé d’Affaires den Kreml wissen, dass die Hilfsaktion auf verzerrten Vorstellungen über die Situation in Indien beruhe. Außerdem, so der indische Diplomat, waren hier indische Gruppen aktiv, »die sich in Opposition zur Regierung befinden. Daher kann sich die indische Regierung nicht damit einverstanden erklären, dass irgendein ausländischer Staat einer solchen oppositionellen Gruppe Hilfe erweist. Die Regierung Indiens muss die Hilfe an solche Gruppen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Indiens betrachten.«811 Da die Versorgungslage in Südindien indes tatsächlich angespannt war, kam das sowjetische Angebot Delhi letztlich entgegen.812 In den weiteren Verhandlungen bestand Indien allerdings darauf, dass die Lebensmittel über lokale Rotkreuz-Vertretungen verteilt wurden. Sowjetischen Funktionären, die die Lieferungen nach Indien begleitet hatten, wurde die Einreise verweigert.813 Zur Zeit des XIX. Parteitags der KPdSU waren die Wirtschaftsbeziehungen der UdSSR mit Indien und anderen kapitalistischen Staaten etwas in Bewegung geraten, ohne dass eindeutige politische Perspektiven oder klare wirtschaftliche Gewinne abzusehen waren. Malenkov griff in seinem Rechenschaftsbericht an den Kongress die seit 1951 entwickelten Ideen auf und plädierte »für die Entwicklung von Handel und Zusammenarbeit mit anderen Ländern, ungeachtet verschiedener sozialer Systeme«.814 Dabei blieb in Moskau die Vorstellung, sich 809 Vgl. T. T. Krishnamachari an Nehru, 13.10.1952, NMML, T. T. Krishnamachari Papers; Memorandum SoS CRO, Swinton, 8.12.1953, NAK, PREM 11/456. 810 Vgl. Grigor’jan an Stalin, 2.7.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1211, ll. 51 f.; Ghosh an Stalin, 5.8.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1206, ll. 48–54, hier l. 54; Molotov an Vyšinskij u. a., 31.7.1952, sowie Vorlagen Vyšinskij und Molotov/Mikojan für Büro Präsidium Ministerrat, 19.8. und 25.8.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 174–203. 811 Aufzeichnung Gespräch Bachitov mit Gundevia, 5.9.1952, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1196, ll. 200 f., hier l. 201. Vgl. Aufzeichnung Gespräch Bachitov mit Gundevia, 3.9.1952, AVP, f. 7, op. 25, papka 16, d. 191, ll. 1 f.; Bericht indische Botschaft Moskau für August 1952, NAI, 60–R & I/52; Kuznecov an ZK, Smirnov, 28.8.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 953, ll. 147 f.; Nehru an ehem. Chief Minister Bombay, Kher, 9.9.1952, sowie Nehru an Chief Ministers, 10.9.1952, SWJN 2, Vol. 19, S. 630–632, hier S. 632, sowie S. 707–718, hier S. 717. 812 Im Endergebnis wurden 10.000 t Weizen, 5000 t Reis und 500.000 t Kondensmilch geliefert, vgl. Vermerk Nehru, 5.10.1952, SWJN 2, Vol. 19, S. 372–375. 813 Vgl. Kuznecov, an Molotov, 9.9.1952, AVP, f. 7, op. 25, papka 16, d. 191, ll. 19 f.; Bericht indische Botschaft Moskau für September 1952, NAI, 60–R & I/52; Gupta, Stalin’s policy, S. 253 f. 814 Malenkov, Otčetnyj doklad, S. 7–13, 31 f., hier S. 31 f. Vgl. Berija, Reč’, S. 5 f.

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in der Auseinandersetzung mit den USA und ihren Verbündeten der »kolonialen und abhängigen Länder« zu bedienen, erhalten. Darüber hinaus forderte die stalinistische Politik weiterhin eine radikale Umgestaltung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den angeblichen Partnerländern. Damit entzog sich die sowjetische Führung auch in der Außenwirtschaftspolitik einer verbindlichen Austarierung des Verhältnisses von zwischenstaatlichen Beziehungen und gesellschaftpolitischer Einflussnahme. Auf dieser unsicheren Basis blieb eine gedeihliche Zusammenarbeit schwierig. Als die sowjetische Delegation auf der 9. Tagung der ECAFE (6.–14. Februar 1953, Bandung) wieder einmal vermeintliche entwicklungspolitische Schwächen der neuen Staaten und der USA anprangerte, verwahrten sich unter anderem die indischen Vertreter scharf gegen die Attacken. Die US-Diplomatie war entzückt: »India made strongest statement pointing out Asian countries independent and fully able manage own affairs. Asian country rebuttals USSR most vigorous in ECAFE history.«815 Die zählbaren Ergebnisse sowjetisch-indischer Wirtschaftsbeziehungen waren ebenfalls noch gering. Das offizielle Delhi sah sich zwar »perfekt« auf den Handel mit der UdSSR eingestellt. »But the fact remains that it is simpler for us, easier for us to get things from America or England or France«.816 Der sowjetische Anteil am indischen Import erreichte bis 1952/53 nicht mehr als 0,2 Prozent, am indischen Export bis zu einem Prozent. Damit war das Gesamtvolumen des indisch-sowjetischen Handels – bei starken Schwankungen hinsichtlich der Produktpaletten und Quantitäten – insgesamt tatsächlich »unbedeutend«.817 Trotzdem blieben Ausarbeitungen des MVT dabei, dass der indische Markt der UdSSR »wirtschaftliche Möglichkeiten« bot. »Wenn sowjetische Organisationen«, so die Analysten, »5–6 % der jährlich von Indien gekauften Ausrüstung liefern könnten, dann könnte die allgemeine Summe des Exports sowjetischer Ausrüstungsgüter nach Indien 30–50 Mio. Rubel betragen« und den Import von Tabak, Tee und Gewürzen, Wolle, Schellack und Juteprodukten in größerem Stil sichern. Daneben versprachen sich Wirtschaftsfunktionäre in

815 Telegramm US-Botschaft Djakarta an State Department, 16.2.1953, NARA, RG 59, Decimal File 1950–54, 340.290, Box 1355. Vgl. US-Botschaft Bangkok an State Department, 17.3.1953, ebd. 816 Nehru vor Lok Sabha, 12.6.1952, zit. nach Imam, Ideology, S. 51. 817 Kucenkov, Ausarbeitung zu Außenhandel Indiens, Moskau 1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, ll. 1 ff., hier l. 3. Vgl. Aufstellung [MVT/ZK], o. D., RGANI, f. 5, op. 30, d. 73, ll. 3 f.; Tab. 2 d. und f.

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Moskau weitere Chancen für Dreiecks-Geschäfte mit denjenigen Volksdemokratien, deren Bedarf innerhalb des RGW nicht vollständig gedeckt wurde.818 Auch Stalins Nachfolger gründeten ihre wirtschaftspolitischen Überlegungen auf Annahmen über eine kontinuierlich steigende eigene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einerseits und einen, nach eigenen Maßstäben, technisch-wirtschaftlichen Nachholbedarf andererseits. Auf dieser Basis versuchten sie, im Rahmen der poststalinistischen außenpolitischen Neuorientierungen die seit Anfang der 1950er kursierenden Überlegungen zur systemüberschreitenden Wirtschaftskooperation oder zur besseren Versorgung der sowjetischen Bevölkerung mit Prämissen des sozialistischen Wirtschaftens sowie der globalen Systemkonkurrenz in eine stringente Außenwirtschaftspolitik unter anderem gegenüber Indien zu überführen. Als Malenkov im August 1953 vor dem Obersten Sowjet programmatisch für ein höheres Niveau der Konsumgüterindustrie warb, bekräftigte er demgemäß zugleich die Bereitschaft der sowjetischen Führung, friedlich mit nichtsozialistischen, kapitalistischen Staaten zusammenzuarbeiten. Dies schloss den Ausbau der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zu allen Ländern der Welt ein. In diesem Zusammenhang nannte er explizit Indien.819 Für ihre mehrschichtige Politik war der sowjetischen Führung daran gelegen, den bis dato träge dahinschlummernden RGW zu reaktivieren. Der Handel mit kapitalistischen Ländern, erläuterte der sowjetische RGW-Vertreter im Oktober 1953 seinen Kollegen aus Osteuropa, trage zur politischen Entspannung und zugleich zur Verbesserung des Lebensstandards der sowjetischen Bevölkerung bei.820 »Unser Lager wird stärker«, so das optimistische Motto, und dieser Umstand erlaube es, breitere, wirtschaftlich und politisch nutzbringende Handelsbeziehungen mit dem ideologischen Gegner zu initiieren.821 Unter anderem sollten Kontakte zu einzelnen kapitalistischen Verkäufern helfen, sich bei stra818 Wissenschaftliches Forschungsinstitut MVT, Ausarbeitung zu Außenhandel Indiens, Moskau 1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, ll. 1 ff., hier ll. 7–15. 819 Vgl. Malenkow, Die innen- und außenpolitische Lage der Sowjetunion, S. 267 f., 280–285, 289 f., 295 f. Die spätere Kritik an zentralen Aussagen Malenkovs 1953 und 1954 machte sich nicht an den Außenwirschaftsbeziehungen fest, stellte aber mit Blick auf das Verhältnis von Schwer- und Konsumgüterindustrie deren Rahmenbedingungen zur Debatte, vgl. ZK-Plenum 31.1.1955, RGANI, f. 2, op. 1, d. 138, u. a. S. 220 f. 820 Vgl. sowjetischer Vertreter auf Sitzung RGW-Büro, 27.10.1953, BArch, DE 1/21734, Bl. 161 ff. Vgl. Vorschlag SU-Delegation über Reorganisation und weitere Tätigkeit RGW, 16.1.1954, BArch, DE 1/12219, Bl. 1 ff. Parallel baute das MVT seinen Apparat für intensivere Beziehungen zu den Bundesgenossen aus, vgl. Organisationsentwurf MVT, November 1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 72, ll. 122 f. 821 DDR-Delegation RGW, Zusammenfassung Rede sowjetische Delegation, März 1954, BArch, DE 1/12220, Bl. 1 ff.

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tegischen Gütern und Rohstoffen endgültig von den imperialistischen Großmächten unabhängig zu machen.822 Dementsprechend entwickelte der RGW bis Juni 1954 weitere Instrumente für den Handel mit kapitalistischen Staaten. Dabei nahm er die neuen Wirtschaftsnationen in Asien mit in den Blick. In deren Fall folgte die angestrebte Handelsstruktur mit ihrer einseitigen Fokussierung auf den sozialistischen Bedarf – Export von Ausrüstung gegen Import von Rohstoffen – traditionellen Globalmustern und damit auch altkolonialen Beziehungen. Die Attraktivität der UdSSR und des RGW sollte vor allem durch im Vergleich mit den Vorgaben der Ersten Welt flexiblere Zahlungsmodalitäten erhöht werden. Hierzu zählten insbesondere langfristig angelegte Vereinbarungen und die Möglichkeit, in einheimischer Währung zu bezahlen.823 Außerhalb des RGW schlug China Delhi seinerseits engere Wirtschaftsbeziehungen vor.824 Bei erweiterten Exportanstrengungen des sozialistischen Lagers war auf Dauer keineswegs auszuschließen, dass nationale wirtschaftliche Eigeninteressen, die bereits in den Vorjahren die von Moskau aus vorgegebene Autarkiepolitik verwässert hatten, zu einer intersozialistischen Konkurrenz auf den Weltmärkten führen.825 Parallel zur Aktivierung der sowjetischen und gesamtsozialistischen Wirtschaftsbürokratien erhöhte die UdSSR ihre Präsenz in multilateralen Organisationen. In der ECAFE erklärten sich die sowjetischen Vertreter bereit, nunmehr auch in diesem Rahmen substantiellere Wirtschaftsabsprachen zu treffen. Die sowjetische Beitrags- und Ausgabenpolitik in den UN-Gremien zeigte jedoch, dass die sowjetische Außenwirtschaftspolitik gedachte, derlei Instrumente weiterhin eher hinzunehmen und zu kontrollieren als extensiv zu nutzen.826 Im Ganzen setzte auch das poststalinistische Moskau auf bilaterale Vereinbarungen. Derweil hatte sich in Indien Nehru weiterhin mit bürokratischen und politischen Widerständen gegen eine sozialistische Wirtschaft indischer Prägung 822 Vgl. Saburov in Verhandlungen mit einer čechoslovakischen Delegation, 13.3.1955, in: Kaplan, Die Entwickung, S. 146. 823 Vgl. Protokoll Nr. 1/5 Sitzung RGW, 24.–25.6.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 72, ll. 85 ff., hier ll. 92–96; Protokoll Nr. 15/54 Sitzung Politbüro SED, 6.7.1954, mit Bericht über RGW-Tagung 24.–25.6.1954, SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2A, Nr. 363, Bl. 43 ff. 824 Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Zhou Enlai, 21.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 21–31, hier S. 28 f. 825 Vgl. čechoslovakischer Außenhandelsminister Dvorak vor Plenum ZK KSČ, Oktober 1954, in: Kaplan, Die Entwicklung, S. 145 f.; Zhang, Economic cold war, S. 140 f., 165 f., 172. 826 Vgl. Information Men’šikov an MEA, Staatssekretär Nehru, 30.3.1954, AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 1, l. 81; Men’šikov an Sekretär Ministerium für Handel und Industrie, Iyengar, 20.3.1954, und Antwort 14.4.1954, AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 1, l. 80 sowie d. 2, l. 24; Rubinstein, The Soviets, S. 32, 36 f., 42, 94 f., 157–163, 181 f.

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und damit mit Aversionen gegen weitere Handelsbeziehungen zu sozialistischen Ländern auseinanderzusetzen.827 In den Debatten war der Ausbau einer eigenen Schwerindustrie weniger umstritten als der Stellenwert privatwirtschaftlicher Lösungen in der Entwicklungspolitik und deren Abstützung auf kapitalistische Geldgeber.828 Am Ende setzte sich in den Arbeiten am zweiten indischen Fünfjahresplan die linkere Variante durch, die auf eine prioritäre schwerindustrielle Entwicklung mit einem wesentlich gestärkten staatswirtschaftlichen Sektor setzte. Die vergleichsweise ambitionierten Wirtschaftsziele des zweiten Fünfjahresplans schienen nach den Erfolgen des ersten Plans nicht unrealistisch zu sein. Sie hingen jedoch von Kooperationen mit dem und Hilfestellungen durch das Ausland ab. Indiens traditionelle Wirtschaftspartner, Großbritannien und die USA, mühten sich redlich, die UdSSR aus den Geschäften und damit auch aus der Politik des Subkontinents herauszuhalten.829 Nehru erwies sich jedoch als beharrlich und gegenüber Druck aus Washington oder London als recht unempfindlich. In seiner Sichtweise passten 1953 erweiterte Wirtschaftskontakte zur UdSSR zu den wirtschaftlichen Aufgaben Indiens. Sie befreiten Delhi von der einseitigen Abhängigkeit von kapitalistischen Staaten. Schließlich fügten sie sich nahtlos in globalpolitische Entspannungschancen ein, die auch wahrgenommenen Kursänderungen der UdSSR gutgeschrieben wurden. »Mr. Nehru feels that the new generation of Russians is more interested 827 Vgl. Nehru an T. T. Krishnamachari, 24.7.1953, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru; Briefwechsel Krishnamachari und Nehru, 29. und 30.12.1953, ebd.; T. T. Krishnamachari an Nehru, 2.9. und 15.12.1954, ebd.; Nehru an T. T. Krishnamachari, 25.1.1954, SWJN 2, Vol. 24, S. 453 f.; Nehru vor Lok Sabha, 24.12.1953, ebd., 570–579, hier S. 576; Nehru an Generalsekretär u. a. MEA, 19.3. und 6.4.1953, SWJN 2, Vol. 21, S. 558 f. sowie Vol. 22, S. 352 f.; Memorandum Swinton, 8.12.1953, NAK, PREM 11/456; britische Wirtschaftsvertretung Calcutta an CRO, 16.12.1953, NAK, DO 35/6469; Nehru an Katju, 23.5.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 264–267, hier S. 265; Nehru an All-India Congress Committee, Narayan, 18.5.1955, SWJN 2, Vol. 28, S. 284–286. 828 Vgl. Birla-Konzern, S. M. Birla, an T. T. Krishnamachari, 3.2.1954, NMML, T. T. Krishnamachari Papers; T. T. Krishnamachari an Nehru, 10.2.1954, sowie Deshmukh an T. T. Krishnamachari, 4.2.1954, ebd.; Nehru an T. T. Krishnamachari, 7.3. und 2.12.1954, sowie Briefwechsel der Beiden, 27.9.1954, ebd. 829 Vgl. u. a. zum US Mutual Defence Assistance Control Act (26.10.1951) oder zur Kooperation im Atomenergiesektor Nehru an Raghavan, 19.4.1953, SWJN 2, Vol. 22, S. 354 f.; Nehru an Foreign Secretary Nehru, 9.5.1953, ebd., S. 357 f.; Vermerk Nehru für Foreign Secretary, 23.7.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 490 f.; indisch-amerikanischer Notenverkehr und inneramerikanische Diskussionen, Juli 1953 bis März 1954, FRUS 1952–1954 XI, S. 1696–1723, 1739– 1741; Beschlüsse ZK-Präsidium, 14.1., 3. und 28.6.1955 sowie Vermerk Molotov und Minister für Bau von »mittleren Maschinen«, Malyšev, 8.1.1955, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 203–205, 275 f., 1187.

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in economic improvement than in expansion.«830 Nach ersten höherrangigen Besuchen und Sondierungen im weiten Feld der technologischen Zusammenarbeit ergriff schließlich die UdSSR die Initiative, um die erkennbare Offenheit Delhis auszunutzen.831 Im Gespräch mit Nehru regte der neue Botschafter Benediktov Ende Juli 1953 den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen an. Da sich Benediktov zugleich hinsichtlich der Preisgestaltung für Weizen ungewohnt entgegenkommend gab und die indische Diplomatie positive Erfahrungen anderer Staaten mit der neuen sowjetischen Handelsmacht registriert hatte, reagierte die Nehru-­ Regierung zügig und positiv.832 Am 2. Dezember 1953 schlossen Indien und die UdSSR erstmals ein umfassendes Handelsabkommen ab. Der wesentlich erweiterte Warenkatalog entsprach weiterhin den klassischen Handelsstrukturen. Der sowjetische Export von Kapitalgütern war zu diesem Zeitpunkt dem indischen Industrialisierungsvorhaben dienlich. Angesichts der angespannten Devisenlage in Delhi stellte die Möglichkeit bilateraler Ver- und Abrechnungen in Rupien bei allen langfristigen volkswirtschaftlichen Unwägbarkeiten aktuell ein weiteres Plus für die indische Wirtschaftspolitik dar.833 Aus sowjetischer Perspektive waren die Ergebnisse der allgemeinen handelspolitischen Öffnung ambivalenter. Gosplan wies noch im Mai 1955 darauf hin, dass es der UdSSR schlicht an marktgerechten und qualitativ ausreichenden Exportwaren, an griffigen Effizienzkontrollen sowie an brauchbaren Organisationsstrukturen fehlte, um einen für die eigene Wirtschaft vorteilhaften Außenhandel zu pflegen.834 Sowjetischen Wirtschaftsfunktionären fiel es 830 Vermerk über Gespräche Dulles mit Nehru, 21.5.1953, FRUS 1952–1954 IX, S. 115–117, hier S. 116. 831 Vgl. stellv. Gesundheitsministerin, Kovrigina, an Suslov, 1.6.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, ll. 65 ff.; sowjetische Botschaft Delhi an MEA, 1953, AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 1, l. 51. 832 Vermerk Nehru über Gespräch mit Benediktov, 20.7.1953, sowie Nehru an Secretary General, 5.8.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 495 mit Anm. 3. 833 Vgl. sowjetisch-indisches Abkommen mit begleitendem Briefwechsel, 2.12.1953 u. a. in AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 12, ll. 1–14 sowie Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 73–83; Nehru an Chief Ministers, 22.8.1953, SWJN 2, Vol. 23, S. 586–596, hier S. 595; Auszug Bericht indische Botschaft Den Haag für die Zeit bis 15.9.1953, NAI, EII/53/1391/67; Bericht indische Botschaft Buenos Aires für die Zeit bis 15.11.1953, ebd.; Men’šikov, S vintovkoj, S. 173 f. 834 Vgl. Vermerk Gosplan-Abt. für Außenwirtschaftsbeziehungen, Kurkin, an Chruščev u. a., 6.5.1955, RGAĖ, f. 4372, op. 11, d. 2104, ll. 1 ff.; Benediktov an Chruščev, 8.9.1954, RGANI, f. 5, op. 45, d. 23, ll. 113 ff.; Ministerium für Staatliche Kontrolle an ZK, 27.10.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 73, ll. 109 ff.; Leiter Abt. Außenbeziehungen des Ministeriums für Maschinenund Apparatebau, Bulgakov, Maßnahmenplan für Qualitätsverbesserung Exporte, bestätigt von Minister Paršin, 23.3.1955, RGAĖ, f. 8123, op. 3, d. 1173, ll. 8 ff.

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ohnedies schwer, auf freien Märkten die Reklametrommel zu rühren.835 Mit Blick auf das wichtige Ziel, über Wirtschaftsbeziehungen mit kapitalistischen Staaten eigene Rückstände durch den Import von technischem know-how aufzuholen, stellten Verbindungen zur Dritten Welt einen nicht unbedingt ergiebigen Umweg dar.836 Vor diesem Hintergrund war es insgesamt ein langwieriges Unterfangen, den politischen Willen zum Ausbau der Handelsbeziehungen mit wirtschaftlichem Leben zu erfüllen. Zwar wurde das Handelsabkommen von Dezember 1953 ein Jahr später verlängert.837 Doch verliefen beispielsweise sowjetisch-indische Verhandlungen über neue Getreidelieferungen ergebnislos im Sand, da Delhi die sowjetischen Preise nicht mehr zahlen wollte. Bei anderen Gütern war die UdSSR gewillt, den eigenen Export mit Preissenkungen in Gang zu halten. Umgekehrt trafen indische Exportfirmen selten das selektive sowjetische Interesse, oder sie rieben sich ihrerseits an sowjetischen Preisvorstellungen.838 Der sowjetische Anteil am indischen Außenhandel blieb daher bis 1955 sehr gering.839 In einem anderen Bereich der Wirtschaftsbeziehungen, dem der technischen Hilfeleistungen, waren deutlichere Fortschritte zu erkennen. Hier erwartete sich Indien von engeren Kontakten mit dem Ausland allgemein einen zügigen Technologie- und Wissenstransfer. Dabei würde auch in diesem Bereich die Diversifizierung der Quellen einseitige Abhängigkeiten und Druckmittel reduzieren. Mit diesem Kalkül traten Nehru und Mahalanobis für eine flächendeckende Zusammenarbeit mit sowjetischen Stellen ein.840 Ausländische Berater und Spezialisten konnten diese Kontakte grundsätzlich als Chance interpretieren, Einfluss auf konkrete Planungen sowie auf die generelle Ausrichtung der indischen Wirtschafts- und Industrialisierungspolitik zu nehmen. Die UdSSR verpflichtete sich im Dezember 1953 dazu, Indien bei Aufbau und Nutzung gelieferter Anlagen sowie bei Planung und Bau neuer Objekte 835 Vgl. Kabanov an Sekretariat Chruščev, 8.12.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 243, ll. 1–10, hier ll. 5 f. 836 Vgl. Vorlage Minister für Bau von Straßen- und Baumaschinen, Novoselov, an Malenkov, 21.1.1955, RGAĖ, f. 4372, op. 54, d. 928, l. 14; stellv. Vorsitzender Gosplan, Pautin, an stellv. Vorsitzenden SovMin, Malyšev, 23.2.1955, ebd., op. 11, d. 2109, ll. 25 ff.; Sitzung ZK-Präsidium, 16.11.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 61 f. 837 Vgl. Briefwechsel MEA mit sowjetischer Botschaft Delhi, 23.12.1954, AVP, f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, ll. 77 ff. sowie Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 83–85. 838 Vgl. Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1954, 10.2.1955, NAI, F. 3(30)/R & I/55 (S). 839 Vgl. Kabanov an Sekretariat Chruščev, 8.12.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 243, l. 1–10, hier ll. 3, 5, 7; Tab. 2 d. bis 2 h. 840 Vgl. Abschlussbericht Fachdelegation, 23.2.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 1 ff.

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mit technischem Rat und Tat unter die Arme zu greifen.841 Ende 1953 reiste eine Delegation der Akademie für Wissenschaften nach Indien, um in diesen Feldern zu genaueren Absprachen zu kommen.842 Die sowjetischen Spezialisten informierten sich aus erster Hand über die Fronten der indischen wirtschaftspolitischen Diskussionen.843 Es ist in den Akten nicht eindeutig beschrieben, ob der sowjetische Delegationsbericht oder indische Sondierungen das endgültige sowjetische Angebot zum Bau eines Stahlwerks in Indien auslösten. Auf jeden Fall liefen in Indien spätestens ab Ende April 1954 interministerielle Beratungen über diese Option.844 In den Augen des Kremls kam staatlich gelenkten schwerindustriellen Schlüsselwerken jenseits der eigenen Staatsgrenzen nicht nur eine wirtschaftliche Aufgabe oder, im Rahmen der Systemkonkurrenz, politische und propagandistische Bedeutung zu. Sie verfügten immer über eine gesellschaftspolitische Dimension. Nicht zufällig orientierten sich sowjetische Planer und Exporteure für die kommende Zusammenarbeit mit Indien an sowjetischen Großunternehmen wie Magnitogorsk. Derlei Modelle hatten nach 1945 bereits bei sowjetischen Wirtschaftshilfen an Bruderstaaten in Osteuropa und an China Pate gestanden. Im sowjetischen Entwicklungskonzept verbanden sie eine rasante, im Idealfall autarke Industrialisierung mit einer sozialistischen Kulturrevolution – auf diese Weise sollten derlei Unternehmen entscheidend zum Aufbau und zur Sicherung des Sozialismus beitragen.845 In Delhi herrschte bezüglich der Vor- und Nachteile des sowjetischen Angebots Ungewissheit. Aus Moskau machte sich Botschafter K. P. S. Menon ganz allgemein für engere Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR stark. Er rückte hierbei das pragmatische Argument in den Vordergrund, dass sowjetische 841 Vgl. Anm. 833 und 837. 842 Abschlussbericht Fachdelegation, 23.2.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 1 ff.; Vermerk MID, 26.6.1954, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 186 f. 843 Vgl. Abschlussbericht Fachdelegation, 23.2.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 1 ff. 844 Sowjetische Quellen verweisen auf eine indische Anfrage, indische auf das sowjetische Angebot, vgl. K. P. S. Menon an MEA, R. K. Nehru, mit Memorandum zweiter Sekretär indische Botschaft, 30.4.1954, NAI, 5 (1) EAFT/54; Kabanov an Sekretariat Chruščev, 8.12.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 243, ll. 1–10, hier ll. 6–7; NMML, Transcripts of Oral History, Nr. 229; Srinivasan, The history, S. 29–36; Moorthy, The road, S. 63–65; Singh, Between two fires 2, S. 286 f.; Boquérat, No strings, S. 184–188; Men’šikov, S vintovkoj, S. 186. 845 Vgl. Minister für Schwarzmetallurgie, Šeremet’ev, an Chruščev, 5.11.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 118, ll. 170 ff.; Kotkin, Magnetic mountain, S. 18 f., 32; van Ree, The political thought, S. 95 ff.; Jajeśniak-Quast, Stahlgiganten, S. 15, 41–46; Stein, Von der Konsumenten- zur Produktionsstadt; Konyševa/Meerovič, Ernst Maj; Lebow, Unfinished utopie, u. a. S. 2 f., 186 mit Anm. 7; Brunnbauer, Dimitrovgrad.

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Angebote Partner aus den USA und Westeuropa zu für Indien vorteilhafteren Geschäften animieren würden.846 Auch das Innenministerium in Delhi wollte sich entwicklungspolitischen Chancen nicht grundsätzlich verschließen. Auf der Gegenseite wurden Ängste vor Infiltrationsgefahren und konservative politisch-ideologische Abwehrreflexe deutlich. Dazu kamen bürokratische Animositäten, bei denen Fachminister im interministeriellen Kompetenzgerangel Kollegen keine Geländegewinne gönnen wollten, die sich aus neuen Geschäftsfeldern ergeben konnten. Außerdem kursierten weiterhin Warnungen vor minderwertigen oder veralteten Produkten Made in Russia.847 In den indischen Diskussionen setzte sich erneut der Nehru-Flügel durch. Seiner Ansicht nach fügten sich derartige Projektkooperationen in den indischen Bedarf an fortgeschrittener Technologie und substantieller Industrialisierungshilfe sowie in die offenere Außenpolitik ein, »ohne dass wir die ganze Methodik und Politik übernehmen würden«.848 Dabei sahen natürlich auch Nehru und seine Berater den Vorteil, dass ein erweiterter Kreis von Anbietern die Preise für Indien senken konnte und bestehende Abhängigkeiten auflockerte. Dass die indische Seite die Gespräche über das Stahlwerk mit entsprechend geschäftstüchtigem Pragmatismus führte, registrierte Moskau mit einiger Verärgerung.849 Nach forcierten Verhandlungen war das indisch-sowjetische Abkommen über den Bau des Stahlwerks Bhilai am 2. Februar 1955 unterschriftsreif. Die UdSSR stellte Indien einen millionenschweren Kredit zu günstigen Bedingungen: zwölfjährige Tilgungsfrist mit jährlich zweieinhalb Prozent Zinsen, zur Verfügung. Die Zahlungen für den Schuldendienst oder Gehälter für sowjetische Berater, Facharbeiter usw. konnten in Rupien geleistet werden. Das Unternehmen sollte spätestens Ende 1959 die Produktion aufnehmen. Bis dahin verpflichtete sich die UdSSR zu Projektion und Herstellung der notwendigen Ausrüstung »auf 846 K. P. S. Menon an MEA, R. K. Nehru, 30.4.1954, NAI, 5 (1) EAFT/54. Vgl. Menon, The lamp, S. 63 f. 847 Vgl. Vorlage (übers.) Vortrag indische Wirtschaftsdelegation, Lalbhai, für Nehru, 30.11.1954, an ZK, Bulganin, 29.9.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 118, ll. 126–138, v. a. ll. 137 f.; Stellungnahmen Ministerien zu Memorandum zweiter Sekretär indische Botschaft Moskau als Anlage zu Schreiben K. P. S. Menon, 30.4.1954, NAI, 5 (1) EAFT/54; Nehru an Katju, 28.8.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 517–520, hier S. 517 f.; Moorthy, The road, S. 66 f. 848 Nehru an Chief Ministers, 15.9.1954, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 4, S. 42–49, hier S. 45 f. Vgl. Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 201–208. 849 Vgl. Nehru an Katju, 28.8.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 517–520; politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1954, 5.12.1954, NAI, f. 3(30)/R & I/55 (S); britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 28.1.1955, NAK, FO 371/116720; Kabanov an Sekretariat Chruščev, 8.12.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 243, ll. 1–10, hier l. 7.

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bestem aktuellen technischen Niveau«. Die indische Seite hatte die administrative Leitung der Bauarbeiten inne und musste dafür Sorge tragen, dass Baumaterialien und Arbeitskräfte in ausreichender Zahl zur Verfügung standen. Der sowjetische Vertragspartner wiederum übernahm es, »eine ausreichende Zahl indischer Bürger« für Aufbau und Betrieb auszubilden.850 Damit stellte das Abkommen auch den Auftakt zu einer engeren indisch-­ sowjetischen Kooperation auf dem Feld der Fach- und Kaderbildung dar. In diesem Bereich waren erste halbherzige Initiativen bislang im Sande verlaufen. Probleme, die sich aus knappen Kassen, mangelhaften Sprachkenntnissen oder divergierenden Ansichten über Lehr- und Zeitpläne für potentielle Studierende und Auszubildende ergaben, hatte die misstrauische Diplomatie beider Seiten nach 1947 nicht ernsthaft lösen wollen.851 1954/55 war die entsprechende indische Entscheidungsfindung sowohl von der politischen Großwetterlage als auch von konkreten, unbefriedigenden Erfahrungen Delhis mit Ausbildungsgängen in den USA beeinflusst. Diese hatten indische Spezialisten nur schlecht auf die Wirklichkeit etwa der indischen Landwirtschaft vorbereitet. Dazu kam die Überlegung einzelner Akteure wie Mahalanobis, über ausgeweitete internationale Kontakte ihr persönliches Ansehen und ihren Einfluss in Indien selbst zu stärken.852 Aus sowjetischer Sicht entsprach die neue Entwicklung der eigenen Absicht, kapitalistischen Einflüssen verstärkt entgegenzuwirken und innerindische Wirtschafts- und Gesellschaftsprozesse intensiver mitzulenken. Das ZK-Präsidium ordnete am 31. Juli 1954 ganz generell den Ausbau der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-kulturellen Beziehungen mit Indien an. Auf Einladung Maha850 Sowjetisch-indisches Abkommen, 2.2.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 15, d. 13, ll. 2–13. Vgl. Mitglied GKĖS, Šeremet’ev, an ZK, 18.11.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 272, ll. 237–241; Protokolle interministerielle Beratungen beim Ministerium für den Bau von Unternehmen der metallurgischen und chemischen Industrie 1955, RGAĖ, f. 8593, op. 2, d. 2138, ll. 104 ff.; MVT, Hauptverwaltung Wirtschaftsbeziehungen mit den Ländern der Volksdemokratie sowie Ministerium für den Bau von Unternehmen der metallurgischen und chemischen Industrie, Beratungen über das Statut für den sowjetischen Hauptingenieur sowie für Vertreter des Generallieferanten, 1955, ebd., d. 2138, ll. 7 ff. 851 Vgl. sowjetische Botschaft Delhi an MEA, [Anfang 1948], AVP, f. 172, op. 1, papka 1, d. 1, l. 10; Vermerk Nehru, 14.2.1949, NAI, 1 (57)-Eur. II; V. L. Pandit, Vermerk über Gespräch mit Molotov, 10.2.1949, NAI, 1 (33)-Eur. II; Nehru an Chief Ministers, 2.9.1949, in: Parthasara­thi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 448–458; Halbmonatsbericht indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 31.3.1950, NAI, 88–R&I. 852 Vgl. Vermerk Nehru für Deshmukh, 8.12.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 186; Beschluss Präsidium ZK, 1.4.1954, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 94 f.; Vermerk ZK-Abt. Wissenschaft und Kultur an ZK, 20.8.1954, ebd., S. 160–166; Beschlüsse ZK-Präsidium, 14.9. und 30.11.1954, ebd., S. 180.

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lanobis’ entsandte das ZK gleich ein zehnköpfiges Expertenteam unter Leitung des stellvertretenden Gosplan-Vorsitzenden D. D. Degtjar’ nach Calcutta, um sowjetische Planungserfahrungen zu vermitteln. Ende November orderte das ZK-Präsidium Wissenschaftler zur Teilnahme am naturwissenschaftlich-mathematisch orientierten indischen Wissenschaftskongress ab.853 Parallel hierzu schrieb die sowjetische Botschaft in Delhi sowjetische Ausbildungsplätze für Inder aus.854 Sowjetische Akteure des Wissenschafts- und Wirtschaftsaustauschs waren sich ihrer sensiblen gesellschafts- und außenpolitischen Aufgaben wohl bewusst. Die sowjetischen Planungsexperten beispielsweise vermerkten mit Befriedigung, dass im internationalen Beraterteam für den indischen Fünfjahresplan vornehmlich »progressive« Ausländer tätig waren, die die Wirtschaftspolitik der UdSSR als Maßstab anerkannten. Die sowjetischen Gesandten waren außerdem darum bemüht, sich Klarheit über den wirtschaftlichen Einfluss des Systemgegners zu verschaffen. Mit Blick auf innerindische Debatten hatten die sowjetischen Spezialisten allerdings zu registrieren, dass auch der zweite indische Fünfjahresplan auf einschneidende Agrarreformen, Sofortmaßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit und ganz generell auf eine Massenmobilisierung der Bevölkerung für die ambitionierte Entwicklungspolitik verzichtete.855 Somit war den Moskauer Beteiligten klar, dass das Ziel, über ausgebaute und -differenzierte Wirtschaftsverbindungen Einfluss auf die indische Gesamtentwicklung zu nehmen, noch in einiger Ferne lag. Es war offen, inwieweit sich über angestrebte unmittelbare wirtschaftliche Vorteile hinaus das sowjetische gesellschafts- und systempolitische Grundkalkül realisieren ließ. Für den jungen Nationalstaat Indien musste sich erweisen, ob die engeren Geschäftsbeziehungen zur UdSSR tatsächlich den angestrebten wirtschaftlichen, entwicklungsund kaderpolitischen Mehrwert ergeben würden. An Selbstbewusstsein, die Wirtschaftsbeziehungen für das indische Nationalprojekt zu nutzen, fehlte es sicherlich nicht. Ende 1954 beispielsweise hatte sich der stellvertretende Landwirtschaftsminister Kisnapp auf der Moskauer Agrarausstellung wenig beein853 Vgl. Nesmjejanov an Suslov, 25.2.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 242, ll. 7 f.; Aleksandrov an Malenkov u. a., 7.7.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 71, ll. 94 ff.; Vermerk ZK-Abt. Wissenschaft und Kultur an ZK, 20.8.1954, in: Afiani/Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 160–166; Beschlüsse ZK-Präsidium, 1.4., 14.9. und 30.11.1954, ebd., S. 94 f., 180; Engerman, Learning, S. 228 f. Nach Indien reisten in der Zeit u. a. M. I. Rubinštejn (Leiter des Sektors »Probleme amerikanischer Imperialismus« im AN-Wirtschaftsinstitut), P. N. Krylov (stellv. Leiter der Abt. Gesamtplanung des Gosplan) und V. A. Ditkin. 854 Vgl. Men’šikov an R. K. Nehru, 30.3.1954, AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 1, l. 81. 855 Vgl. Bericht Delegationsleiter, Degtjar an ZK-Sekretär Pospelov, 24.5.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 117, ll. 4 ff.

Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda

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druckt von den sowjetischen Leistungen gezeigt und stattdessen vehement die sowjetische Anerkennung für indische Errungenschaften eingefordert.856 Derlei indische Reaktionen zeigten nebenbei zweierlei. Zum einen mochte die sowjetische Propaganda in Indien Erwartungen hervorrufen, die sich im konkreten Kontakt als unerfüllbar und damit als Belastung herausstellten. Darüber hinaus waren imperiale Ausdehnung wie nationale Selbstbehauptung auch in der wirtschaftspolitischen Sphäre eng mit kulturellen Selbstvergewisserungen, Einwirkungen und (Um-)Orientierungen verbunden.

3.5. Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda: Zum Verhältnis von Zivilisierungsmission und Nationalkultur Institutionen und Akteure der UdSSR waren sich bewusst, wie elementar Kultur als zentrales Sinnsystem einer Gesellschaft, wie bedeutsam kollektiv vorherrschende Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, Werthaltungen und Normen nicht nur für das eigene imperiale Aufbauprogramm, sondern auch für das indische nation building waren.857 Dieses Wissen teilten die sowjetischen Funktionäre mit politischen und gesellschaftlichen Bewegungen und Persönlichkeiten in Indien. Auch diese hatten längst erkannt, dass innere Bindungs-, Legitimations-, Selbstbestätigungs- und Prägefunktionen mit der internationalen Vermittlung und Repräsentation von indischer kultureller Eigenständigkeit und distinkter Wertigkeit Hand in Hand gingen. Dabei waren in Indien nach 1947 die Bestandteile einer einheitsstiftenden Nationalkultur noch zu definieren und in feiner Balance als Basis kultureller Selbstbestimmung und -behauptung zu etablieren. Gesellschaft und Politik diskutierten mit äußerster Zähigkeit unter anderem über den Stellenwert von Säkularismus versus Hinduismus, um Gewicht und Bewahrung regionaler Prägungen oder um allgemein verbindliche soziopolitische Grundwerte. Die verschiedenen Ideengebäude orientierten sich in ihren Argumentationen an vorgeblichen indischen, ›asiatischen‹ und bzw. oder ›europäischen‹ Traditionen und Werten oder an einer spezifischen Mischung dieser Ingredienzien. Der langwierige, offene Aushandlungsprozess 856 Vgl. Landwirtschaftsminister Mackevič an ZK, 31.12.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 276, ll. 142 ff. 857 Vgl. Gould-Davies, The logic; Barghoorn, Soviet foreign propaganda; Swayze, Political control; Caute, The dancer; Figes, Natasha’s dance; Silina, Vnešnepolitičeskaja propaganda; Siegelbaum, Sputnik; Barghoorn, The Soviet cultural offensive; Hollander, Soviet political indoctrination; Babiracki, Soviet soft power; Sokolov, Chudožestvennaja kul’tura; Gerovitch, New Soviet Man; Sager, Moskaus Hand; Zachariah, Nehru; Guha, India; Johri, India 1, S. 439 ff., 458 ff.

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war unter den gegebenen politisch-gesellschaftlichen Bedingungen Indiens weitaus vielschichtiger, als in der strikt von oben durchorganisierten und kontrollierten sowjetischen Kulturpolitik denkbar. Dabei wurden auch in Indien die Debatten von gesellschaftlichen und politischen Eliten dominiert. Hier zeichnete Nehru in seinen Schriften die Vision einer harmonischen Einheit in Vielfalt, in der sich gleichberechtigte Glieder auf das gemeinsame Ziel eines blühenden Indiens verpflichteten. Gegen diese Vorstellungen positionierten sich Befürworter von ethnisch-sprachlichen, kommunalen oder sozialen Sonderstellungen. Die Auseinandersetzungen differenzierten sich im Zuge der 1940er- und 1950er-Jahre aus und nahmen an Schärfe und Gewaltbereitschaft zu. Ungeachtet dieser aufgeladenen Atmosphäre blieb im Ganzen die Vorstellung dominant, dass jeweilige Alternativentwürfe nicht gänzlich zum Schweigen verurteilt und ausradiert werden durften. Dagegen war die sozialistische Kultur unstrittig, so die BSĖ in ihrer zweiten Auflage 1953, durch den kommunistischen Ideengehalt (idejnost’), ihre Volksnähe (narodnost’) sowie die »harmonische Verknüpfung des sowjetischen Pa­trio­ tismus und des proletarischen Internationalismus« charakterisiert. Der sowjetisch-sozialistische Inhalt konnte sich dabei in unterschiedlichen nationalen Erscheinungsformen ausdrücken. Aus dieser Sicht stellte die sowjetische Kultur nichts weniger dar als die Kulmination »der besten, progressiven Errungenschaften der Kultur aller Zeiten und Völker«.858 Damit verkörperte die UdSSR im eigenen Selbstverständnis den überlegenen kulturellen Gegenentwurf zu einer als egoistisch, ausbeuterisch, rassistisch und oberflächlich-materiell beschriebenen kapitalistischen Welt. In der internationalen Konkurrenz der Kulturen stand die UdSSR vor der Aufgabe, ihren Gewissheiten generelle Akzeptanz zu verschaffen. Daher suchte das sowjetische Imperium in Indien unter den dortigen Diskutanten aufnahmebereite Ansprechpartner, um die eigene, sozialistische Kultur mit ihrem Postulat 858 Zit. nach »Kul’tura socialističeskaja«, in: BSĖ, 2. Aufl., Band 24, Moskau 1953, S. 33–36. Vgl. »Kul’tura«, in: BSĖ, 3. Aufl., Band 13, Moskau 1973, S. 549–597, hier S. 597. Zu sowjetischen Diskussionen um einen sozialistischen alternativen Nobelpreis sowie über Stalinpreise vgl. Agitprop, Šepilov, an Ždanov, 27.1.1948, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 151–154 mit Anm. 2; Fadeev an Stalin, 12.4. und 11.11.1949, in: Maksimenkov (Hg.), Bol’šaja cenzura, S. 596–598, 617 f.; Johnson, The Stalin prize, S. 820–824, 843; Beschluss Politbüro, 20.12.1940, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 465 f. mit Anm. 48; Beschluss SNK/ZK, 11.1.1942, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1, S. 287 f.; Beschluss Ministerrat, 28.8.1947, in: Svin’in/Oseev (Hg.), Stalinskie premii, S. 303; Beschlüsse Politbüro, 9.11. und 19.12.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1567 und 1572. Vgl. allg. ferner Aufzeichnung Gespräch Stalin mit Vavilov, 19.7.1949, in: Maksimenkov (Hg.), Bol’šaja cenzura, S. 608–615; Pechatnov, Exercise, S. 21 f.

Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda

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der Schaffung neuer Menschen sowie neuer gesellschaftlicher und internationaler Beziehungen zu verbreiten. Zusätzlich zur Vereinnahmung intellektueller Multiplikatoren und einflussreicher Persönlichkeiten setzten die sowjetischen Akteure darauf, die eigene sozialistische Kulturproduktion nach Indien zu transferieren. Dies verband sich mit dem Bemühen, mittels Propaganda »mit erschöpfender Ausführlichkeit« »die Überlegenheit der sowjetischen Kultur über die Kultur der kapitalistischen Welt« zu demonstrieren.859 Diese Botschaft, die zugleich die universale Anwendbarkeit des sowjetischen Systems in allen Lebensbereichen beinhaltete, war den Menschen inner- und außerhalb der sowjetischen Grenzen möglichst eindringlich und kontinuierlich nahezubringen. Die nichtsozialistische Berichterstattung über die UdSSR und ihr Imperium wurde von einer solchen Propaganda entsprechend korrigiert und bekämpft. Im sowjetischen Duktus nannte sich das ›aufklären‹ oder ›die Wahrheit über die UdSSR verbreiten‹. Auch hinsichtlich Indiens war es das Ziel, in der dortigen Gesellschaft durch ebenso flächendeckende wie kontinuierliche Aktivitäten ein positives Bild der Sowjetunion und ihrer Ordnung zu verankern. Auf diese Weise, so die sowjetische Überlegung, würde auf lange Sicht in breiten Schichten der Bevölkerung Wohlwollen für sowjetische Politik und Ziele mit generiert und gestärkt sowie die grundsätzliche Bereitschaft der breiten Masse zum Wandel gefördert werden.860 Entsprechende Aktivitäten blieben in der unmittelbaren Nachkriegszeit, wie bereits beschrieben, von begrenzter Wirkung. Sie zeigten jedoch bereits die vielfältigen Mittel, derer sich die sowjetische Propaganda auch nach 1947 bediente: Filme, Fotos, Poster, Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunk, Pamphlete, Broschüren und Briefmarken, dazu Themen- und Bunte Abende anlässlich von Jahres- und Gedenktagen. Das angestrebte mediale Dauerfeuer wurde durch zentral angeleitete, direkte indisch-sowjetische Kontakte in verschiedenen Sektoren des gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Lebens unterstützt.861 In der Theorie sollte der mehrdimensionale Zugriff die Hegemonie sozialistischer Kultur in verflochtenen Prozessen durchsetzen und entsprechenden sozialistischen Entwicklungsprozessen den Boden bereiten. In der Praxis der sowjetischen Kulturpolitik war die Grenze zwischen einem mehr oder weniger 859 Beschluss Politbüro, 10.2.1949, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 266–268, hier S. 267. 860 Vgl. Dmitrov/Ponomarev an Molotov und Malenkov, 7.8.1945, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 717, ll. 104 ff.; Molotov an Stalin, 7.4.1949, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 377 f.; Entwurf ZK-Beschluss, 13.8.1946, ebd., S. 60–66; Beschluss Politbüro, 27.2.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1543. 861 Vgl. Kap. 2.2. und 3.1.1.

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subtilen, wirksamen Kulturimplantat und einer reinen, unreflektiert tönenden Kultur- und Leistungspropaganda fließend. Unter den Händen sowjetischer Funktionäre wandelten sich die Kulturkontakte nahezu durchgängig zu grobschlächtigen Propagandaveranstaltungen. Das wirkte sich gerade in den 1940erund frühen 1950er-Jahren nachteilig aus. Die inhaltliche Ausrichtung änderte sich um 1947 kaum und blieb eng an aktuelle Schwerpunkte einer imperialen Selbstvergewisserung gekoppelt. Damit konzentrierte sich die Außenpropaganda in den 1940er-Jahren insbesondere auf tatsächliche oder vermeintliche Leistungen der russischen Nation. Diese inspirierte und initiierte demnach im hierarchisch gestaffelten Verbund mit ihren slawischen Brüdern erfolgreiche Entwicklungen in den zentralasiatischen Regionen. Während sich sowjetische Kultur- und Propagandaapparate nach dem Krieg international in Stellung brachten, war bis 1955 von einer indischen Außenpropaganda, die indische Anliegen und Selbstsichten in die UdSSR hinein hätte tragen können, nicht ernsthaft zu sprechen. Ohnehin hätten ehrgeizige Programme kaum eine Chance erhalten, in der UdSSR Stalins Wirkung zu entfalten. Unabhängig davon wollten sich indische Aktivitäten unter den gegebenen Startbedingungen Delhis mit ihren beschränkten personellen und finanziellen Ressourcen zunächst einmal auf das Asien außerhalb der UdSSR und auf einige Länder in Afrika konzentrieren. An der Minimalausstattung der Kernapparate Delhis änderte sich auch in den nächsten Jahren nichts. Nolens volens setzte die Regierung Nehru in dem Feld der politischen Außenwerbung auf das Prestige, das Indien durch den nationalen Unabhängigkeitskampf und durch Gandhi gewonnen hatte, und hoffte darauf, die Außenwelt durch außen- und wirtschaftspolitische Taten und nicht durch Worte vom distingierten nationalen Wert Indiens zu überzeugen.862 Im Gesamtergebnis waren im Propaganda- und Kultursektor Apparate, Zielstrebigkeit und das Wirkungspotential auf indischer und sowjetischer Seite noch auf viele Jahre hinaus von einer hohen Asymmetrie gekennzeichnet. Individuelle Vertreter, die die nationalstaatlichen oder imperialen Programme vor Ort interpretierten, konnten dabei versuchen, die latente Spannung zwischen den grundsätzlichen Zielen Moskaus und Delhis abzumildern, oder, im Gegenteil, sie erhöhten sie noch.

862 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 18.8.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 53; Vermerk Nehru, 2.12.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 325–328, hier S. 326 f.; Nehru an Chief Ministers, 1.8.1951, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 2, S. 455–468.

Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda

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3.5.1. Kulturdiplomatie und Literaturbeziehungen: Eiszeit und Tauwetter Im Bereich des eigentlichen Kulturaustauschs blickten die indischen und sowjetischen Partner in den 1940er-Jahren auf eine äußerst kurze Tradition zurück. Sie verfügten kaum über Erfahrungen. In diesem Sektor existierten ebenfalls keine gewachsenen, sich selbst tragenden Beziehungsnetze. Die indische Diplomatie zeigte sich aus eigenem Interesse bereit, die Lücken sukzessive zu schließen.863 Man wolle, so die Überlegung, sich der Sowjetunion »durch Kunst und nicht durch Politik« annähern und damit »Tausende«, gar »Millionen« von neuen Freunden Indiens kreieren. Die kulturelle Öffnung gegenüber der sozialistischen Welt war in indischen Augen zugleich ein antikolonialer Schachzug, da sie »ignoranten Westlern« mit ihren Predigten über die »westliche Zivilisation« eine Lehre erteilen würde.864 Letztgenannter Aspekt fand bei sowjetischen Kulturdiplomaten besonderes Wohlgefallen.865 Ungeachtet der kulturpolitischen Dimension taten sich sowjetische Funktionäre und Gesellschaft jedoch mitunter schwer mit dem kulturellen Gehalt indischer Präsentationen. So leerten sich zum Auftakt einer Tournee eines indischen Tanz- und Musikensembles durch die UdSSR Ende 1954 weit vor Ende der Veranstaltungen die Hallen, da die Darbietungen nicht dem gängigen Geschmack entsprachen. »Soviet audiences expect to see vigorous and group movements on the stage.«866 Erst nach einer Umstellung des Programms stellte sich der Erfolg ein. Doch selbst bis zu solch ambivalenten Erfahrungen war es Ende der 1940er-Jahre noch ein weiter Weg. Da die sowjetische Politik unter Stalin keinerlei Interesse an einem wirklichen Kulturaustausch hatte, verpufften die zurückhaltenden indischen Sondierungen lange Zeit weitgehend. Bis 1952/1953 blieb es bei singulären, isolierten Begegnungen.867 863 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 5.6.1952, SWJN, 2,18, S. 615–621, hier S. 617. 864 V. L. Pandit an Nehru, 22.3.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57 sowie Bericht indische Botschaft für die Zeit vom 21.9.–31.10.1954, 29.10.1954, NAI, 60–R & I/54. 865 Vgl. Bericht indische Botschaft Moskau für November 1952, NAI, 60–R&I. 866 Erster Sekretär indische Botschaft Moskau, Kaul, an Staatsminister MEA, 9.10.1954, NAI, 10/28–XPP/54, Part II. Analog zu der von der indischen Botschaft Moskau herausgegebenen Zeitschrift India vgl. indische Botschaft Moskau an MID, Februar 1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 14, d. 3, l. 8. 867 Vgl. Vermerke Kulturministerium für die Jahre 1950–1956 sowie 1950–1959, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 487, ll. 1–6, hier l. 1 sowie d. 1135, ll. 10–25; Vermerk Anand über sowjetisch-indische Kulturarbeit, Juni 1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5153. Exemplarisch zum Filmwesen vgl. Beschlüsse Politbüro, 10.12.1950 und 24.1.1950, 11.10.1951, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1086

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Auch flankierende Wissenschaftsbeziehungen, mit denen die sowjetischen Branchen nicht nur die »Priorität russischer und sowjetischer Wissenschaftler in verschiedenen Bereichen des Wissens« demonstrieren, sondern auch in kulturrelevanten Bereichen »antiwissenschaftliche bourgeoise Theorien« »entlarven« wollten, lassen sich für diese frühe Phase allenfalls in Ansätzen feststellen.868 Dies lag zum Teil am Desinteresse einer schwach ausgebildeten indischen Wissenschaftslandschaft. Diese musste sich erst noch aus ihrer einseitigen Orientierung nach Großbritannien (und in die USA) lösen. Zugleich wollte sie, im Kontext der internationalen Programmatik Delhis, wissenschaftliche Verbindungen nach Asien und Afrika aufbauen.869 Aktuelle Moskauer Kampagnen wie beispielsweise in der Sprachwissenschaft gegen Marr, oder, im weiteren Umfeld, pro den Genetiker Trofim Lysenko, konnten indische Kollegen kaum zu wirklichen Kurswechseln ermuntern.870 Im Zeichen der poststalinistischen Annäherungsversuche Moskaus an Indien aktivierte der Kreml seine Kulturdiplomatie.871 In Delhi startete Botschafter Men’šikov eine kulturelle Charmeoffensive, die indischen Ambitionen zumindest Lippenbekenntnisse zollte: »[T]he Russians were keen on knowing more about India, recognising the immense contribution of the Indian people to humanity«.872 Darüber hinaus erhöhten die Moskauer Verantwortlichen mit neuem Gespür für asiatische Befindlichkeiten den Anteil zentralasiatischer Künstler und sowie op. 163, d. 1574, 1601; Tscherkassow, In Indien (russ. Erstausgabe 1952); Material zu Besuch indischer Filmdelegation, 12.9.–10.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 501; Mareckaja, Na kinofestivale. 868 Sisakjan an Grigor’jan, 24.8.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 502, ll. 63–85. Vgl. Topčiev an Grigor’jan, 9. und 18.2.1953, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 785, ll. 210 ff. sowie d. 502; Abschlussbericht wissenschaftliche Delegation, 23.2.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 1 ff. 869 Vgl. Dutt an sowjetische Botschaft Delhi, 16.5.1951, AVP, f. 172, op. 4, papka 4, d. 7, ll. 25 f.; Nehru an Ministerien für Bildung, Inneres, Verteidigung, Finanzen, 13.11.1952, SWJN 2, Vol. 20, S. 120 f.; Nehru an Chief Ministers, 27.9.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 198–200; Bowles an State Department, 2.10.1952, FRUS 1952–1954 XI, S. 1666. 870 Vgl. Topčiev an Grigor’jan mit Bericht geolog. Delegation auf 38. indischem Wissenschaftskongress, 31.12.1950–2.2.1951, 9./10.4.1.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 742, ll. 9 ff.; Abschlussbericht Fachdelegation, 23.2.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 1 ff.; Bogomolov, Putešestvie; Nehru an Deshmukh, 22.6.1952, SWJN 2, Vol. 18, S. 660 f. Trofim Denisovič Lysenko, u. a. ab 1940 Direktor des Instituts für Genetik der AN. 871 Vgl. Pozdeev an ZK mit Jahresbericht SIB Delhi für 1954, 18.2.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 23–76. 872 Zit. nach britisches Hochkommissiariat Delhi an CRO, 21.12.1953, NAK, FO 371/112211. Vgl. ToI, 18.1.1954, S. 3, Soviet Cultural Mission; MEA, Bericht über Kulturdelegation, August bis Oktober 1954, NAI, 10/28–XPP/54, Part II; Berichte indische Botschaft Moskau für August und September 1954, 22.9.1954, NAI, 60–R & I/54.

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Werke am sowjetischen Kulturprogramm.873 Im Kern setzten die verantwortlichen sowjetischen Kreise allerdings weiterhin vor allem darauf, die eigenen Errungenschaften und Kulturideen zu präsentieren und möglichst ungeschmälert nach Indien zu transferieren. Die Vorstellung, indische Zugänge kennen und schätzen zu lernen, war der sowjetischen Seite in dieser Phase weitgehend fremd. Stimmen wie die des stellvertretenden Kulturministers Nikolaj Bespalov, der nach einer Auftrittsreise durch Indien Lernmöglichkeiten der sowjetischen Delegation hervorhob, stellen daher in den Akten des gesamten Kulturbetriebs eine absolute Ausnahme dar.874 Im Allgemeinen fanden indische Künste vor allem dann das besondere Wohlwollen von Vertretern der UdSSR, wenn sie sich dem Merkmalkatalog des sozialistischen Realismus annäherten.875 Beispielhaft führte die sowjetische Presse dieses allgemeine Grundverständnis während einer indischen Großtournee im Herbst 1954 vor. Die Printmedien hoben weniger auf die Darbietungen der indischen Künstler als auf die »große Wärme und Herzlichkeit« ab, mit denen das sowjetische Publikum die Vorführungen aufnahm.876 In der abschließenden Pressekonferenz fragte die sowjetische Presse nach indischen Eindrücken von der UdSSR. Sie wollten das indische mit dem – besseren – sowjetischen Landleben verglichen wissen und erkundigten sich nach der Einschätzung der – guten – Arbeitsbedingungen sowjetischer Künstler. Abschließend mussten sich die Gäste über die – positive – Entwicklung des sowjetischen Sports oder über die »grandiosen Bauten Moskaus, über die Moskauer Universität« äußern.877 Im Fazit nutzte die sowjetische Zeitungslandschaft den Besuch, um sich über die hohe Kultur der »sowjetischen Menschen« und ihre Fähigkeit, »Talente des Volkes zu schätzen«, zu verbreiten.878 Beide Seiten waren sich bewusst, dass in Indien und in der UdSSR Auffassungen über Wesen, Aufgaben und Freiheit der Kunst deutlich differierten. VOKS beispielsweise beklagte wortreich eine kapitalistische Durchdringung des indischen Filmwesens, die künstlerisch wertvolle Filme abtöte. Damit waren linksgerichtete, sozialkritische Werke gemeint. Auf der anderen Seite betrach873 Vgl. Vermerk Kulturministerium über Kulturbeziehungen UdSSR – Indien 1950–1956, o. D. RGALI, f. 2329, op. 8, d. 487, ll. 1–6; politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1953, 11.2.1954, NAI, 3 (30) R & I/54; Berichte indische Botschaft Moskau für Januar und März 1954, 2.2. und 6.4.1954, NAI, 60–R & I/54. 874 Vgl. Bespalov an Chruščev, 30.3.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 31 ff. 875 Vgl. Aleksandrov, Isskustvo; Presseausschnittsammlung RGALI, f. 2329, op. 8, d. 58. 876 Beispielhaft Pravda, 19.9.1954, S. 1, 21.9.1954, S. 6 sowie 28.9.1954, S. 2. 877 Stenogramm Pressekonferenz, 6.10.1954, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 6, ll. 27 ff. 878 Leningrader Pravda, [21.9.1954], Presseausschnittsammlung in RGALI, f. 2329, op. 8, d. 58, ll. 10 ff.; Pravda, 31.8.1954, S. 1 sowie 3.9.1954, S. 3; Aleksandrov, Iskusstvo.

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teten indische Diplomaten sowjetische Filmproduktionen als geschmacklose Propagandaerzeugnisse.879 Kunstausstellungen legten ebenso nahezu unüberbrückbare Diskrepanzen offen, wenn es um die Bewertung »moderner« respektive »formalistischer« Werke ging.880 In der freien Kunstszene Indiens tat man sich ohnehin schwer damit, den künstlerischen Pluralismus einzuengen oder in hierarchisierte Ranglisten zu pressen.881 Damit standen indische Künstler und Intellektuelle im Übrigen nicht nur in Opposition zu einem verbindlichen sozialistischen Kulturkanon. Sie rieben sich mitunter auch an der Kulturdiplomatie Delhis, die eigene Vorstellungen von einer adäquaten Repräsentativität indischer Nationalkunst hatte.882 Die Ausgestaltung der indischen kulturellen Selbstdarstellung im Ausland erwies sich daher als ein komplexer Aushandlungsprozess. Bereits die Zusammenstellung indischer Kulturdelegationen und Tourneegruppen wie der von 1954 war ein langwieriges Unterfangen. Hier hatte die sowjetische Regierung indische Tänzer und Tänzerinnen samt Orchester zu Auftritten in Moskau, Leningrad, Kiev, Soči, Erevan, Gori, Tiflis und Taškent eingeladen.883 In Delhi übernahmen das indische Bildungsministerium und die Sangeet Natak Akademi, die 1952 gegründete Akademie für Musik, Tanz und Drama, die Auswahl, aber: »Many of the artists whom it was desired to send in the delegation were either unavailable or were unwilling to go except under conditions which we were unable to accept.«884 Auf der anderen Seite bemühten sich Vertreter verschiedener Tanzstile und -schulen darum, in die Gruppe aufgenommen zu werden, drangen bei den Kulturdiplomaten und -funktionären jedoch nur 879 Vgl. Presseauswertung indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 15.1.1949, NAI, 35–R&I; Halbmonatsbericht indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 15.8.1950, NAI, 88–R&I; Vermerk VOKS über indische Kinotheater, 13.11.1950, GARF, f. 5283, op. 19, d. 177, ll. 4 ff., 15 f., 17 ff. 880 Vgl. V. L. Pandit an Nehru, 22.3.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 57; DDR-Botschafter Moskau, Appelt, an MfAA, HA I und II, 13.8.1953, PA AA, A 765, Bl. 1–3; Pressematerial zu Kunstausstellung 1953 in GARF, f. 5283, op. 19, d. 207; politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1954, 5.12.1954, NAI, F. 3(30)/R & I/55 (S). 881 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 23.3.1954, NAK, FO 371/112211. 882 Vgl. Nehru an Minister für Information und Rundfunk, Keskar, 7.11.1954, NMML, M. O. Matthai Papers 2 A, 35. 883 Vgl. MEA, Joint Secretary Jha, Vermerk für Cabinet, August 1954, NAI, 10/28–XPP/54, Part II; erster Sekretär indische Botschaft Moskau, Kaul, an Foreign Secretary, MEA, 9.10.1954, ebd.; Kaftanov an Bulganin, 26.8.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 71, ll. 136 ff. 884 Jha an Chief Justice Madras und Vors. Sangeet Natak Akademi, Rajamannar, 12.8.1954, NAI, 10/28–XPP/54, Part II. Vgl. Briefwechsel Nehru mit R. K. Nehru, 6.9.1954, ebd.; erster Sekretär indische Botschaft Moskau, Kaul, an Foreign Secretary, 9.10.1954, ebd.; D. Joshi an R. K. Nehru, 11.8.1954, ebd.

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teilweise durch. Im Ergebnis waren in der Delegation indischer Einschätzung zufolge nicht ausschließlich die allerbesten Vertreter versammelt. »We have some first rate artists […]. Tara Chaudhri’s dances are not of the highest classical representation of Bharat Natyam, but she has a large variety of dances in her repertoire and we think she will go down very well with the audiences in the Soviet Union.«885 Mit Stalins Tod kam auch in die indisch-sowjetischen Wissenschaftsbeziehungen Bewegung. Die vergleichsweise positive Neubewertung von Mahatma Gandhi war ein deutliches sowjetisches Signal.886 Der UdSSR ging es indes weiterhin darum, im bilateralen Kontakt »die Autorität der Sowjetunion und ihrer Wissenschaft zu stärken« und ihre theoretischen Grundannahmen in allen Wissenschaftsfeldern durchzusetzen.887 Für die weitere Entwicklung der wissenschaftlichen wie kulturellen Beziehungen war von Bedeutung, dass man sich nun in Moskau endlich ernsthaft daran machte, tragfähige Fundamente für intensivere Kontakte zu legen. Moskauer Behörden stellten Lehrmaterialien für Inder bereit, die Russisch lernen wollten. Erste sowjetische Lehreinrichtungen öffneten sich für indische Studierende.888 Darüber hinaus wurden nun erstmals wieder Studienaufenthalte sowjetischer Orientalisten in Indien realisiert, die sprach- und literaturwissenschaftliche Ausrichtungen der Indienstudien in der UdSSR auf eine neue Grundlage stellen konnten.889 Auf der Basis breiterer sprachlicher Kompetenzen und genauerer Kenntnisse theoretischer Entwürfe und Denkmodelle mochten sich sowjetische Kulturfunktionäre beim gezielten Kulturtransfer nach Indien bessere Chancen ausrechnen. Dies galt insbesondere für den Bereich der sowjetisch-indischen 885 Ebd. 886 Vgl. Monatsbericht indische Botschaft Moskau für Juli 1954, 5.8.1954, NAI, 60–R & I/54; Pravda, 1.2.1955, S. 3, Indijskij narod otmečaet sed’muju godovščinu so dnja smerti Machatmy Gandi. 887 Präsidium AN an Suslov, 26.2.1954, in: Esakov, Akademija Nauk 2, S. 97; Beschluss ZK-Präsidium, 8.8.1955, mit Beschluss ZK-Sekretariat, 20.7.1955, und Vermerk Pospelov u. a., vor 20.7.1955, ebd., S. 312–314; Beschlüsse ZK-Präsidium, 16. und 26.8. sowie 19. und 30.11.1954, ebd., S. 140 f., 151–153, 174 f., 180; Gesundheitsministerium, Supik, an ZK, 16.3.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 369, ll. 27 ff.; stellv. Gesundheitsminister, Chmelev, an ZK, 25.7.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 370, ll. 41 ff. 888 Vgl. sowjetische Botschaft Delhi an MEA, 4.12.1953, AVP, f. 90, op. 16, papka 12, d. 1, l. 17; Notiz Präsidium AN an ZK, 20.8.1954, in: Afiani/Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 162– 164; MID an indische Botschaft Moskau, 9.2.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 14, d. 1, l. 19. 889 Vgl. Aufzeichnung Gespräch K. P. S. Menon mit N. Michajlov, 31.10.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 18, l. 2; Zadači vostočnoj filologii, S. 6 f.; Zadači žurnala »Sovetskoe Vostokovedenie«, S. 3.

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Literaturbeziehungen. An ihnen lassen sich die angerissenen grundsätzlichen Probleme und Reibungsflächen von Kulturkontakten in der Wechselwirkung von Einflussnahme und Adaption, Transfer, Selbstbehauptung und Austausch exemplarisch beschreiben. Oder, aus Sicht der UdSSR: Die sowjetische Literatur musste ab 1947 beweisen, dass sie, wie von britischen Kolonialpolitikern im Krieg angenommen, tatsächlich eine »wirkungsvolle Anziehungskraft auf Indiens im Grunde poetisch und literarisch veranlagte Menschen« ausübte.890 Angesichts des deutlichen Ungleichgewichts, das in der Literaturpolitik zwischen sowjetischen und indischen Aktivitäten vorherrschte, ist die folgende Darstellung der bilateralen Literaturbeziehungen im Gesamtkontext imperialer und nationalstaatlicher Auffassungen entlang der sowjetischen Perspektive und entsprechender indischer Perzeptionen und Reaktionen organisiert.891 Literaturproduzenten und -ideologen in der UdSSR – wie in Indien – waren sich durchaus bewusst, dass Bücher bei den extrem hohen Analphabeten- und Armutsraten Indiens nur auf eine sehr kleine Gruppe einwirken konnten.892 Die Idee, gerade über die Prägung avantgardistischer Eliten als »Ingenieure der Seele« nationale Orientierungen maßgeblich beeinflussen zu können, verlor dadurch in Moskauer Augen (auch langfristig) nichts an Attraktivität.893 Dass eine ganze Reihe sogenannter »progressiver« Autoren in den 1940er- und 1950er-Jahren ihr Brot als Drehbuchschreiber oder gar Filmproduzenten verdienten, machte das Projekt für sowjetische Kulturfunktionäre noch verlockender. Diese Autoren, mit Abbas an der Spitze, hatten einige Kassenschlager in Indien zu verantworten.

890 GoI, Dpt. Information und Rundfunk, an SoS for India and Burma, 13.6.1943, BLIOR, L/I/1/1089. 891 Der Abschnitt entwickelt Überlegungen von Hilger, Sie bringen das Licht, weiter. 892 1951 lag die Analphabetenrate bei fast 82 %, 1961 noch bei knapp 72 %, vgl. Hillger, Imposed participation, S. 11: Aufzeichnung Gespräch Apletin mit I. Singh, 24.1.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 13 ff.; Aufzeichnung Gespräch Tichonov u. a. mit Abbas, 28.10.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5137; Stenogramm Treffen Auslandskommission SSP mit indischer Kulturdelegation, 8.7.1955, ebd., d. 5154. 893 Ähnlichen Vorstellungen hing man auch in Washington an, vgl. Progress report NSC 5409 für die Zeit vom 28.3.–28.11.1956, FRUS 1955–1957 VIII, S. 11–18, hier S. 15; Westerman, Ingenieure, S. 39 f.; Gespräch Tichonov u. a. mit Abbas, 28.10.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5137; Romanovskij, Meždunarodnye, S. 70. Zum Stellenwert von Literatur in der UdSSR allg. vgl. Gestwa, Die Stalinschen Großbauten, S. 256–305; Laß, Vom Tauwetter, S. 9–202; Eggeling, Die sowjetische Literaturpolitik; Bljum, Sovetskaja cenzura; Clark, Moscow; Zubok, Zhivago’s children, S. 52 ff., v. a. S. 55 f.; Beljakova, »Russkij« Amadu.

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Sie zeichneten auch für Filme verantwortlich, die in der UdSSR mit großem Erfolg gezeigt wurden.894 Das Ausmaß des allgemeinen Filmaustauschs oder -exports und damit die (wechselseitigen) Einwirkungsmöglichkeiten dürfen im Übrigen für den hier interessierenden Zeitraum keinesfalls überschätzt werden.895 Das bilaterale Kino- und Filmgeschehen blieb all die Jahre in unauflösbaren Spannungen zwischen kultureller Mission, sozialer Aussage, Massengeschmack und Vermarktungsmöglichkeiten in Indien und der UdSSR gefangen. Frühe Gehversuche einer indischen Film-basierten Kulturdiplomatie hinterließen, wie gesehen, in der UdSSR keinen bleibenden Eindruck.896 Auf der anderen Seite beklagte sich Abbas noch im Sommer 1961, dass das Außenhandelsminsterium in Moskau beim Austausch vor allem auf kommerzielle Vorteile schiele. Die zuständige Außenhandelsgesellschaft Ėksportfil’m unterhielt, so die indischen Linken pikiert, »nur Beziehungen zu Vertretern der großen Firmen reaktionärer Richtung und ignoriert[e] die Vertreter der progressiven Kreise der indischen Filmkunst vollkommen«.897 Sowjetische Regisseure machten drei Jahre später auf andere Problemlagen der Beziehungen aufmerksam: »Unsere Union der Filmarbeiter«, so hieß es 1964 selbstkritisch, »widmet dem europäischen Filmwesen große Aufmerksamkeit. Asien und Afrika interessiert sie weniger. Das ist schlecht.«898 Um zur sowjetischen Literaturpolitik zurückzukommen: Diese folgte nach 1945/47 wie die gesamte Kulturpolitik ganz den aktuellen Prämissen stalinistischer Gesellschafts- und Außenpolitik. Einzelne sowjetische Autoren oder Lesergruppen, die sich den im Kreml definierten (imperialen) Aufgaben respektive 894 Vgl. Kap. 4.1.2.; Prakash, Mumbai, S. 119–157; Gopal, Literary radicalism, S. 125–145; Abbas, I am not, S. 263–270, 276. Die Untersuchung von Rajagopalan, Indian films, konzentriert sich auf die Zeit ab den 1960er-Jahren und ist als Erfolgsstory des indischen Films konzipiert, vgl. Doraiswamy, Leave disco dancer alone. 895 Es blieb bei verhältnismäßig geringen Stück- und Zuschauerzahlen, vgl. Aufstellungen u. a. in Vermerk Kulturministerium über sowjetisch-indische Kulturbeziehungen 1950–1959, o. D., RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1135, ll. 10–25; Vermerk Sojuz Rabotnikov Kinematografii, Mai 1962, GARF, f. 9518, op. 1, d. 431, ll. 310 ff.; Majumdar, Debating, S. 743–753. Sowjetische Filmotheken eröffneten in Indien 1958, vgl. Beschluss Ideologie-Kommission ZK, 11.12.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 458, ll. 33 ff. Auch im Rundfunkwesen waren durch Technik und Lebensstandard engste Grenzen gezogen, vgl. Bureau of European Affairs, Office of Soviet Union Affairs, Secret, Soviet communist propaganda assets and activities in India, um 1960, NARA, RG 59, Subject Files, 1957–1963, Box 8, 31.9.1. India. 896 Vgl. Kap. 3.2. 897 SSP, Bykova, Bericht über Aufenthalt Abbas, 6.–23.7.1961, 24.7.1961, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5223, ll. 4–6, hier l. 5. 898 Bericht L. Fajziev/Z. Kirienko über Besuch sowjetisches Filmfestival in Indien, 1964, RGALI, f. 2944, op. 13, d. 203, hier ll. 4 f.

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Angeboten verweigerten, konnten die Gesamtlinie nicht beeinflussen.899 Die Ždanovščina ließ keine kulturellen Verhandlungsspielräume: »Jede Propagierung von Ideenleere, apolitischer Einstellung, ›Kunst um der Kunst willen‹ [ist] der sowjetischen Literatur fremd, für die Interessen des sowjetischen Volks und des Staats schädlich und darf keinen Platz in unseren Zeitschriften finden.«900 Im Rahmen internationaler Literaturbeziehungen ging es folgerichtig nicht nur darum, möglichst breitflächig mit der eigenen Literatur auch das eigene Literatur- und Lebensverständnis zu exportieren, sondern auch darum, den Import »schädlicher« Literatur in die UdSSR zu unterbinden. Die staatskonforme, ideologisch betreute Publikation der »besten ausländischen« belletristischen Werke war Aufgabe des im Mai 1946 gegründeten Verlags für Ausländische Literatur.901 In Indien maßen Offizielle aller Couleur der Belletristik ebenfalls hohe Bedeutung zu. »Ingenieure und Schriftsteller« seien »unverzichtbar«, ließ sich Nehru vernehmen, dieses Mal als Präsident der Literaturakademie. »Without them the country will not blossom physically and intellectually. Perhaps one could do without mere office goers. The country could still advance. But it will not go ahead without engineers and litterateures«.902 Ungeachtet dieser Grundeinstellung war eine staatliche indische Literaturpolitik in den ersten Jahren nur in Ansätzen vorhanden. Sie konzentrierte sich vor allem auf die innere nationale Konsolidierung und vernachlässigte Fragen der internationalen Repräsentation. So machte es sich die Literaturakademie, Sahitya Akademi, vor allem zur Aufgabe, die literarischen Aktivitäten aller indischen Sprachen zu pflegen und zu koordinieren, um »durch sie alle die kulturelle Einheit des Landes zu fördern«.903 Die indische Regierung definierte das staatliche Verhältnis zur literarischen Produktion wesentlich liberaler als das ehemalige britische oder das aktuelle sowjetische Imperium. Ihrem Verständnis nach sollte sich der Staat so wenig wie möglich in die kreative Entwicklung einmischen. »It is only when they manifestly become a social menace or a social danger that government must come in and come in with a heavy hand; we cannot allow a social menace or 899 Vgl. Egolin an Malenkov, 3.8.1945, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 535–545; Beschluss Politbüro, 12.5.1950, ebd., S. 662 f.; Pechatnov, Exercise, S. 19. 900 Beschluss Orgbüro, 14.8.1946, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 587–591, hier S. 589. 901 Beschluss Politbüro, 4.5.1946, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 551 f. Vgl. Šepilov u. a. an Malenkov, 5.4.1949, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 361–367; Agitprop an Suslov, 2./4.11.1950, ebd., S. 609–611. 902 Nehru vor Marathi Literary Conference, 1.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 398–400, hier S. 399 f. Vgl. Grußadresse Nehru an All-Punjab Writers’ Convention, 6.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 205; Rajagopalachari, Development. 903 Statut Sahitya Akademi, in: Rao, A short history, S. 171–179, hier S. 171.

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social danger to continue«.904 Im Rahmen der innenpolitischen Entwicklung der 1940er- und frühen 1950er-Jahre wurden vor allem linke Autoren zur Zielscheibe unionsweiter oder einzelstaatlicher Regulierungen. Mit Haft, Zensur und Vertriebsverboten wurde der innenpolitische Einfluss politisch unliebsamer Autoren zusätzlich vermindert. Reisebeschränkungen erschwerten außerplanmäßige internationale Literaturkontakte.905 Da indische literarische Aktivitäten letztlich daran hingen, dass sich individuelle Autoren und Redakteure außerhalb des Staatsapparats engagieren konnten, unterbanden derlei Reglementierungen sowjetisch-indische Literaturbeziehungen recht effektiv. In sowjetischen Augen hatten die Kontakte mit indischen Literaturen und Schriftstellern imperiale Konsolidierungs- und Expansionsinteressen zugleich zu bedienen. Es ging zum einen darum, die UdSSR als höhere Kulturform darzustellen und zu bestätigen. Diese Einschätzung war sowohl der sowjetischen als auch der indischen Bevölkerung nahezubringen. In der Literaturszene selbst sollten indische Autoren als Teil einer gesellschaftlichen und internationalen »progressiven« Bewegung angesprochen und mobilisiert werden. »Progressivität« definierte sich über sozialistische, antikoloniale und antiimperialistische Aussagen der Kunst sowie durch das gesellschaftspolitische und/oder international-solidarische Engagement der Autoren gemäß sowjetischen Vorstellungen. Die besondere Chance der Literaturbeziehungen lag darin, die sowjetische Literatur als bewusstseinsbildenden kulturellen Ausdruck auf die indischen Literaten und ihre indische Leserschaft wirken zu lassen. Diese multidimensionale Zielsetzung vor Augen, waren die sowjetischen literarischen Aktivitäten und Publikationen herausgefordert, den politisch-propagandistischen mit dem künstlerischen sowie, an der wissenschaftlichen Front, mit dem literaturwissenschaftlichen Gehalt auszubalancieren. In der Praxis leiteten sich aus diesem Gesamtverständnis heraus sechs konkrete Zielsetzungen ab, in denen sowjetische wie indische Literaturproduzenten, -konsumenten und -wissenschaftler ihre spezifische Bedeutung zukam. Teilweise überlappten sich die entsprechenden Aufgaben, zum Teil waren sie kaum miteinander zu vereinbaren. Es galt, erstens, den sowjetischen Leser fortzubilden und damit zur Erziehung eines ordnungsgemäß kultivierten Sowjetbürgers beizutragen. Die neuen Leser würden sich im Bewusstsein der eigenen Überlegenheit für die Fortschritte anderer Nationen Richtung Sozialismus »interessie904 Nehru zur Eröffnung Filmseminar, Delhi, 27.2.1955, SWJN 2, Vol. 28, S. 441–447, hier S. 444 f. 905 Vgl. Dayal an MEA, K. P. S. Menon, 27.5.1949, NAI, 1 (68) Eur II/49; Nehru an Rajagopalachari, 31.5.1951, SWJN 2, Vol. 16,1, S. 635 f.; Singh, Between two fires 2, S. 201–209; Vermerk SSP zu Kontakten mit ausländischen Autoren 1951–1961, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 109.

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ren« und somit die entsprechende internationale Politik der UdSSR befürworten und unterstützen. Diesen Bildungsauftrag sollten im Literaturkontakt Übersetzungen ausgewählter indischer Werke sowie sowjetische Werke mit indischen Sujets erfüllen, die in der UdSSR erschienen. Mit der allgemeinen kulturellen Erziehung war, zweitens, das Ziel verbunden, sowjetischen Lesern gegenüber nicht nur die Richtigkeit und Überlegenheit der sowjetischen Ordnung und Politik zu propagieren, sondern auch Beweise für die internationale (indische) Anerkennung dieses Vorrangs beizubringen. Auf diese Weise konnten die Werke, drittens, dazu beitragen, die gewünschte kultursozialistische Entwicklung in der UdSSR voranzutreiben. Mit Blick auf indische Leser waren – viertens – diesen die Vorzüge sowjetischen Lebens, die internationalistische Loyalität sowjetischer Bürger sowie, fünftens, eine im weiteren Sinne kulturelle Bildung unter sowjetischen Vorzeichen zu vermitteln. Um diese Aufgabe kümmerten sich in Indien vertriebene Übersetzungen sowjetischer Belletristik oder die, weitaus selteneren, indischen Werke mit einer sowjetischen Thematik. In diesem Zusammenhang hatten, sechstens, die literarischen Demonstrationen und Diskussionen kurzfristig die kulturelle Selbstbehauptung indischer Kunst und Literatur gegen die koloniale Erblast sowie gegen aktuelle imperialistische Einflussversuche zu unterstützen. Langfristig waren sie auf die, gemäß sowjetischer Deutung, höhere marxistische Ästhetik, das heißt auf den Kanon sozialistischer Normen und Werte mit seiner Ablehnung der »bürgerlichen Zivilisation« hin zu leiten. Die Auseinandersetzung mit »unschönen« oder »un­interessanten« Darstellungen, Feldzüge gegen »Formalisten« oder »Anti-Realisten« verbanden sich untrennbar mit der Polemik gegen »falsche« Repräsentationen in der »bourgeoisen«, »imperialistischen« Literatur. Die Durchsetzung des »sozialistischen Realismus« in der indischen Literatur würde letztlich zum Aufbau des realen Sozialismus in Indien beitragen: Indiens »großes Volk kämpft für seine bessere Zukunft. Die progressiven Autoren Indiens dienen mit ihrem Werk ihrem Volk«, formulierte der sowjetische Literaturfunktionär Tichonov 1953 diese Vision.906 Aus der Gesamtkonzeption folgte, dass der literarische Kulturkontakt weniger ein gleichberechtigter Austausch als eine sowjetische Zivilisierungsmission war: »Die sowjetischen Menschen machen sich mit dem Leben der Völker Indiens bekannt, zu denen sie immer eine lebhafte Sympathie empfanden«, verlieh die sowjetische Indologie dieser Mission und impliziten Hierarchie Ausdruck. 906 Vorwort Tichonov zu Indijskie rasskazy, Moskau 1953, zit. nach RGALI, f. 631, op. 26, d. 5100. Vgl. Dobrenko, Political economy, S. XII–XXI, 4–33; Hoffmann, Stalinist values, S. 160 f.; Clark, Moscow, S. 114.

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»[. D]en indischen Autoren und Lesern wird es interessant und nützlich sein, die Entwicklung der vielen Völker, die unser großes Vaterland bewohnen, zu studieren, die Erfahrung der Entwicklung ihrer Kultur kennenzulernen.«907 Im Laufe der Jahre mochten sich innerhalb der verschiedenen Aufgabenfelder die Akzente verschieben, ohne dass das imperiale Gesamtziel von Konsolidierung und Einflussmehrung aus dem Blick verloren wurde. Gleichermaßen passten sich die Maßstäbe, nach denen die »Schönheit« von Literatur oder die Nützlichkeit des vermittelten Wissens bewertet wurden, aktuellen Entwicklungen von sowjetischer Innen- und Außenpolitik an. Aus der Multifunktionalität der Literatur ergab sich für die sowjetische Literaturbürokratie und -politik nicht nur das Problem, Kunst, Kunsttheorie und Politik auszubalancieren, sondern es mussten auch interne und externe Zielsetzungen gewichtet werden. Darüber hinaus begrenzten organisatorische Probleme Handlungsspielräume beteiligter Akteure und Institu­tionen. Die Quellen thematisieren immer wieder Koordinations- und Kommunikationsprobleme zwischen den verschiedenen beteiligten sowjetischen Verbänden und Institutionen. Daneben machten sich auf beiden Seiten finanzielle und technische Schwierigkeiten bis hin zur prekären Papierversorgung ebenso bemerkbar wie fehlende Sprachkenntnisse, die die Interaktionen erschwerten. Zähe Honorarverhandlungen mit Moskauer Behörden stellten die Geduld indischer »progressiver« Autoren auf eine harte Probe, zumal diese im Indien der 1950er-Jahre in aller Regel erbärmliche Verdienstmöglichkeiten hatten und Gefahr liefen, sich durch öffentliches linkes Engagement berufliche Chancen zu verbauen.908 Wie vieles in den sowjetisch-indischen Beziehungen, so begannen auch die Literaturkontakte 1947 nahezu bei Null. Die publizistisch-literarische Aufarbeitung der ersten Reise eines prominenten sowjetischen Autors nach Indien unterstrich, dass die Prioritäten der sowjetischen Kulturpolitik einstweilen bei der inneren Konsolidierung des Imperiums lagen. Tursun-Zades Reiseliteratur war für ein sowjetisches Publikum gedacht. Sie rückte die Vorzüge der sowjetischen, insbesondere der sowjetischen zentralasiatischen Welt gegenüber jedem nichtsozialistischen Ausland ins Bewusstsein: »Ich sage dir aufrichtig, 907 Vortrag D’jakov über indische Literatur vor Auslandskommission SSP, 19.10.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5136. Vgl. Aufzeichnung Gespräch Apletin mit I. Singh, 24.1.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 13 ff. 908 Vgl. Stenogramm Treffen SSP mit indischer Literaturdelegation, 27.6.1951, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5090; Briefwechsel Apletin mit Bhattacharya, Januar bis Oktober 1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5146, ll. 25 ff.; Aufzeichnung Gespräch Auslandskommission SSP mit Krish­ an Chander, 21.12.1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5155.

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mit reinem Gewissen: Es gibt nichts Glücklicheres in der Welt, als das Land der Kommunisten. Und freier als der sowjetische Bürger ist niemand«, klangen Tursun-Zades poetische Eindrücke von Indien aus.909 Angesichts der Fokussierung auf das imperiale Innenleben überrascht es nicht, dass das offizielle Moskau den Werken indischer Autoren nur verhaltenes Interesse entgegenbrachte, entsprach unter diesen doch keines den hohen Ansprüchen der rigiden stalinistischen Literaturpolitik. Von 1947 bis 1954 verlegte der zuständige Verlag für Ausländische Literatur insgesamt gerade einmal 24 Werke indischer Provenienz. Gemäß der innersowjetischen Hierarchien beließ man es in aller Regel bei Übersetzungen ins Russische.910 Dabei versuchten sowjetische Interpreten, bekannten Klassikern wie Rabindranath Tagore und Munshi Premchand eine zumindest proto-progressive Ausrichtung zuzuschreiben. Daneben wurden ›progressive‹ Autoren gefördert, die die indische Realität in sowjetischen Farben schilderten.911 Der Gewinnung indischer Autoren für den Kulturtransfer standen neben indischen Rahmenbedingungen vor allem die radikale Kulturpolitik der UdSSR sowie die Eigeninteressen der indischen literarischen Akteure selbst im Weg. So kam Ende 1948 mit Mulk Raj Anand erstmals ein in Indien bekannter, ›progressiver‹ Autor in die UdSSR. In den Gesprächen präsentierte sich Anand als überzeugter Antiimperialist und verlässlicher Partner des sowjetischen Literaturexports. Er trat jedoch zugleich als selbstbewusster Vertreter asiatischer Kulturleistungen und als Bewerber um finanzielle Unterstützung auf.912 Es muss dahingestellt bleiben, inwieweit diese komplexe Haltung in Moskau erkannt wurde. Auf jeden Fall hatten sich wenige Monate später dank der Zuspitzung aller Dimensionen des Lagerwettkampfs Ansätze zu einer Kooperation mit Anand zerschlagen. Nach seinem Besuch in der UdSSR, so Botschafter Novikov, »sagte [Anand], dass die Sowjetunion auf ihn kolossalen Eindruck gemacht habe, dass sie ein wirklich sozialistisches Land sei, das er sich mit der Publikation von Artikeln über seinen Besuch in der Sowjetunion befasse, über alles, was er sah, was er hörte, welche Schlüsse er zog. Indessen hat er bis heute« – Juli 1949 – 909 Mirzo Tursun-Zade, Moj tost (1948), in: ders.: Izbrannye proizvedenija, Band 1, S. 96–99, hier S. 99. Vgl. ders., Vozvraščenie (1947), in: ebd., S. 80 f.; Babaev, Tursun-Zade, S. 67–80. 910 Vgl. Kulturministerium, Vermerk über Kulturbeziehungen mit Indien 1950–1956, o. D., RGALI, f. 2329, op. 8, d. 487, ll. 1–6. 911 Vgl. Beschluss Politbüro, 25.2.1950, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 43; Erzina an VOKS, Kosjakina, 12.4.1950, GARF, f. 5283, op. 19, d. 181, ll. 20 ff.; Beskrovnyj, Bor’ba; In Commemoration of R. Tagore, in: VOKS Bulletin, (1955), Nr. 5 (94), S. 89. 912 Vgl. Protokoll Gespräch Anand mit georgischen Autoren, 6.10.1948, RGALI, f. 631, op. 14, d. 1239.

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»nichts geschrieben. Bei einem zweiten Gespräch«, so Novikov desillusioniert, »sagte [Anand], dass es Repressionen gibt, dass er Angst hat, dass man ihn ins Gefängnis wirft, dass er ein unglückliches Familienleben hat, dass sich schwierige materielle Bedingungen ergeben haben, dass er sich mit einem Buch über ein Abenteuer einer indischen Prinzessin beschäftigen muss, weil er glaubt, dass dieses Buch großen Absatz in Amerika findet, wo er viele Dollar verdienen kann. Im Kern ist er natürlich durch die Repressionen erschreckt, und offenbar kann man ihn jetzt schon nicht mehr für einen progressiven Schriftsteller halten.«913 Sowjetische Kriterien, nach denen stalinistische Kritiker ›schöne Literatur‹ beurteilten, waren äußerst eindeutig. Frühe literaturwissenschaftliche Arbeiten hoben vor allem auf den Einfluss der russischen und sowjetischen Literatur auf indische Künstler ab.914 Aus diesem Verständnis heraus vertrat beispielsweise der Generalsekretär des sowjetischen Schriftstellerverbands, Aleksandr Fadeev, gegenüber indischen Literaten mit allem Nachdruck den stalinistischen Glaubenssatz, nach dem »große«, sprich: sozialistische Ideen nahezu von selbst dafür sorgten, »große Literatur« zu erschaffen.915 Ebenso wenig stand zur Debatte, dass die Literatur für den Wettkampf der Systeme in Dienst genommen wurde. »Buchstäblich alle Buchgeschäfte«, schilderte Botschafter Novikov die Situation in Indien 1949, »sind mit amerikanischer Literatur vollgepropft, jeder mögliche Dreck, und all das wird in ungeheuren Mengen in Indien verbreitet. […]. Das ist wie […] eine ideologische Vorbereitung für einen zukünftigen Angriff.«916 Die aktiven sowjetischen Bemühungen um die indische Leserschaft waren in dieser Phase noch recht unkoordiniert und punktuell. Nur ansatzweise vermochten es Schriftstellerverband, VOKS und MID, in Indien russische Klassiker oder sowjetische Werke herauszustellen, geschweige denn an den Mann zu bringen. Entsprechende Übersetzungen in Urdu oder Hindi waren dünn gesät. Doch auch die englischsprachige Ausgabe der maßgeblichen Literaturzeitschrift Sovetskaja Literatura erreichte Indien nur in einer sehr geringen Auflage.917 Daneben startete die sowjetische Literaturbürokratie erste, recht durchsichtige 913 K. Novikov auf Mitarbeiterversammlung MID, Information über Indien, 5.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1187, ll. 20–43, hier l. 24. Vgl. Abbas, I am not, S. 231–237. 914 Vgl. Barannikov, Indijcy; Ob-edinennoe zasedanie Otdelenij AN SSSR, S. 344 f. 915 Stenogramm Gespräch SSP mit indischer Delegation, 27.6.1951, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5090. 916 Novikov auf der Mitarbeiterversammlung MID, 5.7.1949, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 1187, ll. 20–43, hier l. 36. 917 Vgl. Kosjakina an VOKS Delhi, Erzina, 14.6.1948, GARF, f. 5283, op. 19, d. 173, ll. 26 ff.; Erzina an Kosjakina, 3.12.1949, GARF, f. 5283, op. 19, d. 181, l. 40; Molotov an Grigor’jan, 21.4.1951, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1197, l. 95; Vermerk Kosjakina, 28.4.1950, GARF, f. 5283, op. 19, d. 181, l. 30; Tab. 6 a.

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Versuche, zum Nutzen der UdSSR an die in den Vorkriegsjahren gekappte Tradition russischer Literaturbeziehungen zu Indien zu erinnern. Das MID belieferte Ende 1948 die indische Botschaft mit Kopien des Briefverkehrs zwischen Lev Tolstoj und Gandhi. Sie warb zudem zu einem Zeitpunkt mit Übersetzungen indischer Literaturdenkmäler ins Russische, als diese Disziplin in der innersowjetischen Orientalistik selbst eher als überholt galt.918 Die sowjetische Literaturpolitik ließ sich von den schwierigen Bedingungen nicht erschüttern. Unverdrossen priesen VPK und Agitprop im Begleitmaterial für die Industrieausstellung in Bombay 1951 die sowjetische Literatur als Medium an, das die Bevölkerung kontinuierlich »zu neuen Taten im Namen der Schaffung einer neuen Gesellschaft […] mit Menschen neuen Typs« bewege. Sie war, so die Eigenwerbung, Teil der »neuen Kultur« des Sozialismus, Ausdruck und Antriebskraft des neuen »kulturvollen Menschen, der Wissenschaft und Technik in der Produktion anwenden kann, der die Politik des sowjetischen Staats versteht und sie aktiv umsetzt, eines gesellschaftlich aktiven Menschen, eines flammenden sowjetischen Patrioten.«919 Erst mit der vorsichtigen Ausweitung der organisierten sowjetischen gesellschaftlichen Kontakte mit Indien ab Anfang der 1950er-Jahre war an eine Intensivierung konkreter Literaturbeziehungen zu denken. Kriterien und Reservoir für die Rekrutierung potentieller Mittler des Kulturtransfers änderten sich jedoch keineswegs radikal.920 Im März 1951 beschloss das Politbüro auf Vorschlag der VPK, eine Delegation indischer ›progressiver‹ Autoren nach Moskau einzuladen, damit die sich mit dem Leben in der UdSSR und der Arbeit ihrer sowjetischen Kollegen bekannt machten. Botschafter Novikov und die VPK hatten hierfür ihrer Ansicht nach »berühmte« und »populäre« Schriftsteller empfohlen. Faktisch reichten offenkundig eine Mitgliedschaft in der CPI, der indischen Friedensbewegung oder in der PWA sowie vergleichbare andere 918 Vgl. Vermerke über Autoren, 1945/1946, RGALI, f. 631, op. 14, d. 57, ll. 8 ff., 48 f.; Vermerke zu Autoren mit sowjetischen/russischen Sujets/Übersetzungen, ebd., ll. 9 ff., 48 f.; A. Elistratova, Rasskazy ob Indii, in: Literaturnaja Gazeta, 30.10.1952, zit. nach RGALI, f. 631, op. 26, d. 5100; Vermerk über Vallathol [1952], RGALI, f. 631, op. 26, d. 5129, l. 4; Stenogramm Vortrag Paevskaja zur indischen Literatur auf gemeinsamer Sitzung Auslandskommission/Sektion Übersetzungen SSP, 5.6.1952, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5104; Kap. 3.1.1. 919 VPK/Agitprop an Vors. Handelskammer, Nesterov, Endfassung Begleitprospekt zur internationalen Ausstellung Bombay, 3.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 744, ll. 23–93, hier ll. 63, 65. 920 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 30.6.1950 und 22.10.1951, in: Artizov/Naumov (Hg.), Vlast’, S. 665 bzw. RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1602, l. 156; ZK-Beschluss, 7.1.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1610. Zu korrespondierenden Ansätzen in der binnensowjetischen Literaturpolitik vgl. Davies/Harris, Stalin’s world, S. 258–273.

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»progressive« Aktivitäten als Referenzen aus. Harindranath Chattopadhyay beispielsweise hatte sich mit einem Poem über die Rote Armee und durch Kritik an der amerikanischen Politik hervorgetan und am Zweiten Weltfriedenskongress teilgenommen. Krishan Chander war »Sekretär des Allindischen Friedenskomitees, nahe der CPI«, Ali Sardar Jafri Mitglied der kommunistischen Partei, Bhabani Bhattacharya ein »progressiver Autor, Verfasser des Buches ›Hunger‹, das in russischer Übersetzung in Moskau erschien«, und Vallathol »ein bekannter Dichter, Teilnehmer des Zweiten Weltfriedenskongresses, progressiver Nationalist«. Vallathol galt den sowjetischen Kulturbürokraten zudem als Paradebeispiel für die Entwicklung eines Autors weg vom ungeliebten, als dekadent verschrienen Symbolismus und hin zur ideellen Reife des Realismus. Daneben empfahl Botschafter Novikov, Josh Malihabadi einzuladen, der aus Zeiten der Unabhängigsbewegung »eng mit Nehru verbunden« sei und aktuell die regierungsfreundliche Monatszeitschrift Aaj-Kal herausgab.921 Die Delegation, die nach Besuchen in Moskau und Leningrad je sieben Tage in Georgien und Uzbekistan verbrachte, zeigte nach Ansicht indischer Diplomaten »sehr viel unkontrollierten Enthusiasmus für die UdSSR«.922 Dazu mochte der ausgesucht zuvorkommende Empfang beitragen, der den indischen Autoren in der sowjetischen Metropole bereitet wurde. Neben Fadeev fand sich auch Il’ja Ėrenburg zu einer Gesprächsrunde ein. Er habe das erste Mal erfahren, erinnerte sich Bhattacharya an das neue Lebensgefühl im sozialistischen Moskau, welch hohes Prestige ein Schriftsteller genießen konnte.923 Die sowjetischen Gastgeber notierten sich 1951 emsig alle positiven Äußerungen, die die Autoren während und nach ihrer Visite von sich gaben.924 In den Gesprächen selbst machten sich indes diverse künstlerische Differenzen bemerkbar. Es wurde deutlich, dass auch der Kontakt mit Indiens ›progressiven‹ Autoren nicht zwangsläufig dazu führen musste, den sozialistischen Wertekanon in den indischen Literaturen zu etablieren. Die Gäste erkundigten sich 921 Grigor’jan an Stalin, 25.11. und 1.12.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1198, l. 25; Aufzeichnung K. Novikov, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1198, l. 58; Vermerk über Vallathol [1952], RGALI, f. 631, op. 26, d. 5129, l. 4. Vgl. Beschlüsse Politbüro, 7.12.1950 und 17.3.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1570, 1580. Es ist nicht eindeutig festzustellen, ob Chattopadyay zweimal kurz hintereinander in die UdSSR reiste oder ob die Delegation Anfang 1951 neu zusammengesetzt wurde, vgl. Materialsammlung zu Chattopadhyay aus sowjetischer Presse 1951–1953, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5101; Vermerk SSP, Tätigkeit mit ausländischen Autoren 1951–1961, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 109. 922 Bericht indische Botschaft Moskau für Juni bis Juli 1951, NAI, 87–R&I. 923 Zit. nach Shimer, Bhabani Bhattacharaya, S. 101 f. 924 Vgl. Denisov an Grigor’jan, 27.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 743, ll. 195 ff.

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beispielsweise angelegentlich nach der sowjetischen Einstellung zu spirituellen Fragen. Ein Autor setzte sich kritisch mit der Entwicklungsfähigkeit des »sozialistischen Realismus« und seinem Verhältnis zu eigenständigen Traditionen und Entwicklungen in einer neuen indischen Literatur auseinander. Selbstbewusst überreichten die indischen Autoren den sowjetischen Gastgebern ihre Werk­ sammlungen, ohne nach Gegengeschenken zu fragen.925 Ungeachtet solcher Unstimmigkeiten im Detail machte sich die sowjetische Literaturpolitik zum Wohle der imperialen Sache an die Vereinnahmung der indischen Schriftsteller. Nachdem zu Stalins Geburtstag im Dezember 1951 in der Literaturnaja Gazeta Chattopadhyays gereimte Huldigungen abgedruckt worden waren, erschien 1952 ein kleines Bändchen mit Gedichten von Chattopadhyay und Vallathol in russischer Sprache.926 Der Titel »Indien spricht« suggerierte dem sowjetischen Publikum, dass die Lobpreisungen der beiden Autoren stellvertretend für die Haltung der ganzen indischen Autorenschaft, letztlich für die ganz Indiens zu nehmen waren. Die sowjetische Literaturkritik schätzte das Werk besonders, weil Chattopadhyay und Vallathol als »wichtige Vertreter« der indischen ›progressiven‹ Literatur »in ihren Gedichten eine tiefe Liebe zur Sowjetunion, zu den großen Führern der fortschrittlichen Menschheit, Lenin und Stalin« sowie den Dank der indischen Völker für den Sieg über den Faschismus ausdrückten. Die Gedichte betteten sich passgenau in den globalen Friedenskampf ein und zeichneten außerdem ein düsteres Bild von Indiens aktueller, nichtsozialistischer Realität mit Leid und Armut der Werktätigen. Sofronov, einer der Indienexperten im Schriftstellerverband, schlug die Gedichtsammlung umgehend für eine Stalinprämie vor. Er begründete seinen Vorschlag mit dem klassischen Kriterienmix sozialistischer Literaturkritik, nämlich mit der »hohen ideellen Zielstrebigkeit«, dem »poetischen Wert« und den »herausragenden gesellschaftlichen Aktivitäten« der Dichter.927 Auch in den folgenden Jahren richteten sowjetische Literaturfunktionäre ihr besonderes Augenmerk auf die von ihnen als ›progressiv‹ erkannten Kollegen in Indien. Aufgrund der beschränkten Kontakte und der wenig fundierten Kenntnisse über die indische Literaturlandschaft insgesamt blieb die Publikation indischer Schriften in der UdSSR sehr beschränkt, die Auswahl der Autoren ging mehr oder weniger zufällig vonstatten.928 Unter diesen Voraussetzungen 925 Vgl. Stenogramm Delegationsgespräch, 27.6.1951, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5090. 926 Vgl. Indija govorit; Pravda veka, in: Literaturnaja Gazeta, 22.12.1951. 927 Sofronov an Komitee Stalinprämien, [1952], RGALI, f. 631, op. 26, d. 5129, ll. 1–3. 928 Vgl. u. a. Leiter Gospolitgrafizdat, Gracev, an Malenkov, 10.9.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 952, l. 81.

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hielten sich etwa Krishan Chander, Ali Sardar Jafri, Abbas oder Chattopadhyay, mit Abstrichen Yashpal im Fokus der sowjetischen Aufmerksamkeit. Anand gewann, wie gesehen, im Rahmen der partiellen Öffnung wieder an Ansehen, sein Interesse am einfachen Volk wurde vom sowjetischen Literatur-Establishment neu entdeckt. Analog blieb die sowjetische Bewertung indischer Klassiker traditionellen Idealvorstellungen sowjetischer Literaturkritik verhaftet. Tagores Bedeutung ergab sich in ihren Augen aus seiner Darstellung der indischen Volksbewegung, nicht aus der künstlerischen Kraft seiner Werke. Konsequenterweise sahen sich sowjetische Orientalisten dazu veranlasst, in Auseinandersetzung mit der britischen Literaturwissenschaft antibritische Schriften Tagores vor dem Vergessen zu bewahren.929 Im Rahmen der sowjetischen Volkserziehung machten Tagores Werke bis Mitte 1953 den Löwenanteil unter den sowjetischen Übersetzungen aus.930 Mit Blick auf aktuellere Autoren Indiens entwickelten sowjetische Experten nur ganz allmählich und widerstrebend ein Gespür dafür, dass mögliche Diskrepanzen zwischen starken linken Überzeugungen auf der einen und dem Talent, diese literarisch gültig auszudrücken, auf der anderen Seite einer weiten Verbreitung und Akzeptanz dieser Belletristik noch mehr im Wege stehen konnten als reaktionäre Machenschaften.931 Erst im Zeichen des Tauwetters trauten sich sowjetische Literaturfunktionäre, bei der Auswahl indischer Autoren die literarisch begründete (Nicht-)Anerkennung in Rechnung zu stellen, die sie in ihrem Heimatland genossen.932 Die ideologische Verlässlichkeit blieb jedoch eine conditio sine qua non für eine Publikation in der UdSSR. So wurde 1955 Bhattacharyas neuer Roman, »Der auf dem Tiger reitet«, zum Druck empfohlen. Der Autor war dem sowjetischen Lesepublikum wohlbekannt. Er schildere in dem neuen Werk, lautete die Begründung für das positive Votum, nicht nur »farbig« das indische Leben, sondern befürworte auch den Kampf gegen eine kapitalistische Gesellschaftsordnung. Der antibritische Zungenschlag des Autors

929 Stenogramm Sitzung Auslandskommission/Sektion Übersetzungen SSP, 5.6.1952, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5104. 930 Vgl. Stenogramm Treffen SSP mit indischer Literaturdelegation, 27.6.1951, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5090; Denisov an Stepanov, 4.7.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 101, ll. 77 ff., hier l. 96; Aruna Asaf Ali an Simonov, 5.5.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5148, l. 9. 931 Vgl. Stenogramm Vortrag Paevskaja auf Sitzung Auslandskommission/Sektion Übersetzungen SSP, 5.6.1952, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5104; Krugerskaja und V. Rubin, Rezension zu Manuskript Chattopadhyay, [1952], RGALI, f. 631, op. 26, d. 5113. 932 Vgl. Denisov an Stepanov, 4.7.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 101, ll. 77 ff., hier l. 96; Notiz Präsidium AN an ZK, 20.8.1954, in: Esakov, Akademija Nauk 2, S. 162–164.

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war ebenfalls hochwillkommen. Der Rezensent empfahl, in einem Vorwort diesen letzten Aspekt noch eigens hervorzuheben.933 Es war daher wenig überraschend, wenn sich auswärtige Beobachter 1955 nicht des Eindrucks erwehren konnten, dass in der UdSSR nur Literatur von Kommunisten oder Linken verlegt wurde.934 »Aus ungenügender Kenntnis und manchmal aus überflüssigem Wohlwollen heraus werden in der Sowjetunion manchmal schwache Filme und schwache Autoren aus Indien hoch bewertet«, stieß Anand 1955 ins selbe Horn.935 Ende 1955 bemängelte Chrušćev schließlich höchstpersönlich die Lage im Kultur- und Literaturaustausch. »Wir kennen Indien, seine Kultur schlecht. […]. Wir übersetzen wenige Bücher«.936 Forderungen, einen umfassenden Literaturimport aus Indien als Chance zu begreifen, die sowjetische Literatur- und Leselandschaft zu bereichern, finden sich in den Akten tatsächlich nur in Ausnahmefällen und blieben in dieser ersten Phase weitgehend unerfüllt.937 In der Praxis stützten sich die sowjetischen Experten doch immer wieder auf eine kleine Zahl kooperationsbereiter indischer Autoren.938 Nichtsdestoweniger kam bereits die partielle Öffnung des sowjetischen Buchmarkts indischen (›progressiven‹) Schriftstellern entgegen, die sich für die Verbreitung ihrer Nationalkultur einsetzen wollten. Altkommunist Hiren Mukerjee agitierte beispielsweise für die Literatur seiner Heimat Bengalen.939 Daneben rechneten sich indische Autoren in der UdSSR ganz pragmatisch neue Marktchancen aus oder hofften darauf, sich über die sowjetische Verbindung besser in Indien positionieren zu können: »Sie möchten bitte so gütig sein, mir Ihre Gunst zu gewähren«, legte ein Syed Ali Anfang 1954 dem SSP seinen historischen Roman Patriotic Dancer ans Herz, allerdings ohne Erfolg.940 Für das sowjetische Ziel, eigene Literatur- und damit grundlegende Kulturnormen nach Indien zu verpflanzen, erwiesen sich die intensiveren, vorsichtig 933 Rezension E. Gal’perin, 14.3.1955, RGALI, f. 1573, op. 5, d. 28, ll. 1 f. 934 VOKS, Vermerk über Aufenthalt indischer Journalist Megani, 13.8.–6.9.1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 228, ll. 77 ff. 935 Vermerk Anand über sowjetisch-indische Kulturarbeit, Juni 1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5153. 936 Protokoll Sitzung ZK-Präsidium, 22.12.1955 in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1954– 1964 1, S. 72–75, hier S. 73 f. Vgl. Entwurf Schreiben N. Michajlov an ZK, [Dezember 1955], RGALI, f. 2329, op. 9, d. 34, ll. 1–10. 937 Vgl. Bespalov an Chruščev, 30.3.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 31 ff. 938 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Tichonov u. a. mit Abbas, 28.10.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5137. 939 Vgl. Vermerk Mukerjee, [1954], GARF, f. 5283, op. 19, d. 217, ll. 148 ff.; Vermerk Anand über sowjetisch-indische Kulturarbeit, Juni 1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5153. 940 Syed Kassim Ali an SSP, Januar 1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5146, l. 14. Vgl. Ravi Mohan Bakaya an Apletin, 17.8.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5146, ll. 43 f.

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aufgefächerten Kontakte als zweischneidiges Schwert. Die Literaturoffensive war mit technischen Problemen konfrontiert. Dazu gehörten weiterhin ungeklärte Honorarzahlungen, aber auch die langwierige Neuausstattung der sowjetischen Druckindustrie mit entsprechenden Drucktypen.941 Zudem gingen indische Autoren im Allgemeinen nach wie vor nicht davon aus, dass sie bei ihren sowjetischen Kollegen erst einmal in die künstlerische Schule gehen müssten.942 Auch ›progressive‹ Autoren setzten wie in den Vorjahren bei aller Begeisterung für die UdSSR im Kulturkontakt eigene Akzente. So mühte sich etwa der bengalische Literat Sachin Sengupta, indischen Lesern die spirituelle Nähe des sowjetischen Projekts einer »new civilization« zu indischen Vorstellungen nahezubringen.943 Schlimmer noch: Bei einem Delegationstreffen im Juli 1955 erkundigte sich der in Indien angesehene Pralhad Keshav Atre, was überhaupt ein »progressiver Autor« sein solle und berief sich auf Shakespeare, der innere Konflikte, und nicht soziale, in den Mittelpunkt seines Schaffens gestellt habe.944 Ungeachtet dieser Probleme mühten sich sowjetische Stellen ab 1953 mit neuem Elan, den Literaturexport nach Indien zu steigern. Dass das sowjetisch-indische Handelsabkommen vom 2. Dezember 1953 die Verbringung von Druckerzeugnissen aller Art nach Indien erleichterte, nahmen alle Kulturpolitiker in Moskau mit Befriedigung zur Kenntnis.945 Es folgten neue Übersetzungen in zusätzliche indische Sprachen. Das Angebot von Größen des sozialistischen Realismus, Trägern des Stalinpreises und ausgewählten russischen Klassikern von Boris Polevoj oder Nikolaj Ostrovskij über Maksim Gor’kij und Michail Šolochov bis Tolstoj und Anton Čechov wurde ausdifferenziert.946 Moskaus Orientalistik widmete sich parallel hierzu systematischer dem Einfluss der entsprechenden Autoren aus Russland und der UdSSR auf globale literarische Ent941 Vgl. Briefwechsel Apletin mit Bhattacharya, Januar bis Oktober 1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5146, ll. 25 ff.; stellv. Vors. Gosplan, Nikitin, an Malenkov, 19.2.1954, RGAĖ, f. 4372, op. 53, d. 853, ll. 36 f.; N. Michajlov an ZK, 29.7.1955 (Eingang), RGANI, f. 5, op. 40, d. 40, ll. 11 f. 942 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Anand in Auslandskommission SSP, 29.6.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5135; S. R. Banerjee an Redaktion Sovetskaja literatura, 6.12.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5148, ll. 18 f.; Mallik, Calcutta, an TASS, 11.12.1954, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5148, ll. 21 f. 943 Vgl. Sen Gupta, My pilgrimage 1, S. 316–318. 944 Stenogramm Treffen Auslandskommission mit indischer Kulturdelegation, 8.7.1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5154. 945 Vgl. exemplarisch Pozdeev an ZK mit Jahresbericht SIB Delhi für 1954, 18.2.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 23–76. 946 Vgl. stellv. MVT, Borisov, an Malenkov/Chruščev, 21.9.1953, RGANI, f. 5, op. 30, d. 31, l. 109; Beschluss SovMin, 11.11.1954, zit. in RGANI, f. 5, op. 16, d. 719, l. 73; VOKS, teilkommentierte »Bibliothek sowjetischer Literatur« für ISCUS-Filialen, englischsprachige Ausgaben, 1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 232, ll. 81 ff.

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wicklungen.947 Den sowjetischen Bemühungen kamen das indische Interesse an Gandhis ehemaligem Brieffreund, Tolstoj, sowie eine allgemeine literarische Neugier auf ausländische Literatur durchaus entgegen.948 Es erwies sich aber als Problem, dass die aktuellen Kulturträger der UdSSR auf dem literarischen Gebiet kaum Ausstrahlungskraft besaßen. Dass die sowjetische Literatur nach dem Krieg keine wahrhaft »großen Werke« mehr hervorgebracht hatte, barg eindeutige internationale Implikationen für die Anziehungskraft des sozialistischen Kulturmodells.949 »Unsere Autoren kommen nach Indien«, brachte es Jahre später der Vorsitzende des Staatskomitees für Auswärtige Kulturbeziehungen, G. A. Žukov, auf den Punkt, »aber dort weiß man nicht, wer das ist, was sie so schreiben«.950 Der Literatur- und Kulturtransfer aus der UdSSR nach Indien trug bis 1955 kaum etwas zur imperialen Agenda bei. 3.5.2. Propaganda und Informationspolitik: Von der Konfrontation zur Annäherung Mit dieser Aufgabe tat sich die sowjetische Informations- und Propagandapolitik ebenfalls schwer. Die indische Unabhängigkeit brachte für die Aktivitäten der Moskauer Propagandaapparate keine spürbaren Veränderungen mit sich. Auf der einen Seite sahen indische Behörden angesichts der recht kühlen indisch-sowjetischen Beziehungen sowie der CPI-Aktivitäten keinen Grund dafür, Werbematerialien der UdSSR Tür und Tor zu öffnen.951 Bis 1952 blieb beispielsweise im Bereich der indischen Eisenbahnen der Vertrieb sowjetischer Druckschriften untersagt. Ende der 1940er- und Anfang der 1950er-Jahre gelangten nur ein paar Dutzend sowjetische Spiel- und Dokumentarfilme nach Indien, gegenüber rund 2000 Produktionen aus den USA und aus Großbritannien.952 Unabhängig 947 Vgl. Zadači žurnala »Sovetskoe Vostokovedenie«, S. 7; Zadači vostočnoj filologii, S. 9. 948 Vgl. Beschluss ZK, 19.2.1952, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1613; Kovrigina an Suslov, 1.6.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, ll. 65 ff. 949 Notiz ZK-Abt. Belletristik und Kunst an Pospelov, 24.3.1953, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1953–1957, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 35–39. 950 Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP zur Taškenter Konferenz, 19.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6082, hier ll. 10 f. 951 Vgl. Vermerk über Gespräch V. L. Pandit mit Molotov, 10.2.1949, NAI, 1 (33)-Eur. II; V. L. Pandit an Nehru, 18.12.1947, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 472, 53; Vermerk Nehru, 2.12.1948, SWJN 2, Vol. 8, S. 325–328, hier S. 326 f. 952 Angaben über Vertriebszahlen variieren zwischen 25 und 50 sowjetischen Filmen insgesamt, für 1951 nannte VOKS die Vorführung von 11 Spielfilmen, 8 Dokumentationen und 3 Zeichentrickfilmen, 1952 wurden nur noch insgesamt 6 Filme präsentiert, vgl. Vermerk Kulturministerium, Kulturbezeihungen mit Indien, 1950–1956, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 487, ll. 1–6;

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von den Widrigkeiten indischer Politik traten ab 1947 zudem materielle und inhaltliche Probleme sowjetischer Bemühungen und Medien immer schärfer hervor. Sie sollten den sowjetischen Institutionen auf Jahre hinweg zu schaffen machen. Unter den technisch-materiellen Imponderabilien sind neben dem Mangel an qualitativ ausreichenden Übersetzungen in indische Sprachen die schlechte Sendequalität und höchst unzureichende Reichweiten sowjetischer Rundfunksendungen aus Moskau oder Taškent, niedrige Druckauflagen sowie das ungenügende Erscheinungsbild von Papier- und Fotoerzeugnissen zu nennen. So fragte sich das indische Lesepublikum, warum ein angeblich so reiches Land wie die UdSSR Zeitungen solch primitiver Machart herausbrachte. Dem Moskauer Rundfunk fehlten derweil Sprecher, die in der Lage waren, Programme auf Urdu verständlich zu verlesen. In letzterem Bereich konnte sich die Moskauer Bürokratie bis in die 1950er-Jahre hinein zum Teil durch Muttersprachler behelfen, die die CPI vor Ort auswählte.953 Schließlich erreichten Produkte, die im Kern von ihrer Aktualität lebten, aufgrund der schlechten Vertriebswege ihr indisches Publikum oft mit erheblicher Verzögerung. Insgesamt war es allerdings die inhaltliche Ausgestaltung selbst, die den zentralen Schwachpunkt der sowjetischen Anstrengungen darstellte. Bis Anfang der 1950er-Jahre erlag die sowjetische Propaganda nahezu durchweg der Versuchung, ihre quantitativen und qualitativen Mängel durch Schrillheit und das unablässige Wiederholen holzschnittartiger Gewissheiten zu kompensieren.954 Hierbei gingen sowjetische Stellen quasi axiomatisch von der »große[n] Liebe und Sympathie des indischen Volkes zur Sowjetunion« aus, um die man sich gar nicht besonders bemühen musste.955 Gebetsmühlenartig rühmten die Texte und Bilder aus der UdSSR sowjetische, insbesondere zentralasiatische und Vermerk VOKS über indische Kinotheater, 13.11.1950, GARF, f. 5283, op. 19, d. 177, l. 4 ff., 15 ff.; Denisov an Stepanov, 4.7.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 101, ll. 77 ff., hier ll. 121 f., 126 f.; Briefwechsel sowjetische Botschaft Delhi und MEA ab Mai 1949 über Soviet Film Distributor, AVP, f. 172, op. 2, papka 2, d. 2, l. 25, 58; ebd., op. 3, papka 3, d. 1, l. 42 und d. 8, l. 28. 953 Vgl. Pozdeev an Grigor’jan mit Tätigkeitsbericht SIB Delhi für 1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 148, ll. 80 ff.; Pozdeev an Pospelov, 30.3.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 663, ll. 114 ff.; Pozdeev an Grigor’jan, 19.4.1951 und 30.5.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 743, ll. 88 ff. sowie d. 479, ll. 104 ff.; Kaftanov an ZK, 26.8.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 677, l. 76; stellv. Leiter Kaderabteilung Hauptverwaltung Rundfunk, Makarov, an Chruščev, 1.2.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 663, ll. 72 ff. 954 Vgl. neben vorhergehender Anm. Pozdeev an Grigor’jan, 6.5.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 37 ff.; Pozdeev an Agitprop, Kružkov, 29.6.1953, RGANI, f. 5, o. 16, d. 646, ll. 28 ff.; Vermerke über Tätigkeit Golos Ameriki, August 1953, RGANI, f. 5, op. 16, d. 645, ll. 89 ff.; Bericht SIB Delhi, Gidaspov, 16.6.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 106 ff.; Pechatnov, Exercise, S. 12 f. 955 Tätigkeitsbericht VOKS Delhi für 1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 4, ll. 57 ff.

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kaukasische, Leistungsexplosionen in Industrie und Landwirtschaft, in Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftspolitik sowie die Erfolge in Krieg und Wiederaufbau. Dazu kamen Verweise auf die Erfolge der Volksdemokratien sowie, ab 1950, Chinas. Es musste Lesern und Hörern in Asien seltsam anmuten, wenn dabei kontinuierlich eine russische Vorreiterrolle betont wurde. Ergänzt wurde die unreflektierte Selbstbeweihräucherung des Stalinismus durch die monotone Hetze gegen »Kriegstreiber« und »Ausbeuter« in Washington und London. Dass die sowjetische Propaganda in den frühen spannungsgeladenen Phasen der sowjetisch-indischen Beziehungen mit Kritik an der Nehru-Regierung und innerindischen Prozessen nicht sparte, konnte ihre Beliebtheit im Lande kaum steigern. Insgesamt waren die sowjetischen Erzeugnisse darauf angelegt, den universalen Modellcharakter der UdSSR zu unterstreichen.956 Der erkennbaren Ignoranz gegenüber dem gesamtindischen Publikum entsprach, dass die sowjetischen Akteure Arbeitskontakte zum Unwillen der indischen Regierung vor allem mit dem verhältnismäßig kleinen Kreis indischer Kommunisten und ›Progressiver‹ pflegten. Anderweitige kritische Bemerkungen über die UdSSR bewerteten sie bestenfalls als Zeichen von Unwissen, schlimmstenfalls als reaktionär-imperialistische Attacke.957 Das kommunistische Parteiblatt Crossroads und das Verlagshaus der CPI taten tatsächlich alles dafür, die sowjetische Erwartungshaltung mit Erfolgsmeldungen zu stützen. Für das Indo-Soviet Journal der Freundschaftsgesellschaften holte sich Ende 1947 der Vorsitzende Jambhekar Tipps für die propagandistische Zuarbeit ab. Allerdings war in Indien eine reibungslose Kooperation der verschiedenen linken Gruppen keineswegs selbstverständlich. Neben politischen Aversionen erschwerten mitunter Positionskämpfe, die mit Blick auf Moskauer Kontakte und Ressourcen geführt wurden, ein gedeihliches Zusammenwirken vor Ort.958 Umgekehrt duldete Stalins xenophobes Moskau kaum indische Besucher, die dann über die 956 Die sowjetische Interpretation von Religionsfreiheit spielte im Übrigen für die stalinistische Propaganda in das sich säkular gebende Indien hinein keine wesentliche Rolle, vgl. VOKS, Juldašev, Bericht über Reise nach Indien, 7.3.–1.4.1952, GARF, f. 5283, op. 19, d. 200, ll. 1 ff.; stellv. Vors. Rat für Orthodoxe Kirche, Belyšev, an Chruščev, 23.2.1954, RGANI, f. 5, op. 17, d. 504, ll. 21 ff.; Pozdeev an ZK mit Jahresbericht SIB Delhi für 1954, 18.2.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 23–76; Dayal an K. P. S. Menon, 6.12.1948, NMML, V. L. Pandit Papers 2, 3. 957 Vgl. Vermerk Botschaftsattaché sowjetische Botschaft Delhi, Filatov, 29.10.1949, GARF, f. 5283, op. 19, d. 180, l. 1 f.; K. Michajlov an ZK, Baranov, 27.5.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 630, l. 84 ff. 958 Vgl. Entwurf ZK-Beschluss, 13.8.1946, in: Nadžafov/Belousova (Hg.), Stalin, S. 60–66, hier S. 64; sowjetische Botschaft Delhi an MID, 1950, AVP, f. 172, op. 3, papka 3, d. 8, l. 42; Halbmonatsbericht indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 31.8.1950, NAI, 88–R&I.

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UdSSR hätten berichten können. Bezeichnenderweise wurden selbst Reportagen wohlgesonnener Autoren vor der Publikation noch überarbeitet. Unabhängige Journalisten ließ die sowjetische Führung gar nicht erst ins Land.959 Noch 1955 waren keine festen indischen Korrespondenten in der UdSSR akkreditiert.960 Die skizzierten Inhalte lassen sich anhand der sowjetischen Prospekte und Materialien illustrieren, die Moskau für die bereits erwähnte internationale Wirtschaftsausstellung in Bombay bereitstellte. Sie beschrieben ausführlich die staatliche Ordnung der UdSSR mitsamt Rechten und Pflichten ihrer Bürger und der Organisation des Vielvölkerstaats UdSSR. Ein zweiter Block widmete sich in hellen Farben den Möglichkeiten und Leistungen der sowjetischen Wirtschaft, dem Lebensstandard der Bevölkerung sowie den kulturellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Angeboten. Die sowjetischen Propagandisten konnten sich nicht enthalten, darauf hinzuweisen, dass Indien in diesen Bereichen noch große Aufgaben bevorstünden. 1952 kam in diesen Zusammenhängen den »Großbauten des Stalinismus« besondere Bedeutung zu. In ihnen gipfelten, so das Begleitmaterial, die »gigantischen Erfolge« der autarken Volkswirtschaft der UdSSR, »ihrer Planwirtschaft, der erfolgreichen Erfüllung und Übererfüllung des ersten Nachkriegs-Fünfjahresplans«. Im Ganzen belegten sie demnach die »Überlegenheit des Sozialismus über den Kapitalismus«. Schlussendlich dienten die Großprojekte in der Selbstdarstellung als Beweis für die friedlichen Absichten der UdSSR. Dagegen, so diese Propagandaaktion in Indien weiter, wollten die »Imperialisten einen Dritten Weltkrieg entfesseln, das Blut friedliebender und freiheitsliebender Völker Koreas, Vietnams, Malayas vergießen«. Insgesamt hatte die Ausstellung die UdSSR als »begeisterndes Beispiel für die Werktätigen aller Länder in ihrem Kampf für Frieden, Demokratie und Sozialismus« zu präsentieren, als friedliebenden Staat voller »Menschen neuen Typs« mit höherer und produktiverer Kultur und Schaffenskraft. Da verstand es sich von selbst, dass unter anderem auch bei »allen sehr wichtigen wissenschaftlichen Erfin-

959 Aufzeichnung Gespräch K. Novikov mit Aruna Ali u. a., 6.10.1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 1 ff. Vgl. Beschluss Politbüro, 1.12.1949, RGASPI, f. 17, op. 162, d. 41 f.; Grigor’jan an Molotov, 15.12.1950, RGASPI, f. 82, op. 2, d. 1197, ll. 72 f.; Presseauswertung sowjetische Botschaft Delhi für August 1951, 17.9.1951, AVP, f. 21, op. 5, papka 7, d. 136, ll. 1 ff., 50 ff., 83 ff.; Denisov an Grigor’jan, 27.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 743, ll. 195 f. Zur Aufbereitung einzelner Artikel vgl. Aufzeichnung Gespräch Apletin mit I. Singh, 24.1.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 13 ff.; Literaturnaja Gazeta, 1.3.1950, S. 3 f.; Zorin an Grigor’jan, 17.7.1950, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 426, ll. 74 ff.; Sinelnikow, Ein indischer Journalist. 960 Vgl. Bericht über Aufenthalt Megani, 13.8.–6.9.1955, o. D., GARF, f. 5283, op. 19, d. 228, ll. 27 ff.

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dungen die Priorität bei Russland« lag.961 Neue Chancen, die die sozialistische Ordnung Frauen und Kindern eröffnete, rundeten die sowjetische Nabelschau ab.962 Die gesamte sowjetische Propaganda dieser ersten Jahre vermittelte, so konstatierten indische Sicherheitsbehörden süffisant, nur ein Gefühl: »That the USSR was a veritably Utopia, overflowing with milk & honey and the Soviet Regime just the Doctor’s prescription for the uplift of a country and the amelioration of the masses.«963 Die seit 1947 unveränderten Besichtigungstouren, die die ohnehin raren indischen Delegationen in der UdSSR absolvierten, wiederholten derlei Botschaften.964 An rein touristische Kontakte zwischen Indien und der UdSSR war in den 1940er- und frühen 1950er-Jahren nicht zu denken.965 Die niedrigen Besuchszahlen stellten nur einen weiteren Beleg für die insgesamt geringe Reichweite der sowjetischen Propagandawaffen dar. Der Direktversand sowjetischer Materialien steckte in den Kinderschuhen. Agenturen der UdSSR taten sich schwer, indische Zeitungen und Zeitschriften als Multiplikatoren zu finden.966 So wies 1949 der Verteiler des SIB-Informationsbulletins in Hindi, einer Sprache, die SIB-Informationen zufolge 79 Millionen Menschen 961 Nesterov an Suslov mit Plan sowjetischer Pavillon, 23.8.1951, dazu Vermerk Grigor’jan, 11.9.1951, und weiterer Schriftverkehr der VPK mit der Handelskammer bis November 1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 744; Grigor’jan an Nesterov, 3.11.1951, Ausstellungskatalog RGASPI, f. 17, op. 137, d. 744, ll. 23–93, Zitate l. 40 f., 64 f., 67 f., 72 f. Vgl. stellv. Vors. Komitee Rundfunk SovMin, Semin, an ZK, Baškakov, mit Sendematerial Oktober 1950 bis März 1951, 21.4.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 500, ll. 19 ff. Der Hauptprospekt erschien in einer Auflage von 200.000 Exemplaren. 962 Vgl. Arbeitsmaterial ZK-Abteilung Außenbeziehungen, 29.9.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 631, ll. 45–49; Vermerk Filatov, 29.10.1949, GARF, f. 5283, op. 19, d. 180, l. 1 f.; Kosjakina an Vertretung Delhi, Erzina, 14.6. und 12.3.1948, GARF, f. 5283, op. 19, d. 173, ll. 26 ff., 36 ff.; Erzina an Kosjakina, 2.4.1949, ebd., d. 180, ll. 8 ff. 963 Jayaram an MEA, P. A. Menon, 16.10.1948, NAI, 1 (19)-Eur. II. 964 Vgl. Aufstellung Stepanov und Leiter Sektor für internationale gesellschaftliche Organisationen, Tereškin, RGANI, f. 5, op. 28, d. 8, ll. 166 ff. Besucht wurden v. a. Moskau, Stalingrad, Leningrad, Taškent und einige weitere Orte in Zentralasien und im Kaukasus. Zum Polittourismus vgl. Gopalan, In the cause, S. 189–199; Gorsuch, There’s no place, S. 773–778. 965 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 15.6.1949, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 1, S. 373– 386; Beschluss Politbüro, 28.9.1949, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1078; Kabanov an Mikojan mit Entwurf Beschluss SovMin über »Wiederaufnahme des ausländischen Tourismus«, 23.4.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 113, l. 31. 966 Vgl. Einzelvermerke VOKS zu Ausstellungen 1949, GARF, f. 5283, op. 19, d. 177, l. 59; Adressenliste Bulletin VOKS 1948, GARF, f. 5283, op. 19, d. 173, ll. 49 ff.; [VOKS], Vermerk über indische Presse, [nach August 1946], GARF, f. 5283, op. 19, d. 143, ll. 52 ff.; K. Michajlov an ZK, Baranov, 27.5.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 630, ll. 84 ff.; Presseauswertungen sowjetische Botschaft Delhi für August 1951, 17.9.1951, AVP, f. 21, op. 5, papka 7, d. 136, ll. 1 ff., 50 ff.

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sprachen, 304 Adressen auf, die sich in Bombay, Madras und Calcutta konzentrierten. Im etwas größeren Verteiler für Urdu-sprachige Ausgaben mochten sich die alten Verbindungen zur PWA oder neue Kontakte nach Pakistan, das partiell noch über Indien mitversorgt wurde, widerspiegeln.967 Die Zeitschrift Soviet Land, die das SIB vertrieb, belieferte zum 15. Dezember 1949 insgesamt 214 Abonnenten. Dazu kamen 144 Freiexemplare und der Verkauf von 757 Ausgaben im freien Handel.968 VOKS zählte für seine Schriften zwischen 300 und 3000 Leser. Sowjetische Zeitschriften wie Novoe Vremja, SSSR na strojke oder Sovetskaja ženščina, die auch in englischer Sprache vorlagen, erreichten gleichfalls nur dreistellige Auflagen.969 Ähnlich stellte sich die Lage im Bereich visueller Medien dar. Bei Foto-Ausstellungen über die UdSSR galten Besucherzahlen von 1000 Personen bereits als meldenswerter Erfolg.970 Während der unregelmäßigen Filmvorführungen registrierte VOKS jeweils bis zu 3000 Interessierte.971 Daneben erhielt VOKS zum Beispiel 1949 gerade einmal 2377 Anfragen aus der indischen Bevölkerung, die wissens-, lesens- oder sehenswerte Materialien aus der UdSSR erbaten.972 Angesichts der langwierigen und unzuverlässigen Postwege war VOKS darauf angewiesen, den wenigen sowjetischen Delegationen entsprechende Unterlagen nach Indien mitzugeben, wiederum auf Kosten ihrer Aktualität.973 Doch auch wenn sowjetische Produktionen einmal zügig den Weg zu indischen Abnehmern fanden, bedeutete das nicht, dass die agitatorisch-meinungsbildende Wirkung im Sinne der UdSSR gelang. Mitunter verwahrten sich Inder 967 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 21.3.1950 und 6.3.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1544 sowie op. 162, d. 45; Grigor’jan an Stalin, 20.3. und 15.11.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1544 sowie f. 82, op. 2, d. 1197, ll. 6 f.; Pozdeev an Grigor’jan, 19.4.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 743, ll. 88 ff. 968 Für Urdu (20 Mio.) zählte man 414 Adressen, für Englisch dagegen 1000, vgl. Pozdeev an Grigor’jan mit Tätigkeitsbericht SIB Delhi für 1949, [o. D.], RGASPI, f. 17, op. 137, d. 148, ll. 80 ff. 969 Vgl. Aufstellung Kosjakina, 28.4.1950, GARF, f. 5283, op. 19, d. 181, l. 30. Vgl. Tab. 6 a.–c. 970 Vgl. Vermerke VOKS zu Ausstellungen in verschiedenen Städten Indiens 1949, hier Allahabad, GARF, f. 5283, op. 19, d. 177, l. 59; Pozdeev an Grigor’jan mit Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1952, 10.4.1953, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 952, ll. 136 ff. 971 Angeblich sahen 1949 knapp 270.000 Menschen in Indien sowjetische Filme: Die Zahl erscheint angesichts der Einzelunterlagen von VOKS jedoch deutlich überhöht, vgl. Vermerk VOKS über indische Kinotheater, 13.11.1950, GARF, f. 5283, op. 19, d. 177, ll. 4 ff., 15 ff. Laut sowjetischer Presse besuchten 1950 20.000 Personen das sowjetische Filmfestival in Bombay, vgl. Halbmonatsbericht indische Botschaft Moskau für die Zeit bis 15.10.1950, NAI, 88–R&I. 972 Tätigkeitsbericht VOKS Delhi für 1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 4, ll. 57 ff. VOKS zählte 1948 1300 schriftliche Anfragen; es fehlte an Literatur über die Landwirtschaft und über Nationalitätenfragen in der UdSSR. 973 Juldašev, Bericht über Reise nach Indien, 7.3.–1.4.1952, GARF, f. 5283, op. 19, d. 200, ll. 1 ff.

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schlicht dagegen, mit sowjetischen Erzeugnissen belästigt zu werden. Wohlwollendere Adressaten sahen sich von den sowjetischen Angeboten nicht ernst genommen.974 Angesichts der Überladung sowjetischer Schriften und Sendungen mit trockenen Zahlen- und Faktenkolonnen wünschten sich selbst sowjetische Vertreter vor Ort lebhaftere Artikel, »wie die, die unsere bolschewistische Presse in den vorrevolutionären Jahren geschrieben hat«.975 Für das indische Publikum war aber noch entscheidender, dass der sowjetischen selbstbezogenen Präsentation wie dem globalen antiimperialistischen Rundumschlag spezifisch indische Interessen zum Opfer fielen. 1952 sah sich beispielsweise die Auslandsredaktion des Moskauer Rundfunks nicht imstande, landesspezifische Informationen zusammenzustellen. Das führte dazu, dass etwa »Polen und Indien usw.« identische Nachrichten hörten.976 Fragen indischer Konsumenten, die sich außerhalb der präsentierten Erfolgsgeschichten bewegten – z. B. zum innersowjetischen Umgang mit Religionen, dem Verhältnis der UdSSR zur westeuropäischen Kultur, zur Repressionspolitik, zur Bedeutung Trockijs oder zu sowjetischen Leinwandstars – wurden im sowjetischen Funk, in der Presse und im Briefverkehr beharrlich ignoriert.977 Immer wieder beklagten indische Zuschriften, dass es zu wenig echtes Informationsmaterial über alle Aspekte der UdSSR gebe.978 Bei einer Gesamtbevölkerung, die sich mehrheitlich ohnehin indifferent gegenüber dem Ausland zeigte, konnte so kaum Neugier aufkommen oder Interesse geweckt werden. Auch das karg bemessene Unterhaltungsprogramm schuf keine Abhilfe, da es sich häufiger nicht am indischen Geschmack orientierte. Es muss auch dahingestellt bleiben, inwieweit Sticke-

974 Vgl. Vermerk Ivanov/Kirnasovskij 4.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 782, ll. 23–26, hier ll. 24 f.; High School Malabar, Ramakupup, an Verlag für Ausländische Literatur, 29.10.1952, GARF, f. 9590, op. 1, d. 167, l. 18. 975 Tätigkeitsbericht SIB Delhi für 1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 148, ll. 80 ff. 976 Vermerk Ivanov/Kirnasovskij, 4.4.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 782, ll. 23–26, hier l. 24. Vgl. Agitprop, Kružkov/Kovanov, an Chruščev, 28.3.1953, RGANI, f. 5, op. 16, d. 645, ll. 93 ff. 977 Vgl. Arbeitsmaterial ZK-Abteilung Außenbeziehungen, 29.9.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 631, ll. 45–49; Tätigkeitsbericht VOKS Delhi für 1949, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 4, ll. 57 ff.; Bachitov an ZK, Baškakov, 18.5.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 500, ll. 60 ff.; Plan VOKS zur Fotoausstellung über Landwirtschaft, Juni 1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 494; Andal an VOKS, 20.2.1953, GARF, f. 5283, op. 19, d. 223, l. 193; VOKS, Zuschriften 1951, GARF, f. 5283, op. 19, d. 196, ll. 19 ff. 978 Vgl. K. Michajlov an Ponomarev, 13.12.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 631, ll. 68 ff.

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reien mit Stalins Antlitz, die indischen Gästen zum Abschied überreicht wurden, diese nachhaltig positiv beeindrucken konnten.979 Vor diesem Hintergrund fielen erste Leistungsbilanzen der propagandistischen Tätigkeiten, die 1951/1952 gezogen wurden, recht nüchtern aus. Folgt man den internen Kritikern, so war in den fünf Jahren seit der indischen Unabhängigkeit in wesentlichen Punkten keine wirkliche Verbesserung eingetreten. Neben der dünnen Präsenz sowjetischer Medien, Institutionen und Akteure vor Ort wurde weiterhin die schwache Verbindung zu indischen gesellschaftlichen Organisationen und Verbänden sowie die mangelhafte Kooperation der sowjetischen Stellen untereinander konstatiert. VOKS beispielsweise standen 1951 für ganz Indien gerade einmal fünf Filmprojektoren zur Verfügung. Derweil kämpfte das SIB darum, Übersetzungen seiner Produkte endlich auch in den Hauptsprachen Malayalam, Tamil und Panjabi sicherzustellen. Die Zusammenarbeit zwischen TASS und SIB verlief noch Jahre später unbefriedigend: »Die Agentur Reuters erhält die Nachrichten von TASS früher als wir sie erhalten«, beschwerte sich die SIB-Dependance in Delhi 1954.980 Zudem störte sich die Führung in Moskau 1951/1952 recht plötzlich an der bislang verordneten aggressiven Tonlage sowie an Faktenarmut und Beliebigkeit der eigenen Darstellungen.981 Mit Erschrecken mussten sowjetische Vertreter im direkten Kontakt mit dem indischen Publikum nach fünfjähriger »Aufklärungsarbeit« eine enorme »Unkenntnis« der Bürger Indiens über die UdSSR registrieren.982 Nach Stalins Tod gewannen die Propagandaaktivitäten Moskaus zumindest quantitativ an Schwung. Dies lässt sich unter anderem am neuen Pendelverkehr von Reisenden zwischen Delhi und Moskau erkennen. Bereits Ende 1951 hatte das Politbüro im Zeichen seiner ansatzweisen politischen Flexibilisierung die 979 Vgl. Arbeitsmaterial ZK-Abteilung Außenbeziehungen, 29.9.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 631, ll. 45–49; Pozdeev an VPK, Bašakov, April 1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 481, ll. 47 f.; Bachitov an ZK, Kozlov, 16.10.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 743, l. 194; Beschluss Politbüro, 6.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1605, l. 9; I. Bol’šakov an Malenkov, 23.11.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 501, ll. 185 ff. Ivan Grigor’evič Bol’šakov, u. a. 1939–1953 Vors. Komitee/Minister für Filmwesen, 1953–1954 Erster stellv. Kulturminister, 1954–1959 stellv. MVT, 1960–1963 stellv. Vors. GKKS. 980 Efimov an Men’šikov, 6.11.1954, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 9 ff. Vgl. Bericht Gidaspov, 16.6.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 106 ff.; Pozdeev an ZK, [1952], RGANI, f. 5, op. 16, d. 678, ll. 3 ff.; SIB Delhi an Grigor’jan, 4.9.1951, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 481, ll. 80 ff. 981 Vgl. Kap. 3.1.1.; Aufzeichnung Gespräch K. Novikov mit Sundarayya, 7.8.1952, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 953, ll. 150 ff. 982 Juldašev, Bericht über Reise nach Indien, 7.3.–1.4.1952, GARF, f. 5283, op. 19, d. 200, ll. 1 ff. Vgl. Aufzeichnung Gespräch US-Vizekonsul mit Vertretern Bombay Pradesh Congress Committee, 2.8.1952, NARA, RG 59, Central Files, India, C 0057, 691.61, Reel 1.

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Einladung herausragender Persönlichkeiten Indiens zur Sitzung des Weltfriedensrats genehmigt, obwohl sie keine Mitglieder der Bewegung waren.983 Im April 1953 wurde ein Besuch von Nehrus Tochter, Indira Gandhi, in die Wege geleitet.984 Bis November 1953 zählte der ZK-Apparat bereits 117 indische Gäste, die seit Januar den Weg in die UdSSR gefunden hatten. Das war eine deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren. Im Sommer 1954 vermerkte die indische Botschaft in Moskau bereits trocken, dass die »übliche Sommerflut indischer Besucher eingesetzt habe«.985 Der Umfang der sowjetischen Reisetätigkeit nach Indien wuchs ebenfalls an.986 Ziele, Inhalte und Methoden der sowjetischen Propagandamaschinerie änderten sich in dieser Phase allerdings, wenn überhaupt, dann nur sehr langsam. Noch im März 1954 kritisierten sowjetische Offizielle in Indien die weiterhin »in unserer Presse [erscheinenden] Artikel, die das Leben in Indien einseitig beleuchten« und damit »selbst bei der progressiven Intelligenz Unzufriedenheit« hervorriefen.“987 Auf der anderen Seite sollten sich nach Meinung des Vorsitzenden des sowjetischen Friedenskomitees, Tichonov, beispielsweise ausländische Delegationen »anhand konkreter Fakten« nach wie vor insbesondere »von dem Streben des sowjetischen Volkes nach Frieden, vom grandiosen Schwung des zivilen Aufbaus in der Sowjetunion, vom ununterbrochenen Anstieg des materiellen Wohlstands der sowjetischen Menschen, von der Blüte der Kultur, der Freundschaft der Völker der UdSSR und der echten sowjetischen Demokratie überzeugen«. Zu diesem Zweck standen Besuche von Industrieunternehmen, Kolchozen, Sovchozen, gesellschaftlichen oder Sowjet-Institutionen, von Bildungseinrichtungen aller Art, von Erholungsheimen, Theatern, Museen, Konzerten und religiösen Einrichtungen gerade in Zentralasien an. Dazu kamen »Gespräche in Ministerien und mit Vertretern gesellschaftlicher Organisationen«, aber auch, und das war neu, mit Menschen auf der Straße in »nichtoffiziellen Situationen«. Bei der »bedeutenden Mehrheit« der Besucher war es Tichonovs Ansicht nach bereits 1953 gelungen, dass sie »einen grund983 Vgl. Beschlüsse Politbüro, 4. und 30.10.1951, RGASPI, f. 17, op. 3, d. 1090 sowie op. 163, d. 1604, l. 21. 984 Vgl. K. P. S. Menon, an Nehru, März/April 1954, NAI, EII/53/1363/67; Stepanov an Chruščev, 4.7.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, l. 75; Kovrigina an Suslov, 1.6.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, ll. 65 ff. 985 Bericht indische Botschaft Moskau für Juni 1954, 6.7.1954, NAI, 60–R & I/54. 986 Hier wurden für denselben Zeitraum 137 Personen gezählt, vgl. Aufstellung Kotov, 1.4.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 120, ll. 1 ff.; Panjuškin an Chruščev mit Tätigkeitsbericht Reisekommission ZK für 1953, 6.4.1954, RGANI, f. 5, op. 14, d. 15, ll. 85 ff. 987 Bespalov an Chruščev, 30.3.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 70, ll. 31 ff.

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sätzlich richtigen Eindruck über die Situation in der Sowjetunion, über ihre Außen- und Innenpolitik erhielten«. Der indische Abgeordnete Patel soll nach dem Besuch sogar seine antisowjetische Einstellung geändert und sich zu einem treuen Jünger Marx’ gewandelt haben. Negative Erfahrungen der sowjetischen Gastgeber mit ausländischen Gästen erklärte Tichonov dagegen traditionell mit der Voreingenommenheit von Ausländern, die »mit der Absicht in die UdSSR kamen, die reale Lage der Dinge zum Nutzen reaktionärer Kreise ihrer Länder zu verzerren«.988 Diverse Mängel der Besuchsprogramme konnten jedoch auch Tichonov und andere Reiseleiter nicht wegdiskutieren. Immer wieder kritisierten Gäste den völlig unzureichenden Service. Die Reisebedingungen erwiesen sich bis Mitte der 1950er-Jahre mitunter als katastrophal, die Betreuung durch Aėroflot, Inturist und andere war oftmals rudimentär. Nicht nur VOKS fehlten qualifizierte Mitarbeiter, um des neuen Zustroms ausländischer Delegationen Herr zu werden. Aus sowjetischer Sicht war es noch problematischer, dass Besuchsobjekte nicht immer sorgfältig genug ausgewählt und vor allem nicht ausreichend »vorbereitet« wurden. Der propagierten internationalen Solidarität aller Art lief schließlich zuwider, dass sich regionale Gastgeber zum Teil bei Besuchen wenig enthusiastisch zeigten. Die geplanten privaten Treffen fanden realiter nicht statt. Bei offiziösen Kontakten konnten sowjetische Vertreter allzu oft nicht auf konkrete Fragen der Gäste antworten, die eben adäquate Informationen und keine Worthülsen erwarteten. Andere lokale Funktionäre wiederum äußerten sich schlicht zu ehrlich und prangerten unverhohlen und daher wenig werbewirksam existierende Missstände an. Darüber hinaus mussten »Hunderte von Fragen – einige davon ziemlich impertinent«, mit denen sowjetische Bürger und Bürgerinnen die seltenen Gäste aus Indien überschütteten, die bisherige Informationspolitik der UdSSR über das angeblich interessante Land in Zweifel ziehen.989 988 Tichonov an Suslov, 1.2.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 119, ll. 256 ff. 989 Gandhi an Nehru, 17.7.1953, in: Gandhi (Hg.), Two alone, S. 592 f., hier S. 592. Vgl. Vinogradov, Entwurf ZK-Beschluss zur Verbesserung des Empfangs ausländischer Delegationen, 19.5.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 282, ll. 59–63. In Moskau standen Metro, Beispiele des Hochhausbaus, das Bol’šoj, Schulen, Industriewerke, die Leninbibliothek, die Tret’jakov-­Galerie, der Universitätsbau, Kinderheime, Kinos, Pionierlager, der Park Kul’tury, das Stadion, eine Kirche, Geschäfte und Peredel’kino auf dem Programm, in Erevan Kindereinrichtungen, Kultureinrichtungen von Fabriken, ein Museum, Kolchozen, Kinos, ein Sanatorium, ein Kinderkrankenhaus und die AN. In Stalingrad wurde das Museum, der Volga-Don-Kanal, das Traktorenwerk, in Taškent die zentralasiatische Universität, die AN, Pioniereinrichtungen, Theater, Fabriken, ein Museum, MTS, Kolchozen und Dammbauten besucht.

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In anderen Sektoren der Propagandaarbeit verlief die Entwicklung in den Augen der Verantwortlichen ähnlich zäh. So sendete der Rundfunk um 1954 gerade einmal drei Stunden nach Indien. Die Hälfte der Sendezeit wurde auf Englisch bestritten, so dass Moskauer Bürokraten vehement substanzielle Verbesserungen einforderten.990 Als das sowjetisch-indische Handelsabkommen vom 2. Dezember 1953 den Weg für den Export sowjetischer Druckerzeugnisse beseitigt hatte, konnten längst nicht alle sowjetischen Organisationen ihr Angebot erhöhen respektive auf weitere indische Sprachen ausweiten. Ressourcen und Aktivitäten der amerikanischen und britischen Systemgegner blieben unerreicht.991 Natürlich suchten Funktionäre aus Kulturministerium und ZK die Schuld für vergangene und aktuelle Versäumnisse weniger bei sich als bei den Frontorganisationen selbst. Die Zentrale in Moskau unterzog im Sommer 1954 insbesondere das SIB einer vernichtenden Kritik: Dessen Arbeit ziele »nicht auf den Ausbau unserer Propaganda im Ausland, sondern auf ihren Stillstand«. Der mechanische Versand von sowjetischem Pressematerial, das »ja nicht immer für ausländische Leser geeignet« sei und entsprechend spärlich seinen Weg in indische Medien fand, entsprach eindeutig nicht den Vorstellungen der neuen Machthaber von einer offensiven Außendarstellung.992 Dabei hatte der SIB-Vertreter in Delhi 1953 immerhin eine gründliche inhaltliche Überarbeitung der Propaganda, konkret, der Zeitschrift Soviet Land angeregt, um mit mehr Unterhaltung, mehr Wissenschaft und Technik, mit einer gefälligeren Präsentation und mehr Nachrichten aus dem prallen Leben der UdSSR den Leserschwund zu bekämpfen. Für Buchausgaben waren im SIB analoge Maßnahmen angedacht, ergänzt um radikale Preissenkungen.993 Ungeachtet dessen änderte sich bis 1955 nichts am Erscheinungsbild von Soviet Land.994 Trotz aller Bemühungen waren im Umfeld des sowjetischen Staatsbesuchs in Indien 1955 das SIB, aber auch VOKS oder Buchverlage nicht für eine intensive, zielgerichtete und effektive propagandistische Vor- und Aufbereitung der Visite gewappnet. Selbst 990 Vgl. Semin an ZK, Sektor Zeitungen/Radio, Kazakov, Sommer 1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 677, ll. 4 f.; Agitprop an Suslov, 13.2.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 663, ll. 118 ff. 991 Vgl. Pozdeev an ZK, 20.6.1954 und 18.2.1955, RGANI, f. 5, op. 16, d. 678, ll. 3 ff. sowie GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 23–76; Kap. 3.4.2.; I. Bol’šakov an Pospelov, 21.2.1955, RGANI, f. 5, op. 16, d. 719, ll. 33 ff.; Denisov an ZK, 27.1.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 352, ll. 31 ff. 992 Akopjan an ZK-Sekretär Pospelov, 15.7.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 678, ll. 30 ff. 993 Pozdeev an Grigor’jan mit Tätigkeitsberichten SIB Indien für 1951 und 1952, 30.5.1952 und 10.4.1953, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 479, ll. 104 ff. sowie d. 952, ll. 136 ff.; Pozdeev an Pospelov, 3.7.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 678, ll. 26 f. 994 Vgl. Bericht Gidaspov, 16.6.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 106 ff.; Il’ičev an Men’šikov, Kopie an Pozdeev, 1.4.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 155 ff.

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die sowjetische Presse verweigerte sich den Materialien von VOKS und konnte so die schmerzlich empfundenen Lücken nicht schließen.995 Novoe Vremja sei eine »besonders langweilige Zeitschrift«, goss Chruščev nach seiner Rückkehr aus Indien Öl ins Feuer.996 Das Kulturministerium stellte im Sommer 1955 zwar noch einmal eine Neuerfindung von Soviet Land zur Diskussion, wollte dabei jedoch nicht auf die traditionelle Botschaft mit ihrer naiv-positiven Betonung sowjetischer Erfolge in Außen-, Sozial- und Nationalitätenpolitik verzichten.997 Für die ersten poststalinistischen Jahre stehen nur wenige Zeugnisse zur Verfügung, anhand derer sich die indische Reaktion auf die sowjetischen Propagandaangebote erfassen ließe. Das SIB in Delhi registrierte 1954 täglich rund 100 bis 150 Zuschriften, die man mangels Personal aber nicht vollständig bearbeiten konnte.998 Ihr Tenor war ambivalent. Einzelne Briefe wurden nur geschrieben, um jede Verbindung zu sowjetischen Stellen abzubrechen, andere Absender dienten sich als »unbekannte Freunde der UdSSR« an, erbaten zusätzliche Informationsmaterialien, Briefadressen und ggf. auch Einladungen. Das Gros der Zuschriften bewegte sich zwischen diesen extremen Polen. Es wurde weiterhin gerügt, dass die sowjetischen Texte schwer verdaulich seien. Vor allem wünschte sich die indische Zielgruppe, dass sowjetische Medien endlich einmal auf ihre ureigenen Fragen und Interessen eingingen. So enthüllen die Briefe durchaus echte Neugierde indischer Menschen auf Leben und Menschen in der UdSSR. Sie war durch die sowjetischen Erzeugnisse bis dato offenkundig nicht einmal ansatzweise gestillt worden. Aus einer Mischung aus echtem Interesse und Unkenntnis heraus baten Leser beispielsweise darum, dass in den sowjetischen Schriften die Begriffe Kommunismus, Sozialismus und Kapitalismus erläutert würden, oder sie machten sich um das Verhältnis der UdSSR zum Kastenwesen Gedanken.999 995 Vgl. N. Michajlov an ZK, [Dezember 1955], RGALI, f. 2329, op. 9, d. 34, ll. 1–10; Leiter ZK-Abteilungen für Verbindungen zu ausländischen KPs und Agitprop an ZK, 21.3.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 383, ll. 30 ff.; Denisov an ZK, 11.11.1955, RGANI, f. 5, op. 16, d. 734, ll. 102 f. 996 Protokoll Sitzung ZK-Präsidium, 22.12.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 72– 75, hier S. 73 f. Vgl. Zubkov, Sovetskaja propaganda, S. 257 f.; Yegorova, The All-Union Society for Cultural Relations, S. 101. 997 Vgl. N. Michajlov an ZK, 21.6.1955, und Entwurf, RGANI, f. 5, op. 16, d. 715, ll. 34 f. sowie GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 186 ff. 998 Vgl. Efimov an Men’šikov, 6.11.1954, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 9–16. 999 Vgl. VOKS, Zuschriften Ende 1953, GARF, f. 5283, op. 19, d. 223, ll. 181, 185; Efimov an Men’šikov, 6.11.1954, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 9–16; Pozdeev an ZK mit Jahresbericht SIB Delhi für 1954, 12.1./18.2.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 23–76; Kulturministerium, Leiter Verwaltung Außenbeziehungen, Stepanov, an Men’šikov, [nach 25.12.1954], RGALI, f. 2329, op. 8, d. 119, ll. 105 f.; Pozdeev an ZK, 20.6.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 678, ll. 3 ff.

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Ähnlich diffus waren die Resultate von individuellen und Delegationskontakten. Grundsätzlich verhinderten hohe Kosten private Reisen aus Indien in nennenswertem Ausmaß. Böse Zungen sprachen anstelle des »Eisernen Vorhangs« von einem »Rubel-Vorhang«, der Touristen den Weg versperre.1000 Da sich die zahlenden Gäste bei immens hohen Kosten in Hotels nicht mit Vier- bis Sechsbettzimmern, fehlenden Duschen oder geschirrlosen Restaurants abfinden wollten, gewannen sie ihrem Aufenthalt kaum die Botschaft vom strahlenden Sozialismus ab, im Gegenteil: »All das ruft bei den Besuchern Klagen und oft Unzufriedenheit hervor und macht im Ganzen den Eindruck über die Anwesenheit in der UdSSR kaputt«.1001 Auf der anderen Seite war es nicht immer einfach, mit indischem Besuch umzugehen. Sowjetische Akteure zeigten sich von der schlechten Disziplin einzelner Reisegruppen und ihrer Unpünktlichkeit genervt, die vorbereitete Besuchsprogramme torpedierten. Eine Delegation blieb den sowjetischen Gastgebern vor allem als zerstrittener Haufen im Gedächtnis, dessen Mitglieder sich bei den Betreuern immer wieder übereinander beschwerten. Anderen Reisenden fehlte es auch nach indischen Einschätzungen schlicht am notwendigen »kulturellen Hintergrund«, so dass sie einige »unschöne Erinnerungen zurückgelassen« hätten. Im konkreten Fall waren sowjetische Besichtigungsangebote unabhängig von ihrer Güte am ignoranten Desinteresse dieser Besucher abgeprallt.1002 Ohnehin ging die übergroße Mehrheit gerade der nichtkommunistischen indischen Besucher oder Besucherinnen mit eigenen Einstellungen an die sowjetische Wirklichkeit und Propaganda heran. Diese entwickelten sie aus individuellen und indischen Gruppeninteressen und -perspektiven heraus. Mitunter galt Zentralasien ihr besonderes Interesse. Allgemein fragten sie nach konkreten Arbeits- und Lebensbedingungen und zogen Erkundigungen über den Arbeitsschutz, das Lohn- und Versicherungswesen oder die Ausbildungssituation ein.1003 Einige Teilnehmerinnen einer Delegation ließen sich beispielsweise im Juni 1953 ungehalten über die große Zahl Uniformierter auf Moskauer Straßen aus. Sie kommentierten ironisch die Schlangen vor Moskauer Geschäften und fühlten sich bei Wohnungsbesichtigungen mitunter mehr an 1000 Dev, Behind the iron curtain 2, S. 133. 1001 Kulturministerium, Vermerk über indische Kulturdelegation, o. D., RGALI, f. 2329, op. 9, d. 6, ll. 1 ff. 1002 MEA, Bericht über Kulturdelegation, [nach 24.8.1954], NAI, 10/28–XPP/54, Part II. Vgl. Kaftanov an ZK, 8.10.1954, RGANI, f. 5, op. 30, d. 71, ll. 194 ff.; Kulturministerium, Vermerk über Indische Kulturdelegation, o. D., RGALI, f. 2329, op. 9, d. 6, ll. 1 ff. 1003 Vgl. neben vorhergegangenen Anm. Abbas, I am not, S. 278 f.

Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda

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düstere Lebensbedingungen in Indien erinnert, als dass sie sozialistische Fortschritte erkennen wollten. »Die Unrichtigkeit dieser Überlegungen«, so kommentierten es die sowjetischen Betreuer in Moskau, »wurde von Mitgliedern der Delegation selbst sowie von den Begleitern der Delegation erläutert«.1004 Auf der anderen Seite gaben sich ein Jahr später mindestens zwei Mitglieder einer Kulturdelegation so beeindruckt von der UdSSR, dass sie gleich dableiben wollten. Auch ihre Mitreisenden meinten, allein in der UdSSR eine egalitäre Gesellschaft ohne die Plagen von Rassismus und drückender Armut gesehen zu haben: »­[T]here are no slums«.1005 Insgesamt bewegten sich die Wahrnehmungen und Eindrücke, die indische Beobachter aus unmittelbaren Begegnungen mitnahmen, mehrheitlich zwischen den Extremen von Gut und Böse. Daher ergab die öffentliche Berichterstattung der indischen Gäste über die UdSSR kein einheitliches Bild. Während sich einige Friedensfreunde daheim kritisch über die sowjetische Landwirtschaft äußerten, malten andere die Entwicklungen in Zentralasien in den hellsten Farben und kontrastierten die allgemeine Lebens- und Arbeitssituation in der UdSSR mit– sowjetisch geprägten – Schreckensbildern aus den USA. Dass Besucher aus Indien sich in der Sowjetunion nicht mit rassistischen Erscheinungen konfrontiert sahen, gehörte auf jeden Fall zu den positiven Erfahrungen. Die äußerst zuvorkommend behandelte und recht üppig beschenkte Indira Gandhi äußerte sich privat und in der indischen Presse freundlich über ihre Erlebnisse und hob die gelebte Gleichberechtigung der Geschlechter in der UdSSR hervor. Andere Frauen stießen sich dagegen an der deutlichen Reglementierungswut in der Sowjetunion und am Fehlen individueller Freiheiten.1006 Damit waren bis 1955 in den sowjetischen propagandistischen Bemühungen um das indische Publikum allenfalls erste Anfänge gemacht. Mittel- und lang1004 Präsidium Antifaschistisches Frauenkomitee, Saryčev, an ZK, Tereškin, Juni und Juli 1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 126, ll. 1 ff., 84 ff., Zitat l. 87. Der Delegation gehörten 15 Parteilose an, 4 Delegationsmitglieder waren in den USA wohnhaft oder hatten dort gelebt. 1005 MEA, Bericht über Kulturdelegation, [nach 24.8.1954], NAI, 10/28–XPP/54, Part II. Vgl. Kulturministerium, Aufstellungen über Aussagen und Fragen der Delegation, 8.10.1954, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 58, ll. 99 ff. 1006 Vgl. Gandhi an Nehru, 25.6., 17. und 25.7.1953, in: Gandhi (Hg.), Two alone, S. 590–594; Frank, Indira, S. 233 f.; Parfenova an ZK, 14.6.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 264, ll. 14 ff.; Frageliste indische Frauendelegation, 1954, GARF, f. 5283, op. 19, d. 216, ll. 28 ff.; Abschlussrede Frauendelegation, 27.5.1954, GARF, f. 5283, op. 19, d. 216, ll. 18 ff.; Sekretärin Antifaschistisches Frauenkomitee, Petrova, an ZK, 1.10.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 264, ll. 130 ff.; VOKS Uzbekistan an VOKS, Denisov, 3.7.1953, GARF, f. 5283, op. 19, d. 207, ll. 58 f.; Aufzeichnung Gespräch Kislova mit I. Gandhi, 1.8.1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 94, l. 78; K. P. S. Menon an Nehru, März/April 1954, NAI, EII/53/1363/67.

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fristige Erfolge würden unter anderem davon abhängen, inwieweit die sowjetischen Funktionäre in der Lage wären, Inhalte und Aufmachung ihrer Produktionen an das indische Publikum anzupassen, ohne eigene Ziele aus den Augen zu verlieren. Welches Bild der UdSSR sich in der pluralistischen Welt Indiens durchsetzen ließ, darüber bestimmten weiterhin durchaus auch Gegenwirkungen aus den USA und Westeuropa mit. Entscheidend blieb jedoch, in welchem Ausmaß die indischen Rezipienten bereit waren, Denkanstöße von außen aufzunehmen und in welchen Kontexten und zu welchen Zwecken sie diese verarbeiteten. Hinsichtlich indischer Maßnahmen konnten die folgenden Jahre zeigen, ob Delhi zur Aktivierung der eigenen Außendarstellungen willens und in der Lage war – und ob die sowjetische Gesellschaft und Politik sich indischen Einflüssen gegenüber öffnen wollte.

4. Sowjetisch-indische Beziehungen 1955 bis 1964/65: Umstrittene Ziele, ambivalente Entwicklungen

4.1. Akteure und Institutionen Wie gesehen, trachtete der Kreml noch unter Stalin danach, die Beziehungen zu Indien in den relevanten Sphären auf eine breitere Basis zu stellen. Die Einbettung der bilateralen Kontakte in den Systemwettkampf sowie die grundsätzliche Aversion Moskaus gegen die bourgeoise Regierung Nehru blieben davon unberührt. Stalins Nachfolger nahmen die zwiespältigen Ansätze des Spätstalinismus auf. In den internen Machtkämpfen des Kremls hatte sich auch herauszustellen, ob die erweiterten Kontakte zu einer stringenteren Umarmungstaktik oder gar zu einer weiter reichenden Neujustierung der sowjetischen Beziehungen mit Indien führen sollten, mit allen Konsequenzen für die institutionellen Instrumente und ihre – fortwährend vor allem männlichen – Akteure. Die sowjetischen Vorstellungen arbeiteten sich zudem an einem zunehmend selbstbewussten Indien ab. Der neue Staat hatte sich unter Nehrus Führung konsolidiert. Die indischen Diskussionen um die Ausformung der Republik und ihre innen- und regionalpolitischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Leitnormen waren jedoch keineswegs abgeschlossen. Sie blieben mit internationalen Orientierungen und Aktivitäten indischer – gleichfalls ganz überwiegend männlicher – Akteure verwoben. Dabei erwies sich Delhis bürokratisch-organisatorisches Instrumentarium für die Pflege und Gestaltung internationaler Beziehungen weiterhin als ausbaufähig. Vor diesem Hintergrund sticht das Jahr 1955 mit seinen Gipfeltreffen, dem intensivierten Delegationsverkehr und einem kompakten Kulturaustausch als besonders intensive Begegnungsphase hervor. In der Dichte der Begegnungen kulminierten die Entwicklungsansätze der vergangenen Jahre. Sie beschrieben zugleich die Ausgangsbasis für die nächsten Jahre und für den potentiellen Aufbau von Beziehungen neuer Qualität. Die politischen Spitzen, Chruščev und Nehru, verkörperten das komplexe Verhältnis zwischen dem Willen zum – partiellen – Neuanfang und überkommenen Vorprägungen und Grundannahmen. Es bestimmte in den kommenden Jahren Wahrnehmungen, Deutungs- und Handlungsmuster aller relevanten Akteure.

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4.1.1. UdSSR 4.1.1.1. Politische Führung, Partei und Ministerien

Nach Stalins Tod ist es nicht mehr zu einer neuen, unbeschränkten Alleinherrschaft gekommen. Die Machtkämpfe und -verschiebungen in der Moskauer Parteispitze nach 1953 mit dem Sturz Malenkovs (1955), den Auseinandersetzungen um die »Anti-Parteigruppe« (1957), der Degradierung Žukovs (1957), der Vereinigung von Regierungs- und Parteiführung in der Hand Chruščevs (1958), den Umbauten im ZK-Sekretariat (1960) und im ZK-Präsidium (1961) oder Implikationen der schweren Erkrankung von Frol Kozlov (1963) müssen hier nicht weiter beschrieben werden. Insgesamt setzte der neue starke Mann, Chruščev, darauf, seine Machtposition in den zentralen Gremien von Partei und Staat durch Vertraute oder neue Protegés abzusichern. Persönliche Loyalität blieb ein wichtiges Kriterium für den politischen Auf- und Abstieg. Auf diese Weise beschränkte sich die kollektive Führung im ZK-Präsidium gerade in internationalen Fragen mittelfristig darauf, Entscheidungen eines von Chruščev dominierten engeren Spitzenzirkels abzustempeln.1 Es hatte seinen Preis, dass die sowjetische Außenpolitik in den Händen Weniger konzentriert blieb. »Ich war 12 Tage [in Indonesien]«, beklagte sich z. B. Chruščev im Oktober 1961, »und zwei Tage hätten gereicht, weil ich nur die Haupttanzperson war […]. Anastas tanzt besser, ich denke, er würde damit zurechtkommen, aber lohnt es sich, dafür nach Indonesien zu fahren, soll er doch nach der Arbeit zu Hause tanzen.« »Wir, Genossen«, so Chruščev weiter, »verbrauchen zu viel Zeit für Empfänge und alle möglichen diplomatischen Dinge. […]. Wir haben einfach die physische Möglichkeit nicht. So darf das nicht sein, Genossen. […]. Jetzt wollen alle empfangen werden – früher konnten keine zehn Pferde jemanden dazu bringen, in unser Land zu kommen, aber

1 Vgl. Suškov, Prezidium CK KPSS; Titov, The Central Committee; Fursenko/Naftali, Khrushchev’s cold war, S. 16–34, 155 f., 202, 273; Richter, Khrushchev’s double bind, S. 1–31; Burlackij, Nikita Chruščev, S. 237–245. Frol Romanovič Kozlov, u. a. 1950–1952 erster Sekretär Leningrader Gorkom, 1953–1957 erster Sekretär Leningrad Obkom, 1958–1960 erster stellv. Vors. SovMin, 1960–1964 ZK-Sekretär, 1957–1964 Mitglied ZK-Präsidium; Georgij Konstantinovič Žukov, u. a. 1942–1946, 1953–1955 (erster) stellv. Volkskommissar für Verteidigung/Verteidigungsminister, 1955–1957 Verteidigungsminister, 1957 Mitglied ZK-Präsidium.

Akteure und Institutionen

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heute kann man sich ihrer nicht mit einem Knüppel erwehren.«2 Trotz dieser Tiraden zog Chruščev keine Konsequenzen.3 Derlei Klagen spiegelten letztlich ein geändertes Verhalten der sowjetischen Führung auf internationalen Foren wider. Der Erste Sekretär setzte sich in seinem Grundverständnis der internationalen Sphäre bewusst als ein »Nicht-Stalin« von seinem Vorgänger ab.4 Die tatsächlichen Wandlungen lassen sich anhand des Kategorienkatalogs, der für die Analyse sowjetischer internationaler Beziehungen der Stalin-Ära genutzt wurde, skizzieren: Dieser enthielt Klassenbeziehungen, die Hierarchisierung der internationalen Landschaft, beides verbunden mit dem Projekt des »neuen Menschen«, sowie den Umgang mit Abweichungen. Er deckt, wie bereits erläutert, asymmetrische Beziehungsstrukturen zwischen Zentrum und Peripherie, Zivilisierungsmissionen sowie inhärente Gewaltbereitschaft als wesentliche imperiale Kennzeichen ab.5 Für Chruščev stand außer Frage, dass die Entscheidung im globalen Klassenkampf auf friedlichem Weg gesucht werden musste. Überzeugt vom unausweichlichen Siegeszug des Sozialismus, nahm er sowjetische Entwicklungen im wirtschaftlichen, technischen und militärischen Feld positiv wahr. Dies und die dynamischen Prozesse in der Dritten Welt führten dazu, dass Chruščev auf Offensive setzte. Daher gehörten in der klassenkämpferisch-konfrontativen Grundkonzeption politische, militärische, propagandistische und wirtschaftliche Druckmittel bzw. Drohkulissen weiterhin zum Arsenal des Kremls. Die misstrauische Frontstellung gegenüber den Führungsmächten der kapitalistischen Welt, das Bewusstsein um die eigene, politische, wirtschaftliche wie militärstrategische Verwundbarkeit und die systembedingte Abhängigkeit außenpolitischen Handels von der impulsiven Figur des Ersten Sekretärs führten dazu, dass die Grenzen zwischen sowjetischer Aggressionsbereitschaft und defensiv motivierten Drohgebärden von außen nicht immer klar zu erkennen waren. Gegenüber neutralen Mächten erhöhten sich Chruščevs kurz- und mittelfristige Toleranzgrenzen, insbesondere, was ihre inneren Angelegenheiten betraf. Auf Dauer galt es in seinen Augen indes, dass die neuen Staaten für die sowjetisch-sozialistische Sache zu gewinnen waren. Die komplexen Strategienbündel sowie die in der Praxis enorme Bandbreite und schwierige Berechenbarkeit sowjetischer inter2 Chruščev vor ZK-Präsidium, 17.6.1961, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 510–529, hier S. 523. Vgl. Kempe, Berlin, S. 326 f. 3 Vgl. US-Botschafter Moskau, Kohler, an State Department, 16.3.1963, FRUS 1961–1963 V, Dokument Nr. 304. 4 Begriff nach Zubkova/Zubkov, Das große PR-Projekt, S. 212–220, hier S. 212. 5 Vgl. Kap. 3.1.1.

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nationaler Aktivitäten führten dazu, dass sich Chruščevs grundsätzlich größere Aufgeschlossenheit für breitere Allianzen im Kampf gegen den Imperialismus nicht in einer durchgängig stringenten Positionierung der UdSSR niederschlug. Dazu kam, dass die Vorstellungswelt der sowjetischen Spitzenpolitiker auch nach 1953 respektive 1955 von einem vermeintlichen qualitativen Vorrang des sowjetischen neuen Menschen ausging. Dessen Wesensdefinition und Charakteristika orientierten sich wiederum an der slawischen Avantgarde im Imperium. Erst die Übernahme des sozialistischen Systems à la Russe würde diese Hierarchisierung, die auch international und damit gegenüber den »jungen« Völkern und Staaten in der Dritten Welt wirksam war, obsolet machen.6 Die Omnipräsenz Chruščevs und seiner engsten Mitstreiter in der internationalen Arena diente immer auch dazu, die neue Linie gegen Widerstände im eigenen Haus durch- und umzusetzen. Vertreter fundamentaler Gegenpositionen waren weitgehend machtlos, solange der Gesamtkurs des Ersten Sekretärs in Innen-, Wirtschafts- und Außenpolitik Erfolge verhieß oder zumindest bei einer schweigenden Mehrheit als das kleinere Übel akzeptiert wurde – und solange er nicht grundsätzlich an Selbstverständnis und Gesamtstellung der Parteikader an sich rührte. Im Unterschied zur Stalin-Ära blieben Kritiker von Chruščevs außenpolitischem Kurs sichtbar und suchten ihrerseits nach Einfluss- und Ausdrucksmöglichkeiten. So bekleidete der Altstalinist Vorošilov noch Anfang 1960 den repräsentativen Posten des Staatsoberhaupts. In dieser Funktion demonstrierte er während seines Indienbesuchs, dass er die geänderte Qualität sowjetischer Beziehungen zu einem nichtsozialistischen Land nur bedingt vertreten wollte oder konnte. Es waren andere sowjetische Repräsentanten, die sich nach der Rückkehr über ein unmögliches Verhalten Vorošilovs empörten: Er habe ein Gespräch mit Nehru abgebrochen, nach der Besichtigung des Taj Mahal öffentlich verächtlich ausgespuckt, anstelle des offiziellen Besichtigungsprogramms auf Treffen mit Werktätigen und »Proletariern« insistiert und außerdem eigenmächtig den chinesischen Botschafter empfangen.7 In Verbindung mit aktuellen vergangenheitspolitischen Debatten im ZK bot Vorošilovs Mischung aus proletarischer Diplomatie alter Schule und Abweichungen von Chruščevs außenpolitischem Kurs die Gelegenheit, sich der letzten Altlast zu entledigen. 6 Vgl. Taubman, Khrushchev; Richter, Khrushchev’s double bind, S. 52–60; Pavlenko, Die Transformation; Burlackij, Nikita Chruščev, S. 97 ff.; Hopf, Moscow’s foreign policy, S. 673–682; Hopf, Reconstructing, S. 146–177. 7 Vgl. Stenogramm Sitzung ZK-Präsidium, 9.2.1960, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 435 f.; Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 141–144; Chruščev, Vremja 3, S. 354; Suchodrev, Jazyk, 157–166, 175–178.

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Für Vorošilov rückte Leonid Brežnev auf den Sitz des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets. Chruščevs zukünftiger Nachfolger unterstützte einstweilen dessen Außenpolitik. Generell symbolisierten beide, Chruščev und Brežnev, dass die poststalinistische Führungsgruppe sich aus dem Personal rekrutierte, welches seine politisch-ideologische Prägung in Hochzeiten des Stalinismus erfahren hatte. Auf der obersten Ebene zählte daneben weiterhin Chruščevs Mitstreiter Mikojan zu dieser Gruppe. Während Chruščevs Gegenspieler Molotov 1956 das Außenministerium verlor und 1957 endgültig demontiert wurde, stärkte Mikojan dem Ersten Sekretär als Mitglied des ZK-Präsidiums, als (erster) stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats und als Mitglied des Verteidigungsrats den Rücken. Darüber hinaus blieb Mikojan der Wirtschaftspolitik treu. Bis 1960 unterstand ihm die (Ende 1956 gegründete) Kommission des Präsidiums des Ministerrats für außenwirtschaftliche Fragen, und er führte im Präsidium selbst die Kontrolle über die für den Außenhandel relevanten Ministerien und Behörden. Auf der Basis gemeinsamer Grundüberzeugungen wagte es Mikojan zumindest in Einzelfragen von internationaler Bedeutung, Chruščev offen zu widersprechen. Im Januar 1960 musste Mikojan den Vorsitz der Außenwirtschaftskommission wieder abgeben, denn Chruščev achtete darauf, dass auch Getreue durch Ämterkumulation keine unabhängige Machtstellung erreichten. Ungeachtet dessen beließ er Mikojan weiterhin die Oberaufsicht über die Außenwirtschaft und setzte ihn beispielsweise in den delikaten Gesprächen während der Kubakrise ein.8 Dass Chruščev ein gewiefter Machtpolitiker war, musste auch ein neuer Stern am Parteihimmel, Nurridin A. Muchitdinov, zur Kenntnis nehmen.9 1957 sprach dessen in den vergangenen Machtkämpfen bewiesene Loyalität für eine Förderung durch Chruščev. Zugleich schien es dem Ersten Sekretär von Vorteil, »nicht nur einen Vertreter des ukrainischen Volks, sondern auch einen Vertreter Uzbekistans in der Leitung« zu haben: »[D]as ist ein muslimisches Volk, bei

8 Vgl. Haslam, Russia’s cold war, S. 139 f.; Pavlov, Anastas Mikojan, S. 323–355, 387–389. 9 Muchitdinov gehörte zu den regionalen Parteigrößen, die aufgrund ihrer Unterstützung für Chruščev in der Auseinandersetzung mit der »Anti-Partei-Gruppe« ab 1957 in oberste Positionen aufrückten, vgl. Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 44 f., 92 f., 135–137; Muchitdinov, Gody, S. 44; Kirasirova, Sons, S. 113–118. Nuritdin Akramovič Muchitdinov, u. a. 1950 ZK-Sekretär KP Uzbekistan, 1951–1953, 1954–1955 Vors. SovMin UzSSR, 1955–1957 erster Sekretär KP UzSSR, 1957–1961 ZK-Sekretär.

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uns in Innen- und Außenpolitik wird das sehr gut aufgenommen werden«.10 In der Folgezeit übernahm Muchitdinov den Vorsitz der Außenpolitischen Kommission des Nationalrats der UdSSR (1958). Das Gremium hatte allerdings wie die Auslandskommission des Unionsrats des Obersten Sowjets der UdSSR vornehmlich repräsentative Aufgaben.11 1961 verlor Muchitdinov seinen Sitz im ZK-Präsidium. Ihm gelang es nicht einmal mehr, sich im ZK-Sekretariat zu halten. Zu diesem Zeitpunkt wendete Chruščev Muchitdinovs Herkunft ins Negative: »Er hat noch Überbleibsel eines Bajs an sich«.12 In den wenigen Quellen treten außenpolitische Ambitionen sowie ein hohes nationales Selbstbewusstsein, vor allem aber Chruščevs Ängste vor neuen Machtplänen und -zirkeln der zweiten Reihe als wahrscheinliche Gründe für Muchitdinovs unvermittelten Abstieg hervor.13 Die Personal- und Machtpolitik des Ersten Sekretärs tangierte auch Spitzenkräfte, die Arbeitsfelder beackerten, die eher für die theoretischen Grundlagen der Außenpolitik als für ihre Praxis von Bedeutung waren. Dazu gehörte der unermüdliche Suslov. Er leitete 1958 bis 1961 die ZK-Kommission für Ideologie, Kultur und internationale Verbindungen, schien im Umfeld des 22. Parteitags jedoch Hierarchieplätze zu verlieren.14 Auch im erweiterten Führungskreis der international direkt oder indirekt relevanten parteiamtlichen Einrichtungen hielten sich nach 1955 vielfach Funktionäre, die sich bereits unter Stalin als verlässlich und ausreichend anpassungsfähig erwiesen hatten. Hierzu zählten, mit Zuständigkeiten für Kultur, Ideologie oder Außenbeziehungen, unter anderem die ZK-Sekretäre und -Abteilungsleiter 10 Chruščev auf ZK-Plenum 16.–17.12.1957, zit. nach Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 44 f. Vgl. Muchitdinov, Gody, S. 156 f., 312 f.; Donaldson, Soviet policy, S. 118 f.; Simon, Nationalismus, S. 288–293. 11 Vgl. Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 71 f.; Protokoll ZK-Plenum Nr. 3, 23.4.1962, RGANI, f. 2, op. 1, d. 583, ll. 2 ff. 12 Chruščev vor ZK-Präsidium, 9.3.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 549 f., hier S. 550. Vgl. Grinevskij, Tajny, S. 135 f. 13 Vgl. Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 193–196; Mikojan/Medvedev, Neizvestnaja Furceva, S. 40–43; Mlečin, Furceva, S. 269–282; Muchitdinov, Gody. Daneben mögen betrügerische Wirtschaftspraktiken in Tadžikistan eine Rolle gespielt haben, vgl. Kalinovsky, Not some British colony, S. 216 f. 14 Vgl. Beschluss ZK-Präsidium, 3.1.1958, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 755; Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 30 f., 158 f., 194 f., 203 f., 221 f.; Gromyko an Außenpolitische Kommission ZK, 28.10.1965 und 14.2.1966, RGANI, f. 5, op. 30, d. 480, ll. 142 ff. sowie d. 489, ll. 32 ff. Mitglieder der Ideologie-Kommission waren daneben Kuusinen, Muchitdinov, Furceva, Pospelov. Otto Vil’gel’movič Kuusinen, u. a. 1921–1939 Sekretär Ispolkom Komintern, 1940–1956 Vors. Präsidium Oberster Sowjet Karelo-Finnischer SSR, 1957–1964 ZK-Sekretär, 1952–1953, 1957–1964 Mitglied ZK-Präsidium. Ekaterina Alekseevna Furceva, u. a. 1957–1961 Mitglied ZK-Präsidium, 1956–1960 ZK-Sekretärin, 1960–1974 Kulturministerin.

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Jurij Andropov, Boris Ponomarev, Petr Pospelov, Dmitrij Polikarpov und Leonid Il’ičev.15 Mit der Ausweitung der internationalen Aktivitäten der UdSSR vergrößerte sich sukzessive der Kreis der ZK-Mitarbeiter, die in Einzelfragen bilateraler oder multilateraler Beziehungen regelmäßig Mitsprache- oder Kontrollrechte beanspruchten: Zu nennen wären hier neben wirtschaftlichen Fachabteilungen insbesondere die, im Laufe der Jahre immer wieder umorganisierten, ZK-­ Abteilungen und -Kommissionen für Kultur, Wissenschaft, Hochschulen und Bildung. Hier konnten Kader wie Vladimir Kirillin ebenfalls auf (wissenschafts-) politischen Erfahrungen aufbauen, die bis in den Stalinismus zurückreichten.16 Analoge kaderpolitische Entwicklungen lassen sich in den international tätigen Fachministerien und -behörden nachverfolgen. Im MID – die Außenministerien der Republiken spielten weiterhin eine nur repräsentative Rolle – rückten nach Molotovs Sturz im Stalinismus geprägte, auch aus Sicht der neuen Parteiführung verlässliche Parteifunktionäre auf Leitungsposten, an der Spitze Dmitrij Šepilov.17 Šepilov, studierter Gesellschaftswissenschaftler und Agronom, leitete ab 1937 einen Sektor im Wirtschaftsinstitut der Akademie der Wissenschaften. Den Krieg erlebte Šepilov als Politischer Leiter verschiedener Kampfeinheiten. Nach 1945 konzentrierte sich Šepilov ganz auf die ideologisch-politische Sphäre der Restalinisierung und wechselte zwischen Führungspositionen für Propaganda und Agitation im ZK und der Redaktion der Pravda. Bereits 1955 avancierte er zum ZK-Sekretär. Ab Juni 1956 übernahm Šepilov den Posten des Außenministers, kehrte allerdings bereits Anfang 1957 auf den Sitz des ZK-Sekretärs zurück. Ob er in den Augen des ZK-Präsidiums nur die unmittelbaren Aufräum- und Konsolidierungsarbeiten nach Molotov zu überwachen hatte oder näher an den Machtkämpfen in der Parteizentrale sein wollte bzw. 15 Jurij Vladimirovič Andropov, u. a. ab 1947 zweiter Parteisekretär der Karelo-Finnischen SSR, 1954–1957 Botschafter in Ungarn, 1957–1967 Leiter der ZK-Abteilung für die Verbindung mit kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder, 1962–1967 ZK-Sekretär; Petr Nikolaevič Pospelov, u. a. 1940–1949 Chefredakteur Pravda, 1953–1960 ZK-Sekretär, 1961–1967 Direktor Institut für Marxismus-Leninismus ZK, 1957–1961 Kandidat ZK-Präsidium; Dmitrij Alekseevič Polikarpov, u. a. 1941–1945 Leiter des Rundfunkkomitee der UdSSR, 1955–1962 Leiter der ZK-Kulturabteilung, 1962–1965 stellvertretender Leiter ZK-Ideologieabteilung, 1965 Leiter ZK-Kulturabteilung, 1961–1965 ZK-Kandidat. 16 Vladimir Alekseevič Kirillin, u. a. ab 1938 im Moskauer Energie-Institut, 1954 stellv. Minister für Hochschulen, 1955–1963 Leiter ZK-Abteilung für Wissenschaft und höhere Lehreinrichtungen, 1963–1965 Vizepräsident der AN, seit 1965 stellv. Vors. SovMin. Vgl. zum Kultursektor Mlečin, Furceva, S. 286–291, 339–342. 17 Vgl. u. a. MID RSFSR, Men’šikov, an ZK-Büro RSFSR, Tätigkeitsbericht für 1963, 28.2.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 422, ll. 34 ff.; Muchitdinov, Gody, S. 151, 156; Aspaturian, The Union republics.

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sollte, sei dahingestellt. Auf jeden Fall setzte Šepilov aufs falsche Pferd. Da er sich im Sommer 1957 auf die Seite Molotovs und anderer Chruščev-Gegner geschlagen hatte, verlor er seine Spitzenpositionen. Deutlich mehr Geschick im politischen Überleben entwickelte Andrej Gromyko. Gromyko hatte seine Karriere im NKID 1939 begonnen. Er erwarb seine Auslandsexpertise unter anderem an Brennpunkten des Kalten Kriegs. Dazu bewährte er sich als unbedingt loyaler Repräsentant ohne politische Eigenständigkeit. Dies waren Qualifikationen, die Gromyko, seit 1946 stellvertretender respektive erster stellvertretender Außenminister, im Februar 1957 zum Außenminister werden ließen. Seine Rede auf dem ZK-Plenum im Juni 1957 bewies Chruščev, dass die Wahl auf den Richtigen gefallen war: Treu folgte Gromyko den stärksten Bataillonen.18 Auch Gromykos Führungskollegen im MID, die unter Stalin erste Karrieresprünge geschafft hatten, waren nicht mehr als verlässliche ›Transmissionsriemen‹. Sie zeigten in den 1950er- und 1960er-Jahren trotz unbestreitbarer Auslandsexpertise keinen Ehrgeiz, ihre internationalen Erfahrungen für eigene Denkansätze fruchtbar zu machen.19 Auf der anderen Seite konnten sich unter diesen klaren Prämissen von Anleitung und Gefolgschaft Führungskader wie die stellvertretenden Außenminister Vasilij Kuznecov, Nikolaj Firjubin, Zorin, Malik und Georgij Puškin auf längere Zeit im MID einrichten. Aufrücker aus einer jüngeren Generation wie Sergej Lapin, ab 1962 stellvertretender Außenminister, hatten bis 1953 nur zweitrangige Positionen in Partei und Behörden erreicht, wiesen dann allerdings analoge Karrierewege auf.20 Die Personalpolitik im streng hierarchisch geführten MID hatte wie zu Stalins Zeiten vor allem sicherzustellen, dass das Außenministerium Direktiven der Partei genau ausführte. So überwogen auf den folgenden Leitungsebenen gleichfalls Mitarbeiter, die sich bereits unter dem Diktator verdient gemacht hatten. Altbotschafter Novikov übernahm, wie erwähnt, 1953 für knapp zwei 18 Vgl. Rede Gromyko auf 4. Sitzung, 25.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, Kovaleva u. a. (Hg.), S. 228 ff., hier S. 230–235; Goreslavskaja, Andrej Gromyko, S. 140, 169–172; Grinevskij, Tauwetter, S. 40–47. 19 Begriff nach Subok, Sowjetische Westexperten, S. 110. Vgl. English, Russia, S. 103–107. 20 Vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 107; Suchodrev, Jazyk, S. 208. V. Kuznecov war bis 1977, Zorin bis 1965, Malik, zwischenzeitlich Botschafter in London, ab 1960 bis 1980 stellv. Außenminister. Nikolaj Pavlovič Firjubin, u. a. 1954–1955 Botschafter in Prag, 1955–1957 Botschafter in Budapest, 1957–1983 stellv. MID, 1956–1966 ZK-Kandidat; Sergej Georgievič Lapin, u. a. 1960–1962 MID RSFSR, 1962–1965 stellv. MID, 1965–1967 Botschafter in China. Vgl. dazu Georgij Puškin, wie Kap. 3.1.1., Anm. 36.

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Jahre die Leitung der Südostasienabteilung im MID. Ihm folgte 1955 sein bisheriger Stellvertreter, B. Volkov, nach.21 Volkov wurde Ende der 1950er-Jahre, 1958, durch Viktor Lichačev ersetzt.22 Als im September/Oktober 1961 eine neue Südasien-Abteilung aus der Südostasienabteilung herausgelöst wurde, avancierte Lichačev zum ersten Leiter. Er blieb bis 1967 im Amt. Sein Stellvertreter Šped’ko brachte aus Botschafterjahren in Afghanistan und Pakistan regionale Fachkompetenz mit.23 Spätestens seit Mitte der 1950er-Jahre verfügten die Mitarbeiter hier wie im ganzen MID zumindest über die notwendigen Sprachkompetenzen, jüngere Kader über breitere Auslandskenntnisse.24 Im Vergleich zur Stalin-Zeit hatte sich auch der Informationspool der Ministerialen erweitert. So durfte man nach 1953 im MID die regierungsamtliche und konservativere Tagespresse aus Indien lesen.25 Die organisatorische Ausdifferenzierung des MID, die die wachsende Teilnahme der UdSSR an globalen Aktivitäten und Institutionen widerspiegelte, erforderte innerhalb des Hauses eine enge, abteilungsübergreifende Kooperation, die nicht immer gewährleistet schien.26 Loyalität zur Partei war schließlich auch ein wesentliches Erziehungsziel der gesamten Nachwuchsarbeit. So stellte beispielsweise die Partei ab 1956 50 Prozent der Erstsemester, die sich am Institut für Internationale Beziehungen auf 21 Auf den Stellvertreterposten rückte Fedor Dolja nach. Fedor P. Dolja, ab 1938 im NKID, 1948 Chargé d’Affaires in Pakistan, ab 1960 an der Botschaft Delhi. Daneben lässt sich ein Maksimov als stellv. Abteilungsleiter unter Volkov fassen. 22 Volkov wechselte auf den Botschafterposten in Indonesien. 23 Vgl. Vermerk zu Gespräch DDR-Botschaftsrat Thun mit Šped’ko am 1.11.1961, 2.11.1961, PA AA, MfAA, A. 157, Bl. 203 f. 24 Insgesamt beherrschten rund 70 % der MID-Angehörigen ein bis zwei Fremdsprachen, vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 56 f. Mit Blick auf Hindi-Kenntnisse war das Urteil auswärtiger Diplomaten übrigens uneinheitlich, vgl. Vermerk zu Sprachfertigkeiten russischer Diplomaten, [1957], NARA, RG 59, Lot Bureau of European Affairs, Office of Soviet Union Affairs, Subject Files 1957–1963, Box 9. Zu Ausbildungsgängen ab 1958 für UN-Mitarbeiter vgl. Kosygin an GKĖS, 30.11.1962, GARF, f. 5446, op. 96, d. 1185, ll. 72 ff., zum Ausbildungswesen im MGIMO vgl. English, Russia, S. 103 f. 25 Vgl. Aufzeichnung Gespräche DDR-Delegation im MID, 14.–16.10.1957, SAPMO-BArch, DY  30/IV 2/20/88, Bl.  28 ff., hier Bl.  108; Aufstellung von Zeitungen/Zeitschriften für ZK-Abonnement, September 1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 6, ll. 36 ff. 26 Die Abt. für Internationale Organisationen verfügte etwa über ein Referat für koloniale Fragen und UN-Treuhandschaftsrat, die Abteilung für Internationale Wirtschaftsorganisationen über Experten für ECAFE, ECOSOC und »imperialistische Interessenvereinigungen und […] Organisationen«, vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 17.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/ IV 2/20, Nr. 88, Bl. 135, 187–189. Insgesamt erhöhte sich die Zahl der Länder, mit denen die UdSSR diplomatische Beziehungen unterhielt, allein zwischen 1955 und 1963 um 29 auf 84, vgl. Gromyko an ZK, 8.2.1963, RGANI, f. 5, op. 30, d. 422, ll. 17 ff.; Revell/White, The USSR.

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den diplomatischen Dienst vorbereiteten.27 »Da jedoch diese Studenten über keine Lebenserfahrungen und Erfahrungen in der praktischen politischen Arbeit verfügen«, hieß es zudem, »ist man bestrebt, die leitenden Stellen, wie Botschafter und Rat, aus dem Partei- und Regierungsapparat zu nehmen«.28 Auf diese Weise kam es auch im diplomatischen Außendienst ab Mitte der 1950er nur zu graduellen Änderungen des ideologischen Gesamtprofils. Dabei gab sich Michail Men’šikov, seit November 1953 Botschafter in Delhi, getreu der neuen Vorgaben jedoch deutlich umgänglicher als seine Vorgänger. Nun war es am indischen MEA, die wieselhafte Geschäftigkeit des Amtsträgers, der jede Gelegenheit für Kontakte nutzte, als schwer kontrollierbar zu beklagen.29 Moskau dagegen war von der Tätigkeit Men’šikovs angetan. 1956 rückte er ins ZK auf, 1957 bis 1962 war er sowjetischer Botschafter in Washington, danach, bis 1968, Außenminister der RSFSR. Die folgende Amtszeit von Pantelejmon Ponomarenko als Botschafter in Delhi währte nur zwei Jahre, 1957 bis 1959. Ponomarenko war gleichfalls noch unter Stalin in die Parteiprominenz aufgestiegen.30 Er bewies nach 1953 gegenüber der neuen Führungsmannschaft seine Verlässlichkeit als Kulturminister (1953/54), als Erster Sekretär der KP Kazachstans (1954/55) und als Botschafter in Warschau (1955/57). Die Berufung des altgedienten Ponomarenko zum Botschafter in Indien unterstrich sicherlich auch die Bedeutung, die Moskau Indien in der internationalen Politik beimaß.31 Ein solches Signal gab Moskau erneut mit Ponomarenkos Nachfolger, Ivan Benediktov. Der hatte, wie gesehen, 1953 nur ein kurzes Gastspiel in Delhi absolviert. Nun blieb Benediktov für rund acht Jahre, bis 1967, in Indien. Moskau erwartete sich von dem Altkader nicht nur positive Ausstrahlung nach Indien hinein, sondern traute ihm auch zu, die Tätigkeit der Botschaft auf ein höheres Niveau zu bringen. Bis Ende der 1950er-Jahre hatten die Vertretung in Delhi sowie die (General-)Konsulate in 27 Vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 28–48. 28 Die Diplomatische Hochschule sorgte für entsprechende Schulungen der Neukader, vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 48–50; Chruščev auf 11. Sitzung ZK-Plenum, 28.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, hg. von Kovaleva (Hg.), S. 477; Israelyan, On the battlefields, S. 52, 69, 75 f., 87 f. 29 Vgl. Nehru an Malaviya, 23.10.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 428. 30 Pantelejmon Kondrat’evič Ponomarenko, u. a. 1938–1947 Erster Sekretär KP Weißrussland, 1948–1953 ZK-Sekretär, 1953–1954 Kulturminister, 1954–1955 erster Sekretär KP Kazachstan, 1955–1957 Botschafter in Polen, 1957–1959 Botschafter in Indien, 1959–1961 Botschafter in den Niederlanden, 1952 Mitglied ZK-Präsidium, 1953–1956 Kandidat ZK-Präsidium. 31 Vgl. Chruščev auf 11. Sitzung ZK-Plenum, 28.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, Kovaleva u. a. (Hg.), S. 477.

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Calcutta, Madras und Bombay nach Meinung der MID-Zentrale trotz personeller Aufstockungen viel zu wenig Verbindungen in die indische Politik und Gesellschaft, in die Armee oder Privatwirtschaft hinein geknüpft. Dies beraubte die sowjetische Metropole nicht nur relevanter potentieller Einflusskanäle, sondern auch einer ausreichenden Informationsgrundlage.32 Konsequenterweise beschäftigte die Botschaft Delhi 1960 weitaus mehr Personal als etwa zehn Jahre zuvor. Neben dem Botschafter waren nun ein Gesandtschaftsrat, ein Handelsbeauftragter, je ein Wirtschafts- und Kulturberater, drei weitere Räte, ein Militärattaché mit zwei Assistenten, neun Erste Sekretäre und je sechs Zweite und Dritte Sekretäre und Attachés vor Ort. Kurzcharakteristika, die das MID dem indischen Außenministerium bei Dienstantritt von neuen Botschaftsangehörigen übermittelte, erlauben für dieses Jahr zumindest einen flüchtigen Blick auf das Profil sowjetischer Diplomaten der zweiten und dritten Ebene. Es handelt sich hier in aller Regel um Slawen der Jahrgänge 1920 bis 1930. Alle hatten eine Hochschule absolviert. Wissenschaftlich fundierte landeskundliche Vorkenntnisse brachte in dieser Zufallsstichprobe kaum jemand mit, wohl aber praktische Erfahrungen aus früheren Auslandseinsätzen in Indien.33 Generell verzichtete das MID in seiner Kaderpolitik auf eine »Spezialisierung nach Fachgebieten« und vertraute darauf, dass sich die Diplomaten das notwendige Wissen während der in der Regel zwei- bis dreijährigen Aufenthalte im Gastland aneigneten. Für die 1956 respektive 1957 geschaffenen Positionen der Kultur- und Wirtschaftsräte warb man allerdings zunächst externe Spezialisten an.34 Im Ganzen wollten und durften die diplomatischen Spitzen der poststalinistischen Ära und ihre Untergebenen keine eigenständigen politischen Macher 32 Vgl. Vermerk über Tätigkeit Botschaft und Generalkonsulate, 18.1.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 72, d. 19, ll. 15–18; Gesprächsvermerke sowjetische Botschaft Delhi, 1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45; Aleksandrov-Agentov, Ot Kollontaj, S. 243 f. Außerhalb Indiens pflegte die sowjetische Diplomatie zu indischen Kollegen nur wenig Umgang, vgl. Vermerk DDR-Botschaft Prag über Gespräch mit zweitem Sekretär sowjetischer Botschaft, Gorelov, 21.11.1961, PA AA, MfAA, A. 11924, Bl. 6. 33 Vgl. sowjetische Botschaft Delhi an MEA, 5.1.1960 und Schriftverkehr 1960, AVP, f. 172, op. 15, papka 30, d. 1, ll. 29 ff. sowie papka 31, d. 2–3. Karrieren von Fachwissenschaftlern erscheinen als Ausnahme: Erik Komarov arbeitete 1954 und ab 1962 im IVAN an leitender Stelle über Geschichte und Politik Indiens und Südasiens. 1959–1961 war er an der sowjetischen Botschaft Delhi, ggf. für den SSOD, tätig. 34 Vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 53–56. Die Zusammenlegung des Moskauer Staatsinstituts für Internationale Beziehungen mit dem Institut für Außenhandel des MVT Anfang Juli 1958 mochte den wirtschaftspolitischen Ausbildungszweig für die zukünftigen Diplomaten stärken, vgl. Borisov an ZK, Muchitdinov, 11.4.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 275, ll. 14 f.; Beschluss SovMin vom 8.7.1958, zit. in stellv. Vors. Ispol’kom Mossovet, Zajcev, 1.8.1958, ebd.

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sein. Auch die Diplomaten vor Ort blieben in erster Linie reine Befehlsempfänger und Informationsquellen ohne substantiellen Handlungsspielraum.35 Hieran ändert auch nichts, dass die sowjetischen Botschafter in Delhi ab 1956 qua Amt ins ZK aufrückten.36 Die systembedingten Nachteile im diplomatischen Wettkampf mit kapitalistischen Vertretern wurden offenbar in Kauf genommen: »[I]f a Soviet embassy had half the power of manoeuvre and of personal contact that is possessed by the average Western Embassy, the position of the Soviet Union in India would by now be immeasureably stronger than it is«.37 Die personellen Kontinuitäten aus den Stalin-Jahren führten einerseits dazu, dass die Kader ihre dienende Rolle letztlich klaglos akzeptierten. Zugleich aber brachten es die tiefen Prägungen mit sich, dass sich verschiedene Vertreter kaum mit Chruščevs neuem außenpolitischen (Schlinger-)Kurs identifizieren oder ihm immer ein überzeugendes Gesicht verleihen konnten. Andere wirkten, ob aus innerer Überzeugung oder nicht, für die indische Diplomatie der 1950erund 1960er-Jahre als glaubwürdige Vertreter der neuen Offenheit sowjetischer Politik. Sie setzten sich in indischen Augen positiv von den »herrischen« Repräsentanten der Stalin-Ära ab.38 Auch im zweiten für die bilateralen Beziehungen unmittelbar relevanten Ministerium verließ sich die Partei auf bewährte Altkader. Daher mochte im MVT bei aller Loyalität zur Parteispitze eine Grundeinstellung, die in Wirtschaftsbeziehungen mit nichtsozialistischen Staaten immer potentielle politische Gefahren witterte, wirtschaftspolitische Neujustierungen mitunter hemmen. Minister Kabanov war hier bereits seit 1953 im Amt. Er wechselte 1958 auf den Posten des ersten stellvertretenden Vorsitzenden der Kommission des Präsidiums des Ministerrats für außenpolitische Fragen, ohne seinen Ministerrang aufzugeben. Als Außenhandelsminister folgte ihm Nikolaj Patoličev. Ihm war seit den späten 1930er-Jahren ein rasanter Aufstieg gelungen, der ihn 1941 ins ZK und 1950 auf den Posten des Ersten Sekretärs der weißrussischen Partei trug. Dass er zu den Kadern gehörte, die ab 1956 zunächst das MID auf Linie

35 Vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 14.–16.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 28–45, 113. Zur Einrichtung der Konsulate 1956/1957 vgl. Notenaustausch MID und MEA, 26.4.1956, AVP, f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, l. 144. 36 Vgl. Mawdsley/White, The Soviet elite, S. 140 f. 37 Gore-Booth an SoS CRO, 5.12.1964, NAK, DO 189/548. 38 Vgl. Vermerk Dutt über Reise in die UdSSR, 15.7.1960, NMML, Subimal Dutt Papers, 23, S. 5 f.; Pillai, A visit to the Soviet Union, 29.7.1955, NMML, Subimal Dutt Papers, 16, S. 88, 107; Kaul, Diplomacy, S. 142 f.; stellv. Leiter ZK-Abteilung Internationale Verbindungen, Vinogradov, an ZK, 24.8.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 107 f., hier l. 108.

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bringen sollten, spricht für seine politische Flexibilität.39 Ob die Spitzen mit seinem Wechsel auf den Ministerposten im MVT 1958 beabsichtigten, nun das MVT auf Kurs zu bringen, sei dahingestellt. Auf jeden Fall erwies sich Patoličev als nahezu unverwüstlicher Amtsträger: Er räumte erst 1985 den Chefsessel. Generell scheint in dieser Ära im MVT die Fluktuation wichtiger Spitzenfunktionäre unterhalb der Ministerebene begrenzt gewesen zu sein.40 Das Ministerium stellte sich ab Mitte der 1950er-Jahre zunehmend organisatorisch und, mit Problemen, in der Aus- und Fortbildung seiner Kader auf die gewollte Ausweitung der Wirtschaftskontakte zum nichtsozialistischen Ausland ein.41 Für Indien war die Verwaltung für Handel mit dem Nahen Osten und Südostasien unter (seit 1957) V. B. Spandar’jan zuständig. Sie leitete auch die Vertretungen in Calcutta, Bombay sowie Madras an. Eine punktuelle Vorstellung von der personellen Besetzung der indischen Filialen vermittelt der Personaletat 1963. Der Handelsvertreter hatte zwei Stellvertreter, dazu kamen ein Jurist, zwei Wirtschaftswissenschaftler, ein Inturist-Vertreter, vier weitere Mitarbeiter und technisches Personal. 20 weitere Personen waren in Export-/Importfachabteilungen eingesetzt.42 Über Qualifikation und Werdegang auf diesen Ebenen liegen kaum Angaben vor. Klagen von 1961 deuten auf eine Unterbesetzung der Dienststellen, fehlendes Fachpersonal sowie die mangelhaften Sprachkenntnisse zahlreicher Vertreter des sowjetischen Außenhandels in Indien hin.43 Für die erweiterten Aktivitäten in der Außenwirtschaftspolitik reichten dem Kreml der Ausbau des MVT und neue wirtschaftspolitische Fachabteilungen im MID offenbar nicht aus. Im Januar 1958 wurde eine zusätzliche Staatskommission für Außenwirtschaftsbeziehungen (GKĖS) gegründet.44 In ihr ging unter 39 Vgl. Chruščev auf 11. Sitzung ZK-Plenum, 28.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, Kovaleva u. a. (Hg.), S. 477. 40 So war z. B. Kumykin 1953–1969 als stellv. MVT und sowjetischer Vertreter im RGW tätig. 41 Vgl. Anlage zu Beschluss SovMin über Entwicklung der Volkswirtschaft, [vor 10.10.1956], RGANI, f. 5, op. 35, d. 41, hier l. 5; MVT Patoličev an SovMin, 6.5.1963, GARF, f. 5446, op. 97, d. 1375, ll. 2 f.; Gosplan, Jušin, an Perov, 5.2.1958, RGAĖ, f. 4372, op. 57, d. 387, ll. 12 ff. Neben dem – 1958 mit der Diplomatieschule zusammengelegten – Institut für Außenhandel bildete eine Abendschule der Akademie für Außenhandel jährlich 50 Personen aus. Die Lehrgänge erstreckten sich über 3,5 Jahre. 42 Vgl. RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 9809, l. 12. Die Abteilung in Calcutta verfügte über 13 Mitarbeiter, in Bombay waren zwölf Personen beschäftigt, in Madras nur vier. Die Handelsvertretung wurde geleitet von G. Velikij (1954), Migunov (1958) sowie, 1961, N. Širjaev. 43 Vgl. Vermerk Spandar’jan, 5.2.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 61–66, hier l. 61; Širjaev, Aufzeichnung zu sowjetisch-indischem Handel, 15.4.1961, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 98–110, hier ll. 105 f. 44 Vgl. Skačkov an Mikojan, 20.1.1963, GARF, f. 5446, op. 97, d. 1376, ll. 1 ff.

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anderem die frühere Hauptverwaltung des Ministerrats für Wirtschaftsbeziehungen mit den volksdemokratischen Ländern (GUĖS) auf, die anfangs Südasien mitbetreut hatte.45 Erster Leiter der GKĖS war von 1957 bis 1958 Michail Pervuchin. Er hatte sich ab 1937/1938 aus Sicht der Parteioberen von Stalin bis Chruščv in der Schwerindustrie und in der Energiewirtschaft bewährt. Seine politische Verlässlichkeit konnte er ab 1958 in der sowjetischen Botschaft in Ost-Berlin weiter beweisen. Nach Pervuchin rückte Semen Skačkov auf den Chefsessel der GKĖS. Er war zwar erst 1954 über die Ebene eines Fabrik­direktors hinausgekommen, brachte aber aus dieser langjährigen Erfahrung alle Merkmale eines zuverlässigen Administrators mit: Dem indischen Botschafter Kaul gegenüber präsentierte sich Skačkov als »übervorsichtiger« und »konservativer« Funktionär, der ohne Zustimmung der Obrigkeit nichts entschied.46 Diese Aufpasserrolle oblag auch beim GKĖS Mikojan. Die genaue Abgrenzung von Kompetenzen und Tätigkeitsfeldern zwischen GKĖS und Außenhandelsministerium ist – wie vorher im Fall von GUĖS und MVT – nicht eindeutig zu klären, zumal relevante Aktenbestände der GKĖS weitgehend unzugänglich sind. Die nur ausschnittsweise deklassifizierte Verordnung über die neue Staatskommission vom 28. Januar 1958 nannte als zwei von vier Hauptaufgaben die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit sozialistischen und »schwach entwickelten Ländern« einschließlich der Überwachung der Erfüllung eingegangener Verpflichtungen durch die UdSSR.47 Für die Umsetzung sowjetisch-indischer Vereinbarungen stellte die GKĖS spätestens 1959 ein eigenes hochrangiges Mitglied ab.48 Somit kontrollierte die GKĖS die Tätigkeit des MVT, ohne diesem jedoch direkte Weisungen erteilen zu können.49 45 Vgl. Mitteilg stellv. MID Fedorenko an Koval’, [September] 1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 15, d. 13, l. 30; Šeremet’ev und Minister für den Bau von Werken der Metall- und Chemischen Industrie, Rajzer, an Mikojan, 25.12.1956, mit Beschluss Mikojan, 23.12.1956, GARF, f. 5546, op. 90, d. 1067, ll. 112 f.; Rat sowjetische Botschaft Delhi für Landwirtschaftsfragen, Ter-Avanesjan an Chruščev, 10.10.1957, RGANI, f. 5, op. 45, d. 162, ll. 151–155. Verschiedene Spitzenfunktionäre wechselten bruchlos von der GUĖS in die GKĖS, vgl. Aufstellungen in GARF, f. 5446, op. 94, d. 952. Im weiteren Verlauf rekrutierte sich das Personal aus denselben Einrichtungen wie das des MVT, vgl. Skačkov an Mikojan, 4.4.1960, GARF, f. 5446, op. 94, d. 952, l. 14 f. Das Verhältnis der genannten Einrichtungen zur – evtl. kurzlebigeren – Hauptverwaltung für Unternehmen, die mit Hilfe der UdSSR gebaut werden, ist unklar, vgl. Organisationsstrukturen in RGAĖ, f. 62, op. 4; Schriftverkehr Ministerium für Schwermaschinenbau, 1955, RGAĖ, f. 8243, op. 3, d. 1911. 46 Kaul, Diplomacy, S. 144. 47 Beschluss SovMin Nr. 114, 28.1.1958, GARF, f. 9518, op. 1, d. 2, ll. 81–83. 48 Vgl. Auszug aus Protokoll Präsidium SovMin, 11.8.1959, GARF, f. 5446, op. 93, d. 958, ll. 31– 33. 49 Vgl. Skačkov an SovMin, 24.3.1961, RGAĖ, f. 4372, op. 64, d. 441, ll. 47 f.

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Dazu kamen generell Aufgaben im sowjetischen Handel mit Rüstungsgütern.50 Schließlich waren, wiederum in unklarer Art und Weise, GKĖS und MVT für die weitere Koordinierung sowjetischer Maßnahmen mit den übrigen Mitgliedstaaten des RGW von Bedeutung. Im Rahmen des globalen wirtschaftspolitischen Engagements sowie der Wiederbelebung des RGW konstituierten sich hier ab 1956 eine Ständige Kommission für Außenhandel und eine Kommission für die Koordinierung von Anlagenlieferungen. Sie wurden 1958 zusammengelegt. Die RGW-Struktur wurde 1961 durch eine Ständige Kommission für die Koordinierung der technischen Hilfe mit Sitz in Moskau komplettiert.51 Das kurz- bis langfristige Planungssystem, dazu aufwendige Koordinierungsaufgaben zwischen Import- und Exportzweigen sowie zahlreiche wirtschaftspolitische Zuständigkeits- und Organisationsänderungen und die wechselnde Einbindung von allerlei Staatskommittees und Parteistellen erhöhte die Komplexität der sowjetischen Außenwirtschaftsbeziehungen zusätzlich.52 1958/59 zum Beispiel mussten sich Gosplan und GKĖS bei einzelnen Auslandsprojekten mit 21 Oberbehörden auseinandersetzen, unter denen rund 500 Fabriken aufgehängt waren. In diesem Zeitraum arbeiteten in den verschiedenen Repu-

50 Vgl. Aufzeichnung Gespräche T. T. Krishnamachari u. a. mit Generalmajor »Sergeichik« »of the Military Wing of the State Committee for Foreign Economic Relations«, 9.–17.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers 43; stellv. Vors. Gosplan, Chruničev, und Skačkov an SovMin mit Entwurf über Aufgabenverteilung bei der Umsetzung von Militärbauten im Ausland, 23./24.6.1958, RGAĖ, f. 4372, op. 77, d. 358, ll. 6 ff. Neben dem GKĖS waren u. a. aufgeführt das Staatskomitee für Luftfahrttechnik, das Staatskomitee für Verteidigungstechnik, Staatskomitees für Radioelektronik bzw. Schiffsbau und die Sovnarchozen. 51 Vgl. 1. Tagung Ständige Kommission RGW für Koordinierung der Technischen Hilfe, 29.– 30.6.1961, BArch, DL 2/VA 6762; Statut Kommission, Fassung Dezember 1962, BArch, DL 2/ VA 6767, Mappe 414/63; Kommissionsstatut, BArch, DE 1/21975; Bericht DDR-Delegation über 1. Plenartagung Ständige Kommission RGW für Außenhandel und Komplette Anlagen, 25.–27.11.1958, Moskau, BArch, DL 2/4921. Die Kommission wurde im Mai 1959 bei Beibehaltung aller Aufgaben in Ständige Kommission für den Außenhandel umgetauft, vgl. Protokoll Nr. 1/11 RGW-Tagung Tirana, 13.–16.5.1959, PA AA, MfAA, A. 10095, Bl. 78 ff. 52 Grundsätzlich wurden Bestellungen über Generallieferanten auf Fachministerien verteilt. Die Generallieferanten waren für die fristgemäße und qualitätsgerechte Ausführung der Arbeiten einschließlich der Einsatzplanung für Spezialisten und der Organisation der Ausbildung ausländischer Kräfte verantwortlich, vgl. Planentwurf SovMin für Lieferungen von Komplettanlagen für 1958, RGAĖ, f. 4372, op. 57, d. 388; Beschlüsse SovMin, 27.8. und 12.9.1959, GARF, f. 5446, op. 93, d. 961 sowie RGAĖ, f. 4372, op. 58, d. 345, ll. 164 f.; Vors. Gosplan, V. Novikov an Kosygin, 4.7.1962, RGAĖ, f. 4372, op. 64, d. 439, ll. 49 ff.; Aufzeichnung MfAA, HA IÖB, Sektor UdSSR, über Organisation der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in der UdSSR, 1.2.1962, PA AA, MfAA, A 284, Bl. 10–15, hier Bl. 12 f.; Sánchez-Sibony, Red globalization, S. 202–217, 230–232.

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bliken der UdSSR ca. 1600 Unternehmen (auch) für den Export, die es zu koordinieren galt.53 Regionaler Schwerpunkt der sowjetischen Industrie, die unter dem Banner der Wirtschaftshilfe für die Ausfuhr arbeitete, war Angaben des russischen Außenministeriums zufolge die RSFSR.54 Dabei hatten republikanische Leitungsstellen in der eigentlichen Außenwirtschaftspolitik der UdSSR keine substantiellen Mitspracherechte. Sie konnten aber angesichts der wachsenden Anforderungen und Belastungen gegenüber den Abgesandten von MVT und GKĖS für ihre Unternehmen eine stärkere Beteiligung an der entsprechenden Organisation, Verwaltung und Versorgung einfordern.55 Angesichts der Behördenund Interessenvielfalt auf allen Ebenen blieben generell Doppelarbeit, Konkurrenzdenken und Reibungsverluste nicht aus.56 Den geheimdienstlichen Strang sowjetischer internationaler Aktivitäten führte nach diversen Umorganisationen ab 1954 das KGB fort. Das Komitee gewann in den frühen 1960er-Jahren im sowjetischen Gesamtkonzert an institutionellem Eigengewicht, blieb jedoch befehlsausführendes Organ der Partei­ führung.57 Für die in Moskau insgesamt positiv bewerteten Aktivitäten des 53 Vgl. Jušin an Gosplan-Vors. Kuz’min, [Februar 1958], RGAĖ, f. 4372, op. 57, d. 387, ll. 44–46; Archipov an ZK, [nach 12.9.1959], RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 1–14, hier l. 3 f. Ivan Vasil’evič Archipov, u. a. 1950–1953, 1954–1957 (erster) stellv. Minister für Bundmetallurgie, 1958–1959 stellv., 1959–1974 erster stellv. Vors. GKĖS. 54 Vgl. Jahresbericht MID RSFSR für 1963, 28.2.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 422, ll. 34 ff. Demnach waren russische Stellen für rd. 70 % der Wirtschaftshilfe verantwortlich. Vgl. Tansykbaeva/Kutina, Indija, S. 17 ff.; Abutalipov, Pod leninskim znamenem, S. 116–144, 250–300. 55 Den Republiken war die Exportproduktion zentral vorgegeben, vgl. Beschluss SovMin, 24.12.1957, zit. nach Kabanov, 31.1.1958, GARF, f. 5446, op. 92, d. 118, ll. 77 f.; stellv. Vors. ukrain. SovMin, Senin, an Kuz’min und Skačkov, 3.6.1958, RGAĖ, f. 4372, op. 64, d. 443, ll. 1 f.; ZK-Sekretär uzbekische KP, Mel’nikov, an ZK, 23.8.1958, zu Beschluss ZK KPdSU, 14.7.1958, RGANI, f. 5, op. 40, d. 97, l. 22; ZK-Sekretär ukrainische KP, Najdek, und Senin, an ZK, 10./11.9.1958, RGANI, f. 5, op 40, d. 97, ll. 45 ff.; Sekretariat ZK KP Litauen an ZK KPdSU, 6.4.1959, RGANI, f. 5, op. 14, d. 19, l. 42. Zu innersowjetischen Hebelwirkungen der Außenwirtschaftsbeziehungen vgl. Kalinovsky, Not some British colony. 56 Vgl. neben vorhergehender Anm. Ter-Avanesjan an Chruščev, 10.10.1957, RGANI, f. 5, op. 45, d. 162, ll. 151–155; stellv. Vors. Gosplan, Lesečko, an SovMin, 2.3.1959, RGAĖ, f. 4372, op. 57, d. 384, ll. 148 f.; Skačkov an SovMin, 10.12.1962, GARF, f. 5446, op. 96, d. 1179, ll. 115 ff.; Mikojan an Gosplan u. a., 22.4.1963, GARF, f. 5446, op. 97, d. 1380, ll. 4 ff.; Vors. Staatskommittee für Chemie, Tichomorov, sowie Vors. Staatskomittee für Wissenschaft und Technologie, Maksarev, an SovMin/ZK, 15. und 19.7.1958, GARF, f. 5446, op. 92, d. 118, ll. 131 ff. und RGANI, f. 5, op. 40, d. 98, ll. 33 ff. 57 Die untergeordnete Stellung wird deutlich an den Karrieren der Vorsitzenden Serov, Šelepin und Semičastnyj: Ivan Aleksandrovič Serov, u. a. 1941–1947 stellv. NKVD/MVD, 1947–1953 erster stellv. MGB, 1954–1959 KGB-Vors., 1959–1963 Leiter GRU, 1956–1961 ZK-Mitglied; Aleksandr Nikolaevič Šelepin, u. a. 1953–1952 Sekretär Komsomol, 1952–1958 erster Sekretär

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KGB, das heißt für Spionage und Gegenspionage gegen indische und andere internationale Ziele in Delhi, für die geheimdienstliche Mitwirkung an Propaganda- und Desinformationskampagnen oder für die Nutzung klandestiner Kanäle zwecks politischer Beeinflussung oder Fühlungsnahmen liegen nur sporadische Belege vor. Aufgrund ihrer Überwachungsaufgaben zeigte die Staatssicherheit für zahlreiche andere Aspekte bilateraler Beziehungen ebenso reges Interesse. Das KGB befasste sich beispielsweise ebenfalls mit der Frage, ob zugesagte Exporte von Wirtschaftsgütern erfolgten. Es überwachte die sowjetische Produktion für das Prestigeprojekt Bhilai oder prüfte die Ideologie- und Staatskonformität von Literaturkontakten. Schließlich nahm das KGB als Mitglied der Zulassungskommissionen für Reisekader weiterhin Einfluss auf die Auswahl der sowjetischen Akteure, mit denen die indische Politik und Gesellschaft vor Ort in Kontakt kamen, auch wenn die Auswahlverfahren an Rigidität verloren.58 Aufgrund des ausgeweiteten internationalen Auftretens der UdSSR wurden schließlich immer neue Fachministerien und -einrichtungen außerhalb der Grenzen der Sowjetunion aktiv. So gewannen gerade sowjetische Kultur- und Bildungsbehörden internationale Visibilität, ohne dass damit entscheidende Einflüsse dieser Institutionen auf die grundlegenden politischen Entscheidungen in Moskau verbunden gewesen wären. Im Ganzen darf man das Ausmaß der unmittelbaren amtlichen Kontakte nach wie vor nicht überschätzen. Im Jahr 1957 fertigte die Reisekommission 1526 Personen nach Indien ab.59 Hier wie in den folgenden Jahren rekrutierte sich das überwiegende Gros der amtlichen Auslandsreisenden offenbar aus dem Wirtschaftssektor.60 Immerhin legten diese Behörden zwecks Pflege ihrer Auslandsverbindungen steigendes Gewicht

Komsomol, 1958–1961 KGB-Vors., 1961–1967 ZK-Sekretär; Vladimir Efimovič Semičastnyj, u. a. 1950–1958 Sekretär Komsomol, 1958–1959 erster Sekretär Komsomol, 1959–1961 zweiter Sekretär ZK KP Azerbajdžan, 1961–1967 KGB-Vors. Vgl. Hilger, Sowjetunion, S. 53–80. 58 Vgl. u. a. Serov an ZK, 17.12.1957, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 903 f.; Beschluss ZK uzbekische KP, 17.2.1961, RGANI, f. 5, op. 33, d. 177, ll. 4 ff.; Semičastnyj an ZK, 7.7.1964 sowie 15. und 20.7.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 451, l. 98 sowie op. 36, d. 154, ll. 42 ff., 48 ff.; stellv. Vors. KGB, Ivašutin, an ZK, 10.2.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 1 ff.; Panjuškin an ZK, Frühjahr 1959, RGANI, f. 5, op. 14, d. 19, ll. 50 f.; Protokolle Ideologie-Kommission Nr. 22 und 30, 15.1. und 29.5.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 109 und 119; Šebaršin, Ruka Moskvy, S. 52–68; Andrew/Mitrokhin, The world, S. 313–321, 341–344; Krysin, Indo-pakistanskij konflikt. 59 Vgl. Panjuškin an ZK mit Tätigkeitsbericht der Kommission für Auslandsreisen für 1957, [Januar 1958], RGANI, f. 5, op. 14, d. 18, ll. 7 ff. 60 Vgl. stellv. Leiter Reise-Kommission ZK, Dymkov, an ZK, 14.3.1960, RGANI, f. 5, op. 14, d. 20, ll. 7 ff.

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auf die fachliche Expertise ihrer Gesandten, so dass sich die Wahrnehmungen und Erfahrungen sowjetischer Akteure in Maßen ausdifferenzieren mochten.61 Im Fazit blieben Entscheidungs- und Leitungsebenen in Politik und Staat zumindest bis Ende der 1950er mit Persönlichkeiten besetzt, die bereits unter Stalin auf verantwortungsvollen Posten funktioniert hatten. Dabei hatten sie Stalins politisch-ideologische Prämissen verinnerlicht und die Strategie, durch bedingungslose Loyalität und Opportunismus gegenüber der Führung, durch Machtkämpfe und Intrigen unter Ihresgleichen sowie durch gnadenlosen Druck auf Untergebene, zu überleben, perfektioniert. Die sukzessiv nachrückende Generation und Kader der mittleren Ebenen hatten ebenfalls von den Massenverbrechen der 1930er profitiert und sich weitgehend in Grundmechanismen und -perzeptionen des Stalinismus eingerichtet. Die neuen Funktionäre stützten sich zunehmend auf eine breitere Ausbildung als die ältere Generation. Sie setzten wie diese auf Ideologie und systemgerechte Effizienz, waren jedoch in der Lage, entsprechende Anforderungen und Akzentuierungen flexibler zu handhaben. Auf längere Sicht verbreiterte sich somit die Basis, aus der heraus die Apparate und Akteure ihre Orientierungen entwickelten. Neben dem überkommenen ideologischen Gepäck und Erfahrungen sowie vermeintlichen Erfolgsgeschichten der Jahre bis 1953 kam neues Expertenwissen der technischen und wirtschaftlichen Kader zum Tragen. Das sowjetische Generalkonsulat in Bombay hatte beispielsweise 1963 den Eindruck, dass sowjetische Spezialisten, die im Rahmen von UNESCO-Programmen nach Indien gekommen waren, vor Ort tatsächlich auch vornehmlich als Vertreter der UNESCO und nicht mehr als Propagandisten einer indisch-sowjetischen Sonderbeziehung agieren wollten.62 Derartige Entwicklungen würden sich im Ganzen allerdings erst ab den späteren 1960er-Jahren deutlicher bemerkbar machen. Der eklektische Chruščev war nicht in der Lage, eine geschlossene Gegenideologie zum Stalinismus anzubieten, um sich Gehorsam und Treue der Kader zu erhalten. Er verzichtete bewusst auf Terror und Mord, auf die Instrumente also, mit denen sein Vorgänger Angst und Schrecken erzeugt hatte, um Mitstreiter zusätzlich zu binden. Chruščev setzte in seinem zwar ideologisch, doch recht einfach begründeten Optimismus auf den gesetzmäßigen Erfolg des Systems, 61 Vgl. Panjuškin an ZK mit Tätigkeitsbericht der Kommission für Auslandsreisen für 1957, [Januar 1958], RGANI, f. 5, op. 14, d. 18, ll. 7 ff.; Plan der Kommission für Auslandsreisen, März bis Mai 1958, ebd., ll. 32 ff.; Protokoll Ideologie-Kommission Nr. 22, 15.1.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 109. 62 Vgl. sowjetisches Generalkonsulat Bombay an Bildungsminister Eljutin, 13.6.1963, GARF, f. 9606, op. 2, d. 97, ll. 149–151.

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auf Glaubenssätze des Leninismus sowie auf eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche, um sich der Gefolgschaft der Partei und über diese der Unterstützung der Staatsapparate zu versichern. Dies war eine Methode, die auf Dauer nicht funktionierte. Lohn und Strafe waren für die Mitarbeiter nicht unbedingt vorhersagbar. Vor allem aber wollten sich die bombastisch angekündigten Erfolge nicht einstellen. Die wachsende Unzufriedenheit der Kader mit Chruščevs Politik und Führungsstil führte im Oktober 1964 zu seinem Sturz.63 Brežnev, Podgornyj, Kosygin und ihre Genossen brauchten bis 1966/1967, um die innere Hierarchie festzuzurren, bekannte Chruščev-Getreue wie Mikojan oder Aleksej Adžubej kaltzustellen und eigene Anhänger in Partei- und Staatsstrukturen voranzubringen.64 In den Beziehungen zu Indien verwies unter anderem Kosyings Sichtbarkeit darauf, dass die Außenpolitik nach 1964 eine Domäne der engeren Führung bleiben würde.65 Er nahm gerade indische Diplomaten durch seine erwiesenen Fähigkeiten als Wirtschaftsbürokrat für sich ein.66 Zu radikalen personellen Einschnitten bei den für Indien und Südasien zuständigen Apparaten in Ministerien und ZK kam es einstweilen nicht.67 4.1.1.2. Behörden, gesellschaftliche Organisationen und Wissenschaft

Die Kurzcharakteristik der zentralen Partei- und Staatskollektive lässt sich auf die Akteure gesellschaftlicher Organisationen übertragen. Die Partei achtete darauf, in den Schaltstellen relevanter Institutionen verankert zu sein. So waren beispielsweise 1957 im Verlag für Ausländische Literatur von 346 Mitarbeitern 63 Vgl. Kap. 4.3.5. 64 Vgl. z. B. die Karriere von Kirill Trofimovič Mazurov, u. a. 1956–1965 erster Sekretär KP Weißrussland, 1965–1978 erster stellv. Vors. SovMin, 1965–1978 Mitglied ZK-Präsidium/Politbüro; Nikolaj Viktorovič Podgornyj, u. a. 1960–1977 Mitglied ZK-Präsidium/Politbüro, 1957–1963 erster Sekretär KP Ukraine, 1963–1966 ZK-Sekretär, 1965–1977 Vors. Präsidium Oberster Sowjet; Aleksej Nikolaevič Kosygin, u. a. 1948–1953 Minister für Leichtindustrie, 1953–1956, 1957–1960 stellv. Vors. SovMin, 1957 erster stellv. Vors. Gosplan, 1959–1960 Vors. Gosplan, 1960–1964 erster stellv. Vors. SovMin, 1964–1980 Vors. SovMin; Aleksej Ivanovič Adžubej, u. a. 1957–1959 Chefredakteur Komsomol’skaja Pravda, 1959–1964 Chefredakteur Izvestija, 1961–1964 ZK-Mitglied. 65 Die Außenpolitische Kommission des ZK, die ab 1965 in den Akten erscheint, war wohl eher eine vor allem in Krisenzeiten aktive, vorgeschaltete Clearing- und Koordinationsstelle und kein Leitungsorgan der Außenpolitik, vgl. Gromyko an Außenpolitische Kommission ZK, 28.10.1965 und 14.2.1966, RGANI, f. 5, op. 30, d. 480, ll. 142 ff. sowie ebd., d. 489, ll. 32 ff. In diesem Zeitraum gehörten der Kommission u. a. Suslov, Andropov als Leiter der ZK-Abt. für Verbindung zu ausländischen KPs und KGB-Chef Semičastnyj an. 66 Vgl. Kaul, Diplomacy, S. 141, 144 f.; Trojanovskij, Čerez gody, S. 267; Mansingh, Indo-Soviet relations, S. 9; Mlečin, MID, S. 388–390. 67 Vgl. Gafurov an Brežnev, 12.3.1966, RGANI, f. 5, op. 30, d. 489, ll. 147–153, hier ll. 147 f.; Sokolov, Chudožestvennaja kul’tura, S. 245–252.

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nur 99 in der Partei. Allerdings stellten Parteigenossen fast 100 Prozent der 27 Direktions- und Leitungsfunktionäre.68 Im Rundfunk wurde der Anteil von Parteimitgliedern und -kandidaten unter den Mitarbeitern über die Jahre hinweg von 37 auf 55 Prozent (1961) gesteigert.69 Die Komplettierung der Dienststellen mit neuen Kadern gestaltete sich keineswegs immer reibungslos. Bereits im Sommer 1955 kam es, um ein Beispiel zu nennen, innerhalb des SIB in Delhi zu scharfen Auseinandersetzungen, in denen taktische Überlegungen mit dem Generationenwechsel zusammenfielen. Der Absolvent des Instituts für Internationale Beziehungen, Kolokolov, begann unmittelbar nach seiner Versetzung nach Delhi die Tätigkeit der SIB-Vertretung auf den Kopf zu stellen. Vor allem wollte sich der frischgebackene stellvertretende Leiter des Außenpostens mittels Umfragen unter Indern erstmals ein ungeschminktes Bild von der indischen Rezeption der sowjetischen Propaganda machen. Dagegen verwahrte sich der Leiter: Dem Neuen sei wohl das Diplom »in den Kopf gestiegen«, schrieb Kolokolovs Vorgesetzter, Efimov, nach Moskau. Efimov fuhr schwere Geschütze auf, um seine traditionellen Arbeitsmethoden und -ergebnisse zu verteidigen. Kolokolov füge sich, so Efimov, nur ungern in die Hierarchien des Kollektivs ein und sei gegen ideologische Fehler nicht gefeit. Über den Ausgang dieser Konfrontation von Alt- und Neukadern mit ihren spezifischen Zugängen ist in den Akten leider nichts verzeichnet. Die Idee, indische Leserwünsche zu erheben, setzte sich in der neuen Atmosphäre der sowjetischen internationalen Beziehungen allerdings offensichtlich durch.70 Der Zwischenfall darf im Übrigen nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den gesellschaftlichen, kulturellen und propagandistischen Sektoren ebenfalls kein radikaler personeller Neuaufbruch vonstattenging. Dem widerspricht nicht, dass sich in den bilateralen Kultur- und Gesellschaftsbeziehungen auf mittelfristige Sicht der Anteil zentralasiatischer Vertreter erhöhte. Diese hatten weiterhin den metropolen Anspruch auf traditionell gute Beziehungen zu Asien und auf einen gelebten Internationalismus der sowjetischen Menschen überhaupt zu verkörpern, nicht aber eine personalpolitisch unterfütterte Neuausrichtung.71 68 Vgl. Bericht Verlag Inostrannaja Literatura, 1957, GARF, f. 4851, op. 3, d. 174. 69 Vgl. Semin an Suslov, 13.1.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 249, ll. 1 ff.; Kaftanov an ZK, 14.11.1961, RGANI, f. 5, op. 33, d. 175, ll. 53 ff. 70 Kolokolov an stellv. Vors. SIB, Mošenskij, sowie Efimov an Pozdeev, 1.9.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 221 ff., 233 ff.; Kap. 4.5.2. Vgl. Sager, Moskaus Hand, S. 32–39. 71 Vgl. Pastuchov, Venecija; Oberreferentin SSOD, Dobrosel’skaja, Vermerk über Ausstellung ›Der Plan und die Menschen in der UdSSR‹, Bombay, 16.–22.4.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 87, ll. 243 ff.

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Ein gutes Beispiel für entsprechende personelle Kontinuitäten war die Führungsetage des sowjetischen Komitees für Solidarität mit den Ländern Asiens. Es wurde 1956 gegründet und bald auch auf Afrika erweitert.72 Den Vorsitz übernahm der bereits aus kulturellen Aktivitäten unter Stalin bekannte Mirzo Tursun-Zade. Sowjetische Auszeichnungen der 1960er-Jahre belegen, dass der Poet in seinen literarischen Werken nach wie vor Geschmack und Politikverständnis der sowjetischen Spitzen traf.73 Weiterhin fungierten im Solidaritätskomitee mit dem Schriftstellerkollegen Sofronov oder den Orientalisten Aleksandr Guber und Žukov Kultur- und Wissenschaftsfunktionäre, die zu Stalins Zeiten prominente Plätze eingenommen hatten. Außerhalb des Komitees blieb im Übrigen auch Tichonov in den politischen und Literaturbeziehungen zum gesamten Subkontinent präsent.74 Derlei Beharrungsvermögen war auch deshalb erfolgreich, weil es lange schlicht an qualifiziertem Personal mangelte. So verfügte das sowjetische Komitee zur Verteidigung des Friedens, ohnehin schwach besetzt, Mitte der 1950er-Jahre über keinen einzigen Mitarbeiter mit adäquaten Fremdsprachenkenntnissen.75 Die verstreuten Quellenfunde lassen allerdings den Schluss zu, dass sich das Personalproblem bis Anfang bzw. Mitte der 1960er-Jahre entspannt, wenn auch nicht gänzlich gelöst hatte.76 Ähnliches gilt für die Kader der sowjetischen Pressearbeit. Orestov, Korrespondent der 1950er-Jahre, gab sich noch 1958 in seinen 72 Zur Organisation und, ab 1961, republikanischen Filialen vgl. Kirasirova, Sons, S. 122–128. 73 Tursun-Zade erhielt für sein Werk »Golos Azii« 1960 den Lenin-Preis. Vgl. Babaev, Mirzo Tursun-Zade, S. 80 f., 89 f.; Pourhadi, Soviet Tajik literature, S. 105 f.; Abbas, Unter vier Augen, S. 121 f.; Kalinovsky, Not some British colony, S. 207 f., 213. 74 Vgl. Stenogramm Sitzung SSP zur Vorbereitung der Taškenter Konferenz, 7.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6081; Stenogramm Sitzung Sowjetisches Komitee für Verbindungen mit Autoren Asiens und Afrikas, 19.12.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6124, hier u. a. ll. 97 ff., 121; Balašova/Egorov/Nikoljukin, Sovetskaja literatura, S. 67 f., 85 f.; Čelyšev, Izbrannye trudy 1, S. 589–592 sowie 3, S. 203 f., 283–288; Kap. 3.1.1. Zur politischen Kritik an Sofronov in der Frühzeit vgl. indes Davies/Harris, Stalin’s world, S. 258, 271. Am Beispiel des Ende der 1950er-Jahre neu gebildeten Staatskomitees für Rundfunk und Fernsehen lassen sich ebenfalls personelle Kontinuitäten festmachen: Der Vorsitzende des Rundfunkkomitees, Kaftanov, hatte bis zur Ausgliederung der Abteilung aus dem Kulturministerium die Verwaltung als stellv. Kulturminister geleitet. Černyšev war Leiter der Hauptverwaltung Auslandsrundfunk des GKKS und wechselte mit seiner Abteilung im Mai 1959 zum Staatskomitee für Rundfunk und Fernsehen. 75 Vgl. Sofronov und Kotov an ZK, 28.6.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 447, ll. 121–123, hier l. 122; N. Michajlov an ZK [Eingang 9.10.1956], GARF, f. 8581, op. 2, d. 428, ll. 195 f. 76 Vgl. Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 48 f., 51 f.; Černyšev an ZK, 4.5.1959, RGANI, f. 5, op. 33, d. 106, ll. 57–71, hier ll. 64 f.; Kaftanov an ZK, 14.11.1961, RGANI, f. 5, op. 33, d. 175, ll. 53 ff.

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Memoiren als klassenbewusster und antikolonialistischer Beobachter, der sein Vorwissen aus Büchern R. Palme Dutts oder linker Autoren Indiens geschöpft hatte. Dagegen konnte Pravda-Korrespondent Anatolij Kucenkov (1961 bis 1965) eine Promotion über den indischen Außenhandel nach 1945 vorweisen.77 Zur Abmilderung personeller Zwangslagen vertrauten die sowjetischen Apparate wie zuvor auf die Unterstützung der indischen Genossen. Dass diese Praxis außerhalb der kommunistischen Zirkel mit Misstrauen aufgenommen wurde, musste in Kauf genommen werden.78 Störender war es, wenn derlei enge Verbindungen zu unschönem Bruderzwist führten. 1956 entließ der SIB in Delhi beispielsweise indische kommunistische Mitarbeiter, da diese zu sehr auf gewerkschaftliche Rechte und zu wenig auf den Ausstoß sowjetischer Propagandaschriften geachtet hatten. Dies rief die CPI auf den Plan, die den SIB-Leiter als Ausbeuter brandmarkte, der sich schlimmer als englische Börsianer aufführe.79 Die Verhältnisse blieben prekär. Nachdem sich 1960 indische SIB-­Angestellte in altkolonialer Tradition beim obersten Potentaten Chruščev über ihre Arbeitsbedingungen beklagt hatten, sprach sich der SIB sogar für eine vollständige Auslagerung der Arbeiten an eine indische Fremdfirma aus.80 Ungeachtet der Kaderprobleme erweiterte sich die gesamte institutionelle Landschaft im Bereich der angeblich gesellschaftlichen und/oder kulturellen und propagandistischen Beziehungen zu Indien ab Mitte der 1950er-Jahre deutlich. Die Einrichtungen differenzierten sich aus, sahen sie sich doch einer wachsenden Vielfalt von Aufgaben gegenüber. Dabei agierten sie in einem Spannungsfeld von unterschiedlich ausgeprägten Eigeninteressen und Vorstellungen auf der einen sowie ungleichmäßig geltend gemachten Kontroll- und Leitungsansprüchen der Parteiinstanzen auf der anderen Seite. Die Moskauer Zentrale tat sich weiterhin schwer damit, Zuständigkeiten und damit selbständige Gestaltungsmöglichkeiten an die Institutionen selbst abzugeben.81 77 Vgl. Orestov, Sem’ let, S. 34, 46 f., 80–88, 112. 78 Vgl. Pozdeev an SIB Delhi, Efimov, 24.9.1955, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 246–249; MID, Filippov, an Pozdeev, 19.3.1956, GARF, f. 8581, op. 2, d. 428, l. 34. 79 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Pal’gunov mit Chefredakteur der kommunistischen Wochenschrift Jan’ juk, Ramesh Singh, 19.6.1956, GARF, f. 8581, op. 2, d. 428, ll. 123–127; Vermerk zu Gespräch SIB mit Mitglied ZK CPI, Patnaik, 14.7.1956, ebd., ll. 183 ff.; Men’šikov an Leiter MID-Abt. SOA, Volkov, 24.11.1956, GARF, f. 8581, op. 2, d. 428, ll. 270–273. 80 Vgl. Beschluss Ideologie-Kommission, 31.3.1960, RGANI, f. 11, op. 1, d. 497, l. 109; G. A. Žukov, an ZK, 17.8.1960, RGANI, f. 5, op. 33, d. 153, ll. 115–123. 81 Vgl. Vermerk Polikarpov und Sektorleiter Jarustovskij, 26.12.1957, RGANI, f. 5, op. 36, d. 43, ll. 102–106; Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 49–51; Afiani, Ideologičeskie komissii CK KPSS, S. 25 f.

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1955 lag ein wesentlicher Teil der Verantwortung für die verschiedenartigen Organisationen beim Kulturministerium.82 In den Augen der Parteioberen wurde das Ministerium seinen Aufgaben offenbar nicht gerecht. Der ZK-­ Apparat legte Ende November 1956 einen Beschlussentwurf zur Verbesserung der gesamten Außenpropaganda der UdSSR vor.83 Daraus entstand im Frühjahr 1957 ein neues Staatskomitee für Kulturverbindungen mit dem Ausland (GKKS). Im Komitee fanden sich Vertreter aus Kultur- und Bildungsministerium der UdSSR, diverser republikanischer Kulturministerien, des MVT, der Akademie der Wissenschaften sowie von Freundschafts- und Kulturgesellschaften und Sportorganisationen zusammen. Das SIB und der Verlag für Fremdsprachige Literatur wurden dem GKKS direkt unterstellt.84 Das GKKS sollte daneben die Koordinierung der Auslandspropaganda der verschiedenen Ostblock-Staaten im Auge zu behalten. Für dieses Feld sind einstweilen keine konkreten oder weitreichenden Absprachen nachweisbar.85 Zum ersten Vorsitzenden des GKKS wurde Georgij Žukov berufen. Der hatte seine politische Zuverlässigkeit und Wandlungsfähigkeit unter anderem 1952 bis 1957 als stellvertretender Chefredakteur der Pravda genügend bewiesen.86 Ihm folgte 1962 der bisherige Stellvertreter Sergej Romanovskij nach, der als Jugendfunktionär seit 1950 erste Verdienste erworben hatte. Ungeachtet der umfangreichen Aufgabenstellung war der Mitarbeiterstab des Komitees zumindest am Anfang von bescheidener Größe.87 Noch im Oktober 1959 befassten sich in Moskau zwölf Mitarbeiter mit sozialistischen Ländern, je acht mit West-

82 Vgl. N. Michajlov an ZK, [Dezember 1955], RGALI, f. 2329, op. 9, d. 34, ll. 1–10. 83 Vgl. Ponomarev/Snasti, an Molotov, 29.11.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 383, ll. 40 ff. 84 Vgl. Vinogradov, Polikarpov u. a. an Molotov, 8.2.1957, sowie Entwurf für Ukaz Präsidium des Obersten Sowjets über Gründung GKKS, März 1957, RGANI, f. 5, op. 28, d. 383, ll. 76 ff.; Beschluss ZK-Präsidium, 4.3.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 575 ff.; Besprechung DDR-Delegation mit GKKS, 14.–16.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20/88, Bl. 28 ff., hier Bl. 40, 207 ff. 85 Vgl. Pospelov an ZK, 2.9.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 438, ll. 33 ff. Einen guten Überblick über die Aktivitäten der einzelnen Staaten 1963 liefert Department of State, Bureau of Intelligence and Research, »Compilations of cultural and educational exchanges between the Communist Countries and South Asia in 1963«, Juni 1964, Univ. of Arkansas, Bureau of Educational and Cultural Affairs State Department, Box 169, File 14. Das Dokument stellte mir freundlicherweise Giles Scott-Smith, Middleburg/Nl, zur Verfügung. 86 Von den weiteren Spitzenkadern sind nur wenige greifbar. Viele konnten offenbar, wie Ivan Bol’šakov, Karrieren aus der Stalin-Herrschaft fortsetzen. 87 In der Zentrale des GKKS wurden zunächst 26 Mitarbeiter tätig, vgl. G. A. Žukov an ZK, 20.5.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 235, ll. 62 ff.

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europa und den USA, fünf mit dem Nahen Osten und sieben mit Fernost und Südostasien.88 Trotz der Gründung des GKKS blieb es im Institutionengestrüpp der UdSSR bis in die Mitte der 1960er-Jahre hinein bei partiell überlappenden Zuständigkeiten mit entsprechenden Reibungsverlusten. Sie wurden durch bürokratische Rangeleien und Egoismen der vielen beteiligten sowjetischen Stellen noch verstärkt. Ein Beispiel aus dem Alltag des sowjetischen Kulturhauses in Delhi mag genügen. Nach Erfahrung der Hausdirektion taten sich Delegationen der UdSSR mit wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Kernaufgaben immer wieder schwer, ihre Aktivitäten im Rahmen des propagandistisch-ideologischen imperialen Großprojekts zu verorten: »Viele Genossen der Handelsvertretung«, so die Klage der Kulturarbeiter, »weigern sich überhaupt, im Haus der Kultur aufzutreten, und sagen, dass sie gekommen sind, um zu handeln, und nicht, um Propaganda zu betreiben«.89 Selbst wenn es zu punktuellen Kontakten außerhalb der engen fachlichen Grenzen kam, verstanden es die sowjetischen Vertreter selten, die angebahnten Verbindungen nach Indien zu pflegen.90 In Moskau war man Mitte der 1950er-Jahre nicht nur mit der allgemeinen Koordinierung und zentralen Lenkung der nicht-diplomatischen und -wirtschaftlichen Auslandsaktivitäten unzufrieden, sondern auch mit der konkreten Tätigkeit einzelner Großeinrichtungen. Während Sovėksportfil’m sein Vertriebsnetz ausbauen konnte, zeigte sich bald, dass die altehrwürdige VOKS endgültig überfordert war.91 Die Organisation wurde im Februar 1958 in eine Union der sowjetischen Gesellschaften für Freundschaft und kulturelle Beziehungen (SSOD) umgestaltet, die die wenigen VOKS-Spezialisten für Südost- und Südasien zumindest teilweise übernahm. Auch Nina Popova, seit 1941 in der Frauenbewegung führend und VOKS-Chefin seit 1957, blieb der SSOD bis 1975 als Leiterin erhalten. Von der neuen Dachorganisation versprach sich Moskau einen breiteren Zugang zu nationalen Verbänden in aller Welt sowie die Einbindung 88 Vgl. Struktur und Personaletat GKKS, 16.10.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 442, ll. 290 ff. 89 Protokoll Mitarbeiterversammlung Kulturhaus Delhi, 13.10.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 162, ll. 43 ff. Vgl. VOKS, Chimač, an sowjetisches Frauenkomitee, Vasil’evna, 14.2.1958, GARF, f. 7928, op. 3, d. 102, ll. 26 f.; Benediktov an ZK, [nach 31.12.1962], RGANI, f. 5, op. 55, d. 54, ll. 197 ff.; Romanovskij an Ideologieabteilung ZK, 6.4.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 115, ll. 82– 87; Protokolle Nr. 29–30 Ideologie-Kommission ZK, 14.–25.5. und 26.5.–5.6.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 118. 90 Vgl. exemplarisch Vermerk über Gespräch Kreškov mit »Professor Bill«, 4.4.1956, AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 8, ll. 128 ff. 91 Sovėksportfil’m stützte sich bereits Mitte der 1950er-Jahre auf Filialen in Delhi, Madras, Calcutta, Bombay, Srinagar und Hyderabad.

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weiterer Schichten der sowjetischen Gesellschaft. Dieser Ansatz korrespondierte mit dem sowjetischen Engagement für internationale gesellschaftliche Zusammenschlüsse, die – wie beispielsweise die AAPSO seit 1957 – außerhalb diplomatischer Beziehungen linke Agenden international hoffähig machen wollten.92 Im Rahmen der SSOD wurde am 24. Januar 1958 die gesamtsowjetische Gesellschaft für sowjetisch-indische Kulturverbindungen unter Vorsitz des Akademiemitglieds Nikolaj V. Cicin ins Leben gerufen.93 In Indien selbst verfügten die SSOD bzw. ihre sowjetisch-indische Untergruppe über mindestens zwei Standorte, Delhi und Bombay. 1961 nahm in Delhi unter anfänglich schwierigen finanziellen und organisatorischen Bedingungen das bereits erwähnte »Haus der sowjetischen Kultur« seine Arbeit auf, welches mit den üblichen Mitteln: Fotoausstellungen, Filme, Vorträge, Bibliotheken, Konzerten usw. wirkte.94 In der UdSSR waren republikanische Filialen in Uzbekistan, Kazachstan und Azerbajdžan aufgerufen, sich besonders um Indien zu kümmern; dies korrespondierte zumindest mit dem indischen Interesse an Uzbekistan.95 Auch jetzt kam die kontinuierliche Multifunktionalität sowjetischer ­Kulturschaffender und -funktionäre zum Tragen. So engagierte sich der Autor Muchtar O. Auėzov, einer der Initiatoren der kazachischen Abteilung der Gesellschaft für sowjetisch-indische Kulturbeziehungen, außerdem im sowjetischen Komitee für Solidarität mit den Ländern Asiens und Afrikas.96 Versuche sowjetischer Republiken, über eine eigene Beteiligung an den kulturellen, wissenschaftlichen und propagandistischen Außenbeziehungen ihr Profil zu schärfen, rieben sich mit-

92 Vgl. Antonov (Hg.), Iz istorii, S. 38–47; Allison, The Soviet Union, S. 29–31; Neuhauser, Third World politics, S. 1–5, 11 f.; Prashad, The darker nations, S. 52–54, 57; Dzasochov, Dviženie solidarnosti narodov. Aufstellung weiterer relevanter internationaler Organisationen bei Rose, The Soviet propaganda network; Barghoorn, Soviet foreign propaganda, S. 258–270. 93 Vgl. Information SSOD über die Tätigkeit der Gesellschaft, o. D., GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 109–114; Romanovskij, Meždunarodnye, S. 115–118; Kočarjan, Družba, S. 38. Nikolaj Vasil’evič Cicin, u. a. (seit 1939) Akademiemitglied, (1958) Direktor des Botanischen Gartens der AN. 94 Vgl. Entwurf Perspektivplan für 1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, l. 193, dazu ebd., ll. 278– 285. Das Haus war bis 1964 eines von nur 16 Kulturzentren der UdSSR im Ausland, vgl. Popova an ZK, 18.1.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 55, ll. 75 ff., hier l. 79. 95 Vgl. Beschluss ZK-Sekretariat, 31.7.1958, RGANI, f. 89, op. 55, d. 22, ll. 189 f.; G. A. Žukov an ZK, 13.11.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 54, ll. 8 ff.; Aufzeichnung Serebrjakov, April 1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 87, ll. 180 ff.; Abutalipov, Pod leninskim znamenem, S. 306–309; Kirasirova, Sons, S. 121 f. 96 Vgl. Protokoll Nr. 1, kazachische Abteilung Freundschaftsgesellschaft, 15.10.1958, GARF, f. 9576, op. 15, d. 40, ll. 35 f.; Yegorova, The All-Union Society for Cultural Relations, S. 92 f.

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unter an Moskauer Befürchtungen, dass über die auswärtige Kulturpolitik die innere Nationalitätenpolitik aus dem Gleichgewicht gebracht würde.97 Die Mobilisierung der sowjetischen Gesamtgesellschaft für die Beziehungspflege wurde zunächst einmal durch traditionelle Mittel von oben, durch kollektive Mitgliedschaften ganzer Schulen, Komsomolgruppen oder Fabriken in den Kulturgesellschaften, erreicht.98 Abendversammlungen und punktuelle Festkampagnen anlässlich politischer oder kultureller Jahrestage dienten dazu, einer breiteren sowjetischen Öffentlichkeit verbindliche Eindrücke über Indien zu vermitteln, das offiziöse Wissen zu verfestigen und in Richtung Indien Interesse an und die besondere sowjetische Zuneigung zu dem Subkontinent zu belegen.99 Die wirkliche Resonanz auf derlei Veranstaltungen und die individuellen Einstellungen sind kaum zu bestimmen. Sie reichten von echter Neugier bis zum Wunsch nach Ablenkung vom Alltag.100 Dabei hatten einfache Mitglieder und Aktivisten in den Organisationen in den 1950er- und 1960er-Jahren kaum die Möglichkeit, unmittelbaren Kontakt zu Indien oder indischen Gästen aufzunehmen. Die tadžikische Abteilung der Gesellschaft für sowjetisch-indische Freundschafts- und Kulturbeziehungen konnte in den ersten fünf Monaten ihres Bestehens 1962 gerade einmal fünf indische Gäste begrüßen.101 Der Tourismussektor schließlich spielte in den sowjetisch-indischen Beziehungen bis Mitte der 1960er-Jahre kaum eine Rolle.102 Inturist hatte 1956 nur  97 Vgl. ZK KP Uzbekistan, Muchitdinov, an ZK, 28.5.1957, RGANI, f. 5, op. 33, d. 34, ll. 51 f.; Leiter ZK-Abteilung Agitprop der Unionsrepubliken, Konstantinov, und Sektorleiter Sačkov an ZK, 12.12.1957, RGANI, f. 5, op. 33, d. 34, ll. 71 ff.; KGB an ZK, 11.1.1961, RGANI, f. 5, op. 33, d. 177, l. 11; Beschluss ZK KP Uzbekistan, 17.2.1961, RGANI, f. 5, op. 33, d. 177, ll. 4 ff.; Ašrafi, Indijskie dnevniki; Abutalipov, Pod leninskim znamenem, S. 142 f., 304 f., 330 f.  98 Die 1958 gegründete Gesellschaft in Kazachstan zählte sofort rund 1000 Mitglieder, vgl. Protokoll Nr. 1, kazachische Abteilung Freundschaftsgesellschaft, 15.10.1958, GARF, f. 9576, op. 15, d. 40, ll. 35 f.  99 So wurden zum Tag der Republik in der UdSSR u. a. Pressemeldungen, Vorlesungsabende, Filmvorführungen und Ansprachen offizieller Vertreter Indiens organisiert, vgl. Protokoll Nr. 23 der Ideologie-Kommission für die Zeit vom 17.1.–14.2.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 112, hier l. 244. Allg. vgl. Petrova an V. Alva (Bombay), [nach 24.1.1958], GARF, f. 7928, op. 3, d. 102, ll. 16 f.; indische Botschaft Moskau an MEA, 26.1.1960, NAI, 8 (18) EUR (E)/60. 100 Vgl. Cicin auf Sitzung Exekutivkomitee, 12.1.1960, mit Entwurf Resolution und Perspektivplan für 1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 86, ll. 1–39. 101 Vgl. Bericht tadžikische Abteilung, Vors. Iskandarov u. a., [Anfang 1963], GARF, f. 9576, op. 15, d. 201, ll. 102–106. 102 Vgl. geschäftsführender Vorsitzender Inturist, Charčenko, an ZK, 20.12.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 371, ll. 246 ff.; stellv. Vors. Inturist, Bojčenko, an stellv. Vors. GKKS, Petrov, [Januar 1964], GARF, f. 9518, op. 1, d. 437, l. 93; Leiter Inturist, Ankudinov, an stellv. MVT, Bol’šakov, 13.5.1957, GARF, f. 9612, op. 2, d. 239, ll. 59 ff.; Gorsuch, All this is your world, S. 10–19; Marinova, With friends, S. 130.

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84 indische Touristen in der UdSSR gezählt, eine Zahl, die 1957 sogar noch unterboten wurde. 1960 registrierten sowjetische Behörden dann knapp 280 Touristen aus Indien. Darunter stellten Auslandsinder oder exklusiv reisende soziale Eliten bis hin zu Maharajas einen großen Anteil. Im Gegenzug konnten sich nur wenige sowjetische Touristen ein eigenes Bild vom Subkontinent machen.103 Hier wirkten die sowjetischen Preise für derartige Fernreisen ebenso prohibitiv wie das sowjetische Bemühen, die eigenen Bürger erst einmal in sozialistische Länder zu lenken.104 Botschafter Menon erinnerte später bezeichnende Klagen sowjetischer Bürger: »What is the use of this Hindi-Russi Bhai Bhai, if we are never allowed to visit India?«105 Im sowjetischen Organisationsgefüge erwies sich schließlich der SIB den neuen Anforderungen der sowjetischen internationalen Beziehungen auf Dauer gleichfalls nicht gewachsen. Er wurde 1961 durch die Nachrichtenagentur Novosti (APN) ersetzt.106 APN gerierte sich als gemeinsame Initiative gesellschaftlicher Organisationen in der UdSSR – SSOD, SSP, Journalistenverband und andere – zur Völkerverständigung. Wie vordem das SIB, so sahen sich auch APN-Vertretungen in Delhi, Bombay und Calcutta in ihrer Tätigkeit mit von der indischen Politik verfügten Einschränkungen konfrontiert.107 Ähnliche Erfahrungen mussten sowjetische Zentralblätter in Indien machen, die ihre Korrespondentennetze vor Ort langsam ausbauten.108 Die Ausführungen über organisatorische und personelle Grundlagen und -probleme der sowjetischen Beziehungen zu Indien führen, analog zu den Beschreibungen der Institutionenlandschaft der 1940er- und frühen 1950er-Jahre, abschließend zur sowjetischen Indologie. Ihr war weiterhin aufgegeben, die politische Führung mit qualifizierten Kadern, Informationen und 103 Vgl. Aufstellungen Inturist, GARF, f. 9612, op. 2, d. 239, ll. 26 f., 147 ff.; Plan für Tourismus für 1960, bestätigt von Patoličev, 8.2.1960, GARF, f. 9612, op. 2, d. 257, ll. 215 ff.; Aufstellung SSOD 1961–1963, GARF, f. 9576, op. 15, d. 204, ll. 228 ff.; Sovetskoe zazerkal’e, S. 201 f.; Gorsuch, Time travellers, S. 210–212; Tondera, Der sowjetische Tourismus, S. 45, 49. Als exemplarischer Bericht von Auslandsindern vgl. Rau, My Russian journey, hierzu Burton, The postcolonial careers. 104 Vgl. MVT/Finanzministerium an Mikojan, 2.8.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 113, l. 45; Statistik 1956–1975 in Bulletin der Hauptverwaltung für Auslandstourismus beim SovMin, 1977, Nr. 1 (253), S. 3 f., GARF, f. 9612, op. 3, d. 1119. 105 Menon, The lamp, S. 314. 106 Vgl. Vors. APN, Burkov, an ZK mit Statut APN, 3.4.1961, RGANI, f. 5, op. 33, d. 181, ll. 39 ff.; Burkov an ZK 9.3.1963, RGANI, f. 5, op. 33, d. 208, ll. 341 ff.; Roth, Sow-Inform, S. 179–181. 107 Vgl. Burkov an ZK, 16.2.1962, RGANI, f. 5, op. 33, d. 208, ll. 71 ff.; G. A. Žukov an ZK, 27.3.1961, RGANI, f. 5, op. 33, d. 181, ll. 25 ff. 108 Vgl. ZK, Egorov/Kortunov, an ZK, 13.1.1964, RGANI, f. 72, op. 1, d. 19, ll. 1 ff.

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Einsichten zu versorgen. Wie in den Vorjahren, so entwickelten sich auch nach 1953/55 Arbeitsbedingungen sowie Maßstäbe für die Definition und Bewertung wissenschaftlicher Qualität im Spannungsbogen zwischen Politik und Wissenschaft.109 Dass die sowjetische Indologie nach Stalin in mancherlei Hinsicht Nachholbedarf hatte, war den Wissenschaftlern selbst durchaus bewusst. Anfang 1955 war wissenschaftliche Kritik an der überholten Gandhi-Interpretation der BSĖ möglich. Offen war, ob hier nur neue politische Vorgaben umgesetzt wurden oder ob sich größere Spielräume der sowjetischen Indologie schlechthin abzeichneten.110 Die Partei dachte an eine flächendeckende Aktivierung der Wissenschaft entlang politisch vorgegebener Prioritäten. Der 20. Parteitag signalisierte überdeutlich, dass die Politik keineswegs gewillt war, gerade bei international relevanten Aktivitäten, Kaderfragen und Deutungen die Kontrolle über die Wissenschaft aus der Hand zu geben. An diesem Anspruch sollte sich auch in den folgenden Jahren nichts ändern.111 Ganz traditionell drängte die Politik darauf, dass die verschiedenen Forschungszweige mit ihrem Instrumentarium ihre Themen vor allem aus Sicht der globalen Systemkonkurrenz auswählten und analysierten.112 Dabei herrschte in Partei und Wissenschaft Konsens darüber, dass eine adäquate Forschung auf eine institutionell ausdifferenzierte Basis gestellt werden musste, um alle Aspekte internationaler Beziehungen zu erfassen. Anfang April 1956 wurde das Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen (IMĖMO) ins Leben gerufen. Ein Sektor des Instituts hatte sich im Rahmen der allgemeinen Auseinandersetzung mit dem kapitalistischen Ausland intensiv mit der »neuen Rolle der Länder Asiens in der Weltwirtschaft und Politik« zu befassen.113 109 Vgl. Kap. 3.1.1. 110 Vgl. Schukow, Über Mahatma Gandhis geschichtliche Rolle; ToI, 9.1.1955, S. 8, A. S. R. Raman, Soviet Encyclopedia dubs Gandhism religious and reactionary. 111 Vgl. Vorlage ZK-Abteilungen für Wissenschaft und Internationale Beziehungen, IVAN und GKKS für ZK, [vor 2.3.1960], RGANI, f. 11, op. 1, d. 484, ll. 122 ff.; Šepilov auf 20. Parteitag, 4. Sitzung, in: XX s-ezd 1, S. 193 ff., hier S. 204 f.; Mikojan, 6. Sitzung, ebd., S. 301 ff., hier S. 324 f.; Za dal’nejšij pod-em, v. a. S. 77 f., 80; Velikaja Oktjabr’skaja socialističeskaja revoljucija; XX s-ezd; Guber, Gluboko i vsestoronne; Maslennikov, Velikie. 112 Vgl. Beschluss ZK-Sekretariat, 29.10.1956, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 615 f.; Diskussija o periodizacii istorii; Diskussija ob ėkonomičeskich i političeskich pozicijach; V Institute Vostokovedenija; Brovcinov, Plan; Alaev/Baranov/Kulanda, Iz istorii.; Kratkie soobščenija Instituta Narodov Azii Nr. 51 (1962), 61 (1963), 63 (1963). 113 Beschluss ZK-Präsidium, 3.4.1956, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 434–436, dazu Dokumente zum Vorlauf seit September/Oktober 1955, ebd., S. 328–330, 436–442. Vgl. Aktenvermerk erster Sekretär DDR-Botschaft Moskau, Wünsche, über Gespräch mit stellv. Di-

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Von unmittelbarer Bedeutung war, dass das ZK das IVAN nicht aus den Augen ließ. Die deutliche Kritik des 20. Parteitags an der sowjetischen Orientalistik goss das ZK-Präsidium im Juli 1956 in den Befehl, das Institut mit zusätzlichen Geldern und Hilfsmitteln neu aufzustellen.114 Ab jetzt befasste sich eine (von sechs) Abteilungen mit Indien und dem Mittleren Osten. Gemäß der organisatorischen Schwerpunktsetzung machten Indologen einen hohen Anteil der Mitarbeiter des IVAN aus.115 Klassische Themen der Orientalistik wurden wieder als eigener Forschungszweig etabliert, auch wenn man sie in die Leningrader Filiale auslagerte. Es sei unmöglich, lautete die Begründung, »ohne Fertigkeiten der philologischen Analyse […] aktuelle politische Texte, Staatsdokumente, literarische Werke und die Presse auszuwerten und zu übersetzen«.116 Aufgrund des erhöhten Gewichts Afrikas in den sowjetischen internationalen Beziehungen wurde das IVAN drei Jahre später in ein Afrika-Institut und ein Institut der Völker Asiens (INA) aufgespalten. Die Forschungen zu Indien und Pakistan wurden in einer INA-Abteilung zusammengeführt.117 Parallel wurde die universitäre Forschung und Lehre ausgebaut. Die MGU erhielt 1956 ein Institut für Orientsprachen, die Leningrader Ost-Fakultät vergrößerte sich. In den Republiken zogen die akademischen und universitären Einrichtungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten nach. Außerhalb der eigentlichen Orientalistik griffen weitere Disziplinen Fragestellungen zu den Regionen des ›Ostens‹ auf.118 rektor IMĖMO, Aboltin, am 24.3.1962, 28.3.1962, PA AA, MfAA, A. 159, Bl. 104–108; Kurzbiographie von Viktor L. Tjagunenko (1920–1975), in: O kollegach i tovariščach, hg. von Drejer u. a., S. 38–53, hier S. 43–46; Eran, Mezhdunarodiki, S. 129 f. Vjačslav Petrovič Eljutin, u. a. 1961–1986 ZK-Mitglied, 1951–1953 erster stellv. Bildungsminister, 1954–1985 Bildungsminister. 114 Vgl. Beschluss ZK-Präsidium, 20.7.1956, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 548–550; Beschluss Präsidium AN, 7.9.1956, in: Davidson/Mazov (Hg.), Rossija i Afrika 2, S. 339; Boden, Die Grenzen, S. 238–241 f. 115 Innerhalb der Abt. war ein Sektor für Indien, ein zweiter für Pakistan zuständig, vgl. Vermerk Gafurov, 4.8.1956, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 552 f. 1955 beschäftigten sich 44 von etwas über 200 Mitarbeitern mit Indien, vgl. Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 146 f. 116 Zadači vostočnoj filologii, S. 4 f., 8. Vgl. Vostokovedy Moskvy, S. 221; Petrosjan, Vstreči, S. 28 f., 37–41. 117 Der spätere Leiter der Leningrader Filiale des IVAN, Petrosjan, schreibt die Namensänderung von IVAN zu Institut Narodov Azii chinesischem Druck zu, der Anklänge an alte Orientalismen meiden wollte, vgl. Petrosjan, Vstreči, S. 43 f. Vgl. Eran, Mezhdunarodniki, S. 89–94, 249 f.; Sahai-Achuthan, Soviet Indologists, S. 341 f.; XXI s-ezd i zadači, S. 21–23; Litman, Itogi. Mitte 1960 hatte das INA auch wieder das China-Institut absorbiert. 1966 wurde erneut ein Fernost-Institut ausgegliedert. Das Afrika-Institut wurde Anfang Oktober 1959 gegründet, ein, anfangs relativ passives, Institut für Lateinamerika im Frühjahr 1961. 118 Vgl. Vostokovedy Moskvy, S. 191; Kononov, Vostočnyj fakul’tet, S. 27 f.; Vostokovednye centry 1, S. 10 ff. sowie Band 2, S. 6 ff.; Vucinic, The structure, S. 85 ff.; Rustamov, K istoriii izučenija; Tansykbaeva/Kutina, Indija, S. 24 ff., 38 ff.; Vostokovednaja tematika v nevostokovednych

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Nach den Einschränkungen der Stalinjahre wurde in der engeren Fachpublizistik bereits 1955 das Hauptorgan Sovetskoe vostokovedenie wiederbelebt. Ende der 1950er-Jahre fusionierte die Zeitschrift mit dem sinologischen Fachblatt. Die neue Zeitschrift, die Problemy vostokovedenija, widmete sich intensiv aktuellen Fragen aus Geschichte, Wirtschaft, Politik, Kultur und Sprache.119 Daneben erweiterte das Institut für Orientalistik sein Angebot um eine populärwissenschaftlich-internationale Zeitschrift, Sovremennyj vostok (ab 1961 Afrika i Azija segodnja).120 Die Zeitschrift sollte einem breiten Publikum im In- und Ausland den ideologischen Gehalt der Entwicklungen in der Dritten Welt erläutern und sich aktiv in die Propagandaschlachten des Kalten Kriegs einbringen.121 Damit korrespondierte, dass das IVAN Kollektivmitglied der Gesellschaft für sowjetisch-indische Kulturbeziehungen wurde.122 Für den partiellen Neubeginn brauchte es entsprechende Führungs­kader. Der Historiker Aleksandr Guber war nur eine Zwischenlösung.123 Ihm folgte noch 1956 Bobodžan (Bogdan) Gafurov auf den Direktorenposten. Der anpassungs­fähige Gafurov vereinte ein feines Gespür für wechselhafte politische Strömungen mit der Fähigkeit zur kritischen Analyse der sowjetischen Wissenschaftslandschaft, dazu organisatorisches Geschick und bürokratisches Machtbewusstsein in sich.124 Es entsprach ganz dem politischen Wissenschaftsverständnis, dass sich Gafurov als Institutsdirektor sowohl in die gesellschaftlichen Auslandsbeziehungen als auch in die Innenpolitik der UdSSR einbrachte. Er fungierte als stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Solidarität mit den Ländern Asiens und Afrikas, war Mitglied des sowjetischen Komitees für die Verteidigung des Friedens sowie der sowjetischen UNESCO-Kommission. periodičeskich izdanijach SSSR (1958 g.–sentjabr’ 1959 f.), in Problemy Vostokovedenija (1960), Nr. 3, S. 303 ff. In bestehenden Zentren anderer Fächer – u. a. Philosophie oder Ethnografie – entstanden mitunter erst nach 1965/66 entsprechende Forschungsabteilungen, vgl. Vostokovedy Moskvy, S. 172, 179, 183. 119 Vgl. Beschluss Ideologie-Kommission, 22.12.1958, RGANI, f. 11, op. 1, d. 108; Literaturverzeichnis: Periodika. 120 Daneben erschien beispielsweise 1957–1963 im Moskauer Verlag für Belletristik der Vostočnyj al’manach, um der sowjetischen Öffentlichkeit Lyrik v. a. aus Asien näher zu bringen, vgl. Kap. 4.5.1. 121 Vgl. Beschluss ZK-Sekretariat vom 25.1.1957, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 665. 122 Vgl. Cicin, Tätigkeitsbericht für 1959, 12.1.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 86, ll. 1–39, hier ll. 4 f., 13. 123 Guber übernahm 1957 den Posten des Stellvertretenden Sekretärs der AN-Abteilung für Geschichte und wurde 1966 zum Mitglied der AN berufen. 124 Vgl. Gafurov an Šepilov, 5.2.1956, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 553 f.; Gafurov an ZK, 27.3.1961, RGANI, f. 5, op. 33, d. 182, l. 50; Gafurov, Duch Taškenta; Ilolov, V. G. Gafurov, S. 54–57; Gafurova, Otec, S. 105–107, 110 f.; Yountchi, The politics, S. 223 f.

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Zugleich agierte er bis 1958 als Abgeordneter des Obersten Sowjets Tadžikistans, danach als Deputierter des Obersten Sowjets der UdSSR.125 Auch für andere Karrieren in den mittleren und oberen Führungsetagen der Wissenschaft reichten akademische Qualifikationen allein in aller Regel nicht aus. Politische Gleichförmigkeit konnte durch Einsatz in den offiziösen Organisationen der UdSSR demonstriert werden. Dabei standen in Forschung und Publikationswesen Persönlichkeiten wie D’jakov, Mel’man, Braginskij oder Balabuševič dafür, dass die 1950er- und 1960er-Jahre auch in der Wissenschaft keinen grundlegenden personellen Bruch mit der Vergangenheit mit sich brachten.126 Die Destalinisierung ermöglichte allerdings mitunter ehemals verfolgten Orientalisten die Rückkehr in die Wissenschaft. Über das Verhältnis zwischen diesen Gruppen lässt sich einstweilen nur spekulieren.127 Als Direktor setzte Gafurov darauf, sein IVAN zum Leitstern der sowjetischen Orientalistik zu machen. Hierzu gehörte die Gründung eines eigenen Verlags für ›Ost‹-Literatur ebenso wie die erste Allunionskonferenz sowjetischer Orientalisten im Juni 1957 in Taškent. Leitartikel im Hausorgan des IVAN dienten, ganz im Sinne der Politik und Gafurovs, ebenfalls dem Zweck, die sowjetische Wissenschaftslandschaft zentral und verbindlich mit dem notwendigen wissenschaftspolitischen Rüstzeug auszustatten.128 In der Sache stand die sowjetische Orientalistik Mitte der 1950er-Jahre einmal vor der Aufgabe, den Ausstoß Sprachkundiger zu erhöhen.129 Vor allem ging es jedoch darum, die Ostforschung an die ambitionierten Zielsetzungen des Kremls anzupassen. Sovetskoe Vostokovedenie formulierte daher bereits in der ersten Ausgabe 1955 eine wesentlich breitere Aufgabenpalette als in den Vorjahren. In intensiver Forschungs- und Publikationstätigkeit sollten einerseits 125 Rachmonov, Velikij syn, S. 32 f.; Gafurova, Otec, S. 117 f.; Kalinovsky, Not some British colony, S. 197 f., 206 f., 213, 216; Kirasirova, Sons, S. 119 f. 126 Vgl. Kap. 3.1.1.; Eran, Mezhdunarodiki, S. 97 f., 102 ff.; Kuznecova/Kulagina, Iz istorii, S. 144 f., 160 f., 170 f.; Sahai-Achuthan, Soviet Indologists, S. 341; Slovo ob učiteljach, S. 147–166, 178– 199 und S. 218–243; Balabuševič/D’jakov, Novejšaja istorija Indi (engl. 1964). 127 Vgl. Vasil’kov/Sorokina (Hg.), Ljudi i sud’by; Šastitko, Predislovie, S. 5–7. Z. B. arbeitete Jurij Gan’kovskij, 1947 zu 8 Jahren ITL verurteilt und 1954 entlassen, 1959–1964 im IVAN/INA. Rostislav Ul’ janovskij war bereits in den 1930er-Jahren in Haft und musste ab 1940 in der Industrie arbeiten; 1957 startete seine zweite wissenschaftliche Karriere, die ihn auf den Posten des stellv. Direktors des IVAN (ab 1958), dann in die Internationale Abteilung des ZK führte. Vgl. ferner die Lebenswege von Viktor V. Petrov und Pavel K. Portnjagin, die nach Verurteilungen in den 1940er-Jahren ab Mitte der 1950er wieder wissenschaftlich tätig werden konnten. 128 Vgl. Muchitdinov an ZK, 19.6.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 190, ll. 39 ff.; Pervaja vsesojuznaja konferencija, S. 185, dazu die Abschlussresolution ebd., S. 190 f.; XXI s-ezd i zadači. 129 Vgl. Zadači vostočnoj filologii, S. 6.

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Erfolge des sowjetischen ›Ostens‹ analysiert sowie, ganz traditionell, Fehler und Mängel des Imperialismus entlarvt werden. Zudem galt es jedoch, die neuen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der UdSSR und der Dritten Welt sowie die nationalen Entwicklungen nicht-sozialistischer Staaten mitsamt ihren eigenen außenpolitischen Prinzipien genau zu beobachten und adäquat zu würdigen.130 1960 setzte das AN-Präsidium unter anderem die Themen »Krise und Zerfall des Kolonialsystems, die Kolonialpolitik des Imperialismus in der gegenwärtigen Etappe, die wirtschaftliche und politische Entwicklung der Länder Asiens, die unabhängig geworden sind, die internationalen Beziehungen, die Arbeiterund Bauernbewegung, [und] die Entwicklung des gesellschaftlichen Denkens im Osten« auf die Aufgabenliste des INA.131 Bald darauf erreichten Problemstellungen des sowjetisch-chinesischen Zerwürfnisses die sowjetische Wissenschaft.132 Alle Debatten und Befunde hatten sich erkennbar im Rahmen politisch-ideologischer Überzeugungen hinsichtlich »[a]llgemeiner Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der nationalen Befreiungsbewegung in den kolonialen und abhängigen Ländern unter den Bedingungen der zweiten Etappe der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems« zu bewegen. Sie spürten damit a priori dem Übergang »von der Herrschaft des Imperialismus, der feudalen und halbfeudalen Beziehungen zum Sozialismus« nach.133 Für das internationale Auftreten folgerte daraus, dass die sowjetischen Wissenschaftler nach den verhaltenen Anfängen 1953/54 ihre theoretischen Grundannahmen aktiver jenseits der eigenen Grenzen gegen »bürgerlichen Liberalismus«, Idealismus oder Pazifismus vertreten mussten, um unter anderem die internationale Orientalistik vor einer bürgerlichen Monopolisierung zu bewahren.134 In diesem Kontext ergab sich die Notwendigkeit, in sowjetischen Arbeiten immer wieder die angeblich traditionellen freundschaftlichen Gefühle des russischen Volks für Indien zu belegen. Dabei beriefen sie sich auch auf vorrevolutionäre Erfolge der russischen Orien130 Vgl. Editorial, in: Sovetskoe Vostokovedenie 1 (1955), S. 3–7. 131 Nesmejanov und Geschäftsführender Wissenschaftlicher Hauptsekretär AN, Fedorov, an ZK, 24.5.1960, sowie Beschluss, 30.6.1960, RGANI, f. 5, op. 35, d. 143, ll. 67–69, Zitat l. 67. 132 Vgl. O naučnoj polemike, S. 3–5; Friedman, Shadow Cold War, S. 107–109. 133 Ob izučenii, S. 3. 134 Vgl. Unterlagen zu Beschluss Ideologie-Kommission, 21.6.1960, RGANI, f. 11, op. 1, d. 525; Gafurov, Aktual’nye zadači; Beschluss ZK, 29.10.1956, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1952–1958, S. 615 f.; Beschlüsse ZK-Sekretariat, 12.2., 11.3.1957, 2.8.1958, ebd., S. 680 f., 691 f., 1009 f.; Leiter Hauptverwaltung Wassermeteorologischer Dienst, Fedorov, an ZK, 28.12.1962, RGANI, f. 5, op. 45, d. 317, ll. 145 ff.; Sitzung Ideologie-Kommission zur 13. Internationalen Sinologenkonferenz Moskau, 25.4.1960, RGANI, f. 11, op. 1, d. 500; Nesmejanov, Ob osnovnych napravlenijach.

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talistik. Historische Beziehungen zentralasiatischer Völker zum Subkontinent wurden mit weniger Nachdruck und vergleichsweise spät thematisiert.135 Bei der internationalen Positionierung waren koordinierte Aktionen mit Kollegen aus den Volksdemokratien angedacht, ohne dass die Orientalisten der UdSSR ihnen in der Praxis besonderen Stellenwert einzuräumen schienen.136 Wichtiger war den sowjetischen Akteuren, dass es nun auch wirklich zu einem intensiveren Kontakt mit der Wissenschaftslandschaft der Zielländer kam. Bis Mitte der 1950er-Jahre hatte nicht ein einziger sowjetischer Indologe den Weg nach Indien gefunden.137 Nun wurden neben Austauschprogrammen für gestandene Wissenschaftler langfristige Auslandsaufenthalte für Studierende und Doktoranden sowie Stipendien für indische Studierende aufgelegt.138 Der Studierendenstrom in beide Richtungen blieb jedoch überschaubar. In den Semestern 1962/1963 beispielsweise zählte man 15 bis 40 sowjetische Studierende in Indien, etwas über 180 Inder in der UdSSR.139 Dass 1960 der Orientalistenkongress in Moskau tagte, darf sicher als ein Beleg dafür gelten, dass

135 In diesem Kontext sind auch die Bemühungen der sowjetischen Wissenschaft um die Rerich-Dynastie (Roerich) zu sehen, vgl. Rerich, Pis’ma 2, S. 313–331; Bericht Direktor Jasnaja Poljana, Kočetov, über Reise nach Indien vom 15.–30.10.1964, 31.10.1964, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 590; Tansykbaeva/Kutina, Indija i Uzbekistan, S. 6–11, 24 f., 30 f., 36–46; Rustamov, K istorii izučenija, S. 59–67; Gamajunov, Gerasim Lebedev; Radovskij, Indijskie učenye; Ljusternik, Russko-indijskie ėkonomičeskie, naučnye i kul’turnye svjazi. 136 Vgl. Gafurov an ZK, 29.6.1957, RGANI, f. 5, op. 35, d. 56, ll. 125 f.; Nesmejanov/Topčiev an ZK, 30.12.1957, RGANI, f. 5, op. 35, d. 53, ll. 285 ff.; Chronik, in: Sovetskoe Vostokovedenie (1957), hier S. 196 f. 137 Vgl. Čelyšev, Izbrannye trudy 3, S. 297 f.; Komarov, V Rossii, S. 33; Chronik in Sovetskoe Vostokovedenie 1957, hier S. 209. 138 Vgl. Beschlüsse ZK-Präsidium, 8. und 31.8.1955, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 312– 314, 332; Beschluss ZK-Sekretariat, 25.7.1957, sowie Vermerk ZK-Abteilung für Wissenschaft, Hochschulen und Schulen, [vor 25.7.1957], in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 806 f.; Zadači vostočnoj filologii, S. 7; Vermerk Präsidium AN für ZK, 9.4.1957, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 801 f.; Beschluss ZK-Präsidium, 15.7.1957, ebd., S. 801 f.; Beschluss Ideologie-Kommission, 22.4.1958, ebd., S. 936–938; Korneev, Naučnye svjazi, S. 28–41; Sobolew, Bei indischen Gelehrten. Als erste Beiträge indischer Wissenschaftler in sowjetischen Zeitschriften vgl. u. a. Vid’jalankar, Osvoboditel’noe dviženie; Lajalpuri, Položenie; Imam, Oktjabr’skaja revoljucija; Pal, Indusskij svadebnyj obrjad; Kap. 4.4.1., Anm. 1073–1074. 139 Vgl. Aufzeichnung Gespräch erster Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Chropov, mit Leiter Abteilung Außenbeziehungen in Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Lakhani, Mai 1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1314, ll. 77 f.; Bericht SSOD, Potabenko, [1963], GARF, f. 9576, op. 15, d. 204, ll. 264 f.; Ministerium für Wissenschaft und Kultur an sowjetische Botschaft Delhi, 18.10.1960, AVP, f. 172, op. 15, papka 31, d. 3, ll. 40 f.; Hilger, Building a socialist elite, S. 274; Kap. 4.5.2.

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die internationalen Initiativen der sowjetischen Wissenschaftspolitik in ihrer Gesamtheit nicht nur in Indien durchaus auf Resonanz stießen.140 Schließlich bemühten sich sowjetische Stellen gegen Ende der 1950er-Jahre vermehrt um die Vermittlung der russischen – und nur der russischen – Sprache im Ausland. Sowjetische Funktionäre betrachteten diese Programme als Beleg für die Anerkennung sowjetischer Erfolge und als Mittel zur Verbreitung sozialistischer Ideen und Kultur. Die Mehrheit der Kurse in Indien wurde über ISCUS organisiert. Dazu kamen, von der Sowjetunion ungeliebte, Lehrangebote nicht-sowjetischer Stellen. Zu Beginn entsprach die Lehre vor Ort kaum höheren Ansprüchen. Ab den frühen 1960er-Jahren schuf Moskau mit der Entsendung professioneller Sprachlehrerinnen und -lehrer aus der UdSSR erste Abhilfe.141 Doch noch Mitte der 1960er-Jahre hielten indische Beobachter den Stand der Dinge für »kläglich«.142 Inhaltlich bewegte sich die sowjetische Orientalistik in den 1950er- und 1960er-Jahren ansonsten weiterhin zwischen politischen Vorgaben, facheigenen Interessen, Standards und Entwicklungen sowie wissenschaftsbürokratischen und individuellen Positionskämpfen. Frühere Mitstreiter werteten gerade Gafurovs Amtsführung als einen wichtigen Schritt zur Verwissenschaftlichung und Internationalisierung der sowjetischen Orientalistik. Auch indische Kollegen haben seine Tätigkeit positiv gewürdigt.143 Betrachtet man die Produktion der sowjetischen Orientalistik und insbesondere der Indologie ab 1956, so zeigt sich in der Tat ein deutlicher Aufschwung der Arbeiten auf allen Wissensfeldern.144 Die demonstrative Ideologietreue des Institutsleiters sowie der wissenschaftlichen Oberschicht, ihre strikte Beachtung inner- und machtpolitischer Grenzen 140 Vgl. Beschluss ZK-Sekretariat, 25.7.1957, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 806; Posle XXV meždunarodnogo kongressa; Trudy dvadcat’ pjatogo meždunarodnogo kongressa; Kemper, Propaganda. 141 Vgl. stellv. Vors. GKKS, Kuznecov, an SIB-Leiter Poryvaev, 15.4.1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 501, ll. 1–9; Beschluss Ideologie-Kommission ZK, 9.7.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 122, Protokoll Nr. 33; Bildungsministerium, Medvedev u. a., an ersten stellv. Bildungsminister, Prokof ’ev, 20.4.1964, GARF, f. 9606, op. 2, d. 138, ll. 100 ff.; Bericht SSOD, Guseva-Potabenko, Juli 1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 239, l. 283 ff.; Rechenschaftsbericht Sprachlehrerin Želudeva, zu Aufenthalt in Bangalore 1961/1962, 1.11.1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1633, ll. 79 ff.; Barannikov, Russkij jazyk. 142 Chakraborty, Russian Studies, S. 299. 143 Vgl. Čelyšev, Vostočnyj mudrec, S. 10–16; Petrosjan, Strichi, S. 40–42; Prussakova, K 100–letiju, S. 71 f.; Šastitko, Predislovie, S. 10 f.; O’Flaherty, Disregarded scholars. 144 Vgl. Perspektivplan für die Jahre 1957–1960, in: V Institute Vostokovedenija, S. 196–201; Brovcinov, Plan; Fifty years of Soviet Oriental Studies (Brief Reviews); Remnek, Soviet scholars, S. 130–135. Eine erste Bibliographie des sowjetischen Schrifttums zu Indien wurde 1956 begonnen und erschien 1959. Da sie lückenhaft war und mit dem Erscheinungsjahr 1957 ende-

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in der Kaderpolitik sowie der grundsätzliche politische Bedarf an wissenschaftlicher Expertise ermöglichten über die Jahre hinweg im unverrückbaren Rahmen der ideologischen Grundpostulate eine größere Bandbreite an Forschungsmeinungen – einschließlich der Äußerungen unbeirrbarer Stalinisten, die sich als Alternative zur aktuellen Außenpolitik nur eine erneuerte Verhärtung der internationalen Beziehungen denken konnten. Es ist hier nicht der Platz, die Diskussionen im Detail nachzuzeichnen. Festzuhalten ist, dass innerhalb der Zunft die Ansichten über den progressiven bzw. weniger progressiven Charakter der Nationalbourgeoisie in aller Welt einschließlich Indiens und damit über die Sinnhaftigkeit der sowjetischen Zusammenarbeit mit einzelnen Staaten auseinandergingen.145 Wenn überhaupt, dann wurden die schwelenden Debatten letztlich weiterhin entlang der Parteilinie entschieden. So fiel die Bilanz von Fachdiskussionen, die der Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften, Ostrovitjanov, im Oktober 1958 zog, ganz im Sinne des Kremls aus: »Indien und andere [Staaten]«, so verkündete Ostrovitjanov ex cathedra, »können in bekanntem Maße auf dem Weg des Staatskapitalismus Erfolge hinsichtlich der Verringerung ihrer wirtschaftlichen Rückständigkeit erringen und sie können die bekannten Erfolge in der Entwicklung der Produktionskräfte, in der Industrialisierung der Länder erreichen, aber sie können natürlich im Ganzen dieses Problem nicht lösen. Und das ist sehr wichtig, weil man jetzt sagen muss, dass die nationale Bourgeoisie ihre progressive Rolle noch nicht vollkommen ausgespielt hat. […]. Ihre Gegensätze zum Imperialismus sind noch sehr stark und sie kämpft um ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit und verteidigt ihre politische Unabhängigkeit.« »Und in diesem Kampf«, gab Ostrovitjanov Chruščevs Politik wissenschaftliche Unterstützung, »gibt es bei uns mit ihr eine gemeinsame Sprache, und in dieser Hinsicht sind wir bereit, jede Hilfe dafür zu leisten, [ihr] zu helfen, sich von der wirtschaftlichen Abhängigkeit zu befreien und dadurch einen neuen Schlag gegen den Imperialismus zu führen«. Der Vizepräsident kleidete damit politische Hoffnungen in das Gewand wissenschaftlich präziser Prognosen. Auch in Indien gäre es, »und

te, war bereits 1965 eine umfangreiche Neuauflage fällig, die anstelle der früheren 3800 gut 9000 Titel verzeichnete, vgl. Bibliografija Indii, Einleitung, dazu die Rezension zur ersten Ausgabe in Narody Azii i Afriki (1961), Nr. 2, S. 182–185. 145 Vgl. Kirillin an ZK, 11.11.1958, RGANI, f. 5, op. 35, d. 79, ll. 1 ff.; Hough, Struggle, S. 160–163; Remnek, Soviet policy, S. 132–155; Batalov/Gurvič, Možet li Indija prokormit’ sebja, S. 16 f.; Rubinstein, Möglichkeiten, S. 4, 6; Diskussija, S. 183 f.; Donaldson, Soviet policy, S. 137–143, 178–187; Rothermund, Indien, S. 115–123.

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das beruhigt sich nicht, bis Indien den echten, originalen sozialistischen Entwicklungsweg geht.«146 Unter diesen Prämissen registrierten die Analysten des IVAN in den folgen­ den Jahren aufmerksam innen- und außenpolitische Faktoren, die den von Moskau absolut gesetzten Entwicklungsprozess behinderten. Dabei waren von wissenschaftlicher Seite ab Ende der 1950er nicht mehr nur die traditionellen Vorwürfe an frühere Kolonialisten und neue Imperialisten, sondern immer deutlicher auch kritische Töne bezüglich der aktuellen indischen Wirtschafts-, Gesellschafts- und Innenpolitik zu hören. Wohlweislich enthielten sich die Wissenschaftler jedoch aller originellen oder kritischen Ratschläge für die konkrete Indienpolitik des Kremls. In Krisensituationen wie dem indisch-chinesischen Grenzkrieg folgten die Wissenschaftler ganz penibel den offiziellen Deutungen der Politik.147 Dies lag allerdings nicht nur an einer realistischen Einschätzung der eigenen Spielräume, sondern auch daran, dass die fachinternen Debatten über Entwicklungen und Aussichten in Indien und anderswo eben keine klaren Ergebnisse (mehr) zeitigten. An eine unabhängige, selbstbewusste Politikberatung durch die Wissenschaft war in den gegebenen Konstellationen der 1950er- und 1960er-Jahre nicht zu denken. Ohnehin hielten sich bis weit in die 1960er-Jahre hinein Polit-Funktionäre per se für die alleinigen Experten in Fragen sowjetischer Außenbeziehungen. »Bis heute«, so beklagte sich Gafurov Anfang 1966 bei der post-Chruščev’schen Parteiführung, »ziehen die internationalen Abteilungen des ZK der KPdSU zur Ausarbeitung von Grundsatzfragen unserer Strategie und Taktik kaum die führenden Wissenschaftler heran«.148 Nach Chruščevs Sturz versuchte die sowjetische Orientalistik mitsamt der Indologie ganz traditionell, anstehende Kurswechsel der neuen Führung zu erahnen und sich ihnen anzupassen.149 Darüber hinaus sah der gewiefte Bürokrat Gafurov die Chance, dass sein Institut und seine Wissenschaft aus dem Machtwechsel Kapital schlagen könnten. »Jetzt, wo unsere Partei danach strebt, Subjek146 Ostrovitjanov auf Sitzung IVAN u. a., 29.10.1958, RGANI, f. 5, op. 35, d. 79, ll. 255–269, Zitate ll. 258 f., 262 f., 265. Vgl. Ul’janovskij, Ob osobennostjach; Rubinštejn, Vtoroj pjatiletnij plan; Degtjar’, Razvitie; Maksimov/Rastjannikov, Nekotorye osobennosti. 147 Vgl. u. a. Gordon/Fridman, Položenie; Pavlov/Red’ko, Gosudarstvo; Bragina, Tretij p ­ jatiletnij plan; Vladin, Indija; Bol’šakov, Udary; Kucenkov, Dva podchoda; Reginin, Nekotorye voprosy; Maev, Indijskij monopolističeskij kapital; Kolychalova, Indija; Clarkson, The Soviet theory; Zafar Imam, Introduction, in: ders. (Hg.), Soviet view, S. VII–XXII, hier S. XIV–XXI; Eran, Mezh­ dunarodiki, S. 162 ff.; Notiz Außenpolitische Kommission ZK, 7.1.1965, in: Prozumenščikov (Hg.), Spor Teil 2, S. 5–10, hier S. 9; Remnek, Soviet scholars, S. 171–173. 148 Gafurov an Brežnev, 12.3.1966, RGANI, f. 5, op. 30, d. 489, ll. 147–153, hier l. 149. 149 O naučnoj polemike, S. 7; Debatte in Narody Azii i Afriki (1966), Nr. 4, S. 47–66.

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tivismus und Voluntarismus in der Führung und in der praktischen Arbeit ganz auszuschließen und die Fragen auf streng wissenschaftlicher Basis entscheiden will«, umschmeichelte Gafurov im März 1966 Generalsekretär Brežnev, »ist der Graben, der zwischen der Wissenschaft von den internationalen Beziehungen und der Praxis, […], und vor allem zwischen der Orientalistik und der außenpolitischen Praxis in den Ländern Asiens und Afrika leider existiert, unzulässig.«150 Für die geforderte Leistungsbilanz der vergangenen Ostpolitik des Kremls diente der Institutsdirektor konsequent seine Einrichtung an. Gafurovs Anregungen erwiesen sich für die weitere Sicherung seiner wissenschaftspolitischen Karriere als nützlich. Ob sie die sowjetischen Beziehungen zur Dritten Welt und zu Indien dauerhaft beeinflussen konnten, würde die Zukunft zeigen. Insgesamt zeigten institutionelle und personelle Erweiterungen, dass die sowjetische Führung wahrgenommene Chancen in der Dritten Welt aktiv nutzen wollte. Koordinierung und Kooperation der unterschiedlichen Einrichtungen blieben schwierig. Zudem presste die gewollte zentrale Lenkung die Aktivitäten in ein wenig flexibles politisch-ideologisches Korsett. Dieses nahm Unternehmungen und Kontakten in den sowjetisch-indischen Beziehungen Schwungkraft und Offenheit. Stete Forderungen der Partei- und Staatsführung nach effektiveren und attraktiveren Maßnahmen standen mit den fixen Vorgaben häufig im Widerspruch. Letztlich lag es im Ermessen der Akteure vor Ort, ob sie sich in ihrer Tätigkeit ganz an den ideologischen Schnittmustern, vorrangig an pragmatischen Nützlichkeitserwägungen oder auch an, partiell abweichenden, eigenen Vorstellungen über die indisch-sowjetischen Verbindungen orientierten. Entsprechende Fehlkalkulationen hatten für Funktionäre nach Stalin nicht mehr solch verheerende Folgen wie zuvor. Die Folgsamkeit vieler Akteure gegenüber der Führungspersönlichkeit und ihren Entscheidungen blieb dennoch gewährleistet. Chruščevs Kader der ersten und zweiten Ebene waren in aller Regel noch unter Stalin sozialisiert worden. Die Ergebnisse dieser Vorprägung waren ambivalent. Stalinistische Grundeinstellungen oder Denkmuster waren mit Chruščevs Offensiven nur bedingt kompatibel. Es musste den Funktionären nach ihren Lehrjahren im Stalinismus schwerfallen, immer wieder aufs Neue die jeweils opportune Balance zwischen Ideologietreue, tagespolitischen Ansprüchen, gedanklicher Flexibilität, Verantwortungsbereitschaft und Gestaltungswillen zu finden. Im Zweifelsfall mochten sich die Kader in vertraute Denk- und Handlungsmuster retten. Auf dieser personellen Basis war ein radikaler Neuanfang in den sowjetisch-indischen Beziehungen nicht 150 Gafurov an Brežnev, 12.3.1966, RGANI, f. 5, op. 30, d. 489, ll. 147–153, hier ll. 148 f.

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zu erwarten, und auch die Evolution qualitativ neuer Verbindungen blieb langwierig und problematisch. 4.1.2. Indien 4.1.2.1. Politische Führung und Verwaltungsapparat

In Indien bemühten sich Politik und Gesellschaft in Teilen erfolgreich, die Instrumente der internationalen Beziehungen auszubauen. Es galt nach wie vor, die globalen Kontakte an den Erfordernissen und Definitionen des eigenen nationalen Projekts auszurichten. Auch deshalb waren bei Institutionen und Akteuren deutliche Kontinuitäten festzustellen. An der politischen Spitze blieb es bei der zentralen, doch keineswegs absoluten Bedeutung Nehrus und seiner Grundkonzeptionen.151 Aufgrund der engen Verzahnung von außen-, innen-, wirtschafts- und entwicklungspolitischen Debatten behielten verschiedene Gegenspieler innerhalb der Partei, im Kabinett und in der Planungskommission Möglichkeiten, auf die außenpolitische Richtung Einfluss zu nehmen: Hier erwiesen sich über die Jahre hinweg unter anderem Innenminister Pant (1955–1961) sowie die Finanzminister Deshmukh (bis 1956), T. T. Krishnamachari (1956–1958, 1964–1966) und Morarji Desai (1958–1963) als wichtige Gegenspieler linker Politik.152 Präsident Prasad – bis 1962 – und sein Nachfolger Radhakrishnan, Vizepräsident bis 1962, übten keinen direkten Einfluss auf die Außenpolitik Indiens aus. Sie verkörperten die indische Notwendigkeit, auf der politischen oberen Ebene ein breites Richtungs- und Meinungsspektrum zu integrieren. An Radhakrishnans Person wurde zudem deutlich, dass sich gemeinschaftliche internationale Grundüberzeugungen mit Nehru nicht zwangsläufig in eine einheitliche außenpolitische Praxis oder in die Innenpolitik hinein verlängerten. Der ehemalige Botschafter in Moskau hielt in Delhi, wie andere Teile des indischen Establishments auch, 151 Rücktrittsgedanken des Premiers blieben Episode, vgl. Gopal, Nehru 3, S. 106 f. 152 Aufschlussreich u. a. die Gespräche Desais und Pants mit Zhou Enlai im Kontext der Grenzkonflikte, 21./22.4.1960, SWJN 2, Vol. 60, S. 36–49, 92–100. Das konservativere Personentableau vervollständigen Gesundheitsministerin Kaur (bis 1957), aus den Plan- und Finanzkommissionen V. T. Krishnamachari und Neogy sowie die INC-Größe Patil. Morarji Desai, u. a. 1958–1963, 1967–1969 Finanzminister; Kshitish Chandra Neogy, u. a. 1952–1957 Vors. der Finanzkommission; Amrit Kaur, u. a. 1947–1957 Gesundheitsministerin, 1950 Präsidentin der WHO. Zu Organisation und Besetzung u. a. des Außenpolitischen und des Wirtschaftskomitees des Kabinetts, zum Emergency Committee (1962) und zum Defence/Military Affairs Committee vgl. Gopal, Nehru 3, S. 43 f.; Pradhan, Debacle, S. 39 f., 82 f.; Brecher, India, S. 245–253.

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enge Verbindungen zu amerikanischen und britischen Vertretern und machte sich im Machtkampf nach Nehrus Tod gegen linke Nachfolgekandidaten stark. Insgesamt ging die übergroße Mehrheit in den Führungsetagen von Kongress, Parlament, Kabinett und Armee sowie in der Öffentlichkeit trotz punktueller Irritationen im Umfeld der Ungarn- und Tibetkrisen 1956 und 1959 oder der kommunistischen Wahlgewinne 1957 lange davon aus, dass es der Premier international schon richten würde.153 Dahinter verbarg sich neben Zutrauen in Nehrus internationale Fähigkeiten eine anhaltende Ignoranz und Behäbigkeit weiter Kreise in internationalen Fragen. Dem entsprach, dass linke wie rechte politische Oppositionsparteien ihre bis Mitte der 1960er-Jahre überschaubaren Stimmanteile kaum über internationale Fragen gewannen. Die Agitation nationalistischer Gruppen trug jedoch dazu bei, dass sich die öffentliche Atmosphäre in Fragen, denen nationale Bedeutung zugeschrieben wurde, kontinuierlich aufheizte.154 Im Umfeld des Konflikts mit China, der ab Ende der 1950er-Jahre offenkundig wurde, entzog sich die öffentliche Meinung schließlich Nehrus Anleitung. Zugleich forderten seine Opponenten in den breiteren Führungs­ zirkeln von Parlament und Partei verstärkt Mitsprache in genuin außenpolitischen Fragen ein und setzten sich zumindest partiell durch.155 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Premier weitgehend isoliert. Nehrus elitärer Führungsstil stützte sich lieber auf seinen eigenen Sachverstand und auf vertraute Diskussionspartner als auf die Expertise der Ministerialbürokratie oder weniger nahestehender Persönlichkeiten. Selbst hohen Beamten im MEA erschien ihr Chef nun als undurchschaubare Sphinx.156 Der indisch-chinesische Krieg im Herbst 153 Vgl. Resolutionen AICC, 2.6. und 9.11.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 322 f. sowie Vol. 35, S. 275– 277; Nehru an Krishna Menon, 11.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 459 f.; Vermerk MID über Besuch Mitglied Lok Sabha, Das, 1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 36, d. 14, ll. 110–116; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 28.11.1960, NAK, PREM 11/3391; Aktenvermerk über Gespräch DDR-Handelsvertretung Delhi, Renneisen, mit Benediktov, 29.10.1959, PA AA, MfAA, A 13915, Bl. 88 f., hier Bl. 88; McGarr, India’s Rasputin, S. 254; Gore-Booth an CRO, vor 26.5.1961, NAK, DO 196/209. 154 Die Kongresspartei gewann in den gesamtindischen Wahlen 1957 371 von 490 Sitzen, 1962 361 von 494. Die sozialistische PSP erreichte 1957 knapp 10,5 %, 1962 etwas unter 7 %. Die rechte Opposition kam 1962 auf 6,5 % (Bharatiya Jana Sangh) bzw. 7,9 % (Swatantra Party). Zu außenpolitischen Vorstellungen der PSP vgl. beispielhaft britischer Hochkommissar Delhi, MacDonald, an CRO, 26. und 28.3.1957, NAK, DO 35/5016. 155 Vgl. exemplarisch Debatten in Lok und Rajya Sabha, 29.4.1960, SWJN 2, Vol. 60, S. 238–312. Insges. vgl. Hoffmann, India, S. 44–48, 118 f., 164, 213 f.; Raghavan, War, S. 253 f., 258 f.; Brecher, Nehru, S. 449, 458 f., 475 f. 156 Vgl. R. K. Nehru an T. N. Kaul, 12.8.1963, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; NMML, Transcripts of Oral History, R. K. Nehru (Nr. 324); Desai, The story 2, S. 215 f.; McGarr, The cold war, S. 244–246, 251–266; Banerjee, My Peking memoirs, S. 25 f., 68 f.; Dixit, Across borders,

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1962 versetzte nicht nur Nehrus außenpolitischer Konzeption, sondern auch seinem persönlichen Prestige einen schweren Schlag. Davon hat er sich bis zu seinem Tod im Mai 1964 nicht mehr gänzlich erholt. Im Aufruhr der Kriegstage 1962 endete zugleich die staatspolitische Karriere von Krishna Menon. Nehrus Vertrauen hatte unter Menons Eigenmächtigkeiten unter anderem während der Ungarnkrise nicht gelitten. Nehru holte Menon nach dessen reisediplomatischen Aktivitäten in China, in den USA, in Großbritannien und in den UN 1956 als Minister ohne Geschäftsbereich nach Delhi. 1957 übernahm Menon das Verteidigungsministerium. In dieser Position blieb er ein unverzichtbarer Diskussionspartner Nehrus in internationalen Fragen und wurde weiterhin als Gesandter eingesetzt.157 Im Verteidigungs­ ministerium selbst bestand Menon auf dem Primat der Politik, setzte jedoch auch, ressortgerecht, neue Maßstäbe in der indischen Rüstung. Seine Fokussierung auf die angebliche pakistanische Gefahr, seine unorthodoxe Personal- respektive Günstlingspolitik, seine unverändert linken politischen Grundüberzeugungen, der Anspruch auf außenpolitische Mitsprache und sein wenig umgänglicher Charakter stießen in weiten Teilen des offiziellen Delhi nach wie vor auf wenig Gegenliebe.158 Der desaströse Verlauf des indisch-chinesischen Kriegs bot Menons zahlreichen Gegnern die ersehnte Gelegenheit, ihn loszuwerden – mit entsprechend positiven Reaktionen in London und Washington und mit negativeren in Moskau.159 Die amerikanische Diplomatie verfolgte noch Jahre später nervös Versuche Menons, auf die politische Bühne zurückzukeh-

S. 322–325; Brown, Nehru (2003), S. 280 f.; Brecher, India, S. 254–265. Unter den Vertrauten ist weiterhin Swaran Singh zu nennen, der Missionen in der China- und Pakistanpolitik übernahm. Swaran Singh, u. a. 1952–1957 Minister für Arbeit und Versorgung, 1957–1962 Minister für Stahl, Bergbau und Treibstoffe, 1962–1963 Eisenbahnminister und 1964–1966 Außenminister. 157 Vgl. Nehru vor Congress Parliamentary Party, 3.5.1955, SWJN 2, Vol. 28, S. 144–156, hier S. 152–154; Vermerk »S. G.« für SoS CRO, 11.7.1956, NAK, DO 35/6677; Nehru an Krishna Menon, 11.3.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 142 f.; President’s Talking Papers, Meeting with Krishna Menon, 21.11.1961, RSC, Kennedy Office Files, Part 5, Reel 1; Jha, From Bandung, S. 40 f., 45 f. 158 Vgl. Gore-Booth an CRO, Garner, [vor 26.5.1961], 15.1., 3.2. und 15.12.1962, NAK, DO 196/209; Aktenvermerk Garner über Gespräch mit Pillai, 23.2.1962, NAK, DO 196/209; Nehru in Lok Sabha, 2.9.1959, SWJN 2, Vol. 52, S. 102–111; Arora, V. K. Krishna Menon, S. 198–212; Maxwell, India’s China war, S. 185 f., 192–194; Cohen, The Indian army, S. 173–176; Banerjee, My Peking memoirs, S. 54 f., 94 f., 129 f.; Khanduri, Thimayya, S. 201–205, 215 f., 221–224, 234 f., 246–255, 270 f., 285 f., 297 f.; Gopal, Nehru 3, S. 129–133, 210 f.; Singh, Leadership, S. 111–113; Raghavan, War, S. 268–270. 159 Vgl. Arora, V. K. Krishna Menon, S. 234–244; Hoffmann, India, S. 200–205.

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ren.160 Gromyko dagegen erinnerte Menon Ende der 1980er-Jahre als Politiker, der »persönlich der Sowjetunion freundschaftlich gesinnt war«.161 In dieses offiziell-sowjetische Bild passte, dass Menon nach seinem erzwungenen Rückzug aus der Politik als Präsident des gesamtindischen Friedensrats tätig wurde. Menons Nachfolger Y. B. Chavan, ehemals Chief Minister in Maharashtra, galt der USA-Administration trotz eines ›linken‹ Rufs als kompetenter, sprich: vielfach proamerikanischer Politiker.162 Insgesamt brachten sich ab 1962 neue und alte Kongressgranden im Rennen um Nehrus Nachfolge und damit in der Diskussion um die weitere innen- und außenpolitische Positionierung Indiens immer deutlicher in Stellung.163 In Washington begrüßte man einen Generationswechsel, durch den, so die amerikanische Sicht, jüngere Politiker aufrückten, die entlang grundsätzlich »westlicher Linien« ausgebildet worden waren und »von denen viele [Nehru’s] Ideologie nie anerkannt« hätten.164 Die Moskauer Befürchtung lautete entsprechend, dass sich unter die Spitzenkräfte in Indien zunehmend »neue Leute, die rechte Kreise vertreten«, mischten.165 Nach Nehrus Tod gewann mit Lal Bahadur Shastri zunächst ein vornehmlich von der Innenpolitik geprägter Kompromisskandidat das Rennen. Er musste unter anderem mit dem seit Beginn der 1960er-Jahre abgeschwächten internationalen Einfluss Indiens zurechtkommen.166 Moskau hatte an Shastri früher eine positive Haltung der UdSSR gegenüber festgestellt. Nun erwartete sich der Kreml von ihm eine Fortsetzung von Nehrus außenpolitischem Kurs. Diverse indische und vor allem amerikanische Beobachter gingen hingegen davon aus, dass sich mit Shastris neuem Kabinett eine Verbesserung der Beziehungen zwi-

160 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Director U.S. Arms Control and Disarmament Agency, Foster, mit indischem Botschafter Washington, B. K. Nehru, 3.11.1964, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 74; Arora, V. K. Krishna Menon, S. 254 ff. 161 Gromyko, Erinnerungen, S. 339. Vgl. Reginin, Nekotorye voprosy, S. 13–16. 162 Vgl. Galbraith an Kennedy, 13.11.1962, FRUS 1961–1963 19, Dokument Nr. 196; Krishnan, Chavan, S. 8 f., 11 f., 18–20. 163 Vgl. Zachariah, Nehru, S. 254–258; McGarr, The cold war, S. 251–266; Frankel, India’s political economy, S. 228–233, 241–245. 164 Zit. nach CIA, SNIE 13/31–2–62, 14.12.1962, DDRS, Dokument Nr. CK3100131295 sowie Memorandum State Department, [nach November 1962], DDRS, Dokument Nr. CK3100492121. 165 Aufzeichnung Gespräch Thun mit Leiter (?) MID-Abteilung für Internationale Organisationen, Mendelevič, 19.3.1963, PA AA, MfAA, A. 1145, Bl. 131 ff., hier Bl. 132; Information DDR-Handelsvertretung Delhi, Böttger, 21.6.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 47–53, hier Bl. 49, 53. 166 Vgl. Jha, From Bandung, S. 284 f.

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schen Delhi und Washington realisieren ließe.167 Dafür sprachen Kabinettsmitglieder wie Chavan, Landwirtschaftsminister Chidabaram Subramaniam und T. T. Krishnamachari. Sie wollten ihre Politik in diversen, auch außenpolitisch relevanten Feldern von Nehru absetzen und sorgten in diesem Zusammenhang unter anderem auf Kosten der Planungskommission für stärken Einfluss von Ministerien und Chief Ministern.168 Da Shastri in seinem Kabinett unterschiedliche politische Strömungen im Kongress, regionale und andere partikularpolitische Interessen stimmgewaltiger Wählergruppen sowie individuelle Schwergewichte einband, war das Erscheinungs- und Meinungsbild der Regierung keineswegs einheitlich.169 Im Gegensatz zu den genannten Chavan, Krishna­ machari und Subramaniam rief Außenminister Swaran Singh, seit Nehrus Tagen ein Spezialist für schwierige internationale Verhandlungen, mit seinem antiimperialistischen Furor bei amerikanischen Gesprächspartnern schnell Erinnerungen an Krishna Menon hervor. Nehrus Tochter Indira Gandhi, die sich in den Vorjahren immer wieder zumindest semi-offiziell im Ausland aufgehalten hatte, wurde dort als »Nehruianerin«, sogar als »links« eingestuft, ungeachtet der Tatsache, dass sie sich als Kongresspräsidentin Ende der 1950er-Jahre vehement gegen die CPI-Regierung in Kerala engagiert hatte.170 Auch Shastri legte Wert darauf, unter anderem die außenpolitischen Entscheidungsprozesse in der Hand zu behalten.171 Letztlich fehlte es ihm schlicht 167 Vgl. Benediktov an Kosygin, 11.4.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 127, ll. 205 ff.; Benediktov an MID, weitergeleitet an Brežnev u. a., 21./30.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 115–129, hier ll. 119 f.; Aufzeichnung Gespräch Premier Douglas-Home mit Radhakrishnan, 28.5.1964, NAK, PREM 11/4864; geschäftsführender britischer Hochkommissar Delhi, Belcher, an SoS CRO, 9.6.1964, ebd.; McGarr, The cold war, S. 247, 258 f., 266–269. 168 Vgl. neben vorhergehender Anm. Bowles an State Department, 29.5.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 49; NSC, Komer, an President’s Special Assistant for National Security Affairs, Bundy, 2.6.1964, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 51; Gore-Booth an SoS CRO, 26.9.1964, NAK, DO 189/548; Frankel, India’s political economy, S. 249–258; Lanier, Die Entwicklungspolitik, S. 235 f. 169 Zu den rechten Kräften zählte die sowjetische Botschaft ferner Stahl- und Bergbauminister N. S. Reddy, vgl. Benediktov an MID, weitergeleitet an Brežnev u. a., 21./30.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 115–129. Neelam Sanjiva Reddy, u. a. 1956–1960, 1962–1964 Chief Minister Andhra Pradesh, 1964 Minister für Stahl und Bergbau. 170 Vgl. Gore-Booth an SoS CRO, 26.9.1964, NAK, DO 189/548; Benediktov an MID, weitergeleitet an Brežnev u. a., 21./30.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 115–129, hier ll. 119 f.; Harriman an Johnson, 7.3.1965, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 92; Frank, Indira, S. 249–254, 282 f., 289 f. 171 Davon zeugte u. a. die Einrichtung eines neuen Sekretariats des Premiers, vgl. Gore-Booth an SoS CRO, 26.9.1964, NAK, DO 189/548; Singh/Singh, Indian Administration, S. 56 f.; Nehru, Nice guys, S. 421 f.

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an Zeit, um der indischen Politik nach innen wie außen seinen Stempel aufzudrücken. Bereits 1964 war der Premier über Wochen hinweg gesundheitlich angeschlagen. In der Nacht vom 10. auf den 11. Januar 1966, unmittelbar nach der Unterzeichnung der Deklaration von Taškent, erlag Shastri einer Herz­attacke. In einem kurzen Machtkampf setzte sich Indira Gandhi gegen den konservativen Morarji Desai durch. Unterhalb der politischen Führungsgremien behielt das MEA bis 1964 als Nehrus ureigenes Ressort seinen Anspruch auf die bürokratische Vorrangstellung im internationalen Alltagsgeschäft bei. Erhalten blieben interne Organisations- und Personalprobleme sowie verschiedene Zuständigkeitslücken im wirtschaftspolitischen Bereich und in der internationalen Öffentlichkeitsarbeit. Immerhin übernahm das MEA 1958 die Kontrolle über die Kulturbeziehungen des Landes.172 In der Praxis machten andere interessierte Behörden in Delhi und den Staaten dem MEA den Alleinvertretungsanspruch immer wieder streitig.173 Die Armee gewann auch in den 1950er- und 1960-Jahren kein eigenständiges außenpolitisches Gewicht. Der indische Nachrichtendienst mochte durch eigene Kooperationen etwa mit der CIA die indische Außenpolitik in Details unterlaufen oder erschweren, nicht aber prägen. Internationale Krisen wie 1962 und 1965 zeigten, dass der Dienst im internationalen Bereich ohnehin noch wenig bewandert war.174 Beim MEA blieb es, ähnlich wie in anderen für die Außenbeziehungen relevanten Behörden, in den Führungsetagen sowie auf wichtigen Auslandsposten bei der starken Präsenz ehemaliger Angehöriger des ICS. So setzten R. K. Nehru und M. J. Desai auf dem Posten des Generalsekretärs die von Bajpai und Pillai begründete Tradition ehemaliger Kolonialbeamter fort, bevor das Amt in den 1960er-Jahren abgeschafft wurde. Darunter stieg Subimal Dutt 1955 zum Staatsminister auf, als R. K. Nehru die Botschaft in Peking übernahm. Nach Dutt

172 Vgl. Banerji, India, S. 26 f.; Nehru, Nice guys, S. 261 f.; Tyabji, More memoirs, S. 102–104, 115 f.; Gonsalves/Rana, Oral history record, S. 28–31. 173 Vgl. Nehru an Sahay, 29.12.1958, SWJN 2, Vol. 45, S. 803 f.; Nehru an Kairon, 15.5.1959, SWJN 2, Vol. 49, S. 304 f. 174 Vgl. McGarr, The cold war, S. 262–266; Gopal, Radhakrishnan, S. 274 f., 282 f., 311 f., 333 f.; Ali, Cold war, S. XXVI–XXXIV, 21, 24 f., 63 f., 95, 122, 176 f.; Mahadevan, The failure; Krishnan, Chavan, S. 104 f.; Raghavan, War, S. 268–271, 278 f.; Raghavan, Civil-military relations; Wilkinson, Army, S. 86–153.

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besetzten M. J. Desai und der bereits bekannte Gundevia den Posten (1964), 1965 folgte der ehemalige ICS-Kader C. S. Jha.175 Wie in den Vorjahren, so lässt sich auch jetzt als kleinster gemeinsamer Nenner einer kollektiven Charakteristik neben administrativen Fähigkeiten die grundsätzliche Unterstützung für eine Außenpolitik festhalten, die die nationalstaatliche Unabhängigkeit Indiens abstützen und sein internationales Gewicht festigen wollte. In Verbindung mit einem Beamtenethos, das Loyalität zur herrschenden Regierung einschloss, war hiermit eine ausreichende Basis für die Zusammenarbeit des Premiers mit seinen Spitzenbeamten gegeben. Dabei wusste auch Nehru, dass seine Ministerialen bei den von ihm apostrophierten Ingredienzien wie Antiimperialismus, Antirassismus, Friedenspolitik oder Blockfreiheit unterschiedliche Akzente setzten oder eigene Ansichten hinsichtlich der Vor- und Nachteile von Kommunismus oder Kapitalismus vertraten.176 Die politische Diversität setzte sich in den aktiven Botschafterdienst hinein fort.177 In Moskau blieben nach Radhakrishnan Karrierediplomaten führend. Da ihre Kommunikation mit der Zentrale in Delhi weiterhin verbesserungswürdig war, blieb den Botschaftern vor Ort ein Interpretations- und Handlungsspielraum, der weit über dem ihrer sowjetischen Kollegen lag. Auch von daher musste Nehru generell darauf achten, dass das Profil der Berufenen eine Amtsführung erwarten ließ, die seinen Vorstellungen bezüglich bilateraler Beziehungen und Prioritäten entsprach. Diese Überlegung traf für die recht kleine Vertretung in Moskau in besonderem Maß zu.178 Die diplomatische Präsenz Indiens wurde nach 1956 durch Konsulate in Odessa und Novosibirsk verstärkt, ohne dass über deren Aktivitäten Aussagen gemacht werden können.179 175 Weitere Ebenen bleiben in den Quellen blass, vgl. Aufzeichnung Gespräch erster Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Volkov, mit Vertreter der Ostabteilung MEA, Venkatesvara, 24.11.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 8, ll. 163 f. Manilal Jagdish Desai, u. a. 1953, 1955–1961 Commonwealth Secretary, 1961–1963 Foreign Secretary. 176 Vgl. Nehru in Lok Sabha, 17.3.1959, SWJN 2, Vol. 47, S. 431–448, hier S. 445 f.; NMML, Transcripts of Oral History, Nr. 324: R. K. Nehru; Kaul, Diplomacy, S. 1–6, 24–26, 37–42, 99, 152; Dutt, With Nehru, S. 107. 177 Vgl. Aufzeichnung Gespräche G. Mehta in State Department, 17.1.1958, FRUS 1958–1960 XV, S. 52 f. 178 Vgl. Dutt an R. K. Nehru, 15.7.1961, NMML, Subimal Dutt Papers 63; Das Gupta, Serving India, S. 405–439. 179 Vgl. Notenaustaussch 26.4.1956, AVP, f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, l. 144; Nehru an Foreign Secretary, 11.6.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 748 f.; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 23.9.1957, NAK, FO 371/116667; Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 187 f.; Nehru an K. P. S. Menon, 24.10.1960, NMML, Subimal Dutt Papers, 113; Dutt, With Nehru, S. 27, 40–43, 302 f.

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Botschafter K. P. S. Menon trug, wie bereits geschildert, die indisch-sowjetische Annäherung wohl auch deswegen mit, weil er die poststalinistische Entwicklung in der UdSSR und ihren Außenbeziehungen recht positiv bewertete.180 Gerade das MID schätzte Menons Brückenfunktion. Er stand in den Augen der sowjetischen Diplomaten mit seiner Person »für die Festigung der indisch-­ sowjetischen Beziehungen« ein. Nach den Maßstäben des MID verhielt er sich »der UdSSR gegenüber loyal [sic!] und zeigt[e] großes Interesse an der Sowjetunion.«181 Konsequenterweise engagierte sich Menon nach seiner Tätigkeit in Moskau in Leitungspositionen der indisch-sowjetischen Kulturgesellschaft, im Übrigen gegen den Widerstand der neuen Linken in Indien.182 Zu Menons Nachfolger erkor Nehru 1961 Subimal Dutt. Die Wahl des hochrangigen MEA-Beamten erfolgte möglicherweise mit Blick auf den eskalierenden indisch-chinesischen Konflikt. Delhi mochte sich von der Abordnung des China-Spezialisten nach Moskau mehr Hintergrundinformationen, vielleicht sogar indirekte Einflussmöglichkeiten erhoffen.183 Sollte das MEA auf Letzteres spekuliert haben, so war die Entsendung des bekennenden Antikommunisten Dutt kein Glücksgriff.184 1960 hatten sowjetische Geprächspartner während Dutts erstem Besuch in Moskau dessen »naive Fragen« und »falsche Vorstellungen über die Sowjetunion« registriert. Zudem zeigten sich MID und ZK-Präsidium wenig erfreut über die Ernennung.185 Dutts diplomatische Tätigkeit in Moskau litt zusätzlich darunter, dass er nach einer Familientragödie im Mai 1962 faktisch nicht mehr einsatzfähig war.186 Anfang 1962 waren 12 indische Diplomaten in Moskau akkreditiert, dazu kamen 29 Angestellte. Zum 15.1.1963 zählte das MID 14 Diplomaten, vgl. Aufstellungen MID/Gromyko an ZK, 15.1.1962 und 8.2.1963, RGANI, f. 5, op. 30, d. 398, l. 6 sowie d. 422, ll. 17 ff. 180 Vgl. Menon, The lamp, S. 2, 10 f., 34–41, 76, 87 f., 175 f., 215 f.; Menon, Russian panorama. 181 Charakteristik als Anlage zu Tagebuch Leiter Protokollabteilung MID, Moločkov, Abschiedsvisite K. P. S. Menon, 23.5.1961, GARF, f. 7523, op. 78, d. 2011, ll. 85 f. Vgl. Nehru an Menon, 24.10.1960, NMML, Subimal Dutt Papers, 113; Dutt, With Nehru, S. 302. 182 Vgl. Benediktov, Über die Zersetzungstätigkeit der chinesischen Spalter in Indien, 3.6.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 116, ll. 371–402, hier l. 380; stellv. Vors. GKKS, Gorškov, an Menon, 28.[10.]1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 242, l. 20; Information über 7. Nationalkonferenz ISKO, 12.–14.3.1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 286, ll. 392–395; Tätigkeitsbericht Nationalrat ISCUS für die Monate Januar bis August 1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 238, ll. 381 ff. 183 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 24.10.1960, NMML, Subimal Dutt Papers, 113; Dutt, With Nehru, S. 302 f. 184 Tagebuch Dutt, Eintrag 27.1.1961, zit. nach Das Gupta, Serving India, S. 406. 185 Vgl. Aktenvermerk Thun über Gespräche bezüglich des Besuchs Prasads in der UdSSR, 30.6.1960, PA AA, MfAA, A. 765, Bl. 73 f., hier Bl. 74; Dutt, With Nehru, S. 302; Dutts Aufzeichnungen über seine Reise 1960, NMML, Subimal Dutt Papers, 23. 186 Sein Sohn starb im Mai 1962 in Moskau, vgl. Das Gupta, Serving India, 429–432.

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Vor diesem Hintergrund und angesichts der Eskalation im indisch-chinesischen Grenzstreit entschied sich Delhi im Oktober 1962 dafür, T. N. Kaul nach Moskau zu senden. Kaul sollte eine besondere indisch-sowjetische Nähe symbolisieren und nutzen. Bereits bei ersten diplomatischen Aufenthalten in Moskau Ende der 1940er-Jahre hatten indische, britische und amerikanische Kollegen Kauls lebhaftes Interesse für Land und Kulturen der UdSSR sowie eine gewisse schwärmerische Affinität für sowjetische Ideen festgestellt.187 Für Kaul, der mittlerweile auf weitere diplomatische Einsätze im Iran und in London zurückblicken konnte, war Moskau 1962 nicht erste Wahl. Er hätte eine Verwendung in Indien selbst bevorzugt.188 Nehrus Drängen konnte er sich jedoch nicht entziehen. Anfang November 1962 trat Kaul seinen Dienst als indischer Botschafter in Moskau an.189 Die sowjetische Haltung im indisch-chinesischen Krieg vermochte Kaul wohl kaum zu beeinflussen. Ob er längerfristig die von Nehru in ihn gesetzten Erwartungen erfüllte, ist nicht eindeutig zu beurteilen. Zwar bedankte sich Mikojan bei Kauls Verabschiedung dafür, dass der Botschafter Engagement für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen auf allen Feldern gezeigt habe.190 In der Zwischenzeit kategorisierte das MID Kaul allerdings als einen »zentristischen« Politiker, der zu allem Überfluss über wenig Einfluss in Delhi verfüge. »Persönlich halten die sowjetischen Genossen Botschafter Kaul für aufdringlich und in menschlicher Hinsicht für nicht ganz rein.«191 4.1.2.2. Politische Opposition, Gesellschaft und Wissenschaft

Der sukzessive Ausbau der indisch-sowjetischen politischen Beziehungen führte dazu, dass die indische Regierung und Administration die Hürden für nichtamtliche Beziehungen – publizistischer, parteipolitischer, wissenschaftlicher oder gesellschaftlicher Natur – zur UdSSR abbaute. Davon profitierte insbesondere die CPI. Die Partei trat weiterhin als engagierter Befürworter einer ebenso eindeutigen wie einseitigen Orientierung Delhis nach Moskau auf und 187 Vgl. Kap. 3.1.2.; V. L. Pandit an Bajpai, 30.8.1950, NMML, V. L. Pandit Papers 1, 56; britische Botschaft Moskau an FO, Northern Department, Hohler, 7.7.1955, NAK, FO 371/116667; Kaul, Diplomacy, S. 48. 188 Vgl. Kaul an Nehru, 27.7.1962, NMML, T. N. Kaul Papers. 189 Vgl. Tagebuch stellv. Leiter Protokollabt. MID, Nikoforov, 12.9.1962, GARF, f. 7523, op. 78, d. 2015, ll. 41 f.; Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Kaul, 24.10.1962, AVP-Kopie in NSA; Kaul an Nehru, 27.7.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru; Kaul, Diplomacy, S. 118, 120. 190 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Mikojan mit Kaul, 14.6.1966, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 58, ll. 5–8. 191 Vermerk 1. Europ. Abt. und 2. Außereurop. Abt. MfAA, 14.2.1964, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 60.

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hielt den direkten Kontakt zum Moskauer Zentrum aufrecht. Dabei litt die CPI nach wie vor unter Flügelkämpfen.192 Als Gegenmittel empfahl der Moskauer ZK-Apparat 1955, wie beschrieben, die organisatorische Stärkung der Partei.193 Tatsächlich stieg bis 1957/58 die Zahl der CPI-Mitglieder auf rund 230.000 Personen. Darüber hinaus ließen sich kommunistisch geprägte Sektoren von Gewerkschaften, Bauern- und anderen -verbänden durchaus als effizientes und zukunftsträchtiges Instrument betrachten, zumal die Streikbewegungen im Land 1956/1957 neue Höhepunkte erreichten.194 Mit dem Wahlsieg der CPI in Kerala 1957 und Namboodiripads Regierungsantritt schienen sich endgültig erste sowjetische Hoffnungen zu erfüllen. Nichtsdestotrotz blieb die CPI auf gesamtindischer Ebene weiterhin ohne wirkliche Durchschlagskraft, obwohl sie Anfang der 1960er-Jahre 300.000 Mitglieder zählte. Die Zentren der Bewegung blieben jedoch auf einzelne Regionen vor allem im Süden und Osten des Landes beschränkt. Die personelle Zusammensetzung entsprach immer noch nicht dem Ideal einer wirklichen Arbeiter- und Bauernpartei.195 Dominant blieben vielmehr altgediente Funktionäre auf der einen und neue Eigengewächse, die sich in den traditionellen innerparteilichen Netzwerken und Kleinkriegen durchgesetzt hatten, auf der anderen Seite. Der sowjetische Botschafter in Delhi sprach Mitte der 1960er-Jahre gar von einer Mischung aus »kleinbürgerlichen Abweichlern« und Kadern, die sich an »dogmatische und doktrinäre Schemata« der Stalin-Jahre klammerten und keine verbindliche, geschweige denn erfolg-

192 Vgl. Ponomarev an Suslov, 28.6.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 282, ll. 45 ff.; Aufzeichnung Gespräch Redakteur New Age, Ramamurti, mit Redaktion Za pročnyj mir, 6.7.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 145 f. 193 Vgl. Kap. 3.1.2. 194 Vgl. MacDonald an CRO, 7.5.1958, NAK, DO 35/8885; Windmiller/Overstreet, Communism, S. 357 f., 375–450; CRO, ›Study Future Policy, 1960–1970‹, Juli 1959, NAK, DO 35/8600. Der kommunistische AITUC umfasste 1962 1,4 Millionen Mitglieder, der Kongress-Verband INTUC 1,2 Millionen. Zusammen mit anderen Frontbewegungen: Jugendbund, Bauernorganisation Kisan Sabha und Frauenbund kam die kommunistische Linke samt Umfeld auf rd. 2,5 Millionen organisierte Mitglieder, vgl. ZK-Abteilung SED Außenpolitik und Internationale Verbindungen, 13.12.1962, Information über die KPI, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 33, Bl. 151–157, hier Bl. 151; Hardgrave/Kochanek, India, S. 218 f.; Johri, India 1, S. 480–492. 195 Vgl. Aufzeichnung Gespräch SED-Politbüro, Norden, mit B. Gupta, 6.7.1960, 30.6.1960, SAPMO-BArch, NY 4182/1291, Bl. 12–16, hier Bl. 15; ZK-Abteilung Außenpolitik SED, Florin, Information über Situation in der CPI, 13.7.1960, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 317, Bl. 217–220, hier Bl. 218; Dange, Information über die CPI, 7.6.1962, SAPMO-BArch, DY 30/ IV 2/20, Nr. 317, Bl. 297–301, hier Bl. 297–299; Benediktov an ZK, Il’ičev, 23.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 130–142, hier l. 132.

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reiche Linie fanden.196 Unter diesen Umständen und angesichts der kontinuierlichen organisatorischen Schwäche der Partei war es offenbar nur Ghoshs ausgleichendem Geschick zu verdanken, dass die CPI nicht bereits in den späten 1950er-Jahren an ihren Gegensätzen zerbrach. Nach Ghoshs Tod im Januar 1962 wurde die Spaltung letztlich unvermeidbar. 1964 konstituierte sich eine neue, radikalere CPI (M), begleitet von entsprechenden Verschiebungen in den kommunistisch beeinflussten Massenorganisationen des Landes. Ideologische Grenzlinien blieben mit persönlichen Animositäten, Generations- und Kastenzugehörigkeiten durchsetzt, so dass sich in der eigentlich rechten Rest-CPI auch Kader der äußeren Linken wiederfanden.197 In der Zwischenzeit hatte sich im Zusammenhang mit den indisch-chinesischen Auseinandersetzungen die indische Regierung wieder stärker gegen die kommunistische Bewegung im Land positioniert. Hauptziel der Verfolgungen und Behinderungen waren die radikaleren, zu Peking neigenden Kräfte. Dabei muss offenbleiben, inwieweit die chinesischen Genossen überhaupt (intensive) Verbindungen zu indischen Kommunisten pflegten.198 Vorher hatte die regierungsamtliche Entspannung seit den 1950er-Jahren, verbunden mit der partiellen Öffnung der indischen Kommunisten gegenüber ›progressiven‹ gesellschaftlichen Kräften dazu geführt, dass kulturelle und politische Organisationen des linken Spektrums in Indien Auftrieb erhielten. Institutionen wie die indische Gesellschaft für indisch-sowjetische Kulturbeziehungen, linke Autorengruppen oder indische Filialen globaler, sowjetisch beeinflusster Organisationen wie Weltfriedensrat oder Solidaritätsbewegung konnten auf diese Weise in Indien eine gewisse Wirkung entfalten.199 196 Benediktov, Über die Zersetzungstätigkeit der chinesischen Spalter in Indien, 3.6.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 116, ll. 371–402, hier ll. 374–376. Vgl. Benediktov an MID, weitergeleitet an Brežnev u. a., 21./30.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 115–129, hier ll. 125 f.; Chandra, A strategy, S. 260. 197 Vgl. Gupta, Communism (1978), S. 62–71; Gupta, Communism (1972), S. 56–66; Mallick, Indian communsim, S. 34–57, 68–77; Nossiter, Communism, S. 182–186; Rothermund, Die Spaltung, S. 21–56; Sen, A traveller, S. 248–253; Zagoria, The social bases, S. 120 f. 198 Vgl. Ponomarev an Suslov, 7.9.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 382, ll. 122 ff.; Aufzeichnung SSOD Madras, Zuenkov, 19.2.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 240, ll. 148–157, hier l. 151; CIA, ›Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, ESAU XVI-62, 7.2.1962, S. 39, https:// www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Sen, A traveller, S. 209 f.; Lüthi, Sino-Soviet split, S. 142. 199 Vgl. Entwurf N. Michajlov an ZK, [Dezember 1955], RGALI, f. 2329, op. 9, d. 34, ll. 1–10; Sofronov und Bachitov an SovMin, 6.7.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1014, ll. 6 f. Zu nennen ist hier u. a. Rameshvari Nehru, u. a. 1942 Präsidentin All India Women’s Conference, 1961 Delegationsleiterin Afro-Asian Women’s Conference Kairo, Aktivitäten in Weltfriedensrat und Solidaritätsbewegung, 1961 Leninpreis.

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Die indischen Gruppierungen konkurrierten immer auch um Anerkennung, Geldmittel und Einladungen aus der UdSSR. Neben verschiedenen unabhängigen Freundschaftsgruppen und Kulturkreisen war die ISCUS unter Vorsitz des Veteranen der indisch-sowjetischen Freundschaft, Dr. Baliga, wesentlich.200 Die Organisation zählte Ende 1955 erst 5000 Mitglieder, die sich auf gut 20, voneinander weitgehend isolierte, Filialen im ganzen Land verteilten. 1956/1957 verfügte ISCUS bereits über mindestens 33 Vertretungen mit rund 8000 Mitgliedern, im August 1960 waren es 87 Filialen. 1964 schließlich gingen ausländische Beobachter von etwa 16.000 Mitgliedern in gut 170 Zweigstellen aus.201 Spätestens zu dieser Zeit publizierte die Vereinigung zwei englisch- und eine bengalischsprachige Zeitschrift mit einer Gesamtauflage von 4500 Exemplaren.202 Im indischen Gesamtmaßstab lagen diese Zahlen niedrig genug. Darüber hinaus waren keineswegs alle Mitglieder tatkräftige Aktivisten. In Manjeshwar zum Beispiel beließen es die 68 Freunde der UdSSR in einem Jahr bei einer Bilderausstellung, einer Ausstellung über das Jugendfestival in Moskau (1957), der Vorführung zweier Filme, einem Reisebericht über die UdSSR sowie einem Vortrag zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution. Im Lesesaal fanden sich daneben rund 280, vorrangig englischsprachige, Bücher.203 In Westbengalen waren von zwölf ISCUS-Einrichtungen gerade einmal vier bis fünf wirklich aktiv. Oftmals werkelten lokale Gesellschaften abgeschieden von ihren Kollegen und den sowjetischen Ansprechpartnern vor sich hin.204 Trotz der »bedeutenden Möglichkeiten für die weitere Entwicklung der Arbeit zur Entwicklung unserer Kulturbeziehungen und für eine erfolgreiche Tätigkeit der ISCUS« entsprach die 200 Vgl. VOKS, Jakovlev, an ZK, 31.7.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 87–91, hier l. 88; Vermerk VOKS über indisch-sowjetische Kulturgesellschaft, 14.5.1957, GARF, f. 5283, op. 19, d. 221, ll. 256 ff. 201 Vgl. N. Michajlov an ZK, [Dezember 1955], RGALI, f. 2329, op. 9, d. 34, ll. 1–10; Adressenliste VOKS für Buchversand, 1955/1956, GARF, f. 5283, op. 19, d. 299; Kališ’jan an ZK, 13.2.1957, RGANI, f. 5, op. 28, d. 506, ll. 105 ff.; Vermerk über indisch-sowjetische Kulturgesellschaft, GARF, f. 5283, op. 19, d. 221, ll. 256 ff.; Cicin auf Sitzung Exekutivkomitee, 12.1.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 86, ll. 1–39; Serebrjakov an stellv. Vors. SSOD, Zueva, 22.2.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 101 ff., hier ll. 110, 113, 115 f. 202 Das ISCUS Bulletin erschien alle 14 Tage, die anderen beiden Hefte (Amity und Sahajati) vierteljährlich, vgl. Department of State, Bureau of Intelligence and Research, ›Compilations of cultural and educational exchanges between the Communist Countries and South Asia in 1963‹, Juni 1964, Univ. of Arkansas, Bureau of Educational and Cultural Affairs State Department, Box 169, File 14. 203 Vgl. ISCUS Manjeshwar an VOKS mit Jahresbericht 1957/1958, 5.7.1958, GARF, f. 9576, op. 15, d. 8, ll. 46 f. 204 Vgl. Bericht über Reise Oberreferent SSOD Delhi, [Erik?] Komarov, nach Calcutta, 14.–26.6. und 2.–16.7.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 89, ll. 151–168, hier l. 159.

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Arbeit der Filialen generell »nicht den objektiven Möglichkeiten«, bilanzierte die SSOD 1960 nüchtern. Im selben Jahr entwickelte die SSOD einen umfangreichen Maßnahmenplan, um die Bedeutung der ISCUS in Indien insgesamt zu erhöhen. Zugleich trachtete man in Moskau danach, die indische Organisation zu zentralisieren und damit zu einem verlässlichen Partner eigener Anstrengungen werden zu lassen.205 Doch auch in der Folgezeit blieben die indischen Unternehmungen auf einen vergleichsweise kleinen Kreis von Aktivisten beschränkt, altbekannte Persönlichkeiten der gesellschaftlichen Beziehungen – Baliga, ­Kitchlew, Sunderlal oder Sokhej – blieben kontinuierlich präsent.206 Insgesamt erscheint es daher mehr als zweifelhaft, dass gerade ISCUS tatsächlich die »indische Intelligenz und andere Vertreter des indischen Volkes« für die UdSSR gewinnen konnte.207 Von dem Zwischentief während des indisch-chinesischen Krieges erholte sich die Organisation bis 1964/1965 wohl weitgehend.208 Der sowjetische Bruch mit China erschwerte die Situation jedoch ebenso wie der Zerfall der CPI. Ab Anfang der 1960er-Jahre spalteten sich einzelne Vertretungen entlang der innerkommunistischen Konfliktlinien auf.209 Unter dem sowjetisch-chinesischen Schisma litten im Übrigen auch indische linke Organisationen, die der CPI weniger verbunden waren.210 205 Bericht über Reise Komarov nach Calcutta, 14.–26.6. und 2.–16.7.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 89, ll. 151–168, hier l. 155. Vgl. Serebrjakov an stellv. Vors. SSOD, Zueva, 22.2.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 101 ff., hier ll. 102–109; Serebrjakov an Vors. Präsidium SSOD, Petrova, Perspektivplan SSOD für Indien 1960, 29.1.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 87, ll. 99–111. 206 Vgl. Vermerk sowjetisches Friedenskomitee über Pandit Sunderlal, 17.12.1962, GARF, f. 7523, op. 78, d. 2015, ll. 48–52; Korrespondentin Sovetskaja ženščina, Dobrosel’skaja, an ZK, Information über Reise nach Indien 12.–18.2.1957, 3.4.1957, RGANI, f. 5, op. 28, d. 503, ll. 130–139; Polevoj an ZK, 28.10.1958 und 11.1.1960, RGANI, f. 5, op. 30, d. 281, ll. 116–119, sowie op. 36, d. 123, ll. 10 f.; Sitzung Frauenkommission sowjetisch-indischer Gesellschaft, 23.4.1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 76 f.; Vermerk SSOD, [um 1961], GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 52– 57; ISCUS Mangalore mit Tätigkeitsbericht für die Zeit seit 21.2.1962, 4.9.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 243, ll. 32–40. Diese Filiale hatte rd. 230 Mitglieder, ihre Zeitschrift 12 (!) Abonnenten. 207 Vermerk SSOD, Oberreferent Bombay, Boni, August 1963, GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 58–75, hier l. 59. 208 Vgl. beispielhaft ISCUS Mangalore mit Tätigkeitsbericht für die Zeit seit 21.2.1962, 4.9.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 243, ll. 32–40. 209 Vgl. Tätigkeitsbericht SSOD Bombay, Jakunin, für Januar bis Oktober 1963, o. D., GARF, f. 9576, op. 15, d. 239, ll. 319 ff.; SSOD Calcutta, Jurlov, Tätigkeitsbericht für Zeit vom 1.1.– 1.8.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 239, ll. 236 ff.; Benediktov, Über die Zersetzungstätigkeit der chinesischen KP in Indien, 3.6.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 116, ll. 371–402; Aktenvermerk DDR-Handelsabteilung Madras über Präsident ISCUS Nellore, Reddy, 9.2.1964, PA AA, MfAA, A 14030, Bl. 27 f. 210 Vgl. neben vorhergehender Anm. Gupta, Communism (1972), S. 98 f.

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Die politische Zerrissenheit war jedoch nicht das einzige Hindernis für eine indische selbsttragende Dynamik der gesellschaftlichen Beziehungen. (Reaktivierte) Kontaktpersonen wie ein Mulk Raj Anand brachten weiterhin eigene individuelle und nationale Gesichtspunkte ein.211 Der umtriebige Abbas war weiterhin wichtiger Ansprechpartner der sowjetischen Kulturpolitik sowie anerkannter Interpret indischer Entwicklungen.212 Interviews, die ihm Chruščev und der Kosmonaut Gagarin gewährten, unterstrichen seine besondere Stellung.213 Nichtsdestoweniger behielt er ebenfalls eine eigene Meinung. So musste der Moskauer ZK-Apparat 1960 mit Unwillen registrieren, dass sich Abbas in der Darstellung des Gesprächs mit Chruščev viel zu lang beim »Personenkult« aufhielt und verflossenen Kreml-Größen wie Malenkov oder Bulganin eine positive Bewertung angedeihen ließ.214 Die Motive indischer Bürger, sich in den indisch-sowjetischen Beziehungen zu engagieren, waren im weiten Feld zwischen Interesse und Sympathie für die UdSSR auf der einen und pragmatisch-egoistischen Erwägungen auf der anderen Seite angesiedelt. So konnten sich Moskauer Emissäre 1964 nicht des Eindrucks erwehren, dass der Präsident der ISCUS-Filiale in Kanpur, ein Geschäftsmann, »wenig an den Angelegenheiten der Gesellschaft interessiert und dass er vor allem wegen seiner gesellschaftlichen Position Präsident« war.215 Dass der Vorsitzende der ISCUS von Bengalen, S. Kumar Chatterji, zugleich Vizepräsident der Indisch-Amerikanischen Gesellschaft in Calcutta war, mochte von globaler Sensibilität, aber auch von ähnlich gelagerten Interessen wie in Kanpur zeugen.216 Bis in die 1960er-Jahre hinein waren sowjetische Vertreter immer

211 Vgl. Vermerk Anand über sowjetisch-indische Kulturkooperation, Juni 1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5153; Polevoj an ZK, 28.10.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 281, ll. 116–119; Kap. 3.1.2. 212 Vgl. Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP zu Taškenter Konferenz, 7.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6081, hier ll. 4 ff., Beitrag Sofronov; Protokoll Ideologie-Kommission, 20.2.1960, RGANI, f. 11, op. 1, d. 484, l. 166. 213 Vgl. Abbas, Face; Aufzeichnung Gespräch Abbas mit Chruščev, 6.1.1960, in: Každyj narod; Bericht Bykova über Aufenthalt Abbas, 10.–13.5.1961, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5223, ll. 1–3; Schriftwechsel Abbas, Gagarin und SSP, Mai bis August 1961, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5237, ll. 1 f., 11, 13; Abbas, Till we reach. 214 Vgl. Sekretär SSP, Surkov, an ZK, 29.3.1960, mit Vermerk stellv. Leiter ZK-Kulturabteilung, Petrov, 25.4.1960, RGANI, f. 5, op. 36, d. 122, ll. 1 ff. 215 Information über ISCUS-Delegation, 5.–12.12.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 26–28, hier l. 27. 216 Vgl. Bericht über Reise Komarov nach Calcutta, 14.–26.6. und 2.–16.7.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 89, ll. 151–168, hier l. 151 f., 164.

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wieder überrascht, dass vermeintliche und tatsächliche indische Protagonisten der indisch-sowjetischen Annäherung so wenig über die UdSSR wussten.217 Dies lag auch daran, dass sich in Indien neben dem öffentlich-medialen auch das wissenschaftliche Interesse an der Sowjetunion auf niedriger Ausgangs­basis nur langsam weiterentwickelte. Die indische Presseberichterstattung über die Sowjetunion wurde bis weit in die 1950er-Jahre hinein weiterhin von britischen oder amerikanischen Korrespondenten und Agenturen beherrscht. Erst bis Mitte der 1960er-Jahre etablierten sich neben diesen traditionellen Informationsquellen eigene indische Vertretungen vor Ort. Anfang 1964 berichteten sechs indische Journalisten aus der Sowjetunion.218 Daneben boten zentrale Gazetten wie die Hindustan Times oder die Times of India von Zeit zu Zeit sowjetischen Autoren eine Bühne, ohne dass die UdSSR zentrales oder auch nur prominentes Thema der indischen Presseberichterstattung wurde.219 An vereinzelten Universitäten Indiens hatten sich bis Ende der 1950er-Jahre Lehrstühle für russische Sprache und Teilbereiche einer sowjetischen Landeskunde etabliert.220 Anhand der seit 1958 erscheinenden Indian National Bibliography wird allerdings deutlich, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der UdSSR bis in die Mitte der 1960er-Jahre hinein eine Randerscheinung

217 Vgl. Bericht Doktorand MGU, Čanan, über Aufenthalt in Indien, 2.12.1963 bis 26.5.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1944, ll. 17 ff.; Bericht Russischlehrerin Avar’janova über Aufenthalt an Universität Hyderabad, 1962–1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1633, ll. 142 ff. 218 Vgl. Vermerk Egorov/Kortunov, 13.1.1964, RGANI, f. 72, op. 1, d. 19, ll. 1 ff.; Efimov mit Tätigkeitsbericht SIB Delhi für 1957, 4.2.1958, GARF, f. 8581, op. 2, d. 461, ll. 1 ff.; G. A. Žukov an ZK, 21.3.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 273, ll. 36 ff. 219 Vgl. beispielhaft Hindustan Times, 7.11.1959, S. 12 f., Forty two years of the Great October Socialist Revolution; Hindustan Times, 1.11.1961, S. 1, PM deplores Russia’s super bomb test despite UN appeal, und 2.11.1961, S. 1, Nuclear tests by Russia; Mogilyovkin, Soviet goodwill; Vasilyev, An unprecendent experiment; ToI, 4.3.1962, Sonntagsmagazin, S. II, Homes for young pionieers; Sastry, Siberia today. 220 An der Delhi-Universität wurde Russisch seit 1946 unterrichtet, in Allahabad seit 1948. Ab 1957 wurde Russisch in den Lehrplan der Universität Hyderabad aufgenommen. 1956 existierten eigene Lehrangebote zu Sprache, Geschichte, Geographie und Literatur der UdSSR resp. Russlands an den Universitäten Delhi, Aligarh, Calcutta und Bombay, dazu russische Sprachkurse in Kanpur, Aligarh, Agra, Lucknow, Nagpur und Shantiniketan, ggf. später Madras und Bangalore, vgl. Šelepin an ZK, 12.4.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 12–37, hier ll. 22, 35 f.; Serebrjakov an stellv. Vorsitzende SSOD, Zueva, 22.2.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 101–127, hier ll. 122 f.; Chakraborty, Russian Studies, S. 300; Aksenov, Ob izučenii russkogo jazyka, S. 76 f.; Kočarjan, Družba, S. 42; Vaidyanath, Soviet studies, S. 220 f. Zu Universitätspartnerschaften (Delhi, Bombay, Bangalore, Mysore, Madras, Aligarh, Lucknow, Hyderabad, Gujerat, Chandagar und Kashmir) vgl. Vermerk Bildungsministerium über wissenschaftliche Beziehungen mit Indien, 1.5.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2355, ll. 5 ff.

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blieb.221 Ein Abkommen über ein indisches Sowjetunion-Institut – das Institute of Russian Studies – wurde wesentlich später als geplant, im Oktober 1965, geschlossen, der Grundstein für den Bau im November 1965 gelegt.222 Die Verzögerungen ergaben sich eventuell aus Unstimmigkeiten bezüglich sowjetischer Mitspracherechte, wie sie in Sitzungen der indisch-sowjetischen Kommission zur Auswahl der Lehrmittel durchschienen. Hier wollte Delhi bezeichnenderweise die Moskauer Lehrbücher allein auf vergleichsweise unproblematische Fächer wie Naturwissenschaften, Landwirtschaft, Medizin und Technik begrenzt sehen.223 Damit konnten von diesem Sektor aus ebenfalls nur sehr bedingt Anstöße zu einer fundamentalen Neuwahrnehmung der Sowjetunion erfolgen. Diese Feststellung legt die Frage nahe, inwieweit sich die sukzessive Ausweitung der sowjetisch-indischen Beziehungen mit ihren spezifischen Beschränkungen und Orientierungen bis Mitte der 1950er-Jahre generell in den Wahrnehmungs- und Deutungshaushalten der beteiligten Akteure niedergeschlagen hatte. Seit 1947 bestand für sie, je nach Lesart, Gelegenheit oder Notwendigkeit, überkommene Einschätzungen in unmittelbaren Kontakten zu überprüfen, zu modifizieren oder zu bestätigen. Der Besuchsmarathon von 1955 lässt sich als Zwischen­ bilanz dieser Interaktions- und potentieller Anpassungsprozesse betrachten, als Zwischenfazit der vergangenen Bemühungen und Aktivitäten in Indien und in der Sowjetunion. Zugleich gaben die Begegnungen von 1955 Hinweise darauf, ob die für die Zukunft angestrebten Änderungen sich auf breite Verankerungen in den jeweiligen beteiligten Kollektiven und Gesellschaften stützen und verlassen konnten.

221 Vgl. INB 1958–1966: An Werken zur Geschichte Russlands und der UdSSR verzeichnete die INB 1958 Titel von Anna Louise Strong und von Trockij! (S. 494), die INB 1965 Übersetzungen von Shapiro (S. 417 f.), die INB 1966 den Bericht von K. P. S. Menon, Flying trojka (S. 950). Zu russischen Lehrbüchern vgl. beispielhaft INB 1962, S. 182 und 1965, S. 151, 1966, S. 151. Vgl. Chakraboty, Russian Studies, S. 298–300; Kumar, Indian view, S. V–VIII; Clarkson, The Soviet theory, S. 261–268; Gopal, Indian Studies, S. 577 f. 222 Vgl. Abkommen, 27.10.1965, in: Romanovskij, Meždunarodnye, S. 228–231; Jahresbericht MEA für 1965–1966, NAI, Q/GA/551/90/66. 223 Vgl. Bericht Inspektor Abteilung Länder Südostasien und Fernost GKKS, Titaev, über Besuch Chagla vom 17.–27.7.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1945, l. 6 ff.; Bericht Direktor Verlag Mir, Sosnovskij, über Dienstreise nach Indien, 23.2.1965, GARF, f. 9604, op. 2, d. 532, l. 1 ff. ­Mahommedali Currim Chagla, u. a. 1958–1961 Botschafter in USA, 1962–1963 Hochkommissar in Großbritannien, 1963–1966 Bildungsminister.

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4.2. Interaktion und Weltbilder: Wahrnehmungen 1955 Ab 1954 verstetigten sich die unmittelbaren Kontakte in den verschiedenen Bereichen der sowjetisch-indischen Beziehungen. 1955 kulminierte die Entwicklung: Bis in den Winter 1955/56 hinein entfaltete sich ein in dieser Dichte einmaliges Besuchsprogramm auf allen Ebenen. Im Wirtschaftssektor beispielsweise besichtigten indische Experten im Sommer 1955 sowjetische Stahlwerke, und Ende 1955 befanden sich bereits 281 Fachleute aus der UdSSR in Indien, um am Aufbau Bhilais mitzuwirken.224 Wissenschaftsdelegationen aller Fachrichtungen besuchten einander.225 Auch in der Kultur- und Literaturlandschaft wehte ein frischer Wind. Im Januar 1955 folgte der Vorstandssekretär des sowjetischen Schriftstellerverbands, Aleksej Surkov, einer Einladung des ISCUS nach Delhi. Noch 1955 starteten indische Autoren ihre Antwortvisite.226 Unter den vielen Begegnungen des Jahres stachen schließlich Nehrus Reise durch die UdSSR im Juni 1955 sowie der sowjetische Gegenbesuch im Dezember hervor.227 Die Grundidee, über persönliche Kontakte der Regierungschefs eine politische Annäherung der jeweiligen Staaten zu initiieren, zu untermauern oder bedrohliche Entwicklungen abzuwenden, war der sowjetischen Diplomatie nicht grundsätzlich fremd. Stalin hatte sich nach 1945 jedoch auf asymmetrische Treffen im eigenen Machtbereich beschränkt.228 Die sowjetische Einladung an Nehru bedeutete daher einen weiteren Schritt weg von Methoden und Grundsätzen stalinistischer Beziehungen zu Indien.229 »Persönliche Kontakte sind heute, wo die Entwicklung die praktische Lösung wichtigster internationaler Probleme möglich gemacht hat, besonders wichtig. Dazu muss vor allem eine Atmosphäre des Vertrauens und der Zusammenarbeit zwischen den Staaten geschaffen werden, und Begegnungen zwischen führenden Staatsmännern 224 Vgl. indische Botschaft Moskau an MID, 8.2.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 14, d. 3, l. 46; Aufstellung Spezialisten, Dezember 1955, RGAĖ, f. 8593, op. 2, d. 2138, ll. 190 ff. 225 Vgl. Topčiev an V. Kuznecov, 6.9.1955, AVP, f. 47, op. 1, papka 43, d. 11, ll. 68 ff.; Korneev, Naučnye svjazi, S. 27 f. 226 Vgl. Aufzeichnung Gespräch SSP mit Krishan Chander, 21.12.1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5155; ToI, 28.1.1955, S. 10, Soviet writers arrive; Ašrafi, Indijskie dnevniki. 227 Nehru lud die sowjetische Führung während seines eigenen Besuchs ein. Bulganin nahm die Einladung noch vor Nehrus Abreise offiziell an. Bis Ende September 1955 stand der frühe Besuchstermin fest, auch wenn sich Moskau zunächst ein Datum nach dem 20. Parteitag vorgestellt hatte, vgl. Nehru an Secretary General und Commonwealth Secretary, 25.9.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 421 f.; britische Botschaft Moskau an FO, Ward, 16.9.1955, NAK, DO 35/6578. 228 Vgl. Reynolds, Gipfeltreffen, S. 77–79; ders., Summits, S. 3 ff. 229 Vgl. Mikojan auf 3. Sitzung ZK-Plenum, 24.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, hg. von Kovaleva u. a., S. 143 ff., hier S. 160.

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können hier eine große Rolle spielen«, bereitete Novoe Vremja 1956 die neue Dimension sowjetischer Außenpolitik publikumswirksam auf.230 Den sowjetischen Strategen eröffneten hochrangige Treffen zugleich neue propagandistische Möglichkeiten. Um der sowjetischen Öffentlichkeit das angebliche internationale Ansehen der UdSSR zu demonstrieren, wurde sie durch zahlreiche Ausstellungen und eine ungewöhnlich breite Presseberichterstattung, durch Skizzen über Delegationen, Filmvorführungen und literarische Neuerscheinungen auf die ausländischen Gäste eingestimmt. Darüber hinaus galt die prominente Präsenz im Ausland ab Mitte der 1950er-Jahre als probates internationales Agitationsmittel. »Die Reisen des Genossen Chruščev in bürgerliche Staaten«, so das sowjetische Credo, »seine prinzipienfesten Auftritte vor ganz unterschiedlichen Kreisen der Gesellschaft, das ist eine neue, bedeutende und sehr aktive Form der Tätigkeit der UdSSR in der internationalen Arena. Das ist auch ein konkreter praktischer Kampf mit dem Imperialismus, den die Sowjetunion, die KPdSU unmittelbar in der Höhle des Kapitals führt.«231 Ein Nebenprodukt dieses Verständnisses war, dass sich die sowjetische Spitze ab 1955 noch eindeutiger auf Nehru als derjenigen indischen Führungspersönlichkeit festlegte, die außerhalb der kommunistischen Bewegung die besten Perspektiven sowohl für sowjetisch-indische Beziehungen als auch für langfristige Umbauten des Landes bot.232 Damit überschätzte der Kreml sowohl die prosowjetischen Neigungen des Premiers als auch seine politische Macht in Indien. Mit der persönlichen Diplomatie rannte die sowjetische Führung bei Nehru allerdings offene Türen ein. Er war zutiefst von der Wirkungskraft derartiger Begegnungen überzeugt.233 Auch indische Diplomaten versprachen sich hiervon tiefere Einsichten in Wesen und Ziele sowjetischer Führer und Politik.234 In der Praxis drückte sich die sowjetische Fokussierung auf Nehru unter anderem darin aus, dass die sowjetische Diplomatie 1955 recht unvermittelt

230 Neue Zeit (1956), Nr. 16, S. 1 f., hier S. 2. 231 Kozlov auf ZK-Plenum, 16.7.1960, RGANI, f. 2, op. 1, d. 484, ll. 69 ff., hier l. 74. Vgl. Zubkova/Zubkov, Das große PR-Projekt. 232 Vgl. u. a. ZK KPdSU an ZK SED, 11.1.1956, SAPMO-BArch, DY 30/3634, Bl. 1–10, hier Bl. 5; Rodman, More precious, S. 56 f. 233 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 30.8.1954, SWJN 2, Vol. 26, S. 520 f.; NMML, Transcripts of Oral History, Nr. 324: R. K. Nehru; Allen an State Department, 12.11.1954, FRUS 1952–1954 X, S. 1778 f., hier S. 1778; Nehru an Zhou Enlai, 29.10.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 51–53, hier S. 52 f. 234 Vgl. Kaul, Diplomacy, S. 140.

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in Erinnerungen an Nehrus ersten Besuch in der UdSSR 1927 schwelgte.235 Ein Ehrendoktor der Rechte der Moskauer Staatsuniversität rundete in dieser Sicht den besonderen Umgang mit dem Premier ab. Die akademische Ehrenwürde belohnte ihn für seine politische Tätigkeit in Indien und für sein Eintreten für Entspannung und die souveränen Rechte aller Staaten.236 Den eigens vor dem Besuch im Sommer 1955 publizierten Übersetzungen seiner wichtigsten Schriften wurden dennoch ausführliche Rezensionen beigegeben, um den sowjetischen Lesern die adäquate Interpretation, nämlich die einer, wenn auch unspezifischen, indischen Anerkennung der sowjetischen Vorbildfunktion, zu vermitteln.237 Sowjetische Medien und Kulturbürokraten setzten in der Auseinandersetzung mit Nehrus Denken zudem darauf, über konstruierte Chronologien und eigene Wertungen ein sowjetisch-indisches Gefälle zu konstruieren. Laut Pravda entdeckte Nehru in seinen Schriften über das »wahre« Indien daher nur Züge, über die »der erste russische Reisende, der Indien« – noch vor den westeuropäischen Kolonialmächten und in friedlicher Absicht – besucht hatte, ­Afanasij Nikitin, bereits »vor einigen Jahrhunderten« geschrieben habe.238 Nikitin war darüber hinaus in sowjetischen Augen das Symbol, mit dem den aktuellen Beziehungen historische Tiefe und das Gütesiegel einer echten Verbindung zwischen den Völkern verliehen werden konnte.239 Nikitins Chronik über seinen dreijährigen Aufenthalt auf dem Subkontinent (1469–1472), die kritische Philologen in den USA als Bericht eines »naiven Reisenden« abtaten, war 1853 erstmals publiziert worden. In der Sowjetunion entdeckte man den Kaufmann Ende der 1940er wieder, als es im Kampf gegen den »Kosmopolitismus« galt, 235 Vgl. Vermerk Volkov, 25.5.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 17, ll. 22–24. Zugleich ließ das MID nach Archivmaterial über den Besuch suchen, das man Nehru in Kopie zum Geschenk machen könnte, ebd., d. 8, ll. 8 ff.; Osobaja papka Chruščeva, 15.6.1955, d. 465, ll. 102–104. 236 Vgl. Izvestija, 22.6.1955, S. 3. 237 I. P. Bajkov, Rezension zu Nehru, Otkrytie Indii, Moskau 1955, in: Sovetskoe vostokovedenie (1955), Nr. 6, S. 140–148; Michajlov, Istorija; Rejsner, Kniga. Das Buch erschien mit einer Erstauflage von 25.000 Exemplaren. Zur kritischeren Bewertung der gleichfalls veröffentlichten Autobiographie vgl. N. Michajlov an ZK, 1.7.1955 (Eingang), mit Annotation Direktor Verlag für Ausländische Literatur und Vermerk ZK-Abt. Agitprop, Stepanov, 1.8.1955, RGANI, f. 5, op. 16, d. 719, ll. 157 ff.; Rejsner/D’jakov, Gody; Rudin, Indija. 238 Pastuchov, Iz istorii. 239 Vgl. ZK, Vermerk für Pospelov, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 5134; Pastuchov, Nehru; Aufzeichnung Gespräch K. P. S. Menon mit Volkov, 28.7.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 14, d. 6, l. 29; Aufzeichnung Kulturministerium, Leiterin Abt. Information, Tjulina, 2.6.1955, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 120, l. 25; N. Michajlov an ZK, Entwurf, Mai 1955, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 120, ll. 54 ff.

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russische Errungenschaften in allen Kunst- und Wissensfeldern herauszustellen. Bis Mitte der 1950er-Jahre entwickelte sich Nikitin unter den Händen sowjetischer Autoren und Kulturpolitiker zu einem frühen »sowjetischen Botschafter guten Willens«, der den Grundstein für eine wahre Völkerfreundschaft gelegt hatte.240 Als Abbas bei einem Besuch in Kalinin, der Heimatstadt Nikitins, zu verstehen gab, dass Nehru selbst sehr an Nikitins Geschichte interessiert sei und bei seiner Reise in die UdSSR sicherlich einen Kranz an dessen Denkmal niederlegen wolle, geriet die Fassade kurz ins Wanken. »Natürlich«, so ein ungenannter Berichterstatter aus der Auslandskommission des SSP an das ZK, »gibt es in Kalinin kein Denkmal, es gibt nicht einmal eine Nikitinstraße.«241 Das Kulturministerium reagierte schnell. Am 31. Mai 1955 wurde in Kalinin ein Denkmal »für den ersten Europäer, der den Weg ins ferne Indien fand«, enthüllt.242 Es war dann wiederum Abbas vorbehalten, bei einem Besuch in der UdSSR die Idee zu lancieren, einen sowjetisch-indischen Film über die Reise Nikitins zu produzieren. Die sowjetischen Kollegen aus Film und Literatur reagierten interessiert. Izvestija berichtete bereits im Juni 1955 über das neue Gemeinschaftsprojekt.243 Der Film feierte 1957 Premiere. Die indische Politik sah in der Koproduktion vor allem eine Chance, Indien in der UdSSR zu popularisieren.244 Bereits 1955 hatte sich gezeigt, dass man in Delhi Zeugnisse historischer Verbindungen zwischen Indien und den Gebieten der späteren UdSSR auf eigene Weise interpretierte. Frühere Siedlungen indischer Kaufleute an der Volga waren für Botschafter Menon vor allem ein »bewegendes Zeugnis des Abenteuergeists und der Frömmigkeit, die Inder in vergangenen Jahrhunderten« dazu gebracht hätten, an »der Küste des Kaspischen Meers ein zweites Jawalamukhi zu errichten.«245 Doch zurück zum Ablauf der Besuche 1955. Politisch wurden die Gipfeltreffen durch Delegationsreisen indischer und sowjetischer Parlamentarier ergänzt. 240 Tillett, The Soviet popularization, S. 174 ff., v. a. 177–183, Zitate S. 174, 192. Vgl. Pravda, 1.6.1955, S. 1, Otkrytie pamjatnika Afanasiju Nikitinu v g. Kalinine; Rede N. Michajlov, 31.5.1955, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 119, ll. 9 ff.; Markov, Po sledam Afanasija Nikitina. 241 Vermerk für ZK, Pospelov, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 5134. 242 Pravda, 1.6.1955, S. 1. Vgl. Ogonek (1955), Nr. 24; Monument; Kapur, The Soviet Union, S. 46 f.; Osobaja papka Chruščeva, 30.5.1955. 243 Sagateljan, V Indii. 244 Vgl. Pisarevskij an stellv. Kulturminister Tverdochlebov und Surin, o. D., RGALI, f. 2329, op. 8, d. 119, ll. 16 ff.; Volkov an stellv. Kulturminister Pachomov, 15.6.1957, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 489, l. 5a; Vermerk für ZK, Pospelov, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 5134; Nehru an Keskar, 19.1.1959, SWJN 2, Vol. 46, S. 496 f.; Abbas, I am not, S. 281 f., 287–290. Zur zeitnahen Ausstellung von Werken des Indien-affinen russischen Malers Nikolaj K. Rerich vgl. Korrespondenz des Sohnes Jurij N. Rerich im Frühling 1958, in: Rerich, Pis’ma 2, S. 313–317. 245 Menon, The lamp, S. 247 f., 250 f. Er bezieht sich hier auf eine Tempelanlage in Nordindien.

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Bezeichnenderweise musste die UdSSR hierfür innerhalb der entsprechenden Rahmenorganisation, der Interparlamentarischen Union, erst noch eine eigene sowjetische Gruppe gründen.246 Treffen von Vertretern der kommunistischen Bruderparteien in Indien oder der UdSSR spielten sich in dieser Phase eindeutig im Schatten der staatlich-diplomatischen und offiziösen gesellschaftlichen Kontakte ab. Anfang 1956 setzte schließlich der Besuch Il’ja Ėrenburgs, der als Vizepräsident des Weltfriedensrats Gast der ISCUS war, einen vorläufigen Schlusspunkt hinter die bilateralen Besuchs- und Reiseoffensiven.247 Indische und sowjetische Behördenapparate produzierten umfangreiche Unterlagen über Vorbereitung und Verlauf der regierungsamtlichen und gesellschaftlichen Besuche. Sie wurden in den zentralen Medien ausführlich gewürdigt. Reisende aller Ebenen und Sparten hielten schließlich ihre Eindrücke und Bewertungen in Vermerken, künstlerischen Bearbeitungen oder Memoiren fest, die publizistische Aufbereitung ergänzte die journalistische Berichterstattung. Sowjetische und indische Filmdokumentationen fanden Bilder, die die gängigen Interpretationen weiterverbreiteten.248 Was für 1947 konstatiert wurde, trifft auch auf die zeitgenössischen Darstellungen der indisch-sowjetischen Begegnungen der Jahre 1955/56 zu. Angesichts der politisch-ideologischen Rahmenbedingungen konnten sich indische Einschätzungen in einer größeren Bandbreite artikulieren. Über letzte individuelle Eindrücke und Sichtweisen sowjetischer Berichterstatter lässt sich auf der Basis des gegebenen Materials nur spekulieren. Chruščevs Memoiren machen deutlich, dass die Konfrontation mit Armut, Hunger und dem oftmals verzweifelten Alltagsleben in Indien jenseits aller klassenkämpferischen Parolen tiefe Spuren hinterlassen konnte.249 Insgesamt wiesen die sowjetischen Schriften bereits Mitte der 1950er-Jahre eine vielfältigere Thematik auf als noch acht Jahre zuvor. Mitunter atmeten sie eine gewisse Weltläufigkeit und -offenheit. 246 Vgl. Sekretär Präsidium Oberster Sowjet, Pegov, an Suslov, 23.6.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 99, l. 1; Sekretärin Parlamentarische Gruppe UdSSR, Lebedeva, an ZK, 29.4.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 447, ll. 1 ff. 247 Vgl. Nationalrat ISCUS, Baliga, und Joint Secretary ISCUS, Shirali, an stellv. Vors. VOKS, Kališjan, 5.9. und 22.10.1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 232, ll. 77 f. 248 Vgl. u. a. Vermerk Nehru, Teil 1 und 2, 19.7. und 1.8.1955, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; Nehru an Chief Ministers, 20.7. und 2.8.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 437–443; Pillai, A visit to the Soviet Union, 29.7.1955, NMML, Subimal Dutt Papers, 16; Menon, The Prime Minister’s visit to the Soviet Union, 6.7.1955, ebd.; ZK KPdSU an ZK SED, 11.1.1956, SAPMO-BArch, DY 30/3634, Bl. 1–10; Direktor Zentralstudio Dokumentation, Os’minin, an N. Michajlov, 29.5.1955, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 120, ll. 52 f.; Aufstellung Presseartikel 1955, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 120, ll. 95 ff.; Missija družby. 249 Vgl. Chruščev, Vremja 3, S. 323–325, 332–334.

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Dennoch: In der UdSSR durchliefen die Beschreibungen vor ihrer Publikation einen Durchleuchtungs- und Glättungsprozess, der den genehmigten Veröffentlichungen politisch korrekte Einheitlichkeit und Konformität verlieh – der politische Kampf nutzte die gesamte sowjetische Publizistik und Medienlandschaft.250 Nach innen sollten die Reportagen und Meldungen wie in den Vorjahren dazu dienen, sowjetische Aktivitäten zusätzlich zu legitimieren, damit zur Anhänglichkeit der Bevölkerung beizutragen und das Imperium weiter zu festigen. Gastbeiträge indischer Autoren und Hintergrundartikel boten hierfür ergänzende Hilfestellung.251 Mit Blick auf die internationale Positionierung der UdSSR gehörten Bekenntnisse zur neuen sowjetischen Offenheit, zur Bedeutung persönlicher Kontakte und zur friedlichen Außenpolitik 1955/1956 zum Standardrepertoire sowjetischer Äußerungen. Sie konnten, mussten aber nicht genuinen Überzeugungen Ausdruck verleihen. Zudem wurden sowjetische Reisegruppen aller Art nach wie vor mit politischen Direktiven oder Verhaltensregeln versorgt.252 Außerdem speisten die politischen Produzenten der UdSSR verschiedene Berichte über frühere Reisen in den Gesamtkorpus ein, deren Tenor sich von den seinerzeit zeitunmittelbaren Erzählungen absetzte.253 Betrachtet man die Handlungen, Be- und Zuschreibungen von 1955/1956, so wird deutlich, dass sich wichtige Grundkomponenten der dominierenden indischen und sowjetischen Wahrnehmungs- und Deutungsmuster seit 1947 nur graduell geändert hatten. In Indien bestand 1955 immer noch weitgehend Konsens darüber, dass sich das Land unter dem Signum nationaler Unabhängigkeit, Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung auf eine selbständig definierte wirtschaftliche, soziale und nationale Gesamtentwicklung zu konzentrieren hatte. Der ambitionierte Anspruch wurde in indischen Augen durch die bereits diskutierten, angeblich spezifischen indischen respektive ›asiatischen‹ Eigenschaften und Errungenschaften gerechtfertigt. Diese konnten ›europäische‹ Leistungen und Positiva in eigener Interpretation und Selektion in das nationale Großprojekt integrieren. Dass die Anteile indischer und ›westlicher‹ Einflüsse, verschie250 Vgl. stellv. Leiter Hauptverwaltung Radio, Bondarev, an N. Michajlov, 17.12.1955, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 120, ll. 48 ff.; ZK, stellv. Leiter Propagandaabteilung, Moskovskij, und Leiter Sektor Verlag und Zeitschriften an ZK, 15.2.1956, RGANI, f. 5, op. 16, d. 750, ll. 92 f. 251 Vgl. Borisov, Vklad; Spandarian, Die sowjetisch-indische Wirtschaftszusammenarbeit; Novosel’skij, Goa; Micheev, Novaja Azija; Interview mit K. M. Rao, in: Neue Zeit (1955), Nr. 23, S. 9 f., hier S. 9. 252 Vgl. Beschlüsse ZK-Präsidium, 1.4. und 14.9.1954, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 2, S. 94 f., 165 f. 253 Vgl. Aleksandrov, Po gorodam (1955), zum Aufenthalt Dezember 1953 bis Februar 1954; Čujkov, Obrazy Indii, zum Aufenthalt im Winter 1951/1952.

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dene Inhalte sowie das Endziel des indischen Prozesses weiterhin umstritten waren, blieb davon unbenommen. Die CPI schätzte insbesondere proletarische und sowjetische Aspekte. Einzelne indische Bürger mit anderen politischen Hintergründen bemängelten im Winter 1955, dass das offizielle Besuchs- und Unterhaltungsprogramm für die sowjetische Regierungsdelegation zu viele »westlich«-moderne Werte aufnehme.254 Dabei werteten nahezu alle Diskutanten die internationalen Abläufe seit 1953 oder interne Entwicklungen selbst als Belege für die Richtigkeit ›indischer‹ Prämissen und Programmatiken. 1955 betrachteten sich relevante Kollektive in Indien als Vertreter eines stetig erstarkenden Nationalstaats, der sich mit eigenen Methoden, Instrumenten, Ansätzen und Zielen als einflussreicher global player etabliert und Aussicht hatte, die gesamte internationale Ordnung und Agenda jenseits ›europäischer‹ Dominanz und Machtkoalitionen wesentlich beeinflussen zu können. Die UdSSR erschien aus dieser Perspektive als ein integrativer Bestandteil dieser Außenwelt, die mit den selbstbewussten und eigenständigen Positionen Indiens zurechtkommen musste. Im direkten bilateralen Verhältnis sahen diese indischen Vertreter ihren Nationalstaat als den Part, der auf Basis eigener hoher Leistungsfähigkeit und Qualitäten entschied, was er aus den Erfahrungen der UdSSR übernahm und lernte und wie er diese Auswahl an eigene Bedürfnisse anpasste. Der Empfang ausländischer Besucher spiegelte diese Annahmen wider. Exemplarisch stand dafür der sowjetische Staatsbesuch im Dezember. Das Besuchsprogramm war darauf angelegt, den sowjetischen Gästen »das neue Indien in Entwicklung« zu zeigen. Präsentiert wurden daher eigene Großprojekte wie Dammbauten, Fabriken sowie landwirtschaftliche Fortschritte. Klassische nationale Kulturen hatten in diesem Selbstbild hinter den »modernen Tempeln« zurückzustehen.255 Nach Überzeugung der Gastgeber würde man die obersten Proletarier der UdSSR mit allzuviel Eindrücken einer indischen Hochkultur im klassischen, bourgeois beeinflussten Sinn ohnehin nur überlasten.256 En passant wollte die indische Führung auch die – nicht-revolutionäre – politische nationale Reife der Einwohner vorführen. Nehru schwor zum Beispiel vor der Besichtigung des Bhakra-Damms die Massen ein: »I hope that you will

254 Vgl. ToI, 21.11.1955, S. 6, Leserbrief Tendulkar. 255 Nehru auf öffentlichem Empfang Calcutta, 30.11.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 312–317, hier S. 312. Vgl. British Information Service, Delhi, Dezember 1955, NAK, DO 35/6578. 256 Vgl. Nehru an Präsident Kashmir, Singh, 2.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 322 f.; Nehru an Lady Mountbatten, 5.12.1955, ebd., S. 331–334, hier S. 332; Chruščev, Vremja 3, S. 327.

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give them a warm welcome in an orderly and grand manner, and show that we are a disciplined people«.257 Den Auftakt des Besuchsmarathons machten neben einer Kranzniederlegung an der Gandhi-Gedenkstätte Rajghat eine Besichtigung der klassischen Sehenswürdigkeiten Red Fort, Jumamasjid, Qutab Minar sowie des Taj Mahal in Agra. Bereits in Delhi standen auch zwei Forschungsinstitute auf dem Programm. Danach besichtigten Bulganin und Chruščev – in dieser Reihenfolge – den Bhakhra-Damm und das »Elektrizitätswerk Ganguwal«, eine staatliche Farm und ein Anti-Malaria-Projekt in Uttar Pradesh (Bareilly und Ambala), Bombay (Hafkine-Institut, Aarey Milch-Kolonie, Tata Institute of Fundamental Research, Khadi Co-operative Union), Poona (Reisanbau-Zentrum, Zentrale Wasserkraftund Forschungsstation, Nationales Chemie-Laboratorium), die Nationale Verteidigungsakademie in Khadakvasla, Bangalore (Indian Telephone Industries, Indian Institute of Science, Raman Institute, Hindustan Machine Tool Factory), Coimbatore (Parkanlagen, Kokosnuss-, Reis- und Bananenplantagen, Teeanbau) Ootacamund (Tee- und Kaffeeplantagen, Gartenanlagen), Madras (Busfabrik, Zentrales Lederinstitut) und archäologische Ausgrabungen in Mahabalipuram. Am 29. November flogen sie nach Calcutta, wo sie sich weitere wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, die Botanischen und Zoologischen Gärten sowie Jutespinnereien ansahen. Nach sieben Tagen in Burma kehrte die sowjetische Delegation am 7. Dezember nach Indien zurück. Sie reiste zur Damodar Valley Corporation mit ihren Kraftwerks- und Bewässerungsbauten, besuchte das Industriezentrum um Asansol (Chittaranjan), das altehrwürdige Jaipur und Srinagar (Kashmir). Am 11. Dezember erreichten die Gäste erneut Delhi. Dieses Mal führte man sie durch eine Industrieausstellung. Die Delegierten zeichneten bei All India Radio Ansprachen auf und unternahmen einen letzten Abstecher zum Community Project-Zentrum in Sonepat.258 Am 14. Dezember zog der Tross weiter nach Afghanistan. Er hatte in Indien rund 10.500 Kilometer zurückgelegt. Darüber hinaus setzten indische Akteure darauf, ihrerseits für die sowjetische internationale Politik und Diplomatie eine Vorbildrolle spielen zu können. Durch das Agieren auf persönlicher und politischer Ebene, so die indische 257 Rede Nehru, 17.11.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 136–146, hier S. 137. Vgl. ToI, 8.11.1955, S. 5, Plan to welcome Russian leaders; ToI, 17.11.1955, S. 1, First flags of welcome go up in Delhi; ToI, 18.11.1955, S. 1, Soviet leaders arrive today. 258 Vgl. Nehru auf öffentlichem Empfang Calcutta, 30.11.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 312–317, hier S. 312; MacDonald an SoS CRO, 17.1.1956, NAK, FO 371/123587; ToI, 20.11.1955, S. 10, Tour itineray.

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Perspektive, würden indische Vertreter ihren Gesprächspartnern die Vorteile einer spezifisch ›indischen‹ Qualität internationaler Beziehungen nahebringen. Gesandte des selbst- und prestigebewussten Indiens verstanden sich bei aller Bescheidenheit als einfühlsame Lehrer sowjetischer Schüler. Nehru exerzierte diese Gesamtkonzeption bei den Besuchen im Sommer 1955 beispielhaft durch. Bei der Ankunft seiner kleinen Delegation in Moskau formulierte er bescheiden sein Vorhaben, die UdSSR »besser zu verstehen und genauer kennenzulernen«.259 Nichtsdestoweniger nutzte Nehru die exklusive Möglichkeit, vor Tausenden von Moskauern im Dinamo-Stadion aufzutreten, dazu, auf Hindi zu sprechen. In dieser Rede hob der Premier Bedeutung und Erfolg (nationaler) friedlicher Entwicklungswege sowie, für den internationalen Umgang, die ›Fünf Prinzipien‹ als Gestaltungsprinzip hervor. Seiner Überzeugung nach konnte die UdSSR in diesen Bereichen von Indien besonders viel lernen.260 Angewendet auf die diplomatische Praxis war es für die indische Regierungsdelegation selbstverständlich, den sowjetischen Ikonen Lenin und Stalin die erwartete Achtung zu bezeugen.261 Es gehörte aber ebenso zum Lehrprogramm, dass Nehru im Winter 1955 Vorschläge für einen Abstecher der sowjetischen Staatsgäste zu Gandhis früherem Aschram in Sevagram abblockte: »The Russians did not take kindly to Bapu during his life and to take Bulganin to Sevagram now would obviously look a little forced.«262 Mit Blick auf Gleichwertigkeit und gegenseitige Achtung sorgte das indische Außenministerium bei der Gestaltung des Besuchsprogramms für Bulganin und Chruščev schließlich dafür, dass die sowjetischen Freundlichkeiten von Juni 1955 erwidert wurden. Das galt auch für die Jubelstürme entlang der Routen und eine betont fürsorgliche, individuelle Betreuung der Staatsgäste.263 Deren Ankunft am 18. November wurde zum bis dato bombastischsten Empfang des unabhängigen Indiens für ausländische Staatsgäste.264 Nur in Calcutta lief die Regie etwas aus dem 259 Zit. nach Menon, Flying troika, S. 110. Vgl. Nehru an Chief Ministers, 5.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 433–437. 260 Vgl. Izvestija, 22.6.1955, S. 1; ToI, 24.6.1955, S. 1, Panchshila supported by Soviet Union; Pastuchov, Nehru; Izvestija, 11.6.1955, S. 3, Prebyvanie v Moskve Prem’er-Ministra Respubliki Indii D. Neru. 261 Vgl. Pravda, 27.1.1955, S. 4 sowie 31.1.1955, S. 3; ToI, 9.6.1955, S. 1. 262 Nehru an Industriellen Bajaj, 20.10.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 427. 263 Vgl. Nehru an Secretary General und Commonwealth Secretary, 25.9.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 421 f.; Nehru an Chief Ministers, 21.9.1955, ebd., S. 493–498, hier S. 497 f.; Nehru an Protokollchef MEA, 19.10.1955, ebd., S. 427, Anm. 2; Nehru an Krishna Menon, 25.11.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 310 f.; Nehru an Staatsschef Kashmir, Karan Singh, 26.11. und 2.12.19155, ebd., S. 311, 322 f. 264 Vgl. MacDonald an SoS CRO, 17.1.1956, NAK, FO 371/123587.

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Ruder. Mit geschätzten zwei bis drei Millionen Menschen gab es hier zwar den bislang größten Empfang für die sowjetischen Führer, doch die Gäste sahen sich gezwungen, der euphorisierten Menge im geschlossenen Wagen zu entfliehen.265 Im Ganzen war die indische Einstellung gegenüber den Gästen und ihrem Staat keineswegs so enthusiastisch, wie derartige Jubelszenen nahezulegen schienen. Die Wahrnehmungen differenzierten sich unter anderem entlang der innerindischen Debatten über Kommunismus, den entscheidenden Gehalt nationaler Werte sowie der korrespondierenden Ausrichtung internationaler Beziehungen aus. Vertreter der verschiedenen indischen Denk- und Normenschulen näherten sich dem sowjetischen Gegenüber von eigenen Ausgangspositionen aus an. Sie erlebten, beschrieben und bewerteten die unmittelbaren Kontakte entsprechend unterschiedlich. Dabei gingen sie in aller Regel davon aus, dass die sowjetische Seite die internationale und nationale Wertigkeit ihres Landes wie gewünscht anerkannte. »Delhis Wunder beeindrucken die Besucher«, titelte etwa die Times of India. Dieselbe Zeitung deutete Wünsche sowjetischer Mütter, ihre Töchter nach Indira Gandhi zu nennen, gleichfalls als implizite Anerkennung spezifisch ›indischer‹ Qualitäten.266 Die gesamte indische Presse registrierte mit Wohlwollen jedes sowjetische Lob für indische Unternehmen und Politiker. Insgesamt war die indische Öffentlichkeit im Winter 1955 vom Bewusstsein durchdrungen, das eigene Prestige gestärkt und vergrößert zu haben.267 In Moskau hatte bereits im Sommer, nach Nehrus Besuch, Botschafter Menon über die dauerhafte »kuriose« Anziehungskraft räsonniert, die Indien seiner Meinung nach auf »Russland« ausübte.268 Überhaupt galt der große Empfang, den man Nehru in der UdSSR bereitete, in indischer Auffassung ganz Indien, das in der Welt als eigenständiger positiver Faktor geachtet werde.269 Die sowjetische Anerkennung erstreckte sich nach Ansicht indischer Eliten auch auf die internationale Vorreiter- und Vorbildrolle ›indischer‹ Werte in den internationalen Beziehungen. »In fact, the whole atmosphere of India – 265 Vgl. Nehru an U Nu, 1.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 318–320, hier S. 318; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 17.1.1956, NAK, FO 371/123587; ToI, 30.11.1955, S. 1. 266 Vgl. ToI, 16.6.1955, S. 1, Entire population greets Mr. Nehru; ToI, 29.1.1955, S. 13; ToI, 26.5.1955, S. 7; ToI, 10.6.1955, S. 8, India and Russia desire cordial relations; ToI, 12.6.1955, S. 10, Soviet leaders frown on Lady Nicotine; ToI, 8.6.1955, S. 1, Great welcome for Mr. Nehru. 267 Vgl. u. a. ToI, 29.11.1955, S. 1, Outstanding statesman of our time; ToI, 20.11.1955, S. 1, Qutab Minar arouses Leaders’ interest; ToI, 21.11.1955, S. 7, Soviet leaders marvel at Taj Mahal’s beauty; MacDonald an SoS CRO, 17.1.1956, NAK, FO 371/123587. 268 K. P. S. Menon, The Prime Minister’s visit to the Soviet Union, 6.7.1955, S. 59–62, 68, NMML, Subimal Dutt Papers, 16. 269 Vgl. Rede Nehru, Delhi, 16.7.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 12–24, hier S. 13–16.

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Indian friendliness, Indian tolerance, Indian democracy and Indian freedom had a considerable effect on our Russian visitors.«270 Die sowjetische Spitze, zog Nehru selbstbewusst Bilanz, habe erkannt, »dass ein Land wie Indien, das weder kommunistisch noch antikommunistisch ist, in der Welt eine bedeutende Stellung einnimmt und es wert ist, umworben zu werden.«271 Der indische Premier beschrieb die Visite der sowjetischen Führung geradezu als Bildungsreise, die deren internationalen Horizont erweitert habe.272 Diese Überzeugung korrespondierte mit der Annahme, dass universale Kräfte von Fortschritt und nationalem Grundgefühl sich nicht nur in Indien, sondern eben auch in der UdSSR und ihrem russischen Kernland zugunsten von »Normalität« und »Freiheit« auswirken würden.273 Altgediente ICS-Veteranen zeigten dagegen, dass sich nationalbetonte Kategorien zum Nachteil einer als rückständig und ideologisch verblendet gewerteten UdSSR auslegen ließen. »When a sharply-worded note goes from the Kremlin to a Western Power it is the Russian of peasant stock, with memories of the past, who is speaking just as much as the irreverent and as yet unhumanised Communist.«274 Meinungsumfragen in Indien signalisierten, dass sich die Mehrheit der interessierten Bevölkerung eher Nehrus Auffassung hinsichtlich besonderer ›indischer‹ Vermittlungsfähigkeiten sowie der internationalen Gesamtkonstellation anschloss. Zumindest enthüllten sie ein Grundvertrauen in sowjetische Beteuerungen von gutem Willem und Friedenssehnsucht. Nur noch sechs Prozent der Befragten in Westbengalen und 13 Prozent in Delhi verdächtigten in dieser Zeit Moskau, Pläne für eine Aggression zu hegen.275 Die Fokussierung auf eigene Leistungen und Bedürfnisse bestimmte auch in anderen Bereichen den indischen Blick auf die sowjetische Wirklichkeit. Im Sommer waren die gesamte indische Regierungsdelegation sowie der journalistische Begleittross ganz geschäftsmäßig an allen Details industrieller sowjetischer Produktionsprozesse oder den Leistungen der für Indien produzierenden 270 Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Labour-Politiker Strachey, 26.3.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 578–583, hier S. 581 f. 271 Vermerk Nehru, 20.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 354–365, hier S. 355. 272 Vgl. Nehru an Lady Mountbatten, 5.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 331–334, hier S. 332; Nehru an Foreign Secretary, Secretary General und Commonwealth Secretary, 30.12.1955, ebd., S. 428–431, hier S. 431; Nehru an Eden, 12.7.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 268. 273 Vermerk Nehru, Teil 1, 19.7.1955, S. 11, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. 274 Pillai, A visit to the Soviet Union, 29.7.1955, S. 85 f., NMML, Subimal Dutt Papers, 16. 275 Vgl. Monthly public opinion surveys (1955/1956), Nr. 1, S. 19–21, 30 f. Die Werte für die USA fielen weitaus negativer aus, 79 % in Westbengalen und 30 % in Delhi, ebd. Für den Fall eines Weltkriegs setzten 50 % der Befragten auf eine indische Neutralität, ebd.

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Werke interessiert. Den indischen Beobachtern entgingen die langen Schlangen vor sowjetischen Geschäften nicht. Sie registrierten aufmerksam Indikatoren ärmlicher Lebensbedingungen oder Zeugnisse hoher Arbeitsbelastung der Werktätigen.276 In ihrer Wissbegier ignorierten die indischen Besucher mitunter potentielle sowjetische Empfindlichkeiten. So stellten sie hartnäckige Nachfragen bezüglich der Konkurrenzfähigkeit sowjetischer Autos im Vergleich zu amerikanischen Produkten, zur Rolle amerikanischer Spezialisten beim Aufbau verschiedener Werke in der UdSSR oder über ausländische Ausrüstungsgegenstände in sowjetischen Fabriken. In derlei Momenten mussten die Gastgeber zum Beispiel zugeben, dass man jahrzehntealte Werkbänke immer noch nicht ersetzt hatte. Sowjetische Alternativen jedoch, beteuerten sie, seien auf jeden Fall besser.277 Insgesamt gaben sich viele indische Gäste einschließlich der kritischen oder voreingenommenen Geister nach ihren genauen Bestandsaufnahmen von sowjetischen Entwicklungen in der Wirtschafts-, Sozial-, Frauen- und Bildungspolitik durchaus beeindruckt. Das galt insbesondere für die Situation in den zentralasiatischen (und kaukasischen) Landesteilen der UdSSR. Zu denen zeigten die Reisenden aus Indien besondere Affinität, schrieben sie der Bevölkerung in Zentralasien doch eigene ursprüngliche, als positiv empfundene ›asiatische‹ Charakteristika zu.278 Nehrus Gastgeber registrierten, dass auch der Premier ein weitaus lebhafteres Interesse für seine Umgebung an den Tag legte, als er durch Uzbekistan reiste.279 Einzelne Journalisten nutzten ihrerseits die Gelegen276 Vgl. DDR-Botschaft Moskau, Krolikowski, an MfAA, 17. und 23.6.1955, PA AA, MfAA, A 244, Bl. 21–24, hier Bl. 23 sowie A 9380, Bl. 21 f.; Gespräche Nehru mit französischem Journalist Mende, 1. Sitzung am 31.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 437 ff., hier S. 445; VOKS, Vermerk über Arbeit mit indischem Journalisten, 13.8.–6.9.1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 228, ll. 27 ff., 77 ff.; ToI, 18.6.1955, S. 1, Mr. Nehru in Siberia; ToI, 19.6.1955, S. 1, Mr. Nehru to visit Atom plant; ToI, 23.6.1955, S. 1, Mr. Nehru visits a power plant; Protokolle Gespräche Nehru mit Eden, 8.– 9.7.1955, NAK, PREM 11/919; K. P. S. Menon, The Prime Minister’s visit to the Soviet Union, 6.7.1955, S. 63, NMML, Subimal Dutt Papers, 16; Pillai, A visit to the Soviet Union, 29.7.1955, S. 81, ebd. 277 Vgl. Kurzberichte V. Kuznecov, 16. und 18.6.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 19, ll. 143– 145, 149 f.; ToI, 10.6.1955, S. 1, Mr. Nehru visits Soviet jet plan factory; Bericht Dolmetscherin für die Zeit vom 7.–10.6.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 19, ll. 126–128; Vermerk Nehru, Teil 1, 19.7.1955, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. 278 Vgl. neben vorhergehenden Anm. Nehru an Eisenhower, 27.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 355– 357, hier S. 356; Vermerk Nehru, Teil 1, 19.7.1955, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; K. P. S. Menon, The Prime Minister’s visit to the Soviet Union, 6.7.1955, S. 65, NMML, Subimal Dutt Papers, 16; Pillai, A visit to the Soviet Union, 29.7.1955, S. 83, ebd. 279 Vgl. Krolikowski an MfAA, 17. und 23.6.1955, PA AA, MfAA, A 9380, Bl. 21 f. sowie A 244, Bl. 21–24, hier Bl. 23; Aufzeichnung Gespräche Nehru mit Mende ab dem 31.12.1955, hier 1. Sitzung am 31.12.1955, SWJN, 2,31, S. 437 ff., hier S. 445; Menon, The flying troika, S. 113.

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heit, um gleich für längere Zeit in der Republik zu bleiben. Die gegenüber der UdSSR im Allgemeinen recht ungnädige Times of India nahm den Aufenthalt der indischen Regierungsdelegation im Süden zum Anlass, weitere Aspekte der Moskauer Politik zu kritisieren.280 Sie konnte aber nicht umhin, diesen Reiseabschnitt als wirklichen Höhepunkt und zentralen Zweck des Besuchs Nehrus in der UdSSR aufzufassen. Mehr noch: Die Gazette schilderte vor allem Taškent als »moderne Stadt« mit allen Ingredienzien einer westeuropäisch definierten Moderne: »fine avenues, […] imposing public buildings, tram cars and trolley buses, theatres and picture houses […], fine airport, many factories, a university and a good road and railway system«.281 Eine Notiz des konservativen Pillai verweist dabei darauf, dass die innersowjetische Asienpolitik in indischen Augen ihre Schattenseiten, zumindest problematische Implikationen haben konnte: »Ihr lasst Asien arbeiten und lasst es Europa genießen«, kommentierte er die Ansiedlung von Großwerken im asiatischen Teil der UdSSR.282 In den indischen Debatten fanden sich jedoch genügend Stimmen, die dieselben Maßnahmen positiv, als Demonstration der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit oder als Beweis dafür, dass die UdSSR keine koloniale Macht war, interpretierten. Entsprechend gespalten waren indische Reaktionen auf den sowjetischen Versuch, sich über die zentralasiatischen Republiken als ›asiatische‹ Macht mitsamt allen positiven Konnotationen zu profilieren. Für Nehru war die UdSSR weder »europäisch« noch »asiatisch«, sondern hatte vieles an Vor- und Einstellungen mit den USA gemein: »Both have made a god of the machine and have developed or are developing a highly technical civilisation.«283 Aus analogen Vergleichen zogen kritischere ICS-Veteranen den Schluss, dass der sozialistische Staat weiterhin von einem Unterlegenheitsbewusstsein gegenüber dem ›Westen‹ geplagt sein müsste. Daher überrascht es nicht, dass Nehrus Meinung, wonach Indien einiges von den sowjetischen Erfahrungen lernen könnte, nicht von allen indischen Beobachtern geteilt wurde.284 Letztlich reichten außerhalb der CPI weder der Anschauungsunterricht in der UdSSR noch Begegnungen mit sowjetischen Gästen aus, um die sowjetische 280 Vgl. ToI, 15.6.1955, S. 11, Mr. Nehru arrives in Georgia; ToI, 14.6.1955, S. 7, Crimea’s big welcome to Premier. 281 ToI, 15.6.1955, S. 1, Mr. Nehru arrives in Tashkent. 282 Pillai, A visit to the Soviet Union, 29.7.1955, S. 86 f., NMML, Subimal Dutt Papers, 16; K. P. S. Menon, The Prime Minister’s visit to the Soviet Union, 6.7.1955, S. 63, ebd. 283 Vermerk Nehru, Teil 1, 19.7.1955, S. 9, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. 284 Vgl. Vermerk Nehru, Teil 1, 19.7.1955, S. 6, 16, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; britisches Hochkommissariat an SoS CRO, 15.11.1955, NAK, DO 35/6578; Pillai, A visit to the Soviet Union, 29.7.1955, S. 96–98, NMML, Subimal Dutt Papers, 16.

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Ordnung und Politik in den Augen indischer Akteure zum Modell schlechthin avancieren zu lassen. Zwar äußerten sich im Januar 1956 in einer Meinungsumfrage im linken Calcutta 62 Prozent und in Delhi immerhin noch 22,5 Prozent der Befragten »günstig« über die UdSSR.285 Doch spricht vieles dafür, dass diese Zahlen vor allem verzweifelte Lebensverhältnisse der indischen Massen reflektierten und ihrem diffusen, uninformierten Gefühl Ausdruck verliehen, dass »underdogs dort gut behandelt würden«.286 In dieser Hinsicht rechnete es selbst der sonst so kritische Pillai sowjetischen Spitzenpolitikern hoch an, dass sie in ihrem äußeren Auftreten ganz auf modische, teure Extravaganzen verzichteten, die den ehemaligen Empire-Beamten in London so arg gestört hatten.287 Insgesamt waren für indische Reisende und Beobachter aus den politisch und gesellschaftlich maßgeblichen Gruppen die Mängel in relevanten Bereichen der sowjetischen Wirklichkeit zu schwerwiegend, als dass sie ihre ungeteilten Hoffnungen auf die UdSSR hätten setzen wollen. Unter denjenigen Journalisten, die grundsätzlich wenig Wohlwollen für die UdSSR aufgebracht hatten, äußerten sich einige 1955 besonders despektierlich über die festliche Pracht von Großereignissen anlässlich Nehrus Besuch. Andere schimpften auf die angebliche Hässlichkeit slawischer Menschen. Schließlich stürzten sich konservative Schreiber auf Chruščevs »proletarisches« Auftreten, das altimperialem Geschmack zuwiderlief. »In einem Salon würde Anthony Eden seine Manieren mehr als etwas anstrengend finden«.288 Doch auch andere Beobachter stießen sich an den nahezu obligatorischen Ausfällen des Parteichefs gegen die USA und Großbritannien sowie gegen alle »Kolonisatoren«, da derlei Auftritte nicht dem gewohnten Stil eines Staats­ besuchs gerecht wurden. Chruščevs und Bulganins Reden, beklagte sich Nehru bei seiner Schwester, hätten Grenzen überschritten, und insbesondere der Erste Sekretär sei äußerst »propagandistisch« aufgetreten.289 Der ehemalige General285 Vgl. Monthly public opinions surveys (1956/1957), Nr. 14, S. 16–24. Die USA blieben in dieser Kategorie in Calcutta unter 1 %, in Delhi lagen sie bei 1,3 %, ebd. Einen Siegeszug des Kommunismus erwarteten selbst in Westbengalen nur 20 %, in Delhi 16 %, vgl. Monthly public opinion surveys (1955/1956), Nr. 1, S. 19–21, 30 f. 286 Nehru an V. L. Pandit, 2.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 324 f. 287 Vgl. Pillai, A visit to the Soviet Union, 29.7.1955, S. 92–94, NMML, Subimal Dutt Papers, 16. 288 ToI, 12.6.1955, S. 8, Rubrik: Men, matters and memoires. Vgl. Kaul, Diplomacy, S. 140; ToI, 6.11.1955, S. 8, Scrutator, The discordant note in Soviet peace overture; ToI, 29.11.1955, S. 1: Mr. Khrushchev a »hit« with people. 289 Nehru an V. L. Pandit, 2.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 324 f. ToI, 11.12.1955, S. 10, Propriety of Soviet remarks questioned; MacDonald an CRO, 21.11.1955 und 17.1.1956, NAK, DO 35/6578 sowie FO 371/123587; kanadisches Hochkommissariat Delhi an SoS External Affairs, 3.12.1955, NAK, FO 371/123587; Menon, The flying troika, S. 132.

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gouverneur der Krone, Rajagopalachari, vorübergehend im politischen Ruhestand, verglich Chruščevs Auftritte mit der Demagogie eines Hitler.290 Vorsichtshalber reiste Nehru der sowjetischen Delegation nach Calcutta nach, um mit eigenen Ansprachen ein Gegengewicht zur Agitation der sowjetischen Politiker zu schaffen.291 Auch von der Heimat des kämpferischen Chruščevs blieben nicht nur positive Momente haften. Indira Gandhi, so berichtete das amerikanische Konsulat in Delhi zufrieden, äußerte sich öffentlich recht kritisch über die UdSSR, vor allem über das durchreglementierte Leben sowjetischer Bürger.292 Nehru ließ sein Unbehagen an fehlenden Freiheiten in der UdSSR zumindest in den Amtsstuben bekannt machen.293 Angesichts dieser ebenso komplexen wie selbstbezogenen Einschätzungen der UdSSR durch indische Akteure war das sowjetische Ziel, die Begegnungen zum Beleg und zur Demonstration von Erfolgen und Vorteilen des Sozialismus weltweit zu nutzen sowie mit indischen Partnern gemeinsam eine genuin positive Qualität sozialistischer internationaler Beziehungen umzusetzen, sehr hoch gesteckt. Die sowjetischen Akteure machten sich die Aufgabe etwas einfacher, indem sie indisches Interesse und indische Lernbereitschaft ebenso voraussetzten wie eine fraglose Spitzenstellung der UdSSR in allen Sphären des Lebens. »Nehru, der vor kurzem bei uns war, hatte die Möglichkeit, hier das zu besichtigen, was früher nur ein Thema der science fiction war«, fasste man im sowjetischen Schriftstellerverband diese Grundhaltung zusammen. Analog beschrieb Tursun-Zade in der Literaturnaja Gazeta Moskau als Erfüllung indischer Träume von einem besseren Leben.294 Moskauer Besuchsprogramme für indische Gäste aller Ebenen, ihre mediale Begleitmusik, die sowjetischen Aktivitäten in der UdSSR und in Indien sowie die Berichte beteiligter Akteure buchstabierten den sowjetischen Anspruch im Detail aus. Präsentiert wurden indischen Besuchern ausgewählte Beispiele 290 Vgl. Nehru an Rajagopalachari, 2.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 323; Chruščev, Vremja 3, S. 327; Desai, The story 2, S. 94–98; Rotter, Comrades, S. 280. 291 Vgl. MacDonald an SoS CRO, 17.1.1956, NAK, FO 371/123587. 292 US-Konsulat Delhi an State Department, 27.9.1955, NARA, RG 59, Central Files, Soviet Union, C0015, 1955–1959, Reel 9 (661.91). 293 Vgl. Vermerk Nehru, Teil 1, 19.7.1955, S. 1 f., NMML, T. N. Kaul Papers, 15.; Nehru auf Konferenz Kongress-Führungspersonal, 2.9.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 329–332, hier S. 330 f. 294 Zit. nach Stenogramm Gespräch SSP mit indischer Delegation, 8.7.1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5154. Vgl. Tursun-Zade, Devuška Indii; Surkov, Nad vodami Ganga, in: Surkov, Sobranie 3, S. 373–377, hier S. 377 (Erstveröffentlichung in: Literaturnaja Gazeta vom 26.1.1956); Sofronov, Indijskie zapiski, in: ders., Sobranie sočinenij 5, S. 48–94, hier S. 57, 63, 71 f.; Ašrafi, Indijskie dnevniki, S. 5, 128 f.; Pravda, 27.1.1955, S. 4 sowie 31.1.1955, S. 3.

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eines friedlichen und hoch entwickelten Wirtschaftsaufbaus, allgemeiner Bildung und breit zugänglicher Spitzen- und Massenkultur, der Fürsorge für die sowjetischen Bürger sowie, internationalistisch gedacht, des geglückten Zusammenlebens verschiedener Nationen in der UdSSR, des freundlichen Interesses an Indien sowie des allgemeinen Friedenswillens der mächtigen Sowjetunion. Dafür hielten zum Beispiel während des Nehru-Besuchs in Moskau die Tupolev-­Werke, die Landwirtschaftsausstellung, eine Mittelschule, die Metro, die MGU, das Autowerk »Stalin« mit seinem Arbeiter-Kulturhaus, die aktuelle Moskauer Ausstellung über indische Kultur und Kunst sowie eine Aufführung von »Schwanensee« im Bol’šoj her. In Stalingrad standen das Weltkriegsmuseum und die Schlachtstätte Mamaev Kurgan, das Traktoren- sowie das nahegelegene Wasserkraftwerk auf dem Programm, auf der Krim Pionierlager. Tiflis bot das »Stalin«-Metallwerk Rustavi und eine Sovchoze, in Taškent und Samarkand gab es Kolchozen, die uzbekische Akademie der Wissenschaften zu sehen und ein Konzert zu hören. In Kazachstan besichtigte Nehru Sovchozen, die im Umfeld der Neuland-Kampagne entstanden waren. Die Ermitage in Leningrad, ein Atomkraftwerk bei Moskau, die Stahlstadt Magnitogorsk und Uralmaš in Sverdlovsk, welches einer der wichtigsten Zulieferer für Bhilai werden sollte, rundeten neben einem Abstecher nach Kazan’ das durchkomponierte Besuchsprogramm ab.295 Gastgeschenke trugen korrespondierende Botschaften.296 Konkrete Signale wie der pflegliche Umgang mit der indischen Presse, die erstmalige Öffnung des Kremls nach dem Krieg für Nehrus Staatsbankett oder der exklusive Zugang der indischen Regierungsdelegation zu Einrichtungen und Anlagen unter anderem der Atomindustrie setzten ebenfalls die sowjetische Gesamtaussage um.297 Die laufende sowjetische Berichterstattung nahm derweil die Erfolge, die sich die Planer von den eigenen Vorführungen erhofften, als gegeben an. Sie 295 Vgl. Appelt an MfAA, 23.6.1955, PA AA, MfAA, A 765, Bl. 25–27. 296 Vgl. N. Michajlov an ZK, 14.5.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 118, ll. 21 ff.; Aufstellungen von Juni 1955 in AVP, f. 90, op. 17, papka 15, d. 8, ll. 8 ff. resp. RGALI, f. 2329, op. 8, d. 120. Unter den Geschenken, die Nehru und seine Delegation erhalten sollten, war im Vorfeld als teuerstes Stück ein Schreibtisch für 32.000 Rubel vorgesehen. Letztlich beließ man es bei traditionelleren Geschenken wie Vasen, Bildern sowie Fotoapparaten und Uhren. Nehrus Enkel erhielten Spielzeug, und auch sein persönlicher Diener wurde nicht vergessen – er erhielt eine Uhr im Wert von 400 Rubel, vgl. Liste, o. D., AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 19, ll. 52 f.; Menon, The flying troika, S. 113; Aufzeichnung Gespräch V. Kuznecov mit K. P. S. Menon, 12.6.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 19, ll. 121 f. 297 Vgl. britischer Botschafter Moskau, Hayter, an Eden, 24.6.1955, NAK, PREM 11/919; tägliche Kurzberichte V. Kuznecov, 9.–19.6.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 19, ll. 81–154; Entwurf Besuchsprogramm, Mai 1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 118, ll. 26 ff.; Chruščev, Vremja 3, S. 320 f.

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setzte einen Grundakzent auf die Freundschaft zwischen den Völkern Indiens und der UdSSR, die deutlich vom Wohlwollen der sowjetischen Einwohner auf der einen und dem dankbaren und heraufschauenden indischen Interesse auf der anderen Seite zu leben schien.298 Der lesenden Öffentlichkeit im In- und Ausland wurde somit nicht nur ein äußerst hohes Niveau sowjetischer Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft vorgeführt, sondern zugleich ein Bild »unverhohlenen Entzückens« der Gäste über Industrieanlagen sowie Aufnahmen nahezu andächtiger Besichtigungen von Stahlwerken und »tiefbewegter« Achtung für Neulandprojekte. Daneben beschrieben die Medien das zufriedene indische Lob von Hilfslieferungen und die »weihevolle Verehrung« für die sowjetischen Heldentaten des Zweiten Weltkriegs. Indische Akteure schrumpften in diesem Bild der Welt auf vorbehaltlose Bewunderer der sowjetischen Wirklichkeit einschließlich der zentralasiatischen Ausschnitte zusammen.299 Auch hinsichtlich Nehrus waren sich die sowjetischen Gastgeber 1955 sicher, dass der gelungene Empfang seine anfängliche Anspannung gelöst und Vorurteile abgebaut habe, die dem weiteren Ausbau der Beziehungen im Wege gestanden hätten.300 Sowjetische Gesandte in Indien versuchten vor Ort, dieses Selbstverständnis zu leben und zu vermitteln. Die sowjetische Regierungsdelegation verpflichtete sich der klaren Hierarchie allein schon durch ihre schiere Größe. Sie war wesentlich umfangreicher als die indische Gruppe wenige Monate zuvor. Regierungschef Bulganin und der Erste Sekretär der Partei Chruščev wurden unter anderem von Schwergewichten aus Kultur-, Außen- und Außenhandelsministerium, von KGB-Chef Serov sowie von Größen der uzbekischen Politik begleitet. Zeitgleich trat eine von Nehru eingeladene uzbekische Künstlertruppe in Delhi auf. Der aufwendige sowjetische Pavillon für die internationale Industrieausstellung in Delhi vervollständigte die selbstbewusst wuchtige sowjetische

298 Vgl. Pravda, 8.6.1955, S. 1; Temkin, Pervaja delegacija; Skalkin, Podlinnaja demonstracija; Izvestija, 9.6.1955, S. 3; Pravda, 10.6.1955, S. 1, Prebyvanie Prem’er-Ministra Respublika Indii D. Neru v Moskve; Izvestija, 10.6.1955, S. 1, Poseščenie Prem’er-Ministrom Respubliki Indii D. Neru aviacionnogo zavoda. 299 Botschkarjow, Jawaharlal Nehru; Fotoreportage, in: Ogonek (1955), Nr. 24–26. Vgl. Pastuchov, Nehru; Izvestija, 12.6.1955, S. 1 sowie 15. und 16.6.1955, je S. 3, Poezdka Prem’er-Ministra Respubliki Indii D. Neru po Sovetskomu Sojuzu; Pravda, 20.–22.6.1955, je S. 2; Interview mit indischer Parlamentsdelegation, in: Neue Zeit (1955), Nr. 23, S. 9 f.; Plyševskij/Pastuchov, Prebyvanie D. Neru; Plyševskij/Pastuchov/Ivachnenko, D. Neru; Izvestija, 22.6.1955, S. 3. 300 Vgl. [MID], Vermerk über Besuch Nehru, o. D., AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 17, ll. 1–5.

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Präsenz im Land.301 Die sowjetischen Vertreter hatten nicht vor, in Indien zu lernen. Sie kamen mit der Absicht, die ganze Bandbreite der Nationalitäten und Kulturen, die in der UdSSR offizieller Lesart nach friedlich und erfolgreich miteinander lebten und arbeiteten, vor Augen zu führen.302 Vor sowjetischen Errungenschaften hatten indische Leistungen zurückzustehen. So wollte das MEA während des Besuchs der sowjetischen Regierung für die notwendigen Flüge in Indien unbedingt indische Flugzeuge als Symbol indischen Prestiges, indischer Gleichwertigkeit und indischer Modernität bereitstellen. Sowjetische Experten betrachteten die indischen Dakotas jedoch ganz im Gegenteil als zu altbacken, damit ihre Benutzung als für die eigenen Spitzen potentiell prestigeschädigend und den Verzicht auf eigene Flugzeuge als verpasste Werbegelegenheit.303 Die sowjetische Seite setzte sich durch. Die sowjetische Delegation flog in Indien mit dem »sowjetischen Flugzeug Il-14 P, konstruiert von Sergej Wladimirowitsch Iljuschin«, teilte Bulganin später stolz dem Obersten Sowjet mit.304 Folgt man Bulganins Erzählung, so diente die Rundreise ohnehin vor allem dazu, dem indischen Volk überall die Möglichkeit zu geben, die sowjetischen Gäste und ihren Staat gebührend zu feiern und ihr »lebhaftes Interesse für die Sowjetunion, für das Leben und Wirken des Sowjetvolkes« zu bekunden.305 Damit ging das Ansinnen einher, die Besuche im mitgedachten Wettkampf mit den USA und ihren Verbündeten in propagandistische Erfolge umzumünzen – und auch dies ohne Rücksicht auf indische Einstellungen oder Empfindlichkeiten. »Wir traten wie Kommunisten auf«, erinnerte Chruščev in seinen Memoiren selbstbewusst, wie er mit seinen Schimpftiraden auf die USA indische Zuhörer verstört hatte.306 Für einen wirklichen Austausch blieb da selbst im wissenschaftlichen oder künstlerischen Diskurs kaum Raum. Sogar zur indischen Küche hatte ein sowjetischer Besucher festgefügte Vorstellungen: Vegetarisches Essen, so Chruščev in seinen Erinnerungen, konnten sich letztlich nur indische Eliten, nicht aber Schwerarbeiter oder Arme leisten. »Das ist 301 Vgl. MacDonald an SoS CRO, 17.1.1956, NAK, FO 371/123587; ToI, 30.11.1955, S. 1, Calcutta gives biggest welcome yet to Soviet leaders; Aufzeichnung Gespräch K. P. S. Menon mit N. Michajlov, 31.10.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 18, l. 2; Krolikowski, 17.6.1955 an MfAA, PA AA, MfAA, A 9380, Bl. 21 f.; Pravda, 25.11.1955, S. 3, Koncert sovetskich artistov v Deli. 302 Vgl. Chruščev, Vremja 3, S. 319 f. 303 Vgl. Nehru an Foreign Secretary, 28.10.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 431 mit Anm. 2. 304 Bulganin vor Oberstem Sowjet, 29.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrustschow. Freundschaftsbesuch, S. 248–282, hier S. 255. 305 Bulganin vor Oberstem Sowjet, 29.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrustschow. Freundschaftsbesuch, S. 248–282, hier S. 251 f., 253, 265. 306 Chruščev, Vremja 3, S. 328.

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sozusagen eine Abschweifung vom Thema der Erzählung unter sozialem und klassenmäßigem Aspekt.«307 Darüber hinaus fahndeten die imperialen Emissäre nach Anzeichen dafür, dass sich der neue Staat Indien auf den von der UdSSR vorgezeichneten, gesetzmäßigen Entwicklungsweg machen wollte. Angesichts dieses Zugangs war es nur konsequent, dass indische Personen in den sowjetischen Reiseberichten mehrheitlich als blasse oder standardisierte Hintergrundgestalten auftauchen, die die Darstellungen mit einem exotischen Kolorit versahen. Hier entwarf nur Ėrenburg ein facettenreicheres Bild, welches seinen Lesern Grundstimmungen plastischer, individueller Menschen oder beispielsweise die Situation von Frauen und Kindern in Indien näherbringen konnte.308 Dem Gros der sowjetischen Reisenden war es wichtiger, indische (Re-) Präsentationen nach eigenem Maßstab einzuordnen und zu bewerten. Dabei wurde traditionellen touristischen und kulturellen Sehenswürdigkeiten, den sowjetischen Lesern angeblich aus Kunst und Kultur wohlbekannt, durchaus Raum gegeben. Bulganins und Chruščevs Elefantenritte sowie ihre Bewunderung für indische Yoga-Lehrer belegten, dass auch die oberste Führungsspitze der UdSSR mitunter touristisch-exotischen Reizen erlag.309 In der Breite waren die sowjetischen Darstellungen der Schönheiten von Natur und vor allem Kultur in Indien kein Selbstzweck, sondern wurden als »Denkmal für die Arbeitsliebe, Weisheit und das Talent des Volkes« konzipiert.310 Fleiß und Leistungsbereitschaft indischer Menschen stellten in der sowjetischen Berichterstattung über die Rundreise der sowjetischen Regierungsdelegation einen wichtigen Topos dar. Demnach stachen in den indischen Menschenmengen zudem – ganz klassenbewusst – Arbeiter und Bauern durch ihre besondere Aufmerksamkeit für sowjetische »proletarische« Errungenschaften hervor.311 Chruščev ließ es sich 307 Chruščev, Vremja 3, S. 324 f. Vgl. Ėrenburg, Indijskie vpečatlenija, S. 20; Aufzeichnung Gespräch Auslandsdelegation SSP mit indischer Literaturdelegation, hier Beitrag Koževnikov, 8.7.1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5154; Auf dem Internationalen Forstwirtschaftskongress, S. 29; Aleksandrov, Po gorodam 2, S. 153. 308 Vgl. Ėrenburg, Indijskie vpečatlenija, S. 30–33. Als Gegenbeispiel u. a. Sagateljan, V Agru. 309 Vgl. ToI, 24.11.1955, S. 1, Mr. Bulganin rides an elephant; ToI, 26.11.1955, S. 7, Foto; Pravda, 20.11.1955, S. 2, V gostjach u graždan Deli; Pravda, 21.11.1955, S. 3, V derevnem gorode Agre; Izvestija, 23.11.1955, S. 3, Poezdka v Pendžab. Vgl. zum sowjetischen Film Družba velikich narodov Aussage Kinobesucher (Moskauer Studierende), Januar 1956, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 120, ll. 92 ff.; Chruščev, Vremja 3, S. 322–324, 337. 310 Vgl. Pastuchov, Iz istorii; Chruščev vor Oberstem Sowjet, 29.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrustschow. Freundschaftsbesuch, S. 283–330, hier S. 294 f. 311 Vgl. Eine machtvolle Kundgebung der sowjetisch-indischen Freundschaft, in: Neue Zeit (1955), Nr. 48, S. 1 f., hier S. 1; Abbas, 400 Millionen, S. 6; Izvestija, 22.11.1955, S. 4, Trud velikogo naroda.

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angelegen sein, Nehru selbst auf den besonderen Enthusiasmus in Fabriken über die sowjetischen Besucher hinzuweisen. Nach seiner Rückkehr verkündete der Parteichef dem Moskauer Publikum folgerichtig, wie begeistert indische Arbeiter, Bauern und Intellektuelle, letztlich alle Völker Indiens, über die UdSSR seien.312 Als Vertreter einer sowjetisch definierten Moderne konzentrierte sich das Interesse der sowjetischen Besucher deutlich auf das ›neue‹, moderne Indien, verstanden als technisiertes, sich industriell entwickelndes und ›progressiv‹ denkendes Land, dessen weiterer Entwicklungsweg zunehmend durch die Werktätigen bestimmt wurde.313 Mit einer ›fortschrittlichen‹ Innenpolitik und friedensbewegten Außenpolitik würde es durch die Umsetzung historischer Gesetzmäßigkeiten das sowjetische Engagement rechtfertigen.314 Als interne Gegenkräfte dieser vielversprechenden Prozesse erkannten die sowjetischen Gäste ganz traditionell das Kastenwesen, Reaktionäre, unzureichende Bodenreformen, religiösen Aberglauben und die grassierende Armut im Land.315 Im Gegensatz zu den 1940er-Jahren wollten sich allerdings einige sowjetische Reisende weniger eindeutig für das Für oder Wider von ›Alt‹ und ›Neu‹ entscheiden. Sie gestalteten die Balance zwischen diesen Polen offener und machten damit den indischen Anspruch auf selbstbestimmte Entwicklungen nachvollziehbarer. Vor dem Hintergrund der sowjetisch-indischen Beziehungsperspektiven und sozusagen in Vorwegnahme der innersowjetischen Diskussionen über Sinn und Stellenwert der Poesie im technologischen Zeitalter führten literarische Aufbereitungen der aktuellen Indienerfahrung eine indirekte Diskussion 312 Vgl. Rede Chruščev, 21.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrustschow. Freundschaftsbesuch, S. 239–242, hier S. 239, 242; Protokoll Gespräch Nehru mit Bulganin/Chruščev, 12.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 334–345, hier S. 334–336; Pravda, 19.11.1955, S. 3, Indijcy i russkie – brat’ja; Pravda, 25.11.1955, S. 3, Indijskie gazety o vystuplenijach N. A. Bulganina i N. S. Chruščeva v parlamente Indii; Pravda, 12.12.1955, S. 3, Jarkoe projavlenie ponimanija nacional’nych interesov naroda Indii; Pravda, 15.12.1955, S. 3, Deli provožaet dorogich gostej; Izvestija, 23.11.1955, S. 3, Indijskie gazety o prebyvanii N. A. Bulganina i N. S. Chruščeva v Indii; Literaturnaja Gazeta, 15.12.1955, S. 3, Indijskie i sovetskie dejateli o družbe meždu dvumja velikimi narodami. 313 Vgl. Surkov, Nad vodami Ganga, in: Surkov, Sobranie 3, S. 373–377, hier S. 373–375; Koževnikov, Na beregach Ganga; Kraminov, Po Indii, Teil 3: U podnožija Gimalaev; Jakowlew, Indien heute, S. 20, 23. 314 Vgl. Die Sowjetunion und die Völker Asiens, in: Neue Zeit (1955), Nr. 51, S. 1–3; Friedliche Koexistenz in Theorie und Praxis, in: Neue Zeit (1955), Nr. 50, S. 3–7; Eine machtvolle Kundgebung der sowjetisch-indischen Freundschaft, in: Neue Zeit (1955), Nr. 48, S. 1 f.; Pravda, 14.12.1955, S. 2, Obrazec mirnogo sosuščestvovanija; Ivestija, 9.12.1955, S. 3, Poezdka istoričeskogo značenija. 315 Vgl. Surkov, V zavtrašnej Indii, in: ders., Sobranie sočinenij, S. 128–131, hier S. 128 f.; Ėrenburg, Indijskie vpečatlenija, S. 28 f.; Kraminov, Po Indii, Teil 1: Tjaželoe nasledie.

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darüber, inwieweit traditionelle Züge Indiens auf Dauer ganz einer technologischen Moderne weichen müssten und würden.316 Für Ėrenburg machte die Gleichzeitigkeit, mit der Indien »in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft« lebe, das Wesen des Landes aus: Das, »was in Europa ein klarer Widerspruch wäre, scheint in Indien natürlich.«317 Dagegen nahm Sofronov im selben Jahr 1955 Palast und Parkanlagen in Jaipur als seltsam unwirklich wahr, als isoliert vom »siedenen Leben des arbeitsamen Jaipur«, einer Stadt, in der die »arbeitenden Menschen die Ankunft eines neuen Lebens […] begrüßen«.318 Ging man vom Standpunkt aus, dass sowjetische Modellentwicklungen übernommen werden mussten, dann war die Debatte bereits entschieden. »War es so nicht bei uns in den Dreißigern«, schloss Surkov ein Gedicht über das »Zukünftige Indien« ab. »Wir erinnern die Baugruben von Dneprostroj, die Epoche von Komsomol’ska und Magnitogorsk, und dadurch erinnern wir unsere Jugend, sind aufgeregt und drücken den unermüdlichen Kulis, Bulldozer-Fahrer und Sprengmeistern die Hand. […]. Sie sind auf dem Weg.«319 Ganz ähnlich äußerte sich Bulganin vor dem Obersten Sowjet, wenn er sich ob des »gewaltige[n] Arbeitselans« von Arbeitern und Ingenieuren am Bhakra-Nangal-Bau »an die Zeit unseres ersten Fünfjahresplans« erinnert fühlte.320 Negativ gewendet sparten sowjetische Wirtschaftsexperten dagegen nicht mit Kritik an indischen Reformversuchen in der Landwirtschaft. Das indische Community Project, dem Delhi so viel Bedeutung beimaß, erinnerte mit seinem Verzicht auf radikale Umverteilungsmaßnahmen Moskauer Beobachter nur an die zemstvo-­ Ideen des späten Zarenreichs, die nach sowjetischer Einschätzung weder die Produktivität noch die Sozialstruktur der Landwirtschaft verbessert hatten. Damit war klar, dass aus sowjetisch-marxistischer wirtschaftspolitischer und -wissenschaftlicher Perspektive die Notwendigkeit einer radikalen Trennung von der Vergangenheit ebenfalls nicht ernsthaft in Frage stand.321 316 Vgl. zur Debatte von 1959/60 zusammenfassend Zubok, Zhivago’s children, S. 133–135. 317 Ėrenburg, Indijskie vpečatlenija, S. 33. 318 Sofronov, Indijskie zapiski, in: ders., Sobranie sočinenij 5, S. 48–94, hier S. 53–54, dazu S. 60, 68. Vgl. Tichonov, Vesna Indii; Jakowlew, Indien heute, S. 25. 319 Surkov, V zavtrašnej Indii, in: ders., Sobranie sočinenij 2, S. 128–131, hier S. 131. Vgl. Ėrenburg, Indijskie vpečatlenija, S. 56 f.; Ašrafi, Indijskie dnevniki, S. 59–63; Kraminov, Po Indii, S. 100– 106; Čelyšev, Indija, S. 35 f. 320 Bulganin vor Oberstem Sowjet, 29.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrustschow. Freundschaftsbesuch, S. 248–282, hier S. 255–257, Zitat S. 257. 321 Vgl. Delegationsleiter Degtjar’ an ZK, 24.5.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 117, ll. 4 ff.; Rubinstein, Möglichkeiten, S. 4, 6; Ostrovitjanov, Poezdka, S. 62 f., 66; Wanin, Die industriellen Entwicklungssaussichten; Pravda, 23.11.1955, S. 3, V strane pjati rek; Pravda, 24.11.1955, S. 2, Pokorennye džungly; Pravda, 13.12.1955, S. 3, Volnujuščaja vstreča s indijkimi krest’janami;

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Unabhängig von solch isolierten Diskrepanzen in der Gesamtbewertung wurden Mitte der 1950er-Jahre objektive Notstände und entwicklungspolitische Hemmnisse viel eindeutiger und ausschließlicher als noch 1947 zur kolonialen Erblast einer Vergangenheit voller imperialistischer Missetaten und von der westeuropäischen Metropole gewollten Fehlentwicklungen erklärt.322 In den Schilderungen verbinden sich diese Aspekte zu einer Generalabrechnung mit gängigen Vorurteilen des ›Westens‹, der in seiner kapitalistischen Verblendung die wahre Leistungsfähigkeit Indiens weder erkennen noch würdigen und an der Ausplünderung des Landes festhalten wolle.323 Im Gespräch mit Nehru machte die sowjetische Führung die Kolonialmächte sogar noch für falsche Vorstellungen verantwortlich, die in den Vorjahren in der sowjetischen Öffentlichkeit und Politik geherrscht hatten: »The conception of India was inculcated in them by ›colonisers of India‹«.324 Insgesamt nahmen die sowjetischen Akteure allerdings für sich in Anspruch, dass ihre solidarisch-brüderliche und nicht-rassistische Haltung und Einstellung sich sowohl im Grundsätzlichen als auch in Äußerlichkeiten vom imperialistischen Ansatz unterschieden. Diese Behauptung erwies sich in Handlungen und Darstellungen als wenig überzeugend. Deutlich wurde hier vielmehr eine Mischung aus imperialer Selbstbestätigung und imperial-missioniarischem, zivilisatorischem Sendungsbewusstsein, das angeblich weniger entwickelten Völkern mit positiven Anlagen die in Moskau als notwendig erachtete Hilfestellung gab. Die Neue Zeit fixierte diese gedachten Relationen beispielhaft: »Das Sowjet­volk freut sich über die Erfolge, die das indische Volk auf dem Weg seiner unabhängigen Entwicklung erzielt, und schätzt Indiens Beitrag zum Werk des Weltfriedens. Die Sowjetmenschen sind bereit, die Zusammenarbeit mit dem großen indischen Volk weiter auszubauen und zu festigen« – zumal das »indische Volk« »seine Sympathie und Achtung für unser Land überzeugend zum Overstreet/Windmiller, Communism, S. 326 f. 322 Vgl. Sofronov, Indijskie zapiski, in: ders., Sobranie sočinenij 5, S. 48–94, hier S. 67 f.; Koževnikov, Na beregach Ganga; Zavadskij, Poezdka, S. 31; Jakowlew, Indien heute, S. 24; Ėrenburg, Indijskie vpečatlenija, S. 33–37; Kraminov, Po Indii 1 und 2. 323 Vgl. Ėrenburg, Indijskie vpečatlenija, S. 21–26, 31 f.; Sofronov, Indijskie zapiski, in: ders., Sobranie sočinenij 5, S. 48–94, hier S. 50 f., 53 f., 57 f., 61 f.; Spandarian, Die sowjetisch-indische Wirtschaftszusammenarbeit, S. 13; Pravda, 20.11.1955, S. 2, V gostjach u graždan Deli; Chruščev vor Oberstem Sowjet, 29.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrustschow. Freundschaftsbesuch, S. 283–330, hier S. 294 f.; Izvestija, 24.11.1955, S. 3, Put’ družby; Izvestija, 10.12.1955, S. 3, Srinagarskie vpečatlenija. 324 Protokoll Gespräch Nehru mit Bulganin/Chruščev, 12.12.1955, SWJN, 2,31, S. 334–345, hier S. 334–336.

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Ausdruck gebracht« habe.325 Für die literarische Ausformung dieses Gedankengebäudes sorgte einmal mehr Tichonov. Er schilderte eine zufällige Begegnung mit indischen Bauern auf dem Land. Die Bauern fragten sowjetische Reisende, deren Auto liegen geblieben war, aus. »Sie fragten, ob es wahr sei, dass wir dem indischen Volk helfen werden, ob es wahr sei, dass sowjetische Menschen in Indien ein Hüttenwerk bauen und den Indern beibringen würden, wie man ein Hüttenarbeiter wird, ob es wahr sei, dass wir ihnen Werkbänke und Maschinen verkaufen«. Als das Auto wieder fahrbereit war, verabschiedeten die Bauern die Gesandten »mit verschmitztem Lächeln: »Wie gut, dass euer Auto kaputtging. Wenn es nicht kaputtgegangen wäre, hätten wir nicht die Möglichkeit gehabt freundschaftlich mit euch zu sprechen. Was heißt überhaupt sprechen – sowjetische Menschen sehen. Wir lieben sie schon lange, aber wir sehen sie zum ersten Mal.«326 Sowjetische Menschen wurden, so die sowjetische Deutung, mit gutem Grund geliebt, griffen sie ihrem indischen Gegenüber doch in allen Sphären des Lebens unter die Arme und verhalfen ihnen zu neuen Einsichten, Erkenntnissen, und Möglichkeiten. So predigten sowjetische Musiker während ihrer Treffen ihren indischen Kollegen die richtige Kunst von Komposition und Darbietung. Die indische Musik könne sich »über die europäischen Errungenschaften nicht hinwegsetzen« und solle sich, analog zu zentralasiatischen Schulen, daran­machen, unter Bewahrung nationaler Traditionen klassische europäische Formen anzustreben.327 Im wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich stellten sich die sowjetischen Gesprächspartner generell als allwissende und omnipotente Lehrergestalten dar.328 Bulganin und vor allem Chruščev traten quasi als oberste Entwicklungshelfer auf. Die Berichte der sowjetischen Presse über die Werksbesichtigungen Nehrus auf der einen und des sowjetischen Tandems auf der anderen Seite könnten gegensätzlicher nicht sein.329 In Madras gaben die beiden sowjetischen Politiker indischen 325 Vor dem Empfang, in: Neue Zeit (1955), Nr. 46, S. 18 f. sowie Eine machtvolle Kundgebung der sowjetisch-indischen Freundschaft, in: Neue Zeit (1955), Nr. 48, S. 1 f., hier S. 1. Vgl. Izvestija, 20.11.1955, S. 2, Likujuščij Deli; Izvestija, 29.11.1955, S. 2, Ot Bangalora do Madrasa. 326 Tichonov, Vesna Indii. Vgl. Pravda, 13.12.1955, S. 3, Volnujuščaja vstreča s indijskimi krest’janami; Degtjar’ an ZK, 24.5.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 117, l. 4–32; Andrejew, Das sind die „Pancha Shila“, S. 8; Cicin, U indijskich druzej, S. 51 f. 327 Jakowlew, Indien heute, S. 21 f. 328 Vgl. Auf dem Internationalen Forstwirtschaftskongress, S. 29; Ostrovitjanov, Poezdka, S. 67; Popow, Der Bau, S. 24; Shukow, Moskau; Bol’šakov, Iz indijskich; Aleksandrov, Po gorodam. 329 Vgl. Pravda, 21.11.1955, S. 3, V derevnem gorode Agre; Pravda, 22.11.1955, S. 3, Molodaja Indija; Izvestija, 23.11.1955, S. 3, Poezdka v Pendžab.

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Ingenieuren Tipps für den Fabrikbau.330 In Chittaranjan erklärte Chruščev dem Direktor einer Lokomotivenfabrik, dass seine Dampflokomotiven ein »veraltetes Transportmittel« seien. Daher, so der Erste Sekretär, »befassen wir uns in der Sowjetunion mit dem Umbau – wir gehen von Dampflokomotiven auf Diesel-Elektrolokomotiven über. Wir raten Ihnen das als Freunde. Der Direktor der Fabrik bedankte sich für den Rat.«331 Immer wieder luden sowjetische Besucher indische Gesprächspartner in die UdSSR ein, damit sie sich dort weitere Erfahrungen und Entwicklungen aneigneten.332 Chruščvev brillierte derweil in landwirtschaftlichen Diskussionen mit Indern, übertrumpfte in technischen Fragen amerikanische Spezialisten und ließ Nehru Ratschläge für Bauwesen und Wirtschaftspolitik zukommen.333 Bei diesen Interpretationen war es bis zur messianischen Überhöhung der sowjetischen Darstellungen, die bereits 1947 durchgebrochen war, auch 1955/1956 nicht weit. Entschwebten 1947 sowjetische Abgesandte nach ihrer Kundgebung engelsgleich in den Himmel, so war, wenn man so will, 1955 der Prophet selbst in Indien erschienen. »Zusammengerechnet kamen minütlich aus ganz Bengalen […] ungefähr 500 Menschen. Sie alle sind von einem Wunsch erfüllt – N. S. Chruščev und N. A. Bulganin zu sehen und ihnen ihre warmherzigen Gefühle auszudrücken«, ließ die Pravda die Inder zum Ersten Sekretär kommen – getrieben von Freude und Dankbarkeit, weil »in diesem entscheidenden Moment der Geschichte des indischen Volks neben ihm ein anderes mächtiges Volk steht, das bereit ist, ihm die notwendige Unterstützung zu gewähren.«334 Intern gaben sich zumindest manche Wirtschaftsexperten weitaus pragmatischer. Vertreter des Ministeriums für den Bau von Unternehmen der Schwer- und Chemischen Industrie plädierten mit Blick auf gemeinsame Großprojekte dafür, »den Indern so schnell wie möglich Arbeit zu geben; bei all ihrer Unorganisiertheit kann man aus ihnen viel herauspressen«.335 330 Vgl. Pravda, 29.11.1955, S. 3, Sovetskie gosti v Indii. 331 Pravda, 9.12.1955, S. 3, U kolybeli indijskoj tjaželoj promyšlennosti. 332 Vgl. Izvestija, 25.11.1955, S. 1, Prebyvanie N. A. Bulganina i N. S. Chruščeva v Bombee. 333 Vgl. Pravda, 13.12.1955, S. 3, Volnujuščaja vstreča s indijskimi krest’janami; Protokoll Gespräch Nehru mit Bulganin/Chruščev, 12.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 334–345, hier S. 334– 336; Pravda, 23.11.1955, S. 3, V strane pjati rek; Pravda, 27.11.1955, S. 2, Vstreči v indijskom gorode Bangalore; Chruščev vor ZK-Präsidium, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 72–75, hier S. 73. 334 Pravda, 1.12.1955, S. 2, Nezabyvaemyj den’ v Kal’kutte sowie Pravda, 30.11.1955, S. 2, Neodolimaja sila. Vgl. Izvestija, 30.11.1955, S. 3, Grandioznaja vstreča v Kal’kutte. 335 Chefingenieur Bhilai, Kratenko, an MVT, Goldin, 23.11.1955, RGAĖ, f. 8593, op. 2, d. 2138, ll. 157 ff.

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Im Fazit trat 1955/56 in den Begegnungen der Kontrast zwischen den jeweiligen Ausgangspositionen, Wahrnehmungs- und Interpretationsmustern deutlich zu Tage. Selbst- und Fremdwahrnehmungen und -deutungen der Akteure blieben weiterhin Vorstellungen von nationaler Selbstbestimmung bzw. imperialer Mission verhaftet. Indische und sowjetische Zugänge fanden nur in bildreichen Repräsentationen der persönlichen Nähe der Regierungschefs oder einer nicht näher ausformulierten Freundschaft zwischen den Völkern von Staaten mit unterschiedlichen Systemen zusammen. Im Vergleich zu 1947 waren 1955 Selbstbewusstsein und Zukunftsoptimismus auf beiden Seiten ausgeprägter. Eine Ausweitung der bilateralen Kontakte stellte für Moskau wie für Delhi eine realistische Perspektive dar, in der man sich zutraute, Konflikte, die in den unterschiedlichen Ausgangspositionen und Sichtweisen angelegt waren, ausbalancieren, beherrschen und letztlich gewinnen zu können.

4.3. Politik: Diplomatie und Parteibeziehungen In der Politik ging es damit um die Herausforderung, die nicht unbedingt kompatiblen Erwartungen, die in Bezug auf die bilateralen Beziehungen gehegt wurden, auf Dauer, wenn nicht zusammenzubringen, so doch zusammenzuhalten. Diese Aufgabe wurde durch die anhaltende Dynamik der innenpolitischen und internationalen Entwicklungen noch erschwert.336 Bis Mitte der 1950er-Jahre hatten sich in Indien die politische Landschaft und Staatsstruktur oberflächlich gefestigt. Positive Ergebnisse des ersten Fünfjahresplans ließen die Führung auf eine stetige Fortentwicklung entlang der anvisierten Linien hoffen. Bald jedoch sah sich die von oben gewollte und mit spezifischem Inhalt versehene nationale Kohärenz neuen Angriffen und Belastungen ausgesetzt, sei es durch Schwierigkeiten bei der Umsetzung der eigenen Wirtschaftspolitik, sei es durch immer wieder aufflammende ethnisch-sprachliche und soziale Spannungen. Die Probleme in einzelnen zentralen Feldern des indischen Nationalgefüges verstärkten sich wechselseitig. Vor diesem Hintergrund gewannen politische Positionen rechts und links der Kongress-Mitte an Profil, Aggressivität und Attraktivität. Mit Blick auf den nationalen Entwicklungsweg artikulierten sich die verschiedenen Einstellungen unter anderem 336 Vgl. neben Kap. 3.3., Anm. 347, Taubman, Khrushchev; Fursenko/Naftali, Khrushchev’s cold war; Lüthi, The Sino-Soviet split; Friedman, Shadow Cold War; Aksjutin, Chruščevskaja ottepel’.

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in Auseinandersetzungen um das socialistic pattern der indischen Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung, das Kongress und Regierung ausgerufen hatten. Die Diskussionen um Definition und Ausformung dieses Musters legten eine verblüffende Vielfalt von Möglichkeiten offen, den Begriff ›Sozialismus‹ zu interpretieren. Wie früher, so verbanden sich diese Streitigkeiten auch in den 1950erund 1960er-Jahren mit der Einstellung gegenüber internationalen Anregungen und Konstellationen. Dabei blieben konkurrierende externe Modellangebote mit direkten außenpolitischen Herausforderungen verwoben, wie das schwierige Verhältnis Indiens zu Pakistan mit seinen amerikanischen und britischen Bündnispartnern auf der einen und zu China auf der anderen Seite zeigte. Derweil arbeiteten indische Vertreter weiterhin daran, ihre Überzeugung von indischer und ›asiatischer‹ Qualität, Eigenwertigkeit und Selbständigkeit auf globaler Bühne umzusetzen und der Welt insbesondere mit den ›Fünf Prinzipien‹ bessere Methoden und Ziele internationaler Beziehungen nahezubringen. Die regionale und internationale Umwelt, in die das indische Nationalprojekt eingebettet war, blieb in keiner Weise statisch. Dies erforderte ständig neue Austarierungen der indischen Asien-, Friedens-, Unabhängigkeits- und antikolonialen Politik. Hierbei ging mitunter bereits Zeitgenossen der Überblick verloren, wenn es galt, in den eigenen Aktivitäten hinter aktuellen Akzentsetzungen noch die langfristigen Ziele zu erkennen. Nehru traute sich das Jonglieren mit vielen Bällen jedoch zu.337 Geraume Zeit betrachtete Delhi eine enge Verbindung zu China und ihre Verknüpfung mit einer asiatisch-afrikanischen Solidargemeinschaft als erfolgreiches Mittel zur Realisierung eigener internationaler Konzepte. In diesen Gesamtzugang, so die Erwartung, ließe sich auch die – destalinisierte – UdSSR integrieren. Die UdSSR gewann auch deshalb an Attraktivität, da die amerikanische Asienpolitik gerade ab Mitte der 1950er-Jahre in Delhi sehr kritisch gesehen wurde. Aus indischer Sicht waren Washingtoner Aktivitäten nur dazu angetan, die globale Kriegsgefahr zu erhöhen, die asiatische Selbständigkeit zu unterminieren und den pakistanischen Gegner aufzurüsten. Ab Ende der 1950er-Jahre gingen tiefe Verwerfungen im indisch-chinesischen Verhältnis mit neuen Bemühungen der UdSSR, der USA und Großbritanniens um Indien sowie einer Zuspitzung des indisch-pakistanischen Antagonismus einher. Vor diesem Hintergrund stellte sich der indischen Außenpolitik die Frage mit neuer Schärfe, ob das komplizierte Spiel auf lange Sicht beherrschbar war, und, grundsätzlicher,

337 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 14.10.1958, SWJN 2, Vol. 44, S. 639–641.

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ob es überhaupt auf belastbaren Prämissen aufgebaut war. Diese Diskussionsund Anpassungsprozesse durchzogen die indische Politik in den 1960er-Jahren. In all diesen Phasen erwies sich die CPI nach wie vor als die linke Kraft mit den entschiedensten Gegenpositionen. Ohne dass man Eigenständigkeiten gänzlich über Bord werfen wollte, setzten Teile der Partei unverdrossen auf sowjetische Argumentationshilfen. Die CPI war allerdings Auswirkungen nationaler wie internationaler Verwerfungen ausgesetzt. Der Belastung hielt die Partei auf Dauer nicht stand. In Teilen des Landes bewahrten sich indische Kommunisten nach der Spaltung durchaus ihren Einfluss. Insgesamt trug die Multipolarität des indischen Kommunismus zur weiteren Auffächerung und Verschärfung der innerindischen Diskussionen bei. Aus sowjetischer Sicht stellten die gemäßigteren Kräfte in der (Rest-)CPI die verlässlichsten Ansprechpartner in Indien dar. Ihr konkreter Stellenwert in den Gesamtbeziehungen war angesichts der Wechselwirkung zwischen Parteiverbindungen und diplomatischen Kontakten der UdSSR ständig Neubestimmungen unterworfen. Die grundlegende Festlegung der sowjetischen Führung auf das internationale Konzept der friedlichen Koexistenz erfolgte Mitte der 1950er erst nach heftigem Meinungsstreit. Im Kontext der internationalen Auflockerungsübungen umwarb die sowjetische Außenpolitik bewusst Staaten der Dritten Welt, die sich dem Wettkampf der Systeme eigentlich entziehen wollten. Angesichts der prominenten Stellung Indiens lag es nahe, dass Moskau sich insbesondere um Delhi bemühte. Der zwischenstaatliche Zugang ließ je nach Einschätzung der globalen Großwetterlage und der indischen Situation auf bilateraler und multilateraler Ebene genügend Spielraum für Dissens und Offensive. Im sowjetischen Verständnis entschied immer das sozialistische Potential der laufenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Prozesse in Indien mit darüber, ob die Regierung in Delhi adäquater erster Ansprechpartner des Kremls sein konnte – und aus theoretischer Sicht auch sein durfte. Diese Einschätzungen wiederum ließen sich nicht von der internationalen Gesamtkonstellation sowie der indischen internationalen Positionierung trennen. Die sowjetische Frontstellung gegenüber dem imperialistischen ›Westen‹ blieb grundsätzlich bestehen, die Auseinandersetzung der Systeme war global zu führen. Hierbei erwies sich die Strategie der friedlichen Koexistenz zwar als im Kern alternativlos. Ambitionierte Eigeninteressen neuer Staaten, Konkurrenzen innerhalb des sozialistischen Lagers, das hohe Konfliktpotential regionaler Krisenherde und das rigide Nullsummendenken der Supermächte erzeugten jedoch eine internationale Dynamik mit hochkomplexen Interdependenzen. Sie führten in Verbund mit sowjetischen Führungsstrukturen und -persönlichkeiten dazu, dass eine stringente Umsetzung der ›friedlichen

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Koexistenz‹ nicht wirklich gelang. Die sowjetische Führung sah sich spätestens ab Ende der 1950er-Jahre mit der mit Moskauer Gewissheiten kaum zu erklärenden, noch viel weniger zu kontrollierenden oder zu steuernden Vielfalt, Vehemenz und Wandelfähigkeit anderer internationaler Modelle und Agenden konfrontiert, in die sie ihre Beziehungen zu Delhi einfügen musste. Die globale Systemkonkurrenz wie innersozialistische Brüche oder regionale Konflikte konnten jederzeit einen Schatten auf die bilateralen Beziehungen werfen. Dagegen war auch eine Entspannung im Kalten Krieg nicht in der Lage, grundlegende Widersprüche zwischen nationalem Unabhängigkeitsstreben und imperialem Ausgreifen aufzulösen. 4.3.1. 1955 bis 1956: Wandel und Kontinuitäten Die Staatsbesuche von 1955 signalisierten, dass sich der Schwerpunkt der politischen sowjetischen Beziehungen zu Indien weg von der Partei- und hin auf die zwischenstaatliche Schiene verlagert hatte. Zugleich führten sie vor Augen, dass sich bei aller Betonung gemeinsamer politischer Ziele Delhis und Moskaus Zugänge zu Global- und Regionalproblemen im Detail und im Grundsatz unterschieden: Die Differenzen betrafen regionalpolitische Prioritätensetzungen, den Umgang mit den Vereinigten Staaten, darüber hinaus die generelle Einschätzung von indischen, sowjetischen und internationalen Prozessen sowie Grenzen und Möglichkeiten einer indisch-sowjetischen Kooperation. Im Vorfeld der Besuche von 1955 ließ die Moskauer Führung in einer Arbeitskommission das MID und Botschafter Men’šikov, das MVT sowie Kultur- und Propagandaapparate breitgefächerte Gesprächsagenden sowie entsprechende, potentiell weitreichende Absprachen vorbereiten. Die sowjetischen Themenlisten zielten darauf ab, vermeintliche und tatsächliche internationale Gemeinsamkeiten der beiden Staaten in der Friedens-, Abrüstungs- und allgemeinen Entspannungspolitik herauszustellen und Felder wirtschaftlicher Zusammenarbeit einschließlich erster Rüstungshilfen abzustecken. Auf der Ebene der Asien- und Südasienpolitik sprachen sich die sowjetischen Diplomaten dafür aus, der UdSSR auf dem Umweg über zentralasiatisch-indische Verbindungen mehr Gewicht im Kreis der afro-asiatischen Staaten und Bewegungen zu verschaffen.338 Dabei wollte es das MID vermeiden, sich in die Zwistigkeiten der 338 Vgl. MID, Arbeitsmaterialien und Entwurf Gesprächsführung, Mai/Juni sowie Oktober/November 1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 18, ll. 37 ff. sowie d. 14, ll. 52 ff. und d. 17, ll. 26 ff., 67 ff.; Ausarbeitungen KI für Chruščev über die indische Außenpolitik, über chinesisch-indische Beziehungen und Führungspersönlichkeiten Indiens, 12.11.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 120, ll. 136–145 sowie d. 345, ll. 77 ff., 117 ff.

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neuen Staaten untereinander verwickeln zu lassen. Das Argument hierfür lautete bezeichenderweise, dass derartige Konflikte nur die antiimperialistische Schlagkraft der Gesamtbewegung schwächten. Im Fall des indisch-pakistanischen Streits um Kashmir kam hinzu, dass die Moskauer Diplomaten verstärktes Engagement der USA oder Großbritanniens in der Nähe sowjetischer Grenzen befürchteten. Daher sprachen sie sich auch gegen einen Besuch der sowjetischen Regierungsdelegation in Kashmir aus.339 Die in bilateraler Hinsicht insgesamt wenig offensive Planung entsprach zum einen dem Umstand, dass sich die sowjetische Politik im Laufe des Jahres 1955 erst noch über die Bewertung indischer Pozesse einig werden musste. Aus MID- und ZK-Apparaten ließen sich durchaus kritische Stimmen zur indischen Außen- und Innenpolitik vernehmen.340 Bedeutsamer waren jedoch gravierende Meinungsunterschiede, die im Führungszirkel über Grundlagen und Zielrichtungen der internationalen Beziehungen der UdSSR schlechthin herrschten. Diese traten auf dem Juli-Plenum des ZK deutlich hervor. Die Versammlung widmete sich im Kern den sowjetisch-jugoslawischen Beziehungen. Von dort war es allerdings nur ein kleiner Schritt zu Grundsatzfragen der sowjetischen Politik gegenüber »neutralen« respektive »blockfreien« Staaten.341 In den multiplen Kontexten von außenpolitischer Strategie und innenpolitischen Machtkämpfen beklagte zu diesem Zeitpunkt selbst ein Kaganovič die angebliche Passivität von Molotovs MID.342 Suslov wendete die Kritik ins Grundsätzliche. Er machte indes deutlich, dass eine aktivere internationale Präsenz keine grundsätzliche Absage an ein unversöhnliches Lagerdenken à la Stalin bedeuten musste. Man dürfe bei allem Vertrauen in die eigene Stärke die Machtmittel der »Imperialisten, die sich auf den Krieg vorbereiten«, keinesfalls unterschätzen. Im aktuellen 339 Vgl. Entwurf MID für ZK, November 1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 18, l. 4; Chruščev, Vremja 3, S. 330 f. 340 Vgl. Information zur Situation Indiens, 1955, o. D., RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 218 ff., hier ll. 227 f.; Aufzeichnung Gespräch Molotov mit indischem Chargé d’Affaires Kaul, 21.2.1955, AVP, f. 6, op. 14a, papka 45, d. 198, ll. 18–27; Vermerk Volkov, 25.5.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 128–132, hier l. 130; Vermerk Degtjar’, 9.6.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 19, ll. 82 ff. 341 Der Gesamtzusammenhang war auch dadurch gegeben, dass Tito im Mai/Juni 1955 Chruščev auf die Notwendigkeit hingewiesen hatte, die sowjetische Politik gegenüber Südasien zu überdenken, vgl. Rajak, No bargaining chips, S. 176. Vgl. Vermerk Leiter MID-Abteilung Naher und Mittlerer Osten, Zajcev, über Reise Šepilovs nach Ägpyten, 18.7.1955, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 1, S. 303–306; Sitzung ZK-Präsidium, 16.11.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 63; Taubman, Khrushchev, S. 266–269; Zubok, A failed empire, S. 97– 112. 342 Kaganovič auf ZK-Plenum, 11.7.1955, RGANI, f. 2, op. 1, d. 180, hier S. 345.

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Kampfgeschehen nehme daher, so der Ideologe, die Gewinnung von »Alliierten einen besonders wichtigen Platz ein«. Suslov sah hier entsprechende Bemühungen insbesondere der »amerikanischen Imperialisten«, Länder »wie Jugoslawien, Indien, Burma, Indonesien, Japan und andere in ihren Block zu ziehen.« Als Gegenmittel empfahl er, antiimperialistische und sozialistische Gegenkräfte auf jede erdenkliche Weise zu stärken. Dabei könne Moskau sich einerseits der inneren Widersprüche der kapitalistischen Staatenallianz, andererseits »alle[r] möglichen Verbündete[r]« bedienen, einschließlich solcher Gruppen, die man langfristig als unzuverlässig erachtete.343 Auch andere Spitzenpolitiker, die auf die Vereinnahmung indischer internationaler Positionen setzten, mochten der dezidierten Blockfreiheit indischer Prägung nichts abgewinnen: Man könne, wies Bulganin den indischen Botschafter noch im Frühling 1955 zurecht, sich aus internationalen Konflikten einfach nicht heraushalten.344 Vor diesem Hintergrund erhielt die sowjetische Debatte über indische Entwicklungsperspektiven zusätzliche Brisanz. Nach wie vor galt das sowjetische Dogma, dass die außenpolitische Orientierung durch die innere Ordnung wesentlich mitentschieden wurde. Hier herrschte im Moskau von 1955 ebenfalls kein Konsens. Sowjetische Nachrichtendienste, Diplomatie und ZK-Funktionäre bewerteten die Bilanz des INC sehr kritisch. Sie zweifelten an Delhis regierungsamtlichen Bekenntnissen zum Aufbau einer selbstgestrickten sozialistischen Gesellschaft. Gerade Molotovs MID ging zu dieser Zeit noch davon aus, dass die Regierung Nehru »einem bedeutenden Teil der indischen Großbourgeoisie« nahestand. Daher disqualifizierte dieser Apparat Nehrus sozialistisches Vokabular als bloßes Wortgeklingel ab.345 Chruščev und seine Vertrauten forderten dagegen, die Dritte Welt genauer, differenzierter zu bewerten. Sie betonten Aspekte, die Indien in ihren Augen positiv von anderen jungen Staaten unterschied. Mikojan, Chruščevs wirtschaftspolitischer Experte und Mitstreiter, entdeckte in dieser Hinsicht wichtige Pluspunkte. Das Land befinde sich im »Prozess der Liquidierung der feudalen Ordnung und der damit verbundenen Teilung in Kasten«. Die Agrarreform, obzwar weniger radikal als »eine, die 343 Suslov auf ZK-Plenum, 11.7.1955, RGANI, f. 2, op. 1, d. 180, hier S. 329. 344 Protokoll Gespräch Bulganin mit K. P. S. Menon, 8.4.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 116, ll. 38 ff., hier ll. 46 f. 345 Vgl. Vermerk Volkov, 25.5.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 128–132, hier ll. 128 f.; Protokoll Gespräch Bulganin mit K. P. S. Menon, 8.4.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 116, ll. 38–48, hier l. 39; Solodovnik an Chruščev u. a., 4.6.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 98 ff., u. a. ll. 105 f.; ZK, Information zur Situation Indiens, 1955, o. D., RGANI, f. 5, op. 28, d. 344, ll. 218 ff., u. a. ll. 228–231, 237 f.; Menon, The flying troika, S. 91; Orestov, Sem’ let, S. 255–261.

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durchgeführt wird, wenn die Arbeiterklasse an der Macht ist«, sei ein wichtiger Schritt voran. Zudem beachte die indische Führung »elementare demokratische Normen, was man nicht über den Iran oder über Pakistan sagen kann«. Dies bedeutete, dass musste man in diesem Kreis nicht eigens erklären, dass die Volksmassen entsprechenden Einfluss auf die indischen Entwicklungen nehmen könnten. Die indische Fokussierung auf den Aufbau einer staatlichen Schwerindustrie schließlich galt der Gruppe um Chruščev als Beleg dafür, dass die Nehru-Regierung eben nicht »von den Interessen der Großbourgeoisie und der Gutsbesitzer bestimmt« werde, sondern die versprochenen sozialistischen Umformungen ernsthaft betreibe.346 Der impulsive Chruščev preschte in der Debatte noch weiter vor. »Seht, Nehru kam und sagt: ›Wir sind ein sozialistischer Staat‹, U Nu sagt, dass sie auch den Sozialismus aufbauen. Indonesien baut auch den Sozialismus auf. Nasser, den wir eingeladen haben, ist auch für den Sozialismus. Genossen«, so der Erste Sekretär siegessicher, »Ihr seht, was das bedeutet. Das zeugt davon, dass der Sozialismus begonnen hat, den Geist der Menschheit zu erobern.«347 Die sowjetische Gesprächsführung in den bilateralen Spitzentreffen 1955 war weniger überschwänglich. Hier lag das besondere Augenmerk zunächst auf globalen Themen wie Abrüstungsinitiativen der UdSSR und Entspannungsaussichten vor dem Genfer Gipfel, daneben auf allgemeinen Fragen asiatischer Prozesse und indisch-sowjetischer Wirtschaftsbeziehungen.348 Zum Schluss der Debatten zog zumindest Nehru für die verschachtelte indische Außenpolitik ein positives Fazit. Für ihn hatte sich die Politik des non-alignment als tragfähig erwiesen. Indien könne nun auf noch breiterer Basis an einer internationalen Friedenspolitik mitwirken, zumal die sowjetische Anerkennung indischer Ziele und Motive den Kurs gegen amerikanische und britische Anfeindungen stärke.349 Im Unterschied zur UdSSR ging Delhi indes davon aus, Washington und London trotz der aktuellen Spannungen und Abirrungen durch friedliches Miteinander auf der Basis der ›Fünf Prinzipien‹ und stete Überzeugungsarbeit 346 Mikojan auf ZK-Plenum, 9.7.1955, RGANI, f. 2, op. 1, d. 180, hier S. 306. 347 Chruščev auf Parteiversammlung Werk Nr. 23, 11.8.1955, in: Tomilina (Hg.), Nikita Sergeevič Chruščev 1, S. 549–556, hier S. 556. U Nu war u. a. 1948–1956, 1957–1957, 1960–1962 Premier von Burma. 348 Vgl. indisch-sowjetisches Kommuniqué, 23.6. und 13.12.1955, in: Prasad, Indo-Soviet relations, S. 103–106, 116–120; Protokoll Gespräch Nehru mit Molotov, 8.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 201–206. 349 Vgl. Vermerk Nehru, 20.12.1955, S. 1 f., NMML, Subimal Dutt Papers, 17; Nehru an V. L. Pandit, 2.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 324 f.; Nehru an Lady Mountbatten, 5.12.1955, ebd., S. 331– 334, hier S. 333.

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ins globale Boot von Friedens- und Fortschrittspolitik zu holen. Nehru setzte auf die Gemeinsamkeiten der Völker in einer Welt des segensreichen wissenschaftlich-technologischen Fortschritts, nicht auf die Gesetzmäßigkeiten des Klassenkampfs.350 Dabei würde sich Indien, so das Gesamtkalkül weiter, dank der Kooperation mit der UdSSR mit gutem Erfolg um die Einbindung Chinas bemühen können, das sich aktuell durch die amerikanischen Manöver in Asien besonders herausgefordert fühlen musste.351 Nehru blieb von der besonderen Rolle Asiens und schwächerer Staaten für eine eigenständige konstruktive Friedenspolitik überzeugt. Sie beinhaltete notwendigerweise mehr als die Überwindung der Blockgrenzen des Kalten Kriegs.352 Daher entzog sich Nehru 1955 auch den Versuchen, sich und seine Politik einseitig für Positionen und Taktiken der UdSSR vereinnahmen zu lassen. Eine besondere Qualität oder Nähe im Dreieck von UdSSR, China und Indien wollte der Premier nicht erkennen. Die auf den Gipfeln von der sowjetischen Spitze lancierte Idee einer Sechs-Mächte-Konferenz über den Fernen Osten mit indischer Teilnahme hielt Nehru für verfrüht. Indiens Chefdiplomat zog es vielmehr vor, auf die Wirksamkeit potentieller Gemeinsamkeiten Delhis mit Belgrad, Kairos und Damaskus und auf die indische Vorbild- und Unterstützungsfunktion gerade in Afrika zu setzen. Schließlich vertagte der indische Premier Anregungen Moskaus, sich um einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu bemühen, auf unbestimmte Zeit.353 Die Stärkung der Weltorganisation blieb jedoch ein Kernpunkt der Nehru’schen Gesamtkonzeption. Erfreut nahm er die Zusage des Kremls zur Kenntnis, die Warteschlange neuer Staaten, die auf Aufnahme in die UN harrten, abzubauen. Für den indischen Regierungschef änderte sich

350 Vgl. Vermerk Nehru über Reise in UdSSR, 19.7.1955/1.8.1955, Teil 1, S. 4, 9, 11 f., Teil 2, S. 4, 9, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; Rede Nehru Moskau 20.11.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 301–303, hier S. 302; Rede Nehru bei Eröffnung Jugendfestival Delhi, 23.10.1955, SWJN, 2,30, S. 96– 107, hier S. 105; Nehru vor stellv. Generalinspekteuren Polizei, Delhi, 13.3.1956, SWJN, 2,32, S. 489–498, hier S. 492–494. 351 Vgl. Nehru auf Botschafterkonferenz, 28.–30.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 242–257, hier S. 242, 244, 248, 257; Protokoll Gespräch Nehru mit Bulganin, 8.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, hier S. 208 f.; Nehru an Foreign Secretary, 17.7.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 316 f. 352 Vgl. Nehru auf Botschafterkonferenz, 24.3.–13.4.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 408–473, hier S. 413 f.; Nehru an Chief Ministers, 26.8.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 441–445, hier S. 442; Protokolle Gespräche Nehru mit Bulganin und mit sowjetischer Führung, 8. und 21.6.1955, ebd., hier S. 207, 222. 353 Vgl. neben Anm. 349–352 Nehru an Foreign Secretary, 31.8.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 344 f.; Nehru an Tito, 23.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 418–420; Harder, Not at the cost, S. 3–5.

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hierdurch endlich der Charakter der UN, wurde die schädliche »Dominanz einiger weniger Großmächte« erschüttert.354 Daneben standen an konkreten Schritten für Nehru 1955 allgemeine Abrüstungsanstrengungen im Vordergrund. Die Teilung Europas und die sowjetische Einflusssphäre waren zum Wohle des Weltfriedens, so die Außensicht aus Indien, erst einmal hinzunehmen.355 Unter den allgemeinen Prämissen war es für die indische Politk jedoch unstrittig, dass die existierenden Paktsysteme die Gesamtsituation nur unnötig verschärften.356 Im Kern lag der Fokus aller indischer Überlegungen auf Vorgängen in Korea, Taiwan und Indochina. Asien, so die Überzeugung, war aktuell die »gefährlichste« Weltregion.357 Daher wollte Delhi die zügige Umsetzung der Beschlüsse zu Indochina sowie die Übergabe der Inseln Quemoy und Matsu an China sehen. Das waren Maßnahmen, die über die Stärkung der asiatischen Nationen hinaus die hergebrachten ›asiatisch‹-‚europäischen‘ Spannungen lockern würden. In diesem Gesamtvorhaben erschienen aus Sicht Delhis wiederum weitere bilaterale Annäherungen an die UdSSR möglich und wünschenswert.358 Die sowjetische Konzeption der Weltpolitik 1955 unterschied sich bereits in ihren Grundannahmen erheblich von der indischen Herangehensweise. Der Kreml blieb, spiegelbildlich zu den USA, vollständig der kämpferischen Nullsummenlogik des Kalten Kriegs verhaftet. Dies machte die sowjetische Führung Nehru unmissverständlich klar. »The Soviet leaders knew the Western Powers. If the Soviet Union would not hit back with words, they would next attack their throats.«359 Die UdSSR beließ es in dieser Gesamtsituation bewusst nicht bei Worten. Der jüngste Test einer Wasserstoffbombe sei zur Abschreckung unumgänglich gewesen.360 Die sowjetische Aufrüstung Ägyptens sei gleichfalls defensiv motiviert und sichere den Frieden, während unqualifizierte Forderungen 354 Nehru an Chief Ministers, 30.12.1955, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 4, S. 326–333, hier S. 326 f. Vgl. Gaiduk, Divied together, S. 210–215. 355 Vgl. Interview Nehru mit NZZ, publ. 24.1.1956, SWJN 2, Vol. 31, S. 421–423, hier S. 422. 356 Vgl. Nehru auf Botschafterkonferenz, 28.–30.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 242–257, hier S. 257. 357 Vermerk Nehru über Reise in UdSSR, 1.8.1955, Teil 2, S. 5, 8, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. 358 Vgl. Vermerk Nehru, 20.12.1955, S. 2 f., NMML, Subimal Dutt Papers, 17; Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1955, 15.2.1956, S. 11, 13, NAI, R & I 3(30); Thakur, Peacekeeping, S. 58–72. 359 Protokoll Gespräch Nehru mit Chruščev/Bulganin, 13.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 345–353, hier S. 352 f. Vgl. weitere Gesprächsprotokolle der Besuche in SWJN 2, Vol. 29, S. 201–224, AVP, f. 6, op. 14a, papka 45, d. 198, l. 40 ff., RGANI, f. 5, op. 30, d. 116, l. 73–84 sowie NMML, Subimal Dutt Papers, 17; Nehru an Krishna Menon, 25.11.1955, SWJN 2, Vol. 31, ebd., S. 310 f. 360 Vgl. Rede Chruščev, 26.11.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrutschow. Freundschaftsbesuch, S. 85–94, hier S. 93 f.

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nach einer »friedlichen Lösung« der Taiwan-Frage »objektiv« nur die US-Position unterstützten.361 Angesichts derart grundlegender Differenzen lag es nahe, dass sowjetische Beobachter mit Argusaugen nach vermeintlichen Schwankungen der indischen Außenpolitik suchten.362 Auf der anderen Seite bemühten sich die sowjetischen Spitzenkräfte, wo möglich, das heißt, wenn mit eigenen Vorstellungen kompatibel, indische Positionen aufzugreifen. Moskau konnte beispielsweise mit der erwähnten Zulassung neuer Mitglieder in die UN nur gewinnen, erhöhte sich doch der sozialistische Anteil in der Organisation. Außerdem machten Größe und Zusammensetzung der Weltversammlung es den USA von nun an schwieriger, erklärte Mikojan unverblümt, dort eigene Mehrheiten zu organisieren.363 Mit einer zurückhaltenden Indochina-Politik sowie mit der Kritik am Bagdadpakt rannte Moskau in Indien offene Türen ein.364 Darüber hinaus entschieden sich Chruščev und Bulganin auf Drängen des Sadr-e-Riyasat (Präsidenten) von Kashmir, Karan Singh, und gegen den früheren Rat ihrer Fachleute kurzfristig zu einem symbolträchtigen Abstecher nach Kashmir.365 Dies sowie proindische Äußerungen der sowjetischen Gäste in der Kashmir- und Goafrage nahm man in Delhi positiv auf.366 Die Festlegungen fielen der Moskauer Führung angesichts des amerikanischen Verständnisses für die Kolonialmacht Portugal und 361 Protokoll Gespräch Nehru mit Chruščev/Bulganin, 21.11.1955, S. 7, NMML, Subimal Dutt Papers, 17. Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Chruščev/Bulganin, 13.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 345–353, hier S. 348 f. 362 Vgl. Solodovnik an Chruščev, 12.11.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, ll. 77–116, hier l. 82. 363 Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Mikojan, 26.3.1956, NMML, Subimal Dutt Papers, 19; Beschlüsse ZK-Präsidium, 6.–7. und 11.11.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 107 mit Anm. 7 (S. 919). Aus der westlich-östlichen Paketlösung fielen letztlich die Mongolei, gegen deren Aufnahme Taiwan opponierte, und Japan heraus. 364 Vgl. Bulganin vor indischem Parlament, 21.11.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrutschow. Freundschaftsbesuch, S. 21–34, hier S. 30; Rede Bulganin, Madras, 28.11.1955, ebd., S. 98–102, hier S. 99 f.; Gaiduk, Confronting Vietnam, S. 66 f., 70–80; Thakur, Peacekeeping, S. 58–72, 98 f., 134 f., 144–177. 365 Der unabhängig von seiner Position global interessierte Präsident Kashmirs hatte bereits im Sommer Nehru nach Moskau begleiten wollen, musste sich aber der Weigerung Delhis beugen, vgl. Singh, Sadar-i-Riyasat, S. 17–19; Singh, Autobiography, S. 181 f. 366 Nach Chruščev, Vremja 3, S. 333 f. waren die Reden zu Kashmir mit Indira Gandhi besprochen worden. Vgl. zu Inhalt und Aufnahme u. a. Reden Bulganin, Madras, 28.11.1955, sowie Chruščev, Calcutta, 30.11.1955, und Kashmir, 10.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrutschow. Freundschaftsbesuch, 98–102, 105–110 und 117–126, hier S. 99, 106, 121–123; Rede Nehru Agra, zit. nach britischer geschäftsführender Hochkommissar Delhi an CRO, 4.1.1956, NAK, FO 371/123587; Nehru an V. L. Pandit, 5.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 328–330, hier S. 330; Nehru an Lady Mountbatten, 5.12.1955, ebd., S. 331–334, hier S. 332.

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vor allem wegen der klaren antisowjetischen Linie Pakistans sehr leicht, auch wenn der Kreml Karachi nicht endgültig abschreiben wollte.367 Letztlich betonten die indisch-sowjetische Erklärung von Juni und das Abschlussdokument von Dezember 1955 generelle Gemeinsamkeiten der beiden Staaten. Dazu gehörte die Verpflichtung auf die ›Fünf Prinzipien‹ als eigenem Ausdruck der friedlichen Koexistenz. Inwiefern die Interpretationen kompatibel waren, war der weiteren Praxis überlassen.368 Das sowjetische Verhältnis zur CPI ließ sich als erste Probe aufs Exempel ansehen. Während der Besuche wurde deutlich, dass Grundauffassungen sowjetischer internationaler Politik selbst dann Spannungen aufbauten, wenn sich der Kreml betont nicht in innere Angelegenheiten des Partnerlands einmischte. Die Kominform stellte im Vorfeld von Chruščevs und Bulganins Reise sogar die Publikation eines Artikels Ghoshs zurück.369 In Diskussionen über Rolle und Bedeutung der kommunistischen Partei in Indien unterstrichen Bulganin und Chruščev deren Unabhängigkeit von Moskau. Sie legten Wert darauf, dass sie weder für gute noch schlechte Handlungen der CPI verantwortlich gemacht werden könnten, existiere die Partei doch aufgrund der gegebenen indischen Bedingungen. Zugleich bekannte die sowjetische Führung, dass auch Indien zwangsläufig der Anziehungskraft und den Wirkungsgesetzen einer transnationalen kommunistischen Bewegung ausgesetzt sei. Es sei nur selbstverständlich, dass die CPI aus sowjetischen Erfahrungen lerne, um ihren Einfluss in Indien zu verstärken.370 Der Glaube an die Macht sozialistischer Ideen lag auch dem Optimismus zugrunde, mit dem die sowjetischen Spitzen und insbesondere Chruščev nach der Rückkehr aus Indien auf die Zukunft der bilateralen Verbindungen blickten. Lichte Perspektiven hinsichtlich der indisch-sowjetischen Kooperation für die »Erweiterung« und den »Zusammenschluss der Front der friedliebenden Staaten« im »Kampf für die weitere Minderung der internationalen Spannungen« erschienen hier nur als ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer langfristi-

367 Vgl. Rede Bulganin auf Empfang Srinagar, 10.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrutschow. Freundschaftsbesuch, S. 117–126, hier 124–126; Bulganin vor Oberstem Sowjet, 29.12.1955, ebd., S. 248–282, hier S. 276 f. 368 Vgl. indisch-sowjetische Kommuniqués, 22.6. und 13.12.1955, in: Prasad, Indo-Soviet relations, S. 103–106, 116–120. 369 Vgl. Vorlage für ZK-Präsidium, 27.1.1956, mit Verweis auf ZK-Beschluss, 5.11.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, l. 1. 370 Vgl. Gespräch Nehru mit Chruščev/Bulganin, 12.12.1955, SWJN 2, Vol. 31, S. 334–345, hier S. 342–345.

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gen Globalentwicklung zugunsten des sozialistischen Lagers.371 Der Sozialismus werde, so bekräftigte Chruščev enthusiastisch vor dem Obersten Sowjet, unbedingt siegen.372 Dass Indien erst noch in den Anfängen des Prozesses steckte, war dem Chefstrategen im Kreml wohl bewusst. Allerdings stand für ihn ebenso außer Frage, dass sich die indische Gesellschaft in den globalen Marsch zum Sozialismus einreihen würde. Indien durchlaufe »etwas Ähnliches wie die ›Kerenskij-Zeit‹«, berichtete der Erste Sekretär im ZK-Präsidium. Indem Chrusščev die indischen Entwicklungen in Anlehnung an die Periode der unentschiedenen Doppelherrschaft zwischen Februar- und Oktoberrevolution 1917 interpretierte, passte er das Gesehene in den eigenen Erfahrungshaushalt ein, »Es wird einen scharfen Kampf geben«, dachte Chruščev konsequent weiter, und die »kommunistische Partei wird wachsen.«373 Noch im Rückblick sinnierte Chruščev über die Chancen, wonach das »Leben selbst Nehru auf eine richtige Position zwingt, die den Forderungen der Volksmassen gerecht würde. Natürlich haben wir in der Praxis auf jede Weise unterstützt, dass Indien gerade den sozialistischen Entwicklungsweg einschlug.« Chruščev relativierte hierbei wie selbstverständlich das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. »Außerdem hatten wir gute Beziehungen mit der Kommunistischen Partei Indiens«.374 In der Tat: Ungeachtet der gegenteiligen Behauptung der sowjetischen Führung versuchte die UdSSR nach wie vor, wenn auch mit oft bescheidenen Mitteln, über verschiedene internationale und sowjetische Organisationen das prognostizierte Wachstum der CPI sowie anderer linker oder Streikbewegungen in Indien zu unterstützen.375 Die vorläufige Entscheidung der innersowjetischen Positionskämpfe führte dazu, dass sich Chruščvevs Optimismus als Parteilinie etablieren konnte. Ende Dezember 1955 erarbeitete das ZK-Präsidium einen Beschluss über »praktische 371 ZK KPdSU an ZK SED, 11.1.1956, SAPMO-BArch, DY 30/3634, Bl. 1–10, hier Bl. 10. 372 Vgl. Chruščev vor Oberstem Sowjet, 29.12.1955, in: N. A. Bulganin und N. S. Chrustschow. Freundschaftsbesuch, S. 283–330, hier S. 321–323. Vgl. Ponomarev an Grotewohl, [vor 6.1.1956], SAPMO-BArch, DY 30/3473, Bl. 14–30, hier Bl. 20, 23 f. 373 Protokoll Sitzung ZK-Präsidium, 22.12.1955 in: Prezidium CK KPSS 1954–1964 1, S. 72–75, hier S. 74. 374 Chruščev, Vremja 3, S. 83, 337. 375 Vgl. Beschlüsse ZK-Präsidium, 3.2. und 6.12.1956, 25.10.1957, 17.12.1959, 5.11.1960, 7.1.1963, 6.1.1965, 4.1.1966, RGANI, f. 89, op. 38, d. 17, 19, 25, 29, 31, 33, 35–37; Aufzeichnung Gespräche Benediktov mit B. Gupta, 17. und 27.1.1962, CWIHP, Digital Archive, Collection: Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018); Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Rao, 14.12.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 492, ll. 63 ff.

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Maßnahmen für die weitere Entwicklung und Festigung der freundschaftlichen Beziehungen mit Indien«.376 Die zugänglichen Materialien zur Vorbereitung des XX. Parteitags der KPdSU (14. bis 25. Februar 1956) lassen erkennen, dass im Zusammenhang mit den innen- und außenpolitischen Grundsatzdiskussionen das sowjetische Verhältnis zur gesamten Dritten Welt einen neuen Stellenwert erhalten hatte.377 Der Parteitag setzte einen vorläufigen Schlusspunkt hinter die Moskauer Debatten über Strategien in der globalen Systemkonkurrenz sowie über Chancen und Möglichkeiten in der Dritten Welt im Allgemeinen und in Indien im Besonderen. In seinem Rechenschaftsbericht beschrieb Chruščev das sozialistische Lager als ein starkes, politisch wie wirtschaftlich selbständiges Weltsystem mit enormem Zukunftspotential.378 Gegen potentielle, wenn auch unwahrscheinliche Aggressionen des krisengeschüttelten Imperialismus war die UdSSR demnach ausreichend gewappnet. Neben eigene Mittel traten die Unterstützung durch die Friedensbewegung in den kapitalistischen Staaten sowie von »Großmächten« wie China und Indien mit ihrer »Bevölkerung, die viele Hunderte Millionen Menschen zählt«. In den Augen des Kremls gingen die »Völker des Ostens, die das Kolonialjoch abgeworfen haben, mit den Völkern des Sozialismus« eine nahezu natürliche Allianz ein. Da auf diese Weise die ehemals postulierte Unvermeidbarkeit von Systemkriegen entfiel, konnte der angeblich gesetzmäßige Prozess Richtung Globalsieg des Sozialismus allerorten nur vorangehen. »Wir glauben daran«, wiederholte Chruščev nun von der Bühne des Parteitags herab, »dass alle werktätigen Menschen der Welt […] früher oder später den Weg des Kampfes für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft beschreiten werden.«379 Der »außerordentlich herzliche und warme Empfang, der den Vertretern des großen Sowjetvolkes« in Indien zuteil geworden war, stützte nach Meinung des Ersten Sekretärs die neue Linie ab, hatte er doch »anschaulich das tiefe Vertrauen und die Liebe der breiten Volksmassen in den Ländern des Ostens zur Sowjetunion« demonstriert.380 Auf solcher Grundlage ging der Parteichef 376 Vgl. Beschlüsse ZK-Präsidium, 22. und 31.12.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 150 f. mit Anm. 5 (S. 926). 377 Vgl. Solodovnik an Ponomarev, 22./23.12.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 282, l. 136 ff. 378 Vgl. Chruščevs Rechenschaftsbericht, in: XX s-ezd Kommunističeskoj partii 1, S. 9 ff.; Beschluss XX. Parteitag, 20.2.1956 sowie Entschließung XX. Parteitag, 24.2.1956, in: Diskussionsreden, S. 458 bzw. Chruschtschow, Rechenschaftsbericht, S. 161–189; Beschluss ZK-Sekretariat, 27.3.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 265 f.; Zubok, A failed empire, S. 101–113. 379 Chruschtschow, Rechenschaftsbericht, S. 4, 18, 20–28, 36, 40, 42 f. 380 Ebd., S. 29.

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davon aus, dass der anstehende Übergang zum Sozialismus friedlich über stabile parlamentarische Mehrheiten erfolgen konnte, denen die Arbeiterklasse Führung und Richtung gab.381 Molotov blieb Chruščevs neuem Konzept gegenüber misstrauisch. Der Außenminister war auf dem Parteitag jedoch auf sich allein gestellt und musste bittere Selbstkritik üben.382 In Bezug auf Indien erwiesen sich diverse Grundannahmen der neuen Führungsgruppe als problematisch. Dies betraf die sozialistischen Entwicklungsprognosen schlechthin. Dem Kreml war bekannt, dass die Vorstellungen, die Nehru und Moskauer Spitzen vom Sozialismus hatten, auseinandergingen.383 Die indische Zentralregierung machte bereits 1956 keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Kashmirs Experimente mit »beinahe kommunistischen« Verfassungsideen. »[T]hose policies have been demonstrated in many ways to be singularly futile in countries other than the Soviet Union and to some extent even in the Soviet Union«.384 Darüber hinaus war auch keineswegs selbstverständlich, dass sich die CPI zu einem durchsetzungsfähigen Kämpfer für eine sozialistische Zukunft entwickeln würde. Die indische Regierung erwartete von ihrem neuen Verhältnis zur UdSSR und von eigenen Wirtschaftserfolgen immerhin eine weitere Schwächung des Einflusses der kommunistischen Partei.385 Außerdem halfen die indischen Behörden auch noch Mitte der 1950er-Jahre nach, um Einflussmöglichkeiten und internationale Verbindungen der Partei gering zu halten.386 Der innenpolitische Feldzug gegen die kommunistische Opposition ging ebenfalls weiter. Kommunistische Alternativprojekte zum Nationalplan des Führungszirkels um Nehru blieben dem Verdacht ausgesetzt, »unindisch«, antinational oder »vom Ausland inspiriert« zu sein. Derlei Angriffe auf 381 Vgl. ebd., S. 46 f.; Suslov, in: Diskussionsreden, S. 63–87, hier S. 69–71. 382 Vgl. Reden Šepilov, Suslov, Molotov, Kaganovič, Kuusinen, in: Diskussionsreden, S. 37–62, hier S. 53–56, 63–87, hier S. 68 f., 154–175, hier S. 166 f., 186–219, hier S. 191 f., S. 322–329. Molotov nutzte später das neue Parteiprogramm von 1961 dann noch einmal zu einer ideologischen Generalabrechnung mit seinen Opponenten, vgl. Pis’mo V. M. Molotova, u. a. Nr. 8, S. 78 ff., Nr. 9, S. 58 ff., Nr. 10, S. S. 67–69, Nr. 11, S. 72 ff. 383 Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Mikojan, 27.3.1956, S. 9–13, NMML, Subimal Dutt Papers, 19. 384 Nehru an stellv. Innenminister Jammu und Kashmir, Dhar, 21.9.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 323– 326, hier S. 325 f. Vgl. Nehru vor Funktionären INC, 7.10.1956, ebd., S. 314–316, hier S. 315 f. 385 Vgl. Nehru auf Botschafterkonferenz, 28.–30.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 242–257, hier S. 250; Pillai, Visit to the Soviet Union, 29.7.1955, S. 103, NMML, Subimal Dutt Papers, 16; Vermerk Nehru über Reise in UdSSR, 19.7.1955, Teil 1, S. 11, sowie 1.8.1955, Teil 2, S. 9, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. 386 Vgl. Nehru an Chief Minister UP, Sampurnanand, 12.2.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 264 f.; Nehru vor stellv. Generalinspekteuren der Polizei, Delhi, 13.3.1956, ebd., S. 489–498, hier S. 496–498.

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die CPI-Opposition gewannen in Zeiten von Wahlkämpfen oder innen-, sozialund wirtschaftspolitischen Krisenerscheinungen an Schärfe.387 Der CPI selbst fiel es, wie bereits gesehen, schwer, interne Grabenkämpfe zu befrieden und sich auf die neue Qualität der indisch-sowjetischen Beziehungen einzustellen. Der XX. Parteitag der KPdSU versetzte der Partei einen neuen Schlag. Die CPI-Delegation unter Leitung von Generalsekretär Ghosh erwartete sich von der Zusammenkunft neben Finanzhilfen wieder einmal programmatische Ratschläge.388 Stattdessen verstörte Chruščevs Geheimrede, von der die CPI zuerst aus der westlichen Presse erfuhr, linke und rechte Parteimitglieder gleichermaßen. Die Schuldzuweisungen an Stalin wurden als zu einseitig empfunden und ließen aus Sicht der CPI Fragen nach der kollektiven Verantwortung sowjetischer Führungskader unbeantwortet. Zudem wünschten sich die indischen Kommunisten für ihre weiteren Debatten über die Auswirkungen der Abrechnung mit Stalin anstelle der üblichen »allgemeinen Phrasen« klarere Aussagen über Probleme des real existierenden Sozialismus.389 Dagegen setzte die KPdSU darauf, den nationalen Parteien im Rahmen der sowjetisch-sozialistischen Selbstverständlichkeiten mehr selbständiges Denken und damit auch mehr Eigenverantwortung für die Gestaltung innenpolitischer Strategien zu überlassen. Gemeint war hierbei wohl nicht nur im Fall der CPI, dass sich ihre Programmatik und Politik nach dem Vorbild der KPdSU flexibler den »vergangenen und […] laufenden Veränderungen im Osten« anpassen sollten.390 Das sowjetische Engagement für den vierten Parteitag der CPI vom 19. bis zum 29. April 1956 in Palghat beschränkte sich, soweit erkennbar, auf bloße Grußworte.391 Eine Unterstützung durch grenzüberschreitende formale Strukturen durften die indischen Kommunisten nicht erwarten. Am 13. April 387 Vgl. Protokolle Gespräche Nehru mit Mende, 3. Sitzung, 8.1.1956, SWJN 2, Vol. 31, S. 478 ff., hier S. 480; Nehru vor Funktionären Pradesh Congress Committee, 4.5.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 3–19, hier S. 7; Reden Nehru, Calcutta, 16.1., und Chennai, 31.1.1957, SWJN 2, Vol. 36, S. 25–43, hier S. 34–40 sowie S. 51–71, hier S. 59 ff. Die negative Sicht fand sich im Übrigen spiegelbildlich auch hinsichtlich der rechten Hindu-Bewegungen. 388 Vgl. Beschluss ZK-Präsidium, 22.2.1956, Anl. 3, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 203–205, hier S. 203; Grußworte Ghosh an 20. Parteitag, 23.2.1956, in: XX s-ezd 2, S. 278 f. 389 Vgl. Stellv. Leiter ZK-Abteilung für Verbindungen zu ausländischen KP an ZK, 24.8.1956, in: Doklad N. S. Chruščeva, Ajmermacher u. a. (Hg.), S. 768–773. Vgl. Resolution Sitzung ZK CPI zur Resolution ZK KPdSU vom 30.6.1956, 1.–11.7.1956, in: Sen (Hg.), Documents VIII, S. 579– 583; CIA, ›Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, ESAU XVI-62, 7.2.1962, S. 160, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Krishnan, Testament, S. 271 f. 390 Vorlage für ZK-Präsidium, 27.1.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, l. 1. 391 Vgl. Ghosh an ZK KPdSU, 3.1.1956, mit Vermerk, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, l. 38.

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1956 beschloss das sowjetische ZK-Präsidium endgültig die Auflösung der Kominform.392 Zu den zunächst angedachten Regionalorganisationen ist es nicht gekommen. Dafür erschien ab 1958 anstelle der alten Kominform-Gazette in 34 Sprachen und 145 Ländern die Zeitschrift Probleme des Friedens und des Sozialismus.393 Auf dem erwähnten Parteitag im April 1956 stellte sich die CPI der vom ZK-Präsidium in Moskau formulierten Aufgabe, »im Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse, für die Sache des Friedens und des Sozialismus ihre Tätigkeit in Übereinstimmung mit den allgemeinen Zielen und Aufgaben marxistisch-­ leninistischer Parteien und mit den nationalen Besonderheiten und Bedingungen ihrer Länder« zu entwickeln, um »auf umfassendste Weise die nationalen Interessen ihrer Völker zum Ausdruck« zu bringen.394 Die CPI übernahm grundsätzliche Entscheidungen der KPdSU. Sie blieb bei ihrer Kritik an der Innenpolitik der bourgoisen Regierung. Dennoch schloss sich die Partei zumindest verbal dem sowjetischen Entwicklungsoptimismus sowie, mit allerlei Kautelen, der »These vom friedlichen Übergang zum Sozialismus« an.395 Der Spagat, trotz innenpolitischer Oppositionshaltung eine grundsätzlich positive Würdigung der Nehru-Regierung vorzunehmen, wurde durch die andauernden inneren Zwistigkeiten der Flügelgruppen über den richtigen Gesamtkurs erschwert.396 Auch im Feld der staatlichen Beziehungen erwiesen sich sowjetische Postulate vom Winter 1955/1956 als äußerst optimistisch. Nehru zeigte keinerlei Ambitionen, sich der UdSSR zu sehr anzunähern. So wollte der Premier Vorschlägen seines Moskauer Botschafters, den Schwung der vergangenen Monate für eine weitere atmosphärische Verdichtung der bilateralen Beziehungen zu nutzen, nicht folgen.397 Gegenüber sowjetischen Einladungen an prominente Vertreter Kashmirs, die Bestandteil der sowjetischen Werbestrategie waren, 392 Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Mikojan, 27.3.1956, S. 13, NMML, Subimal Dutt Papers, 19. 393 Beschlüsse ZK-Präsidium, 22.2. (mit Anl. 1), 28.3. und 13.4.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 199–203, 214 mit Anm. 3 (S. 941); Protokolle Sitzungen ZK-Präsidium, 22.2. und 28.3.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 106 f., 116 f.; Beschluss ZK KPdSU, 20.6.1956, in: Die Geheimrede, S. 86–113, hier S. 110 f. 394 Ebd. 395 Ergänzungen des Parteiprogramms, 19.–29.4.1956, in: Basu (Hg.), Documents 7: 1952–1956, S. 478–488, v. a. S. 478–483, hier S. 481. Vgl. Anm. 389, 391 sowie Overstreet/Windmiller, Communism, S. 321–324. 396 Vgl. Gespräch zweiter Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Košelov, mit B. Gupta, 15.9.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 169–172, hier l. 170; MacDonald an SoS CRO, 20.3.1956, NAK, PREM 11/1389; Chandra, A strategy, S. 288–385. 397 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 29.2.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 339.

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verhielt sich Delhi ebenso reserviert.398 Schließlich wich die Nehru-Diplomatie Vorschlägen der UdSSR, das bilaterale Verhältnis mit einem Friedens- und Freundschaftsvertrag auszubauen, aus. Delhi sah daraus nur neue Spannungen mit anderen Staaten erwachsen, die die angestrebte friedenspolitische Mittlerrolle behindern würden.399 Der indischen Globalpolitik entsprach vielmehr der Versuch von Vizepräsident Radhakrishnan, während eines Besuchs im Sommer 1956 das Verständnis der sowjetischen Spitzen für nichtsozialistische Staaten zu erweitern. Der Erfolg war mäßig, das Treffen selbst rief zumindest bei britischen Beobachtern vor allem Heiterkeit hervor. »Voroshilov, who is ­getting very deaf as well as senile, bounced up and down trying to catch what the interpreter was saying. Bulganin looked cross, Khrushchev sulky and Molotov sardonically amused. Subsequently Pravda published a photograph of the Vicepresident’s meeting with Bulganin and Khrushchev; Dr. Radhakrishnan looks magisterial, Bulganin and Khrushchev like two undergraduates who have come unprepared to a tutorial.«400 In der Praxis wollte sich Delhis Außenpolitik in dieser Phase vor allem auf die Möglichkeiten konzentrieren, die die sowjetischen poststalinistischen Reorientierungen mitsamt ihrer Festlegung auf die ›Fünf Prinzipien‹ für das indische Konzept einer Friedens- und Asienpolitik zu eröffnen schienen.401 In diesem Sinne warb Nehru auf der Commonwealth Prime Ministers’ Conference im Juni 1956 vehement für die Chance, über intensive Kontakte in allen Bereichen die UdSSR und ihr Lager zu beeinflussen, um der Lösung internationaler Probleme den Boden zu bereiten.402 Der Kalte Krieg, in Delhi vor allem als sicherheitspolitisches Dilemma verstanden, sollte durch die wechselseitige Akzeptanz der Sicherheitsbedürfnisse und somit durch die Reduzierung von »Angst« vor dem Gegner als bestimmendem Faktor außenpolitischer Entscheidungsfindung beendet werden.403 Parallel hierzu blieben gesamtasiatische Selbstbestimmung 398 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 26.7.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 215. 399 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 27.7.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 389 f. 400 Hayter an Außenminister Lloyd, 22.6.1956, NAK, FO 371/123587. 401 Vgl. Protokolle Gespräche Nehru mit Außenminister Lloyd, 4.3.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 368– 374, hier S. 370 f. Dagegen negativ die indische Einschätzung der US-Politik, vgl. Nehru an R. K. Nehru, 19.6.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 472–474, hier S. 474; Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 2. Sitzung, 28.6.1956, hier nach SWJN 2, Vol. 34, S. 245 f.; McMahon, The cold war, S. 225–227. 402 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 1. Sitzung, 27.6.1956, sowie 9. Sitzung, 4.7.1956, NAK, CAB 133/148; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Dulles, 9.3.1956, FRUS 1955–1957 VIII, S. 306–308; Nehru auf Botschafterkonferenz, 24.3.–3.4.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 408–473, hier S. 417 f., 450 f. 403 Vgl. Nehru vor Congress Parliamentary Party, 27.7.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 8–20, hier S. 12 f.

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und Gleichberechtigung außerhalb des Systemkonflikts das zweite Standbein indischer internationaler Beziehungen. Von dem integrierten Zugang einer verständigungsbereiten und gleichberechtigten Politik versprach sich Delhi dann wiederum konkrete Fortschritte unter anderem in Fragen von Abrüstung und Nuklearwaffen, in der friedlichen Nutzung der Kernenergie, der deutschen Frage, in Indochina oder im Mittleren Osten.404 In dieser Gesamtkonstellation nahm Delhi eigener Auffassung nach eine bedeutende Mittlerrolle sowohl zwischen den Blöcken als auch zwischen den Kontinenten ein.405 Institutioneller Ausdruck dieses Gedankengebäudes waren supranationale und multilaterale Verbünde und Organisationen. Dazu zählten die regionale Zusammenarbeit der Colombo-Mächte, intensivere Beziehungen mit anderen blockfreien Staaten, die Verbindungen im Commonwealth sowie eine gestärkte, aufgrund der neuen Mitglieder wirklich globale UN.406 In dieser konnten sich 1956 zumindest Außenpolitiker wie Krishna Menon nun auch eine eigene ständige Mitgliedschaft im Sicherheitsrat vorstellen.407 Es war jedoch schon hier unübersehbar, dass sich der indisch-sowjetische Gleichschritt in internationalen Problemen nicht ohne weiteres einstellen wollte. Die UdSSR signalisierte zwar Gesprächsbereitschaft hinsichtlich eines indischen Sitzes. Moskau wollte aber offenkundig jede Grundsatzdiskussion über die Charta der UN, die den singulären Einfluss der Großmächte in Frage stellen könnte, vermeiden.408 Auf der anderen Seite stieß die sowjetische Idee, sich über engere Beziehungen zu Indien zusätzliche Einflusskanäle in die Dritte Welt oder gar in das kapitalistische Lager hinein zu verschaffen, bald an Grenzen.409 Im Frühjahr 1956 mühte sich Mikojan vergebens, das indische Verständ404 Vgl. MEA, Bericht zu Umsetzung Genfer Abkommen zu Indochina, 7.3.1956, NAI, 73– R & I/56; Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 3. und 8. Sitzung, 29.6. und 4.7.1956, NAK, CAB 133/148 resp. SWJN 2, Vol. 34, S. 256 f.; Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 2. und 6. Sitzung, 26.6. und 1.7.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 604–606, hier S. 606 sowie NAK, CAB 133/248. 405 Vgl. Rede Nehru, Delhi, 20.6.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 24–36, hier S. 36; Luard, A history 1, S. 365–370. 406 Vgl. Dutt an indische Botschaften, 15.9.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 411; Nehru an Tito, 22.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 478 f.; Vermerk »S.G.« für SoS, 11.7.1956, NAK, DO 35/6677; MacDonald an Macmillan, 16.10.1957, NAK, DO 35/5016. 407 Vgl. Aufzeichnung Gespräch SoS CRO mit Krishna Menon, 7.6.1956, NAK, FO 371/123590. 408 Vgl. Direktiven für sowjetische Delegation zur XI. Sitzungsperiode GA, 6.11.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 204–207, hier S. 207; Nehru an Secretary General und Foreign Secretary, 31.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 743 f. 409 Vgl. Chruschtschow, Rechenschaftsbericht, S. 27–29, 36; Aufzeichnung Gespräch Šepilov mit K. P. S. Menon, 13.7.1956, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 1, S. 445–447; Beschluss ZK-Präsidium, 19.6.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 331 f.

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nis für pakistanische Bedrohungsgefühle zu wecken, um auf diese Weise den indisch-pakistanischen Gegensatz zu mildern und damit auch amerikanischen Einfluss in Pakistan zurückzudrängen. Moskaus verhaltene Initiative scheiterte nicht nur am pakistanischen Desinteresse und an der sowjetischen Kashmirpolitik, sondern auch an der indischen Unversöhnlichkeit.410 Die angespannten Beziehungen zwischen Delhi und Karachi stellten nur ein Beispiel für die zahlreichen internationalen Diskrepanzen asiatischer und afrikanischer Staaten dar. Nehru etwa sah bereits Ende 1955 wenig Chancen für eine ergiebige zweite Bandung-Konferenz. Ohnedies erachtete er die mitunter »starken Meinungsäußerungen« von Tito und Nasser aus friedenspolitischer Perspektive für wenig hilfreich.411 Auf der anderen Seite hielt die UdSSR speziell in ihrer Sicht auf die Dritte Welt an ideologischen Positionen fest, die indischen Methoden und Zielen zuwiderliefen. Im Herbst 1956, nur wenige Monate nach der Aufbruchstimmung der Staatsbesuche und des XX. Parteitags, ließ die Doppelkrise in Suez und Ungarn die inhärenten Konfliktpunkte der indisch-sowjetischen Beziehungen zu Tage treten.412 Bereits Ende März 1956 hatte die sowjetische Politik versucht, Delhi vermeintliche Gemeinsamkeiten in der Nahostpolitik nahezubringen. Die Lage dort, so Mikojan im Gespräch mit Nehru, sei »viel ernster als in Kashmir«.413 Der Nationalisierung des Suezkanals durch Nasser standen dann Delhi – im Zeichen nationaler Selbstbestimmung – wie Moskau – im Rahmen der antikapitalistischen Weltbewegung – grundsätzlich positiv gegenüber. Ebenfalls beide Seiten lehnten einen kompromisslosen Konfrontationskurs der ägyptischen Regierung ab, zum Wohle der globalen Entspannungspolitik die Einen 410 Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Mikojan, 26.3.1956, NMML, Subimal Dutt Papers, 19; Men’šikov, S vintovkoj, S. 197 f. Zu – letztlich nicht weiterverfolgten – Ansätzen in der sowjetischen Pakistan- und Kashmirpolitik vgl. Mikojan vor ZK-Präsidium, 13.4.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 120 f.; Aufzeichnung Gespräch Molotov mit pakistanischem Chargé d’Affaires, Ahmad, 29.4.1956, AVP, f. 6, op. 15a, papka 20, d. 6, ll. 152 ff.; Jain, Soviet policy, S. 48–50, 58 f., 64 f.; Ram, Soviet policy, S. 75–77, 169 f.; Muhamad, The United States, S. 125–129, 137 f. 411 Nehru an Chief Ministers, 16.8.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 435–449, hier S. 446 f. Vgl. Nehru an Tito, 3.4.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 364–367, hier S. 366 f.; Beattie, Egypt, S. 115 f., 118 f.; Dimić/ Rajak, Meeting; Mišković, The pre-history; Čavoški, Overstepping; Čavoški, Distant countries, S. 40–43; Prashad, The darker nations, S. 97–101; Rajak, Yugoslavia, S. 101–107, 206 f.; Byrne, Beyond continents, S. 914–918. 412 Vgl. u. a. Menon, The flying troika, S. 168–180; Rucker, L’URSS; Volkov (Hg.), Sovetskij Sojuz; Luard, A history 2, S. 25–64; Hopf, Reconstructing, S. 199–211, 240–242; Singh, The limits, S. 210–225; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 427–433; Fursenko/Naftali, Khrushchev’s cold war, S. 83–143; Brown, Nehru (2003), S. 262–266; Gopal, Nehru 2, S. 277–297. 413 Protokoll Gespräch Nehru mit Mikojan, 26.3.1956, NMML, Subimal Dutt Papers, 19.

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bzw. als nutzlos gefährliche Provokation die Anderen. Das ZK-Präsidium im Kreml schloss sich Mitte August indischen Vorschlägen zur Regulierung der Gesamtkrise an.414 Hinsichtlich des zweiten Krisenherds, Ungarn, war sich die sowjetische Führung der Implikationen bewusst, die die eigene Haltung haben konnte. Noch am 28. Oktober 1956 drängte Chruščev das ZK-Präsidium, sich im Vorgehen von Briten und Franzosen abzusetzen.415 Angesichts der Deklaration der UdSSR vom 30. Oktober 1956, die innerhalb der sozialistischen Gemeinschaft Gleichberechtigung, Souveränität und territoriale Unversehrtheit sowie die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten bekräftigte, war das offizielle Delhi weitgehend zufrieden.416 Indische Politik – und weite Teile der Gesellschaft – werteten die Geheimallianz gegen Kairo mehr oder weniger unisono als Neuauflage kolonialer Gewaltpolitik. Insbesondere für Nehru standen in Ägypten mit der Unabhängigkeit Asiens und der Achtung vor den ›Fünf Prinzipien‹ internationaler Beziehungen die Chancen für eine friedliche Welt schlechthin auf dem Spiel. Während die indische Einschätzung Großbritanniens einen Tiefpunkt erreichte, avancierte die UdSSR in dieser Interpretation tatsächlich zum Verbündeten im Bemühen, die Welt gegen die »unverhohlene Aggression« zu mobilisieren.417 Die sowjetische Führung erblickte in der Suez-Krise eine Gelegenheit, womöglich in enger Kooperation mit Indien im Kalten Krieg zu punkten und über die Aggressoren zugleich die USA empfindlich zu treffen.418 Mit der Eskalation der Doppel414 Vgl. Nehru an Foreign Secretary, 31.7.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 324 f., hier S. 325; Nehru an Krishna Menon, 2.12.1956, SWJN 2, Vol. 36, S. 557 f.; Beschlüsse ZK-Präsidium, 4., 5., 13. und 27.8.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 379 f., 386–392, 415; Nehru an Šepilov, 7.8.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 345; Aufzeichnung Gespräch sowjetischer Botschafter London, Malik mit V. L. Pandit, 17.8.1956, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 1, S. 485 f.; Aufzeichnung Gespräch Gromyko mit indischem Botschaftsrat Ratnam, 15.9.1956, ebd., S. 494 f.; Direktive MID an sowjetische UN-Delegation, 3.10.1956, ebd., S. 513–517. 415 Vgl. Sitzung ZK-Präsidium, 28.10.1956, in: Volkov (Hg.), Sovetskij Sojuz, S. 432–439, hier S. 439. 416 Deklaration in: Volkov (Hg.), Sovetskij Sojuz, S. 464–467, hier S. 464. Zur indischen Einschätzung vgl. Aufzeichnung Gespräch Gromyko mit K. P. S. Menon, 1.11.1956, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 1, S. 542 f. 417 Nehru an Tito, 31.10.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 426. Vgl. Nehru an Bulganin, 6.11.1956, ebd. S. 436 f., hier S. 437; McGarr, The cold war, S. 59–61; Brecher, India, S. 62–76. 418 Vgl. Aufzeichnung Gespräch sowjetischer Botschafter Beirut, Kiktev, mit libanesischem Präsidenten Chamoun, 2.11.1956, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 1, S. 547–549; Šepilov an Kiselev, 3.11.1956, ebd., S. 550 f.; Beschlüsse ZK-Präsidium, 5. und 6.11.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 480, 486 mit Anm. a); Sitzung ZK-Präsidium, 5.11.1956, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 203 f.

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krise verfiel die sowjetische Führung allerdings in das Nullsummendenken des Kalten Kriegs zurück. Indem der Kreml unverhohlene Drohbotschaften an die Angreifer schickte, blieb die sowjetische Politik im Nahen Osten auf Denkweisen und Instrumentarium des Lagerkampfes beschränkt. Für die Ereignisse in Ungarn fand der Kreml gleichermaßen nur noch Erklärungen und Antworten, die sich aus der Logik des Systemkonflikts speisten. »Wenn wir aus Ungarn hinausgehen, ermutigt das die amerikanischen, englischen und französischen Imperialisten«, fasste der Erste Sekretär die sowjetische Sicht zusammen. »Sie werden das als unsere Schwäche verstehen und angreifen. Wir zeigen dann die Schwäche unserer Positionen. Unsere Partei wird uns nicht verstehen. Zusätzlich zu Ägypten geben wir ihnen dann Ungarn.«419 Das sowjetische Verharren in Wahrnehmungs-, Interpretations- und Reaktionsweisen des Kalten Kriegs führte zwangsläufig dazu, dass sich die indisch-sowjetischen Wege schnell wieder trennten. Wohl betrachtete Nehru die Vorgänge im Nahen Osten als den international wichtigeren Konfliktherd, in dem fundamentale Prinzipien des internationalen Zusammenlebens der Systeme und Kontinente in Gefahr waren. Der Premier argwöhnte, dass Berichte aus Westeuropa und den USA über Ungarn vom kolonialen Abenteuer in Suez ablenken sollten.420 Im Endeffekt aber bewertete die überwältigende Mehrheit der außenpolitisch relevanten Akteure und Beobachter in Indien einschließlich Nehrus die sowjetische Intervention in Ungarn als Affront, als eklatanten Verstoß gegen fundamentale Grundsätze internationaler Politik, als Verhöhnung des Prinzips der nationalen Selbstbestimmung und als Manifestation rücksichtslosen sowjetischen Großmachtdenkens.421 Anfang November 1956 machte Nehru seine Sicht auf die Ereignisse öffentlich. Er geißelte sowohl die kapitalistische als auch die sozialistische imperiale 419 Sitzung ZK-Präsidium, 31.10.1956, in: Volkov (Hg.), Sovetskij Sojuz, S. 479–481, hier S. 479. 420 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 3. und 4.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 453–455; Nehru an Tito, 2.12.1956, SWJN 2, Vol. 36, S. 555 f.; Nehru in Lok Sabha, 20.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 368– 388, hier S. 381 f.; Menon, The lamp, S. 98–106, 297. Für den höheren Stellenwert der Suezkrise in indischen Augen spricht auch, dass Indien unter bestehenden Verträgen fortfuhr, Militärgüter an Ägypten zu schicken, vgl. Nehru an Foreign Secretary, 17.9.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 415 f.; Nehru an Secretary General und Foreign Secretary, 15.11.1956, ebd., 446 f. 421 Vgl. neben vorhergehender Anm. Nehru an K. P. S. Menon, 2. 4.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 451–453; Nehru an Krishna Menon, 11., 21. und 23.11. sowie 2. und 9.12.1956, ebd., S. 459 f., 471, 481 f., sowie Vol. 36, 557 f., 565 f.; Nehru an Gromyko, 17.12.1956, zit. nach stellv. Vors. KI, Tugarinov, 28.12.1956, in: CWIHP Bulletin 4 (1994), S. 60–62, hier S. 63; Nehru in Rajya Sabha, 4.12.1956, SWJN 2, Vol. 36, S. 440–456, hier S. 452. Zum indischen Abstimmungsverhalten in den UN vgl. Sinigoj, Indien, S. 156–166.

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Machtpolitik, die die Menschenwürde verletze und Völker unterdrücke.422 Das Abschlusskommuniqué der Beratungen der Premierminister aus Indien, Indonesien, Burma und Ceylon drückte ebenfalls »tiefes Entsetzen über die Großmacht-Aggression gegen Ägypten« und die »Großmacht-Intervention in Ungarn unter Verletzung der Charta der Vereinten Nationen und der Prinzipien von Bandung« aus.423 Dennoch blieb die indische Gewichtung beider Krisenherde unterschiedlich. Während Nehru die Ereignisse in Ungarn als letztlich begrenzten inneren Konflikt mit Einsatz ausländischer Streitkräfte einstufte, malte er in seiner Einschätzung der Suez-Krise alle nur denkbaren Schrecken an die Wand. ›Europas‹ altkoloniales Vorgehen tat in indischen Augen wieder einmal anderen Teilen des Globus Gewalt und Schmach an und stürzte damit die gesamte Welt in unmittelbare Kriegsgefahr.424 In der aktuellen Notsituation ging es Delhis Politik zunächst einmal darum, kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen. Für den Konfliktherd Ungarn galt es, ihn mit Hilfe der UN möglichst weitgehend vom aggressiven Blockdenken des Kalten Kriegs abzukoppeln, die Situation zu beruhigen sowie zum Abzug der fremden Truppen und ausgleichenden Lösungen zu kommen.425 Dabei hatte das MEA in Delhi potentielle Implikationen eines zu weit definierten UN-Engagements bei Wahlen und anderen Fragen innerer Verfassung für die eigene Souveränität respektive Kashmirpolitik im Blick.426 Auch bei der Regulierung der Suezkrise setzte Indien aus analogen Überlegungen heraus auf ein abgewogenes Engagement der UN.427 Daneben hielt die Nehru-Regierung unver422 Nehru zur Eröffnung 9. UNESCO-Generalsitzung, 5.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 537–541, hier S. 539. 423 Zit. nach MfAA, HA II, Nier, 16.11.1956, Indiens Haltung zu den Ereignissen in Ungarn, PA AA, MfAA, A 9988, Bl. 44–49, hier Bl. 48. 424 Vgl. Nehru vor AICC, 9.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 277–291, hier S. 281 f.; AICC-Resolution, 9.11.1956, ebd., S. 275–277, hier S. 275; Nehru vor Congress Parliamentary Party, 15.11.1956, ebd., S. 334–345, hier S. 334 f., 341 f. 425 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 11. und 21.11., 8. und 9.12.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 458–460, 472 f. sowie Vol. 36, S. 564–566; Nehru in Lok Sabha, 19.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 351–368, hier S. 367 f.; Nehru an Bulganin, 22.11.1956, ebd., S. 474–476; Sinigoj, Indien, S. 167 f.; Brecher, India, S. 83–96. 426 Vgl. Nehru vor Congress Parliamentary Party, 15.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 334–345, hier S. 342 f.; Nehru an Krishna Menon, 15.11.1956, ebd., S. 461; Nehru an V. L. Pandit und G. Mehta, 15.11.1956, ebd., S. 462; Imam, Ideology, S. 162–167. 427 Vgl. MID an ZK, 8.2.1957, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 2, S. 15 f.; Aufzeichnung Gespräch sowjetischer Chargé d’Affaires Kairo, Gerasimov, mit Direktor Politisches Kabinett Präsident, Sabri, 12.3.1957, ebd., S. 35–38; politische Information sowjetischer Botschafter Kairo, Kiselev, 15.5.1957, ebd., S. 77–80; sowjetischer Botschafter Bukarest, Epišev, an Patoličev, 30.1.1957, RGANI, f. 5, op. 28, d. 499, ll. 1–5, hier l. 2

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ändert am Ziel fest, auf ihre Art und Weise die Spannungen des Kalten Kriegs abzubauen. Daher reagierte man in der indischen Hauptstadt Ende November 1956 positiv überrascht auf neue Abrüstungsvorschläge der UdSSR, da sie für die anderen internationalen Problemfelder Mut zu machen schienen.428 Beim amerikanischen Gegenpol warb Nehru derweil für mehr Zurückhaltung in den Spannungsgebieten der Welt.429 In der Bilanz sah sich der oberste Außenpolitiker Indiens in seiner Gesamtstrategie durch die Ereignisse in Suez und Ungarn bestätigt. Er fühlte sich in keiner Weise veranlasst, außenpolitische Grundprinzipien oder -taktiken zu ändern, im Gegenteil. Gerade gegenüber internen Kritikern des indischen Generalkurses beharrte Nehru vehement darauf, dass seine internationale Konzeption nicht nur Indiens Wesen entspreche, sondern zur Friedenswahrung ohne Alternative sei. Nehru war überzeugt, dass diese Erkenntnis dank des ständigen indischen Bemühens und ungeachtet der jüngsten Rückschläge international zunehmend an Einfluss gewann. Dadurch würde ein zweites Suez oder ein zweites Ungarn praktisch unmöglich werden und indischen Interessen am besten gedient sein.430 4.3.2. 1957 bis 1958: Spannungen Somit gingen Indiens Unabhängigkeits-, Asien- und Friedenspolitik nach dem turbulenten Jahr 1956 weiterhin Hand in Hand. Immer wieder verwahrte sich der Premier gegen den Habitus aller Großmächte, sich für asiatische und afrikanische Angelegenheiten (allein) zuständig zu fühlen.431 Nach wie vor setzte der Premier auf die UN, in der die afro-asiatischen Mitgliedsstaaten ihre vermeintlich allgemeingültigen Interessen außerhalb der Blockkonfrontation zur Gel-

428 Vgl. Nehru an Bulganin, 27.11.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 449 mit Anm. 2. 429 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Dulles mit Nehru, 16.12.1956, FRUS 1955–1957 VIII, S. 329–331; Aufzeichnungen Gespräche Eisenhower mit Nehru 17./18.12.1956, RCS, Eisenhower Office Files, Part 2, Reel 17. 430 Vgl. Nehru in Lok Sabha, 28.11.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 515–524, hier S. 516; Nehru auf Commonwealth Parliamentary Conference, Delhi, 10.12.1957, ebd., S. 525–537; Protokolle Prime Ministers’ Conference, 1957, NAK, CAB 133/248; Nehru an Chief Ministers, 5.5.1957, 23./24.1. und 18.5.1958, SWJN 2, Vol. 38, S. 779 ff., hier S. 779–783 sowie Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 9–19, 40–50. 431 Vgl. Nehru in Lok Sabha, 17.12.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 575–589, hier S. 586; Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 2. Sitzung, 26.6.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 604 ff., hier 604 f.

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tung bringen könnten.432 Den strikt bewachten Einflusssphären Moskaus und Washingtons sowie kämpferisch-konfrontativen Deklarationen etwa der Versammlung kommunistischer Parteien im November 1957 oder der NATO-Konferenz im Dezember 1957 gewann Nehru immer noch nichts ab.433 Wie zuvor setzte er auf eine Generallösung, die den quasi klassisch ›europäischen‹, miteinander verwobenen Problemen von allgemeiner Expansion und Blockdenken an die Wurzel ging. Hierfür musste dem Öffnungs- und Entspannungsprozess, den Delhi insbesondere seit 1955/1956 in der UdSSR wahrnahm, durch amerikanisches Entgegenkommen Raum und Perspektiven erhalten werden.434 Der Anziehungskraft des Sozialismus und seiner aktuellen Erscheinungsformen war derweil in den umkämpften Gebieten der Welt leicht gegenzusteuern – sofern, und hier schloss sich die Argumentationskette, sofern den (neuen) Staaten und ihren Völkern echte Unabhängigkeit und Gleichberechtigung zugestanden würde. Suez und Ungarn hatten Nehru einmal mehr die Wirkungsmacht des Nationalismus bewiesen.435 Weitere Belege hierfür fand Nehru in Indien sowie in China. Der Premier erkannte potentielle Rivalitäten zwischen Peking und Moskau. Er setzte vor diesem Hintergrund weiterhin darauf, über die Integration Chinas in regionale und vor allem internationale Entscheidungsfindungen den ›asiatischen‹ Faktor in der Weltpolitik zu stärken und damit weltweit Gleichberechtigung und Frieden voranzubringen.436 Die Schlussfolgerungen, die Moskau unter anderem aus Suez und Ungarn zog, sahen ganz anders aus. Der Kreml warf den »unbeholfenen Strategen der 432 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 7. Sitzung, 2.7.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 616–618; Nehru an Secretary General und Foreign Secretary, 12.8.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 722 f. 433 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 31.2.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 731–737, hier S. 734; Nehru im Kabinett, 20.12.1957, ebd., S. 604; Nehru vor Plenary Session INC, Gauhati, 18.1.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 594–599, hier S. 599. Zur Moskauer Deklaration vgl. das Folgende. Das NATO-Abschlusskommuniqué unter http://www.nato.int/cps/en/natolive/official_texts_17551.htm (letzter Zugriff: 12.4.2018). 434 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 2., 3. und 12. Sitzung, 26. und 27.6. sowie 5.7.1957, SWJN 2, Vol. 38, hier S. 604 f. sowie NAK, CAB 133/248; Nehru an Chief Ministers, 15.7.1957, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 4, S. 507–517, hier S. 513; Vermerk Nehru über Gespräche mit Eisenhower, 8.1.1957, ebd., S. 539–543, hier S. 542 f.; Nehru an Principal Private Secretary, Ram, 6.3.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 731 f. 435 Vgl. Vermerk Nehru, 16.12.1956, NMML, Subimal Dutt Papers, 95; Nehru vor Kabinett, 29.12.1956, SWJN 2, Vol. 36, S. 534–536, hier S. 534; Protokoll Gespräch Nehru mit Zhou Enlai, 24.1.1957, ebd., S. 623–638, hier S. 638; Nehru an Chief Ministers, 23.1.1957, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 4, S. 473–477, hier S. 475 f. 436 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 5. Sitzung, 28.6.1957, NAK, CAB 133/248; Nehru an Dutt, 13.1.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 671.

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bürgerlichen Welt« vor, die Destalinisierung als Schwäche und quasi antikommunistische Reformbewegung missverstanden zu haben. Aus Enttäuschung über das Ausbleiben der erhofften Resultate hätten sie dann auf ihre »alten Methoden von gegen die Völker gerichteten Verschwörungen und direkten kriegerischen Abenteuern« zurückgegriffen.437 Im Auftrag des ZK-Präsidiums ließ Šepilov Anfang 1957 öffentlich alle geheimen Hoffnungen Nehrus ins Leere laufen. Friedliche Koexistenz sei ein Kampf auf allen Ebenen, politisch, wirtschaftlich und ideologisch. Auch wenn Šepilov erneut die fatale These von der Unvermeidbarkeit von Kriegen ablehnte: »[W]ir wären keine Marxisten-Leninisten, wenn wir die elementaren Gesetze des gesellschaftlichen Lebens, die Gesetze des Klassenkampfs vergäßen.«438 Die autorisierte sowjetische Lesart setzte im internationalen Kräftespiel nicht auf globale Gemeinsamkeiten oder auf die vermeintlich integrative Kraft nationaler, gegebenenfalls ›asiatischer‹ oder ›europäischer‹ ›Werte‹, sondern auf die Stärke des sozialistischen Lagers einschließlich Chinas. Nur auf dieser Basis war die Kooperation mit neutralen Ländern wie Indien angestrebt.439 In der aktuellen Konstellation und Situation mochten die Moskauer Herrscher folgerichtig weder der UN noch dem selbständig agierenden Indien eine tragende Rolle zubilligen. Zwar wusste es die sowjetische Führung zu schätzen, dass sich Delhi in den UN-Debatten über Ungarn nicht der amerikanischen oder britischen Argumentation anschloss. Ihr war allerdings die indische Politik hinsichtlich der Stationierung von UN-Truppen am Suezkanal zu wenig kämpferisch und gegenüber den Westmächten viel zu entgegenkommend.440 Daher folgte das ZK-Präsidium zu diesem Zeitpunkt nicht der Idee des Außenministers, neben China auch Indien als ständiges Mitglied

437 Entwurf Vortrag Šepilov für 6. Sitzung Oberster Sowjet, 1.2.1957, mit Beschluss ZK-Präsidium, 6.2.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 541–574, hier S. 545 f. Vgl. Sitzungen ZK-Präsidium, 5. und 6.11.1956, 6.2.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 203– 207 mit Anm. 9, 228 f.; Šepilov vor Oberstem Sowjet, in: Pravda, 13.2.1957, S. 3–5. Offenbar hatte Mikojan den Entwurf Šepilovs in der Wortwahl und propagandistischen Kraft etwas entschärft, ohne dass sich die Grundlinie geändert hatte, vgl. S. 563 f., 566, 568 des genannten Entwurfs. 438 Šepilov vor Oberstem Sowjet, in: Pravda, 13.2.1957, S. 3–5, hier S. 3. 439 Ebd., S. 4. 440 Vgl. Maksimov an Šepilov, 14.1.1957, AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 6, ll. 6 f.; MID an ZK, 8.2.1957, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 2, S. 15 f.; Aufzeichnung Gespräch Gerasimov mit Sabri, 12.3.1957, ebd.; politische Information Kiselev, 15.5.1957, ebd., S. 77–80; Bericht Tugarinov über Reaktionen Colombo-Mächte, 28.12.1956, in: CWIHP Bulletin 4 (1994), S. 60–62.

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des Sicherheitsrats vorzuschlagen.441 Zudem verwarf das ZK-Präsidium Pläne, Indien zur Signatarmacht einer gemeinsamen Deklaration über »Frieden und Sicherheit im Nahen und Mittleren Osten und über Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der Länder dieser Region« zu machen.442 Im Vergleich zum XX. Parteitag hatte die öffentliche Positionsbestimmung Anfang 1957 zumindest rhetorisch an Aggressivität gewonnen. Sie ließ im Rahmen der 1956 formulierten Grundsätze auch in der praktischen Politik geänderte Akzentuierungen zu. Zudem gaben Debatten und Entscheidungen des ZK-Präsidiums zu erkennen, dass die konkrete Außenpolitik des Ersten Sekretärs (noch) nicht über alle Anfechtungen erhaben war, ob aus innen- oder außenpolitischen Erwägungen heraus. Die schwelenden Unstimmigkeiten über den Umgang der UdSSR mit der Außenwelt brachen nur wenige Monate später auf. Sie wurden auf dem ZK-Plenum im Juni 1957, das mit der endgültigen Niederlage der »Anti-Parteigruppe« um Molotov und Malenkov endete, ausführlich diskutiert. Molotov forderte hier ein letztes Mal die Rückkehr zu einer klaren und unversöhnlichen Lagerpolitik auf klassenbewusster Grundlage, die unverdrossen »jeden Interessengegensatz zwischen den verschiedenen bürgerlichen Ländern, zwischen verschiedenen Gruppen oder Typen der Bourgeoisie in den einzelnen Ländern« nutzte und dazu beitrug, »Meinungsverschiedenheiten und Widersprüche im imperialistischen Lager zu vertiefen.« Enge Kontakte zu »dem kleinen Dänemark, Norwegen, Burma, Ägypten usw.« waren für Molotov nur Mittel zu diesem Zweck.443 In seiner Grundannahme hinsichtlich eines sozialistisch-imperialistischen Gegensatzes war Molotov kaum weit von den Überzeugungen eines Chruščev und seiner Anhänger entfernt.444 Diese gestanden jedoch insbesondere den Staaten, die sich außerhalb der Blockkonfrontation halten wollten, ein nationales und internationales Eigenleben zu. Sie hoben schärfer die Notwendigkeit hervor, Kriege zu vermeiden. In der andauernden Systemkonkurrenz setzten sie ganz auf eine friedliche Durchsetzung des Sozialismus, auf dessen mittel- und 441 Vgl. Šepilov vor Oberstem Sowjet, in: Pravda, 13.2.1957, S. 3–5; Entwurf Vortrag, 1.2.1957, mit Beschluss ZK-Präsidium, 6.2.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 541–574, hier S. 544, 568. 442 Vgl. Deklaration der vier Großmächte, in: Pravda, 13.2.1957, S. 5; Sitzung ZK-Präsidium, 2.2.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 223 f. 443 Molotov auf ZK-Plenum, 3. Sitzung, 24.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, hg. von Kovaleva u. a., S. 122 ff., hier S. 123. 444 Vgl. Mikojan auf ZK-Plenum, 3. Sitzung, 24.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, hg. von Kovaleva u. a., S. 143 ff., hier S. 156 f., 159; Kuznecov, 11. Sitzung, 28.6.1957, ebd., S. 439 ff., hier S. 440 f.

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langfristige Anziehungskraft sie vertrauten. Molotovs Politik alter Schule, war Chruščev überzeugt, »würde den Imperialisten nur helfen, ihre Kräfte gegen die UdSSR zu vereinigen.«445 »Genosse Molotov«, so die Generalabrechnung des Parteichefs mit seinem bis dato schärfsten ideologischen Kritiker, »wenn man Euch in der Führung Freiheiten lässt, dann richtet Ihr das Land zugrunde, Ihr führt es in die Isolation, und niemand kann garantieren, dass Ihr nicht eine abenteuerliche Tat begeht, die zum Krieg führen kann.«446 Chruščev setzte sich gegen seine Opponenten durch.447 Damit konnte er kurze Zeit später, auf der Jubiläumstagung des Obersten Sowjets zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution, seine Zukunftsvision unverfälscht präsentieren. Mit den »blühenden Sowjetrepubliken Mittelasiens« habe die UdSSR »im Osten […] Leuchttürme des Sozialismus geschaffen«. Angesichts der erfolgreichen Modellprojekte und aufgrund der »selbstlosen« sowjetischen Hilfe für die nach Freiheit und Unabhängigkeit strebenden Völker weltweit war es Chruščev zufolge nur noch eine Frage der Zeit, bis die Geschichte ihren Lauf nahm und »der Untergang der imperialistischen Herrschaft im Osten beginnt.«448 Das ambitionierte Gesamtprojekt erforderte nach Meinung des Kreml-Chefs die Unterstützung des gesamten sozialistischen Blocks. Hier strebte Moskau nach den Erschütterungen des XX. Parteitags und den Polen- und Ungarnkrisen danach, die sozialistische Kooperation parteipolitisch-ideologisch auf eine breite, lagerweit akzeptierte Grundlage zu stellen. Zu diesem Zweck arbeiteten die führenden Ideologen der KPdSU ab Anfang November 1957 an einer gemeinsamen Deklaration der Kommunistischen- und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder, die sich vom 14. bis 16. des Monats in Moskau versammelten. Angesichts der tatsächlichen Machtverhältnisse im Lager und der faktischen Entwicklungsmöglichkeiten des Sozialismus ging es dem ZK-Präsidium vor allem darum, eine gemeinsame Linie mit China zu finden.449 Letztlich ließen sich die vereinten Delegationen weitgehend von den Moskauer Deutungen inspirieren. Sie konstruierten ihrerseits eine Einheitsfront, gebildet von den »sozialistischen Staaten mit der Sowjetunion an der Spitze«, den nationalen Befreiungs445 Chruščev auf ZK-Plenum, 11. Sitzung, 28.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, hg. von Kovaleva u. a., S. 444 ff., hier S. 477. 446 Ebd., S. 470. 447 Beschluss ZK-Plenum, 29.6.1957, in: Molotov. Malenkov. Kaganovič, hg. von Kovaleva u. a., S. 563 ff., hier S. 565 f. 448 Rede zit. nach der deutschen Übersetzung in SAPMO-BArch, NY 4090/472, Bl. 184 ff. 449 Beschlüsse ZK-Präsidium, 2. und 10.11.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 718– 730.

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bewegungen und »friedliebenden«, »antiimperialistischen« Staaten der Dritten Welt. Auf dieser Basis akzeptierte die Versammlung die friedliche Koexistenz als adäquates Mittel, um den gesetzmäßigen Siegeszug des Sozialismus zu sichern. Damit konnte, auch hier ging man zumindest verbal konform, »die Arbeiterklasse in einzelnen kapitalistischen Ländern« das Parlament als »Instrument« für die Schaffung »der notwendigen Voraussetzungen für eine friedliche Verwirklichung der sozialistischen Revolution« nutzen.450 Gerade in dieser Frage hatten sich sowjetische Entwürfe optimistischer gegeben, was Zeitrahmen und Vorrang des friedlichen Prozesses anbelangte. Mit den Formeln der Deklaration waren entsprechende Unterschiede zu radikaleren – chinesischen – Ansichten übertüncht, nicht aber dauerhaft geklärt worden.451 Wichtiger waren aber zunächst einmal die grundsätzlichen Differenzen hinsichtlich der internationalen Beziehungen, die das indisch-sowjetische Verhältnis mitprägten. Hier erscheinen die Monate von Ende 1956 bis Mitte 1958 als eine ambivalente Übergangsphase. Während die direkten Kontakte unverdrossen fortgeführt wurden, stauten sich Spannungen in wichtigen Themenkomplexen auf, die mit den jeweiligen Grundstrategien verflochten waren und auf die bilateralen Beziehungen einwirkten: in der Chinapolitik ebenso wie hinsichtlich der CPI-Aktivitäten oder der Krisenherde Südasiens, Europas und der Dritten Welt. Auf bilateraler Ebene stand zunächst, vom 24. Januar bis 17. Februar 1957, der Besuch von Marschall Žukov in Indien auf dem Programm.452 Die Visite des renommierten Militärs diente unter anderem dazu, die sowjetisch-indischen Kontakte im Rüstungs- und Militärsektor nicht gänzlich abreißen zu lassen. Für diese ebenso wichtigen wie öffentlichkeitsscheuen Bande ist die Aktenlage durchgängig ausgesprochen schlecht. Unstrittig ist, dass es der indischen Politik vor dem Hintergrund der seit 1954 wahrgenommenen Aufrüstung Pakistans durch die USA darum ging, mittels Ausbau eigener Produktionen und durch die Diversifizierung der Rüstungskäufe das Liefermonopol der USA und Großbritanniens mit all seinen politischen und wirtschaftlichen Implikationen aufzubrechen. Mit diesem Ziel vor Augen ließ Nehru in Moskau inoffiziell mehr450 Erklärung der Beratung, 16.11.1957, in: Erklärung der Beratung, S. 4–23, hier S. 5–12, 19 f. sowie Pravda, 22.11.1957, S. 2. 451 Vgl. zu Entwürfen Beschluss ZK-Präsidium, 10.11.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 720–730, hier S. 728; Beratung ZK-Präsidium, 11.11.1957, in: Tomilina (Hg.), Nasledniki, S. 74–94; Anmerkungen Mao, o. D., ebd., S. 102 f.; Sitzungsprotokoll 14.–16.11.1957 sowie 16.–19.11.1957, ebd., S. 142–208, 234–492; Aufzeichnung Gespräch Judin mit Mao, 10.11.1957, ebd., S. 595–598; Shen/Xia, Mao, S. 248–253; Pantsov/Levine, Mao, S. 602–610. 452 Vgl. Bericht DDR-Botschaft Moskau, 27.2.1957, PA AA, MfAA, A 152, Bl. 31–37. Žukov unterbrach seinen Aufenthalt in Indien für einen fünftägigen Abstecher nach Burma.

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fach die Möglichkeit sowjetischer Zulieferungen sondieren.453 Die sowjetischen Spitzen zeigten sich ebenfalls an der Erweiterung militärischer Beziehungen interessiert. Sie waren bereit, neben Zivil- auch Kampf- und Transportflieger zu liefern. Deren Qualität unterlag keinem Zweifel.454 Dennoch hatte sich Delhi Anfang 1956 noch einmal für den Kauf britischer Canberra-Bomber entschieden. London und Washington hatten im Vorfeld nicht nur massiven Druck ausgeübt, sondern auch mit Zugeständnissen und Versprechungen hinsichtlich der technischen Ausrüstung, der Preisgestaltung sowie weiterer Militärhilfe gelockt.455 Delhi blieb jedoch mittelfristig willens, sich Vorteile eines differenzierten Angebots zu erschließen. Žukovs Besuch wie der folgende Empfang indischer Militärdelegationen in Moskau signalisierten, dass sich die UdSSR nicht aus dem Rüstungsgeschäft zurückgezogen hatte.456

453 Vgl. Nehru an Ministry of Defence Organisation, 21.2.1954, SWJN 2, Vol. 25, S. 295 f.; Nehru an Verteidigungsminister Katju, 22.9.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 346–348; V. Kuznecov an G. K. Žukov, 14.4.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 14, l. 22; Entwurf MID für Direktive zu Gesprächen mit Nehru, Juni 1955, ebd., d. 18, ll. 37 ff.; MID, Entwurf Gesprächsvorschlag für Besuch Chruščev und Bulganin in Indien, Oktober 1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 17, ll. 67 ff.; Singh, Between two fires 2, S. 254 f., 262 f. 454 Britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 2.3.1954, NAK, FO 371/112211; Nehru an Dutt, 12.11.1954, SWJN 2, Vol. 27, S. 493 f.; Aufzeichnung Gespräch G. K. Žukov mit indischem Geschäftsträger Moskau, Kaul, 28.6.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 14, d. 6, ll. 27 ff.; Nehru an K. P. S. Menon, 26.9.1955, SWJN, 2,30, S. 422 f. Ob tschechische oder polnische Avancen mit der UdSSR abgestimmt waren, ist angesichts der Aktenlage nicht zu bestimmen, aber wahrscheinlich, vgl. Nehru an Verteidigungsminister Katju und Defence Secretary Vellodi, 8.9.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 345; Nehru an Defence Secretary, 22.11.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 479 f. Wirtschaftliche Gesichtspunkte spielten bei den sowjetischen Angeboten im Übrigen einstweilen keine bedeutende Rolle, vgl. Archipov an Muchitdinov, 25.4.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 6 ff. 455 Vgl. u. a. Progress Report Operations Coordinating Board, 30.3.1956 zu NSC 5409 (6.3.1954), FRUS 1955–1957 VIII, S. 1–10, hier S. 5; Dulles an State Department, 11.3.1956, FRUS 1955– 1957 VIII, S. 308–311; Aufzeichnung über Gespräch Nehru mit Mountbatten am 17.3.1956, 13.4.1956, NAK, FO  371/123587; CRO an Eden, 8.5.1956, NAK, PREM  11/2291; Arora, V. K. Krishna Menon, S. 205–208; Brands, The specter, S. 123 f.; Banerji, India, S. 234 f., 240 f.; Gopal, Nehru 2, S. 252 f., 273 f. 456 Vgl. Bericht DDR-Botschaft Moskau, 27.2.1957, PA AA, MfAA, A. 152, Bl. 31–37; Nehru an Defence Secretary, 28.9.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 437 f.; Beschluss SovMin, 31.5.1957, zit. in Chruničev an SovMin, 3.7.1957, RGAĖ, f. 4372, op. 76, d. 316, ll. 49 f.; Men’šikov, S vintovkoj, S. 202–204. Zum Besuch einer indischen Militärdelegation vgl. u. a. Nehru an Defence Secretary, 28.9.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 437 f.; Aufzeichnung Gespräch DDR-Botschaftsrat Moskau in MID, 8.6.1957, AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 6, l. 33; Nehru an Mathai, 13.12.1957, SWJN, 2,40, S. 484; Khanduri, Thimayya, S. 213–215; Gopal, Nehru 3, S. 50 f. Vor dem Hintergrund der kontinuierlichen Bemühungen Moskaus setzt Iandolo, Imbalance, S. 32 f. die Zäsur für die zunehmende Militarisierung der Dritte-Welt-Politik zu scharf.

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Daneben war der Besuch Teil der sowjetischen Strategie, die internationale Kooperation mit Indien demonstrativ – und möglichst unter sowjetischen Vorzeichen – zu bestätigen und gegebenenfalls voranzutreiben.457 Delhi verhielt sich zurückhaltend: Dem Besuch des Marschalls wurde weder in der Öffentlichkeit noch in der Politik besondere Beachtung zuteil. Dabei lag es schon aufgrund aktueller Entwicklungen im Kashmirkonflikt in Indiens Interesse, das Verhältnis zur Veto-Macht UdSSR zu pflegen. Karachi läutete Anfang Januar 1957 im Sicherheitsrat eine neue Runde ein. Hintergrund war die neue Verfassung von Kashmir und Jammu, die den Staat endgültig zu einem Teil Indiens erklärte.458 Zwar konnte sich die Nehru-Regierung Anfang 1957 offenbar grundsätzlich eine Lösung durch Teilung entlang der Waffenstillstandslinie vorstellen. Delhi war indes voller Misstrauen gegen Regierung und System in Pakistan und reagierte allergisch auf alles, was als Versuch interpretiert werden konnte, von außen Druck und Drohkulissen aufzubauen.459 Um Pakistans neue Manöver in den UN ihrer Wirkung zu berauben, antichambrierten indische Diplomaten bei den Mitgliedern des Sicherheitsrats. Den US-amerikanischen Kollegen gegenüber ließ Krishna Menon – ob auf Weisung oder aus eigener Initiative, sei dahingestellt – den Hinweis fallen, dass Indien nicht sonderlich daran gelegen war, sich wieder auf ein Veto der UdSSR verlassen zu müssen. Dies, argumentierte Menon, würde bei den anstehenden nationalen Wahlen nur der CPI nützen und generell Indiens internationale Mittlerstellung kompromittieren.460 Die UdSSR hielt zu diesem Zeitpunkt an ihrer Position von 1955 fest.461 Die pakistanische Initiative wurde in Moskau als bloßes Manöver gewertet, 457 Vgl. geschäftsführender britischer Hochkommissar Delhi, Clark, an SoS CRO, 2.3.1957, NAK, DO 35/6580. 458 Vgl. pakistanischer Außenminister an Präsident SC, 2.1.1957, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 285–288; pakistanische und indische Verlautbarungen zur Demilitarisierung Kashmirs, 16. und 24.1.1957, ebd., S. 289–307. Zu gegenläufigen Vorstellungen Abdullahs, der darob bereits 1953 durch G. Bakshi ersetzt worden war, vgl. u. a. Bhattacharjea, Sheikh Mohammad Abdullah, S. 149–205; Gopal, Nehru 2, S. 117–132. 459 Vgl. Protokoll Gespräche Eisenhower mit Nehru 17./18.12.1956, hier S. 9 f., RSC, Eisenhower Office Files, Part 2, Reel 17; Aufzeichnung Gespräch SoS CRO mit V. L. Pandit, 9.1.1957, NAK, FO 371/129764; Nehru an Mountbatten, 11.2.1957, SWJN 2, Vol. 36, S. 383–385, hier S. 384; Nehru an Premier Kashmir, Bakshi, 5.5.1957, ebd., S. 414 f.; Nehru in Lok Sabha, 17.12.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 575–589, hier S. 588 f. 460 Vgl. US-Vertretung UN an State Department, 10., 11. dnd 28.1.1957, FRUS 1955–1957 VIII, S. 107–113, 120 f., hier S. 112. 461 Vgl. Maksimov an Šepilov, 14.1.1957, AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 6, ll. 6 f.; Rede sowjetischer UN-Vertreter SC, 24.1.1957, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 152–154.

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das Indien und die UdSSR auseinanderdividieren und den Konfliktherd nahe der UdSSR zugunsten pakistanischer und imperialistischer Kräfte am Köcheln halten sollte.462 Pakistanische Maßnahmen dienten demnach dazu, das Land mit Kashmir als Basisstation in ein »militärisch-strategische[s] Aufmarschgebiet der USA gegen die Sowjetunion und die KNR« zu verwandeln.463 Diese Sichtweise entsprach ganz dem Gesamtbild, welches man sich in Moskau von der pakistanischen Politik machte, noch bevor Ayub Khan 1958 seine Militärdikatur errichtete. In der ersten Abstimmung des Sicherheitsrats enthielt sich die UdSSR allerdings der Stimme.464 Aus den zugänglichen Quellen geht nicht hervor, ob Moskau hier dem Vorbild Chinas folgte. Peking bezog im Kashmirkonflikt keine eindeutige Stellung und erhielt sich auf diese Weise Spielraum für Beziehungen zu Karachi.465 In Delhi versicherte der sowjetische Botschafter Nehru, dass der indische UN-Gesandte Lall auf eine Enthaltung gedrängt habe, damit die Debatte nicht in die Generalversammlung der UN verlagert werden konnte. Nehru und Krishna Menon gingen allerdings davon aus, dass Moskau auf eine explizite Bitte Delhis um ein Veto gewartet hatte.466 So oder so maß die indische Außenpolitik dem sowjetischen Abstimmungsverhalten keine weitreichende Bedeutung bei. Die sowjetische Diplomatie vermittelte offenbar mit ausreichender Überzeugungskraft den Eindruck, dass die Enthaltung keinen fundamentalen Kurswechsel Moskaus gegenüber Indien und in der Kashmir-

462 Vgl. Šepilov an ZK, 17.1.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 6, ll. 1 f.; Entwurf Gromyko für Antwort Bulganin an Karachi, [Januar/Februar 1957], AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 6, ll. 7 ff.; Note UdSSR an Pakistan, 23.2.1957, zit. nach Lichačev an Muchitdinov, 18.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 300, ll. 44–61, hier Bl. 55; sowjetische Aide Memoires an Pakistan mit Antworten, ab 26.12.1958, in: Jain (Hg.), Soviet South Asian relations 2, S. 16–22. 463 Volkov an Verteidigungsministerium, Leiter Abteilung für Außenbeziehungen, Sokolov, 13.5.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 6, ll. 11 f. Vgl. sowjetischer Botschafter Karachi, Šped’ko, an SOA MID, 8.1.1958, AVP, f. 117, op. 12, papka 21, d. 20, ll. 1 ff.; Bericht Geschäftsträger sowjetische Botschaft Karachi, Petuchov, 20.11.1958 sowie Anmerkungen Lichačev, 26.11.1958, AVP, f. 117, op. 12, papka 21, d. 20, ll. 65 ff., 74; Lichačev an ZK, 3.2.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 20 ff., hier ll. 40–46, v. a. l. 44; Gauhar, Ayub Khan, S. XXXVIII–XLIII, 27–95; Ram, Soviet policy, S. 82–90, 171; Muhamad, The United States, S. 139–145, 154 f., 159 f. 464 Vgl. Resolution SC, 24.1.1957, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 307 f. 465 Vgl. US-Botschafter Karachi, Hildreth, an State Department, 30.3.1957, FRUS 1955–1957 VIII, S. 476–478; Patoličev an ZK, 30.9.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 6, ll. 27 f., 33. 466 Vgl. Nehru an Secretary General, Foreign Secretary und Commonwealth Secretary, 29.1. und 9.2.1957, SWJN 2, Vol. 36, S. 352 f., 374 f.; Nehru an Krishna Menon, 26.1.1957, ebd., S. 353; MID-Abteilung Südasien, Bryncev, Überblick zur Kashmirfrage, 25.6.1963, AVP, f. 117, op. 17, papka 31, d. 16, ll. 1–17.

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frage signalisierte.467 Und tatsächlich: »Im Hinblick auf eine Verbesserung des Verhältnisses zu Indien«, lautete die allgemeine Marschrichtung des MID 1957, »ist jede Unterstützung Indiens in der Kashmirfrage sehr wichtig und weckt in Indien große Sympathien.«468 Im zweiten Durchgang Mitte Februar legte die UdSSR im Sicherheitsrat ihr Veto gegen neue Kashmir-Resolutionen ein. Dies kam der indischen Regierung nur gelegen.469 In den folgenden Monaten war in den indisch-pakistanischen Beziehungen keinerlei Anzeichen für eine Entspannung zu erkennen. Die Auseinandersetzung galt Delhi als ein Beweis des pakistanischen Verrats an ›asiatischen Werten‹ sowie als Exempel für die verheerenden Wirkungen militärischer Ansätze im Allgemeinen und der Einbeziehung asiatischer Staaten in amerikanische Bündnisse im Besonderen. Das Bedrohungsszenarium gewann durch Unruhen in Kashmir und die anhaltenden Rüstungsanstrengungen in Karachi noch an Brisanz.470 Die indische Seite konnte sich in den UN-Debatten weiterhin auf die sowjetische Unterstützung verlassen. Britische Diplomaten gingen im Herbst 1957 davon aus, dass sich die indische UN-Delegation in der neuen Verhandlungsrunde des Sicherheitsrats aktiv um ein sowjetisches Veto gegen die als propakistanisch empfundene Majorität bemühte.471 Das war kaum notwendig. Gromyko befürwortete intern ohnehin, den neuen Resolutionsentwurf aufgrund der deutlichen Unzufriedenheit Indiens auch ohne explizite Bitten der indischen Kollegen abzuschmettern. So kam am 2. Dezember 1957 nur eine repetitive Resolution des Sicherheitsrats zustande.472

467 Vgl. Vemerk Nehru über Informationen Men’šikovs über pakistanisch-sowjetischen Briefwechsel, 1.3.1957, SWJN, 2,37, S. 406 f. 468 Besprechung DDR-Delegation im MID, 15.10.1957, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 88, hier Bl. 116. Vgl. Šepilov an ZK, 11.2.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 6, l. 5. 469 Vgl. Pressemitteilung Nehru, 21.2.1957, SWJN 2, Vol. 36, S. 403 f.; sowjetischer UN-Gesandter Sobolev vor SC, 18. und 20.2.1957, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 154–161. Im Mai 1957 besuchte Botschafter Men’šikov »inoffiziell« Kashmir, vgl. Men’šikov, S vintovkoj, S. 207–210. 470 Aufzeichnung Gespräch SoS CRO mit V. L. Pandit, 31.1.1958, NAK, DO 35/8290; Nehru in Lok Sabha, 2.9.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 516–538, hier S. 520 f.; Nehru an Chief Ministers, 12.1. und 18.5.1958, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 1–8, 40–50; Rede Nehru, Bombay, 3.2.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 40 ff., hier S. 42 f. 471 Vgl. britische UN-Delegation an FO, 19. und 23.11.1957, NAK, FO 371/129781–82; britische UN-Delegation, Dixon, an CRO, L[a]ithwaite, 13.11.1957, NAK, FO 371/129782. 472 Vgl. Gromyko an ZK, 21.11.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 6, ll. 39 f.; Resolution Nr. 126, u. a. unter https://undocs.org/S/RES/126(1957) (letzter Zugriff: 25.4.2018); sowjetische UN-Vertreter vor SC, 5. und 21.11., 2.12.1957, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 162–171; Luard, A history 1, S. 290–292.

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Mit Blick auf Kashmir entsprach es durchaus indischen Interessen, dass die UdSSR an ihren ideologischen Einschätzungen der Nähe der pakistanischen Außenpolitik zu den USA festhielt.473 Indische Berichte über US-Militärbasen in Pakistan fielen bei ihren sowjetischen Kollegen auf fruchtbaren Boden.474 Generell setzte die UdSSR gegenüber dem US-Verbündeten und Nachbarn Indiens in dieser Phase neben wirtschaftlichen Lockangeboten vor allem auf Drohungen und Druck.475 Die geschlossene indisch-sowjetische Front trug das Ihre dazu bei, dass der Kashmirkonflikt – vermischt mit der Indus-Problematik – einstweilen ungelöst blieb und Vermittlungsbemühungen nicht nur der USA, sondern auch der UN erfolglos waren.476 In anderen internationalen Fragen war es für die indische und sowjetische Diplomatie schwieriger, zusammenzufinden. Insbesondere bei Abrüstungs- und Entspannungsproblemen zeigte sich weiterhin das unterschiedliche Grundverständnis Delhis und Moskaus.477 Schließlich wich Nehru im Sommer 1958 einer Einladung zu einem zweiten Besuch in die UdSSR aus.478 Zu diesem Zeitpunkt hatte sich seine Einschätzung sowohl der UdSSR als auch der internationalen Situation spürbar verschlechtert.

473 Vgl. Patoličev an ZK, 30.9.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 6, ll. 27–33; Bericht DDR-Botschaft Moskau über Aufenthalt sowjetischer Parlamentsdelegation in Pakistan, 15.2.1958, PA AA, MfAA, A. 228, Bl. 22–26; sowjetische Aide Mémoires an Pakistan, 14.4. und 26.12.1958, in: Jain (Hg.), Soviet South Asian relations 2, S. 10–12, 16. 474 Vgl. Maksimov an Botschafter Karachi, Sped’ko, 9.10.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 1, l. 4; Šped’ko an Gromyko, 3.11.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 6, l. 37; Vermerk sowjetische Botschaft Karachi über Besuch britischer Premier Macmillan in Karachi, 29.1.1958, AVP, f. 117, op. 12, papka 21, d. 20, ll. 26 ff. 475 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Bulganin mit pakistanischem Arbeitsminister Alin, 14.12.1957, AVP, f. 117, op. 11, papka 18, d. 1, ll. 14 ff.; sowjetische Aide Memoires, 14.4. und 26.12.1958 in: Jain (Hg.), Soviet South Asian relations 2, S. 10–12, 16; sowjetisch-pakistanische Notenwechsel, Anfang 1959, NARA, RG 59, Central Files, Soviet Union, C0015, 1955–1959, Reel 9 (661.91); McMahon, The cold war, S. 229–259. 476 Vgl. Graham-Bericht, 28.3.1958, UNA, S-0442, Political and Security, Box 344 sowie Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 317–325; Dayal, A life, S. 256–331, v. a. S. 269 und 314–318; Glietsch, Der Einfluss, S. 67–70. 477 Vgl. Nehru an Secretary General, Foreign Secretary, 31.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 743 f.; Beschlüsse ZK-Präsidium, 4.3. und 2.11.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 601– 609, hier S. 608 sowie 719 f.; Nehru an Krishna Menon, 3.12.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 596 f.; Nehru an Bulganin, 11. und 18.12.1957, 13.1.1958, ebd., S. 599, 601 sowie Vol. 41, S. 739 f.; Dutt an indischen Chargé d’Affaires Peking, Singh, 5.2.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 749 f.; Vermerk ZK-Apparat über China, 19.9.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 307, ll. 49 ff., hier l. 66. 478 Vgl. Nehru an Chruščev, 3.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 637 f. Die Einladung datierte vom 31.5.1958.

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In der sowjetischen (und chinesischen) Jugoslawienpolitik entdeckte nicht nur Nehru »eine Rückkehr zu größerer ideologischer Rigidität«, die sich nur schwer mit den Prinzipien von Nichteinmischung und Achtung der staatlichen Souveränität verbinden ließ.479 Außerdem verdammten die ideologischen Gralshüter in Moskau jugoslawische Positionen, die der indischen Politik durchaus erstrebenswert erschienen: Moskau bemängelte ja unter anderem Belgrads vermeintlichen Verzicht auf den Klassenkampf sowie Titos Neigung, den globalen Systemkonflikt auf seine großmachtpolitisch-militärischen Dimensionen zu reduzieren.480 Imre Nagys Hinrichtung am 16. Juni 1958 in Budapest bestärkte Nehru in seinem Unbehagen. Insgesamt wirkten die sowjetischen Aktivitäten auf ihn wie ein Rückfall in schlimme Zeiten, mit all ihren verderblichen Implikationen für globale Friedens- und Entspannungsmöglichkeiten. »I do not consider Khrushchev as a person devoted to peace or peaceful methods«.481 Derweil entluden sich im Nahen Osten erneut regionale Spannungen. Mit dem Sturz der prowestlichen Regierung im Irak, der amerikanischen Intervention im Libanon und der Verlegung britischer Truppen nach Jordanien gewannen die mit den Fronten des Kalten Kriegs verwobenen arabischen Zwistigkeiten Mitte Juli 1958 eine neue Dimension. Prompt schmiedete die UdSSR wieder an ihrem antiamerikanischen Bündnis von Zweiter und Dritter Welt. Moskau lud »in dieser gefährlichen Stunde der Menschheit« neben den Regierungschefs der USA, Großbritanniens und Frankreichs auch Nehru und UN-Generalsekretär Dag Hammarskjöld zu einem Gipfel ein.482 Wieder einmal versuchte die sowjetische Politik und Propaganda, Delhi aktiver und vor allem einseitiger »in den

479 Nehru an Dutt, 15.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 676 f. Vgl. Vermerk Nehru über Gespräch mit sowjetischem Botschafter, 3.7.1958, SWJN 2, Vol. 43, S. 547–549; Menon, The flying troika, S. 207 f. 480 Vgl. Protokoll Gespräch Zhou Enlai mit DDR-Ministerpräsident Grotewohl, 23.1.1959, SAPMO-BArch, NY 4090/491, Bl. 324 ff.; Pomelov, Nesostojatel’nye popytki; Fedoseev/Pomelov/ Čeprakov, O proekte programmy, S. 16–21; Ponomarev, Meždunarodnoe kommunističeskoe dviženie, S. 24–26; Taubman, Khrushchev, S. 388 f.; Renkama, Ideology, S. 238–260. 481 Nehru an Professor für Theologie und vergleichende Religionswissenschaften, Bouquet, Cambridge, 30.8.1958, SWJN 2, Vol. 44, S. 630. Vgl. Nehru an Dutt, 20.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 650; Nehru an K. P. S. Menon, 28.6.1958, ebd., S. 653 f. 482 Beschluss ZK-Präsidium, 19.7.1958, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 864, 882–887, hier S. 884 f. Vgl. Protokoll Sitzung ZK-Präsidium, 19.7.1958, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 318–326, hier S. 325; Chruščev an Nehru, 19.7.1958, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 172 f.

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Kampf für die Beendigung der nicht-provozierten Aggression gegen die arabischen Länder« einzubinden, als es indischen Grundeinstellungen entsprach.483 Die indische Außenpolitik musste in dieser Phase insgesamt gewahr werden, dass ihr internationales Gesamtgebäude an verschiedenen Stellen fragil war. Indische Diplomaten erkannten auch jetzt wenig Chancen, die afro-asiatischen Verbindungen zu stärken.484 Zudem hatte sich 1958 Maos Peking nach einer »Phase der Flitterwochen« aus der von Nehru auch gegen den Widerstand diverser indischer Diplomaten und Minister betriebenen Partnerschaft einer ›asiatisch‹ informierten Friedens- und Verständigungspolitik gelöst. Es wurde immer deutlicher, dass der indisch-chinesische Gegensatz aus mehr bestand als aus einem verdeckten Wettbewerb um die erfolgreichere Wirtschaftsentwicklung.485 Bereits ab 1956 erzeugten wiederholte »kleine Vorfälle« an der indisch-chinesischen Grenze bei Tibet und der Ausbau eines chinesischen Kommunikationsnetzes innerhalb Tibets in Indien eine gewisse Unruhe.486 Die Zentralregierung konnte sich in dieser Periode trotz Vorhaltungen des Verteidigungsministeriums noch nicht zu weitreichenden konkreten Gegenmaßnahmen durchringen. Wachstum, Wohlstand und Einheit stellten die beste Verteidigung dar, beschied Nehru Ende Juli 1956 Verteidigungsminister Katju.487 Darauf beharrte der Premier weiterhin, obwohl direkte Gespräche mit Zhou Enlai ab Dezember 1956 Diskrepanzen in wichtigen Fragen offenlegten. Dass der Pekinger Gesandte das sowjetische Vorgehen in Ungarn verteidigte, war für Nehru sicherlich keine große Überraschung. Angesichts der Erschütterung der sozialistischen Macht in Europa und mit Blick auf eine angeblich weltweite imperialistische Unter483 Beschluss ZK-Präsidium, 19.7.1958, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 864, 882–887, hier S. 886. Vgl. Aufzeichnung Gespräche Nehru mit Tito, 14. und 15.1.1959, NMML, Subimal Dutt Papers, 95; Nehru an Chruščev, 20.7.1958, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 174 f.; Gopal, Nehru 3, S. 77 f. 484 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 13.4.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 701; Nehru an Premier Sri Lanka, Bandaranaike, 20.4.1958, ebd., S. 703–705; Protokolle Gespräche Nehru mit Tito, 14. und 15.1.1959, NMML, Subimal Dutt Papers, 95. 485 Shang, Sino-Indian friendship, S. 237. Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 5. Sitzung, 2.7.1956, NAK, CAB 133/148; Nehru an U Nu, 4.9.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 507 f.; Nehru an Zhou Enlai, 12.9.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 511 f.; indische Botschaft Peking an MEA, 28.7.1956, NAI, F 10 (20)-FEA/56 (S); Nehru an Chief Ministers, 3.4.1956, in: Parth­ asarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 4, S. 357–365, hier S. 359; Nehru an Tito, 3.4.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 364–367, hier S. 366; Interviews Nehru mit Brecher, 6. und 13.6.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 512–555, hier S. 527 f. 486 Nehru an Krishna Menon, 6.5.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 475 f., hier S. 476. Vgl. auch Material zum Besuch chinesischer Vizepremier in Indien, November 1956, NAI, 10 (4) FEA/56; Nehru an Defence Minister, 31.8.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 697 f. 487 Nehru an Katju, 28.7.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 203 f. Vgl. Sinha/Athale, History, S. 26 f.

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wanderung des Sozialismus warf Zhou Enlai jedoch auch die Tibet- und Grenzfrage mit neuer Schärfe auf. Mehrfach kam Zhou auf subversive Einflüsse des Auslands zu sprechen, die ihre Basis im indischen Kalimpong haben sollten. Zugleich stellte er die Berechtigung – nicht den Verlauf – der McMahon-Linie zur Disposition.488 Dies allerdings interpretierte Nehru als chinesische Akzeptanz der faktischen Grenzziehung.489 Die ideologische Dimension der chinesischen Erklärungen, genauer: ihren ideologischen Sprengstoff, wollte der indische Premier immer noch nicht erkennen. 1957 sah sich Delhi ebenfalls häufiger mit der Anwesenheit chinesischer Soldaten respektive Polizisten in von Indien beanspruchten Gebieten konfrontiert. Darüber hinaus wurden indische Verbindungen nach Tibet gestört.490 Delhis Vorhaben, eigene Kommunikationswege und Außenposten im Grenzgebiet auszubauen, nahm in diesem Jahr nur langsam Gestalt an. Daneben betrieb Nehru weiterhin Beziehungspflege zu Tibet selbst.491 Dabei steigerte sich 1957 die chinesische Empfindlichkeit gegenüber allen empfundenen Angriffen auf die eigene Position und Politik ganz erheblich. Wirklich problematisch war in indischen Augen allerdings, dass sich Maos Ansichten über die friedliche Koexistenz nicht mit denen Delhis vereinbaren ließen.492 Das indisch-chinesische Verhältnis spitzte sich 1958 weiter zu. Anfang Februar 1958 bestätigte Staatsminister Dutt endgültig Informationen, dass China eine Straße durch das auch von Indien beanspruchte Gebiet von Aksai Chin gebaut hatte. Die MEA-Spitze verlegte sich zunächst auf informelle, auf jeden Fall nichtöffentliche Vorhaltungen. Da chinesische Grenzverhandlungen mit Burma positiv verliefen, erwartete man sich in Delhi im eigenen Fall ebenfalls

488 Vgl. Protokoll Gespräche Nehru mit Zhou Enlai, 31.12.1956, 1. und 24.1.1957, SWJN 2, Vol. 36, S. 583–603, 623–638, hier S. 590, 592, 598–601, 638; Nehru an indischen Botschafter Peking, R. K. Nehru, 5.6.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 746 f. 489 Vgl. Nehru an U Nu, 22.4.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 507–509, hier S. 508; Nehru an Chief Minister Uttar Pradesh, Sampurnanand, 14.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 689 f.; Nehru an Foreign Secretary, 30.7. und 23.8.1957, ebd., S. 693 sowie Vol. 39, S. 651–654, hier S. 654. 490 Vgl. Dutt an indische Botschaft Peking, 28.3.1957 und April 1957, NMML, Subimal Dutt Papers, 48 f.; Nehru an Foreign Secretary, 24.8.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 697; Nehru an Defence Minister, 31.8.1957, ebd., S. 697 f. 491 Vgl. Dutt an indische Botschaft Peking, 28.3.1957, NMML, Subimal Dutt Papers, 48; Nehru an U Nu, 22.4.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 507–509; Nehru an Dalai Lama, 8.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 687 f.; Nehru an Dutt, 13.5. und 17.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 659–661. 492 Vgl. Nehru an Dutt, 15.10.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 699; Nehru an Zhou Enlai, 15.10.1957, ebd., S. 701; Nehru an Foreign und Commonwealth Secretary, 2.10.1957, ebd., S. 716–719, hier S. 719.

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keine dauerhaften Probleme.493 Die indische Politik beharrte auf dem Standpunkt, dass es hinsichtlich der chinesisch-indischen Grenze ohnehin nichts zu Bereden gebe.494 Aus diesem Verständnis heraus baute Indien sein Kommunikationsnetz Richtung Tibet via Sikkim aus und setzte den traditionellen Handel mit der Region fort.495 Dabei war sich Delhi der prekären Lage in Tibet wohl bewusst, wo Rebellen gegen eine faktisch militärische Besatzung kämpften.496 Vor diesem komplexen Hintergrund gerierte sich Peking Indien gegenüber zunehmend unfreundlich. Eine indische Flugverbindung nach Lhasa wurde Anfang 1958 endgültig abgelehnt, ein Besuch Nehrus in Tibet nach einigem Hin und Her im Sommer 1958 auf unbestimmte Zeit verschoben. Im Herbst ließ Peking den indischen Premier, der nach Bhutan reisen wollte, ungewöhnlich lange auf das notwendige Transitvisum warten. Chinesische Karten wiesen immer noch strittige Gebiete als zu China zugehörig aus. Seit Anfang September 1958 hielten chinesische Behörden indische Aufklärungstrupps im Gebiet Aksai Chin gefangen.497 Im MEA registrierte man den chinesischen Stimmungswechsel. Doch Nehru war noch im Frühsommer 1958 überzeugt, dass asiatische Gemeinsamkeiten und nationale Traditionen eine kooperative indisch-chinesische Politik begründen könnten.498 Die chinesische Führung hatte sich zu dieser Zeit längst von derartigen Vorstellungen entfernt. Weder international noch national hätten sich sowjetische optimistische Annahmen über Indien 493 Vgl. Nehru an Dutt, 4.2. 8.4.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 674 sowie Vol. 42, S. 655; US-Vertretung Rangoon an State Department, 11.3.1958, FRUS, Supplement MF, Vol. XV/XVI, Part 1, Nr. 9. Der Straßenbau hatte wesentlich vor 1958, spätestens 1956, begonnen, vgl. CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section I: 1950–59, 2.3.1963, S. 5, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-07.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Agrawal, India, S. 73 f., 94 f.; Mullik, My years, S. 199, 205. 494 Vgl. Nehru in Lok Sabha, 4.9.1958, SWJN 2, Vol. 44, S. 567–569. 495 Vgl. Nehru an Staatssekretär Innenministerium, Jha, 4.10.1958, SWJN 2, Vol. 44, S. 454 f.; Nehru an Chief Ministers, 15.10.1958, ebd., S. 19–27, hier S. 19–21; Patil, India’s China policy, S. 292 f. 496 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 5. und 14.10.1958, SWJN 2, Vol. 44, S. 570, 639–641; Nehru an Foreign Secretary, Dutt, 8.10.1958, ebd., S. 570 f.; Vermerk Nehru, 26.9.1958, ebd., S. 311– 322, hier S. 315 f. 497 Vgl. Nehru an Dutt, 24.2. und 4.11.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 675 sowie Vol. 45, S. 697 f.; Nehru an Politischen Offizier Sikkim, Pant, 11.7.1958, SWJN 2, Vol. 43, S. 534; indisch-chinesischer Notenwechsel, Juli bis Dezember 1958, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 474–482; CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section I: 1950–59, 2.3.1963, S. 5–7, https:// www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-07.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Gopal, Nehru 3, S. 78 f., 83. 498 Vgl. Nehru vor AICC, 12.5.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 525–528, hier S. 527; Nehru an Dutt, 15.6.1958, ebd., S. 676 f.; Nehru an K. P. S. Menon, 28.6.1958, ebd., S. 653 f.

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erfüllt, so chinesische Diplomaten im März 1958 in der DDR. Indiens Verhältnis zu den sozialistischen Staaten habe sich trotz des Engagements der UdSSR nicht verändert, denn »die indische Politik werde« eben doch »von dem jeweiligen Kräfteverhältnis der Klassen im eigenen Land und der internationalen Lage« bestimmt.499 Auf internationaler Ebene demonstrierte Peking im August 1958 mit dem Beschuss der zu Taiwan zählenden Quemoy-Inseln, wie weit man von indischen Konzeptionen entfernt war. Im Kern war diese Aktion Chinas als Kontrapunkt zur sowjetischen Außenpolitik gedacht. Ungeachtet erster sowjetischer Irritationen über das chinesische Potential respektive chinesische Selbständigkeiten etwa in Fragen der Destalinisierung, in ideologischen und wirtschaftspolitischen Fragen oder bezüglich der militärischen Zusammenarbeit hatte Moskau sich in den Vorjahren einen erheblichen Beitrag der Pekinger Genossen zur sozialistisch-sowjetischen Außenpolitik versprochen. Davon zeugten intensive Konsultationen im Umfeld der Polen- und Ungarnkrisen 1956 ebenso wie die sowjetischen Abstimmungsbemühungen vor der Moskauer Konferenz der kommunistischen Parteien. Dazu hatte die sowjetische Diplomatie frühere chinesische Kritikpunkte an der indischen Tibet- und Grenzpolitik übernommen.500 Die chinesische innen- und außenpolitische Radikalisierung und Dogmatisierung jedoch rief im Kreml Unbehagen hervor.501 Mao setzte der von ihm wahrgenommenen weichen internationalen Haltung der UdSSR die Forderung entgegen, den »Imperialisten« »in allen Situationen, d. h. also auch bei Zuspitzung der Lage, [zu] zeigen […], dass man keine Angst vor ihnen habe. Nur so könne man einen Krieg vermeiden«. »Gleichzeitig sei es jedoch auch notwendig«, erläuterte Mao dem sowjetischen Parteichef bei dessen Besuch in Peking, »mit imperialistischen Kriegsabenteuern zu rechnen und sich darauf vorzubereiten. Diese Vorbereitung […] müsse auch ihren Ausdruck in konkreten Maßnahmen 499 Aufzeichnung Gespräch DDR-Handelsvertretung mit Pan Tzu-li, 10.3.1958, PA AA, MfAA, A. 9990, Bl. 53. Vgl. zu Gesprächen Ghoshs in Peking CIA, ›Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, ESAU XVI-62, 7.2.1962, S. 48 f., ESAU XVI-62, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 500 Vgl. Nehru an Krishna Menon, 6.5.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 475 f.; Nehru an Foreign Secretary und Joint Secretary, 12.5.1956, ebd., S. 477 f.; Aufzeichnungen Gespräche Nehru, Tito und Nasser in Brioni, 18.7.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 297–304, hier S. 298; Protokolle Gespräche Chruščev mit Mao, 31.7.1958 und 2.10.1959, in: Zubok (Hg.), The Mao-Khrushchev conversations, S. 250–270; Chen, Mao’s China, S. 64–70, 146–160; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 46–79; MacFarquhar, The origins 2, S. 7–19, 51 ff., 132–135; Jun, 1962, S. 1–9; Shen/Xia, The whirlwind; Galenovič, Rossija, S. 284–341. 501 Vgl. Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 90–95, 101–104, 109–113; Jian, China, S. 90 f.; Shen/Xia, Mao, S. 146–270.

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finden.«502 Der Beschuss der Quemoy-Inseln war Bestandteil dieses Programms. Die internationale Konfliktbereitschaft korrespondierte mit der Idee, die chinesische sozialistische Transformation durch unablässige innen-, wirtschaftsund gesellschaftspolitische Anspannung und Mobilisierung voranzutreiben.503 Die militärische Zuspitzung kam Moskau sehr ungelegen. Die sowjetische Politik versuchte, die Krise abzumildern, sie jedoch zugleich zugunsten des von Moskau angestrebten Bündnisses zwischen Zweiter und Dritter Welt zu nutzen. Das ZK-Präsidium riet Mao, eine Versammlung, möglichst in Delhi, von Vertretern Chinas, der UdSSR, der USA, Indiens, Indonesiens, Burmas, Ceylons, Kambodschas, Pakistans und Thailands vorzuschlagen, um das Taiwanproblem zu beraten. Die Regierung der USA, so der sowjetische Plan, würde kaum an einer solchen Konferenz interessiert sein und sich mit dieser Verweigerungshaltung in der Weltöffentlichkeit blamieren und isolieren.504 Peking nutzte die indische Karte jedoch zuvorderst, um Taiwan oder die USA vor einer Ausweitung der Krise zu warnen. Dadurch bewies man ebenfalls antiimperialistische Kampfbereitschaft und Selbständigkeit, unabhängig von sowjetischen und indischen Überlegungen.505 In Indien wollte die öffentliche und politische Meinung den chinesischen Nationalismus mehrheitlich nicht verurteilen. Allerdings konnte Delhi die neuen Töne und Taten aus Peking kaum gutheißen.506 Nehru machte seinem Unmut über den kommunistischen Beitrag zur Verschärfung der globalen Spannungen in dem Schriftsatz »The Basic approach« Luft. Der Mitte Juli 1958 weitgehend abgeschlossene Artikel erschien im August in der Kongress-Zeitschrift AICC Economic Review.507 Die Ausarbeitung führte 502 Vermerk DDR-Botschaft Moskau über Unterrichtung durch chinesischen Botschafter Lü Sao über Gepräch Mao mit Chruščev, 18.8.1958, SAPMO-BArch, DY 30/3603, Bl. 86 ff., hier Bl. 86 f. Vgl. Sitzung ZK-Präsidium, 4.8.1958, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 326 f. 503 Vgl. neben Anm. 502 DDR-Botschafter Peking, Wandel, Kurze Niederschrift der Aussprache der Regierungsdelegation mit Mao, o. D. [Anfang 1959], SAPMO-BArch, NY 4090/491, Bl. 352 ff.; Chen, Mao’s China, S. 69–78, 161–191; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 80–90, 95–109; Chen/Yang, Chinese politics; Fravel, Strong borders, S. 241–249; MacFarquhar, The origins 2, S. 92–100; Shen/Xia, Mao, S. 323–329. 504 Vgl. Beschluss ZK-Präsidium mit Anlagen, 27.9.1958, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 891–893, hier S. 893; Chang, Friends, S. 183–204. 505 Vgl. Chen, Mao’s China, S. 186–191. 506 Ähnliche Reaktionen erfolgten auf die – in indischer Sicht – Militanz arabischer Nationalismen, vgl. Nehru an Chief Ministers, 6.9.1958, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 113– 124; Nehru an Macmillan, 7.9.1958, SWJN 2, Vol. 44, S. 572–574; Aufzeichnung Gespräch SoS CRO mit Krishna Menon, 14.9.1958, NAK, DO 35/9014; Nehru an Chruščev, 20.7.1958, SWJN 2, Vol. 43, S. 482 f.; Nehru in Lok Sabha, 19.8.1958, ebd., S. 427–437, hier S. 431–434. 507 Zur Urfassung vgl. Nehru an Chief Ministers, 13.7.1958, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 80–90.

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noch einmal Nehrus Kernüberlegungen zusammen. Der Aufsatz prangerte neben der »Unterdrückung der Freiheit des Individuums« auch in der UdSSR und der »Mißachtung dessen, was man als die moralische und geistige Seite des Lebens bezeichnen kann«, insbesondere die »unglückselige Verbindung des Kommunismus mit der Gewalt« an: »[S]o spricht er die Sprache der Gewalt, seine Ideen sind gewaltsamer Natur, und er strebt die Veränderungen nicht durch Überzeugung oder friedliche demokratische Einwirkung, sondern nur durch Gewalt und faktisch durch Zerstörung und Vernichtung an«.508 Die real existierende Politik der sozialistischen Mächte widersprach Nehrus Auffassung nach nicht nur der gesamten indischen politischen Kultur, sondern führte in der Konsequenz zu innenpolitischem Chaos und zur kriegerischen Katastrophe.509 Als Zusammenfassung bekannter Gedanken war der Aufsatz, so der Premier im Rückblick, nicht als Angriff auf die sowjetische oder andere Politik konzipiert.510 Dennoch war die Veröffentlichung der Nehru’schen Fundamentalkritik an der sowjetischen Lehre ungewöhnlich und wurde zumindest in Moskau denn auch als mehr oder weniger unfreundlicher Akt aufgenommen. Bereits im Mai 1958 war Chruščev Botschafter Menon wegen indischer Kritik an der Moskauer Jugoslawienpolitik angegangen.511 Auf Nehrus Publikation antwortete nun mit Pavel Judin eine gewichtige Persönlichkeit der sowjetischen Politik und Ideologie. Der Philosophieprofessor war zu dieser Zeit immerhin Botschafter in Peking und Mitglied des ZK.512 Auch er brachte letztlich altbekannte Vorstellungen zu Papier. Neu war der scharfe Ton, mit dem Judin in aller Öffentlichkeit die Verteidigung führte, und neu war auch die Offenheit, mit der er innen- und wirtschaftspolitische Entwicklungen unter der Kongresspartei kritisierte. Der interne Vorlauf des Artikels lässt sich aus den vorliegenden Akten nicht rekonstruieren. Das Papier gab möglicherweise eine unter MID-Chinaexperten verbreitete Ansicht wieder, dass auch Indien nicht vor der Gefahr eines »Rechtsrucks« gefeit war.513 Daneben ließ sich Judins Artikel als Hinweis 508 Nehru, Basic approach, in: Academician Yudin. 509 Ebd. Vgl. weitergehende Kritiken des Generalsekretärs des AICC, Narayan gemäß MacDonald an CRO, 7.5.1958, NAK, DO 35/8885. 510 Vgl. Nehru an Dutt, 2.1.1959, SWJN 2, Vol. 46, S. 605. 511 Vgl. Gopal, Nehru 3, S. 60 f.; Čavoški, Distant countries, S. 47–52. 512 Yudin, Can we accept, in: Academician Yudin. Vgl. zu entsprechenden öffentlichen Vorlesungen CIA, ›Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, ESAU XVI-62, 7.2.1962, S. 46, ESAU XVI-62, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 513 Aktenvermerk DDR-Botschaft Moskau, Rossmeisl, über Gespräch mit Kapica, 30.10.1958, SAPMO-BArch, DY 30/3497, Bl. 158 ff., hier Bl. 160 f.

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darauf verstehen, dass ein Jahr nach der Niederlage der »Anti-Partei-Gruppe« nicht alle sowjetischen Funktionäre vollständig von Chruščevs Indien-Strategie überzeugt waren. Die Schrift mochte ambivalente Debatten der Arbeitsebenen während der laufenden Arbeiten am neuen Parteiprogramm der KPdSU aufnehmen. In diesen legten etwa Teile des ZK-Apparats besonderen Wert auf die internationale Rolle ehemaliger Kolonien und Halbkolonien als »selbständige politische und wirtschaftliche Kraft« gegen den Imperialismus.514 Ausarbeitungen des IVAN begutachteten dagegen kritisch die inneren Entwicklungsmöglichkeiten der neuen Staaten in der Dritten Welt. Die Wissenschaftler stellten mit gutem Grund Willen und Vermögen der »Regierungen der nationalen Bourgeoisie« in Frage, den »evolutionären Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus« anzusteuern.515 »Herr Nehru«, so Judins Generalkritik, »beabsichtigt, einen ganz anderen Sozialismus aufzubauen als den, der in vielen Ländern bereits glänzende Erfolge errungen hat« – in Asien war hier natürlich China gemeint.516 Im Einzelnen brachte Judins Aufsatz unter anderem mit der Wirtschaftshilfe aus den USA und Westeuropa sowie der Erinnerung an den Klassencharakter der Herrschaftsverhältnisse besonders kritische Punkte des indischen Entwicklungswegs zur Sprache. Nehrus Ausführungen zum Gewaltcharakter des real praktizierten Sozialismus bügelte Judin als alte Versatzstücke aus der antisowjetischen Propaganda ab. Mehr noch: Der Funktionär begründete und rechtfertigte ausdrücklich die revolutionäre Gewalt unter anderem gegen »imperialistische« Unterdrücker, gegen »Kriegstreiber«, gegen die »Kolonialsklaverei« und gegen Ausbeutung sowie die sowjetische Gewalt gegen »die Feinde der sozialistischen Gesellschaft« und gegen »die Agenten des Imperialismus«. Nur an der internationalen Positionierung der Nehru-Regierung hatte auch Judin einstweilen wenig auszusetzen.517 Dabei wiesen die innenpolitischen Entwicklungen in Indien nach sowjetischen Maßstäben einige positive Züge auf. In den Parlamentswahlen 1957 konnte die CPI trotz des starken Gegenfeuers des INC ihren Stimmenanteil auf 514 Vgl. Ponomarenko an Chruščev mit Programmentwurf, 25.8.1958, RGANI, f. 1, op. 4, d. 10, ll. 4 ff., hier l. 12, 15 f.; Renkama, Ideology. 515 Gafurov an Kuusinen, 2.9.1958, RGASPI, f. 586, op. 1, d. 19, ll. 1–77, hier l. 12. 516 Yudin, Can we accept. 517 Ebd. Die indische Politik wusste sich offenbar keinen rechten Reim auf den Artikel zu machen, vgl. Protokolle Gespräche Nehru mit Tito, 14. und 15.1.1959, NMML, Subimal Dutt Papers, 95; Nehru an Dutt, 26.12.1958, SWJN 2, Vol. 45, S. 722; Nehru an Sampurnanand, 9.2.1959, SWJN 2, Vol. 46, S. 606, mit Anm. 122; Pressekonferenz Nehru, ebd., S. 116–143, hier S. 134– 136.

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8,9 Prozent erhöhen, die Zahl ihrer Sitze um elf auf 27 steigern. Auf diese Weise konsolidierte sie ihre Stellung als stärkste parlamentarische Opposition gegen den Kongress (371 Mandate). Daneben stellte die CPI in Andhra Pradesh und Westbengalen relativ starke Fraktionen. Schließlich eroberte die kommunistische Partei bis 1958 den Posten des Bürgermeisters von Bombay (S. S. Mirajkar). Mit Aruna Asaf Ali übernahm 1958 eine engagiert linksorientierte Persönlichkeit mit CPI-Vergangenheit in Delhi das Bürgermeisteramt.518 Wichtiger war noch, dass sich 1957 die CPI im neuen Staat Kerala in beiden Häusern gegen den INC durchsetzte und mit E. M. S. Namboodiripad den ersten gewählten kommunistischen Chief Minister stellte. Sein Kabinett nahm neben CPI-Ministern auch unabhängige Vertreter auf und präsentierte sich als ausgewogene Mischung der Kasten und Religionen. Namboodiripads Regierung blieb auf die Unterstützung von unabhängigen Abgeordneten angewiesen. Hinter den Kulissen tobte früh ein schmutziger Krieg um deren Stimmen.519 Die Zentralregierung in Delhi und westliche Kommentatoren schrieben den Wahlausgang in Kerala einerseits Problemen und Fehlern des lokalen Kongresses zu.520 Die Parteispitze wertete die Wahlergebnisse jedoch ebenfalls als Signal dafür, dass die nationale Einheit, verkörpert durch den Kongress, weiterhin durch »spaltende Tendenzen« von Links und Rechts bedroht war.521 Von der neuen Regierung in Thiruvananthapuram selbst erwartete sich die Zentralregierung in den wesentlichen Politikbereichen Kooperationsbereitschaft. Namboodiripad selbst beabsichtigte keineswegs eine direkte Konfrontation mit Delhi.522 Sein Kabinett kündigte zügige Boden- und Verwaltungsreformen, die Verstaatlichung von Transport und Kommunikation sowie weitere Entwicklungsmaßnahmen an. In den Augen britischer Politiker betrieb die CPI in 518 Vgl. MacDonald an CRO, 7.5.1958, NAK, DO 35/8885; Vermerk ZK-Abteilung Information, 30.11.1959, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 320, Bl. 171. Mirajkar war Gründungsmitglied der CPI und enger Gefolgsmann von Dange in der Partei und im AITUC. Beide blieben wohl bis 1959 im Amt. 519 Vgl. Vermerk britischer stellv. Hochkommissar Madras, Chisholm, 13.9.1957, NAK, DO 35/8885; MacDonald an SoS CRO, 24.10.1959, NAK, DO 35/8887. 520 Vgl. Nehru vor Congress Working Committee, 23.3.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 114–118; Pressegespräch Nehru, 29.3.1957, ebd., S. 118 f.; Brass, The new Cambridge history IV,1, S. 18 f., 25 f., 64 f.; Frankel, India’s political economy, S. 21–25, 74 f. 521 Vgl. Nehru an Mountbatten, 2.4.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 562 f.; Nehru an Chief Ministers, 9.6.1958, 13.2. und 28.5.1959, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 51–62, 210–218, 247–261. 522 Vgl. Nehru an Namboodiripad, 17.4.1957, als Antwort auf dessen Schreiben, 15.4.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 335–338; Pressekonferenz Nehru, Colombo, 19.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 722 ff.; Regierungserklärung Namboodiripad, 5.4.1957, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 56–69.

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ihren ersten Monaten sogar eine gefährlich erfolgreiche Politik, denn sie nahm Dinge in Angriff, die die frühere INC-Regierung seit Ewigkeiten verschleppt hatte. Damit würde sie auch unter Ministern der Zentralregierung die Illusion nähren, dass zumindest in Indien der Kommunismus als regierende Partei eine echte Option darstelle.523 Im Kern betrachteten Nehru und seine Kollegen die CPI-Mannschaft in Kerala allerdings von Anfang an mit einigem Argwohn. Es galt grundsätzlich, was für die gesamte kommunistische Bewegung galt: Sie hatte sich schlicht einer »fundamental falschen Politik« voller Gewalt und Chaos verschrieben.524 Da vermochte es sich Nehru eher vorzustellen, über gute zwischenstaatliche Beziehungen zur UdSSR den indischen Kommunismus zu zügeln.525 Vorsichtshalber informierte Delhi den sowjetischen Botschafter jedoch dahingehend, dass man Sonderbeziehungen der CPI in Kerala zu Moskau als »unpassend« betrachten würde.526 Die sowjetischen Diplomaten waren von der Stärke der CPI in Kerala offenkundig überrascht.527 In den zugänglichen Quellen lassen sich keine substantiellen Hinweise darauf finden, dass Moskau eine eigene Strategie für die Förderung der gewählten CPI-Regierung besaß oder entwickelte.528 Wohl steigerte das MVT die sowjetischen Importe aus Kerala: Sie verdoppelten sich 1958 gegenüber 1957 auf einen Gesamtwert von 38 Millionen Rubel.529 Dagegen empfahl ein sowjetisches Expertenteam aufgrund technischer Überlegungen, eine 523 Vgl. MacDonald an CRO, 4.9.1957 und 7.5.1958, NAK, PREM 11/2726 sowie DO 35/8885; Menon, Caste; Nossiter, Communism, S. 147–167. 524 Nehru vor Funktionären Pradesh Congress Committees, 31.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 379 ff. Vgl. Nehru an Chief Minister West Bengal, Roy, 3. und 14.8.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 423– 425; Gopal, Nehru 3, S. 53–59, 63–72. 525 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 2. Sitzung, 26.6.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 604–606, hier S. 606. 526 Nehru an Secretary General und Foreign Secretary, 28.4.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 339. Vgl. Nehru an Namboodiripad, 17.4.1957, als Antwort auf dessen Schreiben, 15.4.1957, ebd., S. 335– 338; Aufzeichnung Gespräch Nehru und Namboodiripad, 11.7.1959, SWJN 2, Vol. 50, S. 62–68. 527 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Glebskij, mit Korrespondent New Age, Zia-ul-Haq, [April] 1957, AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 8, ll. 63 ff. 528 Vgl. MVT, Vermerk über Kerala, 6.12.1957, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 366 ff.; US-Botschaft Moskau an State Department, 9.10.1958, NARA, RG 59, Central Files, Soviet Union, C 0015, 1955–1959, Reel 10 (661.91). 529 Vgl. Zusammenfassung Vermerk sowjetische Botschaft Delhi durch Lichačev und ersten Sekretär Markov, 5.2.1959, RGANI, f. 5, op 30, d. 302, ll. 50 ff.; Borisov an ZK, Muchitdinov, 30.5.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 275, ll. 16 ff., hier l. 23; Vermerk Spandar’jan, 5.2.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 61–66, hier l. 63; Nossiter, Communism, S. 57; Boquérat, No strings, S. 257.

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Fabrik für optische Gläser außerhalb Keralas anzusiedeln.530 Im Ganzen verließen sich Moskauer Funktionäre offenbar lieber auf die »gute Massenbasis« der Regierung und ihre Politik als Garanten prosozialistischer Prozesse.531 »In einigen Ländern erreichen die Kommunisten jetzt […] die Umwandlung des Parlaments aus einem Organ der bürgerlichen Demokratie in ein Instrument des wirklichen Volkswillens, das fähig ist, den Widerstand der reaktionären Kräfte zu brechen und sozialistische Umformungen durchzuführen«, las sich der sowjetische Entwurf für die Deklaration der internationalen Kommunistischen Bewegung Ende 1957 entsprechend erwartungsfroh.532 Auch die CPI selbst zeigte sich in der ersten Jahreshälfte 1958 »in einer selbstbewussten Stimmung«.533 In den vom außerordentlichen Parteitag in Amritsar (6. bis 13. April 1958) verabschiedeten Grundsatzbeschlüssen folgte die Partei im Wesentlichen den gängigen Ideen Moskaus und der Weltkonferenz der Kommunistischen Parteien, die zu den jüngsten Wahlergebnissen passten. Die CPI legte sich in ihrem Statut auf einen friedlichen Weg zu Demokratie und Sozialismus fest, der ihr unter den existierenden Bedingungen in Indien und in der Welt erfolgversprechend erschien.534 Bei gewalttätigem antikommunistischen Widerstand, so Generalsekretär Ghosh in der Parteipresse, würde es jedoch zu einer gewaltsamen Lösung der innenpolitischen Probleme kommen müssen. Außerdem war kommunistisches Allgemeingut, dass eine sozialistische Ordnung, sollte sie einmal durchgesetzt sein, nie mehr grundsätzlich in Frage gestellt werden dürfte.535 Die neue Programmatik diente 1958 auch der Aufgabe, in Kerala eine überzeugende und erfolgreiche kommunistische Regierung zu erhalten. Dieses Ziel drängte die andauernden Gegensätze zwischen linken und rechten Flügeln

530 Vgl. Nehru an Namboodiripad 26. und 29.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 129, 131. Andere Angebote blieben vage und von den Entscheidungen der indischen Plankommission abhängig, vgl. Nehru an Namboodiripad, 8.6.1959, SWJN 2, Vol. 49, S. 471. 531 Aktenvermerk Thun über Gespräch mit Dolja, 30.10.1958, PA AA, MfAA, A. 149, Bl. 89 f., Zitat Bl. 89. 532 Beschluss ZK-Präsidium, 10.11.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 2, S. 720–730, hier S. 728. 533 MacDonald an CRO, 7.5.1958, NAK, DO 35/8885. 534 Vgl. Constitution of the Communist Party of India, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 235 ff., hier S. 238; Politische Resolution, in: ebd., S. 167–200, hier S. 183. 535 Ajoy Ghosh, On the Party Constitution, in: New Age, (1958), Nr. 4, zit. nach Basu (Hg.), Documents 8, S. 157–166, hier S. 160 f. Vgl. MacDonald an CRO, 7.5.1958, NAK, DO 35/8885; Nehru an Chief Ministers, 30.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 800–806, hier S. 805; Nehru an Namboodiripad, 30.6.1958, ebd., S. 396–401.

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zumindest vorübergehend zurück.536 Doch binnen weniger Monate bröckelte die Fassade der Einheit. Ranadive, der es 1956 zurück in das ZK der Partei geschafft hatte, kritisierte die Parteitagsbeschlüsse bereits im Herbst 1958 als »revisionistisch«. Andere Parteilinke, die sich von der Nehru-Regierung keine wirklichen Erfolge auf dem Weg zu Sozialismus oder zugunsten der eigenen Parteiziele erwarteten, suchten Rat im radikalen Peking. Dort war man über das »Kerala Experiment« von Anfang an wenig begeistert.537 Dem Machterhalt der CPI-Regierung in Kerala wäre der Rückhalt durch eine geschlossene Partei sicherlich nützlich gewesen. 1958 wurde ihre Position immer schwächer. Im Gegensatz zu Nehru hatten sich zahlreiche Spitzenkräfte von Kongress-Partei und Zentralregierung früh auf einen Konfrontationskurs gegen Namboodiripad festgelegt.538 Ihnen spielten handwerkliche Mängel der Regierung, ihre oft skandalöse Bevorzugung kommunistischer Parteigänger in der Verwaltung sowie die umstrittene Schulpolitik, die die starke katholische Opposition auf die Barrikaden trieb, in die Hände.539 Schließlich beklagte auch Nehru, dass die kommunistische Landesregierung und ihre Anhänger immer häufiger zur Gewalt griffen und die Opposition nur noch terrorisierten – wie in einer self-fulfilling prophecy, so erwies sich die CPI aus diesem Blickwinkel einmal mehr als desolate innenpolitische Kraft, mit der im wahrsten Sinne des Wortes kein (National-)Staat zu machen war.540 »Wofür steht die Kommunistische Partei Indiens?«, forderte Nehru Ende Juni 1958 Chief Minister Namboo­ diripad heraus.541 Namboodiripad, innerhalb der CPI links der Mitte positio536 Vgl. Politische Resolution Parteitag Amritsar, 6.–13.4.1958, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 167–200, v. a. S. 186 f., 199 f.; CIA, ›The Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, 7.2.1962, S. 40 f., https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 537 Vgl. CIA, ›The Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, 7.2.1962, S. 44–46, 48, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 538 Vgl. MacDonald an CRO, 4.9.1957 und 7.5.1958, NAK, PREM 11/2726 sowie DO 35/8885; Nehru auf Pressekonferenz, 21.10.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 763–783, hier S. 781; Nehru an Kongresspräsident Dhebar, 29.8.1958, SWJN 2, Vol. 43, S. 340 f.; US-Botschaft Delhi, Maffitt, an State Department, 27.6.1958, FRUS 1958–1960 XV, S. 433–437, hier S. 434. Zu finanzieller Unterstützung der Antikommunisten durch die CIA vgl. McGarr, Quiet Americans, S. 9. 539 Vgl. MacDonald an SoS CRO, 24.10.1959, NAK, DO 35/8887; Aufzeichnung Gespräch Macmillan mit Innenminister Pant, 9.1.1958, NAK, DO 35/6524; Namboodiripad an Nehru, 28.1.1958, NMML, J. N. Papers (M. O. Matthai), 2 A, Correspondence with E. M. S. Namboodiripad. 540 Vgl. Nehru an Namboodiripad, 29.7.1958, 7. und 15.8.1958, SWJN 2, Vol. 43, S. 330–338; Nehru an Justizminister Kerala, Iyer, 5.9. und 16.10.1958, SWJN 2, Vol. 44, S. 256–259; Nehru an INC-Abgeordneten Lok Sabha, Heda, 3.9.1958, ebd., S. 166; Vermerk Nehru, 26.9.1958, ebd., S. 311–322, hier S. 318. 541 Zit. nach SWJN 2, Vol. 43, S. 330–332, Anm. 3.

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niert, schloss in seiner Antwort zwar den friedlichen Übergang zum Sozialismus als eine Möglichkeit nicht aus. Er betrachtete jedoch den Klassenkampf weiterhin als unvermeidlich und bestand letztlich auf der Notwendigkeit einer Diktatur des Proletariats.542 In dieser aufgeladenen Situation stellte Judins Polemik, der mit der allgegenwärtigen Gewalt abrechnete, die die indische »Bourgeoisie und Gutsbesitzer mit Hilfe des Staatsapparates gegen das Volk« ausübten, für die CPI eine Hilfe von zweifelhaftem Wert dar.543 4.3.3. 1959 bis 1960: Aufruhr Im Mai 1959 startete in Kerala der endgültige Angriff des Kongresses auf die CPI-Regierung.544 Nehru befürwortete zunächst Neuwahlen. Starke Kräfte im Kabinett und Kongress dagegen bevorzugten die administrativ-zentralistische Lösung der President’s rule.545 Am 31. Juli 1959 war es so weit: Auf Anraten der Zentralregierung setzte Präsident Prasad die Regierung Namboodiripad mit der Begründung ab, dass die Auseinandersetzungen zwischen Oppositions­bewegung und Regierung endgültig aus dem Ruder zu laufen drohten.546 Eine Folge war, dass innerhalb der CPI nach dem vorerst gescheiterten Experiment des friedlich-parlamentarischen Wegs zum Sozialismus die Gegensätze zwischen linken, kampfbereiten Kräften und Vertretern einer gemäßigten Linie erneut an Schärfe gewannen. Im internen Machtkampf schreckten beide Seiten nicht vor falschem Spiel und Denunziationen zurück.547 Dabei blieben Stellung, Ansehen und Chancen der CPI in Indien durch ihre Kopplung an die weltkommunistische Bewegung direkt mit den internationalen Beziehungen Delhis verknüpft. 1959 verbanden sich die innerparteilichen Differenzen noch stärker mit einer unterschiedlichen Orientierung der Flügel nach Moskau oder Peking. China bemühte sich ostentativ um indische Genossen und fand bis Jahresende

542 Vgl. SWJN 2, Vol. 43, S. 330–332, Anm. 3. 543 Yudin, Can we accept, in: Academician Yudin. 544 Vgl. US-Botschaft Delhi, Brown, an State Department, 28.5.1959, FRUS 1958–1960 XV, S. 494– 496. 545 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Namboodiripad, 11.7.1959, in: SWJN 2, Vol. 50, S. 62– 68; Aufzeichnung Gespräch M. Desai mit MacDonald, 27.7.1959, NAK, DO 35/8886. 546 Vgl. Nehru an Gouverneur Kerala, Rao, 30.7.1959, SWJN 2, Vol. 50, S. 83–90; Nehru in Lok Sabha, 19.8.1959, SWJN 2, Vol. 51, S. 241–265. 547 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Rao, 14.12.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 492, ll. 63 ff.; Nossiter, Communism, S. 180 f.; Mallick, Indian communism, S. 34–37.

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beispielsweise in Westbengalen willige Ansprechpartner.548 Es muss offenbleiben, ob beziehungsweise wie aktiv China an einer innerindischen Anti-NehruFront baute, um eigene Ambitionen zu unterstützen. Auf jeden Fall entsprach die Fundamentalkritik linker Kommunisten Indiens an Nehru der zunehmend radikalen Strategie Pekings. Maos Politik konterkarierte nicht nur immer unnachgiebiger Nehrus Vorstellungen von einer indisch-chinesischen Werte- und Zweckgemeinschaft, sondern auch Moskauer Ideen eines chinesisch-sowjetischen Aktionsbündnisses. Das Dreieck Delhi–Moskau–Peking, das indische und sowjetische Konzeptionen mitdachten, erwies sich als Chimäre. Es war nicht abzusehen, inwieweit Delhi und Moskau ihre bilaterale Verbindung mit ihren jeweils eigenen Beziehungssträngen zu Peking auf Dauer in der Praxis zusammenhalten konnten. Das indisch-chinesische Verhältnis verschlechterte sich zusehends. Zhou Enlai ließ am 23. Januar 1959 den indischen Premier offiziell wissen, dass zwischen ihren Ländern »Grenzstreitigkeiten existieren«.549 Der chinesische Premier schlug zwar vor, den status quo vorläufig aufrechtzuerhalten. Dennoch war nun offenkundig, dass von einer chinesischen Anerkennung der McMahon-Linie keine Rede war. Der Aufstand in Tibet im März 1959 und die Flucht des Dalai Lama nach Indien vergifteten die Atmosphäre zusätzlich. China erhob schwere Anschuldigungen gegen den indischen Generalkonsul in Lhasa. Das indische Kalimpong galt in Peking als eine Art antichinesische Kommandozentrale. Es ist noch ungeklärt, inwieweit die indische Zentralregierung und Nehru selbst über amerikanische Aktivitäten zur Unterstützung der tibetischen Widerstandsbewegung oder über (mögliche) entsprechende Kooperationen der indischen Nachrichtendienste informiert waren. Auf jeden Fall bemühte sich der Premier sehr, die Wogen zu glätten und sich nicht zwischen die chinesisch-tibetischen Fronten zu bringen. Mit seiner defensiven Haltung stand Nehru in spürbarem Gegensatz zu Großteilen der öffentlichen Meinung Indiens, deren Empörung und Kritik wiederum Peking auf die Nerven gingen.550 548 Vgl. CIA, ›The Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, 7.2.1962, S. 74–76, ESAU XVI-62, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Rao, 14.12.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 492, ll. 63 ff. 549 Zhou Enlai an Nehru, 23.1.1959, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 499–503, hier S. 501. Vgl. Sinha/Athale, History, S. 28–30. 550 Vgl. Nehru an Dutt, 12.4. 9. und 22.5.1959, SWJN 2, Vol. 48, S. 452–454 sowie Vol. 49, S. 569, 576–578; Nehru an Dalai Lama, 13.4.1959, ebd., S. 455 f.; Gespräch Nehru und Dalai Lama, 24.4.1959, ebd., S. 478–498; Nehru, ›Statement on Tibet‹, Lok Sabha, 27.4.1959, ebd., S. 503– 510; Nehru an MEA, P. N. Menon, 9.5.1959, ebd., Vol. 49, S. 569 f.; Zusammenstellung Reden/

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Trotz der Zurückhaltung des offiziellen Delhi meinte China in den tibetischen Ereignissen eine neue Qualität der antichinesischen Zusammenarbeit der Nehru-Regierung mit subversiven Reaktionären entdecken zu können.551 Die Erbarmungslosigkeit, mit der Peking in Tibet vorging, entsprach Maos radikaler Linie. Sie sollte die, vermeintlich notwendige, Verteidigung von sozialistischer Entwicklung und Sozialismus inner- und außerhalb Chinas gewährleisten.552 Aus dieser Perspektive ging es nur noch um die Frage: »Für uns oder gegen uns« – und in chinesischen Augen war Nehrus Politik eben nicht pro Peking.553 Das parteiamtliche Sprachrohr People’s Daily machte diese Sichtweise im Mai 1959 in einem Artikel über Nehrus »Philosophie« öffentlich. Der Aufsatz fiel weitaus negativer aus als das sowjetische Gegenstück Judins von 1958. Zwar wollte das chinesische Parteiblatt noch keinen Schlusspunkt hinter die chinesisch-­ indische Freundschaft und die indisch-sozialistischen Beziehungen insgesamt setzen. Es hob in seiner neuen Analyse allerdings hervor, dass Nehrus bürgerliche Herkunft und Stellung eine wirklich »blockfreie« – sprich: mit prochinesischen Inhalten versehene – Politik letztlich unmöglich machten.554 Daher war es in Maos Augen nur eine Frage der Zeit, bis es noch »mehr Kampf mit Nehru« gab. Der sei, ließ Mao ostdeutsche Genossen wissen, »ein armer Teufel, aber« – im Gegensatz zu ausgewachsenen Reaktionären und Imperialisten – »nur ein halber«. In derlei Auseinandersetzungen, so das Credo des kämpferischen Maos, dürfe man »keine abgegrenzten Zugeständnisse machen«.555 Folgerichtig erklärte der chinesische Botschafter in Delhi Mitte Mai 1959 mit drohendem Unterton, dass nicht nur China sich keinen Zweifrontenkampf (gegen die USA Noten März bis Juni 1959, in: Jain (Hg.), China South Asian relations 1, S. 109–125; Dutt, With Nehru, S. 145–157; Ali, Cold war, S. XXVI–XXXIV, 21, 24 f., 63 f., 95, 122; Goldstein, The United States, S. 149–153; Mehta, Negotiating, S. 61–67; Chengapa, India-China relations, S. 197 f., 216 f.; Chen, The Tibetan rebellion, S. 61–70; Fravel, Strong borders, S. 75–78; Hoffmann, Rethinking, S. 188–190; McGranahan, Tibet’s cold war; Gopal, Nehru 3, S. 88–104, 254 f.; Khan, Muslim, S. 33, 70–76, 89–97; Kuzmin, Hidden Tibet, S. 203–283. 551 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Judin mit Generalsekretär Deng Xiaoping, 27.5.1959, in: Zubok (Hg.), Deng Xiaoping, S. 167–169, hier S. 169; Sen Gupta, China’s belief system, S. 35–40; Chen, The Tibetan rebellion, S. 85–88; Mehta, Negotiating, S. 67–70. Deng Xiaoping, u. a. 552 Vgl. Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 114–156. 553 Protokoll Gespräch SED-Delegation, Matern, mit Mao, [Anfang] Mai 1959, abgedr. in: Meißner (Hg.), Die DDR, S. 112–114, hier S. 113. Vgl. Vermerke Maos, 18.2. und 29.3.1959, in: Wolff, A finger’s worth, S. 59 f.; Vermerk DDR-Botschaft Peking über Gespräch mit stellv. Außenminister China, 28.11.1959, BArch, DC 20/2159, Bl. 18 ff.; Wolff, Le rôle, S. 195, 198. 554 ‚The Revolution in Tibet and Nehru’s philosophy‘, 6.5.1959, u. a. unter https://www.marxists. org/subject/china/peking-review/1959/PR1959–19.pdf (letzter Zugriff: 25.4.2018). 555 Protokoll Gespräch SED-Delegation, Matern, mit Mao, [Anfang] Mai 1959, abgedr. in: Meißner (Hg.), Die DDR, S. 112–114, hier S. 113 f.

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und Indien) leisten könne, sondern dass sicherlich auch Indien keinen Wert auf die Feindschaft mit Pakistan und zugleich China lege.556 Die scharfe Kritik, die der Dalai Lama am 20. Juni an China übte, seine Absage an die 1951 in Peking geschlossenen Absprachen und sein Anspruch, weiterhin die Regierung in Tibet zu stellen, nährten das chinesische Misstrauen gegen Indien zusätzlich.557 Es half nicht, wenn das MEA sich deutlich von den Aussagen distanzierte und die Exilregierung zunächst nicht anerkannte.558 Derweil trugen Eskalationen der Konflikte in Vietnam und Laos dazu bei, Chinas Einkreisungsängste zu verstärken und damit das Verhältnis zu Indien zusätzlich zu belasten.559 Der Aufstand in Tibet und seine Folgen hatten unweigerlich Auswirkungen auf die Grenzproblematik. Bis Mitte Juni baute China seine Kommunikationssysteme und militärische Präsenz, die in Tibet unmittelbar an indisches Gebiet heranreichten, aus. Indien erhöhte seine regionalen Truppenkontingente. Während China bei seinen Maßnahmen mit der Befriedung und Sicherung des aufständischen Gebiets und der Notwendigkeit, letzte Rebellen zu verfolgen, argumentierte, verwies die indische Armee auf die Aufgabe, einsickernde Tibeter zu kontrollieren und zu entwaffnen.560 Die beiderseitigen Verstärkungen führten dazu, dass sich ab Juni 1959 in umstrittenen Territorien chinesisch-indische Begegnungen unfreundlicher, doch noch unblutiger, Art häuften, begleitet von diplomatischen Sticheleien gegen den indischen Generalkonsul in Lhasa, unfreundlichen Presseberichten sowie chinesischen Restriktionen gegen den traditionellen indisch-­ tibetischen Reise- und Handelsverkehr. Schließlich besetzten chinesische Soldaten am 25./26. August 1959 nach einem Feuergefecht einen indischen Posten in Longju, südlich der McMahon-Linie zwischen Tibet und NEFA gelegen.561 Am 556 Chinesische Note an Indien, 13.5.1959, zit. nach CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section  I: 1950–59, 2.3.1963, S. 28, https://www.cia.gov/library/readingroom/ docs/polo-07.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). Vgl. Erklärung chinesischer Botschafter Delhi, 16.5.1959, https://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/175950.pdf?v=f4d (letzter Zugriff: 25.4.2018). 557 Vgl. Verlautbarung Dalai Lama, 20.6.1959, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 530– 534. 558 Vgl. Erklärung MEA, 30.6.1959, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 535; Nehru an Chief Ministers, 2.7.1959, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 262–275; Dutt, With Nehru, S. 133 f.; Bhutani, A clash, S. 38–56. 559 Vgl. Gaiduk, Confronting, S. 130–140; Thakur, Peacekeeping, S. 186 f., 217 f.; Olsen, Soviet-Vietnam relations, S. 80–87. 560 Vgl. 400. Sitzung NSC, 26.3.1959, zit. in FRUS 1958–1960 19, S. 751 f. 561 Vgl. Vermerk Lichačev, 24.12.1959 (Ausgang), RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 73–91, hier ll. 80 f.; Nehru in Lok Sabha/Rajya Sabha, 13., 25., 28. und 31.8.1959, SWJN 2, Vol. 51, S. 445– 455, 465–472, 474–492, 495–503; Nehru an Dutt, 11., 18.7. und 15.8.1959, SWJN 2, Vol. 50, S. 207 f. sowie Vol. 51, S. 455 f.

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21. Oktober 1959 kam es am Kongka Pass in Südladakh, einem Teil von Kashmir, zu einem erneuten Zusammenstoß. Der Schießerei fielen neun Inder zum Opfer, zehn wurden gefangengenommen. Aus den zugänglichen Materialien schält sich heraus, dass das Gefecht von chinesischer Seite ausgelöst wurde.562 Die indische Führung wollte und konnte keinen Kleinkrieg führen. Eine Vermittlung durch Dritte oder die UN stand nicht zur Debatte, da Delhi meinte, nichts zuzugestehen zu haben. Appelle an Peking, auf der Basis indischer Ansprüche zu einer friedlichen Verhandlungslösung in der Grenzfrage zu kommen, prallten ungebremst auf die chinesischen Gegenpositionen.563 Ein pragmatischer Tauschhandel, der nicht von grundsätzlichen Forderungen, sondern von der aktuellen Besitzsituation vor Ort ausgegangen wäre und nur Aksai Chin bei China belassen hätte, war unrealistisch. Dieser Lösungsansatz wurde auf indischer Seite bereits dadurch verhindert, dass die große Mehrheit der indischen Politik auf vermeintlichen Rechten bestand und sich die öffentliche Stimmung kontinuierlich aufheizte. Dem konnte sich Nehru nicht entziehen, und in letzter Konsequenz wollte er es auch nicht. Der Premier reagierte selbst mit antikolonialen Reflexen. Indien, schrieb Nehru am 4. November 1959 an die Chief Ministers, könne in Fragen der Ehre, der Selbstachtung, der Integrität und Unabhängigkeit keine Zugeständnisse machen.564 Offiziell verlangte Delhi Chinas Rückzug aus den umstrittenen Gebieten einschließlich Aksai Chins und bot Verhandlungen allein auf Grundlage der aus der britischen Kolonialzeit ererbten Grenzlinie an.565 Parallel setzte Nehru in der Hoffnung auf Gespräche weiterhin auf Deeskalation. Obwohl das indische Militär im Oktober 1959 die Verantwortung über die Grenzgebiete erhielt, zielten die konkreten Maßnahmen darauf, das weitere chinesische Vorrücken abzublocken und einstweilen

562 Vgl. CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section I: 1950–59, 2.3.1963, S. 40 f., https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-07.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Hoffmann, India, S. 74. 563 Vgl. hierzu die Verlautbarungen, Korrespondenzen und Debatten von Ende August 1959 bis zur weiteren Verschärfung der Gesamtsituation, in: SWJN 2, Vol. 52, S. 166–247 sowie Vol. 53, S. 488–503; US-Botschaft Delhi an State Department, 5.9.1959, FRUS 1958–1960 XIX, S. 780 f.; US-Delegation UN an State Department, 28.9.1959, ebd., S. 788 f.; indisch-chinesischer Notenwechsel, September 1959, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 549–583. 564 Vgl. Nehru an Chief Minister, 4.11.1959, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 322– 334, hier S. 322; Bhutani, A clash, S. 74–79, 86–92. Am 7.9.1959 legte das MEA dem Parlament ein Weißbuch vor. 565 Vgl. Nehru an Zhou Enlai, 16.11.1959, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 586–592, sowie weiterer Briefwechsel Dezember 1959, ebd., S. 592–631.

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Chinas Präsenz in Ladakh zu akzeptieren.566 Zudem versuchte Nehru, indische und internationale Gemüter zu beruhigen. Nachdrücklich riet er sowohl dem Dalai Lama als auch der US-Administration von einem Treffen Eisenhowers mit der tibetischen Exilregierung ab.567 Vor der indischen Öffentlichkeit spielte der Premier die Bedeutung des umstrittenen Gebiets für Indien und die indisch-­ chinesischen Beziehungen herunter. Offenkundig vertraute Nehru darauf, dass seine Grundstrategien von nationaler Einheit, internationaler Gleichberechtigung und der Suche nach asiatischen Gemeinsamkeiten sein Land erfolgreich auch durch diese Krise bringen würden.568 Pekings aktuelle politische und ideologische Erwägungen boten weder der indischen Gesamtkonzeption noch Delhis konkreten Maximalforderungen Entfaltungsmöglichkeit. Der indisch-chinesische Notenwechsel bis Januar 1960 erreichte nicht mehr, als die Unvereinbarkeit der beiderseitigen Ausgangspositionen zu unterstreichen. Dem indischen prinzipiellen Festhalten am Grenzverlauf hielt Peking ebenso prinzipienfest entgegen, dass die Grenze nie markiert worden war und daher jetzt unter Berücksichtigung der aktuellen politischen und Besitzverhältnisse sowie »traditioneller« Verläufe verhandelt werden müsse.569 Parallel hierzu demonstrierte Peking unter anderem mit weiteren Truppenaufstockungen Stärke. Vor diesem Hintergrund konnte Zhou Enlais Drängen auf baldige Verhandlungen in Indien als Versuch erscheinen, aus einer Drohkulisse heraus zu agieren, um bei möglicherweise nur vorübergehender Kompromissbereitschaft in territorialen Details chinesische Grundsätze durchzusetzen.570 566 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 16., 25.10., 2., 4.11., 15.12.1959, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 291–300, hier S. 297, 301 f., 320 f., S. 322–344; Sinha/Athale, History, S. 65– 68; Raghavan, A bad knock. 567 Vgl. US-Botschafter Delhi, Bunker, an State Department, 23.11.1959, FRUS 1958–1960 19, S. 804 f. 568 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 16. und 26.10., 4.11. und 15.12.1959, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 291–300, S. 303–313, 322–344; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit SoS Herter, 7.10.1960, FRUS 1958–1960 15, S. 565–568, hier S. 566, 568; Nehru in Lok Sabha, 25., 27.11. und 22.12.1959, SWJN 2, Vol. 54, S. 509–529, 531–550 sowie Vol. 55, S. 339–350; Maxwell, India’s China war, S. 102–136. 569 Note chinesisches Außenministerium, 26.12.1959, zit. nach CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section II: 1959–61, 19.8.1963, S. 16 f., https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-08.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). Vgl. Aktenvermerk DDR-Botschaft Peking, Kahlenbach, über Information stellv. chinesischer Außenminister für sozialistische Botschafter, 26.10.1959, PA AA, MfAA, A. 13915, Bl. 79–84, hier Bl. 80; Vermerk Lichačev, 24.12.1959 (Ausgang), RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 73–91, hier l. 79. 570 Vgl. Zhou Enlai an Nehru, 7.11.1959, CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section II: 1959–61, 19.8.1963, S. 3–8, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-08. pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Fravel, Strong border, S. 93 f.; Jun, 1962, S. 9–12.

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Ob sich die chinesische Haltung durch eine größere Beweglichkeit oder durch partielles Entgegenkommen Delhis hätte auflockern lassen, muss beim derzeitigen Forschungsstand Spekulation bleiben. Auf jeden Fall kommunizierte die chinesische Diplomatie intern und international vernehmlich, dass sie die »McMahon-Linie« als »ein Produkt der Intrigen der englischen Imperialisten« betrachte. Das Festhalten Delhis an diesem Konstrukt fügte sich in dieser Interpretation nahtlos in von China wahrgenommene, aktuelle imperialistische und antichinesische Machenschaften ein.571 Diese Deutung ergab sich aus dem immer höheren Gewicht, das Maos Außenpolitik ideologischen Komponenten beimaß. Pekings Frontstellung entsprach Maos internationaler ideologischer Gesamtkonzeption. Vom, so Pekings Meinung, notwendigen konsequenten Klassenstandpunkt aus konnte man weder an Nehrus Außenpolitik noch an seiner Innenpolitik, die zwei Seiten ein- und derselben Medaille darstellten, ein gutes Haar lassen. »Es war früher eine sehr verbreitete Vorstellung«, begründete im Januar 1960 Zhou Enlai die Kurs­korrektur, »dass [Nehru] für den Frieden und für den sozialistischen Fortschritt ist. Aber jetzt wird es immer mehr deutlich, dass er eine sehr fragwürdige Stellung zum sozialistischen Fortschritt und die Neigung zum Paktieren mit den Imperialisten hat. Darum sind wir der Meinung, dass wir, wenn wir nur Zugeständnisse machen, dazu beitragen, die reaktionäre Seite von Nehru zu verkleistern und er wird nur noch reaktionärer. […]. Er ist ein Vertreter der Bourgeoisie und wird letzten Endes reaktionär entscheiden. […]. Wenn wir gut arbeiten, wird er langsamer auf die reaktionäre Seite gehen.«572 In dieser Interpretation gab es bei der Beurteilung weder der inneren Entwicklung Indiens noch der äußeren Orientierung Delhis Zwischentöne: »[E]in neutraler Standpunkt […] ist ein Standpunkt der Bourgeoisie«, lautete nun das außenpolitische Diktum Pekings.573 Die angebliche indische bourgeois-neutrale Haltung spielte chinesischer Überzeugung nach bewusst oder unbewusst US-Plänen in die Hände, in Südasien nach Pakistan auch Indien für die Einkreisungspolitik gegen China und die UdSSR zu nutzen.574 571 Information stellv. chinesischer Außenminister für Botschafter der sozialistischen Länder, 9.9.1959, PA AA, MfAA, A. 13915, Bl. 58 f., hier Bl. 59; Kapica, Na raznych paralleljach, S. 69. 572 Protokoll Gespräch Zhou Enlai mit DDR-Regierungsdelegation, 18.1.1960, PA AA, MfAA, A. 17846, Bl. 166 ff., hier Bl. 168 f. 573 Vermerk DDR-Botschaft Peking über Gespräch mit chinesischem stellv. Außenminister, 28.11.1959, BArch, DC 20/2159, Bl. 18 ff. 574 Vgl. Ghosh vor Allparteienkonferenz, November 1959, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 607– 627; Brief CPI an Bruderparteien, 20.11.1962, in: Basu (Hg.), Documents 9, S. 198–216, hier S. 210 f.; Gespräch Liu Shaoqi mit Ghosh, 8.10.1959, zit. nach CIA, POLO XVI, ›The Sino-In-

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Aus diesem Szenario folgte für Chinas Entscheidungsträger die Frage, »auf wen sollen wir uns in Afrika und Asien stützen?«575 Hinsichtlich Indiens lag es für Peking auf der Hand, dass die Antwort nicht (mehr) in ausgleichenden Kompromisslösungen und verständnisvoller Koexistez mit der Nehru-Regierung lag, sondern in einer revolutionären Entwicklung im Land. Nur diese, so die chinesischen Vorstellungen, könnte die Basis einer prosozialistischen, unversöhnlich antiamerikanischen indischen Außenpolitik schlechthin und damit auch die Grundlage für positive indisch-chinesische Beziehungen schaffen.576 Oder, wie Mao die oben zitierte Frage nach den Stützpunkten gleich selbst beantwortete: »Wir meinen auf die Arbeiter, die Bauern und die revolutionäre Intelligenz. Unsere Politik muß natürlich auch darauf gerichtet sein, die nationale Bourgeoisie zu gewinnen. […]. Allerdings sagt unsere Erfahrung, dass die nationale Bourgeoisie eines Tages konterrevolutionär handelt, dafür [ist] sie eben Bourgeoisie«.577 In chinesischen Augen stand das Indien von 1959/1960 bereits am Scheideweg, Chauvinismus und Reaktion machten gemeinsame Sache.578 Angaben Ghoshs zufolge rieten die Pekinger Genossen der CPI im Herbst 1959 daher, sich an die Ausbildung von Kadern für die Untergrundarbeit zu machen.579 Übernahm man Pekinger Prämissen, dann konnte der Sturz der CPI-Regie­ rung in Kerala als schlüssiges Glied dieser Argumentationskette dienen. Die kommunistische Partei Indiens litt allerdings auch unter den indisch-chinesischen Spannungen. Bezüglich des Tibetaufstands war die CPI Pekings Interpretationen gefolgt und darob in Indien wieder unter schweres Feuer geraten.580 Mit der Eskalation des indisch-chinesischen Grenzkonflikts sahen sich dian Border Dispute‹, Section II: 1959–61, 19.8.1963, S. 1–3, hier S. 1 f., https://www.cia.gov/ library/readingroom/docs/polo-08.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); CIA, ›The Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, 7.2.1962, S. 48, 64, 69 f., ESAU XVI-62, https:// www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 575 Protokoll Gespräch Mao mit DDR-Delegation, 16.1.1960, PA AA, MfAA, A. 17846, Bl. 154 ff., hier Bl. 160 f. 576 Vgl. Aktenvermerk über Gespräch DDR-Botschafter Peking, Wandel, mit sowjetischem Botschafter Peking, Červonenko, 22.1.1960, SAPMO-BArch, DY 30/3604, Bl. 8 f.; Chruščev, Vremja 3, S. 84 f. 577 Wie Anm. 575. 578 Vgl. Aktenvermerk Kahlenbach über Information stellv. chinesischer Außenminister für sozialistische Botschafter, 26.10.1959, PA AA, MfAA, A. 13915, Bl. 79–84, hier Bl. 82 f. 579 Vgl. CIA, ›The Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, 7.2.1962, S. 48, ESAU XVI-62, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 580 Vgl. Resolution Sekretariat CPI-Nationalrat, 31.3.1959, sowie Resolution CPI-Exekutivkomitee, 9.–12.5.1959, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 629–635; Nehru an Chief Ministers, 18.5.1959, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 233–246; Interviews Nehru für R. N. Chaudhary, 23. und 29.10.1959, SWJN 2, Vol. 53, S. 300 f., 320 f.

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die CPI-Führungsgremien zu einem Spagat gezwungen. Sie verteidigten nationalbewusst das indische Festhalten an der McMahon-Linie, ohne die chinesischen Aktionen verurteilen zu wollen.581 Mit der widersprüchlichen Linie, an der McMahon-Linie festzuhalten und gleichzeitig schnelle Verhandlungen ohne Vorbedingungen und bei vorläufiger Aufrechterhaltung des prochinesischen status quo zu fordern, präsentierte sich die CPI weiterhin.582 In welchem Maß diese Gratwanderung durch Rücksichten auf den laufenden neuen Wahlkampf in Kerala, nationalkommunistische Überlegungen à la Dange oder die Überzeugungskraft Moskauer internationaler Argumentationsmuster beeinflusst wurde, lässt sich nicht genau bestimmen. Unstrittig ist nur, dass auch die CPI keine Lösung für das Problem wusste, trotz der indisch-­chinesischen und sowjetisch-chinesischen Gegensätze gute indische Beziehungen sowohl zu China als auch zur UdSSR unterhalten. Mit Blick auf China verlegte sich der CPI-Nationalrat auf seiner Tagung vom 10. bis 15. November 1959 auf Appelle an den guten Willen: Ein sozialistisches China könne keine kriegerischen Absichten gegen Indien hegen, formulierte die CPI eher Hoffnungen als Vorschläge.583 Ebenso offenkundig war, dass aus Sicht der CPI ein friedlich-sozialistischer Prozess in Indien gewunden und schwierig, seine wirklichen Aussichten unsicher blieben. So legte die Partei bei den Kerala-Wahlen Anfang Februar 1960 zwar an Stimmen zu, verlor aber wegen der Wahlabsprachen anderer Parteien an Sitzen.584 Erst in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre, nach Jahren erfolgloser INC-Regierungen sowie zentraler Zwangsverwaltung, würde mit der CPI (M) wieder eine kommunistische Partei die Regierung in Kerala stellen. Die Rückschläge, die die CPI 1959 in Kerala erlitt, und die wachsenden Spannungen in Delhis Verhältnis zu Peking machten es der sowjetischen Führung nicht leichter, mit den Ambivalenzen und Widersprüchen der eigenen Beziehungen zu Indien, China und den USA sowie den Selbständigkeiten und 581 Vgl. Resolutionen Sekretariat CPI-Nationalrat 30.8. und 24.10.1959, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 635 f. 582 Vgl. Resolution CPI-Nationalrat, 10.11.1959, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 636–640, hier S. 638 f.; Resolution CPI-Exekutivkomitee, 25.12.1959, ebd., S. 640–643; Krishnan, Testament, S. 291–295; Sen, A traveller, S. 195–205; Nehru an B. C. Roy, 2.12.1959, SWJN 2, Vol. 55, S. 98 f.; Nehru an MEA, 5.12.1959, ebd., S. 289–291. 583 Vgl. Resolution CPI-Nationalrat, 10.11.1959, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 636–640, hier S. 637 f.; Resolution CPI-Exekutivkomitee, 25.12.1959, ebd., S. 640–643, hier S. 642. 584 Offizielle Sitzverteilung gem. Bericht Wahlkommission, unter http://eci.nic.in/eci_main/SR_ KeyHighLights/SE_1960/StatRep_Kerala_1960.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). Vgl. Florin, Information über Situation in der CPI, 13.7.1960, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 317, Bl. 217–220.

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Ungewissheiten der indischen internationalen Position zurechtzukommen. Auf dem außerordentlichen Parteitag der KPdSU im Januar und Februar 1959 hatte Chruščev erneut beredt sowohl seiner Überzeugung als auch der festen Absicht Ausdruck verliehen, durch das produktive »Übergewicht des sozialistischen Systems über das kapitalistische System« »Millionen neuer Anhänger auf die Seite des Sozialismus« ziehen und hinsichtlich der nicht-militärischen Systemkonkurrenz die neuen Staaten für die sowjetische Seite gewinnen zu können.585 Der Staats- und Parteichef der UdSSR fühlte sich zu diesem Zeitpunkt innen- und außenpolitisch stark, zugleich von jüngsten internationalen Entwicklungen auch provoziert genug, um auf globaler Bühne entsprechende Noten zu verteilen, Bekenntnisse einzufordern und Pflöcke einzuschlagen. So mochte sich Chruščev etwa mit einer »Neutralität« nach dem Muster Jugoslawiens nicht abfinden, stellte Belgrads Politik doch ideologische Gewissheiten Moskaus in Frage und schwächte die sowjetische Position gegenüber den USA im Grundsätzlichen wie im Konkreten. Wohlwollender betrachtete Chruščev blockfreie Gehversuche nichtsozialistischer Staaten. Ihre Politik ließ sich als Versuch deuten, im Innern »das kapitalistische Stadium umgehen« und international das von der UdSSR definierte »antiimperialistische Friedensbündnis« stärken zu wollen.586 Auf ihrem Weg sollten sich diese, gemeinhin als »wirtschaftlich schwach entwickelt« betrachteten Staaten auf die tatkräftige, auch wirtschaftliche Unterstützung der UdSSR verlassen können. Letztlich, so lautete weiterhin Moskaus unumstößliche Gewissheit, war »echter Fortschritt« in allen Bereichen von Außen- und Innenpolitik, »nur auf den Wegen des Sozialismus möglich«.587 Moskaus Kriterien, nach denen Richtungsentscheidungen der neuen Staaten eingestuft wurden, blieben recht eindeutig. ›Progressive‹ Politik beinhaltete die Nationalisierung und Entwicklung der Industrie sowie die Förderung des entsprechenden Staatssektors, die Durchführung von Agrarreformen sowie Ansätze zur Wirtschaftsplanung. Dass einheimische Kommunisten eine angemessene Rolle spielen mussten, verstand sich von selbst, ebenso die internationale Klassensolidarität zwischen gleichberechtigten Parteien unter

585 Chruščev auf 1. Sitzung 21. Parteitag, 27.1.1959, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 1, S. 12 ff., hier S. 20, 62 f., S. 78 f. 586 Chruščev auf Abschlusssitzung 21. Parteitag, 5.2.1959, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 2, S. 393 ff., hier S. 397–400 sowie Chruščev auf 1. Sitzung 21. Parteitag, 27.1.1959, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 1, S. 12 ff., hier S. 87 f. Vgl. Judin, 16. Sitzung, 4.2.1959, ebd., Band 2, S. 312 ff., hier S. 329 f. 587 Chruščev auf 1. Sitzung 21. Parteitags, 27.1.1959, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 1, S. 12 ff., hier S. 68.

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einer – wie auch immer ausgedrückten – Anerkennung der historischen Rolle der UdSSR und ihrer KPdSU.588 Daher musste aus sowjetischer Sicht Nehrus Indien zum Stand 1959 »unweigerlich noch einiges tun, um endgültig die Folgen des Kolonialismus zu liquidieren und sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt sicherzustellen.« Ungeachtet dessen sah die sowjetische Politik im Gegensatz zur chinesischen das Land dank der »weitsichtigen Politik des herausragenden Staatsmanns« Nehru sowie der »Tätigkeit aller progressiven Kräfte« national und international auf einem guten Weg.589 Der »Produktionssieg«, bei dem nach sowjetischer Zählung das indisch-sowjetische Gemeinschaftsprojekt Bhilai vor den Konkurrenzwerken aus Großbritannien und Westdeutschland die Produktion aufnahm, bestätigte in sowjetischer Perspektive die eigenen Wertungen und bot allen Anlass zu weiterem Optimismus.590 Hinter den Kulissen waren allerdings Anfang 1959 auch kritischere Stimmen zu vernehmen. Gerade MID-Analysten gaben sich nüchterner respektive pessimistischer, was die indischen ideologischen Grundpositionen und ihre Auswirkungen auf Delhis praktische Politik anbelangte. Experten der zuständigen Südostasienabteilung des MID monierten ein anhaltendes »Manövrieren« der Nehru-Regierung zwischen »den Ländern des Kapitalismus und des Sozialismus«, welches sich im »kompromissbereiten Zugang zu einer Reihe von internationalen Problemen« äußere. Die außenpolitischen Funktionäre schrieben diese Politik Nehrus bourgeoiser Herkunft, dem Einfluss proamerikanischer und -britischer Gruppierungen in Regierung und Verwaltung sowie der fortdauernden »politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Landes von Großbritannien und den USA« zu.591 Tatsächlich zeigte sich Delhi jetzt und in den kommenden Monaten auf internationaler Ebene von offensiv-aggressiven Zugängen, wie sie die UdSSR etwa in der Berlin-Krise an den Tag legte, wenig angetan.592 Einfacher mochte es Moskau fallen, durch klare Stellungnahmen 588 Vgl. Muchitdinov auf 6. Sitzung 21. Parteitag, 29.1.1959, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 1, S. 388 ff., hier S. 396–399; Chruščev auf 1. Sitzung 21. Parteitags, 27.1.1959, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 1, S. 12 ff., hier S. 89–91, 108 f. 589 Muchitdinov auf 6. Sitzung 21. Parteitag, 29.1.1959, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 1, S. 388 ff., hier S. 398 f. 590 Chruščev auf Abschlussitzung 21. Parteitag, 5.2.1959, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 2, S. 393 ff., hier S. 397 f. Zur westlichen Zählung vgl. Unger, Entwicklungspfade, S. 199. 591 Lichačev an ZK, 3.2.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, Bl. 20 ff., hier ll. 40–46, hier ll. 41, 43 f. 592 Vgl. Protokoll Gespräch Nehru mit Grotewohl, 12.1.1959, SAPMO-BArch, NY 4090, Bl. 211 ff., hier Bl. 213, 222, 225 f., 245; Protokoll Gespräch Nehru mit sowjetischer Delegation, Muchitdinov, 13.3.1959, NMML, Subimal Dutt Papers, 21.

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in der Kashmir-Frage den indischen Unwillen gegen militärstrategische Ambitionen der USA in Pakistan für kompatible sowjetische Zwecke in der Region zu nutzen.593 Am genauesten ließen sich Möglichkeiten und Grenzen des indischen Entwicklungspotentials und der damit korrespondierenden sowjetisch-indischen Beziehungen anhand der bilateralen Beziehungen sowie entlang der Felder indischer Innenpolitik bestimmen, in denen sozialistische Interessen direkt und unmittelbar berührt waren. Daher beobachtete Moskau 1959 die Entwicklungen in Kerala sehr genau. Hier standen zumindest nach Ansicht des vorsichtigen MID »Einfluss und Autorität der kommunistischen Partei im Land« und damit indirekt, wenn nicht grundsätzliche Erfolgschancen, so doch Gradlinigkeit und Dauer eines friedlichen Wegs zum Sozialismus zur Debatte.594 Ungeachtet dessen lassen sich auch für die Keralaer Krisenmonate keine substantiellen Kontakte der KPdSU zur CPI nachweisen. Medien, Diplomatie und Wirtschaftsvertreter der UdSSR übten Zurückhaltung. Zusätzliche wirtschaftliche Kontakte zwischen Kerala und der UdSSR wurden nur »in einer Weise, dass sie unseren Beziehungen mit der Zentralregierung Indiens keinen Schaden zufügen«, unterstützt.595 Nach dem Sturz der CPI-Regierung ließen die kommentarlosen Veröffentlichungen entsprechender CPI-Verlautbarungen in der sowjetischen Presse wohl erkennen, dass der Kreml über die indischen Ereignisse nicht glücklich war.596 Doch Kritik daran gab es nur verbrämt, und zwar in Form einer wissenschaftlichen Analyse, die das IVAN in enger Abstimmung mit dem ZK publizierte. Im Vorfeld entschärfte die internationale Abteilung des ZK den Entwurf von IVAN-Direktor Gafurov. Man ließ alle Passagen streichen, die als »Einmischung in die inneren Angelegenheiten Indiens« verstanden werden konnten. Dadurch wurde, ohne eine klassenbewusste Gesamtbewertung aufzugeben, die zentrale 593 Vgl. Lichačev an Muchitdinov, 18.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 300, ll. 44–61, hier ll. 56 f.; Aufzeichnung Gespräche K. P. S. Menon mit Lichačev, 2. und 9.2.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 301, ll. 19–32; Aktenvermerk Renneisen über Gespräch mit sowjetischem Chargé d’Affaires Delhi, Tadžibaev, am 28.10.1958, MfAA, A. 13901, Bl. 36 f.; sowjetisches Aide memoire, 25.3.1959, in: Jain (Hg.), Soviet South Asian relations 2, S. 19–22; Nehru an Dayal u. a., 2.7.1959, SWJN 2, Vol. 50, S. 199–202; Ram, Soviet policy, S. 94–99. Nach einem amerikanisch-pakistanischen Abkommen über Militärhilfe (5.3.1959) wurde am 18.7.1959 das offizielle Abkommen über die Nutzung von Peshawar geschlossen, vgl. Editorial, FRUS 1958–1960 15, S. 615. 594 Vermerk Lichačev/Markov über Kerala, 5.2.1959, 26.1.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d.302, ll. 50 ff. 595 Ebd. Vgl. Ponomarev/Andropov an ZK, 23.1.1959, RGANI, f. 1, op. 3, d. 3, ll. 8 ff.; Beschluss Ideologie-Kommission, 24.8.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 124, Protokoll Nr. 34; Vermerke Ideologie-Kommission, 9.10.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 128, Protokoll Nr. 38. 596 Vgl. Pravda, 12.8.1959, S. 6 sowie 16.8.1959, S. 5; britische Botschaft Moskau an FO, 14.8.1959, NAK, DO 35/8886.

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Führung von Kongress und Regierung aus der Schusslinie genommen.597 Gafurovs Fachblatt durfte in dem knappen Artikel seine Leser daran erinnern, dass die nationale Bourgeoisie auch in Indien der Unterstützung durch die breiten Massen der Arbeiterklasse und der Bauern bedürfe, um eine echte Unabhängigkeit und damit die notwendige Grundlage für eine wirksame Friedenspolitik zu erreichen.598 Dies war indes nicht mehr als eine Wiederholung der seit 1956 gültigen offiziellen Linie. Daneben machte man sich in Moskau wegen der inneren Zerstrittenheit der CPI Sorgen. Die Uneinigkeit der linken Kräfte unterminierte den innerindischen Schutzwall gegen eine reaktionäre »Mobilisierung der Massen nach rechts«.599 Außenpolitisch gedacht nahm die Schwäche der indischen Partei der UdSSR ein nützliches Instrument zur propagandistischen Unterstützung internationaler Initiativen aus der Hand. Vor dem Hintergrund der ohnehin schwierigen Situation waren sowjetische Beobachter besonders darüber beunruhigt, dass der indisch-chinesische Konflikt die CPI zusätzlich in Nöte brachte.600 Die negativen Auswirkungen auf die indischen Kommunisten waren jedoch nur die Spitze des Eisbergs. Der indisch-chinesische Zwist barg für das ohnehin zunehmend fragile sowjetisch-indisch-chinesische Beziehungsdreieck weiteren Sprengstoff. Er besaß zudem weitgehende Implikationen für die Gesamtkonzeption der sowjetisch-indischen Verbindungen als einem Kernfaktor der sowjetischen internationalen Beziehungen und berührte damit Grundfragen des wachsenden sowjetisch-chinesischen Zerwürfnisses. Bereits während des tibetischen Aufstands deuteten sich hier Risse an. Zwar bewerteten Moskauer Funktionäre im Gleichschritt mit Peking die Unruhen als »reaktionäre«, gar »konterrevolutionäre« »Rebellion«, die nicht zuletzt von übelwollenden indischen Kreisen unterstützt werde. Daher stellte die UdSSR China für seinen Unterdrückungsfeldzug gegen die Aufständischen Geheimdienstinformationen zur Verfügung. Dagegen wollte Moskau Pekings weitreichende, konfliktgeladene ideologische und politische Schlussfolgerungen bezüglich 597 Gafurov an ZK mit Stellungnahme Intern. Abt. ZK, 19.8.1959, RGANI, f. 5, op. 33, d. 117, ll. 68 ff., hier ll. 79 f. Vgl. Gafurov an Suslov, 3.9.1959, ebd., ll. 97 ff. Es ging um den Artikel ›K sobytijam‹. Vgl. ferner die knappe Zusammenfassung von Suchanova, K sobytijam. Als spätere Aufarbeitung dies., Demokratičeskaja politika. 598 Vgl. K sobytijam, S. 4 f. 599 Aktenvermerk Gespräch Renneisen mit Benediktov, 29.10.1959, PA AA, MfAA, A. 13915, Bl. 88 f., hier Bl. 89. Vgl. Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Rao, 14.12.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 492, ll. 63 ff. 600 Vgl. neben Anm. 544–547 Vermerk Lichačev, 24.12.1959 (Ausgang), RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 73–91, hier ll. 84–86.

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der indischen Politik nicht nachvollziehen.601 Ähnlich ambivalent fielen erste sowjetische Reaktionen auf die Grenzzusammenstöße der zweiten Jahreshälfte aus. Selbst das MID, das diese als indische Provokation wertete, vermisste an der Reaktion der »chinesischen Freunde« die »notwendige Wendigkeit«.602 Der politischen Führungsmannschaft um Chruščev stellten sich die Ereignisse noch negativer dar. Für sie handelte es sich um einen chinesischen Versuch, die Moskauer Politik gegenüber der Dritten Welt herauszufordern. Mehr noch: Peking schien die sowjetische friedliche Strategie im Wettkampf mit den USA zu schädigen, obwohl sich deren Erfolg doch im anstehenden Besuch des Ersten Sekretärs in Washington abzeichnete.603 Um in beiden Feldern gegenzusteuern, erklärte TASS am 9. September 1959 die UdSSR für hinsichtlich der indisch-chinesischen Grenzstreitereien neutral.604 Öffentlich und vertraulich sandte Moskau starke Signale an Delhi, die besagten, dass Indien keiner gesamtsozialistischen Einheitsfront gegenüberstand.605 Der Kreml hatte nicht vor, Maos Peking zu folgen und die Globallinie, die der KPdSU-Parteitag erst vor wenigen Monaten bekräftigt hatte, über den Haufen zu werfen. Indische Vertreter taten das Ihre. Sie streuten Warnungen, wonach ihr Land durch die chinesischen Aktionen gezwungen würde, seine internationale Blockfreiheit aufzugeben. Im Ganzen sah die sowjetische Führung im indisch-chinesischen Konflikt für das eigene Lager gleich mehrere Nachteile.606 Zum einen schwächte Pekings 601 Andropov an ZK, 31.3.1959, in: Wolff, A finger’s worth, S. 60–64. Vgl. Pravda, Maevskij, an Pospelov, 12.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, l. 99; Maevskij an Suslov, 12.6.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 70–76, hier ll. 75 f.; Vermerk Lichačev, 24.12.1959 (Ausgang), RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 73–91, hier ll. 73, 75; US-Botschaft Delhi an State Department, 4.9.1959, FRUS 1958–1960 XIX, S. 777–780, hier S. 779; Menon, The flying troika, S. 234–236; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 141 f.; Andreev, Tibet, S. 362–364. 602 Vermerk Lichačev, 24.12.1959 (Ausgang), RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 73–91, hier l. 82. Vgl. Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 144–146. 603 Vgl. Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 144–150; Taubman, Khrushchev, S. 396–441; Zagoria, Der chinesisch-sowjetische Konflikt, S. 150 f., 254–298, 312–319; MacFarquhar, The origins 2, S. 225–228, 255–260; Fedotov, Polveka, S. 177–179. 604 Vgl. Pravda, 10.9.1959, S. 3. 605 Protokoll Gespräch Chruščev mit Mao, 2.10.1959, in: Zubok (Hg.), The Mao-Khrushchev conversations, S. 262–270, hier S. 266; US-Botschaft Delhi an State Department, 4. und 5.9.1959, FRUS 1958–1960 XIX, S. 777–781, hier S. 779, 781; Nehru in Kabinett, Oktober 1959, zit. in CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section I: 1950–59, 2.3.1963, S. 34, CIA Electronic Reading Room, http://www.foia.cia.gov/CPE/POLO/polo-07.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 606 Vgl. u. a. Aktenvermerk über Gespräch Renneisen mit Benediktov, 29.10.1959, PA AA, MfAA, A. 13915, Bl. 88 f., hier Bl. 89; DDR-Botschaft Peking an MfAA, 26.10.1959, PA AA, MfAA, A. 10003, Bl. 110 f.; Maevskij an Suslov, 12.6.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 70–76, hier

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Vorgehen die innerindischen Abwehrkräfte gegen drohende Rechtstendenzen. Dies bereitete, wie gesehen, nicht nur der CPI erhebliche Probleme. Die Gefahr, »eine Situation zu schaffen, in welcher der Feind Nr. 1 nicht mehr Pakistan, sondern China ist«, schlug direkt auf die internationale Stellung des Sozialismus durch.607 Entsprechend besorgt registrierten Moskauer Außenpolitiker Annäherungsversuche zwischen Indien und Pakistan. Diese stellten in der sowjetischen Matrix einen Etappensieg der rechten Kräfte dar, die Indien in das Fahrwasser von SEATO und CENTO bringen wollten, auch zum Schaden Chinas.608 Daneben minderte die chinesische Aggressivität – nicht Aggression – Prestige und Vorbildcharakter von Maos China in Asien. Darüber hinaus lief sie durch ihre flagrante Missachtung der ›Fünf Prinzipien‹ dem beharrlichen Bemühen Moskaus zuwider, unentschiedene Länder dem Einfluss der USA zu entziehen und ihre »Annäherung an die Länder des sozialistischen Lagers zu unterstützen«. Dies wiederum schmälerte die Aussichten, mittels der als alternativlos betrachteten friedlichen Koexistenz auf der globalen Ebene des Systemkonflikts zu sozialistischen Fortschritten zu kommen.609 Im Kontext der bilateralen Verbindungen zu China bewertete man im Kreml die perzipierten Fehlentwicklungen außerdem als Beweis, dass das Verhalten der Pekinger Führung in politischer und ideologischer Hinsicht weniger von wünschenswertem, gefestigtem Selbstbewusstsein als von grundloser Selbstüberschätzung zeugte.610 Dementsprechend ungehalten forderte Chruščev während seines Besuchs in China Anfang Oktober 1959 die dortigen Genossen zur Kurskorrektur auf.611 In der Öffentlichkeit gab sich Chruščev konzilianter, blieb aber in der Sache fest. »Ideologische Streitigkeiten oder Fragen des staatlichen ll. 73–75; Vermerk DDR-Botschaft Moskau, Pfützner, über Gespräch Lichačev mit Thun am 1.10.1959, 13.10.1959, SAPMO-BArch, DY 30/3497, Bl. 163 f., hier Bl. 163; Kramer, The USSR Foreign Ministry’s appraisal. 607 Aktenvermerk über Gespräch Renneisen mit sowjetischem Botschafter Benediktov, 29.10.1959, PA AA, MfAA, A. 13915, Bl. 88 f., hier Bl. 89. Vgl. Vermerk Lichačev, 24.12.1959 (Ausgang), RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 73–91, hier ll. 83 f. 608 Vgl. Vermerke Lichačev, 24.12.1959 (Ausgang) und 7.1.1960, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 73–91, hier ll. 84 f. sowie d. 335, ll. 1–12, hier l. 1, 3; Entwurf Memorandum für Vorošilov, Furceva und Kozlov für Gespräche in Indien, 31.12.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 301, ll. 241–258, hier l. 249; Muhamad, The United States, S. 170–174. 609 Vermerk ZK-Apparat über China, 19.9.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 307, ll. 49 ff., hier l. 65 f. 610 Vgl. Aktenvermerk DDR-Botschaft Moskau über Gespräch mit Charlamov, 3.9.1959, PA AA, MfAA, A. 151, Bl. 6 ff.; Chruščev, Vremja 3, S. 82 f. Michail Averkievič Charlamov, u. a. 1953–1962 (erster stellv.) Leiter Presseabt. MID, 1962–1964 Vors. Staatskomitee für Rundfunk und Fernsehen. 611 Vgl. Protokoll Gespräch Chruščev mit Mao, 3.10.1959, in: Zubok (Hg.), The Mao-Khrushchev conversations, S. 262–270, hier S. 265–270; Chruščev, Vremja 3, S. 84 f.; MacFarquhar, The origins 2, S. 260–266; Lüthi, Sino-Soviet split, S. 146–150.

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Aufbaus dieses oder jenes Lands« könnten »niemals« durch Krieg entschieden werden, unterstrich der sowjetische Staatslenker am 31. Oktober 1959 vor dem Obersten Sowjet. Chruščevs Aufruf an die »zwei Staaten, die unsere Freunde sind«, sich in den offenen Fragen aufeinander zuzubewegen, signalisierte jedoch auch, dass der Kreml einstweilen über keine operationalisierbare Politik verfügte, um indisch-chinesische wie chinesisch-sowjetische Unstimmigkeiten zu bereinigen. Chruščev setzte, überspitzt ausgedrückt, darauf, dass sich die komplexen Probleme im Laufe des gesetzmäßigen und zukünftig hoffentlich ungestörten Ablaufs der Erfolgsgeschichte des Sozialismus auflösen würden.612 In Peking riefen die sowjetischen Ratschläge und Appelle lediglich Empörung hervor. Daraufhin verhärtete sich in der KPdSU-Spitze die Kritik an Ideologie, Strategie und Taktik des chinesischen Partners, und es wuchs die Furcht vor entsprechend verheerenden Auswirkungen auf indische Entwicklungen und Positionen. Für Peking sei die »friedliche Koexistenz« offenbar nur ein »vorläufiges taktisches Manöver«, hielt Suslov im Dezember 1959 fest. In Vorlagen für das ZK-Präsidium malte er das »große Unglück« an die Wand, »wenn in Indien eine reaktionäre, prowestliche Regierung an die Macht kommt«, die die »Freundschaft mit […] dem ganzen sozialistischen Lager« ad acta legen würde.613 In dieser Situation waren sowjetische Stellen bemüht, trotz der allgemeinen rapiden Verschlechterung der Beziehungen zu Peking auf internationaler Ebene den chinesisch-indischen Grenzstreit möglichst bedeckt zu halten. Auf diese Weise hoffte man im Kreml, in der Dritten Welt breite Debatten zu verhindern, die möglicherweise weitere Abkehrbewegungen vom sozialistischen Lager ausgelöst hätten. Zum anderen wollte die sowjetische Führung Washington und seinen Partnern nicht Tür und Tor für weitere Einmischungsversuche in Indien öffnen.614 Aus dem letztgenannten Grund unternahm die sowjetische Führung 612 Chruščev vor Obersten Sowjet, 31.10.1959, in: Pravda, 1.11.1959, S. 1–3. Vgl. Gespräche Chruščevs mit New Age-Korrespondenten, 7.11.1959, CIA, ›The Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, 7.2.1962, S. 73, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/ esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 613 Berichtsentwurf Suslov an ZK-Präsidium, 18.12.1959, RGANI, f. 2, op. 1, d. 415, ll. 4 ff., hier ll. 17, 19, 25–27, 30 f., 36. Vgl. Chruščev vor ZK-Präsidium, 9.2.1960, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 435 f., hier S. 436. Parallele Ausarbeitungen im MID lesen sich wieder kritischer gegenüber Indien, ohne aber die Nehru-Regierung aufgeben zu wollen, vgl. Vermerke Lichačev, 24.12.1959 (Ausgang) und 7.1.1960, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 73–91, hier ll. 74 f., 85–91 sowie d. 335, ll. 1–12, hier l. 5. 614 Vgl. Anweisung für sowjetische Vertretung im Ständigen Sekretariat der Solidaritätsbewegung, Abdurašidov, 22.12.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 468, ll. 134 ff.; Entwurf Memorandum für Vorošilov, Furceva und Kozlov für Gespräche in Indien, 31.12.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 301, ll. 241–258, hier l. 250.

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auch einige Anstrengungen, um Eisenhowers Besuch in Indien (9. bis 14. Dezember 1959) etwas entgegenzusetzen. Die Visite hatte das amerikanisch-indische Rapprochement der zweiten Amtszeit des US-Präsidenten besiegelt und war nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Grenzscharmützel sehr erfolgreich verlaufen.615 Im Januar 1960 fand endlich der Besuch des sowjetischen Staatsoberhaupts, Vorošilov, statt, wenn auch mit, wie bereits geschildert, durchwachsenen Resultaten.616 Chruščevs zweite Indienreise im Februar 1960 wurde in Teilen ebenfalls als Antwort auf den Publikumserfolg Eisenhowers konzipiert.617 Insgesamt beschworen alle sowjetischen Gäste in dieser Phase in den Bereichen von Abrüstung, asiatischer Selbständigkeit und globaler Friedenspolitik wieder einmal tatsächliche und angebliche internationale Gemeinsamkeiten beider Staaten. Dass allerdings Chruščev in aktuellen Fragen wie der Deutschlandpolitik weiterhin unverblümt aus einer Position der Stärke argumentierte und Nehru gar die Zahl der Atomraketen vorrechnete, die die UdSSR zur Zerstörung Großbritanniens, Frankreichs, der BRD und der USA benötigte, ließ einmal mehr die Brüchigkeit der indisch-sowjetischen internationalen Plattform erkennen.618 Mit proindischen Verlautbarungen in der Kashmir- und Goapolitik konnten die sowjetischen Gäste dagegen immer noch punkten, zumal sich die USA aufgrund ihrer Bündnisse hier schwertaten.619 Darüber hinaus diente der Besuch des Ersten Sekretärs in vier blockfreien Staaten (neben Indien noch Burma, Indonesien und Afghanistan) dazu, sich selbst, dem sozialistischen Lager einschließlich Chinas und der ganzen Welt Gültigkeit und Erfolg der sowjetischen Politik gegenüber der sich rapide entwickelnden Dritten Welt zu demonstrieren.620 Zeitnahe sowjetische Kredit615 Vgl. McMahon, The cold war, S. 265–271; McGarr, The cold war, S. 57–59, 69–75, 85–88. 616 Vgl. Kap. IV.1.1. Der ursprünglich für Anfang 1959 geplante Besuch war aus Gesundheitsgründen verschoben worden. 617 Vgl. Gromyko an Chruščev, 8.1.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 72, d. 19, ll. 1–3; Tagebuch Lichačev, 15.1.1960, ebd., papka 35, d. 3, ll. 4 f.; Aufzeichnung Gespräch Lichačev mit indischer Botschaft Moskau, Than, 3.12.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 301, l. 38; Nehru an K. P. S. Menon, 5.1.1960, und an Dutt, 20. und 23.1.1960, SWJN 2, Vol. 56, S. 365, 367 f. 618 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Chruščev, 12.2.1960, SWJN 2, Vol. 57, S. 399–412; britisches Hochkommissariat an CRO, 15. und 29.2.1960, NAK, DO 35/8846; Gespräche Nehru mit Nasser, 29.–31.3.1960, SWJN 2, Vol. 59, S. 387–404. 619 Vgl. Entwurf Memorandum für Vorošilov, Furceva und Kozlov für Gespräche in Indien, 31.12.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 301, ll. 241–258; Vermerk Lichačev, 7.1.1960, RGANI, f. 5, op. 30, d. 335, ll. 1–12, hier l. 5; indisch-sowjetisches Abschlusskommuniqué, 5.2.1960, in: Choudhary (Hg.), Dr. Rajendra Prasad 21, S. 380 f. 620 Vgl. politischer Bericht indische Botschaft Moskau für März 1960, o. D., NAI, 8 (39) Eur (E)/60; Material über den Besuch in Choudhary (Hg.), Dr. Rajendra Prasad 21, S. 381–391; Chruščev, Vremja 2, S. 458–460 sowie Band 3, S. 448–457.

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angebote untermauerten diese Präsentation.621 Im Gespräch mit Nehru am 12. Februar entwickelte Chruščev eine selbstbewusste Globalanalyse, derzufolge selbst kapitalistische Gesellschaften angesichts der sowjetischen wirtschaftlichen, militärischen und technologischen Leistung auf Dauer nicht umhin konnten, die Überlegenheit des sozialistischen Systems anzuerkennen.622 Dies, so war sich Chruščev sicher, galt auch für Indien. Gerade durch Bhilai als »Äquivalent unseres Magnitogorsk« sah sich der Erste Sekretär bestätigt. Hier, räsonierte der Kreml-Chef vor Moskauer Publikum, zeige sich das »neue Indien«, hier würden »neue Menschen aufwachsen und gehärtet«.623 In den Debatten um das neue Programm der KPdSU gerannen die Überzeugungen des Ersten Sekretärs zur Parteilinie. Die sowjetischen Ideologen hielten auftragsgemäß daran fest, dass im friedlichen Wettbewerb der Systeme das sozialistische auch deshalb triumphieren würde, weil das kapitalistische (Ausbeuter-)System durch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der neuen Staaten weitere erhebliche Verluste erleiden musste.624 Grundvoraussetzung hierfür war die entsprechende Entscheidung der Völker selbst. Sie würde, so die Überzeugung der KPdSU-Führung, aufgrund der Vorzüge des sozialistischen Wegs eindeutig ausfallen. Dabei waren aus Sicht sowjetischer Programmatiker in der Dritten Welt die notwendigen Grundlagen für eine ebenso gedeihliche wie »lange Zusammenarbeit zwischen allen demokratischen Kräften einer Nation, darunter auch zwischen der Arbeiterklasse und der nationalen Bourgeoisie«, gegeben, blutige Klassenkämpfe nicht notwendig – sofern sozialistische Bedingungen und Zwecke erfüllt schienen, die nationale Bourgeoisie einen Teil ihrer Privilegien aufgebe und »sich von allgemeinen nationalen Interessen leiten lässt«.625 In einer Redaktion der Kriterien des 21. Parteitags konkretisierten die ZK-Ideologen diesen, so der terminus technicus, »nichtkapitalistischen Entwicklungspfad«: Er beinhaltete nun grundlegende Agrarreformen, die zumindest in Richtung 621 Vgl. Kap. 4.4.1. 622 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Chruščev, 12.2.1960, SWJN 2, Vol. 57, S. 399–412; Nehru, Nice guys, S. 326 f. 623 Politischer Bericht indische Botschaft Moskau für März 1960, o. D., NAI, 8 (39) Eur (E)/60 sowie politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1960, 5.1.1961, hier S. 34, NMML, K. P. S. Menon Papers, 5; Protokoll Gespräch Nehru mit Chruščev, 1.3.1960, NMML, Subimal Dutt Papers, 24. 624 Vgl. Entwurf Beschluss ZK, 17.12.1959, RGASPI, f. 586, op. 1, d. 1; Stenogramm Sitzung ZK-Präsidium, 14.12.1959, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 397–412, hier S. 404, 406–408. 625 Ponomarev an ZK mit Materialien über Entwurf Parteiprogramm KPdSU, 16.1.1960, RGANI, f. 1, op. 4, d. 11, ll. 1 ff., hier ll. 45–49. Vgl. Ponomarev an ZK-Präsidium mit zweitem Entwurf, 27.2.1960, RGANI, f. 1, op. 4, d. 12, ll. 1 ff., hier l. 51–58; Chruščev, Vremja 3, S. 366.

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kooperativer Bewirtschaftungsformen gingen, die Industrialisierung des Landes mit einem starken staatlichen Sektor sowie erweiterte und garantierte »demokratische Rechte für alle Schichten der Bevölkerung«.626 Dem sozialistischen Lager blieb die Aufgabe, solidarisch den eingeschlagenen Kurs zu unterstützen. Das sowjetische Parteiprogramm formulierte damit auch klare Gegensätze zur chinesischen Politik, was Fragen der friedlichen Koexistenz, des friedlichen Übergangs zum Sozialismus sowie die Rolle der nationalen Bourgeoisie in der Dritten Welt anging. Im laufenden chinesisch-indischen Konflikte mochte sich die UdSSR allerdings einstweilen nicht weiter exponieren. Den eigenen Einfluss auf Peking schätzte Moskau zu Recht als gering ein. Der Kreml musste darauf warten, dass eine Mischung aus prinzipiellen Vorhaltungen und praktischen Erfolgen der UdSSR ihre Wirkung auf das chinesische Denken nicht verfehlen würde. In der Zwischenzeit versuchte die sowjetische Diplomatie, sich die wahrgenommenen Möglichkeiten und Fortschritte in Indien zu erhalten. Zu diesem Zweck war Delhis aufkeimendes Misstrauen gegen die sozialistische Staatengemeinschaft durch gute sowjetisch-indische Beziehungen zu ersticken. Gelang dies, so konnte sich die indische Widerstandskraft sowohl gegen rechte Abirrungen als auch gegen radikallinke Herausforderungen in Zukunft weiterhin als stark genug erweisen. Diesem Kalkül entsprach im Übrigen auch der erstmalige Verkauf von einigen Transportflugzeugen an Delhi.627 Im Ganzen hielt die sowjetische Führung an der Vorstellung fest, dass Peking und Delhi zur – sowjetischen – Vernunft zurückfanden. »Alles, was wir wollen, ist, dass Indien und China ihre alte Freundschaft wiederbegründen«, verlieh Chruščev Nehru gegenüber dem Prinzip Hoffnung Ausdruck.628 Der indische Premier wollte durch den Zwist mit China die eigenen Grundannahmen und Perspektiven gleichfalls nicht in Frage stellen lassen. Daher warb die indische Diplomatie im Zeichen internationaler Entspannung und asiatischer Gleichberechtigung nach wie vor für die Aufnahme des chinesischen Festlands in die UN.629 Im Grenzstreit modifizierte Delhi seine Position aus denselben Gründen nicht substantiell. In dieser Zeit hätte sich Nehru möglicherweise 626 Ponomarev an ZK-Präsidium, 27.2.1960, RGANI, f. 1, op. 4, d. 12, ll. 1 ff., hier ll. 56 f. 627 Vgl. politischer Jahresbericht indische Botschaft Delhi, 5.1.1961, hier S. 37, NMML, K. P. S. Menon papers, 5. 628 Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Chruščev, 12.2.1960, S. 14–16, NMML, Subimal Dutt Papers, 24. Stärkeres sowjetisches Vermittlungsengagement lässt sich in den Quellen nicht nachweisen, vgl. jedoch Ray, Sino-Soviet conflict, S. 61. 629 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 2. Sitzung, 3.5.1960, NAK, CAB 133/249; Aktenvermerk Renneisen über Gespräch russischer Gesandter und chinesischer Botschafter Delhi, [Anfang 1960], PA AA, MfAA, A. 13915, Bl. 319.

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letztlich mit einem territorialen Kuhhandel entlang der chinesischen Vorstellungen anfreunden können. Immerhin ließ er im Januar nach Rücksprache mit seinen Botschaftern in Peking und Moskau die alten Vorbedingungen für ein Gipfeltreffen mit Zhou Enlai fallen. Parallel hierzu ordnete Nehru jedoch an, eine ausführliche quellengestützte Rechtfertigung der indischen Ansprüche zu erstellen. Die Formulierung der indischen Einladung an Zhou Enlai Anfang Februar 1960 machte klar, dass Delhi keinen Raum für eine durchgängige Neuverhandlung der Grenzen sah.630 Im Gegenzug unterstrichen Chinas Grenzabkommen mit Burma (28. Januar 1960) und Nepal (29. März 1960), dass Peking anstelle einer bloßen Neubestimmung von Grenzlinien auf einer grundsätzlichen Neubewertung beharrte.631 Die intensiven Diskussionen, die Zhou Enlai vom 19. bis zum 25. April 1960 in Delhi führte, erbrachten keine Annäherung. Die Expertengespräche konnten angesichts der unvereinbaren Ausgangspositionen die verhärteten Fronten nicht auflockern.632 Das Hickhack um das Abschlusskommuniqué sowie die öffentliche Aufbereitung durch beide Seiten demonstrierten, wie weit die Positionen auseinanderblieben.633 Indische Juristen und Historiker sammelten derweil emsig Material, um in den angestrebten Folgeverhandlungen die Haltlosigkeit Pekinger Forderungen nachweisen zu können. Zeitgenössische Analysen amerikanischer Beobachter legen es nahe, dass die indischen Spezialisten hier durchaus einige Beweise beibrachten.634 Mit Blick auf die chinesische Argumentation lief der Ansatz aber ins Leere. Im Laufe des Jahres 1960 dehnte China zumindest in indischen Augen die Übergriffe auf indisches Gebiet sukzessive aus. Delhi machte sich endgültig 630 Vgl. Aufzeichnung Gespräch FO und CRO mit MacDonald, 8.1.1960, NAK, DO 35/8922; Nehru an Zhou Enlai, 5.2.1960, SWJN 2, Vol. 57, S. 292 f.; indische Note an China, 12.2.1960, sowie Aussprachen in Lok Sabha, 13. und 22.2.1960, in: SWJN 2, Vol. 57, S. 301–304, 320–348, 501–515; Mehta, Negotiating, S. 76–78. 631 Vgl. Vermerk MacDonald über Gespräch mit Krishna Menon, 25.5.1960, NAK, DO 35/9014; Nehru an nepalesischen Premier, B. P. Koirala, 31.3. und 13.4.1960, SWJN 2, Vol. 59, S. 351– 353, 357–359; Stepanov, Politika, S. 132–140; Fravel, Strong borders, S. 86–93. 632 Vgl. Gespräche Nehru und Zhou Enlai, 20.–25.4.1960, sowie die Gesprächsrunden ihrer Offiziellen, 22.–25.4.1960, SWJN 2, Vol. 60, S. 17–31, 50–59, 67–78, 136–149, 156–171 sowie 104–110, 150–156, 171–180. 633 Vgl. Gespräch Nehru und Zhou Enlai sowie Expertenrunde, 25.4.1960, SWJN 2, Vol. 60, S. 156–180; Pressekonferenz Zhou Enlai, 25.726.4.1960, ebd., S. 186–216; Debatten Lok und Rajya Sabha, 26. und 29.4.1960, ebd., S. 222–233, 238–312. 634 Vgl. CIA, POLO XVI, ›The Sino-Indian Border Dispute‹, Section II: 1959–61, 19.8.1963, S. 64– 75, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-08.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Fravel, Strong borders, S. 94–96; Mehta, Negotiating, S. 78–103; Singh, My China, S. 87–108; Miller, Wronged, S. 72–81.

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ernsthaft daran, seine Kommunikations- und Verkehrsverbindungen mit den Grenzgebieten auszubauen. Vor Ort ließen beide Seiten Soldaten und Grenzpolizei patroullieren. Garniert mit militärischen Nadelstichen setzten Peking und Delhi sowohl ihren Propaganda- und Kartenkrieg als auch diplomatische Graben- und Stellungskämpfe fort. Sie behielten dabei einen wachen Blick für den Nutzen bzw. die Notwendigkeit, die sowjetische Haltung im eigenen Sinne zu beeinflussen.635 Daher, und gemäß den eigenen Grundüberzeugungen, rückte Nehru die Gefahren der chinesischen Position für indisch-sozialistische Beziehungen, verstanden als Labor und Paradigma nichtsozialistisch-sozialistischer Verbindungen zugleich, in den Vordergrund.636 Auch die Pekinger Argumentation bewegte sich auf der Ebene grundsätzlicher Probleme internationaler Beziehungen der verschiedenen Systeme.637 Damit standen Fundamente der sowjetischen Außenpolitik unter Chruščev zur Debatte. Als das Pekinger Regime den Prinzipienstreit mit der KPdSU im April 1960 aus Anlass des 90. Geburtstags von Lenin ausweitete und endgültig in die Öffentlichkeit trug, blieb dem Kreml gar nichts anderes übrig, als Farbe zu bekennen.638 Auf dem Juli-Plenum des ZK der KPdSU formulierte die sowjetische Führung ihren Widerspruch gegen nahezu alle Formate chinesischer internationaler Politik und ihre ideologischen Begründungen.639 Der Erste Sekretär polemisierte gegen Maos Bild vom Ostwind, der die Oberhand gegen den Westwind gewinne, da das gefühlte – und intendierte – »panasiatische geografische Prinzip« globale Ambitionen der UdSSR, die mit der »Analyse der klassenmäßigen Gruppierung der Kräfte in der Welt« operierte, in Frage stellte.640 Frol Kozlovs Lagebericht stellte eine allgemeine schonungslose Generalabrechnung der Moskauer Partei mit dem »Sektiertum«, dem »Dogmatismus« und der »linken Phraseologie« der chinesischen Genossen dar. Diese führten, so das ZK-Präsidium, nur zu Selbstisolierung, zur 635 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Herter, 7.10.1960, FRUS 1958–1960 XV, S. 565–568; sowjetische Botschaft Delhi an Puškin, 18.10.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 36, d. 12, ll. 1–17; Nehru an Koirala, 10.7.1960, SWJN 2, Vol. 61, S. 619–622. 636 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 8.6.1960, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 359– 371. 637 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Červonenko mit Deng Xiaoping, 7.6.19650, in: Zubok (Hg.), Deng Xiaoping, S. 170–172, hier S. 171. 638 Vgl. Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 157 f., 160–163; Zagoria, Der chinesisch-sowjetische Konflikt, S. 333–374; MacFarquhar, The origins 2, S. 266–269, 272–292. 639 Vgl. F. Kozlov vor ZK-Plenum, 16.7.1960, RGANI, f. 2, op. 1, d. 484, ll. 69 ff.; Chruščev vor ZK-Plenum, 16.7.1960, ebd., ll. 78ob ff. 640 Chruščev vor ZK-Plenum, 16.7.1960, RGANI, f. 2, op. 1, d. 484, ll. 78ob ff., hier l. 79.

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Schwächung des sozialistischen Lagers und letztlich zum globalen Krieg. Am Beispiel des chinesischen Umgangs mit Indien, einem Herzstück sowjetischer Strategie, wurden Pekings Fehler in ihrem ganzen Ausmaß durchdekliniert. Mit Blick auf Indiens innen- und gesellschaftspolitische Entwicklungen verteidigte Moskau sowohl das progressive Potential der Nationalbourgeoisie als auch die Perspektiven der CPI, beides Kräfte, die durch die aktuelle chinesische Politik geschädigt würden. Zudem setzten die chinesischen Aktionen sowjetischer Überzeugung nach die blockfreie Positionierung Indiens unnötiger Gefahr aus und drängten es an die Seite »imperialistischer Militärallianzen«. Dagegen schützten, so Kozlov, nur die gültigen Axiome der »weitsichtigen« Politik des sowjetischen Imperiums. Es würde durch intensive Beziehungen zu neutralen Ländern den eigenen Einfluss auf Innen- und Außenpolitik dieser Staaten stärken und damit letzten Endes möglichst umfassende »Reserven und Möglichkeiten im Interesse der Schaffung maximal vorteilhafter Bedingungen für die Heranreifung einer sozialistischen Revolution« kreieren.«641 Dieses Kalkül beinhaltete eben auch die Zusammenarbeit mit der nationalen Bourgeoisie, die nach Moskauer Dafürhalten in ihrem Streben nach wirklicher Unabhängigkeit als Verbündeter der Arbeiterklasse auftrat.642 Die Großkonferenz der kommunistischen und Arbeiterparteien, die vom 10. November bis 1. Dezember 1960 in Moskau tagte, legte den sowjetisch-chinesischen Gegensatz nicht abschließend bei. Das ZK-Präsidium in Moskau bewertete die am 6. Dezember veröffentlichte Abschlussdeklaration wohl als »sowjetisches Dokument mit Nuancen«. Dies meinte die weitgehende Anerkennung der KPdSU als internationaler Avantgarde, deren Lesart friedlicher Koexistenz im andauernden Systemwettbewerb maßgeblich war.643 Hinsichtlich der Dritten Welt legten sich die versammelten Kommunistischen Parteien erneut darauf fest, den Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika »allseitige Hilfe und Unterstützung« gegen den Imperialismus zu leisten. Als imperialistische Machenschaften 641 F. Kozlov vor ZK-Plenum, 16.7.1960, RGANI, f. 2, op. 1, d. 484, ll. 69 ff., hier ll. 69ob-70, 72ob, 74ob-75. 642 Vgl. Chruščev vor ZK-Plenum, 16.7.1960, RGANI, f. 2, op. 1, d. 484, ll. 78ob ff., hier l. 79ob; Resolution, ebd., ll. 88ob ff.; ›Kurze Wiedergabe der Verhandlungen zwischen Delegationen der KPdSU und der chinesischen KP‹, 17–22.9.1960, SAPMO-BArch, DY 30/3605, Bl. 108 ff. 643 Deklaration, in: Erklärung der Beratung, hier v. a. S. 10 f., 22, 31 f., 35–38. Die Bewertung Mikojans zit. nach Than an Deputy Secretary MEA, Kaul, 9.12.1960, NAI, 8 (21) Eur (E)/60. Vgl. Beschluss ZK-Präsidium, 13.12.1960, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 134–138; Entwurf Vortrag Suslov, 12.1.1961, RGANI, f. 2, op. 1, d. 495, ll. 9 ff.; Suslov auf ZK-Plenum, 18.1.1961, RGANI, f. 2, op. 1, d. 535, S. 261 ff.; Zagoria, Der chinesisch-sowjetische Konflikt, S. 379–394; Friedman, Shadow Cold War, S. 57 f.

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wurden hier Wirtschaftshilfe, Militärblocks, -diktaturen und -stützpunkte, die Installierung von Marionettenregimen sowie das Schüren ethnischer Konflikte diagnostiziert. Es blieb auch weltkommunistischer Konsens, dass die neuen Gesellschaften selbst friedlich über ihre Entwicklung entscheiden sollten. Als vorläufiges Endziel des nation building gab die Versammlung nun den »Staat der nationalen Demokratie« vor. In Fortführung der sowjetischen Parteitags­ beschlüsse von 1956 und 1959 wurde damit ein Staat bezeichnet, »der konsequent seine politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit verteidigt, der gegen den Imperialismus und seine Militärblocks, gegen die Militärstützpunkte auf seinem Territorium kämpft; [ein Staat], der gegen die neuen Formen des Kolonialismus und das Eindringen des imperialistischen Kapitals kämpft; [ein Staat], der die diktatorischen und despotischen Methoden der Verwaltung ablehnt; [ein Staat], in dem das Volk die breitesten demokratischen Rechte und Freiheiten (Freiheit des Wortes, der Presse, der Versammlungen, der Demonstrationen, der Bildung politischer Parteien und gesellschaftlicher Organisationen) genießt, in dem es die Möglichkeit besitzt, sich für eine Agrarreform und für die Verwirklichung anderer Forderungen nach demokratischen und sozialen Umgestaltungen, nach Mitbestimmung der Staatspolitik einzusetzen.« Am Ende, auch daran hielt die Beratung fest, würden sich die letzten nationalen Ambitionen in einer wirklich sozialistischen Entwicklung erfüllen: »Die Ziele der Kommunisten entsprechen den höchsten Interessen der Nation.«644 An der Verwirklichung dieses Ziels sollte, so die Deklaration ganz im Sinne Moskaus, die »nicht mit den imperialistischen Kreisen verbundene nationale Bourgeoisie« mitwirken. Mit expliziten Warnungen vor deren klassenimmanentem »Wankelmut« konnte sich nach den globalen Erfahrungen der letzten Jahre die sowjetische Delegation 1960 durchaus einverstanden erklären. Dass diese Langzeitstrategie sowjetischer Prägung auch in Indien erfolgreich sein würde, daran hegten die sowjetischen Parteispitzen keinen Zweifel. Laut Suslov waren in Indien zudem Arbeiter und CPI aktiv daran beteiligt, die indische »Übergangsform zum Weg nichtkapitalistischer Entwicklung« zu gestalten.645 Im Moskauer Selbstverständnis war es die sowjetische Aufgabe, ihnen den Rücken zu stärken und sie unter anderem vor »sektiererischen« Abirrungen und Einflüsterungen zu bewahren.646 644 Deklaration zit. nach Überlieferung in SAPMO-BArch, NY 4076/172, hier S. 15–18. 645 Suslov auf ZK-Plenum, 18.1.1961, RGANI, f. 2, op. 1, d. 535, S. 261 ff., hier S. 265. 646 Entwurf Vortrag Suslov, 12.1.1961, RGANI, f. 2, op. 1, d. 495, ll. 9 ff.; F. Kozlov vor ZK-Plenum, 16.7.1960, RGANI, f. 2, op. 1, d. 484, ll. 69 ff., hier l. 78.

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Der linke Flügel der CPI hatte sich zu dieser Zeit allerdings schon längst chinesischen Argumentationsmustern angeschlossen. Daher warf die indische Parteilinke der sowjetischen Politik ebenfalls vor, über die Pflege staatlicher Beziehungen und globaler Eigeninteressen den innerindischen Klassenkampf zu vernachlässigen oder gar zu behindern.647 In der konkreten Innenpolitik setzten radikale Vertreter wie Basuvanniah oder Ranadive darauf, gegen die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Nehru-Regierung offensiver vorzugehen, da diese ihrer Meinung nach Indien für kapitalistische Einflüsse immer weiter öffnete. Dagegen standen rechte und gemäßigte CPI-Funktionäre wie Ghosh. Sie lehnten die Pekinger Rezepte für die Innenpolitik ab und fürchteten negative Auswirkungen des chinesischen außenpolitischen Konfrontationskurses auf die indische Politik. In der internationalen kommunistischen Gemeinschaft orientierten sie sich an Moskauer Vorstellungen.648 Angesichts der unmittelbaren chinesischen Herausforderungen sowie der sowjetisch-chinesischen Konfliktlinien fächerte sich derweil auch für das offizielle Delhi die Aufgabe aus, zum Wohle eigener übergeordneter Ziele die Beziehungen zum sozialistischen Lager zu pflegen. Einerseits konnte der Kreml die indische Position gegenüber Peking stärken, und die indisch-sowjetische Zusammenarbeit mochte Delhis innen- und außenpolitische Vorhaben stützen. Andererseits drohten zu intensive Annäherungen sowohl den sowjetischen Offensivgeist gegen die USA zu erhöhen als auch das indische Verhältnis zu kapitalistischen Staaten generell zu trüben – zum Schaden aller friedenspolitischen Anstrengungen Delhis. Der Balanceakt erwies sich als schwierig. Nach den Besuchen sowjetischer Spitzenpolitiker Anfang 1960 standen im Laufe des Sommers indische Gegenbesuche auf der Tagesordnung. Im Juni fuhren Finanzminister Desai und Präsident Prasad in die UdSSR.649 Nehru selbst liebäugelte mit einer Reise im August

647 Vgl. sowjetische Botschaft Delhi an Puškin, 18.10.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 36, d. 12, ll. 1–17. 648 Vgl. Entwürfe Ghoshs und Ranadives für Politische Resolution zur Sitzung des Nationalrats, 6.–12.5.1960, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 382–387, 423–444. Rede Ghosh, Moskau, [­November 1960], ebd., S. 607–627, hier S. 614–626; Aufzeichnung Gespräch Ghosh mit Norden, 2.11.1961, SAPMO-Arch, NY 4182/1291, Bl. 34–39, hier Bl. 35. 649 Vgl. Daneben reisten Ölminister Malaviya, Deshmukh und der Vorsitzende der Kommission für Atomenergie, Bhabha, ebenfalls in die UdSSR. Keshav Dev Malaviya, u. a. bis 1963 Ölminister; Homi J. Bhabha, Atomphysiker, u. a. Gründungsdirektor (1945) und Professor (bis 1966) am Tata Institute of fundamental research.

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1960. Warum sich seine Pläne zerschlugen, ist nicht zu ermitteln.650 Ohnehin waren Moskau und Delhi weiterhin unterschiedlicher Meinung darüber, welche Intensität und Reichweite der Beziehungen die Visiten symbolisierten.651 Offizielle Demonstrationen sowjetischer Freundschaft und Unterstützung kamen indischen Vertretern zwar entgegen. Sie wollten die präsentierte Herzlichkeit aber auf keinen Fall als uneingeschränktes Bekenntnis zur sowjetischen Politik missdeutet wissen.652 Dies war von immenser Bedeutung, hatte doch parallel zu den Verschärfungen des sowjetisch-chinesischen Konflikts der Kalte Krieg erneut Minustemperaturen erreicht. Dies war am Abschuss des amerikanischen Spionagefliegers U-2 über der UdSSR und dem gescheiterten Gipfel von Paris abzulesen. Die indische Diplomatie mit Nehru an der Spitze setzte sich zum Ziel, durch Beibehaltung der eigenen Linie den Schaden, der durch amerikanische Spionage und Chruščevs »Überreaktion« am Entspannungsprozess entstanden war, zu minimieren und eine Abwärtsspirale zu verhindern.653 Dagegen verfolgte die UdSSR einen Konfrontationskurs gegenüber den USA. Sie zog sich zum Entsetzen Delhis aus der Abrüstungskonferenz in Genf zurück.654 Sowjetische Drohgebärden gegenüber Karachi wurden in Delhi dagegen mit mehr Gelassenheit aufgenommen.655 Hinsichtlich der Bewertung der Erklärung der kommunistischen und Arbeiterparteien von Dezember 1960 war man sich im offiziellen Indien uneins. Einige außenpolitische Experten bemängelten den »missiona650 Vgl. Vermerk DDR-Handelsvertretung Delhi, 4.5.1960, PA AA, MfAA, A. 10003, Bl. 33 f.; Vorbereitungsmaterial MID-Abt. SOA zu Gesprächen mit M. Desai, 22.6.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 72, d. 19, ll. 74–77. 651 Vgl. MID-Abt. SOA, Garbuzov, an ZK, 14.7.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 72, d. 19, ll. 79–84, hier l. 83; Beneditkov an Brežnev, 8.9.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 36, d. 14, ll. 100–103; Vermerk Dutt, 15.7.1960, NMML, Subimal Dutt Papers, 23, hier S. 6–11, 15; Prasad, Impressions of the Soviet Union, o. D., in: Choudhary (Hg.), Dr. Rajendra Prasad 21, S. 468–476; Desai, The story 2, S. 154–160. 652 Vgl. politischer Bericht indische Botschaft Moskau für August 1960, 4.9.1960, NAI, 8 (39) Eur (E)/60; Information MfAA, 2. Außereuropäische Abt., 19.7.1960, PA AA, MfAA, A. 13919, Bl. 65–68; MEA, Gonsalves an MEA, Deputy Secretary P. N. Kaul, 6.11.1960, ebd.; Gespräche Nehru mit Nasser, 29.–31.3.1960, SWJN 2, Vol. 59, S. 387–404. 653 Nehru an K. P. S. Menon, 20.5.1960, SWJN 2, Vol. 60, S. 480. Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 16.5.1960, und an R. K. Nehru, 27.5.1960, ebd., S. 479, 482 f. 654 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 18.6.1960, in: Parthasrathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 376– 384; Vermerk britisches Hochkommissariat Delhi, 9.7.1960, NAK, FO 371/149400. 655 Vgl. sowjetische Note an Pakistan, 13.5.1960, in: Jain (Hg.), Soviet South Asian relations 2, S. 22–25; Aufzeichnung Gespräch Informationsminister Bhutto mit sowjetischem Handelsvertreter Karachi, Nikolaev, 9.5.1960, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8802, ll. 139 f.; Amin, Pakistan’s foreign policy, S. 45; Muhamad, The United States, S. 190–195.

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rischen Eifer« des Dokuments, der »das Gespenst« von Komintern und Kominform wiedererwecke.656 Andere spekulierten über einen möglichen chinesisch-sowjetischen Schulterschluss, da die Deklaration in ihren Augen den internationalen, selbständigen Part der neutralen Mächte vernachlässige.657 Der indische Botschafter in Moskau, Menon, blieb dagegen positiv gestimmt und hob indisch-sowjetische Gemeinsamkeiten in der globalen Friedenspolitik hervor. Gegen die unzweifelhaften Bemühungen, den Kommunismus weltweit voranzubringen, halfen seiner Meinung weder die von den US geübte »Paktomanie« noch die Unterstützung rechter »dekadenter« Regierungen.658 Mit der differenzierten Beurteilung stand der Botschafter, anders als konservativere Vertreter im MEA, Gedankengängen seines Premiers sehr nahe. Aus dieser Generaleinschätzung heraus ergab sich, dass die MEA-Spitzen Chruščevs neue Initiativen zu Gipfelgesprächen, Abrüstung und für eine Aktivierung der UN positiv aufnahmen.659 Die sowjetische Führung hatte im Rahmen ihrer außenpolitischen Neukonzeptionen der globalen Bühne UN seit Mitte der 1950er-Jahre einen neuen Stellenwert eingeräumt. Die als durch und durch bourgeoise Organisation betrachteten Vereinten Nationen sollten zumindest als ein nützliches Propaganda- und Kommunikationsforum genutzt werden. Zudem boten sie in sowjetischen Augen Raum, um dem versuchten Schulterschluss mit der Dritten Welt Ausdruck zu verleihen und ihn zugleich voranzutreiben.660 Dahinter stand das Bemühen, durch eine gemeinsame politische Linie mit der Dritten Welt in der UN die ›imperialistischen‹ Mächte in internationalen, bilateralen und Abrüstungsfragen weiterhin unter Druck zu setzen und den eigenen Rückhalt auszuweiten. »Wir sind in der UN noch in der Minderheit«, erläuterte der Erste Sekretär sein 656 Historical Division MEA, 16.1.1961, NAI, 8 (21) Eur (E)/60. 657 Vgl. Than an Deputy Secretary MEA, Kaul, 9. und 16.12.1960, NAI, 8 (21) Eur (E)/60. 658 K. P. S. Menon, an MEA, Dutt, 16.12.1960, NAI, 8 (21) Eur (E)/60. Vgl. politischer Jahresbericht Botschaft Moskau für 1960, 5.1.1961, NMML, K. P. S. Menon Papers, 5, S. 24 f., 40; Jung an Dutt, 18.8.1960, NAI, 8 (21) Eur (E)/60; Nehru an Chief Ministers, 18.6.1960, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 376–384. 659 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 3. und 7.9.1960, NAK, FO 371/149440; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Herter, 7.10.1960, FRUS 1958–1960 XV, S. 565–568, hier S. 566; Dutt an Pillai, Pillai an Nehru sowie Nehru an Pillai/Dutt, 18.–19.6.1960, SWJN 2, Vol. 61, S. 672 f., 796–798. 660 Vgl. sowjetischen Schriftverkehr zur UNESCO 1959–1961, in: Krasovickaja/Vodop’janova/ Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 126–131, 184, 203–205, 221–227, 247–249; Nehru an MEA, Pillai u. a., 4.8.1959, SWJN 2, Vol. 51, S. 506 f.; Zirkulare State Department, 28.7.1958, 23.6. und 4.8.1960, FRUS 1958–1960 II, S. 28–49, 258–264, 272–295; Rubinstein, The Soviets, S. 303– 306, 313–315, 329, 345–355.

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Gesamtkalkül, »aber wir haben dafür die Möglichkeit, die reaktionäre Politik der Imperialisten vor den Augen der öffentlichen Weltmeinung zu entlarven. […]. Ich glaube, dass die Zeit nicht fern ist, dass die Mehrheit in der UN wenn nicht auf der sozialistischen Seite, doch auf der Seite der Staaten, die eine Politik des Friedens und der friedlichen Koexistenz unterstützen, steht.«661 Bereits 1959 kursierten sowjetische Ideen, in verschiedenen UN-Organen eine paritätische Vertretung von »(1) sowjetischem Block, (2) blockfreien Staaten, (3) Ländern, die sich an den US ausrichten«, auszuprobieren.662 Im September 1960 hielt Chruščev die Zeit für gekommen, das sozialistische Zusammenspiel mit der Dritten Welt in den UN auf eine neue Stufe zu heben. Diesem Ziel dienten sein persönlicher Auftritt vor der Generalversammlung sowie der Entwurf einer UN-Deklaration über die unverzügliche globale Dekolonisation. Letzteren hatten Experten des MID gründlich vorbereitet.663 Dies ließ sich für eine weitere Initiative des sowjetischen Staats- und Parteichefs, den Vorschlag der sogenannten Trojka-Struktur des UN-Generalsekretariats, nicht sagen. Diese Idee war vielmehr, wenn man so will, ein ›echter Chruščev‹: Der Versuch, vor dem Hintergrund überoptimistischer Vorstellungen von der Welt mit einem Schlag dem Missfallen an konkreten Entwicklungen Ausdruck zu geben und zugleich die in einem Knotenpunkt kulminierenden Problemlagen verschiedener Prozesse aufzulösen. Unmittelbarer Anlass für das Chruščev’sche Trojka-Konzept waren die dramatischen Ereignisse im Kongo. In dieser Krise stießen Strategien und Taktiken der sowjetischen UN-, Dritte Welt- und Kalter Krieg-Politik an ihre Grenzen. Die Geschehnisse selbst müssen hier nicht weiter dargestellt werden.664 Von Bedeutung war, dass sich die Front zwischen nationaler Bewegung und (belgischer) Kolonialmacht mit innerkongolesischen ethnisch-politischen Konflikten, der globalen Systemkonkurrenz und den Spannungsverhältnissen zwischen 661 Chruščev vor ZK-Plenum, 16.7.1960, RGANI, f. 2, op. 1, d. 484, ll. 78ob ff., hier l. 81. 662 Vgl. Zirkular State Department, 7.8.1959, FRUS 1958–1960 II, S. 146–167, hier S. 148; State Department an UN-Vertretung USA, 20.8.1959, ebd., S. 172 f. 663 Vgl. Vermerk MID-Abteilung für Internationale Organisationen, 20.2.1961, in: Davidson (Hg.), Istorija Afriki 2, S. 68–73, hier S. 73; Gaiduk, Die Sowjetunion; Gajduk, Divided together, S. 258–260. 664 Vgl. Hilger, Chruščevs Afrika-Engagement; Iandolo, Imbalance; Kalb, The Congo cables; Mazov, Politika SSSR; Lefever, Crisis; Fursenko-Naftali, Khrushchevs Cold War, S. 311–320, 334. Es sei hier daran erinnert, dass die afrikanischen Staaten keine gemeinsame Kongopolitik verfolgten: Der sogenannten Casablanca-Gruppe um Ghana und Guinea standen u. a. französischsprachige Staaten entgegen, die eindeutig Präsident Kasavubu und, nach sowjetischer Auffassung, generell die westliche Kongo-Politik unterstützten.

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Erster und Dritter sowie zwischen Zweiter und Dritter Welt miteinander verzahnten. Die multilaterale UN wurde durch die entsprechenden Interessenkonflikte blockiert. Dies gab allen sowjetischen Vorbehalten gegen nichtsowjetische Positionen und Organisationen schlechthin neuen Auftrieb. Die sowjetische Idealvorstellung bestand letztlich darin, im Kongo-Konflikt durch ein sozialistisches Bündnis mit der Dritten Welt in den UN und, sollte dies nicht genügen, durch eigene Maßnahmen eine ›Aggression‹ imperialistischer Mächte ebenso exemplarisch wie nachhaltig zurückzuschlagen, mit allen positiven Implikationen für prosozialistische Folgewirkungen weltweit. »Die sowjetische Regierung geht davon aus«, lautete die entsprechende Formulierung des Ersten Sekretärs, »dass die Aggression im Kongo nicht einfach ein lokaler Konflikt ist, […]. Imperialistische Mächte wollen die Welt vor vollendete Tatsachen von Raub und Plünderung eines friedliebenden afrikanischen Staats stellen. Nachdem sie ein Opfer erwürgt haben, wollen sie danach auch die anderen unabhängigen Staaten liquidieren.«665 »Die Imperialisten haben eine Räubermoral«, so Chruščev an anderer Stelle. »Wenn sie sehen, dass sie jemanden erwürgen können, dann erwürgen sie ihn unbedingt. Wenn sie sehen, dass ihnen dafür die Kräfte fehlen, dann beginnen sie ihn zu achten.«666 Dieser Logik konnte die UN 1960 nicht genügen. Auf sie zu hoffen, hieß, so Chruščev noch im Rückblick, »Illusionen« nachzujagen.667 Die Maßnahmen von Generalsekretär Hammarskjöld und seines westlichen Beraterkreises waren zum Teil tatsächlich nicht nur innerhalb des Ostblocks umstritten. Davon zeugt unter anderem, dass im Verlauf der Krise Hammarskjöld auf Druck anderer UN-Mitgliedsstaaten den Inder Dayal zum neuen Chefvertreter für den Kongo ernannte. Die Abstellung war ein klares Signal Delhis, dass, auch wenn man Hammarskjölds Maßnahmen nicht unkritisch sah, die UN-Mission selbst für alternativlos gehalten wurde.668 Damit erwiesen sich die indisch-sowjeti665 Chruščev an Lumumba/Kasavubu, 15.7.1960, in: Davidson/Mazov (Hg.), Rossija i Afrika 2, S. 240–242. Vgl. Očerki Rossijskoj Vnešnej Razvedki 5, S. 417–422. 666 Protokoll Gespräch Chruščev mit Nasser, 24.9.1960, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 2, S. 334–340, hier S. 338. 667 Chruščev, Vremja 2, S. 448, 465–468, hier S. 467 f. Vgl. Protokoll Gespräch Chruščev mit Roberts, 26.12.1960, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 843–849, hier S. 846; Suslov in sowjetisch-chinesischen Parteigesprächen, 17.–22.9.1960, SAPMO-BArch, DY 30/3605, hier S. 29; Zorin vor Sicherheitsrat, 14. und 15.9.1960, in: United Nations Security Council, Official Records, 15 th year, 1960, 900.–903. Sitzung. 668 Vgl. Aufzeichnung Gespräche Macmillan mit Nehru, 28.9. und 2.10.1960, NAK, FO 371/153635– 36; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Kosygin, 20.2.1961, NMML, Subimal Dutt Papers, 95; Fröhlich, Dag Hammarskjöld, S. 236 f., 313–315, 367 f.; Brecher, India, S. 97–106; Gibbs, The United Nations; Dayal, Mission.

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schen Gemeinsamkeiten erneut als beschränkt, ungeachtet der geteilten Freude über afrikanische Unabhängigkeitsbewegungen.669 Denn Moskau reagierte auf ganz andere Weise auf das vermeintliche Versagen der UN im Kongo. Am 9. September informierte Chruščev unter anderem den kämpferischen Präsidenten von Ghana, Kwame Nkrumah, darüber, dass die UdSSR die Absetzung des UN-Kommandos im Kongo fordere.670 Im Sicherheitsrat verhielt sich die UdSSR entsprechend unkooperativ.671 »Die nächste Sitzung der Generalversammlung wird sicher stürmisch«, ahnte die indische Botschaft in Moskau bereits Ende Juli 1960.672 In der Tat: Auf seiner Schiffsreise zur New Yorker UN-Generalversammlung im September 1960 steigerte sich Chruščev zunehmend in Rage. Noch an Bord entwickelte er seinen Vorschlag zur Reorganisation des UN-Generalsekretariats in eine Trojka und setzte sich damit über das grundsätzliche Unbehagen sowjetischer Diplomaten hinweg, die keine Debatte über das UN-Statut wollten.673 Anstelle des Generalsekretärs als Exekutivorgan der UN schwebte Chruščev ein Dreier-Kollegium mit je einem Vertreter des Westblocks, der sozialistischen Welt sowie der neutralen respektive blockfreien Staaten der Dritten Welt vor, das gleichberechtigt und einstimmig die Beschlüsse des Sicherheitsrats umzusetzen hatte. Damit wäre das sowjetische Vetorecht auf die Implementierung von Entscheidungen ausgeweitet worden.674 In der Zwischenzeit würde sich gerade die Dritte Welt, so die Rechnung des sowjetischen Parteichefs, einer Argumentation, die Dekolonisationswünsche, Antiimperialismus, Friedenssicherung und den Drang nach internationaler Anerkennung und Gleichberechtigung zu bedienen schien, nur schwer 669 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 1. Sitzung, 8.3.1961, NAK, CAB 133/251; Aufzeichnung Gespräch Lichačev mit K. P. S. Menon, 25.8.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 5, ll. 44 f.; K. P. S. Menon an MEA, Dutt, 19.11.1960, NAI, 8 (21), EUR (E)/60; politischer Bericht indische Botschaft Moskau für Juli 1960, 11.8.1960, NAI, 8 (39) Eur (E)/60. 670 Vgl. Chruščev an Nkrumah, 9.9.1960 sowie Antwort, 12.9.1960, in: Davidson/Mazov (Hg.), Rossija i Afrika 2, S. 247–250. 671 Vgl. Resolution A/4510 Generalversammlung, 20.9.1960, in: Lefever, Crisis in the Congo, S. 192 f.; United Nations Security Council, Official Records, 15 th year, 1960, 900.–903. Sitzung, New York 1960. 672 K. P. S. Menon an Dutt, 31.7.1960, NAI, 8 (14) Eur (E)/60. 673 Vgl. Protokoll Nr. 306 Sitzung ZK-Präsidium, 15.10.1960, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 444–446, hier S. 444; Grinevskij, Tysjača i odin den’, S. 336 f.; Fursenko/Naftali, Khrushchev’s Cold War, S. 317; Hilger, Chruščevs Afrika-Engagement, S. 458–463. 674 Vgl. Chruščev vor ZK-Präsidium, 26.5.1961, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 500– 507, hier S. 507.

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entziehen können.675 Chruščev behielt es sich vor, der UN-Vollversammlung die Vorschläge persönlich zu präsentieren. Er sparte dabei nicht mit wüsten Propagandaausfällen.676 Die Emotionen mögen echt, können aber auch kalkuliert gewesen sein: Sie entsprachen ganz der Grundidee, die UN als agitatorische Bühne zu nutzen. Chruščev will sich in der berühmten Episode, in der er mit seinem Schuh auf das Pult hämmerte, denn auch an »nichtparlamentarische« proletarische Praktiken in der Duma erinnert haben: »Die UN ist nämlich eine Art internationales Parlament, wo die Minderheit auf verschiedenen Wegen ihre Stimme erheben muss.«677 Mehr noch: »Vertreter der Arbeiterklasse waren keineswegs dazu verpflichtet, dieselben Methoden der Diplomatie einzusetzen wie Vertreter der Bourgeoisie.«678 »Unsere Stimmung ist nicht schlecht«, schrieb Chruščev während der Sitzung denn auch fröhlich nach Moskau. »Wir kritisieren die Bourgeoisie, Kapitalisten und Imperialisten.« Außerdem koste man Amerika eine ganze Menge Geld, und zwar für Benzin und für die zahlreich vertretene Polizei.679 Die Masse der Regierungschefs und Delegationen der umworbenen Staaten aus Asien, Afrika und Lateinamerika war weder von Chruščevs Politikstil noch von den konkreten Vorschlägen begeistert. 680 Insbesondere Nehru verschloss sich der sowjetischen Argumentation und warb bei seinen Kollegen für Mäßigung. Dank indischer Bemühungen nahm der alternative Resolutionsentwurf zur Dekolonisierung, den eine Gruppe afrikanischer und asiatischer Länder vorlegte, dem sowjetischen Papier viel von seiner unbedingten Schärfe und antiamerikanischen, -britischen usw. Rhetorik.681 Chruščev ließ sich von 675 Vgl. Protokoll Gespräch Chruščev mit Nasser, 24.9.1960, in: Naumkin (Hg.), Bližnevostočnyj konflikt 2, S. 334–340, hier S. 335–338; Chruščev auf 882. Sitzung GA, 3.10.1960, in: UN Official records of the General Assembly, 15 th session (Part I): Plenary meetings 1, S. 317–321.; Protokoll Gespräch Chruščev mit Kennedy, 4.6.1961, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 193–212, hier S. 198. 676 Vgl. Chruščev auf 869. Sitzung GA, 23.9.1960, in: UN Official records of the General Assembly, 15 th session (Part I): Plenary meetings 1, S. 68–85; Chruščev auf 882. Sitzung GA, 3.10.1960, ebd., S. 317–321; Grinevskij, Tysjača i odin den’, S. 343. 677 Chruščev, Vremja 2, S. 454, 463 f. 678 Burlatsky, Khrushchev, S. 159. 679 Chruščev an ZK-Präsidium, 10.10.1960, CWIHP, Digital Archive, Nikita Khrushchev Collection, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018). 680 Vgl. Nehru an Gandhi, 29.9.1960, in: Gandhi (Hg.), Two alone, S. 641–644; Menon, The lamp, S. 152; Jha, From Bandung, S. 111–114; Burlatsky, Khrushchev, S. 159; Gopal, Nehru 3, S. 150 f. 681 Vgl. Aufzeichnung MID-Abteilung für Internationale Organisationen, 20.2.1961, in: Davidson (Hg.), Istorija Afriki 2, S. 68–73; Aufzeichnung Gespräch Macmillan mit Krishna Menon, 26.12.1960, NAK, PREM 11/3391; Chruščev an Nehru u. a. Regierungschefs, 12.11.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 36, d. 12, ll. 18–22, v. a. ll. 21 f.; Gaiduk, Die Sowjetunion.

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Nehru überzeugen, dass das Papier der Dritte-Welt-Staaten die einzige Lösung war. Das Konzept ging schließlich am 14. Dezember 1960 als Resolution Nr. 1514 in die UN-Geschichte ein.682 Die indische Diplomatie ließ es sich auch angelegen sein, den Trojka-Vorschlag zu entschärfen.683 Nehru war der Überzeugung, dass eine, unter den Bedingungen des Kalten Kriegs faktisch handlungsunfähige, Dreier-Exekutive seine friedenspolitische Globalkonzeption in noch weitere Ferne rücken und in der Zwischenzeit die schwächeren Mitglieder der Staatengemeinschaft gänzlich hilflos lassen würde. In seinen Augen bewies die UN gerade im Kongo, dass sie allein jungen Staaten einen gewissen Schutz vor dem freien Spiel der antagonistischen Kräfte des Kalten Kriegs bieten konnte.684 Daraus ergab sich, dass Delhis Kompromissvorschläge darauf beruhten, die ungeteilte Exekutivgewalt des Generalsekretärs zu erhalten.685 Im Übrigen unterstützte Indien das militärische Mandat der UN im Kongo und entsandte auf Bitten Hammarskjölds eigene Truppen nach Afrika.686 Insgesamt musste Moskau 1960 auch am Beispiel der UN erkennen, dass Dritte Welt-Staaten wie Indien eigene globale Agenden verfolgten.687 In der 682 Vgl. Nehru an Chruščev, 3.12.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 5, l. 130; Gromyko an ZK, 10.11.1960, in: Krasovickaja/Vodop’janova/Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 192; Chruščev an Staatsoberhäupter Dritte Welt, 12.11.1960, ebd., S. 192–196; Gajduk, Divided together, S. 262– 266. 683 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Macmillan mit Nehru, 26.9.1960, NAK, FO 371/153635; Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 13. Sitzung, 16.3.1961, NAK, CAB 133/251; Chruščev an ZK-Präsidium, 10.10.1960, CWIHP, Digital Archive, Nikita Khrushchev Collection, http://digitalarchive.wilsoncenter.org (letzter Zugriff: 12.4.2018); Gajduk, New York, S. 106–119; Fursenko/Naftali, Khrushchev’s Cold War, S. 318 f.; Kalb, Congo Cables, S. 106 f., 120–122. 684 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Eisenhower mit Nehru, 26.9.1960, FRUS 1958–1960 II, S. 357–359, hier S. 359; Nehru an Chief Ministers, 23.10.1960, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 409–419; Nehru an K. P. S. Menon, 24.10.1960, NMML, Subimal Dutt Papers, 113. 685 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 13. Sitzung, 16.3.1961, NAK, CAB 133/251; Scope Paper, PM Nehru’s Visit, 6.–10.11.1961, RSC, Kennedy Office Files, Part 5, Reel 11; britische UN-Mission an FO, 1.10.1960, NAK, FO 371/153635; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, Leiter Südasienabt. Martin, 22.10.1960, NAK, FO 371/153638. 686 Ab Anfang Januar 1960 zog die Casablanca-Gruppe ihre Truppen aus dem UN-Kontingent ab; diese wurden vorrangig durch indische Soldaten ersetzt. Zum 21.4.1961 waren die indischen Truppen im Kongo rd. 3250 Mann stark, zum 21.2.1962 4.700; Ende 1962 zählte das UN-Sekretariat 4600 indische Soldaten (jeweils plus rd 1000 Unterstützungspersonal), vgl. Yearbooks of the United Nations 1962, New York 1960–1962, S. 108, 82, 80; Jha, From Bandung, S. 125–132; Gopal, Nehru 3, S. 146–159; O’Malley, Ghana. 687 Vgl. zum allg. Abstimmungsverhalten der Blockfreien in den UN Willetts, The non-aligned movement, S. 90–100, 143–145, 160 f., 209 f.

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Konsequenz blieb der sowjetischen Diplomatie nur übrig, propagandistische und ideelle Geländegewinne der Dekolonisationsdebatten mittelfristig zu sichern.688 Gegenüber der Person Hammarskjöld blieb der Kreml unerbittlich. Nach Bekanntwerden der Ermordung des abgesetzten kongolesischen Premiers, Patrice Lumumba, Mitte Februar 1961 brach die UdSSR alle Beziehungen zum UN-Generalsekretär ab.689 In der Frage der Nachfolge Hammarskjölds goss Moskau den alten Trojka-Vorschlag nicht wieder auf, sondern spekulierte auf ein zurückhaltendes Amtsverständnis des neuen Amtsinhabers: »U Thant ist ein wohlwollender, lächelnder Asiate, der die UNO nicht zur selbständigen Kraft über den Staaten entwickeln will«, skizzierte die sowjetische Diplomatie später die Gründe für ihre qualifizierte Zustimmung.690 U Thants Zusage, in enger Zusammenarbeit und Beratung mit seinen Stellvertretern respektive Hauptberatern aus den verschiedenen Regionen und Machtblöcken zu wirken, war das letzte schwache Echo von Chruščevs Trojka-Vision.691 Die sowjetische Diplomatie begnügte sich damit, auf eine Erhöhung des Anteils osteuropäischer Vertreter in UN-Funktionen hinzuarbeiten, mit unklarem Erfolg.692 In der weiteren Kongo-Politik sperrte sich die UdSSR zumindest nicht mehr gegen ein robusteres UN-Mandat, zumal sich einzelne Delegationen aus Asien und Afrika einschließlich des Kongos selbst bei den sowjetischen Vertretern dafür stark machten. Zusätzliche Finanzmittel der Mitgliedsstaaten für derartige Aktivitäten lehnte die UdSSR allerdings wie bereits in früheren Jahren strikt ab. Auf diese Weise bekräftigte sie ihr anhaltendes Unbehagen an einer Weltorganisation, deren Umwandlung in eine antiimperialistische Kampforganisation Indien und viele andere Staaten der Dritten Welt aus wohlverstandenem Eigeninteresse heraus zu verhindern wussten.693 Überhaupt blieb die indisch-sowjetische Kooperation in multilateralen Fragen schwierig, da sich beide Seiten nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb der UN – beispielsweise in der Alge688 Vgl. Luard, A history 2, S. 184–197. 689 Vgl. Luard, A History 2, S. 207. 690 Aufzeichnung Gespräch Thun mit Mendelevič, 19.3.1963, PA AA, MfAA, A. 1145, Bl. 131 ff., hier Bl. 135. Vgl. Gajduk, Divided together, S. 275–277. 691 Vgl. Zorin vor GA, 3.11.1961, zit. nach Zusammenstellung in UNA, S-0883, Box 2, File 5; Luard, A history 2, S. 211–216; Firestone, The United Nations, S. XIV–XVII. 692 Vgl. Aktenvermerk Wünsche über Gespräch mit stellv. Generalsekretär UNESCO-Kommission UdSSR, Švedov, 23.1.1963, PA AA, MfAA, A. 164, Bl. 4–9; Aufstellung Technical Assistance Board, 1.12.1963, UNA, S-0883, Box 7, File 15. 693 Vgl. Vermerk MID-Abteilung für Internationale Organisationen, 20.2.1961, in: Davidson (Hg.), Istorija Afriki 2, S. 68–73, hier S. 68 f.; Tätigkeitsbericht sowjetische UN-Delegation für 1961, o. D., RGANI, f. 89, op. 28, d. 8, l. 1–19, hier l. 5, 12; Firestone, The United Nations, S. 5–11.

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rien-, Deutschland- und Indochinapolitik – mit unterschiedlichen Prämissen engagierten.694 Die Differenzen waren mitunter so gravierend, dass das MID Nehru unterstellte, in »Fragen, die eigentlich jeder Politiker kennen müsste«, ahnungslos zu sein.695 4.3.4. 1961 bis 1962: Eskalationen Ein weiteres prägnantes Beispiel für unterschiedliche internationale Auffassungen stellten die Debatten um Abrüstung und Atomteststopps dar. Chruščev betrachtete im Sommer 1961 entsprechende Vorschläge, die Indien in Zusammenarbeit mit anderen neutralen Staaten entwickelt hatte, vor allem deshalb als bedenkenswert, da sie seiner Einschätzung nach die USA in die »politische Isolierung« drängen könnten.696 Während Delhi unter anderem auf Entspannung und auf eine Absenkung der Militärausgaben zielte, räumte die sowjetische Führung ihrem Kampf gegen den Erzfeind in Washington höchste Priorität ein. Die Wiederaufnahme von Atomtests seien notwendig, um dem Feind den Frieden abzutrotzen. »Machen wir keine Tests«, brachte es Chruščev auf den Punkt, »werden sie den Krieg anfangen und uns kurz und klein schlagen.« Entgegen den Vorstellungen »einiger Pazifizisten« würden eben »Beschwörungen, Reden und Gebete« nicht ausreichen. »Wir sind Kommunisten und Revolutionäre, darum müssen und werden wir revolutionär handeln«.697 Dieser spezifischen internationalen Logik sollten sich nach Ansicht Moskaus auch die nicht-paktgebundenen Staaten unterwerfen. Die sowjetische Politik betonte nun Gegensätze zwischen Erster und Dritter Welt schärfer. Im 694 Vgl. Nehru auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 1., 3. und 5. Sitzung, 8.–10.3.1961, NAK, CAB 133/251; Nehru an Chief Ministers, 27.6. und 5.8.1961, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 446–459, 482–488; Chruščev auf Sitzung ZK-Präsidium, 26.5.1961, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 500–507, hier S. 505; Vermerke über Gespräche Renneisen mit Benediktov, 5.8. und 17.8.1961, PA AA, MfAA, A. 13911, Bl. 75, 89–92; Rede Chruščev auf Bankett »im kleinen Kreis«, 27.8.1961, in: Wettig (Hg.), Chruschtschows Westpolitik, S. 408–424, hier S. 410 f., 423; Nehru an Macmillan, 13.9.1961, NAK, PREM 11/3392; Vermerk Wünsche zu Besuch Brežnev in Indien, 15.–29.12.1961, 10.1.1962, PA AA, MfAA, A. 244, Bl. 53–60, hier Bl. 55 f.; Fursenko/Naftali, Khrushchev’s cold war, S. 335 f., 394 f., 426 f.; Olsen, Soviet-Vietnam relations, S. 88–118. 695 Vermerk über Gespräch Lichačev mit DDR-Botschafter Moskau, Dölling, 22.2.1961, PA AA, MfAA, A. 765, Bl. 85–90, hier Bl. 85 f. 696 Chruščev vor Konsultativkomitee Warschauer Pakt, 29.3.1961, RGANI, f. 10, op. 3, d. 6, ll. 1–84, hier l. 18. 697 Rede Chruščev, Krim, 27.8.1961, in: Wettig (Hg.), Chruschtschows Westpolitik, S. 408–424, hier S. 415 f.

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Kreml forderte man nach den Erfahrungen im Kongo, den Rückschlägen in den sowjetisch-amerikanischen Beziehungen und angesichts des eskalierenden Konflikts mit China ungeduldiger und mit einem zunehmend kämpferischen Gestus Zugeständnisse ein, denn: »Neutrale Länder – das sind keine Neutralen. Sie sind gegen den Kommunismus«.698 Insgesamt zeichnete Chruščev in dieser Zeit ein Weltenpanorama, in dem imperialistische Mächte mit den USA an der Spitze ständig neue Basen und strategische Punkte besetzen und die nationale Bourgeoisie der neuen Staaten mit politischen, wirtschaftlichen und ideologisch-kulturellen Mitteln in Abhängigkeit bringen wollten.699 Chruščevs Einschätzung konnte zumindest im Falle Indiens auf neue Anstrengungen der Kennedy-Administration verweisen. Diese maß Indien nun höhere Relevanz bei als Pakistan und engagierte sich entsprechend in Delhi.700 Daneben dienten das gärende Kashmirproblem wie die trotz allem andauernde Bindung Pakistans an die USA sowjetischen Diplomaten und Ideologen als Beispiele für amerikanisch-imperialistische Machenschaften.701 Chruščevs Überzeugung nach mussten sich daher auch die sozialistischen Staaten gerade in Asien noch stärker engagieren, um »die asiatischen [millionenstarken] Völker immer mehr davon [zu] überzeugen, dass sie nur gemeinsam mit uns auf dem Weg des Sozialismus echte Unabhängigkeit und ein glückliches Leben erreichen.«702 Vor der Belgrader Konferenz der Blockfreien konzentrierte sich die sowjetische Diplomatie entsprechend darauf zu verhindern, dass der Systemgegner

698 Chruščev auf Sitzung ZK-Präsidium, 26.5.1961, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 500–507, hier S. 506. Vgl. exemplarisch Ponomarev an ZK mit Programmentwurf, 31.3.1961, RGANI, f. 1, op. 4, d. 14, ll. 1 ff., hier ll. 50–58, v. a. ll. 50–54; Protokoll Gespräch Chruščev mit Kennedy, 3.6.1961, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 177–192, hier S. 179, 184; Taubman, Khrushchev, S. 480–506; Zubok, A failed empire, S. 139–142. Zum sowjetischen Zwist mit Guinea vgl. Friedman, Shadow Cold War, S. 80–82. 699 Chruščev vor Konsultativkomitee Warschauer Pakt, 29.3.1961, RGANI, f. 10, op. 3, d. 6, l. 1–84, hier ll. 34–36. Vgl. Rede Chruščev, Krim, 27.8.1961, in: Wettig (Hg.), Chruschtschows Westpolitik, S. 408–424, hier S. 410 f.; Vermerk DDR-Handelsvertretung Delhi, 17.8.1961, PA AA, MfAA, A. 13911, Bl. 89–92, hier Bl. 89 f. 700 Vgl. Vizepräsident Johnson an Kennedy, 23.5.1961, RSC, Kennedy Office Files, Part 1, Reel 3; Scope Paper, PM Nehru’s Visit, 6.–10.11.1961, RSC, Kennedy Office Files, Part 5, Reel 11; McMahon, The cold war, S. 272–278. 701 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 23.7.1961, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 476– 481; Vermerk Thun über Gespräch mit Maksimov und Mitarbeiter Kluev, 7.3.1961, PA AA, MfAA, A. 228, Bl. 52–63, hier Bl. 54, 57; Ram, Soviet policy, S. 110–116; Muhamad, The United States, S. 205–226; Kux, The United States, S. 112–123. 702 Chruščev vor Konsultativkomitee Warschauer Pakt, 29.3.1961, RGANI, f. 10, op. 3, d. 6, ll. 1–84, hier ll. 33 f. Vgl. Chruščev auf ZK-Plenum, 5.3.1962, RGANI, f. 2, op. 1, d. 582.

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die Zusammenkunft für eigene Zwecke ausnutzte.703 Angesichts dieses sowjetischen Grundverständnisses und mit Blick auf die entsprechenden Eskalationen im Kalten Krieg ließ die indische Diplomatie Züge von Resignation erkennen.704 Britische Beobachter gewannen nicht zu Unrecht den Eindruck, dass Nehru während seines Blitzbesuchs in Moskau vom 6. bis 11. September 1961, den er im Auftrag der Belgrader Konferenz absolvierte, gerade in Abrüstungs- und Entspannungsproblemen keine gemeinsame Sprache mit dem Ersten Sekretär fand.705 Dabei war sich der indische Premier im Übrigen wohl bewusst, dass die neue Blockfreienbewegung wegen ihrer inneren Divergenzen kaum ein schlagkräftiges Instrument für die Förderung des Dialogs zwischen den Supermächten oder die indische Entspannungspolitik darstellen konnte.706 Die sowjetische Führung gab sich Anfang der 1960er-Jahre nicht nur in internationalen Fragen weniger konziliant, sondern auch hinsichtlich der inneren Entwicklungen der neuen Staaten. Angesichts der Verzahnung außen- und innenpolitischer Prämissen und Interpretationsmuster ist die Frage, ob Verschärfungen im Kalten Krieg oder innen- und gesellschaftspolitische Stagnationen den ersten Anstoß zu der Verhärtung sowjetischer Positionen gaben, nicht eindeutig zu beantworten. Unstrittig ist jedoch, dass die sowjetisch-chinesischen Streitereien und innersowjetische Wirtschaftsprobleme die sowjetische Politik insgesamt unduldsamer und empfindlicher machten. Letztlich musste der Kreml, wollte er sich nicht durch massive, offene Einmischungsversuche in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten international unmöglich machen, hinsichtlich ihrer Entwicklungswege auf das Prinzip Hoffnung setzen: Auf angeblich »heiße Sympathien« der Völker für die UdSSR, darauf, dass die jeweils national gewollte Industrialisierung wie von selbst eine wachsende Arbeiterklasse und entsprechende Einflüsse der UdSSR generierte, und darauf, dass Regierungen, deren Kurs von Blockfreiheit, Industrialisierung 703 Vgl. Vermerk über Gespräch mit sowjetischem Botschafter [Epišev], 25.8.1961, PA AA, MfAA, A. 17171, Bl. 8 ff. 704 Vgl. Gore-Booth an CRO, Permanent Under Secretary of State, Clutterbuck, 1.9.1961, NAK, DO 196/209. 705 Vgl. britische Botschaft Moskau an FO, 8.9.1961, NAK, PREM 11/3392; Nehru an Macmillan, 13.9.1961, NAK, PREM 11/3392; Chruščev an Nehru, 16.9.1961, in: Naik (Hg.), Russia, S. 208–215; Tagebuch Dutt, Einträge 7. und 8.9.1961, zit. in Das Gupta, Serving India, S. 423. 706 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 27.6.1961, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 446– 459; Aufzeichnung Gespräche Nehru mit Bowles, 8.–9.8.1961, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument 35; Allison, The Soviet Union, S. 61–79; Jackson, The non-aligned, S. 9–23, 41; Prashad, The darker nations, S. 101–104; Willetts, The non-aligned movement, S. 3–15, 25 f.; Heimsath/ Mansingh, A diplomatic history, S. 77–81, 90–97; Čavoški, Between great powers, S. 194–200.

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und partieller Staatswirtschaft immer noch besser war als eine strikt kapitalistische und proamerikanische Politik, auch im Amt blieben.707 Dabei sahen nicht nur sowjetische Programmatiker 1961 die Rolle der nationalen Bourgeoisie in den neuen Staaten kritischer als in den Jahren zuvor.708 Auch der oberste Politiker selbst verbreitete weniger Optimismus als in früheren Jahren. »Die neutralen Staaten, solche, wie Indien, Kambodscha und andere sind vom schnellen Voranschreiten der revolutionären Kräfte erschreckt und sind faktisch alle gegen uns eingestellt.«709 Dabei erwies sich die CPI immer noch nicht als linker Motor. »Wir sind noch weit davon entfernt, die entscheidende Kraft im politischen Leben unseres Landes zu sein«, gestand CPI-Generalsekretär Ghosh am 5. April 1961 den Lesern der Pravda.710 Die Partei stritt weiterhin darüber, wie die wirtschaftliche Situation im Land, der Charakter der Nehru-Regierung sowie ihre Außenpolitik zu bewerten und welche Rückschlüsse bezüglich revolutionärer Aussichten daraus zu ziehen waren. Dem VI. Parteitag in Vijayavada lagen im April 1961 gegensätzliche Programmentwürfe des rechten Flügels, geführt von Dange, P. C. Joshi und Ghosh, sowie der linken Herausforderer Ranadive, Basavapunniah, J. Basu und Gupta vor. Der ehemalige Chief Minister von Kerala, Namboodiripad, steuerte ein Kompromisspapier bei, das sich innenpolitisch links orientierte. Auch wenn sich die Mehrheit der Redner wohl der rechten Linie anschloss, kam der Parteitag zu keinem abschließenden Ergebnis. Die Gremien, das heißt der Nationalrat, das von ihm berufene Exekutivkomitee sowie das Zentralsekretariat spiegelten in ihrer (neuen) Zusammensetzung das unklare Meinungs- und Stimmungsbild wider.711 Immerhin konnte man sich noch einmal auf ein gemeinsames Wahlmanifest einigen. Hierin warb die CPI auch um die Stimmen der Kongress-Massen gegen die »antidemokratische 707 Vgl. Chruščev vor Konsultativkomitee Warschauer Pakt, 29.3.1961, RGANI, f. 10, op. 3, d. 6, ll. 1–84, hier ll. 37 f.; Vermerk Mikojan zu Entwurf Parteiprogramm, [vor 13.10.1961], RGANI, f. 1, op. 4, d. 8, ll. 166 f.; Rechenschaftsbericht Chruščev, in: Chruschtschow, Der Triumph, S. 16, 29, dazu S. 34 f., 48 f. 708 Vgl. Ponomarev an ZK, Vorlage Programmentwurf, 31.3.1961, RGANI, f. 1, op. 4, d. 14, ll. 1 ff., hier ll. 53–56. Zur Endfassung vgl. Thomas (Hg.), Das neue Parteiprogramm, S. 59 f. 709 Aufzeichnung Gespräch Chruščev mit Führung KPČ, 1.6.1961, in: Istočnik (1998), Nr. 3, S. 85–92, hier S. 89 f. Vgl. Protokoll Gespräch Chruščev mit Kennedy, 3.6.1961, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 177–192, hier S. 186 f., 189. 710 Nakanune s-ezda Kommunističeskoj Partii Indii, in: Pravda, 5.4.1961, S. 4 f., hier S. 4. 711 Vgl. Vermerk SED, ZK-Abteilung Außenpolitik und Internationale Verbindungen, Stuhlmann, 23.5.1961, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20/319, Bl. 102–112, hier Bl. 107, 111; politische Resolution Parteitag sowie Bericht Ghosh, in: Basu (Hg.), Documents 8, S. 650–772; Rothermund, Die Spaltung, S. 18–20.

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Politik der Kongress-Regierung gegen das Volk«. Diese drückte sich aus Sicht der CPI-Strategen in Delhis außenpolitischen Abweichungen von Haltungen der UdSSR, vor allem aber in der Innen- und Wirtschaftspolitik der Regierung Nehru aus.712 Beobachter konnten sich in den folgenden Monaten nicht des Eindrucks erwehren, dass sich die kommunistische Partei weniger auf den landesweiten Wahlkampf konzentrierte, als dass sie sich in Fraktionskämpfen aufrieb. Beschlüsse des CPI-Nationalrats ließen in der Tat kaum eine andere Deutung zu, da sie das neue Programm als relativ unverbindlichen Wegweiser betrachteten.713 In ihren Auseinandersetzungen stützten sich Rechte wie Linke weiterhin auf Moskauer respektive Pekinger Argumente.714 Auf diese Weise mochte der tiefer werdende Graben zwischen der UdSSR und China die Risse in der Partei noch vergrößern. Die KPdSU ging allerdings davon aus, dass ihr Beitrag zum CPI-Parteitag 1961 einstweilen eine Spaltung der Partei verhindert hätte. Möglicherweise war aber einfach entscheidend gewesen, dass die indische Regierung die Teilnahme chinesischer Gäste verhindert hatte.715 In der Folgezeit brachen erneut innerparteiliche Diskussionen aus, unter anderem anlässlich der zweiten sowjetischen Destalinisierungswelle im Umfeld des XXII. Parteitags der KPdSU.716 Es muss dahingestellt bleiben, inwieweit die CPI mit ihren starken Orientierungen an der internationalen kommunistischen Entwicklung den chinesisch-sowjetischen Bruch auf Dauer ausgehalten hätte. Es überlastete die Partei aber eindeutig, dass dieser Konflikt mit den indisch-chinesischen Problemen aufs Engste verknüpft war. Als Ghosh am 21. November 1961 regierungsamtliche Vorwürfe gegen China unterstützte und Peking mit Propagandasalven auf den indischen Parteichef reagierte, stand für die Parteilinke endgültig die Einheit

712 Wahlmanifest CPI, Oktober 1961, in: Basu (Hg.), Documents 9, S. 1–35, hier S. 4 f., 15 f., 28–30, Zitat S. 33 f. 713 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Ghosh mit Norden, 2.11.1961, SAPMO-BArch, NY 4182/1291, Bl. 34–39, hier Bl. 37 f.; Beschluss CPI-Nationalrat, April 1962, zit. nach ZK-Abteilung SED Außenpolitik und Internationale Verbindungen, 13.12.1962, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 33, Bl. 151–157, hier Bl. 153. 714 Vgl. Gespräch zweiter Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Bogdanov, mit polnischem Botschafter, 13.4.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 365, l. 47 ff.; CIA, ›Indian Communist Party and the Sino-Soviet dispute‹, 7.2.1962, ESAU XVI-62, S. 111–163, https://www.cia.gov/library/ readingroom/docs/esau-15.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 715 Vgl. Vermerk DDR-Handelsvertretung Delhi, 12.6.1961, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 318, Bl. 58 f. 716 Wie Anm. 713–714.

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der CPI zur Disposition.717 Nach dem Tod des Moskau-getreuen, doch ausgleichenden Ghosh am 13. Januar 1962 behalf sich die CPI zunächst mit organisatorischen Kniffen, um die innere Balance zu wahren. Für die gemäßigte Linke wurde Namboodiripad Generalsekretär, als Vertreter des rechten Flügels trat Dange das neu geschaffene Amt des Parteivorsitzenden an.718 Bei den folgenden Wahlen konnte die Partei – auch dank sowjetischer Finanzspritzen – sogar noch einmal um gut ein Prozent der Stimmen und um zwei Sitze zulegen. Es blieb allerdings dabei, dass bei »340 Millionen Einwohnern […] 200.000 Mitglieder und 10 Millionen Stimmen […] nicht besonders viel« waren.719 Mangels durchschlagender Erfolge wurde der Richtungsstreit in der CPI unverdrossen fortgesetzt. Angesichts der inneren Schwäche schielten die Opponenten wie zuvor auf internationale Unterstützung. Auch daher blieb die CPI für negative Auswirkungen von Krisen im internationalen Bezugsrahmen, insbesondere von Verschlechterungen in den indisch-chinesischen Beziehungen, anfällig. In diesen hatte das Jahr 1961 keinerlei Verbesserung gebracht, ganz im Gegenteil: Öffentlich tauschten Delhis und Pekings Presse und Politik nur mehr Vorwürfe aus. Im Grenzstreit brachten bilaterale Gespräche, die im Sommer 1961 auf hoher Ebene geführt wurden, keinen greifbaren Erfolg. Chinas Avancen, Grenzgespräche mit dem pakistanisch kontrollierten Teil von Kashmir zu beginnen, erschwerten zusätzlich eine einvernehmliche indisch-chinesische Lösungssuche.720 Auf der anderen Seite richtete das indische Militär insbesondere in den seit 1960 zusätzlich umstrittenen Gebieten und unter den Augen 717 Vgl. CPI-Wahlmanifest, Oktober 1961, sowie Auszüge aus Pressekonferenz Ghosh, 16.12.1961, in: Basu (Hg.), Documents 8, 1–35, hier S. 31 sowie S. 870–872; Ghosh auf 22. Parteitag KPdSU, 10. Sitzung, 21.10.1961, in: XXII s-ezd 1, S. 564–567, hier S. 565 f. 718 Vgl. SED, Radde, Aktenvermerk über Aussprachen mit Genossen ZK KP Indiens, 12.6.1962, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 317, Bl. 303 f.; Aufzeichnung Gespräch Dölling mit Lichačev, [15.1.]1962, PA AA, MfAA, A. 765, Bl. 105; Aufzeichnung Gespräche Benediktov mit B. Gupta, 17. und 27.1.1962, CWIHP, Digital Archive, Collection: Cold War in Asia, http:// www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018). 719 Dange, Information über die CPI, 7.6.1962, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 317, Bl. 297– 301, hier Bl. 298. 720 Vgl. Aufzeichnungen Gespräche indischer Botschafter Peking, Parthasarathy, mit Direktor chinesisches Außenministerium, Asienabteilung 1, Zhang Wenji, 17.–19.7.1961, digitalarchive.wilsoncenter.org/document/111724.pdf?v=3541f3ecfccc9bac0cced9a807356d06 (letzter Zugriff: 25.4.2018); Erklärung Nehru, 7.5.1962, in: Jain (Hg.), China South Asian relations 1, S. 196; indische Noten an Pakistan,10.5.1962, und China, 10. und 14.5.1962, sowie chinesische Antwort, 31.5.1962, ebd., S. 196–201; Sinha/Athale, History, S. 307–312, 339, 414 f.; Wolpert, Zulfi Bhutto, S. 66–74; Stepanov, Politika, S. 145–151; Fravel, Strong borders, S. 97 f., 109–119. China und Pakistan waren sich nach ersten Gesprächen im Januar 1961 spätestens im Mai 1962 einig, die Territorien in Kashmir in die Verhandlungen einzubeziehen. Diese münde-

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der Chinesen neue Posten ein. Diese forward policy wurde nicht nur von der Politik einschließlich Nehrus, sondern auch von weiten Teilen der indischen Gesellschaft befürwortet. Sie stellte aus indischer Perspektive nur die logische Fortsetzung der seit 1959 verfolgten Linie dar. Auf Dauer sollten chinesische Stellungen im umstrittenen Gebiet von Ladakh unhaltbar und in der NEFA die McMahon-Linie zementiert werden. Gewaltsame Auseinandersetzungen mit China schien Nehru trotz aller kämpferischen Posen und Töne auf beiden Seiten nicht zu befürchten.721 Die nationale Außenpolitik Indiens gewann 1961 nicht nur gegenüber dem chinesischen Nachbarn an Bestimmtheit. Dabei ist aufgrund der lückenhaften Aktenlage auch hier kaum zu entscheiden, inwieweit sich Delhi in Fragen von unmittelbarer regionalpolitischer Bedeutung durch internationale Dynamiken, durch interne Entwicklungsprobleme oder im Ergebnis langwieriger außenpolitischer Entscheidungsprozesse zu dezidierteren, kompromissloseren Positionierungen veranlasst sah. Die Gemengelage von Motiven lässt sich etwa beim indischen Einmarsch in Goa erkennen. Die gesamte Blockfreienbewegung hatte auf der Belgrader Konferenz neue Akzente bezüglich internationaler Selbstbehauptung und Gleichberechtigung gesetzt. Im Kampf um die globale Dekolonisierung geriet Portugals Politik in Angola zunehmend ins Kreuzfeuer der internationalen Kritik. Über diesen Umweg fiel der Blick auf die letzten portugiesischen Eroberungen auf dem Subkontinent und die vermeintliche indische Passivität in dieser Frage.722 Bereits im Sommer 1961 drohte Nehru gegenüber Kennedy mit einer bewaffneten Lösung, wenn sich Portugal weiterhin als uneinsichtige Kolonialmacht gerieren sollte.723 Lissabon verweigerte sich immer noch allen friedlichen Verhandlungsangeboten und ging hart gegen interne Opponenten vor.724 Aufgrund der Truppenkonzentrationen entlang der Gebietsgrenzen häuften sich indisch-portuten am 2.3.1963 in ein Grenzabkommen, vgl. Dokumentation in Hasan (Hg.), Documents 2, S. 365 f., 377–422. Daneben liefen chinesisch-mongolische, -afghanische und -nordkoreanische Absprachen, vgl. Shen/Lovell, Undesired outcomes, S. 102–106. 721 Vgl. Gore-Booth an CRO, Permanent Under Secretary of State, Clutterbuck, 1.9.1961, NAK, DO 196/209; Aufzeichnung Gespräche Nehru mit Bowles, 8.–9.8.1961, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument 35; Maxwell, India’s China war, S. 174 f., 199–201, 221 f., 291 f.; Raghavan, War, S. 273–280, 285–288, 293 f. 722 Vgl. Vermerk für MfAA, König, über Konferenz in Belgrad, 25.9.1961, PA AA, MfAA, A. 5295, Bl. 274–284, hier Bl. 281 f.; Entwurf Einschätzung MfAA, 2. Außereuropäische Abt., 22.9.1961, PA AA, MfAA, A. 13919, Bl. 89 ff., hier Bl. 90. 723 Vgl. Nehru an Kennedy, 29.12.1961, RSC, Kennedy Office Files, Part 5, Reel 11. 724 Vgl. US-Außenminister Rusk an US-Botschaft Delhi, 8.12.1961, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 66; Galbraith an State Department, 12.12.1961, ebd., Dokument Nr. 70.

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giesische Zusammenstöße.725 Bis zum 12. Dezember 1961 legte sich die indische Regierung gegen den Rat einzelner Politiker und Diplomaten auf eine militärische Aktion in Goa fest.726 Ein Vermittlungsversuch der USA in letzter Sekunde fruchtete nicht mehr.727 Gerüchte verwiesen auf Krishna Menon als treibende Kraft hinter der Goa-Aktion. Einige Kolportierungen gingen so weit, Menon Putschabsichten für den Fall zuzuschreiben, dass Nehru die Militäraktion abgebrochen hätte.728 Doch der Premier hatte sich offensichtlich von einer Mischung aus grundsätzlichen antikolonialen und internationalen sowie tagesaktuellen Motiven antreiben lassen. Verhandlungen auf der Basis der UN-Charter seien schwierig, beschwerte sich Nehru bei U Thant, wenn Portugal auf einem Standpunkt aus dem 16. Jahrhundert beharre, nämlich die Gebiete kraft Eroberung zu besitzen.729 Daneben war sich die Nehru-Regierung wohl bewusst, dass eine zwar friedliche, aber erfolglose Goa-Politik afrikanische Vertreter enttäuschen, Indiens Stellung in der Dekolonisations- und Blockfreien-Bewegung weiter schwächen und innenpolitisch die linke und rechte Opposition gleichermaßen aufmunitionieren würde.730 Deren gestiegene Anziehungskraft wurde nicht zuletzt durch die Wahlen zur dritten Lok Sabha dokumentiert, die im April 1962 zusammentrat.731 Sah man die Welt mit Moskauer Augen, so konnte das indische Vorgehen in Goa als konsequenter Schlag gegen den US-Imperialismus und seinen NATO-Verbündeten nur befürwortet werden. Das sowjetische Außenministe725 Vgl. Weil an Assistant Secretary of State for Near Eastern and South Asian Affairs, Talbot, 6.12.1961, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 65; Nehru an U Thant, 16.12.1961, UNA, S-0884, Box 15, File 12; indischer UN-Vertreter, Jha, an U Thant, 18.12.1961, ebd.; Luard, A history 2, S. 317–321. 726 Vgl. Gore-Booth an CRO, Garner, 15.1.1962, NAK, DO 196/209; Memorandum Assistant Secretary of State for Near Eastern and South Asian Affairs, Talbot, an Acting SoS, Ball, 12.12.1961, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 69; V. L. Pandit an T. N. Kaul, 8.2.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with V. L. Pandit. 727 Vgl. neben vorhergehenden Anm. McGarr, The cold war, S. 119–132, 141–143. 728 Vgl. Gore-Booth an CRO, Garner, 3.2.1962, NAK, DO 196/209; Dange, Information über die CPI, 7.6.1962, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 317, Bl. 297–301, hier Bl. 300; McGarr, The cold war, S. 142 f. 729 Vgl. Nehru an U Thant, 16.12.1961, UNA, S-0884, Box 15, File 12. 730 Vgl. Seminar über Probleme der portugiesischen Kolonien, 20.–23.10.1961, PA AA, MfAA, A. 13927, Bl. 1; CIA, Report, »Basis of Prime Minister Nehru’s decision on Goa«, 29.12.1961, DDRS, Dokument Nr. CK3100393265; Kimche, The Afro-Asian movement, S. 95–99, 133 f.; Gaitonde, The liberation, S. 149 ff.; Gopal, Nehru 3, S. 189–203; Brecher, India, S. 121–136; McCann, From Diaspora, S. 270–278. 731 Neben einer konsolidierten CPI waren Gewinne der Partei Rajagopalacharis, Swatantra, zu verzeichnen, die auf nationaler Ebene zur drittstärksten und in den Staaten zur zweitstärksten Kraft aufstieg, vgl. Frankel, India’s political economy, S. 205–214.

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rium vertrat sogar den Standpunkt, dass eindeutig proindische Äußerungen von Staatsoberhaupt Brežnev kurz vor der Aktion zumindest den (frühen) Zeitpunkt des Einmarsches bestimmt hätten.732 Brežnev begrüßte auf jeden Fall das indische Vorgehen sofort von ganzem Herzen und nutzte es, um wieder einmal die gegnerischen Militärblöcke vehement als Säulen des Kolonialismus zu attackieren.733 Indische und sowjetische Zeugnisse gehen in der Frage, inwieweit die UdSSR vor dem Einmarsch konsultiert oder informiert wurde, auseinander.734 Da Moskau noch im September 1961 im Einklang mit der eigenen Programmatik sein Verständnis für eine »unverzügliche Befreiung Goas, Damans und Dius« signalisiert hatte, konnte sich Delhi ohnehin der sowjetischen Zustimmung und Rückendeckung sicher sein.735 Die UdSSR verstand den indischen Zugriff vornehmlich als Bestätigung der sowjetischen Position bezüglich einer schnellstmöglichen und kompromisslosen Dekolonisierung und damit als Ansporn für andere Unabhängigkeits- und Befreiungsbewegungen. Mit Blick auf die indische Innenpolitik vermerkten die sowjetischen Interpreten zufrieden, dass die Befreiung Goas Nehrus Stellung gefestigt habe.736 Vor diesem allgemeinen Hintergrund maß die Diplomatie Moskaus der Goa-Debatte im UN-Sicherheitsrat am 18. Dezember 1961 »große politische Bedeutung« bei. Endlich konnte sie wieder in einer gefühlten »Einheitsfront« mit den afro-asiatischen Mitgliedern des Sicherheitsrats“ gegen die USA auftreten und mit ihrem Veto Entschlossenheit und Erfolg der eigenen Globalpolitik vorführen.737 Dies war nach Meinung der Kreml-Führung ein Pfund, mit dem sich auch in den Auseinandersetzungen mit Peking wuchern ließ. Dort fand man sich nämlich, folgt man Chruščevs Polemik, allzu leicht mit der verbliebenen portugiesischen Kolonie auf chinesischem Boden ab.738 732 Vgl. Auszug aus Aktenvermerk Wünsche über Gespräch mit Šped’ko am 8.1.1962, 10.1.1962, PA AA, MfAA, A. 765, Bl. 92–94. 733 Vgl. Vermerk Wünsche, 10.1.1962, PA AA, MfAA, A. 244, Bl. 53–60, hier Bl. 59; Aleksandrov-Agentov, Ot Kollontaj, S. 240 f. 734 Vgl. Nehru an Kennedy, 29.12.1961, RSC, Kennedy Office Files, Part 5, Reel 11; Vermerke Wünsche, 10.1.1962, PA AA, MfAA, A. 244, Bl. 53–60, hier Bl. 59 und A. 765, Bl. 92–94. 735 Vgl. deutsche Arbeitsübersetzung des indisch-sowjetischen Abschlusskommuniqués (Pravda, 11.9.1961), PA AA, MfAA, A. 13919, Bl. 78–83, hier Bl. 82. 736 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Dölling mit Lichačev, [15.1.]1962, PA AA, MfAA, A. 765, Bl. 105. 737 Sowjetische UN-Delegation, Tätigkeitsbericht für 1961, RGANI, f. 89, op. 28, d. 8, ll. 1–[19], hier ll. 18 f.; sowjetischer UN-Vertreter vor SC, 18.12.1961, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 229–236. Vgl. McMahon, The cold war, S. 281 f.; McGarr, The cold war, S. 132–144. 738 Vgl. Chruščev vor ZK-Präsidium, 8.1.1962, in: Wettig (Hg.), Chruschtschows Westpolitik, S. 504–518, hier S. 515; Protokoll Gespräch Chruščev mit Ulbricht, 26.2.1962, ebd., S. 519–535, hier S. 529.

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Die vermeintliche indische Vorreiterrolle oder sowjetische Ausdeutungen hielten Chinas offizielle Politik nicht davon ab, Indiens Goapolitik herzlich zu begrüßen.739 Aufgrund der lückenhaften Quellen ist nicht zu klären, ob Peking und Delhi Anfang 1962 eine Verbesserung ihrer Beziehungen für möglich hielten.740 In der Grenzfrage präsentierten sich beide Seiten zwar gesprächsbereit, doch unbeweglich.741 Die Nehru-Regierung intensivierte ihre defensiv verstandene forward policy.742 Auch China gab keinen Fußbreit preis: »Wenn […] die indische Seite immer wieder chinesisches Gebiet besetzt und dabei das Feuer eröffnet«, warb beispielsweise der chinesische Botschafter in Ost-Berlin um Unterstützung, »dann müssen wir Maßnahmen zu unserer Selbstverteidigung ergreifen«.743 Dies war aus chinesischer Sicht umso dringlicher, da Peking in der indischen Politik Handschrift und Einfluss der USA zu erkennen meinte, die Indien demnach gegen China in Stellung bringen wollten.744 Es ist aufgrund der Aktenlage ungewiss, inwieweit vor diesem Hintergrund Gespräche Menons mit dem chinesischen Außenminister im Juli 1962 ernsthaft Verhandlungsoptionen ausloteten.745 Die zeitgleich mit indischer und chinesischer Beteiligung erzielte Neutralisierung von Laos mochte in indischen Augen darauf hindeuten, dass Peking für friedliche Lösungen zu gewinnen war.746 Wenn dies eine Interpretation in Delhi war, übersah sie die spezifischen Aufladungen und Dimensio739 Vgl. chinesische Erklärung, 19.12.1961, in: Jain (Hg.), China South Asian relations 1, S. 190 f. 740 Vgl. Vermerk Benediktov über Gespräch mit chinesischem Militärattaché Delhi, Tsen Hao, 12.1.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 6, l. 12; Galbraith an State Department, 23.2.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 104. 741 Vgl. NMML, Transcripts of Oral History, Nr. 324: R. K. Nehru; CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section III: 1961–62, 5.4.1964, S. 24–30, https://www.cia.gov/library/ readingroom/docs/polo-09.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 742 Vgl. Memorandum State Department, 7.5.1962, DDRS, Dokument Nr. CK3100378881; UN, Nimmo an Bunche, 20.8.1962, UNA, S-0370, Box 17, File 20. 743 Vermerk über Gespräch chinesischer Botschafter Ost-Berlin, Wang Kuo-tschuan, mit Florin, 8.6.1962, SAPMO-BArch, NY 4182/1221, Bl. 109–113, Zitat Bl. 112. Vgl. MacFarquhar, The origins 3, S. 299 f. 744 Vgl. Vermerk über Gespräch Wang Kuo-tschuan mit Florin, 8.6.1962, SAPMO-BArch, NY 4182/1221, Bl. 109–113, hier Bl. 111; Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit chinesischem Geschäftsträger, E. Cheng-Cheng, 10.10.1962, CWIHP, Digital Archive, Collection: Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018); MacFarquhar, The origins 3, S. 131–134, 273; Hoffmann, India, S. 95 f., 103–108. 745 Vgl. Hoffmann, India, S. 238 f., 255 f.; MacFarquhar, The origins 3, S. 301; Banerjee, My Peking memoirs, S. 25 f., 53–70; Bhutani, A clash, S. 152 f., 157 f., 164–167; Fravel, Strong borders, S. 187 f.; Raghavan, War, S. 288–291. Chinesische Zusagen hinsichtlich einer gewaltfreien Lösung erinnert Chavans ehem. Privatsekretär, vgl. Pradhan, Debacle, S. 177 f. 746 Vgl. Rust, Before the quagmire, S. 261–269; Freedman, Kennedy’s wars, S. 340–350; Jacobs, The universe, S. 235–270.

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nen des chinesisch-indischen Verhältnisses, in dem ideologische, regional- und globalpolitische Gegensätze unvermittelt aufeinandertrafen und nicht durch (vorübergehende) Teilvereinbarungen aufzufangen waren. Bereits Mitte Juli 1962 umzingelten überlegene chinesische Truppen eine indische Vorausabteilung (Galwan-Tal). Wenige Tage später kam es zu Feuergefechten (Chip Chap-Fluss). Die indische Politik reagierte, indem sie ihrer Armee, die Chinas militärische Fähigkeiten offenkundig unterschätzte, zunehmend Handlungsspielräume in den strittigen Gebieten eröffnete.747 In Peking setzte Mao im August 1962 endgültig einen neuen Radikalisierungsschub durch. In internationaler Hinsicht sollte dieser – auch angesichts der wahrgenommenen neuen Bedrängungen durch Taiwan und die UdSSR – die chinesische Vorreiterrolle gegen den globalen Imperialismus und seine angeblichen reaktionären oder revisionistischen Helfershelfer im Allgemeinen sowie chinesische Modellund Führungsambitionen in der Dritten Welt im Besonderen unterstreichen.748 Gegenüber Indien zog Peking ab Ende August 1962 die für eine größere Militäraktion notwendige Truppenstärke zusammen.749 Die CIA ging in dieser Situation davon aus, dass sich in Indien einzelne Vertreter von MEA und Verteidigungsministerium noch einmal gegen eine Politik, die mit ihren öffentlichen Verlautbarungen und militärischen Rochaden weitere Eskalationen entweder herausforderte oder zumindest nicht verhinderte, stemmten. Gegen die Mehrheitsmeinung in Armee, Politik und Öffentlichkeit oder Pekings sture Intransigenz konnten sich die Kritiker nicht durchsetzen.750 Auch sowjetische Appelle an Delhi, alles für eine friedliche Beilegung der Strei747 Vgl. CIA, POLO XVI, ›The Sino-Indian Border Dispute‹, Section III: 1961–62, 5.4.1964, S. 32– 36, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-09.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Whiting, The Chinese calculus, S. 48 f.; Raghavan, War, S. 287 f. 748 Vgl. MacFarquhar, The origins 3, S. 274–305; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 219–224; Wang, The quarrelling brothers; Tang, Beyond India, S. 4 f., 14–21; Fravel, Strong borders, S. 101–109, 249–252; Whiting, The Chinese calculus, S. 30–47, 63 f.; Jun, 1962, S. 23 f., 27 f., 31–36; Li/Xia, Jockeying, S. 26 ff.; Friedman, Shadow Cold War, S. 88 f. 749 Vgl. Vermerk über Gespräch Wang Kuo-tschuan mit Florin, 8.6.1962, SAPMO-BArch, NY 4182/1221, Bl. 109–113, hier Bl. 109 f.; CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section III: 1961–62, 5.4.1964, S. 30 f., https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-09. pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Zhai, China, S. 115 f.; Whiting, The Chinese calculus, S. 37–44, 55 f., 63 f., 85–87; MacFarquahr, The origins 3, S. 300–304. 750 Vgl. Executive Secretary State Department, Brubeck, an President’s Special Assistant for National Security Affairs, Bundy, 10.8.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 165; Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Radhakrishnan, 4.9.1962, AVP-Kopie in NSA; Memorandum State Department, Likely development in the Sino-Indian border dispute, 7.5.1962, DDRS, Dokument Nr. CK3100378881.

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tigkeiten zu tun, verhallten ungehört.751 Von einem substantielleren Engagement wurde Moskau in dieser Phase möglicherweise durch die (anstehenden) eigenen Aktionen auf Kuba abgehalten. Zudem musste sich Moskau eingestehen, dass die sowjetische Politik, die ihre Initiativen gegenüber Indien (und China) mit der Lieferung moderner Waffentechnik abstützte, zur Zuspitzung des Konflikts beigetragen hatte. Dies war eine Erfahrung, die, wie andere Inkonsistenzen von paralleler Rüstungs- und Entwicklungspolitik überhaupt, kapitalistische Lieferanten bereits an anderen Fronten Südasiens gemacht hatten: Immerhin hatte in den Jahren zuvor die indische Armee mit britischen Produkten mitunter amerikanische Geräte des pakistanischen Militärs zerstört. Grundsätzlich zeigte sich Indien seit Ende der 1950er-Jahre im Rüstungssektor als Reaktion auf die amerikanische Aufrüstung Pakistans empfänglicher für sowjetische Avancen.752 Verteidigungsminister Krishna Menon hatte gegenüber Moskau ohnehin wenig Berührungsängste und setzte im Rahmen einer Konzeption, die langfristig eine möglichst weite rüstungswirtschaftliche Selbständigkeit anstrebte, seine Beschaffungspolitik auch gegen Widerstände im indischen Militär durch.753 Aktuell erforderten die indisch-chinesischen Spannungen nach Ansicht Delhis zusätzliche Einkäufe von hochwertigen Rüstungsgütern für die nun 450.000 Mann starke Armee.754 Bis 1962 hatte die indische Luftwaffe in der UdSSR neben ersten Triebwerken für Kampfflugzeuge unter anderem sieben Transportflugzeuge vom Typ AN-12 eingekauft, die auch für das Hochgebirge der indisch-chinesischen Grenzregionen tauglich waren.755 Weiterhin liefen – wiederum dank Krishna Menons Engagement – ab Frühjahr 1962 intensive 751 Vgl. Brubeck an Bundy, 10.8.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 165. Über den länger geplanten Besuch Mikojans in Delhi ab dem 24.7.1962 liegen keine gehaltvollen Quellen vor, vgl. Sitzung ZK-Präsidium, 26.7.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 573 f., hier S. 574; Verlauf nach AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 7; MacFarquhar, The origins 3, S. 301 f. 752 Vgl. Vermerk State Department über Gespräche mit Thimayya, 24.9.1958, NARA, RG 59, Lot 62D43, Box 2; Nehru an Mathai, 13.12.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 483; Aufzeichnung Gespräch G. Mehta in State Department, 17.1.1958, FRUS 1958–1960 XV, S. 52 f.; Nehru an Pillai, 26.2.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 727 f.; Aufzeichnung Gespräch Lichačev mit K. P. S. Menon, 4.12.1959, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 3, ll. 1 f. 753 Vgl. Deputy Secretary of Defense, Gilpatric, an Bowles, 12.6. und 13.9.1961, FRUS 1961–1963 XIX, Dokumente Nr. 27, 42.; Sinha/Athale, History, S. XXII. 754 Vgl. US-Botschaft Delhi an State Department, 5.5.1960, FRUS 1958–1960 XV, S. 538 f.; NIE 51–60, 25.10.1960, ebd., S. 569–571, hier S. 571. 755 Vgl. Sinha/Athale, History, S. 345–347. Daneben waren 23 Il-14 im indischen Bestand. Zu Verhandlungen der Luftwaffe ab 1960 vgl. Aufzeichnung Diskussion im State Department, 17.8.1960, FRUS 1958–1960 XV, S. 549–552; US-Botschaft Delhi an State Department, 17.9.1960,

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Gespräche über den indischen Erwerb weiterer Hochleistungstriebwerke sowie, wichtiger noch, über die Lieferung und Lizenzierung sowjetischer MiG. Deren neueste Version stand 1962 zur Auslieferung an.756 Im Gegensatz zu früheren Jahren blieb 1962 das Lobbying Großbritanniens und der USA gegen das MiG-­ Geschäft erfolglos. Für eine indische Entscheidung pro Moskau sprachen vor dem Hintergrund der indisch-chinesischen Verwerfungen sowie der in Delhi immer argwöhnischer beäugten pakistanischen Rüstung die prompte Verfügbarkeit qualitativ überzeugender, robuster und vergleichsweise einfach zu handhabender sowjetischer Modelle, deren Preis in Rupien, die Perspektive auf Produktionslizenzen und eine zuverlässige Ersatzteilversorgung. Außerdem fürchtete Indien gerade vor dem Hintergrund laufender Kashmir-Debatten negative politische Implikationen von US-Lieferungen. Schließlich konnte Delhi mit erweiterten Militärbeziehungen die eigene Blockfreiheit rüstungspolitisch untermauern.757 Daneben mochten sowjetische Lieferungen zu diesem Zeitpunkt Peking gar eine sowjetische Unterstützung der indischen Politik vorgaukeln.758 Ab dem 2. August 1962 lief die abschließende Verhandlungsrunde zwischen Delhi und Moskau. Die indische Delegation drängte bezeichnenderweise nicht nur auf einen schnellen Vertragsabschluss, sondern auch auf baldige Flugstunden für indische Piloten.759 Die US-Diplomatie konnte sich nur wundern, ob Moskau tatsächlich willens war, zu einer Zeit chinesische »Leidenschaften zu entfachen«, in der der

ebd., S. 552 f.; Gilpatric an Bowles, 13.9.1961, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 42; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 13.10.1960, NAK, PREM 11/3836; Boquérat, No strings, S. 307; Li/Xia, Jockeying, S. 46. 756 Vgl. K. P. S. Menon an Dutt, 28.5.1961, NMML, K. P. S. Menon Papers, Correspondence with S. Dutt; Tagebuch Dutt, Einträge 22.3. und 20.4.1962, zit. nach Das Gupta, Serving India, S. 413 f.; erster stellv. Vors. Gosplan, Rjabikov, u. a. Vermerk zur Produktionsplanung; Aufzeichnung Gespräch stellv. Leiter GIU, Kovtun, mit indischer Delegation, 18.6.1962, RGAĖ, f. 29, op. 1, d. 2369, ll. 59 ff.; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 5. und 31.5., 7.6.1962, NAK, PREM 11/3836. 757 Vgl. Zachariah, Nehru, S. 251. 758 Vgl. neben vorhergehenden Anm. NSC, Komer, an Bundy, 9. und 25.5.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Nr. 119, 125; Nehru an Macmillan, 23.5. und 30.6.1962, NAK, PREM 11/3836; Vermerk T. N. Kaul, 15.5.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; Nehru an Chief Ministers, 10.7.1962, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 500–511; Mullik, My years, S. 553–555; McGarr, The cold war, S. 219–227; Raghavan, War, S. 281 f.; Mastny, The Soviet Union’s partnership, S. 61. 759 Vgl. Archipov an Vors. GKAT, Dementev, 31.7.1962, RGAĖ, f. 29, op. 1, d. 2369, l. 62; Skačkov an ZK, 2.8.1962, RGAĖ, f. 4372, op. 80, d. 320, ll. 117 f.; Hindustan Times, 6.8.1962, S. 12, sowie 21.8.1962, S. 1.

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Kreml von China und Indien Mäßigung erhoffte.760 Die sowjetische Führung wollte oder konnte diesen Widerspruch nicht erkennen, oder sie setzte darauf, mit den Rüstungsgütern für Delhi Peking von weiteren militärischen Schritten abzuhalten. Die sowjetische Entscheidungsfindung liegt im Dunkeln. Auf jeden Fall beschloss das ZK-Präsidium am 20. bzw. 23. August 1962, Indien zwölf MiG-21 und acht weitere AN-12 zu verkaufen.761 In dem am 29. August 1962 unterzeichneten bilateralen Abkommen sagte Moskau die Lieferung von vier MiGs noch im Dezember 1962 zu. Dabei hatte das GKĖS im Vorfeld mit Blick auf die sowjetischen Produktionsmöglichkeiten Lieferungen erst für das erste Halbjahr 1963 vorgeschlagen. Nach dem Willen des Kremls sollten zwei weitere Flieger im ersten Halbjahr 1963, sechs 1964 folgen. Das Abkommen lizensierte zudem den indischen Nachbau der MiG-21 mitsamt dem dringend gewünschten Bordradar und fixierte die notwendige sowjetische Hilfe für diese Produktionsschiene. Entgegenkommen zeigte Moskau schließlich auch in den Zahlungsmodalitäten. Die UdSSR willigte ein, sich nach einem fünfjährigen Aufschub zu zwei Prozent Zinsen mit indischen Waren auszahlen zu lassen.762 Was immer sich Chruščev und seine Kollegen bei ihrem Beschluss gedacht haben mögen: Einen friedensfördernden Einfluss auf die indisch-chinesischen Beziehungen übte die beachtliche Militärhilfe an Indien nicht aus. Im September 1962 rückten chinesische Kräfte erstmals im Grenzgebiet zwischen China und der NEFA gegen indische Positionen vor (Dhola).763 In späteren Diskussionen betrachtete Indien entsprechend den 8. September 1962 als eigentlichen Beginn der »großflächigen chinesischen Invasion«.764 Innenminister Shastri, in Abwesenheit von Nehru und Finanzminister Desai amtsführender Premier, 760 Vorlage Bureau of Near Eastern and South Asian Affairs, 19.9.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 167 sowie Galbraith an Kennedy, 6.8.1962, ebd., Dokument Nr. 164. 761 Sitzung ZK-Präsidium, 20.8.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 575 f. Der Beschluss ZK-Präsidium vom 23.8.1962 zur Lieferung von AN-12 an Indien ist nicht deklassifiziert, ebd., Band 3, S. 317 mit Anm. 5. 762 Vgl. Leiter GIU, Sergejčik, an Vors. GKAT, Dementev, 6.9.1962, mit Kopie Abkommen, 29.8.1962, RGAĖ, f. 29, op. 1, d. 2369, ll. 114 ff.; Sitzung ZK-Präsidium, 14.10.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 616 f. mit Anm. 2 (S. 1108 f.); Skačkov an ZK, 2.8.1962, RGAĖ, f. 4372, op. 80, d. 320, ll. 117 f. Höhere Stückzahlen genannt von Hindustan Times, 8.10.1962, S. 1, »6 MiG-21 in December«. Vgl. ferner Sergejčik an Dementev, 21./22.9.1962, mit Abkommen über technische Hilfe bei der Produktion von Motoren für indische Jäger, 6.7.1962, RGAĖ, f. 29, op. 1, d. 2369, l. 159 ff. 763 Vgl. CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section III: 1961–62, 5.4.1964, S. 36– 46, http://www.foia.cia.gov/CPE/POLO/polo-09.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018). 764 Aufzeichnung Gespräch T. N. Kaul mit Malinovskij, 15.12.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. Vgl. Sinha/Athale, History, S. 75–78.

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forderte am 16. September öffentlich den »Rauswurf« der Chinesen. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit griffen die indischen Soldaten zu den Waffen. Die Schusswechsel dauerten bis zum 29. September an und brachten beiden Seiten Verluste. Nehru und Menon stimmten den Plänen der Armee zu, die chinesischen Positionen bei Dhola mit weiteren Truppenbewegungen auszuhebeln. Am 9. und 10. Oktober 1962 kam es zu erneuten Zusammenstößen, mit weiteren blutigen Verlusten auf beiden Seiten. Die indische Regierung sei zu weit gegangen, als dass Peking zur Tagesordnung übergehen könne, ließ der chinesische Geschäftsträger in Delhi am 10. Oktober seinen sowjetischen Kollegen wissen.765 Als wollte er die Pekinger Einschätzung bestätigen, erklärte Nehru am 12. Oktober öffentlich, dass »unsere Instruktionen lauten, dass unser Land befreit werden muss«.766 Dass der Premier direkt im Anschluss an diese Verlautbarung nach Colombo aufbrach, ließ jedoch erkennen, dass er auch jetzt noch nicht mit großen Militäroperationen rechnete. Damit stand Nehru nicht allein. Nach Eindruck der gut informierten US-Botschaft in Delhi rechnete die indische Führung in längeren Zeiträumen. Die Chinesen müssten vertrieben werden, ob es nun ein, fünf oder zehn Jahre dauere. »This decision clearly does not extend to any or all methods. It involves rather keeping steady pressure on the Chinese by the ground forces in the area and he implied that this intention now extends to Ladakh.«767 Einige Beamte im MEA fürchteten allerdings in der NEFA größere Auseinandersetzungen, wobei sie davon ausgingen, dass die eigenen Truppen für diese Eventualität gut gewappnet waren.768 Amerikanische Beobachter erwarteten indes eine baldige chinesische Offensive.769 Auch der Kreml ahnte nun wohl endgültig, dass Gefahr im Verzug war. Er wandte sich an beide Parteien. Die entsprechenden Anweisungen des ZK-Präsidiums an den sowjetischen Botschafter in Peking sind weiterhin unter Ver765 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Cheng-Cheng, 10.10.1962, CWIHP, Digital Archive, Collection: Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018); MacFarquahar, The origins 3, S. 305–308; Raghavan, War, S. 294–300, 304 f. 766 Zit. nach Sinha/Athale, History, S. 101. Vgl. Maxwell, India’s China war, S. 303–343. 767 US-Botschaft Delhi an State Department, 18.10.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 177. Vgl. CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section III: 1961–62, 5.4.1964, S. 49 f., hier S. 50, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-09.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018); Hoffmann, India, S. 122–126. 768 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 12.10.1962, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 526– 533, hier S. 531; Äußerungen K. P. S. Menons zit. nach Beschluss ZK-Prädisium, 18.10.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 335–339. 769 Vgl. CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section III: 1961–62, 5.4.1964, S. 53– 55, hier S. 55, https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/polo-09.pdf (letzter Zugriff: 12.4.2018).

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schluss. Dagegen ist die sowjetische Nachricht an Delhi vom 18. Oktober 1962 zugänglich.770 Das ZK-Präsidium ließ Botschafter Benediktov nachdrücklich auf eine friedliche Beilegung des Konflikts drängen, zumal die umstrittenen Gebiete faktisch wertlos seien. In der Sache übernahm der Kreml nun recht unvermittelt chinesische Positionen, wenn er die McMahon-Linie als »Erbe der kolonialen Vergangenheit« in Frage stellte und ganz im Sinne Pekings Verhandlungen ohne Vorbedingungen auf Basis der chinesischen und indischen Interessen sowie der faktischen Lage anregte. Der indischen Politik warf Moskau vor, eigenen Prinzipien untreu geworden zu sein. Delhi habe nicht genug für eine einvernehmliche Lösung getan, sondern »direkte kriegerische Handlungen gegen die KNR« befohlen. Auch die langfristigen Ziele indischer Außenpolitik waren sowjetischer Meinung nach in Gefahr. »Unserer tiefen Überzeugung nach«, beschrieb Moskaus Botschaft angeblich gemeinsame Interessen, »spielt ein bewaffneter Konflikt zwischen Indien und der KNR nur den Imperialisten in die Hände, für die eine Verschärfung der Beziehungen zwischen zwei benachbarten Großmächten eine gute Grundlage für die Verstärkung der Spannungen in Asien und in der ganzen Welt, für die Unterminierung der Einheit der friedliebenden Kräfte schafft.« Bei einer Verhandlungslösung dagegen »würden die Friedenskräfte« weltweit gewinnen.771 Andere konkrete Maßnahmen des Kremls deuten ebenfalls darauf hin, dass sich die UdSSR zu diesem Zeitpunkt von einem gewissen Druck auf Delhi erhoffte, drohende Kämpfe abzuwenden – auch um den Preis einer zumindest punktuellen Verschlechterung der indisch-sowjetischen Beziehungen. Chinesischen Quellen zufolge soll Chruščev dem chinesischen Botschafter gegenüber volles Verständnis für eine harte chinesische Haltung geäußert und zu erkennen gegeben haben, dass der Kreml die Verantwortung für die Zuspitzung bei Indien suche.772 Fest steht, dass das sowjetische ZK-Präsidium bereits am 14. Oktober anordnete, die – ohnehin erst in einigen Wochen anstehenden – Lieferungen 770 Vgl. Fursenko (Hg.), Prezidium CK  KPSS  3, S. 1008; Protokoll Sitzung ZK-Präsidium, 11.10.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 596. Ggf. erreichte die Botschaft Delhi erst am 20.10., oder sie wurde an diesem Tag in wesentlichen Teilen wiederholt, vgl. Gopal, Nehru 3, S. 221 f. 771 Beschluss ZK-Präsidium, 18.10.1962 in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 335–339, hier S. 336, 338 f. Vgl. Sitzungen ZK-Präsidium, 11. und 14.10.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 596 f., 616 f.; Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit T. N. Kaul, 24.10.1962, AVP-Kopie in NSA. Ich danke Vojtech Mastny herzlich für Überlassung dieser NSA-Materialien. 772 Vgl. Radchenko, Two suns, S. 25–29; MacFarquhar, The origins 3, S. 312 f.; Maxwell, India’s China war, S. 345; Fedotov, Polveka, S. 252 f.

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erster MiG an Indien hinauszuzögern.773 Sechs Tage zuvor bot der Kreml über Botschafter Červonenko Peking gar Lizenzen und technische Hilfe für die Produktion moderner MiG in China an, um die sowjetisch-indische Zusammenarbeit auszubalancieren. Die chinesische Seite verfolgte das Angebot offenbar nie weiter.774 Es ist aber recht zweifelhaft, ob, wie das indische Verteidigungsministerium im Rückblick behauptete, die chinesische Luftwaffe aufgrund der chinesisch-sowjetischen Zwistigkeiten Ende 1962 an akutem Ersatzteilmangel für ihre sowjetischen Produkte litt.775 Sowjetische Öllieferungen an China beispielsweise wurden augenscheinlich nicht ausgesetzt.776 Es liegt nahe, einen wichtigen Grund für die unvermittelte sowjetische Begeisterung für die Haltung des weiterhin ungeliebten Peking in Chruščevs Kubapolitik zu suchen.777 Angesichts der Aktenlage lässt sich über die letzten Motive und Ziele der sowjetischen Maßnahmen bezüglich Südasiens im Oktober 1962 allerdings nur spekulieren. Ein Krieg mit seinen ungewissen Weiterungen entsprach dabei ganz bestimmt nicht sowjetischen Wünschen. Die sowjetische Führung musste zudem bedenken, dass ein neuer Krieg mit kommunistischer Mitwirkung in Asien wie seinerzeit in Korea die amerikanische Position global und erst recht im eigenen Vorhof verhärten und damit die Gefahren des Kuba-Abenteuers noch erhöhen würde. Auf der anderen Seite mochte sich die UdSSR im Gegenzug für ihre Zugeständnisse in Asien Pekinger Rückendeckung in der Karibik erhoffen und auf diese Weise die Chancen erhöhen, die weltkommunistischen Reihen unter eigener Hegemonie zu schließen.778 Insgesamt schien die Moskauer Spitze in Fortführung der kritischeren Sichtweisen auf Indiens Politik seit Anfang der 1960er-Jahre in der akuten Krisensituation bereit zu sein, entweder Druck auf die indische Politik auszuüben oder Delhi die Konsequenzen einer weiteren Bewegung nach rechts und internationaler 773 Vgl. Sitzung ZK-Präsidium, 14.10.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 616 f., hier S. 616; Aufzeichnung Gespräch Malik mit T. N. Kaul, 23.11.1962, AVP-Kopie in NSA; Gopal, Nehru 3, S. 226 f. Der Auslieferungsstop nach Indien wurde Ende Oktober offenbar auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. 774 Vgl. Radchenko, Two suns, S. 29 f. 775 Vgl. Sinha/Athale, History, S. 364; Radchenko, Two suns, S. 29 f., 256 f. mit Anm. 31; Raghavan, War, S. 299 f., 307 f. 776 Vgl. Bowles an Kennedy, 14.10.1962, FRUS 1961–1963 V, S. 514–521; Aufzeichnung Gespräch Bowles mit sowjetischem Botschafter Washington, Dobrynin, 15.11.1962, ebd., S. 573–576; Protokoll Gespräch Chruščev mit T. N. Kaul, 24.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru. 777 Vgl. Taubman, Khrushchev, S. 529–577; Zubok, A failed empire, S. 143–150. Dagegen Raghavan, War, S. 302. 778 Vgl. Raghavan, War, S. 302–305.

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Versteifung gegenüber sozialistischen Ländern vor Augen zu führen.779 Welche Überlegungen der Kreml im Oktober auch anstellte – sie erwiesen sich als wenig dauerhaft, hatten sie doch weder chinesische noch indische Konzeptionen und Entwicklungen angemessen einbezogen.780 In der chinesischen Entscheidungsfindung haben die Entwicklungen auf Kuba kaum mehr als eine taktische Rolle gespielt, zu lange währte der chinesisch-indische Konflikt schon. Darüber hinaus entsprach die chinesische Politik im Herbst 1962 im Kern Motiven und Entscheidungsgrundlagen der Vorjahre. Am 20. Oktober 1962 rückten chinesische Truppen auf breiter Front sowohl in Ladakh als auch in der NEFA vor. Für Peking bot der Angriff die Chance, bei geringem militärischem Risiko eine ganze Reihe von politischen Zielen zu erreichen. Mit dem Feldzug konnte Chinas Führung die territorialen Streitigkeiten zu ihren Gunsten entscheiden und gleichzeitig von aktuellen innen- oder wirtschaftspolitischen Problemen ablenken. Gewichtiger war im Pekinger Kalkül sicherlich, dass ein kurzes siegreiches Unternehmen die indische strategische Konkurrenz in Asien entschärfte. Noch bedeutsamer war, dass es der ungeliebten indischen Bourgeoisie mitsamt ihrer verderblichen Innenund Außenpolitik und insbesondere ihrer Tibet- und Chinapolitik nachhaltig schaden konnte. Damit wurden in der Gesamtkonstellation zugleich Moskaus Position im ideologisch-politischen Wettstreit geschwächt und imperialistische Manöver der USA durchkreuzt. Im Grenzkrieg 1962 setzte sich die chinesische Logik der Taiwankrise von 1954 und, mehr noch, der von 1958 fort: Peking verteidigte sich gegen die Machenschaften der »Imperialisten«, »Reaktionäre« und »modernen Revisionisten«, die angeblich zusammenarbeiteten, um »China zu isolieren und zu zwingen, seine Außenpolitik zu ändern.«781 Die indische Regierung interpretierte die nicht gewollten Kämpfe gänzlich anders. Nehru sah das ganze Land aufgerufen, das indische Nationalprogramm von friedlicher Koexistenz, Friedenspolitik und Unabhängigkeit gegen eine expansionistische Hegemonialmacht mit kommunistischer Begleitideologie zu verteidigen. Es ging ihm um die Abwehr der Aggression Chinas gegen indi779 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Chruščev mit ČSSR-Präsident Novotný, 30.–31.10.1962, Nationalarchiv Prag, Archiv ÚV KSČ, Bestand 07/17, Novotný – Zahraničí, Karton 193, SSSR. Die Aufzeichnungen hat mir dankenswerter Lorzenz Lüthi zur Verfügung gestellt. 780 Vgl. MacFarquhar, The origins 3, S. 312–315; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 224–228; Prozumenshchikov, The Sino-Indian conflict. 781 Zhou Enlai auf »10. Plenarsitzung« chinesischer KP, zit. nach T. N. Kaul, Brief survey of the International Communist movement, 1.3.1963, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. Vgl. Fravel, Strong borders, S. 175–188, 194–197; Garver, China’s decision. Vgl. Mehra, Essays, S. 245–306.

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sches Territorium, das als Symbol und Unterpfand nationaler Würde, Selbstbestimmung und Grundwerte verteidigt werden musste.782 Mit dieser Haltung traf Indiens oberster Außenpolitiker den Nerv der Bevölkerung. Alle Parteien einschließlich der CPI stellten sich hinter Nehrus Aufrufe zur »Vaterlandsverteidigung.«783 »Jeder, der unser Land überfällt, muss die gebührende Abfuhr erhalten«, fasste es der CPI-Parteivorsitzende Dange gegenüber dem TASS-Korrespondenten zusammen.784 Danges Gefühlsausbrüche entsprachen offenkundig der Stimmungslage zahlreicher Parteimitglieder – nicht aber der aktuellen sowjetischen Linie. 785 Öffentlich reagierte die UdSSR erst mit einiger Verzögerung auf den Krieg. Am 25. Oktober 1962 veröffentlichte die Pravda das Verhandlungsangebot Pekings vom Vortag. Chinas Vorschläge folgten ganz der früheren Linie. Das Editorial des Moskauer Zentralorgans schlug sich auf die Seite Pekings, indem es die Argumente der Moskauer Botschaft an Delhi vom 18. Oktober wiederholte.786 Diese Haltung vertrat die sowjetische Führung zumindest bis zum 31. Oktober auch intern.787 Dem nationalen Überschwang der indischen Genossen konnten daher in dieser Phase weder sowjetische Presse noch Politik etwas abgewinnen. Derartige Bewertungen seien »chauvinistisch«, erregte sich Chruščev, Dange selbst ein »Nationalist«.788 Sowjetische Stellen und Medien forderten einen »internationalistischen« Zugang der indischen Genossen.789 Doch vor die Wahl zwischen indischem Nationalismus und dem ›Internationalismus‹ des sowjetischen 782 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 21.10.1962 und 21.12.1962, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 534–539, hier S. 538 f., sowie NMML, V. L. Pandit Papers I, Correspondence with J. Nehru; Nehru an Ayub Khan, 12.11.1962, NAK, PREM 11/3839; Nehru an Chruščev, 22.10.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 11, ll. 49 ff. 783 Vermerk zu Sammlung von Presseberichten, PA AA, MfAA, A. 13978, Bl. 93–103, hier Bl. 93. 784 Interview Dange mit TASS Bombay, 20.10.1962, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 319, Bl. 126 f. 785 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Namboodiripad, 26.10.1962, CWIHP, Digital Archive, Collection: Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018); Basu, Memoirs, S. 178 f. 786 Vgl. Pravda, 25.10.1962, S. 1, V interesach narodov, vo imja vseobščego mira; Pravda, 25.10.1962, S. 3: Zajavlenie Kitajskogo narodnogo respublika. 787 Vgl. Zusammenfassung der Herausgeber zu Vermerk über Gespräch Chruščev und Erster Sekretär Rumänische Arbeiterpartei, Gheorghiu-Dej, 30.10.1962, PHP, Global Cold War: India-Soviet Bloc relations, www.php.isn.ethz.ch/lory1.ethz.ch/collections/colltopicb21 f. html?Ing=en&id=113290 (letzter Zugriff: 25.4.2018); Nehru an Chruščev, 5.11.1962, als Antwort auf Schreiben 31.10.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 11, l. 67 ff. 788 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Chruščev mit Novotný, 30.–31.10.1962, wie Anm. 779. 789 Pravda, 25.10.1962, S. 1, V interesach narodov, vo imja vseobščego mira.

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Imperiums gestellt, optierte ein großer Teil der indischen organisierten Linken weiterhin für den Nationalismus der Regierung in Delhi. CPI-Generalsekretär Namboodiripad bedankte sich bei Botschafter Benediktov zwar geflissentlich für die wichtige »Hilfe«, die die indischen Kommunisten durch die Pravda erhalten hätten. Er machte den sowjetischen Diplomaten aber zugleich darauf aufmerksam, dass viele Mitglieder und führende Genossen der CPI China die Schuld an der kriegerischen Eskalation gaben.790 Die chinesischen Vorschläge vom 24. Oktober waren der gesamten CPI-Führung schlicht zu wenig.791 Der rechte Parteiflügel ging noch weiter. Am 4. November 1962 publizierte New Age eine Resolution des Nationalrats vom 1. November, die im Sinne Danges den Rückzug der chinesischen Truppen forderte, indische Waffenkäufe egal wo befürwortete und die »Massenerhebung unseres Volkes gegen die chinesische Aggression und für die Verteidigung des […] geheiligten Boden unseres Landes« feierte.792 Das Pathos indischer Kommunisten mochte in Teilen auch dem Umstand geschuldet sein, dass sich die CPI in der aufgeheizten Atmosphäre des Landes wieder verstärkt öffentlichen Vorwürfen und behördlichen Repressionen ausgesetzt sah.793 Die antikommunistische Hysterie machte vor Kabinettsmitgliedern nicht halt. Krishna Menon wurde das aktuelle Versagen im Grenzstreit als Symptom seiner prokommunistischen und antiamerikanischen Politik ausgelegt. Damit war er im Kabinett nicht mehr zu halten.794 Die allgemeine Stimmungslage schlug zudem auf die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen der UdSSR und Indien durch. Das Präsidium der indisch-sowjetischen Kulturorganisation äußerte in Rundschreiben seine Beschämung über die Position der UdSSR, die Indien die Unterstützung versage.795 CPI-Generalsekretär 790 Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Namboodiripad, 26.10.1962, CWIHP, Digital Archive, Collection: Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018). 791 Vgl. chinesische und indische Erklärungen, 24.10.1962, in: Jain (Hg.), China South Asian relations 1, S. 208–211; Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Namboodiripad, 26.10.1962, CWIHP, Digital Archive, Collection: Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018). 792 Resolution Nationalrat CPI, 1.11.1962, zit. in MfAA, Abteilung Information, Information Nr. 67/XI, 9.11.1962, SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2J, Nr. 900. 793 Vgl. ebd.; Protokoll Gespräch Chruščev mit T. N. Kaul, 24.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru. 794 Vgl. T. T. Krishnamachari an Nehru, 30.10.1962, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru; Memorandum stellv. Special Assistant for National Security Affairs, Kaysen, für Kennedy, 3.11.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 190. 795 Vgl. Baliga an Filialen und Mitglieder Nationalrat, 3.11.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 164, ll. 72 f.; ToI, 7.11.1962, ebd., l. 71.

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Namboodiripad warnte die sowjetischen Vertreter davor, dass die Haltung der UdSSR nicht ohne Folgen auch für die zwischenstaatlichen Beziehungen bleiben könnte. Das CPI-Sekretariat befürchte, meldete Benediktov nach Moskau, dass die indische Regierung angesichts der sowjetischen und neutralen Reaktionen »zu dem Schluss kommen kann, dass nur westliche Länder unsere wahren Freunde seien.«796 Die indische Regierung mühte sich dieser Tage tatsächlich um Hilfe von allen Seiten. Ihre Bitten um Waffenhilfe fanden in den USA und Großbritannien Gehör.797 Die vorzeitige Lieferung sowjetischer Kampfflugzeuge erwartete in Delhi sicherlich niemand. Die indische Führung warb indes auch während dieser ersten Konfliktphase um Moskaus diplomatische Unterstützung. Von ihr erhoffte man sich mäßigenden oder abschreckenden Einfluss auf Peking. Zu diesem Zweck stimmte die indische Diplomatie ihre Argumentationen zumindest verbal auf das grundsätzliche sowjetisch-chinesische Zerwürfnis ab. Die Chinesen »lehnen die friedliche Koexistenz ab«, bohrte der neue Botschafter Indiens in Moskau, Kaul, in den Wunden sowjetischer Außenpolitik.798 Ähnlich mahnte Nehru, von Chinas angeblichem »Betrug« tief getroffen, die sowjetische Unterstützung in einer »Frage der friedlichen Koexistenz von Staaten mit unterschiedlichen Sozialordnungen« an.799 Im indisch-chinesischen Konflikt selbst konnte es für die indische Politik, auch das ließ man Moskau wissen, erst dann Verhandlungen geben, wenn sich »die Armee des Aggressors« hinter die Kontrolllinien vom 8. September 1962 zurückgezogen hätte.800 Es muss aufgrund der ungenügenden Aktenlage dahingestellt bleiben, welches Gewicht verschiedenen Überlegungen sowjetischer respektive indischer Asien- und Globalpolitik bei der folgenden sowjetischen Positionsänderung 796 Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Namboodiripad, 26.10.1962, CWIHP, Digital Archive, Collection: Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018). 797 Mit den USA schloss Indien am 14.11.1962 ein formelles Abkommen, mit Großbritannien am 27.11.1962, vgl. Nehru an Kennedy, 26.10.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 182; Kennedy an Nehru, 28.10.1962, ebd., Nr. 187; Nehru an Macmillan, 11.12.1962, NAK, PREM 11/3839; Hoffmann, India, S. 199; McGarr, The cold war, S. 157–161; Madan, With an eye, S. 304–310. 798 Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit T. N. Kaul, 24.10.1962, AVP-Kopie in NSA. Vgl. Kaul, Diplomacy, S. 117 f.; Tagebucheintrag Benediktov zu Gespräch mit R. K. Nehru, 2.11.1962, CWIHP, Digital Archive, http://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/113003 (letzter Zugriff: 12.4.2018); Aufzeichnung Benediktov zu Gespräch mit Premier Nehru, 12.12.1962, ebd. 799 Nehru an Chruščev, 27.10. und 5.11.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 11, ll. 61 ff., 67 ff. 800 Nehru an Chruščev, 5.11.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 11, ll. 67 ff. Vgl. Aufzeichnung Gespräch Puškin mit T. N. Kaul, 13.11.1962, AVP-Kopie in NSA.

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zukam: Die indische offizielle Überzeugungsarbeit oder Warnungen indischer Linker vor einem (weiteren) Rechtsruck im Land haben sicherlich eine Rolle gespielt. Bedeutsam waren zudem sowjetische Bemühungen, friedliche Lösungen in Südasien als indirekte Rechtfertigung der eigenen Beilegung der Kubakrise gegen chinesische Kritik zu fördern, weitergehende Einflussmöglichkeiten der USA und Großbritanniens in Südasien abzuwehren und in einem Krisenherd, der das Potential zur Ausweitung hatte, deeskalierend zu wirken. Insgesamt kam dem chinesischen Faktor in den sowjetischen Erwägungen unzweifelhaft hohe Bedeutung zu. Angesichts der weiterhin kritischen Haltung Pekings gegenüber der Moskauer Politik und Ideologie bewertete man im Kreml die Gesamtkonstellation neu. Nach Ende des Kuba-Abenteuers fand man offenbar keine Gründe mehr dafür, durch eine prochinesische Politik im Grenzkonflikt die indische Regierung noch weiter zu verärgern oder gar ihre globalpolitische Neutralität zu gefährden.801 So publizierte die Pravda am 5. November 1962 ein zweites Editorial zum Grenzkrieg. Es band die genannten Argumentationspunkte zusammen, um nun beide Seiten in die Friedenspflicht zu nehmen. Kriegstreiberei sei einem sozialistischen Staat wesensfremd, postulierte das Blatt, und bringe auch für Indien nur wirtschaftliche, gesellschafts- und außenpolitische Nachteile. »Eine Ausweitung der militärischen Handlungen an der indisch-chinesischen Grenze kann nur dem imperialistischen Lager, den Kräften der Weltreaktion nützlich sein«, so die Pravda weiter. Das Moskauer Sprachrohr forderte eine Feuereinstellung und baldige Verhandlungen.802 Damit zog sich die UdSSR wieder auf eine neutralere Position zurück, die es Moskau erlauben sollte, durch Passivität die eigenen Beziehungen zu Peking und Delhi nicht weiter zu belasten. Eine Vermittlerrolle brächte die UdSSR nur in eine Zwickmühle, erklärte der stellvertretende Außenminister Puškin im Gespräch mit Botschafter Kaul. »[D]ann müsste sie eine Position einnehmen, die möglicherweise weder der einen noch der anderen Seite gefiele«.803 Allerdings gefiel auch Moskaus unverbindliche Neutralität weder China noch Indien. Peking wollte offenkundig mehr von Moskau, als die Pravda am 25. Oktober geliefert

801 Vgl. T. N. Kaul an Nehru, 16.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; Aufzeichnung Gespräch Benediktov mit Nehru, 12.12.1962, CWIHP, Digital Archiv, http://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/110019 (letzter Zugriff: 12.4.2018). 802 Pravda, 5.11.1962, S. 1, Peregovory – put’ k uregulirovaniju konflikta. 803 Aufzeichnung Gespräch Puškin mit T. N. Kaul, 13.11.1962, AVP-Kopie in NSA.

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hatte. Möglicherweise versuchte China, mit einer neuerlichen Verschärfung der Frontsituation die UdSSR zu einer klaren Aussage zu zwingen.804 Auf jeden Fall flammten, als Delhi das chinesische Angebot vom 24. Oktober offiziell abgelehnt hatte, am 14. November die Kämpfe wieder auf. Innerhalb weniger Tage brach die indische Front in NEFA zusammen. Ungeachtet dessen verkündete die chinesische Seite am 21. November eine Feuereinstellung. Zugleich versprach China, ab dem 1. Dezember die eigenen Truppen auf Standorte zurückzuziehen, die 20 Kilometer von der McMahon-Linie bzw. von den aktuellen Positionen im Westen entfernt lagen.805 Es ist ungeklärt, ob die Aussicht auf substantielle Waffenlieferungen aus den USA und Großbritannien an Indien für den chinesischen Rückzug mit ausschlaggebend waren. Angesichts der beschriebenen chinesischen Haltung ist dies keinesfalls sicher.806 Der Grenzkrieg kostete die indische Armee nach eigenen Angaben 2616 Menschenleben. Darüber hinaus meldete Peking 3895 Kriegsgefangene.807 In Delhi suchte die politische Führung Ende 1962 die Gründe für den verheerenden Kriegsverlauf in sekundären Aspekten und Oberflächlichkeiten, auch, um sich grundlegenden Debatten über die Rüstungs-, Außen- und Kaderpolitik der Vergangenheit zu entziehen.808 Intern gingen indische Experten in der Ursachensuche weiter und bewerteten die indische Chinapolitik mit ihren Eskalierungen als »ein politisches Lotteriespiel ohne adäquate militärische Mittel«.809 Es hatte den indischen Truppen demnach an Bewaffnung und Ausrüstung, an Erfahrung im Gebirgskrieg sowie an Nachschub und Ersatz gemangelt. Darüber hinaus hatten den indischen Truppen der offiziellen Untersuchung zufolge

804 Vgl. Director of Intelligence and Bureau, Hilsman, an Rusk, 17.11.1962, DDRS, Dokument Nr. CK3100373873, hier S. 14; Protokoll Gespräch Zhou Enlai mit mongolischem Parteichef Zėdėnbal, 26.12.1962, CWIPH, Digital Archive, http://digitalarchive.wilsoncenter.org/document/112072 (letzter Zugriff: 12.4.2018); MacFarquhar, The origins 3, S. 310–312. 805 Vgl. Verlautbarung chinesische Regierung, 21.11.1962, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 673–678; Hoffmann, India, S. 213, 224 f. 806 Vgl. Chruščev auf Sitzung ZK-Präsidium, 3.12.1962: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 408 f., hier S. 408; Chruščev vor Obersten Sowjet, 12.12.1962, in: Pravda, 13.12.1962, hier S. 4; CIA, POLO XVI, The Sino-Indian Border Dispute, Section III: 1961–62, 5.4.1964, S. 62 f., https://www. cia.gov/library/readingroom/doc/polo-09.pdf (letzter Zugriff: 25.4.2018). 807 Vgl. Sinha/Athale, History, S. 377 f. 808 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 21.12.1962, NMML, V. L. Pandit Papers I, Correspondence with J. Nehru. 809 Sinha/Athale, History S. 417.

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gegenüber dem auch zahlenmäßig überlegenen Gegner ein klares Ziel, Moral und eine kompetente Führung gefehlt.810 Diesem Befund entsprach, dass in Delhi relevante politische und militärische Führungspersönlichkeiten panisch auf die neuen chinesischen Attacken reagiert hatten. Nehru hatte nahezu ohne jede weitere Beratung Washington und London buchstäblich um Militärhilfe angefleht.811 Dabei hatten ihm nicht nur massive Sofortlieferungen von Kampfflugzeugen und Radaranlagen vorgeschwebt. Solange indische Soldaten an den Geräten ausgebildet würden, sollten seiner Vorstellung nach amerikanische Kameraden Einsätze fliegen und Radareinrichtungen bemannen. Die indische Wunschliste schloß auch zwei Bomber-Staffeln (B-47) ein, um im Befreiungskampf gegen die chinesischen Besatzer »früher oder später« chinesische Basen und Flugplätze bombardieren zu können. Er begründete die Erwartung umfangreicher Militärhilfe mit dem gemeinsamen Kampf gegen »den chinesischen expansionistischen und aggressiven Militarismus«.812 Dennoch wollte sich das offizielle Indien mit dem flammenden Appell nicht in einen globalen antikommunistischen Abwehrkampf amerikanischer Prägung einreihen und die Bitte nicht als Absage an die indische Blockfreiheit verstanden wissen. Auch von daher nahm Delhi die sowjetische abwartende Haltung zunehmend kritisch wahr. »Warum tritt die Sowjetunion nicht zur Verteidigung des Opfers der Aggression auf«, wunderte sich Botschafter Kaul in Moskau und mahnte die ausgesetzten Flugzeuglieferungen an.813 Im MEA und im indischen Kabinett malten ranghohe Konservative wie Desai die sowjetische Position noch düsterer.814 Das Minimalziel aktueller indischer Politik, auf das sich blockfreie und probritisch-amerikanisch orientierte Köpfe einigen konnten, bestand in diesen Tagen darin, sich zumindest die Neutralität der UdSSR zu

810 Vgl. Sinha/Athale, History S. 377 f., 417, 425 f.; Krishnan, Chavan, S. 74 f., 102 f.; Hoffmann, India, S. 101 f., 119 f., 130–136, 219–222, 247–256; Pradhan, Debacle, S. 132–181; Raghavan, War, S. 271–280. 811 US-Botschaft Delhi an State Department, 19.11.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 203. Vgl. McGarr, The cold war, S. 167–172. 812 Nehru an Kennedy, 19.11.1962, zit. nach Kopie für Macmillan, 20.11.1962, NAK, PREM 11/3839. Vgl. Hoffmann, India, S. 206–209. 813 Aufzeichnung Gespräch Puškin mit T. N. Kaul, 13.11.1962, AVP-Kopie in NSA. 814 Vgl. M. J. Desai an T. N. Kaul, 24.12.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; T. T. Krishnamachari an Nehru, 16.12.1962, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru; Pradhan, Debacle, S. 39 f.

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erhalten und damit China im sozialistischen Lager weitgehend zu isolieren.815 Daher konnte Nehru der Idee, dass sich die UN mit dem Grenzproblem befassen sollte, nichts abgewinnen. Diskussionen in diesem Gremium hätten seiner Überzeugung nach die sowjetische Diplomatie nur zum Schulterschluss mit Peking gezwungen.816 Gegenüber der chinesischen Verlautbarung zur Einstellung der Kämpfe gab sich das offizielle Delhi zurückhaltend. Die indische Regierung tat sich extrem schwer damit, Peking den aufrichtigen Wunsch nach einer dauerhaften Verhandlungslösung abzunehmen.817 Zudem blieb für die indische Regierung der chinesische Rückzug auf die Positionen vom 8. September 1962 eine conditio sine qua non: Ein »ehrenvoller« Friede war, auch mit Blick auf die öffentliche Meinung, die nationalbewusste Forderung der indischen Außenpolitik.818 Zugleich rüstete das Land weiter auf, um mittel- und langfristig die eigene Position im Grenzstreit mit China zu stärken. Hierbei kam dann im indischen Kalkül die sowjetische Unterstützung wieder ins Spiel.819 In der zweiten Runde des indisch-chinesischen Waffengangs hatten sich in Moskau Befürchtungen, dass sich die indische Politik unter akutem Druck tatsächlich von der Idee der Blockfreiheit abwenden und in amerikanisches Fahrwasser geraten könnte, noch gesteigert.820 Dieses Szenario blieb in Moskauer Augen nach der Feuerpause durchaus realistisch, zumal die Stimmung in Indien selbst tatsächlich nur noch wenig guten Willen gegenüber der UdSSR 815 Vgl. T. N. Kaul an Nehru, 16.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; M. J. Desai an T. N. Kaul, 24.12.1962, ebd.; Vermerk über Gespräch Macmillan mit Chagla, 20.11.1962, NAK, PREM 11/ 3839; Galbraith an Kennedy, 13.11.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 196. 816 Vgl. Gore-Booth an CRO, 23.11.1962, NAK, PREM 11/3839; Aufzeichnung Gespräch Malik mit T. N. Kaul, 23.11.1962, AVP-Kopie in NSA. 817 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Benediktov, 12.12.1962, CWIHP, Digital Archive, Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018); Nehru an Chief Ministers, 21.12.1962, NMML, V. L. Pandit Papers I, Correspondence with J. Nehru. 818 Protokoll Gespräch Chruščev mit T. N. Kaul, 24.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru. 819 Vgl. T. T. Krishnamachari an Nehru, 16.12.1962, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru; Nehru an Chief Ministers, 21.12.1962 und 14.4.1963, NMML, V. L. Pandit Papers I, Correspondence with Nehru, sowie in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 583–591, hier S. 585 f.; Aufzeichnung Gespräch Kennedy mit T. T. Krishnamachari, 20.5.1963, FRUS 1961–1963 XIX, Nr. 300; Vermerk über Gespräch Minister of Defence, Thorneycroft, mit T. T. Krishnamachari am 30.5.1963, 4.6.1963, NAK, PREM 11/4302; Aufzeichnung Gespräch Macmillan mit T. T. Krishnamachari, 30.5.1963. 820 Vgl. T. N. Kaul, an Nehru, 16.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; Galbraith an Kennedy, 13.11.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 196.

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erkennen ließ. Botschafter Kaul spielte in Moskauer Gesprächen gekonnt auf dieser Klaviatur.821 Auch das CPI-Sekretariat schrieb am 20. November 1962 in seltener Einmütigkeit einen Brief an die Bruderparteien, in der es sich darüber empörte, dass sie zum Teil die Situation »nicht richtig verstanden« hätten. In grellen Farben zeichnete die CPI die Gefahren an die Wand, die unter anderem das »unkameradschaftliche« Verhalten der Pekinger Partei gegenüber der CPI für die innerindische Entwicklung mit sich brachten. Insgesamt stellten sich die CPI-Gremien auf die Seite der Nehru-Regierung.822 Derweil versuchten verschiedene linke Persönlichkeiten Indiens, ihre Verbindungen nach Moskau und Peking zu nutzen, um Verhandlungschancen auszuloten.823 In Moskau selbst machte man sich jedoch wohl kaum Hoffnungen, entsprechenden Einfluss auf Peking ausüben zu können.824 Folgt man den sowjetischen Diskussionen von November und Dezember 1962, so ging es Chruščev in Nachbereitung der missglückten Kubaoffensive und in Auseinandersetzung mit chinesischen Positionen in Südasien vor allem darum, das Banner des Systemwettbewerbs auf friedlichem Wege hoch zu halten. In diesem Sinne attackierte er etwa auf dem ZK-Plenum am 23. November 1962 mit aller Schärfe die chinesische Politik im Allgemeinen und die chinesische Indienpolitik im Besonderen. »Genossen, warum einen Krieg mit Indien beginnen? Wer braucht das? Warum Blut vergießen? […]. Das ist ein schändlicher Krieg. Und es ist schlecht, dass ihn Kommunisten führen. […]. Wer hat als Erster geschossen? Das ist immer schwierig zu bestimmen«, bilanzierte der Erste Sekretär. »Aber wer Krieg führt, das ist offensichtlich. Daher heißen wir diesen Krieg nicht gut. (Stürmischer Applaus). Außer Leid gibt er nichts.«825 Dies war kein leeres Gerede. Chruščev drängte auch in Delhi weiterhin auf eine friedliche, endgültige Beilegung des Konflikts. Jede Verhandlungsrunde sei besser als ein Krieg, bügelte Chruščev am 24. November 1962 »ein wenig 821 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Malik mit T. N. Kaul, 23.11.1962, AVP-Kopie in NSA; Kaul, Stalin, S. 45 f. 822 CPI an Bruderparteien, 20.11.1962, in: Basu (Hg.), Documents 9, S. 198–216, Zitat S. 198. Vgl. Resolution CEC CPI, angenommen auf Sitzung 29.11.–1.12.1962, in: ebd., S. 217–222; Aufzeichnung Gespräch Dange mit Ulbricht, 14.12.1962, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 317, Bl. 318–320. 823 Vgl. Stellv. Hauptsekretär sowjetisches Komitee für Verteidigung des Friedens, Bykov, an Leiter Abt. Internationale Beziehungen Oberster Sowjet, Vysotin, 17.12.1962, GARF, f. 7523, op. 78, d. 2015, ll. 48–52. 824 Vgl. Chruščev auf Sitzung ZK-Präsidium, 3.12.1962, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 408 f., hier S. 408. 825 Chruščev vor ZK-Plenum, 23.11.1962, RGANI, f. 2, op. 1, d. 623, hier ll. 101 f. Vgl. Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 228–236.

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erregt« Erläuterungen des indischen Botschafters über territoriale Ansprüche ab.826 Bezüglich der konkreten territorialen Streitpunkte hielt Moskau daran fest, dass hier nichts auf dem Spiel stand, das lohne, Grundprinzipien indischer oder internationalistischer Beziehungen zu verletzen. »Es ist auf diesen Höhen so kalt«, fand Chruščev im Gespräch mit Botschafter Kaul gewohnt drastische Bilder, »dass man nicht einmal auf Toilette gehen kann«.827 Ansonsten gab sich die sowjetische Führung alle Mühe, damit Indien über die Grenzdiskussionen nicht das Vertrauen in die sowjetisch-indischen Verbindungen oder die sowjetische Globalpolitik überhaupt verlor und sowjetische Langzeitstrategien zur sozialistischen Umformung Indiens und der Welt gefährdet würden. Mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtete der Kreml, inwieweit der Grenzkrieg negative Folgen für die indische innere Entwicklung zeitigte. Chruščev warnte in diesem Zusammenhang die Regierung in Delhi vor den Gefahren einer weitergehenden Militarisierung der Wirtschaft zu Lasten der Entwicklungspolitik und damit zugleich vor zu großer Abhängigkeit Delhis von kapitalistischen Lieferanten. Letztlich hätten Indien wie China andere Feinde, erläuterte der Erste Sekretär Kaul. Reaktionäre Kräfte wollten den Konflikt in die Länge ziehen und chauvinistische Stimmungen anheizen, um Indiens innenund außenpolitische Linie zu ändern, so die Lesart des Kreml-Oberen. Wie zufällig erkundigte sich Chruščev in diesem Zusammenhang nach den zahlreichen Festnahmen von CPI-Mitgliedern. T. N. Kaul konterte trocken: »Das sind alles Stalinisten!«828 Dem indischen Protokoll nach soll »Herr Chruščev« hierüber »laut gelacht haben«.829 Die Pravda verurteilte wenige Tage später allerdings deutlich die Verfolgung der CPI, und Chruščev selbst kritisierte öffentlich die Verhaftungswellen.830 Nehru wiederum verbat sich im Gespräch mit Botschafter Benediktov 826 Protokoll Gespräch Chruščev mit T. N. Kaul, 24.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru. Vgl. Protokoll Gespräch T. N. Kaul mit Malinovskij, 15.12.1962, ebd., 15. 827 Protokoll Gespräch Chruščev mit T. N. Kaul, 24.11.1962, NMML, T. N. Kaul, Correspondence with Nehru. Den Austausch – mit drastischerer Ausdrucksweise Chruščevs – schreibt Kaul in seinen Memoiren einem Gespräch am 9.11.1962 zu, für das kein Gesprächsprotokoll vorliegt, vgl. Kaul an Nehru, 16.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; Kaul, A diplomat’s diary, S. 77 f. 828 Protokoll Gespräch Chruščev mit T. N. Kaul, 24.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru. 829 Ebd. 830 Vgl. Pravda, 30.11.1962, S.  5, Mirovaja obščestvennost’ osuždaet repressii protiv Kommunističeskoj Partii Indii; Chruščev vor Obersten Sowjet, 12.12.1962, in: Pravda, 13.12.1962, hier S. 4. Bis Februar 1963 wurden der CPI zufolge über 800 Parteimitglieder

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jede Einmischung Moskaus in die inneren Angelegenheiten Indiens, zumal die Regierungspolitik sich nicht nur gegen linksradikale, sondern auch gegen rechtsreaktionäre Kräfte im Land verteidige.831 Nichtsdestotrotz musste der Premier noch Wochen später die indischen Landeschefs darauf hinweisen, dass pauschale Massenverfolgungen von Kommunisten in keiner Weise gerechtfertigt waren.832 Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Moskauer Beobachter über die indische Lage beunruhigt blieben.833 Es stand außer Zweifel, dass, würde der indisch-chinesische Konflikt nicht bald gelöst, für das sozialistische Lager und die innere Entwicklung in Indien schwerwiegende Hypotheken bestehen blieben. Im gegebenen Moment schien es der sowjetischen Führung, die Mittel sowohl gegen amerikanische Positionsgewinne als auch gegen chinesische Abirrungen finden musste, an der Zeit, die eigene Militärhilfe an Indien wiederaufzunehmen. Die daraus resultierende zusätzliche Verärgerung Pekings nahm man in der gegebenen Lage in Kauf. Offenbar entschieden der Kreml-Chef und seine engsten Berater hinsichtlich der MiG-Lieferungen recht kurzfristig. Am 23. November flüchtete sich der stellvertretende Außenminister Malik Botschafter Kaul gegenüber noch in Unverbindlichkeiten. Doch bereits einen Tag später informierte Chruščev Kaul, dass, so die offizielle Version, nach dem Ende der Kubakrise die ersten Lieferungen der MiG-21 noch im Dezember zu erwarten waren.834 Dazu kamen weitere Transporter AN-12 sowie sechs neue Helikopter Mi-4, beides Typen, die ihre antichinesische Nützlichkeit im Grenzkrieg bewiesen hatten.835 Am 5. Dezember 1962 wurde dem MEA die unmittelverhaftet, vgl. Resolution CPI-Nationalrat auf Tagung 5.–12.2.1963, in: Basu (Hg.), Documents 9, S. 284–296, hier S. 292; ZK-Abteilung SED Außenpolitik und Internationale Verbindungen, 13.12.1962, SAPMO-BArch, DY 30/IV 2/20, Nr. 33, Bl. 151–157, hier Bl. 156 f. 831 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Benediktov, 12.12.1962, CWIHP, Digital Archive, Cold War in Asia, http://www.wilsoncenter.org/digital-archive (letzter Zugriff: 12.4.2018). 832 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 1.1.1963, in: Parthasarathi (Hg). Jawaharlal Nehru 5, S. 559– 564. 833 Vgl Aufzeichnung Gespräch T. N. Kaul mit Malinovskij, 15.12.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; Vermerk DDR-Handelsvertretung Delhi, Vesper, über Gespräch mit erstem Sekretär sowjetische Botschaft, 13.12.1962, PA AA, MfAA, A. 13978, Bl. 284 f.; Bykov an Leiter Abt. Internationale Beziehungen Oberster Sowjet, Vysotin, 17.12.1962, GARF, f. 7523, op. 78, d. 2015, ll. 48–52. 834 Vgl. Protokoll Gespräch Chruščev mit T. N. Kaul, 24.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru; Aufzeichnung Gespräch Malik mit T. N. Kaul, 23.11.1962, AVP-Kopie in NSA. 835 Vgl. ebd.; Sinha/Athale, History, S. 349 f., 355, 364; Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 576 mit Anm. 6 (S. 1105). Indische Bitten um neuere Hubschrauber-Modelle beschied Ma­ linovskij mit Hinweisen auf die lange Entwicklungs- und Erprobungsphase abschlägig, vgl. Protokoll Gespräch T. N. Kaul mit Malinovskij, 15.12.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15.

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bar anstehende Lieferung der ersten sechs Flieger angekündigt, am 10. Januar 1963 meldete das Staatskommittee für Luftfahrttechnik Vollzug.836 In Indien reagierten selbst Konservative erfreut, da das Land in seinen Rüstungsanstrengungen jenseits aller blockfreien Überlegungen von der politisch und technisch verbreiterten Angebotspalette nur profitieren konnte.837 Ob sich dagegen britische Regierungskreise von der Außendarstellung des MEA beruhigen ließen, wonach die Lieferungen vornehmlich symbolischen und politischen Wert hätten, scheint zweifelhaft.838 Immerhin war es gerade die politische Mehrfachfunktionalität mit antiamerikanischer Stoßrichtung, die Moskau zum Handeln motiviert hatte. »Die Lieferung von einigen Rüstungsgütern zur Verteidigung an Indien konnten das Kräfteverhältnis zwischen der KNR und Indien nicht ändern«, resümierte der Kreml noch Jahre später, »aber sie haben zu einem gewissen Grad Indiens Annäherung an den imperialistischen Block unter Führung der USA verhindert. […]. Unsere Ablehnung hätte Indien in seinen Beziehungen mit dem Westen und vor allem mit den Vereinigten Staaten noch weitergebracht«.839 Weiter konnte sich die sowjetische Indienpolitik, die den indischen Wandel durch Entgegenkommen zu forcieren suchte, von den Ansichten Pekings, das Veränderungen in Indien mittels Druck erzwingen wollte, kaum noch entfernen. 4.3.5. 1963 bis 1964/65: Schadensbegrenzung und Neuaufnahmen Die sowjetische Führung lag Ende 1962 mit ihrer Annahme, dass die USA und Großbritannien beabsichtigten, die Gelegenheit für eigene Zwecke zu nutzen, richtig. Dabei gingen die kapitalistischen Metropolen davon aus, dass, um den Subkontinent sowohl gegen die chinesisch-kommunistische Gefahr als auch gegen die sowjetisch-kommunistische Position in Stellung bringen zu können, die Kooperation, mehr noch, die Versöhnung Indiens mit Pakistan unabdingbar war.840 836 Vgl. Leiter 5. Abt. GKAT, Chochlov, an Leiter GIU GKĖS, Sergejčik, 10.1.1963, RGAĖ, f. 298, op. 1, d. 3828, l. 6.; Boquérat, No strings, S. 325 f. 837 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 25. und 26.11.1962, NAK, PREM 11/3839 und 4307. 838 Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 5. und 28.12.1962, NAK, PREM 11/4307. 839 Beschluss ZK-Präsidium, 28.1.1965, in: Prozumenščikov (Hg.), Spor, Teil 2, S. 14–21, hier S. 19 f. 840 Vgl. Kaysen an Kennedy, 16.11.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 198; Protokoll Treffen Kennedy und Macmillan, 20.12.1962, NAK, PREM 11/3839; McMahon, The cold war, S. 286–304; Crawford, Kennedy; Madan, With an eye, S. 314–345.

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Das indisch-pakistanische Verhältnis hatte sich indes keineswegs entspannt. Versuche der USA, über die Weltbank oder den Sicherheitsrat in der Kashmirfrage weiter zu kommen, waren bis Sommer 1962 gescheitert. Sie hatten in Delhi nur Verärgerung ausgelöst und der UdSSR die Chance gegeben, sich in den UN erneut als unverbrüchlicher Freund Indiens zu präsentieren.841 Im Unterschied zu den USA hatte Moskau in dieser Periode gegenüber Indien und Pakistan weiterhin klare Prioritäten gesetzt. Gegenüber Ansätzen der pakistanischen Außenpolitik, zu einer »Äquidistanz« zwischen den Supermächten zu kommen, verhielt sich die sowjetische Diplomatie zurückhaltend, um die eigenen Beziehungen zu Indien (und Afghanistan) »nicht zu belasten«.842 Während des chinesisch-indischen Kriegs konnte sich Präsident Ayub Khan nur dazu durchringen, seinem Hauptsponsor USA das pakistanische Stillhalten zuzusichern.843 Insgesamt stellten sich Washington und London die äußerst schwierige Aufgabe, zwei Staaten, die gegeneinander und gegenüber den potentiellen Vermittlern tiefes Misstrauen hegten, unter dem Dach eines global- und regionalpolitischen antikommunistischen Gesamtprogramms zueinander zu bringen, welches nur sehr bedingt mit dem indischen oder dem pakistanischen nationalen Projekt harmonierte.844 Die Feuereinstellung an der chinesisch-indischen Front läutete so auch in der Wahrnehmung der USA eine neue Runde im sowjetisch-amerikanischen 841 Vgl. sowjetischer UN-Vertreter vor SC, 21. und 22.6.1962, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 236–247; Memorandum Assistant SoS for International Organization Affairs, Cleveland, an Talbot, 22.6.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 144; Galbraith an State Department, 23.2.1962, ebd., Dokument Nr. 104; Editorial Note, ebd., Dokument Nr. 145; Aufzeichnung Gespräch Kennedy mit indischem Botschafter B. K. Nehru, 28.2.1962, ebd., Dokument Nr. 105; V. L. Pandit an T. N. Kaul, 8.2.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with V. L. Pandit; Komer an Kennedy, 30.1.1962, RSC, Kennedy Office Files, Part 5, Reel 11; Rechenschaftsbericht über Buch- und Fotoausstellung sowie Filmfestival, Srinagar, 9.–12.6.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 163, ll. 52 ff. 842 Vermerk Wünsche über Gespräch mit Šped’ko am 7.3.1962, 8.3.1962, PA AA, MfAA, A. 160, Bl. 353–357, hier Bl. 357; Ram, Soviet policy, S. 110–116, 172–177; Muhamad, The United States, S. 232 f. 843 Vgl. Special Assistant to Vice-President, Burris, an Johnson, 31.10.1962, DDRS, Dokument Nr. CK3100408934; Erklärung Ayub Khan, 5.11.1962, in: Jain (Hg.), China South Asian relations 2, S. 28 f. 844 Vgl. u. a. britisches Hochkommissariat Karachi an CRO, 28.6.1962, NAK, DO 196/71; CRO, Vermerk über Pakistan, 27.3.1962, ebd.; CRO, Leiterin Südasien-Abt., Emery, an Hochkommissariat Karachi, Newsam, 2.5.1962, ebd.; Bhutto auf Sitzung CENTO-Außenminister, New York, 26.9.1963, NAK, PREM 11/4922; Zirkular FO zur 10. Sitzung CENTO-Ministerrat, 1.5.1962, ebd.; britische Hochkommissariate Delhi und Karachi an CRO, 26.3.1962, ebd.; Nehru an Chief Ministers, 10.7. und 3.9.1962, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharhal Nehru 5, S. 500 ff., 514 ff.; Galbraith an Kennedy, 7.5.1962, RSC, Kennedy Office Files, Part 1, Reel 3.

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Wettstreit um Indien ein. »Unterstützung zur Luftverteidigung ist unsere wichtigste Karte«, gab sich Präsident Kennedy nach den Nassauer Gesprächen mit Macmillan Ende Dezember 1962 optimistisch. Sie würde, so der US-Präsident weiter, »helfen, die Inder zu überzeugen«, eine Lösung des Kashmirproblems zu erreichen.845 Derartige Ansätze unterschätzten nach wie vor die Tiefe der pakistanisch-indischen Gegensätze, sie überschätzten die Chancen, dass Delhi und Karachi von ihren inkompatiblen Maximalforderungen in der Kashmirfrage abgehen würden, und sie vernachlässigten immer noch die Verbindlichkeit nationaler Gesamtprogramme für beide Staaten. So wollte Nehru nach seinen Panikattacken schnell nichts mehr von einer gemeinsamen indisch-amerikanischen Verteidigungspolitik wissen, die etwa durch US-Stützpunkte in Indien einen »Luftschirm« garantiert, zugleich aber die indische Blockfreiheit endgültig rettungslos kompromittiert hätte, mit allen asien-, global- und friedenspolitischen Implikationen.846 Zudem waren sich beide südasiatische Staaten wohl bewusst, dass ihnen auf internationalem Parkett auch andere als die von den USA und Großbritannien propagierten Konstellationen und Optionen offenstanden.847 Gerade Pakistan, dem die bestehenden Bündnissysteme SEATO und CENTO nach eigener Auffassung weder in der Kashmirfrage noch in der Entwicklungspolitik ausreichenden Nutzen boten, eröffneten sich durch den indisch-chinesischen Konflikt neue internationale Handlungsoptionen. Die amerikanisch-britischen Pläne in Südasien hatten daher keine realistische Chance. Bereits Anfang Februar 1963 war die sowjetische Botschaft in Pakistan wohl auch aufgrund geheimdienstlicher Informationen überzeugt, dass die Kashmirfrage und die amerikanisch-pakistanische Waffenbrüderschaft jede substantielle pakistanisch-indische Annäherung und damit gemeinsame Verteidigungsstrukturen auf dem Subkontinent unmöglich machten. Diese Einschätzung der laufenden indisch-pakistanischen Verhandlungsrunden war

845 Aufzeichnung Gespräch Kennedy mit Macmillan, 20.12.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 231. Vom 3.–14.11.1962 hatte die USA Material im Wert von 7 Millionen USD bereitgestellt, danach Material für 12,4 Millionen USD. Dazu kamen weitere Ausrüstungshilfen für 2,6 Millionen USD sowie Maßnahmen wie die Leihgabe von C-130 Fliegern, vgl. Komer an Kennedy, 12.1.1963, ebd., Dokument Nr. 238. 846 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 2. und 18.2.1963, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 565–576, hier S. 571, 577–582; McGarr, The cold war, S. 171–182, 228–241. 847 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Kennedy mit B. K. Nehru, 17.12.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 227; britischer Hochkommissar Karachi, James, an CRO, 19., 20. und 21.11.1962, NAK, PREM 11/3839; Nehru an Ayub Khan, 12.11.1962, ebd.; Vermerk Gore-Booth über Gespräche in Pakistan, 28.11.1962, NAK, DO 196/71.

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weitgehend korrekt.848 Bis zum Frühsommer 1963 zeigte sich, dass hinsichtlich Kashmirs Ideen über eine Teilung oder Internationalisierung der Kernregion von Delhi abgelehnt wurden.849 Dazu kamen unvereinbare Bedrohungsvorstellungen: Was Indien als Aufrüstung gegen China anstrebte, verstärkte in Karachi Befürchtungen, vom großen Nachbarn absorbiert zu werden.850 Dagegen wollte die indische Hauptstadt in der umtriebigen Chinapolitik Pakistans, die sich so trefflich in Karachis »Äquidistanz« respektive seinen »Bilateralismus« einfügte, nur ein auf Dauer angelegtes antiindisches Bündnis erkennen, das Pakistan zu weiteren Aggressionen ermuntern würde.851 Zudem reagierte Indien äußerst sensibel auf alle Anzeichen von Druck durch Mächte außerhalb der Region. Umfangreichere Militärhilfen, die Washington mit britischer Unterstützung Delhi zukommen ließ, waren zwar willkommen, minderten aber das indische Misstrauen nicht merklich.852 Delhis außenpolitische Sensibilität wurde durch die anhaltenden Spannungen mit Peking gesteigert. Indien war nicht nur wegen der chinesischen Intransigenz in der Grenzfrage wachsam, sondern auch durch aktuelle Unruhen etwa im Nagaland oder in Bhutan aufgestört. Hinter denen vermuteten nicht nur konservative Köpfe Pekinger Machenschaften. Darüber hinaus kursierten Gerüchte über chinesische Ideen, weitere indische Bundesstaaten zur Sezession aufzusta-

848 Vgl. zweiter Sekretär sowjetische Botschaft Karachi, Vorozcov, an Puškin, 10.2.1963, AVP, f. 117, op. 17, papka 31, d. 15, ll. 5 ff.; MID, Annotation zu Zirkular pakistanisches MEA an pakistanische Botschaften, [März 1963], AVP, f. 117, op. 17, papka 31, d. 16, ll. 18 ff. 849 Nehru an Chief Ministers, 21.5.1963, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 592–602, hier S. 598. 850 Vgl. Vors. US-Policy Planning Council, W.  Rostow, an Kennedy, 8.4.1963, RSC, Kennedy Office Files 3, Reel 24; britisches Hochkommissariat Karachi an CRO, 22.3.1963, NAK, PREM 11/4306; McGarr, The cold war, S. 182–186, 192–215. 851 Vgl. Nehru an Kennedy, 11.8. und 11.11.1963, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 317 sowie DDRS, Dokument Nr. CK3100114246; Nehru an Chief Ministers, 21.5.1963, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 592–602, hier S. 595–599. Zur pakistanischen Politik vgl. Burke/ Ziring, Pakistan’s foreign policy, S. 279–301; Gauhar, Ayub Khan, S. 123–143; Muhamad, The United States, S. 249–263; Kux, The United States, S. 135–150; Singh, Sino-Pakistan relations, S. 80 f., 115–125. China bezog ab Anfang 1964 in der Kashmirfrage öffentlich Stellung pro Karachi, vgl. Tang, Beyond India, S. 10 f.; Garver, China’s Kashmir policies, S. 2 f., 7 f., 15 f. 852 Vgl. Zusammenfassung Botschaft Nehru an Kennedy, Ende April 1963, nach FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 279; Galbraith an State Department, 15.4. und 4.5.1963, ebd., Dokumente Nr. 276, 289; Nehru an Kennedy, 11.8.1963, ebd., Dokument Nr. 317; Nehru an Chief Ministers, 21.5.1963, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 592–602, hier S. 595; President’s meeting on India, 25.4. und 17.5.1963, FRUS 1961–1963 XIX, Dokumente Nr. 283, 297; McMahon, The cold war, S. 298–304; Bearth, Weizen, S. 42–47.

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cheln.853 Generell unterstellte die Nehru-Regierung China nichts weniger als die Ambition, über die Führung in Asien und in der kommunistischen Welt nach »der Weltherrschaft« zu streben.854 Als Gegenmittel bevorzugte die indische Führung im Grundsatz, ungeachtet des massiven Aufrüstungsprogramms, weiterhin friedliche (Zwischen-)Lösungen der Grenzfrage. Von kriegerischen Auseinandersetzungen konnte sich Indien für die nähere Zukunft ohnehin keine Erfolge versprechen. Zudem waren sich nach dem sowjetischen Hin und Her der letzten Monate indische Diplomaten der sowjetischen Haltung keineswegs sicher. Ein neuer Waffengang, warnte Botschafter Kaul aus Moskau, würde die UdSSR China wieder näherbringen.855 Kaul und Nehru wollten auch mit Blick auf derartige Eventualitäten an der eigenen Blockfreiheit festhalten. Sie bot angesichts Chinas aktueller Politik den zusätzlichen Vorteil, Peking international weiter zu isolieren.856 Aufgrund der bitteren Enttäuschungen der letzten Monate war dîeser Kurs in der indischen Politik nicht unumstritten. Spitzenbeamte im MEA und konservativere Spitzenpolitiker machten sich dafür stark, das Steuer herumzuwerfen und eine dezidiert pro-angloamerikanische Linie zu verfolgen. Der MEA-Spitzenfunktionär Desai empfahl, sich über die UdSSR und andere sozialistische Staaten »außer Albanien« keine Illusionen zu machen. »They want India to be non-aligned and are in favour of a policy of peaceful co-existence because they are convinced that, in the present context of the balance of terror, there are brighter prospects of the spread of Socialism all over the world in peace than in war.« Der chinesische Angriff, dozierte Desai weiter, hätte Moskau kaum gestört, hätte die CPI unter seinem Schutzschirm die Macht im Land errungen.857 Im Kabinett sekundierte T. T. Krishnamachari, dass die UdSSR »keine Träne vergießen würde«, wenn Indien zerfiele und damit der Weg für eine Revolution frei wäre. »[I]t seems that no purpose is served by our preferring one set of com-

853 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 21.5.1963, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 592– 602, hier S. 593 f.; Aufzeichnung Gespräch T. T. Krishnamachari mit Kennedy, 20.5.1963, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 300; Aufzeichnung Gespräch T. T. Krishnamachari mit Macmillan, 30.5.1963, NAK, PREM 11/4302. 854 Nehru an Kennedy, 11.8.1963, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 317. 855 Vgl. T. N. Kaul an Nehru, 30.11.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with ­Nehru. 856 Vgl. T. N. Kaul an Nehru, 30.11. und 28.12.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru; Kaul an MEA, Desai, 17.12.1962, ebd., 15; Aufzeichnung Gespräch Harriman mit Nehru, 22.–28.11.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 214; Nehru an Chief Ministers, 1.1. und 2.2.1963, in: Parthasarathi (Hg). Jawaharlal Nehru 5, S. 559–576, hier S. 567–569. 857 M. J. Desai, an T. N. Kaul, 24.12.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, 15.

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munists to the other in the hope that the pink one will be loyal to us.«858 Diese Interpreten blieben zu sehr in Vorstellungen eines monolithischen, unverändert aggressiven Weltkommunismus verhaftet, als dass sie das Potential einer Politik außerhalb der Blockkonfrontation ausloten hätten wollen. Sie erkannten aber ideologische Grundlinien der sowjetischen Außenpolitik genauer, als es Nehru und Kaul taten. In den Debatten setzte sich noch einmal Nehru durch. Der Premier blieb überzeugt, dass die ideologischen Antriebskräfte Moskaus und Pekings gering einzuschätzen wären. Eine realpolitisch motivierte Annäherung Moskaus an die kapitalistischen Großmächte sowie an blockfreie Staaten schien dem Premier wahrscheinlicher, wenn Delhi die eigene Blockfreiheit sowie den indischen Einfluss in der Blockfreien-Bewegung selbst bewahrte. 859 Denn nur dann, so Nehrus Überlegung, bot das non-alignment einen Ausweg aus Mechanismen des Kalten Kriegs. Dazu gehörte auch, dass sich die indische Diplomatie des chinesischen Einflusses in der Dritten Welt erwehrte. Peking bemühte sich im Rahmen seiner Konflikte mit Indien und der UdSSR immer intensiver um Wohlwollen und Unterstützung afrikanischer und asiatischer Staaten.860 Delhi war bereits von der dezidiert neutralen Haltung vieler Staaten der Dritten Welt im indisch-chinesischen Krieg unangenehm überrascht worden. Diese, mit den Colombo-Mächten an der Spitze, hatten vor allem darauf gesetzt, den Krieg zu begrenzen und möglichst schnell zu beenden und daher intensiv nach Verhandlungslösungen gesucht. Die entsprechenden Vorschläge griffen in Teilen chinesische Vorstellungen auf und ließen unterschiedliche Auslegungen und Interpretationen zu – dies war nach jahrelangen diplomatischen Manövern und einem blutigen Krieg in indischen Augen ein klares Manko.861 Nach einigem Zieren stimmte 858 T. T. Krishnamachari an Nehru, 16.12.1962, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru. 859 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 21.12.1962, NMML, V. L. Pandit Papers I, Correspondence with J. Nehru; Nehru an T. T. Krishnamachari, 16.12.1962, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru. 860 Zur Entwicklung der »intermediate zones« vgl. u. a. Fardella, Mao, S. 75–78. Das chinesische Konzept des globalen Kampfes zwischen Städten und Land wurde 1965 öffentlicht formuliert, vgl. zusammenfassend Yu, From two camps, S. 687–691; Shao, Zhou Enlai, S. 231–234; Zhai, China, S. 146 f.; Li/Xia, Jockeying, S. 51 ff.; Friedman, Shadow Cold War. 861 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 21.12.1962, NMML, V. L. Pandit Papers I, Correspondence with J. Nehru. Ceylon, die Vereinigte Arabische Republik, Ghana, Indonesien, Kambodscha und Burma trafen sich vom 10.–12.12.1962 in Colombo und veröffentlichten am 12.12. ihre Vorschläge: Für die Westregion empfahlen die sechs Mächte analog zu chinesischen Vorstellungen einen chinesischen Rückzug um 20 Kilometer, indische Truppen sollten dort nicht vorrücken

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Indien dennoch den Colombo-Vorschlägen zu. Die Nehru-Regierung bewegte sich hier vor allem aus dem Kalkül einer antichinesischen Dritte-Welt-Politik heraus, umso mehr, als Peking sich weniger flexibel zeigte.862 Die Dynamiken der südasiatischen Konstellationen stellten Moskau auch 1963 vor besondere Herausforderungen. Von verstärkten angloamerikanischen Aktivitäten schloss der Kreml nahezu reflexartig auf drohende Geländegewinne des Imperialismus.863 Zudem sah Moskau die pakistanische Annäherung an China kritisch, weil dadurch Pekings angeblich falsche Politik Unterstützung erhielt.864 Daher empfahlt die sowjetische Diplomatie Delhi, in der Kashmirfrage hart zu bleiben, weil jede Nachgiebigkeit nur neue Begehrlichkeiten Chinas und des ›Westens‹ wecken würde.865 Die UdSSR unterstützte das indische Stehvermögen, etwa indem sie in dieser Zeit ihre proindische Haltung bezüglich Kashmirs beibehielt.866 Dagegen blieben die sowjetischen Beziehungen zu dürfen. Im Osten sprachen sich die Sechs für die Beachtung der aktuellen Trennscheide als Waffenstillstandslinie aus. In der Endfassung teilten sich Indien und China die Zivilverwaltung der neuen demilitarisierten Zone im Westen, im Osten konnte die indische Armee bis zur McMahon-Linie vorrücken, abgesehen von zwei Gebieten, in denen Peking und Delhi die Linie anders auslegten. »The proposals in a nutshell meant that in the east both India and China would remain 20 km away from McMahon Line, and in Ladakh while India would remain at the present position (the line reached by Chinese on 21 November 1962) the Chinese would have to withdraw 20 km behind this line«, vgl. Premier Ceylon an Nehru, 15.12.1962, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 685–687; Erläuterungen Colombo-Mächte an Indien, 13.1.1963, ebd., S. 687 f.; Gesamtdokumentation in: Hasan (Hg.), Documents 2, S. 260–284; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 23.11.1962 NAK, PREM 11/3839; Galbraith an Kennedy, 13.11.1962, FRUS 1961–1963 XIX, Nr. 196. Zur zurückhaltenden Haltung Jugoslawiens schließlich vgl. Čavoški, Distant countries, S. 71–73. 862 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 2.2., 14.4. und 21.5.1963, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 565–576, hier S. 566, S. 583–602, hier S. 584, 586, 594; Nehru an Premier Ceylon, 26.1.1963, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 694 f.; Aktenvermerk DDR-Botschaft Moskau über Antrittsbesuch T. N. Kaul am 6.2.1963, 12.2.1963, PA AA, MfAA, A. 163, Bl. 14–17, hier Bl. 14; Galbraith an State Department, 4.5.1963, FRUS 1961–1963 XIX, Dokument Nr. 289; Bhutani, A clash, S. 192–196; Chengapa, India-China relations, S. 46–53. 863 Vgl. Bryncev, Überblick zur Kashmirfrage, 25.6.1963, AVP, f. 117, op. 17, papka 31, d. 16, ll. 1–17; Ray, Sino-Soviet conflict, S. 79 f. 864 Vgl. Vermerk Attaché sowjetische Botschaft Karachi, Kudojarov, 15.6.1963, AVP, f. 117, op. 17, papka 31, d. 15, ll. 116–120, hier l. 117; Lichačev an Botschafter Nesterenko, 24.12.1963, ebd., l. 188; Information Sekretär Zeitschrift Probleme des Friedens und des Sozialismus, Sobolev, 30.3.1963, SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/20, Nr. 42; Suslov in chinesisch-sowjetischen Delegationsgesprächen, 10.7.1963, SAPMO-BArch, DY 30/3608, hier S. 137. 865 Vgl. Vermerk T. N. Kaul über Gespräch mit Men’šikov, 28.12.1962, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Nehru. 866 Vgl. Aufzeichnung Gespräch erster Sekretär sowjetische Botschaft Peking, Sergiev, mit erstem Sekretär pakistanische Botschaft Peking, Junus, 15.1.1963, AVP, f. 117, op. 17, papka 31, d. 15, l. 1 ff.

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Pakistan, das in sowjetischer Wahrnehmung das imperialistische Spiel mitspielte, »äußerst begrenzt und kalt«.867 Die internationalen Erschwernisse waren aus sowjetischer Sicht besonders fatal, boten doch auch die inneren Entwickungen in Indien Anlass zu immer größerer Sorge. Gegen Ende der Amtszeit Nehru erschütterten neue ethnisch-religiöse, interkulturelle und sprachliche Zwistigkeiten das wirtschaftlich schwächelnde Land.868 Amerikanische Beobachter frohlockten 1963, dass die sowjetische Politik nach ihren vergleichsweise massiven Investitionen angesichts antikommunistischer Aktivitäten neuer Staaten »von Marokko über die arabischen Staaten bis Indien« zunehmend desillusioniert sein müsse.869 Und tatsächlich: Vor dem ZK-Plenum von Juni 1963 zeigte sich Chruščev ungewöhnlich nüchtern. »Jetzt herrscht in Indien eine solche Situation«, räsonnierte der Parteichef, »dass nicht bekannt ist, ob sich das Land auf einem neutralen Kurs halten kann«.870 ZK-Ideologen wie Ponomarev zählten die Nehru-Regierung wenige Monate später nicht zu den Staatsführungen, die »heute für die Festigung der nationalen Unabhängigkeit und für den sozialen Fortschritt ihrer Länder stehen«.871 Im MID, wo man sich in den Vorjahren immer wieder schwer mit dem Optimismus des Ersten Sekretärs getan hatte, nahm man die kritischere Einstellung des Kremls wohl dankbar zur Kenntnis.872 Ungeachtet dessen hielt die sowjetische Führung am Kurs fest, den indischen Staat durch Wirtschaftsbeziehungen und mit neuen Angeboten zur Militärhilfe auf Distanz zu den USA zu halten und langfristig gesellschaftliche Prozesse doch noch zum Guten zu

867 Vermerk MID-Referentur Pakistan, 6.6.1963, AVP, f. 117, op. 17, papka 31, d. 15, ll. 52–59, hier l. 59. Vgl. sowjetischer Botschaftsrat Karachi, Zinov’ev, 20.11.1963, AVP, f. 117, op. 17, papka 31, d. 15, ll. 170 ff.; Ponomarev auf ZK-Plenum (9.–13.12.1963), 12.12.1963, RGANI, f. 2, op. 1, d. 696, hier l. 73. Im Rückblick positiver Kapica, Na raznych paralleljach, S. 379–391, 399 f. 868 Vgl. McGarr, The cold war, S. 252–255. 869 Kohler an State Department, 16.3.1963, FRUS 1963–1963 V, Dokument Nr. 304. 870 Chruščev auf ZK-Plenum (18.–21.6.1963), 21.6.196, RGANI, f. 2, op. 1, d. 658, hier l. 86. Vgl. Aktenvermerk über Gespräch Sonderbotschafter Scholz mit Benediktov am 25.11.1963, 2.12.1963, PA AA, MfAA, A. 14009, Bl. 8–10, hier Bl. 8. 871 Ponomarev vor ZK-Plenum (9.–13.12.1963), 12.12.1963, RGANI, f. 2, op. 1, d. 696, hier l. 72ob. Er nannte dagegen Nkrumah (Ghana), Nasser (Ägypten), Ben Bella (Algerien) und Modibo Keita (Mali). 872 Vgl. Vermerk über Gespräch stellv. Leiter MID-Abt. Südasien, Smirnov, mit Quilitzsch am 23.12.1963, 30.12.1963, PA AA, MfAA, A. 13978, Bl. 391–393, hier Bl. 391 f.; Aktenvermerk über Gespräch stellv. MfAA, Kiesewetter, mit Lapin am 9.1.1964, 14.1.1964, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 9 ff., hier Bl. 13.

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wenden.873 Dabei wurde die Ausweitung von Militärhilfen einstweilen durch schwerfällige Bürokratien in Delhi und Moskau sowie durch die indische Unentschiedenheit über den wirklichen Bedarf behindert.874 Wie in den Vorjahren, so konnte sich die UdSSR bei ihren Bemühungen 1963 kaum auf indische Kräfte stützen. Die CPI-Linken litten unter den Verfolgungen durch die indischen Behörden, während die gemäßigten Kommunisten damit beschäftigt waren, chinesische Angriffe auf ihre Positionen abzuwehren. Derweil rückte die endgültige Spaltung der zerrissenen Partei immer näher. Angesichts der realen Verhältnisse sowohl in Indien als auch innerhalb der Partei wirkten siegessichere öffentliche Verlautbarungen der CPI wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde. Realistischerweise erwartete sich etwa der sowjetische Botschafter »von den progressiven Kräften in Indien aufgrund ihrer starken Zersplitterung und ihres uneinheitlichen Auftretens keine große Unterstützung«.875 Im Umkehrschluss folgerte man in Moskau, dass sich die sowjetische Diplomatie in der Dritten Welt nun aktiv um die konsequente »Entlarvung« chinesischer Manöver bemühen musste.876 Denn hier erhob Peking mittlerweile den Anspruch, die wahre Allianz des Sozialismus mit den Völkern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas vorzuleben.877 In sowjetischer Interpretation stellte dies nichts anderes als den Versuch dar, »die Interessen der Völker dreier Erdteile – Asiens, Afrikas und Lateinamerikas – den Interessen der Völker der Sowjetunion, der sozialistischen Länder Europas, der 873 Vgl. CIA, Current Intelligence Weekly Review, 21.6.1963, FRUS 1961–1963 V, Dokument Nr. 334; Pravda, 4.7.1963, S. 4; MfAA, 1. Europäische Abteilung, Meuser, Dossier über die Entwicklung der sowjetisch-indischen Beziehungen von Mai bis August 1963, 23.9.1963, PA AA, MfAA, A. 765, Bl. 138–149, hier Bl. 138; britisches Hochkommissariat an CRO, 24.6.1963, NAK, PREM 11/4867; Bowles an State Department, 20.2.1964, DDRS, Dokument Nr. CK 3100360454. 874 Vgl. stellv. Vors. GKĖS, Sidorovič, an stellv. Vors. GKAT, Beljanskij, 13.12.1963, RGAĖ, f. 298, op. 1, d. 3828, ll. 179 ff.; Beljanskij an GIU GKĖS, Kovtun, 17.9.1963, RGAĖ, f. 29, op. 1, d. 2867, l. 214; britisches Hochkommissariat an CRO, 24.6.1963, NAK, PREM 11/4867. 875 Aktenvermerk über Gespräch Scholz mit Benediktov am 25.11.1963, 2.12.1963, PA AA, MfAA, A. 14009, Bl. 8–10, hier Bl. 9. 876 Benediktov an ZK, Il’ičev, 23.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 130–142. Vgl. Benediktov, ›Über die Zersetzungstätigkeit der chinesischen Spalter in Indien‹, 3.6.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 116, ll. 371–402; CIA, ›The Growth of Chinese influence in the World Communist Movement‹, 8.5.1963, DDRS, Dokument Nr. CK3100494385; Resolution Zentrales Exekutivkomittee CPI auf Sitzung 15.–17.1.1963, in: Basu (Hg.), Documents 9, S. 249–253; Resolutionen CPI-Nationalrat auf Sitzung 5.–12.2.1963, ebd., S. 283–303; Resolution Tagung CPI-Nationalrat, 14.–19.10.1963, ebd., S. 329 f. 877 Vgl. Deng Xiaoping in chinesisch-sowjetischen Delegationsgesprächen (6.–20.7.1963), 12.7.1963, SAPMO-BArch, DY 30/3608, hier Bl. 164.

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Arbeiterklasse Westeuropas und Nordamerikas entgegenzusetzen« und damit einem rassistischen, für alle linken Ziele weltweit verderblichen Irrglauben zu erliegen.878 Vor diesem Hintergrund war es nicht verwunderlich, dass Treffen der organisierten gesellschaftlichen Bewegungen der Dritten Welt zum Schauplatz wütender chinesisch-sowjetischer Polemiken wurden. Damit ging eine intensivere indisch-sowjetische Kooperation gegen die Radikalisierung etwa der AAPSO Hand in Hand.879 Die UdSSR und Indien fanden darüber hinaus in ihrem Bemühen zusammen, eine Neuauflage der Belgrader Konferenz der Nichtpaktgebunden Staaten ohne pakistanische und chinesische Teilnahme zu forcieren. Das Zustandekommen einer zweiten Bandung-Konferenz mit maßgeblichem Einfluss Chinas und seiner Anhänger wäre dagegen gegen Moskau und Delhi der chinesischen Konzeption der Zwischenzonen entgegengekommen.880 Moskau führte seine Auseinandersetzung mit Peking auf immer breiterer Basis und mit immer schrilleren Tönen gegen chinesischen »Chauvinismus« und »Rassismus«. Dies war auch dem Umstand geschuldet, dass sich der sowjetisch-chinesische Konflikt 1963 zu Grenzstreitigkeiten ausweitete.881 Ein Treffen chinesischer und sowjetischer Ideologen im Juni und Juli 1963 erschöpfte sich in sturen Monologen. Für die KPdSU zurrte Suslov noch einmal »das Lenin’sche Prinzip der friedlichen Koexistenz und des ökonomischen Wettbewerbs der sozialistischen Länder mit den kapitalistischen Ländern« als einzig mögliche 878 Suslov in chinesisch-sowjetischen Delegationsgesprächen (6.–20.7.1963), 6.7.1963, SAPMO-BArch, DY 30/3608, hier S. 33 f. 879 Vgl. neben Anm. 876 Chruščev auf ZK-Plenum (18.–21.6.1963), 21.6.1963, RGANI, f. 2, op. 1, d. 658, hier ll. 79ob f.; Ponomarev und Il’ičev vor ZK-Plenum (9.–13.12.1963), 12.-13.12.1963, RGANI, f. 2, op. 1, d. 696, hier ll. 71ob, 73, 92 ob; Spezialkorrespondenten Pravda an ZK über chinesische Tätigkeit in Südost- und Südasien, März bis April 1964, 4.5.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 116, ll. 105 ff.; KGB an ZK, 15.9.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 456, ll. 41–44; Schlaga, Die Kommunisten, S. 181–183, 195–204; Neuhauser, Third World politics, S. 32–62; Friedman, Soviet policy, S. 257–267. 880 Vgl. Vermerk über Gespräch Smirnov mit Quilitzsch am 23.12.1963, 30.12.1963, PA AA, MfAA, A. 13978, Bl. 391–393, hier Bl. 392 f.; Vermerk MfAA, 2. Außereuropäische Abteilung, Sektion Indien, 13.3.1964, PA AA, MfAA, A. 13966, Bl. 87 ff.; DDR-Botschaft Peking, 28.4.1964, PA AA, MfAA, C 570/77, Bl. 1 ff.; Abraham, From Bandung, S. 211–214; Allison, The Soviet Union, S. 96–98; Willetts, The non-aligned movement, 15–17; Singh, Sino-Pakistan relations, S. 147– 161; Tang, Beyond India, S. 7–9, 15; Cheng, Sino-Cuban, S. 102–114; Chen, China, S. 87–93. 881 Vgl. Information Journalist Sobolev, 30.3.1963, SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/20, Nr. 42. Vgl. Andropov vor ZK-Plenum (18.–21.6.1963), 20.6.1963, RGANI, f. 2, op. 658, hier l. 62 f.; Chruščev ebd., 21.6.1963, ebd., ll. 79ob f.; Semičastnyj an ZK, 21.3.1963, RGANI, f. 5, op. 30, d. 424, ll. 47 f.; sowjetischer Appell zum Gewaltverzicht bei Grenzproblemen, 31.12.1963, UNA, S-0884, Box 21, File 17; Stepanov, Politika, S. 155–182; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 247–272; Taubman, Khrushchev, S. 602–606; MacFarquhar, The origins 3, S. 349–364; Kireev, Rossija, S. 56–85.

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internationale »Form des Klassenkampfes« fest. Nur so, beharrte die sowjetische Führung auf ihren sattsam bekannten Axiomen, war die ganze »Menschheit vor einem thermonuklearen Weltkrieg« zu bewahren. Und dies blieb eine Grundvorausetzung, damit der Sozialismus weltweit seinen gesetzmäßigen Siegeszug antreten konnte. In diesem Prozess würde sich die Dritte Welt mit politischer und wirtschaftlicher Hilfe der UdSSR »auf den nichtkapitalistischen Entwicklungsweg« machen und die Basis dafür schaffen, dass die nationalen kommunistischen Parteien die »sozialistische Revolution« ordnungsgemäß vollendeten. Chinesische Sondertouren sowohl in der Innen- oder Wirtschaftspolitik als auch in der internationalen Arena standen sowjetischer Überzeugung nach diesem Ablauf nur im Weg. Die sowjetische Delegation erinnerte in diesem Zusammenhang insbesondere daran, welchen »Schaden« die chinesischen »Aktionen im indisch-chinesischen Grenzstreit« »dem Einfluss des sozialistischen Systems auf andere Völker« zugefügt hätten. Damit habe Peking endgültig die angeblich vereinbarte Grundlinie der globalen kommunistischen Bewegung aufgekündigt.882 Die chinesischen Sprecher nutzten die Gelegenheit, um ungerührt ihren Widerstand gegen eine aus ihrer Sicht anti-leninistische und illusionäre »Ersetzung des revolutionären Kampfes der Völker durch den ökonomischen Wettbewerb« zu bekräftigen. Hinter der friedlichen Koexistenz verbarg sich demnach nur der Egoismus der sowjetischen Großmacht, die in der Dritten Welt linke Befreiungsbewegungen dem sowjetisch-amerikanischen Ausgleich opfere. Auch Chinas Argumentation stützte sich auf die Indienpolitik. Ihrer Ansicht nach boten sowjetische Aktivitäten hier ein Paradebeispiel für Fehlkalkulationen und Abirrungen von der richtigen ideologischen Linie, die desaströse Folgen zeitigen mussten. Gerade die umfängliche Wirtschaftshilfe der UdSSR an Indien ermuntere die Nehru-Regierung zu einer Politik »gegen die Kommunisten, gegen das Volk, gegen die sozialistischen Länder«. Das Argument, nur durch sowjetische Hilfe amerikanische Einflüsse verhindern zu können, stach in Pekinger Augen überhaupt nicht. »Wir können nicht verstehen, warum Sie mit den Vereinigten Staaten von Amerika in einen Wettbewerb zur Erweisung 882 Suslov in chinesisch-sowjetischen Delegationsgesprächen (6.–20.7.1963), 6. und 10.7.1963, SAPMO-BArch, DY 30/3608, hier S. 17, 19, 20–22, 24, 31–33, 131; Andropov, ebd., 17.7.1963, Bl.  256. Vgl. Reden Suslov, Ponomarev, Andropov und Chruščev vor ZK-Plenum (18.– 21.6.1963), 20. und 21.6.1963 sowie Beschluss Plenum, 21.6.1963, RGANI, f. 2, op. 1, d. 658, ll. 40 ff., 54ob ff., 60 ff., 72ob ff., 97ob; Ponomarev, Andropov, Il’ičev und Chruščev vor ZK-Plenum (9.–13.12.1963), 20.–21.12.1963 mit Resolution Plenum, 13.12.1963, RGANI, f. 2, op. 1, d. 696, ll. 71 ff., 79ob ff., 90 ff., 106 ff., 118; Radchenko, Two suns, S. 61 ff.; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 260–270.

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von Hilfe an die indischen Reaktionäre in ihrem Kampf gegen China treten. Mit welchem Ziel folgen Sie dem Beispiel der USA bei der Lieferung von Waffen an die indischen Reaktionäre zur Erschießung von chinesischen Soldaten?«883 In den folgenden Monaten näherten sich die Grundpositionen in keiner Weise an, im Gegenteil. Die chinesisch-sowjetische Auseinandersetzung über das von der UdSSR vorangetriebene Atomteststopp-Abkommen unterstrich erneut die prinzipielle und praktische Unvereinbarkeit der jeweiligen Standpunkte.884 Die ideologischen Anwürfe, die konkrete außenpolitische Differenzen unterfütterten, verstärkten und mitbedingten, gewannen an Schärfe und Unversöhnlichkeit. Allerdings fiel es der sowjetischen Führung dadurch leichter, sich im indisch-chinesischen Zwist eindeutiger auf die Seite Delhis zu stellen und chinesische territoriale Zugeständnisse einzufordern.885 Derartig offene Stellungnahmen mochten jedoch dazu beitragen, dass sich die Kontrahenten im Grenzkonflikt nicht bewegten. Diese Verhärtung wiederum konnte der sowjetischen Diplomatie nicht gefallen, da sie nicht nur rechten Kräften in Indien, sondern auch Beeinflussungsversuchen der USA Vorschub leistete. »Die Stationierung von Teilen der 7. US-Flotte im Indischen Ozean und Nehrus nicht ablehnende Haltung dazu« bewiesen nach Ansicht der MID-Abteilung für Südasien »anschaulich« das verderbliche Zusammenspiel innerer und äußerer dunkler Kräfte. »Die friedliche Lösung« des chinesisch-indischen Konflikts war nach wie vor unabdingbar, »um den Imperialisten keine Möglichkeiten für eine weitere Einmischung zu geben.«886 Nehru setzte andere Akzente. Für ihn galt es Ende 1963 weiterhin, mit einer Kombination von amerikanischer und sowjetischer Hilfe den innerasiatischen Wettbewerb der Systeme erfolgreich durchzustehen. Gegen die chinesische Gefahr helfe auf Dauer nur eine erfolgreiche Entwicklungspolitik: Hier werde über den Ausgang des Kampfes zwischen »dem indischen und dem chinesischen 883 Deng Xiaoping in chinesisch-sowjetischen Delegationsgesprächen (6.–20.7.1963), 12.7.1963, SAPMO-BArch, DY 30/3608, hier Bl. 156 f., 160 f., 163 f., 166–170, 177. 884 Vgl. Sitzung ZK-Präsidium, 23.7.1963, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 734; Aufzeichnung Gespräch Harriman mit Chruščev, 26.7.1963, FRUS 1961–1963 5, Dokument Nr. 339; Aufzeichnung Gespräch Zhou Enlai mit DDR-Außenminister Bolz, 4.10.1964, PA AA, MfAA, A. 17425, Bl. 4 ff.; Mastny, The 1963 nuclear test ban treaty. 885 Vgl. Ponomarev vor ZK-Plenum (9.–13.12.1963), 12.12.1963, RGANI, f. 2, op. 1, d. 696, hier ll. 72ob–73ob; DDR-Botschaft Pjöngjang, 9.1.1964, PA AA, MfAA, G-A 315, Bl. 14 ff.; Chruščev vor ZK-Präsidium, 19.8.1964, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 828–852, hier S. 849 f.; Radchenko, Two suns, S. 112–118. 886 Vermerk über Gespräch Smirnov mit Quilitzsch am 23.12.1963, 30.12.1963, PA AA, MfAA, A. 13978, Bl. 391–393, hier Bl. 391 f.

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way of life« entschieden.887 Nehru ahnte nicht, dass ihm persönlich die notwendige Frist nicht mehr vergönnt war. Am 6. Januar 1964 erlitt er einen Schlaganfall, der seine Arbeitsfähigkeit für die kommenden Monate einschränkte. Die Spekulationen über den indischen Kurs »nach Nehru« wurden in aller Welt mit neuer Dringlichkeit geführt.888 Der Tod des Premiers und Außenministers am 27. Mai 1964 bedeutete für die internationalen Beziehungen Indiens allerdings keine unmittelbare Zäsur. Außenpolitisch würde sich jeder Nachfolger der doppelten Herausforderung durch China und Pakistan gegenübersehen, die sich einander immer mehr anzunähern schienen. Das indische Verhältnis zu Pakistan hatte sich in den letzten Monaten der Regierung Nehru noch verschlechtert. Unmittelbarer Anlass hierfür war, dass Delhi die weitere verfassungsrechtliche Integration von Kashmir betrieb, ungeachtet andauernder Zwischenfälle an der Waffenstillstandslinie und ohne Rücksicht auf die Unzufriedenheit weiter Bevölkerungsgruppen im indisch kontrollierten Teil des Staats. Die gesellschaftliche Missstimmung brach sich nach dem Diebstahl einer islamischen Reliquie in Srinagar Bahn. Die kommunalen Unruhen griffen schnell nach Ostpakistan und Westbengalen über.889 Pakistan nutzte die Gelegenheit, die Kashmir-Frage erneut vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Die hitzigen Debatten brachten erwartungsgemäß das Kashmirproblem einer Lösung nicht näher, sondern vertieften noch den Graben zwischen Pakistan und Indien. Sie erwiesen sich zudem als neuerliche Belastung der indischen Beziehungen zu den USA und zu Großbritannien.890 Unmissverständlich machte die indische Delegation Delhis Standpunkt klar, wonach man an seiner Kashmir-Politik »ungeachtet der Gefühle von Pakistanern, Mitgliedern des Sicherheitsrats oder von sonst irgendwem« festhalte.891 Die Entlassung des ehemaligen Bundesgenossen des INC und Nationalhelden Sheikh

887 Nehru an Kennedy, 11.11.1963, DDRS, Dokument Nr. CK3100114246. 888 Vgl. Aktenvermerk über Gespräch Kiesewetter mit Lapin, am 9.1.1964, 14.1.1964, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 9 ff., hier Bl. 13; Komer an Johnson, 2.4.1964, ebd., Nr. 33. 889 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Rusk mit pakistanischem Botschafter Washington, G. Ahmed, 8.1.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 2; Executive Secretary, Read, an Bundy, 16. und 27.1.1964, ebd., Dokumente Nr. 4, 10; Gauhar, Ayub Khan, S. 155–167. 890 Vgl. Rusk an US-Botschaft Rawalpindi, 21.1.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 9; Bowles an State Department, 20.2.1964, ebd., Nr. 16; Ayub Khan an Douglas-Home, 21.1.1964, NAK, PREM 11/4969; Vermerk Gespräch Douglas-Home mit Bhutto, 28.1.1964, ebd. 891 Direktor Office of UN Political Affairs, Buffum, an Deputy Assistant Secretary of State for International Organization Affairs, Gardner, 23.3.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 29.

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Abdullah am 8. April 1964 aus indischer Haft blieb in dieser verfahrenen Situation ohne weitere positive Folgen.892 Einen Monat später stand der Kashmirkonflikt wieder auf der Tagesordnung des Sicherheitsrats, mit unveränderten Konstellationen und Sackgassen. Es ist unklar, ob der vorher zur Schau getragene aggressive Optimismus der pakistanischen Delegation unter dem agilen Außenminister Bhutto echte Hoffnungen widerspiegelte oder vor allem Bhuttos Bereitschaft entsprang, die Kashmirfrage als Instrument für eigene innen-, außen- und machtpolitische Ziele zu nutzen. Das Scheitern pakistanischer Vorstellungen im Sicherheitsrat hinterließ nicht nur nach dem Eindruck amerikanischer Beobachter in der pakistanischen Politik »bittere Enttäuschung«.893 In Pakistan entschied man sich dazu, die Kontakte nach Peking noch weiter auszubauen, ohne die Verbindungen mit Washington zu kappen.894 Der UdSSR verharrte bei diesen Manövern in der Rolle des äußerst kritischen Zuschauers. Ihre grundsätzliche Aversion gegen jegliche UN-Aktivitäten in Kashmir verärgerten Pakistan zwangsläufig.895 Damit konnte Moskau leben, lief dessen Politik in sowjetischen Augen ohnehin darauf hinaus, sich gleich mit zwei sowjetischen Gegnern einzulassen und Indien im globalen Spiel der Kräfte herauszufordern. Unbeirrt steigerte die UdSSR ihre Militärhilfe an Indien.896 Nehrus Tod änderte nichts an der sowjetischen Grundeinstellung. Während der Trauerfeierlichkeiten machte sich der erste stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats, Kosygin, selbst ein Bild von den sowjetischen Aussichten in Indien. Er kam zu dem Schluss, dass sich der sowjetische Einsatz in 892 Vgl. US-Botschafter Rawalpindi, McConaughy, an State Department, 11.4.1964, FRUS 1964– 1968 XXV, Dokument Nr. 35; Schofield, Kashmir, S. 103–106; Singh, Autobiography, S. 272– 296; Swami, India, S. 43–55. 893 NSC, Belk, an Bundy, 18.5.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 43. 894 Vgl. u. a. McConaughy an State Department, 1.2., 3. und 12.3., 11.4. und 19.9.1964 sowie 2.8.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokumente Nr. 12, 22, 28, 35, 72, 161; Aufzeichnung Gespräch Johnson mit McConaughy, 15.7.1964, ebd., Nr. 65; Brief CRO, West and Central African Department, 18.1.1965, NAK, DO 196/220; State Department, Background Paper Visit Chancellor Erhard: Shastri and Ayub, 4.6.1965, DDRS, CK3100128539. 895 Vgl. sowjetischer UN-Vertreter vor SC, 14.2.1964, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 271–275; Ayub Khan auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 4. und 5. Sitzung, 9.7.1964, NAK, CAB 133/253; Information DDR-Attaché Moskau, Hentze, 2.3.1964, PA AA, MfAA, C 626/70, Bl. 23–28. 896 Vgl. State Department an US-Botschaft Delhi, 21.2.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 18; Bowles an State Department, 6.6.1964, ebd., Nr. 54; Vermerk DDR-Botschaft Moskau, Quilitzsch, über Gespräch mit Smirnov am 3.6.1964, 4.6.1964, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 223– 225, hier Bl. 225; Schriftverkehr und Gesprächsprotokolle, Ende 1964, NAK, PREM 13/48; Aktenvermerk DDR-Botschaft Moskau Nr. 17/64, 16.9.1964, PA AA, MfAA, A 765, Bl. 155.

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Indien weiterhin lohne, da die »wichtigen Führungskräfte alle für die Freundschaft mit uns stehen«.897 Tatsächlich verkündete der international unerfahrene Shastri gleich nach seiner Wahl, dass er Nehrus Kurs einschließlich der Beziehungen zur UdSSR und den »übrigen sozialistischen Ländern« fortsetzen wolle.898 Andere indische Spitzenpolitiker bekräftigten diese Haltung allerorten. Ungeachtet dieser Festlegungen agierte und urteilte man in der sowjetischen Diplomatie vorsichtig.899 Im Zentralapparat des MID hoffte man beispielsweise, dass eine alte Bekannte, Nehrus Tochter Indira, sich in Shastris Kabinett zu einer formidablen Gegenspielerin gegen rechte Kräfte entwickeln würde.900 Vor Ort erwartete Botschafter Benediktov zwar eine Fortführung einer insgesamt tendenziell ›progressiven‹ Politik, traute der neuen Regierung aber keine allzu lange Verweildauer im Amt zu. Zudem zweifelte der Botschafter bereits Ende Juni 1964 daran, dass im andauernden Streit um den richtigen Entwicklungsweg die »demokratischen Kräfte« rechten Gegnern hinreichenden Widerstand entgegensetzen könnten. Generell schätzte der Diplomat die Schlagkraft nicht nur der ohnehin als »opportunistisch« diffamierten Sozialisten, sondern auch die der als unkoordiniert und kleinkariert gezeichneten Linken im Kongress sowie die Kampfkraft der durch Pekinger Dauerfeuer, innerparteiliche Grabenkämpfe und die Politik der neuen Regierung Shastri geschwächten CPI als gering ein.901 Angesichts der Unsicherheit bezüglich der innenpolitischen Basis fielen aktuelle sowjetische Bestandsaufnahmen der indischen Außenpolitik ebenfalls noch ambivalenter als gewohnt aus. Wiederum Benediktov zeichnete aus der Nahperspektive die internationale Stellung Indiens differenzierter, damit aber auch offener, als es höchste Strategiepapiere in der Vergangenheit getan hatten. Für ihn speiste sich das indische Interesse an der UdSSR und den übrigen sozialistischen Ländern Europas vor allem aus wirtschaftspolitischen Begehrlichkeiten und der Aussicht auf sowjetische Militärhilfe. Dem Botschafter war 897 Kosygin vor ZK-Präsidium, 4.6.1964, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 826. 898 Vermerk Quilitzsch über Gespräch mit Smirnov am 3.6.1964, 4.6.1964, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 223 ff., hier Bl. 224. Vgl. Rundfunkansprache Shastri, 11.6.1964, in: Appadorai (hg.), Select documents I, S. 58–60. 899 Vgl. T.  T.  Krishnamachari auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 5. Sitzung, 9.7.1964, NAK, CAB 133/253. 900 Vgl. Vermerk Quilitzsch über Gespräch mit Smirnov am 3.6.1964, 4.6.1964, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 223–225, hier Bl. 224 f. 901 Benediktov an MID, weitergeleitet an Brežnev u. a., 21./30.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 115–129, hier ll. 100–108, 114–126; Benediktov, ›Über die Zersetzungstätigkeit der chinesischen Spalter in Indien‹, 3.6.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 116, l. 371–402, hier l. 372–378, 381–385.

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nicht entgangen, dass Delhi parallel die »Erweiterung der wirtschaftlichen und militärischen Zusammenarbeit […] mit dem Westen, und vor allem mit den USA« betrieb. Damit war in seinen Augen die Gefahr gestiegen, dass die indische Politik weiter in den Sog der USA geriet.902 Es muss dahingestellt bleiben, ob Benediktov ein feines Gespür für atmosphärische Änderungen im Kreml besaß oder in seinen Analysen frühere Signale der Partei respektive das überkommenene Misstrauen des MID aufnahm. Auf jeden Fall zog in diesen Tagen Chruščev selbst eine durchaus kritische Bilanz von knapp zehn Jahren sozialistischer Beziehungen mit der Dritten Welt insgesamt. »Kann der Sozialismus von Personen aufgebaut werden«, fragte sich Chruščev nun, »die nicht auf marxistischen Positionen stehen?« »Der Kreis von Personen«, grübelte der Parteichef, »die, ich würde sagen, überhaupt nicht vom selben Schlag sind und nicht dasselbe Verständnis haben, sondern eine breite Vielfalt darstellen, aber über den Sozialismus sprechen, ist sehr groß, und die Mehrheit von ihnen glaubt aufrichtig daran und will diesen Sozialismus aufbauen. Aber nirgendwo wird von ihnen gesagt, wie sie ihn bauen werden. Sie verstehen ihn nämlich selber nicht und wollen sich wahrscheinlich nicht mit konkreten Überlegungen binden, in denen ihr echtes Verständnis dargelegt wird und worin sie sich von unserem wissenschaftlichen, marxistischen Verständnis unterscheiden.« »Neue Länder«, so entwickelte Chruščev zarte Ansätze einer erneuerten Linie gegenüber der Dritten Welt, »beginnen jetzt, den Sozialismus aufzubauen, und andere betreten nur den Weg der Unabhängigkeit, befreien sich vom kolonialen Joch«. Angesichts der »ganzen Vielfalt, die sich jetzt ergibt und in der Welt existiert« müsste man »sich etwas« jenseits der üblichen Schlagworte und Propaganda »überlegen«.903 Der sowjetische Pessimismus entsprach in diesen ersten Wochen der Regierung Shastri amerikanischen Hoffnungen. Washington betrachtete die neue Administration als pragmatischer als ihren Vorgänger.904 Die USA wie Großbritannien erwarteten sich – wiederum unter anderem zum Wohle einer antichinesischen und gegebenenfalls antisowjetischen Einheitsfront in Südasien – 902 Benediktov an MID, weitergeleitet an Brežnev u. a., 21./30.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 100–114, hier ll. 100–108, 111, 114. Vgl. Vermerke über Gespräche Rossmeisl mit Lichačev, am 23.9.1964 und 26.5.1965, 24.9.1964 bzw. 27.5.1965, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 296–301, hier Bl. 300 sowie ebd., A. 17094, Bl. 66–73. 903 Diktat Chruščev, 27.6.1964, in: Nikita Chruščev 1964, Artizov u. a. (Hg.), S. 43 f. Vgl. Protokoll Gespräch Chruščev und Mikojan mit japanischer Parlamentsdelegation, 3.10.1964, ebd., S. 160–176, hier S. 168. 904 Vgl. Komer an Johnson, 16.6.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 57.

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Bewegung in den indisch-pakistanischen Beziehungen.905 Im Sommer 1964 deutete sich tatsächlich die Möglichkeit an, dass Ayub Khan Delhi besuchen könnte. In der causa Kashmir sahen jedoch auch Nehrus Nachfolger kaum Verhandlungsspielräume.906 Die Johnson-Administration fand keinen Königsweg aus dem Dilemma, indische und pakistanische Abwehrkräfte zugleich gegen China und den »Weltkommunismus« zu stärken, das Washingtoner Verhältnis zu den verfeindeten Nachbarn und deren Beziehungen untereinander zu entspannen und ihre interne Wirtschafts- und Entwicklungskraft zu optimieren.907 Dabei blieben die USA im Bereich der Militär- und Rüstungshilfe im Dickicht indisch-pakistanisch-amerikanischer Querbeziehungen gefangen.908 Angesichts der komplexen Situation zeigte der US-Präsident bald Ermüdungserscheinungen und war geneigt, mehr politischen und wirtschaftlichen Druck auszuüben, um zu Ergebnissen zu kommen.909 Vor diesem Hintergrund konnte die Sowjetunion in Indien mit traditionellen Maßnahmen etwas leichter punkten. Trotz der verbreiteten Skepsis beließ es die sowjetische Diplomatie im Sommer bei dem Ansatz, durch Wirtschaftsund Militärhilfe sowie eine rege Reisediplomatie die zwischenstaatlichen Verbindungen sowie Indiens Blockfreiheit zu stärken und im Land linke Perspektiven zu unterstützen. Im August 1964 unterzeichnete der indische Verteidigungsminister Chavan im Rahmen des nach der Niederlage 1962 hochgefahrenen Rüstungsprogramms Indiens endgültig umfassende Abmachungen über den 905 Vgl. Bowles an State Department, 6.6.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 54; Belcher an SoS CRO, 9.6.1964, NAK, PREM 11/4864. 906 Vgl. T.  T.  Krishnamachari auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 5. Sitzung, 9.7.1964, NAK, CAB 133/25; Gauhar, Ayub Khan, S. 169–172. 907 Vgl. Rusk an Johnson, 16.1.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 3; National Security Action Memorandum No. 279/1, 8.2.1964, ebd., Nr. 13; State Department an US-Botschaft Indien, 21.2.1964, ebd., Nr. 18; Komer an Bowles, 24.4.1964, ebd., Nr. 38; Komer/Bundy an Johnson, 4.6.1964, ebd., Nr. 53; McConaughy an State Department, 11. 8. und 19.9.1964, ebd., Nr. 67, 72. 908 U. a. wollten die USA keine F-104 an Indien liefern und aus London erhielt die indische Marine Absagen, vgl. insges. Deputy Assistant Secretary of Defense, Solbert, an McNamara, 6.5.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 42; Komer an Bundy, 21. und 27.5.1964, ebd., Nr. 44, 48; Aufzeichnung Gespräch Chavan mit Verteidigungsminister McNamara, 22.5.1964, ebd., Nr. 46; Bowles an State Department, 6.6.1964, ebd., Nr. 54; Gore-Booth an SoS CRO, 5.12.1964, NAK, DO 189/548; Bearth, Weizen, S. 46 f., 56 f., 98–128; Krishnan, Chavan, S. 105–112; Pradhan, Debacle, S. 186–232. 909 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Johnson mit McConaughy, 15.7.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 65; Komer an Johnson, 8.6.1965, ebd., Nr. 128; Memorandum über President’s Meeting with Bonny, 4.8.1965, ebd., Nr. 163; Bowles an State Department, 27.8.1964, ebd., Nr. 69; Komer an Bundy, 30.5.1965, DDRS, CK3100502110.

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kreditgestützten Kauf (in Rupien) von mehreren Dutzend MiG-21 sowie über den Aufbau von MiG-Produktionsstätten in Chandigarh und Nasik. Damit setzte sich die UdSSR, wie bereits erwähnt, endgültig in der Spitzengruppe der Militärlieferanten fest.910 Noch im September 1964 schließlich nahmen Mikojan und Chruščev Informationen ostdeutscher Genossen zufolge eine Einladung nach Indien an.911 Unterdessen übten sich Moskau und Delhi in der China- und Blockfreien-Politik in Einmütigkeit. Dass es etwa dem MEA gelang, die beiderseits ungeliebte Neuauflage der Bandung-Konferenz auf 1965 zu verschieben und nach Afrika anstelle Indonesiens zu vergeben, wurde in Moskau mit Wohlgefallen aufgenommen.912 910 Festgeschrieben wurde hier u. a. die Zusammenarbeit beim Aufbau des MiG-Werks und bei der Produktion von verschiedenen Motoren, Raketen und Radareinrichtungen. Daneben sagte die UdSSR die Ausbildung von Piloten zu und stellte die MiG-21 in verschiedenen Ausfertigungen zur Verfügung. 10 % der Zahlungen hatten sofort, 90 % innerhalb von 9 Jahren (2 % Zinsen) in Rupien zu erfolgen, die Summe stand für den Einkauf indischer Waren zur Verfügung. Ende 1965 zählte das State Department insges. 44 MiGs in Indien. Insgesamt beliefen sich 1964/65 im Sektor der ausländischen Militärhilfe die nicht rückzahlbaren Kredite der USA bis 1965 auf 157,2 Millionen Dollar, die Kredite auf 60 Millionen. Für die UdSSR veranschlagte das State Department Lieferungen im Wert von rd. 300 Millionen Dollar seit den 1950er-Jahren. Eine indische Aufstellung nennt für 1962 sowjetische Lieferungen an Transportflugzeugen, Hubschraubern und Baugerät für die Grenzkommunikation, für August 1962 das Abkommen über Lieferungen und Lizenzierung von MiG-21. 1963 kamen zusätzliche MiG-21, Boden-Luft-Raketen, 1964 Kanonen und Panzer, 1965 Ausrüstungsgegenstände für die Marine, der indische Bedarf Ende 1965 umfasste weitere MiG-21, Hubschrauber, Bomber, Artillerie und Panzer, vgl. Aufzeichnung GoI, India’s Defence requirements, Oktober 1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43 sowie die Unterredungen von T. T. Krishnamachari vom 9.–17.11.1965 in Moskau, ebd., vgl. Expertenabkommen, 21.4.1964, RGAĖ, f. 29, op. 1, d. 3597, l. 65; Zusatzabmachung, 11.9.1964, RGAĖ, f. 29, op. 1, d. 3597, ll. 206 ff.; Entwurf Memo für Mr. Manu, 24.8.1965, NARA, RG 59, Lot 68D49, Box 8. Spätere Debatten drehten sich u. a. um den Wert von Erst- und Gesamtlieferungen und um sowjetische Kürzungsmöglichkeiten in Anpassung an den Bedarf, vgl. indisch-sowjetische Gespräche über die Ausführung der Abkommen, 1964, RGAĖ, f. 413, op. 31, d. 305, ll. 362 ff.; Talbot an Rusk, 23.2.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 89; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 17.9.1964, NAK, PREM 11/4867; Krishnan, Chavan, S. 91–100, 105–115; Pradhan, Debacle, S. 240–242; Boquérat, No strings, S. 304, 339–342. 911 Vgl. 1. Europäische Abt. MfAA, 6.10.1964, Ergänzung zu Aktenvermerk DDR-Botschaft Moskau über Besuch Radhakrishnan in Moskau, 24.9.1964, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 292 f. 912 Vgl. Benediktov an MID, weitergeleitet an Brežnev u. a., 21./30.6.1964, RGANI, f. 5, op. 30, d. 452, ll. 100–114, hier l. 103 f., 108–110; Vermerk über Gespräch Rossmeisl mit Lichačev am 23.9.1964, 24.9.1964, PA AA, MfAA, A. 166, Bl. 296–301, hier Bl. 297 f.; sowjetische Erklärungen, 5.5. und 14.8.1964, Pravda, 5.5.1964, S. 1 sowie 20.8.1964, S. 1; Vermerk über Gespräch Böttger mit MEA, Sanyal, am 30.5.1964, 3.6.1964, PA AA, MfAA, A. 14030, Bl. 64 ff., hier Bl. 66; Brutenc, Tridcat’ let, S. 262.

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Damit galt auch für die Zeit nach Nehru, dass sich ein sowjetisch-indischer Gleichklang im internationalen Konzert eher an Positionen gegen andere Mächte und weniger an positiven gemeinsamen Gestaltungsideen oder langfristigen Perspektiven festmachte. Die grundlegenden Gegensätzlichkeiten bezüglich der Global- und Friedenspolitik ließen sich weiterhin beispielhaft in der jeweiligen UN-Politik verfolgen. Die UdSSR entfachte im Sommer 1964 neue Diskussionen über Struktur und Funktionsweise der Staatengemeinschaft. Dieses Mal verband die UdSSR ihre Argumentation über Effektivität und Stoßrichtung der UN mit akuten Finanzfragen. Das sowjetische Kernanliegen bestand darin, schlagkräftige Aktionen der UN und damit insbesondere Truppeneinsätze unter strikter Kontrolle des Sicherheitsrats mit seinem sowjetischen Vetorecht zu halten. Verpackt wurde das Vorhaben in die Weigerung, sowjetische Rubel zu den teuren Einsätzen beizusteuern.913 Als die USA ihrerseits auf Konfrontationskurs gingen und Zahlungssäumigen einschließlich der UdSSR das Stimmrecht in der Vollversammlung entziehen wollten, eskalierte die Situation. Die sowjetische Diplomatie machte weltweit Stimmung gegen die amerikanischen Pläne und drohte mit dem Austritt der UdSSR aus der Weltorganisation. Wenig verwunderlich, dass Chruščev in derlei Debatten wieder alte Trojka-Vorschläge aufwärmte und seinen Ansichten über die machtpolitische Quintessenz der Weltorganisation Nachdruck verlieh. Die UN, argumentierte der Parteichef im Gespräch mit japanischen Parlamentariern, seien »die Vertretung aller Länder, aller Völker, die Entscheidungen beraten, diskutieren, beschließen, die alle zufriedenstellen. Aber wenn sie jemanden nicht zufriedenstellen, dann ist es besser, die Entscheidung nicht zu fällen«. »Das Veto«, so das sowjetische Fazit, »ist Ersatz für einen Krieg. Besser das Veto als ein Krieg.«914 Wenige Tage nach der Unterhaltung mit der japanischen Delegation wurde Chruščev gestürzt. Die Gründe für den Machtwechsel sind vor allem in seiner Innen-, Wirtschafts- und Kaderpolitik zu suchen. Auf dieser Basis unterwarfen die Nachfolger allerdings auch seine Gestaltung internationaler Beziehungen deutlicher Kritik. Brežnev, Podgornyj und ihre Mitstreiter bemängelten, dass 913 Vgl. sowjetischer ständiger UN-Vertreter, Fedorenko, an U Thant, 10.7.1964, UNA, S-0884, Box 21, File 17; Gajduk, Divided together, S. 286–294. 914 Protokoll Gespräch Chruščev und Mikojan mit japanischer Parlamentsdelegation, 3.10.1964, in: Nikita Chruščev 1964, Artizov u. a. (Hg.), S. 160–176, hier S. 164–169, 172 f., hier S. 166 f. Vgl. Vermerk Thun über Gespräch Bolz mit Zorin, 30.7.1964, PA AA, MfAA, A. 794, Bl. 120 ff.; Aktenvermerk Thun über Beratung in der MID-Abteilung Internationale Organisationen, 31.7.1964, PA AA, MfAA, A. 794, Bl. 99 ff.; Luard, A history 2, S. 447–464; Fireston, The United Nations, S. 63–67; Rowe, Financial support; Stoessinger, The United Nations, S. 96–112.

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Chruščevs überoptimistische Ansätze in den Beziehungen zur gesamten Dritten Welt eine klare und klassenbewusste Linie hätten vermissen lassen und die »imperialistischen« Möglichkeiten unterschätzt hätten. Chruščevs Erben stellten in diesem Kontext insbesondere die Effektivität der außenwirtschaftlichen Beziehungen der UdSSR in Frage. Insgesamt schrieben die neuen Machthaber alle tatsächlichen und gefühlten Fehler nicht Doktrin und System der UdSSR und schon gar nicht vergangenen kollektiven Denkprozessen, sondern individuellen Versäumnissen und Charakterfehlern des früheren Ersten Sekretärs zu. Aus Sicht der neuen Garde war letztlich auch Chruščev in die Falle des Personenkults getappt und dadurch zwangsläufig von der – wie auch immer gewundenen respektive verstandenen – korrekten Position der letzten drei Parteitage abgewichen. Der Vorwurf lautete, dass viele konkrete internationale Aktivitäten allein Chruščevs Wunsch entsprungen seien, in aller Welt persönlich geliebt und geachtet zu werden. Seine Auslandsreisen sowie das aufwendige Besuchsprogramm für »nötige und unnötige ausländische Persönlichkeiten, kapitalistische Touristen« usw. erschienen aus dieser Perspektive entweder als Familienausflüge oder als Selbstreklame des Parteichefs, bei dem Expertenmeinungen des MID nicht zum Zuge kamen. Von daher, so die Schlussfolgerung der langjährigen Weggenossen Chruščevs, blieben ideologische Grundsätze, echte Interessen und reale Finanzmittel der UdSSR in der Konzeption internationaler Politik letztlich außen vor. Schlichte Pöbeleien wie die Schuhepisode in der UN konnten schließlich nur weiteren Schaden anrichten. »Das«, so die genervten Ex-Gefährten, »ist allen vollständig über«.915 Mit Blick auf Indien wurde offen kritisiert, dass Wirtschaftshilfen der UdSSR die Belastungen der indischen Entwicklungspolitik durch Delhis steigende Militärausgaben nicht in Rechnung gestellt hätten. Auch daher seien sie ohne die erwünschten langfristigen, strategisch-sozialistischen Folgen geblieben. Damit war das Unbehagen an der bisherigen sowjetischen Haltung im indisch-chinesischen Konflikt verbunden. Diese habe zu der angeblich weitgehend unnötigen Entfremdung zwischen Peking und Moskau beigetragen. »Die Chinesen haben eine Dummheit begangen, als sie den Krieg auslösten«, spielten Chruščevs Gegner die Probleme mit Peking herunter. »Aber China ist trotzdem ein sozialisti915 Bericht ZK-Präsidium für Oktoberplenum ZK [13.10.1964], in: Nikita Chruščev 1964, S. 182– 216, hier S. 196–204, Zitat S. 202 f. Vgl. Beschluss ZK-Präsidium, 13./14.10.1964, ebd., S. 231; Protokoll ZK-Plenum, 14.10.1964, ebd., S. 239–252, hier S. 248; Brežnev auf ZK-Plenum (12.–13.12.1966), 12.12.1966, RGANI, f. 2, op. 3, d. 49, ll. 3 ff., hier l. 8ob; Suškov, Prezidium CK KPSS, S. 218–222; Zubok, A failed empire, S. 193–196; Fursenko/Naftali, Khrushchev’s cold war, S. 537–540; Du Quenoy, The role; Kap. 4.4.

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sches Land und Indien bei all seiner Neutralität ein bourgeoiser Staat, und wir mussten es nicht mit Waffen gegen das sozialistische China versorgen.«916 Insgesamt hatte die kommende Praxis zu zeigen, inwieweit es den neuen Machthabern gelang, gute Beziehungen zu Indien mit einem stärkeren Akzent auf antiimperialistischen Positionen, finanzwirtschaftlicher Nüchternheit und dem Wunsch, China wieder nahezukommen, zu vereinbaren.917 Zunächst einmal versprach Kosygin dem besorgten Delhi Ende Oktober 1964, dass die sowjetische Indienpolitik einschließlich der Wirtschafts- und Militärbeziehungen keine Änderungen erfahren sollte.918 Darüber hinaus suchte man in übergeordneten internationalen Fragen nach Übereinstimmungen. Dies betraf unter anderem die Atompolitik. Die Problematik gewann durch den erfolgreichen Atombombentest Chinas am 16. Oktober 1964 zusätzliche Brisanz. Die Führung in Delhi blieb zwar trotz der außenpolitischen Machtund Prestigeverschiebung zunächst bei der überkommenen Linie, keine eigenen Atomwaffen zu entwickeln. Sie sah sich aber mit neuen innenpolitischen Forderungen konfrontiert, die auf eine Revision dieser Entscheidung zielten.919 Aus dieser Zwickmühle konnte Indien die in London lancierte Idee eines »nuklearen Schirms zum Schutz […] gegen nukleare Erpressung durch Dritte« nur dann heraushelfen, wenn die UdSSR darin »eine wichtige Rolle« spielen würde. Ansonsten würde das Gesamtunternehmen Moskau vor den Kopf stoßen. Par916 Bericht ZK-Präsidium für Oktoberplenum ZK [13.10.1964], in: Nikita Chruščev 1964, S. 182– 216, S. 200 f. Tatsächlich waren die indischen Rüstungsausgaben von 590 Millionen US-Dollar 1960/61 auf 995 Millionen 1962/63, bzw. von einem Anteil von 1,98 % am Nationaleinkommen auf 3,1 %, später auf 5,2 % bzw. von 1,73 % des Bruttosozialprodukts auf 2,7 (4,5 %) gestiegen. Der Anteil der Rüstungs- an den Regierungsausgaben erreichte 1960/61 bereits 14,5 %, 1962/63 16,1 % und danach über 20 %, vgl. Entwurf, Economic implications of the Draft five year defense plan, 15.5.1964, NARA, RG 59, Lot 68D49, Box 3, Defense Affairs. 917 Vgl. neben Anm. 915–916 Beschluss ZK-Präsidium, 28.10.1964, in: Nikita Chruščev 1964, S. 324–328, hier S. 326; Vermerk Brežnev, 27.11.1965, in: General’nyj sekretar’ L. I. Brežnev, S. 52 ff., hier S. 52; Semanov, Leonid Brežnev, S. 126 f.; Brun/Hersh, Soviet-Third World relations, S. 135–140; Valkenier, The Soviet Union, S. 11–16, 20 f., 32–37, 76–80, 142; Singh, The Yogi, S. 45 f.; Friedman, Shadow Cold War, S. 128–145. 918 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Kosygin mit Gandhi, 30.10.1964, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; [T. N. Kaul], Vermerk über indisch-sowjetische Beziehungen, [nach Oktober 1964], ebd.; Gandhi an T. N. Kaul, 6.11.1964 und 22.2.1965, ebd., Correspondence with I. Gandhi; Aleksandrov-Agentov, Ot Kollontaj, S. 241–243. 919 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Shastri mit SoS CRO u. a., 4.12.1964, NAK, PREM 13/397; Aufzeichnung Gespräch Foster mit B. K. Nehru, 3.11.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 74; Aufzeichnung Gespräch Ball mit Bhabha, 22.2.1965, ebd., Nr. 88; SNIE 31–1– 65, 21.10.1965, India’s nuclear weapons policy, ebd., Nr. 237; Bowles an State Department, 31.12.1964 und 21.1.1965, ebd., Nr. 82, 85; Karnad, Nuclear weapons, S. 160–275; Perkovich, India’s nuclear bomb, S. 66–88.

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allel dazu sprach sich Delhi dafür aus, die Vereinbarungen über den Stopp von Atomtests erheblich auszuweiten, mit einem Nichtverbreitungs-Abkommen als Ziel.920 Diese Linie kam der UdSSR auch mit Blick auf China entgegen, waren doch sowjetische Hoffnungen auf eine Verbesserung der Beziehungen zu Peking bereits Ende 1964 zerstoben. Chinesisch-sowjetische Spitzengespräche Anfang November 1964 erbrachten keine Annäherung in der Sache. Ausfälle von Verteidigungsminister Malinovskij gegen Maos Person vergifteten die bilaterale Atmosphäre zusätzlich.921 Ungeachtet dessen mochten sich zumindest verschiedene Asienexperten des MID nicht gleich wieder von der indischen Diplomatie auf eine klare antichinesische Linie festlegen lassen. Indien, so der stellvertretende Leiter der Südostasien-Abteilung des MID, Michail Kapica, verfolge im sowjetisch-indisch-chinesischen Dreieck »provokatorische Absichten […]. Dazu kann sich die Sowjetunion natürlich nicht hergeben.«922 Die UdSSR sah allerdings keine Probleme darin, das indische ambitionierte Aufrüstungsprogramm mit weiteren substantiellen Lieferungen zu unterstützen.923 In anderen relevanten Feldern internationaler Politik machten sich ebenso überkommene Divergenzen zwischen einer imperial und einer national informierten Globalpolitik bemerkbar. So blieb in den UN die Frage sowjetischer Beitragspflichten und Stimmrechte prekär.924 Wie Chruščev, so betrachteten auch seine Nachfolger die Vereinten Nationen in erster Linie als »ein Instrument 920 State Department an US-Botschaft Delhi, 12.12.1964, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 79, resp. Aufzeichnung Gespräche Shastri mit Wilson, 4.12.1964, NAK, PREM 13/397 sowie PREM 13/48. Vgl. Bowles an State Department, 5.3.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 91; Shastri auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 9. Sitzung, 22.6.1965, NAK, CAB 133/254; McGarr, The cold war, S. 287 f.; Brecher, India, S. 229–232; Moshaver, Nuclear weapons, S. 33–41, 111–113; Sarkar, The making, S. 935–942. 921 Vgl. Entwurf Bericht Brežnev über Delegationsverhandlungen, 14.11.1964, in: Prozumenščikov (Hg.), Spor, Teil 1, S. 19–24; Brežnev auf ZK-Plenum, 16.11.1964, RGANI, f. 2, op. 1, d. 765, ll. 68–79, hier ll. 74 f.; Aufzeichnung Gespräche Zhou Enlai mit Červonenko, 28.10.1964, sowie mit Brežnev, 8.11.1964, in: Nikita Chruščev 1964, S. 330–334, 348–356; Protokoll Gespräch Zhou Enlai mit Ho Chi Minh, 1.3.1965, in: 77 conversations, Westad u. a. (Hg.), S. 75 f.; Fedotov, Polveka, S. 329 f., 334 f.; Jersild, The Sino-Soviet alliance, S. 171–175. Ein Konsultativtreffen von 19 Parteien am 1.–5.3.1965 ging ohne chinesische Beteiligung über die Bühne, vgl. Suslov auf ZK-Plenum (24.–26.3.1965), 26.3.1965, RGANI, f. 2, op. 1, d. 786, ll. 50 ff.; Radchenko, Two suns, S. 120 ff.; Fedotov, Polveka, S. 341–349. Rodion Jakovlevič Malinovskij, u. a. 1956–1967 ZK-Mitglied, 1956–1957 erster stellv. Verteidigungsminister, 1957–1967 Verteidigungsminister. 922 Vermerk über Gespräch Rossmeisl mit Kapica, 29.4.1965, PA AA, MfAA, A. 17444, Bl. 299 f. 923 Vgl. McGarr, The cold war, S. 292 f.; Vasudevan, Shadows, S. 44–48. 924 Vgl. Vermerk über Gespräch Rossmeisl mit Zorin, 28.11.1964, PA AA, MfAA, A. 794, Bl. 31– 36.

Politik: Diplomatie und Parteibeziehungen

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zur Durchsetzung und Propagierung der außenpolitischen Ziele der sozialistischen Staaten« und als ein Forum für die Zusammenarbeit »des antiimperialistischen und antikolonialen Lagers«. Dies bedeutete nicht, dass der Kreml etwa Vorhaltungen aus Afrika oder Asien folgen und auf seine Veto-Sonderrechte verzichten würde.925 Im MID bezweifelte man in diesem Zusammenhang sogar den Mehrwert, den die eigene Diplomatie aus einer Erweiterung der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats um Indien ziehen könnte.926 Das Land hatte in den Augen der Diplomaten seine frühere Bedeutung in der Dritten Welt und damit auch an Relevanz für die sowjetische Politik gegenüber den neuen Staaten insgesamt verloren. Delhi, so die Wahrnehmung, nutzte die entsprechenden Foren hauptsächlich nur noch für Manöver gegen Pakistan und China. Darüber vergaß Indien in sowjetischen Augen trotz der eskalierenden Lage in Vietnam, die USA ins Visier zu nehmen.927 Indochina hatte sich seit Anfang der 1960er als der Krisenherd erwiesen, in dem die Globalstrategie der UdSSR mit ihrer schwierigen Balance zwischen friedlicher Koexistenz und Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen vom radikaleren China besonders offensiv hinterfragt und herausgefordert wurde. Vor diesem Hintergrund und angesichts des verstärkten amerikanischen Engagements in Vietnam änderte die neue Führung in Moskau ab Ende 1964 schrittweise die Balance zwischen geglätteten Supermachtbeziehungen, die die USA offenkundig nicht von der Eskalierung in Vietnam abhalten konnten, und dem eigenen Einsatz zugunsten einer aktiveren Unterstützung der nordvietnamesischen Politik. Die indische Regierung mühte sich dagegen um den 925 MfAA, Abteilungsleiter Internationale Organisationen, Thun, Vermerk über Gespräch mit Leiter Abteilung Internationale Organisationen MID, Novikov, am 2.3.1965, 9.3.1965, PA AA, MfAA, A. 169, Bl. 51–57, hier Bl. 55 f. Vgl. Gromyko an Außenpolitische Kommission ZK, Entwurf Direktive für Konferenz Algier, 28.10.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 480, ll. 142 ff., hier ll. 156 f. 926 Vgl. neben Anm. 925 Vermerk MfAA, Abteilung Internationale Organiastionen, über Gespräch mit Mendelevič, am 29.7.1965, 3.8.1965, PA AA, MfAA, A. 795, Bl. 97 ff.; Gromyko an Suslov, 2.7.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 489, ll. 1 ff. 927 Vgl. Vermerk MfAA, 2. Außereuropäische Abteilung, 28.1.1965, PA AA, MfAA, A. 17444, Bl. 329 ff.; stellv. KGB-Vors. Zacharov an ZK, 15.4.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 480, ll. 44 ff.; Aktenvermerk Rossmeisl über Gespräch mit Leiter MID-Informationsverwaltung, Blatov, am 2.11.1964, 5.11.1964, PA AA, MfAA, A. 167, Bl. 226–231, hier Bl. 230 f.; MfAA, 2. Außereuropäische Abteilung, Sektion Indien, Vermerk über Indien und die Zweite Konferenz der Blockfreien, 24.11.1964, PA AA, MfAA, C 1738/76, Bl. 92 ff.; Vermerk über Gespräch Rossmeisl mit Kapica, 29.4.1965, PA AA, MfAA, A. 17444, Bl. 299 f.; Aufzeichnung Gespräch Kosygin mit Gandhi, 30.10.1964, NMML, T. N. Kaul Papers, 15; Information Rossmeisl über Gespräch mit Lichačev am 26.5.1965, 27.5.1965, PA AA, MfAA, A. 17094, Bl. 66–73, hier Bl. 68 f.

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Ausgleich zwischen Hanoi und Washington.928 Demgemäß blickte Moskau hinsichtlich der Lage in Indochina, der US-Invasion in der Dominikanischen Republik und der Johnson-Doktrin generell eher auf Staaten wie Burma, Ghana oder die UAR, um dem gemeinsamen »antiimperialistischen Kampf« Schwung und der entsprechenden antichinesischen Note Überzeugungskraft zu verleihen.929 Auch Indiens innenpolitische Situation stellte sich der neuen sowjetischen Führung, die den Anspruch erhob, in ihren Außenbeziehungen klassen­ mäßige Faktoren klarer zur Geltung zu bringen, problematischer dar als gehabt. Zunächst einmal waren in der CPI einige Genossen vom Machtwechsel in Moskau nicht nur überrascht, sondern auch unangenehm berührt. Funktionäre erinnerten später, dass die Parteiführung im Dezember 1964 nur »mit Mühe einige Delegierte davon überzeugen konnte, keine Resolution zur Abstimmung zu stellen, die Chruščevs Leben und Werk würdigte und ihm für die Zukunft Gesundheit wünschte«.930 Der rechten Mehrheit in CPI-Führungsgremien ging es derweil mit Blick auf China weniger um die Wiederherstellung der Einheit des internationalen Kommunismus. Sie setzte vielmehr ganz nationalbewusst auf weiteren Beistand der KPdSU »gegen die gefährliche Linie der chinesischen Führung«.931 Angesichts derartiger Positionierungen der Parteirechten war das endgültige Auseinanderbrechen der CPI nur noch eine Frage der Zeit. Und richtig: Ende 1964 besiegelten zwei Parteitage in Bombay und Calcutta die Spaltung der kommunistischen Partei in eine (rechts-gemäßigte) CPI und eine (linke) CPI (M).932 Peking setzte im transnationalen Parteienstreit auf die linke Neugruppierung (und später auf noch radikalere weitere Abspaltungen). Die KPdSU ihrerseits blieb vor allem an der Unterstützung antichinesischer Kommunisten 928 Vgl. Gaiduk, Confronting Vietnam, S. 134–204; Olsen, Soviet-Vietnam relations, S. 121–149; Gaiduk, The Soviet Union, S. XV, 4–72; Lüthi, The Sino-Soviet split, S. 305–339; Lüthi (Hg.), Twenty-four Soviet-bloc documents; Lawrence, The limits, S. 51–58; Stolberg, People’s warfare, S. 248–254; Yang, Changes, S. 29–34; Tung, Interpreting, S. 48 ff.; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 256–261; Friedman, Shadow Cold War, S. 129–131. 929 Entwurf MID für ZK, Direktive für sowjetische Delegation auf Konferenz Algier, 17.6.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 480, ll. 93 ff.; Gromyko an Außenpolitische Kommission ZK, 28.10.1965, ebd., ll. 142 ff. 930 Sen, A traveller, S. 254 f. 931 Information SED, ZK-Abteilung Internationale Verbindungen zu Presseerklärung CPI-Zentralsekretariat vom 17.10.1964, 3.11.1964, SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/20, Nr. 638. 932 Vgl. Aktenvermerk Böttger über Gespräch mit Namboodiripad am 12.11.1964, 20.11.1964, PA AA, MfAA, A. 14030, Bl. 180–182; Information SED, ZK-Abteilung Internationale Beziehungen, Nr. 2/1965 über VII. Parteitag CPI in Bombay, 13.–23.12.1964, SAPMO-BArch, DY 30/ IV A 2/20, Nr. 639.

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aus Indien interessiert.933 Sowjetische Beobachter mussten sich allerdings eingestehen, dass mit einem S. A. Dange auf Dauer kaum der erstrebte Staat in Indien zu machen war. Sie träumten mitunter von einer geeinten, schlagkräftigen CPI unter Führung von Namboodiripad, um, endlich, auch in Indien durch »mächtigen Druck von unten« »einen entschiedenen Kampf gegen die äußere und innere Reaktion zu führen« und die dräuende kapitalistische Entwicklung in Indien abzubrechen – eine kapitalistische Entwicklung, die sich trotz der außenwirtschaftspolitischen Bemühungen der UdSSR in den vergangenen Jahren zunehmend zu verfestigen schien.934

4.4. Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte Nachdem Indien und die UdSSR ab 1954/1955 ihre Wirtschafts- und Handelsbeziehungen intensiviert hatten, war für Delhi zu prüfen, inwiefern das sozialistische Weltsystem ein lohnenderer Partner war als kapitalistische Wirtschaften.935 Moskau musste derweil sehen, ob seine komplexen wirtschaftlichen und politischen Zielsetzungen erreicht würden. Dabei waren aufgrund der divergierenden nationalen bzw. imperialen Zielsetzungen und der damit einhergehenden wirtschafts- und außenwirtschaftspolitischen Strategien indische und sowjetische Bewertungsmaßstäbe nicht deckungsgleich. Die Beweisführung wurde mitunter durch den Umstand erschwert, dass bürokratische Eigenheiten beider Seiten sich zusätzlich hemmend auswirken konnten. Zudem übten die Konkurrenz indisch-kapitalistischer Kontakte, Zwänge sozialistisch-kapitalistischer Beziehungen sowie die Dynamik kapitalistisch geprägter Weltmärkte Einfluss auf die bilateralen Beziehungen aus. Schließlich stand die sowjetische Seite vor dem Problem, dass sie sich wegen des schwierigen Dreiecksverhält-

933 Vgl. Beschluss ZK-Präsidium, 8.10.1964, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 3, S. 750– 756; Suslov auf ZK-Plenum (24.–26.3.1965), 26.3.1965, RGANI, f. 2, op. 1, d. 786, l. 50 ff.; Gupta, Communism (1978), S. 65 f., 82, 90 f., 364 f. 934 Mirskij, O nekapitalističeskom puti, S. 5. Vgl. Beiträge in Kommunist Nr. 17/1964 sowie in Meždunarodnaja žizn’ Nr. 12/1964; Suslov auf ZK-Plenum, 26.3.1965, RGANI, f. 2, op. 1, d. 786, ll. 50 ff., hier l. 50. 935 Vgl. neben Kap. 3.4., Anm. 741, Sánchez-Sibony, Red globalization; Khanin, The 1950s; Tomlinson, The economy, S. 156 ff.; Brecher, Nehru, S. 530 ff.; Chandra/Mukherjee/Mukherjee, India; Brown, Nehru (2003); Gopal, Nehru 2–3; Metcalf/Metcalf, A concise history; Engerman, The romance; Mathew, India’s economic relations; Mason/Asher, The World Bank; Glietsch, Der Einfluss.

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nisses zu Peking und Delhi auch in Fragen der Außenwirtschaftsbeziehungen auf vermintem Gelände bewegte. Chruščevs Moskau sah es als wirtschaftliche Hauptaufgabe an, den friedlichen Wettbewerb mit der kapitalistischen Welt möglichst zügig für sich zu entscheiden. Dafür mussten innerhalb der UdSSR und den mit ihr verbundenen RGW-Staaten wahrgenommene Rückständigkeiten aufgeholt sowie Wirtschaftsentwicklungen unter anderem in Indien im sowjetisch-sozialistischen Sinn gelenkt werden. Generell waren die verschiedenen Aspekte des sowjetischen Programms in einem multidimensionalen Gesamtkomplex verwoben, in dem jeder Teilbereich auf andere zurückstrahlte. So bremste die Untererfüllung von Lieferverpflichtungen nach Indien beispielsweise nicht nur die gewünschte Wirtschaftsentwicklung vor Ort. Sie mochte im Extremfall das sowjetische Importvolumen von Konsumgütern oder Rohstoffen mindern und zudem dem allgemeinen Prestige der Weltmacht UdSSR schaden. In dem ambitionierten Programm konnte sich der Kreml zunächst auf überlegene Wachstumsraten der eigenen Wirtschaft stützen. Ab den 1960er-Jahren geriet die UdSSR jedoch gerade im unverzichtbaren Handel mit der Ersten Welt in negative Bilanzen. In Indien stießen die nationalen Vorstellungen von einem, auch mit Hilfestellung von außen in Gang gesetzten, zügigen Fortschritt, der die Lebenschancen und -bedingungen der indischen Bevölkerung rapide substantiell erhöhen und die staatliche Unabhängigkeit stärken sollte, ebenfalls sowohl auf praktische als auch auf grundsätzliche Probleme. Herausforderungen in Ernährungswirtschaft und Industrie, das Verhältnis von Schwer- und Heimindustrien, von mittelfristiger Modernisierung und kurzfristiger Arbeitsbeschaffung sowie von Privatund Staatswirtschaft mussten kontinuierlich ausbalanciert werden. Ungleichgewichte und Asynchronitäten, die die Regierung Nehru unter anderem zwischen industrieller und landwirtschaftlicher Entwicklung bewusst zuließ, mussten sich durch zügige Ergebnisse rechtfertigen. Dies galt auch für den mit der Industrial Policy Resolution 1956 forcierten Ausbau des Staatssektors in Kernindustrien. Auf der internationalen Ebene suchten indische Wirtschaftspolitiker angesichts der unausweichlichen politischen Konnotationen gerade bilaterale Hilfspakete mit Argusaugen nach Fußangeln ab. Sie erwarteten jedoch zugleich schnelle Dividenden. In der Verflechtung von nationalen wirtschaftspolitischen Eigenwegen mit Mechanismen und Ideen internationaler konkurrierender Angebote und Verbindungen stellte sich zudem die Aufgabe, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen internationalen Zuflüssen, unmittelbaren Notprogrammen und den längerfristigen Aufnahme-, Nutzungs- und Entwicklungskapazitäten vor Ort zu finden. Internationale Krisen mit rüstungspolitischen Folgen oder Militär- und

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Prestigeprojekte, die aus nationalpolitischen Gründen für notwendig erachtet wurden, erschwerten die Situation zusätzlich. Es blieb eine Herkulesaufgabe, angesichts der grassierenden Unterversorgung breiter Schichten und der nach der Erschöpfung der Sterling-Guthaben explodierenden Devisenknappheit des Landes eigene wirtschafts- und entwicklungspolitische Prioritäten auch tatsächlich verfolgen zu können. Die in Indien gefundenen Austarierungen waren in aller Regel Kompromisslösungen, die das Land auf einen gewundenen Weg mit unterschiedlichen Ausbuchtungen setzten, zur Unzufriedenheit in- und ausländischer Theoretiker der einen oder anderen Schule. Insgesamt gingen die komplizierten Rechnungen bereits in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre nicht mehr auf. Vor diesem Hintergrund erfuhren die indisch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen ab 1955 zumindest quantitativ einen mehr oder weniger kontinuierlichen Aufschwung. Kernprobleme und -widersprüche lösten sich dadurch jedoch nicht auf. Für eine detaillierte Rekonstruktion der zahlreichen Einzelmaßnahmen und -projekte ist die Aktenlage nicht ausreichend. Daher werden hier für die Periode ab Mitte der 1950er-Jahre, im Gegensatz zur Darstellung der früheren Entwicklungen, die relevanten Grundlinien, Grundsatzfragen und Gesamtbilanzen zeitübergreifend abgehandelt. 4.4.1. Widersprüche imperialer und nationaler Wirtschaftsprogramme Das von Nehru und seinen Beratern favorisierte beschleunigte Modernisierungsprojekt setzte ab 1955 verstärkt, aber nicht ausschließlich, auf den forcierten Aufbau von Schwerindustrien im Staatssektor. Erst mit einer starken, staatlich kontrollierten industriellen Basis, so die Überlegung, wäre das Land wirtschaftlich unabhängig. Auf Dauer könnte es so in den Genuss der wirtschafts- und handelspolitischen Vorteile einer Exportnation kommen. Zudem erlaubte es die Zuordnung der Schlüsselwirtschaften zum Staatssektor, die Früchte der Arbeit gemäß dem Nehru’schen Verständnis von Gemeinwohl zu verteilen. Die ambitionierte Wirtschaftspolitik war schließlich auch Teil einer nach innen gerichteten Erziehungsmission, die indische Eliten im Rahmen des nation building gegenüber der eigenen Gesellschaft verfolgten.936 936 Vgl. Entwurf Nehru und Entwurf Resolution Industriepolitik, Lok Sabha, 15. und 30.4.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 72–79, hier v. a. S. 73 f.; Nehru an V. T. Krishnamachari, 1.4.1956, ebd., S. 64–66; Vermerk über Gespräch Macmillan mit T. T. Krishnamachari, 10.1.1958, NAK, DO 35/6524; Nehru vor Bharat Sewak Samaj, 8.3.1959, SWJN 2, Vol. 47, S. 319–340, hier S. 337; Vermerk Dutt über Reise in die UdSSR, 15.7.1960, hier S. 13–16, NMML, Subimal Dutt Papers, Subject File 23.

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Der Premier beschrieb den indischen Weg zu einem »Wohlfahrtsstaat« als »pragmatisch-sozialistischen Ansatz«. Produktionssteigerungen sollten über Anreize und friedliche Streitschlichtung statt durch Zwang erreicht werden.937 Der zweite Fünfjahresplan machte zwar deutliche Anleihen bei sowjetischen Plänen, doch Nehru und andere eher sozialdemokratisch denkende Politiker wollten ebenso wie konservative Kollegen der UdSSR – oder China – keinen allgemeingültigen, gesamtsystemischen Modellcharakter zugestehen.938 Ergebnisse und Praktiken im sowjetischen Zentralasien verstanden indische Beobachter eher als Ansporn denn als Schablone.939 Insbesondere Nehru betonte immer wieder den für das indische Projekt inakzeptablen »fürchterlichen Preis«, den die UdSSR für eine Entwicklung, die ohnedies zu einer »seltsamen Mischung von enormem Fortschritt und Rückständigkeit« geführt habe, gezahlt hatte.940 Entsprechend selbstbewusst warb der Premier, wie gesehen, in den Gipfel­ gesprächen 1955 für sein eigenes wirtschaftspolitisches Verständnis.941 Die indische Regierung ging gerade im Rahmen des ehrgeizigen zweiten Fünfjahresplans zu Recht davon aus, dass sie nicht in der Lage war, ihre selbst gestellten Aufgaben ohne ausländische Hilfe, Kooperations- und Wirtschaftsbeziehungen aller Art zu schultern. Die indische Exportindustrie leistete kaum einen merklichen Beitrag.942 Um globale Möglichkeiten weitgehend auszuschöpfen und sich zugleich politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit zu bewahren, versuchte Delhi, Geschäftsbeziehungen mit und vor allem Zuflüsse aus dem Ausland nicht ausufern zu lassen und aufzuteilen.943 Aus diesem Grund waren multilaterale Programme und Verbünde grundsätzlich willkommen, ob

937 Nehru vor Congress Parliament Party, 26.8.1957, und 10.5.1958, SWJN 2, Vol. 39, S. 77–88, hier S. 79 f., sowie Vol. 42, S. 71–78, hier S. 74–76; Nehru an Chief Ministers, 19.1.1959, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 196–208. 938 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 30.12.1955, 15.8.1957 sowie 21.10. und 2.12.1958, in: Parth­ asarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 4, S. 326–333, hier S. 330 f., S. 531–544, hier S. 540 f. sowie Band 5, S. 153 f., 166; Sitzung National Development Council, 1.–2.5.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 39–52, hier S. 46; Sitzung Plankommission 1.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 121–123. 939 Vgl. Nehru an Innenminister Pant, 30.5.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 98–102, hier S. 100 f.; Vermerk Dutt über Reise in UdSSR, 15.7.1960, hier S. 13, NMML, Subimal Dutt Papers, 23. 940 Nehru an Chief Ministers, 1.11.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 719–725, hier S. 721 f. 941 Vgl. Kap. 3.2. und 3.3. 942 Vgl. u. a. Elias, Die Außenwirtschaftsbeziehungen, S. 95 f.; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 351–363. 943 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 30.7., 6.9.1958 und 25.3.1959, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 106–110, 113–124, 219–232.

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auf regionaler oder internationaler Ebene.944 In diesem Gesamtkonzept blieb der Beitrag, den sowjetische Gelder, Handelsgüter und Kooperationsprojekte zum indischen Aufbauprogramm leisten konnten und sollten, innerhalb der indischen Politik umstritten. Wie in den Vorjahren, so sahen zwar auch konservativere Geister wie Generalsekretär Pillai konkrete Chancen: Die Einbeziehung der UdSSR könnte, so ihre Erwägung, den internationalen Wettbewerb zugunsten Indiens beleben. Zudem schien sich die sowjetische Staatswirtschaft für verschiedene Lieferwünsche im Rahmen der Industrialisierungspolitik eher anzubieten.945 Dennoch blieben zahlreiche Vertreter in Delhis politischem Establishment zurückhaltend, sei es wegen der Furcht vor sowjetischer Subversion, sei es wegen einer trotz allem unüberwindbaren Abneigung gegen das sowjetische System oder aus Misstrauen gegenüber der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der UdSSR.946 Nehru hingegen überzeugte sich während seines Besuchs 1955, dass die Kooperation mit der Sowjetunion tatsächlich Dividenden abwerfen könnte.947 Konsequent betrieb seine Delegation in Moskau die umfassende Ausweitung der Wirtschaftsverbindungen. Dabei achtete Nehru zum Wohle der staatlichen Selbstbestimmung auch hier darauf, dass die angestrebte Zusammenarbeit nicht auf Kosten laufender indischer Projekte ging oder neue Abhängigkeiten in sich barg.948 Im Fazit kamen die entsprechenden Abschlussvereinbarungen den indischen wirtschaftspolitischen Plänen durchaus entgegen.949 944 Vgl. u. a. Mason/Asher, The World Bank, S. 192–200, 224, 282 f., 343, 665 ff., 830 ff.; Muir­ head, Differing perspectives; Pal, World Bank; Dash, World Bank; Manchanda, Interregionale Süd-Süd-Wirtschaftsintegration, S. 1–5; Rist, The history, S. 88–90; Glietsch, Der Einfluss, S. 47–89. 945 Vgl. Aufzeichnung Pillai, 29.7.1955, NMML, Subimal Dutt Papers, 16. 946 Vgl. T. T. Krishnamachari an Nehru, 11.10.1955, zit. in SWJN 2, Vol. 30, S. 165; Solodovnik an Chruščev und Bulganin, 9.11.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, l. 68–76, hier l. 72; Vermerk MEA über interministerielle Beratung über Wirtschaftsverhandlungen mit Moskau, 16.11.1955, NAI, 1 (121)-Eur, 1955; Aufzeichnung Secretaries Co-ordination Committee, 25.11.1955, ebd. 947 Vgl. u. a. Tagesberichte V. Kuznecov an ZK ab 8.6.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 50, d. 19, ll. 81–154, hier ll. 107 ff., 146, l. 149 f.; Konferenz indische Botschafter Europa, 28.–30.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 242–257, hier S. 247, 253–256. 948 Vgl. neben Anm. 941 Nehru an Rohstoffminister Malaviya, 13.9.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 418; Nehru an T. T. Krishnamachari, 11.10.1955, ebd., S. 165; Nehru an Malaviya, 25.10.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 429 f.; Rede Nehru, Delhi, 10.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 3 ff. 949 Vereinbart wurde die grundsätzliche Bereitschaft der UdSSR, ihre Einkäufe in Indien (Rohstoffe, Industriewaren) zu erhöhen. Die UdSSR war zudem bereit, innerhalb der nächsten drei Jahre eine Million Tonnen Stahl zu liefern. Parallel hierzu wurde das Handelsabkommen vom 2.12.1953 verlängert, vgl. indisch-sowjetisches Memorandum, 13.12.1955, in: Jain (Hg.), Soviet South Asian relations I, S. 234–236, Warenlisten in RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 6724, ll. 23 f., 36–

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Auch in der Folgezeit demonstrierte die gesamte indische Führung eine hohe Sensibilität bezüglich aller tatsächlichen oder befürchteten politischen Ins­trumentalisierungsversuche der Wirtschaftsbeziehungen durch die UdSSR.950 Hieraus und aus den anhaltenden innerindischen Richtungsdebatten ergab sich ein ambivalenter Kurs, der sowjetischen Stellen mitunter ein Übermaß an Geduld abverlangte. Selbstkritisch vermerkte der Premier 1957, dass man sich verschiedentlich gegenüber den »Russen« nicht besonders eindeutig verhalten habe. »They have offered help to us in many ways and on many occasions. We have encouraged them to do so and then allowed the matter to drop. I know that they feel this and think naturally that we have done this for political reasons.«951 Wenn dies tatsächlich der Wahrnehmung in Moskau entsprach, dann konnte es nicht ohne Einfluss auf die innersowjetischen Diskussionen über Sinn und Erfolgsaussichten der 1955 endgültig gestarteten Wirtschaftsoffensive bleiben. Im Gesamtmaßstab sahen sowjetische Spitzenpolitiker bereits 1955 voraus, dass sich aus einer bloßen Ausweitung der Wirtschaftsverbindungen ohne belastbares ökonomisches Fundament unweigerlich Verteilungskämpfe und Spannungen zwischen verschiedenen Zielvorgaben der Außenwirtschaftspolitik ergeben mussten.952 Diese Gefahr diskutierte das ZK-Präsidium Ende 1955 anlässlich der Rückkehr von Bulganin und Chruščev im Kontext der Neuausrichtung der internationalen Beziehungen durch. Für die Riege der wirtschaftspolitischen Zweifler betonte Kaganovič, dass die sowjetische Wirtschaft nichts an die Dritte Welt zu verschenken habe und – nach damaligem Stand – den wirtschaftlichen Konkurrenzkampf mit den USA in der Dritten Welt kaum bestehen könne. Mikojan argumentierte für Chruščevs neue Linie: »Wir müssen einigen Staaten helfen, wenn wir in einen ernsthafteren Wettstreit mit den USA eintreten wollen.«953 Zu diesem Zeitpunkt schien Indien aufgrund der in Delhi verfolgten Vorhaben von Wirtschaftsplanung, Aufbau der Schwerindustrie, Ausbau des 38; indisch-sowjetischer Briefwechsel, 30.1.1957 und 3.1.1958, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 6724, ll. 19 ff. sowie ebd., d. 7564, ll. 23 ff.; politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1955, 15.2.1956, NAI, R&I 3(30), hier S. 11. 950 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 9.6.1958, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 51– 62; Vermerk über Gespräch Nehru mit sowjetischem Botschafter, 3.7.1958, SWJN 2, Vol. 43, S. 547–549; Nehru an Chief Minister Mysore, Jatti, 29.8.1958, ebd., S. 285; Nehru an Swaran Singh, 31.8.1958, ebd., S. 175; Nehru an Desai, 8.11.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 109 f. 951 Nehru an T. T. Krishnamachari, 9.9.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 97 f., hier S. 98. Vgl. Nehru an Staatsminister Industrie, Shah, 2.12.1958, SWJN 2, Vol. 45, S. 543 f. 952 Protokoll Gespräch Nehru mit Bulganin u. a., 10.6.1955, SWJN 2, Vol. 29, S. 213–219, hier S. 218. 953 Sitzung ZK-Präsidium, 16.12.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 71 f.

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Staatssektors, Diversifizierung des Handels, und – wenn auch ungenügender – Agrarreform sowie mit Blick auf die politische Offenheit ein vielversprechender Ansatzpunkt zu sein. Ein gelungenes Beispiel könnte zudem in andere Staaten der Dritten Welt ausstrahlen.954 Bezeichnenderweise spekulierte das MVT Ende 1955 allein für die kommenden fünf Jahre darauf, das indisch-sowjetische Handelsvolumen um 1400 Prozent zu steigern.955 Pakistan erwies sich im Übrigen als wenig attraktiv. Hier erreichten Geschäftsbeziehungen erst Mitte der 1960er-Jahre nennenswerten Umfang und Kontinuität.956 Wie bereits beschrieben, setzte sich 1955 der Erste Sekretär mit seiner Globalstrategie erst einmal durch. Die Intensivierung der sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen unter anderem zum kooperationsbereiten Indien sollte neben allem unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen für die UdSSR dem imperialistischen Lager Märkte, Einfluss und Kraft rauben. Umgekehrt würde die Mischung aus Schlüsselprojekten, weiteren Wirtschaftskontakten, der angenommenen Überzeugungskraft erfolgreicher sozialistischer Entwicklungswege weltweit, der entsprechenden propagandistischen Aufbereitung und einer linken Dynamik in Indien selbst die angestrebte Umgestaltung der indischen Wirtschaftsweise und der damit verbundenen Gesellschaftsbeziehungen erreichen.957 »[I]m Handel mit den schwach entwickelten Ländern müssen in erster Linie politische Erwägungen beachtet werden«, war daher die Devise. Planer aus dem Staatlichen 954 Vgl. Solodovnik an Ponomarev, 22./23.12.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 282, ll. 136 ff.; Sitzung ZK-Präsidium, 22.12.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 72–75, hier S. 73 f.; Aufzeichnung Gespräch Chruščev/Mikojan mit japanischer Parlamentsdelegation, 3.10.1964, in: Artizov u. a. (Hg.), Nikita Chruščev, S. 160–176, hier S. 171 f.; GKĖS, Maletin, auf Sitzung sowjetischer Orientalisten zu Problemen in Asien und Afrika, 29.10.1958, RGANI, f. 5, op. 35, d. 79, hier l. 228. 955 Vgl. Kabanov an Chruščev, 26.10.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 113, ll. 70–89, hier l. 79; Sánches-Sibony, Red globalization, S. 129. 956 Vgl. u. a. Aufzeichnung Gespräch Vladimirskij mit Handelsminister Bhutto, 11.7.1959, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8802, l. 349; Aufzeichnung Gespräch Brežnev mit pakistanischem Botschafter Chilali, 3.8.1960, GARF, f. 7523, op. 78, d. 171, ll. 131–136; Handelsabkommen, 27.6.1956, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 7188, ll. 11–22; Information über Regierungskredite des RGW, o. D., BArch, DL 2/VA 6773, Mappe 591/66; Entwürfe und Gesprächsaufzeichnungen zu Vertragsverhandlungen, ab Dezember 1964, RGAĖ, f. 413, op. 31, d. 173, ll. 3 ff. sowie d. 174, ll. 1 ff.; d. 315, ll. 248 ff.; sowjetisch-pakistanisches Protokoll, 7.4.1965, RGAĖ, f. 413, op. 31, d. 703, ll. 6–23; MfAA, Abt. Südost- und Südasien, Übersicht über sowjetische Hilfen für Pakistan, 15.4.1968, PA AA, MfAA, C 626/70, Bl. 10; Burke/Ziring, Pakistan’s foreign policy, S. 289 ff. 957 Vgl. Sitzung ZK-Präsidium, 16.12.1955, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 71 f.; Information ZK KPdSU an ZK SED, 11.1.1956, SAPMO-BArch, DY 30/3634, Bl. 1–10, hier Bl. 6; Kabanov auf IX. Ratstagung RGW, 26.–30.6.1958, BArch, DC 2/13083a; F. Kozlov auf ZK-Plenum, 16.7.1960, RGANI, f. 2, op. 1, d. 484, ll. 69 ff., hier l. 75; Chruščev, Vremja 3, S. 82–86, 358 f.

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Wirtschaftswissenschaftlichen Rat beispielsweise definierten die Handelsbeziehungen entsprechend als einen Aspekt »der Gewährleistung der wirtschaftlichen und politischen Unabhängigkeit dieser Länder […] in ihrer Entwicklung auf dem Weg zum Sozialismus«.958 Konsequenterweise waren aus sowjetischer Sicht beispielsweise die Aktivitäten des 1958 gegründeten Aid India Consortium mit seinen umfangreichen Kreditrahmen Teil des »wirtschaftlichen Angriffs« der USA auch auf Südasien.959 Aufgrund derselben Vorstellungswelt verstand Moskau Jahre später die indische Entscheidung, stärker auf eine kapitalistisch agierende Landwirtschaft zu setzen, als Alarmsignal, da sie auch von Expertenwissen der Weltbank und der USA informiert war.960 Für innersowjetische Diskussionen während Chruščevs Amtszeit war immer von Belang, inwieweit die indische Wirtschaftsentwicklung und -politik von der sowjetischen Blaupause abwich, und ob verschiedene Unternehmungen auch für die UdSSR wirtschaftlich tatsächlich nützlich erschienen.961 In der konkreten Zusammenarbeit würde sich erweisen, inwieweit beide Partner, insbesondere jedoch die an Wirtschaftskraft überlegene UdSSR, unter den skizzierten komplexen Bedingungen wirtschaftliche Schwächen des Gegenübers für politische Zwecke nutzen, ignorieren oder korrigieren konnte und wollte. Immerhin hatten bereits im Dezember 1955 britische Beobachter ein »ziemlich hartes« Geschäftsgebahren der sowjetischen Seite registriert, als es um die konkreten Konditionen für sowjetische Stahllieferungen an Indien ging.962 Dabei war allen sowjetischen und indischen Akteuren bewusst, dass die indische Wirtschaft, gemessen an nackten Zahlen, von kapitalistischen Staaten in Handels-, Finanz-, Kredit- und Hilfsbeziehungen ein Mehrfaches von dem 958 [Wirtschaftskommission UdSSR], [N.] Gusev an Goregljad, o. D., RGAĖ, f. 7, op. 3, d. 507. Vgl. MID-Abt. SOA an ZK, [Ausgang 1.2.1960] sowie 11.2.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 72, d. 19, hier l. 31. 959 Archipov an ZK, Muchitdinov, 26.11.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 15 ff. Vgl. stellv. Vors. GKĖS, Suloev, an ZK, 17.5.1962, RGANI, f. 5, op. 40, d. 174, ll. 35 ff.; Rechenschaftsbericht GKĖS für 1962, 4.4.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 411, ll. 6 ff.; Skačkov an Chruščev, 7.9.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 305, ll. 128–132; Spandar’jan an MVT, 1. und 2. Exportverwaltung, 29.11.1959, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 294 ff. 960 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Plankommission mit Kosygin, 21.2.1961, NMML, Subimal Dutt Papers, 95; Borisov an ZK, 12.10.1960, RGANI, f. 5, op. 45, d. 266, ll. 103 ff.; Glietsch, Der Einfluss, S. 83–90; Lewis, India’s political economy, S. 79–113; Frankel, India’s political economy, S. 226 f., 234–303; Unger, Entwicklungspfade, S. 82–121. 961 Vgl. Tugarinov an Šepilov, 8.2. und 9.3.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 222, ll. 75 ff. sowie d. 224, ll. 217 ff.; Vermerk MID, Nesterenko, 25.12.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 156 ff.; Lichačev an ZK, 26.12.1959 und 7.1.1960, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 171 ff. sowie d. 335, ll. 1 ff.; Borisov an SovMin, [nach 2.3.1961], RGAĖ, f. 4372, op. 63, d. 397, ll. 37 f. 962 Stellv. britischer Hochkommissari Delhi, Middleton, an CRO, 17.1.1956, NAK, FO 371/123587.

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bezog, was die UdSSR und ihre Verbündeten leisteten. In den entsprechenden Aufstellungen blieben Großbritannien, die USA, dann die Bundesrepublik und andere westeuropäische oder amerikanische kapitalistische Partner führend. Dabei gab Großbritannien seine starke Stellung in der indischen Privat- und Handelswirtschaft bis in die 1960er-Jahre hinein in Teilen an die USA ab.963 Insgesamt verliehen wirtschaftspolitische Eigeninteressen oder Zwänge, allgemeine wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie konkrete Leistungsmöglichkeiten den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen eine andere Form, als in den gesamtstrategisch politisch-ideologischen Erwägungungen der UdSSR vorgesehen. In der Praxis genossen Staaten wie Indien in der sowjetischen Außenwirtschaftspolitik keine unbedingte Priorität, und Staaten wie der UdSSR wurde in der indischen Außenwirtschaft keine bedingungslose Parität eingeräumt. Beide Seiten konnten daher in laufenden Kontakten oder in punktuellen Notlagen nur beschränktes wirtschaftspolitisches Entgegenkommen der Gegenseite erwarten. Wie in anderen Teilen der Welt, so konzentrierte sich die UdSSR in ihren Außenwirtschaftskontakten zu Indien vornehmlich auf bilaterale Beziehungen. Im Rahmen der UN-Programme beschränkte sich die sowjetische Seite im Wesentlichen darauf, Flagge zu zeigen, propagandistische Möglichkeiten auszuschöpfen und bei einzelnen Gelegenheiten UN-Kanäle für bilaterale Projekte zu nutzen.964 Bei den direkten sowjetisch-indischen Verbindungen setzte Moskau auf verschiedene Instrumente. Während gezielte Projekthilfen wie Bhilai die indische Industrialisierung im Staatssektor vorantreiben sollten, begleitete der Handel die Großprojekte und lockerte indische Bindungen an die kapitalistische Weltwirtschaft. Volkswirtschaftlich gedacht erwarteten sich Moskauer Stellen von den Handelsbeziehungen die Zulieferung indischer Rohstoffe, gegebenenfalls Fertigwaren und Konsumgüter. Gemäß sowjetischem Kalkül ließ sich durch den Handel einerseits die eigene Abhängigkeit von entwickelten kapitalistischen Staaten reduzieren, andererseits ganz pragmatisch die sowjetische Devisensituation für den notwendigen restlichen ›Ost-West-Handel‹ entspannen. Darüber hinaus ging man in Moskau davon aus, über den Umweg über die Dritte Welt

963 Vgl. Kap. 4.4.2. und Tab. 1–4; Nehru an T. T. Krishnamachari, 13.6.1956, SWJN 2, Vol. 33, S. 125; Nehru an V. L. Pandit, 17.9.1957, SWJN 39, S. 110; Lall, Bericht über 10. Sitzung GA UN, 27.1.1956, NAI, 64–R & I/56 (S); Barooah, Indo-British relations, S. 245–248, 256–277; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 357 f.; Mehrotra, India, S. 15 f., 21. 964 Vgl. Rede Chruščev, Calcutta, 15.2.1960, in: Choudhary (Hg.), Dr. Rajendra Prasad, 21, hier S. 387; UN, Aufstellung über sowjetische Beiträge zu UN-Programmen, Juli 1964, UNA, S-0883, Box 7, File 15; Rubinstein, The Soviets, S. 44, 62–70, 131–135; Toye/Toye, The UN, S. 173 f.

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an know-how der kapitalistischen Industriestaaten heranzukommen.965 In Verbund mit den Projekthilfen erhoffte sich die sowjetische Seite vom Partnerland Indien zudem aufnahmebereite Märkte für eigene umsatz- und prestigeträchtige Exportgüter. Hier dachte die UdSSR vor allem an den Maschinensektor. In diesem Zusammenhang illustrierte das Wirtschaftsgut Traktor beispielhaft Kalkül und Problematik des sowjetischen Ansatzes. Vor dem Hintergrund der innersowjetischen Industrialisierungs- und Mechanisierungswellen seit Stalin waren Traktoren immer auch mit allen Konnotationen einer grundlegenden Umwälzung gesellschaftlicher Strukturen und wirtschaftlicher Unabhängigkeit versehen, die mit den erwähnten langfristigen Zielen der Projekthilfen konform gingen.966 Allerdings musste Moskau im Bereich der landwirtschaftlichen Maschinen ebenfalls kapitalistischen input nutzen, um die eigene Produktpalette zu modernisieren und zu optimieren, damit man sie überhaupt an den – wählerischen – indischen Mann bringen konnte.967 Ausbildungshilfen und technische Kooperationen schließlich sollten die Wirkung materieller Hilfeleistungen vervielfachen und dadurch auf längere Sicht die Geberländer zunehmend entlasten. Zusätzlich zielten sie mittel- und langfristig auf die Schaffung einer neuen wirtschaftlichen Führungs- und Expertenelite in Indien, die die Vorzüge des sozialistischen Wirtschaftens und Handelns zu würdigen wüsste.968 Flankiert wurden die Wirtschaftsbeziehungen von umfangreichen Propagandakampagnen, die das Ihre dazu beitragen sollten, die 965 Auch wenn der Handel zwischen der UdSSR und Indien in der Regel in Rupien abgewickelt wurde, so bestand zumindest noch 1956 die Möglichkeit für die UdSSR, Rupienguthaben in britische Pfund umzuwandeln, vgl. B. K. Nehru an Lall, 4.6.1956, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru. Vgl. insges. Maletin an ZK, 28.9.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 224, l. 260; Anweisungen für sowjetische Delegation für Konferenz über Eisenbeton, bestätigt stellv. Vors. Gosstroj, Lebed’, 4.2.1958, RGAĖ f. 339, op. 3, d. 654, ll. 14–16; Skačkov an ZK, 12.12.1963, RGANI, f. 5, op. 55, d. 26, ll. 167 ff.; Chruščev auf Arbeitssitzung zu Vorbereitung Fünfjahresplan 1966–1970, in: Nikita Chruščev, Artizov u. a. (Hg.), S. 142–149, hier S. 146 f.; Vors. Kontrollkommission SovMin, Enjutin, an ZK, Brežnev, 23.9.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 275, ll. 37 ff.; Chruničev an SovMin, 17.10.1960, RGAĖ, f. 4372, op. 79, d. 345, ll. 197 ff.; Vors. Komitee für Erfindungen beim SovMin, Garmasev, an ZK, 14.7.1959, RGANI, f. 5, op. 40, d. 122, l. 131; stellv. MVT, Smeljakov, u. a. an Vors. Gosplan, Lomako, 30.1.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 65, d. 408, ll. 13–15. 966 Vgl. Engerman, West, S. 203 f.; Behrends, Die erfundene Freundschaft, S. 75 f. 967 Vgl. MVT, Aufstellung sowjetischer Lieferungen nach Indien, Stand 1.1.1959, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 278 ff.; Ponomarenko an Chruščev, 30.3.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 101–137, hier ll. 133 f.; Aufstellung MVT, [1960], RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 124 ff.; Leiter ZK-Abteilung Maschinenbau, Frolov, und Panjuškin an ZK, 20.8.1962, RGANI, f. 5, op. 40, d. 174, l. 1. 968 Vgl. Zorin an Skačkov, 5.3.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 425, l. 24.

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Empfänglichkeit der indischen Massen und Regierenden für das sowjetische Modell zu erhöhen. Hierfür stellten sowjetische Medien aller Art die Positiva sozialistischer Wirtschaftsplanung, -leistung und -beziehungen unter anderem am Beispiel der UdSSR, Osteuropas und, anfangs, Chinas heraus. Parallel hierzu wurden alle denkbaren welt- und nationalwirtschaftlichen Negativfolgen aller erdenklichen bilateralen und multilateralen Maßnahmen der USA und ihrer Verbündeten in schwärzesten Farben an die Wand gemalt.969 Ab 1956 ging die UdSSR mit neuer Verve daran, die wirtschaftlichen Kräfte des gesamten sozialistischen Lagers in ihrem Sinne zu bündeln. Auf Dauer erwartete sich Moskau von der Koordinierung und Arbeitsteilung vor allem im RGW sowie von einer allgemeinen Steigerung der Produktivität in allen Einzelstaaten die Korrektur des politisch so gefährlichen wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen sozialistischem und kapitalistischem Lager.970 »Vor der kommunistischen Bewegung erhebt sich in ganzer Größe die Aufgabe, den Sieg des Sozialismus in der ganzen Welt um den Preis der geringsten Kosten und Opfer zu gewährleisten«, fasste es Chruščev vor dem RGW-Rat im Juni 1962 zusammen. »Unsere wirtschaftlichen Verbindungen mit den Völkern der Staaten, die unlängst ihre nationale Unabhängigkeit errungen haben, […] ist nicht so sehr eine kommerzielle, sondern vielmehr eine politische Frage, eine Frage der Unterstützung der nationalen Befreiungsbewegung und der Bestrebungen der bisher kolonialen Länder, sich vom wirtschaftlichen Joch der Imperialisten zu befreien. Zugleich geht es dabei um die Stärkung unseres Einflusses in den Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, weil davon in vieler Hinsicht abhängt, welchen Weg diese Länder beschreiten und wessen Verbündeter sie morgen sein werden.«971 Parallel zu den politischen Grundlinien stellten sowjetische Handelspolitiker jedoch auch unmittelbare wirtschaftliche Vorteile heraus,

969 Vgl. u. a. Anweisungen für Teilnahme an Arbeitssitzung Expertengruppe UNESCO, [1960], RGANI, f. 11, op. 1, d. 482, ll. 69 ff.; Beschlüsse Ideologie-Kommission, 5. und 24.11.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 443, ll. 81 ff. sowie d. 456, ll. 62 ff.; Aufzeichnung Dolja über Gespräch mit Than, 24.7.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 4. 970 Vgl. GUĖS, Unterlagen zur Tagung am 6.1.1956, SAPMO-BArch, DY 30/3473, Bl. 31 ff.; Chruščev an Ulbricht, 16.11.1955 und 10.2.1958, SAPMO-BArch, DY 30/3473, Bl. 1 ff. sowie 3474, Bl. 4 ff.; Statut RGW, 14.12.1959, BArch, DE 1/3376; Ponomarev (Hg.), Geschichte, S. 429–435. 971 Chruščev auf Beratung Partei- und Regierungschefs RGW, 6.–7.6.1962, SAPMO-BArch, DY 30/3481, Bl. 1 ff., hier S. 41. Vgl. Beschlussentwurf und Beschluss der Partei- und Regierungschefs RGW, 6.–7.6.1962, SAPMO-BArch, DY 30/3482, Bl. 118 ff., 155 ff.

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um ihre Kollegen im RGW für umfangreichere Maßnahmen zu begeistern.972 In diesem Gesamtrahmen hatten die entsprechenden RGW-Kommissionen nicht nur die Außenwirtschaft der Teilnehmerstaaten auf kapitalistischen Märkten zu koordinieren, sondern sie überwachten etwa auch »ökonomische und politische Zweckmäßigkeiten« von Projektlieferungen in die Dritte Welt.973 Die Aktivierung des RGW wurde durch den Umstand erschwert, dass bereits innerhalb des Verbunds Wünsche von Mitgliedern, die auf Industrialisierungshilfen angewiesen waren, mit »den Interessen der Länder mit einer stärker entwickelten Ökonomik« unter einen Hut gebracht werden mussten.974 Die Problematik zeigte sich in aller Schärfe seit den 1960er-Jahren, als sich Rumänien immer offener einer sozialistischen internationalen Arbeitsteilung entziehen wollte, da sie Bukarests Meinung nach den eigenen nationalen Entwicklungsinteressen zuwiderlief.975 Doch auch in den Jahren davor sah sich die politische Führung in Moskau mehrfach gefordert. Immer wieder zwangen insgesamt knappe Ressourcen oder unterschiedliche Zielvorstellungen in den verwobenen Programmen von Stärkung der sozialistischen Wirtschaften einerseits und Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen mit Staaten der Dritten Welt ande972 Vgl. Kabanov auf IX. Ratstagung RGW, 26.–30.6.1958, BArch, DC 2/13083a; Entwurf Sekretariat RGW für Beschlüsse IX. Ratstagung, 26.–30.6.1958, PA AA, MfAA, A 10095, Bl. 239 ff.; Aufzeichnungen Gespräche amtierender Leiter DDR-Handelsvertretung Delhi, Krüger, mit Tadžibaev, 29. und 30.7.1958, PA AA, MfAA A 13901, Bl. 16–20. 973 Empfehlungen Kommissions-Tagung, 14.–16.5.1957, BArch, DL 2/2416, Bl. 32–34, hier Bl. 32. Vgl. 1. Tagung Ständige Kommission RGW für Koordinierung der Technischen Hilfe, 29.– 30.6.1961, BArch, DL 2/VA 6762; Abkommen über die Gründung der Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit, 22.10.1963, Abschlusskommuniqués Parteiberatungen RGW, 23.5.1958, 7.6.1962 und 26.7.1963, in: Uschakow, Integration, S. 217–224, 994–1006; Hacker, Der Ostblock, S. 503 f., 625–629, 670–674; Stone, Satellites, S. 33 f.; Zwass, Der Rat, S. 33–43. Es muss angesichts der Aktenlage dahingestellt bleiben, ob die Modellfunktion, die dem RGW gegenüber den internationalen kapitalistischen Wirtschaftsbeziehungen sowie, später, gegenüber chinesischen Ansprüchen für globale sozialistische Beziehungen zwischen industriell unterschiedlich entwickelten Ländern zukommen konnte, in der Praxis bewusst mitgedacht und angesteuert wurde. Zumindest nahm der Rat 1962 mit der Mongolei erstmals ein asiatisches sozialistisches Land auf, auch wenn hierfür unmittelbar wohl der sowjetisch-chinesische Konflikt ausschlaggebend sein mochte, vgl. Bericht RGW-Sekretär Fadeev auf X. RGW-Tagung, 13.–16.5.1959, BArch, DC 20/12044; Lorenzini, Comecon; Armstrong, Fraternal socialism; Zhang, Economic cold war, S. 212–264, 282–294. 974 Beschluss Beratung Vertreter kommunistischer und Arbeiterparteien RGW-Teilnehmerländer und Vertreter der Bruderparteien der volksdemokratischen Länder des Ostens über Fragen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, 1958, SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/2.021/799, Bl. 1–6, hier Bl. 3. Vgl. Jersild, The Sino-Soviet alliance, S. 58–81. 975 Vgl. Information DDR-Delegation über 12. Sitzung RGW-Exekutivkomitee, 21.–24.4.1964, SAPMO-BArch, DY 30/3424, hier Bl. 96 f., 111; Ahrends, Gegenseitige Wirtschaftshilfe, S. 155– 157.

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rerseits dazu, Prioritäten zu setzen. Ende 1959 etwa drängten ukrainische Werke auf eine Entscheidung, ob sie Lieferungen für China oder für Indien termingerecht abarbeiten sollten.976 Die indisch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen wurden in allen relevanten Teilbereichen durch die verschiedenartigen, mitunter inkompatiblen Ausgangspositionen und Zielvorstellungen der Beteiligten sowie durch die spezifischen Rahmenbedingungen von globaler Systemkonkurrenz und weltwirtschaftlichen Prozessen beeinflusst und behindert. Dazu kamen auf beiden Seiten organisatorische, planerische und Produktionsschwierigkeiten – Faktoren, die auf interne Grundprobleme der Partner zurückverwiesen. Auch wenn die sowjetische Außenwirtschaft der Ära Chruščev zumindest kurzfristig positive Resultate erzielte: Im gesamten Untersuchungszeitraum ist der innersowjetische Schriftverkehr aller Branchen und Sparten durchsetzt mit Klagen über mitunter schwerwiegende Termin-, Qualitäts-, Planungs-, Abstimmungs- und allgemeine Fertigungsprobleme. Dies galt für Exponate für Indus­ trieausstellungen, Rechenmaschinen oder Handelswaren. Ironischerweise betrafen die Beschwerden auch Herstellung und Vertrieb von Grundlagenliteratur zur Planwirtschaft. Bis in die 1960er-Jahre hinein mühten sich sowjetische Kons­ trukteure und Verkäufer, mit den besonderen Anforderungen zurechtzukommen, die, so der Topos, »Länder mit tropischem Klima« an sowjetische Produkte aller Art stellten.977 Ob der katastrophalen Qualität gelieferter Maschinenbauteile verweigerten schon 1957 erste indische Käufer die Zahlungen.978 Ein Jahr zuvor hatten sich Kunden in Indien darüber entsetzt, dass sie mit Druckmaschi-

976 Vgl. Volkswirtschaftsrat Char’kov an GKĖS und Mikojan, 6.11.1959, GARF, f. 5446, op. 93, d. 960, l. 59; stellv. Vors. Gosplan, Perov, an SovMin, 22.11.1957, RGAĖ, f. 4372, op. 76, d. 172, l. 252; Verfügung SovMin Nr. 2370r, 23.7.1958, GARF, f. 5446, op. 92, d. 676, l. 130; Volkswirtschaftsrat Leningrad an Kosygin, 14.4.1959, GARF, f. 5446, op. 93, d. 963, ll. 20 f. 977 Tichomorov an SovMin, 15.7.1958, GARF, f. 5446, op. 92, d. 118, ll. 131 ff. Vgl. aus der Fülle an Belegen Smeljakov an Ministerien/Behörden mit Entwurf Beschluss SovMin, Januar 1963, RGAĖ, f. 4372, op. 65, d. 410, ll. 221 f.; stellv. Minister für Bau von Straßen- und Baumaschinen, Nikiforov, an Mikojan, 12.8.1955, GARF, f. 5446, op. 89, d. 140, ll. 195 f.; stellv. Minister für Bau von Geräten und Mitteln der Automatisierung, Rakovskij, an SovMin, 2.12.1956, GARF, f. 5446, op. 90, d. 1067, l. 82; Kollegiumsitzung Ministerium für Schwermaschinenbau, 23.3.1957, RGAĖ, f. 8243, op. 1, d. 460; Material zu Beschluss SovMin, 9.6.1961, RGANI, f. 5, op. 40, d. 155; Entwurf Beschluss SovMin, MVT/Gosplan, 5.1.1962, RGAĖ, f. 4372, op. 64, d. 438, ll. 152 ff.; Vors. Moskauer Volkswirtschaftsrat, Petuchov, an Mikojan, 21.1.1958, RGAĖ, f. 4372, op. 57, d. 381, ll. 185 ff. 978 Vgl. Panjuškin an Furceva, 24.1.1957, RGANI, f. 5, op. 14, d. 18, ll. 3 f.

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nen aus der UdSSR das Papier nicht bedruckten, sondern »perforierten«.979 Planvorgaben für den Export konnten bereits 1956 nur zu 80 bis 90 Prozent erfüllt werden.980 Bisweilen tätigte die sowjetische Volkswirtschaft zusätzliche Importe, um die eigenen Werke für die Exportproduktion nach Indien freizuhalten.981 Angesichts der hohen politischen Bedeutung, die Moskau den Beziehungen beimaß, befasste sich oftmals Mikojan persönlich, sei es in seiner Eigenschaft als erster stellvertretender Vorsitzender des Ministerrats, als Mitglied des ZK-Präsidiums oder als Vertrauter Chruščevs, mit fehlenden Ersatzteilen, inadäquaten Verpackungen von Lieferungen, mit Problemen »nicht-standardisierter« Ausrüstungsgegenstände, der Herausgabe fremdsprachiger Kataloge und Prospekte oder der schlechten Versorgungslage für ausländische Schiffe in sowjetischen Häfen.982 Dabei hatten Lösungen auf dem Kommandoweg oder durch die Mobilisierung von Parteistellen ebenso wie Änderungen in der Planungs- oder Produktionsstruktur im Wesentlichen ohne Erhöhung von Finanz-, Rohstoff- oder Personalzuweisungen auszukommen. Letztlich war die Erfüllung der internationalen Vertragsverpflichtungen immer auch von einer zumindest punktuellen Begeisterungsfähigkeit, Loyalität oder gehorsamen Duldsamkeit der Untergebenen und Arbeiter abhängig – oder sie wurde vor Ort durch Tricks und Verschiebungen vorgegaukelt.983 Wiederum kann der Export von Traktoren und anderen landwirtschaftlichen Maschinen die Problemlagen illustrieren. Die UdSSR war in diesem Bereich Mitte der 1950er-Jahre ebenfalls nur unzureichend auf die Ausweitung des internationalen Handels eingestellt.984 Sowjetische Maschinen waren überteuert. Sowjetische Exporteure mussten mitunter eigene Spezialisten nach Indien entsenden, 979 Kabanov an ZK, 31.8.1956, mit Stellungnahme Smeljakov, 10.9.1956, RGANI, f. 5, op. 40, d. 40, ll. 96–104. Vgl. Sánchez-Sibony, Red globalization, S. 123–126, 161–170, 175–182, 195–233, 316 f. 980 Vgl. Minister für Werkzeugmaschinenbau und Industrie, Kostousov, 11.10.1956 an ZK, RGANI, f. 5, op. 40, d. 40, ll. 106 f.; Vermerk über Gespräch Produktionsminister Reddy mit Mikojan, 23.10.1956, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with K. P. S. Menon. 981 Vgl. MVT, GKĖS, Gosplan an Mikojan, 18.2.1959, RGAĖ, f. 4372, op. 57, d. 384, l. 186. 982 Vgl. Mikojan an Gosplan, 17.6.1957, RGAĖ, f. 4372, op. 76, d. 172, ll. 1 f.; Vors. Volkswirtschaftsrat Char’kov, Sobol’, an Mikojan, 6.11.1959, mit Vermerk Mikojan, 11.11.1959, RGAĖ, f. 4372, op. 58, d. 345, ll. 145–146 ob; Borisov an Mikojan, 2.11.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1021, ll. 47 ff.; Mikojan an Vors. SovMin Ukraine, Kalčenko, 7.3.1958, GARF, f. 5446, op. 92, d. 676, l. 47; Smeljakov an SovMin, 25.4.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1016, ll. 29 f. 983 Vgl. Sekretär Krajkom Stavropol’sker Kraj, Stepomec, an ZK-Abt. für Maschinenbau, o. D. [1957], RGANI, f. 5, op. 40, d. 72, ll. 121 f.; Materialsammlung zu Beschlüssen ZK/SovMin Nr. 300, 13.3.1958, und Beschluss SovMin Nr. 1174–532, 3.10.1957, RGANI, f. 5, op. 40, d. 199; Kosygin an SovMin Armenien, 2.12.1960, GARF, f. 5446, op. 94, d. 954, l. 59. 984 Vgl. MVT an Saburov, 29.12.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 113, l. 132.

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um dort die gelieferten Maschinen überhaupt in Gang zu bringen.985 Ende der 1950er-Jahre übten Käufer weltweit sowie das ZK in Moskau harsche Kritik an der Qualität zahlreicher landwirtschaftlicher Maschinen, die als Standardausführungen weißrussischer Werke in den Export gingen.986 Doch noch 1961 bat der Direktor einer Fabrik in Vladimir darum, seine Traktoren trotz festgestellter »ernsthafter Mängel« an Rädern und Motoren weiter in den Export geben zu dürfen, da keine Korrekturen möglich seien.987 Generell änderte sich in dieser Produktionssparte bis in die 1960er-Jahre kaum etwas, was die zähe Einführung neuer Modelle, fahruntaugliche Einzelexemplare, unverständliche Handbücher, Unzuverlässigkeiten in der Lieferung von Ersatzteilen und allgemeine Lieferengpässe betraf.988 Es war kein Wunder, dass die indische Seite immer wieder darauf drängte, die Preise nach unten zu korrigieren. Private Partner, mit denen es sowjetische Unterhändler in diesem Feld häufig zu tun hatten, verlangten auch in anderen Fragen von ihrem sowjetischen Gegenüber ungewohnte Flexibilität.989 Ein anderes Fallbeispiel für die Schwierigkeiten en gros und im Detail stellte Bhilai dar, Symbol und eines der Kernstücke sowjetisch-indischer Wirtschaftsbeziehungen. Selbst hier kam es immer wieder zu sowjetischen Lieferrückständen oder zu Qualitätsproblemen sowjetischer Produktionen, und auch hier standen dahinter oftmals Engpässe sowie Abstimmungsschwierigkeiten der beteiligten Apparate.990 Die sowjetischen Experten vor Ort waren sich der Brisanz dieser 985 Vgl. Velikij an geschäftsführenden Leiter 2. Exportverwaltung MVT, Gordeev, 4.4.1956, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 7817, ll. 177–211; Beschluss ZK KP Weißrussland, 12.3.1959, RGANI, f. 5, op. 14, d. 19, l. 18. 986 Vgl. Volkswirtschaftsrat, Lisnjak, an ZK-Abteilung Maschinenbau, Grigor’ev, 17.7.1959, RGANI, f. 5, op. 40, d. 119, l. 18; Borisov an ZK, 23.7.1959, RGANI, f. 5, op. 40, d. 119, ll. 49 f.; Patoličev an ZK, 23.11.1959, RGANI, f. 5, op. 40, d. 119, ll. 124 ff. 987 Smeljakov an SovMin, 5.9.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1021, ll. 29 ff.; stellv. Leiter ZK-Abteilung Maschinenbau, Grigor’ev, an ZK, 2.10.1961, RGANI, f. 5, op. 40, d. 155, ll. 170 f. 988 Vgl. Patoličev an ZK, 28.3.1963, RGANI, f. 5, op. 40, d. 174, ll. 108 f.; Skačkov an Muchitdinov, 3.6.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 29–31; Volkswirtschaftsrat UdSSR, Entwurf Beschluss SovMin, Mai 1963, RGAĖ, f. 233, op. 1, d. 437, l. 95; Protokoll 11. Tagung Ständige Kommission RGW für Außenhandel, 24.–26.6.1963, BArch, DL 2/VA 6766, Mappe 230/63; Frolov/ Panjuškin an ZK, 20.8.1962, RGANI, f. 5, op. 40, d. 174, l. 1. 989 Vgl. indische und sowjetische Briefentwürfe zum Warenaustausch 1961–1963, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8312, l. 57; Vors. Gosplan, Kuz’min, Patoličev und Kabanov an Kozlov, 24.10.1958, RGAĖ, f. 4372, op. 77, d. 219, ll. 209 ff.; Vermerk Sekretariat Ständige Kommission RGW für Außenhandel, 21.6.1962, BArch, DL 2/VA 6764, Mappe 187/62, hier S. 98; Vermerk Širjaev, 15.4.1961, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 98–110, hier ll. 101–103. 990 Vgl. Leiter Bhilai-Verwaltung im Ministerium für den Bau von Metallurgie- und Chemiewerken, Petrenko, an Chruščev, 14.6.1956, RGANI, f. 5, op. 30, d. 224, ll. 209 ff.; Kollegiumsitzung Ministerium für Schwermaschinenbau, 23.3.1957, RGAĖ, f. 8243, op. 1, d. 460; Dymšic an

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Mängel bewusst. Wenn bei Lieferungen bereits die Farbe abblätterte, wussten sie, dann fragten indische Ingenieure nüchtern, ob »man alte Maschinen geschickt« habe. Der erste sowjetische Chefingenieur in Bhilai, Veniamin Dymšic, klagte 1958, dass einzelne Lieferungen – es ging um Kräne aus Fabriken in Odessa – von ausländischen Firmen genutzt würden, um die sowjetische Technik schlechtzumachen. Dies fiel den böswilligen Konkurrenten erschreckend einfach, reizten die Kräne doch auch indische Partner zu Spott und Hohn. »Solche Kräne darf man nicht in kapitalistische Länder schicken«, schloss Dymšic seinen Bericht.991 Fundamentale Betriebsschwierigkeiten wie eine unzureichende technische Dokumentation und fehlende Hand­bücher trugen dazu bei, die Modellfunktion des gesamten Bauprojekts wiederholt in Frage zu stellen.992 Dass es zum Zeitpunkt der kritisierten Auslieferungen schon einen gemeinsamen Beschluss von ZK und Ministerrat über die Verbesserung der Konstruktion und der Qualität der Kräne aus Odessa gab, belegte einmal mehr sowohl die Detailversessenheit als auch die Schwerfälligkeit der Planbürokratie.993 Darüber hinaus stellte das Großprojekt in Bhilai wie alle anderen bilateralen Unternehmungen die sowjetische Seite vor das Problem, genügend Facharbeiter sowohl für die technischen Aufbauarbeiten als auch für den langfristigen Betrieb bereitzustellen. Bereits für die Planung Bhilais hatte die UdSSR entsprechendes Personal entsandt. Unter dem Zeitdruck, den der Wettlauf mit den westdeutsch bzw. britisch betreuten Werken mit sich brachte, versorgte Moskau die Bauten auch weiterhin mit eigenen Kadern, obgleich die teuren Spezialisten wegen der bis Anfang der 1960er-Jahre recht dünnen sowjetischen Personaldecke dringend in der Binnenwirtschaft benötigt wurden.994 Bemühungen des RGW konnten, was die Quantitäten anging, hier kaum Abhilfe schaffen. 1959 waren rund 620 sowjetische Experten in Bhilai tätig, einschließlich der Familienmitglieder

Mikojan, 14.5.1958, GARF, f. 5446, op. 92, d. 676, l. 95; Senin an SovMin, 3.11.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1021, ll. 90 ff. 991 Dymšic an GKĖS, zit. in Šeremet’ev an stellv. Leiter ZK-Abteilung Schwerindustrie, Jastrebov, 12.8.1958, RGANI, f. 5, op. 40, d. 97, ll. 6 f. Veniamin Ėmanuilovič Dymšic, u. a. 1957–1959 Chefingenieur Bhilai, 1961–1962 erster stellv. Vors. Gosplan, 1962–1985 stellv. Vors. SovMin. 992 Vgl. Skačkov an SovMin, 13.3.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1031, l. 29; stellv. Vors. GKĖS, Sergeev, an Muchitdinov, 16.6.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 249–254, hier l. 253. 993 Vgl. Vors. Volkswirtschaftsrat Odessa, Selivanov, an ZK-Abteilung Maschinenbau, Frolov, 8.9.1958, RGANI, f. 5, op. 40, d. 97, ll. 19 f. 994 Vgl. Aufzeichnungen Gespräche Assistent Leiter MID, Abt. SOA, Kirnasovskij, mit erstem Sekretär indische Botschaft Moskau, Ahudza, 29.6. und 23.10.1957, AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 6, l. 37 sowie d. 7, ll. 46 f.; Skačkov an ZK, 20.8.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 147–151; Archipov an SovMin, 8.10.1959, GARF, f. 5446, op. 93, d. 964, l. 9; Archipov an ZK, 27.12.1963, RGANI, f. 5, op. 40, d. 186, ll. 123 ff.

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belief sich die »sowjetische Bevölkerung in Bhilai« auf rund 1200 Menschen. 1960 zählte die sowjetische Gemeinde bereits rund 2000 Personen, zum Stand 1. Januar 1965 hielten sich 1179 sowjetische Experten in Indien auf. 995 Dabei wurde die Effizienz der Auslandseinsätze oftmals durch mangelnde Fremdsprachenkenntnisse der sowjetischen Fachleute eingeschränkt.996 Die sowjetischen Vertreter hatten zudem mitunter Probleme, ihre in der UdSSR gewonnenen Erfahrungen an die ungewohnten Verhältnisse in der Dritten Welt oder an die Erwartungen schlechter ausgebildeter indischer Kollegen anzupassen. So gingen etwa die ersten Planentwürfe für Bhilai sowohl an der real existierenden indischen Infrastruktur als auch an den vorhandenen Ressourcen vor Ort und indischen Standards für Arbeits- und Bausicherheit vorbei.997 Bei späteren Großprojekten wie Ranchi und Barauni sollten sich Schwierigkeiten hinsichtlich der

995 Moorthy, The road, S. 75 f.; Sinha, Steel city; Srinivasan, The history, S. 48 f., 87 f.; F. Kozlov an V. Kuznecov, und N. Michajlov, 18.2.1960, GARF, f. 5446, op. 94, d. 445, l. 8; Aufstellung Sekretariat RGW, Sunin, an ZK, 29.12.1965, RGANI, f. 5, op. 35, d. 221, ll. 206 ff. Zum Vergleich: Insgesamt arbeiten in der Zeit von 1955–1961 rund 8000 sowjetische Spezialisten auf Projekten in der Dritten Welt. Bis 1963 waren rund 5000 Bürger der Dritten Welt in Betrieben des RGW ausgebildet worden. Der RGW hatte bis zum 1. Januar 1963 ca. 2000 Spezialisten in die Länder der Dritten Welt entsandt, zum 1.1.1965 waren in Indien von 1437 RGW-Experten 1179 sowjetische Bürger. Verglichen mit den ›westlichen‹ Aktivitäten nahmen sich sozialistische bescheiden aus. Allein 1963 hatten sowjetischen Zählungen zufolge 81.500 Bürger der Dritten Welt Ausbildungsprogramme der Ersten Welt durchlaufen, vgl. Archipov an ZK, 27.12.1963, RGANI, f. 5, op. 40, d. 186, ll. 123 ff.; Rechenschaftsbericht GKĖS, 4.4.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 411, ll. 6 ff.; Sekretariat RGW, Operative Daten über wirtschaftliche und technische Hilfe der RGW-Mitgliedsstaaten für die Entwicklungsländer 1963, Moskau, Mai 1964, BArch, DL 2/VA 6769, Mappe 239/64; Protokoll gemeinsame Sitzung Ständige Kommissionen RGW für Außenhandel und für Koordinierung Technischer Hilfe, 17.–19.4.1963, BArch, DL 2/VA 6766, Mappe 210/63; Sunin an ZK, 29.12.1965, RGANI, f. 5, op. 35, d. 221, ll. 206 ff.; Tagung Arbeitsgruppe Ständige Kommission für Koordinierung Technischer Hilfe, 16.–22.10.1962, BArch, DL 2/VA 6764, Mappe 340/62, hier S. 32; Bericht DDR-Delegation über 2. Tagung, 11.–12.1.1962, BArch, DL 2, VA 6763, Mappe 24/62; Information DDR-Delegation über Umsetzung Empfehlungen XVIII. Ratssitzung, Oktober 1963, ebd., VA 6770, Mappe 615/65; Bericht RGW-Kommission für Koordinierung Technischer Hilfe an 10. Tagung RGW-Exekutivkommittee, ebd., Mappe 874/65; Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff. Nikolaj Konstantinovič Bajbakov, u. a. ZK-Mitglied 1952–1961, 1966–1989, 1948–1955 Minister Ölindustrie, 1955–1957 Vors. Staatskommission für Perspektivplanung, 1965–1985 Vors. Gosplan. 996 Vgl. Vors. SovMin RSFSR, Poljanskij, an SovMin, 19.11.1962, GARF, f. 5446, op. 96, d. 1185, ll. 72 ff.; stellv. Leiter Hauptverwaltung Gasindustrie bei SovMin an stellv. Vors. SovMin, Zasjad’ko, 21.8.1961, RGAĖ, f. 4372, op. 63, d. 399, l. 64. 997 Vgl. Šeremet’ev an Chruščev, 5.11.1955, RGANI, f. 5, op. 30, d. 118, ll. 170 ff.; Moorthy, The road, S. 86–89.

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Planung, Kooperation oder Kosten wiederholen.998 Im Ganzen sah die indische Seite jedoch keinen Grund, über Ausbildungsstand und Leistungsfähigkeit der nach Indien entsandten sowjetischen Experten und Facharbeiter zu klagen. 999 Dass sich die spezifischen Defizite und Korrekturversuche in den Akten der 1960er-Jahre genauso darstellen wie in den Quellen der 1950er-Jahre, unterstreicht, dass Chruščevs Wirtschaftspolitik keine strukturellen, dauerhaften Problemlösungen bereithielt. Die Bereitschaft von Partei- und Industriekadern oder Arbeitern zu der ebenso gewollten wie erforderlichen ideologisch-­ patriotischen (Selbst-)Mobilisierung und zu persönlichen Opfern war zudem nicht grenzenlos.1000 Die Unruhen in Novočerkassk 1962 standen zwar nicht in direktem Zusammenhang mit den Wirtschaftsbeziehungen zur Dritten Welt. Sie resultierten jedoch aus der tiefen Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der allgemeinen Unterversorgung im Lande, die Zusatzbelastungen der Außenwirtschaft im Grunde nicht zuließ.1001 Entsprechende Stimmungen machten sich bereits früher bemerkbar. Im Januar 1957 lag Šepilov beispielsweise eine Auswertung von Leserbriefen an die Pravda vor, die sich ganz allgemein über die ständigen pompösen Meldungen über die neue Außen- und Außenwirtschaftspolitik echauffierten. Solche Nachrichten, mahnten die Mitarbeiter, verärgerten die »Menschen, die unter materiellen Problemen leiden, die insbesondere mit Unterbrechungen in der Versorgung verbunden sind«. Die Auswerter empfahlen »Publikationen über die Wirtschaftshilfe an andere Länder und über die wohltätigen Aktivitäten des Roten Kreuzes deutlich zu reduzieren, besonders, wenn die Rede von Sendungen von Lebensmitteln ins Ausland ist«.1002  998 Vgl. Sitzung indische Plankommission, 1.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 121–123; Skačkov an SovMin, 24.3. und 15.7.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1031, l. 40 sowie RGAĖ, f. 4372, op. 63, d. 399, ll. 26–29; Patoličev an SovMin, 25.3.1961, RGAĖ, f. 4372, op. 63, d. 397, ll. 88 f.; Mikojan an GKĖS und Volkswirtschaftsrat, 4.5.1963, RGAĖ, f. 233, op. 1, d. 437, l. 87; Minister für den Bau von Elektrizitätswerken, I. Novikov, und Maletin, an Mikojan, 23.12.1959, GARF, f. 5446, okp. 94, d. 953, ll. 6 ff.; Skačkov an SovMin, 18.1.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1031, l. 21; Kosygin an SovMin RSFSR, 19.3.1962, GARF, f. 5446, op. 96, d. 1183, ll 39 ff.; Kosygin u. a. an SovMin, 22.1.1960, RGAĖ, f. 4372, op. 79, d. 331, ll. 12 ff.; Skačkov an SovMin, 30.11.1962, GARF, f. 5446, op. 97, d. 1377, ll. 9 ff.; Vors. Staatskomitee für Maschinenbau für Chemie und Ölverarbeitung, Kostandov, an SovMin, 19.7.1963, RGAĖ, f. 233, op. 1, d. 437, ll. 21–23; Malaviya an MEA, 10.6.1960, NAI, 13 (47) Eur.E/60.  999 Vgl. Fedorenko an GUĖS, Koval’, 28.8.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 15, d. 13, l. 30; Moor­ thy, The road, S. 88 f., 93–101, 103–106, 108–110, 112 f. 1000 Vgl. Skačkov an ZK, 27.7.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 191 ff.; Tätigkeitsbericht GKĖS für 1962, GARF, f. 5446, op. 97, d. 1376, ll. 5 ff.; Nove, An economic history, S. 352–370, 378 f.; Sánchez-Sibony, Soviet industry. 1001 Vgl. Filtzer, The Khrushchev era, S. 44–58; Kozlov, Mass uprisings. 1002 Redaktion Pravda an Šepilov, 16.1.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 245, ll. 263 ff.

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Auch die indische Seite hatte bei der konkreten Umsetzung der Wirtschaftsbeziehungen ihre Probleme. Innerhalb der Planungsapparate fehlte es zumindest in der Anfangsphase generell an der Kooperationsbereitschaft, wenn es um Kontakte mit ausländischen Beratern ging. Man tat sich schwer, sich zusätzlich zu den komplexen Verbindungen mit der kapitalistischen Welt auf Geschäftsgebaren und Eigenheiten einer sozialistischen Wirtschaft einzustellen. In Bezug auf Großprojekte waren die indischen Aufnahmekapazitäten in organisato­ rischer, planerischer, personeller und technischer Hinsicht begrenzt, wodurch die Wirksamkeit derartiger Hilfen reduziert wurde.1003 Bereits in der Vorbereitungsphase für Bhilai bemängelten sowjetische Experten dementsprechend indische Plan- und Lieferverzögerungen. Dazu forderte der Kreml immer wieder eine höhere Effektivität der indischen Leitungskräfte vor Ort ein.1004 Indien wollte es einfach nicht gelingen, Verpflichtungen hinsichtlich der Auswahl von Baufirmen, der Zahl und Qualifikation der Arbeiter oder der Fertigstellung notwendiger Zulieferungsbetriebe rechtzeitig zu erfüllen.1005 Obwohl Mikojan in einem Krisengespräch im Oktober 1956 Produktionsminister K. C. Reddy erneut auf die Einhaltung vereinbarter Fristen festlegte, registrierten sowjetische Ingenieure vor Ort noch Monate später nervös »die Langsamkeit der Arbeit« sowie den Arbeitermangel.1006 Ende 1958 schließlich nahm sich Chruščev höchstpersönlich der alarmierenden Berichte sowjetischer Spezialisten an und drängte in Delhi darauf, personelle und Lieferengpässe abzustellen. 1960 schlug das GKĖS in Teilen erneut in dieselbe Kerbe.1007 Die indische Politik sah die Abhängigkeit eigener Projekte von externen Beratern mit Unbehagen. Dennoch lief 1956 die Ausbildung indischer Facharbeiter vor Ort oder in der UdSSR nur mit deutlichen Schwierigkeiten an, sei es aus indischer Finanznot, sei es, dass es an ausreichend vorqualifiziertem Per1003 Vgl. Mitglied Kollegium Gosplan, Gusev, an SovMin, 24.4.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 411, ll. 1 ff.; Rechenschaftsbericht GKĖS für 1962, ebd., ll. 6 ff.; Skačkov an ZK, 20.8.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 147–151. 1004 Vgl. [MVT], Goldin, u. a. an stellv. Vors. SovMin, Tevosjan, 25.9.1956, GARF, f. 5446, op. 90, d. 1067, ll. 51 ff.; T. T. Krishnamachari an Nehru, 11.5.1956, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru. 1005 Vgl. Petrenko an Chruščev, 14.6.1956, RGANI, f. 5, op. 30, d. 224, ll. 209 ff.; Srinivasan, The history, S. 38 f., 55 f. 1006 Nehru an Secretary General und Foreign Secretary, 31.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 743 f. Vgl. Vermerk über Gespräch Reddy mit Mikojan, 23.10.1956, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with K. P. S. Menon. 1007 Vgl. Nehru an Minister für Stahl, Minen und Öl, Singh, 26.11.1958, SWJN 2, Vol. 45, S. 542 f.; Nehru an Chruščev, 16.12.1958, ebd., S. 551–553; Nehru an MEA, 12.9.1959, SWJN 2, Vol. 52, S. 145; Nehru an Swaran Singh, 12.7.1960, Antwort 14.7.1960, SWJN 2, Vol. 61, S. 568–570, 857 f.

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sonal fehlte.1008 So waren bis Ende 1957 anstelle der 515 Personen, die für Installationsarbeiten in Bhilai in der Sowjetunion ausgebildet werden sollten, erst 55 in die UdSSR gefahren, trotz sowjetischen Insistierens.1009 Nachdem sich die Kostensituation für die Ausbildung indischer Spezialisten in der UdSSR durch sowjetische Kredite entspannt hatte, machte sich allerdings in der UdSSR das Fehlen einer ausreichenden Zahl von Ausbildungsplätzen bemerkbar.1010 In und für Bhilai selbst wurden letztlich bis 1964/1965 rund 5000 indische Fachkräfte geschult.1011 Die professionellen Standards der Ausbildung genügten insgesamt den Ansprüchen, wie spätere Karrieren demonstrierten.1012 Die gesamten Wirtschaftsbeziehungen litten darunter, dass zuvorderst die indische Seite früh mit Geldnöten zu kämpfen hatte.1013 Bereits 1956/1957 näherten sich in Delhi die Finanzreserven rapide dem Nullpunkt an. Die landwirtschaftliche Unterproduktion respektive Verteilungsschwierigkeiten nahmen dramatische Ausmaße an und verschärften die Gesamtsituation zusätzlich. Die Nehru-Regierung mühte sich auf allen Märkten um weitere Anleihen. Indische Finanzexperten errechneten Ende Mai 1957 eine Deckungs- respektive Devisenlücke für den zweiten Fünfjahresplan in Höhe von rund 700 Millionen US-Dollar, im September bezifferte das Finanzministerium den Fehlbestand bereits auf 1,4 Milliarden US-Dollar.1014 1008 Vgl. Vermerk über Gespräch Reddy mit Mikojan, 23.10.1956, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with K. P. S. Menon; Nehru an Swaran Singh, 31.8.1958, SWJN 2, Vol. 43, S. 175; Nehru an Pillai und Dutt, 7.4.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 167 f.; Archipov an ZK, 3.1.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 1–19, hier l. 15; Skačkov an SovMin, 13.3.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1031, l. 29; Sergeev an Muchitdinov, 16.6.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 249–254, hier l. 253. 1009 Vgl. Nehru an Secretary General und Foreign und Commonwealth Secretaries, 21.10.1957, SWJN  2, Vol.  39, S. 691 f., hier S. 692; Aufzeichnung Gespräch Kosygin und Malaviya, 21.2.1961, NMML, Subimal Dutt Papers, 95; Protokoll Gespräch Kosygin mit indischem Minister für Stahl, Minen und Treibstoff, Singh, 23.2.1961, ebd. 1010 Vgl. Skačkov/stellv. Vors. Gosplan, Strokin, an Mikojan, [nach 17.5.1958], RGAĖ, f. 4372 op. 77, d. 222, l. 193; Šelepin u. a. an SovMin, 18.11.1960, RGAĖ, f. 4372, op. 79, d. 332, l. 175; indisch-sowjetisches Protokoll 11.3.1958, AVP, f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, l. 168. 1011 Vgl. Bajbakov/Skačkov/Patoličev, u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff. Niedrigere Zahlen – rund 2–3000 technische Kader – bei Srinivasan, The history of Bhilai, S. 114–116; Moorthy, The road, S. 105 f., 120 f. 1012 Vgl. Moorthy, The road, S. 93 f., 103 f., 108–110, 116 f. 1013 Vgl. Vermerk Nehru 16.11.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 187–190, hier S. 188; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit sowjetischer Delegation, Muchitdinov, 18.3.1959, NMML, Subimal Dutt Papers, 21. 1014 Vgl. Vermerk für Treasury, Collier, 27.5.1957, NAK, PREM 11/2726; Vermerk Chancellor of the Exchequer für Premier, 31.5.1957, ebd.; Aufzeichnung Weltbank, 29.5.1957, WBA, ADMCF, 91000/0018/IN, Box 181731 B; Frankel, India’s political economy, S. 142–155, 173–175; Lanier, Die Entwicklungspolitik, S. 114–123, 131 f.; Boquérat, No strings, S. 224 f.

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Washington und London hatten sich bereits darangemacht, die eigenen Interessen hinsichtlich langfristiger indischer Zahlungsfähigkeit, Exportförderung, der Neujustierung indischer Militärprogramme und der Ausrichtung der Entwicklungspolitik auf der einen Seite gegen indische Forderungen und ggf. Enttäuschungen auf der anderen Seite abzuwägen. Dahinter stand der sorgenvolle Blick auf wahrgenommene gesteigerte sowjetische Aktivitäten auch in Indien und auf die chinesische Wirtschaftskonkurrenz zum demokratischen Nachbarn. Großbritannien und die USA entschieden sich für ein stärkeres Engagement, wie die Einrichtung des Development Loan Fund (DLF) 1957 und des Aid India Consortium 1958 sowie, etwas später, die Unterstützung für die United Nations Development Decade anzeigten.1015 Von der UdSSR erwartete sich die Nehru-Regierung ebenfalls »einige Hilfe in Form von Maschinen usw. und Krediten.«1016 Moskau war Ende 1957 bereit, den bestehenden Kreditrahmen mit den günstigen Bedingungen hinsichtlich Laufzeit und Zinssatz zunächst um 100 Millionen Dollar zu erweitern.1017 Bis Anfang 1959 beliefen sich die sowjetischen Kredite für Indien dann auf insgesamt 1064,6 Millionen Rubel.1018 Der dritte indische Fünfjahresplan, der Mitte 1960 im Entwurf vorlag, führte die Schwerpunktsetzungen und -ziele des zweiten Plans in erweitertem Maßstab fort. Damit vergrößerten sich angesichts der realen Wirtschaftssituation Indiens 1015 Vgl. Aufzeichnungen Gespräche Black in State Department, 11.9. und 4.10.1957 sowie 12.7.1958, NARA, RG 59, Lot 60D449, Box 9 sowie FRUS 1958–1960 XV, S. 437 ff.; Vermerke über Gespräch Macmillan mit indischen Vertretern, Oktober 1957 bis Januar 1958, NAK, PREM 11/2726 und NAK, DO 35/6524; Memorandum Gespräch Eisenhower, Nixon, Dulles u. a., 12.11.1957, FRUS 1955–1957 VIII, S. 404–406; McGarr, The cold war, S. 55–58, 72–74; Toye/Toye, The UN, S. 138 f., 164–168, 175–179; Barooah, Indo-British relations, S. 240–244; Merrill, Bread, S. 136–145, 154–161; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 37 f., 42 f. 1016 Vgl. Nehru an Malaviya, 2.10.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 123 f. 1017 Die gängigen Kreditbedingungen beinhalteten eine 12-jährige Laufzeit ab Abschluss der entsprechenden Lieferungen, 2,5 % Jahreszins und Abzahlung in Güterlieferungen, 1959 wurde für einige neue Teilkredite eine Laufzeit von 7 Jahren vereinbart, vgl. Nehru an Desai, 8.11.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 109 f.; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 100 f.; Skačkov an Chruščev, 7.9.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 305, ll. 123–127, hier ll. 124 f.; B. K. Nehru an MEA, Dutt, 6.7.1959, SWJN 2, Vol. 50, S. 263 f. 1960 legte Moskau schließlich für Länder außerhalb »aggressiver Blöcke« generell Zinssätze von 2,5 bis 3 %, für Mitglieder der Blöcke von 3,5 bis 6 % fest. Die Laufzeiten waren für alle identisch, 12–15 Jahre, und die Tilgung hatte 1 bis 3 Jahre nach Lieferung zu beginnen. Für Militärkredite beliefen sich die Zinssätze unterschiedslos auf 2 % bei Laufzeiten von 5–10 Jahren, vgl. Beschluss SovMin Nr. 1169–488, 28.10.1960, zit. in Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff. 1018 Vgl. Archipov an ZK, 3.1.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 1–19, hier l. 11. Bis April 1959 stieg der Rahmen auf 1320–1350 Mio. Rubel, vgl. Šeremet’ev an ZK, Sekretariat Muchitdinov, 6.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 177 ff., hier l. 178.

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die bekannten Finanzierungs- und Umsetzungsprobleme.1019 Zur ersten Unterstützung empfahlen sowjetische Wirtschaftsexperten die Bereitstellung neuer Kredite in Höhe von rund 600 bis 800 Millionen Rubeln.1020 Die Politiker im Kreml kalkulierten auf Basis der eigenen forcierten Wirtschaftsprogramme zur Überholung der kapitalistischen Wirtschaft und angesichts neuer Schritte der kapitalistischen Konkurrenz großzügiger. Sie gewährten Indien im Spätsommer 1959 einen weiteren Kredit in Höhe von 1500 Millionen Rubel (rund 1800 Millionen Rupien).1021 Die Tschechoslowakei und Polen zogen mit Krediten über insgesamt 374 Millionen Rupien nach.1022 1961 wurde noch einmal ein sowjetisch-indisches Kreditabkommen abgeschlossen, dieses Mal über 112,5 Millionen Rubel.1023 Dennoch: Die indische Seite hatte sich für den Fünfjahresplan deutlich mehr an sowjetischer Unterstützung gewünscht und in den Gesprächen mehr als doppelt so hohe Summen in den Raum gestellt.1024 Moskau schwamm jedoch wahrlich nicht in Geld. Man müsse sich derartige Kredite »vom eigenen Mund absparen« und »Opfer bringen«, betonte Chruščev gegenüber Kreditnehmern gerne.1025 Verzögerungen und Umverteilungen in Kooperationsprojekten mit Indien brachten durch zusätzliche Verpflichtungen und Aufgaben neue, unerwünschte finanzielle Belastungen.1026 In der UdSSR machten sich 1957 Anzeichen dafür bemerkbar, dass die neuen internationalen Wirtschaftsaktivitäten für das Land einen immensen Kraftakt, möglicherweise eine Überforderung darstellten. Es muss offenbleiben, ob die oben zitierte Sammlung Šepilovs über Reaktionen der Bevölkerung auf die erweiterten Außenwirtschaftsbeziehungen der UdSSR periodischer Berichterstattung entstammte oder Bestandteil einer intensiveren Diskussion der sowjetischen 1019 Vgl. Merrill, Bread, S. 164–167; Frankel, India’s political economy, S. 180–186. 1020 Vgl. GKĖS, Šeremet’ev, an ZK, Sekretariat Muchitdinov, 6.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 177 ff., hier ll. 178 f. 1021 Vgl. Chruščev an Nehru, 15.6.1959, SWJN 2, Vol. 49, S. 714–716; B. K. Nehru an Skačkov, 12.9.1959, SWJN 2, Vol. 51, S. 676 f. 1022 Vgl. MVT, Aufstellung indischer Pressemeldungen über Kreditabkommen, [1959], RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8312, ll. 20 ff.; Protokoll Sitzung ZK-Präsidium, 9.2.1960, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 435 f. 1023 Vgl. Aufzeichnung 1. Europäische Abteilung MfAA, 14.3.1961, PA AA, MfAA, A 17094, Bl. 27–30, hier Bl. 27; Datar, India’s economic relations, S. 17 f.; Tab. 3 und 5, Grafiken 1–3. 1024 Vgl. Nehru an K. P. S. Menon, 30.6.1959, SWJN 2, Vol. 49, S. 592; K. P. S. Menon an Nehru, 19.5.1959, ebd., S. 690 f.; Nehru an Malaviya, 30.7.1959, SWJN 2, Vol. 50, S. 216. 1025 Mićunović, Moscow diary, S. 425; Aufzeichnung Gespräch Chruščev und Ulbricht, 30.5.1964, in: Hoffmann/Malycha (Hg.), Erdöl, S. 181–196. 1026 Vgl. Goldin u. a. an stellv. Vors. SovMin, Tevosjan, 25.9.1956, GARF, f. 5446, op. 90, d. 1067, ll. 51 ff.; Aufzeichnung Telefonat K. P. S. Menon und Kirnasovskij, [November 1957], AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 7, l. 69.

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Außenwirtschaftspolitik bildete.1027 Auf jeden Fall registrierte das sowjetische Finanzministerium neben steigenden Devisenausgaben einen trotz aller Goldverkäufe rapide gesunkenen Devisenvorrat. Es machte in diesem Zusammenhang besorgt auf die passive Zahlungsbilanz im Handel mit den kapitalistischen Industrienationen aufmerksam. Obwohl sich die sowjetische Politik gerade hiervon Unterstützung für die ambitionierten Entwicklungsziele des Sozialismus erhoffte, musste sie Ende der 1950er-Jahre auch noch zunehmend Agrarprodukte beziehen.1028 Aktuelle Importreduzierungen, mit denen die sowjetische Devisenknappheit bekämpft werden sollte, konnten dann wiederum den Handel mit Indien beeinträchtigen. 1957 traf es beispielsweise mit Importbeschränkungen für Jute und Tee zwei potentiell wichtige Produkte des indischen Exports.1029 Das Vorhaben, im Auftrag des sowjetisch-imperialen Gesamtprojekts eine konzertierte Aktion des RGW zu starten, erwies sich in der Praxis als störanfällig.1030 In Bhilai waren andere RGW-Staaten offenbar kaum engagiert. Dies war wahrscheinlich zunächst durchaus im sowjetischen Sinn.1031 Allerdings lief im Gesamtbereich die erwünschte Koordinierung der allgemeinen Export- und Importaktivitäten in Indien nur schleppend an und erreichte in 1027 Vgl. Tugarinov an Šepilov, 8.2. und 9.3.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 222, ll. 75 ff. sowie d. 224, ll. 217 ff.; CSU, Garbuzov, an Šepilov, 12.6.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 245, l. 248. 1028 Im Frühjahr 1959 sprach sich das GKĖS in diesem Gesamtzusammenhang auch gegen eine Goldanleihe an Indien aus, vgl. Šeremet’ev an ZK, Sekretariat Muchitdinov, 6.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 177 ff., hier l. 179; Material für Vors. Gosplan, Kuz’min, für Sitzung Präsidium SovMin, 18.6.1957, RGAĖ, f. 4372, op. 76, d. 172, ll. 281 ff.; Kuz’min/Kabanov/ Zverev u. a. an ZK, 14.10.1957, RGAĖ, f. 4372, op. 76, d. 172, ll. 198 ff.; Semičastnov an ZK, 22.12.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 306, ll. 137 ff., hier ll. 149, 158; Sánchez-Sibony, Red globalization, S. 157–161. 1029 Bei der gegebenen Aktenlage lassen sich die tatsächlichen Auswirkungen nicht quantifizieren, vgl. Kuz’min/Kabanov an ZK, 1.8.und 14.10.1957, RGAĖ, f. 4372, op. 76, d. 172, ll. 92 ff., ll. 198 ff.; Sitzung ZK-Präsidium, 26.9.1957, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 266 f.; Beschlüsse ZK-Präsidium, 26.9. und 25.10.1957, ebd., Band 2, S. 694 f.; stellv. Vors. Gosbank, Geraščenko, 18.11.1957, RGAĖ, f. 4372, op. 77, d. 243, ll. 55 ff. 1030 Vgl. Protokoll Tagung RGW, 18.–22.6.1957, PA AA, MfAA, A 10095, Bl. 416 ff.; Tagung RGW-Arbeitsgruppe über Internationale Wirtschaftsbeziehungen, 27.–29.9.1961, BArch, DL 2/VA 6762, Mappe 269/61; DDR-Vertreter in Sekretariat Ständige RGW-Kommission für Außenhandel, Müller, an Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel, Staatssekretär Hüttenrauch, 27.2.1958, BArch, DL 2/4150; Information MfAA, Koordinierungsstelle für wirtschaftspolitische Fragen, über X. Tagung des RGW, 7.2.1959, PA AA, MfAA, A 284, Bl. 1 ff.; Vermerk über Gespräch DDR-Handelsrat Delhi und sowjetischer Botschaftsrat Delhi, [Ašurov], 4.2.1956, PA AA, MfAA, A 9295, Bl. 1 f. 1031 Vgl. Sitzung Plankommission, 1.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 121–123; Direktor Institut für Projektierung von Unternehmen, Molodcov, an Mikojan, 11.10.1960, GARF, f. 5446, op. 94, d. 954, l. 64.

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den Folgejahren nicht das Niveau einer gemeinsamen, schlagkräftigen Außenhandelspolitik.1032 Bezüglich der Außenwirtschaftsbeziehungen zur Dritten Welt dokumentieren die Quellen durchgängig mangelhafte Absprachen und Abstimmungen der RGW-Mitgliedsländer. Es blieb oftmals bei bloßen Beschwörungen und Absichtserklärungen auf höherer Ebene. Gerade Preisabsprachen waren offenbar wenig verlässlich.1033 Im Februar 1963 sah sich Chruščev persönlich genötigt, die reale Zusammenarbeit innerhalb des RGW zu kritisieren. Man müsse »die Autarkie […] beseitigen«, »breit zusammenarbeiten« und »feste Vereinbarungen über die Spezialisierung abschließen. […]. Ein eigener Traktor ist kein Kennzeichen einer industriellen Entwicklung mehr«, rügte er die nationalen Wirtschaftsplaner im RGW.“1034 Allerdings hemmten etwa gerade im Bereich der für den Export nach Indien wichtigen Traktoren weiterhin die alten Probleme die sowjetische Konkurrenzfähigkeit auf indischen Märkten. Sie fielen mitunter selbst gegen Produkte aus anderen sozialistischen Staaten deutlich ab.1035 Ungeachtet dessen blieb der sowjetische Anteil an den RGW-Wirtschaftsbeziehungen zu Indien bis in die 1960er-Jahre hinein dominant. Moskau bestritt

1032 Vgl. Protokoll Besprechung Handelsräte sozialistische Länder in Indien (UdSSR, Ungarn, Polen, ČSR, Bulgarien, Rumänien, DDR, Vietnam und China), 9.10.1957, PA AA, MfAA, A 9990, Bl. 23 f.; Aktenvermerk zu Antrittsbesuch Renneisen bei Migunov, 25.4.1958, PA AA, MfAA, A 9990, Bl. 191 f. 1033 Vgl. Bericht DDR-Delegation über 2. Tagung Ständige Kommission RGW für Außenhandel, 10.–13.12.1957, 31.12.1957, SAPMO-BArch, DY 30/3462, Bl. 1 ff., hier Bl. 6–8; Kabanov auf IX. Ratstagung RGW, 26.–30.6.1958, BArch, DC 2/13083a.; MVT, Zajcev, an MVT-Vertretung im RGW, 11.2.1963, RGAĖ, f. 561, op. 53, d. 4, ll. 24 ff.; stellv. Sekretär sowjetische Delegation Ständige Kommission RGW für Koordinierung Technischer Hilfe, Berezin, an stellv. Abt.leiter Gosplan, Kalinovskij, 1.7.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 425, ll. 277 ff.; 1. Tagung Ständige RGW-Kommission für Koordinierung der Technischen Hilfe, 29.–30.6.1961, BArch, DL 2/VA 6762; Protokoll Nr. 9/61 Tagung Leiter Außenhandelsorganisationen, 5.– 8.9.1961, BArch, DL 2/VA 6762, Mappe 251/61; 5. Beratung stellv. MVT, 12.–14.4.1962, BArch, DL 2/4934; Beschlussentwurf und Beschluss Partei- und Regierungschefs RGW, 6.–7.6.1962, SAPMO-BArch, DY 30/3482, Bl. 118 ff., 155 ff.; Material der MVT des RGW zu Koordinierungsproblemen, Januar 1963, RGAĖ, f. 561, op. 53, d. 4, ll. 26 ff.; Protokoll Nr. 7/60 Sitzung Leiter der Außenhandelsorganisationen, 4.–6.5.1960, BArch, DL 2/VA 6760, Mappe 80/60. 1034 Notizen Politbüro-Mitglied SED, Leuschner [?], zu Beratung bei Gen. Chruščev, 20.2.1963, SAPMO-BArch, DY 30/3420, Bl. 18 ff. Vgl. Ahrends, Gegenseitige Wirtschaftshilfe, S. 101 f., 128–130, 154–170. 1035 Vgl. Bericht DDR-Delegation über 15. Tagung Ständige Kommission RGW für Außenhandel, 17.–20.11.1964, BArch, DC 20/210152; [Volkswirtschaftsrat], Pigolkin, an Jušin, 9.4.1965, RGAĖ, f. 233, op. 3, d. 186, l. 218; Semičastnov an ZK-Abteilung Maschinenbau, 20.5.1965, mit Vermerk Vors. V/O Traktorėksport, Kutyrev, RGANI, f. 5, op. 40, d. 236, l. 32 ff.

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etwa 1962 weit über 80 Prozent an technischer Hilfe und Krediten, mit der Čechoslovakei als weit abgeschlagenem Zweiten.1036 Um Anfang der 1960er-Jahre zogen sowjetische Stellen zugleich Zwischenbilanzen auch der wirtschaftlichen Beziehungen zu den neuen Staaten in Asien, Afrika und Lateinamerika. In sie floss die Erkenntnis ein, dass die UdSSR bei insgesamt expandierenden Außenwirtschaftsbeziehungen interne Wirtschaftsprobleme und sinkende Wachstumsraten nicht korrigieren konnte. Dazu kamen politische Überlegungen im Umfeld der sowjetisch-chinesischen Auseinandersetzungen, der Vorbereitung des neuen Parteiprogramms der KPdSU, angesichts vermeintlicher Chancen auf Kuba oder in Afrika oder mit Blick auf die neuen globalen Spannungen.1037 An der Spitze ließ sich Muchitdinov als Fachmann für die Dritte Welt im Frühjahr und Sommer 1961 ausführlich über die bisherigen Leistungen und Erfolge der UdSSR unter anderem in den Wirtschafts­ beziehungen mit Indien informieren. Parallel hierzu erarbeiteten die Behörden Listen mit den spezifischen Problemen, mit denen sich die sowjetische Wirtschaft in ihren Auslandsaktivitäten konfrontiert sah.1038 Neben den sattsam bekannten Qualitäts-, Koordinierungs- und Terminschwierigkeiten wurde hier erneut die wirtschaftliche Effizienz und Effektivität der Wirtschaftsbeziehungen mit der Ersten und der Dritten Welt insgesamt diskutiert.1039 Das MVT lenkte das Augenmerk auf die mitunter höchst unzureichende Rentabilität der Unternehmungen. Zudem war es der UdSSR nicht gelungen, kapitalistische Firmen gerade aus relevanten Märkten wie beispielsweise der Erdölförderung zu verdrängen.1040 In einem wichtigen Exportsegment wie dem der sowjetischen Traktoren hatten gestiegene Kundenforderungen sowjetische Gewinne geschmälert. Sowjetischen Berechnungen zufolge lag die wirtschaftliche »Effektivität« im Verhältnis zu den Produktionskosten bei 1036 Vgl. Tagung Arbeitsgruppe Ständige Kommission für Koordinierung Technischer Hilfe, 16.–22.10.1962, BArch, DL 2/VA 6764, Mappe 340/62, hier S. 22; Bericht Arbeitsgruppe für Vorbereitung der Information über technische Hilfe bis 1967, 11.–15.12.1962, BArch, DL 2/ VA 6765, Mappe 30/63; Tab. 5 a.–g. Die absoluten Zahlen in den Quellen weichen voneinander ab, ohne dass sich die Relationen ändern. 1037 Vgl. Leiter MVT-Planwirtschaftsabt., Fokin, an Leiter Sekretariat Kosygin, Firsov, 5.10.1962, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 9079, ll. 1 ff.; Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff.; Tab. 2–4; Hanson, The rise, S. 5, 73 f., 82 f.; Chanin, Ėkonomičeskaja istorija 1, S. 134–176; Nove, An economic history, S. 371–379. 1038 Vgl. Archipov an Muchitdinov, 25.4.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 6 ff.; Borisov an Muchitdinov, 14.6.1961, ebd., ll. 140 ff.; Sergeev an Muchitdinov, 16.6.1961, 16.6.1961, ebd., ll. 237 ff.; Skačkov an ZK, 27.7.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 191 ff. 1039 Vgl. ebd.; Rechenschaftsbericht GKĖS für 1962, GARF, f. 5446, op. 97, d. 1376, ll. 5 ff. 1040 Vgl. Borisov an Muchitdinov, 21.8.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 227–236.

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Traktoren, die ins sozialistische Ausland geliefert wurden, bei 1,51, bei Exporten ins kapitalistische Ausland – wohl einschließlich der entsprechenden Staaten der Dritten Welt –, nur bei 0,88 Punkten.1041 In der Projektförderung hatte das grundsätzlich zufriedenstellende produzierende Bhilai noch nicht alle sowjetischen Erwartungen erfüllt: Gegenüber indischen Planern kritisierte etwa Kosygin Anfang 1961 recht unverhohlen, dass das Werk trotz niedriger Löhne gegenüber privaten Firmen keine Preisvorteile erziele, zu wenig unternehmerische Freiheiten genösse [sic!] und sich letztlich auf den Märkten schlicht zu wenig geschäftstüchtig präsentiere.1042 Darüber hinaus wurde immer offensichtlicher, dass sowohl die indische Wirtschaftspolitik als auch die indische politische Landschaft frühere Annahmen über die automatische Selbstsozialisierung nicht erfüllten.1043 Im MID liebäugelten Wirtschaftsexperten aus diesem Grund damit, sowjetische Programme auf einzelne erfolgversprechende Länder und auf ausgewählte Wirtschaftszweige zu fokussieren.1044 Chruščev dachte in diesen Zeiten wirtschaftlicher Probleme und internationaler Spannungen ebenfalls darüber nach, »ob wir unsere Wirtschaftshilfe nicht in erster Linie auf jene Länder konzentrieren sollen, die für die Außenpolitik und für die anderen Interessen der sozialistischen Gemeinschaft die größte Bedeutung haben.«1045 Das war ein Ansatz, dem Anfang der 1960er-Jahre auch Handelspolitiker des RGW einiges abgewinnen konnten. Zugleich wollten sie die Förderung von Großprojekten in der Dritten Welt stärker mit dem zukünftigen Importbedarf des RGW gekoppelt sehen. Hinter den komplexen Debatten stand in der UdSSR wie im RGW auch die Frage, inwieweit sich der eigene Import im aktuellen Wettrennen mit dem Kapitalismus vor allem am unmittelbaren Eigen- und Aufholbedarf orientieren und damit, im Falle der Beziehungen zu Indien, erst einmal die für die »sowjetische Volkswirtschaft notwendigen Rohstoffe, Halbfabrikate« plus 1041 Vgl. Borisov an ZK, 10.8.1961, RGANI, f. 5, op. 40, d. 155, ll. 113 ff. Berechnungen der wirtschaftlichen Effektivität von Handelsbeziehungen mit dem kapitalistischen Ausland wiesen (durch hohe Werte) aus, dass Importe alternativlos waren, während die geringen Werte im Export auf die Zahlungsbilanzen drückten, vgl. stellv. Vors. Gosplan, N. A. Tichonov, an SovMin, Januar 1964, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 843, ll. 1 ff. 1042 Vgl. Vermerk über Gespräch Kosygin mit indischer Plankommission, 3.3.1961, NMML, Subimal Dutt Papers, 95; Planungskommission, Vermerk über Diskussionen mit Kosygin, 6.3.1961, NAI, 13 (123), Eur (E)/60. 1043 Vgl. Kap. 4.1.1. und 4.4.2. 1044 Vgl. DDR-Botschaft, Vermerk über Gespräche während des Bierabends, 13.4.1961, PA AA, MfAA, A 156, Bl. 246a ff. 1045 Chruščev auf Beratung Partei- und Regierungschefs RGW, 6.–7.6.1962, SAPMO-BArch, DY 30/3481, Bl. 1 ff., hier S. 43 f.

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»einige Fertigwaren« sichern sollte.1046 Dagegen stand, wirtschafts- und politisch-strategisch längerfristig denkend, die Idee, mehr auf Exportwünsche der neuen Staaten einzugehen. Beide Szenarien mussten sich mit dem Problem auseinandersetzen, inwieweit höhere Importe vor allem über eine Ausweitung der eigenen Exportproduktpalette ermöglicht werden konnten und sollten. Zusätzlich mochte eine geglückte Intensivierung der Handelsbeziehungen auf Dauer die Rückzahlung von ansonsten gefährdeten Krediten sichern.1047 Gegenüber Staaten wie Indien war in diesem Kontext in Moskau auch zu entscheiden, ob man über partielle Wirtschaftsbeziehungen mit privaten Firmen rein wirtschaftliche Ziele nicht leichter erreichen würde, trotz der eigenen politisch-ideologischen Affinität zu staatlichen Unternehmen.1048 Gelang es, die einzelnen, miteinander kaum komplementären Aufgaben zu lösen, konnte dies dazu beitragen, dass die Beziehungen zur Dritten Welt sich auch für den bedeutsam bleibenden sozialistischen Handel mit der Ersten Welt als nützlich erweisen würden.1049 Der Erste Sekretär hielt letztlich am einmal eingeschlagenen Kurs fest. Vor internen und globalen Gremien gab er sich mit den bisherigen Ergebnissen seiner Außenwirtschaftspolitik zufriedener als diverse sowjetische Stellen. Hierbei muss offenbleiben, ob Chruščev durch derlei Verlautbarungen sich und andere von der Richtigkeit der bisherigen Linie überzeugen und für weitere Anstrengungen gewinnen, sich gegen interne und chinesische Kritiker vertei1046 Aufzeichnung Širjaev, 15.4.1961, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 98–110, hier ll. 98, 100. 1047 Vgl. Entwurf für Beschluss Exekutivkomitee RGW, 7.7.1963, BArch, DL 2/VA N/90; DDR-­ Delegation über 5. Sitzung Ständige Kommission RGW für Koordinierung Technischer Hilfe, 15.10.1963, BArch, DL 2/VA N737; DDR-Delegation, Bericht über die Tätigkeit der Ständigen Kommission für Außenhandel für 1963, BArch, DL 2/VA 6768, Mappe 232/2/64; Kostousov und stellv. Vors. Gosplan, Orlov, an SovMin, 18.4.1961, RGAĖ, f. 4372, op. 63, d. 396, l. 60; Dossier MfAA, 1. Europäische Abteilung, über sowjetisch-indische Beziehungen, 25.9.1963, PA AA, MfAA, A 765, Bl. 138–149, hier Bl. 143 f.; Protokoll Sitzung Ständige Kommission RGW für Außenhandel, 27.–29.5.1964, RGAĖ, f. 561, op. 29s/pp, d. 5, l. 131 ff.; Sergeev an SovMin und Budgetkommisson Oberster Sowjet, 15.3.1963, GARF, f. 5446, op. 97, d. 1377, ll. 64 ff.; Gusev an SovMin, 24.4. und 19.6.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 411, ll. 1 ff. sowie GARF, f. 5446, op. 97, d. 1382, ll. 84 ff.; Rechenschaftsbericht GKĖS für 1962, ebd., ll. 6 ff.; Entwurf Gosplan für Beschluss SovMin über Tätigkeit MVT, 21.5.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 410, ll. 221 ff. 1048 Vgl. Vermerk Širjaev, 15.4.1961, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 98–110, hier ll. 104, 110. Die Passagen sind am Rand angestrichen und handschriftlich mit »?« kommentiert. Vgl. V/O Technopromėksport an Ständige Kommission RGW für die Koordinierung Technischer Hilfe, 9.11.1961, RGAĖ, f. 561, op. 53, d. 1, ll. 112 ff.; Gespräch Nehru mit Benediktov, 12.3.1960, SWJN 2, Vol. 58, S. 351 f. 1049 Vgl. RGW-Exekutivkomitee an Erste Sekretäre der KPs, Mai 1963, SAPMO-BArch, DY 30/3421, Bl. 46 ff., hier Bl. 127; Tab. 2 a.–b.

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digen oder negative Statistiken einfach schönreden wollte. Im Kontext der politischen und diplomatischen Entwicklungen mag es sich um eine Mischung aus all diesen Motiven gehandelt haben, wenn Chruščev auf der dritten Plenarsitzung des Politischen Konsultativkomitees des Warschauer Pakts am 29. März 1961 davon sprach, dass man über die Wirtschaftshilfe an Asien »großen Einfluss auf die Entwicklung der nationalen Produktionskräfte [ausübe]. […]. Mit dem Wachstum der eigenen Industrie in den asiatischen Ländern wächst die Arbeiterklasse«, beharrte Chruščev hier auf seinen Gewissheiten. »[E]s wächst und festigt sich der ideelle Einfluss unter den breiten Volksmassen.«1050 In diesem Sinne drängte Chruščev im RGW weiter auf eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik gegenüber der Dritten Welt: Es sei unbedingt notwendig, beschwor er im Juli 1963 erneut seine Kollegen, »dass wir unsere Maßnahmen koordinieren, dass wir nicht getrennt auftreten, wobei es Fälle gibt, da wir sogar gegeneinander in Konkurrenz treten. Wir müssen in allen diesen Fragen vom gemeinsamen Interesse ausgehen.«1051 Auf indischer Seite machte sich in dieser Zeit Unzufriedenheit mit den real existierenden Beziehungen breit. Im Handel stand die eingefahrene Warenstruktur, die weiterhin Handelsmustern zwischen kolonialer Peripherie und Metropole ähnelte, den von Delhi definierten mittel- und langfristigen nationalen Entwicklungsbelangen entgegen. Insgesamt wollte Delhi den Export eigener, höher- und hochwertiger Industrieprodukte ausweiten.1052 Dass sich parallel in Indien die Kritik am öffentlichen Sektor mit seinen Großprojekten aufsummierte, verlieh den damit verbundenen Grundsatzfragen in der Han-

1050 Chruščev auf 3. Sitzung PKK, 29.3.1961, RGANI, f. 10, op. 3, d. 6, ll. 1 ff., hier ll. 36 f. 1051 Chruščev auf Plenarsitzung Partei- und Regierungschefs RGW, 24.–26.7.1963, SAPMO-BArch, DY 30/3483, Bl. 163 ff. Vgl. Protokoll 8. Sitzung Exekutivkomitee RGW, 26.7.1963, BArch, DC 20/12073; Protokoll Ständige Kommission für Koordination technische Hilfe, 2.–4.6.1965, GARF, f. 9606, op. 2s, d. 170, l. 36 ff. 1052 Vgl. Borisov an ZK, Muchitdinov, 30.5.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 275, ll. 16 ff., hier ll. 17– 29; Nehru an Pillai, 6.11.1958, und Vermerk Pillai, 6.11.1958, SWJN 2, Vol. 45, S. 713–717 mit Anm. 164; Nehru in Kabinettsitzung, 4.–5.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 119; Resolution Vorbereitungskomitee Wirtschaftskonferenz Afrikanisch-Asiatischer Staaten, Kairo, 8.–11.12.1958, PA AA, MfAA, A 18855, Bl. 1 ff.; Nesterov an ZK, 18.8.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 306, ll. 33 ff.; Vermerk über Gespräch DDR-Handelsvertretung Delhi, Enderlein, mit Velikij, 18.9.1963, PA AA, MfAA, A 14009, Bl. 4–6; Skačkov an Kosygin, 16.5.1961, GARF, f. 5446, op. 95, d. 1034, ll. 70 ff.; Aufzeichnung Gespräch Leiter erste Importverwaltung MVT, Komarov, mit Delegation indischer Rat für Exportförderung von Maschinenbauerzeugnissen, Kirloskar, 3.6.1964, RGAĖ, f. 413, op. 31, d. 305; Tab. 2 c.–e.

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delspolitik zusätzliche Bedeutung.1053 Die kontinuierlich vereinbarten Steigerungen im indisch-sowjetischen Handel kamen als quantitativer Ausbau zwar beiden Seiten entgegen, konnten die widersprüchlichen Interessen hinsichtlich der Warenstruktur jedoch nicht auflösen.1054 Nachdem der indische Minister für Außenhandel im Vorfeld des neuen sowjetisch-indischen Handelsvertrags für die indische Lieferung von Erzeugnissen des eigenen Maschinenbaus oder chemischer Fabrikate geworben hatte, sah das Handelsabkommen vom 10. Juni 1963 zumindest für einige entsprechende Güter die Möglichkeit indischer Exporte vor. 1055 Die UdSSR, so die nüchterne Bewertung der DDR-Botschaft, würde jedoch auch weiterhin »hauptsächlich« »traditionelle indische Exportwaren« importieren.1056 Über diesen Befund echauffierte sich ein Jahr später, im August 1964, der indische Botschafter in Moskau gegenüber dem MVT.1057 Dabei wusste die indische Administration unerwünschte Importe aus dem sozialistischen Ausland durch das gängige Lizenzierungssystem zu kontrollieren und zu beschränken.1058 Indische Versuche, den gesamten Handel mit RGW-Staaten nur noch über die quasi-staatliche State Trading Corporation (STC) abzuwickeln, stießen bezeichnenderweise auf den Widerstand Moskaus. Die sowjetische Seite erblickte hierin nur neue Hemmnisse für eigene handels- und insbesondere exportpolitische Ambitionen.1059 Nicht zu Unrecht: So 1053 Vgl. T. T. Krishnamachari an Nehru, 6.8.1962, NMML, T. T. Krishnamachari, Correspondence with Nehru; Nehru an Chief Ministers, 3.9.1962, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 514–525. 1054 Vgl. politische Abt. DDR-Botschaft Moskau, Juni 1963, PA AA, MfAA, A 765, Bl. 124 ff.; Vermerk Spandar’jan, 5.2.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 61–66, hier ll. 64 f.; Kuz’min an ZK, 21.2.1959, RGAĖ, f. 4372, op. 57, d. 384, ll. 189–192. 1055 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Lomako mit indischem Außenhandelsminister Shah, 10.6.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 65, d. 412, ll. 51–57, hier ll. 52 f.; Information Wünsche, 24.7.1963, PA AA, MfAA, A 765, Bl. 134–137; sowjetisch-indisches Handelsabkommen, 10.6.1963, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 7564, ll. 29–58. Petr Fadeevič Lomako, u. a. 1961–1989 ZK-Mitglied, 1940– 1948, 1950–1953, 1954–1957 Volkskommissar/Minister für Bundmetallurgie, 1962–1965 Vors. Gosplan. 1056 Dossier MfAA, 1. Europäische Abteilung, 25.9.1963, PA AA, MfAA, A 765, Bl. 138–149, hier Bl. 144. 1057 Vgl. Aufzeichnung Gespräch T. N. Kaul mit Borisov, 28.8.1964, RGAĖ, f. 413, op. 31, d. 76, ll. 42 ff. 1058 Vgl. Širjaev an MVT-Verwaltung für Handel mit Südostasien und Naher Osten, RGAĖ, 23.6.1961, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 55 ff.; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 359– 362. 1059 Vgl. Direktionsbereich Übersee I, Bericht über die Koordinierungstagung zu Fragen des Handels mit Indien, 27.–28.3.1962, PA AA, MfAA, A 16229, Bl. 16–26; Niederschrift über Beratung MVT RGW, 11.1.1962, Moskau, BArch, DL 2/4934; Datar, India’s economic relations, S. 128 f.

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reduzierte Delhi etwa sukzessive den Import von Traktoren aus dem gesamten Ausland, um eigene Produktlinien zu fördern.1060 Mitte der 1960er-Jahre wurden sowjetische landwirtschaftliche Maschinen durch die indische Protektion eigener Industrien einem immer schärferen Verdrängungswettbewerb durch nicht-sozialistische und sozialistische Anbieter ausgesetzt.1061 Die konträren Positionen im bilateralen Verhältnis entsprachen im Kern den unterschiedlichen Standpunkten im sogenannten »Nord-Süd«-Gefälle, die ab den 1960er-Jahren die weltweiten Diskussionen über internationale Wirtschaftsund Entwicklungspolitik sowie die internationale Arbeitsteilung prägten.1062 Es war aus indischer Sicht nur konsequent, in diesen Auseinandersetzungen neben den Verbindungen zwischen Dritter und Erster auch das Verhältnis zwischen Zweiter und Dritter Welt zu problematisieren.1063 Dementsprechend gegensätzlich positionierten sich beide Staaten (und ihre Wirtschaftsverbünde) in den globalen Handels- und Wirtschaftsdiskussionen. Der RGW zeigte sich ab 1963 emsig bemüht, auf der anstehenden United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) in geschlossener Front gängige Kritikpunkte der Dritten Welt aufzufangen und dabei traditionelle Handelsstrukturen zu erhalten. Als Ausgangsposition legte man sich auf der Arbeitsebene des RGW darauf fest, dass ungeachtet größerer »Möglichkeiten der Entwicklungsländer für den Export von Fertigerzeugnissen und Halbfabrikaten« der »Export von Rohstoffen und tropischen Waren« auch zukünftig den Löwenanteil in der Ausfuhr aus der Dritten Welt ausmachen werde. Wohl sollte man während der Verhandlungen in Aussicht stellen, den eigenen Import von Industriewaren zu erhöhen, zumal die Unterstützung der Industrialisierung dieser Staaten in diese Richtung weise. Aber: Es sei zugleich zum Nutzen alter Strukturen daran zu erinnern, »dass die Erweiterung des Exports eine unerlässliche Bedingung für die Erhöhung des Imports der Mitgliedsländer des RGW ist.«1064 Aus einer ähnlichen Logik heraus 1060 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Leiter Exportabt. Handelsvertretung Delhi, Sakulin, mit Under-­ Secretary in Ministerium für Versorgung und Landwirtschaft, G. Singh, 21.9.1960, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 6 f.; Vermerk über Gespräch Reddy mit Mikojan, 23.10.1956, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with K. P. S. Menon. 1061 Vgl. Semičastnov an ZK-Abteilung Maschinenbau, 20.5.1965, mit Vermerk Kutyrev, RGANI, f. 5, op. 40, d. 236, ll. 32 ff.; Subramaniam, Hand 2, S. 179 f. 1062 Zur problematischen Terminologie vgl. u. a. Eckl/Weber, North – South. 1063 Vgl. Nehru an Chief Ministers, 23.10.1960, in: Parthasarathi (Hg.), Jawaharlal Nehru 5, S. 409– 419. 1064 Protokoll 11. Sitzung Exekutivkomitee RGW, 25.–28.2.1964, bes. Anl. 5 f., BArch, DC 20/12073a. Vgl. Entwurf Abgestimmte Positionen RGW zur UNCTAD in Protokoll der gemeinsamen Sitzung der Ständigen Kommissionen des RGW für Außenhandel und für Koordinierung

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beschlossen im September 1964 die sowjetischen Spitzen in ZK und Ministerrat, im Außenhandel weiterhin auf die Förderung eigener Industrieexporte zu setzen und in der Importpolitik die eigene Wirtschaftsentwicklung in den Vordergrund zu stellen.1065 Auf internationaler Ebene versuchte die UdSSR derweil, mit dem Kampf gegen kapitalistische »Diskriminierungen« gegenüber dem Ostblock und mit der Diskussion über die wirtschaftlichen Vorteile der Abrüstung eigene Themen in den Fokus zu rücken. Sie waren zwar mit den Kernanliegen der Dritten Welt nicht inkompatibel, liefen jedoch deutlich deren Bestreben zuwider, die Entwicklungspolitik als solche zum internationalen Hauptthema zu machen. Diese Absicht wiederum erregte in der sowjetischen Diplomatie und Moskauer Wirtschaftsbürokratien gleichermaßen Unwillen. Nach der zweiten Tagung der Vorbereitungskonferenz für die UNCTAD und entsprechenden Sitzungen des ECOSOC im August 1963 hielten sie konsterniert fest, dass die Entwickungsländer die UNCTAD »im Wesentlichen« zu einer »Konferenz im Interesse der Entwicklungsländer« machten und dass diese dort »massiv mit ihren Forderungen an die entwickelten Länder, auch an die sozialistischen Länder, auftreten«.1066 Die Vertreter der Dritten Welt beharrten auf ihrer Argumentation, und ebenso beharrlich ärgerte man sich im MID darüber. »Die These von den ›Armen und Reichen‹ ist eine imperialistische These«.1067 Indiens breite Artikulation nationaler wirtschafts- und entwicklungspolitischer Interessen, welche kurzfristigen wirtschaftlichen wie längerfristigen imperialen Vorhaben Moskaus entgegenstanden, lässt sich zugleich als Beleg dafür ansehen, dass auch das sowjetische Bemühen, über die Ausbildung indischer Eliten Einfluss nehmen zu können, bis Mitte der 1960er-Jahre noch keine Technischer Hilfe, 22.–24.1.1964, BArch, DL 2/VA 6768, Mappe 46/64; Protokoll Tagung stellv. MVT, 4.–8.4.1963, PA AA, MfAA, A 18846, hier Bl. 84 f.; Protokoll Ständiger Kommission für Außenhandel RGW, 23.–25.4.1963, RGAĖ, f. 561, op. 29s/pp, d. 4, ll. 1 ff. 1065 Vgl. Beschluss ZK/SovMin, 17.9.1964, sowie Befehl Volkswirtschaftsrat Nr. 647, 12.10.1964, zit. nach RGAĖ, f. 233, op. 1, d. 441, l. 161 sowie RGAĖ, f. 413, op. 31, Findbuch. 1066 Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel, Arbeitsgruppe Information, 30.8.1963, Information über 2. Tagung der AG RGW zur Vorbereitung UNCTAD, 7.–9.8.1963, BArch, DC 20/20186. Vgl. Vermerk Wünsche über Gespräch mit Abt. Internationale Wirtschaftsorganisationen MID, Šivotovskij, am 29.5.1963, 4.6.1963, PA AA, MfAA, A 164, Bl. 61– 68, hier Bl. 62–65; Aufzeichnung Gespräch Fadeev (RGW) mit Generalsekretär UNCTAD, Prebisch, 1.10.1963, BArch, DC 20/20189; Brutenc, Tridcat’ let, S. 276. 1067 Aktenvermerk Rossmeisl über Gespräch mit Blatov am 2.11.1964, 5.11.1964, PA AA, MfAA, A. 167, Bl. 226–231, hier Bl. 230 f. Vgl. Vermerk Thun über Gespräch mit K. Novikov am 2.3.1965, 9.3.1965, PA AA, MfAA, A. 169, Bl. 51–57, hier Bl. 53 f.; Toye/Toye, The UN, S. 185– 205, 218 f., 227 f.; Brun/Hersh, Soviet-Third World relations, S. 45 f., 72–77, 136 f., 172–181; Elias, Die Außenwirtschaftsbeziehungen, S. 62, 113–118; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 352–356.

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wirklichen Früchte trug. Die sowjetische Ausbildung indischer Fachkräfte für Wirtschaft und Verwaltung fokussierte, wie gesehen, auf Funktionsfähigkeit und Effektvität (gemeinsamer) Wirtschaftsprojekte. Dagegen dachte man in Moskau bei Ausbildungshilfen für indische – und alle ausländischen – Studierende längerfristig. Angehende Führungskader sollten durch die sowjetische Ausbildung eine prosowjetische und insgesamt prosozialistische Prägung erfahren. In Fortführung globaler Ansätze der 1920er-Jahre sowie der Erziehungshilfen für osteuropäische und asiatische Bruderländer ab den 1940er-Jahren setzte das ZK darauf, dass die kommenden Spitzenkräfte der Dritten Welt nach einem Studium an sowjetischen Universitäten die UdSSR nicht nur als hochqualifizierte Experten verließen, »sondern als Menschen mit progressiven Ansichten, als wahre Freunde der Sowjetunion.«1068 Allgemeines Kalkül und konkrete Einzelmaßnahmen der UdSSR habe ich bereits an anderer Stelle ausführlich diskutiert.1069 Hier bleibt festzuhalten, dass das sowjetische Angebot für Studenten aus dem nicht-sozialistischen Ausland in den 1950er-Jahren zwar merklich erweitert wurde, bis weit in die 1960er-Jahre hinein jedoch vor den Angeboten der kapitalistischen Zentren verblasste.1070 Zudem stießen sich sowjetische Visionen auch in diesem Bereich schnell an den harten Realitäten des sowjetischen Alltags. Es hatte Symbolcharakter, dass die neue Universität der Völkerfreundschaft nie den Glanz ausstrahlte, den Chruščev 1960 versprochen hatte. Die Vision einer sowjetischen Universität, die es hinsichtlich der Lebens- und Arbeitsbedingungen mit jeder amerikanischen Kaderschmiede aufnehmen könnte, wurde angesichts knapper Ressourcen bald als »unangemessene[n] Extravaganz« abgetan und zu den Akten 1068 Resolution ZK, 3.11.1960, in: Davidson/Mazov (Hg.), Rossija i Afrika 2, S. 324–327, hier S. 326. Vgl. Vermerk [Hochschulministerium], Verwaltung für Außenbeziehungen, Januar 1961, in: Krasovickaja/Vodop’janova/Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 210 f.; Vizekanzler MGU, Seleznev, auf Versammlung Universitäten RGW, 16.–20.2.1965, Moskau, RGAĖ, f. 561, op. 53, d. 12, ll. 59 ff.; Rektor Lumumba-Universität, S. Rumjancev, an ZK, 18.8.1965, RGANI, f. 5, op. 35, d. 221, ll. 51 ff. Vgl. allg. Babiracki, Imperial heresies; Stiffler, Building socialism. Die Ausbildungsprogramme der 1920er- und 1930er-Jahre hatten hinsichtlich indischer Studierender kaum Ergebnisse gezeitigt, vgl. [KI], Fedotov, an ZK, Baranov, 19.4.1948, und Antwort 5.5.1948, RGASPI, f. 17, op. 128, d. 630, l. 35. 1069 Vgl. Hilger, Building a socialist elite. 1070 Bis Ende 1964 hatte die UdSSR rund 8000 Studierende und Doktoranden ausgebildet, dagegen waren an Universitäten der USA, Großbritanniens, Kanadas, der BRD usw. allein 1964 50.000 Studierende aus der Dritten Welt eingeschrieben, vgl. Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff.; Hochschulministerium an ZK, 1958, in: Krasovickaja/Vodop’janova/Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 113–118, hier S. 115, 117; G. A. Žukov u. a. an ZK, 4.8.1961, ebd., S. 237–244.

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gelegt.1071 Die entsprechenden Hoffnungen der Studierenden aus der Dritten Welt erfüllten sich ebenso wenig wie die Erwartungen, die die sowjetische Bildungspolitik an Dankbarkeit und ideologische Gefolgschaft ausländischer Gaststudierender hatte.1072 Dazu kam, dass sich die indische politische sowie die wissenschaftliche Landschaft weitausgreifenden sowjetischen Strategien ohnehin entzogen. Im Juli 1956 befand sich nur ein einziger indischer Student in der UdSSR. Zum 1. August 1961 waren gerade einmal 77 Inder an Universitäten und Forschungseinrichtungen in der UdSSR eingeschrieben, darunter gut 50 Doktoranden vornehmlich aus dem naturwissenschaftlichen und technischen Bereich.1073 Zum 1. Januar 1966 zählte man 120 indische Studierende, 99 Doktoranden und 30 Hochschulpraktikanten.1074 Grundsätzlich sprachen in den Augen der Nehru-Regierung finanzielle und Prestigegründe dagegen, zu viele indische Studierende ins Ausland zu lassen.1075 Sowjetische Universitäten und Forschungseinrichtungen waren dabei für indische Regierungskreise kaum erste Wahl, zumal man die sowjetische Leistungsfähigkeit in verschiedenen Fachrichtungen durchaus skeptisch beurteilte.1076 »Als Wissenschaft«, belehrten MEA-Beamte einmal einen sowjetischen Botschaftsvertreter, sei beispielsweise die Biologie »in Indien besser ausgearbeitet als in der UdSSR«, diverse sowjetische Einrichtungen seien mit indischen ein1071 Vgl. Chruščev, 17.11.1960, zit. in Bericht Mosgorispol’kom, Promyslov, Prokof ’ev und Rumjancev, an SovMin, 8.5.1964, GARF, f. 5446, op. 98, d. 1353, ll. 12 ff.; Schriftwechsel von Universität, Moskauer Behörden, ZK und SovMin 1963/1964, GARF, f. 5446, op. 98, d. 1353. 1072 Vgl. Hilger, Building a socialist elite; McGuire, Between revolutions, S. 366 f.; Hessler, D ­ eath; Mazov, Afrikanskie studenty; Katsakioris, Transferts Est-Sud; Djagalov/Evans, Moscow 1960; Katsakioris, Sowjetische Bildungsförderung; Amar, Als Student; Anti-Taylor, Moscow diary; Matusevich, Probing the limits; Kret, We unite. 1073 Plan für Aufnahme von Studierenden der Dritten Welt in der UdSSR für 1961–1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1948, l. 13; Vermerk über Studierende und Doktoranden aus kapitalistischen Ländern zum 1.1.1961, ebd., d. 521, l. 32. Die indischen Studierenden verteilten sich auf die MGU, das Moskauer Energie-Institut, das Moskauer Institut für Ölchemie und Gasindustrie u. a. Einrichtungen in Moskau, Leningrad (2 Doktoranden), Kiev (2), Odessa (1) und Char’kov (1). Für 1956 vgl. stellv. Minister für Hochschulbildung, Stoletov, an ZK, 31.7.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 85 f. 1074 Vgl. Tab. 1; zum 1.1.1964 Information Ministerium für Höhere und Spezialbildung, Studierende aus der Dritten Welt in der UdSSR, o. D., GARF, f. 9606, op. 1, d. 1638, l. 9. 1075 Vgl. Nehru an B. K. Nehru, 21.3.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 261 f.; Nehru in Lok Sabha, 20.3.1958, ebd., S. 260 f. 1076 Vgl. Maulana Azad auf Anfrage Lok Sabha, 23.9.1954, in: Kumar (Hg.), The selected works of Maulana Abul Kalam Azad 8, S. 324 f.; Vermerk über Gespräch Nehru mit Vors. Official Language Commission, Kher, 19.2.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 105–107, hier S. 107; Nehru bei Präsentation Tamil Encyclopedia, 6.1.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 275–282, hier S. 281.

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fach nicht konkurrenzfähig. Der sowjetische Diplomat konnte seinen Ärger nur schlecht verhehlen und »bemerkte, dass, wenn diese Vorstellungen der Realität entsprächen, dann hätte die Sowjetunion kaum einen Sputnik in den Kosmos schicken können«. Außerdem, so die Retourkutsche, »müsste es wissenschaftliche Entdeckungen indischer Wissenschaftler geben, die einen Umschwung in der Biologie herbeigeführt haben. Über derartige Entdeckungen weiß indes niemand irgendetwas. In der UdSSR hat es solche Entdeckungen bereits gegeben, und die ganze Welt weiß davon.«1077 Ungeachtet solcher Geplänkel korrespondierte das sowjetische Angebot nicht mit offiziellen indischen Vorstellungen, die anstelle von Studiengängen in Gesellschafts- und einigen wenigen Naturwissenschaften Stipendien für Techniker sowie die Fortbildung Postgraduierter bevorzugten.1078 Neben der Orientierung an indischen Modernisierungs- und Aufbauzielen sowie entwicklungspolitischen Erwägungen spielte hierbei auch eine Rolle, dass die indische Regierung auf jeden Fall vermeiden wollte, dass Auslandsaufenthalte ihrer Studierenden zur politischen Beeinflussung von Indiens künftigen Führungseliten missbraucht würden.1079 Daher wählte zumindest in den 1950er-Jahren ein exklusiver Kreis von Kabinettsministern die entsprechenden indischen Kandidaten aus.1080 Während der Studienaufenthalte bemühte sich die indische Botschaft in Moskau darum, engen Kontakt zu den Mitbürgern zu halten.1081 1077 Aufzeichnung Gespräch dritter Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Skrjabin, mit Gonsalves, 8.1.1962, 13.1.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 6, ll. 5 f. 1078 Vgl. ebd. sowie Aufzeichnung Gespräch MID-Abt. SOA, Ščukin, in indischer Botschaft Moskau am 14.10.1960, 22.10.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 5, ll. 112–114. 1079 Vgl. John, Student unrest; ToI, 13.11.1964, S. 1, Orissa students resumes stir; The Hindustan Times, Delhi Edition, 5.1.1960, S. 6: Tendency to stay abroad deplored. Nehru asks scientists to serve India; Nehru an Dutt, 24.2.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 674 f.; Gulati/Gulati, Comparative education, S. 43 f. 1080 Vgl. Aufzeichnung Gespräch MfAA mit Ašurov, 23.2.1956, PA AA, MfAA, A 13935, Bl. 5 f.; Diensttagebuch erster Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Čarčenko, 12.9.1957, AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 9, ll. 53 f.; Ministerium für Wissenschaft und Kultur an sowjetische Botschaft Delhi, 18.10.1960, AVP, f. 172, op. 15, papka 31, d. 3, ll. 40 f.; Aufzeichnung Prorektor Lumumba-Univ., Erzin, 6.7.1962, GARF, f. 9606, op. 2, d. 77, ll. 179–184. 1081 Als im Sommer 1960 indische Studierende, die Sprachkurse an der MGU abgeschlossen hatten, überstürzt das Wohnheim der MGU räumen mussten, ohne adäquaten alternativen Wohnraum zu erhalten, konnten sie kurzerhand in die Räumlichkeiten der indischen Botschaft ziehen. Die indische Botschaft unterstützte auch in der Folgezeit die Forderungen ihrer Landsleute nach besseren Unterkünften, da sie, so die indische Sicht, grundlos schlechter gestellt würden als afrikanische Kommilitonen, vgl. Aufzeichnung Gespräch Dolja mit Than, 5.8.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 5, ll. 3–5; Aufzeichnung Gespräch sowjetische Botschaft Delhi, Krjukov, mit Than, 14.12.1960, ebd., ll. 131 f.; Anm. 1079.

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Nicht nur offizielle Stellen, sondern auch die indische Studentenschaft zeigte sich von sowjetischen Universitäten nur begrenzt angezogen. Zum einen liefen Studiengänge sowjetischer Kaderhilfe an vielen indischen Aspiranten vorbei, die oftmals in kolonialer Tradition geisteswissenschaftliche Studiengänge zu bevorzugen schienen. Technisch interessierte Studienanwärter wiederum entschieden sich häufig für Universitäten in den USA oder in Westeuropa und gegen die letztlich unbekannten sowjetischen Forschungsstätten.1082 Insgesamt sahen die sozialen Eliten, die das Gros der potentiellen Auslandsstudenten stellten, wohl wenig Anlass, in ihrer individuellen oder familiären Karriereplanung erprobte Auslandsaufenthalte im ›Westen‹ gegen ungewisse Perspektiven in der Sowjetunion einzutauschen. Objektive Probleme wie die zwangsläufige Verlängerung des Studiums durch das notwendige Erlernen der russischen Sprache oder die unklare Anerkennung sowjetischer Abschlüsse in Indien erwiesen sich als zusätzliche Hemmnisse.1083 Der Versuch der Lumumba-Universität, an untere Gesellschaftsschichten zu appellieren, musste angesichts der indischen Realitäten verpuffen. Ohnehin nahm die indische Öffentlichkeit gerade diese Einrichtung als Propagandamaschinerie mit gesellschaftspolitischem Indok­ trinationsauftrag wahr.1084 So ändert sich der Umfang der indisch-sowjetischen Bildungsbeziehungen eben auch ab 1960 nicht signifikant, obwohl Moskauer Behörden noch in diesem Jahr über 5000 Inder zählten, die sich für ein Studium an der neuen Universität interessierten.1085 1082 Vgl. Nehru bei Grundsteinlegung Bhogilal College, Bhavnagar, 1.11.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 205–208, hier S. 207; University Grants Commission (Hg.), Report, S. 49 f., 107 f., 136; Rothermund, Indien, S. 237 f.; Ashby, Universities, S. 137–142; UNESCO (Hg.), Access, S. 204 f.; Nehru an V. L. Pandit, 23.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 678 f.; Vermerk Mahalanobis, Dezember 1963, SWJN 2, Vol. 54, S. 632–636. 1083 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Landwirtschaftsreferent sowjetische Botschaft Delhi, Karnauchov, mit indischem Landwirtschaftsminister Desmukh, 18.3.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 6, l. 170; Aufzeichnung Gespräch Chropov mit Under-Secretary MEA, Lal, 1.6.1962, AVP, op. 24, papka 45, d. 7, ll. 142 ff.; Gespräch Eljutin mit Prorektor Technologie-Institut Bombay, Kamat, 13.9.1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1314, ll. 83–85; indisch-sowjetisches Kulturabkommen, 12.2.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1468, ll. 80–83; Information Bildungsministerium, [1964/1965], GARF, f. 9606, op. 2s, d. 170, ll. 135 ff.; Vorlage Ministerium Hochschul- und Spezialbildungswesen, 18.8.1963, in: Krasovickaja/Vodop’janova/Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 426–430. 1084 Vgl. Bericht Dozent Lumumba-Universität, Muchin, über Reise nach Indien 18.1.–14.4.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2357, ll. 83 ff.; Aufzeichnung Erzin betr. Aufnahmeverfahren für Studienjahr 1963/64, 6.7.1962, GARF, f. 9606, op. 2, d. 77, ll. 179–184. 1085 Vgl. Vermerk ZK-Abteilung Wissenschaft, Hochschulen und Schulen sowie Internationale ZK-Abteilung, 20.7.1960, in: Krasovickaja/Vodop’janova/Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 176– 179, hier S. 177 f.; Bericht Rektorat Lumumba-Universität über Lehrjahr 1962/63, 6.7.1963,

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Die sowjetische Beihilfe für den Bau von Lehreinrichtungen aller Art in den Ländern selbst nahm schließlich erst in den 1960er-Jahren Fahrt auf.1086 In Indien beschränkte man sich einstweilen auf das Technologieinstitut in Bombay. Daneben konnten bis 1965 elf universitäre Partnerschaften etabliert werden.1087 Die Hoffnung sowjetischer Funktionäre, über selektiven Aufbau und Kooperation entsprechende Ausbildungsjahrgänge mit zu beeinflussen, erwies sich in der Praxis wiederum als wenig realistisch. »Es ist ein äußerst trauriger Umstand«, berichtete ein Gastdozent nach seiner Rückkehr 1965, »dass, obwohl wir bedeutende Mittel für Hilfe an indische Hochschulen verausgaben, die überwiegende Mehrheit der Lehrer und Mitarbeiter« mit anglo-amerikanischer Literatur, Methodik und Instrumenten arbeiteten.1088 4.4.2. Ergebnisse Wenige Tage vor seinem Sturz gestand Chruščev ein, dass das Ziel, dank der Vorzüge des sozialistischen Wirtschaftens weltweit den Kapitalismus abzulösen, noch in weiter Ferne lag.1089 In diese kritische Bilanz fügten sich, wie gesehen, die indisch-sowjetischen Wirtschaftsbeziehungen nahtlos ein. Dabei hatten sich auf diesem Feld in den Jahren nach Stalin durchaus beachtenswerte Entwicklungen ergeben. Seit 1953/55 hatte man die Handels-, Kredit-, ebd., S. 374–377; Ministerium für Wissenschaft und Kultur an sowjetische Botschaft Delhi, 18.10.1960, AVP, f. 172, op. 15, papka 31, d. 3, ll. 40 f.; Aufzeichnung Erzin, 6.7.1962, GARF, f. 9606, op. 2, d. 77, ll. 179–184; Serebrjakov an stellv. Vorsitzende SSOD, Zueva, 22.2.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 101–127, hier l. 113; Sager, Moskaus Hand, S. 148 f. 1086 1961 bis 1964 waren 714 Lehrkräfte an Universitäten der Dritten Welt gegangen, vgl. Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff. 1087 Vgl. Entwurf Aufstellung Hochschulministerium, Verwaltung für Außenbeziehungen, Januar 1960, in: Krasovickaja/Vodop’janova/Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 141–148, hier S. 142 f.; Vermerk Bildungsministerium über wissenschaftliche Beziehungen mit Indien, 1.5.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2355, ll. 5 ff. Beteiligt waren auf sowjetischer Seite 9 Universitäten in Moskau, Leningrad, Kiev, Tiflis, Dušambe, Taškent, Turkmenistan, Kirgizien, Erevan und Azerbajdžan, dazu das MĖI, in Indien Delhi, Bombay, Bangalore, Mysore, Madras, Aligarh, Lucknow, Hyderabad, Gujerat, Chandagar und Srinagar (Kashmir). 1088 Bericht Prof. Venikov über Aufenthalt in Indien 2.–24.2.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2357, ll. 125 ff. Vgl. Bericht Sosnovskij über Dienstreise nach Indien, 23.2.1965, GARF, f. 9604, op. 2, d. 532, ll. 1 ff.; Bericht Prof. Čeljustkin über Reise nach Indien und Ceylon ab 9.2.1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 33–42; Bericht sowjetisches Lehrkollektiv Bombay für 1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1306, ll. 115 ff. Die Zahl sowjetischer Lehrkräfte an anderen Einrichtungen des Landes – allesamt im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich – lässt sich nur ansatzweise schätzen. Sie lag für diese Jahre eher im unteren/mittleren zweistelligen Bereich. 1089 Vgl. Chruščev auf Sitzung Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des Fünjahresplans, 26.9.1964, in: Nikita Chruščev, Artizov u. a. (Hg.), S. 142–149, hier S. 147, 149.

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Projekt- und Ausbildungsverbindungen merklich intensiviert. Delhi erwies sich als interessierter und langfristig kooperationsbereiter Partner. So waren bereits ab Anfang 1959 Planungen zum weiteren Ausbau des Werks in Bhilai angelaufen.1090 Insgesamt sind die vorliegenden Statistiken über die Wirtschaftsbezieh­ ungen unvollständig und mitunter, je nach Provenienz oder Adressatenkreis, widersprüchlich. Die Angaben bieten somit vor allem Aufschlüsse über quantitative und qualitative Tendenzen sowie einzelne Schlaglichter.1091 Unbestreitbar ist, dass Indien unter den Wirtschaftspartnern der UdSSR (und des RGW) in der Dritten Welt seit den 1950er-Jahren immer einen Spitzenplatz einnahm.1092 Im Bereich der direkten Kredite und Wirtschaftshilfen, um damit zu beginnen, konzentrierten sich beispielsweise Mitte der 1960er-Jahre rund 85 Prozent der Verpflichtungen der RGW-Länder für technische Hilfe auf zehn Länder, wobei allein 63 Prozent der Gesamtsumme auf Indien und Ägypten entfielen. Innerhalb des RGW führte die UdSSR, wie bereits erwähnt, die Rangfolge der Kreditgeber an, mit hohen Anteilen der Mittel für Indien.1093 Nationale Gewichtungen und globale Perspektiven relativieren diese Daten jedoch sogleich wieder. Anfang 1966 gingen sowjetische Spitzenfunktionäre davon aus, dass die UdSSR im Ganzen rund 0,4 Prozent ihres Nationaleinkommens für Entwicklungshilfe aufwendete und weitere 0,6 Prozent für die Unterstützung sozialistischer Länder weltweit. Im internationalen Kreditgeschäft war das sozialistische Lager deutlich schwächer vertreten als die Systemkonkurrenz. Bis in die 1960er-Jahre hinein kamen vornehmlich sozialistische Staaten in den 1090 Vgl. Archipov an Mikojan, 30.1.1959, GARF, f. 5446, op. 93, d. 959, ll. 22 f.; Skačkov an Mikojan, 6.5.1960, GARF, f. 5446, op. 94, d. 953, ll. 27 ff.; Moorthy, The road, S. 72 f. Vergleiche mit Werken anderer Provenienz bieten Mehrotra, India, S. 108–113; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 237–267, S. 348–365. 1091 Zur statistischen Problematik vgl. zuletzt Bakalova/Spanger, Mühsame Rückkehr, S. 462 f.; Anm. 4 und 8 zu Tab. 1–2. 1092 Vgl. Rechenschaftsbericht GKĖS für 1962, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 411, ll. 6 ff.; Bajbakov/ Patoličev/Skačkov an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff.; Tab. 2, 5; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 56 ff. 1093 Vgl. Protokoll Sitzung Ständige Kommissionen RGW für Außenhandel und für Technische Hilfe, 17.–19.4.1963, BArch, DL 2/VA 6766, Mappe 210/63; Bericht Arbeitsgruppe für Vorbereitung der Information über technische Hilfe bis 1967, 11.–15.12.1962, BArch, DL 2/VA 6765, Mappe 30/63; Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel, Kurzinformation über den Bericht über die ökonomische Hilfe und technische Unterstützung des RGW für die Dritte Welt, zum 1.1.1963, BArch, DL 2/Va 6767, S. 2; Tagung Arbeitsgruppe Ständige Kommission für Koordinierung Technischer Hilfe, 16.–22.10.1962, BArch, DL 2/VA 6764, Mappe 340/62, hier S. 22.

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Genuss sowjetischer Kredite. Die UdSSR zeichnete Ende 1958 nur für knapp acht Prozent der ausländischen Leihen an Indien verantwortlich. Bei nicht rückzahlbaren Darlehen betrug der sowjetische Anteil noch nicht einmal ein halbes Prozent.1094 Kredite des RGW insgesamt deckten derweil ca. 13 Prozent des Kapitalbedarfs des indischen dritten Fünfjahresplans ab. Hier stellte wiederum die UdSSR allein ein knappes Zehntel der Finanzmittel bereit, die aus Washington nach Indien flossen (vgl. Abb. 1–5).1095

800 700 600 Dritte Welt insgesamt

500

Asien

400

Afrika Lateinamerika

300

Indien

200 100 0 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965

Abb. 1: RGW-Regierungskredite an die Dritte Welt, 1954–1965 (in Mio. Rubel)1096

1094 Vgl. Bajbakov/Skačkov/Patoličev an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff.; Šere­met’ev an ZK, Sekretariat Muchitdinov, 6.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 177 ff., hier l. 190; Archipov an ZK, 26.11.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 15 ff., hier ll. 56 f.; Sánchez-Sibony, Red globalization, S. 121; Tab. 3 c.; Vermerk Gosbank, Stand 1.4.1961, RGAĖ, f. 4372, op. 79, d. 243, l. 45: Sozialistischen Staaten wurden Kredite in einem Gesamtvolumen von 6560,3 Mio. Rubel gewährt, kapitalistische Länder erhielten insges. 3094,8 Mio. Rubel. Vgl. allg. Pal, World Bank, S. 254–256; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 38 f.; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 138 f.; Datar, India’s economic relations, S. 17 f., 50 f., 76–83, 85; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 60, 295–297. 1095 Vgl. Sekretariat RGW, Abt. Koordinierung Technischer Hilfe, Analytische Notiz und wirtschaftsstatistische Daten über Wirtschaftshilfe des RGW, August 1963, BArch, DL 2/VA 6767, hier S. 5; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 378. 1096 Vgl. Tab. 5 a. und b.

543

Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte

7000 6000 5000 4000

RGW insgesamt UdSSR

3000

ČSSR

2000 1000 0 insgesamt

Asien

Afrika

Lateinamerika

Indien

Abb. 2: Gesamtverpflichtungen der RGW-Mitgliedstaaten zur technischen Hilfe in der Dritten Welt zum 1.1.1966 (in Mio. Rubel)1097

6000 5000 4000 3000

gewährte Gesamtkredite genutzte Gesamtkredite

2000 1000

gewährte Wirtschaftskredite genutzte Wirtschaftskredite

0

Abb. 3: Sowjetische Wirtschafts- und Gesamtkredite an „Entwicklungsländer“ zum 1.1.1965 (in Mio. Rubel)

Abb. 3: Sowjetische Wirtschafts- und Gesamtkredite an »Entwicklungsländer« zum 1.1.1965 (in Mio. Rubel)1098

1097 Vgl. Tab. 5 d. 1098 Vgl. Tab. 3 b.

544

Sowjetisch-indische Beziehungen 1955 bis 1964/65

4500 4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000

01.01.1961

500

01.01.1965

0

Abb.4: Verpflichtungen der UdSSR für Lieferungen von Ausrüstung/Material für Industrieobjekte im Ausland und

Abb. 4: Verpflichtungen der UdSSR für Lieferungen von Ausrüstung/Material für Industrieobjekfür technische Hilfe - Stand 1.1.1961 und 1.1.1965 (in Mio. Rubel, „Exportpreise“) te im Ausland und für technische Hilfe – Stand 1.1.1961 und 1.1.1965 (in Mio. Rubel, »Exportpreise«)1099

40000 35000 30000 25000 20000 15000 10000

Gesamtsumme realisiert in Bestellungen

5000 0

Abb.5: Internationale Kredite und Anleihen für Indien, Stand: 30.3.1965 (in Mio. Rupien)

Abb. 5: Internationale Kredite und Anleihen für Indien, Stand: 30.3.1965 (in Mio. Rupien)1100

1099 Vgl. Tab. 4 b. 1100 Vgl. Tab. 3 d.

545

Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte

Im Handel blieb die gesamte Dritte Welt für die UdSSR und ihre Verbündeten im Vergleich zur Ersten Welt von untergeordneter Bedeutung. Der sozialistische Anteil am indischen Handel war entsprechend beschränkt. So trugen sowjetische Partner zum Beispiel 1958 maximal vier Prozent bei, die übrigen sozialistischen Länder erreichten Ende der 1950er-Jahre nicht einmal ein Prozent (1957). Bis 1963/1964 pendelte sich der sowjetische Anteil am indischen Handel bei knapp vier bis ca. sechs Prozent ein.1101 Das Handelsvolumen des gesamten RGW mit Staaten der Dritten Welt insgesamt lag in dieser Zeit, 1963, bei rund 2,4 Milliarden Rubel. Dies war zwar gegenüber 1950 ein Plus von über 700 Prozent, dennoch machte diese Summe nur acht bis zwölf Prozent des RGW-Außenhandels aus1102 (vgl. Abb. 6–11).

8000 7000 6000 5000

Exporte insges. in soz. Länder

4000

in kap. Länder

3000

in Dritte Welt (kap.)

2000 1000 0 1958

1959

1960

1961

1962

1963

1964

1965

Abb. 6: Export der UdSSR, 1958-1965 (in Mio. Rubel)

Abb. 6: Export der UdSSR, 1958–1965 (in Mio. Rubel)1103

1101 Vgl. Archipov an ZK, 3.1.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 1–19, hier ll. 9 f.; Borisov an Muchitdinov, 14.6.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 140 ff., hier l. 146; Anlage zu Aufzeichnung Gespräch Lomako mit Shah, 10.6.1963, RGAĖ, f. 4372, op. 65, d. 412, ll. 51–57, hier l. 56; Aufstellung MVT, Lieferungen an Indien 2.12.1953 bis 1.1.1959, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 278 ff.; Ponomarenko an Chruščev, 30.3.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, ll. 101–137, hier l. 133; Aufstellung Sekretariat Ständige Kommission RGW für Außenhandel, 21.6.1962, BArch, DL 2/VA 6764, Mappe 187/62; Sánchez-Sibony, Red globalization, S. 96–100; Maljarov, Nezavisimaja Indija 2, S. 680 f. 1102 Indien hatte im Übrigen mehrheitlich eine positive Handesbilanz mit den osteuropäischen Partnern, vgl. Datar, India’s economic relations, S. 118–123; Tab. 2 g. 1103 Vgl. Tab. 2 a.

546

Sowjetisch-indische Beziehungen 1955 bis 1964/65

8000 7000 6000 5000

Importe insges. aus soz. Ländern

4000

aus kap. Ländern

3000

aus Dritter Welt (kap.)

2000 1000 0 1958

1959

1960

1961

1962

1963

1964

1965

Abb. 7: Import der UdSSR, 1958-1965 (in Mio. Rubel)

Abb. 7: Import der UdSSR, 1958–1965 (in Mio. Rubel)1104

40 35 30 25

aus Großbritannien aus USA

20

aus soz. Ländern

15

aus UdSSR

10 5 0 1955/56

1963/64

1964/65

Abb. 8: Internationale Anteile an indischen Importen, 1955-1965 - Auswahl (Angaben in Prozent)

Abb. 8: Internationale Anteile an indischen Importen, 1955–1965 – Auswahl (Angaben in Prozent)1105

1104 Vgl. Tab. 2 a. 1105 Vgl. Tab. 2 g.

547

Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte

30 25 20 Großbritannien USA

15

soz. Länder UdSSR

10 5 0 1955/56

1963/64

1964/65

Abb. 9: Zielländer indischer Exporte, 1955-1965 – Auswahl (Angaben in Prozent)

Abb. 9: Zielländer indischer Exporte, 1955–1965 – Auswahl (Angaben in Prozent)1106

2500

2000

1500

Welthandel: ind. Imp. Welthandel: ind. Exp.

1000

Indien-SU: Imp. Indien-SU: Exp.

500

65/6

64/5

63/4

62/3

61/2

60/1

58/9

59/60

57/8

56/7

55/6

54/5

53/4

52/3

51/2

50/1

0

Abb. 10: Indischer Außenhandel und indisch-sowjetischer Handel, 1950-1966 (in crores Rupien)

Abb. 10: Indischer Außenhandel und indisch-sowjetischer Handel, 1950–1966 (in crores ­Rupien)1107

1106 Vgl. Tab. 2 g. 1107 Vgl. Tab. 2 h.

548

Sowjetisch-indische Beziehungen 1955 bis 1964/65

800 700 600 500 400 300

sowj. Statistiken offiz. sowj. Ang. ind. Ang.

200 100 0

Abb. 11: Entwicklungstendenzen des indisch-sowjetischen Handels, 1951-1966 – Angaben sowjetischer und indischer

ProvenienzEntwicklungstendenzen (verschied. Währungen) des indisch-sowjetischen Handels, 1951–1966 – Angaben Abb. 11: ­sowjetischer und indischer Provenienz (verschied. Währungen)1108

Für die entsprechende Warenstruktur war bezeichnend, dass in dieser Zeit 78 Prozent aller Lieferungen von Maschinen und Ausrüstungen, die der RGW tätigte, in Länder der Dritten Welt gingen. Für die UdSSR lag dieser Satz 1964 bei 65 Prozent.1109 Dabei machten beispielsweise 1965 landwirtschaftliche Maschinen am sowjetischen Export bis zu 20 Prozent, Anfang der 1960er-Jahre am Export nach Indien zwischen zehn und 15 Prozent aus (vgl. Abb. 12–13).1110

1108 Vgl. Tab. 2 d. 1109 Vgl. mit variierenden Angaben Vermerk über Gespräch Scholz mit Benediktov, 25.11.1963, PA AA, MfAA, A 14009, Bl. 8–10, hier Bl. 9; RGW, DDR-Delegation, Bericht über die Koordinierung der Tätigkeit der Außenhandelsorganisationen, April 1964, BArch, DC 20/12520; Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff. 1110 Aufstellung Kutyrev, [Mai] 1965, RGANI, f. 5, op. 40, d. 236, ll. 32 ff.; Planungsdaten 1960, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 8034, ll. 124 ff.; Berliner, Soviet economic aid, S. 92 f., 216 f., 222 f.; Elias, Die Außenwirtschaftsbeziehungen, S. 95 f., 104 f., 155 f.; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 230 f., 236 f.; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 117 f., 134–137; Mehrotra, India, S. 40–47; Datar, India’s economic relations, S. 33–41, 92, 96, 115; Tab. 2 b. und c.

549

Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte

80 70 60 50

Maschinen/Ausrüstung Öl/Ölprodukte

40

Eisen-/Buntmetalle

30

Düngemittel

20 10 0 1955

1960

1965

Abb. 12: Warenstruktur des sowjetischen Exports nach Indien, 1955-1965 - Auswahl (Angaben in Prozent)

Abb. 12: Warenstruktur des sowjetischen Exports nach Indien, 1955–1965 – Auswahl (Angaben in Prozent)1111

45 40 35 Tee

30

Gewürze

25

Cashewnüsse Tabak

20

Jute/Jutewaren

15

Leder/Felle

10

Schellack

5 0 1955

1960

1965

Abb. 13: Warenstruktur des indischen Exports in die UdSSR, 1955-1965 - Auswahl (Angaben in Prozent)

Abb. 13: Warenstruktur des indischen Exports in die UdSSR, 1955–1965 – Auswahl (Angaben in Prozent)1112

1111 Vgl. Tab. 2 e. 1112 Vgl. Tab. 2 e.

550

Sowjetisch-indische Beziehungen 1955 bis 1964/65

Neben allgemeinen technischen Kontakten in einer Vielzahl von Wirtschaftsfeldern und den Handelsbeziehungen ergaben sich vor allem in den der Nehru-Regierung besonders am Herzen liegenden Industriebranchen im Staatssektor engere Verbindungen – diese schlossen Diskussionen über Grundsatzfragen der Wirtschaftsplanung ein. An Industrien selbst sind natürlich die Stahlindustrie (Bhilai), dazu die Rohstofferschließung, insbesondere Ölförderung und -verarbeitung mit dem Aufbau einer Erdölindustrie (Barauni), der Aufbau einer Pharmazeutischen Industrie (u. a. Rishikesh), das Bergbauwesen (Korba), die Errichtung eines Wasserkraftwerks (Bhakra), der Aufbau von Werken im Schwermaschinenbau (Ranchi, Durgapur, Hardwar) und im Energieerzeugungssektor (Neyveli) zu nennen. Dazu kamen so unterschiedliche Projekte wie Fabriken für Optische Gläser und für Fotopapier (u. a. Durgapur), die Kooperation der Fluglinien mitsamt der Zulieferung von Flugzeugen, aber auch der bereits diskutierte Bau des Technologie-Instituts in Bombay oder der mehrfach thematisierte Verkauf landwirtschaftlicher Maschinen.1113 Dagegen entwickelte sich in der zivilen Nuklearforschung keine nachweisbare, wirklich intensive Zusammenarbeit, obwohl die Wissenschaftler beider Seiten übereinander durchaus informiert waren und Moskau mit Blick auf indische Forschungen und gegebenenfalls auch relevante Rohstoffe verschiedentlich deutliches Interesse zeigte. Es muss dahingestellt bleiben, inwieweit interne Bedarfsprioritäten beider Seiten, traditionelle Bindungen der führenden indischen Wissenschaftler an die anglo-amerikanische Forschungslandschaft, politisch-wirtschaftliche Gegenbemühungen der USA und ihrer Verbündeten, 1113 Vgl. Zusammenstellungen in der Literatur: Banerjee, India, S. 137 f.; Mehrotra, India, S. 108 ff.; Moorthy, The road, S. 13–17; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 330–336, 339– 347, 351 f.; Singh, Indo-Soviet cooperation, S. 71–115, 120–157; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 71–101; Tab. 4 d., daneben exemplarisch Vermerk über Gespräch Reddy mit Mikojan, 23.10.1956, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with K. P. S. Menon; Selivanov an Archipov, 23.10.1958, GARF, f. 5446, op. 92, d. 674, l. 105; Sitzung Plankommission, 1.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 121–123; Eljutin an ZK, 19.2.1959, RGANI, f. 5, op. 35, d. 120, ll. 42 f.; Aufzeichnung über Gespräch erster Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Valkov, mit stellv. Bürgermeister Delhi, Aggarval, 27.1.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 6, ll. 17 ff.; Gosstroj, Leiter Verwaltung für Organisation und Bau im Ausland und für Außenbeziehungen, Ermolenko, an Vors. Staatskomitee für Zivilbauten und Architektur, Posochin, 30.3.1963, RGAĖ, f. 5, op. 138, d. 181, ll. 12–14; Swaran Singh an Nehru, 4.8.1959, SWJN 2, Vol. 51, S. 611 f.; Shastri an Nehru, 7.8.1959, Vol. 51, S. 622 f.; Nehru an V. T. Krishnamachari, 29.2.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 50 f.; Vermerk über Gespräch Dolja mit Than, 10.10.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 5; Abkommen Aėroflot und Air India, 20.9.1955, AVP, f. 90, op. 21a, papka 34a, d. 1, l. 102 ff.; Abkommen über Schiffsverkehr, 6.4.1956, in: Jain (Hg.), Soviet South Asian relations I, S. 239–242; Abkommen über Lieferung von Bohrgeräten, 21. und 31.5.1956, ebd., S. 243 f.

Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte

551

die indische Abneigung gegen mögliche politische Implikationen, sowjetische Geheimhaltungsbestimmungen oder sowjetisches Misstrauen gegen auch nur potentielle militärische Dimensionen indischer Nuklearpolitik die vertiefte Zusammenarbeit auf diesem sensiblen Feld verhinderten.1114 Daneben fallen weitere wichtige Gebiete indischer Wirtschaftspolitik ins Auge, auf denen sich die UdSSR nicht oder kaum engagierte. Dazu gehörten Projekte in Infrastruktur und Verkehrspolitik ebenso wie der Bau von Unternehmen der Konsumgüter- und Leichtindustrie. Im landwirtschaftlichen Bereich beließ es die Sowjetunion im Wesentlichen bei der Lieferung von Maschinen und Beiträgen zum Aufbau einer Düngemittelindustrie. Ansonsten begnügte man sich mit isolierten Demonstrationen der Vorzüge mechanisierter Großfarmen.1115 In die Ausgestaltung und Durchführung der Landwirtschaftspolitik selbst brachte sich Moskau dagegen nicht aktiv ein, offenbar, weil kein Einfluss auf die sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu erwarten war. Die von Delhi forcierten landwirtschaftlichen Entwicklungsprojekte eige1114 Ein in der Literatur genanntes Kooperationsabkommen vom 6.10.1961 beschränkte sich auf Austausch und Ausbildungshilfen, dazu stellte die UdSSR für Forschungszwecke geringfügige Mengen von Uran 233 und Plutonium zur Verfügung, vgl. Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 338 f.; GoI, Cabinet Meeting, 28.4.1960, SWJN 2, Vol. 60, S. 460–463. Die vorliegenden Quellen zu einzelnen Kontakten sind verstreut und inhaltlich wenig aussagekräftig, vgl. beispielhaft Topčiev an V. Kuznecov über Besuch Bhabha, 3.–4.9.1955, AVP, f. 47, op. 1, papka 43, d. 11, ll. 60 ff., 68 ff.; Aufzeichnung Gespräch Men’šikov mit Bhabha, 8.5.1956, AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 8, l. 185 und AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 6, l. 73; Vermerk Leiter Generalkonsulat Bombay, Vorov’ev, über Gespräch mit Bhabha, 20.1.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 9, l. 1; Bhabha an AN, Oktober 1957, AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 7, ll. 48 ff.; Beschluss ZK-Präsidium ZK, 7.8.1958, in: Esakov (Hg.), Akademija Nauk 1952–1958, S. 1033; Vermerk betr. Reise Direktor Institut für Atomforschung, Blochincev, nach Indien, 12.12.1962, RGANI, f. 5, op. 14, d. 20, l. 100; Jemeljanow, Atomenergienutzung; Perkovich, India’s nuclear bomb, S. 37 f.; Wagner, Die »verhinderte« Großmacht, S. 227–239; Matinuddin, The nuclearization, S. 111 f. Zu Rohstofffragen, Bedarfsrangfolgen und Geheimhaltung vgl. daneben Vermerk indische Botschaft an MID, 11.10.1955, weitergeleitet an ZK-Präsidium ZK, AVP, f. 6, op. 10, papka 5, d. 77, ll. 64 f.; Šeremet’ev an ZK, Sekretariat Muchitdinov, 6.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 177 ff., hier ll. 177–179; Nehru an Gründungsdirektor Institut für Nuklearphysik, Saha, 21.1.1956, SWJN 2, Vol. 31, S. 134 f. Zur indischen militärischen Nutzung vgl. Perkovich, India’s nuclear bomb, S. 37 f., 42; Abraham, The making, S. 59 f., 82 ff., 93 ff.; Bieber, Zur Frühgeschichte; Moshaver, Nuclear weapons; Kap. 4.3.5. und 5. 1115 1956 wurde eine Musterfarm in Rajasthan ausgestattet, 1964 kam eine zweite Anlage hinzu, westliche Staaten unterstützten derweil wesentlich stärker konkurrierende Ansätze, vgl. Maletin auf Sitzung sowjetischer Orientalisten, 29.–31.10.1958, RGANI, f. 5, op. 35, d. 79, hier ll. 223 ff.; Nehru an Jain, 30.12.1958, 4.1. und 5.7.1959, SWJN 2, Vol. 45, S. 515 f., Vol. 46, S. 444 und Vol. 50, S. 153 f.; Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff.; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 94; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 130–137; Unger, Entwicklungspfade,77–147.

552

Sowjetisch-indische Beziehungen 1955 bis 1964/65

ner Façon blieben ohne wirklichen sowjetischen input.1116 In diesen Zusammenhängen ist auch beachtenswert, dass sich die UdSSR in den langjährigen indisch-pakistanischen Streitereien um die Indus-Flüsse nicht engagierte. Die Zurückhaltung war auch deshalb bemerkenswert, weil hier merklicher internationaler Vermittlungsbedarf bestand, den die Gegenseite via Weltbank auch zu nutzen versuchte.1117 Daneben konnte die UdSSR nur beschränkt Katastrophenhilfen und auf Dauer keine bedeutsamen Beiträge zur Lebensmittelversorgung Indiens leisten.1118 Im weiteren Umfeld der so wichtigen Ernährungsfrage entwickelte die sowjetische Politik nach den eigenen immensen Verlusten des Zweiten Weltkriegs und eventuell mit Blick auf die Massen als traditioneller Resource sowohl einer Großmacht als auch einer revolutionären Bewegung kein tieferes Verständnis für Anliegen der indischen Bevölkerungspolitik. Noch 1961 bemerkte Kosygin in Gesprächen mit der indischen Planungskommission obenhin, dass das Bevölkerungswachstum in der UdSSR mit zweieinhalb Prozent um ein halbes Prozent höher liege als in Indien, ohne dass man dies in Moskau, so die Botschaft, als Alarmsignal deuten würde.1119 Die Einschätzungen der wirtschaftlichen Vor- und Nachteile, die Indien aus seinen expandierenden Wirtschaftsbeziehungen mit der UdSSR zog, fielen und fallen uneinheitlich aus. Gerade langfristige Prozesse oder spätere Erscheinun1116 Vgl. Kap. 3.4.; Ter-Avanesjan an Chruščev, 10.10.1957, RGANI, f. 5, op. 45, d. 162, ll. 151–155; Archipov an ZK, [nach 12.9.1959], RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 1–14, hier l. 12; Sekretär Parteikomitee GKĖS, Mečennyj, an ZK, 4.2.1960, RGANI, f. 5, op. 45, d. 263, ll. 45 ff.; Sergeev an Muchitdinov, 16.6.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 249–254; Tätigkeitsbericht Landwirtschaftsrat sowjetische Botschaft Delhi für 1964, RGANI, f. 5, op. 45, d. 388, ll. 17 ff.; MID-Abt. SOA an ZK, 1.2.1960 [Ausgang], AVP, f. 90, op. 22, papka 72, d. 19, l. 31; Nehru an Patil, 15.1.1960, SWJN 2, Vol. 56, S. 310 f. 1117 Vgl. allg. hierzu ab den frühen 1950er-Jahren u. a. Vertragsentwurf, Februar 1954, WBA, ADMCF 91000/018/IndBas, Box 182308B; Black an Iliff, 11.2.1952, WBA, WB IBRD/IDA 03– 02, Series 01, Box Nr. 4: 209324B, Travel Vol. 3, 1952; Aufzeichnung Gespräch World Bank, Sommers u. a., in State Department, Office of South Asian Affairs, 10.4.1952, NARA, RG 59, Lot 57D259, Box 7, Pt 4; Aufzeichnung Gespräch Weltbank und State Department, 21.5.1954, NARA, RG 59, Lot 62D43, Box 2; Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 133–137; Mason/Asher, The World Bank, S. 610 ff.; Staples, The birth, S. 31–41, 53–63; Glietsch, Der Einfluss, S. 67–70. 1118 Vgl. Kap. 3.4.; Nehru an Secretary General und Foreign Secretary, 31.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 743 f.; Nehru an Karan Singh, 30.7.1959, SWJN 2, Vol. 50, S. 163; Nehru an Pillai, 14.2.1960, SWJN 2, Vol. 57, S. 417; Interdepartmental Study Group, 18.9.1957, FRUS 1955–1957 8, S. 384 ff. 1119 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Planungskommission mit Kosygin, 21.2.1961, NMML, Subimal Dutt Papers, 95; Nehru vor 2. Treffen Family Planning Board, 25.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 193 ff.

Wirtschaft: Handel, Kredite und Projekte

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gen lassen sich kaum verlässlich auf die frühen Kooperationen zurückführen. Sie waren in letzter Instanz von der indisch definierten und realisierten Wirtschaftspolitik mit ihren Einschnitten, Verwerfungen und Dynamiken insbesondere ab der zweiten Hälfte der 1960er- sowie wieder ab Mitte der 1980er-Jahre abhängig. Bestandsaufnahmen von Mitte der 1960er-Jahre kritisierten mit der forcierten Schwerindustrialisierung, Importsubstitution und Lizenzierungs­wesen, der – trotz aller Lippenbekenntnisse – vernachlässigten Exportproduktion, der Unterentwicklung der Landwirtschaft und der mangelhaften Leistungsfähigkeit des öffentlichen Sektors zunächst einmal indisch gesetzte Rahmenbedingungen der Kooperation und nicht diese selbst. Auch Gesamtaufnahmen der Forschung zur indischen Wirtschaftsentwicklung dieser Jahre zeigen die Verflechtung innerer, bilateraler und internationaler Prozesse, die eine genaue Zuordnung von Erfolgen und Misserfolgen zur sowjetisch-indischen Partnerschaft unmöglich machen. Probleme des Schuldendienstes, der rapide wachsenden Bevölkerung mit unzureichenden Ernährungsgrundlagen, der Industrialisierungspolitik, der Aufnahmekapazität Indiens für Auslandshilfen oder des Verhältnisses von Militär- und Entwicklungsausgaben, dazu Unstimmigkeiten auf fachlicher und persönlicher Ebene im direkten Kontakt, Unvereinbarkeiten wirtschaftspolitischer Ziele, problematische Handelsstrukturen mit ihren impliziten Abhängigkeiten sowie der Einbettung in die nationale Industrie- und Landwirtschaftspolitik waren Herausforderungen, die sich sowohl sozialistischen als auch kapitalistischen Partnern stellten.1120

1120 Vgl. neben den vorhergegangenen Anm. US-Botschaft Delhi, Stone, an State Department, 8.7.1965, NARA, RG  59, Lot  68D49, Box  6; Entwurf Bericht Weltbank-Berater B. Bell, »Bell-Report«, Mai 1965, Endfassung August 1965, WBA, WB IBRD/IDA 42–02, Series 1, Box 3 (210814B); Bell an Woods, 19.4.1966, WBA, WB IBRD/IDA 43–02, Series 1, Box 1 (210812B); Kapur, The Soviet Union, S. 55–62; Bhardwaj/Thakur (Hg.), Nehru’s vision; Gopal, Nehru 3, S. 286–297; Lewis, India’s political economy, S. 10 f., 16 f., 65 f., 136–139; Khilnani, The idea, S. 62–65; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 77 f., 85 f., 104–107, 252–259, 281–285, 302 f., 342 f.; Singh, India’s development experience, S. 23–31, 42–45, 84–88, 93 f., 100 f.; Gajrani/Ram, Aruna Asaf Ali, S. 255–269; Rothermund, Indiens, S. 155–162; Datar, India’s economic relations, S. 201–207, 237–246; Thakur, The politics, S. 259–262, 266–268, 271 f.; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 1–18, 128 f.; Nayyar, India’s unfinished journey; Sinha, Lineages; Parry/Struempell, On the desecration; Parry, Lords; Glietsch, Der Einfluss, S. 83–94, 125–127; Kapur/Lewis/Webb, The World Bank 1, S. 384–391, 464–467; Sperling, Die Rourkela-Deutschen; Das Gupta, Handel; Staples, The birth, S. 32–35, 40 f.; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 376 f.; Merrill, Bread, S. 162–167, 196 f., 203–207. Lipton/ Toye, Does aid work; Pathak, Jawaharlal Nehru. Allg. vgl. Toye/Toye, The UN; UN contributions; Rosen, Western economists; Rist, The history; Van Laak, Weiße Elefanten; Unger, Entwicklungspfade, 148–151, 158 f., 208, 269–274.

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Zeitgenössische Meinungsbilder belegen, dass die sowjetisch-indischen Wirtschaftsbeziehungen in Indien insgesamt recht positiv aufgenommen wurden. Diverse indische Politiker und Beobachter schätzten neben eigenen Absatzmöglichkeiten in der UdSSR und der Unterstützung politischer Beziehungen durch Wirtschaftskontakte die mögliche Devisenersparnis, die über Jahre hinweg attraktiven Kreditbedingungen, die Ausbildungsmöglichkeiten für indische (Fach-)Arbeiter, den, wenn auch begrenzten, Technologietransfer, eine verlässlische Versorgung mit bestimmten Importgütern sowie bereits kurzfristig fühlbare Fortschritte in verschiedenen relevanten, staatlichen Industriesektoren – einschließlich der Rüstungsproduktion – positiv ein. Gerade die Unternehmen des Staatssektors hätten zudem kaum auf umfangreiche Unterstützung der USA oder Großbritanniens hoffen können, von Wirtschaftspartnern also, von denen sich Delhi ohnehin weniger abhängig machen wollte. So stand Indien beispielsweise für den Aufbau einer eigenen Ölindustrie im öffentlichen Sektor »nur eine Quelle für Ausrüstungen und Hilfe« zur Verfügung, und das war die UdSSR.1121 Darüber hinaus trug die sowjetische Konkurrenz in verschiedenen Bereichen dazu bei, Preisdiktate anderer Anbieter aufzubrechen.1122 Dagegen betrachteten Kritiken amerikanischer, westeuropäischer oder indisch-kapitalistischer Provenienz beispielsweise die (mögliche) Umlenkung indischer Exporte von kapitalistischen auf sozialistische Märkte als indisches Verlustgeschäft. Als weitere Negativa galten ihnen generelle Schwankungen auf dem sowjetischen Absatzmarkt und die letztlich traditionellen Warenstrukturen im bilateralen Handel, die sich ebenfalls hemmend auf die indische Exportsteigerung auswirken konnten. Schließlich bewerteten sie Preisgestaltungen sowjetischer Verkäufer und die Bindung sowjetischer Finanzhilfen an sowjetische Exporte als problematisch. Ihrer Ansicht nach gingen dadurch und weil Indien 1121 K. D. Malaviya an Nehru, 7.9.1959, SWJN 2, Vol. 52, S. 308 f. 1122 Vgl. Tab. 2 b. und c.; Nehru an Pillai, 6.11.1958, mit Vermerk Pillai, 6.11.1958, SWJN 2, Vol. 45, S. 713–717 mit Anm. 164; Additional Secretary Ministry of Commerce and Industry, Lall, an MEA, 12.11.1958, SWJN 2, Vol. 45, S. 717–719; Nehru an Mountbatten, 21.3.1959, SWJN 2, Vol. 47, S. 378–380; indische interne Diskussionen im Kontext der sowjetischen Hilfsangebote zum Dritten Fünfjahresplan, Sommer 1959, SWJN 2, Vol. 51, S. 286, 513; Vasudevan, Shadows, 25–54; Sánchez-Sibony, Red globalization, S. 30–32, 116–120; Menon, India, S. 142 f.; Rothermund, Indien, S. 67–76, 78 f.; Mehta, Why Rupee trade; Thakur/Thayer, Soviet relations, S. 205–208; Chandra, The Soviet impact, S. 475–480; Lavigne, International political economy, S. 228 f.; Lipton/Toye, Does aid work, S. 122 f.; Moorthy, The road, S. 176 f.; Thakur, The politics, S. 116–118; Rothermund, Indiens, S. 155–203; Mehrotra, India, S. 6, 13, 128–131; Singh, Indo-Soviet cooperation, S. 11, 47–49, 51, 61, 65, 191–194; Datar, India’s economic relations, S. 163 f., 253 f., 261 f.; Mathew, India’s economic relations, S. 172–216, 220–226; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 31–55, 65–101, 111–129, 160–163, 167–236, 268–286.

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zum Teil nicht genügend Importgüter fand, die Überhangexporte ausgleichen konnten, Chancen in Handel und Devisenwirtschaft verloren. Analysen, die Mitte der 1960er-Jahre die gesamte indische Wirtschaftspolitik auf den Prüfstand stellten, rieben sich mit Blick auf die bilaterale Zusammenarbeit vor allem an der angeblichen Gigantomanie und Innovationslosigkeit indisch-­sowjetischer Projekte sowie an den durch die sowjetischen Organisations- und Leistungsprobleme auflaufenden Zusatzkosten. »Politische Risiken«, die der Bell-Report im indischen Handel mit Osteuropa sah, waren nur aus einer spezifischen Perspektive des Kalten Kriegs heraus gegeben.1123 Schließlich blieben in der Gesamtbilanz die vom Kreml propagierten respektive beschworenen Folgewirkungen zum Wohle des Sozialismus in Indien und weltweit aus. Großprojekte erzeugten unter den indischen Rahmenbedingungen keinen sozialistischen Sog. Für gesellschaftspolitische Kettenreaktionen fehlte in der asiatischen Demokratie neben den staatlich-planerischen Voraussetzungen vor allem der politische und gesellschaftliche Wille. Die Implantation einzelner schwerindustrieller Projekte erwies sich ohne einschneidende flankierende Maßnahmen vor Ort als wirkungslos. Die sowjetische Handelspolitik war einer schnellen und umfassenden Industrialisierung und Technisierung der indischen Wirtschaft ohnehin wenig förderlich. Auf den Feldern wissenschaftlicher Zusammenarbeit erreichte die Sowjetunion keinen Spitzenplatz, Indiens Kaderbildung ließ sich kaum sozialistisch prägen. Allerdings ergaben sich aus den Verbindungen für die UdSSR einzelne wirtschaftliche Positiva. Sie lassen sich anhand der vorliegenden Daten und Akten nicht mit den Kosten der Zusatzbelastungen verrechnen. Zu den grundsätzlichen Gewinnen gehörte die Erweiterung der sowjetischen Importmöglichkeiten bei Konsumgütern, zusätzliche Absatzmärkte für mitunter überteuerte Exportwaren und die Devisenersparnis, die eben auch der UdSSR zugutekam.1124 Nach Chruščev errechneten sowjetische Experten handfeste Vorteile, die Moskau aus den Wirtschaftsbeziehungen mit der Dritten Welt zog: Für jeden Rubel, der für sowjetische Exportgüter aufgewendet worden war, erhielt man ihren Sta1123 Weltbank, Kaupisch/Votaw, Vermerk zu Bell-Report, 9.8.1965, WBA, WB IBRD/IDA 42–02, Series 1, Box 1 (210812B). Vgl. neben vorhergegangenen Anm. Bell an Woods, 19.4.1966, WBA, WB IBRD/IDA 43–02, Series 1, Box 1 (210812B); Mehrotra, India, S. 30, 95–103, 133– 135; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 88 f., 375 f.; Lavigne, International political economy, S. 114 f.; Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 208 f., 214 f., 372–377; Carter, The net cost; Brun/Hersh, Soviet-Third World relations, S. 172–180, 182–185, 203 f.; 228 f.; Elias, Die Außenwirtschaftsbeziehungen, S. 121 f.; Datar, India’s economic relations, S. 86–91, 127, S. 133 f., 138 f., 156 f., 167–183, 200–205, 241 f., 247–255, 258 f. 1124 Vgl. neben Kap. 4.4.1. Bassett, Aligning India, S. 783–798; Vasudevan, Shadows, S. 31 f.

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tistiken zufolge aus der Dritten Welt Waren, deren Produktion in der UdSSR selbst 2,7 Rubel gekostet hätte. Der entsprechende Koeffizient lag im Handel mit RGW-Staaten bei 1,14, im Handel mit kapitalistischen Ländern nur bei rund 1.1125 Angesichts dieses insgesamt ambivalenten Sachstands nahmen im Oktober 1964 Chruščevs Widersacher hinsichtlich der Wirtschafts- und Außenwirtschaftspolitik sowohl lange kursierende Zweifel als auch seine eingangs zitierte aktuelle Selbstkritik auf: »Amerika einzuholen« sei ein »ungesunder Wettkampf«, ließ sich der Kandidat des ZK-Präsidiums, Kirill Mazurov, in der entscheidenden Sitzung des ZK-Präsidiums am 13. Oktober 1964 vernehmen.1126 In dieser Gesamtschau gehörten die bisherigen Wirtschaftsbeziehungen zur Dritten Welt einschließlich Indiens auf den Prüfstand. Die neuen Machthaber wollten weiterhin »[t]reu unserer internationalen Pflicht« den neuen Staaten »nach Kräften wirtschaftliche und andere Hilfe leisten, die Vorteile des sozialistischen Wegs propagieren, die gesammelte Erfahrung unseres Aufbaus teilen, bei der Ausbildung von Kadern, der Entwicklung der Kultur helfen«. Ihnen schwebte hierbei aber neben »einem überlegten politischen Zugang eine Analyse der Zweckmäßigkeit« anstelle der Verteilung von »großzügigen und für unser Volk belastenden Geschenke« vor. Gefordert waren nun politische Effektivität und wirtschaftliches Augenmaß. Bislang sei es doch so gewesen, lautete die kritische Bilanz, »dass die Amerikaner, Franzosen, Engländer und Deutschen für Hunderte von Jahren die führende Position in Asien, Afrika und Lateinamerika eingenommen haben. Sie haben dort ihre Bastionen geschaffen, wirtschaftliche und militärische, sie kennen die Situation, die Sitten und Gebräuche, die Lebensbedingungen dieser Völker sehr gut, sie haben dort ihre Kader. Die Menschen dieser Länder sprechen ihre Sprache. Wir, ohne etwas Zusammenhängendes über diese Länder zu wissen, erweisen ihnen von Zeit zu Zeit breite Finanz-, technisch-wirtschaftliche, militärische und andere Hilfe. Die Ergebnisse in vielen Ländern sind zum Weinen: Nachdem sie verbraucht haben, was wir ihnen gegeben haben, haben sich die Führer einiger Länder von uns abgewendet. Die Kapitalisten lachen über uns, und sie lachen zu Recht. Das geschieht daher, weil wir nicht immer eine politi1125 Vgl. Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff. Derlei Berechnungen basierten z. T. auf fraglichen Grundlagen, wenn sie den Anteil von Importgütern, die für die Produktion von Exportgütern benötigt wurden, unterschlugen, vgl. N. A. Tichonov an SovMin, Januar 1964, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 843, ll. 1 ff. 1126 Protokoll ZK-Präsidium am 13.10.1964, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 862– 872, hier S. 866.

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sche, klassenmäßige Klarheit aufweisen.« Dazu kam das Bewusstsein, dass die laufenden Diskussionen über die internationale Arbeitsteilung, wie dargestellt, der sowjetischen Wirtschaftsstrategie noch mehr den Boden entzogen. »In nur zehn Jahren haben wir in verschiedenen Ländern über sechstausend Unternehmen gebaut«, so die Generalabrechnung. »In einer Reihe von Ländern – Afghanistan, Indien, UAR und anderen – machen die sowjetischen Kredite zwölf bis 50 Prozent aller von ihnen erhaltenen Kredite aus. Dabei haben einige der Führer dieser Länder deutlich ihr Gewissen verloren und begonnen, nicht mehr zu bitten, sondern zu fordern – gib her, und fertig! Sie haben sogar eine ›Theorie‹ erfunden: Die reichen Länder müssen den armen helfen. In Erfüllung unserer internationalen Pflicht haben wir den Brudervölkern geholfen und müssen auch helfen, aber man muss dies vernünftig und wirtschaftlich tun, und dabei eine strenge politische Linie verfolgen. Und unsere Hilfe darf natürlich nicht auf Kosten des Lebensnotwendigen und Unerlässlichen für die sowjetischen Menschen vonstattengehen.« Mit Blick auf Indien störten sich Chruščevs langjährige Wegbegleiter und Nachfolger an einzelnen finanziellen Zuwendungen, die ihnen nun – recht unvermittelt – angesichts der indischen Militärausgaben fehl am Platze schienen.1127 Im Ganzen betrachtet behielt die neue Führungsmannschaft in ihren Wirtschaftsbeziehungen zur Dritten Welt grundsätzliche Prämissen bei, setzte aber auf verschiedene Nachbesserungen vor allem zugunsten rein ökonomischer Erwägungen.1128 Dieser Ansatz wurde im RGW ebenfalls verbindlich. Hier wurden mit neuer Dringlichkeit neben der Befreiung der Länder »von der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den imperialistischen Mächten« und der »Stärkung des staatlichen Sektors ihrer Wirtschaft« die »Akkumulierung eigener Mittel, [die] Vergrößerung der Exportmöglichkeiten und [die] Erhöhung der Zahlungsfähigkeit der Entwicklungsländer« als wichtige Ziele der Entwicklungszusammenarbeit definiert.1129 Ungeachtet dieser Akzentuierungen trieb die Herausforderung, wirtschaftspolitische Kooperation in ideologische und diplomatische Raumgewinne umzusetzen, Chruščevs Nachfolger weiter um. Sowjetische Spitzenkräfte betrachteten die Beziehungen auch nach Oktober 1964 nie unter rein wirtschaftlichen 1127 Bericht ZK-Präsidium für Oktoberplenum ZK [13.10.1964], in: Nikita Chruščev 1964, Artizov u. a. (Hg.), S. 182–216, hier S. 200 f. 1128 Vgl. Beschluss ZK-Präsidium, 28.1.1965, in: Prozumenščikov (Hg.), Spor, Teil 2, S. 14–21, hier S. 19. 1129 Operative Daten RGW-Sekretariat, Abt. Koordinierung der technischen Hilfe, zum Stand 1.1.1965, Mai 1965, BArch, DL 2/VA 6770, Mappe 735/65.

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Gesichtspunkten. Die neue Führung sah sich ebenfalls mit der undankbaren Aufgabe konfrontiert, mit einer Politik aus einem Guss die vielfältigen Forderungen an Außenwirtschaftsbeziehungen – Bedarfsdeckung, Exportförderung, Kreditsicherheit, Beschaffung von Devisen und know-how, Überholen des Kapitalismus und Förderung nicht-kapitalistischer Entwicklungswege – zu bedienen. Es kann daher nicht überraschen, dass Diskussionen hinter den sowjetischen Kulissen »über die Gestaltung der internationalen Zusammenarbeit nach ökonomischen Grundsätzen« zahlreiche Meinungsverschiedenheiten offenlegten.1130 Es hing nach wie vor nicht nur von Zielen und Motiven der UdSSR-Führung ab, ob sich die Akzentsetzung auf der inneren Konsolidierung des Imperiums und gezielteren Offensive im globalen Systemwettkampf mit dem Kapitalismus realisieren ließ. Je länger wirtschaftliche und soziale Probleme in Staaten der Dritten Welt ungelöst blieben, desto nachdrücklicher wurde das vermeintliche Bündnis zwischen globalem Sozialismus und nationaler Selbstfindung auch aus entwicklungspolitischer Perspektive in Frage gestellt. In der Praxis der sowjetisch-indischen Wirtschaftsbeziehungen versicherte Kosygin der indischen Regierung Ende 1964, dass grundsätzlich keine Änderungen anstünden.1131 Und tatsächlich: Die UdSSR übernahm neue Verpflichtungen für den Bau von Unternehmen der indischen Industrie, dieses Mal im Bereich der Elektroausrüstung (Ranipur) und, erneut, in der Stahlindus­ trie (Bokaro).1132 Ein konsequenter, klarer Neubeginn der sowjetischen Wirtschaftsbehörden lässt sich daran sicherlich nicht ablesen.1133 Es war Mitte der 1960er-Jahre zumindest schwierig abzusehen, ob die neuen Unternehmungen dem erklärten Ziel dienen würden, vor allem solche Werke in der Dritten Welt zu fördern, »die uns vom Standpunkt des Imports besonders interessieren.«1134 Auf der anderen Seite gingen Überlegungen des MVT, unter dieser Prämisse indischen Privatfirmen Komplettausrüstungen zu verkaufen, zwar mit rein wirt1130 DDR-Delegation, Information über 17. Sitzung RGW-Exekutivkomitee, 7.–9.4.1965, BArch, DC 20/12518. 1131 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Kosygin mit Gandhi, 30.10.1964, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. 1132 Vgl. stellv. Vors. Volkswirtschaftsrat, Lebedev, an SovMin, 7.12.1964, RGAĖ, f. 233, op. 2, d.  244, ll.  4–12; Information wirtschaftspolitische Abteilung DDR-Botschaft Moskau, 15.6.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 54–61, hier Bl. 60 f. 1133 Vgl. Information wirtschaftspolitische Abteilung DDR-Botschaft Moskau, 15.6.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 54–61, hier Bl. 61; Vermerk politische Abteilung DDR-Botschaft Moskau über Gespräch in GKĖS, 8.9.1965, PA AA, MfAA, A 166, Bl. 277; Vermerk GoI, Ministry of Finance, Department of Coordination, Oktober 1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43; stellv. Vors. Gosplan, Lalajanc, an SovMin, 21.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 104 ff. 1134 Vermerk über Gespräch stellv. Vors. Ministerrat DDR, Weiss, mit Skačkov und Archipov, 10./11.8.1965, PA AA, MfAA, A 17445, Bl. 11 ff.

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schaftlichen Stoßrichtungen konform, liefen aber der gleichfalls angestrebten kontinuierlichen Stärkung des Staatssektors zuwider. Bis 1965/1966 wurden diese Ideen nicht mehr spruchreif.1135 In der Handelspolitik bestand weiterhin das Moskauer Anliegen, die Verbindung traditionell, nämlich für den Export von Maschinen und Aufrüstungen, zu nutzen.1136 Mitte der 1960er-Jahre zierte sich die sowjetische Seite nach wie vor, im Gegenzug umfangreiche Erzeugnisse des indischen Maschinenbaus zu importieren. Da vielfach die indische Privatwirtschaft den sowjetischen Importbedarf im Rohstoff- und Konsumgütersektor bediente, trug der Handel immer noch wenig zur Stärkung des theoretisch bevorzugten Staatssektors bei.1137 Ausarbeitungen des MVT für den Exportplan der Jahre 1966 bis 1970, die von Anfang 1965 datieren, zielten ebenfalls auf die Festschreibung der bisherigen Beziehungsmuster. Die UdSSR sollte demnach vor allem Erzeugnisse des Maschinenbaus exportieren, Rohstoffe und Konsumgüter importieren und sich an Unternehmen beteiligen, die dem sowjetischen Exportbedarf zuarbeiteten.1138 So sah sich die indische Seite letztlich mit der Erkenntnis konfrontiert, dass ihre konkreten Beziehungen zu kapitalistischen oder sozialistischen Geldgebern und Wirtschaftspartnern mit analogen Problemen behaftet waren. Die wirtschaftliche Umgestaltung einer ehemaligen Kolonial- zu einer unabhängigen Nationalwirtschaft blieb integraler Bestandteil eines nationalen Gesamtprojekts, das sich grundsätzlich an imperialen Zielen rieb. Mit Blick auf die UdSSR entluden sich grundsätzliche Spannungen gänzlich unabhängig von Chruščevs Sturz immer wieder in Detailfragen. So warfen indische Unterhändler Ende Oktober 1964 dem MVT in Moskau zum wiederholten Male vor, dass »die Sowjetunion Indien das verkaufen wolle, was sie nicht braucht und dass das kein Freundschaftsbeweis« sei, Die Freundschaft der Völker, konterte der stellvertretende Außenhandelsminister Borisov ungerührt, liege vor allem »in ihren Herzen« begründet.1139 Und um die indischen Herzen kümmerte sich in Moskau weniger die Wirtschafts- als vor allem die sowjetische Kultur- und Propagandapolitik.

1135 Vgl. Protokoll Sitzung stellv. MVT, 22.–23.9.1965, BArch, DL 2/VA 6770, Mappe 810/65. 1136 Vgl. Mackevič an ZK, 8.5.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 482, ll. 45 f. 1137 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Patoličev mit T. N. Kaul, 13.12.1964, RGAĖ, f. 413, op. 31, d. 76, ll. 50 ff.; Bericht über Besuch Finanzminister T. T. Krishnamachari in Moskau, 9.–17.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43, hier Bl. 109. 1138 Vgl. Vermerk MVT, Smirnov, 22.1.1965, RGAĖ, f. 413, op. 66, d. 436, ll. 211–213; Kap. 5. 1139 Verhandlungen sowjetisch-indischer Delegationen über die Überprüfung Import- und Export 1964 sowie über Warenlisten 1964/1965, 28.–31.10.1964, RGAĖ, f. 413, op. 31, d. 305, ll. 362 ff.

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4.5. Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda: Zum Verhältnis von Zivilisierungsmission und Nationalkultur In der Propaganda-, Informations- und Kulturpolitik verfolgte die sowjetische Seite im Grundsatz weiterhin die imperialen Kernanliegen der Vorjahre.1140 Die Kulturbeziehungen zielten auf die Ausweitung des Einflussbereichs der sozialistischen Kultur mit ihren vermeintlich neuen Menschen und Gesellschaften. Wie zuvor, so hing die Expansion an einem Doppelprozess, bei dem sowjetisch-­ sozialistische kulturelle Maßstäbe und Errungenschaften tradiert und zugleich indisch-sozialistische Ansätze entlang sowjetischer Leitlinien selbständig wachsen sollten. Angesichts dieser Vorhaben war es nur natürlich, dass die sowjetischen Aktivitäten nach wie vor ein prosowjetisches, im Rahmen der UdSSR Russland-bezogenes Informations-, Bildungs- und Kulturgefälle voraussetzten. Immer noch hatten beispielsweise sowjetische Freundschaftsgesellschaften »Errungenschaften« der UdSSR zu propagieren, die sowjetische Bevölkerung selbst jedoch nur mit Leben und Arbeit der Partnerländer »bekannt« zu machen.1141 In der Propaganda- und Informationstätigkeit trug die Binnendarstellung angeblich erfolgreicher internationaler Beziehungen zur Legitimation der sowjetischen Führung und ihrer Politik bei – eindrucksvoll durchdekliniert am Beispiel des Kooperationsprojekts in Bhilai.1142 Ab Mitte der 1950er-Jahre gewann jedoch die Aufgabe, über die existierenden Grenzen hinaus Wirkung zu entfalten, zunehmend an Gewicht und Eigenwert. Multimediale Propaganda und die einseitige Informationsvermittlung über eine UdSSR, wie sie sein wollte, sollten das Interesse und insbesondere das Wohlwollen der indischen Gesamtbevölkerung für das sowjetische Gesamtmodell, seine Vertreter und seine internationalen Aktivitäten steigern. Die sowjetischen Angebote standen in steter Konkurrenz zu Aktivitäten und Entwürfen kapitalistischer und, spätestens ab den 1960er-Jahren, chinesischer 1140 Vgl. zu den allg. Rahmenbedingungen und Grundentwicklungen neben Kap. 3.5., Anm. 857, Aggeeva, Kul’turnye svjazi; Romanovskij, Meždunarodnye kul’turnye svjazi; Samylovskij, Naučnye i kul’turnye svjazi; Roth-Ey, Moscow prime time; Churchward, The Soviet intelligentsia; Westerman, Ingenieure. 1141 Entwurf Beschluss ZK-Sekretariat, 2.8.1957, sowie Beschluss ZK-Sekretariat, 5.9.1957, RGANI, f. 89, op. 55, d. 20 und 21. 1142 Vgl. Achmedzjanov, Dva goda; Paško, Ljudi. Bhilai gehörte daher auch zum offiziellen, breit ausgeleuchteten Reiseprogramm sowjetischer Spitzen nach Indien, vgl. u. a. Aufzeichnung Gespräch K. P. S. Menon mit Brežnev, 25.5.1960, GARF, f. 7523, op. 78, d. 171, ll. 77–80; Choudhary (Hg.), Dr. Rajendra Prasad, 21, S. 468–476, hier S. 386 f.; Aufzeichnung 1. Europäische Abteilung MfAA, 14.3.1961, PA AA, MfAA, A 17094, Bl. 27–30.

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Apparate. In letzter Instanz entschieden allerdings die indische Aufnahmebereitschaft und damit indische Eigeninteressen und Ideen sowohl über Propagandaerfolge Moskaus als auch, in weiterem Sinn, über das Ausmaß des sowjetischen Kulturtransfers. Dabei gingen sowjetische Apparate und Programme oftmals weiterhin leichtfertig von einer grundsätzlichen Aufnahmebereitschaft vor Ort aus, die sie selbst nicht erzeugen konnten – und die im Indien der 1950er- und 1960er-Jahre in der antizipierten Form kaum vorhanden war. Hier befanden sich Politik und Gesellschaft bezüglich Kern, Gehalt und Ausgestaltung des indischen Nationalprojekts weiterhin in einem komplexen Aushandlungsprozess. Nach der Vorstellung Nehru’scher Politik basierte die nationale Einheit auf Anerkennung und Gleichberechtigung einer Vielfalt von Kulturen im Staat. Diese Idee war jedoch der Gefahr ausgesetzt, dass die Diversität in der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Gesamtentwicklung doch nur in einen Kampf der Partikularinteressen mündete. Die internationale Selbstdarstellung, der man sich in Indien ab den späten 1950er-Jahren trotz anhaltend unzureichener Mittel mit mehr Entschlossenheit annahm, mochte durch die nationale Unentschiedenheit an Kohärenz und Bestimmtheit verlieren.1143 Für die sowjetische Suche nach Ansprechpartnern und Anknüpfungspunkten stellte die indische Situation dagegen Anforderungen an Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Ausdifferenziertheit, die Instrumente, Methoden und Ziele des sowjetischen Projekts nicht durchgängig boten und auch nicht bieten wollten. Debatten über das Verhältnis zwischen Ideologie und Kunst, wie sie in der UdSSR um Boris Pasternaks Doktor Živago, im Umfeld von Chruščevs berühmtem Besuch in der Manež-Kunstausstellung oder unter den neuen Machthabern geführt wurden, verwiesen ihrerseits auf innersowjetische Spannungen. Diese konnten die sowjetisch-indischen Verbindungen auffächern oder belasten.1144 Im Detail lassen sich die Mechanismen und Problemlagen für die 1950er- und 1960er-Jahre weiterhin anhand der sowjetisch-indischen Literaturbeziehungen beschreiben, wobei die Kulturkontakte auch in diesem Zeitraum mit unterschiedlicher Intensität zahlreiche weitere Sphären wie Tanz, Musik, Gesang, Film, Malerei und Theater umfassten.

1143 Vgl. Nehru in Lok Sabha, 17.3.1959, SWJN 2, Vol. 47, S. 431–448, hier S. 432 f. 1144 Vgl. Taubman, Khrushchev, S. 383–388, 588–596; Laß, Vom Tauwetter, S. 53–62, 129–190; Hopf, Reconstructing, S. 183–191; Sokolov, Chudožestvennaja kul’tura, S. 79–86, 191–282; Reid, Toward a new (socialist) realism.

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4.5.1. Kulturdiplomatie und Literaturbeziehungen: Offenheit versus Dogmatismus Die kulturellen Verbindungen der UdSSR zu Indien blieben nach 1955 in die Auseinandersetzungen eingebettet, die die UdSSR weltweit mit kapitalistischen Alternativen zum sowjetisch-sozialistischen Kulturverständnis führte, ohne sich darin zu erschöpfen. Der offizielle sowjetische Diskurs positionierte sich gegen alle sogenannten »kosmopolitischen«, »formalistischen«, »modernistischen« und schlechthin abstrakten Kunstformen sowie gegen angeblich bürgerliche Verzerrungen der Idee künstlerischer Freiheit und fuhr fort, die eigene Kultur als »eine höhere Stufe in der kulturellen Entwicklung der Menschheit« zu repräsentieren.1145 Ab den 1960er-Jahren trat die Auseinandersetzung mit chinesischen Interpretationen hinzu.1146 Die Aktivitäten eines kulturellen sozialistischen Internationalismus erschienen weiterhin als integraler Aspekt der Heranbildung eines neuen Menschen, der durch seine Qualitäten zum Gravitationszentrum aller globalen Fortschrittsentwicklungen werden würde.1147 Damit war die poststalinistische Kulturpolitik keineswegs durch eine stringente Entwicklung hin zu mehr Liberalität und Differenz gekennzeichnet. 1148 Zudem fuhren die Politgranden fort, kulturmissionarischen Eifer ihrer Vertreter ein1145 Chruščev auf 22. Parteitag KPdSU, 18.10.1961, in: Chruschtschow, Reden, S. 164–168, hier S. 164. Vgl. Parteiprogramm KPdSU, in: Thomas (Hg.), Das neue Parteiprogramm, S. 109 f., 119 f.; ZK-Plenum, 18.–21.6.1963, u. a. Beitrag Il’ičev, RGANI, f. 2, op. 1, d. 658. 1146 Vgl. Vermerk Staatskomitee für Presse, 27.5.1964, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1958–1964, Afiani u. a. (Hg.), S. 714–724, hier S. 717 f.; Aufzeichnung ZK-Abteilung für Wissenschaft, Schulen und Kultur RSFSR, 26.9.1956, Apparat CK KPSS i kul’tura, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 537–542; Beschlüsse ZK-Ideologie-Kommission ZK mit Begleitmaterial, 11.2., 22.4., 28.7. und 26.9.1958, 16.9. und 1.10.1959 sowie 14.4.1960, 4.1. und 13.3.1961, in: Ideologičeskie komissii CK KPSS 1958–1964, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 43 f., 52–55, 64–71, 98–103, 180– 188, 190–193, 257 f., 263, 267–273 bzw. RGANI, f. 11, op. 1, d. 503, l. 123; Vermerk Kulturministerium, Korneev, 5.2.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1468, ll. 66–68; Vermerke korrespondierendes Mitglied AN, Belousov, sowie ehem. Department Director UNESCO, Kovda, [Januar 1962], RGANI, f. 5, op. 35, d. 187, ll. 3 ff., 18 ff.; stellv. Leiter Glavizdat, Mochov, an stellv. Leiter Abteilung Außenbeziehungen Glavizdat, Slavnov, 2.6.1962, GARF, f. 4851, op. 3, d. 410, l. 154. 1147 Vgl. Chruščev, Furceva und Muchitdinov auf 21. Parteitag, in: Vneočerednoj XXI s-ezd 1, S. 12 ff., hier S. 20 f., 55–59, 262 ff., hier S. 272 f., 388 ff., hier S. 389 f.; Bericht Obrazcov über Tournee Februar/März 1959, o. D., RGALI, f. 2329, op. 9, d. 108; G. A. Žukov an ZK, Il’ičev, 31.3.1959, RGANI, f. 5, op. 33, d. 94, ll. 77 ff. 1148 Vgl. Entwurf Rede Chruščev auf Treffen mit Intelligenz mit Ergänzungen, 18.–19. und 21.2.1963, in: Nikita Sergeevič Chruščev, hg. von Artizov u. a., Band 2, S. 601–628; Vermerk Staatskomitee für Presse an ZK, 15.1.1966, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1965–1972, Tomilina u. a. (Hg.), S. 150 ff.; Anm. 1140.

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zufordern. Noch 1963 erinnerte Chruščev sowjetische Literaten daran, dass sie »Werke über das Leben und den Kampf der Werktätigen gegen den Imperialismus und Kolonialismus, für den Frieden, die Freiheit und das Glück der Völker schaffen« und den ideologischen Kampf über die Grenzen des sozialistischen Imperiums hinaustragen sollten.1149 Dies stieß in Künstlerkreisen nicht unbedingt auf Widerhall. Im März 1959 kritisierte die ZK-Kulturabteilung, dass beispielsweise sowjetische Musiker bei ihren Gastrollen im Ausland oftmals auf Vorlagen westeuropäischer oder amerikanischer Komponisten zurückgriffen, um bei den »westlichen (bourgeoisen) Zuhörern« Erfolge zu feiern. Die Chefideologen werteten derartige Praktiken als Verrat an der eigenen Sache. Die Auswahl, so die Begründung, »ruft im Ausland einen falschen Eindruck über den Stand der Musikkultur unserer Völker hervor, macht nicht mit dem heutigen Leben der sowjetischen Menschen, mit ihren Ideen und Gefühlen bekannt« und unterminierte angeblich die Stellung »demokratischer« Kräfte im Ausland.1150 Die indische Seite zog dem bilateralen Kulturkontakt ihrerseits eigene Grenzen. Indische Eliten waren vor allem daran interessiert, das in ihren Augen »wahre« indische Leben sowie die eigenen kulturellen und politisch-ethischen Errungenschaften einem breiten sowjetischen Publikum unverfälscht nahezubringen.1151 Dabei setzte man im indischen MEA – spiegelbildlich zum MID – selbstbewusst das rege Interesse der sowjetischen Seite an der eigenen Kulturleistung voraus. Zugleich verhielt man sich, ebenfalls analog zur UdSSR, gegenüber möglichen Einflussversuchen von außen vorsichtig.1152 Ohnehin hatte man kein Interesse daran, der Ausweitung des sowjetisch-amerikanischen Kulturkampfs auf Indien Vorschub zu leisten. Erst am 12. Februar 1960 schlossen das GKKS und das indische Ministerium für Wissenschaft und Kultur ein – offenbar von der UdSSR initiiertes – Kulturabkommen ab, das die Kulturbeziehungen auf 1149 Rede Chruščev auf Treffen mit »Literatur- und Kunstschaffenden«, 8.3.1963, in: ders., Reden zur Kulturpolitik, S. 175–246, hier S. 242–245, Zitat S. 242 f. Vgl. Barghoorn, Soviet foreign propaganda, S. 221 f. 1150 Polikarpov/Jarustovskij an ZK, 27.3.1959, RGANI, f. 5, op. 36, d. 103, ll. 73 f. 1151 Vgl. indische Botschaft Moskau an MID, 30.12.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 14, d. 5, l. 114; All India Radio an Staatskomitee für Rundfunk, 24.12.1955, GARF, f. 6903, op. 2, d. 209, l. 2; Vermerk MEA, Dutt, 21.4.1956, NAI, 27 (20), NEF (1)/56; indische Botschaft Moskau an Dutt, 6.6.1956, NAI, 26 (117)-EUR/56; Nehru an Menon, 2.9.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 690 f.; Aufzeichnung Gespräch N. Michajlov mit K. P. S. Menon, 1.2.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 43, ll. 163–169, hier l. 164. 1152 Vgl. Direktor Historical Division MEA, Gopal, Aufstellung der historischen Beziehungen zwischen Indien und Russland, 24.3.1961, NMML, Subimal Dutt Papers, 25.

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allen Feldern verstetigen sollte.1153 Trotz der Vereinbarung sahen sich sowjetische Kulturaktivisten auch in den kommenden Jahren mitunter mit indischen Behörden konfrontiert, die aus Sparsamkeit oder aus politisch-ideologischen Gründen den Austausch beschränken wollten.1154 Insgesamt verfestigte sich bis 1965 in sowjetischen Kreisen der Eindruck, dass Delhi »die Kontakte ihres politischen Gehalts berauben« wollte.1155 Darüber hinaus rieb sich das Selbstverständnis indischer Künstler an der ideologischen Starrheit der sowjetischen Kulturbürokratie. Indische Maler, Musiker, Regisseure usw. mochten sich gegenüber allen möglichen Ausrichtungen prinzipiell offen verhalten, waren jedoch nicht gewillt, eigene Bewertungskriterien aufzugeben: »Warum«, so wurde die Kritik der indischen Modernen schnell grundsätzlich, »klammern sich sowjetische Menschen«, die als erste in der Welt die kommunistische Gesellschaft aufbauten, »in der Malerei so fanatisch an die Traditionen einer zweihundertjährigen Vergangenheit?«1156 Exponenten von sowjetischem und indischem Kunstverständnis hatten ebenfalls immense Probleme, wenn es darum ging, ein gemeinsames Programm für ein Festival zur »Goldenen Ära des sowjetischen Kinos« zu erarbeiten. Die indischerseits gewollte Konzentration auf Filme der 1920er und frühen 1930er würde, so der sowjetische Vorbehalt, vor allem Filme feiern, die im »dekadenten« Ausland geschätzt würden.1157 Vor diesem Hintergrund war es wenig überraschend, wenn sich die sowjetischen Verantwortlichen bis zum Ende der Chruščev-Ära sowohl mit dem Aus1153 Vgl. Abkommen in Schreiben sowjetische Botschaft Delhi an Kulturministerium, 22.2.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1468, ll. 80–83; Nehru an MEA, Joint Secretary, Samar Sen, 12.5.1959, SWJN 2, Vol. 49, S. 519; Nehru an Pillai, 8.2.1960, SWJN 2, Vol. 57, S. 395 f.; Aufzeichung Gespräch Valkov mit MEA, Bandari, 17.5.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 7, ll. 105 ff.; N. Michajlov an ZK, 1.2. und 19.5.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 43, ll. 163–169, hier ll. 163 f. sowie d. 57, ll. 100 f.; G. A. Žukov an ZK, 13.11.1958 und 3.1.1960, RGANI, f. 5, op. 36, d. 54, ll. 8 ff. sowie f. 11, op. 1, d. 474, ll. 133 ff. 1154 Vgl. Tadžibaev an GKKS, Žukov, Kulturministerium, Danilov, und Lichačev, 20.5.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1462, ll. 32–36; Aufzeichnung Gespräch G. A. Žukov, mit K. P. S. Menon, 1.6.1961, GARF, f. 8581, op. 2, d. 541, ll. 147 ff.; Bol’šakov an stellv. Kulturminister Kuznecov mit Protokoll der 1. Sitzung der sowjetisch-indischen Kulturkommission, 17.8.1961, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1860, ll. 9–12; Aufzeichnung Gespräch sowjetischer Botschaftsrat Delhi, Vescunov, mit Lakhani, 13.12.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 8, ll. 168 ff. 1155 Benediktov an Vors. GKKS, Romanovskij, 22.2.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2355, ll. 22 ff. 1156 Bericht über Aufenthalt in Delhi (Maler und darstellende Künstler), 10.–11.7.1962, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 278. Vgl. Bericht Indian Express, 28.12.1963, ebd., d. 238, l. 278; Information Praktikant Botschaft Delhi, Rakov, 5.5.1962, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1855, ll. 9–14. 1157 Sowjetisches Generalkonsulat an SSOD Delhi, Ljubomudrova, 24.8.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 163, ll. 214 f.

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maß als auch mit den Ergebnissen ihrer kulturpolitischen Anstrengungen nie wirklich zufrieden zeigten. Ihre Mängellisten blieben allerdings der systemimmanenten Logik verhaftet. Sie stellten ganz auf vermeintliche Fehler der Apparate und Institutionen bei der Umsetzung angeblich korrekter Zielvorgaben bzw. auf individuelles Unvermögen, angebliche Möglichkeiten zu nutzen, ab.1158 In dem hier skizzierten Gesamtrahmen kamen den sowjetisch-indischen Literaturbeziehungen nach 1955 hohe Bedeutung sowohl für das sowjetische Zivilisierungsunternehmen als auch für dessen Abwehr zu Gunsten einer indischen nationalen Selbstfindung zu.1159 In der UdSSR gingen bürokratische und intellektuelle Auffassungen darüber, inwieweit sowjetische Autoren und Wissenschaftler den von der Politik vorgegebenen Rahmenauftrag selbständig ausfüllen durften, auseinander. Nicht zuletzt die eingangs erwähnten Kampagnen gegen Pasternak belegten, dass sich die sowjetische Führung die Deutungshoheit darüber, welche Werke für das imperiale Projekt taugten, nicht aus der Hand nehmen lassen wollte. Daneben achtete die sowjetische Kulturbürokratie weiterhin darauf, Kulturimporte aus dem Ausland zu kontrollieren und zu kanalisieren. Die 1955 wiederbelebte Zeitschrift Inostrannaja Literatura erhielt etwa die Aufgabe, »verleumderische Nachrichten der reaktionären Presse über Literatur und Kultur des demokratischen Lagers zu entlarven« und, unter Mithilfe ausländischer Autoren, die »ideologische Gegenpropaganda« zu organisieren. Das ZK gab Chefredakteur Aleksandr Čakovskij noch vor der ersten Ausgabe die Warnung mit auf den Weg, dass er die notwendige Zusammenarbeit mit »Vertretern der bourgeoisen Kultur« gefälligst »ohne ideologische Zugeständnisse« zu pflegen habe.1160 Zum zehnten Jahrestag der Zeitschrift 1965 bekräftigte die Redaktion beflissen, dass die Literatur sozialistischen Grund1158 Vgl. Beschlüsse Ideologie-Kommission ZK, 11.2.1958 und 4.6.1959, in: Ideologičeskie komissii, Afanas’eva u. a. (Hg.), S. 33–38, 172–175; Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP zur Taškent-Konferenz, 19.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6082; Vermerk SSP, Sagalnik, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 5216; Stenogramm Diskussion Vortrag Vors. GKKS, 23.1.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 114. 1159 Vgl. Aufstellung Kulturministerium »Wichtigste Maßnahmen im Bereich des Kulturaustauschs mit Indien« seit 1951, [1960], RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1468; Vermerk über Tätigkeit SSP, 1951–1961, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 109. 1160Vermerk Polikarpov/Vinogradov, 12.1.1956, in: Apparat CK KPSS i kul’tura, Afanas’eva u. a. (Hg.), S. 477–479. Vgl. Ryl’skij, Blagorodnye zadači; Istorija Russkoj Sovetskoj literatury 3, S. 580–582, hier S. 580; Polevoj und Vorsitzender Auslandskommission SSP, Michalkov, an ZK, 21.2.1957, RGANI, f. 5, op. 36, d. 36, ll. 1 ff., hier l. 1; Redaktionssitzungen Inostrannaja Literatura, 11.3. und 15.7.1958, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 113, ll. 45–48 sowie d. 114, ll. 29– 31; Zubok, Zhivago’s children, S. 79–82, 211–215; Menzel, Die Zeitschrift, S. 150–152; Orlowa-Kopelew, Eine Vergangenheit, S. 267–271.

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gewissheiten und dem »Protest gegen Klassen- und nationale Unterdrückung« Ausdruck zu verleihen hatte. Dies sei einer der Gründe dafür, so das Führungskollektiv der Inostrannaja Literatura weiter, dass sich die Zeitschrift in der ersten Dekade ihres Bestehens engagiert der Literatur des »Antikolonialismus« angenommen habe.1161 Im Unterschied zur sowjetischen Führung hielt die Regierung Nehru in der Sphäre nationaler Literaturentwicklungen und indischer internationaler Literaturbeziehungen weitgehend an der in den Vorjahren geübten Zurückhaltung fest. Zwar wünschte sich die Politik durchaus literarische Beiträge zu einer Nationalkultur, die Unabhängigkeit, Einheit und Vielfalt in sich vereinigte und auch nach außen hin präsentierte. In der Praxis beließ es Delhi allerdings weitgehend dabei, die Adaption indischer Literaturen in den anderen Landesteilen sowie die Verbreitung indischer Klassiker und anerkannter Werke der Weltliteratur aus allen Erdteilen zu fördern. Konsequenterweise drängten indische (literarische) Gesandte auf der internationalen Bühne darauf, literarische Konferenzen nicht mit politischen Fragen und Aussagen zu belasten. Nehru selbst enthielt sich jeder öffentlichen Kritik am sowjetischen Umgang mit Pasternak.1162 Zum Stand 1955 boten die indisch-sowjetischen Literaturbeziehungen aus Sicht beider Seiten genügend Raum für Verbesserungen. Bis dahin hatten nach Meinung maßgeblicher indischer Autoren die Produktionen der sowjetischen Literaturpolitik ein verzerrtes Bild der indischen Literatur gezeichnet, damit die indische Autorenschaft in »unnötige Aufregung« versetzt und die »indisch-sowjetische Freundschaft [beschädigt].«1163 Aus sowjetischer Perspektive fiel das Fazit noch problematischer aus, waren doch letztlich alle ausländischen Literaturen einschließlich der indischen für die sowjetischen Leser 1955 terra incognita. »Wann verstehen denn unsere Verlage, dass die Welt groß und verschiedenartig ist?«, forderte 1956 Ėrenburg in seinen indischen Reisenotizen mehr Übersetzungen.1164 In sowjetischen Funktionärsaugen wog es sicherlich schwerer, dass 1161 K desjatiletiju žurnala »Inostrannaja Literatura«, S. 233, 236, 240 f. 1162 Vgl. Nehru an Sekretär Sahitya Akademi, Kripalani, 17.5.1956 und 7.3.1959, SWJN 2, Vol. 33, S. 160 sowie Vol. 47, S. 400 f.; Rede Nehru vor Sahitya Akademi, 13.2.1960, SWJN 2, Vol. 57, S. 261–263; Nehru auf 4. Sitzung PEN, Baroda, 26.10.1957, SWJN 2, Vol. 39, S. 195–198, hier S. 196 f.; Nehru an Mitglied Lok Sabha, Agadi, 19.5.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 198 f.; Nehru an Prasad, 12.4.1958, ebd., S. 171; Nehru vor Sahitya Akademi, 26.4.1958, ebd., S. 178–182; K. P. S. Menon an Dutt, 6.6.1956 sowie Antwort Dutt, 20.6.1956, NAI, 26 (117)-EUR/56; Nehru an K. P. S. Menon, 30.10.1958, SWJN 2, Vol. 44, S. 592 f.; Gopal, Nehru 3, S. 277 f. 1163 Vermerk Anand, Juni 1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5153. Vgl. Bericht VOKS über Besuch Megani in UdSSR, 13.8.–6.9.1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 228, ll. 7 ff. 1164 Ėrenburg, Indijskie vpečatlenija, S. 52 f.

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die sowjetische Literaturpolitik in der Verbreitung des sozialistischen Realismus in Indien noch keine messbaren Erfolge erzielt hatte.1165 Innerhalb des nächsten Jahrzehnts ist es aufgrund der Bemühungen von verschiedenen indischen Autoren wie Anand oder Abbas, durch die Aktivitäten von VOKS, GKKS, SSP, der Organisation der ersten Konferenz afrikanischer und asiatischer Autoren in Taškent 1958, des 1959 gegründeten sowjetischen Komitees für die Verbindung mit Autoren aus Asien und Afrika sowie der sowjetischen Literaturwissenschaft zu einer merklichen Ausweitung der Literaturbeziehungen der UdSSR zum nicht-sozialistischen Ausland im Allgemeinen und zu Indien im Besonderen gekommen.1166 Die Akten zeugen beispielsweise von kontinuierlichen literarischen Reiseaktivitäten zwischen der Sowjetunion und Indien.1167 Der erste Band des Vostočnyj al’manach, der ab 1956 erschien – und 1963 wieder eingestellt wurde – war der indischen Literatur gewidmet.1168 Der Anteil ausländischer Werke am Gesamtausstoß sowjetischer Belletristikverlage wurde gesteigert, wobei sich die Zahl der übersetzten indischen Autoren erhöhte.1169 Ungeachtet dessen blieben grundsätzliche Probleme der sowjetisch-indischen Literaturbeziehungen virulent, die tiefer saßen als die allgegenwärtigen Einschränkungen durch finanzielle oder organisatorische Defizite in der Literaturbürokratie der UdSSR.1170 Die Führung in Moskau stellte sich die widersprüchliche Aufgabe, bei einer Intensivierung der Literaturkontakte mit aller Welt die eigene Kultur extensiv 1165 Vgl. Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP zu Taškent, 19.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6082. 1166 Vgl. Vermerk über Tätigkeit sowjetisches Komitee für Verbindungen mit den Autoren Asiens und Afrikas, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 6116. 1167 Vgl. Vermerk über Tätigkeit Auslandskommission SSP, 1951–1961, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 109; Stenogramm Treffen Auslandskommission SSP mit indischer Kulturdelegation, 8.7.1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5154; Čelyšev (Hg.), Stichi, mit Einleitung S. 3–22; Višnevskaja/Čelyšev (Hg.), Rasskazy, S. 3–20; Izvestija, 9.6.1955, S. 2, Knigi indijskich pisatelej; Chefredakteur Inostrannaja Literatura, Rjurikov, und stellv. Vors. Auslandskommission SSP, Čugunov, an ZK über Moskauer Seminar zu Studium und Übersetzung von Literaturen der Länder Asiens und Afrika, 8.–10.6.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 103, ll. 208 ff. 1168 Vgl. Ausgaben Vostočnyj al’manach; N. Michajlov an ZK, [Dezember 1955/Januar 1956], RGALI, f. 2329, op. 9, d. 34, ll. 1–10. 1169 Vgl. Bibliografija Indii; Zadornov, Indija. Parallel hierzu stieg der Anteil nicht-russischer und gerade zentralasiatischer Autoren und Sujets am sowjetischen Literaturausstoß – wenn auch langsam – an. 1170 Vgl. Čakovskij u. a. an ZK, 9.2.1956, RGANI, f. 5, op. 16, d. 751, ll. 36 ff.; Vermerk ZK-Abteilung Wissenschaft, Hochschulen und Schulen, Kukin u. a., 30.3.1956, ebd., l. 55; Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP zur Taškenter Konferenz, 19.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6082, hier ll. 4 ff., Beitrag L’vova.

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zu exportieren und Gegenimporte aus dem Ausland zu kontrollieren und zu kanalisieren.1171 So blieb die offiziell angeleitete sowjetische Perzeption indischer Literaturen von den ideologisch-kulturellen Bedürfnissen des Imperiums dominiert. Nachdem etwa das theoretische Parteiorgan Kommunist im März 1955 genehme Vertreter der indischen Literatur und die adäquate Gesamtbewertung vorgegeben hatte, rühmte die Literaturnaja Gazeta an der ersten Nummer der Inostrannaja Literatura folgerichtig, dass eine abgedruckte Erzählung Prem Chands einem der »wichtigsten« denkbaren Themen überhaupt gewidmet war: »[D]er Entlarvung des Aberglaubens des Kastenwesens, der von den Kolonisatoren geschürt wurde, die diesen Irrglauben zum Schaden des indischen Volkes ausnutzten«.1172 Eine derartige ideologische Engführung ging auf Dauer selbst CPI-Vertretern zu weit. In Gesprächen Ende 1958 machten sie deutlich, dass die Ausgaben indischer Werke in sowjetischen Sprachen nach wie vor Vielfalt und Wert der literarischen Strömungen in Indien nicht gerecht wurden. In ihren Augen maß die sowjetische Publikationspraxis und Literaturwissenschaft Autoren, die in Indien als unbekannt oder unbedeutend gehandelt wurden, zu hohe Bedeutung bei. In die Praxis übersetzt bedeutete dies, dass sich die sowjetische Produktion, abgesehen von Klassikern wie Tagore und Prem Chand, auf die seit Anfang der 1950er-Jahre bekannten Gesichter stützte.1173 Innerhalb der sowjetischen Literaturwissenschaft waren sich einzelne Vertreter der reduzierten Wahrnehmung bewusst, ohne dass sich in der Publikationspolitik der kommenden Jahre deutliche Änderungen feststellen ließen.1174 Dies mochte auch daher rühren, dass anstelle einer systematischen Auswahl bis Anfang der 1960er-Jahre für die Publikationschancen indischer Werke in der UdSSR Jahre eher persönliche Bekanntschaften und Vorlieben einzelner sowjetischer Autoren von Bedeutung waren. Diese konzentrierten sich als offiziöse 1171 Vgl. Gould-Davies, The logic, S. 211 f. 1172 Stepanov, Pervyj nomer. Vgl. Truščenko, Vozrastajuščaja rol’, S. 78 f. 1173 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Dange u. a. mit G. A. Žukov, 28.10.1958, GARF, f. 8581, op. 2, d. 461, ll. 100 ff., hier ll. 101 f.; Zusammenstellung der Übersetzungen Taroges in sowjetische Sprachen in Narody Azii i Afriki (1962), Nr. 2, S. 232–236; Surkov, Nad vodami Ganga, in: Surkov, Sobranie 3, S. 373–377, hier S. 376 f. (Erstpublikation in: Literaturnaja Gazeta, 26.1.1956); Sofronov, Indijskie zapiski, in: ders., Sobranie sočinenij 5, S. 48–94 (Erstpublikation in Ogonek (1955), Nr. 25, 34–36); Menzel, Die Zeitschrift, S. 146–150. 1174 Vgl. Čelyšev auf Vorbereitungssitzung SSP zur Taškenter Konferenz, 19.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6082, ll. 8 ff.; Aufzeichnung Gespräch G. A. Žukov mit indischer Kulturdelegation 11.10.1961, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1861, ll. 1 ff.; Bibliografija Indii. Ein freier Verkauf von Verlagsprodukten aus dem nichtsozialistischen Ausland wurde erst in den 1970er-Jahren möglich, vgl. Walker, Readerships, S. 170.

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Vertreter der Sowjetkunst eben auf ›progressive‹ Kontakte. Empfehlungen aus diesem kleinen Kreis wiederum folgten schon aus eigenem Interesse heraus nicht ausschließlich künstlerischen Maßstäben.1175 Dazu spiegelten Vorschläge aus Indien teilweise innerindische Auseinandersetzungen um die Stellung verschiedener Literatursprachen wider, in denen sich sowjetische Literaturbürokraten nicht wirklich zurechtfanden.1176 Dass schließlich auch in der Dritten Welt fixe Ansichten über das Ausland herrschten, die die Mission der sowjetischen Literatur erschweren konnten, wurde in Diskussionen des sowjetischen Establishments nur selten bedacht.1177 Um die Kontrolle über den Literaturimport zu gewährleisten, setzte der ZK-Apparat neben der – wenig stringenten – Vorabselektion auf ausführliche Einleitungen zu den übersetzten Werken. Diese Vorgehensweise war in der Moskauer Bürokratie bereits Ende der 1950er-Jahre nicht mehr unumstritten. Im Kulturministerium wollte man nun den literarischen Genuss in den Vordergrund stellen und auf ellenlange Vorreden verzichten. Dies war eine Position, die nicht nur zahlreiche Autoren aus dem Ausland teilten.1178 Auch ein Leserbrief an die Redaktion der Zeitschrift Inostrannaja Literatura, der den Abdruck von weiteren »bürgerlichen« Werken forderte, empfahl der Obrigkeit, einfach mehr auf die »ideologische Festigkeit« ihrer Bürger zu vertrauen.1179 1175 Vgl. neben Anm. 1172–1173 Vermerk über Tätigkeit SSP mit ausländischen Autoren, 1951– 1961, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 109; Vermerk ZK-Kulturabteilung, 3.1.1956, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1953–1957, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 464 f.; Beschluss Ideologie-Kommission mit Materialien, 11.2.1958, in: Ideologičeskie komissii, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 33–42; Kulturministerium, Aufstellung über die Ausgabe indischer Literatur bis 1959, RGALI, f. 2329, f. 9, d. 106, l. 3. 1176 Vgl. Polevoj an ZK, 28.10.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 281, ll. 116–119; Polevoj über Autorenkonferenz Madras, 16.–20.12.1959 an ZK, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5195; Vermerk Abbas und Jafri, 1.2.1960, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5208. Nach Angaben des SSP waren in der UdSSR von 1953 bis 1959 36 Urdu-sprachige Titel mit einer Gesamtauflage von 1,754 Millionen Exemplaren veröffentlicht worden, während man für Hindi-Übersetzungen (ab 1956) 23 Titel mit 1,038 Millionen Exemplaren zählte, vgl. Sekretariat SSP an ZK, 4.3.1960, RGANI, f. 5, op. 36, d. 123, l. 67. 1177 Vgl. Stenogramm Vortrag Delegation SSP auf Konferenz Afro-Asiatischer Autoren in Kairo, Februar 1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6124, hier l. 11. 1178 Vgl. Beschlüsse Ideologie-Kommission mit Materialien, 11.2., 5.4., 28.7., 26.8., 9.9. und 26.12.1958 sowie 2.3.1960, in: Ideologičeskie komissii, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 33–42, 45– 47, 64 f., 74–78, 87, 126–135, 230–235; N. Michajlov an Polikarpov, 20.2.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 62, ll. 35 f.; Redaktionssitzung Inostrannaja Literatura, 14.2.1958, Apletin, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 113, ll. 17 ff., hier l. 23; Stenogramm Diskussion zu Vortrag GKKS, Žukov, 23.1.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 114, hier Beitrag Reznik. 1179 Leserbrief Stančenko/Gorjačev, 6.1.1959, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 187, ll. 7 f. Vgl. Hopf, Reconstructing, S. 183–196.

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Insgesamt gewann der künstlerische Wert literarischer Werke in der sowjetischen Übersetzungs- und Veröffentlichungspolitik ab der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre an Gewicht. Er wurde in den Literaturbeziehungen mit Indien jedoch nie zum (allein) entscheidenden Kriterium.1180 Sowjetische Herausgeber und Verleger lehnten es daher 1956 wie 1963 ab, Werke von Nanak Singh ins Russische zu übersetzen. Nach Ansicht der sowjetischen Kritiker fehlte dem Autor sowohl der »soziale Zugang zum Leben« als auch ein adäquates Verständnis für die kommunistische Bewegung in Indien: »[D]ie grundsätzlichen Fehler löschen im Kern die künstlerischen Positiva aus«, so das verlegerische Urteil.1181 Ein Werk des bengalischen Autors Bibhutibhushan Bandyopadhyay wurde aus analogen Gründen 1958 verworfen. Der Schriftsteller sei zwar zu Recht für seine Naturbeschreibungen bekannt, begründete der Rezensent die Ablehnung, doch »uns interessiert ein anderes Thema […] mehr – das Thema der schweren und rechtlosen Situation der indischen Bauern, die im Schoß dieser wunderschönen Natur leben.« In dieser Beziehung lasse der Roman zu wünschen übrig und sei daher für den sowjetischen Leser »nicht interessant«.1182 Ein Bhattacharya konnte die Redaktion dagegen 1963 zwar künstlerisch nicht überzeugen. Sein Buch »A Goddess Named Gold« wurde dennoch zur Publikation angenommen, weil es durch seine soziale Ausrichtung besteche.1183 Im Extremfall verkamen die sowjetischen Auswahlverfahren zur Suche nach einer glamourösen Bestätigung sowjetischer Erfolge in allen Sphären. Wenn sie ein Gedicht über den Flug zum Mond parat hätten, sollten sie es bitte per Luftpost zur Publikation nach Moskau senden, umwarb die Redaktion von Inostrannaja Literatura 1959 indische Autoren.1184 Werke zur indisch-sowjetischen Zusammenarbeit in Bhilai standen gleichfalls auf der Wunschliste sowjetischer Literaturfunktionäre.1185 1180 Vgl. aus dem Lektorat der Inostrannaja Literatura Rezension Gal’perin zu Bhattacharya, He who rides a tiger, 14.3.1955, RGALI, f. 1573, op. 5, d. 28, ll. 1 f.; Rezensionen 1956–1959, RGALI, f. 1573, op. 5, d. 89, ll. 30 ff. und d. 273, ll. 1 f., 10–12; Briefwechsel Čakovskij und Anand, August 1959, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 186, ll. 25, 28; Beljakova, »Russkij« Amadu, S. 50 f., 78 f., 89 f. 1181 I. Rabinovič, Rezension zu Singh, Gila Barud, 16.6.1963, GARF, f. 9590, op. 1, d. 604, ll. 20– 25, hier l. 25. Vgl. Rezension zu Singh, Belaja Krov’, 13.6.1956, RGALI, f. 1573, op. 5, d. 89, ll. 44 ff.; Černyšev, Rezension von Nagarjun, Chirak Dzhajanti, 7.6.1963, ebd., ll. 10–13. 1182 Rezension zu »Lesnoj žitel’« (Erstausgabe 1957), RGALI, f. 1573, op. 5, d. 210, ll. 6 ff. 1183 Vgl. Rezension Mitin, 1962, RGALI, f. 1573, op. 5, d. 441, ll. 1–5. Vgl. weitere Rezensionen der 1950er und 1960er in GARF, f. 9590, op. 1, d. 599, ll. 178–181, 209–219, d. 600, ll. 28–31, 57–64, d. 601, ll. 92–97, d. 603, ll. 238–244, 251–256, sowie d. 604, ll. 6–13; RGALI, f. 1573, op. 5, d. 89, ll. 30 ff., d. 273, ll. 10–12, d. 441, ll. 15 ff. 1184 Vgl. Redakteur Inostrannaja Literatura, Dangulov, an Ali Sardar Jafri, 1959, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 186, l. 23. 1185 Vgl. Dangulov an Bhattacharya, 28.2.1959, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 186, l. 84.

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Ob derlei Maßnahmen dazu beitrugen, die sowjetische Leserschaft sowohl im sozialistischen Sinne zu erziehen als auch mit weiteren Beweisen für das Voranschreiten sozialistischer Formen und Inhalte in der Welt zu versorgen, sei dahingestellt. Unmittelbare Leserreaktionen lassen sich nur vereinzelt dokumentieren. Sie fanden dann Aufnahme in die offiziöse Wahrnehmung, wenn sie politisch-ideologische Dimensionen der Beziehungen korrekt mitdachten.1186 Insgesamt korrespondieren die entsprechenden Spuren mit der Annahme früherer Forschungen, dass sich sowjetische Leser, wenn sie ausländische Literatur konsumierten, vor allem für Werke des kapitalistischen Erzfeinds und weniger für Erzeugnisse der offiziell so vielversprechenden neuen Staaten und ihrer Gesellschaften interessierten – im Übrigen ohne dass sich die Leser zwangsläufig politische Werte des Systemgegners aneignen oder sie auch nur akzeptieren mussten.1187 Mit Blick auf indische Titel muss offenbleiben, ob es nur an der mangelhaften Werbung lag, dass die entsprechenden Verkaufszahlen relativ niedrig ausfielen.1188 Die Redaktion von Inostrannaja Literatura ging Ende der 1950er-Jahre davon aus, dass sowjetische Leser per se »westliche Literaturen« bevorzugten und dass daher eine verstärkte Beschäftigung der Zeitschrift mit Büchern aus der Dritten Welt nur zu Leserschwund führen würde.1189 Aus politisch-ideologischer Sicht kritisierte der ZK-Apparat 1959 den Verlag für Fremdsprachige Literatur, weil dieser den Darstellungen der nationalen Befreiungsbewegung durch progressive Autoren in der Dritten Welt zu wenig Beachtung schenke und stattdessen den einheimischen Leser »mit dem Leben der Völker der abhängigen und kolonialen Länder durch Literatur, die nicht in diesen Ländern, sondern vor allem in den USA, England und Frankreich erscheint und die Lage 1186 Vgl. Auslandskommission SSP, Romanova, an Krishan Chander, 16.4.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5248, ll. 55 ff. 1187 Vgl. Vermerk SSP, Salganik, [1958], RGALI, f. 631, op. 26, d. 5216; G. A. Žukov auf Vorbereitungssitzung SSP zur Taškenter Konferenz, 19.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6082, ll. 10 f.; Verchovskaja, Pis’mo, S. 110 f.; Fomičeva (Hg.), Literaturnaja Gazeta, S. 44 f., 56–59, 64 f.; Zubok, Zhivago’s children, S. 40 f., 44, 73 ff., 88 f., 104 ff., 120, 154 ff., 174 f., 359 ff.; Zezina, Sovetskaja chudožestvennaja intelligencija, S. 239 f., 246 ff.; Vajl’/Genis, 60–e, S. 54–60, 280 ff.; Sovetskij čitatel’, S. 92–114, 234 f., 259; Walker, Readerships, S. 170; Kozlov, I have not read, S. 594 f.; Subok, Sowjetische Westexperten, S. 117–124; von Eschen, Locating, S. 457; Orlowa-Kopelew, Eine Vergangenheit, S. 270 f., 277–288; Dobrynina, Internacionalizacija, S. 34– 38. Zu den Schwierigkeiten der Leserforschung bis Mitte der 1960er-Jahre vgl. Lovell, The Russian reading revolution, S. 48 f., 66 f., 102 f., 104 f. 1188 Vgl. Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP zur Taškent-Konferenz, 19.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6082, ll. 10 f., 19 f., Beitrag Čelyšev. 1189 Redaktionssitzung Inostrannaja Literatura, 11.3.1958, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 113, ll. 37 ff., ll. 49 f., Beitrag Dangulov.

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der schwach entwickelten Länder tendenziös beleuchtet, bekannt macht«.1190 Zu einem radikalen Umsteuern ist es wohl auch nach dieser Kritik nicht gekommen. Von 1918 bis 1965 machten indische Autoren im Ausstoß sowjetischer Verlage von belletristischer ausländischer Literatur in der UdSSR nur rund jeweils ein Sechstel der Publikationen amerikanischer oder britischer Autoren aus, sowohl, was die Anzahl der Titel als auch die Gesamtauflage anbelangte.1191 Derweil waren Prosawerke sowjetischer Autoren, die sich mit Indien auseinandersetzten, ebenfalls den kulturpolitischen Gesamtaufgaben verhaftet. Einzelne Werke suchten, mit Fokus auf die patriotische Erziehung und die innersowjetischen Anliegen der neuen Dorfprosa, beides durch Hinzufügung eines Schusses indischer Exotik schmackhafter zu machen.1192 Bezüglich Indiens blieben bei den sowjetischen Lesern ansonsten vielfach nur landeskundliche Informationen und ideologische Gewissheiten haften.1193 Sowjetische Verse mit indischen Themen schlussendlich erinnerten nicht nur die Ikone unangepasster Lyrik, Anna Achmatova, an »gereimte Eingabe[n] an den Mossovet«.1194 Ein Beispiel für derartige Gebrauchslyrik waren die Gedichte der Journalistin und Publizistin Ekaterina Ševeleva, die etwa das Stahlwerk Bhilai als »Widerschein unserer Geschichte« besang.1195 Auch ein Gedicht Ėrenburgs von 1964 – »Kühe in Calcutta« – erinnert in nichts mehr an seinen Ansatz von 1956, die indische Realität differenziert zu fassen und in eine weniger hierarchisierte, weniger ideologische Weltsicht einzupassen. Vielmehr reproduzierte er hier im Versuch, die gewundene Publikations- und Rezeptionsgeschichte seiner Memoiren aufzuarbeiten, nur noch das gängige »Alltagswissen« über Indien.1196 Indien blieb einmal mehr 1190 Beschluss ZK, 4.6.1959, in: Ideologičeskie komissii, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 172–175. Vgl. Beschluss Ideologie-Kommission ZK, 23.9.1961, ebd., S. 273; Stenogramm Vortrag Delegation SSP auf Konferenz Afro-Asiatischer Autoren Kairo, Februar 1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6124, hier l. 12. 1191 Vgl. Pečat’ SSSR 1965, S. 53: 1965 wurden 34 indische Titel mit einer Gesamtauflage von 1,1 Mio. Exemplaren publiziert, dagegen 77 und 66 amerikanische und britische Titel mit Gesamtauflagen von 6,3 resp. 5,2 Mio. Exemplaren. Vgl. ferner Walker, Readerships. 1192 Vgl. Astaf ’ev, Indija; Hilger, Revolutionsideologie, S. 389. 1193 Vgl. Stacy, India, S. 83 f., 93–96. Als indirekte Bestätigung liest sich Čelyšev, Sovetsko-indijskie i russko-indijskie literaturnye svjazi, in: ders.: Izbrannye trudy, Band 1, hier S. 588–599. 1194 Zit. nach Stacy, India, S. 83 f. 1195 Pervaja plavka Bchilai, in: Ševeleva, Izbrannye proizvedenija 1, S. 203. Vgl. Direktor Jugendtheater, Beloozerov, an ISCUS, Baliga, 4.9.1958, GARF, f. 9576, op. 15, d. 8, ll. 39. 1196 Vgl. Berger/Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion, S. 21–48, bes. 36–48; Bödeker/ Bauerkämper/Struck, Einleitung, S. 21–24. Zur literaturpolitischen und -historischen Einordnung vgl. Vermerk ZK-Abt. Ideologie, [18.2.1963], in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1958– 1964, Afiani u. a. (Hg.), S. 576–579; Vermerk Polikarpov, 20.8.1960, in: ebd., S. 405–409; Protokoll Sitzung ZK-Präsidium, 2.1.1963, in: Fursenko (Hg.), Prezidium CK KPSS 1, S. 669;

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das exotisch-arme, letztlich unverständliche Land, von dem sich der Autor und seine Leserschaft in ihrer kritischen Aufgeklärtheit deutlich abhoben.1197 Für die sowjetische Zivilisierungsmission über die Grenzen hinweg war die Frage entscheidender, wie dem indischen Publikum der sozialistische Realismus mit seinen gesellschaftsformenden Implikationen nahezubringen war. Der Beitrag sowjetischer Autoren blieb bescheiden. »Die sowjetischen Literaten üben nicht den notwendigen ideellen Einfluss auf die ausländischen Autoren aus«, warf Ende 1957 die ZK-Kulturabteilung dem SSP allgemein vor, »obwohl die Verschärfung des ideellen Kampfs in der Sphäre der künstlerischen Intelligenz in vielen Ländern eine umfassende Verstärkung unseres Einflusses erfordert.«1198 »Es wird zu wenig darauf geachtet«, hieß es fünf Jahre später selbstkritisch im Komitee für die Verbindung mit Autoren Asiens und Afrikas, »dass wir unsere Ideologie nach Osten tragen«.1199 Literarische Aushängeschilder sowie weniger bekannte Autoren der UdSSR brachten sich, sieht man von den quasi offiziell bestallten Ausnahmen wie Tursun-Zade einmal ab, nach dem Engagement Ėrenburgs Anfang 1956 nur noch sehr begrenzt in die Beziehungspflege zum unbekannten oder unterschätzten Subkontinent ein.1200 In der Praxis des sowjetischen Literaturbetriebs nahmen bezüglich des Literaturexports Beziehungen zu sozialistischen Ländern sowie zu Westeuropa und den USA ebenfalls den weitaus größten Raum ein.1201 Vermerk ZK-Abteilung für Wissenschaft, Schulen und Kultur der RSFSR, 15.5.1957, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1953–1957, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 661 f.; Rubenstein, Tangled loyalties, S. 334–369, 383–385, 451 f. 1197 Korovy (1964), in: Ėrenburg, Sobranie sočinenij 1, S. 196 f. Vgl. Bericht Frauenkommission sowjetisch-indische Gesellschaft, Petrovskaja, über Reise nach Indien, 23.4.1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 76 f.; Krašennikov, Džajpurskie rasskazy, S. 6 f.; Talyzin, Po Indii, S. 7–9; Afanas’ev, Indija; Foto in: Azija i Afrika segodnja (1966), Nr. 1, S. 24. 1198 ZK, Polikarpov/Rjurikov an ZK, 16.9.1957, RGANI, f. 5, op. 36, d. 40, ll. 122–126, hier l. 122. 1199 Stenogramm Sitzung Sowjetisches Komitee für Verbindung zu Autoren Asiens und Afrikas, 19.12.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6124, ll. 1 ff., l. 89, Beitrag Borodin. 1200 Vgl. Redaktionssitzung Inostrannaja Literatura, 11.3.1958, Beiträge Rodionov und Dangulov, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 113, ll. 43 f., 49 f.; Stenogramm Sitzung Sovetskaja literatura na ino­ strannych jazykach, 16.10.1956, RGALI, f. 631, op. 26, d. 55, ll. 4 ff., Beitrag stellv. Chefredakteur Minaev; Stenogramm Diskussion zu Vortrag GKKS, Žukov, 23.1.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 114, Beiträge Izakov und Ėjdlin; Vermerk über Gespräch T. N. Kaul mit Evtušenko am 15.11.1965, 23.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with T. N. Kaul; Benediktov an Vors. GKKS, Romanovskij, 22.2.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2355, ll. 22 ff. Vgl. im Kontrast dazu die Begeisterung für Kuba, Rupprecht, Als Moskau, S. 456 f. 1201 Vgl. Beschlüsse Ideologie-Kommission ZK, 4.6.1959 und 2.3.1960 mit Materialien, in: Ideologičeskie komissii, Afanas’eva u. a. (Hg.), S. 172–175, 230–235; Romanovskij an ZK, Tätigkeitsbericht GKKS für 1963, 24.3.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 55, ll. 148 ff., hier l. 160.

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In Indien registrierten wohlgesonnene Autoren die Diskrepanz zwischen propagierter und tatsächlicher Präsenz der sowjetischen Literaturwelt im Land mit Unverständnis. Sie flehten nahezu, dass außer den üblichen Reisenden in Sachen Literatur aus der »alten Generation« auch einmal andere, im Idealfall: prominente moderne Autoren nach Indien kämen.1202 Der Schriftstellerverband warf seinerseits international tätigen Verlagen wie Meždunarodnaja kniga vor, in ihrem Vertrieb einzig auf Verkaufszahlen zu schielen und darob die aktuelle sowjetische Belletristik sträflich zu vernachlässigen.1203 Zudem deckten die entsprechenden Publikationen nicht einmal die indischen Hauptsprachen ab. Die indische Nationalbibliografie weist in ihren jährlichen Verzeichnissen denn auch nur eine geringe Anzahl indischer Ausgaben von russischen und sowjetischen Autoren aus. Neben einem deutlichen Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert bevorzugten indische Verleger für das 20. Jahrhundert demnach sowjetische Klassiker wie Ostrovskij, Gor’kij und Šolochov. Sowjetische Aktivisten der bilateralen Literaturbeziehungen fehlten. Dazu kamen in der über die Jahre hinweg breiter werdenden, doch unsystematisch erscheinenden Auswahl Schriftsteller, die in der Sowjetunion politisch weniger goutiert wurden. Hierunter fielen etwa Pasternak, Ivan Bunin oder Aleksandr Kuprin. Daneben diskutierten indische Feuilletons vor allem die Werke eines Evgenij Evtušenko, eines Aleksandr Solženicyn oder eines Andrej Voznesenskij, zur Leseliste des späteren Verteidigungsministers Chavan gehörten Titel von Ėrenburg, Vladimir Nabokov und wiederum Solženicyn.1204 Daneben wurden in der indischen Intelligentsia Werke aus der russischsprachigen Exilliteratur rezensiert. Tichonovs Lyrik dagegen verwarfen Literaturkritiker in Delhi nach wie vor als »öde 1202 Vgl. Ivanov und Čelyšev über Delegation zum Tagore-Seminar Delhi, November 1961, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5224; Vermerk ZK-Kulturabteilung, 11.5.1957, in: Apparat CK KPSS i kul’tura, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 648–658; Polikarpov/Rjurikov an ZK, 16.9.1957, RGANI, f. 5, op. 36, d. 40, ll. 122–126; Čakovskij auf Redaktionssitzung Inostrannaja Literatura, April/Mai 1958, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 113, ll. 67 f.; Vallathol an Apletin, 23.6.1956, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5172; Bhattachariya an Krugerskaja, 18.12.1956, RGALI, f. 631, d. 5173, l. 26. 1203 Vgl. Stenogramm Diskussion zu Vortrag GKKS, Žukov, 23.1.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 114, hier Beitrag Ažaev. 1204 Vgl. INB 1958, S. 389–393; INB 1959, S. 374–377; INB 1960/3, S. 95; INB 1961, S. 414–416, 521; INB 1962, S. 423–425; INB 1963, S. 458–460; INB 1964, S. 394; INB 1965, S. 339 f. Indische Biographen fanden demnach bezeichnenderweise nur Tolstoj und Gor’kij, vgl. INB 1961, S. 521 sowie INB 1962, S. 529 f. und INB 1963, S. 568. Vgl. ferner Sager, Moskaus Hand, S. 137– 139; Hindustan Times, 15.11.1959, S. 2, zu Nabokovs Lolita; Hindustan Times, 19.11.1961, Sonntagsbeilage, S. 2, zu Ėrenburgs People and life; Floyd, Poet; Lukin, How Sholokhov; Sastry, Siberia today; Kumar, Indian view, S. 5 ff.; Abbas, I am not, S. 4 f.; Krishnan, Chavan, S. 11 f.

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konformistische Verse«.1205 Die erste Anthologie russischer respektive sowjetischer Lyrik, die 1964 (!) in Hindi erschien, belegte erneut eine Bandbreite des literarischen Interesses in Indien, die von der offiziellen sowjetischen Literaturpolitik nur partiell bedient wurde. Neben Versen von Aleksandr Puškin oder Vladimir Majakovskij enthielt die Sammlung Arbeiten des verfolgten Dichters Osip Mandel’štam.1206 Werke aus Zentralasien oder dem Kaukasus fanden im Übrigen erst ab Anfang der 1960er-Jahre in Einzelexemplaren den Weg in indische Verlagshäuser.1207 Ob indische Leser und Autoren das Überangebot russischer Literatur kritisch reflektierten, lässt sich nicht rekonstruieren. Moskau stieß sich auf jeden Fall nicht an der Dominanz russischsprachiger Literatur, kam dies doch dem eigenen Verständnis entgegen.1208 Auch unter inhaltlichen und ästhetischen Gesichtspunkten fiel es der sowjetischen Literatur weiterhin schwer, die angestrebte Dominanz in einer indischen Literaturlandschaft zu erlangen, in der verschiedene literarische Strömungen kursierten und in der künstlerische Neuerungen diskutiert und aufgenommen werden konnten. Besonders schlimm musste es sowjetische Autoren und Wissenschaftler anmuten, wenn indische Kollegen a priori nichts von den »Errungenschaften« aus der UdSSR wissen wollten. R. K. Narayan, einer der wichtigsten Vertreter der englischsprachigen indischen Literatur dieser Jahre, bekannte während seines ersten Besuchs in der Sowjetunion 1964 unverblümt, dass er nicht ein einziges Buch sowjetischer Autoren gelesen habe. Während seines Aufenthalts bemühte er sich dann vor allem um ein Gespräch mit dem in dieser Zeit wieder in Ungnade gefallenen Ėrenburg.1209 Doch auch andere indische Literaturinteressierte setzten in ihrer Beschäftigung mit der sowjetischen Literatur eigene Akzente. Sie beobachteten genau das

1205 Floyd, Poet, S. 1. Vgl. Hindustan Times, 22.11.1959, S. 2; SIB Delhi, Sakovič, Tätigkeitsbericht für 1959, 20.3.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 511, ll. 1 ff.; Leserzuschriften Soviet Land, 1962, GARF, f. 9587, op. 2, d. 72. 1206 Vgl. Izučenie literatur vostoka, Čelyšev u. a. (Hg.), S. 303 f.; stellv. Vors. GKKS, Kuznecov an Poryvaev, 15.4.1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 501, ll. 1–9. 1207 INB 1960/4, S. 115; INB 1961, S. 414; INB 1963, S. 460; INB 1964, S. 394 f.; INB 1966, S. 341. 1208 Stenogramm Vortrag Delegation SSP auf Konferenz Afro-Asiatischer Autoren in Kairo, Februar 1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6124, hier ll. 20 f.; Stenogramm Sitzung Sowjetisches Komitee für Verbindung zu Autoren Asiens und Afrikas, 19.12.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6124, ll. 15 f., 85 ff., Beiträge Surkov und Zachidov; Auslandskommission SSP, 1964, ohne Verfasser, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6173, ll. 5 f.; Sekretariat SSP, Bachan, an ZK, 15.4.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 104, ll. 121 ff.; Abutalipov, Pod leninskim znamenem, S. 318–320. 1209 Vgl. Bericht Übersetzer über Besuch Narayan, 10.–20.6.1964, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 5260.

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Hin und Her der Chruščev’schen Kulturpolitik.1210 Bereits in den 1950er-Jahren musste sich daher Ėrenburg bohrenden Fragen indischer Kollegen zum restriktiven Umgang der sowjetischen Literaturbürokratie mit seinem »Tauwetter« stellen.1211 Von der sowjetischen Auseinandersetzung mit Vladimir Dudincevs »Nicht vom Brot allein«, das im In- und Ausland seit seinem Erscheinen 1956 als das Paradebeispiel für eine neue literarische Mündigkeit in der UdSSR angesehen wurde, konnte sich die interessierte indische Öffentlichkeit ihr Bild allein aus der »bürgerlichen« Presse machen.1212 Anregungen indischer Leser, den Titel in indische Sprachen zu übersetzen, verhallten ungehört. Für den Progress-Verlag beantwortete 1961 Chefredakteur Pavlov eine entsprechende Zuschrift aus dem Annapurna Russian Institute in Lucknow. Sein Verlag, führte Pavlov aus, habe sich zum Ziel gesetzt, ausländische Leser mit »den aktuellsten und interessantesten Neuerscheinungen der sowjetischen Literatur bekannt zu machen« – »Nicht vom Brot allein« gehöre nicht dazu, so Pavlov trocken.1213 Sowjetische Delegationen gerieten gleichermaßen in die Defensive, als sie dem indischen Publikum die sowjetischen Reaktionen auf Pasternaks Weltruhm erklären sollten. »Schon allein in Ihrer Frage zeigt sich Ihre feindselige Einstellung«, polterten sowjetische Gäste bei einem Anlass hilflos. »Jetzt reicht es aber wohl mit Fragen nach der künstlerischen Freiheit«, wurde das indische Publikum ein andermal angegangen.1214 Für die indische Autoren- und Leserschaft war es eindeutig nicht genug, wenn sich verfemte Autoren wie Pasternak oder Achmatova zumindest vorübergehend mit Übersetzungen indischer Literatur ins Russische zurückmelden durften.1215 Sogar die »Freunde« unter den Autoren, so der Eindruck sowjetischer Kulturaktivisten in Indien Anfang 1964, »haben 1210 Vgl. Abbas, Unter vier Augen, S. 112–115, 166 f.; Phelps, Literature; Constant, The Pasternak battle; Maurois, East-West intellectual ditch; Crankshaw, Slow dawning; Wain, Fiction; Parker, A letter; Bykova, Bericht über Aufenthalt Anand in Moskau, 24.–29.1.1963, 31.1.1963, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5250, ll. 1–5, hier l. 5. 1211 Ėrenburg, Ljudi 5–7, S. 436–443. Diese Episode erwähnte Ėrenburg in seinen »Indischen Eindrücken« 1956 nicht. 1212 Čakovskij an ZK, 7.1.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 41, ll. 1–34, hier ll. 8 f. Vgl. die positive Einschätzung von Dudincev allgemein im Monatsbericht der indischen Botschaft Moskau für April 1960, NAI, 8 (39) Eur (E)/60. 1213 Brief A. Khanna, 26.1.1961 mit Antwort Pavlov, 15.6.1961, GARF, f. 9590, op. 1, d. 503, ll. 29, 33 f. Vgl. Notiz ZK-Kulturabteilung, 1.12.1956, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1953–1957, Afanase’eva u. a. (Hg.), S. 570–580; Jones, The Thaw, S. 125–129. 1214 Stenogramm Sitzung Sekretariat Leitung SSP, 16.2.1961, RGALI, f. 631, op. 26, d. 103. 1215 Vgl. Stacy, India, S. 77–79; Liškin, Čitaja Tagora; Hindustan Times, 18.10.1959, Sunday Magazine, S. 1, A meeting with Pasternak; Menon, The lamp, S. 125 f.; Zubok, Zhivago’s children, S. 19 f.

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bis heute noch nicht den notwendigen Glauben an den Kurs des 20. Parteitags entwickelt und denken, dass das Treffen der Parteiführung mit den Autoren in Moskau eine Rückkehr zur Vergangenheit bedeutet.«1216 Die wenigen dokumentierten Leserreaktionen aus Indien lassen sich nicht zu einer Gesamtdarstellung der indischen Rezeption sowjetischer Literatur verdichten. Sowjetische Produzenten zeigten sich mitunter relativ unsicher, was den Geschmack ausländischer Leser anbelangte. »Für unseren sowjetischen Menschen«, so skizzierten Autoren Probleme eines unreflektierten Kulturexports, »ist der Bau einer neuen Fabrik ein Teil seines Lebens, damit sind seine Hoffnungen auf die Zukunft verbunden, das ist ein Teil seines zukünftigen Glücks, das er mit diesem Werk baut. Einen Leser der kapitalistischen Welt erreicht der Bau einer Fabrik nicht, auch wenn er in einem talentierten Werk beschrieben ist, weil er daran gewöhnt ist, dass sich das Werk in privaten Händen befindet. Er braucht von der Form her einen anderen Zugang.«1217 Individuelle Reaktionen auf die sowjetische Literaturproduktion reichten von der Begeisterung darüber, dass Bücher überhaupt in die tamilische Sprache übersetzt wurden, bis hin zur überempfindlichen Kritik an einer angeblich negativ eingefärbten Verwendung des Begriffs »bengalisches Feuer« bei Šolochov. Die äußerst selektiven indischen Publikationslisten konnten etwa dem GKKS, welches lieber Werke Tichonovs anstatt Čechovs »Dame mit Hündchen« verkauft sehen wollte, natürlich nicht genügen.1218 »Unsere Freunde wissen wenig bis gar nichts über uns«, beklagte sich der Literaturaktivist Surkov Anfang 1958: Für sie sei die sowjetische Literatur, ganz im Gegensatz zu Werken aus den USA oder aus Westeuropa, wie Literatur »von einem anderen Planeten«.1219 »Ich wusste gar nicht«, so ein entsprechender Leserbrief aus dem Punjab Anfang 1963 nach der Lektüre von Gor’kijs »Mutter«, dass »die russische Literatur reich an solchen Werken ist«.1220 Andere Leser wünschten sich vom verstorbenen Gor’kij eine Fortsetzung des Romans

1216 Zuenkov, Aktuelle Situation der indischen Intelligenz, 19.2.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 240, ll. 148–157, hier l. 154. 1217 Stenogramm Sitzung über Sovetskaja literatura na inostrannych jazykach, 16.10.1956, RGALI, f. 631, op. 26, d. 55, ll. 66 ff., Beitrag Izakov. Vgl. ebd., Beiträge stellv. Chefredakteur Minaev und Izakov. 1218 Vgl. G. A. Žukov auf Vorbereitungssitzung SSP zur Taškenter Konferenz, 19.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6082, ll. 10 f. 1219 Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP für Taškent, 7.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6081, ll. 14 ff., Beitrag Surkov. 1220 ‚Student aus dem Punjab‘ an Progress Verlag, 3.1.1963, GARF, f. 9590, op. 1, d. 586, ll. 125 f.

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sowie Informationen über Leben und Werk von Lenin und Marx: »Insgesamt haben sie mir gefallen.«1221 Verallgemeinern lässt sich, dass das Interesse indischer Leser an Informationen und Kunst aus dem Ausland Werke aus der UdSSR mit einbezog, ohne dass damit die Herausbildung neuer literarischer oder ideologischer Präferenzen einhergehen musste.1222 Die auch schriftstellerisch tätige Korrespondentin von Trud, Ševeleva, verlieh vor allem Wunschträumen Ausdruck, wenn sie davon schrieb, dass ihre indischen Gesprächspartner über aktuelle Entwicklungen in der sowjetischen Literatur »nicht schlechter als« sie selbst informiert seien.1223 Daher mühte sich die sowjetische Literaturwissenschaft in dieser Zeit ohne große Erfolge ab, in ihren Untersuchungen über die indischen Literaturen einen zwar gewundenen, angeblich aber unaufhaltsamen Prozess hin zu einer progressiven Literatur mit dem sozialistischen Realismus als Endziel zu konstruieren. Mit gespanntem Interesse verfolgten sowjetische Literaturwissenschaftler ab Ende der 1950er-Jahre innerindische Diskussionen über den rechten literarischen Weg. In den Augen sowjetischer Experten wurden sich im Laufe der 1950er- und 1960er-Jahre diverse indische Autoren klarer der Aufgabe bewusst, dem indischen lesenden Volk durch volksnahe Themen, mittels gesellschaftlichem und (außen-)politischem Engagement, mit der Erschaffung neuer Helden sowie mit der Ablehnung bourgeoiser Literatur und der Vermittlung vorbildlicher sowjetischer Werke zu dienen. Sowjetische Analysten beschrieben diese Entwicklung als Vervollkommnung der besten indischen Traditionen eines Tagore, die durch den Einfluss der Oktoberrevolution und des sozialistischen Realismus möglich geworden sei.1224 1221 Leserzuschriften an Progress-Verlag 1964, GARF, f. 9590, op. 1, d. 631, hier ll. 23, 44. 1222 Leserzuschriften nach RGALI, f. 631, op. 26, d. 5221, ll. 139 f. (Bengalisches Feuer); GARF, f. 9590, op. 1, d. 468, ll. 88–90 (tamilische Sprache); Einzelreaktionen v. a. auf Werke Gor’kijs, Ostrovskijs, Čechovs, Ivan Turgenevs und Puškins ebd., d. 468, ll. 131 f., dazu d. 503, 586, 631. 1223 Ševeleva, Budni, S. 22, 25, 59 f. 1224 Vgl. Andreev, O sovremennoj indijskoj literature, S. 222–225, 228; Istorija Russkoj Sovetskoj literatury 3, S. 549–562; Vtoraja konferencija, S. 24; Čelyšev, Ob osnovnych tečenijach i putjach, S. 188 f., 192 f., 195, 201 f., 207–209; ders., Nekotorye voprosy, S. 125, 131 f.; ders., Sur’jakant Tripatchi Niralja, S. 181–185; ders., Ėvoljucija, S. 157, 162, 165, 168, 172–175; ders., Sovremennaja poėzija Chindi, S. 3–76, v. a. S. 4 f., 16 f., 31–33, 41 f., 48, 52–55, 66 f. 75 f., 361– 363; Vorwort Višnevskaja und Čelyšev in dies. (Hg.), Rasskazy indijskich pisatelej, S. 3–20; Einzelbeiträge in Kratkie soobščenija Instituta Narodov Azii, Band 80: Literaturovedenie. Indija, Pakistan, Afganistan, Moskau 1965, hier S. 40–156; Balin, Sumitranandan Pant; Fifty years of Soviet Oriental Studies, Band: Indian philology, S. 18–20; Serebrjakov, Kabir, S. 65; Paevskaja, Obščestvenno-političeskie vzgljady.

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Vereinzelte indische Schriftsteller schlossen sich den ideologiebewussten Interpretationen gerne an. Gerade ehemalige Vorreiter aus der linken Aufbruchbewegung der 1930er-Jahre sahen sich durch den Lauf der Geschichte sowie durch die aktuelle Literaturproduktion in der UdSSR in früheren Grundpositionen bestätigt.1225 Entschiedene Anhänger des sozialistischen Realismus, die ihre künstlerische Ausrichtung mit einer offenen Begeisterungsfähigkeit für die UdSSR insgesamt verbanden, blieben in der indischen Literatur allerdings in der Minderheit. Indische Kritiker warfen linken Produktionen ohnedies vor, dass ihr hoher ideologischer Gehalt auf Kosten der künstlerischen Qualität gehe.1226 ›Progressive‹ Autoren fühlten sich vom literarischen Establishment in Indien ausgegrenzt. Sie verloren sich zudem in unproduktiven politischen Grabenkämpfen.1227 Mit Sorge mussten sowjetische Beobachter noch in den 1960er-Jahren konstatieren, dass ihre Bundesgenossen in relevanten indischen Gesamtdarstellungen zur Literatur häufiger unter den Tisch fielen.1228 Die vermeintlichen Multiplikatoren mussten außerdem gestehen, dass sie weder über Inhalt noch Richtung eines kritischen oder sozialistischen Realis-

1225 Vgl. Rezension Doktorand Glazov, IVAN, zu K. Danodaran, Kurze Geschichte der Literatur in malayischer Sprache, RGALI, f. 1573, op. 5, d. 210, ll. 14 ff.; Rezension zu Kedar Nath, Indische Literatur, 1958, ebd., l. 22; Salganik, Rezension zu Machwe, Aktuelle Entwicklungen in der Literatur in indischen Sprachen, 1958, RGALI, f. 1573, op. 5, d. 210, ll. 17 ff.; Machwe an Čakovskij, 23.7.1958, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 186, l. 79, weitere Briefwechsel ebd., ll. 107, 119; Rezension zu Sh. S. Chaukhan, Entwicklung moderner Literatur in Hindi, 1958, ebd., ll. 23 f.; Zachir, Blagorodnaja zadača sovetskoj literatury. 1226 Vgl. Beitrag Machwe zur Hindi-Literatur in: Narasimhaiah (Hg.), Indian literature, S. 36–42, hier S. 40 f.; Mačve, Sovremennye tečenija. 1227 Vgl. Stenogramm Treffen Auslandskommission SSP mit Krishan Chander, 21.12.1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5155, ll. 7 f.; Tursun-Zade an ZK, 8.12.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 447, ll. 159–161; Čakovskij an ZK, 7.1.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 41, ll. 1–34, hier ll. 19 ff.; Polevoj an ZK über Autorenkonferenz Madras, 16.–20.12.1959, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5195. 1228 Vgl. Rezension zum indischen Who’s who of Indian writers, 1961, in: Narody Azii i Afriki (1963), Nr. 1, S. 233 f.; Orestov, Sem’ let, S. 203 f. Allgemeine Darstellungen zur indischen Literaturgeschichte weisen linken Autoren als distinkter Gruppe in der Regel keine langfristig herausragende Stellung zu, während einzelne Vertreter wie Anand, Vallathol oder mitunter Krishan Chander eine Rolle behalten haben. Bh. Bhattacharaya erhielt 1968 den Akademiepreis der Sahitya Akademi, vgl. Shimer, Bhabani Bhattacharaya, S. 18 f.; Das, A history; Nagendra (Hg.), Indian literature; Jotwani (Hg.), Contemporary Indian literature; Narasimhaiah (Hg.), Indian literature; Gokak (Hg.), Literatures; Rao, A short history; Sahitya Akademi Awards; Singh (Hg.), Indian English literature; Who’s who of Indian writers, End-century ed. New Delhi 1999; Encyclopaedia of Indian literature, New Delhi 1987 ff.; Natarajan (Hg.), Handbook; Zaidi, A history, S. 399 f., 413; Coppola (Hg.), Marxist influences; Narayan/Mee, Novelists.

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mus letzte Klarheit hatten.1229 Sie waren ohnehin nie geneigt, sowjetische Literaturdogmen unkritisch oder vollständig zu übernehmen.1230 So diskutierten indische Autoren bei Besuchen in Moskau bereits 1955 kritisch eine mögliche soziale Überlastung der Literatur.1231 Spätere Publikationen eines Anand zeigen, dass seine Annäherung an die sowjetische Literaturszene keineswegs zu einer Identität der künstlicheren Programme geführt hatte. Andere Autoren ließen sich trotz linker Überzeugungen und realistischer Inhalte auf Dauer ebenfalls nicht für den sozialistischen Realismus gewinnen.1232 Voller Unmut konstatierte die sowjetische Literaturwissenschaft, dass neue Strömungen der indischen Literatur auch russische Klassiker selbständig und damit angeblich falsch interpretierten.1233 Selbst die indischen Tolstoj-Feiern erwiesen sich in den Augen Moskaus nicht als Erfolg. Nach Ansicht des SSP war das offizielle Komitee mit »reaktionären« Autoren durchsetzt, die sich mehr mit dem progressiven Alternativkomitee auseinandersetzten, als dass sie angemessene Vorbereitungen trafen.1234 Auf der anderen Seite konnten auch die zahlreichen Tagore-Ausgaben in der UdSSR nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die sowjetische interpretative Vereinnahmung des Autors in Indien nicht durchsetzen ließ.1235 Letztlich war der sowjetischen Literaturwissenschaft Mitte der 1960er-Jahre durchaus bewusst, dass es noch ein langer Weg war, bevor der sozialistische Realismus mit all seinen Implikationen großflächigen Eingang in indi1229 Vgl. Stenogramm Treffen Auslandskommission SSP mit Krishan Chander, 21.12.1955, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5155, l. 12ob; Tursun-Zade an ZK, 8.12.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 447, ll. 159–161, hier l. 160; G. A. Žukov an ZK, 6.3.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 238, ll. 84 ff., hier l. 131. 1230 Vgl. Serebrjakov an stellv. Vors. SSOD, Zueva, 19.1.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 87, ll. 13 ff.; geschäftsführender Leiter Abteilung für Außenbeziehungen Kulturministerium, Slavnov, an Leiter Abteilung für Kultur- und Bildungseinrichtungen, Solov’ev, 19.1.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1468, l. 24; Stenogramm; Bericht Lektor Indische Philologie für Bildungsministerium, 5.10.1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1306, ll. 67 ff. 1231 Vgl. Kap. 3.5.2, Anm. 944. 1232 Vgl. Anand, The role, S. 20; Berry, Mulk Raj Anand, S. 19–34; Coppola (Hg.), Marxist influences, Kap. 9–11. 1233 Vgl. Čelyšev, Izbrannye trudy 1, S. 605. 1234 Vgl. Stenogramm Sitzung SSP, 16.2.1961, RGALI, f. 631, op. 26, d. 103, hier ll. 68 ff., Beitrag Markov. 1235 Vgl. Bericht sowjetische Delegation über Tagore-Seminar, November 1961, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5224; Rezension Gnatjuk-Danil’čuk, 6.2.1959, zur Biographie Tagores, On the edges of time, 1958, RGALI, f. 1573, op. 5, d. 273, ll. 13–16; Sekretär Vorbereitungskomitee, Čelyšev, Maßnahmenplan zu 100-Jahr-Feier Tagore, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 5221, ll. 117 ff.; Vorschläge Kulturministerium, ab Mai 1961, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1466, ll. 1 f.; Liškin, Čitaja Tagora; Novikova, »Poričoj«, S. 141; Bdovin/Gamajunov (Hg.), K stoletiju; Vasil’ev, O namerenii Tagora; Novikova, Poezdka; Glazami druzej, S. 66 f.

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sche Literaturen finden würde: »Die Hindi-Dichter, die wichtige Probleme der aktuellen indischen Realität aufwerfen, die die Aufmerksamkeit für Mängel der bourgeoisen Gesellschaft, für die schwere Lage des arbeitenden Volks schärfen, können dabei in der Regel noch nicht die Perspektiven der historischen Entwicklung Indiens durchdenken und eröffnen, sie bringen nicht das allgemeine Ideal vor, das den wahren Zielen der Befreiung ihres Volkes entspricht. Hierin besteht die Beschränktheit und Schwäche des Realismus in der gegenwärtigen Etappe der Entwicklung der Hindi-Poesie.«1236 Schließlich erwies sich für die sowjetische Literaturbürokratie auch die direktere, politisch-propagandistische Ausnutzung der linksorientierten literarisch-gesellschaftlichen Bewegung in Indien als problematisch. Die Taškenter Konferenz asiatischer und afrikanischer Schriftsteller 1958 ist hierfür ein gutes Beispiel. Grundsätzlich war die kulturelle und damit auch literarische Selbstbestimmung ein wesentliches Thema der Literaturbewegungen der Dritten Welt. Dies wollte sich die sowjetische Kulturpolitik zu Nutzen machen. Auf der ersten, unter anderem von Anand initiierten Konferenz asiatischer Autoren hatte die sowjetische Delegation Taškent als Ort der Folgeveranstaltung vorgeschlagen.1237 Angesichts des wind of change in Afrika wurde das Treffen zu einer asiatisch-afrikanischen Schriftstellerkonferenz ausgebaut. Die UdSSR wollte die Veranstaltung ganz schlicht auch zur Popularisierung eigener Literatur und Politik in der Dritten Welt nutzen. In Indien wählten CPI und die wiederbelebte PWA bereits genehme Delegierte aus, und auch der SSP hoffte, dass »die für uns nötigsten und nützlichsten Autoren aus diesen Ländern zu uns in unser sowjetisches Land kommen.«1238 Offizielle Stellen in Delhi legten der Teilnahme indischer Autoren an sich keine Hindernisse in den Weg. Sie hatten jedoch wenig Sinn für eine sowjetisch-politische Instrumentalisierung der Konferenz und wollten nur unpolitische Fragen der nationalen Literaturen behandelt wissen.1239 Auch parteipolitisch ungebundene linke Autoren machten sich dafür stark, die Konferenz auf

1236 Čelyšev, Sovremennaja poėzija Chindi, S. 76. 1237 Vgl. Rundschreiben Vorbereitungskomitee nach Treffen 28.–30.7.1956, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6080. 1238 Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP, 7.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6081, ll. 24 ff., 38 ff., Beiträge Čakovskij und Apletin. Vgl. Surkov an ZK, 30.4.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 63, ll. 4 f.; Redaktionssitzung Inostrannaja Literatura, 17.6.1958, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 113, ll. 76 ff., hier l. 99. 1239 Vgl. Vorbereitungssitzungen SSP, 7. und 19.2. 1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6081, ll. 24–26 sowie d. 6082, ll. 19 f.; Nehru an Autoren Banerjee, 23.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 214 f.

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literarische Fragen zu beschränken.1240 In der weiteren Planungsphase drängte Anand gemeinsam mit anderen indischen Delegationsmitgliedern darauf, dass sich die Konferenz in ihrer Tagesordnung und Stoßrichtung an der Literaturkonferenz von Delhi und nicht an parallelen internationalen Polit-Veranstaltungen wie der Kairoer Solidaritätskonferenz (1957) orientierte.1241 Nach dem Treffen beklagten die sowjetischen Literaten die »spalterische Position der indischen Delegation«. Sie hatten dabei insbesondere Anands Auftritte im Sinn, der sich stur gegen Debatten über die Rolle der Literatur im antikolonialistischen Kampf gewehrt und sich zunächst einer Institutionalisierung der afrikanisch-asiatischen Zusammenarbeit verweigert hatte.1242 Zu seiner Verteidigung führte Anand aus, dass Nehru die indische Delegation auf eine »literarische« Linie verpflichtet habe, um die Entsendung der Autoren im Kabinett vertreten zu können.1243 Der Schriftsteller hielt es für geboten, diese Linie auch umzusetzen, um sich in der indischen Literaturlandschaft nicht ins Abseits zu manövrieren.1244 Seine entsprechende Einschätzung der politischen Kräfteverhältnisse innerhalb der indischen Autorenschaft wurde im Übrigen von sowjetischen Beobachtern geteilt.1245 Schließlich sagte Anand die Teilnahme an der ersten Sitzung des ungeliebten Ständigen Büros der asiatisch-afrikanischen Schriftsteller kurzfris-

1240 Vgl. Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP, 7.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6081, ll. 10, 24–26; Informationen Vorbereitungskomitee, Juli bis Oktober 1956, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6080; Desai, The Asian Writers’ Conference. 1241 Vgl. Surkov u. a. an ZK, 9.6. und 19.8.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 63, hier ll. 9–18, 26 f.; Stenogramm Vorbereitungssitzung SSP, 7.2.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6081, l. 10, Beitrag Sofronov; Protokolle Internationales Vorbereitungskomitee, 1.–30.9.1958, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6091; Erster Sekretär uzbek. KP, Rašidov, an Furceva, 8.10.1958 (Eingang), mit Entwurf Eröffnungsrede, RGANI, f. 5, op. 30, d. 281, ll. 80–86; Rede Chruščev auf Empfang für Konferenzteilnehmer, 22.10.1958, in: Chruschtschow, Reden, S. 70–74; Rejsner, Posle konferencii. 1242 Vermerk [SSP?] zur Taškenter Konferenz, o. D., RGALI, f. 631, op. 26, d. 6104; Pressestimmen aus Indien ebd., d. 6100, ll. 1–8. Vgl. Ischreyt, Die asiatisch-afrikanische Schriftstellerkonferenz; Čakovskij, Duch Taškenta. Autoren anderer Staaten hatten sich politischer präsentiert, dadurch jedoch ebenfalls Diskrepanzen mit den sowjetischen Gastgebern aufgezeigt, vgl. Katsakioris, Soviet-South encounter, S. 147 f. 1243 Čakovskij an ZK, 7.1.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 41, ll. 1–34, hier ll. 9 f. Vgl. Redaktionssitzung Inostrannaja Literatura, 17.6.1958, RGALI, f. 1573, op. 1, d. 113, ll. 100 f., Beitrag Tereškin; Nehru an Minister für Wissenschaft und Kultur, Kabir, 13.8.1958, SWJN 2, Vol. 43, S. 197. 1244 Polevoj an ZK, 28.10.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 281, ll. 116–119. Als Parteigänger einer größeren Politisierung dagegen Zachir, Pisateli. 1245 Bericht sowjetischer Delegation über 3. indische Autorenkonferenz Madras, 16.–20.12.1959, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5195.

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tig ab. Er ließ sich dort auch in den nächsten Jahren nicht sehen.1246 Mit der Verhärtung der indisch-chinesischen wie sowjetisch-chinesischen Beziehungen stimmten dann allerdings im Oktober 1962 indische und sowjetische Delegierte im Wunsch überein, Sitzungen des Büros der Asiatisch-Afrikanischen Autoren auf praktische und rein künstlerische Fragen zu beschränken.1247 Grundsätzlich war der SSP jedoch nicht geneigt, die Kooperation mit Autoren in Asien und Afrika »als literarischen PEN-Klub« oder als »Reisen für gegenseitige Komplimente« und für »nur literarische Gespräche« zu verstehen.1248 Im Fazit gelang der literarische und literaturpolitische Mehrfachzugriff des Imperiums bis Mitte der 1960er-Jahre nur ungenügend. Ein Anonymus aus der Auslandskommission des Schriftstellerverbands brachte Ziele und Mängel prägnant auf den Punkt: Die sowjetische Literatur sei »die führende Kraft in der Entwicklung der Weltkultur«, aber »wir nutzen sie schlecht zur Einwirkung auf die gesellschaftliche Meinung im Ausland«1249 – und im Kampf gegen die »Propaganda der chinesischen Spalter«, ergänzte das Sekretariat des SSP im Juli 1964 in einem Schreiben an das ZK.1250 Moskauer Literaturmanager suchten die Gründe für die mangelhafte Ausstrahlungskraft sowjetischer Literatur in kapitalistischen Gegenmaßnahmen, im Beharrungsvermögen überholter indischer Werte oder in finanziellen und organisatorischen Mängeln der eigenen sowie der indischen Bürokratie. Diese Punkte spielten durchaus eine Rolle. Die Ursachenforschung ließ jedoch außer Acht, dass das sowjetische imperiale literarische Angebot an Indien zu kurz griff, um die differenzierten intellektuellen und künstlerischen Bedürfnisse eines – zahlenmäßig geringen – indischen 1246 Bericht sowjetische Delegation über 1. Sitzung am 3.–10.1.1961, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6110; Bericht sowjetische Delegation über Sitzung Ständiges Büro vom 4.–11.10.1962, ebd., d. 6141. Anand ließ es sich allerdings nicht nehmen, 1968 an den sowjetischen Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag der Taškenter Konferenz teilzunehmen, vgl. Vermerk Sowjetisches Komitee für Verbindungen mit den Autoren Asiens und Afrikas an ZK, 4.10.1968, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1965–1972, Tomilina u. a. (Hg.), S. 585 ff. 1247 [RGW], Rjurikov u. a. über Sitzung Ständiges Büro, 4.–11.10.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6141. 1248 Stenogramm Sitzung Sowjetisches Komitee für Verbindung zu Autoren Asiens und Afrikas, 19.12.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6124, l. 7, Beitrag Surkov. Zur Auseinandersetzung mit China vgl. ebd., ll. 61 f., Ėdlin, l. 101, Tursun-Zade; Bericht sowjetische Delegation über Sitzung Exekutivkomittee der Autoren der Länder Asiens und Afrikas, 12.–20.7.1963, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6156. 1249 Vorschläge für die Entwicklung der literarischen Beziehungen mit den Ländern Asiens/Afrikas, [1964], RGALI, f. 631, op. 26, d. 6173. Vgl. Stenogramm Sitzung Sowjetisches Komitee für Verbindung zu Autoren Asiens und Afrikas, 19.12.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 6124, l. 89, Beitrag Borodin. 1250 Surkov u. a. an ZK, 11.7.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 103, ll. 169–174.

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Lesepublikums zu befriedigen, das sich intensiv mit der globalen Literatur auseinandersetzte. Indische Leser lehnten sowjetische Werke nicht per se ab, und sie erkannten die Qualitäten verschiedener russischer wie sowjetischer Schriftsteller an. Darüber hinausgehende Ziele konnte eine sowjetische Literaturpolitik, die eigenen Dogmen verpflichtet blieb, im Indien der 1950er- und 1960er-Jahre nicht erreichen. Das systemimmanente Literaturverständnis verhinderte bis in die 1960er-Jahre hinein eine ausdifferenzierte literarische Entwicklung in der Sowjetunion. Es unterminierte damit von Vornherein den ohnehin äußerst schwierigen Versuch, in der indischen Literaturlandschaft konkurrierender Vielfalt und Experimentierfreude eine axiomatisch postulierte Überlegenheit der sozialistischen Kultur zu beweisen und mit Leben zu füllen. 4.5.2. Propaganda und Informationspolitik: Schwierige Überzeugungsarbeit Den Kulturtransfer durch eine massenwirksame Informations- und Propagandatätigkeit zu unterstützen, blieb gleichfalls schwierig. Die entsprechenden Aktivitäten erreichten im Umfeld der gegenseitigen Staatsbesuche sowie im Gesamtkontext des allgemeinen Ausbaus der sowjetischen Auslandspropaganda ab 1955 eine neue Intensität.1251 Eine Vielzahl alter und neuer Einrichtungen des sowjetischen Imperiums bemühte sich darum, die im Kreml geforderten neuen Dimensionen und Qualitäten der internationalen Propaganda umzusetzen. In dem weiten Feld engagierten sich, ohne Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen, haupt- oder nebenamtlich Institutionen und Organisationen wie Komsomol, Sovėksportfil’m, TASS, Rundfunk und Presse, der SIB mitsamt seiner Zeitschrift Strana Sovetov (Soviet Land), VOKS mit der neuen Hauspostille Kul‘tura i žizn‘, Pressedienste wie News and views from the Soviet Union, später dann GKKS, SSOD und APN, Meždunarodnaja kniga, Frauenorganisationen, Studentenverbände, Gewerkschaften, parlamentarische Gruppen, Künstler und Künstlerinnen, das sowjetische Komitee zur Verteidigung des Friedens, Städtepartnerschaften, das Filmwesen, wissenschaftliche und andere Fachdelegationen, religiöse Institutionen, Journalismus, Sport usw. Sowjetische Aktivisten nutzten internationale Veranstaltungen kultureller, wirtschaftlicher oder religiöser Natur – von Wirtschaftskonferenzen bis hin zum, allerdings »bemerkenswert 1251 Vgl. Il’ičev/Charlamov an Šepilov, 13.1.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 383, ll. 12 ff.; Chruščev, Šepilov und Surkov auf 20. Parteitag, in: XX s-ezd 1, hier S. 28 f., 33 f., 81 f., 112 ff., 204 f., 392 ff.; Kap. 4.2.

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europäisch« daherkommenden, Moskauer Jugendfestival 1957. Dazu boten international tätige Organisationen wie die UNESCO oder, mit linkem Einschlag, der Weltfriedensrat, das Afro-Asiatische Solidaritätskomitee, die Weltföderation der Gewerkschaften (WFTU) und korrespondierende Weltverbände der Jugend, von Frauen oder einzelner Berufsgruppen propagandistische Möglichkeiten.1252 Gerade internationale Unternehmungen erwiesen sich mitunter als problematische Foren: Hier wurde besonders deutlich, dass die sowjetische Propaganda schon wegen der Spannungen innerhalb der Dritten Welt unmöglich alle umworbenen Zielgruppen gleichermaßen zufrieden stellen konnte.1253 Schließlich setzte die sowjetische Seite auf die Ausstrahlungskraft ihrer Bürger und Politiker selbst. Neben kurzfristige Delegationsbesuche und mehr oder weniger offiziöse Privatreisen traten längere Arbeitsaufenthalte sowjetischer Berater für Entwicklungs- und Bauprojekte vor Ort. Daneben lässt sich spätestens ab den 1960er-Jahren eine geringe, aber kontinuierliche Präsenz von sowjetischen Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen in Indien kons1252 Zitat nach Koivunen, The 1957 Moscow Youth Festival, S. 50 f. Komsomol-Aufstellungen listen rd. 500 indische Teilnehmer am Jugendfestival auf, vgl. Teilnehmerlisten, RGASPI, f. M-3, op. 15, d. 217, ll. 21, 24–30; Vors. Vorbereitungskomitee Jugendfestival Moskau, Bobrovnikov, an ZK, 1.9.1956, in: Krasovickaja/Vodop’janova/Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 30–32; Sendungsmanuskript Govorit Moskva, 28.7.–11.8.1957, RGASPI, f. M-3, op. 15, d. 264, t. 4, ll. 120–143 (freundlicher Hinweis von Jeremiah Wishon). Zu den verschiedenen Institutionen vgl. exemplarisch Ideologie-Kommission, 4.3., 13.3., 28.3., 7.4., 3.6., 6.7. 16.7., 4.9., 5.11.1959, 17.3., 27.4., 29.8.1960, RGANI, f. 11, op. 1, d. 113, 114, 115, 119, 122, 125, 443, 491, 508; Rechenschaftsbericht Vertreter UdSSR bei UNESCO für 1960, 11.3.1961, in: Krasovickaja/Vodop’janova/Domračeva (Hg.), Vozvratit’, S. 221–227; Gorkin an Nehru, 4.4.1960, SWJN 2, Vol. 61, S. 751; sowjetischer Generalkonsul Calcutta, Voinov, an Romanovskij, 28.6.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 9, ll. 75 f.; Benediktov an ZK über Propagandatätigkeit der Botschaft 1962, o. D., RGANI, f. 5, op. 55, d. 54, ll. 197 ff.; Vors. Zentralrat Sportorganisationen, Romanov, an ZK, 2.12.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 468, ll. 25 f.; Vermerk über National Federation Indian Women, 1962, GARF, f. 7928, op. 3, d. 861, ll. 1 ff.; geschäftsführender Vorsitzender Oberstes Gericht, Kulikov, an ZK, 3.9.1964 (Eingang), RGANI, f. 5, op. 30, d. 453, ll. 105 f.; Vermerk SSOD Delhi, Ljubomudrova, über Tätigkeit 1962, 2.12.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 164, ll. 98 ff.; Vors. Rat für religiöse Kulte, Puzin, an ZK, 22.9.1960, RGANI, f. 5, op. 33, d. 162, ll. 51 ff.; Kreškov, Bericht über sowjetische Delegation auf 43. Indischem Wissenschaftskongress, 16.1.1956, AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 8, ll. 18 ff.; Direktive für Delegation zur 19. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes, 24.10.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 225, ll. 111 ff.; Romanovskij, Meždunarodnye, S. 135–141; Barghoorn, Soviet foreign propaganda, S. 258–271; Zubkov, Sovetskaja propaganda, S. 260–266; Hornsby, The post-Stalin Komsomol; Sager, Moskaus, Hand, S. 49–81, 100–115. Das Organ der VOKS erschien zunächst in 5 Sprachen, vgl. Tab. 6 b.–c. 1253 Vgl. Bericht Rat für religiöse Kulte an ZK, 12.7.1962, in: Arapov (Hg.), Islam, S. 221–228; Smirnov an Sekretariat Frauenkomitee, Fedorova, 2.11.1963, GARF, f. 7928, op. 3, d. 861, l. 39 ff.; Micheev, Pod znamenem.

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tatieren. Im Rahmen des Wissenschaftsaustauschs absolvierten zudem sowjetische Stipendiaten und Stipendiatinnen vor allem aus dem Bereich der Orientwissenschaften mehrmonatige Studienaufenthalte in Indien, hier zunächst in Delhi und Calcutta.1254 Das offizielle Moskau versuchte, die unmittelbaren Begegnungen als demonstrative Selbstpräsentation für die Überzeugungsarbeit zu nutzen. In dieser Hinsicht war Chruščev 1955 und 1960 der idealtypische Reisende, der sich ganz in den Dienst der Sache stellte und quasi en passant den Indern noch das ABC guten, das heißt sozialistischen Wirtschaftens, Politikgestaltens und kulturellen Lebens beibrachte.1255 »Schon ein fröhliches gesundes Gesicht unserer Jugend, die lacht, singt, tanzt«, formulierte die SSOD in Indien das entsprechende Aufgabenverständnis für niedrigere Ebenen, »überzeugt die Menschen mehr, als prozentuale Berechnungen über das Leben dieser Jugend.«1256 Gemeint waren hiermit vor allem Gesichter sowjetischer Auslandsstudierender. Diese engagierten sich, folgt man ihren Rechenschaftsberichten, zumindest in Teilen für das sowjetische Gesamtprojekt, die »vollständig verzerrten Vorstellungen über das Leben sowjetischer Menschen, über unsere Gesetze und Bräuche, über die Ordnung in unserem Land, seine Geschichte und Kultur« zu korrigieren.1257 1254 Vgl. Kaftanov an ZK, 29.9.1958 (Eingang), RGANI, f. 5, op. 36, d. 68, ll. 101 f.; Nehru vor Mitgliedern International Students Association, Calcutta, 14.12.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 274 f.; Nehru an Staatsminister für Bildung, Shrimali, 22.3.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 265 f.; Aufzeichnung Gespräch zweiter Sekretär MID-Abteilung Südostasien, Firsov, mit Gonsalves, 28.1.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 3, l. 32. Unter 9 graduierten Hindi-Studenten, die 1960 nach Indien fuhren, befanden sich im Übrigen 8 Russen und 1 Ukrainer im Alter von 28 bis 35 Jahren. Alle waren verheiratet, vgl. sowjetische Botschaft Delhi an MEA, 18.2.1960, AVP, f. 172, op. 15, papka 30, d. 1, ll. 115–117. Vgl. Charakteristiken sowjetischer Botschaft Delhi über sowjetische Studierende, [1963], GARF, f. 9606, op. 2, d. 97, ll. 77 ff. 1255 Vgl. Kap. 4.2.; Entwurf Information über Besuch des Genossen Chruschtschow in Indien, 11.–16.2.1960, PA AA, MfAA, A 765, Bl. 50–66; Chruščev vor Lok Sabha, 11.2.1960, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 191–201; Gorsuch, All this is your world, S. 16–21, 83 f., 100 f., 114–128; Barghoorn, Soviet foreign propaganda, S. 217–219, 304 f.; Balina, A prescribed journey. Zum Film »Unser Nikita Sergevič« vgl. Ljubomudrova, 26.4.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 162, ll. 243 ff. 1256 Bericht Potabenko über Reise sowjetischer Studenten nach Gaziabad, [1963], GARF, f. 9576, op. 15, d. 204, ll. 264 f., hier l. 265. 1257 Bericht Student Žeričin über Aufenthalt am Technologieinstitut Kharagpur ab 20.10.1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2357, ll. 109 ff. Vgl. Bericht Doktorand MGU, Kazakov, über Aufenthalt an Universität Delhi von November 1962 bis November 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 49 ff.; Bericht Sarymsakovaja über Sprachpraktikum an Universität Delhi ab September 1961, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1309, ll. 72 ff.; Bericht Doktorandin Asien-Institut, Kajumova, über Aufenthalt in Indien von Oktober 1962 bis März 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 15 ff.

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Die sowjetische Bürokratie ließ es sich im gesamten Zeitraum nicht nur ein Anliegen sein, ihre Propagandamethoden und -instrumente zu verfeinern, sondern versuchte auch, die Inhalte an das gängige Credo von gleichberechtigten Beziehungen zwischen souveränen Staaten anzupassen. »Das Hauptziel unserer Propaganda in die Länder des Ostens«, formulierte der Leiter des jungen GKKS Ende 1958 den Anspruch, »besteht darin, den Völkern dieser Länder dabei zu helfen, sich selbst von den Vorzügen des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus zu überzeugen und sie auf die Seite des sozialistischen Lagers zu ziehen. Aber dieses Ziel kann und darf nicht durch ›Frontal‹-Attacken erreicht werden, sondern durch eine geschickte, taktische sowjetische Propaganda, die der lokalen Situation Rechnung trägt und die örtlichen Traditionen und Sitten achtet.« »Wir müssen«, so Žukov weiter, »damit es nicht wie eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten aussieht, Wachstum und Konsolidierung der progressiven Kräfte taktvoll unterstützen«.1258 Die Schwerpunktthemen der sowjetischen propagandistischen Selbstdarstellung folgten über die Jahre hinweg weiterhin getreu den aktuellen Akzentsetzungen der sowjetischen internationalen Beziehungen. Ganz generell präsentierte sich die UdSSR als Land, das auf Basis unumstößlicher ideologisch-historischer Wahrheiten und dank unbestrittener Führungsqualitäten der Arbeiterklasse und ihrer höchsten Vertreter in der Partei immer neue Höhen des wissenschaftlichen, kulturellen, technologischen und wirtschaftlichen Fortschritts erreichte und so das Fundament für eine neue, sozialistische und damit bessere Gesellschaft neuer Menschen legte.1259 Dass in dieser neuen Gesellschaft religiöse Überzeugungen und Gefühle keinen Platz mehr haben würden, war in der Propaganda nach dem sich offiziell säkular gebenden Indien im Übrigen weniger präsent als

1258 G. A. Žukov an ZK, 28.10. und 14.11.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 273, ll. 38 ff., sowie in: Davidson/Mazov (Hg.), Rossija i Afrika 2, S. 161–165, hier S. 163. 1259 Vgl. Plan SIB für Fotoausstellungen für Indien, 1956, GARF, f. 8581, op. 2, d. 428; Beschluss ZK-Büro uzbekische KP, 22.8.1955, RGANI, f. 5, op. 28, d. 371, ll. 68 ff.; Efimov an Leitung SIB, Jakovlev, Tätigkeitsbericht für 1957, 4.2.1958, GARF, f. 8581, op. 2, d. 461, ll. 1 ff.; Informationsabteilung sowjetische Botschaft Delhi, Bericht über Tätigkeit SIB 1958, 18.4.1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 487, ll. 72 ff.; Beschluss ZK, 24.6.1959, in: Sovetskaja pečat’, S. 120 f.; Vermerk ZK VLKSM, 16.12.1959, sowie Beschluss Ideologie-Kommission, in: Ideologičeskie komissii CK KPSS 1958–1964, Afanas’eva u. a. (Hg.), S. 221–223; Protokoll Mitarbeiterversammlung Kulturhaus Delhi, 13.10.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 162, ll. 43 ff.; Plan Gesellschaft für sowjetisch-indische Kulturbeziehungen für 1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 3 ff.; Kaftanov an ZK, 23.1.1960, RGANI, f. 5, op. 33, d. 150, ll. 54 ff.; Serebrjakov an stellv. Vors. Präsidium SSOD, Zueva, 26.2.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 87, l. 25; Barghoorn, Soviet foreign propaganda, S. 294 f.

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gegenüber deutlicher religiös geprägten Ländern.1260 Im Rahmen der ebenso detailliert wie plakativ für alle Lebenssphären beschriebenen Vorteile des sozialistischen Systems hoben die sowjetischen Agitatoren und Propagandisten die Positiva einer entsprechenden Entwicklung gerade für asiatische Regionen hervor.1261 Während China hier noch 1958 als Paradebeispiel herangezogen wurde, mussten sich die sowjetischen Funktionäre ab Anfang der 1960er-Jahre nicht nur vom entwicklungspolitischen chinesischen Modell distanzieren, sondern sich auch chinesischer Angriffe erwehren. Im internationalen Wettkampf mit den kapitalistischen Hauptstaaten nahm die sowjetische Propaganda keinen derart einschneidenden Positionswechsel vor. In diesem Bereich fuhr man gegenüber Indien fort, die eigene Überlegenheit auf allen Lebensgebieten herauszustreichen und der Aggressivität kapitalistischer und imperialistischer Staaten die angeblich friedliebende Politik der UdSSR gegenüberzustellen. Darüber hinaus hoben sowjetische Meinungsmacher auf die unverbrüchliche Unterstützung Moskaus für nationale Befreiungsbewegungen und für die Dritte Welt schlechthin ab. In diesem Bild wurden Aktivitäten von Indiens kapitalistischen Wirtschaftspartnern als alt- bzw. neoimperialistische Machenschaften diffamiert.1262 In den verflochtenen Themenfeldern der sowjetischen Propaganda avancierte Bhilai zum viel gerühmten Symbol friedlicher Koexistenz, guter sowjetisch-indischer Beziehungen, gelungener Entwicklungspolitik und -hilfe und sozialistischer Vorzüge in einem.1263 Das Lob auf das eigene System wurde schließlich durch den Versuch ergänzt, eine historische Traditionslinie guter, freundschaftlicher Beziehungen zwischen den russischen 1260 Vgl. Materialien Rat für Religiöse Kulte, 5.6.1956, in: Arapov (Hg.), Islam, S. 125–131, hier S. 126; Pozdeev an ZK, 14.7.1956, GARF, f. 8581, op. 2, d. 428, ll. 141 ff.; geschäftsführender Vors. Rat für religiöse Kulte, Gostev, an ZK, 11.1.1957, RGANI, f. 5, op. 33, d. 55, ll. 1 ff.; Rat für religiöse Kulte bei SovMin, an GKKS, Žukov, 12.3.1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 488, ll. 101 ff.; Boden, Die Grenzen, S. 277–295. 1261 Vgl. N. Michajlov an ZK, o. D. [Dezember 1955], und 8.2.1958, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 34, ll. 1–10 sowie RGANI f. 5, o. 36, d. 80, ll. 11 f.; Kaftanov an Suslov, 26.8.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 81, ll. 54 ff., hier ll. 64 f., 69, 73; Leiter G. A. Žukov an ZK, 14.11.1958, in: Davidson/ Mazov (Hg.), Rossija i Afrika 2, S. 161–165, hier S. 161 f. 1262 Wie Anm. 1259–1261. 1263 Vgl. Ponomarenko an Kulturministerium u. a., 27.1.1958, GARF, f. 9518, op 1, d. 422, ll. 166 ff.; SIB, Vorlage über Maßnahmen zur Verbesserung der Propaganda über sowjetische Wirtschaftshilfe nach Asien und Afrika, 13.4.1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 499, ll. 33 ff.; G. A. Žukov an ZK, 29.4./4.5.1959, RGANI, f. 5, op. 33, d. 94, ll. 190 ff.; Beschluss Ideologie-Kommission, 24.9.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 435, ll. 119 ff., mit vorbereitenden Materialien gem. Weisung Mikojan, 27.8.1959 ebd., d. 424, ll. 31 ff.; Sovetskij vostok pomogaet stroit’ Bchilai, in: Sovremennyj vostok (1960), Nr. 4, S. 9; S. Askol’dov, Primer; Kravčenkov, Reportaž; Indija prazdnuet, in: Ogonek (1964), Nr. 5, S. 4; Stal’ i družba, in: Ogonek (1960), Nr. 1, S. 3; Kassis,

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und indischen Völkern zu konstruieren.1264 Diese Verbindung würde aufgrund des neuen Gehalts der sowjetischen Ordnung und ihrer Menschen auf Dauer in einem qualitativ höherwertigen Verhältnis aufgehen: »[I]ch habe mich anfangs sehr gewundert«, verlieh ein sowjetischer Reisebericht 1964 diesem angenommenen Prozess Ausdruck, »dass niemand unter den Angestellten der kleinen Station Mohammad-abad-Bidar – weder ihr Leiter, noch der Polizist, noch der Träger – etwas über Afanasin Nikitin wusste. Aber jeder von ihnen, sogar der Träger, der ein Analphabet ist, hat von Bhilai gehört«.1265 In ihren konkreten Inhalten fächerte die sowjetische Information und Propaganda die genannten Themenfelder weit aus. Einzelhefte des SIB oder Materialien der Botschaft in Delhi behandelten zum Beispiel ausführlich den neuen Siebenjahresplan und seine Erfolge, das sowjetische Bildungssystem, Probleme der Landwirtschaft und der nationalen Frage mitsamt ihren sowjetischen Lösungen, die Freiheit der Person, das Schulwesen, Familien, Gesundheit, das sowjetische Staats- und Parteiensystem, Jugendfragen und Arbeitsbedingungen, das Pensionswesen, den Bau von Industriestädten in der UdSSR, Einzelfragen der Arbeitswelt, Resultate ausgewählter Wirtschaftszweige (u. a. Schwerindustrie), die Stellung der sowjetischen Frau in der Gesellschaft, den Islam in der UdSSR oder Entwicklungen zentralasiatischer Republiken. Dazu kamen ausführliche Abhandlungen über das neue Parteiprogramm sowie die Materialien des 22. Parteitags der KPdSU.1266 Im wissenschaftlichen Spektrum ging es um den Sputnik und das Weltall oder um die Beziehungen zwischen Wissenschaft und Volkswirtschaft.1267 Auf internationaler Ebene wurde die SEATO, der »jugoslawische Revisionismus«, die (vorübergehende) Einstellung von Atomwaffentests, Indiens »neutrale Politik«, die »wachsende brüderliche Freundschaft« zwischen den »großen Völkern« Indiens und der UdSSR, die »Vorteil[e] unserer sozialistischen Gesellschaft gegenüber einer kapitalistischen«, die »uneigennützige Hilfe der Sowjetunion für Indien bei der Industrialisierung des Landes«, die Družba; Fotoserie in Neue Zeit (1960), Nr. 2, Umschlag, sowie Interview mit dem Vorsitzenden von Hindustan Steel, Pande, ebd., Nr. 3, S. 15. Zum sowjetischen Film, »Bhilai Steel« vgl. sowjetische Botschaft Delhi an MEA, 30.3.1960, AVP, f. 172, op. 15, papka 30, d. 1, l. 252. 1264 Vgl. britische Botschaft Moskau an FO, 26.1.1956, NAK, FO 371/122799. 1265 Nasenko, V storone, S. 54. 1266 Vgl. Vermerk Ljubomudrova, 26.4.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 162, ll. 243 ff. 1267 Vgl. Informationsabteilung sowjetische Botschaft Delhi, Bericht über Tätigkeit SIB 1958, 18.4.1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 487, ll. 72 ff., hier l. 97; Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 511, ll. 1 ff.; Kaftanov an ZK, 1.12.1959, RGANI, f. 5, op. 33, d. 106, l. 172; VOKS, teilkommentierte »Bibliothek sowjetischer Literatur« für ISCUS-Filialen, englischsprachige Ausgaben, 1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 232, ll. 81 ff.

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Lumumba-Universität oder die »Unterstützung der Position Indiens in der Kashmir-Frage« aus sowjetischem Blickwinkel beleuchtet.1268 Die angebliche indische Begeisterung über sowjetische Politik und Aktivitäten herauszustellen gehörte nach wie vor zu dem Standardrepertoire der sowjetischen Propaganda.1269 Zu allen Zeiten visualisierten Besuchsprogramme für indische Delegationen jedweder Fachrichtung diese inhaltlichen Schwerpunkte. In ihrem Grundgehalt änderten sich die Exkursionsziele im Laufe der 1950er- und 1960er-Jahre nur wenig. Besucht wurden beispielsweise Sozialeinrichtungen eines Moskauer Unternehmens, die die soziale Grundausrichtung des sowjetischen Staats demonstrieren sollten. Das Leninmuseum und die Parade zum 1. Mai standen für die ideologischen Grundlagen einer geschlossenen und starken Gesellschaft, der Neubau der MGU, ein Atomkraftwerk, die Landwirtschaftsausstellung und biologische Forschungsinstitute für umfassend angelegten wissenschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt zum Wohl des Menschen. Theater, Kulturhäuser oder die Redaktion von Sovetskaja Kul’tura hatten die Blüte sowjetischer Kultur und das kulturelle Niveau der Bürger der UdSSR zu belegen. Die Besichtigung gerade russischer Kulturdenkmäler sowie revolutionärer Kultgegenstände (wie der Avrora) sprachen von der UdSSR als politische Avantgarde, die die nationale Größe Russlands bewahrte. Dieses Bravourstück war dem Moskauer System gegen alle Anschläge ideologischer Gegner gelungen, ergänzte eine Rundfahrt durch Stalingrad. Die UdSSR war zudem bereit, ihre Erfahrungen der Dritten Welt nutzbringend weiterzugeben, erfuhren Besucher der Lumumba-Universität. Außerhalb Moskaus und Leningrads wurden bei Aufenthalten in Kiev, Odessa, Jalta, Dužambe oder Taškent diese Grundthemen in nationalen Kostümen ausgeführt.1270 Parallel zu den offiziellen Veranstaltungen sollte auch das touristische Angebot der UdSSR auf die Vermittlung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Fortschritte und damit auf die »Popularisierung der Errungenschaften der UdSSR« ausgerichtet sein.1271

1268 Kaftanov an ZK, 11.1.1960, RGANI, f. 5, op. 33, d. 150, ll. 22–27. 1269 Vgl. exemplarisch Artikel für Strana Sovetov über Rede Benediktov bei Auftritt in Assam, 29.1.–4.2.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 238, ll. 291 ff. 1270 Vgl. Kotov an ZK, 11.6.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 449, ll. 55–64, hier ll. 62–64; Besuchsplan für Delegation, Oktober 1962, GARF, f. 9518, op. 1, d. 432, ll. 263 ff.; Bericht Titaev über Besuch Chagla, vom 17.–27.7.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1945, ll. 6 ff.; Gorsuch, All this is your world, S. 36–38; Sovetskoe zazerkal’e, S. 147–160. 1271 Statut Auslandsabteilung Inturist, bestätigt 19.1.1957, GARF, f. 9612, op. 1, d. 387, ll. 10 ff. Vgl. Leiter Inturist-Abteilung für Organisation und Methodik, Baranov, an Leitung Inturist, März 1964, GARF, f. 9612, op. 1, d. 557, ll. 1 ff.; Rüthers, Moskau, S. 238–244.

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Auch wenn die entsprechende Aktenlage für die 1960er-Jahre recht lückenhaft ist, ist anzunehmen, dass sich die Apparate bis dahin organisatorisch besser eingespielt hatten. Bis Ende der 1950er-Jahre litten die sowjetischen Bemühungen jedoch immer noch unter finanziellen Engpässen, technischen Problemen sowie einem Mangel an sprachkundigen Kadern.1272 So mussten sich in SIB-Vertretungen in Indien Mitarbeiter buchstäblich um einzelne Schreibplätze schlagen, obwohl die Ausweitung der hauseigenen Publikationen auf neue Sprachen und Regionen gelang.1273 In Moskau fehlte es nachweislich bis Ende der 1950er-Jahre an sprachlich qualifizierten Mitarbeitern für Rundfunk und Presse.1274 Zudem waren sowjetische Rundfunksendungen in Teilen Indiens nur schlecht zu empfangen und von ihren Sendezeiten nicht immer auf die Zielgruppen eingestellt.1275 Im Bereich der direkten Delegations- und Reisekontakte schränkten indische Schwierigkeiten bei Reisestandards und -organisation die Zahlen sowjetischer Besucher ein.1276 Auf sowjetischer Seite führten zentralisierte Reisekontrollen dazu, dass in sowjetischen Gruppen über Jahre hinweg oftmals entweder nur altbekannte Persönlichkeiten oder trocken-loyale Vertreter präsent waren.1277 Sowjetische Stellen wollten sogar vermeiden, dass private 1272 Vgl. beispielhaft stellv. Leiter Agitprop, Kovanov, und Leiter Sektor Zeitschriften, Bogoljubov, an ZK, 27.8.1955, RGANI, f. 5, op. 16, d. 719, ll. 205 f.; Chefredaktion Sovetskaja Literatura, Moiseenko-Velikaja, an ZK, 10.11.1955, RGANI, f. 5, op. 16, d. 739, ll. 98, 110 f.; Zverev an ZK, 12.10.1957, RGANI, f. 5, op. 33, d. 50, ll. 132 ff.; stellv. Leiter ZK-Abteilung für Propaganda und Agitation für die Unionsrepubliken, Romanov, und Rjurikov an ZK, 12.12.1956, RGANI, f. 5, op. 33, d. 20, ll. 46 f.; Chefredakteur Novoe Vremja, Leont’ev, an ZK, 16.4.1957, RGANI, f. 5, op. 33, d. 50, l. 61; Sh. Devi an sowjetisches Frauenkomitee, Bondarenko, 7.2.1958, GARF, f. 7928, op. 3, d. 102, l. 45; N. Michajlov an SovMin, 23.6.1958, RGAĖ, f. 4372, op. 57, d. 382, ll. 88–90. 1273 Vgl. Pozedeev an ZK, Šepilov, 10.3.1956, mit Stellungnahme Kovanov, und Sektorleiter Strepuchov, 21.4.1956, RGANI, f. 5, op. 16, d. 752, ll. 30–32. 1274 Vgl. Chefredakteur Sovetskij Sojuz, Gribačev, an ZK, 19.3.1956, mit Vermerk Konstantinov und Sektorleiter Fomičev, 31.3.1956, RGANI, f. 5, op. 16, d. 751, l. 107; ZK-Abteilung Verbindungen zu ausländischen KPs, Snastin/Vinogradov an ZK, 3.10.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 93–97, hier l. 96; Bol’šakov an ZK, 11.10.1956, RGANI, f. 5, op. 33, d. 20, l. 44. 1275 Vgl. Vermerk über Gespräch Kulturministerium, Hauptverwaltung Rundfunk, Redaktion Südostasien, mit Ghosh, 7.3.1956, RGANI, f. 5, op. 33, d. 10, ll. 26 ff. 1276 Vgl. Nehru an Secretary General, 24.11.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 118; Nehru an Dutt und Home Secretary, Pai, 26.11.1957, ebd., S. 329; Nehru an Transportminister Patil, 7.6.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 120. 1277 Vgl. Leiter Abt. Internationale Beziehungen Rundfunkkomitee, Sarkisov, an Radio Bombay, 6.10.1956, GARF, f. 6903, op. 2, d.209, l. 37; Panjuškin u. a. an ZK, 26.12.1957, RGANI, f. 5, op. 14, d. 18, ll. 23 ff.; Aufzeichnung Gespräch sowjetische Botschaft Delhi mit Assistent Leiter Abt. für Stipendien indisches Bildungsministerium, Narain, 8.3.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 6, ll. 106 ff.; Marinova, With friends, S. 130–132.

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Reisen zu »touristisch« wurden. Sie forderten von den indischen Gastgebern, dass sie Besuche von Industrieanlagen oder politische Diskussionsrunden mit indischen Persönlichkeiten in ihr Programm aufnahmen.1278 Die Reisenden selbst konnten allerdings in der Praxis eigene Akzente setzen und damit indische wie sowjetische Pläne durchkreuzen. Das GKKS protestierte im Juni 1959 förmlich, dass sowjetische Delegationen aller Art bei ihren Indienaufenthalten oft ausschließlich professionelle Interessen verfolgten und darüber die Propagandaarbeit vernachlässigten.1279 Dass jedoch auch eine bewusst politische Wahrnehmung des Gastlands ihre Tücken hatte, demonstrierte der missglückte Auftritt des gealterten Staatsoberhaupts Vorošilov, der, wie bereits beschrieben, die indischen Gastgeber mit ungnädigen Reaktionen auf deren kulturelle Schätze vor den Kopf stieß.1280 Rechenschaftsberichte aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur zeigen, dass andere sowjetische offizielle Gesandte mitunter ebenfalls Botschafter von zweifelhaftem Wert waren, da sie sich kaum von stalinistischen Denkmustern und Habitus lösen konnten. So blieben etwa sowjetische Gastwissenschaftler »in der Einkreisung [sic!] durch Professoren anderer Länder« und ohne gefühlte Rückendeckung von Seiten sowjetischer Behörden und Apparate im indischen Gesamtumfeld oftmals isoliert und wirkungslos.1281 Sowjetische Facharbeiter hatten zumindest in Teilen den Anspruch verinnerlicht, als sozialistische Entwicklungshelfer nicht nur Vorbild und Kollege, sondern auch Antreiber und Besserwisser zu sein. So galten sowjetische Vertreter am Bau bei ihren indischen Kollegen im Vergleich zu kapitalistischen Akteuren zwar als besonders »fleißig«, aber eben auch als »fanatischer« und »dominan-

1278 Vgl. Entwurf Verordnung Inturist für sowjetischen Tourismus, [1957], GARF, f. 9612, op. 1, d. 387, ll. 4 ff.; Serebrjakov, Bericht über Reisegruppe aus Uzbekistan, Dezember 1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 187 ff.; Kosjakina an SSOD Delhi, Serebjrakov, 15.3.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 90, ll. 28 ff. 1279 Vgl. Beschluss GKKS, 15.6.1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 486, ll. 1 ff.; Vermerk GKKS über »Mängel in der Vorbereitung sowjetischer Delegationen und Vertreter auf Auslandsreisen«, 4.4.1964, in: Silina (Hg.), V rabote, S. 98–103. 1280 Vgl. Kap. 4.1.1.; Aufzeichnung Gespräch Nehru mit Muchitdinov u. a., 18.3.1959, NMML, Subimal Dutt Papers, 21; Krašennikov, Džajpurskie rasskazy, S. 27 f. 1281 Bericht Prof. Dalmatov über einjährige Vorlesungstätigkeit an der Universität Rurki ab 15.2.1961, 7.5.1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1306, ll. 1 ff. Vgl. Bericht Lehrer indische Philologie, Muchamedžanov, über Praktikum an Universität Delhi vom 20.9.1961–14.8.1962, 5.10.1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1306, ll. 67 ff. Der Bericht des Dekans der Geografischen Fakultät MGU, Rjabcikov, 20.3.1962, über seinen viermonatigen Aufenthalt zeigt alternativ den Pomp eines Aufenthalts, der nahezu als Staatsbesuch behandelt wurde, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1306, ll. 20 ff.

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ter«.1282 Dies trug im Kampf um die Herzen Indiens nicht unbedingt zum Erfolg bei. SIB-Vertreter wiederum hielten selbst in vermeintlichen linken Hochburgen keine Verbindung zur indischen Presse, da es an institutionalisierten oder persönlichen Kontakten zu Journalisten fehlte.1283 Analog hierzu achtete die sowjetische Führung bei individuellen Verbindungen wie Brieffreundschaften oder privaten Reisen ganz generell darauf, dass derlei Kontakte nicht den Rahmen der kontrollierbaren, organisierten Freundschaft sprengten.1284 Ohnehin fällt gerade bei sowjetischen Aufenthalten in Indien die Dürre rein privater Begegnungen mit Indern und Inderinnen bzw. die häufige, einseitige Anhänglichkeit der Reisenden an (bekannte) linke Persönlichkeiten und Organisationen auf. So lassen sich für die sowjetischen Berater und Facharbeiter in Bhilai über Arbeitsbeziehungen und organisierte Treffen hinausgehende Kontakte weder in Akten noch in Erfahrungsberichten oder Erinnerungen greifen.1285 Selbst zahlreiche sowjetische Studierende in Delhi schlüpften, ob angesichts der indischen Bedingungen in Wohnheimen, auf Vorgabe der Universitäten oder aus Sparsamkeitsgründen, bei ihren Studienaufenthalten in der sowjetischen Botschaft unter.1286 Nimmt man den Bericht des Studenten Kaljagin für bare Münze, so war er während seines ganzen Auslandsjahrs darum bemüht, keinen persönlichen Kontakt zum indischen Umfeld zuzulassen. »Man soll keinerlei brüderliche Beziehungen zu Indern herstellen, besonders nicht mit Dienern [sic!]. Man muss im Blick haben, dass jeder Inder, der mit Ihnen enge

1282 Sperling, Die Rourkela-Deutschen, S. 84 f., 89. Vgl. Moorthy, The road, S. 88 f.; MVT, Hauptverwaltung Wirtschaftsbeziehungen mit den Ländern der Volksdemokratie sowie Ministerium für den Bau von Unternehmen der metallurgischen und chemischen Industrie, Beratungen über Statut für den sowjetischen Hauptingenieur sowie für Vertreter des Generallieferanten, 1955, RGAĖ, f. 8593, op. 2, d. 2138, ll. 7 ff. 1283 Vgl. Maevskij an Chefredaktion Pravda, Šepilov, 28.2.1956, RGANI, f. 5, op. 30, d. 161, ll. 53 ff. 1284 So bemängelten etwa indische Aktivisten 1958, dass sie für 1200 Inder, die an Brieffreundschaften interessiert waren, nur 500 Adressen erhalten hatten, vgl. Nationalrat ISCUS an Präsidium Soviet-Indian Cultural Society, 8.8.1958, GARF. f. 9576, op. 15, d. 8, ll. 24 ff. Vgl. Serebrjakov an stellv. Vors. SSOD, Zueva, 22.2.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 101 ff., hier ll. 114 f.; Material SSOD 1962/1963, GARF, f. 9576, op. 15, d. 206. 1285 Vgl. Mehta, Portrait, S. 292–297, 318 f.; Gorsuch, All this is your world, S. 20 f., 166 f.; Sperling, Soziale Probleme, S. 21 f.; Srinivasan, The history, S. 189 f., 195 f., 202–211; Park/Struempell, On the desecration. 1286 Vgl. Bericht Studierende Ulug-Zade und Klyčkova über Sprachausbildung an Universität Delhi von Oktober 1961 bis Februar 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 4 ff.; Bericht Ivanova, Studentin 5. Kurs Orientfakultät Leningrader Universität, für die Zeit von November 1962 bis November 1963, Delhi, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 65 ff.

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freundschaftliche Beziehungen herstellen will, ein Polizeiagent sein kann.«1287 Andere Berichte aus Studentenkreisen lassen den Verdacht aufkommen, dass die sowjetischen Studierenden einander beobachten sollten, auch, um ungewollte Privatbeziehungen einzudämmen. Zumindest für die Frühzeit erwies sich die Sprachbarriere als zusätzliches Problem.1288 Nach Moskauer Vorstellungen sollten sowjetische Menschen gar nicht erst als individuell und selbständig auftretende Botschafter ihres Landes agieren. Es lässt sich anhand der vorliegenden Akten und Literatur nicht feststellen, ob es individuelle Ausbruchsversuche gab.1289 Dazu kamen karge Mittel, die ganz allgemein die Konkurrenzfähigkeit gegenüber Gesandten aus den USA oder aus Westeuropa minderten.1290 So war Professor Karelin vor Ort mit dem Fahrrad zur Arbeit gekommen, während kapitalistische Kollegen auf Autos oder Rikschas zurückgriffen. »Nach indischem Verständnis und Brauch«, so Karelin, »entspricht der Gebrauch eines Fahrrads aber überhaupt nicht der Würde eines Professors.«1291 Ähnliche Erfahrungen machte ein Doktorand der MGU, den die indische Regierung gemeinsam mit anderen Studierenden aus aller Welt wegen herausragender Studienleistungen in indischen Sprachen zu einer Exkursion eingeladen hatte. Im Nachsatz zu 1287 Bericht Student Kaljagin über Aufenthalt von Juli 1961 bis August 1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1309, ll. 84 ff. Vgl. Bericht Studierende Golikova und Egorov über Aufenthalt in Delhi ab 25.8.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2361, ll. 13–18; Bericht Doktorandin Taškenter Universität, Šamatova, über Aufenthalt an Universität Hyderabad ab 24.8.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1944, ll. 21 ff.; Bericht Dozent Lehrstuhl für Internationale Finanzpolitik am Moskauer Institut für Internationale Beziehungen, Pjatnenkov, über Aufenthalt in Delhi ab 25.8.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2357, ll. 65 ff. 1288 Vgl. Portnov über Sprachpraktikum in Delhi ab 5.8.1963, 15.5.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1944, ll. 6 ff. 1289 Vgl. Kozlov an Kuznecov und Michajlov, 18.2.1960, GARF, f. 5446, op. 94, d. 445, l. 8; Bericht Mining & Allied Machinery Company, Durgapur, McKelvie, über sowjetisches Werk, 3.5.1966, NAK, DO 189/548; britischer Handelskommissar Delhi, Midgley, an Board of Trade, Doy, 7.2.1955, NAK, FO 371/116720. Zur Zusammenarbeit indischer Reisender mit CPI, ISCUS usw. vgl. Bericht Kajumova über Aufenthalt in Indien von Oktober 1962 bis März 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 15 ff.; Bericht Doktorandin Trubnikova, Asien-Institut Uzbekistan, für die Zeit von Oktober 1962 bis April 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 28 ff.; Bericht Žeričin über Aufenthalt am Technologieinstitut Kharagpur ab 20.10.1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2357, ll. 109 ff.; Tondera, Der sowjetische Tourismus, S. 56–60; Balina, A prescribed journey. 1290 Vgl. Bericht Dalmatov über einjährige Vorlesungstätigkeit an der Universität Rurki ab 15.2.1961, 7.5.1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1306, ll. 1 ff.; Bericht Dozent Tomsker Polytechnisches Institut, Anan’ev, über Aufenthalt an Universität Rurki, 19.5.1962–15.3.1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1633, ll. 97 ff. 1291 Bericht Dozent Leningrader Bergbauinstitut, Karelin, 23.6.1965, über Aufenthalt an Technologie-Institut Kharagpur ab Januar 1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2357, ll. 162 ff.

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seinem politisch korrekten Reisebericht machte der Jungakademiker darauf aufmerksam, dass er als einziger Teilnehmer von zu Hause kein Taschengeld für private Ausgaben erhalten hatte.1292 Das Moskauer Puppentheater sah sich auf seiner Tournee immer wieder peinlichen Situationen ausgesetzt, wenn Mitglieder des Ensembles wegen fehlenden Kleingelds Gepäckträgern und anderen Angehörigen der Arbeiterklasse nicht die erwünschten – und benötigten – Trinkgelder in die Hand drücken konnten.1293 Auf der anderen Seite misstraute die indische Regierung weiterhin zu vielen und zu agilen sowjetischen Vertretern und Propagandisten im Land. Daher versuchten Delhi oder halbamtliche Stellen beispielsweise, die Zahl der Repräsentanzen von Sovėksportfil’m und SIB einzugrenzen, ließen sowjetische Tourismusgruppen zumindest anfangs von indischen Offiziellen begleiten sowie den direkten Kontakt sowjetischer Stipendiaten mit indischen Studierenden erschweren.1294 Bis in die 1960er-Jahre hinein verwiesen sowjetische Stellen ganz allgemein auf den Gegendruck ›reaktionärer‹ Kräfte in Indien und kapitalistischer Apparate aus dem Ausland, um ausbleibende oder zögerliche Erfolge sowjetischer Propagandamaßnahmen zu erklären. Hierunter fiel auch die Tätigkeit von nicht-indischen wie indischen, unabhängigen Korrespondenten, die über die UdSSR berichteten.1295Tatsächlich musste das anhaltende Übergewicht kapitalistischer oder prokapitalistischer Agenturen und Vertriebe die Wirkung sowjetischer Erzeugnisse negativ beeinflussen, selbst wenn diese oftmals mit Niedrigpreisen punkten konnten.1296 So 1292 Vgl. Bericht Doktorand Morozov über Reise, 25.1.–25.2.1959, GARF, f. 9396, op. 19, d. 55, ll. 29 ff. 1293 Vgl. Bericht Obrazcov, o. D., über die Tournee Februar/März 1959, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 108; Obrazcov, Po stupen’kam, S. 253 f. 1294 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Krjukov mit Joint Secretary Jha, 22.5.1956, AVP, f. 90, op. 18 papka 18, d. 8, ll. 197 ff.; Nehru an Foreign Secretary, 13.4. und 27.11.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 307 f. sowie Vol. 40, S. 330 f.; Snastin/Vinogradov an ZK, 3.10.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 93–97, hier 97; N. Michajlov an ZK, 1.2.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 43, ll. 163–169, hier l. 166; Nehru an Foreign Secretary, 29.9.1956, SWJN 2, Vol. 35, S. 525–527; Bericht Sarymsakovaja über Sprachpraktikum an Universität Delhi ab September 1961, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1309, ll. 72 ff.; Bericht Kajumova über Aufenthalt in Indien von Oktober 1962 bis März 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 15 ff. 1295 Vgl. Vermerk VOKS über Arbeit mit Megani, 13.8.–6.9.1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 228, ll. 27 ff.; Aufzeichnung Gespräch Dolja mit Ratnam, 27.10.1956, AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 7, ll. 69 f.; Vinogradov an ZK, 13.10.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, l. 164. 1296 Zur langen Prädominanz gerade von Reuters vgl. Nehru an Minister für Information und Rundfunk, Keskar, 5. und 7.3.1959, SWJN 2, Vol. 47, S. 277 f. Vgl. allg. Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1956, 16.2.1957, GARF, f. 8581, op. 2, d. 445, ll. 10 ff.; stellv. Chefredakteur Strana Sovetov an Leitung SIB, Jakovlev, 22.8.1957, GARF, f. 8581, op. 2, d. 445, ll. 166 ff.; Vermerk

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ließ der Nachdruck sowjetischer Materialien in der indischen Presse im gesamten Untersuchungszeitraum sehr zu wünschen übrig. Er fand vor allem in linken Blättern mit geringer Auflage statt, die maximal regionale Wirkung erzielen konnten.1297 Insgesamt lag die UdSSR-Propaganda im direkten Vergleich zur amerikanischen Konkurrenz, zumindest was die Zahl ihrer Produkte und festen Konsumenten anbelangte, immer im Hintertreffen.1298 Im Ganzen stieg die reine Zahl von sowjetischen Propagandaauftritten und -produkten aller Art von dem niedrigen Niveau 1955 aus an, blieb aber beschränkt. Der Reiseverkehr indischer amtlicher und nicht-regierungsamtlicher Delegationen nahm in den 1950er-Jahren merklich zu. Eindeutige Zahlen lassen sich nicht eruieren, aber ein »Inder in Moskau« war nun nicht mehr »so selten wie ein Eskimo«.1299 Die Besucherzahlen für sowjetische Veranstaltungen aller Art in Indien blieben begrenzt. 1955/1956 zählten sowjetische Vertreter auf ihren Filmabenden in Delhi nicht mehr als 200 Zuschauer.1300 Die SSOD errechnete für 1962 bei rund 2020 Veranstaltungen in 340 Städten 1,63 Millionen indische Gäste, für 1963 bei rund 100 Vorträgen durchschnittlich 150 Zuhörer. Zur Tätigkeit des Kulturhauses in Delhi liegen für 1963 folgende Größenordnungen vor: Insgesamt 5200 Inder und Inderinnen besuchten rund 60 Vorträge, Filmvorführungen der Einrichtung fanden ein Publikum von etwa 30.000 Menschen. Insgesamt schauten sich in diesem Zeitraum rund über Gespräch Bunker mit Vertretern International Cooperation Administration, 15.6.1959, FRUS 1958–1960 XV, S. 497 f.; Gafurov an ZK, 22.4.1958, RGANI, f. 5, op. 35, d. 78, ll. 10 f.; Šelepin an ZK, 12.4.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 11–37, hier l. 35; Efimov, Tätigkeitsbericht SIB für 1957, 4.2.1958, GARF, f. 8581, op. 2, d. 461, ll. 1 ff.; Gafurov an ZK, 14.5.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 237, ll. 48 ff.; Vermerk sowjetische Botschaft Delhi über Tätigkeit USIS in Indien, 24.7.1958, GARF, f. 8581, op. 2, d. 461, ll. 73–82; Lichačev an GKKS, Žukov, und SIB, Poryvaev, 8.12.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 511, ll. 98 ff.; Vermerk sowjetischer Botschaftsattaché Delhi, Smirnov, 20.1.1962, GARf, f. 9518, op. 1, d. 431, ll. 69 ff.; Vermerk sowjetische Botschaft Delhi über Ford Foundation, Herbst 1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 11, ll. 37 ff.; Benediktov an MID-Abt. SOA, 29.12.1963, GARF, f. 9518, op. 1, d. 438, ll. 3 ff.; Aufstellung VOKS über »Propagandaeinrichtungen der US und Großbritanniens«, Anfang 1957, GARF, f. 5283, op. 19, d. 22, ll. 60 ff.; Pullin, Money. 1297 Vgl. SIB-Leiter, Poryvaev, an SIB Delhi, 22.6.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 511, ll. 73 ff.; Rechenschaftsberichte über Abdrucke Materialien APN, Januar bis November 1963, GARF, f. 9587, op. 2, d. 128. 1298 Vgl. neben den vorhergegangenen Anm. beispielhaft für die Filmbranche Rodionov an ZK, 21.9.1965, RGANI, f. 5, op. 36, d. 154, ll. 127–130. 1299 Politischer Jahresbericht indische Botschaft Delhi, 5.1.1961, NMML, K. P. S. Menon Papers, 5, hier S. 34. 1300 Vgl. N. Michajlov an ZK, o. D. [Dezember 1955], RGALI, f. 2329, op. 9, d. 34, ll. 1–10; Šelepin an ZK, 12.4.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 11–37, hier ll. 20, 25.

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zwei Millionen Einheimische sowjetische Filme an.1301 Veranstaltungen einer Freundschaftswoche in Orissa wurden 1964 von 500 bis, in Ausnahmefällen, 6000 Personen besucht.1302 Höhere Resonanz konnten einzelne, hochrangige Vertreter des sowjetischen Staats erzielen. Neben den Volksaufläufen aus Anlass der höchsten Staatsvisiten lockte der Besuch des Weltraumbezwingers Gagarin die indische Bevölkerung. Nach Schätzungen des SSOD drängte sich in Bombay im Dezember 1961 rund eine halbe Million Menschen auf der Straße, um den Kosmonauten zu sehen.1303 Dagegen reichte es der sowjetischen Botschaft Anfang 1960 für Begleitkampagnen zum Besuch der Vorošilov-Delegation aus, wenn sie von Vorošilov, Furceva und Kozlov ein paar Dutzend signierte Fotografien erhielt, um diese an die Bevölkerung zu verteilen.1304 Gedruckte sowjetische Materialien hatten es in Indien schwer. In der Bibliothek des Kulturhauses waren 57 Mitglieder registriert. Sie zählte an Werktagen knapp unter 30, samstags 40 bis 50 Nutzer. Bis 1965 gelang es der Einrichtung, die Zahlen in geringem Umfang zu steigern.1305 »90 Prozent unserer Bulletins und Zeitschriften werden nicht gelesen«, resümierten Pravda-Vertreter 1956.1306 Auch wenn den SIB zu dieser Zeit Tausende Zuschriften in diversen indischen Sprachen erreichten, so handelte es sich hier doch weiter nur um Angehörige bessergestellter Schichten, um Angestellte, Studenten und 1301 Vgl. Kurzbericht über Organisation, Eröffnung und Tätigkeit »Haus der Kultur«, März bis April 1961, o. D., GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 278–286; Bericht über Tätigkeit Kulturhaus im Januar 1963, GARF, f. 9576, op. 15, d. 203, ll. 14–16; Vermerk Serebrjakov, 25.7.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 127, ll. 97 ff.; Vermerk Ljubomudrova, über Tätigkeit 1962, 2.12.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 164, ll. 98 ff.; Abos gem. GARF, f. 9576, op. 15, d. 164, ll. 1 ff.; Generalkonsulat Madras, Bericht über 6. Nationalkonferenz ISCUS, 12.6.1963, GARF, f. 9576, op. 15, d. 204, ll. 88–92, hier l. 91; Bericht Fajziev und Kirienko über sowjetisches Filmfestival Indien, 1964, RGALI, f. 2944, op. 13, d. 203; SSOD Delhi, »Effektivität« des Kulturhauses, 14.5.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 241, ll. 102–112; Vermerk SSOD Delhi, [1963], GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 52–57. 1302 Vgl. Bericht Generalkonsulat Calcutta über Freundschaftswoche u. a. Veranstaltungen in Orissa, 26.4.–5.5.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 241, ll. 21–41; Bericht Generalkonsulat Calcutta, Jurlova, 16.2.1965, GARF, f. 7928, op. 3, d. 1448, ll. 97–100; Pudovkin, Vstreči, S. 277 f. 1303 Vgl. Vermerk Jakunin, 27.1.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 162, ll. 36 ff.; Desh Bhagat Yadgar Committee, Jullundur, an VOKS, Kosjakina, 21.2.1958, GARF, f. 9576, op. 15, d. 9, l. 166; Kosjakina an sowjetische Botschaft Delhi, 14.2.1959, GARF, f. 9576, op. 15, d. 40, ll. 31 f. 1304 Vgl. sowjetischer Botschaftsrat Delhi, Efimov, an stellv. Leiter Kanzlei Präsidium Oberster Sowjet, Vysotin, 11.3.1960, GARF, f. 7523, op. 78, d. 172, l. 30. 1305 Vgl. SSOD Delhi, Tätigkeit des Kulturhauses Januar bis Februar 1965, 12.4.1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 286, ll. 437–444. 1306 Vgl. Vermerk Pravda, Orestov/Skalkin, 23.4.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 73 ff., hier l. 83.

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Schüler.1307 Selbst CPI-Granden nahmen die Zeitschriften des SIB keineswegs regelmäßig zur Kenntnis.1308 Die ständig steigenden Auflagen der Propagandaund Informationsblätter sowie die sprachliche Ausfächerung können insgesamt nur wenig über die tatsächliche Lektüre in Indien aussagen. Soviet Land ging 1960 eigenen Aufstellungen zufolge an 65.000 institutionelle und individuelle Abonnenten. Andere Broschüren versandte der SIB in einer Auflage von rund 80.000 Exemplaren an Bibliotheken, Zeitungen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Dass der SIB indes nur rund 3000 Exemplare seiner Zeitschrift in den Verkauf gab, deutet darauf hin, dass ihre Attraktivität geringer war, als die Auflage vermuten lässt.1309 1960 erkannten Moskauer Stellen, dass nur 40 Prozent der indischen Abonnennten der Hauptzeitschrift Strana Sovetov über längere Zeiträume die Treue hielten.1310 Schließlich genügte beispielsweise die Qualität der Produkte von Meždunarodnaja Kniga nach Ansicht des MVT noch 1960 nicht, um gegen die amerikanische Konkurrenz in Indien bestehen zu können.1311 Die indische prosowjetische Presse schließlich erreichte (um 1960) nur einen verschwindend geringen Anteil an der Gesamtauflage indischer Printmedien.1312 Der sowjetische Rundfunk konnte in den 1950er-Jahren ebenfalls kaum große Massen ansprechen. Erhebungen des Rundfunkkomitees notierten für

1307 Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1956, 16.2.1957, GARF, f. 8581, op. 2, d. 445, ll. 10 ff.; Zusammenstellungen Staatskomitee für Rundfunk und Fernsehen, 1962, GARF, f. 6903, op. 10, d. 32, ll. 1 ff., 56 ff., 61, 80 ff. 1308 Vgl. Vermerk über Gespräch Poryvaev mit Namboodiripad am 24.11.1960, 28.12.1960, RGANI, f. 5, op. 33, d. 153, ll. 144–146, hier l. 144. 1309 Vgl. Vermerk Sakovič, 10.11.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 511, ll. 87 ff.; Sager, Moskaus Hand, S. 49–53; Tab. 6 a.–c. 1310 Vgl. Lichačev an GKKS, Žukov, und SIB, Poryvaev, 8.4.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 511, ll. 101 f.; Vorlage SIB für Sitzung GKKS, 11.4.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 510, ll. 37 ff.; Benediktov an ZK, o. D., RGANI, f. 5, op. 55, d. 54, ll. 197 ff. 1311 Vgl. Borisov an ZK, 30.11.1960, RGANI, f. 5, op. 33, d. 160, ll. 89–100. 1312 US-Quellen sahen Anfang der 1960er-Jahre bei einem Markt von über 100 Tages- und Wochenblättern mit einer Auflage von ca. 500.000 rund 49 kommunistische oder prokommunistische Zeitungen mit einer Maximalauflage von 17.000 Exemplaren als relevant an, Soviet Communist Propaganda Assets and activities in India, NARA, RG 59, Bureau of European Affairs, Office of Soviet Union Affairs, Subject Files, 1957–1963, Box 8, 31.9.1. India. Vgl. ferner CRO, Material über Konferenz Canberra über Gegenmaßnahmen in Propaganda und Kultur gegen ›Iron Curtain Countries‹, 1.6.1960, NAK, DO 191/67. Überregional von Bedeutung waren demnach nur das Parteiblatt New Age, die linke Zeitschrift Blitz und die bengalisch-sprachige Swadhinata.

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1959 ganze 586 Zuschriften aus Indien, 1960 728 und 1963 1247.1313 Gemäß indischen Stichproben, die in Städten erhoben wurden, hörten noch 1963/1964 drei Viertel der indischen Rundfunkhörer »nie« Radio Moskau, drei Prozent »gelegentlich«. Auf dem Land schaltete gerade einmal ein Prozent von Zeit zu Zeit diesen Sender ein, obwohl mittlerweile täglich mehrere Stunden in fünf Sprachen gesendet wurde.1314 Schließlich gelangten auch über die Filialen der ISCUS 1959 nur einige Hunderte Bitten um Informationsmaterialien in die UdSSR.1315 Die Organisation selbst erreichte in den 1960er-Jahren nach wie vor kaum die Massen.1316 Die SSOD musste sich im Sommer 1963 aus Poona sagen lassen, dass man erst kürzlich von ihrer Existenz erfahren habe.1317 Schlimmer noch: 1961/62 hatten Umfragen zufolge 31 Prozent der Landbevölkerung überhaupt »noch nie etwas über das Land [Sowjetunion] gehört«. Selbst unter den Städtern belief sich der entsprechende Anteil auf 16,6 Prozent.1318 Die Resonanz auf russische Sprachkurse der ISCUS unterstrich, dass sich zwar Personen aus verschiedenen Schichten näher mit der UdSSR befassen wollten, sie jedoch nur eine kleine Minderheit im Land darstellten.1319 Auch wenn die sowjetischen Apparate trotz all dieser geschilderten Unzulänglichkeiten bis Mitte der 1960er-Jahre ihre Präsenz ausbauten: Formate und Inhalte und demgemäß die Reichweite der sowjetischen Propaganda ließen zu

1313 Vgl. Aufstellung über Zuschriften aus dem Ausland, 1956–1961, GARF, f. 6903, op. 10, d. 26, ll. 30 ff.; Tätigkeitsbericht Abteilung für Leserbriefe für 1959, GARF, f. 6903, op. 10, d. 21; Staatskomitee für Rundfunk und Fernsehen, Aufstellung über Hörerzuschriften, 1962–1963, GARF, f. 6903, op. 10, d. 43, ll. 1 ff. Leicht abweichende Zahlen in GARF, f. 6903, op. 10, d. 26 und 57. 1314 Monthly public opinion surveys 9 (1963/64), Nr. 108, S. 36 sowie 10 (1964/65), Nr. 119, S. 23. Vgl. Aufstellung sowjetischer Rundfunksendungen nach Südostasien, 1959/60, RGANI, f. 5, op. 33, d. 150, ll. 74 ff. 1315 Vgl. uzbekische Abt. der Gesellschaft für Sowjetisch-Indische Kulturbeziehungen (OSIK), Trubnikov, 18.2.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 86, ll. 122 ff. 1316 Vgl. Serebrjakov über Dienstreise Oberreferent SSOD nach Assam und Calcutta vom 8.– 12.2.1960, 22.2.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 87, ll. 35–42; Perspektivplan SSOD für Indien 1960, 29.1.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 87, ll. 99–111; Rakov, Bericht über Reise nach Ahmdedabad, 25.4.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1462, ll. 15–21. 1317 Vgl. O. A. J. Mascarenhas an SSOD, 8.6.1963, GARF, f. 9576, op. 15, d. 207, l. 35. 1318 Monthly public opinion surveys 7 (1961/62), Nr. 5–6, S. 34 f. sowie 8 (1962/63), Nr. 94, S. 15. 1319 Vgl. Rechenschaftsbericht über Dienstreise Komarov nach Calcutta, 14.–26.6. und 2.– 16.7.1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 89, ll. 151–168, hier l. 153; Serebrjakov an stellv. Vors. SSOD, Zueva, 22.2.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 101 ff.; Vermerk sowjetisches Generalkonsulat Madras, 12.6.1963, GARF, f. 9576, op. 15, d. 204, ll. 88–92, hier l. 88.

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wünschen übrig.1320 Das SIB, so kritische Parteibeobachter bereits im August 1956, sei »ständig zu spät, ungeschickt, steif und zu wenig konkret, es reagiert schlecht und nicht rechtzeitig auf die Ausfälle der bourgeoisen Presse.«1321 Insgesamt verdankte sich derlei Kritik immer auch dem Umstand, dass sich die sowjetischen Aktivitäten in einem Feld bewegten, in dem Ansprüche politisch-ideologischer Kontrolle und Anleitung mit Forderungen des indischen Markts und indischen Publikumserwartungen hinsichtlich Flexibilität, Gehalt und Qualität kollidierten. Im April 1956 beklagte sich etwa die Redaktion von Novoe Vremja, dass die Zensur, die das MID ausübte, mit Aktualität und Informationswert der Zeitschrift unvereinbar sei.1322 Inhaltliche Freiheiten sowjetischer Vertreter vor Ort, die zügig auf die Stimmungen und Themen im Gastland hätten reagieren können, blieben für die Moskauer Zentralen immer Anathema.1323 So konnten oder wollten sich die sowjetischen Apparate nur in Grenzen bemühen, auf Geschmack und Interessen des indischen Publikums einzugehen. »Das Leben der sowjetischen Menschen ist so vielfältig und romantisch, dass der Leser recht hat, der von unseren Materialien eine schöne und unterhaltsame Erzählung über die sowjetische Realität erwartet«, versuchte das SIB 1959, ideologische Prinzipientreue und Marktorientierung zu verbinden.1324 In dieser Behörde hatte sich übrigens 1955/1956 im bereits erwähnten Kompetenzen- und Richtungsstreit der Neuerer Kolokolov zumindest ansatzweise 1320 Vgl. Romanovskij an ZK, Tätigkeitsbericht GKKS für 1963, 24.3.1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 55, ll. 148 ff., hier ll. 156 ff.; Vors. Staatskomitee für Filmwesen, Romanov, u. a. an ZK, 24.7.1965 (Eingang), RGANI, f. 5, op. 36, d. 154, ll. 52–59; Vermerk Staatskomitee für Presse an ZK, 15.1.1966, in: Apparat CK KPSS i kul’tura 1965–1972, Tomilina u. a. (Hg.), S. 150 ff.; SSOD Delhi, Tätigkeit des Kulturhauses Januar bis Februar 1965, 12.4.1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 286, ll. 437–444; Vermerk Leiter Organisationsabteilung SSOD, Sorokin, [Juli] 1964, RGANI, f. 5, op. 55, d. 83, ll. 140–143; Generalkonsulat Bombay, Lobačev, an Kulturministerium, 21.10.1965, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 882, l. 60; Bericht Muchin über Aufenthalt in Indien 18.1.–14.4.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2357, ll. 83 ff.; Jahresbericht MEA für 1965–1966, NAI, Q/GA/551/90/66. 1321 Kommission Rayonkomitee Moskau zur Parteiarbeit im SIB, 28.8.1956 an ZK, RGANI, f. 5, op. 33, d. 10, ll. 73 ff. 1322 Vgl. Leont’ev an ZK, Šepilov, 27.4.1956, RGANI, f. 5, op. 30, d. 184, ll. 19 ff.; Leont’ev an Suslov, 29.9.1955, RGANI, f. 5, op. 16, d. 739, ll. 13 f.; Beschluss ZK, 20.11.1958, RGANI, f. 11, op. 1, d. 427, l. 89; Čakovskij an ZK, 18.12.1963, RGANI, f. 5, op. 55, d. 22, l. 37. 1323 Vgl. Redakteur Strana Sovetov, Ušrenko, an Pozdeev, 3.3.1956, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 79 ff.; Stellungnahme Poryvaev zu Jahresbericht SIB Bombay für 1960, 10.4.1961, GARF, f. 8581, op. 2, d. 541, ll. 117 ff.; Beschluss Präsidium AN Nr. 56–04, 2.3.1956, RGANI, f. 5, op. 40, d. 121, ll. 5 f. 1324 Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 511, ll. 1 ff. Vgl. Černyšev an ZK, 4.5.1959, RGANI, f. 5, op. 33, d. 106, ll. 57–71, hier l. 57; Borisov an ZK, 27.7.1959, RGANI, f. 5, op. 36, d. 101, ll. 23 ff.

Kulturelle Interaktion, Kulturdiplomatie und Propaganda

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mit der Idee durchgesetzt, in der Ausfertigung sowjetischer Produktionen indische Leserwünsche stärker zu berücksichtigen. Auf der Basis von Umfragen und Leserbriefen mühte man sich nun um eine »lebhaftere«, abwechslungsreichere Aufbereitung der Zeitschriften, bei denen neben einer aktualisierten Berichterstattung unter anderem leserfreundliche Einführungen in die russische Sprache die Wirkung erhöhen sollten.1325 Die Anpassung sowjetischer Medien an indische Vorstellungen blieb ein langwieriger Prozess. Noch 1957 ödeten sowjetische Zeitschriften indische Leser und Leserinnen mit wörtlichen Übersetzungen von Artikeln an, die ursprünglich für die Bevölkerung der UdSSR konzipiert und formuliert worden waren.1326 Das indische Publikum suchte zwar in den sowjetischen Darstellungen durchaus Fakten und Informationen, doch eben unter der Prämisse, »was für uns nützlich ist«.1327 Unter den Themen, die in Indien wirklich interessierten, stachen Fragen zu konkreten Lebens- und Arbeitsbedingungen in der UdSSR und insbesondere in Zentralasien hervor.1328 Zuschriften indischer Hörer, die das Staatskomitee für Rundfunk und Fernsehen für 1963 zusammenstellte, gewähren exemplarisch Einblick in indische Wissensstände und Fragen. Die Briefschreiber erkundigten sich unter anderem nach dem Geburtsdatum Lenins, nach dem Erfinder des Elektrorechners, nach Standorten sowjetischer Kinos und der Zahl neuer Filme, nach der Existenz von Puškin-Museen, den Aufgaben der Mittelschulen, der Stellung von Frauen in Gerichten, nach der sozialen Versorgung, der Presse, dem Post- und Telegrafenwesen, nach der Versorgung von Invaliden und Betagten in der UdSSR, aber auch nach dem Verlauf der Oktoberrevolution. Sie wollten ebenso Informationen über Staatsfeiertage der UdSSR wie über wissenschaftliche Einrichtungen, 1325 Vgl. Efimov, Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1955, 16.1.1956, GARF, f. 8581, op. 2, d. 428; Tätigkeitsbericht SIB Indien für 1956, 16.2.1957, GARF, f. 8581, op. 2, d. 445, ll. 10 ff.; Mošenskij an ZK-Abteilung Propaganda, 10.1.1956, GARF, f. 8581, op. 2, d. 428, ll. 1–4; Aufzeichnung Redaktion Sovetskij Sojuz, Juni 1956, RGANI, f. 5, op. 33, d. 20, ll. 29 ff.; stellv. Chefredakteur Strana Sovetov, Michajlov, an Leiter SIB, 22.8.1957, GARF, f. 8581, op. 2, d. 445, ll. 166 ff. 1326 Vgl. Vermerk über Gespräch Glebskij mit Korrespondent New Age, [April/Mai 1957], AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 8, ll. 63 ff.; Gafurov an ZK, 14.5.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 237, ll. 48 ff.; N. Michajlov an ZK, 20.5.1957, RGANI, f. 5, op. 36, d. 82, ll. 45–49; G. A. Žukov an ZK, 28.9. und 22.10.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 191, ll. 67 ff. sowie op. 33, d. 33, ll. 92 ff. 1327 Vermerk VOKS über Arbeit mit Megani, 13.8.–6.9.1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 228, ll. 27 ff. 1328 Vgl. All India Radio an Staatskomitee für Rundfunk, 16.1.1956, GARF, f. 6903, op. 2, d. 209, l. 2; Vermerk über ISCUS Bombay, [nach] 11.1.1957, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 801, l. 44; Dobrosel’skaja an ZK, 3.4.1957, RGANI, f. 5, op. 28, d. 503, ll. 130–139; Sher M. M. Beludzhi an SIB, 6.11.1957, GARF, f. 8581, op. 1, d. 998, ll. 216 f.; Sh. Devi an sowjetisches Frauenkomitee, Bondarenko, 7.2.1958, GARF, f. 7928, op. 3, d. 102, l. 45; Vermerk Staatskomitee für Rundfunk und Fernsehen über Leserzuschriften, Januar bis Mai 1962, GARF, f. 6903, op. 10, d. 26, ll. 11 ff.

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die Atomforschung und über die Wahlen zum Obersten Sowjet. Andere waren an dem Stand der Augenheilkunde und dem Einsatz sowjetischer Spezialisten in Bhilai interessierte, wiederum andere erkundigten sich nach populären Sportarten, der Olympiavorbereitung sowjetischer Athleten, der Feriendauer in der UdSSR, oder sie suchten Berichte über darstellende Kunst, das Radio, Landwirtschaft, über populäre Autoren, über Verščagin und andere Künstler sowie über das Lohnniveau sowjetischer Arbeiter. Verschiedene Leser wünschten Angaben über Philatelie und weitere Hobbys der sowjetischen Bevölkerung oder eine eigene Sendung zur Geschichte der UdSSR, »beginnend vom Steinzeitalter bis zu unserer Zeit«.1329 Das Interesse war in der Gesamtheit bestenfalls oberflächlich politisch respektive prosowjetisch motiviert. Eine kleinere Gruppe in diesem Sample ließ schließlich mit Fragen nach der individuellen Freiheit kritische Distanz zur UdSSR erkennen. Im Ganzen verlangten die Konsumenten auf dem Subkontinent eine sowjetische Fähigkeit zur Selbstkritik und Anpassungsbereitschaft an indische Erwartungen, die die in Moskau gewollten Propagandabilder und Selbstdarstellungen nicht bieten konnten.1330 1958 belehrten sogar CPI-Funktionäre das GKKS, dass Soviet Land kaum für eine intelligente Leserschaft und darüber hinaus mit Modetipps oder ähnlichen Rubriken kaum für das aktuelle Indien überhaupt tauge.1331 Der Verlagschef der Times of India, der zugleich die Druckerei für Soviet Land bereitstellte, traf 1960 die Stimmung zahlreicher Konsumenten, als er den sowjetischen Propagandisten zu einem Mehr an relevanten Fakten und 1329 Siraj F. Lakdavala an Staatskomitee für Rundfunk und Fernsehen, [1963], GARF, f. 6903, op. 10, d. 52, ll. 21 f. Vgl. Zusammenstellungen von Fragen ausländischer Hörer von Februar bis Dezember 1963, GARF, f. 6903, op. 10, d. 42, ll. 1 ff., 7 ff., 12 ff., 18 ff., 24 ff., 36 ff., 43 ff., 65 ff.; Aufstellungen ab 1962 in GARF, f. 6903, op. 10, d. 31, ll. 1 ff., 5 ff., 13 ff.; Information Generalkonsulat Calcutta über Propaganda in Assam, 3.–11.4.1965, 22.4.1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 286; Zuschriften vor Moskauer Jugendfestival, Juni–Juli 1957, RGASPI, f. M-3, op. 15, d. 88–89. 1330 Vgl. Vermerk VOKS über Arbeit mit Megani, 13.8.–6.9.1955, GARF, f. 5283, op. 19, d. 228, ll. 27 ff.; Čakovskij an ZK, 6.1.1958, RGANI, f. 5, op. 36, d. 41, ll. 1–34, hier l. 31.; Vermerk über Gespräch erster Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Petrov, mit Joint Secretary Greval, 13.9.1957, AVP, f. 90, op. 19, papka 22, d. 9, ll. 62 ff.; Vermerk über Gespräch Kulturministerium, Hauptverwaltung Rundfunk, Redaktion Südostasien, mit A. Ghosh, 7.3.1956, RGANI, f. 5, op. 33, d. 10, ll. 26 ff.; Direktor Verlag für Ausländische Literatur, Metelkin, an ZK, Šepilov, 3.4.1956, RGANI, f. 5, op. 33, d. 14, l. 1 ff.; Aufzeichnung über Gespräch Seleznev mit Professor Singh, 2.3.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 6, ll. 109 ff.; Dutt an Komitee sowjetischer Frauen, 13.11.1957, GARF, f. 7936, d. 28, op. 3, d. 102, l. 5: Dutt war 1956/1957 mit einer Frauendelegation in der UdSSR und bestellte mit dem Schreiben Sovetskaja Žeščina ab. 1331 Vgl. Aufzeichnung Gespräch G. A. Žukov mit Dange, 28.10.1958, GARF, f. 8581, op. 2, d. 461, ll. 100 ff.

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zu weniger Propaganda riet: »Seiner Ansicht nach«, so die sowjetische Zusammenfassung der Ausführungen, »wird zu viel über die Vorteile der sozialistischen Ordnung gesprochen. Bei einer Reihe von Fragen, wie zum Beispiel der Eroberung des Kosmos, sind die Erfolge der UdSSR so offensichtlich, dass man nicht unterstreichen muss, inwiefern der wissenschaftlich-technische Fortschritt der UdSSR das Ergebnis welcher sozialen Umwälzungen ist.«1332 Ähnlich beschwerte sich 1963 Leser Bansal aus Patiala über eine sowjetische Darstellung von Gagarins Leben, in der der »viel zu große Anteil des Kommunismus« den Lesefluss störe.1333 Derlei Kritik war nicht mit dem grundsätzlichen Selbstverständnis der sowjetischen Propagandaapparate zu vereinbaren. Die Aufgabe etwa von Soviet Land bestand aus sowjetischer Sicht eben darin, »den indischen Leser vielfältig und tiefgründig mit dem Leben der UdSSR bekanntzumachen«, und da sei es »vollkommen selbstverständlich, dass man […] dem Leser erklärt, dass die Ursachen der Erfolge in unserer sozialistischen Ordnung wurzeln.«1334 Im Kern beharrten Kontrolleure und Leitung der Propaganda auf den schweren Geschützen der globalen Mission und des bilateralen Trommelfeuers. Bis Mitte der 1960er-Jahre wurde der Graben zwischen offensiver Propaganda und flexibler Publikumsorientierung nicht überwunden.1335 Die Widersprüche blieben auch im Bereich von individuellen und Delegationskontakten bestehen. Vertreter des indischen Jugendkongresses sahen sich auf ihrer Reise durch den betont herzlichen Empfang bei Chruščev schlicht instrumentalisiert. Andere indische Reisende stießen sich gleichfalls an der sowjetischen Vereinnahmung der Begegnungen im Namen der angeblichen Völkerfreundschaft.1336 Er wisse, schrieb Anand desillusioniert seinen Partnern, dass

1332 Aufzeichnung Gespräch Poryvaev mit Herausgeber Times of India, Jain am 19.7.1960, 20.7.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 509, ll. 80 ff. 1333 Bansal an Progress-Verlag, [1963], GARF, f. 9590, op. 1, d. 586, ll. 90–92. Vgl. H. C. Verma an SSOD, 5.7.1963, GARF, f. 9576, op. 15, d. 206, l. 260; Vermerk Sakovič, 10.11.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 511, ll. 87 ff. 1334 Wie Anm. 1332. 1335 Vgl. Černyšev an ZK, 4.5.1959, RGANI, f. 5, op. 33, d. 106, ll. 57–71, hier l. 61–67; Beschluss ZK, 18.9.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 424, ll. 46 f.; ZK-Beschlüsse, 29.1.1960, in: Die sowjetische Presse in Dokumenten, S. 138–151; Entwurf Statut TASS, 23.9.1959, RGANI, f. 11, op. 1, d. 435, ll. 56 ff.; Stellungnahme Poryvaev zu Jahresbericht SIB Delhi für 1960, 15.4.1961, GARF, f. 8581, op. 2, d. 541, ll. 43 ff. 1336 Vgl. Vermerk US-Botschaft Delhi, 18.7.1958, NARA, RG 59, Central Files, Soviet Union, C0015, 1955–1959, Reel 10 (661.91); britische Botschaft Moskau an FO, Northern Department, 11.7.1958, NAK, FO 371/135946; sowjetische Botschaft Delhi an MEA, 27.9.1960, NAI, 13 (37) EUR.E/60; Gafurov an ZK, 22.4.1958, RGANI, f. 5, op. 35, d. 78, ll. 10 f.; Aufzeich-

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man in Moskau »Freundschaft vor allem als Arbeit« betrachtete.1337 Im Übrigen legten es auch nach Stalin offenbar nicht alle sowjetischen Menschen darauf an, ihre neuen Gäste willkommen zu heißen. Inturist machte 1956 die Erfahrung, dass Leitungskader besuchter Fabriken und Einrichtungen den Kontakt mit den Ausländern nahezu flohen, um nicht Missstände oder Mängelerscheinungen diskutieren oder gar erklären zu müssen.1338 In anderen Fällen trübten bis in die 1960er-Jahre hinein Desorganisation oder Desinteresse auf Seiten der Gastgeber die Eindrücke der Besucher.1339 Insgesamt differenzierte sich das indische Bild der UdSSR als Resultat der sowjetischen Bemühungen um die indischen hearts and minds sowie der erweiterten Kontakte und Verbindungen weiter aus. Sowjetischer Auffassung nach blieb es unvollständig und verzerrt.1340 Die erwähnten Leser- und Hörerfragen, indische Reiseberichte und Meinungsumfragen ließen erkennen, dass beim Gros der indischen Bevölkerung trotz einer weiten Spannbreite der Wahrnehmungen deutliche Wissenslücken über die UdSSR existierten. Ihr Wissensdurst war selektiv. Der Wissensbestand wurde dabei nur in Maßen durch, in der Adaption ohnehin gefilterte, sowjetische Informationen, daneben jedoch auch durch die kapitalistische Seite aufgefüllt.1341 Es blieb bei indisch gesetzten Grenzen der Ausstrahlungskraft sowjetischer Selbstdarstellungen.1342 Im nung Gespräch G. A. Žukov mit Dange, 28.10.1958, GARF, f. 8581, op. 2, d. 461, ll. 100 ff.; Manuskripte indischer Studierender für Soviet Land, GARF, 9587, op. 2, d. 154, hier u. a. ll. 1–24, 32 ff., 128 ff. 1337 Anand an SSP, Krugerskaja, 9.3.1957, RGALI, f. 631, op. 26, d. 5171. Vgl. Krugerskaja an Anand, 13.9.1956, ebd.; Petrova an R. Khina, 7.5.1958, GARF, f. 7928, op. 3, d. 102, l. 35; Protokoll Sitzung Auslandskommission SSP, 17.5.1957, RGALI, f. 631, op. 26, d. 61. 1338 Vgl. Entwurf Inturist für Beschluss ZK über die Arbeit mit ausländischen Touristen, 1957, GARF, f. 9612, op. 2, d. 240, ll. 94 f. 1339 Vgl. Bericht indische Delegation, Mehta, über Besuch in der UdSSR, ab 6.10.1961, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1861, ll. 33 ff.; Material über Besuch indischer Rektoren, 17.10.1961, GARF, f. 9606, op. 1, d. 937; SIB, Šumskij, an Chruščev, 20.8.1960, RGANI, f. 5, op. 45, d. 264, ll. 111–116. 1340 Vgl. beispielhaft Bericht Vasjutinskij über Aufenthalt am Technological College Coimbatur, 5.2.1961–21.12.1962, 25.1.1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1306, ll. 97 ff.; Rakov, Bericht über Reise nach Ahmedabad, 25.4.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1462, ll. 15–21; Pudovkin, Poezdka, S. 303. 1341 Vgl. Mulgaokar, The Russian. 1342 Vgl. Menon, The lamp, S. 243, 274, 328; Tyabji, More memoirs, S. 180–183. Insgesamt hat sich für den hier relevanten Zeitraum keine vielschichtige, ausgefeilte und allgemein zugängliche indische Reiseliteratur über die UdSSR herausgebildet. CPI-Berichte passten sich in aller Regel an die propagandistischen Kernaussagen der UdSSR und der indischen Genossen an, vgl. Devojan, Turisty; Krishnan, Testament, S. 318–321; Bibliografija Indii; Kumar, Indian view, S. 15–21; Jahresbände INB 1959–1966.

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Extrem­fall erschöpfte sich das indische Interesse an der UdSSR in individuellen Begehrlichkeiten. So verstörte die Diva eines indischen Tanzensembles durch ihre Arroganz und maßlose Sonderwünsche Mitreisende wie Gastgeber nachhaltig. Entnervt listete die russische Dolmetscherin in ihrem Rechenschaftsbericht dreiste Unhöflichkeiten oder kleinliche Beschwerden auf.1343 Auch der Besuch einer indischen Kulturdelegation unter Leitung des Staatsministers im Kulturministerium, Khadzharnavis, war kein voller Erfolg. »Man muss sagen, dass sich der Eindruck ergab, dass Khadzharnavis nicht sehr daran interessiert war, sich während seines Aufenthalts in der UdSSR näher und vollständiger mit dem Leben des Volks und seiner Errungenschaften in der Kultur bekanntzumachen«, heißt es in sowjetischen Quellen enttäuscht. »Seine größte Sorge bestand darin, seinen Sohn an der MGU zum Studium unterzubringen.«1344 Andere indische Offizielle wurden selbst von eigener Seite verdächtigt, Staatsbesuche vor allem um des Reisens willen zu absolvieren.1345 Indische ›progressive‹ Besucher demonstrierten ebenfalls, dass sie mit ihren Besuchen weniger die Rolle von Transmissionsriemen sowjetischer Interpretationen und Propaganda spielen, sondern eigene Interessen verfolgen wollten.1346 Angehörige einer indischen Friedensdelegation in der UdSSR 1956 zum Beispiel waren vor Ort als Berufstätige zu erkennen, die ihre Reise in die Sowjetunion zu einem großen Teil zur beruflichen Aus- und Weiterbildung nutzten.1347 Hochrangige Vertreter von ISCUS kaprizierten sich darauf, in Moskauer Bibliotheken religiöse Schriften der Sikh ausfindig zu machen und betrieben deren Übersetzung.1348 Selbst ein Verfechter der indisch-sowjetischen Freundschaft wie Abbas hob in der Publikation seines Interviews mit Chruščev im Januar 1960 für das heimische Publikum auf besondere Erfolge indischer (Film-)Kunst und Kultur – 1343 Vgl. Rechenschaftsbericht Dolmetscherin Krivokoneva über Aufenthalt indisches Ensemble, 5.–21.7.1959, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 109; Bericht Übersetzer über Aufenthalt Delegation vom 8.–29.12.1958, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 75; Vors. Ispolkom Moskauer Sowjet, Bobronnikov, an Lichačev, 2.2.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 36, d. 14, ll. 49–51; Vermerk über Besuch Das, [1960], AVP, f. 90, op. 22, papka 36, d. 14, ll. 110–116. Mangels Alternativen lud das Kulturministerium die Diva ein Jahr später erneut ein, vgl. stellv. Kulturminister Danilov an Benediktov, 5.3.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1467, ll. 12–14. 1344 Bericht über Aufenthalt indischer Kulturdelegation, 29.6.1965, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 881. 1345 Nehru an Landwirtschaftsministerium, M. Sukhadia, 14.7.1960, SWJN 2, Vol. 61, S. 449 f. 1346 Vgl. politischer Jahresbericht indische Botschaft Moskau für 1955, 15.2.1956, NAI, R&I 3(30), 1956, hier S. 12; Bericht über Besuch von Bassia, Bombay, in Moskau, Tiflis usw., August 1957, GARF, f. 5283, op. 19, d. 245, ll. 29 ff.; Kotov an ZK, 27.3.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 448, ll. 70–76; Abbas, Unter vier Augen, S. 166–168. 1347 Vgl. Kotov an ZK, 11.6. und 29.11.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 449, ll. 55–64, 178–188. 1348 Vgl. Tara Singh an SSOD, Suchanova, 18.1.1958, GARF, f. 7928, op. 3, d. 102, ll. 1 f.

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Yoga – in der UdSSR ab. Dies war in seinen Augen ein Beleg für die Offenheit und Ernsthaftigkeit, mit der sich sowjetische Bürger mit den Traditionen und Leistungen anderer Völker beschäftigten.1349 Diese Argumentation konnte in indischen Kreisen dann jedoch auch wieder zur Bestätigung des eigenen Selbstbilds umgedreht werden. Das indische Parlament befasste sich demgemäß im August 1959 mit Gerüchten, wonach indische Yogis zukünftigen Kosmonauten in der UdSSR nützliches Wissen über Atmungskontrolle weitergaben.1350 Allgemein punkten konnte die UdSSR, sieht man von Einzelfällen individueller Fürsorglichkeit für ausgewählte Inder ab, mit wahrnehmbaren Fortschritten des Lebensstandards und mit ihrer Bildungs-, Kultur-, Nationalitäten-, Frauen- und Jugendpolitik. Selbst einige konservativere Gemüter Indiens zeigten sich von entsprechenden Ergebnissen beeindruckt.1351 Dabei war gerade die demons­trierte Rassengleichheit in der UdSSR ein vielfach beschriebenes Positivum.1352 Die Anerkennung bedeutete nicht, dass eine breitere Öffentlichkeit in Indien den propagierten Visionen einer neuen, glücklichen Gesellschaft wirklich Glauben schenkte.1353 Politisch ungebundenere Gäste stießen sich ohnehin an der Realität des durchkontrollierten Lebens- und Reisealltags in der UdSSR. Auch Besucher aus ›progressiven‹ Kreisen bewiesen weiterhin politische Eigenständigkeit. 1349 Vgl. Abbas, Unter vier Augen, S. 110 f., 116 f. Das Gespräch vom 6.1.1960 u. a. in Istočnik (2003), Nr. 6, S. 105–115, Každyj narod. Vgl. auch Menon, Russian panorama, S. 1 f., 5 f., 55 f., 72 f. 1350 Nach Auskunft der indischen Botschaft Moskau gab es hierfür keine Belege, vgl. Nehru in Lok Sabha, 14.8.1959, SWJN 2, Vol. 51, S. 403. 1351 Vgl. Prasad, Impressions of the Soviet Union, [Juli 1960], in: Choudhary (Hg.), Dr. Rajendra Prasad 21, S. 468–476, hier S. 468 f., 472, 475; Vermerk Dutt über Reise in die UdSSR, 15.7.1960, hier S. 11, NMML, Subimal Dutt Papers, 23; Korrespondent Patriot, Vaidya, an SSOD, Eršova, 17.9.1964, GARF, f. 9576, op. 15, d. 243, ll. 30 f.; Vermerk Dozent Universität Tadžikistan, Karimov, und Oberlehrer Pädagogisches Institut, Jakovlev, über Besuch Vizepräsident Universität Aligarh in Dušambe, 26.9.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1945, ll. 14 ff.; Rotter, Comrades, 118 f. Als Gegenbeispiele Desai, The story 2, S. 154–160; Aufzeichnung Gespräch Poryvaev mit Jain am 19.7.1960, 22.7.1960, GARF, f. 8581, op. 2, d. 509, ll. 80 ff. 1352 Vgl. Nehru an Malaviya, 25.10.1955, SWJN 2, Vol. 30, S. 429 f.; indische Planungskommission, Ghosh, an Nehru, 17.3.1956, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, Correspondence with Nehru; Delegationsbericht Malaviya über Besuch in UdSSR und Schweiz, Januar 1961, NAI 13 (47), EUR.E/60; Vermerk über Gespräch Sekretär INC Andhra Pradesh mit sowjetischem Botschaftsrat Delhi, Baranov, 10.2.1962, AVP, f. 90, op. 24, papka 45, d. 6, ll. 60 f.; MID-Abt. SOA an ZK, Ausgang 1.2.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 72, d. 19, hier ll. 28 f.; Sinha, Steel city; Hindustan Times, 14.11.1959, S. 5; Parker, Moscow fortnight; Menon, The lamp, S. 223 f.; Menon, Russian panorama, S. 61 f., 86 f., 98 f., 130 f., 169 f., 187 f. Vgl. allg. Stiffler, Building socialism, S. 216 ff. 1353 Vgl. Monthly public opinion surveys 6 (1960/61), Nr. 64–66, S. 42, 47 f. sowie 11 (1965/66), Nr. 131, S. 2–34, hier S. 23 f.; Tab. 7 a.–d.

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Abbas mochte 1960 nicht gänzlich auf Kritik an ideologischen Dogmen der sowjetischen Politik verzichten. Andere Inder stellten schon vorher unter anderem bohrende Fragen über den Gang der Destalinisierung oder den sowjetischen Einmarsch in Ungarn.1354 Ganz allgemein stürzten die sowjetischen Aktien im Umfeld des Ungarn-Aufstands ab: In Calcutta sank der Anteil von Befragten, die positiv über die UdSSR dachten, von 62 auf knapp zwölf Prozent.1355 Auch in der Folge orientierte sich die öffentliche Wahrnehmung der Sowjetunion in aller Regel am aktuellen Stand der bilateralen Beziehungen und dem bekannten Kurs der indischen Politik.1356 Daher sah sich die sowjetische Propaganda mit dem indisch-chinesischen Krieg 1962 vor erhebliche Probleme gestellt. In Meinungsumfragen legten die USA gegenüber der UdSSR 1962 und 1963 erheblich zu.1357 Die SSOD musste 1962 ihr Programm in Indien herunterfahren, um Anfeindungen der Straße zu entgehen. Innerhalb von ISCUS debattierte man gar, ob man die Organisation nicht auflösen sollte. Sowjetische Zeitschriften erlitten im Vertrieb deutliche Einbußen.1358 Zwei Jahre später war es dann Chruščevs Sturz, der dem Ansehen der UdSSR in Indien ein neues Zwischentief bescherte.1359 Bestandsaufnahmen amerikanischer oder anderer nicht-sowjetischer Beobachter, die vermeintliche Erfolge der sowjetischen Indoktrination in Indien beschrieben, waren somit eindeutig überzogen und alarmistisch 1354 Vgl. Vermerk über Gespräch Kreškov mit Prof. Raghuvir, 14.3.1956, AVP, f.  90, op.  18, papka 18, d. 8, ll. 114 ff.; stellv. Vors. sowjetisches Friedenskomitee, Lebedeva, u. a., an ZK, 23.8.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 449, ll. 128–135, hier l. 129; Leserbrief Sri Sunil Chandra an Progress-Verlag, 2.5.1963, GARF, f. 9590, op. 1, d. 586, ll. 132 f.; Dobrosel’skaja an ZK, 3.4.1957, RGANI, f. 5, op. 28, d. 503, ll. 130–139; Mulgaokar, The Russian; Abbas, Unter vier Augen, S. 61–65, 68–70, 73 f., 76 f., 86 f., 92–95, 97 f., 110–118, 158–167; Menon, The lamp, S. 191, 206 f., 211 f., 246, 255, 270, 274 f., 279 f., 290, 294, 303–306, 310, 319–333. 1355 Vgl. Monthly public opinion surveys, 1 (1955/1956), S. 21, 30 f.; Monthly public opinion surveys 2 (1956/57), Nr. 14, S. 17 f. 1356 Vgl. Monthly public opinion surveys 7 (1961/62), Nr. 5–6, S. 12 sowie Nr. 10, Juli 1962, S. 8 f. 1357 Vgl. Monthly public opinion surveys 8 (1962/63), Nr. 94, S. 18; Monthly public opinion surveys 10 (1964/65), Nr. 115/116, S. 7–42, 46; Bowles an Kennedy, 9.9.1963, RSC, Kennedy Office Files 5, Reel 11; Bowles an Johnson, 27.12.1963, FRUS 1961–1963 19, Dokument Nr. 350; Donaldson, Soviet policy, S. 162 f. 1358 Vgl. Vermerk Jakunin, 26.11.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 164, l. 78; Burkov an ZK, 18.12.1962, RGANI, f. 5, op. 33, d. 208, ll. 332–339; Benediktov an ZK, [nach 31.12.1962], RGANI, f. 5, op. 55, d. 54, ll. 197 ff.; Vermerk SSOD, [Dezember 1962], GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 52–57; Auflage- und Bezugsdaten Soviet Land 1963, GARF, f. 9587, op. 2, d. 154; Kapur, The Soviet Union, S. 77 f. 1359 Vgl. Büro APN Delhi, Benjuch, an Chefredakteur Strana Sovetov, Isačenko, 2.8.1965, GARF, f. 9587, op. 2, d. 280, ll. 3–8; NFIW, Khvand, an Frauenkomittee, 2.10.1965, GARF, f. 7928, op. 3, d. 1448, ll. 309 f.

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und verkannten – wie ihre sowjetischen Kollegen – die komplexe Wirklichkeit einheimischer Rezeptionen.1360 Dass Selbstbild samt Außendarstellung auf der einen und Fremdwahrnehmung auf der anderen Seite nicht unbedingt miteinander harmonierten, traf ebenso auf das Verhältnis von indischer Selbstsicht und sowjetischem Indienbild zu.1361 Die indische Seite betrieb auch nach 1955 keine wirklich koordinierte respektive großflächige Auslandspropaganda in die Sowjetunion hinein. Wohl versuchte die indische Regierung den wachsenden Reiseverkehr für eigene Zwecke zu nutzen. Selbst indische Teilnehmer und Teilnehmerinnen sowjetischer Friedenskonferenzen, so Nehrus Hoffnung, könnten vielleicht indische und insbesondere Mahatma Gandhis Grundsätze vermitteln.1362 Nachweislich nahm das offizielle Delhi Einfluss auf indische Reisegruppen aller Art in die UdSSR. Delegationslisten lasen sich gerade in den 1950er-Jahren nahezu wie ein Who’s Who von Delhis sozialer Elite, die in der Sowjetunion die »Erfolge Indiens« propagieren wollten und sollten.1363 Ungeachtet dieser Grundlinie verfolgten Einzelpersönlichkeiten über Beziehungen und Fürsprecher immer wieder auch ihre eigene Agenda gegenüber und in der UdSSR. Der Eigensinn war aber nie zwangsläufig prosowjetischer oder -sozialistischer Natur.1364 Neben Auftritten indischer Gesandter wurden in Delhi sowjetische Reisen aller Ebenen und Ausrichtungen als Chance erkannt, Charakter, Vorteile und Erfolge des eigenen nationalen Projekts zu präsentieren.1365 Der indische Coun1360 Vgl. CRO, Material für Konferenz Canberra (Oktober 1961) über Propaganda- und Kulturbeziehungen zur Abwehr der ›Iron Curtain‹-Länder, 1.6.1960, NAK, DO 191/67. 1361 Vgl. zu Ausführungen der BSĖ über Indien Nehru an Kabir, 29.7.1960, SWJN 2, Vol. 61, S. 599. 1362 Vgl. Nehru an Generalsekretär AICC, Narayan, 11.3.1956, SWJN 2, Vol. 32, S. 340 f.; sowjetische Botschaft Delhi an Sekretariat Mikojan, 5.4.1956, AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 12, ll. 88 ff. 1363 Vgl. Materialsammlung zum Besuch Delegation indischer Frauen-Konferenz, Juli 1958, GARF, f. 7928, op. 3, d. 102, ll. 80–120; Aufzeichnung Gespräch zweiter Sekretär sowjetische Botschaft Delhi im MEA, 25.7.1956, AVP, f. 90, op. 18, papka 18, d. 9, l. 28ob; Aufzeichnung Gespräch Dobrosel’skaja, mit INC-Frauenkommittee, Menon, 10.6.1958, GARF, f. 7928, op. 3, d. 102, ll. 185–187; Nehru an S. Sakesena, MP, 10.6.1960, SWJN 2, Vol. 61, S. 430; Keskar an Nehru und Nehru an Pant, 16.7.1960, ebd., S. 596, 861. 1364 Vgl. V. Kuznecov an ZK, 14.8.1957, RGANI, f. 5, op. 30, d. 233, l. 133; Nehru vor Rajya Sabha, 5.5.1958, SWJN 2, Vol. 42, S. 707–709, hier S. 708; Nehru an Secretary General, Foreign Secretary, Commonwealth Secretary, 29.7.1956, SWJN 2, Vol. 34, S. 176; Nehru an Foreign Secretary, 13.4.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 307 f.; Nehru an Sprecher Lok Sabha, Ayyangar, 16.3.1958, SWJN 2, Vol. 41, S. 766 f. 1365 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Lichačev mit K. P. S. Menon, 9.2.1959, RGANI. f. 5, op. 30, d. 301, ll. 25 ff.; Nehru an Secretary General und Foreign Secretary, 6.4.1957, SWJN 2, Vol. 37, S. 305 f.; Nehru an Commonwealth Secretary, 28.5.1957, SWJN 2, Vol. 38, S. 422 f.; Nehru vor Lok Sabha, 17.12.1957, SWJN 2, Vol. 40, S. 575–589, hier S. 585 f.

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cil for Cultural Relations etwa organisierte beispielsweise Exkursionen und Veranstaltungen, um unter anderem sowjetischen Studierenden eine angemessene Sicht auf Indien nahezubringen.1366 Die offiziellen Besuchswege für sowjetische Delegationen aller Ebenen und Ausrichtungen sowie touristische Routen deckten nach Mitte der 1950er-Jahre die für das indische Selbstverständnis Nehru’scher Prägung repräsentative Mischung aus modernen und altehrwürdigen Besichtigungsstätten mit ihrer selbstbewussten Präsentation der entwicklungspolitischen »modernen Tempel« ab.1367 Exemplarisch lässt sich diese Botschaft der Vermählung von originärer Leistungsfähigkeit und selbstbestimmter Moderne eines vielfältigen Indiens am Programm ablesen, das der sowjetische Präsident Vorošilov 1960 absolvieren sollte. Das indische Protokoll sah hier neben der obligatorischen Kranzniederlegung an Gandhis Gedenkstätte Besuche auf der Landwirtschaftsausstellung in Delhi, im Zentrum des Community Development Project, dazu Visiten Agras, Bhilais, Chandigarhs, Jaipurs und Bombays, schließlich Abstecher zu diversen Fabriken und Schulen in Madras und Calcutta sowie eine Besichtigung von All India Radio, ISCUS und der Verteidigungsakademie vor. 1368 Dabei war sich zumindest Nehru der Problematik bewusst, Ausländern über Besichtigungsprogramme ein adäquates Bild von Indien vermitteln zu können.1369 In der Tat nahmen sowjetische Reisende das indische Angebot nicht immer an. Auch sozialistische Vertreter im Ausland verhielten sich mitunter einfach nur »hochnäsig«-arrogant oder verfielen »würdelos« der Kauf- und Trunksucht.1370 Unabhängig von derlei Exzessen sah sich das Gros der sowjetischen Abgesandten in Indien offenbar mit Lebens- und Arbeitsbedingungen konfrontiert, auf die sie kaum vorbereitet waren – und mit denen sie von ihrem Heimatstaat oftmals allein gelassen wurden. Das galt für Fragen der medizinischen Versorgung und Unterbringung ebenso wie für die ungewohnte Ernäh1366 Vgl. Vermerk erster Sekretär sowjetische Botschaft Delhi, Kotenev, 1.4.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2355, ll. 96 ff. 1367 Begriff u. a. nach Rede Nehru, Bhilawara, 8.3.1959, SWJN 2, Vol. 47, S. 46–76, hier S. 76. 1368 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Lichačev mit Than, 15.1.1960, AVP, f. 90, op. 22, papka 35, d. 3, ll. 4 f.; Mackevič an ZK, 16.3.1960, RGANI, f. 5, op. 45, d. 266, ll. 47–52, hier ll. 48 f. Zu Touristenprogrammen vgl. Vermerk über Reise zweier Touristengruppen, 17.11.–16.12.1959, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1468, ll. 73 f.; Leiter Abt. Südostasien SSOD, Anufriev, an SSOD Delhi, Ljubomudrova, 3.11.1962, GARF, f. 9576, op. 15, d. 161, ll. 24 ff. 1369 Vgl. Nehru vor International Students’ Association, Calcutta, 30.11.1958, SWJN 2, Vol. 45, S. 592–595, hier S. 592 f. 1370 Vors. ZK-Delegation für Auslandsreisen, Doluda, an ZK, 9.1.1960, RGANI, f. 5, op. 14, d. 19, ll. 100 ff.; Vermerk Serebrjakov über Reisegruppe aus Uzbekistan, Dezember 1960, GARF, f. 9576, op. 15, d. 126, ll. 187 ff.

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rung, bei kurzfristigen Notlagen oder bei Schwierigkeiten insbesondere weiblicher Gäste im indischen Sozial- und Kastensystem.1371 Indien sei »nicht das Land der Wunder, sondern der Kontraste«, formulierte es ein erschütterter Dozent, der von Februar 1961 bis Anfang 1963 in Pilani Kurse in Metallurgie abhielt.1372 Aus der kleinen Gemeinde der russischen Studierenden empfahlen Leidgeprüfte die regelmäßige Einnahme von Vitamin-B- und C-Tabletten oder warnten vor der unerwarteten Kälte im Winter.1373 Zudem durchziehen Klagen über das scharfe Essen die Berichterstattung: »Der zukünftige Spezialist kommt aus Indien mit einem kranken Magen zurück und muss zum Arzt gehen.«1374 Studentinnen hatten schließlich mit einem ungewohnt strengen Regime in Wohnheimen für Frauen zu kämpfen, das ihrem Selbstverständnis und Erfahrungshaushalt von Gleichberechtigung in der UdSSR zuwiderliefen. Sie rieten zudem von Aufenthalten im altehrwürdigen Zentrum hinduistischen Glaubens, Benares, ab, weil dort aufgrund der Pilgerströme angeblich »antisanitäre Zustände« herrschten.1375 Ein Mitglied einer zentralasiatischen Kulturdelegation beschwerte sich 1960 lautstark, »dass er viel ins Ausland reise, es stehe ihm schon bis zum Hals, und wenn er gewusst hätte, wie es hier werden würde, wäre er nicht gekommen«.1376

1371 Vgl. Rajzer an Kuznecov, 26.8.1955, AVP, f. 90, op. 17, papka 15, d. 13, ll. 14 ff.; Interview mit G. A. Žukov, April 1968, im Oral History Bestand der NMML, Nr. 164; Volkswirtschaftsrat, Sidorenko, an SovMin, 19.2.1965, RGAĖ, f. 233, op. 3, d. 188, ll. 3 ff.; Bericht Kajumova über Aufenthalt in Indien von Oktober 1962 bis März 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 15 ff.; Bericht Ivanova für die Zeit von November 1962 bis November 1963, Delhi, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 65 ff.; Bericht Konrat’evna über Aufenthalt an Universität Madras, November 1962 bis November 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 86 ff. 1372 Bericht Dozent Mansyrev, 7.2.1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1633, ll. 60 ff. 1373 Vgl. Bericht Kaljagin über Aufenthalt, Juli 1961 bis August 1962, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1309, ll. 84 ff.; Bericht Salimžanova über Aufenthalt an Universität Delhi, 26.10.1963–13.5.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1944, ll. 12 ff.; Bericht Student Očalkov über Praktikum an Universität Delhi, 13.2.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1944, ll. 4 ff.; Bericht Čanan über die Zeit vom 2.12.1963 bis 26.5.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1944, ll. 17 ff.; Bericht Golikova und Egorov über Aufenthalt in Delhi ab 25.8.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2361, ll. 13–18. 1374 Portnov über Sprachpraktikum in Delhi ab 5.8.1963, 15.5.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1944, ll. 6 ff.; Očalkov über Praktikum an Universität Delhi, 13.2.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1944, ll. 4 ff. 1375 Bericht Ulug-Zade und Klyčkova über Sprachausbildung an Universität Delhi von Oktober 1961 bis Februar 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 4 ff. Vgl. Bericht Dozent indische Philologie MGU, Sol’nceva, über Aufenthalt in Delhi 12.11.1962–15.1.1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1633, ll. 1 ff. 1376 Gruppenleiter Širjaev an stellv. Kulturminister, Danilov, und Direktor Goskoncert, Šiškin, 27.3.1960, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1467, ll. 34–39.

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Auch mit Blick auf die Zeit nach 1955 stellen sowjetische Reiseberichte eine problematische Quelle dar, will man weitere Resonanzen auf Indien ergründen. Die Moskauer Bürokratie erwartete von ihren Reisekadern immer noch weitgehend linientreue Berichte, in denen »große soziale Probleme, die Kernfragen des Volkslebens« im Mittelpunkt zu stehen hatten und die keine allzu positive Schilderungen kapitalistischer Länder enthalten durften.1377 Für eine breite sowjetische Öffentlichkeit wurden auf diese Weise Berichte publiziert, für die, so SSP-Sekretär Surkov 1962, die Verfasser gar nicht hätten ins Ausland fahren müssen, so schematisch und oberflächlich fielen die Beschreibungen aus. »Sie schreiben so: Ich sprach mit einem Alten, der auf einer Bank saß. Der Alte ist gegen den Krieg«, nahmen Surkov und Kollegen ideologische Plattitüden aufs Korn – letztlich ohne Erfolg.1378 Es blieb in der sowjetischen Reiseliteratur über Indien bis in die Mitte der 1960er-Jahre hinein bei der Dominanz derartig vorgestanzter Erzeugnisse. »Wie oft habe ich – offen und versteckt – über einige unserer Touristen gelacht, die für zehn bis zwölf Tage in ein Land kommen und dann ihre Treffen mit der lokalen Bevölkerung beschreiben«, nahm die ehemalige Trud-Korrespondentin Ševeleva 1965 den Faden Surkovs wieder auf. »Diese Touristen haben überraschenderweise immer Glück: der Taxifahrer, der Liftboy oder der Kellner im Hotel beginnen sofort, lange Reden über die Vorteile des sozialistischen Systems gegenüber dem kapitalistischen, über das schwere Erbe des Kolonialismus, über die aggressive Politik der amerikanischen Monopole zu halten.«1379 In ihrer eigenen Darstellung vermochte es Ševeleva allerdings ebenfalls nicht, sich von diesen politisch-ideologischen Platitüden zu lösen.1380 Auch wenn sich ab den späten 1950er-Jahren in einigen Berichten eine größere Bandbreite individueller Eindrücke finden lässt, so zwängten die offiziellen Vorgaben und Erwartungen das Bild, das sowjetische Personen nach ihren »erwünschten Reisen« und Aufenthalten intern und öffentlich über Indien vermittelten, in ein insgesamt recht enges Korsett.1381 Daher muss offen bleiben, inwieweit politisch korrekte Erzählmuster und Interpretationen ureigenen Überzeugungen von Autoren und Autorinnen oder antizipierten Publikumserwartungen – von oben und unten – geschuldet waren. Das genaue Mischungsver1377 Vgl. Leont’ev, Gluboko osveščat’, hier S. 120 f.; Beschluss ZK, 9.9.1958, in: Die sowjetische Presse, S. 124 f. 1378 Stenogramm Diskussion über Vortrag Vors. GKKS, Žukov, 23.1.1962, RGALI, f. 631, op. 26, d. 114, hier Beitrag Ėjdlin, Beitrag und Replik Surkov. 1379 Ševeleva, Budni, S. 5 f. 1380 Vgl. Kap. 5. 1381 Begriff nach Sahatova, Reisen, S. 159 f. Vgl. Marinova, With friends, S. 130 f.

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hältnis von individuellen Eindrücken, ideologischer Gläubigkeit oder schlichter Gehorsamkeit lässt sich im Einzelfall nicht bestimmen.1382 So konnten beispielsweise Plädoyers von Reisenden für eine Ausweitung der sowjetisch-indischen Beziehungen der Hingabe an die internationale Mission geschuldet sein, mochten aber auch signalisieren, dass sie dem Reiz der neuen Welt erlegen waren.1383 Sehr kritische Aussagen über den indischen Lebens- und Arbeitsalltag waren keineswegs zwangsläufig in ideologischer Verblendung, sondern mitunter in tatsächlichen Erlebnissen vor Ort gegründet. Stichworte zu indischen Freundlichkeiten gegenüber sowjetischen Gästen mussten keine Erfindungen sein, auch wenn sie deren Bedeutung fehl- und überbewerten mochten.1384 Die komplexe Zusammensetzung der Berichte aus alltäglichen Beobachtungen und politischen, willfährigen oder überzeugten, Deutungen lässt sich abschließend an einem Bericht des Leiters des Moskauer Puppentheaters, Obrazcov, 1959 illustrieren. Wohl jeder sowjetische Bürger, so Obrazcov, kehre mit gemischten Gefühlen aus dem Subkontinent zurück: mit »Schmerz über die menschlichen Tragödien, die sich vor unseren Augen abspielen«, mit Begeisterung über »die alte Kultur, über die Schönheit und Größe des Volkes« sowie mit einem »Gefühl für die absolute Notwendigkeit sowohl die wirtschaftlichen als auch die kulturellen Beziehungen mit dem Volk Indiens erheblich zu vergrößern, weil die Gefahr der Unterjochung durch das Auslandskapital sowie die Gefahr aller möglichen politischen reaktionären Wandlungen für jeden sowjetischen Menschen, der in

1382 Vgl. Vermerk über Reise zweier Touristengruppen durch Indien, 17.11.–16.12.1959, RGALI, f. 2329, op. 8, d. 1468, ll. 73 f.; Bericht verdienter Künstler der UdSSR, Markov, über Reise vom 19.–22.11. und 2.–25.12.1959, RGALI, f. 2329, op. 9, d. 107; Mackevič an ZK, 16.3.1960, RGANI, f. 5, op. 45, d. 266, ll. 47–52; Bericht Morozov über Reise, 25.1.–25.2.1959, GARF, f. 9396, op. 19, d. 55, ll. 29 ff. 1383 Vgl. Präsidium AN an ZK, 14.3.1956, RGANI, f. 5, op. 35, d. 22, l. 65; Šelepin an ZK, 12.4.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 11–37, v. a. ll. 34 f.; Vermerk Gosplan, Zelenovskij, über Reise nach Indien, 27.2.1957, RGANI, f. 5, op. 28, d. 499, ll. 6–15; Kirillin an ZK, 13.4. und 4.6.1956, RGANI, f. 5, op. 35, d. 22, ll. 80 ff. sowie d. 24, l. 181; Bericht Kajumova über Aufenthalt in Indien von Oktober 1962 bis März 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 15 ff.; Noack, A mighty weapon, S. 251 f. 1384 Vgl. Bericht Ivanova für die Zeit von November 1962 bis November 1963, Delhi, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 65 ff.; Bericht Tjurima, Studentin Orientfakultät Leningrader Universität, über die Zeit von November 1962 bis November 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 75 ff.; Bericht Doktorand geografischer Fakultät MGU, Bylov, über Dienstreise nach Indien, 15.3.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2361, ll. 1–10; Šelepin an ZK, 12.4.1956, RGANI, f. 5, op. 28, d. 441, ll. 11–37, u. a. l. 34; Bericht Golikova und Egorov über Aufenthalt in Delhi ab 25.8.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2361, ll. 13–18; Bericht 3 Studenten der Taškenter Universität über Aufenthalt in Delhi ab 25.8.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2361, ll. 22–26.

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dieses Land fährt, augenscheinlich ist«.1385 Es bleibt ungewiss, wie viele sowjetische Reisende ihren Aufenthalt in Indien über die technischen und beruflichen Belange hinaus dazu nutzten, um »frühere Vorstellungen über das Land [zu] prüfen, die sich früher auf der Basis der durchgearbeiteten Literatur ergeben hatten« und ob diese Prüfungen zu individuellen Horizonterweiterungen respektive -veränderungen führten.1386 Die vermittelten politisch-ideologischen Grundbotschaften: sowjetisch-indisches Gefälle, verheerendes Erbe kolonialer Altlasten in Indien, sowjetischer Modellcharakter, uneigennütziger Helfer UdSSR, eine trotz reaktionärer oder imperialistischer Gegenkräfte ebenso notwendige wie bereitwillige indische Lern- und letztlich Nachahmungsbereitschaft, blieben davon unberührt.1387

1385 Bericht Obrazcov über Tournee Februar/März 1959, o. D., RGALI, f. 2329, op. 9, d. 108. Vgl. Obrazcov, Po stupen’kam, S. 252–255. 1386 Bericht Bylov über Dienstreise nach Indien, 15.3.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2361, ll. 1–10, hier l. 10. Vgl. Bericht Trubnikova für die Zeit von Oktober 1962 bis April 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 28 ff.; Bericht Konrat’evna über Aufenthalt an Universität Madras, November 1962 bis November 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 86 ff. 1387 Vgl. u. a. Ševeleva, Budni, S. 4, 7, 27–29, 35, 39–41, 97, 130, 151, 173 f.; Nasenko, V storone, S. 49; Mar, Sov’et Lend, hier S. 53; Zoloto Majsura; Informationsabteilung sowjetische Botschaft Delhi, Bericht über Tätigkeit SIB 1958, 18.4.1959, GARF, f. 8581, op. 2, d. 487, ll. 72 ff.; Beschluss Ideologie-Kommission, 30.3.1960, RGANI, f. 11, op. 1, d. 492, ll. 63 ff.; Beschluss ZK, 24.6.1959, in: Sovetskaja pečat’, S. 120 f.; Protokoll Mitarbeiterversammlung Kulturhaus Delhi, 13.10.1961, GARF, f. 9576, op. 15, d. 162, l. 43 ff.; Vermerk ZK VLKSM, 16.12.1959, in: Ideologičeskie komissii CK KPSS 1958–1964, Afanas’eva u. a. (Hg.), S. 221–223.

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Vor diesem Hintergrund lässt sich, in Verbund mit anderen Berichten aus dieser Zeit, die umfangreiche Reportage, die Ševeleva 1965 über ihren dreijährigen Aufenthalt in Indien publizierte, als Zusammenfassung des sowjetischen Indienbilds verstehen, wie es zum Auftakt der Ära Brežnev in der UdSSR gezeichnet wurde.1 Die Publikations- und Medienpolitik fiel dabei anlässlich der Visite von Shastri weitaus zurückhaltender aus als während der Staatsbesuche 1955. Dies zeigte, dass die Kontakte nun ungeachtet aller tagesaktuellen politischen Erwägungen von den unmittelbar Beteiligten eher als unaufgeregte Normalität praktizierter guter Beziehungen verstanden, zumindest als solche präsentiert wurden.2 Doch zurück zu Ekaterina Ševeleva. Sie war bis weit in die Brežnev-Ära hinein in der offiziösen Literaturkritik als Prototyp der politisch engagierten Autorin anerkannt und in die kulturellen Beziehungen zwischen der UdSSR und Indien involviert.3 Ševelevas dichterisches Werk, das seit den 1940er-Jahren unter anderem internationale Sujets beinhaltete, lässt sich als sowjetische Gebrauchslyrik kennzeichnen, die dem sowjetischen Leser unter anderem anhand indischer Themen die Vorteile des sozialistischen Aufbaus nahebringen und die sowjetische Leserschaft für imperiale Aufgaben begeistern sollte. Ševeleva kehrte vor Juni 1963 von einem längeren Aufenthalt als Korrespon-

1 Vgl. neben vorhergegangenen Anm. Plan der Gesellschaft für sowjetisch-indische Kulturbeziehungen für 1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 284, ll. 3 ff.; Vorob’ev, Rukopožatie, S. 13; Alekseev, Za gorami, za dolami; Achmedzjanov, Vstreča; Kucenkov, Na rodine; Nikitin, Reportaž; Drambjanc, Ogni sowie ders., Na beregach. 2 Vgl. Aktenvermerk über Gespräch Quilitzsch mit Smirnov, 11.5.1965, PA AA, MfAA, C 995/71, Bl. 46–48; Information Rossmeisl über Gespräch mit Lichačev am 26.5.1965, 27.5.1965, PA AA, MfAA, A. 17094, Bl. 66–73, hier Bl. 66 f.; MfAA, Information Nr. 16/III über Ausführungen sowjetischer Botschaftsrat Delhi, Orlov, 16.12.1965, 3.2.1966, PA AA, MfAA, C 995/71, Bl. 115 ff.; Rossmeisl an Kiesewetter, 21.5.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 77–79, hier Bl. 79; Pravda, 13.5.1965, S. 1, Pust’ krepnet sovetsko-indijskaja družba; Pravda, 16.5.1965, S. 4 sowie 18.5.1965, S. 1; Kaul, Diplomacy, S. 158. 3 Vgl. Čislov, O tvorčestve Ekateriny Ševelevoj, S. 3, 5, 8; Vest’, Andžaparidze u. a. (Hg.), S. 338; Čelyšev, Izbrannye trudy 1, S. 592.

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dentin der Gewerkschaftszeitung Trud aus Indien zurück.4 Neben verschiedenen Korrespondenzen und Gedichten publizierte die Journalistin 1965 die schon zitierte Monografie über Indien und seine Menschen. Ihre Schilderung war politisch korrekt, dabei mit gängigen Impressionen vom fernen Subkontinent angereichert. Diese Versatzstücke allgemeiner Gewissheiten und träumerischer Vorstellungen entsprachen genau den Botschaften anderer literarischer Präsentationen ihrer Zeit. Das legen unter anderem Fingerübungen der Dorfprosa nahe, auf die ebenfalls bereits hingewiesen wurde. Viktor Astaf ’ev, einer ihrer Vertreter, beschrieb beispielsweise ein angeblich prägendes Kindheitserlebnis einer jungen Russin, die im Zweiten Weltkrieg an der Front fiel. Sie fand, so die Geschichte, in den Trümmern eines abgebrannten Hauses ein »glänzendes, knisterndes, wie durch ein Wunder erhaltenes Einschlagpapier«. Von diesem »blickte ein schöner, blauäugiger Mann mit gelbem Turban und in rotem Mantel auf Saša. Hinter seinem Rücken schimmerten grüne, verästelte Palmen mit gelben Stämmen und zwischen ihnen schlich ein gelber, satter Tiger […]. ›Indien!‹, flüsterte das Mädchen«.5 Auch Ėrenburg hatte in seinem bereits erwähnten Gedicht 1964 verbreitete sowjetische Ansichten und politisch gebotene Interpretationen des indischen Alltags zusammengereimt, indem er Schattenseiten in den Blick rückte. »Den Kühen in Calcutta geht es am schlechtesten«. Ėrenburg verband die Darstellung grassierender Armut mit Kritik an einer vermeintlich hohlen, letztlich lebensfeindlichen Religiosität. »Sie brüllen, ihre Rücken sind gebeugt, sie sind obdachlos, frei und gefangen zugleich, hungrig und geehrt, niemand sagt ein böses Wort zu ihnen, sie sind heilig«.6 Hier setzten auch die Deutungen Ševelevas an. Den Höhepunkt ihrer Beschreibung macht eine Diskussion von »Indiens neuen Göttern« aus: »Arbeit, Frieden, Freundschaft«. Wie in Fortführung der metaphysischen Überhöhungen früherer Begegnungen verlieh Ševeleva dem Glauben bzw. der Hoffnung Ausdruck, dass nach den sozialistischen Himmelsboten 1947 und dem Besuch des sozialistischen Propheten 1955 die sozialistische Botschaft sowjetischer Prägung im Indien des Jahres 1965 endgültig und unausrottbar fest verwurzelt war und eigene Blüten trieb.7 »Die Menschen verstanden«, so drückte es Ševeleva aus, 4 Neben Trud hatten bis Mitte der 1960er-Jahre u. a. Sovetskaja ženščina, Komsomol’skaja Pravda und Pravda eigene Korrespondenten in Indien installiert, vgl. Kassis, Ot Gimalaev; Ševeleva, U nas v Indii. 5 Astaf ’ev, Indija, S. 348. 6 Korovy (1964), in: Ėrenburg, Sobranie sočinenij 1, S. 196 f. Vgl. allg. Pataki, Reisen, S. 172–175, 194 f. 7 Ševeleva, Budni, S. 158.

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»dass ›Genosse‹ ein gutes Wort ist. Sie begannen, all das mit diesem Wort zu bezeichnen, was schön war«. »Die Arbeiter traten auf dem Meeting auf«, heißt es an anderer Stelle, »das Volk hörte ihnen begierig zu und glaubte, dass alle ihre jahrhundertealten Träume in Erfüllung gehen.« Die Massen würden Indien durch eigene Anstrengungen bei sowjetischer Hilfe gegen alle Widerstände in ein neues Land verwandeln. Eine wahrhaft große Zukunft Indiens konnte sich nach dieser Lesart nur aus der Orientierung an der UdSSR ergeben, die für sich schon die »neuen Götter« erwählt und auf dieser Grundlage alte, sowohl nichtsozialistische als auch nichtkapitalistische Kulturen und Lebensordnungen längst überholt hatte. Den »neuen Göttern« Indiens stand dabei »in den Dörfern und Städten des Landes, wo das Neue beharrlich mit dem Alten kämpft, noch viel Arbeit bevor. Wo der Bauer die Erde noch mit einer Hacke aufkratzt und wo schon die Komplexe von Bhilai emporragen und ein Atomreaktor geschaffen wurde.«8 »Die Denkmäler der Vergangenheit verblüffen. Aber durch sie kann man das heutige Indien nicht verstehen«, sekundierte die Pravda zum 15. Jahrestag der Republik Indien im Januar 1965.9 »Dieses Land«, so Ogonek Wochen vorher, »wird der Welt noch seine vollständig realen Wunder zeigen«.10 Gemäß Moskauer Interpretationen war sich die indische Bevölkerung des vermeintlichen Gefälles zwischen der UdSSR und dem eigenen Land bewusst und hatte die Bedeutung des sowjetischen Vorbilds und der sowjetischen Hilfe für den eigenen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritt erkannt. Daher stimmten in der Darstellung der ehemaligen Trud-Korrespondentin indische Menschen immer neue Loblieder auf die sowjetische Wirtschaft und ihre Wirtschaftshilfe an.11 Analog hierzu nutzte die Pravda Shastris Besuch in Moskau im Frühling 1965, um recht ausführlich über indische Pressestimmen zu berichten, die die sowjetischen Hilfen für Indien hervorhoben.12 Die sowjetischen Medien stell  8 Zitate und Interpretationen in dieser Passage nach Ševeleva, Budni, S. 30, 48, 97, 126 f., 132– 135, 139 f., 152–155., 162 f., 174–178. Vgl. ihre Gedichte ›Staraja Indija‹, ›Granicy Moskvy‹ und ›Lunnaja noč‹ v južnoj Indii‘ (1960) sowie ›Indija‹ (1961), in: Ševeleva, Izbrannye proizvedenija 1, S. 194, 196, 202, 206; Fotoserie in Ogenok (1964), Nr. 47, Umschlag und folgende Seiten; Pawlow/Redjko, Von Dschaipur; Šapošnikova, Po južnoj Indii, S. 4; Čelyšev, Indija, S. 35 f.; Kap.  4.5.2., Anm. 1384.   9 Kucenkov, Respublike Indii. Vgl. Kucenkov, 18 let; Indija prazdnuet, in: Ogonek, (1964), Nr. 4, S. 5; Strepuchov, Flag, S. 10. 10 Strepuchov, Flag, S. 11. 11 Ševeleva, Budni, S. 164. Vgl. ihr Gedicht ›Port Madras‹ (1960), in: Ševeleva, Izbrannye proizvedenija 1, S. 201 Vgl. ferner Ševeleva, Budni, S. 33 f., 48, 73–75, 99 f., 122, 126–130. 12 Vgl. Serebrjakov, Dobrye poželanija; Pravda, 15.5.1965, S. 3, Teplye vstreči s Moskvičami; Pravda, 14.5.1965, S. 1, Poseščenie Mavzoleja. Zum Ablauf vgl. Pravda, 14.5.1965, S. 3 sowie 15. und 16.5.1965, S. 1.

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ten den indischen Premier darüber hinaus wie seinerzeit Nehru als Besucher dar, der sich von den industriellen, kulturellen, politischen und militärischen Leistungen des Sozialismus in der UdSSR zutiefst berühren ließ.13 Derartige Selbst- und Fremdbilder prallten 1965 nach wie vor auf ein abweichendes indisches Selbstverständnis. Die UdSSR war in Indien auch 1965 vielfach unbekannt, in mancherlei Hinsicht möglicherweise interessant, aber keineswegs verpflichtendes oder überzeugendes Modell. Dies galt insbesondere auch für indische Vertreter, die in internationalen Dingen besser informiert waren als der Durchschnitt der Gesellschaft.14 Die indische Seite nutzte, sieht man von getreuen Genossen der CPI einmal ab, die Kontakte zur UdSSR weiterhin, um eine selbstbewusste nationale Grundhaltung zu demonstrieren. Sie nahm sowjetische Angebote, wenn überhaupt, dann kritisch-selektiv und nach eingehender Prüfung bezüglich ihres Nutzens für eigene Entwicklungen an. Meinungsumfragen im Indien von 1965 zeigen einen selbstbewussten Blick auf die UdSSR, in dem sich sowohl eigene Bewertungskategorien als auch eine Absage an den sowjetischen Alleinvertretungs- respektive Führungsanspruch widerspiegelten.15 »Warum Moskau?«, fragte die Werbung der Air India im Mai 1965, um Flüge nach London mit einer Zwischenlandung in Moskau – »zum selben Preis!« – an den Mann zu bringen, und antwortete selbst: »Weil es schön, bezaubernd, exotisch ist!«16 Sowjetische Indienreisende machten noch Mitte der 1960er-Jahre die Erfahrung, dass sie für die einheimische Bevölkerung weniger Künder, Abgesandte oder Vorbilder denn Vertreter einer mehr oder weniger unbekannten Spezies waren.17 Umgekehrt hoben Times of India und Hindustan Times in ihrer Berichterstattung über Shastris Besuch in der UdSSR ganz traditionell auf die frohe Betriebsamkeit der sowjetischen Gastgeber ab, die dem-

13 Vgl. Pravda, 18.5.1965, S. 1, Prem’er-Ministr Indii v Leningrade i Kieve; Pravda, 19.5.1965, S. 1, Poezdka Prem’er-Ministr Indii po strane prodolžaetsja; Pravda, 20.5.1965, S. 3, Prem’er-Ministr Indii v Uzbekistane; Mukerji, Nezabyvaemyj podvig. Vgl. ferner Bezymenskij, Včera; Andronova, Gitlerovskij plan; Zametki. 14 Vgl. Murarka, Moscow Fortnight; Shirali, Vodka. 15 Vgl. Monthly public opinion surveys 10 (1964/65), Nr. 115/116, S. 7–42, 46; Tab. 7 a.–e. 16 ToI, 17.5.1965, S. 4. 17 Vgl. Konrat’evna über Aufenthalt an Universität Madras, November 1962 bis November 1963, GARF, f. 9606, op. 1, d. 1635, ll. 86 ff.; Bericht Golikova und Egorov über Aufenthalt in Delhi ab 25.8.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2361, ll. 13–18; Bericht dreier Studenten Taškenter Universität über Aufenthalt in Delhi ab 25.8.1964, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2361, ll. 22–26; Krašennikov, Džajpurskie rasskazy, S. 21, 39; Nasenko, V storone, S. 15 f., 23.

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nach dem hohen Gast nahezu entgegenfieberten.18 Der Besuch, so gab sich die indische Presse überzeugt, war erneut ein großer Erfolg eines indischen Premiers, der die Herzen der sowjetischen Bevölkerung im Sturm erobert habe.19 Damit war klar, dass den Produzenten der sowjetischen Überzeugungs- und Zivilisierungsmission noch ein gehöriges Stück Arbeit bevorstand. »Die Möglichkeit des allseitigen Einflusses von marxistischem Denken und Methodologie auf die indische Kultur ist bei weitem nicht erschöpft«, erkannte man in Moskau 1965 zu Recht und verwies auf bislang ungenutzte »große Möglichkeiten zur Organisation eines systematischen und planmäßigen Einflusses von sowjetischem Denken und Kultur besonders auf die indische Intelligenz in vielen Bereichen der Kultur und der wissenschaftlichen Entwicklung.«20 In der Praxis wurde Anfang 1966 zumindest das überkommene Zeitschriftenangebot um Hefte für Jugendliche und Kinder, Junost’ und Sputnik, erweitert.21 Grundsätzliche Diskrepanzen in gegenseitigen Wahrnehmungen und Bewertungen machten sich auch in den diplomatischen und Wirtschaftsbeziehungen bemerkbar. »Die Revolution geht weiter!«, malte Ševeleva 1965 ihren sowjetischen Lesern ein rosiges Zukunftspanorama Indiens an die Wand. Sie lenkte aber das Augenmerk verstärkt wieder auf die originären Kräfte der indischen Massen selbst.22 Der UdSSR fiel in dieser Sichtweise die Aufgabe zu, mit adäquater wirtschaftlicher, diplomatischer, propagandistischer, kultureller und parteipolitischer Hilfestellung, Kooperation und Beratung zu erreichen, dass die internationalen und nationalen Ausgangs- und Rahmenbedingungen einer progressiven innen- und gesellschaftspolitischen Entwicklung möglichst förderlich waren, zumindest aber nicht im Wege standen. Dabei durften die sowjetischen Bemühungen um Indien nicht dazu führen, Bedürfnisse innerhalb des Imperiums zu vernachlässigen. Die Kunst, so eine Erkenntnis aus der komplexen sowjetisch-indischen Beziehungsgeschichte unter Stalin und Chruščev, bestand 18 Vgl. ToI, 10.5.1965, S. 1, Russians are eagerly awaiting Shastri’s visit; ToI, 17.5.1965, S. 1, Big welcome for Shastri in »Hero« City, Leningrad; ToI, 18.5.1965, S. 1, PM’s sincerity impresses Soviet leadership, dazu S. 9, Shastri has a busy day; Hindustan Times, 13.5.1965, S. 1, Shastri arrives in Moscow; Hindustan Times, 16.5.1965, S. 1, Ties with others not at India’s cost: ­Kosygin. 19 Vgl. Hindustan Times, 19.5.1965, S. 9, Mr. Shastri in Russia. 20 SOD Madras, Kurzinformation über Situation ISCUS Kerala, 17.4.1965, GARF, f. 9576, op. 15, d. 286, ll. 276–285, hier l. 280. 21 Vgl. Bericht Muchin über Aufenthalt in Indien 18.1.–14.4.1965, GARF, f. 9606, op. 1, d. 2357, ll. 83 ff.; Vermerke Büro APN Delhi, Vladimirov, 10. und 12.10.1965, GARF, f. 9587, op. 2, d. 280, ll. 10–16; Sager, Moskaus Hand, S. 59 f. 22 Vgl. Anm. 7–8.

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unter anderem darin, die eigenen, begrenzten Ressourcen auf die richtigen Einflusskanäle und -hebel zu konzentrieren. In diesem Zusammenhang hatte sich, wie gesehen, bereits Chruščev wenige Monate vor seinem Sturz selbstkritisch gefragt, ob der Sozialismus von Nicht-Marxisten aufgebaut werden könne.23 Auch seine Nachfolger mussten, wie im Kontext des Machtwechsels angesprochen, überlegen, wie die beste Balance zwischen offensiver Einwirkung, eigener Konsolidierung und Stärkung, kompetitiver Koexistenz und dem entsprechenden Vertrauen auf den Ablauf prosozialistischer historischer Gesetzmäßigkeiten in anderen Staaten und Nationen aussah. In der UdSSR zogen sich die vom ZK nach dem Machtwechsel eingeforderten Diskussionen »über die Gestaltung der internationalen Zusammenarbeit nach ökonomischen Grundsätzen« bis Anfang 1966 hin.24 Im Vorfeld des 23. Partei­tags der KPdSU legten die Spitzen von Gosplan, GKĖS und MVT eine wirtschaftliche Bestandsaufnahme der sowjetischen Außenwirtschaftsbeziehungen vor.25 Sie bewerteten die bisherigen Aktivitäten der UdSSR gegenüber den »neutralen« Staaten in der Dritten Welt grundsätzlich positiv. Diese Einschätzung stellte nicht nur pragmatisch in Rechnung, dass die neue Führungsmannschaft die frühere Politik in herausragenden Funktionen mit exekutiert hatte, sondern beruhte auch auf wirtschaftlichen Erwägungen. Auf der anderen Seite legten die Vorlagen der Wirtschaftsbürokratien nahe, dass die zukünftige Außenwirtschaftspolitik schärfer auf Interessen der sozialistischen Staatengemeinschaft abgestellt werden sollte. Die sowjetischen Ausrüstungs-, Planungs- und Aufbauhilfen hatten sich ihrer Meinung nach gezielter auf diejenigen Exportzweige der Länder zu konzentrieren, die den Rohstoffbedarf des gesamten sozialistischen Lagers bedienen könnten. Im Handel strebten die Fachleute an, den ohnehin hohen Anteil von Maschinen und Ausrüstungen am eigenen Export weiter zu erhöhen, um die (Devisen-)Einnahmen zu optimieren. Zu dem ökonomischen Gesamtansatz passte, dass die sowjetischen Wirtschaftsweisen dafür plädierten, bei der weiteren Gewährung von Projekthilfen die ordnungsgemäße Rückzahlung von Krediten besser im Auge zu behalten. Unisono sprachen sich die Funktionäre gegen eine Erhöhung der nicht rück23 Vgl. Diktat Chruščev, 27.6.1964, in: Nikita Chruščev 1964, Artizov u. a. (Hg.), S. 43 f. 24 Information DDR-Delegation über 17. Sitzung RGW-Exekutivkomitee, 7.–9.4.1965, BArch, DC 20/12518. Zur Beteiligung von KGB-Wirtschaftsexperten an entsprechenden Bestandsaufnahmen vgl. Krysin, Indo-pakistanskij konflikt, S. 315 f. 25 Vgl. Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff.; Gafurov an Brežnev, 12.3.1966, RGANI, f. 5, op. 30, d. 489, ll. 147–153, hier l. 149; Kap. 4.4.2.; Tab. 2–4.

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zahlbaren Kredite sowie gegen eine weitere Verbesserung der Kreditbedingungen aus.26 Wie dies mit der gleichfalls geforderten Berücksichtigung politischer und wirtschaftlicher Auswirkungen in den Empfängerländern in Einklang zu bringen war, blieb unklar. Für Indien war hier zunächst von Belang, dass Moskau an dessen besonderer Stellung als Kreditpartner nicht rütteln wollte. Dabei war es auch im Moskau von Brežnev und Kosygin kein Geheimnis, dass die sowjetischen Zuschüsse und Kooperationen den indischen Bedarf keineswegs abdecken oder quantitativ mit der »Hilfe, die die USA jetzt Indien zugesagt und gegeben hat«, konkurrieren konnte.27 In der Praxis nutzte die sowjetische politische Führung die vorliegenden Daten und Anregungen kaum zu einem radikalen, dauerhaft wirksamen Neubeginn in den sowjetischen Außenwirtschaftsbeziehungen. Zwar forderte Kosygin im April 1966 auf dem XXIII. Parteitag von seinen Wirtschaftsapparaten ganz allgemein eine Verbesserung der Exportgüter, eine stringentere Nutzung der Importwaren sowie ein höheres Effizienzdenken.28 Der politisch-ideologische Bezugs- und Handlungsrahmen, der unter anderem Wirtschaftshilfe als »wichtige[n] Hebel für die Beeinflussung des weiteren Laufs der Dinge in diesen Gebieten der Welt«, verstand, blieb allerdings unverändert.29 Auch in der Praxis ließen sich einstweilen keine grundlegenden Änderungen erkennen. Delhi kam die sowjetische Hilfe für Bokaro, die der Logik der Kooperation in Bhilai folgte, äußerst gelegen. Ursprünglich hatte die indische Regierung zwei weitere Werke im öffentlichen Sektor geplant, von denen im Idealfall je eines von den USA und der UdSSR hätte finanziert werden sollen.30 Unabhängig davon spitzten sich die indischen Wirtschaftsprobleme Mitte der 1960er-Jahre zu. Diskussionen, die nicht das indische Nationalprojekt, sondern die spezifischen Nehru’schen Ansätze zu seiner wirtschaftspolitischen Realisierung hin26 Indien schlug mit 1178 Mio., die UAR mit 1644 und Indonesien mit 1124 Mio. Rubeln zu Buche, das waren insgesamt 65 % des Gesamtvolumens sowjetischer Kredite für die Dritte Welt, vgl. Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff. 27 Patoličev auf Beratung MVT RGW, 14.5.1966, BArch, DL 2/VA N/53. Vgl. zu den folgenden Überlegungen auch Engerman, Learning, S. 233–235; Lorenzini, Comecon. 28 Kosygin auf 11. Sitzung 23. Parteitag, 5.4.1966, in: XXIII s-ezd 2, S. 4 ff., hier S. 57–60. 29 Brežnev auf ZK-Plenum 12.–13.12.1966, RGANI, f. 2, op. 3, d. 49, ll. 1 ff., hier l. 8. Vgl. Vermerk britische Botschaft Moskau, 3.6.1966, NAK, DO 189/548. Laron, Stepping back, betont die Absetzung von Chruščev schärfer. 30 Vgl. Aufzeichnung sowjetische Handelsvertretung Delhi über Gespräch mit MEA, Jaipal, am 12.10.1962, 13.10.1962, RGAĖ, f. 4372, op. 64, d. 445, l. 44 ff.; indisch-sowjetische Vereinbarung über Bokaro, 25.1.1965, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 281–291; Subramaniam, Hand 2, S. 35 f.; Moorthy, The road, S. 76–81; Datar, India’s economic relations, S. 226–237; Boquérat, No strings, S. 363–372; Merrill, Bread, S. 176 ff., 200 f.

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terfragten, gewannen weiter an Dringlichkeit. Ein Resultat bestand darin, dass die Regierung Shastri endgültig auf eine neue Landwirtschaftspolitik setzte. Sie kam, wie in anderem Zusammenhang erwähnt, Reformvorstellungen der Weltbank und von US-Experten nahe.31 Auf sowjetische Hilfeleistungen und Wirtschaftskontakte wollte Delhi allerdings keineswegs verzichten. Im Gegenteil: Dort überlegte man sogar, ob ein Beobachterstatus für Indien beim RGW möglich und nützlich sein könnte.32 Zumindest wünschte sich die indische Regierung eine Institutionalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zur UdSSR mittels einer Ständigen Kommission, die anfallende Probleme schneller und effektiver angehen könnte.33 Diese Schwierigkeiten betrafen wie in den Vorjahren unterschiedliche Fragen von Kooperation, Koordinierung, Organisation, Planung und Lieferung.34 Zum indischen gesamtwirtschaftlichen Konzept gehörte auch, dass man in Delhi den alten handelspolitischen Kurs der UdSSR noch kritischer sah als in den Vorjahren. Viel zu viele Länder, beklagte sich Shastri im Kreise seiner Commonwealth-Kollegen, würden hierbei nur Exporte ihrer eigenen Hochindustrie im Auge haben. »This was not genuine aid.«35 Auch wenn Shastri hier keinen Staat beim Namen nannte: Laufende Gespräche mit der UdSSR machten deutlich, dass es weiterhin eben nicht nur äußerst schwierig war, indische Exportund Importpläne mit Vorhaben der Ersten Welt in Einklang zu bringen, sondern 31 Vgl. neben Kap. 4.4. Aufzeichnung Gespräch sowjetischer Botschaftsrat Delhi, Karmauchov, mit Subramaniam, 23.6.1964, RGNAI, f. 5, op. 45, d. 361, ll. 120–122; Komer an Johnson, 6.12.1965 und 4.1.1966, FRUS 1964–1968 XXV, Dokumente Nr. 258, 274; State Department an US-Botschaft Indien, 23. und 30.12.1965, ebd., Nr. 272 f.; Shastri an Johnson, 6.1.1966, ebd., Nr. 275; E. Rostow, an Johnson, 6.1.1966, ebd., Nr. 276; Johri, India 2, S. 61 ff., 75 ff.; Bearth, Weizen, S. 234–248; Ahlberg, Machiavelli. 32 Vgl. Sidorenko an SovMin, 19.2.1965, RGAĖ, f. 233, op. 3, d. 188, ll. 3 ff.; Fadeev an Ständigen Vertreter der DDR im RGW, 19.4.1965, PA AA, MfAA, C 526, Bl. 10 f. 33 Vgl. zusammenfassender Bericht über Besuch T. T. Krishnamachari in Moskau, 9.–17.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43, hier Bl. 107; Protokoll Gespräch T. T. Krishnamachari mit Mikojan, 17.11.1965, ebd., hier Bl. 148 f. 34 Vgl. beispielhaft Protokoll Tagung stellv. MVT, 29.–30.10.1964, BArch, DL 2/VA 6768, Mappe 658/64; Bericht über Tagung stellv. MVT, 21.–23.9.1965, BArch, DL 2/VA N/45; Information über 21. Tagung RGW-Exekutivkomitee, 9.–12.2.1966, SAPMO-BArch, DY 30/3432; Information DDR-Delegation RGW über Koordinierung Tätigkeit RGW in nicht-sozialistischen Ländern, 20.9.1966, BArch, DC 20/21079; stellv. Minister Gesundheitswesen, Gusenkov, an GKĖS, Suloev, 22.10.1964, RGAĖ, f. 233, op. 2, d. 243, l. 206; armenischer SovMin an SovMin, 20.1.1965, RGAĖ, f. 4372, op. 66, d. 437, ll. 97–99; Apparat Rat für Wirtschaftsfragen sowjetische Botschaft Delhi, Romanov, an stellv. Vors. SovMin, Dymšic, 9.2.1965, weitergeleitet an GKĖS, 16.12.1965, RGAĖ, f. 233, op. 3, d. 186, ll. 176–181. 35 Shastri auf der Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 11. Sitzung, 23.6.1965, NAK, CAB 133/254.

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auch mit solchen der Zweiten.36 In Verhandlungen über den bilateralen Handel 1965 blieb die Warenstruktur umstritten, auch wenn sich beide Seiten eine Verdoppelung des Volumens bis zum Ende des Jahrzehnts wünschten.37 Daneben mochte die UdSSR den anstehenden neuen Fünfjahresplan der indischen Regierung nicht durch üppige ungebundene Kredite unterstützen, die Delhi beim Import mehr Auswahlmöglichkeiten eröffnet hätten.38 Selbst hinsichtlich der Kreditlaufzeiten war das sowjetische Entgegenkommen nur noch begrenzt. Während sich Kosygin im Oktober 1965 bereit erklärte, kommerzielle Kredite unter Vorbehalt einer gemeinsamen Regelung im RGW auf zehn anstelle der gängigen fünf Jahre zu strecken, beharrte er für die wichtigeren Regierungskredite auf der alten Laufzeit: »[A]lthough we mention only 12 years, in fact, they extend from 16 to 17 years. We cannot go beyond the 12-year period. We are under-rating our own terms and deceiving ourselves. We have at present some strains in our economy. Maybe in the near future we could consider your request. But not now.«39 Im Umfeld der Taškenter Konferenz meldeten indische Emissäre dann Wünsche nach weiterer umfangreicher Wirtschafts- und Militärhilfe an. Wie in den 1950er-Jahren, so argumentierten auch konservativere Finanzexperten 1965 geschickt damit, dass ein sowjetisches Entgegenkommen die Abhängigkeit Delhis von kapitalistischen Staaten verringern würde.40 Ob die sowjetische Führung jenseits grundsätzlicher politischer Überlegungen wirtschaftliche Anreize gezielt nutzte, um die indische und pakistanische Verhandlungsbereitschaft in Taškent zu erhöhen, muss aufgrund der Aktenlage offenbleiben. Auf jeden Fall unterzeichnete das MVT noch am 7. Januar 1966 ein neues Handelsabkommen mit Indien. Pakistan konnte für seine Wirtschafts36 Vgl. GoI, Ministry of Finance, Department of Coordination, Economic co-operation between USSR and India. Matters to be discussed during the visit of Finance Minister, India, to the USSR, Oktober 1965, NMML, Nr. 294, Subject File 43. 37 Vgl. zum indisch-sowjetischen Kommuniqué (19.5.1965) Information wirtschaftspolitische Abteilung DDR-Botschaft Moskau, 15.6.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 54–61, hier Bl. 55 f.; Gegenüberstellung sowjetischer und indischer Entwürfe für Handelsabkommen, 1966, RGAĖ, f. 413, op. 31, d. 678; Aufzeichnung Gespräch T. N. Kaul mit Mikojan, 14.6.1966, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 58, ll. 5–8; Vermerk politische Abteilung DDR-Botschaft Moskau über Gespräch mit GKĖS-Abteilungsleiter [Efanov] am 27.5.1966, 6.6.1966, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 37 f. 38 Vgl. Information Nr. 8/65 DDR-Handelsvertretung Delhi, 5.5.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 84 ff.; britische Handelskommission Delhi, 3.7.1965, NAK, DO 189/548. 39 Protokoll Gespräch T. T. Krishnamachari mit Kosygin, 12.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43, hier Bl. 122 Vgl. indisch-sowjetisches Protokoll, 7.1.1966, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 7564, ll. 53 ff. 40 Protokoll Gespräch T. T. Krishnamachari mit Kosygin, 12.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43.

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pläne – und Rüstungsanstrengungen – nun ebenfalls auf vermehrte sowjetische Förderung setzen.41 Die sowjetische Wirtschaftskraft blieb weiterhin der politisch-wirtschaftlichen Mehrfachbelastung ausgesetzt.42 Auch in der Sphäre der politischen Beziehungen erwiesen sich Wille, Zeit und Spielraum der UdSSR und Indiens, um im bilateralen Verhältnis zu möglicherweise grundsätzlichen Neubewertungen zu kommen und diese dann auch konsequent umzusetzen, als begrenzt. Dazu trug zunächst einmal die neuerliche Verschärfung der indisch-pakistanischen Beziehungen bei. Diese hatten sich seit den Nullrunden im UN-Sicherheitsrat 1964 nicht verbessert. Indien unternahm weitere Schritte zur verwaltungs- und verfassungsrechtlichen Integration von Kashmir. In Pakistan intensivierte vor allem Außenminister Bhutto aus einer Mischung von national-, innen- und machtpolitischen Beweggründen heraus die Bemühungen um internationale und insbesondere chinesische Unterstützung für seine antiindische Politik.43 Möglicherweise hoffte Rawalpindi nach Chruščevs Sturz auf einen Kurswechsel Moskaus. Auf jeden Fall bezog die pakistanische Regierung die UdSSR in ihre rege Reisediplomatie ein.44 Dort blieb man allerdings gegenüber Pakistans Verquickung mit der amerikanischen Politik misstrauisch. Zudem war man sich in MID und Kreml der grundsätzlichen sowjetisch-pakistanischen Differenzen hinsichtlich der Indien-, Bündnisund Afghanistanpolitik wohl bewusst, zur Beruhigung indischer und westlicher Beobachter: »Ayub’s recent busy schedule of talks with Chinese Communist leaders undoubtedly did him no good in Moscow«.45 Ungeachtet dessen fuhr die sowjetische Diplomatie fort, aufmerksam alle Indikatoren für eine zunehmende 41 Vgl. Aufzeichnung GoI, „India’s Defence requirements, Oktober 1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43; Vermerk MEA, Joint Secretary, Dar, 13.12.1965, NAI, PI/103/39/65; Srivastava, Lal Bahadur Shastri, S. 329 f.; Krysin, Indo-pakistanskij konflikt, S. 322–324. 42 Vgl. noch Entwurf Aufzeichnung Brežnev für Politbüro, 6.7.1968, in: General’nyj sekretar’ L. I. Brežnev, S. 70–79, hier S. 76. 43 Vgl. Aufzeichnung Gespräch Bhutto mit SoS CRO, 18.1.1965, NAK, DO 196/220; Aufzeichnung Gespräch Bhutto mit Wilson, 20.1.1965, NAK, PREM 13/1672; McConaughy an State Department, 16.3.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 93; State Department an US-Botschaft Pakistan, 14.12.1964, ebd., Dokument Nr. 80. 44 Vgl. britisches Hochkommissariat Karachi an CRO, Simmons, 21.12.1964 und 5.2.1965, NAK, DO 196/510; Aufzeichnung Gespräch pakistanischer Hochkommissar London, Hilaly, mit CRO, Garner, 28.1.1965, NAK, PREM 13/463. 45 CIA, Office of Current Intelligence, Special Report 16.4.1965, DDRS, CK3100443617. Vgl. britische Botschaft Moskau, Brimelow, an FO, Stewart, 20.4.1965, NAK, DO 196/510; MID-Abt. Südasien, Vermerk über sowjetisch-pakistanische Beziehungen, 22.3.1965, 5.4.1965 an Brežnev u. a., RGANI, f. 5, op. 30, d. 480, ll. 29–36, hier ll. 33 f.; Zacharov an ZK, 15.4.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 480, ll. 44 ff.; chinesisch-pakistanisches Abschlusskommuniqué, 7.3.1965, in: Jain (Hg.), China South Asian relations 2, S. 52 f.

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Unabhängigkeit der pakistanischen Außenpolitik zu sammeln, von negativen Bewertungen der amerikanischen Vietnampolitik bis hin zu wirtschafts- und kulturpolitischen Initiativen in Richtung UdSSR.46 Folgt man der sowjetischen Überlieferung, so unternahm es der pakistanische Präsident, bei seinem Besuch in Moskau im Frühjahr 1965 einige Gräben zuzuschütten. Zumindest indirekt schlug Ayub Khan einen Kuhhandel vor, bei dem er garantieren wollte, dass ausländische Basen im Land nicht gegen die UdSSR genutzt werden konnten. Im Gegenzug erwartete Ayub Khan, dass die UdSSR bei zukünftigen Verhandlungen des UN-Sicherheitsrats über Kashmir kein Veto mehr einlegen würde. Ob diese Konstruktion im pakistanischen Kalkül eigene militärische Absichten gegen Indien erleichtern oder obsolet machen sollte, muss dahingestellt bleiben.47 Das MID bewertete den Besuch auf jeden Fall als nützlich. Gegenüber ihren osteuropäischen Verbündeten betonte die sowjetische Diplomatie neue Möglichkeiten, »im Interesse aller sozialistischen Länder« »Einfluss […] auf den außenpolitischen Kurs Pakistans« zu nehmen.48 Vielleicht genügte es der sowjetischen Führung aber einstweilen auch einfach, Khans Empfang in Peking gekontert zu haben, wie die britische Diplomatie vermutete.49 Dass schließlich die Johnson-Adminstration Ende April 1965 wegen ihrer ständig steigenden Unzufriedenheit mit Pakistans Vietnam-, China- und Sowjetunionpolitik, Indiens Pakistan- und Vietnampolitik sowie den bilateralen Scharmützeln zwischen beiden Staaten sowohl Ayub Khans Besuch als auch – unter dem Johnson’schen Primat der »Gleichbehandlung« der verfeindeten Parteien – Shastris Visite in den USA erst einmal absagte, kam Moskau so oder so gelegen.50 46 Vgl. sowjetischer Botschafter Rawalpindi, Nesterenko, an Lichačev, 4.3.1965, AVP, f. 117, op. 19, papka 35, d. 15, ll. 1 ff.; Semičastnyj an ZK, 5.3.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 482, ll. 20 ff.; sowjetisch-pakistanisches Kommuniqué, 11.4.1965, PA AA, MfAA, C 91/78; Ausarbeitungen sowjetische Botschaft Karachi, 17.4.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 24, d. 19, ll. 25 ff., sowie op. 19, papka 35, d. 15, ll. 45 ff.; Krysin, Indo-pakistanskij konflikt, S. 317 f. 47 Vgl. Vermerk MID-Abt. Südasien, 24.8.1965, AVP, f. 117, op. 19, papka 35, d. 15, ll. 108–113; Burke/Ziring, Pakistan’s foreign policy, S. 301–303; Gauhar, Ayub Khan, S. 186–193; Ram, Soviet policy, S. 128–132, 178–180; Muhamad, The United States, S. 273–282. 48 Vermerk über Gespräch Staatssekretär Winzer mit sowjetischem Gesandten Šiljakov am 23.4.1965, 27.4.1965, PA AA, MfAA, A. 18018, Bl. 112–115, hier Bl. 112. Auch wenn pakistanische Vertreter nach dem Besuch in Washington eine härtere Gangart hinsichtlich der Spionageeinrichtungen in Peshawar u. a. Orten einschlugen, war dies offenbar in Moskau selbst kein Gesprächsthema, vgl. McConaughy an State Department, 21.4.1965, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 105. Vgl. Gemeinsames Kommuniqué, 11.4.1965, in: Jain (Hg.), Soviet South Asian relations 2, S. 29–33; sowjetisch-pakistanisches Kulturabkommen, 5.6.1965, ebd., S. 38–41. 49 Vgl. Brimelow an FO, Stewart, 20.4.1965, NAK, DO 196/510. 50 Vgl. Vermerk sowjetische Botschaft Karachi, 29.4.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 24, d. 19, ll. 28 ff.; McGarr, The cold war, S. 279–284, 291–300; Bearth, Weizen, S. 51–78, 127–129.

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In der Zwischenzeit hatte Pakistan parallel zu seinen diplomatischen Aktivitäten den militärischen Druck auf Indien erhöht. Im Januar 1965 ließ Rawalpindi im Gebiet des Rann of Kutch umstrittene Landstreifen besetzen.51 Im April 1965 kam es zu mehrwöchigen Schusswechseln und Artillerieduellen, und am Monatsende mobilisierten Delhi und Rawalpindi zum großen Krieg. Moskau konnte sich zu keiner politischen Aktion durchringen. Dagegen ergriff London, das seine Bedeutung in Südasien beweisen und erhalten wollte, die Initiative für eine schiedlich-friedliche Beilegung des Konflikts. Auf diese Weise verhinderte die alte Kolonialmacht zunächst Ausweitungen der Kämpfe.52 Die Scharmützel hatten die Perspektiven für eine indisch-pakistanische Annäherung in anderen Streitfällen nur verschlechtert. Dies demonstrierte nicht zuletzt die neuerliche Verhaftung des ›Löwen von Kashmir‹, Sheikh Abdullah, in Indien.53 Zudem reichte der kurze Waffengang aus, um das amerikanische Verhältnis zu beiden Staaten weiter zu belasten. Indien machte Washington vehemente Vorwürfe, weil die pakistanische Armee amerikanische Waffen gegen Indien eingesetzt hatte. Auf der anderen Seite kürzte der amerikanische Senat angesichts der Kämpfe der Einfachheit halber gleich beiden Kontrahenten die Militärmittel.54 US-Botschafter Bowles registrierte darob in Indien eine nahezu irrationale Verärgerung von Politik und Öffentlichkeit, die Delhi für sowjetische Manöver anfällig machen würden.55 51 Vgl. Bowles an State Department, 19.2. und 24.4.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokumente Nr. 87, 108; Komer an Bundy, 26.4.1965, ebd., Dokument Nr. 110; Srivastava, Lal Bahadur Shastri, S. 192 f. 52 Das von Wilson vermittelte Abkommen vom 30.6.1965 unterwarf den Gebietsstreit einem Schiedsspruch. Der erging im Februar 1968 und beließ rund 10 % des Gebiets bei Pakistan, vgl. Editorial Note, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 138; Burke/Ziring, Pakistan’s foreign policy, S. 322 ff.; Gauhar, Ayub Khan, S. 199–204; Colman, Britain; McGarr, The cold war, S. 270–276, 301–312; Srivastava, Lal Bahadur Shastri, S. 195 f.; MID-Abt. Südasien an Kuznecov, 30.4.1965, mit Weiterleitung an ZK-Präsidium, AVP, f. 117, op. 18, papka 24, d. 19, ll. 35 ff. 53 Unmittelbarer Anlass waren jedoch Kontakte Abdullahs zu Zhou Enlai und die Gesamtlinie Abdullahs, der mit Forderungen nach Kashmirs Selbstbestimmung die indische Politik angriff, vgl. Korbel, Danger, S. 323–327; Schofield, Kashmir, S. 103–106; Swami, India, S. 67–69; Singh, Autobiography, S. 284–296; Bhattacharjea, Sheikh Mohammad Abdullah, S. 226 f. Allg. vgl. indisch-pakistanischen Notenwechsel 13.3. und 20.4.1965, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 329–333. 54 Vgl. neben vorhergehenden Anm. McConaughy an State Department, 27.4.1965, ebd., Nr. 111; Aufzeichnung Gespräch Rusk mit B. K. Nehru, 8.5.1965, ebd., Nr. 117; State Department an US-Botschaft Karachi, 27.4.1964, ebd., Nr. 112. 55 Vgl. Bowles an State Department, 21. und 24.4., 10.5.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 106, 108 und 119; Rusk an US-Botschaft Karachi, 24.4.1965, ebd., Nr. 109; Komer an Johnson, 8.6.1965, ebd., Dokument Nr. 128.

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Shastris Besuch in der UdSSR (12. bis 19. Mai 1965) war allerdings schon vor dem Konflikt vereinbart worden.56 Brežnev hatte mittlerweile Gefallen an Gipfeltreffen gefunden, erhöhten sie doch neben dem internationalen Prestige der UdSSR auch sein eigenes. Dazu boten sie erstklassige Informationsmöglichkeiten und ermöglichten der Sowjetunion, »Initiative und Position in der internationalen Politik zu bewahren«.57 In sowjetischen Augen sollte Shastris Visite dem »wachsenden Einfluss der rechten Kräfte« und einer perzipierten Inkonsequenz der indischen internationalen Politik in den letzten Monaten entgegensteuern, um das vermeintliche alte Bündnis für Frieden und gegen Imperialismus und Kolonialismus mit neuem Leben zu erfüllen. Dagegen strebte die indische Seite danach, Chruščevs Nachfolger für die indische Auslegung diverser Aspekte nationaler und internationaler Politik zu begeistern.58 In den Spitzengesprächen unterstrich Shastri konsequent den hohen Wert von indischer Lesart und Praxis der friedlichen Koexistenz, Antikolonialismus und vor allem Blockfreiheit. Brežnev dagegen versuchte, den Gast gleich zu Gesprächsbeginn auf den weltweiten politischen Kampf einzustimmen. Er sei kein Diplomat, entschuldigte Brežnev nach nur wenigen Sätzen über das Wetter kokett eine Gesprächsführung a là Chruščev, in der Meinungsverschiedenheiten deutlich zur Sprache kamen.59 Doch auch Shastri nahm in Fragen von nationalpolitischer Bedeutung kein Blatt vor den Mund. Dies betraf vor allem Indiens unmittelbare Auseinandersetzungen mit China und Pakistan. Hier forderte der indische Premier von Moskau eindeutigere Stellungnahmen zugunsten der indischen Politik.60 Die sowjetische Führungsmannschaft erteilte dem indischen Wunsch nach entsprechenden Formulierungen im Abschlusskommuniqué jedoch eine klare Absage und rief ihrerseits Delhi zur Mäßigung auf, zum Wohle internationaler Friedenswahrung.61 Angesichts dieser Grundpositionen konnten sich die Spitzenpolitiker wohl auf antikoloniale und friedenswahrende Gemeinsam56 Vgl. Vermerk Quilitzsch über Gespräch mit Smirnov, 11.5.1965, PA AA, MfAA, C 995/71, Bl. 46–48; Rossmeisl an Kiesewetter, 21.5.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 77–79, hier Bl. 79. 57 Brežnev auf Versammlung Leiter Rajkom u. a., Leningrad, 12.7.1965, in: General’nyj sekretar’ L. I. Brežnev, S. 32 ff., hier S. 47 f. 58 Vgl. Information Rossmeisl über Gespräch mit Lichačev am 26.5.1965, 27.5.1965, PA AA, MfAA, A. 17094, Bl. 66–73, hier Bl. 66 f.; MfAA, Information Nr. 16/III über Ausführungen sowjetischer Botschaftsrat Orlov am 16.12.1965, 3.2.1966, PA AA, MfAA, C 995/71, Bl. 115 ff.; Kaul, Diplomacy, S. 158. 59 Protokoll Gespräch Brežnev mit Shastri, 14.5.1965, NMML, T. N. Kaul Papers, 15. 60 Vgl. ebd.; Protokoll Gespräch Shastri mit Kosygin, 15.5.1965, ebd.; Rossmeisl an Kiesewetter, 21.5.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 77–79, hier Bl. 78. 61 Vgl. ebd.; Kaul, Diplomacy, S. 159 f.

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keiten in der Vietnampolitik einigen. Dagegen zeigten sich bereits bezüglich der Nichtverbreitung von Atomwaffen wieder unterschiedliche Stoßrichtungen, nämlich gegen China respektive gegen die NATO. Ausweislich der vorliegenden Gesprächsprotokolle wurde ein früher angedachter Nuklearschirm gegen China gar nicht erst weiter erörtert.62 Ungeachtet dessen gaben sich sowjetische Diplomaten im Nachhinein mit den Gesprächen zufrieden, zumal sich in ihren Augen Shastri danach offener gegen US-Aktivitäten in Vietnam und freundlicher über die indisch-sowjetischen Verbindungen äußerte.63 Auch Shastri und sein Botschafter Kaul schienen den Besuch positiv zu bewerten. Die indischen Diskussionen über die internationalen Dimensionen und vor allem Anknüpfungspunkte des eigenen Nationalprojekts dauerten allerdings an, wie die Kritik verschiedener Kabinettsmitglieder am vermeintlich prosowjetischen Kommuniqué deutlich machte. Sie wurde, wenig überraschend, von London und Washington geteilt.64 Die indisch-amerikanischen Beziehungen näherten sich in dieser Zeit ohnehin weiteren Untiefen, da die Johnson-Administration die Frage benötigter Lebensmittellieferungen an Indien mit Forderungen nach einer grundsätzlichen Neuausrichtung der indischen Landwirtschafts- und allgemeinen Entwicklungspolitik verband und Militärhilfen nach Südasien weiterhin konsequent beschränkte.65 Wenn letztgenannte Maßnahme darauf zielte, eine weitere Eskalation der indisch-pakistanischen Spannungen zu verhindern, dann griff sie deutlich zu kurz. Zahlreiche Vorfälle entlang der Waffenstillstandslinie in Kashmir wurden von beidseitigen Truppenkonzentrationen an der Grenze begleitet. Mitte 62 Vgl. neben Anm. 58–59 Abschlusskommuniqué, 19.5.1965, in: Prasad (Hg.), Indo-Soviet relations, S. 295–302; [FO?], Background note, Juli 1965, NAK, PREM 13/973; britische Botschaft Moskau an FO, 19.5.1965, NAK, FO 181/1182; Vermerk über Gespräch Winzer mit Shilijakow, 25.6.1965, PA AA, MfAA, A. 18018, Bl. 126–129, hier Bl. 127 f.; Gaiduk, The Soviet Union, S. 19–47. 63 Vgl. Information Böttger, 21.6.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 47–53, hier Bl. 47 f.; Information Rossmeisl über Gespräch mit Lichačev am 26.5.1965, 27.5.1965, PA AA, MfAA, A. 17094, Bl. 66–73; Brežnev auf Versammlung Leiter Rajkom u. a., Leningrad, 12.7.1965, in: General’nyj sekretar’ L. I. Brežnev, S. 32 ff., hier S. 47 f. 64 Vgl. FO an Botschaft Moskau, 9.6.1965, NAK, FO 181/1182; State Department, Background Paper Visit Chancellor Erhard: Shastri and Ayub, 4.6.1965, DDRS, CK3100128539. 65 Vgl. Komer an Bundy, 2.7., 20.8. und 13.9.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 140, 173, 203; Aufzeichnung über Gespräch Johnson mit B. K. Nehru, 13.7.1965, ebd., Nr. 149; Bowles an State Department, 9.7.1965, ebd., Nr. 197; Bowles an NSC, Komer, 21.9.1965, ebd., Nr. 219; State Department an US-Botschaft Delhi, 29.10.1965, ebd., Nr. 240; Aufzeichnung Gespräch Johnson mit Subramaniam, 20.12.1965, ebd., Nr. 270; Bearth, Weizen, S. 148–242; Ahlberg, Machiavelli; Ahlberg, Transplanting, S. 106–131; Cullather, The hungry world, S. 199–209; Goldsmith, The Rockefeller Foundation, S. 101–109.

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Mai 1965 besetzten indische Truppen bei Kargil strategisch relevante Posten im pakistanisch kontrollierten Teil Kashmirs.66 Auf der Commonwealth-Konferenz im Juni 1965 zeigte sich, dass weder Delhi noch Rawalpindi zu den Zugeständnissen bereit war, die für eine umfassende Regelung aller bilateralen Probleme notwendig gewesen wären.67 In der indischen Hauptstadt beobachtete man dabei mit Argwohn, dass Bhutto für seine bellizistische Linie auf die chinesische Karte setzte, während Präsident Ayub sich um das Verständnis Washingtons bemühte.68 Im Gegensatz zum hoch sensibilisierten Indien unterschätzten Moskauer Beobachter anscheinend noch Ende August 1965 die pakistanische Kampfbereitschaft. Es ist unklar, inwieweit die sowjetische Fokussierung auf mögliche oder auch nur erhoffte Anzeichen einer Verschlechterung der pakistanisch-amerikanischen Beziehungen die eigene Wahrnehmung trübte.69 Immerhin hatte die indische Regierung bereits am 8. August 1965, also unmittelbar nach Beginn der pakistanischen Infiltrationsoperation ›Gibraltar‹, neben den USA und Großbritannien auch die UdSSR über »großflächige pakistanische Infiltrierungen« in Kashmir unterrichtet. Zugleich hatte Delhi angekündigt, dass Indien, wenn die Übergriffe nicht aufhörten, sich zu starken Gegenmaßnahmen gezwungen sähe.70 Rawalpindis Vorgehen zielte auf eine Lösung des Kashmirkonflikts nach pakistanischen Vorstellungen.71 Indische Vergeltungsschläge über die Waffenstillstandslinie hinweg führten zu einer direkten Beteiligung der pakistanischen

66 Vgl. Talbot an SoS, Rusk, 10.6.1965, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 130; McConaughy an State Department, 11.6.1965, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 132; State Department an US-Botschaft Delhi, 15.6.1965, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 133. 67 Vgl. Ayub Khan und Shastri auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 6. Sitzung, 18.6.1965, NAK, CAB 133/254. 68 Vgl. Komer an Johson, 19.8.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 170; State Department an US-Botschaft Delhi, 15.6.1965, ebd., Dokument Nr. 133; Memorandum CIA, Office of Current Intelligence, Possible Sino-Pakistani military arrangement, 6.9.1965, ebd., Nr. 186; Shastri und Ayub Khan auf Commonwealth Prime Ministers’ Conference, 6. Sitzung, 18.6.1965, NAK, CAB 133/254; Jahresbericht MEA für 1965/1966, NAI, Q/GA/551/90/66. 69 Vgl. Vermerk sowjetische Botschaft Pakistan, [Juni 1965], AVP, f. 117, op. 19, papka 35, d. 15, ll. 99 ff.; Vermerk MID-Abt. Südasien, 21.7.1965, AVP, f. 117, op. 19, papka 35, d. 15, ll. 93 ff.; Kosygin an Ayub Khan, 8./9.7.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 23, d. 8, l. 25; Referent sowjetische Botschaft Pakistan, Perov, Kurzinformation über indisch-pakistanische Beziehungen, 23.8.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 24, d. 19, ll. 66 ff. 70 Vgl. State Department an US-Botschaft Indien, 8.8.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 164. Zu ›Gibraltar‹ vgl. Gauhar, Ayub Khan, S. 206–220; Wolpert, Zulfi Bhutto, S. 89–100; Khan, The first round; Krishnan, Chavan, S. 127–131. 71 Vgl. Komer an Johnson, 28.8.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 175.

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Armee an den Kämpfen.72 Nun drohten von indischer Seite aus weitere Eskalationsstufen bis hin zu Militärschlägen außerhalb Kashmirs.73 Der endgültige und absolute Waffenboykott, den die USA über die Streitparteien verhängte, erbrachte keine Entspannung.74 Auf der anderen Seite erwiesen sich sowjetische Hoffnungen, deeskalierend sowohl auf Delhi als auch auf Rawalpindi einwirken zu können, gleichfalls als verfehlt. Indische Offizielle bemühten sich spätestens seit Mitte August 1965 zwar um Moskauer Zusicherungen in der Kashmirfrage.75 Für die UdSSR stand in Kashmir aber mehr auf dem Spiel als die eigenen Beziehungen zu Indien und Pakistan. Der Kreml betrachtete den Krieg auch jetzt nicht nur als ein quasi übliches imperialistisches Manöver, das negative Auswirkungen auf die innenpolitischen Entwicklungen in Indien und Pakistan haben musste. Angesichts der geografischen Gegebenheiten stellte die drohende Explosion des Konflikts weiterhin ein unkalkulierbares Risiko für Sicherheit und südasiatischen Einfluss der UdSSR selbst dar, zumal Ausweitungen dazu führen könnten, dass China oder Vermittler der UN, Großbritanniens oder anderer kapitalistischer Mächte direkt involviert würden.76 Daher wurden indische Vertreter immer wieder darauf gedrängt, die beklagte Infiltration möglichst zügig aus eigener Kraft zu beenden.77 Auf diplomatischer Ebene vermied Moskau derweil jede Stellungnahme pro oder contra Delhi. Nach Kosygins persönlichen Botschaften vom 20. August an Shastri und Ayub Khan forderte die Pravda am 24. August 72 Vgl. Komer an Johnson, 31.8.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 176; Bowles an State Department, 1.9.1965, ebd., Nr. 177. 73 Vgl. State Department an US-Botschaft Indien, 3.9.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 180; Bowles an State Department, 4.9.1965, ebd., Nr. 181; Aufzeichnung Gespräch Johnson mit B. K. Nehru, 9.9.1965, ebd., Nr. 195; U Thant an Bhutto, 29.12.1965, UNA, S-0370, Box 18, File 10; McGarr, The cold war, S. 314–318; Krishnan, Chavan, S. 127–160. 74 Vgl. State Department an US-Botschaft Pakistan, 5.9.1965, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 185; Komer an Johnson, 7.9.1965, ebd., Nr. 190; Bowles an State Department, 1.9.1965, ebd., Nr. 177; State Department an US-Botschaft Indien, 3.9.1965, ebd., 180. 75 Vgl. britische Botschaft Moskau an FO, 2.9.1965, NAK, FO 371/182772; britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, Martin, 3. und 10.9.1965, NAK, FO 181/1182. 76 Vgl. Kosygin an Ayub Khan, 4.9.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 23, d. 8, ll. 35–37; Vermerk politische Abteilung DDR-Botschaft Moskau über Gespräch mit Mendelevič, 14.9.1965, PA AA, MfAA, A. 168, Bl. 233 f. Zur UN usw. vgl. Memorandum über Gespräch mit Präsident Kashmir, 2.9.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 178; Schriftwechsel Generalsekretär UN und Regierungen Indien/Pakistan, September 1965, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 333–351; Berichte Generalsekretär an SC, September 1965, ebd., S. 351–377; Krysin, Indo-pakistanskij konflikt, S. 318 f. 77 Vgl. T. N. Kaul an Gandhi, 29.9.1965, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with I. Gandhi.

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mit traditonell antiimperialistischen Argumenten, die Kämpfe unverzüglich einzustellen: »Es besteht kein Zweifel darüber, dass der Konflikt in Kashmir keiner der Seiten, die direkt an dem Streit teilhaben, Gewinn bringen kann.«78 Anfang September bot die sowjetische Führung ihre »guten Dienste« zur Beilegung des Konflikts an.79 Das Angebot verhallte ebenso ungehört wie die von der UdSSR mitgetragenen Resolutionen des Sicherheitsrats, der am 4. und am 6. September die beiden Parteien zur Beendigung der Kampfhandlungen aufrief.80 Vielmehr rückten am 6. September indische Truppen über die internationale Grenze gegen Lahore vor. Pakistan war kampfbereit. Für Delhi waren der Rückzug aller irregulären pakistanischen Kräfte aus dem indischen Teil Kashmirs sowie die Festigung eigener, verbesserter strategischer Stellungen in der Region vordringliche Kriegsziele. Von der in Rawalpindi angestrebten Volksabstimmung in Kashmir konnte sich Indien 1965 dagegen nichts erhoffen. Die internationalen Reaktionen auf die Eskalation der Kämpfe führten die bisherigen globalen Frontlinien fort. Die indische Armee durfte für ihr sowjetisches Kriegsgerät zumindest mit Ersatzteilen rechnen, nicht aber mit umfangreichen Waffenlieferungen aus Moskau. Pakistan erhielt von den USA oder aus Großbritannien offenbar keine Hilfestellung.81 China hingegen schlug sich demonstrativ auf die Seite der Regierung Ayub Khan. Es muss offenbleiben, inwieweit Peking hier gezielt auf eine Verlängerung des Konflikts hinarbeitete, um seine Kontrahenten zu binden und sich Rawalpindi noch unentbehrlicher zu machen. Das ZK der KPdSU war sich wohl mit einigem Recht sicher, dass die chinesische Politik in diesen Monaten einen Feldzug gegen eine angebliche antichinesische Weltverschwörung unter gemeinsamer Anleitung von USA und UdSSR führte.82 Konkret kam China sowjetischen Informationen zufolge 78 Pravda, 24.8.1965, S. 4, Nastojatel’naja neobchodimost’. Vgl. Kosygin an Ayub Khan, 20.8.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 23, d. 8, ll. 30 ff. 79 Vgl. Kosygin an Shastri und Ayub Khan, 4.9.1965, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 383–387; Stepanov, Konflikt, S. 31. 80 Vgl. Resolutionen SC, Nr. 209 und Nr. 210, 4. und 6.9.1965 unter http://www.un.org/en/sc/ documents/resolutions/1965 (letzter Zugriff: 26.4.2018). 81 Lieferungen aus der Türkei, dem Iran, Indonesien oder Portugal an Pakistan erwiesen sich als ungenügend, vgl. Aufzeichnung Gespräch T. T. Krishnamachari mit Kosygin, 12.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43; Bowles an State Department, 11. und 16.9.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 201, 207; State Department an US-Botschaften Pakistan und Indien, 6.9.1965, ebd., Dokument Nr. 188–189; Komer an Johnson, 7.9.1965, ebd., Nr. 191; McConaughy an State Department, 6., 10. und 18.9.1965, ebd., Dokumente Nr. 187, 212, 200. 82 Vgl. ZK KPdSU an ZK SED, 19.1.1966, SAPMO-BArch, DY 30/3611, Bl. 30 ff., hier Bl. 30–37., 45–47.

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pakistanischen Bitten um Waffen nach, ohne dass klar ist, in welchem Umfang und wie zeitnah diese Lieferungen erfolgt wären. Bisherige Forschungsergebnisse legen nahe, dass Chinas Engagement keine militärisch relevanten Ausmaße annahm.83 Dagegen waren Pekings diplomatische Aktionen zweifellos von Bedeutung. Am 8. September beschuldigte die chinesische Diplomatie mit drohendem Unterton Delhi neuer Grenzverletzungen. Am 16. September forderte China Indien ultimativ auf, binnen drei Tagen Militärstellungen an der Grenze zwischen China und Sikkim abzubauen. Peking unterfütterte indischen Informationen zufolge die Forderungen mit Aufmarschbewegungen bei Ladakh, verlängerte aber das Ultimatum nach Ablauf der Frist bis zum 22. September 1965. Der 22. September verstrich ebenfalls ohne weitere chinesische militärische Aktivitäten. Die Pekinger Presse gab bekannt, dass Indien grundsätzliche Forderungen erfüllt habe. Zugleich erhielt China die diplomatische Druckkulisse aufrecht. Auch während der kommenden Wochen blieb Peking im Hintergrund mit immer neuen Drohgebärden präsent.84 Spätestens mit den chinesischen Manövern sah sich die Moskauer Politik zu mehr eigenem Engagement gezwungen, liefen die Aktivitäten Pekings doch allen sowjetischen Ideen zuwider: Sie verschärften nicht nur die aktuelle Krise, sondern schwächten die Position der UdSSR in Pakistan und drohten, Indien wie schon einmal 1962 näher an Washington und London rücken zu lassen.85 Moskau verfügte weiterhin nicht über den notwendigen Einfluss auf Peking, um diesem außenpolitischen Dilemma zu entkommen. Eine langfristige Lösung der indisch-pakistanischen Probleme über den Sicherheitsrat blieb mit allen

83 Vgl. Vermerk MID-Abt. Südasien über pakistanisch-chinesische Beziehungen, 19.5.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 37, d. 14, ll. 50 ff.; Gauhar, Ayub Khan, S. 232–237; Naseem, Pak-Soviet relations, S. 149 f.; Khan, The first round, S. 37–50, 109 f.; Swami, India, S. 62 f.; Singh, Sino-Pakistan relations, S. 123 f., 136, 162, 172–178; Tang, Beyond India, S. 12 f. 84 Vgl. FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 192, Anm. 2; State Department an US-Botschaft Delhi, 17.9.1965, ebd., Nr. 208, Anm. 4; Bowles an State Department, 18.9.1965, ebd., Nr. 211; State Department an US-Botschaft Pakistan, 18.9.1965, ebd., Dokument Nr. 214; White House Situation Room an Johnson, 23.9.1965, ebd., Dokument Nr. 223; chinesische Noten und Verlautbarungen in Jain (Hg.), China South Asian relations 2, S. 71–98; Srivastava, Lal Bahadur Shastri, S. 253 f., 263 f., 277–282; Chakravorty, History, S. 306–311; McGarr, The cold war, S. 326–333. 85 Vgl. Aktenvermerk politische Abteilung DDR-Botschaft Moskau über Gespräch mit Mendelevič, 14.9.1965, PA AA, MfAA, A. 168, Bl. 233 f.; State Department an US-Botschaft Delhi, 17.9.1965, ebd., Nr. 208; T. N. Kaul an Gandhi, 29.9.1965, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with I. Gandhi; Kaul an Foreign Secretary, C. S. Jha, 28.9.1965, ebd.

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Negativa der UN-Politik belastet.86 Dies waren, soweit die prekäre Aktenlage überhaupt Rückschlüsse auf die Beweggründe der Kreml-Führung zulässt, wohl wesentliche Motive für die folgenden sowjetischen Schritte in Südasien. Zum einen setzte sich Moskau im UN-Verbund für eine schnellstmögliche Beendigung der Kämpfe ein, zum anderen knüpfte die sowjetische Führung an ihre Vermittlungsangebote an und lud am 17. September die Parteien in die UdSSR ein, um auf diese Weise die langfristige Streitschlichtung mitprägen zu können.87 Die Mehrfachstrategie zeitigte Erfolge, auch, weil Washington und London ihrerseits auf ein Ende des Kriegs drängten. Auf Forderung des Sicherheitsrats ließen Indien und Pakistan am 22. September 1965 die Waffen ruhen.88 In den anstehenden politischen Gesprächen verfolgten Indien und Pakistan diametral entgegengesetzte Agenden. Während Pakistan weiter auf eine UN-Lösung des Kashmirproblems zu eigenen Gunsten setzte, machte Delhi deutlich, dass es seine strategisch-territorialen Kernziele und eine diplomatisch-militärische Absicherung gegen potentielle neue pakistanische Gewaltmaßnahmen anstrebte.89 Diese Haltung bestimmte auch Delhis recht gemischte Reaktion auf die sowjetischen Aktivitäten. Das sowjetische Gesprächsangebot war zwar dem gesamten politischen Establishment als Rückendeckung sowohl gegen Peking als auch gegen möglichen amerikanischen Druck, einen Kompromiss mit Pakistan zu erzielen, willkommen.90 Doch ansonsten gingen die Meinungen darüber, ob 86 Vgl. neben Anm. 82 Beschluss ZK-Präsidium, 28.1.1965, in: Prozumenščikov (Hg.), Spor, Teil 2, S. 14–21, hier S. 17; ZK KPdSU an ZK SED, 19.1.1966, SAPMO-BArch, DY 30/3611, Bl. 30 ff., hier Bl. 30–41; Pradhan, Debacle, S. 281 f. 87 Vgl. Kosygin an Ayub Khan, 17.9.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 23, d. 8, ll. 60 f.; Trojanov­ skij, Čerez gody, S. 270; Kapica, Na raznych paralleljach, S. 346; Suchodrev, Jazyk, S. 205; Stepanov, Konflikt, S. 31. Eine sehr zurückhaltende Einschätzung des MID von Anfang Oktober in Krysin, Indo-pakistanskij konflikt, S. 321. 88 Vgl. Resolution Sicherheitsrat Nr. 211 (1965), 20.9.1965, http://www.un.org/en/ga/search/ view_doc.asp?symbol=S/RES/211(1965) (letzter Zugriff: 26.4.2018). Vgl. Chakravorty, History, S. 312, 320 f. Die indischen Verluste betrugen 11.479 Menschen, davon 2862 Tote und 8617 Verwundete. Pakistan gab 1033 Gefallene an, indische Schätzungen gingen von 5800 pakistanischen Toten aus. 89 Vgl. T. N. Kaul an Foreign Secretary Jha, 28.9.1965, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with I. Gandhi; Editorial Note, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 204; Chakravorty, History, S. 312; McConaughy an State Department, 19., 20., 21. und 23.9., 26.11.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokumente Nr. 215, 217, 220, 224, 252; Aufzeichnung Gespräch Ayub Khan mit Johnson, 14.12.1965, ebd., Nr. 263; US-Botschaft Rawalpindi an State Department, 6.1.1966, in: Marker (Hg.), American papers, S. 96 f.; James an CRO, Pickard, 25.11.1965, NAK, DO 196/510; Gauhar, Ayub Khan, S. 258 f. 90 Vgl. Bowles an State Department, 21.9.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 221; Komer an Johnson, 1. und 30.10.1965, ebd., Dokumente Nr. 230, 241; Komer an Bundy, 11.11.1965, ebd., Nr. 245.

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man sich in den konkreten Streitpunkten von der UdSSR wirklich Hilfe und Unterstützung erhoffen konnte, auseinander. Gegen den indischen Botschafter in Moskau, der auf die sowjetische Karte setzen wollte, formierte sich in indischer Politik und Presse eine starke Gegenfront. »They feel that you are not giving a balanced assessment of the Soviet Government’s views and, therefore, India is led to expect more from them than they may be willing to concede.«91 Vor diesem Hintergrund neigte Premierminister Shastri zu einer Kompromisslinie, die das sowjetische Vermittlungsangebot grundsätzlich akzeptierte, doch erst nach weiteren Gesprächen im Rahmen der UN darauf zurückkommen wollte – »falls notwendig«.92 Für den Moment schien sich auch Pakistan von einer direkten Einschaltung des Sicherheitsrats mehr zu versprechen.93 In dieser Pattsituation blieb die Lage entlang der pakistanisch-indischen Stellungen unruhig. Die Öffentlichkeit in beiden Staaten präsentierte sich fortgesetzt hysterisch. Daher, sowie angesichts konkurrierender Bemühungen dritter Mächte, betrieb die UdSSR ihre Vermittlungsversuche mit steigender Intensität. Offenkundig sah man in Moskau eine Chance auf eine gütliche Teilung Kashmirs. Damit würde sich die Situation in Südasien weitgehend entschärfen. Die Normalisierung der indisch-pakistanischen Beziehungen ohne amerikanische Prägung, gegen den chinesischen Unruhestifter und mit erheblichen sowjetischen Raumgewinnen schien in Reichweite.94 Immerhin hatte sowjetischen Aufzeichnungen zufolge zuletzt Bhutto am 10. Oktober 1965 in Aussicht gestellt, dass bei einer »würdigen Regulierung des Kashmirstreits mit Hilfe der guten Dienste und der Zusammenarbeit der UdSSR Pakistan-Regierung der Teilnahme an den Pakten CENTO und SEATO entsagt«.95 Es ist ungewiss, ob Bhutto das Angebot bei seinem Besuch in Moskau am 25. November noch einmal wieder91 Gandhi an T. N. Kaul, 21.9.1965, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with I. Gandhi. Vgl. Gandhi an Kaul, 22.9.1965, ebd.; Kaul an Foreign Secretary Jha, 28.9.1965, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with I. Gandhi; Kaul an Gandhi, 25. und 29.9.1965, ebd.; Kaul, Diplomacy, S. 161 f. 92 Bowles an State Department, 21.9.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 221. 93 Antworten Shastris und Ayub Khans, in: Pravda, 26.9.1965, S. 2. Vgl. T. N. Kaul an Foreign Secretary Jha, 28.9.1965, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with I. Gandhi; Kaul an Gandhi, 29.9.1965, ebd.; Gauhar, Ayub Khan, S. 246 f., 257 f. 94 Vgl. Gromyko an Suslov u. a., Entwurf Vermerk Außenpolitische Kommission, 11.11.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 489, ll. 42–49, hier ll. 43–46; Protokoll Gespräch T. T. Krishnamachari mit Kosygin, 12.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43; James an CRO, Pickard, 25.11.1965, NAK, DO 196/510; Chakravorty, History, S. 315–317. 95 Gromyko an Suslov u. a., Entwurf Vermerk Außenpolitische Kommission, 11.11.1965, RGANI, f. 5, op. 30, d. 489, ll. 42–49, hier l. 48. Vgl. Protokoll Gespräch Krishnamachari mit Gromyko, 16.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43.

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holte. Der pakistanische Außenminister ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass Pakistan unter welcher Formel auch immer die Kashmirproblematik intensiv angehen wollte und sich hier eventuell auch von der UdSSR entsprechenden Druck auf Indien erwartete.96 Die in der ganzen pakistanischen Spitze vorherrschende »Psychose hinsichtlich Indiens« und ihr indisches Pendant ließen so oder so harte Verhandlungsrunden erwarten.97 Die indische Seite erläuterte ihre Pläne während des Besuchs von T. T. Krishnamachari in Moskau Anfang November. Demnach gab es bezüglich Kashmirs nichts außer der pakistanischen »Aggression« und »Okkupation« zu besprechen. Unterredungen über die gesamte Bandbreite aller indisch-pakistanischen Probleme würde sich Indien jedoch nicht entziehen.98 Damit war klar, dass Delhi in der Kashmirfrage zu keinen grundlegenden Konzessionen bereit war und ansonsten großen Wert auf die kürzlich errungenen militärstrategischen Verbesserungen in Kashmir legte. Fast schon plump-vertraulich verwies Krishna­ machari dabei auf sowjetische Zwangslagen in der globalen Systemkonkurrenz und in der sowjetisch-chinesischen Beziehungskrise hin, um sich der sowjetischen Unterstützung zu versichern. »In unseren letzten Konflikten war der Westen antiindisch eingestellt«, stellte der Finanzminister Mikojan indirekt Renditen einer adäquaten sowjetischen Südasienpolitik in Aussicht. »Diese Meinung teile ich mit Lal Bahadur Shastri und vielen anderen.«99 Und, warnend, mit Blick auf Peking: »Die Chinesen werden bis zum letzten Vietnamesen, bis zum letzten Inder und bis zum letzten Angehörigen jeder anderen Nationalität kämpfen, um die USA und die ›Chruščev’schen Revisionisten‹ zu besiegen«.100 Krishnamachari rannte mit derlei Überlegungen durchaus offene Türen ein. Moskau selbst war in der globalen und regionalen Konstellation an einem ter-

 96 Vgl. britisches Hochkommissariat Karachi an SoS CRO, 29.11.1965, NAK, DO 196/510; Bhutto an MID, 9.12.1965, AVP, f. 667, op. 1, papka 1, d. 1, l. 19.  97 Record of Meeting Johnson und Berater, 15.12.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 267. Vgl. Aufzeichnung Gespräch Ayub Khan und Ball, 14.12.1965, ebd., Nr. 265; Aufzeichnung Gespräch Ayub Khan mit Wilson, 11.12.1965, NAK, PREM 13/462.  98 Vgl. Protokoll Gespräch T. T. Krishnamachari mit Kosygin, 12.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43; Protokoll Gespräch T. T. Krishnamachari mit Gromyko, 16.11.1965; Evaluation of the salient aspects of the Kashmir Question für Gespräche Krishnamachari in Moskau 9.–17.11.1965, NMML, Nr. 294, Subject File 43; US-Botschaft Delhi an State Department, 1.1.1966, in: Marker (Hg.), American papers, S. 93–95, hier S. 94.  99 Protokoll Gespräch Krishnamachari mit Mikojan, 17.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43. 100 Ausarbeitung für Gespräche T. T. Krishnamachari in Moskau, November 1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43.

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ritorial gefestigten und militärisch starken Indien gelegen.101 Moskau setzte in der aktuellen Situation jedoch eigene Akzente, wenn etwa Kosygin gegenüber Krishnamachari die Alternativlosigkeit von Friedensgesprächen betonte.102 Bezeichnenderweise sammelte das MID zur Vorbereitung der Konferenz von Taškent unter anderem Materialien, die vermeintlich verbindende antikoloniale Gemeinsamkeiten der zerstritten Staaten dokumentierten.103 Schließlich war Moskau auch in der aktuellen Krisensituation nicht geneigt, die innenpolitische Entwicklung Indiens aus den Augen verlieren. In dieser Hinsicht wurde die UdSSR Ende 1965 durch neue Verhaftungswellen gegen indische Kommunisten aufgeschreckt. Doch wie in den Vorjahren, so ließ sich die indische Regierung auch dieses Mal von sowjetischen Befindlichkeiten nicht stören. »[A]mong the Left-Communists, there are two wings, one is pro-China, but is not pro-Pakistan; and the other is both pro-China and pro-Pakistan. That makes these Leftists anti-national […]. We are not arresting them because they are Communists, but because they are anti-national and a threat to our security.«104 Dabei wusste die CPI (M) in ihrer Mehrheit zu dieser Zeit gerade mit der chinesischen Position äußerst wenig anzufangen. Die CPI unter Dange stellte sich ohnehin so kompromisslos auf die Seite der indischen Regierung, dass sich verschiedene Bruderparteien einschließlich der britischen fragten, ob die CPI überhaupt noch auf marxistischem, internationalistischem Boden agiere.105

101 Vgl. neben Anm. 93–95 Summary record Besuch T. T. Krishnamachari in der UdSSR, 9.– 17.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43; T. N. Kaul an Gandhi, 29.9.1965, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence with Gandhi; CIA, Office of Current Intelligence, 25.9.1965, The Aftermath of the India-Pakistan War, DDRS, Dokument Nr. CK3100365221. 102 Vgl. Protokoll Gespräch T. T. Krishnamachari mit Kosygin, 12.11.1965, NMML, T. T. Krishnamachari Papers, 43; James an CRO, Pickard, 25.11.1965, NAK, DO 196/510. 103 Vgl. MID, Leiter Historisch-diplomatische Verwaltung, Zemskov, an Sekretariat Kosygin, 25.12.1965, AVP, f. 667, op. 1, papka 1, d. 6, ll. 6 ff.; Zemskov an Gromyko, 7.12.1965, ebd., ll. 1–5; Vermerk Zweiter Sekretär sowjetische Botschaft Rawalpindi, Maslov, 27.12.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 24, d. 19, ll. 102 ff.; stellv. Direktor Institut für Marxismus-Leninismus, Običkin, an Zemskov, 16.12.1965, AVP, f. 667, op. 1, papka 1, d. 5, ll. 1 ff. 104 Protokoll Gespräch Krishnamachari mit Mikojan, 17.11.1965, NMML, Nr. 294, 43. 105 Vgl. Vermerk Vesper über Gespräch mit Namboodiripad am 15.9.1965, 16.9.1965, SAPMO-BArch, NY  4182/1291; Aktenvermerk SED, Gerth, über Gespräch mit Dange u. a., 28.10.1965, ebd.

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Am 4. Januar 1966 begann die Konferenz von Taškent.106 Die Aktenlage lässt keine detaillierte Rekonstruktion der Verhandlungen zu.107 Eindeutig ist jedoch, dass sich in ihnen die ganze Verfahrenheit des indisch-pakistanischen Zerwürfnisses zeigte. »Beide Seiten kamen mit einer starren Haltung nach Taschkent und zeigten anfangs keine Bereitschaft, auf irgendeinen Kompromiss einzugehen«, informierte das Moskauer MID später die Genossen in Berlin.108 Dazu kam, dass sich auch sowjetische weitreichende Ideen an den national- und regionalpolitischen Gegebenheiten reiben mussten. Die US-Administration beschrieb nahezu schadenfroh die sowjetische Zwickmühle. »[F]for 17 years U.S. had had one dog chewing on one leg and another dog chewing on other and if Soviets wanted find out what it was like that was all right with us«. In Washington ging man davon aus, dass man angesichts der reduzierten eigenen Stellung auf dem Subkontinent nur gewinnen könnte, ob nun die UdSSR gegen China den Frieden in Südasien sichern oder grandios scheitern würde.109 Vor Ort lehnte Pakistan Delhis schon traditionelle Wünsche nach einem no-war-pact ab, da dieser in den Augen Rawalpindis den endgültigen Verzicht auf die Lösung des Kashmirproblems implizierte. Auf der Konferenz verweigerte sich die pakistanische Delegation auch einer Teilung Kashmirs und wollte stattdessen im Abschlussdokument »einen Mechanismus für die Lösung strittiger Fragen mit Indien« einschließlich Kashmirs verankern. Quasi in letzter Minute fand die sowjetische Delegation unter Kosygin im ständigen Pendelverkehr zwischen den Delegationen sprachlich geschmeidige, für beide Seiten akzeptable – oder von beiden Seiten interpretierbare – Formeln für die »zwei Hauptfragen, in denen reale Perspektiven [bestanden], in Taschkent zu einer 106 Shastri reiste mit einer Delegation von insgesamt 26 Personen an, der unter anderem sein Verteidigungs- und sein Außenminister angehörten. Aus Pakistan kamen unter der Leitung von Ayub Khan und Außenminister Bhutto 17 Diplomaten und Regierungsvertreter, dazu immerhin 12 Journalisten. Für die UdSSR weilten neben Kosygin Außenminister Gromyko und Verteidigungsminister Malinovskij mit ihren Stäben in Taškent; Gromyko ließ sich unter anderem durch Lichačev beraten, vgl. Aufstellungen gem. AVP, f. 667, op. 1, papka 1, d. 2, ll. 2 ff.; Ayub Khan an Kosygin, 6.12.1965, AVP, f. 117, op. 18, papka 23, d. 8, l. 76. 107 Vgl. ›Information über den Verlauf der Verhandlungen und die Ergebnisse des Taschkenter Treffens‹, Übersetzung aus dem Russischen, PA AA, MfAA, A. 18017, Bl. 13–21, hier Bl. 18; Stepanov, Konflikt, S. 36–48; Gauhar, Ayub Khan, S. 259–267; Wolpert, Zulfi Bhutto, S. 100 ff.; Jha, From Bandung, S. 228–242; Srivastava, Lal Bahadur Shastri, S. 350–383. 108 ›Information über den Verlauf der Verhandlungen und die Ergebnisse des Taschkenter Treffens‹, Übersetzung aus dem Russischen, PA AA, MfAA, A. 18017, Bl. 13–21, hier Bl. 13. Vgl. Kaul, Diplomacy, S. 165 f.; Trojanovskij, Čerez gody, S. 270; Suchodrev, Jazyk, S. 203–207. 109 State Department an US-Botschaft Pakistan, 21.10.1965, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 238. Vgl. Aufzeichnung Gespräch Johnson mit US-Botschafter UN, Goldberg, 18.9.1965, ebd., Nr. 213; McGarr, The cold war, S. 340–342.

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Übereinkunft zu gelangen, und zwar den Abzug der Truppen in die Stellungen, die die Seiten vor dem bewaffneten Konflikt eingenommen hatten, und die Übernahme der Verpflichtung durch beide Seiten, bei der Lösung von Streitfällen keine Gewalt anzuwenden«.110 Von der indischen Delegation erreichte die sowjetische Seite den Rückzug von drei im Krieg eroberten Gebirgspässen in Kashmir. Wie bereits erwähnt, lässt es sich angesichts der Aktenlage nicht klären, ob indische und pakistanische Hoffnungen auf zukünftige Militär- und/ oder Wirtschaftshilfe aus der UdSSR die Kompromissbereitschaft beider Delegationen erhöhten. Insgesamt gaben beide Seiten für die Deklaration von Taškent vom 10. Januar 1966 keine Grundsatzpositionen auf.111 Doch bereits die begrenzten Zugeständnisse der Delegationen führten dazu, dass das Ergebnis weder in Indien noch Pakistan ungeteilte Begeisterung auslöste.112 Die DDR-Handelsvertretung in Delhi sah Mitte Januar 1966 voraus, dass der versprochene indische Rückzug Delhi im Land vor Probleme stellen würde.113 Auch in Pakistan saßen Gefühle »von Desillusionierung und Enttäuschung« tief. Mit Blick auf innenpolitische Stimmungen versteiften sich führende pakistanische Politiker erneut auf Forderungen nach einer baldigen Lösung der Kashmirfrage.114 Es ist müßig zu spekulieren, ob eine Regierung Shastri wirklich so engagiert und zügig an einer pakistanisch-indischen Annäherung gearbeitet hätte, 110 Alle Zitate hier nach ‚Information über den Verlauf der Verhandlungen und die Ergebnisse des Taschkenter Treffens, Übersetzung aus dem Russischen, PA AA, MfAA, A. 18017, Bl. 13– 21, hier Bl. 15–18. Vgl. sowjetischer Entwurf Deklaration, 7.1.1966, AVP, f. 667, op. 1, papka 1, d. 4, ll. 13–19; indischer Entwurf Deklaration und no-war-pact, 7.1.1966, AVP, f. 667, op. 1, papka 1, d. 4, ll. 18–22; pakistanischer Entwurf, [7.]1.1966, ebd., ll. 23 f.; MfAA, Information 8/I, 3.1.1966, PA AA, MfAA, C 995/71, Bl. 125 ff.; Rusk an State Department, 13.1.1966, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 280; McConaughy an State Department, 19.1.1966, ebd., Nr. 284. 111 Die Seiten vereinbarten den kompletten Rückzug auf die Positionen vom 5.8.1965 bis zum 25.2.1966. Sie legten sich erneut gem. UN-Charta auf die friedliche Lösung von Disputen, auf eine Wiederherstellung normaler und friedlicher Beziehungen und gegenseitige Nichteinmischung fest. Dafür sahen Delhi und Rawalpindi u. a. die Repatriierung der Kriegsgefangenen und den Verzicht auf Propaganda sowie weitere Treffen auf verschiedenen Ebenen vor, vgl. Deklaration, 10.1.1966, in: Appadorai (Hg.), Select documents I, S. 387–389. 112 Vgl. McConaughy an State Department, 19.1.1966, FRUS 1964–1968 25, Dokument Nr. 284; US-Botschaft Rawalpindi an State Department, 13. und 15.1.1966, in: Marker (Hg.), American papers, S. 103–105, hier S. 103 f. sowie, S. 106–108, 115 f.; MfAA, 2. AEA/Sektion Indien, Pierschel, 1.2.1966, Information zu Ergebnissen und Auswirkungen des Taschkenter Treffens, PA AA, MfAA, C 1761/76, Bl. 11–15, hier Bl. 13 f. 113 Vgl. Information Vesper, 13.1.1966, PA AA, MfAA, C 1761/76, Bl. 5–10, hier Bl. 9. 114 US-Botschaft Rawalpindi an State Department, 7.2.1966, in: Marker (Hg.), American papers, S. 153 f., hier S. 154; Gauhar, Ayub Khan, S. 271–281; Khan, The first round, S. 121–126.

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wie Ayub Khan annahm.115 In der Praxis ließ Indien unter Verweis auf Bhuttos öffentlich zur Schau gestellte Unversöhnlichkeit über den vereinbarten 25. Februar 1966 hinaus Truppenkontingente in verschiedenen vorgeschobenen Positionen stehen.116 Bereits im Frühjahr 1966 verschlechterten sich die indisch-pakistanischen Beziehungen weiter.117 Die UdSSR nahm hinsichtlich der Umsetzung der Taškenter Vereinbarungen eine neutrale Haltung ein. Nichtsdestotrotz verschärfte sie die Lage auf dem Subkontinent. Der Kreml lieferte weiter Waffen nach Indien. Er steuerte daneben, wenn auch zögerlich, auf Verhandlungen mit Pakistan nicht nur über wirtschaftliche Unterstützung, sondern auch über Militärhilfen zu.118 Letztendlich dauerte es nur noch fünfeinhalb Jahre, bis die feindlichen Nachbarn auf dem Subkontinent ihren nächsten Krieg ausfochten.

115 Vgl. McConaughy an State Department, 19.1.1966, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 284. 116 Vgl. politischer Brief Zinov’ev, 20.5.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 36, d. 2, l. 9 ff.; Aufzeichnung Gespräch Mikojan mit T. N. Kaul, 14.6.1966, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 58, ll. 5–8. 117 Vgl. MID-Abt. Südasien, 28.4.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 37, d. 14, ll. 17 ff.; Aufzeichnung Gespräch Wilson mit Ayub Khan, 24.11.1966, NAK, DO 196/451; Maslov, Information über indisch-pakistanische Beziehungen, 11.10.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 37, d. 14, ll. 112 ff.; Material zu Verletzungen der Waffenstillstandslinie in UNA, S-0863, Box 4–3, File 3. 118 Vgl. Vermerk Quilitzsch, 23.7.1966, PA AA, C 1743/76, Bl. 1–9; Aufzeichnung Gespräch Mikojan mit pakistanischem Botschafter Athar, 19.8.1966, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 58, ll. 9 f.; politischer Brief Zinov’ev, 20.5.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 36, d. 2, ll. 9 ff.; britisches Hochkommissariat Rawalpindi, Sykes, an SoS CRO, 22.7.1966, NAK, DO 196/510; Tagebucheinträge Ayub Khan, 21.und 26.9.1966, in: Baxter (Hg.), Diaries, S. 11 f.

6. Bilanz: Sowjetisches Imperium und indischer Nationalstaat 1941–1966

Anfang 1966 bewertete die UdSSR die Vereinbarungen von Taškent jedoch noch positiv, als endgültigen Einbruch in die ehemalige anglo-amerikanische Domäne Südasien, als Niederlage reaktionärer Kräfte in den Staaten und damit als Auftakt zukunftsträchtiger Entwicklungen sowohl der jeweiligen bilateralen als auch der gesamten Globalbeziehungen.1 »Wäre es nicht wundervoll, wenn die Sowjetunion, Indien und Pakistan zusammenkämen«, soll gemäß Ayub Khans Tagebuch Kosygin im Oktober 1966 Lenins alte Berechnungen wieder aufgenommen haben. »Die Verbindung von 800 Millionen Menschen wäre gewaltig.«2 Doch die Hoffnungen, die man im Kreml bezüglich Pakistans hegen mochte, währten nicht allzu lang.3 Auch wenn die Positionen Großbritanniens und der USA in Südasien mit dem Krieg 1965 einstweilen geschwächt waren, so bedeutete dies nicht, dass die UdSSR dort automatisch an Einfluss gewann –

1

»Information über den Verlauf der Verhandlungen und die Ergebnisse des Taschkenter Treffens«, Übersetzung aus dem Russischen, PA AA, MfAA, A. 18017, Bl. 13–21, hier Bl. 21. Vgl. Pierschel, Information zu Ergebnissen und Asuwirkungen des Taschkenter Treffens, 1.2.1966, PA AA, MfAA, C 1761/76, Bl. 11–15; Vermerk MID-Abteilung Südasien über indisch-sowjetische Beziehungen, 28.4.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 37, d. 14, ll. 17 ff.; Brežnev vor ZK-Plenum, 26.3.1966, RGANI, f. 2, op. 1, d. 822, ll. 3 ff., hier l. 5.; Gromyko auf 8. Sitzung 23. Parteitag, 2.4.1966, in: XXIII s-ezd, S. 446 ff., hier S. 447 f.; Goreslavskaja, Andrej Gromyko, S. 175 f. 2 Tagebucheintrag Ayub Khan, 22.10.1966, in: Baxter (Hg.), Diaries, S. 21. Vgl. Brežnev vor ZK-Plenum (12.–13.12.1966), 12.12.1966, RGANI, f. 2, op. 3, d. 49, ll. 3 ff., hier l. 7 ob f. Vgl. zur positiveren Berichterstattung über Pakistan und zur Reisediplomatie englische Übersetzung von B. Pjadyšev, in Izvestija, 15.4.1966, NAK, DO 196/510; Firjubin/Lichačev an Gromyko, 25.3.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 36, d. 9, ll. 13–15; Vermerk MID-Abt. Fernost für sowjetische Delegation nach Pakistan, 20.5.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 36, d. 10, ll. 1 ff.; Sykes an SoS CRO, 22.7.1966, NAK, DO 196/510. 3 Vgl. Vermerk MfAA über Gespräch stellv. MfAA Fischer mit sowjetischem Botschaftsrat Grenkov am 16.4.1968, 20.5.1968, ebd., Bl. 1–4; Tagebucheinträge Ayub Khan vom 19.–20.2.1967, September 1967, Januar bis März und Mai 1968, 11.7.1968, 24.9.1968, in: Baxter (Hg.), Diaries, S. 64 f., 151–156, 209–219, 232 f., 239–240, 258 ff., 390–394. Zur kritischen Sicht auf Pakistan bereits ab Frühjahr 1966 vgl. Vermerk Lichačev, 14.4.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 36, d. 9, l. 12; Vermerk erster Sekretär sowjetische Botschaft Karachi, Deulin, 28.5.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 37, d. 14, ll. 56 ff.: politischer Brief Zinov’ev, 11.10.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 36, d. 2, ll. 39 ff.; Maksimov an Leiter Außenpolitische Information, Terasov, 26.8.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 37, d. 14, ll. 110 ff.

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die imperial-nationalen Beziehungen in Südasien ließen sich nicht auf die Nullsummenlogik des Kalten Kriegs reduzieren.4 Auch Indien blieb ein undankbares Objekt imperialer Ambitionen. Am 18. Januar 1966 trat Indira Gandhi die Nachfolge des verstorbenen Shastri an. Sie behauptete gegenüber amerikanischen Gesprächspartnern zunächst einmal kritische Distanz zur UdSSR. Sowjetische Diplomaten registrierten mit Sorge die indische Zurückhaltung gegenüber der amerikanischen Vietnampolitik.5 Ungeachtet dessen insistierte die neue Premierministerin in Moskau darauf, dass die »von Indien durchgeführte Politik der Nichtpaktgebundenheit« nicht zur Disposition stand und dass ihre Regierung am »indische[n] Weg zum Sozialismus« festhalte.6 Dabei verfolgte ihre Regierung, wie erwähnt, die neuen Ansätze in der Landwirtschafts- und Wirtschaftspolitik weiter.7 Noch im Sommer 1966 kam es durch die indische Abwertung der Rupie, die kapitalistische Berater ebenfalls gefordert hatten, vorübergehend zu einem weitgehenden Stillstand aller indisch-sozialistischen Wirtschaftsbeziehungen.8 Vor dem Hintergrund der komplexen Gesamtentwicklungen in Außen- und Innenpolitik, Wirtschaft und Kultur zählte man 1966 in Moskau Indien nicht zu den aus sozialistischer Sicht vielversprechenden »jungen befreiten Ländern Afrikas und Asiens«, die 4 Zur Politik Washingtons und Londons vgl. McGarr, The cold war, S. 345–363. 5 Bowles an State Department, 20.1.1966, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 285. Zur amerikanischen abwartenden Sicht vgl. Aufzeichnung Telefonat Johnson mit Landwirtschaftsminister Freeman, 2.2.1966, ebd., Nr. 288; Aufzeichnung Gespräch Johnson mit B. K. Nehru, 2.2.1966, ebd, Nr. 289; Vermerk Quilitzsch zu Staatsbesuch Gandhi in Moskau, 12.–16.7.1966, 23.7.1966, PA AA, C 1743/76, Bl. 1–9, hier Bl. 3. Vgl. allg. T. N. Kaul an Gandhi, 24.5.1966, NMML, T. N. Kaul Papers, Correspondence mit I. Gandhi; MfAA, Information über Besuch Gandhi in UdSSR, 20.7.1966, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 25 f.; Kosygin auf Großkundgebung anlässlich Besuch Gandhi, 14.7.1966, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 27–36, hier u. a. Bl. 34; Vermerk MfAA, Abt. Sowjetunion, 19.8.1966, über Gespräch Šiljakov mit Staatssekretär und 1. stellv. MfAA, Kohrt, 18.8.1966, PA AA, MfAA, A. 1162, Bl. 76 ff.; Gaiduk, The Soviet Union, S. 56–74. 6 MfAA, Information über Besuch Gandhis in der UdSSR, 20.7.1966, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 25 f., hier Bl. 26. 7 Vgl. Rusk an Johnson, 28.1.1966, FRUS 1964–1968 XXV, Dokument Nr. 286. 8 Schließlich fand sich Delhi nur zu einer Teilkompensation der sozialistischen Verluste, die durch die Abwertung entstanden waren, bereit, wonach die Kontakte wieder anliefen, vgl. DDR-Handelsvertretung Delhi, Einschätzung der Ergebnisse der Reise Indira Gandhis in die Sowjetunion, 26.7.1966, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 17–24; Vermerk State Department, Laise, 14.7.1966, NARA, RG 59, Lot 68D49, Box 11; Glietsch, Der Einfluss, S. 90–95; Kapur/ Lewis/Webb, The World Bank 1, S. 384–391, 464–467. Zu folgenden neuen Krediten (in Höhe von mdst. 970 Mio. Rubeln) vgl. wiederum DDR-Handelsvertretung Delhi, Einschätzung der Ergebnisse der Reise Indira Gandhis in die Sowjetunion, 26.7.1966, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 17–24 sowie britisches Hochkommissariat Delhi an CRO, 12.12.1966, NAK, DO 189/548.

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auf dem »Weg einer progressiven sozialen Entwickung« voranschritten. In sowjetischen Augen befand sich das Land vielmehr mittendrin im »scharfen Kampf zwischen den Kräften des Fortschritts und den Kräften der Reaktion im Innern«. Darüber hinaus stünde es unter imperialistischem Druck. Daher machte es sich die sowjetische Führung weiter zur Aufgabe, Indien »zu helfen, die Verbindung mit dem Imperialismus zu schwächen, antiimperialistische Tendenzen in [seiner] Politik zu unterstützen, den progressiven revolutionären Kräften innerhalb [des Landes] Hilfe zu erweisen«.9 Die sowjetische Diplomatie hatte sich bereits von der Taškenter Konferenz erhofft, dass das Moskauer Engagement die »progressiven« Kräfte in Indien stärken würde.10 Tatsächlich gewann die UdSSR indischen Meinungsumfragen zufolge in diesen Tagen an Sympathien, während das Ansehen der USA und Großbritanniens unter ihrer Haltung während des indisch-pakistanischen Konflikts litt. Allerdings machte sich bereits im Mai 1966 in den sowjetischen Werten eine sinkende Tendenz bemerkbar.11 Parallel dazu registrierte Brežnevs Moskau kontinuierlich Anzeichen für ein bedrohliches Wachstum reaktionärer Kreise in Indien. Die CPI, aus Moskauer Sicht immer noch die Interessenvertreterin der indischen Massen schlechthin, erwies sich im nationalen Gesamtmaßstab wie gehabt unter anderem wegen interner Streitereien als schwach und unfähig.12 Dagegen gelang es der CPI (M) in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre   9 Zitate nach Brežnev auf ZK-Plenum (12.–13.12.1966), 12.12.1966, RGANI, f. 2, op. 3, d. 49, ll. 3 ff., hier l. 8 sowie Brežnev vor ZK-Plenum, 26.3.1966, RGANI, f. 2, op. 1, d. 822, ll. 3 ff., hier ll. 4–4ob. Vgl. Rechenschaftsbericht Brežnev auf 23. Parteitag, 29.3.1966, in: XXIII s-ezd 1, S. 18 ff., hier S. 28–30, 36–38; Vermerk MfAA, Abt. Sowjetunion, über Gespräch Šiljakov mit Kohrt am 18.8.1966, 19.8.1966, PA AA, MfAA, A. 1162, Bl. 76 ff.; Vermerk Quilitzsch, 23.7.1966, PA AA, C 1743/76, Bl. 1–9, hier Bl. 6 f.; Bakshi, Russia, S. 50 f.; Friedman, Soviet policy, S. 265– 268. Zu den wahrhaft progressiven Staaten zählten in Moskauer Augen die UAR, Algerien, Mali, Guinea, Kongo (Brazzaville), Burma »und eine Reihe anderer«, ebd. 10 »Information über den Verlauf der Verhandlungen und die Ergebnisse des Taschkenter Treffens«, Übersetzung aus dem Russischen, PA AA, MfAA, A. 18017, Bl. 13–21, hier Bl. 21. Vgl. Pierschel, Information zu Ergebnissen und Auswirkungen des Taschkenter Treffens, 1.2.1966, PA AA, MfAA, C 1761/76, Bl. 11–15; Vermerk MID-Abteilung Südasien über indisch-sowjetische Beziehungen, 28.4.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 37, d. 14, ll. 17 ff.; politischer Brief sowjetische Botschaft Pakistan, 20.3.1966, AVP, f. 17, op. 20, papka 36, d. 2, ll. 1 ff.; Vermerk Deulin, 14.4.1966, AVP, f. 117, op. 20, papka 37, d. 14, ll. 4 ff.; Vermerk Attaché sowjetische Botschaft Pakistan, Paulinov, 4.3.1966, AVP, f. 117, op. 19, papka 25, d. 9, ll. 14–16; Goreslavskaja, Andrej Gromyko, S. 175 f. 11 Monthly public opinion surveys 11 (1965/66), Nr. 131, S. 2–34; McGarr, The cold war, S. 333– 344. 12 Vgl. Vermerk Quilitzsch zu Staatsbesuch Gandhi in Moskau, 12.–16.7.1966, 23.7.1966, PA AA, MfAA, C 1743/76, Bl. 1–9; Vermerk MfAA, Abt. Sowjetunion, über Gespräch Šiljakov mit Kohrt am 18.8.1966, 19.8.1966, PA AA, MfAA, A. 1162, Bl. 76 ff.; Vermerk DDR-Handels-

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in Kerala und Westbengalen, Regierungen zu bilden. Linke Ideen konnten in Indien also durchaus begeistern – wenn sie mit den konkreten Verhältnissen vor Ort korrespondierten.13 In den indisch-sowjetischen Beziehungen rieben sich indes nach wie vor Moskaus imperiale Programmatik an indischer Selbstbestimmung und -behauptung. Chruščevs Nachfolger machten es sich zu einfach, wenn sie – wie früher Chruščev nach Stalin – Misserfolge und Rückschläge der sowjetischen Beziehungen zur Dritten Welt im Allgemeinen und zu Indien im Besonderen an der Person des Vorgängers und seiner vermeintlichen Alleingänge festmachten. Kosygins und Brežnevs UdSSR arbeitete sich ebenfalls, mit weiterhin begrenzten sowjetischen Ressourcen und in Auseinandersetzung mit der Konkurrenz Dritter, am wohlverstandenen Eigeninteresse von Staat, Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft in Indien ab. Die indisch-sowjetischen Verbindungen waren in ihren verschiedenen Dimensionen und auf allen Ebenen weiterhin ambivalent, mit schwierigen Kosten-Nutzen-Berechnungen sowie Widersprüchen behaftet und von komplexen, bilateralen und multilateralen Wechselwirkungen durchzogen. Der indisch-­ sowjetische Freundschaftsvertrag von 1971 stellte keineswegs einen imperialen Durchbruch dar. Bei Aushandlung, Auslegung und Implementierung setzten Delhi und Moskau erneut eigene Akzente.14 So blieben auch in den Folgejahren Gegensätze und Unvereinbarkeiten in indischen und sowjetischen Grundpositionen bestehen. Dabei tat sich die UdSSR in ihrem Verhältnis zu Indien bis in die 1980er-Jahre hinein zunehmend schwer, die eigenen kulturellen und ideologischen Versteinerungen sowie volkswirtschaftliche Balancen mit traditionellen politisch-ideologischen Großstrategien in Einklang zu bringen.15 Die überkommenen Kernideen blieben davon unberührt. »Die Zivilisation wird im 21. Jahrhundert nach Osten gehen«, ließ Generalsekretär Michail Gorbačev das vertretung Delhi über Gespräch mit SSOD, Serebjakov, 9.7.1966 SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/20, Nr. 51, Bl. 49 ff. Vgl. Kurzinformation SED-Abteilung Internationale Verbindungen, 26.9.1966, SAPMO-BArch, DY 30/IV A 2/20, Nr. 645; Gupta, Communism (1978), S. 76–91. 13 Vgl. Gupta, Communism (1972), S. 85 f., 136–191, 292 f.; Mallick, Indian communism, S. 79– 99; Nossiter, Communism, S. 186–202; Rothermund, Die Spaltung, S. 57–81. 14 Vgl. Vasudevan, New Delhi; Raghavan, 1971. 15 Vgl. ZK-Sekretär Černenko und Vors. SovMin Tichonov auf RGW-Gipfel, Juni 1984, SAPMO-BArch, DY 30/11750; Tichonov auf RGW-Gipfel 25.–27.6.1985, SAPMO-BArch, DY 30 J IV 2/2A, Nr. 2774; Information DDR-Botschaft Moskau über Rede MID Ševardnadze in MID, 4.7.1987, 27.10.1987, SAPMO-BArch, DY 30/12383; Gorbačev vor PKK Warschauer Pakt, 10.6.1986, SAPMO-BArch, DY 30/11726; Konzeption für Treffen AASPO, Mai 1988, mit Bericht DDR-Botschaft Moskau von Juli 1988 über Reaktionen indischer Teilnehmer auf sowjetische Darlegungen, SAPMO-BArch, DY 30/12051.

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Politbüro im November 1986 wissen. Daher müsse die Sowjetunion Indien mit allen Mitteln vom Imperialismus fernhalten. Gerade dort, so Gorbačev weiter, habe die UdSSR unter seinen unmittelbaren Vorgängern »eine Menge von dem verloren […], was während der 1950er- und 1960er-Jahre« erreicht worden sei.16 Das sowjetische Imperium drehte sich offenkundig im Kreis – bis zu seiner Implosium fünf Jahre später. Ziel dieser Studie war die Analyse der sowjetisch-indischen Beziehungen von 1941 bis 1966 in den miteinander verflochtenen Kontexten von Dekolonisierung und Kaltem Krieg. Die sowjetisch-indischen Kontakte und Verbindungen lassen sich dabei, wie gesehen, in ihrer Dichte und Komplexität genauer und differenzierter fassen, wenn man sie als imperial-nationale Beziehungsgeschichte in der spezifischen Ära des Kalten Kriegs versteht. Die Darstellung ging gemäß den eingangs formulierten Leitfragen vorherrschenden Selbst- und Fremdbildern und ihrem möglichen Wandel sowie darauf basierenden, wechselseitigen Perzeptionen, bilateralen Erwartungshaltungen oder Befürchtungen, den kollektiven Charakteristika, Freiräumen und Widersprüchlichkeiten der für die unmittelbaren Kontakte relevanten Akteure und Institutionen, den entsprechenden Vorhaben und Realisierungen sowie deren Rückwirkungen auf Grundannahmen und Handlungsbedingungen in denjenigen Feldern nach, die gleichermaßen für nation und empire building entscheidend und damit für das national-imperiale Gesamtverhältnis hoch relevant waren, nach. Beide Seiten wollten der Verbindung ab den 1940er-Jahren eine spezifische Qualität verleihen. Indische wie sowjetische Repräsentanten imaginierten die angestrebte Form entlang der jeweils eigenen nationalen oder imperialen Standortbestimmung, die auch die – zu Beginn ohnehin allenfalls schemenhafte – Wahrnehmung des Gegenüber bestimmte. Erste Kontakte, Planungen und Zielvorgaben in den frühen 1940er-Jahren zeigten, dass die entsprechenden Eigenpositionierungen und Zuschreibungen in einer grundlegenden Umbruchphase entwickelt wurden. Diese las sich in sowjetischen Augen als Übergang vom Großen Vaterländischen Krieg zum globalen Aufstieg des sozialistischen Lagers unter Führung der UdSSR. Die Entwicklungen in Südasien stellten sich für die UdSSR jetzt und im weiteren Verlauf als Chance dar, im internationalen Raum die eigenen imperialen Grenzen zu erweitern und die eigene Zivilisation in weitere Regionen der Welt hinauszutragen. Zu diesem Zweck versuchte 16 Gorbačev auf Sitzung Politbüro, 4.12.1986, in: Gorbačev, Sobranie 5, S. 275–279, hier S. 276. Vgl. Rede Gorbačev, Vladivostok, 28.7.1986, in: Gorbačev, Sobranie sočinenij 4, S. 350–377, hier S. 365–367; Gorbačev auf Sitzung Politbüro, 8.5.1986, in: ebd., S. 104–106.

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sie, sich als Modell für alle wesentlichen staatlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereiche zu präsentieren und über diverse Kanäle, Zugriffe und Kontakte entsprechende indische Abläufe und Entscheidungen zu beeinflussen oder gar zu steuern. In indischer Perspektive stand dagegen die Transformation einer britischen Kolonie zum unabhängigen eigenen Staat im Mittelpunkt und am Anfang der bilateralen Beziehungen. Daher war und blieb man immer bemüht, die selbstbestimmte Entwicklung in diesen Feldern gegen neue Dominanzen und Vereinnahmungen abzusichern und eine korrespondierende signifikante Änderung der Ordnungsprinzipien internationaler Beziehungen zu erreichen. Externe Angebote wurden hierbei nach dem Baukastenprinzip im Einzelnen genau auf ihre Brauchbarkeit für eigene Belange hin geprüft. Das problematische Verhältnis zwischen empire building und nation building stellte dauerhaft den wichtigsten Spannungsfaktor im bilateralen Verhältnis dar. Das Auf und Ab in den einzelnen Sphären war in letzter Konsequenz Grundgegebenheiten, Entwicklungen, Widersprüchen oder Überlastungen geschuldet, die den jeweiligen nationalen und imperialen Projekten eigen waren. Der imperial-nationale Bilateralismus stand indes mit anderen, zeitgleichen indischen und sowjetischen Beziehungen und multilateralen Kontakten und Prozessen in kontinuierlicher Wechselwirkung. Bereits die aufkommenden sowjetisch-indischen Verbindungen waren, wie die sukzessive, zurückhaltend-tastende Annäherung im Zweiten Weltkrieg und in der unmittelbaren Nachkriegsära belegt, auch im Bezugsrahmen weltweiter internationaler Entwicklungen und Großkonstellationen sowie paralleler Außenbeziehungen mit Dritten angesiedelt. Der bilaterale Kontakt wurde weiterhin kontinuierlich durch die direkte Konkurrenz erst zwischen Großbritannien und UdSSR, vor allem jedoch durch den Wettstreit zwischen USA und UdSSR, der sich seinerseits aus den jeweiligen globalen, gegenläufigen Führungs- und Gestaltungsansprüchen speiste, mit zusätzlicher Spannung aufgeladen. Grundlegende Widersprüche zwischen einer imperial auftretenden UdSSR und dem Nationalstaat Indien wurden auch in der Folgezeit durch die Konstellationen des Kalten Kriegs mit besonderen Akzenten und Dringlichkeiten versehen und durch weitere Pro­blempunkte ergänzt. Sie strukturierten und prägten die Ausgestaltung der bilateralen Beziehungen mit, indem sie die jeweiligen – sowjetischen wie indischen – Möglichkeiten, Prioritäten, Optionen, Spielräume und Strategien beeinflussten. National-imperiale Gegensätze wurden mitunter in Feldern und mit Instrumentarien ausgetragen, die durch die globale sowjetisch-amerikanische Konkurrenz bereitgestellt oder mit formatiert wurden. Damit ging einher, dass die multi­dimensionale und -laterale Einbettung der sowjetisch-­indischen

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Beziehungen in allen Sektoren auf das bilaterale Verhältnis einwirkte und spezifische Akzentuierungen, betonte, partielle Übereinstimmungen oder vehementere Auseinandersetzungen mit bedingte: Der Austausch von Nehru und Judin über die Rolle der Gewalt im Kommunismus war hierfür nur ein Beispiel. Insgesamt konnten indische oder sowjetische Reaktionen beispielsweise auf Aktivitäten der USA, Großbritanniens, Chinas, Pakistans oder anderer Staaten und Gesellschaften in den bilateralen Verbindungen nachwirken. Inhärente Probleme des national-­imperialen Verhältnisses konnten damit zeitweilig erschwert oder abgemildert werden, oder es wurde mehr oder weniger kurzfristig von ihnen abgelenkt. So entschieden der Kalte Krieg und generelle Verbindungen mit Dritten mit über die aktuelle konkrete Ausgestaltung der Kontakte zwischen sowjetischem Imperium und indischem Nationalstaat, wie auch, umgekehrt, imperial-nationale Differenzen – oder Übereinstimmungen – immer auf Formen, Agenden und Abläufe der Auseinandersetzung zwischen den beiden globalen Großreichen oder andere internationale Verbindungen mit indischer oder sowjetischer Beteiligung ausstrahlten. Doch weder der Kalte Krieg noch andere internationale Beziehungskonstellationen generierten das grundsätzliche sowjetisch-indische Konfliktpotential. Die sowjetisch-indischen Kontakte erschöpften sich nicht in der Reproduktion anderer Frontziehungen und Beziehungsmuster. In diesem komplexen Zusammenhang fächerte, über den direkten sowjetisch-amerikanischen Kalten Krieg hinaus, insbesondere die chinesische Artikulation überregionaler, letztlich globaler Ansprüche das Beziehungsgefüge spektakulär auf. Pekings Ambitionen und Aktivitäten demonstrierten eindringlich, dass der Gehalt der relevanten imperialen bzw. nationalen Sinnstiftungen, Instrumentarien und Realisierungen – Sozialismus und Nationalismus – aus verschiedenen Blickwinkeln heraus sehr unterschiedlich gefasst werden konnte. Daher war in den verschiedenen Interpretationen das Verhältnis zwischen Sozialismus und Nationalismus, das heißt die gegenseitige Distanz, Abstoßung- und Anziehungskraft sowie die Größe potentieller Schnittmengen weder verbindlich noch unveränderlich festgelegt. Tatsächlich stellten sich Sozialisten im Extremfall als die Vollender der wahren nationalen Ziele und Bestimmung dar, während nationale Repräsentanten entfremdete Lesarten sozialistischer Ideen vorbrachten oder Teilaspekte sozialistischer Modelle in eigener Interpretation vereinnahmten. Für die sozialistische Zivilisierungsmission selbst barg die Ausdifferenzierung, vielmehr die Aufsplitterung des sozialistischen Ideengebäudes vor allem negative Implikationen für Moskauer imperiale Möglichkeiten – diese Problematik ließ sich auf anderer Ebene auch anhand der Rolle der indischen kommunistischen Partei

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nachvollziehen. Im Ganzen unterstreicht nicht zuletzt die Vielzahl von sozialistischen Akteuren und von Akteuren mit sozialistischen Gedankensplittern einmal mehr, dass eindimensionale Erklärungen dem komplexen Muster der sowjetisch-indischen diplomatischen, ideologischen, wirtschaftlichen, kulturellen, militärischen und gesellschaftlichen Kontakte und ihren Wechselfällen nicht gerecht werden können. Die Interpretation der indisch-sowjetischen Beziehungsgeschichte als Geschichte eines national-imperialen Spannungsverhältnisses erfordert und erlaubt es, ein breites Verständnis von internationaler Geschichte, das sich nicht auf zwischenstaatliche und diplomatische Sphären beschränkt, strukturiert umzusetzen. Damit geht einher, dass Akteure sowie deren Handlungsdispositionen und -spielräume ins rechte Licht gerückt werden. Auf diese Weise werden zudem die Interrelationen von innenpolitischen Machtverhältnissen, kulturellen Wertekanons, staatlicher Institutionenbildung und allgemeiner Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auf der einen sowie von internationaler Partizipation und Positionierung, von internationalen Aktionsradien, Handlungsfeldern und -mustern auf der anderen Seite vertieft erfasst. Grundsätzlich orientierten sich sowohl im nation building als auch im empire building Außen- und Binnenbeziehungen an denselben programmatischen Kernen. Die Umsetzung nationaler oder imperialer Grundanliegen und -ansprüche nach innen und nach außen ging Hand in Hand. Das problematische Wechselspiel zwischen diplomatischen und parteipolitischen Entwicklungen, Versuche, bilaterale, nationale und internationale Wirtschaftsagenden zusammenzuhalten, die sowjetische Überfrachtung der Literaturbeziehungen oder die begrenzten wissenschaftlichen und touristischen Austauschmöglichkeiten demonstrierten exemplarisch die Verflechtung interner und externer Komponenten imperialer und nationalstaatlicher Programmatik. In Indien und in der UdSSR war es zunächst einmal die politische Führung, die die wesentlichen Ziele, Bestandteile und Instrumente des nationalen bzw. imperialen Aufbaus formulierte. Dabei war der internationale Kurs der UdSSR nach Stalin keineswegs unumstritten. Entsprechende Entscheidungsfindungen in Delhi verliefen systemgerecht komplexer und ließen größere Freiräume. Insgesamt wurden über die Jahre hinweg Modifikationen vorgenommen, während grundsätzlich alternative Vorstellungen nicht wirklich zum Tragen kamen. Die konkreten politischen, militärischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Umsetzungen entwickelten in den gegebenen inneren und äußeren Konstellationen indes eigene Dynamiken und folgten dabei immer auch inherenten Logiken oder eben zusätzlichen Einflüssen. Die konkreten Abläufe waren mitunter kaum

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oder nur mit Mühe mit ideologisch-politischen Leitlinien in Deckung zu bringen oder ließen diese als relativ unverbindliche Postulate erscheinen, die mehr oder weniger flexibel auslegbar waren. Dabei erforderte bereits der reine Aufbau handlungsfähiger Institutionen und Kollektive für die Handhabung und Umsetzung internationaler Beziehungen in personalpolitischer, organisatorischer und finanzieller Hinsicht per se für das junge Indien und für die UdSSR ab den 1940er-Jahren aus vielfältigen, unterschiedlichen Gründen heraus enorme Anstrengungen. Unter diesen spezifischen Bedingungen waren Abirrungen und Verzögerungen nahezu unvermeidlich, was die entsprechende Realisierung von zentralen Zielsetzungen zusätzlich erschweren konnte. Im Gesamtergebnis der unterschiedlichen, teils widersprüchlichen, mitunter aneinander vorbeilaufenden Einflussfaktoren und Interdependenzen präsentierten sich in den sowjetisch-indischen Beziehungen imperiale Missionsarbeit und nationale Selbstfindung vielfach als Stückwerk, als gewundene und verhakte Abläufe mit wechselhaften Ausschlägen. Die genaue Beschreibung des Leitsektors der politischen Beziehungen legte dieses zerklüftete Beziehungsrelief mit seinen zahlreichen Windungen, Richtungsänderungen, Neuvermessungen, Annäherungen und Rückzügen exemplarisch offen. Schon eine Gesamtstrategie, die etwa Gegensätze und Unvereinbarkeiten paralleler bilateraler Beziehungen etwa zu Indien und China oder zu den USA und Pakistan auflöste, stand beiden Seiten nicht zur Verfügung. Der Wirtschaftssektor stellte ein zweites Beispiel dar. Hier ließ sich sowjetischerseits der immanente Widerspruch, dass eine sozialistische Wirtschaftsweise sich im Systemwettstreit und im Versuch der entsprechenden Umgestaltung Indiens Sachlogiken, Mechanismen und Bewertungsmaßstäben des ›gegnerischen‹ kapitalistischen Systems unterwarf, nie auflösen. Er führte aus indischer Perspektive zudem zu einer seltsam anmutenden, vermeintlich systemübergreifenden Allianzbildung des industrialisierten ›Nordens‹ gegen Entwicklungs- und Selbstbehauptungsbedürfnisse des ›Südens‹. Auch die Literatur- und generelle Kulturbeziehungen legten, um ein drittes Beispiel aufzugreifen, ungleichmäßige oder unklare Resonanzen sowie eigenständige Adaptionsansätze offen, die mit den erwünschten – sowjetischen – Fusionen oder – indischen – Harmonien nicht allzu viel gemein hatten. Insgesamt ergaben sich aus dem umfassenden und detaillierten Zugriff auf die komplexe Beziehungsgeschichte zwischen sowjetischem Sozialismus und indischem Nationalismus, zwischen sowjetischem Imperium und indischem Nationalstaat und ihren Repräsentanten relevante Erkenntnisse nicht nur für die verknüpfte Geschichte von Kaltem Krieg und Dekolonisierung, sondern auch für die indische und sowjetische Geschichte selbst. Über die bereits erfolgte all-

648

Bilanz: Sowjetisches Imperium und indischer Nationalstaat 1941–1966

gemeine Zusammenfassung hinaus sollen hier abschließend noch zwei Punkte hervorgehoben und zur weiteren Diskussion gestellt werden. Die enge Verflechtung und wechselseitige Beeinflussung von Dekolonisierung und Kaltem Krieg und damit das Eigengewicht der vermeintlichen globalen Peripherie wird in der Forschung mittlerweile allgemein gesehen und nicht mehr ernsthaft bestritten. Die Studie unterstreicht deutlich, dass diese Erkenntnis nicht nur für die klassischen hot spots von Kaltem Krieg und bzw. oder von Dekolonisierung gilt, sondern dass beide Prozesse kontinuierlich ineinandergriffen. Sie wurden, betrachtet man sie aus der Perspektive der sowjetisch-indischen Beziehungen, davon zusammengehalten, dass sich Indien und die UdSSR angesichts ihrer allgemeinen nationalpolitischen bzw. imperialpolitischen Ziele in beiden Entwicklungen engagierten. Aufgrund der gegebenen Konstellationen liefen die beiden Prozesse indes keineswegs zwangsläufig synchron ab, die Verzahnung erwies sich als ungleichmäßig, und sie entfalteten eigene Dynamiken. Mit diesem Muster, das in der Detailstudie weitaus komplexer erscheint als in unspezifischen Postulaten von einer allgemeinen, wie auch immer gearteten, Verflechtung globaler Prozesse, hängt die Frage nach relevanten Zäsuren in Geschichte der UdSSR, Indiens und ihrer internationalen Beziehungen zusammen. So waren, um mit der sowjetischen Geschichte zu beginnen, die Einschnitte von 1953 und 1964 so tief nicht, die Übergänge verschwommener und die Kontinuitäten zahlreicher, als es die jeweils neuen Herren mit ihren Schlagworten von – nach Stalin – Destalinisierung und – nach Chruščev – Normalisierung glauben machen wollten. Wohl schätzten Stalin, Chruščev und dann wieder Kosygin und Brežnev die internationalen Rahmenbedingungen wie die indisch-nationalen Entwicklungsmöglichkeiten unterschiedlich optimistisch – andere würden sagen, mit mehr oder mit weniger Realitätssinn – ein und agierten darob auf bilateraler Ebene mit differierender Intensität und Zielstrebigkeit. Doch schon bei den Institutionen und Instrumentarien der verschiedenen Beziehungsfelder oder bei relevanten Verbindungskanälen lassen sich seit Anfang der 1950er-Jahre und damit seit dem Spätstalinismus anstelle der vermeintlich klaren Bruchstellen fließende Übergänge feststellen. Diese waren von einer hohen Dichte personeller Kontinuitäten bis in die obersten Ränge hinein, zumindest von einer bemerkenswerten, anhaltenden Gleichförmigkeit kollektivbiografischer Werdegänge und Charakteristika begleitet und mit bedingt. Dieser Umstand brachte schließlich auch ein längerfristiges Beharrungsvermögen zumindest von wichtigen Elementen geteilter Weltbilder und Deutungsmuster mit sich. Dies führte dazu, dass sich auf sowjetischer

Bilanz: Sowjetisches Imperium und indischer Nationalstaat 1941–1966

649

Seite im Kontakt mit dem indischen Gegenüber die grundlegenden Zuschreibungen und Wahrnehmungen, mitunter auch die Verhaltensweisen von den späten 1940er-Jahren bis in die 1960er-Jahre hinein keineswegs radikal änderten – mit allen negativen Implikationen gedachter Hierarchien und unhinterfragter Modellfunktionen für das sowjetische Verhältnis zu selbst- und nationalbewussten indischen Akteuren. Denn auf indischer Seite lassen sich – innerhalb einer ungleich größeren Bandbreite von Wertvorstellungen und Leitideen – gleichfalls, zumindest unterschwellig wirksame, Kontinuitätslinien in Lebensverläufen und Karrieremustern von Administratoren des früheren ICS oder von Persönlichkeiten aus den Führungsetagen des Kongresses nachweisen. Dezidiert prosowjetisch oder prosozialistisch denkende Akteure waren, sieht man von Teilen der CPI ab, auf der indischen Seite im gesamten Zeitraum äußerst rar gesät. Vielfach taten sich indische Vertreter jeder Couleur schwer damit, für ihre Begegnungen und Aktivitäten zumindest kleinere gemeinsame Nenner mit sowjetischen Vertretern zu finden und zu aktivieren. Stattdessen verharrten sie starr, wenn nicht in ›westlich‹ informierten, dann in Indien-zentrierten Bewertungsmaßstäben und Vorstellungswelten. Bringt man diese beiden Überlegungen zusammen, wird deutlich, dass Periodisierungen auch der internationalen Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weniger abrupte Brüche als langwierige Transformations- und Transitionsphasen benennen. Diese sind mit einzelnen Kontinuitätssträngen unterlegt, die, je nach Perspektive der Beteiligten, unterschiedliche Schwerpunkte betreffen oder variierenden Umbruchcharakter besitzen können. Richtung und Ausgang – inklusive potentieller Rückwärtsbewegungen oder reiner Neuauflagen – sind ohnehin ungewiss. Für die Geschichte der sowjetisch-indischen Beziehungen lässt sich auch daher für Mitte der 1960er-Jahre nur eine Zwischenbilanz ziehen. Es war kaum zu bestreiten, dass beide Seiten bis dahin im Gegenüber weder das richtige Objekt noch den richtigen Partner gefunden hatten, um ihren spezifischen Agenden einer Neugestaltung der globalen Welt, ihrer Ordnungsprinzipien und Struktureinheiten – und zwar entweder durch Ausdehnung des sozialistischen Verbunds oder durch Durchsetzung der bedingungslosen Gleichberechtigung selbstbestimmter Nationalstaaten – wirklich näherzukommen. Der Transfer des sozialistischen Systems sowjetischer Prägung gelang nicht. Auf der anderen Seite konnte Delhi die UdSSR nicht von der Idee einer Globalisierung von als spezifisch ›asiatisch‹ oder ›indisch‹ verstandenen Werten und Instrumentarien internationaler Beziehungen überzeugen. Im multilateralen Kontext konnten beide

650

Bilanz: Sowjetisches Imperium und indischer Nationalstaat 1941–1966

Seiten im Dickicht internationaler, regionaler und staatlich-gesellschaftlicher Problem- und Konfliktlagen keine wirklichen Geländegewinne durchsetzen.17 Die indisch-sowjetischen Beziehungen bis Mitte der 1960er-Jahre stellten jedoch auch keine Abwärtspirale dar, gerade dann nicht, wenn man den Nullpunkt der 1940er-Jahre zum Vergleich heranzieht. Die Sowjetunion hat zwar Kontakte nicht in entscheidendem Einfluss umsetzen können. Sie dehnte jedoch in allen Bereichen ihr Beziehungsnetz weit über die internationale Position der 1940er-Jahre hinaus aus, erschloss sich Mitsprachemöglichkeiten und gewann neue Räume, in denen sie Interessen, wenn auch in unterschiedlicher und oft bescheidener Weise, geltend machen konnte. Nüchterne Moskauer Beobachter mochten es schon als Erfolg ansehen, dass sich die indische Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in wichtigen Zweigen und Aspekten nicht als Kopie eines amerikanischen Modells erwies. Für Delhi wiederum trugen die Verbindungen zur UdSSR dazu bei, eigene internationale Optionen zu erweitern, der indischen Agenda ein zusätzliches internationales Gewicht zu verleihen sowie das eigene Nationalprojekt gerade auch im wirtschaftlichen Sektor gegen hemmende Einflüsse Dritter voranzutreiben. Hinsichtlich der Vermittlungen respektive Transfers kultureller Werteprogramme, des Aufbaus grenzüberschreitender gesellschaftlicher und individueller Verbindungen oder gar der Herausbildung erster Netzwerke, transnationaler Beziehungsgefüge oder hybrider Denk- und Handlungsmuster fällt die Zwischenbilanz sicherlich ebenfalls ambivalent aus. Die unmittelbaren Kontakte bis in die 1960er-Jahre hinein demonstrierten, dass derartige Gelegenheiten von beiden Seiten eher als Chance zur Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung angesehen wurden, die ihren Sog entfalten sollten. Inwieweit hierbei jeder einzelne Akteur kollektive Selbst- und Fremdbilder tatsächlich bestätigt und bekräftigt sah, muss, wie gesehen, weitgehend dahingestellt bleiben. Grundsätzliche Wandlungen der entsprechenden jeweiligen gemeinschaftlichen Wahrnehmungsund Deutungsmuster lassen sich von den 1940er- bis zu den 1960er-Jahren jedoch nicht wirklich ausmachen. Ungeachtet dessen bot sich insbesondere ab den 1950er-Jahren die Gelegenheit, das Gegenüber insgesamt kontinuierlicher, konkreter, facettenreicher und differenzierter zu sehen, so dass sich die Grund-

17 Im Gesamtzusammenhang und angesichts der objektiven wirtschaftlichen, finanziellen und militärischen Möglichkeiten Delhis und der ideologischen Aufladung der internationalen Umwelt verliert im Übrigen die traditionelle Debatte darüber, ob Nehru als Außenpolitiker zu wenig macht- oder realpolitisch agierte, an Gewicht. Vgl. Heimsath/Mansingh, A diplomatic history, S. 55, 267; Raghavan, War, S. 1–4, 16 f., 317 f.

Bilanz: Sowjetisches Imperium und indischer Nationalstaat 1941–1966

651

lagen für mögliche Transfer- und Adaptionsleistungen – in welcher Richtung und Ausgestaltung auch immer – zu verbreitern schienen. Dass in den indisch-sowjetischen Beziehungen nationale bzw. imperiale Aktionsmuster zum Tragen kamen, sich zugleich beide Seiten einfachen Vereinnahmungs- oder einschneidenden Veränderungsversuchen durch ›Ost‹ und ›Süd‹ entzogen, trug zur langfristig wirksamen Auffächerung der allgemeinen internationalen – politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, gesellschaftlichen usw. – Beziehungsstrukturen bei. Der Kalte Krieg als ein Bezugspunkt derartiger Verbindungen nach 1945 war mit dem Zusammenbruch der UdSSR beendet. Der Gegensatz zwischen dem Streben nach (nationaler) Unabhängigkeit, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung sowie hegemonialen oder imperialen Ansprüchen prägt die globale Gemeinschaft bis heute.

Anhang

Verzeichnis der Grafiken und Tabellen Grafiken Abb. 1: RGW-Regierungskredite an die Dritte Welt, 1954–1965 (in Mio. Rubel) Abb. 2: Gesamtverpflichtungen der RGW-Mitgliedstaaten zur technischen Hilfe in der Dritten Welt zum 1.1.1966 (in Mio. Rubel) Abb. 3: Sowjetische Wirtschafts- und Gesamtkredite an »Entwicklungsländer« zum 1.1.1965 (in Mio. Rubel) Abb. 4: Verpflichtungen der UdSSR für Lieferungen von Ausrüstung/Material für Indus­ trieobjekte im Ausland und für technische Hilfe – Stand 1.1.1961 und 1.1.1965 (in Mio. Rubel, »Exportpreise«) Abb. 5: Internationale Kredite und Anleihen für Indien, Stand: 30.3.1965 (in Mio. Rupien) Abb. 6: Export der UdSSR, 1958–1965 (in Mio. Rubel) Abb. 7: Import der UdSSR, 1958–1965 (in Mio. Rubel) Abb. 8: Internationale Anteile an indischen Importen, 1955–1965 – Auswahl (Angaben in Prozent) Abb. 9: Zielländer indischer Exporte, 1955–1965 – Auswahl (Angaben in Prozent) Abb. 10: Indischer Außenhandel und indisch-sowjetischer Handel, 1950–1966 (in crores Rupien) Abb. 11: Entwicklungstendenzen des indisch-sowjetischen Handels, 1951–1966 – Angaben sowjetischer und indischer Provenienz (verschied. Währungen) Abb. 12: Warenstruktur des sowjetischen Exports nach Indien, 1955–1965 – Auswahl (Angaben in Prozent) Abb. 13: Warenstruktur des indischen Exports in die UdSSR, 1955–1965 – Auswahl (Angaben in Prozent)

Tabellen Tab. 1–5: Sowjetisch-indische Wirtschaftsbeziehungen, RWG-Außenwirtschaft und internationale Wirtschaftssysteme: Ausbildungswesen, Handel, Kredite, Projekte, 1947– 1966 Tab. 1: Ausbildungswesen: Ausländische Studenten, Doktoranden und Praktikanten in der UdSSR – Stand 1.1.1966 Tab. 2a–h: Handelsbeziehungen Tab. 2a: Außenhandel der UdSSR, 1946/1958–1966 (in Mio. Rubel) Tab. 2b: Warenstruktur im sowjetischen Außenhandel, 1960–1966 (in Mio. Rubel) Tab. 2c: Warenstruktur im indischen Außenhandel, 1950–1966 (Auswahl)

654

Anhang

Tab. 2d: Handel der UdSSR mit Indien, 1938–1966 – sowjetische und indische Angaben (Mio. Rubel, »Jahrespreise« resp. Preise von 1955) Tab. 2e: Warenstruktur im sowjetisch-indischen Handel, 1955–1965 (Auswahl) Tab. 2f: Indiens Handelspartner (Auswahl, in Mio. USD) Tab. 2g: Internationale Anteile am indischen Außenhandel, 1955–1965 (in Prozent) Tab. 2h: Indischer Außenhandel und sowjetisch-indischer Handel im Vergleich, 1950–1966 (in crores Rupien, nach Abwertung) Tab. 3a–d: Kredite Tab. 3a: Sowjetische Kredite und Finanzhilfen – Stand 1.1.1965 (in Mio. Rubel, »Außenhandelspreise«) Tab. 3b: Sowjetische Wirtschafts- und Militärkredite an »Entwicklungsländer« – Stand 1.1.1965 (in Mio. Rubel) Tab. 3c: Kredite und »Hilfen« des Auslands für Indien – Stand Ende 1958 (sowjetische Angaben in Mio. Rupien, ohne Firmenkredite) Tab. 3d: Ausländische Anleihen und Kredite für Indien – Stand 30.3.1965 (in Mio. Rupien) Tab. 4a–e: Projekthilfen Tab. 4a: Lieferungen der UdSSR für den Bau von Werken im Ausland, 1959–1966 (in Mio. Rubel) Tab. 4b: Verpflichtungen der UdSSR für Lieferungen von Ausrüstung/Material für Indus­ trieobjekte im Ausland und für technische Hilfe – Stand 1.1.1961 und 1.1.1965 (in Mio. Rubel, »Exportpreise«) Tab. 4c: Sowjetische Kooperation für Industrieobjekte im Ausland – Stand 1.1.1961 und 1.1.1965 Tab. 4d: Abkommen für Objekte, die in Indien mit sowjetischer Unterstützung errichtet, ausgebaut und/oder ausgerüstet wurden – Stand 1965 Tab. 4e: Sowjetische Hilfsleistungen an das Ausland und Indien im Vergleich: Formen und Anteile – Stand 1.1.1961 (in Mio. »neuer Valutarubel«) Tab. 5a–g: Wirtschaftsbeziehungen des RGW Tab. 5a: Regierungskredite der RGW-Mitgliedstaaten an die Dritte Welt, 1954–1965 (in Mio. Rubel) Tab. 5b: Regierungskredite des RGW an die Dritte Welt, 1954–1965 – Auswahl (in Mio. Rubel) Tab. 5c: Kredite der RGW-Mitgliedstaaten an Entwicklungsländer und ihre Organisationen und Unternehmen – Stand 1.1.1966 (in Mio. Rubel) Tab. 5d: Übernommene und erfüllte Gesamtverpflichtungen der RGW-Mitgliedstaaten zur technischen Hilfe gegenüber der Dritten Welt – Stand 1.1.1966 (Auswahl, in Mio. Rubel) Tab. 5e: Faktische Gesamtleistungen der RGW-Mitgliedstaaten an technischer Hilfe gegenüber der Dritten Welt für die Zeit von 1955–1965 – Stand 1.1.1966 (Auswahl, in Mio. Rubel) Tab. 5f: Anzahl von Industrieunternehmen, die mit technischer Hilfe von RGW-Mitgliedstaaten fertiggestellt wurden, sich im Bau befanden oder gebaut werden sollten – Stand 1.1.1966 Tab. 5g: Anzahl der »Objekte«, die mit technischer Hilfe der RGW-Mitgliedstaaten fertiggestellt wurden – Stand 1.1.1966 Tab. 6–7: Propaganda, Information und Kulturdiplomatie Tab. 6a–c: Auflagen sowjetischer Printmedien für Indien, 1949–1966 (Auswahl) Tab. 6a: Sowjetische Periodika, 1955 Tab. 6b: Soviet Land, 1949–1964

Verzeichnis der Grafiken und Tabellen

655

Tab. 6c: Pressebulletin: News and views from Soviet Union, 1950–1963 Tab. 7a–e: Das indische Bild der UdSSR: Ergebnisse von Meinungsumfragen in Indien Tab. 7a: Einschätzung sowjetischer Gesellschaft und Menschen im Vergleich, 1958/59 (Angaben in Prozent) Tab. 7b: Bewertung des Nutzens ausländischer Wirtschaftshilfen, 1965–1966 (Angaben in Prozent) Tab. 7c: Einschätzung der Motive ausländischer Wirtschaftshilfen, 1965–1966 (Angaben in Prozent) Tab. 7d: Ansehen der UdSSR und der USA in Indien, 1965–1966 (Angaben in Prozent) Tab. 7e: Außenpolitische Orientierungen der indischen Öffentlichkeit,1965–1966 (Angaben in Prozent)

Tabellen 1–5: Sowjetisch-indische Wirtschaftsbeziehungen, RGW-Außenwirtschaft und internationale Wirtschaftssysteme: Ausbildungswesen, Handel, Kredite, Projekte, 1947–1966

Tabelle 1: Ausbildungswesen: Ausländische Studenten, Doktoranden und Praktikanten in der UdSSR – Stand 1.1.19661 Studierende an Höheren Lehreinrichtungen 1. Kurs insgesamt

alle Kurse

Absolventen 1.1.65–1.1.66

2986

16206

1799

1254

9233

1363

2 a. Afrika

928

2780

130

2 b. Asien

570

3392

244

2 b 1. Indien

41

119

5

2 b 2. Pakistan





1

2 b 3. Indonesien



747



2 b 4. Irak



991



2 b 5. Nepal



128



2 b 6. Afghanistan



272



2 b 7. Syrien



237



davon aus: 1. soz. Ländern 2. »Entwicklungs-ländern« darunter aus:

einschließlich:

Studierende an Höheren Lehreinrichtungen 3. Lateinamerika

211

703



4. »kap. Länder«

23

98



1 GARF, f. 9606, op. 1, d. 2369.

657

Tabelle 1: Ausbildungswesen

Studierende an mittleren Spezialeinrichtungen 1. Kurs

alle Kurse

Doktoranden

Absolventen 1.1.65–1.1.66

Praktikanten Hochschule

Technikum

420

1129

59

1529

712

1

180

511

47

986

425

1

197

455

5

202

25

0

41

149

6

31

319

83



1



99

30





1





1































































Studierende an mittleren Spezialeinrichtungen

Doktoranden

Praktikanten

























658

Tabellen 1–5

Tabellen 2a–h: Handelsbeziehungen Tabelle 2a: Außenhandel der UdSSR, 1946/1958–1966 (in Mio. Rubel)2

1946– 1949

1950– 1954

1955

1956

1957

1958

Insgesamt Gesamtvolumen











7782

Export aus UdSSR











3867

Import in UdSSR











3915

Gesamtvolumen











5754

Export aus UdSSR











2822

Import in UdSSR











2932

Gesamtvolumen











4174

Export aus UdSSR











2146

Import in UdSSR











2028

Gesamtvolumen











2028

Export aus UdSSR











1045

Import in UdSSR











983

Gesamtvolumen

2195

3481

905

1093

1271

1223

Export aus UdSSR

1120

1690

503

553

643

632

Import in UdSSR

1075

1791

402

540

628

591

Sozialistische Länder

davon RGW

Kapitalistische Länder

Kapitalistische Länder davon: a) »industriell entwickelte Länder«

2 Übersicht Gosplan, 7.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1790; für die Jahre bis einschließlich 1957 sowie Realdaten für 1965/1966 auf Basis sowjetischer publizierter Statistiken Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 126 f. Dessen Angaben für die übrigen Jahre stimmen für die Erste Welt mit den Angaben von Gosplan überein und weichen für die Dritte Welt geringfügig ab. Vgl. auf anderer Basis mit analoger Tendenz Brun/Hersh, Soviet-Third World relations, S. 141. Zur problematischen rechnerischen Grundlage verschiedener Rubel-Angaben, zu unvollständigen sowjetischen Angaben, unklaren Verrechnungskursen mit Angaben in US-Dollar o. a. sowie zu weiteren statistischen Problemen vgl. Zwass, Der Rat, S. 60 f., 75 f.; Nove, An economic history, S. 357 f.; Elias, Die Außenwirtschaftsbeziehungen, S. 30 f.; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 31–36; Sánchez-Sibony, Red globalization, S. 32 f., 97.

659

Tabellen 2a–h: Handelsbeziehungen

3

1959

1960

1961

1962

1963

1964

1965 Plan/ faktisch

1966 Plan/ faktisch

9462

10071

10643

12137

12898

13876

14750

14576

4897

5005

5398

6327

6545

6913

7432

7524

4565

5066

5245

5810

6353

6963

7318

7052

7129

7371

7621

8524

9077

9678

10069

9855

3712

3790

3889

4415

4589

4866

5014

4971

3417

3581

3732

4109

4488

4812

5055

4884

5038

5469

5973

6973

7628

8232

8471

8234

2726

2881

3161

3687

3850

4175

4209

4154

2312

2588

2812

3286

3778

4057

4262

4080

2333

2700

3022

3613

3821

4198

4681

4721

1185

1215

1509

1912

1956

2047

2418

2553

1148

1485

1513

1701

1865

2151

2263

2168

1508

1917

1990

2198

2416

2768

2979/2816

2995/3182

799

913

984

1023

1135

1181

1317/1346

1440/1581

7093

1004

1006

1175

1281

1587

1662/1470

1555/1601

3 Bei Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 126: 791.

660

Tabellen 1–5

1946– 1949

1950– 1954

1955

1956

1957

1958

b) »Entwicklungsländer« Gesamtvolumen

569

780

805

Export der UdSSR

188

295

128

241

327

413

Import in UdSSR

381

485

176

249

373

392

Tabelle 2b: Warenstruktur im sowjetischen Außenhandel, 1960–1966 (in Mio. Rubel)4

1960

1965 Plan

1966 Plan

Gesamtexport

5005

7432

7524

Maschinen und Ausrüstung

1027

1544

1741

Spezialtechnik/ Spezialgüter

420

967

864

Fester Brennstoff

218

347

335

Rohöl

248

564

328

Ölprodukte

344

353

549

Erze und Konzentrate

219

261

252

Eisenmetalle

578

896

814

Buntmetalle, Kabelwaren

184

314

318

Chemiewaren

125

195

215

Holz, Zellulose, Papier

274

523

576

Lebensmittel und ihre Rohstoffe

684

519

539

Industriewaren für Massenbedarf, Grundstoffe

518

610

656

Edelmetalle/-stein

42

108

123

Anderes (inkl. Asbest, Baumater, Vieh usw.)

124

231

214

Waren:

4

Aufstellung Gosplan, 7.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1790. Vgl. allg. Mehrotra, India, S. 49.

661

Tabellen 2a–h: Handelsbeziehungen

1959

1960

1961

1962

1963

1964

1965 Plan/ faktisch

1966 Plan/ faktisch

825

783

1032

1415

1405

1430

1702

1726

386

302

525

889

821

866

1101/1010

1113/1091

439

481

507

526

584

564

601/734

613/784

Fortsetzung Tabelle 2b

1960

1965 Plan

1966 Plan

Gesamtimport

5066

7318

7052

Maschinen/ Ausrüstung

1508

2475

2462

Fester Brennstoff + Ölprodukte

214

176

123

Eisenmetall

336

281

177

Buntmetalle und Kabelprodukte

219

166

118

Chemie

126

305

278

Kautschuk, Gummiwaren

176

163

191

Holz, Zellulose, Papier

94

133

124

Lebensmittel und ihre Grundstoffe

630

1532

1411

Industriewaren Massenbedarf, Grundstoffe

1263

1491

1578

anderes (Baumateria­ lien, Erze usw.)

438

392

375

Waren:

662

Tabellen 1–5

Tabelle 2c: Warenstruktur im indischen Außenhandel, 1950–1966 (Auswahl)5

1950–1951 Preise in Mio. USD Ausfuhr fob insges.

Anteil am Gesamtexport in %

1261,8

100

Nahrungs- und Genußmittel

355,8

28,2

Rohstoffe, Halbwaren

701,2

55,6

Fertigwaren

85,4

6,8

Tee

168,9

13,4

Juteerzeugnisse

239,1

18,9

Baumwollerzeugnisse

290,8

23,0

Leder, Häute, entspr. Erzeugnisse

74,4

5,9

Eisenerz

0,4

0,0

Eisen, Stahl, engineering goods

4,2

0,3

Einfuhr cif insges.

1366,0

100

Nahrungsmittel

264,1

19,3

Rohstoffe, Halbwaren

273,2

20,0

Fertigwaren

775,5

56,7

Erdöl (roh/verarbeitet)

116,6

8,5

Eisen und Stahl

30,0

2,2

Maschinen (inkl. Elektrotechnik)

186,3

13,7

davon:

Einzelne Warengruppen

davon:

Warengruppen

5 Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 355 f. Vgl. Maljarov, Nezavisimaja Indija 2, S. 649– 658; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 315.

663

Tabellen 2a–h: Handelsbeziehungen

1960–1961 Preise in Mio. USD

1965–1966

Anteil am Gesamtexport in %

Preise in Mio. USD

Anteil am Gesamtexport in %

1386,4

100

1692,5

100

474,5

34,2

536,5

31,7

576,3

41,6

731,6

43,2

160,5

11,6

91,2

5,4

259,5

18,7

241,2

14,3

283,8

20,5

384,0

22,7

120,8

8,7

116,0

6,9

99,7

3,6

80,5

4,8

35,7

2,6

88,4

5,2

29,5

2,1

52,5

3,1

2393,3

100

2957,9

100

380,9

15,9

676,5

22,9

1034,5

43,2

566,3

19,1

747,6

31,2

1435,3

48,5

145,4

6,1

143,7

4,9

257,3

10,6

205,8

7,0

547,4

22,8

885,4

29,9

664

Tabellen 1–5

Tabelle 2d: Handel der UdSSR mit Indien, 1938–1966 – sowjetische und indische Angaben (Mio. Rubel, »Jahrespreise« resp. Preise von 1955) 6

Sowjetische Statistiken In Mio. Rubel (»Jahrespreise« resp. Preise von 1955) Gesamtvolumen

Export der UdSSR nach Indien

Import in die UdSSR aus Indien

1938

3





1946

41





1947

34





1948

90

40,8

49,2

1949

215,7

162

53,7

1950

27

9,1

18,2

1951

54,6

49,7

48,9

1952

31,7

1

30,7

1953

9

5

4

1954

31

12

19

1955

46,9 // 10,6

29,3 // 6,6

17,6 // 4,0

1956

212

138,4

73,6

1957

332

163,9

168,1

1958

724 // 162,8

520 // 117

204 // 45,8

1959

514,3 // 115,7

271,3 // 61,2

243 // 54,5

1960

512,3 // 104

238,4 // 42,4

273,9 // 61,6

1961

–// 146,1

–// 85,9

–// 60,2

1962







1963







1964







1965







1966







6 Zu Angaben in Rubeln: Explizit »Jahrespreise« bis 1952/1953, »Preise von 1955« für Alternativangaben ab 1955. Angaben ab 1938 nach Men’šikov/Kumykin an Molotov, weitergeleitet an Mikojan, Vorbereitungsmaterial zur Internationalen Wirtschaftskonferenz Moskau, 29.8.1951, RGASPI, f. 84, op. 1, d. 59, ll. 1 ff.; Kabanov an Sekretariat Chruščev, 8.12.1954, RGANI, f. 5, op. 28, d. 243, ll. 1–10, hier ll. 2 f.; Aufstellung MID über Handel UdSSR-Indien, 1948–1954, AVP, f. 90, op. 17, papka 59, d. 18, ll. 51 f.; Kucenkov, Ausarbeitung zu Handel Indiens mit Hauptgütern 1953–1952, Moskau 1953, RGANI, f. 5, op. 28, d. 345, ll. 1 ff., hier l. 3; Vnešjaja Torgovlja Nr. 8/1961, S. 43, zit. nach Wirtschaftspolitische Abteilung DDR-Botschaft Moskau, Angaben über die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der UdSSR und Indien, 14.9.1961, PA AA, MfAA, A 17094, Bl. 73–77, hier Bl. 73; Borisov an ZK, Muchitdinov, 30.5.1958, RGANI, f. 5, op. 30, d. 275, ll. 16 ff, hier ll. 17, 22; Borisov an Furceva, Dezember 1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 306, ll. 127–136, hier ll. 129 f.; MID, Buzin/Sobol’ an Šepilov, 5.6.1956, RGANI, f. 5, op. 30, d. 149, ll. 13–42, hier l. 25 (»aktuelle Weltmarkpreise«); Fokin an Leiter Sekretariat

665

Tabellen 2a–h: Handelsbeziehungen



Sowjetische offizielle Angaben in Mio. USD

Indische Statistiken in crores Rupien

Gesamtvolumen

Indischer Export in die UdSSR

Indischer Import aus der UdSSR



1938/39







1946/47







1947/48







1948/49







1949/50







1950/51







1951/52

6.92

1.39



1952/53

0.85

0.24



1953/54

1.15

0.60



1954/55

2.12

1.81

11,7

1955/56

3.26

6.21

58,7

1956/57

15.50

16.91

126,7

1957/58

16.66

24.47

180,9

1958/59

25.90

17.21

128,6

1959/60

30.38

17.19

115,6

1960/61

28.81

15.87

162,3

1961/62

32.21

39.94

196,4

1962/63

28.25

58.64

316,7

1963/64

52.10

68.46

390,7

1964/65

77.92

77.98

403,2

1965/66

92.87

83.17

384,4

1966/67





Kosygin, Firsov, 5.10.1962, RGAĖ, f. 413, op. 13, d. 9079, ll. 1 ff., hier l. 8; Vermerk Gosplan, über Außenhandel 1961, RGAĖ, f. 4372, op. 79, d. 243, l. 83. Die Daten der verschiedenen Quellen sind nicht alle deckungsgleich, in den Tendenzen jedoch übereinstimmend. Deutlich niedrigere Angaben bzw. andere Preisbasis ab 1955 in Außenhandel der UdSSR bis 1963. Statistischer Überblick, Moskau 1964, zit. nach Wirtschaftspolitische Abteilung DDR-Botschaft Moskau, Information über einige Probleme der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und Indien, 15.6.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 54–61, hier Bl. 55; Ministerium für Außenhandel der DDR, Übersicht über Außenhandel des RGW 1960, BArch, DL 2/VA 6762, Mappe 193/61; DDR-Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel, Information über Handel der UdSSR mit der Dritten Welt, 1960 und erstes Halbjahr 1961, 25.9.1961, BArch, DL 2/VA 6762, Mappe 241/61. Deutlich höhere Zahlen für Einzeljahre in Vermerk Spandar‘jan, 5.2.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 302, l. 61–66, hier ll. 62 f.

666

Tabellen 1–5

Tabelle 2e: Warenstruktur im sowjetisch-indischen Handel, 1955–1965 (Auswahl)7

Waren(gruppen)

1955 – Anteil in %

1960 – Anteil in %

1965 – Anteil in %

Sowjetischer Export nach Indien Maschinen/ Ausrüstung

4,6

53,6

67,7

Öl/Ölprodukte

1,6

1,2

11,7

Eisen- und Buntmetalle

67,0

19,7

3,6

Düngemittel



2,6

1,3

Tee



25,9

21,4

Gewürze

37,2

6,4

2,7

Cashewnüsse



8,6

8,1

Tabak



1,3

8,0

Jute und Jutewaren



12,5

26,3

Leder und Felle

40,0

2,6

6,5

Schellack

19,5

1,5

0,4

Maschinen/ Ausrüstung







Indischer Export in die UdSSR



Zu mitunter großen Diskrepanzen zwischen indischen und sowjetischen Statistiken durch mangelhafte Registrierung, Umkategorisierung von Lieferungen als Hilfen, sowie durch Fehler und Auslassungen vgl. Datar, India’s economic relations, S. 116 f. Zur insgesamt unvollständigen statistischen Grundlage der von Zoll und Planwirtschaft erhobenen offiziellen Daten, die ab 1956/1957 wieder publiziert wurden, vgl. MVT an Mikojan, 1.3.1957, RGAĖ, f. 355, op. 1, d. 468, l. 39. Angaben in Mio. USD gem. Jahresbände Vnešnjaja torgovlja SSSR, zit. nach Carter, The net cost, S. 116 f. Indische Statistiken nach Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 363; Singh, Indo-Soviet co-operation, S. 198–200. 1 crore = 10 Mio. Abweichende Angaben mit ähnlichen Tendenzen in Naik, Russia’s policy, S. 163. Abweichende Angaben u. a. in Mehta, Why Rupee trade, S. 162 f. Zur negativen Gesamtbilanz des indischen Handels weltweit in Höhe von rd. 1500 Mio US-Dollar 1949 bis 1966 vgl. Maljarov, Nezavisimaja Indija 2, S. 666. 7 Vnešnjaja torgovlja SSSR. Statističeskij sbornik 1956–1984, zit. nach Kotovskij (Hg.), SSSR i Indija, S. 254. Vgl. Stanislaus, Soviet economic aid, S. 175–177, 316 f. Zur Warenstruktur des sowjetischen Handels mit der Dritten Welt allg. vgl. Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 119–122.

667

Tabellen 2a–h: Handelsbeziehungen Tabelle 2f: Indiens Handelspartner (Auswahl, in Mio. USD)8

Handelspartner

1950–1951 Import cif

insgesamt

Export fob

1960–1961 Import cif

Export fob

1965–1966 Import cif

Export fob

1366,0

1261,8

2393,3

1386,4

2957,9

1692,5

Großbritannien

284,2

293,7

456,3

362,4

315,3

304,2

USA

250,2

243,5

688,2

215,3

1123,6

303,8

UdSSR

4,8

2,9

33,4

60,5

174,8

195,2

darunter:

Tabelle 2g: Internationale Anteile am indischen Außenhandel, 1955–1965 (in Prozent)9

1955/56 indischer Import

indischer Export

1963/64 indischer Import

indischer Export

1964/65 indischer Import

indischer Export

Großbritannien

26,6

27,9

14

20,5

12,8

23,1

USA

13,8

14,6

36,8

16,3

34,6

17,9

Sozialistische Länder

2,3

2,1

10,6

13,7

11,4

17,7

darunter UdSSR

1

0,6

5,6

6,6

6,2

9,8

8 Tischner, Die wirtschaftliche Entwicklung, S. 358. Vgl. auch Maljarov, Nezavisimaja Indija 2, S. 676 f., 680 f.; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 274. 9 Zusammenstellung indischer Angaben durch stellv. Leiter Abteilung für Koordinierung Technische Hilfe, RGW-Sekretariat, Zajcev, 6.3.1966, RGAĖ, f. 561, op. 53, d. 18, ll. 92 ff. Vgl. Singh, Indo-Soviet co-operation, S. 203 f.

1001.5

854.6

997.7

1023.8

1423.0

1633.4

1424.2

1515.2

1767.7

1718.0

1783.2

1927.3

2126.1

2193.8

1952–53

1953–54

1954–55

1955–56

1956–57

1957–58

1958–59

1959–60

1960–61

1961–62

1962–63

1963–64

1964–65

1965–66

Export

1264.1

1281.6

1243.9

1068.7

1032.6

996.7

1008.1

902.5

1001.0

976.5

921.5

918.4

812.7

872.7

1106.0

946.7

Bilanz

–929.7

–844.5

–683.4

–714.5

–685.4

–771.0

–507.1

–521.6

–632.4

–446.5

–102.3

–79.3

–41.9

–28.8

–272.9

–78.4

10 Stanislaus, Soviet economic aid, S. 173. Vgl. zu Anteilen ebd., S. 314 A.

1378.9

1951–52

Import

1025.1

1950–51

Indischer Welthandel

131.0

124.1

107.9

92.3

62.8

25.0

27.1

27.1

39.4

26.6

9.8

2.8

0.9

0.3

2.2

0.3

Tabelle 2h: Indischer Außenhandel und sowjetisch-indischer Handel im Vergleich, 1950–1966 (in crores Rupien, nach Abwertung)10

Import

146.5

122.7

82.1

60.2

50.7

45.4

47.9

39.4

26.3

24.6

5.0

3.3

1.9

1.4

10.5

2.0

Export

15.5

–1.4

–25.8

–32.1

–12.1

20.4

20.8

12.3

–13.1

–2.0

–4.8

0.5

1.0

1.1

8.3

1.7

Indisch–sowjetischer Handel Bilanz

668 Tabellen 1–5

11

327

ab. Pakistan

b. Afrika

27

370

c. Lateinamerika

d. Andere (Finnland, Österreich, Island)

Wirtschaft

»Verteidigungszwecke«

53



562

577



28

881

1458

3767

5278





3

26



8

113

139

550

689

11 Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff.

205

ba. OAR

einschließlich:

434

aa. Indien

einschließlich:

a. Asien

849

1203

darunter:

5183

2. Entwicklungsländer

6576

1. Sozialistische Länder

davon an:

insgesamt

(genutzte) langfristige Kredite für: Wirtschaft

1



236

358





595

953

1862

2616

»Verteidigungszwecke«

nicht–rückzahlbare Hilfen für:

Tabelle 3a: Sowjetische Kredite und Finanzhilfen – Stand 1.1.1965 (in Mio. Rubel, »Außen­handelspreise«)11

Tabellen 3a–d: Kredite

Tabellen 3a–d: Kredite

669

2365,6

b. Afrika





4,8





215,4

0,9

94,8

337,1

557,3

getilgt



22,1





688,7

10,3

367,7

1392,6

2103,4

offene Schulden des Empfängerlandes



63,1





1461,5

15,8

384,1

1361,7

2886,3

für weitere Nutzung

12 Ebd. Abweichungen von Tabelle 3a. durch Rundungen im Dokument.

Argentinien –

einschl.:

26,9

c. Lateinamerika

90





904,1

11,2

462,5

1729,7

2660,7

genutzt

bb. Algerien 233,4

ba. OAR

1643,8

27

einschl.:

846,6

ab. Pakistan

3091,4

5547

aa. Indien

einschl.:

a. Asien

darunter:

insgesamt

gewährt

Kredite insgesamt

90

90

205

743

1405

27

727

1811

3306

gewährt









327

11

434

849

1203

Genutzt









16

1

82

112

132

getilgt









311

10

353

736

1070

offene Schulden des Empfängerlandes

davon Wirtschaftskredite

Tabelle 3b: Sowjetische Wirtschafts- und Militärkredite an »Entwicklungsländer« – Stand 1.1.1965 (in Mio. Rubel) 12









1078

16

292

963

2103

für weitere Nutzung

670 Tabellen 1–5

671

Tabellen 3a–d: Kredite Tabelle 3c: Kredite und »Hilfen« des Auslands für Indien – Stand Ende 1958 (sowjetische Angaben in Mio. Rupien, ohne Firmenkredite)13

Geberland

zur Verfügung gestellte Gesamtsumme

davon

Anleihen

abgerufen bis März 1959

»nicht rückzahlbare Hilfe«

UdSSR

1233

1226

7

556

ČSSR

85

85





Rumänien

52

52





USA

7940

6155

1785

5218

Großbrit.

939

893

46

357

BRD

940

940



430

Kanada

788

156

632

517

Japan

325

325



71

Australien

114



114

107

Neuseeland

27



27

21

Norwegen



17

17

15

Weltbank

2414

2414



1380

IMF

950

950



950

Tabelle 3d: Ausländische Anleihen und Kredite für Indien – Stand 30.3.1965 (in Mio. Rupien)14

Summe gemäß Abkommen

realisiert in Bestellungen

USA

11.371

10.183

UdSSR

4.843

3.037

Großbritannien

3.293

3.061

Weltbank/IDA

6.343

5.626

BRD

4.051

3.726

insgesamt

34.673

28.659

13 Šeremetev an ZK, Sekretariat Muchitdinov, 6.4.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 177 ff., hier l. 190; Archipov an ZK, 26.11.1959, RGANI, f. 5, op. 30, d. 303, ll. 15 ff., hier ll. 56 f. Zur Problematik der uneinheitlichen und nicht verlässlich umzurechnenden Währungsangaben vgl. Tab. 2a. und d. 14 Zusammenstellung indischer Angaben durch Zajcev, 6.3.1966, RGAĖ, f. 561, op. 53, d. 18, ll. 92 ff.

672

Tabellen 1–5

Tabellen 4a–e: Projekthilfen Tabelle 4a: Lieferungen der UdSSR für den Bau von Werken im Ausland, 1959–1966 (in Mio. Rubel)15

1959

1962

1963

1964

1965 (Plan)

1966 (Plan)

insgesamt

525,4

394,5

526,5

564,8

561

577,6

A: »im Exportplan«

509,8

370,3

499,4

543,8

543,8

557,5

»Staatskredite«

78,8

279

389,8

405,2

396,4

381,5

»Clearing«

429,9

90,6

108,3

137,7

130

148,3

»Handelskredite«

1,1

0,6

1,4

0,8

17,4

27,7

»freie Devisen«



0,11









»örtliche Devisen«





0,02

0,1





B: »nicht rückzahlbare Hilfe«

14,8

23,2

26,5

20,4

16

19,4

C: »im Rahmen der UN-Beiträge«

0,8

1

0,6

0,6

1,2

0,7

458,8

204,8

298,7

280,2

282,6

298

447,4

203,5

294,4

275,8

276

294,5

»Staatskredite«

34,3

121

191,9

143,6

163,8

163,6

»Clearing«

413,1

82,4

103,1

132

112

130,8

»Handelskredite«



0,1

0,4

0,2

0,2

0,1

B: »nicht rückzahlbare Hilfe«

11,4

1,3

3,3

4,4

6,6

3,5

insgesamt

525,4

394,5

526,5

564,8

561

577,6

davon

Sozialistische Länder insgesamt davon A: »im Exportplan« davon

15 Übersicht Gosplan, 7.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1790.

673

Tabellen 4a–e: Projekthilfen

Fortsetzung Tabelle 4a16

1959

1962

1963

1964

1965 (Plan)

1966 (Plan)

»Entwicklungsländer«16 insgesamt

66,6

189,7

227,8

284,6

278,4

279,6

A: »im Exportplan«

62,4

166,8

204,1

268

267,8

263

»Staatskredite«

44,5

158

197,9

261,6

232,6

217,9

»Clearing«

16,8

8,3

5,2

5,7

18

17,5

»Handelskredite«

1,1

0,4

1

0,6

17,2

27,6

»freie Devisen«



0,11









»lokale Währung«





0,02

0,1





B: »nicht rückzahlbare Hilfe«

3,4

21,9

23,2

16

9,4

15,9

C: »im Rahmen der UN-Beiträge«

0,8

1

0,5

0,6

1,2

0,7

Davon

16 In der Aufstellung inkl. Finnland.

22,3

103



»Handelskredite«

»nicht-rückzahlbare Hilfen«

»Beiträge zur UN«

200,2

22,3

94,9



1609,8

»Clearing«

»Handelskredite«

»nicht-rückzahlbare Hilfe«

»UN-Beiträge«

2. Asien

78,4

davon »Nicht-rückzahlbare Hilfe«





324,1











324,2



17,6

16,8

76,9

249,1

360,4

davon realisiert

17 Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff.

189,7

2 a. Afghanistan

davon

1292,4

»Staatskredite«

davon

2. Asien

1609,8

208,4

darunter an :

1905,1

»Clearing«

2238,8

»Staatskredite«

davon

1. »Entwicklungsländer«

Gesamtverpflichtungen

zum 1.1.1961

78,25

433,27

2476,31

8,62

129,16

55,99

260,27

2022,27

2476,31

10,54

156,28

124,45

393,9

3293,97

3979,14

Gesamtverpflichtungen

davon realisiert

64,23

233,20

1060,09

7,2

92,78

21,05

132,02

807,04

1060,09

7,29

106,16

21,40

168,73

1094,73

1398,31

zum 1.1.1965

Tabelle 4b: Verpflichtungen der UdSSR für Lieferungen von Ausrüstung/Material für Indus­trieobjekte im Ausland und für technische Hilfe – Stand 1.1.1961 und 1.1.1965 (in Mio. Rubel, »­Exportpreise«)17

674 Tabellen 1–5

36,2

»Staatskredite«

davon

3 a. OAR

davon



– –













629

3. Afrika









»UN-Beiträge«

»UN-Beiträge«



»nicht-rückzahlbare Hilfe«



»nicht-rückzahlbare Hilfe«



»Handelskredite«







»Clearing«





»Handelskredite«



»Staatskredite«





2 d. Pakistan





304,4

2 c. Indonesien



0,6

»Clearing«



»UN-Beiträge«



0,7

»nicht-rückzahlbare Hilfe«

11,8



11,8

»Handelskredite«

63,6

133,7

»Staatskredite«

67,4

209,7

davon

615

»Clearing«

694,9

»Staatskredite«

Davon

2 b. Indien

zum 1.1.1961

Gesamtverpflichtungen

davon realisiert

742,8

920,05

1,92

27,12

68,46

133,63

1271,7

1502,83

0,2

0,1



6

27,

33,3

296,11

7,41

7,36

11,78

134,63

1037,2

1198,38

davon realisiert

208,01

238,11











338,22

0,2





0,66

11,53

12,39



5,99

6,05

11,78

88,78

449,94

562,54

zum 1.1.1965 Gesamtverpflichtungen

Tabellen 4a–e: Projekthilfen

675

676

Tabellen 1–5

Tabelle 4c: Sowjetische Kooperation für Industrieobjekte im Ausland – Stand 1.1.1961 und 1.1.196518

zum 1.1.1961 Gesamtzahl Weltweit

zum 1.1.1965

davon fertiggestellt

Gesamtzahl

davon fertigestellt

312

36

600

167

191

20

276

76

aa. Indien

26

1

41

6

ab. Irak

69

1

69

22

b. Afrika

121

16

324

91

77

16

127

73

davon a. Asien davon

davon ba. UAR

Tabelle 4d: Abkommen für Objekte, die in Indien mit sowjetischer Unterstützung errichtet, ­ausgebaut und/oder ausgerüstet wurden – Stand 196519

Abkommen vom:

Projekte

2.2.1955 (Zusatzprotokoll 11.3.1958), erg. 12.9.1959, 6.7.1964

Hüttenwerk Bhilai

11.10.1955, 12.12.1958

Technische Hochschule Bombay

9.11.1957, erg. 5. (12.)9.1959, 16.2.1963 und 2.4.1963, 22.6.1964, 27.5.1965

Werk für Schwermaschinenbau Ranchi, Bihar Werk Bergbauausrüstung Durgapur, Westbengalen Werke für optisches und Brillenglas, Präzisionsinstrumente Kraftwerk Neyveli, Madras Werke der Kohleindustrie, Korba

18 Bajbakov/Skačkov/Patoličev u. a. an ZK, 17.1.1966, RGAĖ, f. 4372, op. 81, d. 1775, ll. 30 ff. 19 Suloev an Muchitdinov, 3.6.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, ll. 39 ff., hier ll. 52–56; wirtschaftspolitische Abteilung DDR-Botschaft Moskau, Information über einige Probleme der wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und Indien, 15.6.1965, PA AA, MfAA, C 640/70, Bl. 54–61; Rothermund, Indien, S. 124–127; Singh, Indo-Soviet Co-operation, S. 35–39; Mathew, India’s economic relations, S. 238–241; Datar, India’s economic relations, S. 33–41; Stanislaus, Soviet economic aid, S. 300–303, 307; Müller, Die sowjetische Entwicklungspolitik, S. 317 f.; Mehrotra, India, S. 13 f.

677

Tabellen 4a–e: Projekthilfen

Abkommen vom: 29.5.1959

Projekte Werk für Antibiotika, Uttar Pradesh Werk für synthetische Chemo-Pharmaka Werk für pflanzliche Heilmittel, Kerala Werk für chirurgische Instrumente, Madras Abt. für Arzneimittel, Bombay

12.9.1959, 12.2.1960

Werk für Schwermaschinenbau Ausbau Bhilai Ausbau Neyveli Zusatzlieferungen Barauni Werk für Feinmechanik/Präzisionsinstrumente, Kotal Werk für Schwerelektrogeräte Werk für Bergbaumaschinen Singrauli Kraftwerk Öl- und Gasgewinnung, Raffinerie, Mathura u. a. Ausrüstungen für Aus- und Aufbau Kraftwerke Korba und Singrauli

28.9.1959, erg. 25.11.1963

Werk für Ölverarbeitung, Barauni, Bihar

21.2.1961

Wasserkraftwerk Bhakra Werk für Ölverarbeitung, Koyali Werk für Kohlebearbeitung, Asthana Werk für Feuerfeststoffe Öl- und Gasgewinnung, Cambay, Ankleshwar u. a. Ausbau Barauni, Bhilai

25.11.1963

»Instrumentenfabrik«

28.3.1964

»Kompressoren- und Pumpenfabrik«, Stahlgießerei

23.5.1964

Schwerenergiemaschinenwerk Ranipur

22.1.1965, erg. 6.2.1965

Hüttenwerk Bokaro

über Handelsabkommen

Zulieferungen für Bhilai und für Öl- und Gasgewinnung

über Beiträge UdSSR zur UN

Aufbau Technologie-Institut Bombay Hilfen für Statistik-Institut

»Geschenk«

Landwirtschaftsfarm Suratgarha Einrichtung Technologie-Institut Bombay

678

Tabellen 1–5

Tabelle 4e: Sowjetische Hilfsleistungen an das Ausland und Indien im Vergleich: Formen und ­Anteile – Stand 1.1.1961 (in Mio. »neuer Valutarubel«)20

weltweit

sozialistische Länder

»schwach entwickelte« Länder

Indien

Verpflichtungen der UdSSR für technische Hilfe für Bau von Unternehmen in Ausland

9033,5

6575,5

2449,7

694,9

sowjetische Kredite

12075,3

8155,2

3920,1 (»nicht-­ sozialistische Länder«)

725,5

Zahl von der UdSSR unterstützter Industrieunternehmen und -projekte





348

32

Tabellen 5a–g: Wirtschaftsbeziehungen des RGW Tabelle 5a: Regierungskredite der RGW-Mitgliedstaaten an die Dritte Welt, 1954–1965 (in Mio. Rubel)21

Geberland

insgesamt

1954

1955

1956

1957

1958

Bulgarien

34,8











Ungarn

86,8











DDR

152,9









19,4

Polen

260,7











Rumänien

132,7









10,6

UdSSR

3552,2

5,0

124,2

209,3

216,8

364,5

ČSSR

434,8

4,5









Insgesamt

4654,9

9,5

124,2

209,3

216,8

394,5

20 Archipov an Muchitdinov, 25.4.1961, RGANI, f. 5, op. 30, d. 371, l. 6 ff.; Suloev an Muchitdinov, 3.6.1961, ebd., ll. 39 ff. 21 Materialien DDR-Delegation RGW, BArch, DL 2/VA 6773, Mappe 591/66.

679

Tabellen 5a–g: Wirtschaftsbeziehungen des RGW

1959

1960

1961

1962

1963

1964

1965





11,8

1,8



9,3

11,9





14,8

25,2





46,8











3,2

130,3



30,6

39,7

76,7

7,2

50,6

55,9





99





23,1



687,7

501,5

459,0

55,6

179,7

521,4

227,5

61,5

60

59,2

50



101,2

98,4

749,2

592,1

683,5

209,3

186,9

708,8

570,8

680

Tabellen 1–5

Tabelle 5b: Regierungskredite des RGW an die Dritte Welt, 1954–1965 – Auswahl (in Mio. ­Rubel)22

insges.

1954

1955

1956

1957

1958

insgesamt

4654,9

9,5

124,2

209,3

216,8

394,5

Asien

2528,7

9,5

124,2

209,3

216,8

37,6

Indien

1122,8



124,2



112,5

10,6

Indonesien

443,8





105,8

6



Irak

194,3











Afghanistan

345,2

9,5



90

13,5



Pakistan

53,3











Afrika

1991,2









266,9

VAR

1076,3









266,9

Algerien

222,3











Ghana

168,9











Guinea

104,3











Latein­ amerika

135









90

Tabelle 5c: Kredite der RGW-Mitgliedstaaten an Entwicklungsländer und ihre Organisationen und Unternehmen – Stand 1.1.1966 (in Mio. Rubel)23

gewährte Kredite staatliche Kredite insgesamt

Handels– und Firmenkredite

4587,8

623,4

2518,2

340,2

aa. Indien

1122,8

98,9

ab. Pakistan

53,3



b. Afrika

1979,6

220,4

ba. VAR

1073,7

185,7

c. Lateinamerika

90

62,8

davon an: a. Asien einschließlich:

einschließlich:

22 Ebd. 23 Sekretariat RGW, Operative Daten über wirtschaftliche und technische Hilfe der RGW-Mitgliedstaaten für die Entwicklungsländer 1966, BArch, DL 2/VA 6773, Mappe 677/66.

681

Tabellen 5a–g: Wirtschaftsbeziehungen des RGW

1959

1960

1961

1962

1963

1964

1965

749,2

592,1

683,5

209,3

186,9

708,8

570,8

586

312

406,5

81,2

56,9

189,8

298,9

421,7

27

112,5

29,4



75

209,9



255

77









164,3

30















177

28,8

3,7

10

12,7





27





26,3



163,2

280,1

232

128,1

130

519

271,9



202,5



93,2

40

299,6

174,1









90

132,3





74

64,3





12,4

18,2

64,4

3,6

9

7,3





20





45









genutzte Kredite staatliche Kredite

Handels– und Firmenkredite

1714,2

331

1148,9

214,1

580,1

75,4

14,7



538,4

78,1

302,5

53,5

26,9

38,8

682

Tabellen 1–5

Tabelle 5d: Übernommene und erfüllte Gesamtverpflichtungen der RGW-Mitgliedstaaten zur technischen Hilfe gegenüber der Dritten Welt – Stand: 1.1.1966 (Auswahl, in Mio. Rubel)24

insgesamt insgesamt

Bulgarien

Ungarn

DDR

6246,3

115,5

138,5

353

3578,5

65,9

37,2

163,7

aa. Indien

1516,2

3,6

7,7

11,8

ab. Pakistan

65,6





0,1

b. Afrika

2479,4

49,1

93,8

180,1

ba. VAR

1410,3

12,1

77,8

111,8

c. Lateinamerika

188,4

0,5

7,5

9,2

davon an: a. Asien einschließlich:

einschließlich:

Tabelle 5e: Faktische Gesamtleistungen der RGW-Mitgliedstaaten an technischer Hilfe gegenüber der Dritten Welt für die Zeit von 1955–1965 – Stand 1.1.1966 (Auswahl, in Mio. Rubel)25

insgesamt insgesamt

Bulgarien

Ungarn

DDR

2718,9

58,8

49,9

102,6

1834,1

38,9

18,4

35,1

aa. Indien

849,5



2,9

7,2

Ab. Pakistan

20,4





0,1

b. Afrika

787,8

19,9

24

64,8

ba. VAR

459,4

1,8

20,8

35,2

c. Lateinamerika

97



7,5

2,7

davon an: a. Asien einschließlich:

einschließlich:

24 Sekretariat RGW, Operative Daten über wirtschaftliche und technische Hilfe der RGW-Mitgliedstaaten an Dritte Welt, 1966, BArch, DL 2/VA 6773, Mappe 677/66. 25 Ebd.

683

Tabellen 5a–g: Wirtschaftsbeziehungen des RGW

Polen

Rumänien

UdSSR

ČSSR

420

90

4274,4

854,9

243,2

51,2

2522,8

494,5

101,1

35,6

1123,4

233

14,3



33,3

17,9

151,4

29,8

1661,1

314,1

71,3

20,8

916,2

200,3

25,4

9,0

90,5

46,3

Polen

Rumänien

UdSSR

ČSSR

131,2

57,5

1901,7

417,2

91,8

46,1

1331,5

272,3

27,6

30,6

670

111,2

0,1



16,2

4

30,2

2,5

543,1

103,3

9

0,4

327,5

64,7

9,2

8,9

27,1

41,6

684

Tabellen 1–5

Tabelle 5f: Anzahl von Industrieunternehmen, die mit technischer Hilfe von RGW-Mitgliedstaaten fertiggestellt wurden, sich im Bau befanden oder gebaut werden sollten – Stand 1.1.196626

insgesamt insgesamt

Bulgarien

Ungarn

DDR

1817

83

198

308

831

78

66

144

aa. Indien

290

4

28

71

ab. Pakistan

8



5



b. Afrika

931

4

120

149

ba. VAR

570

1

71

122

c) Lateinamerika

55

1

12

15

davon in: a. Asien einschließlich:

einschließlich:

Tabelle 5g: Anzahl der »Objekte«, die mit technischer Hilfe der RGW-Mitgliedstaaten fertig­ gestellt wurden – Stand 1.1.196627

insgesamt insgesamt

Bulgarien

Ungarn

DDR

951

68

50

229

521

67

34

105

aa. Indien

188



10

65

ab. Pakistan

3



1



b. Afrika

392

1

6

118

ba. VAR

296

1

1

95

c. Lateinamerika

38



10

6

davon in: a. Asien einschließlich:

einschließlich:

26 Ebd. 27 Ebd. Vgl. Datar, India’s economic relations, S. 33–41.

685

Tabellen 5a–g: Wirtschaftsbeziehungen des RGW

Polen

Rumänien

UdSSR

ČSSR

122

23

567

516

58

13

240

232

26

8

41

112

1



1

1

61

8

327

262

44

7

129

196

3

2



22

Polen

Rumänien

UdSSR

ČSSR

71

13

189

331

22

8

85

200

8

4

7

94

1





1

46

4

104

113

37

4

72

86

3

1



18

686

Tabellen 6–7

Tabellen 6–7: Propaganda, Information und Kulturdiplomatie

Tabellen 6a–c: Auflagen sowjetischer Printmedien für Indien, 1949–1966 (Auswahl) Tabelle 6a: Sowjetische Periodika, 195528

Titel

Exemplare für Verteilung/Vertrieb in Indien (abs. Zahlen)

Pravda

82

Komsomol‘skaja Pravda

15

Literaturnaja Gazeta

20

Sovetskaja Kul‘tura

7

Fachzeitschrift Automobil- und Transportindustrie

1

Voprosy Istorii

3

Voprosy Filosofii

2

Voprosy Ėkonomiki

5

Kommunist

23

Novoe Vremja

34 in russisch, 2909 in indischen Sprachen

Sovetskaja Literatura

1322 in indischen Sprachen

Sovetskaja Ženščina

20 in russisch, 1044 in indischen Sprachen

Sovetskij Sojuz

404 in russisch, 3935 in indischen Sprachen

28 Stepanov an Suslov, 9.1.1956, RGANI, f. 5, op. 16, d. 750, ll. 16 ff.

687

Tabellen 6a–c: Auflagen sowjetischer Printmedien für Indien Tabelle 6b: Soviet Land, 1949–196429

Jahr

Sprache Englisch

Hindi

Telugu

Bengalisch

Urdu

Tamil

Gujarati

Panjabi, Malaya­ lam, Kannada, Marathi, Oriya, Assamesisch u. a.

1949 500

370

360

325

475







1950 2500

2000

2000

2000









1951 10000

10000

10000

20000









1952 13000

12400

5400

22500









1954 13000

12000

5400

12000

5–6700

12500– 15600





1955 15200– 16500

17000– 18000

6500– 7300

15000– 19000

7500– 9000

17000– 20000





1956 22000

27000

8200

21000

13000

17800



26000

1957 28600

35000

13500

33000

18500

19500

24500

53000

1958 40000

45000

13000

27000

20000

23000

27000



1963 30000

49800

9000

41000

16000

16000

54000

65000

1964 40000

75000

19000

43000

16100

30000

85000

84500

29 Angaben nach Tätigkeitsberichten des SIB Delhi für 1949–1958, RGASPI, f. 17, op. 137, d. 148, ll. 80 ff.; d. 479, ll. 104 ff.; d. 952, ll. 136 ff.; GARF, f. 8581, op. 2, d. 428; d. 445, ll. 10 ff.; d. 461, ll. 1 ff.; d. 487, ll. 72 ff.; Beschluss Politbüro, 21.3.1950, sowie Grigor’jan an Stalin, 20.3.1950, RGASPI, f. 17, op. 163, d. 1544; Pozdeev an ZK, 20.6.1954, RGANI, f. 5, op. 16, d. 678, ll. 3 ff.; Efimov an Men’šikov, 6.11.1954, GARF, f. 8581, op. 2, d. 408, ll. 9–16; für Januar 1963 gem. Auflage- und Bezugsdaten Soviet Land 1963, GARF, f. 9587, op. 2, d. 154. Höhere Aufl. nach Department of State, Bureau of Intelligence and Research, Compilations of cultural and educational exchanges between the Communist Countries and South Asia in 1963, Juni 1964, Univ. of Arkansas, Bureau of Educational and Cultural Affairs State Department, Box 169, File 14. Daten für Oktober 1964 gem. Aufstellungen über Auflage und Vertrieb, GARF, f. 9587, op. 2, d. 210.

688

Tabellen 6–7

Tabelle 6c: Pressebulletin: News and views from Soviet Union, 1950–196330

Sprache Jahr

Englisch

Hindi

Urdu

Bengalisch

Marathi

Telugu

1950

1000

750

750

750

750

750

1951

1600

1410

1320

900

915

570

1952

1775

1515

1380

930

1220

655

1955

3756

2680

1825

1220

1545

1145

1956

5000

2820

1910

1235

1570

1220

1957

10000

1455

1050

480

570

420

1963

12300

1500

900

550

300

500

Tabellen 7a–e: Das indische Bild der UdSSR: Ergebnisse von Meinungsumfragen in Indien Tabelle 7a: Einschätzung sowjetischer Gesellschaft und Menschen im Vergleich, 1958/1959 (­Angaben in Prozent)31

Land mit …

den »schönsten Landschaften« Antworten in

der »größten Lebensfreude« Antworten in

Bombay

Calcutta

Bombay

Calcutta

Indien

37,2

46,5

6,2

5,2

USA (Amerika)

1,2

0,5

34,6

17,7

Großbritannien

0,2

1,5

7,4

4,2

UdSSR



0,8

1,4

9,0

China





1,0

2,7

30 Ebd. 31 Monthly public opinion surveys 4 (1958/59), Nr. 37/38, S. 39–60.

689

Tabellen 7a–e: Das indische Bild der UdSSR

Gujarat

Punjabisch

Malaiisch

Kannada

Oriya, Assamesisch, Tamil u. a.

750









510









580

100







915

965

1571

181

197

800

1055

1115

225

915

485

375

785

300

760

250

300

300

250

900

dem »höchstem Kulturniveau« Antworten in

dem »bestem Essen« Antworten in

dem »höchstem Lebensstandard« Antworten in

Bombay

Calcutta

Bombay

Calcutta

Bombay

Calcutta

39,0

19,5

19,6

3,2

0,6

1,5

9,6

7,8

36,2

35,0

75,0

42,0

23,6

7,5

5,8

0,8

4,6

6,0

3,2

21,2

3,0

15,5

2,2

12,2

3,2

1,0

4,4

3,2

0,6

1,0

690

Tabellen 6–7

Tabelle 7b: Bewertung des Nutzens ausländischer Wirtschaftshilfen, 1965–1966 (Angaben in Prozent) 32

Wirtschaftshilfen aus: »helfen« »viel«

»hemmen«

weder/noch

»ein wenig«

den USA

70

11

4

1

der UdSSR

65

13





Tabelle 7c: Einschätzung der Motive ausländischer Wirtschaftshilfen, 1965–1966 (Angaben in Prozent) 33

Eigeninteresse: Gewinnen für eigenes Lager

»friendly ­relations, win goodwill«

Entwicklung indischer Wirtschaft

Beeinflussung indischer Innenpolitik

USA

21

15

13

21

UdSSR

17

22

17

7

Tabelle 7d: Ansehen der UdSSR und der USA in Indien, 1965–1966 (Angaben in Prozent)34

»very good opintion«

»good opinion«

»neither good nor bad opinion«

»bad opinion«

»very bad«

Juni 1965

Januar 1966

Juni 1965

Januar 1966

Juni 1965

Januar 1966

Juni 1965

Januar 1966

Juni 1965

Januar 1966

USA

16

19

58

52

13

18

4

4

1



UdSSR

16

39

64

51

11

4

1







Tabelle 7e: Außenpolitische Orientierungen der indischen Öffentlichkeit, 1965–1966 (Angaben in Prozent)35

Übereinstimmung der Grundinteressen Indiens »very much in agreement«

»fairly well in agreement«

»rather different«

»very different«

06/1965

01/1966

06/1965

01/1966

06/1965

01/1966

06/1965

01/1966

mit den USA

14

15

42

44

9

14

3

3

mit der UdSSR

12

27

44

35

8

13

3

2

32 International images after Tashkent, January-February 1966. The results of a »literate« metropolitan survey, in: Monthly public opinion surveys 11 (1965/66), Nr. 6/7 (126/127), S. 14–62. 33 Ebd. 34 Ebd. Vgl. britisches Hochkommissariat Delhi, Allison, an CRO, Duff, 10.11.1965, NAK, FO 181/1182. 35 Ebd.

Abkürzungsverzeichnis

691

Abkürzungsverzeichnis AAPSO Afro-Asian Peoples’ Solidarity Organization Abt. Abteilung AEA Außereuropäische Abteilung AHO Außenhandelsorganisation AHR American Historical Review AICC All India Congress Committee AIKS All India Kisan Sabha (All India Peasants Union) AIR All India Radio AITUC All India Trade Union Congress all. alliiert AN Akademija Nauk, Akademie der Wissenschaften APN Agentstvo Pečati Novosti, Presseagentur Novosti AVP Archiv Vnešnej Politiki, Archiv für Außenpolitik, Moskau BArch Bundesarchiv BL, IOR British Library, India Office Records BRICS Staaten Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika BSĖ Bol’šaja Sovetskaja Ėnciklopedija, Große Sowjetische Enzyklopädie CEC Central Executive Committee CENTO Central (Eastern) Treaty Organization CIF Cost Insurance Freight CoCom Coordinating Committee on Multilateral Export Controls CPC Communist Party of China CPGB Communist Party of Great Britain CPI Communist Party of India CPI (M) Communist Party of India (Marxist) CPP Communist Party of Pakistan CRO Commonwealth Relations Office CSP Congress Socialist Party CSU Central’noe statističeskoe upravlenie, Zentrale Statistikverwaltung d. delo, Akte DBPO Documents on British Policy Overseas DDRS Declassified Documents Reference System DNSA Digital National Security Archive Dpt. Department EBB Electronic Briefing Books ECAFE Economic Commission for Asia and the Far East ECOSOC Economic and Social Council EPTA (UN) Extended Programme of Technical Assistance f. fond, Bestand FAI Failed states index F(.)O(.) Foreign Office fob free on board (Lade- und Transportbedingungen Handelsschifffahrt) FRUS Foreign Relations of the United States GA (UN) General Assembly (United Nations) GARF Gosudarstvennyj Archiv Rossijskoj Federacii, Staatsarchiv der Russischen Föderation GG Geschichte und Gesellschaft

692

Anhang

GIU Glavnoe inženernoe upravlenie GKĖS, Hauptingenieursverwaltung GKĖS GKAT Gosudarstvennyj komitet po aviacionnoj techniki, Staatskomitee für Luftfahrt GKĖS Gosudarstvennyj komitet po vnešnim ėkonomičeskim svjazjam, Staatskomitee für Außenwirtschaftsbeziehungen GKKS Gosudarstvennyj komitet po kul’turnym svjazjam s zarubežnymi stranami, Staatskomitee für Kulturbeziehungen mit dem Ausland GoI Government of India GUĖS Glavnoe upravlenie po delam ėkonomičeskich svjazej so stranami narodnoj demokratii, Hauptverwaltung für Wirtschaftsbeziehungen mit den volksdemokratischen Ländern HA Hauptabteilung HDI Human Development Index HZ Historische Zeitschrift IAS Indian Administrative Service IB Intelligence Bureau IBRD International Bank for Reconstruction and Development ICS Indian Civil Service ICSC International Commission for Supervision and Control in Vietnam IDA International Development Association IFS Indian Foreign Service IKKI Ispol’nitel’nyj komitet Kommunističeskogo Internacionala, Exekutivkomitee der Komintern IMĖMO Institut mirovoj ėkonomiki i meždunarodnych otnošenij, Institut für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen IMO Institut meždunarodnych otnošenij, Institut für Internationale Beziehungen INA Indian National Army INB Indian National Bibliography INC Indian National Congress IOR s. u. BL, IOR IPTA Indian People’s Theatre Association ISCUS Indo-Soviet Cultural Society ISI Indian Statistical Institute IVAN Institut vostokovedenija Akademii Nauk, Institut der Akademie der Wissenschaften für Orientalistik JBfGO Jahrbücher für Geschichte Osteuropas JMH Journal of modern history JPHS Journal of the Pakistan Historical Society KI Komitet informacii, Komittee für Information (MID) KNR Kitajskaja narodnaja respublika, Chinesische Volksrepublik KPCC Kerala Pradesh Congress Committee KPCh Kommunistische Partei Chinas KPdSU Kommunistische Partei der Sowjetunion KSČ Komunistická strana Československa, Kommunistische Partei der Čechoslovakei KUTV Kommunističeskij universitet trudjaščichsja vostoka, Kommunistische Universität der Werktätigen des Ostens l., ll. list, listy, Blatt/Blätter (Paginierung) MEA Ministry of External Affairs MfAA Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (DDR) MfS Ministerium für Staatssicherheit

Abkürzungsverzeichnis

693

MGB Minister(stvo) gosudarstvennoj bezopasnosti, Minister(ium) für Staatssicherheit MGIMO Moskovskij gosudarstvennyj institut meždunarodnych otnošenij, Moskauer Staatsinstitut für Internationale Beziehungen MGZ Militärgeschichtliche Zeitschrift MID Minister(stvo) inostrannych del, Außenminister(ium) der UdSSR MoP Member of Parliament MVT Minister(stvo) vnešnej torgovli, Minister(ium) für Außenhandel der UdSSR NAI National Archives of India NAK National Archives, Kew NARA National Archives and Record Administration NEFA North-East Frontier Agency NFIW National Federation of Indian Women NIE National Intelligence Estimate NKGB Narodnyj komissariat gosudarstvennoj bezopasnosti, Volkskommissariat für Staatssicherheit NKID Narodnyj komissariat inostrannych del, Volkskommissariat für Auswärtige Beziehungen NMML Nehru Memorial Museum & Library NNRC Neutral Nations Repatriation Commission NSA National Security Archive NWFP North-West Frontier Province NYT New York Times NZZ Neue Zürcher Zeitung OAR s. u. UAR OGPU Ob-edinennoe političeskoe upravlenie, Vereinigte Politische Verwaltung (Politische Polizei) OMI Otdel meždunarodnoj informacii, Abteilung für Internationale Information op. opis’, Verzeichnis p. papka, Aktenordner PA AA Politisches Archiv des Auswärtigen Amts PEPSU Patiala and East Punjab States Union (1948–1956) PKK Politisches Konsultativ-Kommittee, Warschauer Pakt PM Prime Minister PMR Partidul Muncitoresc Român, Rumänische Arbeiterpartei PPH People’s Publishing House PSP Praja Socialist Party PWA Progressive Writers’ Association RAW Research and Analysis Wing (Intelligence Bureau, Indien) RG Record group RGAĖ Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv E˙ konomiki, Russisches Staatsarchiv für Wirtschaft RGALI Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Literatury i Iskusstva, Russisches Staatsarchiv für Literatur und Kunst RGANI Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Novejšej Istorii, Russisches Staatsarchiv für Neueste Geschichte RGASPI Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Social’no-Političeskoj Istorii, Russisches Staatsarchiv für Sozio-Politische Geschichte RGW Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe ROK Republic of Korea

694

Anhang

RSC Roosevelt Study Center SAM Surface-to-air missile SAPMO Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR (im Bundesarchiv) SC (UN) Security Council (UN) SEAC South East Asia Command SEATO South East Asia Treaty Organisation SEER Slavonic and East European Review SIB Sovetskoe informacionnoe bjuro, Sowjetisches Informationsbüro SNIE Special National Intelligence Estimate SNK Sovet Narodnych Komissarov, Rat der Volkskommissare SOA Südostasien/Southeast Asia SoS Secretary of State SovMin Sovet Ministrov, Ministerrat SSOD Sojuz sovetskich obščestv družby i kul’turnych svjazej, Union der sowjetischen Gesellschaften für Freundschaft und kulturelle Beziehungen SSP Sojuz sovetskich pisatelej, Verband der sowjetischen Schriftsteller STC State Trading Corporation stellv./Stellv. Stellvertretender/Stellvertreter SUNFED Special UN Fund for Economic Development SWJN Selected Works of Jawaharlal Nehru TASS Telegrafnoe agentstvo Sovetskogo Sojuza ToI Times of India UAR United Arab Republic (1958–1961: Syrien und Ägypten; 1961–1971: Ägypten) UN United Nations UNA United Nations Archives UNCIP United Nations Commission for India and Pakistan UNCTAD United Nations Conference on Trade and Development UNMOGIP United Nations Military Observer Group in India and Pakistan UNRRA United Nations Relief and Rehabilitation Administration USD US-Dollar USIS United States Information Service VCSPS Vsesojuznyj central’nyj sovet professional’nych sojuzov, Allunions-Zentralrat der Gewerkschaften VDŠ Vysšaja diplomatičeskaja škola, Diplomatische Hochschule VKP (b) Vsesojuznaja kommunističeskaja partija (bol’ševiki), Allunions-Kommunistische Partei (Bol’ševiken) VOKS Vsesojuznoe obščestvo kul’turnoj svjazi s zagranicej, All-Unionsgesellschaft für Kulturbeziehungen mit dem Ausland VPK Vnešnepolitičeskaja komissija (CK VKP (b)), Außenpolitische Kommission (ZK VKP (b)) WBA World Bank Archives WFDY World Federation of Democratic Youth WFTU World Federation of Trade Unions ZWG Zeitschrift für Weltgeschichte

Quellen- und Literaturverzeichnis

695

Quellen- und Literaturverzeichnis Ungedruckte Quellen Indien Nehru Memorial Museum & Library, New Delhi (NMML) ȤȤ Papers •• Nr. 2 A, M. O. Mathai papers •• Nr. 177, Subimal Dutt papers •• Nr. 179, P. C. Mahalanobis papers •• Nr. 180, K. S. Thimayya papers •• Nr. 190, Aruna Asaf Ali papers •• Nr. 210, K. P. S. Menon papers •• Nr. 294, T. T. Krishnamachari papers •• Nr. 324, Y. D. Gandevia papers •• Nr. 476, T. N. Kaul papers •• Nr. 482, V. L. Pandit papers – I., II. Instalments ȤȤ Collection of transcripts of Oral History •• M. G. Desai •• K. P. S. Menon •• M. A. Men’šikov •• N. A. Muchitdinov •• E. M. S. Namboodiripad •• R. K. Nehru •• E. Žukov

National Archives of India, New Delhi (NAI) Ministry of External Affairs, MEA

Russland Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Social’no-Političeskoj Istorii, Moskau (RGASPI) ȤȤ f. 17, ZK •• op. 3, Beschlüsse Politbüro, 1941–1952 •• op. 116, ZK-Verwaltung, 1946–1952 •• op. 128, Abt. Internationale Information/Außenpolitik •• op. 137, Außenpolitische Kommission ZK/ZK-Abteilung für Verbindung mit ausländischen Kommunistischen und Arbeiterparteien •• op. 162, Beschlüsse Politbüro Sondermappen •• op. 163, Sitzungsprotokolle Politbüro ȤȤ f. 74, Bestand Vorošilov ȤȤ f. 77, Bestand Ždanov ȤȤ f. 82, Bestand Molotov ȤȤ f. 84, Bestand Mikojan ȤȤ f. 397, Bestand Chruščev ȤȤ f. 558, Bestand Stalin

696

Anhang

ȤȤ f. 586, Materialien zu Parteiprogramm 1961 ȤȤ f. 592, 19. Parteitag KPdSU ȤȤ f. M-3, Komitee Jugendorganisationen UdSSR, 1956–1991

Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Novejšej Istorii, Moskau (RGANI) (Teilbestände in Kopie in der Bayerischen Staatsbibliothek, München) ȤȤ f. 1, Parteitage der VKP (b)/KPdSU ȤȤ f. 2, Plenen des ZK der VKP (b)/KPdSU ȤȤ f. 5, ZK-Apparat •• op. 14, Büro/Kommission für Reisen ins Ausland •• op. 15, Abt. Partei-, Gewerkschafts- und Jugendorganisationen •• op. 16, Abt. Propaganda und Agitation •• op. 17, Abt. Wissenschaft und Kultur •• op. 28, Abt. für Verbindung mit ausländischen KPs •• op. 30, Allgemeine Abt. •• op. 33, Abt. für Propaganda und Agitation in Unionsrepubliken/Abt. Propaganda und Agitation •• op. 35, Abt. Wissenschaft und Höhere Lehreinrichtungen (und Schulen) •• op. 36, Kulturabt. •• op. 37, Abt. für Wissenschaft, Schulen und Kultur RSFSR/Schulen und Lehreinrichtungen RSFSR •• op. 40, Abt. Maschinenbau •• op. 45, Abt. Landwirtschaft •• op. 55, Ideologische Abt. ȤȤ f. 6, Komitee für Parteikontrolle: Sekretariatssitzungen 21. und 22. Kongress der KPdSU, 1959–1962 ȤȤ f. 11, ZK-Kommission für Ideologie, Kultur und internationale Parteibeziehungen ȤȤ f. 72, Ideologische Kommission beim ZK, 1962–1966 ȤȤ f. 89, Materialien des Prozesses gegen die KPdSU

Gosudarstvennyj Archiv Rossijskoj Federacii, Moskau (GARF) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

f. 4851, Glavizdat (wechselnde Bezeichnungen) f. 5283, VOKS f. 5446, Verwaltung Ministerrat f. 6903, Staatskomitee für Rundfunk und Fernsehen f. 6991, Religionsrat beim Ministerrat f. 7523, Oberster Sowjet f. 7928, Komitee Sowjetischer Frauen f. 8581, Sowjetisches Informationsbüro (SIB) f. 9396, Ministerium für Hochschulbildung f. 9497, Parlamentarische Gruppe des Obersten Sowjet f. 9518, Staatskomitee für Kulturverbindungen mit dem Ausland, GKKS f. 9520, Zentralrat für Tourismus f. 9522, Stalin-/Leninpreise f. 9576, Union der Freundschaftsgesellschaften, SSOD f. 9587, Agentur Novosti (APN) f. 9590, Verlag Progress f. 9604, Staatskomitee für Druckwesen f. 9606, Ministerium für Hochschul- und Spezialausbildungen f. 9612, Inturist

Quellen- und Literaturverzeichnis

Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Ėkonomiki, Moskau (RGAĖ) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

f. 5, Staatskomitee für Zivilbau und Architektur bei Gosstroj f. 7, Staatlicher Wirtschaftswissenschaftlicher Rat f. 29, GKAT f. 44, Ministerium für Verteidigungsindustrie f. 62, Hauptingenieursverwaltung GKĖS f. 233, Volkswirtschaftsrat f. 298, Staatskomitee für Verteidigungstechnik f. 339, Gosstroj f. 355, Staatliches Planungskomitee des Ministerrats für Perspektivplanung f. 365, Behörden für außenwirtschaftliche Verbindungen f. 413, Ministerium für Außenhandel f. 561, Sekretariat RGW f. 4372, Gosplan f. 8123, Minsterium für Maschinenbau f. 8243, Ministerium für Schwermaschinenbau

Archiv Vnešnej Politiki, Moskau (AVP) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

f. 6, Sekretariat Molotov f. 7, Sekretariat Vyšinskij f. 21, Sekretariat Zorin f. 22, Sekretariat Gromyko (als Stellv. MID) f. 25, Sekretariat Puškin f. 47, Abteilung Internationaler Organisationen/UN f. 90, Referentur Indien f. 117, Referentur Pakistan f. 172, Sowjetische Botschaft in Indien f. 187, Sowjetische Botschaft in Pakistan f. 434, Ständige Vertretung UdSSR bei den UN f. 445, Genfer Konferenz der Außenminister 1954 f. 559, Generalkonsulat Bombay f. 568, Generalkonsulat Kalkutta f. 649, Generalkonsulat Madras f. 638, Abteilung Südasien f. 667, Sowjetische Delegation Taškenter Konferenz

Rossijskij Gosudarstvennyj Archiv Literatury i Iskusstva, Moskau (RGALI) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

f. 631, Sojuz Sovetskich Pisatelej f. 1172, Nikolaj Tichonov f. 1565, Družba narodov f. 1573, Inostrannaja literatura f. 2329, Kulturministerium f. 2944, Staatskomitee für Filmwesen

Deutschland Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Berlin (PA AA) MfAA, 1949–1966

697

698

Anhang

Bundesarchiv, Berlin (BArch) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

DA 1, Volkskammer, Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten DA 5, Staatsrat DC 20, Ministerrat DE 1, Staatliche Planungskommission DL 2, Ministerium für Außenhandel und innerdeutschen Handel

Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, Berlin (SAPMO-BArch) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

DY 30/J IV 2/2 und DY 30/J IV 2/2 A, Politbüro ZK SED DY 30, Büro Walter Ulbricht DY 30/J IV 2/2J, Informationen Politbüro ZK SED DY 30/IV A 2/20 und DY 30/IV 2/20, SED, ZK-Abteilung Außenpolitik und Internationale Beziehungen DY 30/IV A 2/2.021 // DY 30, Büro Mittag NY 4076, Nl Matern NY 4090, Nl Grotewohl NY 4182, Nl Ulbricht

Großbritannien The National Archives, Kew (NAK) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

CAB, Kabinett DO, Commonwealth Relations Office FO, Foreign Office PREM, Prime Ministers

British Library, London (BL) India Office Records

Communist Party of Great Britain Archive, Microform Academic Publishers (CPGBA) CP/Ind/Poll, Harry Pollit Papers

USA National Archives, College Park, Maryland (NARA) Record Group 59: Department of State ȤȤ Central Files: Länder und Organisationen •• ECAFE •• India •• Pakistan •• Soviet Union ȤȤ Lot Files •• Lot 54D341, Records of the Office of South Asian Affairs: Subject Files relating to Indian Affairs, 1943–1953 •• Lot 57D259, Records of the Office of South Asian Affairs, 1939–53, Country Files

Quellen- und Literaturverzeichnis

699

•• Lot 57D373, Records relating to South Asia: General Subject Files of the Officer in Charge of India-Nepal-Ceylon Affairs, 1944–1957 •• Lot 58D258, Bureau of Far Eastern Affairs, Records relating to economic aid, 1948–1958 •• Lot 58D742, Lot 59D237, Subject Files of the Office of the UN Political and Security Affairs, 1945–1957 •• Lot 60D449, Subject Files relating to economic affairs of India, 1953–1958 •• Lot 62D43, Records relating to South Asia 1947–1959, Miscellaneous •• Lot 68D49, Bureau of Near Eastern and South Asian Affairs, Office of the Country Director for India, Ceylon, Nepal & Maldive Islands, Records relating to Indian economic affairs, 1964–1966

UN Archives, New York (UNA) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

Series 0005, UN. Executive Assistant to the Secretary-General, 1946–1961 Series 0209, ONUC – records on foreign countries Series 0360, Under-Secretary General for Special Political Affairs Series 0370, Under-Secretary General for Special Political Affairs Series 0442, Registry Archives Groupe – Political and Security (PO) Series 0858, Records of Secretary-General U Thant – United Nations Commissions, ­Committees, and Conferences Series 0863, Records of Secretary-General U Thant – Peacekeeping – India/Pakistan Series 0878, Records of Secretary-General U Thant – Peacekeeping – other countries Series 0882, Records of Secretary-General U Thant – Secretary-General’s correspondence with heads-of-state, governments, and representatives to the United Nations Series 0883, Records of Secretary-General U Thant – Secretary-General’s trips and engagements Series 0884, Records of Secretary-General U Than – Political matters – country files Series 0932, UN. Department of Economic Affairs

World Bank Archives, Washington (WBA) ȤȤ ȤȤ ȤȤ ȤȤ

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Personenregister

757

Personenregister Grundsätzlich sind Personen, die im Haupttext erwähnt werden, in dem Register verzeichnet. Fett gedruckte Seitenzahlen verweisen auf biographische Skizzen resp. Kurzangaben zur Karriere der genannten Persönlichkeiten im Fließtext (bzw. den dazugehörenden Anm.).   Nennungen in den Anmerkungen – einschließlich der Fußnoten der Anhänge – sind kursiv gesetzt. Sie werden nur in drei Fällen im Register erfasst. Erstens, sofern die Erwähnung inhaltlicher Natur ist, zweitens bei Angaben von Gesprächspartnern bilateraler Treffen. Bloße Absender bzw. Urheber der zitierten Aktenstücke werden, drittens, nur bei erstmaliger Angabe einer Person, die mehrfach in den Anmerkungen aufgeführt ist, aufgenommen, jedoch ausschließlich dann, wenn mittels Dienststellung o. ä. zusätzliche Identifikationen gegeben werden können. Auf diese Weise kann bei weiteren Nennungen von Absendern/Urhebern in den Fußnoten über das vorliegende Register auf diese Information zurückgegriffen und damit erster Aufschluss über die Relevanz der Zitatstellen gewonnen werden. Adressaten von Dokumenten sind in keinem Fall im Register aufgeführt, dafür zur besseren Orientierung in den Anmerkungen selbst, soweit in den Dokumenten enthalten, mit Funktion/Dienststellung angegeben. Abbas, Khwaja Ahmad  37, 131, 132, 270, 271, 281, 282, 349, 355, 567, 605, 607 Abdullah, Sheikh Mohammed  165, 198, 405, 494, 625 Aboltin, Vladimir Jakovlevič  326–327 Acheson, Dean  182, 187 Achmatova, Anna Andreevna  572, 576 Adhikari, Gangadhar M.  126, 154 Adžubej, Aleksej Ivanovič  317 Aggarval [stellv. Bürgermeister Delhi]  550 Ahmad [pakistanischer Chargé d’Affaires UdSSR]  394 Ahmed, Ghulam  493 Ahudza [erster Sekretär indische Botschaft UdSSR]  520 Akopjan [Kulturministerium, Leiter Abt. Südostasien]  86 Aleksandrov, Georgij Fedorovič  43 Ali, Aruna Asaf  78, 128, 129, 287, 417, 568 Ali, Syed Kasim  282 Alin, A.  408 Allen, George V.  113, 182 Allison [britisches Hochkommissariat Delhi]  690 Anand, Mulk Raj  130–131, 276–277, 281, 282, 283, 349, 567, 570, 579, 580, 581, 582, 583, 603 Andreev [sowjetische Handelsagentur ­Calcutta]  81 Andreev [MID, Oberreferent Abt. Südostasien]  161

Andrienko, Ivan S. 81 Andropov, Jurij Vladimirovič  305, 317 Apletin, Michail  92, 103, 131, 270, 275, 283, 287 Appelt, Rudolf  268 Archipov, Ivan Vasil’evič  314, 558 Astaf ’ev, Viktor Petrovič  615 Ašurov [sowjetischer Botschaftsrat Indien]  527, 538 Athar, Ikbal  638 Atre, Pralhad Keshav  283 Auėzov, Muchtar O.  323 Austin, Warren  165, 169 Avidev, Vsevolod I.  99 Ayyangar, Gopalaswami N.  114 Azad, Maulana  113, 118 Bachan [Sekretariat SSP]  575 Bachitov, M. Š.  76, 250 Bajbakov, Nikolaj Konstantinovič  521 Bajpai, Girja Shankar  115, 118, 121, 124, 170, 171, 181, 183, 187, 195, 214, 341 Bakshi, Ghulam Mohammad  405 Balabuševič, Vladimir Vasil’evič  100–101, 329 Baliga, A. V.  129–130, 347, 348 Ball, George W.  501, 634 Bandyopadhyay, Bibhutibhushan  570 Banerji [MEA]  239 Baranenkov, F. I.  62 Barannikov, Aleksej Petrovič  99–100, 139

758 Baranov [Inturist]  590 Baranov [sowjetischer Botschaftsrat Indien]  606 Baranov, A. S.  138 Basavapunn[a]iah, Makineni  190, 456 Bassia, K.  605 Basu, Jyoti  456 Belcher, Ronald  340 Bell, Bernard R.  553 Bella, Ben  488 Benediktov, Ivan Aleksandrovič  30, 78–79, 255, 308, 337, 344, 387, 421, 422, 433, 434, 435, 453, 458, 462, 463, 467, 468, 471, 472, 473, 474, 477, 479, 480, 489, 495, 496, 531, 548 Berija, Lavrentij Pavlovič  68, 69–70, 244 Bespalov, Nikolaj Nikolaevič  267 Bevin, Ernest  49, 50, 51, 52, 60 Bhabha, Homi J.  444, 501, 551 Bhandari, P. L.  131 Bhatia, Prem  125 Bhattacharya, Bhabani  131, 275, 279, 283, 570 Bhutto, Zulfikar Ali  445, 493, 494, 511, 623, 628, 633, 636 Black, Eugene  237, 525 Blatov [MID, Leiter Informationsverwaltung]  503, 535 Böttger [DDR-Handelsvertretung Indien]  498, 504 Bogdanov [zweiter Sekretär sowjetische Botschaft Delhi]  457 Bogra, Muhammad Ali  226, 200 Bol’šakov [Indien-Referent der ZK-Abteilung für Außenpolitik]  62, 113 Bol’šakov, Ivan Grigor’evič  291, 321 Bolz, Lothar  492, 499 Boni [SSOD, Oberreferent Bombay]  348 Borisov [stellv. MVT]  283, 533, 559 Borzenko, [S. A.]  87, 102, 201 Bose, Subhas Chandra  36, 50 Bowles, Chester  113, 455, 459, 469, 625 Braginskij, Iosif Samuilovič  100–101, 329 Brecher, Michael  410 Brežnev, Leonid Il’ič  69, 303, 317, 335, 461, 499, 511, 560, 614, 620, 626, 648 Brimelow, Thomas  623 Brubeck, William H.  463 Bryncev [erster Sekretär sowjetische Botschaft Indien/MID]  406

Anhang

Buffum, William B.  493 Bulganin, Nikolaj Aleksandrovič  68, 69, 70, 229, 349, 352, 359–360, 368–369, 371, 372, 373, 374–375, 381, 383, 384, 385– 386, 392, 408, 510 Bundy, McGeorge  340 Bunin, Ivan Alekseevič  574 Bunker, Ellsworth  426, 596 Burkov, Boris  325 Buzin [MID]  664 Bykov [stellv. Hauptssekretär sowjetisches Friedenskomitee]  478 Bykova [SSP]  271 Bylov [Doktorand MGU]  612 Čakovskij, Aleksandr Borisovič  565, 570 Čanan, Ch. [Doktorandin Universität Taškent]  350 Catroux, Georges  49 Čečetkina, Ol’ga  63, 87, 145–147 Čechov, Anton Pavlovič  283 Čelyšev, Evgenij Petrovič  49 Černyšev [GKKS, Hauptverwaltung ­Auslandsrundfunk/Staatskomitee für Rundfunk und Fern­sehen]  319 Červonenko, Stepan Vasil’evič  428, 441, 469, 502 Chagla, Mahommedali Currim  351, 477, 398, 426, 438, 445, 546 Chakravarty, B. N.  118 Chamoun, Camille  395 Chanda, Anil Kumar  106 Chander, Krishan  131, 279, 281, 352, 579, 580 Charlamov, Michail Averkievič  435 Chatterji, S. Kumar  349 Chattopadhyay, Harindranath  279, 280–281 Chattopadhyaya, Virendranath  39 Chaudhri, Tara  269 Chavan, Yashwantrao Balwantrao  339–340, 497, 574 Cheng-Cheng, E.  462, 467 Chilali, Aga  511 Chmelev [stellv. Gesundheitsminister]  269 Chopra, I. S. 118 Chou En-lai – s. u. Zhou Enlai Chropov [erster Sekretär sowjetische Botschaft Indien]  331, 539 Chruničev, Michail Vasil’evič  313

Personenregister

Chruščev, Nikita Sergeevič  14, 24, 28, 68, 70, 282, 295, 299, 300–304, 306, 310, 316–317, 320, 333, 334–335, 349, 353, 356, 359–360, 365–366, 368–370, 374– 375, 380, 381–382, 384, 385–390, 392, 395, 401–402, 409, 413–414, 415–416, 430, 434–441, 445–450, 452–454, 456, 461, 466, 468–469, 470, 471, 472, 477, 478–480, 488, 492, 496, 498–500, 502, 504, 506, 510, 511, 512, 515, 517–518, 522–523, 526, 528, 530–532, 536, 540, 555–557, 559, 561, 563–564, 576, 586, 603, 605, 607, 618–619, 620, 623, 626, 634, 642, 648 Churchill, Winston  47, 77, 210 Cicin, Nikolaj Vasil’evič  323 Clark, W. Arthur W.  405 Clutterbuck, Alexander  213 Colban, Erik  114 Cooper, John Sherman  223 Cousins, Norman  172, 196 Dalai Lama  422, 424, 426 Dalmatov, B. I.  593 Dange, Shripat Amrit  9, 55, 56, 63, 93, 103, 126–127, 133–134, 138, 139, 140, 153, 157, 158, 173, 176, 189–190, 417, 429, 456, 458, 471, 478, 505, 568, 602, 604, 635 Dangulov [Inostrannaja Literatura]  570 Danilov [stellv. Kulturminister]  605 Das Tandon, Purushottam  113 Dayal, H.  118 Dayal, Rajeshwar  28, 76, 118, 124, 141, 163, 179, 212, 242, 448 Degtjar’, D.  98, 260 Deng Xiaoping  423, 441, 489, 492 Denisov, A. I.  85, 128 Desai, Manilal Jagdish  118, 341–342, 476, 485 Desai, Morarji  337, 341, 421, 444, 445, 467 Deshmukh, Chintaman Dwarakanath  113, 336, 444 Deulin [erster Sekretär sowjetische Botschaft Pakistan]  639 Deutsch, Karl W.  15 Dhebar, Uchharangrai Navalshankar  113 Dimitrov, Georgi Michajlov  44, 72 Ditkin, V. A.  260 D’jakov, Aleksej Michajlovič  97, 100, 329

759 Dobrosel’skaja [sowjetisches Frauenkomitee/ SSOD]  318, 348, 608 Dobrynin, Anatolij Fedorovič  469 Dölling, Rudolf  453, 458, 461 Dolja, Fedor P.  307, 419, 515, 538, 550, 595 Doluda, A. K.  609 Douglas-Home, Alec  340, 493 Dudincev, Vladimir Dmitrievič  576 Dulles, John Foster  116, 209, 212–214, 255, 392, 398, 525 Dutt, Rajani Palme  55, 230, 320 Dutt, Subimal  118–119, 341, 343, 411 Dymkov [stellv. Leiter ZK-Reisekommission]  315 Dymšic, Veniamin Ėmanuilovič  520 Eden, Anthony  47, 49, 222, 363, 365 Efanov [GKĖS-Abteilungsleiter]  622 Efimov [Leiter SIB Delhi]  86, 318 Efimov [Botschaftsrat sowjetische Botschaft Delhi]  597 Egolin, A. M.  53 Egorov [Student MGU]  594 Egorov, Nikita Vasil’evič  325 Eisenhower, Dwight David  213, 398–399, 405, 426, 437, 451, 525 Ėjzenštejn, Sergej Michajlovič  66 Eljutin, Vjačeslav Petrovič  327, 539 El’šin, A. N.  81 Enderlein, Fritz  532 Epišev, Aleksej  397, 455 Ėrenburg, Il’ja Grigor’evič  279, 356, 370, 372, 566, 572–576, 615 Erzin, Pavel D. [MGB]  83 Erzin, Pavel Dmitrievič  539 Erzina, A.  103 Evtušenko, Evgenij Aleksandrovič  573, 574 Fadeev [RGW, Sekretär]  516, 535 Fadeev, Aleksandr Aleksandrovič  90, 277, 279 Fedorenko, N. T.  312, 499 Fedorov [Wissenschaftlicher Hauptsekretär AN]  330 Fedorov [Leiter Hauptverwaltung Wasser­ meteorologischer Dienst]  330 Fedoseev, Petr Nikolaevič  43 Filatov [Attaché sowjetische Botschaft Indien]  286

760 Firjubin, Nikolaj Pavlovič  306 Firsov [zweiter Sekretär MID-Abt. SOA]  586 Fischer, Oskar  639 Florin, Peter  345, 462–463 Fokin [Leiter Planwirtschaftsabt. MVT]  529 Fomičev, V. S. 591 Foster, William  339, 501 Freeman, Orville  640 Frolov, Vasilij Semenovič  514 Furceva, Ekaterina Alekseevna  304, 597 Gafurov, Gafurovič Bobodžan  328–329, 332–335, 432–433 Gagarin, Jurij Alekseevič  349, 597, 603 Galbraith, John Kenneth  116 Gandhi, Indira  117, 292, 297, 340, 341, 361, 366, 385, 501, 503, 558, 640 Gandhi, Mohandas Karamchand  55, 77, 79, 95, 98, 135, 136, 142, 143, 207, 215, 264, 269, 278, 284, 326, 359, 360, 608, 609 Gan’kovskij, Jurij  329 Garner, J. J. S. 217, 338, 623 Gerasimov, P. I.  397, 400 Gerth [SED]  635 Gheorghiu-Dej, Gheorghe  471 Gidaspov [SIB Delhi]  285 Ghosh, Ajoy Kumar  126–127, 177, 190, 193, 200, 230–231, 346, 386, 390, 413, 419, 427, 428, 444, 456–458, 591, 602 Ghosh, Nemai  103, 104 Ghoshal, Hiranmay  124, 125 Gilpatric, Roswell  464 Gladyšev, P.  41–42, 73 Glebskij [Sekretär sowjetische Botschaft Indien]  418, 601 Goldberg, Arthur  636 Goldin [MVT]  523 Golikova [Studentin MGU]  594 Gonsalves, Eric  445, 538, 586 Gopalan, A. K.  126 Gorbačev, Michail Sergeevič  642, 643 Gordon-Walker, Patrick  162 Gore-Booth, Paul  116, 483 Gor’kij, Maksim  41, 283, 574, 577, 578 Gracev [Leiter Gospolitgrafizdat]  280 Gramsci, Antonio  19 Grady, Henry F.  81, 137, 154 Grenkov [sowjetischer Botschaftsrat DDR]  639

Anhang

Greval [MEA, Joint Secretary]  602 Grigor’jan, Vagan Grigor’evicč  67–68, 71, 175, 190 Gromyko, Andrej Andreevič  68, 74, 75, 76, 77, 183, 188, 306, 339, 395, 407, 633–634, 636 Grotewohl, Otto  409, 431 Guber, Aleksandr  319, 328 Gundevia, Y. D.  124, 188, 202, 250, 342 Gupta, Bhupesh  126, 345, 387, 391, 456, 458 Gusev, Nikolaj Pavlovič  512, 523 Guseva-Potabenko [SSOD Delhi]  332 Haksar, S. N.  118 Hammarskjöld, Dag  76, 409, 451–452 Harriman, William Averell  50, 51, 485, 492 Hayter, William  367 Henderson, Loy W.  111, 169, 170, 171, 181, 186, 195, 237 Hentze [Attaché DDR-Botschaft UdSSR]  494 Herter, Christian A.  426, 441, 446 Hilaly, Agha  623 Hildreth, Horace  406 Hilsman, Roger  475 Himmatsinhji, M. S. 186 Ho Chi Minh  502 Hopf, Ted  65 Ignat’ev, Semen Denisovič  69 Il’ičev, Leonid Fedorovič  84, 87, 305 Il’jušin, Sergej Vladimirovič  369 Ismay, Hastings  57 Ivanov [ZK-Apparat]  87 Ivanova [Studentin Leningrader Univ.]  593 Iyengar, H. V. R.  199, 228 Jafri, Ali Sardar  279, 281 Jain [Herausgeber Times of India]  603, 606 Jaipal [MEA]  620 Jakovlev [stellv. Vors. VOKS/SIB]  347 Jakovlev [ZK-Apparat]  97 Jakunin [SSOD Bombay]  348 Jambhekar, R. M.  129–130, 286 James, (John) Morrice  483 Jarustovskij [ZK-Kulturabt.]  320 Jayaram, A.  88 Jha, Chetakar S. 118, 342, 595 Jha, Lakshmi Kant  121

Personenregister

Jinnah, Muhammad Ali  28, 45, 57 Johnson, Lyndon B.  454, 494, 497, 504, 624, 627, 629, 632, 634, 636, 640 Jones, William G.  213, 455 Joshi, Puran Chand  55, 126, 154, 157, 176, 456 Judin, Pavel Fedorovič  69, 190, 223, 227, 403, 415–416, 421, 423, 645 Juldašev [VOKS]  286 Jung, Ali Yavar  226 Jurlov, Feliks  348 Jušin [Gosplan/Volkswirtschaftsrat]  311 Kabanov, Ivan Grigor’evič  70, 80, 310 Kaftanov, Sergej Vasil‘evič  319 Kaganovič, Lazar’ Moiseevič  68, 510 Kahlenbach [DDR-Botschaft China]  426 Kajumova [Doktorandin Asien-Institut]  586 Kaljagin [Student [MGU]]  594 Kapica, Michail Stepanovič  28, 415, 502, 503 Karmauchov [sowjetischer Botschaftsrat Indien]  621 Kasavubu, Joseph  447 Katju, Kailash Nath  113, 410 Kaul, Triloki Nath  28, 77, 118, 124, 142, 182, 229, 312, 344, 380, 404, 466, 468–469, 472, 473–474, 476, 477, 478–480, 485– 486, 533, 559, 573, 622, 627, 638 Kaur, Rajkumari Amrit  153, 336 Kaysen, Carl  472 Keita, Modibo  488 Kennedy, John F.  450, 454, 456, 459, 477, 481–482, 483, 485 Kerr, Archibald Clark  44 Khadzharnavis [Staatssekretär indisches ­Kulturministerium]  605 Khan, Ayub  406, 482, 497, 624, 629630, 632, 634, 636, 638, 639 Khan, Liaquat Ali  45, 57, 188 Kher, B. G.  537 Kiesewetter, Wolfgang  488, 493 Kiktev, S. P.  395 Kirillin, Vladimir Alekseevič  305 Kirk, Alan G.  124 Kirloskar [Rat für Exportförderung von Maschinenbauerzeugnissen, Indien]  532 Kirnasovskij [ZK-Apparat/MID]  520, 526 Kiselev, Evgenij Dmitrievič  397 Kislova [VOKS]  128, 297

761 Kisnapp [stellv. Landwirtschaftsminister]  260 Kitchlew, Saifuddin  129, 193, 200, 348 Klyčkova, I.  593 Kohler, Foy D.  301 Kohrt, Günter  640, 641 Kollontaj, Aleksandra Michajlovna  162–163 Kolokolov [SIB Delhi]  318, 600 Komarov, Erik N.  309 Komer, Robert W.  340 Konrat‘evna [Studentin Leningrader Univ.]  610 Konstantinov, Fedor Vasil’evič  324 Kortunov [ZK-Apparat]  325 Košelov [zweiter Sekretär sowjetische ­Botschaft Indien]  391 Kosjačenko [sowjetische Vertretung RGW]  239 Kosjakina, Ju. F.  88 Kostousov, Anatolij Ivanovič  518 Kosygin, Aleksej Nikolaevič  245, 317, 448, 494, 501, 503, 512, 524, 530, 552, 558, 620, 622, 626, 629, 630, 633–634, 635– 636, 639, 642, 648 Kotov [Sekretär sowjetisches Friedens­ komitee]  88 Koval’, Konstantin Ivanovič  81 Kovalev, Ivan Vladimirovič  178 Kovanov, Pavel Vasil’evič  591 Kovrigina, Marija Dmitrievna  255 Kozlov, Frol Romanovič  300, 442, 597 Kozlov, I. I.  73 Kratenko [Chefingenieur Bhilai]  375 Kreškov [sowj etischer Botschaftsrat Indien]  133, 322, 607 Krishen, Prem  120, 121 Krishnamachari, Tiruvellore Thattai  113, 254, 313, 336, 340, 477, 485, 507, 559, 621–622, 630, 633, 634–635 Krishnamachari, Vangal Thiruvenkatachari  113, 336 Krjukov [sowjetische Botschaft Indien]  538, 595 Krolikowski, Herbert  363 Krotkov [SIB Delhi]  30 Krüger, Heinrich  516 Krylov, P. N.  260 Kucenkov, Anatolij Akimovič  80, 238, 320 Kukin, Dmitrij Michajlovič  567

762 Kumykin, Pavel Nikolaevič  69, 70, 80, 311 Kuprikov [MID]  30 Kuprin, Aleksandr  574 Kutyrev [Vors. V/O Traktorėksport]  528 Kuusinen, Otto Vil’gel’movič  304 Kuz’min, Iosif Iosifovič  519 Kuznecov, Vasilij Vasil’evič  70, 74, 306, 367 Lakhani [Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Abt. Außenbeziehungen]  331, 564 Lal, U.  539 Lall, Arthur  121, 406 Lall, K. B.  554 Lapin, Sergej Georgievič  306, 488, 493 Laufer, Jochen  19–20 Lavriščev [sowjetische Vertretung RGW]  239 Lebedeva [Sekretärin Parlamentarische Gruppe UdSSR]  356 Lebedeva [Stellv. Vors. Friedenskomitee UdSSR]  607 Ledwidge [F.O.]  124 Lenin, Vladimir Il’ič  127, 146, 173, 175, 280, 360, 441, 490, 578, 602, 640 Leont‘ev [Chefred. Novoe Vremja]  591 Lichačev, Viktor Ivanovič  52, 307, 432, 435, 437, 449, 453, 458, 461, 464, 494, 498, 503, 608–609, 614, 626–627, 636 Li Lisan  175 Lie, Trygve  51, 152, 183 Litvinov, Maksim Maksimovič  47, 102 Liu Shaoqi  75, 174, 176, 427 Ljubomudrova [SSOD Delhi]  585 Lloyd, Selwyn  392 Lomakin, Ja. M.  71 Lomako, Petr Fadeevič  533, 545 Lozovskij, Solomon A.  46 Lumumba, Patrice  414 Lü Sao  414 Lundestad, Geir  19 Lysenko, Trofim Denisovič  266 MacDonald, Malcolm  337, 421, 440 Mackevič, Vladimir Vladimirovič  261 Macmillan, Harold  408, 420, 448, 450–451, 477, 481, 483, 485, 507, 525 McNamara, Robert  497

Anhang

Maevskij [Pravda]  434 Maffitt, Edward P.  420 Mahalanobis, Prasanta Chandra  131–132, 245, 256, 259 Mahmud, Syed  106 Majakovskij, Vladimir Vladimirovič  575 Majskij, Ivan Michajlovič  47 Makins, Roger  212 Maksarev, Jurij Evgen‘evič  314 Maksimov [MID]  307, 454 Malaviya, Keshav Dev  444, 524, 606 Malenkov, Georgij Maksimilianovič  68–70, 127, 154, 190, 191, 193, 214–215, 222, 251–252, 300, 349, 401 Maletin, P. A.  511 Malik, B. N. – s. u. Mullik Malik, Jakov Aleksandrovič  70, 74, 76, 202, 306, 395, 469, 477–478, 480 Malinovskij, Rodion Jakovlevič  466, 479– 480, 502, 636 Mandel’štam, Osip Ėmil’evič  575 Manuil’skij, Dmitrij Zacharovič  71 Mao Zedong  150, 168, 170, 173–174, 176, 178–179, 180, 186, 188, 191, 223, 224, 225, 226, 227, 242, 403, 410–411, 413– 414, 422–423, 427–428, 434–435, 441, 463, 502 Markov [MID, Sekretär Abt. Südostasien]  418 Marr, Nikolaj Jakovlevič  96, 97, 266 Marx, Karl  173, 293, 578 Maslov [zweiter Sekretär sowjetische ­Botschaft Pakistan]  635 Matern, Hermann  423 Mathai, M. O.  116 Matveev [SIB/TASS Delhi]  85 Mazurov, Kirill Trofimovič  317, 556 McConaughy, Walter P.  494, 497 Medvedev [Bildungsministerium]  332 Megani, Mahendra  282 Mehta, Gaganvihari Lallubhai  116, 213, 342, 464 Mel’man, Sofija Moiseevna  100 Mel’nikov, Leonid Georgievič  70 Mende, Tibor  363, 390 Mendelevič [MID, (stellv.) Leiter Abt. Internationale Organisationen]  339, 452, 503, 629, 631 Mendès France, Pierre  222

Personenregister

Menon, Kumara Padmanabha Sivasankara  28, 31, 118, 121, 123, 167, 202, 206–207, 212, 227, 229–230, 257, 269, 325, 343, 354, 355, 361, 367, 369, 381, 395, 415, 432, 446, 449, 526, 560, 563–564, 608 Menon, Krishna V. K.  27, 58, 59, 112, 115– 116, 123–124, 195, 209, 219, 221, 338– 340, 393, 405–406, 414, 440, 450, 460, 462, 464, 467, 472 Menon, Laxmi N.  106 Menon, P. A.  111 Men’šikov, Michail Alekseevič  79–80, 219, 228, 229, 248, 266, 308, 379, 407, 487, 551 Meuser [MfAA, 1. Europ. Abt.]  489 Michajlov, Konstantin  76, 163, 169, 242 Michajlov, Nikolaj Aleksandrovič  158, 227, 269, 369, 563 Migunov [Leiter sowjetische Handelsvertretung Indien]  311, 528 Mikojan, Anastas Ivanovič  28, 67–70, 79–80, 167, 170, 173–174, 303, 312, 317, 344, 381, 385, 389, 391, 393–394, 400, 464, 496, 498, 499, 510, 511, 518, 523, 524, 534, 550, 621–622, 634, 635, 638 Mirajkar, S. S. 417 Molotov, Vjačeslav Michajlovič  8, 49, 50, 51, 58, 59, 60, 67–70, 71, 74, 116, 123, 132, 154, 157, 160, 165, 175, 212, 221, 222, 228, 229, 238, 239, 259, 284, 303, 305– 306, 380–381, 382, 389, 392, 394, 401– 402 Morley, A. F.  38 Morozov [Doktorand]  595 Mošenskij [stellv. Leiter SIB]  133 Mošetov [ZK]  211 Moskovskij [stellv. Leiter ZK-Propaganda­ abt.]  358 Mountbatten, Edwina  105 Mountbatten, Louis  29, 57, 105, 111, 118, 159, 161, 162, 404 Muchin, G. G.  540 Muchitdinov, Nuritdin Akramovič  303–304, 431, 524, 529, 592 Mudaliar, Arcot Ramasamy  121 Mukerjee, Hiren  282 Mukherjee, Abaninath  39 Mullik, Bhola Nath  112, 118

763 Nabokov, Vladimir Vladimirovič  574 Nagy, Imre  409 Naidu, Sarojini  136 Namboodiripad, Elamkulam Manakkal ­Sankaran  126–127, 345, 417, 418, 420– 421, 456, 458, 471, 472–473, 504, 505, 598, 635 Narain [Bildungsministerium, Abt. für ­Stipendien]  591 Narayan, R. K.  575 Nasser, Gamal Abdel  382, 394, 413, 437, 445, 448, 450, 488 Nehru, Braj Kumar  28, 237, 482, 483, 501, 625, 627, 629, 640 Nehru, Jawaharlal  7, 8, 12, 24, 27, 28, 30, 36–37, 39, 56–61, 68, 77, 104, 106–113, 115–123, 125, 127, 132, 134, 136, 137– 138, 151–169, 170, 171–172, 174, 178–185, 186–187, 190, 192, 194–199, 201, 203– 211, 213–214, 217–221, 223–231, 233– 234, 236, 242, 245, 249–250, 253–256, 258, 262, 264, 268, 272, 279, 286, 292, 299, 302, 336–344, 352–355, 358, 360– 368, 371, 373–375, 377, 381–384, 385– 386, 387, 389, 390, 391–392, 394–400, 404, 405–406, 408–412, 413, 414–416, 417, 418, 420–423, 425–428, 431, 436, 437–441, 444–445, 446, 448, 451–453, 455–457, 459–462, 466–467, 470–471, 473, 474, 476–479, 480, 483, 485–488, 492–495, 497, 499, 506–509, 510, 524– 525, 531, 537, 550, 561, 566, 582, 592, 608–609, 617, 620, 645, 650 Nehru, Motilal  36 Nehru, Ratan Kumar  118–119, 268, 341, 473 Nehru, Rameshvari  346 Neogy, Kshitish Chandra  336 Nesmejanov, Aleksandr Nikolaevič  94 Nesterenko [stellv. Leiter MID-Abteilung für außenpolitische Information/sowjetischer Botschafter Pakistan]  512, 624 Nesterov, M.  246 Nier, Kurt  397 Nikitin, Afanasij  354–355, 589 Nikitin, Petr Vasil’evič  283 Nikolaev [sowjetische Handelsvertretung Pakistan]  445 Nimmo, Robert Harold  462 Nixon, Richard  525

764 Nkrumah, Kwame  449, 488 Norden, Albert  345, 444, 457 Novikov, Ignatij Trofimovič  522 Novikov, Kirill Vasil’evič  77–78, 86, 89, 102, 130, 134, 163, 174–175, 179, 241, 276– 279, 287, 291, 306, 496, 503, 535 Novikov, Nikolaj Vasil’evič  51 Novikov, Vladimir Nikolaevič  313 Novotný, Antonín  470, 471 Nye, Archibald  169, 187 Obrazcov, S. 612 Orestov, Oleg  37, 319 Ostrovitjanov, Konstantin Vasil’evič  212, 333 Ostrovskij, Nikolaj Alekseevič  283, 574, 578 Pal’gunov, Nikolaj Grigor’evič  84, 320 Pan Tzu-li  413 Pandit, Vijaya Lakshmi  8, 60–61, 76, 117, 120, 122, 132, 134, 141–142, 154, 157, 160, 164, 165, 167, 182, 187, 210, 215, 238, 259, 284, 395, 405, 407 Panikkar, Kavalam Madhava  123, 180, 182– 185, 195, 196–197, 204–205 Panjuškin, Aleksandr Semenovič  44, 71, 84 Pant, Govind Ballabh  113, 336, 420 Parfenova [stellv. Vors. Antifaschistisches Komitee sowjetischer Frauen]  89 Parthasarathy, G.  458 Pasternak, Boris Leonidovič  561, 565–566, 574, 576 Pastuchov, N.  397, 398 Patel [Abg. Lok Sabha]  293 Patel, Vallabhai Jhaverbhai (Sardar)  111–113, 114–115, 118, 127, 157, 170, 186, 245 Patil, Sadashiv Kanoji  113, 336 Patoličev, Nikolaj Semenovič  310–311, 559 Paulinov [Attaché sowjetische Botschaft Pakistan]  641 Pavlov [Chefred. Progress-Verl.]  576 Pavlovskij [Rektor Universität Taškent]  136, 139, 140 Perov, Georgij Vasil’evič  517 Pervuchin, Michail Georgievič  70, 312 Petrenko [Ministerium für Bau von Metallurgie- und Chemiewerken, Verwaltung Bhilai]  519

Anhang

Petrosjan, Ju. A.  327 Petrov [erster Sekretär sowjetische Botschaft Indien]  602 Petrov, Viktor V.  330 Petrova [Sekretärin (Antifaschistisches) Frauenkomitee]  297 Pierschel [MfAA, 2. Außereurop. Abt.]  637 Pillai, N. Raghavan  112, 118, 213, 217, 338, 341, 364–365, 509 Plyševskij, I.  62, 103, 85, 113, 121 Podgornyj, Nikolaj Viktorovič  317, 499 Polevoj, Boris Nikolaevič  283 Polikarpov, Dmitrij Alekseevič  305 Pollitt, Harry  29, 177, 218 Ponomarenko, Pantelejmon Kondrat’evič  70, 308 Ponomarev, Boris Nikolaevič  71, 305, 488 Popov [SIB]  86 Popova, Nina Vasil’evna  85, 322 Portnjagin, Pavel K.  329 Portnov [Student Historisch-Archivalisches Institut]  595 Poryvaev, A. P.  596, 598, 603, 606 Pospelov, Petr. Nikolaevič  304, 305 Potabenko [SSOD]  331 Pozdeev, P.  30 Prasad, Rajendra  105, 111, 336, 343, 421, 444 Prebisch, Raúl  535 Premchand, Munshi  276 Prichodov, Ju. K.  62, 76 Pudovkin, Vsevolod Illarionovič  103–104 Puškin, Aleksandr Sergeevič  575, 578, 601 Puškin, Georgij Maksimovič  74, 306, 473, 474, 476 Quilitzsch [DDR-Botschaft UdSSR]  488, 490, 492, 494, 495, 614, 626 Radhakrishnan, Sarvepalli  87, 122–125, 162, 167–168, 179–180, 182, 183, 188, 195, 201–202, 204, 237, 242, 336, 340, 342, 392, 463, 498 Raghavan, Nedyam  205 Raghuvir [Prof. [Univ. Delhi]]  607 Rajagopalachari, Chakravarti  105, 111, 114– 115, 168, 179, 183, 366, 460 Rajzer, David Jakovlevič  312 Rakov [Praktikant Botschaft Delhi]  564

Personenregister

Rakovskij [stellv. Minister für Bau von Geräten und Mitteln der Automatisierung]  517 Ramamurti, P.  345 Ranadive, Bhalchandra Trimbak  126, 154– 155, 158, 173, 175–176, 420, 444, 456 Rao, Chandra R.  126, 176–177, 189–190, 191–194, 387, 421–422, 433 Rao, K. M.  357 Ratnam [indischer Botschaftsrat UdSSR]  395, 595 Rau, Benegal Narsing  121 Read, Benjamin  446 Reading (Marquis, = Gerald Isaacs)  493 Reddy, Kyasamballi Chengalaraya  518, 523, 524, 534, 550 Reddy, Neelam Sanjiva  340 Rejsner, Igor’ M.  100 Renneisen, Erich  337, 432–435, 439, 453, 528 Rerich, Jurij N.  331, 355 Rerich, Nikolaj K.  331, 355 Rjurikov [Chefred. Inostrannaja Literatura/ ZK-Apparat]  567 Roberts, Frank  50, 183, 448 Romanov, Aleksej Vladimirovič  591, 600 Romanovskij, Sergej Kalistratovič  321 Roosevelt, Franklin D.  48–49 Roščin, Nikolaj V.  178, 195 Rossmeisl, Rudolf  415, 496, 498, 502–503, 535, 614, 626–627 Rostow, Walt  484 Roy, Manabendra Nath  39, 102, 153 Rubinštejn, M. I.  260 Rumjancev, Sergej Vasil’evič  536 Rusk, Dean  459, 493, 625 Sabri, Ali  397, 400 Saburov, Maksim Zacharovič  70, 82, 253 Sakovič [SIB Delhi]  575 Sakulin [sowjetische Handelsvertretung Indien]  534 Salimžanova, M.  610 Šamatova, A. M.  594 Samojlovič, Aleksandr Nikolaevič  99 Sanjevi (Pillai), Tirupattur Gangadharam  112 Sankrityayan, Rahul  103 Sanyal [MEA, Western division]  498

765 Saryčev [Präsidium Antifaschistisches Frauen­komitee]  297 Sarymsakovaja, Salima  586 Sayadiant [Sovėksportfil’m]  46 Ščerbatskoj, F. I.  99 Ščerbakov, Aleksandr Sergeevič  46, 49, 71 Scholz, Ernst  488, 489, 548 Ščukin [MID, Abt. Südostasien]  538 Selby, R. W.  77 Šelepin, Aleksandr Nikolaevič  314 Selivanov [Vors. Volkswirtschaftsrat Odessa]  520 Semičastnov [MTV-Vertreter in RGW-Büro/ stellv. MVT]  240 Semičastnyj, Vladimir Efimovič  314, 317 Semin [(stellv.) Leiter Rundfunkkomitee/ Hauptverwaltung Rundfunk]  288 Sen, Binay Ranjan  121 Sen, Ramen  113, 126 Sengupta, Sachin  283 Senin, Ivan Semenovič  314 Šepilov, Dmitrij Trofimovič  69, 305–306, 393, 400, 522 Serebjakov [SSOD Indien/Pravda-Korrespondent]  642 Sergeev [(stellv. Vors.) GKĖS]  520 Sergiev [erster Sekretär sowjetische Botschaft China]  487 Serov, Ivan Aleksandrovič  314, 368 Ševeleva, Ekaterina  572, 578, 611, 614, 615, 618 Shah [GoI, Dpt. for Information and Broadcasting]  41 Shah, Manubhai  533, 545 Shakespeare, William  283 Shankar, Uday  143 Shastri, Lal Bahadur  113, 339–341, 466, 495–496, 501–502, 614, 616–617, 621, 624, 626–627, 629, 633–634, 636, 637, 640 Shone, Terence Allen  61, 156, 159 Šibaev, P. A.  178 Sidorenko [Volkswirtschaftsrat]  610 Šiljakov, G. V.  624, 640–641 Singh, Dinesh  106 Singh, Gurbacan  534 Singh, Iqbal  93, 103, 270, 275, 287 Singh, Karan  385 Singh, Nanak  570

766 Singh, Ramesh  320 Singh, Sardar Swaran  338, 340, 485, 524 Širjaev, N.  311 Sisakjan, N. M.  94 Šivotovskij [MID-Abt. Internationale Wirtschaftsorganisationen]  535 Skačkov, Semen Andreevič  312, 558 Skalkin [Pravda-Korrespondent]  597 Skrjabin [dritter Sekretär sowjetische Botschaft Indien]  538 Smeljakov, Nikolaj Nikolaevič  514 Smirnov [MID, stellv. Leiter Abt. Südostasien]  71, 488, 490, 492, 494–495, 614, 626 Smirnov [sowjetische Botschaft Indien]  596 Snastin, V. I.  591 Sobol‘ [Volkswirtschaftsrat Char’kov]  518 Sobolev, Arkadij Aleksandrovič  76 Sofronov, Anatolij Vladimirovič  92, 280, 319, 372 Sokhey, [Sahib Singh]  129 Solbert, Peter  497 Šolochov, Michail Aleksandrovič  283, 574, 577 Solod, Daniil Semenovič  226 Solodovnik [stellv. Vors. KI]  83 Solženicyn, Aleksandr Isaevič  574 Sosnovskij, S. 351 Spandar’jan, V. B.  311 Sparks, Edward J.  25 Šped’ko, I.  307, 406, 461, 482 Stacy, R. H.  40 Stalin, Iosif Vissarionovič  9, 10, 20, 23–24, 36, 39–40, 49–51, 52, 57, 60, 65–70, 71, 73–76, 77, 79–80, 82–83, 87, 89, 91–92, 94, 96, 98–103, 121, 127, 137, 142–143, 146–147, 150–151, 162–163, 166, 167–168, 173–175, 176, 177, 179, 182–183, 186–187, 189–194, 197, 200–203, 204, 206–209, 212, 214, 228, 234, 237, 239, 242, 243, 245, 252, 262, 264–265, 269, 280, 283, 286–287, 291, 299–308, 310, 312, 316, 319, 321, 326, 328, 333, 335, 345, 352, 360, 380, 390, 514, 540, 604, 618, 642, 646, 648 Štejnberg, Evgenij L.  99 Stepanov, V. P.  71 Strachey, John  362 Strokin, Nikolaj Ivanovič  524

Anhang

Struve, Vasilij V.  99 Stuhlmann, Manfred  456 Subramaniam, Chidabaram  340, 621, 627 Suloev [(stellv. Vors.) GKĖS]  512 Sultan-Galiev, Mirza  102 Sundarayya, Puchalapalli  86, 89, 291 Surkov, Aleksej Aleksandrovič  352, 372, 577, 611 Suslov, Michail Andreevič  69, 71, 72, 190, 304, 317, 380–381, 436, 443, 448, 487, 490, 491 Suvorov [ZK-Verwaltung Agitprop]  62 Švedov [stellv. Generalsekretär UNESCO-Kommission UdSSR]  452 Švernik, Nikolaj Michajlovič  70 Swinton (Graf = Cunliffe-Lister, Philip)  209, 213 Sykes, Edwin L.  638 Tadžibaev [sowjetischer Chargé d‘Affaires Indien]  432, 516, 564 Tagore, Rabindranath  36, 37, 41, 276, 281, 568, 574, 578, 580 Talbot, Phillips  460 Ter-Avanesjan [sowjetischer Botschaftsrat Indien]  312 Tereškin, V. P.  288 Thakin Nu – s. u. U Nu Than [indische Botschaft UdSSR]  437, 515, 538, 550, 609 Thimayya, Kodendera Subayya  212, 464 Thorat, S. P. P.  212 Thorneycroft, Peter  477 Thun, Ferdinand v.  307, 339, 343, 419, 435, 452, 454, 499, 503, 535 Tichomorov, Sergej Michajlovič  314 Tichonov, Dmitrij Ivanovič  99 Tichonov, Nikolaj Aleksandrovič  531 Tichonov, Nikolaj Semenovič  90, 91, 131– 132, 270, 274, 282, 292–293, 319, 374, 574, 577 Titaev [GKKS]  351 Tolstoj, Aleksej Nikolaevič  43 Tolstoj, Lev Nikolaevič  278, 283–284, 574, 580 Tolstov, Sergej P.  99 Topčiev, Aleksandr Vasil’evič  94 Triepel, Heinrich  19 Trockij, Lev (Davidovič)  127, 290, 351

767

Personenregister

Trubnikova [Doktorandin Asien-Institut Uzbekistan]  594 Truman, Harry S. 50, 77, 169 Tsen Hao  462 Tugarinov [stellv. Vors. KI]  396 Turgenev, Ivan Sergeevič  578 Tursun-Zade, Mirzo  90–92, 139, 144, 275– 276, 319, 366, 573 Tyabji, B. F. H. B.  118 Ulbricht, Walter  461, 478, 526 Ulug-Zade, A.  593 Umarov, S. 139 U Nu  382 Usaev, I.  76 U Thant  452, 460 Valkov [erster Sekretär sowjetische Botschaft Indien]  550, 564 Vallathol, Narayana Menon  279–280, 579 Varga, Jenő (Evgenij Samuilovič)  43, 93 Vasjutinskij [Dozent Leningrader Polytech­ nisches Institut]  604 Vavilov, S. I.  94, 262 Velikij, G.  311, 532 Venkatesvara [MEA, Ostabt.]  342 Vescunov [sowjetischer Botschaftsrat Indien]  564 Vesper, Karlheinz  480, 635 Vinogradov, I. V.  72 Vizžilin, N. A.  85 Vladimirskij [stellv. sowjetischer Handels­ vertreter in Indien]  81, 511 Volgin, Vjačeslav Petrovič  62, 136, 138, 139 Volkov [erster Sekretär sowjetische Botschaft Indien]  342 Volkov, B.  221, 307, 354 Vorošilov, Kliment Efremovič  70, 302–303, 392, 437, 592, 597, 609 Vorov’ev [Leiter sowjetisches Generalkonsulat Bombay]  551 Voznesenskij, Andrej Andreevič  574 Voznesenskij, Nikolaj Alekseevič  68, 93 Vyšinskij, Andrej Januar’evič  8, 61, 69, 70, 74–75, 76, 87, 116, 154, 162, 164, 167, 179–180, 188, 194, 215, 238, 242

Wadsworth, James  212 Wandel, Paul  414, 428 Wang Kuo-tschuan  462, 463 Warner, C. F. A.  55, 56, 118 Wavell, Archibald  54, 136 Webb, James Edwin  112 Weightman, Hugh  118 Weiss, Gerhard  558 Wilson, Harold  502, 623, 625, 634, 638 Winzer, Otto  624, 627 Wünsche, Harry  326, 452, 461, 482, 535 Wylie, F.  122 Yashpal  281 You Chan Yang  213 Zachariah, K.  118 Zacharov [stellv. KGB-Vors.]  503 Zajcev [RGW]  667 Žavoronkov, Vasilij Gavrilovič  70 Ždanov, Andrej Aleksandrovič  8, 9–10, 68, 93, 138, 140, 153, 157, 158 Zėdėnbal, Jumžaagijn  475 Žeričin [Student]  586 Zhang Wentian  221 Zhou Enlai  178, 185, 194–195, 202, 204, 206, 222, 223–224, 225, 226, 227, 230, 242, 253, 336, 399, 409, 410–411, 422, 426– 427, 440, 475, 492, 502, 625 Zia-ul-Haq [Korrespondent New Age]  418 Zinčenko [erster Sekretär sowjetische Botschaft Großbritannien]  38 Zinov’ev [sowjetischer Botschaftsrat Pakistan]  448 Zorin, Valerian Aleksandrovič  74, 182, 202, 306, 499, 502 Zuenkov [SSOD Indien]  346 Žukov, Evgenij Michajlovič  101, 145–147– 126, 287 Žukov, Georgij Aleksandrovič  30, 284, 319, 321, 564, 568, 587, 602, 604 Žukov, Georgij Konstantinovič  300, 403–404 Zverev, Arsenij Grigor’evič  245