Signalementslehre: Handbuch der Personenbeschreibung für Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen [2. Aufl., Reprint 2021] 9783112607305, 9783112607299

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Signalementslehre: Handbuch der Personenbeschreibung für Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen [2. Aufl., Reprint 2021]
 9783112607305, 9783112607299

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Signalementslehre Handbuch der Personenbeschreibung für Polizeibehörden, Gendarmerieund Polizeischulen M i t v i e r T a i e l n u n d z a h l r e i c h e n A b b i l d u n g e n im T e x t

Zweite, völlig umgearbeitete

Auflage

von

Dr. jur. Hans Schneickert, Leiter des Erkennungsdienstes beim Polizeipräsidium Berlin

München, Leipzig und Berlin 1922 J. S c h w e i t z e r

Verlag

(Arthur

Sellier)

Alle Rechte, insbesondere das der Obersetzung,

vorbehalten.

Copyright 1922 by J. Schweitzer Verlag (Arthur Sedier), München.

Druck von Dr. F. P. Datterer £ Cie., Freising-MUnchen.

Inhaltsverzeichnis. Seite

Vorwort

1 Erster

Teil.

Die Personenbeschreibung. Einleitung I. Die Grundeinteilung der Signalementslehre II. Das Signalement in der Identitätslehre III. Die Körpergröße. Anthropologisches IV. Der Normalkopf V. Die Hauptmerkmale des Kopfes A. Die Kopfform a) Die Vorderansicht des Kopfes b) Die Seitenansicht des Kopfes B. Das Gesichtsprofil 1. Die Stirn 2. Die Nase 3. Das Kinn 4. Stirn-Nasenprofil 5. Nasen-Mundprofil C. Das Ohr VI. Ergänzende Merkmale des Kopfes 1. Der Mund 2. Die Zähne 3. Die Lippen 4. Das Auge 5. Der Augapfel 6. Die Augenlider 7. Die Augenbrauen 8. Die Falten 9. Der Hals 10. Die Haare 11. Der Bart 12. Die Haut- und Gesichtsfarbe VII. Die übrigen Merkmale des Körpers 1. Die Schultern 2. Die Hände 3. Der Körperumfang 4. Die Körperhaltung

. .

.

& 6 8 10 12 13 13 13 15 16 16 18 24 25 26 27 39 39 40 41 43 47 48 51 53 55 56 60 61 63 63 63 65 65

IV

Seite

5. Die Bewegungsarten, insbesondere die mimischen Ausdrucksbewegungen a) Der Blick b ) Die M i m i k des Mundes . c) K r a n k h a f t e A u s d r u c k s b e w e g u n g e n 6. S t i m m e und S p r a c h e 7. K l e i d u n g und Beruf 8. D e r Geruch 9. S o n s t i g e Gewohnheiten 10. Besondere K e n n z e i c h e n VIII. Veränderungen des Aussehens Zweiter

65 67 69 71 71 72 74 76 76 79

Teil.

Die Handhabung des Signalements in der Praxis. A. Die Herstellung des Signalements im Dienst a) Verzeichnis der Abkürzungen, n a c h M e r k m a l e n geordnet b ) Alphabetisches Verzeichnis der A b k ü r z u n g e n B. Die Anwendung des Signalements in der Praxis . . . . . 1. Das Ausfüllen der V o r d r u c k e der P e r s o n e n b e s c h r e i b u n g a) D i e B e s c h r e i b u n g der daktyloskopierten Person . . . b) D i e B e s c h r e i b u n g Vermißter und u n b e k a n n t e r T o t e r . 2. Die Leichentoilette 3. Die Feststellung von Personen nach dem Bilde . . . . 4. Das Wiedererkennen von Personen nach dem Gedächtnis und aus der F e r n e 5. Die S a m m l u n g und Ordnung der Personenbildnisse . C. Der Unterricht in der Signalementslehre Dritter

105 107 109

Teil.

A. Weitere Hilfsmittel zur Personenfeststellung B. Ähnliche Menschen und die Vererbungsgesetze Vierter

86 88 91 95 95 96 97 102 104

113 116

Teil.

Das Signalement des Fingerabdrucks. A. Die Sammlung der Fingerabdruckkarten bei der Reichszentrale B. Das Fernidentifizierungsverfahren

121 140

Anhang. Statistik der erkennungsdienstlichen Personenfeststellungen . Sachregister

.

148 157

V o r w o r t zur zweiten

Auflage.

Seit der Einführung der Signalementslehre in die deutsche Literatur sind 14 J a h r e vergangen. Eine völlige Umarbeitung des ganzen Stoffes war aus zwei Gründen notwendig: erstens war die Wiederüberlassung der in der ersten Auflage zur Verfügung gestellten Klischees vom Schweizer Verleger abgelehnt worden; zweitens hat die Entwicklung des deutschen Erkennungsdienstes eine teilweise Vereinfachung 1 ) und eine teilweise Erweiterung der Signalementslehre es zweckmäßig erscheinen lassen. Als dritter Grund könnte noch in Betracht gezogen werden der fast den ganzen Umfang der eigentlichen Signalementslehre betreffenden Diebstahl durch einen österreichischen Plagiator, dessen Verleger jetzt in der Tschechoslowakei ist. Eine Vereinfachung der Bertillonschen Signalementslehre, die im engen Zusammenhang mit der damals noch allgemein angewendeten Körpermessung gelehrt wurde, konnte nach Einführung der D a k t y l o s k o p i e ohne Schaden für das Ganze sehr wohl eintreten, eine Erweiterung der Signalementslehre mußte in dem zu kurz gefaßt gewesenen Teil der M i m i k und P h y s i o g n o m i k vorgenommen werden, soweit sie eben zu Wiedererkennungszwecken, namentlich des Verbrechers in Freiheit, brauchbar sind. Auf diesem Gebiete liegen zwei wichtige deutsche W e r k e vor, nämlich: Dr. T h e o d o r P i d e r i t , Mimik und Physiognomik (3. Auflage, Detmold 1919) und Dr. H. K r u k e n b e r g , 2 ) Der Gesichtsausdruck des Menschen (2. Aufl., Stuttgart 1 9 2 0 ) ; dazu kommt noch Dr. G e o r g B u s c h a n , Menschenkunde (Stuttgart 1920); einige Lehrsätze, auch physiologische und anatomische Beschreibungen von Gestaltsformen konnten gut verwertet werden. Diese Änderungen sollen jedoch keine Schmälerung der Verdienste Bertillons bedeuten, aber den Bedürfnissen der Praxis mußte Rechnung getragen werden. Auch die D a k t y l o s k o p i e mußte an Stelle der früheren Körpermessung mehr in den Vordergrund treten, da auch sie mit der Personenbeschreibung und -Wiedererkennung im erkennungsdienstlichen Verfahren enge verwachsen ist. Auf die Beschreibung des Pariser Verbrecheralbums nach eigener Klassifizierung l ) Soweit die Beschreibung der Merkmale zum Verständnis ausreicht, kann auf besondere Abbildungen verzichtet werden. ' ) Herrn Professor Dr. K r u k e n b e r g (Elberfeld) verdanke ich durch die G e nehmigung mehrerer Zitate aus seinem vorzüglichen W e r k e eine wertvolle Ergänzung der Signalementslehre.

1*

4

Vorwort zur zweiten Auflage

der Photographien konnte um so eher verzichtet werden, als es bei den deutschen Polizeibehörden nirgends eingeführt oder nachgeahmt worden ist. Es mußte daher auch in dieser Hinsicht auf die deutschen Verhältnisse und Bedürfnisse mehr Rücksicht genommen werden. Im übrigen wurde Bertillons „anthropometrisches Signalement" (in deutscher Bearbeitung von Dr. v o n S u r y , Bern und Leipzig 1895) als Grundlage beachtet und das Bildermaterial aus unserer Praxis neu beschafft. Ebenso kann auf das viersprachige Wörterverzeichnis der ersten Auflage verzichtet werden, da es in der Praxis kaum benötigt wird. Statt dessen habe ich die von mir im Jahre 1918 ausgearbeitete dienstliche „ A n w e i s u n g z u r B e h a n d l u n g d e r b e i d e r R e i c h s s a m m e l s t e l l e in B e r l i n zu s a m m e l n d e n Fingerabdruckkarten" in die Signalementslehre aufgenommen, die wegen ihrer instruktiven und allgemein verständlichen Darstellung in Polizeikreisen des In-und Auslandes Anerkennung gefunden hat. In zahlreichen Ausbildungskursen beim Berliner Erkennungsdienst wurde das vorliegende Werk (in erster Auflage) beim Unterricht zugrunde gelegt. In diesem Unterricht, wie auch in der Erkennungsdienstpraxis selbst ergab sich die Notwendigkeit der Änderungen, wie sie die vorliegende zweite Auflage aufzuweisen hat, ohne daß dadurch der Hauptzweck der Signalementslehre beeinträchtigt wurde. Die Polizeischulen werden, wie ich hoffe und wünsche, in diesem Werke ein weiteres brauchbares Unterrichtshilfsmittel gewinnen. Den Beamten des Berliner Erkennungsdienstes, die mich bei der Sammlung des Bildermaterials unterstützten, insbesondere auch Kriminalassistent R e c k e r t , der die Beamten in der Signalementslehre zu unterrichten hat, spreche ich auch an dieser Stelle meinen aufrichtigsten Dank aus. B e r l i n , im Januar 1922. Dr. S c h n e i c k e r t .

Erster

Teil.

Die Personenbeschreibung. Einleitung. Unter Signalementslehre verstehen wir die beschreibende Zus a m m e n f a s s u n g aller sichtbaren Merkmale der Gestalt eines Menschen, die ihn von anderen Menschen zu unterscheiden geeignet sind. W e n n wir auf den Ausspruch des berühmtten Anatomen P e i s s e hinweisen, der einmal sagte: D a s A u g e e r b l i c k t i n den G e g e n s t ä n d e n n u r d a s , w a s es a n s c h a u t , u n d es s c h a u t n u r d a s a n , w a s b e r e i t s in d e r V o r s t e l l u n g v o r h a n d e n i s t " , 1 ) so wird uns auch d e r ganze Zweck der Signalementslehre klar. Das beste und einzige Mittel für den Fahndungsbeamten, ein photographisches Bild dem Gedächtnis gut einzuprägen, besteht, wie schon Bertilfon erklärte, darin, sich eine genaue und voltständige Beschreibung desselben schriftlich anzufertigen. W i r k ö n n e n n u r d a s w i e d e r v o r u n s e r g e i s t i g e s Auge rufen, was wir b e s c h r e i b e n können. Der Fahndungsbeamte, der mit der schwierigen A u f g a b e betraut ist, an der H a n d einer Photographie einen Verbrecher zu ermitteln und festzunehmen, muß imstande sein, die Gestalt und Züge des Gesuchten aus dem Gedächtnis zu beschreiben, also eine Art „Gedächtnisbild" zusammenzustellen. Diese Fähigkeit soll n u n dem Beamten durch den Unterricht in der Signalementslehre und gleichzeitige Übungen beigebracht werden. Die Personenbeschreibung ist im Polizeidienst in drei H a u p t fällen von Wichtigkeit, nämlich 1. zur Ermittelung eines für die Durchführung eines Strafverfahrens wichtigen oder notwendigen Menschen, in erster Linie aber des Beschuldigten; 2. zur Ermittelung eines flüchtigen Verbrechers, der aus der Polizei, Untersuchungs- oder Strafhaft entwichen ist und daher steckbrieflich verfolgt wird; 3. zur Feststellung von vermißten P e r s o n e n und unbekannten Leichen. ') Einen ähnlichen Gedanken hat Rudolf V i r c h o w zum Ausdruck gebracht, wenn er behauptete, daß kein Arzt ordnungsmäßig Uber einen krankhaften Vorgang zu denken vermag, wenn er nicht imstande ist, ihm einen Ort im Körper anzuweisen.

6

I. Die Personenbeschreibung

In den beiden ersteren Fällen werden bestimmte Menschen auf G r u n d eines polizeilichen o d e r gerichtlichen Steckbriefes gesucht, zum Teil auch durch Einsichtnahme in die P h o t o g r a p h i e n sammhingen des polizeilichen Verbrecheralbums, also nach dem Bilde. Soweit die Beschreibung von geschulten Beamten des Erkennungsdienstes aufgenommen ist, wird diese genauer und zuverlässiger sein, als jede beliebige, nach Angaben von Z e u g e n aufgenommene. Insofern hat man also in zweierlei Hinsicht eine Beschreibung der Person zu unterscheiden, einmal die amtlich nach der Person aufgenommene, sodann die nach Z e u g e n a n g a b e n , oder Angaben von Verwandten des Gesuchten nach der Erinnerung a u f g e n o m m e n e Beschreibung, die aber oft so m a n g e l h a f t oder lückenhaft ist, daß sie kaum noch den Namen Personenbeschreibung verdient. Wir haben uns hier lediglich mit der Beschreibung nach d e r Person (oder nach dem zu vergleichenden Bilde) zu beschäftigen. W e r in der Signalementsfehre geschult ist, wird erst lernen, eine Photographie richtig vergleichen und die wichtigsten Merkmale ablesen und sich einprägen zu können. Daher sollte die Signalementslehre grundsätzlich a l l e n Polizeiexekutivbeamten gelehrt werden, weil sie einen großen Nutzen davon haben werden. Seinem Gedächtnis kann, wie schon erwähnt, der Fahndungsbeamte ein Bild aber nur einprägen, wenn er eine wörtliche Beschreibung davon geben kann. Bertillon sagte zu diesem P u n k t e einmal: „Solange eine solche äußerliche anatomische Besonderheit, deren Vorhandensein allein schon die Wiedererkennung eines bestimmten Individuums unter tausend Menschen ermöglichte, keinen N a m e n hat, der die Einprägung d e r Form und des W e r t e s des Merkmals zuläßt, solange werden sie auch unbeachtet und unsichtbar bleiben. W i r können eben n u r das wieder sehen, w a s wir auch beschreiben k ö n n e n . "

I. Die Grundeinteilung der Signalementslehre. Während zur Zeit d e r A n w e n d u n g der Anthropometrie elf genaue Maße von bestimmten Körperteilen des Verbrechers festgestellt und aufgezeichnet wurden, gibt es bei der Signalementslehre keine Messungen mehr, wenn man von der genauen Feststellung d e r Körpergröße des Menschen (nach dem Maßstab) einmal absehen will. Es handelt sich vielmehr nur noch um W e r t a b s c h ä t z u n g e n , richtiger um „ B e s c h r e i b u n g e n " von Merkmalen d e r menschlichen Gestalt. Dabei sind drei H a u p t g r u p p e n von Beschreibungen zu unterscheiden: a) Bezeichnungen, die ein M a ß ausdrücken, z . B . Stirnhöhe: klein, Anfangsteil der Ohrleiste: groß.

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I. Die Personenbeschreibung

In den beiden ersteren Fällen werden bestimmte Menschen auf G r u n d eines polizeilichen o d e r gerichtlichen Steckbriefes gesucht, zum Teil auch durch Einsichtnahme in die P h o t o g r a p h i e n sammhingen des polizeilichen Verbrecheralbums, also nach dem Bilde. Soweit die Beschreibung von geschulten Beamten des Erkennungsdienstes aufgenommen ist, wird diese genauer und zuverlässiger sein, als jede beliebige, nach Angaben von Z e u g e n aufgenommene. Insofern hat man also in zweierlei Hinsicht eine Beschreibung der Person zu unterscheiden, einmal die amtlich nach der Person aufgenommene, sodann die nach Z e u g e n a n g a b e n , oder Angaben von Verwandten des Gesuchten nach der Erinnerung a u f g e n o m m e n e Beschreibung, die aber oft so m a n g e l h a f t oder lückenhaft ist, daß sie kaum noch den Namen Personenbeschreibung verdient. Wir haben uns hier lediglich mit der Beschreibung nach d e r Person (oder nach dem zu vergleichenden Bilde) zu beschäftigen. W e r in der Signalementsfehre geschult ist, wird erst lernen, eine Photographie richtig vergleichen und die wichtigsten Merkmale ablesen und sich einprägen zu können. Daher sollte die Signalementslehre grundsätzlich a l l e n Polizeiexekutivbeamten gelehrt werden, weil sie einen großen Nutzen davon haben werden. Seinem Gedächtnis kann, wie schon erwähnt, der Fahndungsbeamte ein Bild aber nur einprägen, wenn er eine wörtliche Beschreibung davon geben kann. Bertillon sagte zu diesem P u n k t e einmal: „Solange eine solche äußerliche anatomische Besonderheit, deren Vorhandensein allein schon die Wiedererkennung eines bestimmten Individuums unter tausend Menschen ermöglichte, keinen N a m e n hat, der die Einprägung d e r Form und des W e r t e s des Merkmals zuläßt, solange werden sie auch unbeachtet und unsichtbar bleiben. W i r können eben n u r das wieder sehen, w a s wir auch beschreiben k ö n n e n . "

I. Die Grundeinteilung der Signalementslehre. Während zur Zeit d e r A n w e n d u n g der Anthropometrie elf genaue Maße von bestimmten Körperteilen des Verbrechers festgestellt und aufgezeichnet wurden, gibt es bei der Signalementslehre keine Messungen mehr, wenn man von der genauen Feststellung d e r Körpergröße des Menschen (nach dem Maßstab) einmal absehen will. Es handelt sich vielmehr nur noch um W e r t a b s c h ä t z u n g e n , richtiger um „ B e s c h r e i b u n g e n " von Merkmalen d e r menschlichen Gestalt. Dabei sind drei H a u p t g r u p p e n von Beschreibungen zu unterscheiden: a) Bezeichnungen, die ein M a ß ausdrücken, z . B . Stirnhöhe: klein, Anfangsteil der Ohrleiste: groß.

Die Grundeinteilung der Signalementslehre

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b) Bezeichnungen, die eine F o r m oder N e i g u n g zum Ausdruck bringen, z . B . Nasenrücken: gebogen, Stirn: zurückweichend. c) Bezeichnungen, die eine F a r b e näher angeben sollen, z. B. H a a r e : hellblond, A u g e n : dunkelbraun. 1 ) Was die G r ö ß e eines Menschen, also seine Oesamtlänge anlangt, so wird sie beim Erkennungsdienst jederzeit nach genauem Maße a n g e g e b e n ; aber gleichwohl muß man sich einigermaßen darüber einig sein, was man hier unter: klein oder mittelgroß oder g r o ß zu verstehen hat. Wir werden also bezeichnen: a — 1,58 = klein, 1,59—1,70 = mittel, 1,71—x = groß. Es ist nicht nur zweckmäßig, sondern in vielen Fällen sogar notwendig, die äußersten Erscheinungen dieser Entwicklungsreihe, nämlich „sehr klein" und „sehr g r o ß " zum Ausdruck zu bringen, so daß wir alles, was unter 1,53 m groß ist, als sehr klein, und alles, was über 1,76 m ist, als sehr groß bezeichnen. Äußerlich wird das Auffallende durch Unterstreichungen gekennzeichnet, also: klein = „sehr klein" und groß = „sehr g r o ß " . Damit haben wir eine f ü n f s t u f i g e Orößeneinteilung gew o n n e n : klein — klein — mittel — groß — g r o ß , die wir bei den meisten der u n t e r G r u p p e a fallenden Maßbezeichnungen beibehalten können. Das Verfahren der Unterstreichung bei stark ausgeprägten Merkmalen wird aber auch bei den unter b genannten Bezeichnungen der Form oder Neigung eines Merkmals angewendet, z. B. Nasengrundlinie: a b w ä r t s ; Nasenrücken: gebogen. Findet man eine solche Eigenschaft nur schwach angedeutet oder ist ihre Bestimmung zweifelhaft, so drückt man dies beim Signalement dadurch aus, daß das betreffende Merkmal in Klammern gesetzt wird, also z. B. Unterlippe (vorspringend), Ohrläppchen (behaart). Damit erhalten wir grundsätzlich eine s i e b e n s t u f i g e Einteilung, wenn wir noch die angedeuteten Zwischenstufen berücksichtigen wollen, 2 3 4 5 6 7 1 also: klein — klein — (klein) — mittel — (groß) — groß — g r o ß . Diese Einteilung hat Bertillon ganz allgemein bei allen zu bezeichnenden Merkmalen des Signalements vorgeschlagen, die aber in der Praxis nur in den wenigsten Fällen zur A n w e n d u n g kommen kann. Wir begnügen uns jedenfalls mit der f ü n f s t u f i g e n Einteilung. Wir gehen nun zu der F r a g e über, welche Stellung die Signalementslehre in der Identitätslehre einnimmt. ') Gelegentlich können vergleichsbildende Bezeichnungen angewendet werden, z. B. Stiernacken, halbmondförmiges Gesicht, Adlernase, Krähenluße ( = Falten am äußeren Augenwinkel), kastanienbraun usw.

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I. Die P e r s o n e n b e s c h r e i b u n g

II. Das Signalement in der Identitätslehre. Die Personenbeschreibung und deren Anwendung in der Praxis ist ein Teil der k r i m i n a l i s t i s c h e n I d e n t i t ä t s l e h r e , die sich in Sachen- und Personenidentifizierungen unterscheidet. Als Hilfsmittel der letzteren stehen uns zur Verfügung: Fingerabdrücke, Körpermerkmale und die Handschrift. Die von mir unter dem Oesamtbegriff „kriminalistische Identitätslehre" zusammengefaßte und in meinen akademischen Vorlesungen behandelten Indizien der Personengleichheit gliedern sich in w e s e n t l i c h e und u n w e s e n t l i c h e oder in p r i m ä r e und s e k u n däre Merkmale. Während die p r i m ä r e n Unterscheidungsmerkmale als einzigartige selten sind und bei ihrem Auftreten von ausschlaggebender Beweiskraft sein können, sind die s e k u n d ä r e n Merkmale entsprechend dem von dem belgischen Gelehrten Q u e t e l e t 1 ) zuerst aufgestellten Lehrsatz, daß die Verteilung der Formen und die Einteilung der Maße des menschlichen Körpers auf mathematischen Oesetzen beruhe, sehr häufig und können an sich noch keine Identität beweisen, vielmehr wirken sie nur im Zusammentreffen mit anderen (in der Regel sekundären) Merkmalen. Es entspricht den logischen Grundsätzen, daß die Gewißheit der Identität mit der Zahl und der Qualität der einzelnen Merkmale zunimmt. Beispielsweise haben die einzelnen Maßgrößen der bei der Anthropometrie zugrunde gelegten elf Maße eine außerordentlich schwache Beweiskraft, da sie sich bei den verschiedenen Menschen zu oft wiederholen. Nur die K o m b i n a t i o n der elf Maßgrößen haben Beweiskraft, aber auch keineswegs eine absolute oder ausschließliche, denn auch diese Kombinationen von elf Maßgrößen wiederholen sich bei den verschiedenen Menschen und können nur zur Bildung gewisser Hauptgruppen dienen.') Da war es die P e r s o n e n b e s c h r e i b u n g , die als unterstützendes Beweismittel entscheidend hinzutrat und teils als kontrollierendes, teils aber auch als ausschlaggebendes Hilfsmittel die Personenidentifizierungskunst vervollständigte. Daß die Personenbeschreibung nach allen Regeln der Kunst und Wissenschaft viel reichhaltiger an Einzelmerkmalen, auch primärer Natur, ist als eine Kombination von nur elf, stets an den gleichen Körpergliedern festgestellten Maßgrößen, ist ganz natürlich und logisch. Daß z. B. ein Mensch ein Muttermal im Gesicht hat, wird nicht selten zu finden sein, daß aber Größe, Form und genaue Lage dieses Merkmals, z. B. vom rechten Augenwinkel aut ») Q u i t e l e t ist 2 2 . F e b r u a r 1796 in G e n t g e b o r e n , 17.Februar 1874 in Brüssel (als Direktor d e r d o r t i g e n Sternwarte) g e s t o r b e n ; ist d u r c h seine sozial-statistischen Arbeiten b e r ü h m t g e w o r d e n . *) Über die Mängel u n d Mißerfolge d e r B e r t i l l o n a g e vgl. H e i n d l , S y s t e m u n d P r a x i s d e r Daktyloskopie, Berlin 1922, S. 466 ff.

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Das Signalement in d e r Identitätslehre

Millimetergenauigkeit bestimmt, bei vielen Menschen übereinstimmen, ist nicht anzunehmen, noch weniger, daß derselbe Mensch noch eine näher beschriebene Narbe oder Warze an genau bestimmter Stelle aufzuweisen hat. Daraus ergibt sich, daß dem einzelnen Merkmal noch keine Beweiskraft zukommt, daß es aber beim Zusammentreffen mit anderen mehr oder weniger seltenen Merkmalen einen Komplex von Merkmalen bildet, dem ein primärer Identitätswert zukommt. Dasselbe gilt grundsätzlich von allen auf natürliche Erscheinungen zurückführbaren Merkmalen, namentlich von den Merkmalen des Fingerabdrucks und zum Teil auch von den graphologischen Merkmalen der Handschrift, nur daß jedes einzelne Identitätsgebiet durch seine besonderen Eigenarten besonderen Voraussetzungen und Schlußfolgerungen unterworfen ist. Unter den körperlichen Merkmalen sind alle die einer willkürlichen oder zufälligen (d. h. durch Alter oder Krankheit verursachten) Veränderungen unterliegenden als sekundäre Merkmale zu beurteilen; sie werden in einem besonderen Kapitel später noch näher dargestellt werden. Q u é t e l e t hat seinem oben erwähnten Lehrsatz ungefähr folgende Form g e g e b e n : Alles, was lebt, wächst oder vergeht, schwankt zwischen einem Maximum und einem Minimum, zwischen denen alle Mittelstufen liegen, die umso zahlreicher sind, je mehr sie sich der Mitte nähern, und umso seltener, je mehr sie sich von der Mitte entfernen. Diese Beobachtung kann jeder machen, der sich mit Identifizierungen beschäftigt und dem die Bewertung der Mittelformen überall Schwierigkeiten macht. Man kann im allgemeinen annehmen, daß die häufige Wiederholung einer bestimmten G r ö ß e sich gleichmäßig und systematisch in

P8S|

Abb. 1

Binomialkurve der Körpergröße.

10

I. Die Personenbeschreibung

dem Maße verringert, als es sich vom Mittelmaße entfernt; dieses Abnehmen folgt dem von N e w t o n aufgestellten b i n o m i s c h e n L e h r s a t z . Bertillon hat die auf vorhergehender Seite stehende Binomialkurve der siebenstufig eingeteilten Körpergröße aufgestellt. III. Die Körpergröße. A n t h r o p o l o g i s c h e s. 1 ) Wenn wir von einer normalen Körpergröße sprechen wollen, so können wir dies nicht auf alle Völker der Erde beziehen, denn die durchschnittliche Körperlänge ist für die einzelnen Menschenrassen und Völker durchaus verschieden. Man unterscheidet große Rassen mit einer mittleren Körpergröße von 1,70 m und darüber hinaus, Rassen mit mehr als Durchschnittsgröße von 1,65 m bis 1,70 m, Rassen mit weniger als Druchschnittsgröße von 1,60 m bis ;i,65 m und kleine Rassen von weniger als 1,60 m. Als höchsten für normal anzusehenden Grenzwert Itann man 1,75 m, als niedrigsten 1,46 m ansehen. Ungewöhnliche Körpergrößen, d. h. solche über 1,80 m und unter 1,35 m kommen sehr selten vor. Zu den größten Menschen der Erde gehören die Schotten; allgemein gesagt, weist die Bevölkerung Amerikas und Afrikas die größten Menschenrassen auf; die kleinsten Rassen der Erde bilden die sogenannten Zwergstämme oder P y g m ä e n im Innern des schwarzen Erdteils. Die Nordländer (in Europa), namentlich die Engländer und Skandinavier weisen eine größere Durchschnittslänge auf, als die Südländer, vor allem die Italiener. In erster Linie sind also R a s s e und V e r e r b u n g im allgemeinen von einschneidendem Einfluß auf die Körpergröße eines Menschen. Aber auch andere Faktoren kommen hierfür noch in Betracht, so das Leben in den Bergen, die geographische Lage, hygienische und Ernährungsbedingungen, wie auch Beruf und Lebensweise, sie können entweder das Wachstum begünstigen oder ungünstig beeinflussen, wie z. B. Rachitis und andere chronische Krankheiten, schwere körperliche Arbeit, sitzende Lebensweise (wie bei Schuhmachern, Schneidern, Webern, Sattlern usw.). Das w e i b l i c h e Geschlecht ist im allgemeinen kleiner als das männliche, und zwar um 8—16 cm im Durchschnitt. Übrigens ist beobachtet worden, daß die Körpergröße des einzelnen Menschen schwankt und zu verschiedenen Tageszeiten nicht die gleiche ist. Am größten ist der Mensch nach der Bettruhe, er verliert bis zum Abend 1—2 cm an Körpergröße, nach stärkerer Ermüdung und schon nach angestrengtem Stehen oder Gehen, sogar bis zu 4—6 cm. Diese Erscheinung ist vor allem darauf z'u') Nach B u s c h a n , Menschenkunde.

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I. Die Personenbeschreibung

dem Maße verringert, als es sich vom Mittelmaße entfernt; dieses Abnehmen folgt dem von N e w t o n aufgestellten b i n o m i s c h e n L e h r s a t z . Bertillon hat die auf vorhergehender Seite stehende Binomialkurve der siebenstufig eingeteilten Körpergröße aufgestellt. III. Die Körpergröße. A n t h r o p o l o g i s c h e s. 1 ) Wenn wir von einer normalen Körpergröße sprechen wollen, so können wir dies nicht auf alle Völker der Erde beziehen, denn die durchschnittliche Körperlänge ist für die einzelnen Menschenrassen und Völker durchaus verschieden. Man unterscheidet große Rassen mit einer mittleren Körpergröße von 1,70 m und darüber hinaus, Rassen mit mehr als Durchschnittsgröße von 1,65 m bis 1,70 m, Rassen mit weniger als Druchschnittsgröße von 1,60 m bis ;i,65 m und kleine Rassen von weniger als 1,60 m. Als höchsten für normal anzusehenden Grenzwert Itann man 1,75 m, als niedrigsten 1,46 m ansehen. Ungewöhnliche Körpergrößen, d. h. solche über 1,80 m und unter 1,35 m kommen sehr selten vor. Zu den größten Menschen der Erde gehören die Schotten; allgemein gesagt, weist die Bevölkerung Amerikas und Afrikas die größten Menschenrassen auf; die kleinsten Rassen der Erde bilden die sogenannten Zwergstämme oder P y g m ä e n im Innern des schwarzen Erdteils. Die Nordländer (in Europa), namentlich die Engländer und Skandinavier weisen eine größere Durchschnittslänge auf, als die Südländer, vor allem die Italiener. In erster Linie sind also R a s s e und V e r e r b u n g im allgemeinen von einschneidendem Einfluß auf die Körpergröße eines Menschen. Aber auch andere Faktoren kommen hierfür noch in Betracht, so das Leben in den Bergen, die geographische Lage, hygienische und Ernährungsbedingungen, wie auch Beruf und Lebensweise, sie können entweder das Wachstum begünstigen oder ungünstig beeinflussen, wie z. B. Rachitis und andere chronische Krankheiten, schwere körperliche Arbeit, sitzende Lebensweise (wie bei Schuhmachern, Schneidern, Webern, Sattlern usw.). Das w e i b l i c h e Geschlecht ist im allgemeinen kleiner als das männliche, und zwar um 8—16 cm im Durchschnitt. Übrigens ist beobachtet worden, daß die Körpergröße des einzelnen Menschen schwankt und zu verschiedenen Tageszeiten nicht die gleiche ist. Am größten ist der Mensch nach der Bettruhe, er verliert bis zum Abend 1—2 cm an Körpergröße, nach stärkerer Ermüdung und schon nach angestrengtem Stehen oder Gehen, sogar bis zu 4—6 cm. Diese Erscheinung ist vor allem darauf z'u') Nach B u s c h a n , Menschenkunde.

Die Körpergröße

II

rückzuführen, daß die Zwischenwirbelscheiben durch das Gewicht der auf der Wirbelsäule lastenden Körperteile zusammengedrückt werden. Menschen, deren Körpergröße weit über das Normalmaß hinausgeht, die sogen. R i e s e n , haben etwas Krankhaftes in ihrem Wuchs, ihre einzelnen Körperteile zeigen eine auffällige Unproportioniertheit. So weisen z. B. die Gliedmaßen im Vergleich zum Rumpf eine zu g r o ß e Länge auf, insbesondere die unteren; das Gesicht nimmt gleichfalls eine unnatürliche Größe an (stark längliches Gesicht), der Unterkiefer springt vor, die Backenknochen sind stark erweitert usw. Unter den Riesen bewahren die einen während ihrer ganzen Lebensdauer die Anzeichen eines kindlichen Aussehens, während andere wieder am ganzen Körper mächtige Fettmassen ansetzen und eine dritte G r u p p e verdickte Enden d e r Gliedmaßen aufweist, wobei z. B. die Hände allgemein vergrößert erscheinen, die Finger gleichmäßig verdickt; ähnlich bei den Füßen. Die größte bisher festgestellte Körpergröße wies ein FinnIänder mit 2,83 m auf. Riesen stammen stets von ganz normal gebildeten Eltern a b ; bei ihrer Geburt unterscheidet sich ihre Körperlänge in nichts von der anderer Neugeborener. Gewöhnlich erst zu Beginn der Pubertät setzt das ungewöhnliche Wachstum ein. Meistens steht ihre Muskelkraft in keinem Verhältnis zu ihrer Körpergröße, wie sie auch in geistiger Hinsicht oft minderwertig sind. Menschen mit einer Körpergröße von weniger als 1,40 m bezeichnen wir als z w e r g h a f t , solche von weniger als 1,05 m als e c h t e Z w e r g e . W a s vom Wachstum des Riesen gesagt wurde, gilt auch für die zwerghaften Menschen; je mehr sie sich in ihrer Länge dem Durchschnittsmenschen nähern, um so weniger sind sie mißgestaltet, je kleiner sie sind, um so mehr fällt ihr W u c h s ins Krankhafte. So hat man neben dem echten Zwergwuchs auch den krankhaften zu unterscheiden. Der pathologische Z w e r g w u c h s wird hauptsächlich durch die englische Krankheit (Rachitis) und durch Ernährungsstörungen b e d i n g t ; solche Menschen zeigen eine starke Verkürzung der Beine, die meistens krumm sind. Eine weitere Form des pathologischen Wuchses ist der sogen. K r e t i n i s m u s oder das angeborene M y x ö d e m (Schleimgeschwulst), bedingt durch Schrumpfen oder Fehlen der Schilddrüse; (diese ist ein gefäßreiches Organ am Hals vor dem Ringknorpel und seitwärts vom Schildknorpel des Kehlkopfes, das bei krankhafter Anschwellung den Kropf bildet). Z w e r g e kommen viel häufiger vor, als Riesen; sie sind meistens weiblichen Geschlechts und pflegen, obwohl von normalen Eltern abstammend, schon bei der G e b u r t auffallend klein

12

I. Die Personenbeschreibung

zu sein, wie auch das Zurückbleiben im Wachstum anderen Kindern g e g e n ü b e r zu beobachten ist, oder der Stillstand im Wachstum tritt schon in den ersten Kinderjahren ein. Soviel bekannt ist, sind wirkliche Zwerge der Fortpflanzung nicht fähig; sie sind wenig widerstandsfähig, altern schnell u n d sterben frühzeitig. Ihre geistige Frische ist gewöhnlich gut, während es aber auch geistig recht minderwertige unter ihnen gibt, vor allem die Kretins und Mikrozephalen (mit kleinem Schädel und auffallend niedriger, fliehender Stirn), die gewöhnlich sogar als blödsinnig zu bezeichnen sind.

IV. Der Normalkopf. Unter „ N o r m a l k o p f " verstehen wir ein wohlproportioniertes, also e b e n m ä ß i g e s P r o f i l b i l d , das sich in drei u n g e f ä h r gleiche Größen zerlegen läßt: a) den Stirnteil, von d e r n a t ü r lichen K o p f h a a r g r e n z e b i s zur Nasenwurzel, b) den Nasenteil, von der Nasenwurzel bis zur N a s e n g r u n d linie, c) den Mundteil, von der N a s e n g r u n d l i n i e bis zur Kinnbasis. (Vgl. A b b i l d u n g 2.) Gleichzeitig darf aber a u c h die Profillinie dieser drei zus a m m e n g e h ö r i g e n Teile k e i n e a u f f a l l e n d e U n g l e i c h h e i t e n aufweisen, wie sie s p ä t e r n o c h d a r gestellt w e r d e n m ü s s e n ; und schließlich datf die S c h ä d e l b i l d u n g keine auffällige F o r m e n zeigen. Die normal p r o p o r t i o n i e r t e n A u s m a ß e des S c h ä d e l s Abb. 2. sind in Abb. 2 d u r c h d a s eing e z e i c h n e t e l i e g e n d e Viereck und d u r c h den r e c h t e n W i n k e l a n g e z e i g t , d e s s e n Spitze im T r a g u s , d e m vor d e m G e h ö r g a n g l i e g e n d e n K n o r p e l z ä p f c h e n liegt, w ä h r e n d die b e i d e n S c h e n kel das Profil an d e r Haargrenze und an der Kinnspitze scheiden. Zu beachten ist ferner die Lagerung der zwischen den beiden vorderen parallelen Linien liegenden Oesichtsteile. Der Kopf ist dann in gerader Haltung, wenn eine durch den T r a g u s gedachte w a g rechte Linie mit d e r vom gleichen Punkt zum äußeren Augenwinkel gehenden Linie einen Winkel von etwa 15 Grad bildet. Ein solcher Kopf, wie er in Abb. 2 schematisch dargestellt

12

I. Die Personenbeschreibung

zu sein, wie auch das Zurückbleiben im Wachstum anderen Kindern g e g e n ü b e r zu beobachten ist, oder der Stillstand im Wachstum tritt schon in den ersten Kinderjahren ein. Soviel bekannt ist, sind wirkliche Zwerge der Fortpflanzung nicht fähig; sie sind wenig widerstandsfähig, altern schnell u n d sterben frühzeitig. Ihre geistige Frische ist gewöhnlich gut, während es aber auch geistig recht minderwertige unter ihnen gibt, vor allem die Kretins und Mikrozephalen (mit kleinem Schädel und auffallend niedriger, fliehender Stirn), die gewöhnlich sogar als blödsinnig zu bezeichnen sind.

IV. Der Normalkopf. Unter „ N o r m a l k o p f " verstehen wir ein wohlproportioniertes, also e b e n m ä ß i g e s P r o f i l b i l d , das sich in drei u n g e f ä h r gleiche Größen zerlegen läßt: a) den Stirnteil, von d e r n a t ü r lichen K o p f h a a r g r e n z e b i s zur Nasenwurzel, b) den Nasenteil, von der Nasenwurzel bis zur N a s e n g r u n d linie, c) den Mundteil, von der N a s e n g r u n d l i n i e bis zur Kinnbasis. (Vgl. A b b i l d u n g 2.) Gleichzeitig darf aber a u c h die Profillinie dieser drei zus a m m e n g e h ö r i g e n Teile k e i n e a u f f a l l e n d e U n g l e i c h h e i t e n aufweisen, wie sie s p ä t e r n o c h d a r gestellt w e r d e n m ü s s e n ; und schließlich datf die S c h ä d e l b i l d u n g keine auffällige F o r m e n zeigen. Die normal p r o p o r t i o n i e r t e n A u s m a ß e des S c h ä d e l s Abb. 2. sind in Abb. 2 d u r c h d a s eing e z e i c h n e t e l i e g e n d e Viereck und d u r c h den r e c h t e n W i n k e l a n g e z e i g t , d e s s e n Spitze im T r a g u s , d e m vor d e m G e h ö r g a n g l i e g e n d e n K n o r p e l z ä p f c h e n liegt, w ä h r e n d die b e i d e n S c h e n kel das Profil an d e r Haargrenze und an der Kinnspitze scheiden. Zu beachten ist ferner die Lagerung der zwischen den beiden vorderen parallelen Linien liegenden Oesichtsteile. Der Kopf ist dann in gerader Haltung, wenn eine durch den T r a g u s gedachte w a g rechte Linie mit d e r vom gleichen Punkt zum äußeren Augenwinkel gehenden Linie einen Winkel von etwa 15 Grad bildet. Ein solcher Kopf, wie er in Abb. 2 schematisch dargestellt

Der Normalkopf. — Die Hauptmerkmale des Kopfes

13

ist, soll bei d e r B e s c h r e i b u n g d e r v o m N o r m a l e n etwa abw e i c h e n d e n F o r m e n u n d G r ö ß e n v e r h ä l t n i s s e n u r als A u s g a n g s g r u n d l a g e d i e n e n , ähnlich wie d a s N o r m a l s c h u l a l p h a b e t bei d e r Schriftvergleichung. So w ü r d e z. B. eine Stirn, deren H ö h e g e ringer ist als die H ö h e d e s N a s e n - o d e r Mundteils, als „ k l e i n " bezeichnet w e r d e n m ü s s e n , nicht a b e r e t w a , weil die Stirnhöhe nicht ein g e w i s s e s M i n d e s t m a ß erreicht. Eine Stirn, deren H ö h e a b e r j e n e r d e s N a s e n - o d e r Mundteils ziemlich entspricht, bezeichnen wir als „ m i t t e l g r o ß " . Sobald also ein H ö h e n u n t e r s c h i e d u n t e r d i e s e n drei Teilen auftritt, fällt u n s dies auf, so daß die Kleinheit o d e r die G r ö ß e eines d i e s e r Teile nicht nach d e m M a ß e , s o n d e r n als relativ a b z u s c h ä t z e n d e s M e r k m a l zu verzeichnen ist. Ähnlich ist auch bei d e r A b s c h ä t z u n g d e r a n d e r e n G r ö ß e n von M e r k m a l e n der K ö r p e r g e s t a l t v o r z u g e h e n .

V. Die Hauptmerkmale des Kopfes. A. D i e

Kopfform.

a) D i e V o r d e r a n s i c h t d e s K o p f e s . Die K o p f f o r m ist einmal nach d e r V o r d e r a n s i c h t , sodann nach d e r Seitenansicht zu beschreiben. W i r teilen d i e Vorderansicht, g e w ö h n l i c h mit G e s i c h t bezeichnet, in drei Flächen ein: Stirn, N a s e , M u n d . Die G r u n d f o r m d e s Gesichts ergibt sich aus seiner H ö h e u n d Breite. Die H ö h e h ä n g t w i e d e r a b von d e r H ö h e d e r Stirn, d e r N a s e , d e r Lippen und des Kinnes. Die B r e i t e d e s G e s i c h t s h ä n g t a b von d e r Breite d e r Stirn, von d e r A u s d e h n u n g u n d L a g e d e r Backen- sowie d e r J o c h b e i n k n o c h e n u n d des U n t e r k i e f e r k n o c h e n s , d e r u n t e r h a l b d e r O h r e n liegt. Die B a c k e n k n o c h e n liegen direkt u n t e r d e m rechten A u g e n w i n k e l jedes A u g e s , die J o c h b e i n k n o c h e n d a g e g e n in der gleichen H ö h e mit dem T r a g u s , d e m n e b e n d e m G e h ö r g a n g sitzenden Knorpelteil d e s O h r e s . M a n unterscheidet f o l g e n d e Hauptformen: 1. die runde G e s i c h t s f o r m (Abb. 3 ) ; 2. die viereckige G e s i c h t s f o r m (Abb. 4 ) ; 3. die rechteckige G e s i c h t s f o r m (Abb. 5 ) ; 4. d u r c h d a s Z u s a m m e n t r e f f e n d e r r u n d e n und rechteckigen G e s i c h t s f o r m e n t s t e h t die ovale G e s i c h t s f o r m (Abb. 5 a ) ; 5. das pyramidenförmige G e s i c h t (Abb. 6). Hier ist die Stirn schmal, die Kiefer sind breit, so d a ß sich die g a n z e Breite d e s G e s i c h t s allmählich vom U n t e r k i e f e r bis zur Stirn verengert; 6. d a s kreiseiförmige G e s i c h t (Abb. 7), die g e g e n t e i l i g e F o r m d e r vorigen, also Schläfenfläche breit, Kieferfläche s c h m a l ;

Der Normalkopf. — Die Hauptmerkmale des Kopfes

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ist, soll bei d e r B e s c h r e i b u n g d e r v o m N o r m a l e n etwa abw e i c h e n d e n F o r m e n u n d G r ö ß e n v e r h ä l t n i s s e n u r als A u s g a n g s g r u n d l a g e d i e n e n , ähnlich wie d a s N o r m a l s c h u l a l p h a b e t bei d e r Schriftvergleichung. So w ü r d e z. B. eine Stirn, deren H ö h e g e ringer ist als die H ö h e d e s N a s e n - o d e r Mundteils, als „ k l e i n " bezeichnet w e r d e n m ü s s e n , nicht a b e r e t w a , weil die Stirnhöhe nicht ein g e w i s s e s M i n d e s t m a ß erreicht. Eine Stirn, deren H ö h e a b e r j e n e r d e s N a s e n - o d e r Mundteils ziemlich entspricht, bezeichnen wir als „ m i t t e l g r o ß " . Sobald also ein H ö h e n u n t e r s c h i e d u n t e r d i e s e n drei Teilen auftritt, fällt u n s dies auf, so daß die Kleinheit o d e r die G r ö ß e eines d i e s e r Teile nicht nach d e m M a ß e , s o n d e r n als relativ a b z u s c h ä t z e n d e s M e r k m a l zu verzeichnen ist. Ähnlich ist auch bei d e r A b s c h ä t z u n g d e r a n d e r e n G r ö ß e n von M e r k m a l e n der K ö r p e r g e s t a l t v o r z u g e h e n .

V. Die Hauptmerkmale des Kopfes. A. D i e

Kopfform.

a) D i e V o r d e r a n s i c h t d e s K o p f e s . Die K o p f f o r m ist einmal nach d e r V o r d e r a n s i c h t , sodann nach d e r Seitenansicht zu beschreiben. W i r teilen d i e Vorderansicht, g e w ö h n l i c h mit G e s i c h t bezeichnet, in drei Flächen ein: Stirn, N a s e , M u n d . Die G r u n d f o r m d e s Gesichts ergibt sich aus seiner H ö h e u n d Breite. Die H ö h e h ä n g t w i e d e r a b von d e r H ö h e d e r Stirn, d e r N a s e , d e r Lippen und des Kinnes. Die B r e i t e d e s G e s i c h t s h ä n g t a b von d e r Breite d e r Stirn, von d e r A u s d e h n u n g u n d L a g e d e r Backen- sowie d e r J o c h b e i n k n o c h e n u n d des U n t e r k i e f e r k n o c h e n s , d e r u n t e r h a l b d e r O h r e n liegt. Die B a c k e n k n o c h e n liegen direkt u n t e r d e m rechten A u g e n w i n k e l jedes A u g e s , die J o c h b e i n k n o c h e n d a g e g e n in der gleichen H ö h e mit dem T r a g u s , d e m n e b e n d e m G e h ö r g a n g sitzenden Knorpelteil d e s O h r e s . M a n unterscheidet f o l g e n d e Hauptformen: 1. die runde G e s i c h t s f o r m (Abb. 3 ) ; 2. die viereckige G e s i c h t s f o r m (Abb. 4 ) ; 3. die rechteckige G e s i c h t s f o r m (Abb. 5 ) ; 4. d u r c h d a s Z u s a m m e n t r e f f e n d e r r u n d e n und rechteckigen G e s i c h t s f o r m e n t s t e h t die ovale G e s i c h t s f o r m (Abb. 5 a ) ; 5. das pyramidenförmige G e s i c h t (Abb. 6). Hier ist die Stirn schmal, die Kiefer sind breit, so d a ß sich die g a n z e Breite d e s G e s i c h t s allmählich vom U n t e r k i e f e r bis zur Stirn verengert; 6. d a s kreiseiförmige G e s i c h t (Abb. 7), die g e g e n t e i l i g e F o r m d e r vorigen, also Schläfenfläche breit, Kieferfläche s c h m a l ;

14

I. Die Personenbeschreibung

'9-

A b b . 3.

Abb. 6.

Abb. 4.

Abb. 7.

Abb. 5.

Abb. 1

Abb. 5a.

Abb. 9.

7. das rautenförmige G e s i c h t (Abb. 8). Die Schläfen- und Kieferflächen verengern sich, während die Jochbeinknochen stark hervortreten; 8. das bikonkave G e s i c h t (Abb. 9); zwischen den Schläfenund Jochbeinknochen liegt die erste Aushöhlung (Konkavität), zwischen den Jochbein- und Kieferknochen liegt die zweite Aushöhlung. Besondere Merkmale. Gewöhnlich wird es zweckmäßig sein, wenn man nur eine oder mehrere der gut ausgeprägten Formenbildungen hervorhebt, also z. B. U n t e r k i e f e r o d e r J o c h b e i n e weit o d e r e n g von e i n a n d e r entfernt, o d e r S c h ä d e l s e h r breit, B a c k e n k n o c h e n s c h w a c h entwickelt, S c h l ä fen einfallend usw. A u c h ist es a n g ä n g i g , die B e z e i c h n u n g „breites G e s i c h t " z u wählen, wenn Stirn und U n t e r k i e f e r breit e n t w i c k e l t sind, wie es a u c h z w e c k m ä ß i g ist, in v o r k o m m e n d e n Fällen ein „volles" o d e r „ m a g e r e s " bzw. „ k n o c h i g e s " G e A b b . 10. sicht a u f z u z e i c h n e n . E b e n s o k a n n es g e s c h e h e n bei hervorstehenden Schläfen (Abb. 10), eingefallenen Schläfen und hervorstehenden Jochbeinen (Abb. 9), breiten oder engen Kiefern (Abb. 6 und 7); schließlich sind noch anzuführen: herabhängende

15

Die Hauptmerkmale des Kopfes

Backen, unsymmetrisches Gesicht, bei dem die eine Gesichtshälfte Ungleichheiten gegenüber der anderen Gesichtshälfte aufweist, sei es in der Lage der Augen oder der Mundwinkel oder der O h r e n ; man kann entsprechend aufzeichnen; links oder rechts unsymmetrisches Gesicht. Damit nicht zu verwechseln ist die infolge L ä h m u n g des Gesichtbewegungsnervs eintretende Verzerrung des Gesichts; eine verkalkte Drüse drückt auf den Nerv, lähmt ihn und verursacht eine Atrophie (Abmagerung) der einen Gesichtshälfte. b) D i e

Seitenansicht

des

Kopfes.

Zur besseren Beurteilung der Kopfseitenansicht denkt man sich zwei senkrechte Linien gezogen, die erste vom äußeren Augenwinkel, die zweite vom Ohrrande nach oben g e h e n d ; so erhalten wir die drei Teile: Vorder-, Mittel- und Hinterhaupt. Als von der Normalform abweichende Formen des S c h ä d e l p r o f i l s kommen in Betracht: 1. Niedriger Schädel: die Schädelhöhe vom G e h ö r g a n g bis zum Scheitel ist sehr klein, der Schädel selbst ist abgeplattet 1 (Abb. 11). i 2. Hoher Schädel, d e r entgegengesetzte Fall (Abb. 12). 3. Spitzkopf; die Schädelhöhe ist sehr groß, die Entfernung des äußersten Punktes des Hinterkopfes von der Nasenwurzel ist klein; nach v o m abfallendes Schädelprofil; von den Anthropologen ,,Akrokephalie" bezeichnet (akros = spitz, kcphalä = Kopf, aus dem Griechischen). (Vgl. Abb. 13.) Der Gegensatz hierzu zeigt ein vorn hohes, hinten niederes Schädelprofil (Abb. 14). 4. Eiförmiger oder T a r t a r e n - K o p f . Die Stirn ist zurückweichend und sehr lang, bei kleiner Schädelhöhe; der Hinterkopf

Abb. 11.

Abb. 15.

Abb. 12.

Abb. 16.

Abb. 13.

Abb. 17.

Abb. 18.

Abb. 11.

Abb. 1')

16

1. Die PersoneÄbeschreibung

tritt stark hervor. Einige Volksstämme, z. B. im Kaukasus, auf Bornea und bei den Flachkopf-Indianern wird diese Kopfform sogar als Nationaleigentümlichkeit noch besonders gepflegt, indem ein schräg über den Kopf des Neugeborenen gespanntes Brett diese Form künstlich erzeugt (vgl. Abb. 15). 5. Flacher Hinterkopf 6 . Gewölbter

(Abb.

Hinterkopf

16).

(Abb.

17).

7. Schiffskielförmiger Kopf (Abb. 18); der ganze Schädel verengert sich gegen den Scheitel hin, so daß er, von oben betrachtet, einem Schiffskiel ähnelt; auch giebelförmig bezeichnet. 8. Hinterkopfwulst. Am Unteren Teil des Hinterkopfes tritt eine auffallende Höckerbildung auf (Abb. 19). A n m e r k u n g . Die Phrenologie, deren Begründer und Hauptvertreter der Arzt Franz Jos. G a i l (1758—1828) ist, legt bekanntlich den Unebenheiten des Schädels besonderes Gewicht bei, indem die äußerlich beim Abtasten fühlbaren höckerigen Stellen des Schädels mit entsprechenden Bildungen des Gehirns in Einklang gebracht werden, sodaß die Lokalisation der einzelnen Fähigkeiten hierdurch angenommen und ausgedeutet werden. Diese Lehre wird aber von den Physiologen verworfen. Karl V o g t sagt in seinen berühmt gewordenen „Physiologischen Briefen" (Gießen 1854, Seite 326», insofern die Phrenologie von dem Satze ausgehe, daß die Qualität und Quantität der Hirnteile auch die Art und Weise unseres Denkens bestimmen müsse, daß von dieser oder jener Bildung auch diese oder jene geistigen Fähigkeiten, Triebe und Leidenschaften notwendig abhängen müssen, daß die Handlungen der Menschen nichts anderes seien als die Resultanten, hervorgegangen aus der physischen Grundlage und aus der jeweiligen Ernährung und Umsetzung der Hirnsubstanz, soweit habe die Phrenologie eine feste Grundlage. Aber die Ansicht, daß der Schädel in seinen äußeren Umrissen genau die inneren Verhältnisse nachahme und somit die Bildung des Schädels auch diejenige des Gehirns zeige, sei durchaus unhaltbar, da der Schädel keine Kapsel sei, die in allen ihren Teilen gleichförmig dick sei, er habe bestimmte Stellen, wo er dünner, andere, wo er dicker sei, und die Verhältnisse seiner Dicke an verschiedenen Stellen schwanken in ziemlich weiten Grenzen. Bei dem einen ist die Stirn dicker als das Hinterhaupt, bei dem andern trifft das Umgekehrte zu, und man braucht nur den ersten besten in verschiedenen Richtungen zersägten Schädel zu betrachten, um sich zu überzeugen, daß die äußeren Umrisse durchaus noch nicht diejenigen der inneren Höhlung wiederholen, sondern daß nur im großen und ganzen Ähnlichkeit vorliege.

B. D a s

Gesichtsprofil.

Zur richtigen Beurteilung des Gesichtsprofils muß man das Verhältnis von Stirn zu Nase einerseits und von Nase zu Mund (oder Kinn) andererseits näher ins Auge fassen, dabei wieder ausgehend von den entsprechenden Verhältnissen des Normalkopfes (Abb. 2). Demnach unterscheiden wir das S t i r n - N a s e n p r o f i l und das N a s e n - M u n d p r o f i l . Vorher müssen wir aber die einzelnen Formen der hier genannten Bestandteile noch näher kennen lernen. 1. Die

Stirn.

Die Prüfung und Beurteilung der Stirn erfolgt nach folgenden Merkmalen:

Die Hauptmerkmale des Kopfes

17

1. nach dem G r a d e d e s V o r s p r i n g e n s des oberen Augenhöhlenrandes oder der A u g e n b o g e n ; 2. nach dem G r a d e d e r N e i g u n g i h r e r P r o f i l l i n i e gegen eine durch die Nasenwurzel gedachte senkrechte Linie; 3. nach ihrer H ö h e ; 4. nach ihrer B r e i t e , von einer Schläfe zur anderen; 5. nach ihren B e s o n d e r h e i t e n . Z u 1. Die Augenbogen und ihr Vorsprung werden von der Profilseite aus betrachtet; ihre Lage ist insofern leicht zu beurteilen, als sie die T r ä g e r der Augenbrauen sind. Der Grad des Vorsprungs kann sein: klein — klein — mittel — groß — groß. Die Abb. 20 zeigt zur Veranschaulichung nur die drei Formen klein — mittel — groß.

Abb. 20.

Abb. 21.

Z u 2. Der Grad der Neigung d e r S t i r n p r o f i l l i n i e wird nach der durch die Nasenwurzel gedachten senkrechten Linie abgeschätzt und kann sein: schräg ( = zurückweichend oder fliehend) — mittel — senkrecht. Bei stark zurückweichenden Stirnen ist zu notieren: schräg (d. h. also mit Unterstreichung). Überragt die Stirnlinie aber die Senkrechte nach vorn, so wird sie bezeichnet mit v o r s t e h e n d oder v o r g e w ö l b t , so daß demnach die fünfstufige Einteilung lautet: schräg — schräg — mittel — senkrecht — vorgewölbt (vgl. die Abb. 21). Z u 3. Die Höhe d e r S t i r n wird an der Vorderseite des Kopfes g e p r ü f t und wird, je nach ihrem Verhältnis zu den übrigen (in Abb. 2 gezeigten) Teilen bezeichnet: klein — klein — mittel — groß — groß. S e h n e i c k e r t , Signalementslehre.

2

18

I. Die Personenbeschreibung

Die H ö h e wird nach der Entfernung der Haupthaargrenze von der Nasenwurzel bestimmt. Z u 4. Die Breite d e r S t i r n wird ebenfalls von vorn bestimmt in entsprechender Weise wie die Höhe, von d e r einen Schläfe zur anderen. Z u 5. Als Besonderheiten d e r S t i r n kommen in Betracht: S t i r n b o g e n (oder Sinus), er liegt etwas höher als d e r Augenbogen, tritt mit diesem aber niemals gleichzeitig auf (vgl. Abb. 22). Liegt der e t w a s h ö c k e r i g e S t i r n v o r s p r u n g noch höher,, dann bezeichnet man dieses Merkmal als S t i r n h ö c k e r (vgl. Abb. 23). Ist die g a n z e Stirnlinie k o n v e x , wie in A b b . 24, d a n n liegt ein g e w ö l b t e s S t i r n : ../• , p r o f i l v o r ; gewöhnlich ist hierbei die N e i g u n g e t w a s Abb. 2 2 . A b b . 23.

Abb. 24.

zurückweichend.

Manchmal tritt über der Nasenwurzel eine schwache Vertiefung des Stirnknochens auf, die man als S t i r n g r ü b e zu bezeichnen hat. 2. Die Nase. 1

A n a t o m i s c h e s : ) Die äußere Nase ist eines der Hauptmerkmale des menschlichen Gesichts g e g e n ü b e r dem T i e r ; sie drückt d e m Gesicht mehr wie die anderen Bestandteile des Kopfes ein eigentümliches Gepräge auf. Die äußere Nase besteht aus einem oberen unbeweglichen Teil, dem k n ö c h e r n e n N a s e n s k e l e t t , und einem unteren, nach unten beweglicher werdenden Teil, dem k n o r p e l i g e n Nasengerüst. Das knöcherne Nasengerüst wird von den beiden Nasenbeinen und den Nasenfortsätzen des Oberkiefers gebildet. Gegen die Stirn wird die äußere Nase durch eine Einsenkung, den N a s e n s a t t e l oder die N a s e n w u r z e l , abgegrenzt, jedoch erstreckt sich die innere Nase mit einem Fortsatz, den sogenannten S t i r n h ö h l e n nach der Stirn zu. Der vordere untere Teil d e r Nase wird in seiner Gestalt durch die Nasenknorpel bestimmt. Man unterscheidet einen unpaarigen unbeweglichen mittleren Nasenknorpel und zwei bewegliche seitliche Knorpel, die N a s e n f l ü g e l . Die mittlere knorpelige N a s e n s c h e i d e w a n d ist d i e Fortsetzung der inneren knöchernen Nasenscheidewand und bildet, einen festen Tragpfeiler f ü r den unteren Teil des Nasenrückens. Gibt dieser Pfeiler nach, S. 228.

') Nach K r u k e n b e r g , Der Gesichtsausdruck des Menschen (Stuttgart 1920),

19

Die Hauptmerkmale des Kopfes

wie es nach Verletzungen und geschwürigen Prozessen vorkommt, so sinkt der Nasenrücken ein. Häufiger kommen V e r l e g u n g e n der Nasenscheidewand vor, durch welche eine Asymmetrie der äußeren Nase und Erschwerung der Nasenluftatmung, die sich im Offenhalten des Mundes zeigt, bedingt wird. Die knorpelige Nasenscheidewand verbindet sich beiderseits mit den dreieckigen Nasenknorpeln, welche sich nach oben an die Nasenknochen anschmiegen, während nach unten die Spitzenknorpel die Grundlage der N a s e n s p i t z e bilden und schmale Fortsätze, die Nasenflügelknorpel, zu den Nasenflügeln weiterleiten. Durch den Erheber des Nasenflügels und der Oberlippe kann die Nase durch Erhebung d e r Nasenflügel willkürlich bewegt werden und das sogenannte Nasenrümpfen bewirkt werden. Die H a u t der äußeren Nase ist fettarm und haftet fest an dem knorpeligen Nasengerüst, besonders an den Nasenflügeln, während sie über dem knöchernen Nasengerüst mehr verschiebbar ist und sich bei Bewegungen in Falten legt. An den N a s e n l ö c h e r n schlägt sich die Nasenhaut nach innen zur Schleimhaut der Nasenhöhle um, die namentlich bei älteren Leuten ö f t e r mit borstenähnlichen, aus der Nase herauswachsenden Haaren besetzt ist. Die H a u t der Nase enthält besonders in d e r U m g e b u n g der Nasenspitze zahlreiche T a l g d r ü s e n , deren Öffnungen meistens als feine punktförmige Vertiefungen zu erkennen sind. H ä u f i g erscheinen diese Pünktchen, die A u s f ü h r u n g s m ü n d u n g e n der Talgdrüsen, durch Unreinlichkeiten der Haut schwärzlich gefärbt, oder der Inhalt d e r Drüsen staut sich, und man sieht 'um diese schwarzen Pünktchen einen roten Hof (Finnen, Mitesser). Für das Signalement kommt es auf folgende U n t e r s c h e i d u n g s m e r k m a l e an: 1. die N a s e n w u r z e l ; 2. d e r N a s e n r ü c k e n ; 3. die N a s e n g r u n d 1 in i e oder N a s e n b a s i s ; 4. die H ö h e der N a s e ; 5. der V o r s p r u n g d e r N a s e ; 6. die B r e i t e der N a s e ; 7. die B e s o n d e r h e i t e n der Nase. Z u 1. Die Nasenwurzel ist eine querliegende größere oder kleinere Vertiefung des obersten Teiles des Nasenrückens, zwischen beiden Augen, am unteren Stirnrande. Fehlt diese Vertiefung, so haben wir das geradlinige oder griechische Profil, das weiter u n t e n noch dargestellt werden wird. Die Vertiefung der Nasenwurzel kanm sein klein — klein — mittel — groß — groß. (vgl. Abb. 25). 2*

20

I. Die Personenbeschreibung

Z u 2. Der Nasenrücken entspricht der von der Nasenwurzel bis zur Nasenspitze verlaufenden Profillinie und kann folgende drei Hauptformen aufweisen, die in Abb. 26 dargestellt sind: k o n k a v oder e i n g e b o g e n , geradlinig, k o n v e x oder g e b o g e n ; ist bei dieser Form der Nasenrücken etwas höckerig, so entsteht eine w i n k e l i g - g e b o g e n e Form (vgl. Abb. 26, vierte Form). In diesem Falle liegt der höchste Punkt der Wölbung nicht auf der Mitte des Nasenrückens, sondern mehr der Nasenwurzel zugewendet, während im übrigen der Nasenrücken nach unten geradlinig verläuft.

Abb. 25.

K o n k a v wird der Nasenrücken nur dann bezeichnet, wenn die Profillinie in ihrer ganzen Ausdehnung ununterbrochen konkav ist, entsprechend auch bei der k o n v e x e n Form. Wir haben also die Bezeichnungen zu unterscheiden: konkav — konkav — geradlinig — konvex — konvex und als Sonderform die w i n k e l i g - g e b o g e n e oder h ö c k e r i g e Nase, gewöhnlich auch A d l e r n a s e genannt.

A b b . 26.

A b b . 27.

Die Hauptmerkmale des Kopfes

21

Durch das Zusammentreffen zweier Formen können noch folgende Sonderformen unterschieden werden: konka v-wellig wie Abb. 27 zeigt.



geradlinig-wellig wellig,

Z u 3. Die Grundlinie oder Basis Hauptformen auf:



weiter

konvex-

der Nase weist die drei

aufwärts — wagrecht — abwärts (vgl. Abb. 2 8 ) ; bei auffallend starker Aufwärts- oder Abwärtsrichtung muß dies durch Unterstreichungen angezeigt werden. D a s Profil des N a s e n rückens und die R i c h t u n g der Nasengrundlinie sind voneinander u n a b h ä n g i g , so daß also z. B. ein konkaver R ü c k e n mit einer abwärts verlaufenden Grundlinie zu finden ist, wenn dieses Zusammentreffen auch nicht g e r a d e häufig sein wird. D a g e g e n trifft man häufiger Abb. 28. einen konkaven RUcken mit einer Aufwärtsrichtung, einen k o n v e x e n mit einer Abwärtsrichtung der Nasenbasis an. Bei stark eingebogenen Nasen ist die Richtung der Nasenlöcher nach vorne und oben geneigt, die Nasenspitze ist dann gewöhnlich breit und stumpf; daher auch die im Volksmunde gebräuchliche Bezeichnung: S t u m p f - oder S t ü l p n a s e , auch Himmelfahrtsnase oder W o l k e n r i e c h e r scherzhaft genannt. Tritt diese Form in Verbindung mit d n e m sehr breiten, aber flachen Nasenrücken und kurzem Nasensteg (siehe hierzu Ziffer 8 der Besonderheiten) auf, so daß die Nasenwurzel im Profil nur sehr wenig über die Augenlinie hervorsteht, so spricht man von einer „Plattnase", wie sie namentlich bei tiefstehenden Rassen als Regelform zu beobachten ist. Ihr entspricht auch der (unter Ziffer 1 der unten näher beschriebenen Besonderheiten) S-förmige Nasenrücken. Z u 4. Unter Höhe der Nase hat man die Ausdehnung der Nase von ihrer Wurzel bis zum untersten Ende der Nasenflügel zu verstehen (vgl. Abb. 29). Sie wird ebenfalls im Verhältnis zu den übrigen benachbarten Teilen abgeschätzt und erhält die Bezeichnungen : klein — klein — mittel — groß — groß.

22

I. Die Personenbeschreibung

Z u 5. Der Vorsprung der Nase wird, wie aus Abb. 29 zu ersehen ist, vom äußersten Punkt des Nasenrückens bis zum innersten Punkt der Nasenflügel oder W a n g e n f l ä c h e abgeschätzt und wie die H ö h e ebenfalls k l e i n — g r o ß bezeichnet. Z u 6. Die Breite der Nase wird (nach der Vorderansicht) durch die von den beiden äußersten Enden d e r Nasenflügel gebildete Querlinie abgeschätzt, ebenfalls mit k l e i n — g r o ß bezeichnet; es ist aber auch schon ausreichend, nur von einer s c h m a l e n oder b r e i t e n Nase zu sprechen (vgl. Abb. 30). Z u 7. Die Besonderheiten der Nase sind mannigfaltig, und zwar hinsichtlich des Nasenrückens, der Nasenspitze, der Nasenwurzel und der Nasenflügel. Man kann folgende Besonderheiten unterscheiden: 1.

S-förmiger

Nasenrücken

(vgl.

Abb.

31).

Die

Nasenwurzel

ist breit und tief, der obere Nasenrücken ist stark konkav, der untere aber konvex. Demnach beschreibt die ganze Profillinie die Form eines großen lateinischen S. G r o ß sind solche Nasen gewöhnlich nicht, daher ist ihre Höhe als k l e i n zu bezeichnen. 2.

Breitgedrückter

Nasenrücken

(vgl.

Abb.

32).

Hier

ist

der

Nasenrücken etwa in der Mitte seitlich etwas ausbiegend g e f o r m t , ohne jedoch den Verlauf der Profillinie des Rückens zu beeinträchtigen. 3. Abgeplattete Nasenspitze; hier liegt die dreieckförmige Verbreiterung des Nasenrückens weiter unten und zwar auf der Nasenspitze. 4. Der Nasenrücken kann auch in seiner ganzen Ausdehnung entweder schmal oder breit, auch kann er durch gewisse Zufälle gequetscht sein, so daß er mehr oder weniger von der Hauptrichtung a b g e b o g e n erscheint. 5. Schiefe Nase. Der Mittelteil des Nasenrückens ist hier etwas nach rechts oder nach links a u s g e b o g e n (vgl. A b b . 33). 6. Sattelnase. Der obere (knochige) Teil der Nase springt weiter vor als der untere (knorpelige) Teil. Auf der Grenze beider Teile bildet sich eine sattelförmige Vertiefung (vgl. Abb. 34). Solche Nasenmißbildungen können z. B. durch syphilitische Er-

Abb. 29.

Abb. 30.

Abb. 31.

Abb. 32.

Abb. 33.

Abb. 34.

Die Hauptmerkmale des Kopfes

23

krankungen entstehen, die einer. Zerfall des Nasengerüsts verursachen. 7. Die Nasenspitze kann d ü n n ( s c h m a l ) , d i c k (kugelförmig) oder auch g e s p a l t e n sein; im letzteren Falle ragt der Knorpel der Nasenflügel deutlich sichtbar unter der Haut hervor, die zwischen beiden hervorstehenden Knorpelenden liegende Furche spaltet die Nasenspitze gewissermaßen in zwei Teile. Schließlich kann die Nasenspitze a b g e b o g e n sein, d. h. von der Hauptrichtung des Nasenrückens nach rechts oder nach links gewendet. 8. Die Nasenscheidewand ist entweder s i c h t b a r oder v e r d e c k t ; als sichtbar wird sie nur dann bezeichnet, wenn d e r die beiden Nasenflügel scheidende Knorpel bzw. der sogen. N a s e n s t e g erheblich über den unteren Rand d e r Nasenflügel hinausragt; tritt er aber stark zurück, bezeichnet man die Nasenscheidewand als verdeckt; dabei muß die Nasenbasis genau g e p r ü f t werden, da bei stark zurücktretender Nasenscheidewand die Basis abwärts gerichtet erscheint. Bei stark schiefer innerer Nasenscheidewand entstehen Atmungsbeschwerden, die ein gewohnheitsmäßiges Offenhalten des Mundes verursachen; hierbei erscheint das eine Nasenloch enger als das andere. Verengerungen des inneren Nasengerüsts und des Nasenrachenraumes sind häufig schon äußerlich durch die auffallend schmale Form der Nase und die schmalc allgemeine Oesichtsbildung kenntlich; sie stören die N a s e n a t m u n g und nötigen zum Offenhalten des Mundes (Krukenberg). 9. Die Nasenflügel weisen folgende Besonderheiten auf: Die Nasenflügel können sein sehr d ü n n oder sehr d i c k , auch u m s ä u m t , wenn nur der untere Rand derselben mit einem Fleischpolster umgeben ist; dementsprechend sind auch die N a s e n l ö c h e r e n g o d e r w e i t . Sie können ferner leicht b e w e g l i c h und beim Anwuchs an die W a n g e z u r ü c k l a u f e n d sein, so daß d o r t eine mehr oder weniger tiefe Furche entsteht. 10. Die Nasenwurzel kann breit oder schmal, niedrig oder hoch sein, schließlich auch tiefliegend. 11. Stark gerötete Nasen werden als Kupfernasen bezeichnet oder auch „ T r i n k e r n a s e n " . Zuweilen zeigen sich an der Nase krankhafte Veränderungen (Wucherungen). Eine harmlosere krankhafte W u c h e r u n g d e r äußeren Weichteile der Nase, Rhinophym genannt, entstellt die Nase stark und wird auch als „Kartoffeln a s e " bezeichnet. Infolge von Erfrierung oder vom gewohnheitsmäßigem Alkoholgenuß, aber auch ohne solche Ursachen in einzelnen Familien sogar erblich, findet sich eine nach der Spitze zulaufende Rötung, die häufig einen Stich ins Bläuliche oder Violette zeigt. Bei älteren Leuten finden sich an solchen roten Nasen h ä u f i g größere netzförmig erweiterte Blutäderchen, zuweilen in Verbindung mit dem Rhinophym.

24

I. Die Personenbeschreibung 3. Das Kinn.

Beim Kinn haben wir zwei Teile- zu unterscheiden, einen oberen, durch eine unter der Unterlippe liegende Querfurche abgegrenzt, und einen unteren Teil, das eigentliche, durch eine mehr oder weniger deutliche Vorwölbung gewöhnlich hervortretende Kinn. Das von der Entwicklung des Unterkiefers abhängige Kinn ist ein charakteristisches Merkmal des Menschen und findet sich bei keinem Tier ausgebildet. F ü r die Personenbeschreibung hat man das Kinn nach folgenden vier Hauptpunkten zu unterscheiden: 1. N e i g u n g , 2. G r ö ß e (d. h. Höhe und Breite), 3. V o r s p r u n g , 4. B e s o n d e r h e i t e n . 1. Die Neigung d e s Kinns ••.. schwankt zwischen zurückweichend — senkrecht — , • v o r s p r i n g e n d (vgl. Abb. 35 -5,' \ " \ und 36). 2. D i e

(:•--'

Abb.35.

Abb. 36.

Abb. 37.

V'-"''

Abb. 38.

Höhe

und

Breite

d e s Kinns k a n n k l e i n — m i t t e l — g r o ß sein. 3. Die F o r m d e s Vorsprunges wird als f l a c h bez e i c h n e t , wenn dieser VorS

PrUng

S e h r

k l e i n

ist

°dei"

g a n z fehlt, wie z. B. in Abb i l d u n g 37; vom R a n d e der Unterlippe g e h t eine fast g e r a d e Linie zum unteren Kinnende. Der Gegensatz hierzu bildet das v o r s t e h e n d e (oder v o r g e w ö l b t e ) Kinn, wie Abb. 3& zeigt, wobei aber zugleich der Unterschied von dem vorspringenden Kinn der Abb. 36 zu beachten ist, das keine Vertiefung unter der Unterlippe zeigt, wie die Form d e r Abb. 38, deren Hauptrichtung im übrigen ganz senkrecht sein kann. 4. Besonderheiten: Das mehr oder weniger spitzwinkelig vorspringende Kinn tritt häufig auch bei alten Leuten auf, wenn die Zähne ausgefallen sind und der Kiefer in gleicher Weise schwindet. 1 ) Bei starkem Fettreichtum entsteht das sogenannte „ D o p p e l k i n n " , das sich an der Kinnunterseite durch eine Querfurche abgrenzt und die untere Gesichtshälfte verlängert und verbreitert. Bei starker A b m a g e r u n g wird der Umriß des Unterkieferknochens deutlich erkennbar, die H a u t der Unterkinngcgend erscheint etwas ausgehöhlt; bei alten Leuten bilden sich vom ') Bei gleichzeitig stark vorspringender Nase (mit abwärtsgerichteter Basis) und Kinnspitze finden wir das charakteristische „ N u ß k n a c k e r g e s i c h t " .

25

Die Hauptmerkmale d e s Kopfes

Kinn ausgehend am Halse zwei nach unten ziehende stark hervortretende Stränge, von der vorderen Grenze des breiten, unter der schlaffen H a u t angespannten Halsmuskels gebildet. Als w e i t e r e B e s o n d e r h e i t e n des Kinns kommen in Betracht: a) Das Kinngrübchen. Es liegt in der Mitte des unteren Vorsprunges, ist meistens kreisrund, manchmal auch etwas ovalförmig, mehr oder weniger tief und wird gewöhnlich beim vorgewölbten Kinn (Abb. 38) beobachtet. b) Das gespaltene Kinn. Bei dieser Form ist das Grübchen stark verlängert und spaltet das Kinn gewissermaßen in zwei Hälften. c) Die Kinnquerfurche erstreckt sich in einer Länge von 2—3 cm konvexförmig über den eigentlichen Kinnvorsprung. d) Die Doppelkinnfurche liegt, wie oben bereits erwähnt, etwas unterhalb der U m b i e g u n g des Kinnes. A n m e r k u n g : Soweit die B e s o n d e r h e i t e n d u r c h b l e i b e n sie bei d e r B e s c h r e i b u n g u n b e r ü c k s i c h t i g t .

Barthaare

verdeckt

sind,

Nach der Beschreibung von Stirn, Nase und Kinn können wir zu den eigentümlichen Profilformen übergehen, die durch das Zusammentreffen von Stirn und Nase einerseits und von Nase und Kinn andrerseits gebildet werden. 4. Das Stirn—Nasenprofil.

Als einzelne Formen kommen hier die folgenden in Betracht: 1. Geradliniges Profil, auch g r i e c h i s c h e s P r o f i l bezeichnet. Stirn und Nase bilden bei sehr wenig vertiefter Nasenwurzel eine fast gerade Linie, die Nase selbst zeigt mittlere Verhältnisse, also keine auffallenden B e s o n d e r h e i t e n (Abb. 39). 2.

Winkeliges

Profil.

Die

Stirnlinie fällt s e n k r e c h t auf einen stark v o r s p r i n g e n d e n Nas e n r ü c k e n (Abb. 40). 3. Paralleles Profil. D i e S t i r n

ist e t w a s z u r ü c k g e n e i g t , die N a s e n w u r z e l tief, d e r N a s e n r ü c k e n geradlinig. Die N a s e n r ü c k e n l i n i e v e r l ä u f t ziemlich . parallel mit der v e r l ä n g e r t e n Abb 39 40 41 42 43 Stirnprofillinie (Abb. 41). 4. Gebogenes Profil. Die Stirn ist etwas vorgewölbt, d e r Nasenrücken konvex, also stark gebogen (Abb. 42).

26

I. Die Personenbeschreibung

5. Gewelltes Profil. Stirn ist vorgewölbt, Nasenrücken konkav, Nasenwurzel weit ausgehöhlt (Abb. 43). 6. Halbmondförmiges Profil. Stirn und Kinn zurückweichend, Nase k o n v e x , s o daß der Verlauf der ganzen Gesichtsprofillinie halbkreisförmig ist. 5. Das Nasen—Mundprofil. Hier unterscheidet man zwei H a u p t f o r m e n : die P r o g n a t h i e und die O r t h o g n a t h i e . 1 ) Z u r besseren Beurteilung dieser F o r m e n denkt man sich von der Nasenwurzel aus eine senkrechte Linie nach unten g e z o g e n . 1. Das prognathische Profil. Unter- und O b e r k i e f e r stehen weit nach vorn, s o g e n . N e g e r t y p u s (Abb. 44). Bildet man durch zwei Linien, von denen die eine w a g r e c h t durch den Q e h ö r g a n g zur Nasenbasis, die andere über Stirn, Nase und Oberkiefer verläuft, dann ergibt sich ein spitzer Winkel, wie er wohl kaum beim E u r o p ä e r anzutreffen sein wird. 2. Das orthognathische Profil. O b e r - und U n t e r k i e f e r l i e g e n mit d e m Stirnprofil in e i n e r g e r a d e und s e n k r e c h t v e r laufenden L i n i e ( A b b . 45). 3. Nasenprognathie. Nur der O b e r k i e f e r s t e h t n a c h vorn, der U n t e r k i e f e r tritt z u r ü c k und liegt r e g e l m ä ß i g n i c h t in der g e r a d e n s e n k r e c h t e n R i c h t u n g der v o n der Nasenwurzel a u s g e h e n d e n L i n i e ( A b b . 4 6 ) ; ist a b e r die g a n z e N a s e n — M u n d p a r t i e v o r s t e h e n d , dann tritt a u c h der U n t e r k i e f e r s t a r k n a c h vorn ( A b b . 47). 4. Vorstehender Unterkiefer ( A b b . 4 8 ) , wobei sich auch das gleichzeitige Vorstehen der Unterlippe e r g i b t ; " ) im übrigen aber orthognathisches Profil. 5. Zurückweichendes Gesichtsprofil ( A b b . 49). Die untere Gesichtshälfte tritt hinter die von der Nasenwurzel aus gedachte Senkrechte zurück; die Stirn ist hierbei gewöhnlich vorgewölbt oder mit Stirnhöcker ausgestattet. A n m e r k u n g . Die p r o g n a t h i s c h e Gesichtslorm (auch „Vogelgesicht" genannt) ist hauptsächlich auf die Kiefer- und Zahnreihenstellung zurückzuführen. Das Zusammentreffen der Zahnreihen (oder der . B i ß " ) ist normal, wenn die vorderen unteren Zähne dicht hinter die vorderen oberen treffen (wie z. B. bei der Schere). >) Vom Griechischen: o r t h o s = gerade, g n a t h o s = Kiefer, p r o = vorwärts. ») In der Verbrechersprache wird diese Form auch als „ B a i k o n i r e s s e " bezeichnet.

Die Hauptmerkmale des Kopfes

27

Abweichende Formen s i n d : der „ g e r a d e B i ß " , wenn die Vorderzähne direkt (senkrecht) a u f e i n a n d e r t r e f f e n (orthognath); von einer „ P r o g e n i e " des Bisses spricht man, wenn der Unterkiefer den Oberkiefer überragt. Wenn dagegen der Unterkiefer verkürzt, der Oberkiefer daher vorstehend ist und die Schneidezähne schräg gegeneinander nach außen geneigt sind, haben wir die typische Form der „ P r o g n a t h i e " . In beiden letzten Fällen spricht man auch vom „ o f f e n e n B i ß " bei dem also eine Zahnreihe hinter der anderen zurückbleibt. 6. D a s Ohr.

A n a t o m i s c h e s . Da f ü r die Beschreibung nur das äußere Ohr, nicht der im Innern des Schädels versteckte Gehörapparat in Betracht kommt, werden wir uns auch nur auf das äußere Ohr, vielfach auch „ O h r m u s c h e l " bezeichnet, beschränken. Das äußere O h r ist eine unregelmäßig muschelförmige, durch elastische Knorpel gestützte, länglich-ovale Hautfalte, welche die M ü n d u n g des äußeren G e h ö r g a n g e s umfaßt. Der vordere konkave Teil der Ohrmuschel mit einer dünnen, sehr straffen Haut bedeckt, während an der dem Kopfe zugekehrten hinteren Seite die Haut gegen die Unterlage verschiebbar ist. Nach vorne zu geht das O h r allmählich in die H a u t d e r W a n g e über. Die Ohrmuschel liegt, w e n n man sich ein Normalohr vorstellen will, in gleicher H ö h e mit der Nase, ist etwa so lang wie diese und etwa doppelt so lang wie breit; ihre Größe ist aber individuell sehr schwankend, bei Frauen im allgemeinen kleiner als bei Männern, bei Neugeborenen ist sie schon verhältnismäßig groß und vollständig entwickelt. Das Ohr steht in einem Winkel von etwa 45 Grad vom Kopfe a b ; große Ohren stehen häufig stärker ab und werden dadurch noch auffälliger, während kleine Ohren meistens am Kopf flach anliegen. Die Entwicklung d e r einzelnen Teile des Ohres, namentlich auch des Ohrläppchens, zeigt bei den einzelnen Menschen mannigfaltige Verschiedenheiten, sind in ihrem Wachstum keinen auffallenden Veränderungen unterworfen, s o daß sich gerade das Ohr vom signaletischen Gesichtspunkte aus als das wichtigste Unterscheidungsmerkmal des Menschen darstellt, wenn man von den Fingerabdrücken hierbei absehen will. Bei minderwertigen Menschen, insbesondere auch bei Geisteskranken und Idioten ist das O h r nicht selten mangelhaft entwickelt, die Ohrläppchen fehlen oder sind an die hintere W a n g e angewachsen, der sogenannte D a r w i n s c h e F o r t s a t z , ein kleiner Höcker am hinteren oberen Teil der Ohrleiste — (als Rest der tierischen Ohrspitze) — ist zu einer deutlich erkennbaren Spitze nach oben und außen zu ausgebildet, oder die Ohren sind abnorm g r o ß und plump geformt. Solche sogenannte Degenerationszeichen haben jedoch nur dann eine Bedeutung, wenn sie bei einem Menschen in g r ö ß e r e r Zahl auch an anderen Körperstellen vorkommen. Da das O h r außer dem Ohrläppchen kein

28

I. Die Personenbeschreibung

F e t t g e w e b e enthält, so wird es auch bei auszehrenden Krankheiten nur wenig verändert, nur das Ohrläppchen vergrößert oder verkleinert sich j e nach dem allgemeinen Ernährungszustand des Menschen. Durch krankhafte P r o z e s s e kann sich das O h r ebenfalls verändern. Besonders nach Erfrierung k o m m t eine häufig wiederkehrende R ö t u n g und Schwellung der Ohren vor. S c h w e r e Qrade von Erfrierung führen zu Substanzverlusten an der Ohrleiste, die nach der Heilung scharf und wie a b g e n a g t erscheint. Auch äußeren Verletzungen ist das O h r nicht selten ausgesetzt, b e s o n d e r s durch Aufschlitzen des für Ohrringe durchbohrten Ohrläppchens, wie dieses auch durch Geschwüre tuberkulöser oder k r e b s i g e r Natur entstellt werden kann (nach K r u k e n b e r g ) . S c h o n Bertillon wies darauf hin, daß das O h r infolge seiner U n b e w e g lichkeit und Untätigkeit beim Mienenspiel unsere Aufmerksamkeit w e n i g e r anzieht, als andere Gesichtsteile. W e i l wir also das O h r im täglichen Leben so wenig beachten, sind wir o h n e Schulung auch g a r nicht in der L a g e , es näher zu beschreiben, was aber umso n o t w e n d i g e r ist, als es kaum zwei Ohren verschiedener Menschen gibt, die sich in allen Einzelheiten gleichen und daher zur W i e d e r e r k e n n u n g eines Menschen, der seine Persönlichkeit zu verbergen bestrebt ist, viel mehr g e e i g n e t ist, als andere Körperformen. Die einzelnen Bestandteile des Ohres. (Vgl. A b b . 50.) D e r Beschreibung wird grundsätzlich nur das r e c h t e O h r zugrundegelegt. Die unregelmäßige, muschelartige G e s a m t b ü d u n g des Ohres läßt s o w o h l Erhöhungen, wie auch Vertiefungen (Aushöhlungen) unterscheiden und zwar f o l g e n d e : 1. D e r Ohrsaum (oder Ohrleiste). V o n der Ohrmitte ausgehend verfolgen wir den Ohrrand in seiner ganzen Ausdehnung bis zur Basis, w o er sich verschmilzt mit dem 2. Ohrläppchen, dem weichen, fleischigen mehr oder weniger abgerundeten unteren T e i l des O h r e s . 3 . D e r Tragus ist j e n e r knorpelige, etwas spitzenförmige Teil, der vor der G e h ö r g a n g s ö f f n u n g liegt und mit der W a n g e verschmolzen ist. 4. D e r Antitragus liegt dem T r a g u s gegenüber, durch einen Einschnitt von ihm getrennt, direkt am oberen R a n d e des Ohrläppchens. 5. Die Gegenleiste (auch F a l t e oder A n t i h e l i x bezeichnet) liegt über dem Antitragus, eigentlich dessen Fortsetzung nach o b e n bildend, der obere T e i l läuft gewöhnlich in zwei Ästen aus, welche die sogenannte „ F i n g e r f u r c h e " einschließt.

Die Hauptmerkmale des Kopfes

29

Von V e r t i e f u n g e n oder Aushöhlungen unterscheiden wir beim Ohr ferner: 6. Die hintere Längsfurche, die zwischen der in senkrechter Richtung verlaufenden Ohrleiste und der Gegenleiste (oder Falte) liegt und im Ohrläppchen verläuft.

Abb. 50.

7. Die Fingerfurche, zwischen den beiden oberen Ästen der Gegenleiste liegend. 8. Die Ohrmuschel, vom Tragus, Antitragus, Gegenleiste und dem Anfangsteil der Ohrleiste umschlossen. In die Ohrmuschel mündet der Gehörgang direkt ein. 1. Die Ohrleiste. b)

Die Ohrleiste wird in drei Teile zerlegt: a) Anfangsteil, oberer und c) hinterer Teil der Ohrleiste. Der Anfangsteil

30

I. Die Personenbeschreibung

wird nach der A u s d e h n u n g in der Länge, der obere und hintere Teil nach der A u s d e h n u n g in der Breite oder Dicke bezeichnet. a) D e r A n f a n g s t e i l d e r O h r l e i s t e (auch W u r z e l der Ohrleiste genannt). Dieser Teil ist als k l e i n zu bezeichnen, wenn d e r Anfangspunkt kaum in die Ohrmuschel hineinragt, als m i t t e l , wenn er in der Mitte der Ohrmuschel beginnt, und als g r o ß , wenn e r die ganze Ohrmuschel durchzieht und sich mit dem unteren Teil der Qegenleiste verbindet (vgl. Tafel 1 Bild 1—3). b) D e r o b e r e T e i l d e r O h r l e i s t e wird ebenfalls mit k l e i n , m i t t e l oder g r o ß bezeichnet. W e n n dieser Teil klein ist, reicht der obere Teil der Qegenleiste bis zum oberen Rande des Ohres, der dann nur durch ein schmales, kaum sichtbares Polster eingesäumt wird, so daß der obere Rand flach aussieht (Tafel 1, 4). Ist der obere Rand weder sehr dünn und schmal, noch auffallend dick und breit, so bezeichnen wir ihn als m i t t e l (Tafel I, 5). Bildet der obere Teil der Ohrleiste ein die obere Qegenleiste und die Fingerfurche bedeckendes Fettpolster, so bezeichnen wir dieses mit g r o ß (Taf. I, 6). c) D e r h i n t e r e T e i l d e r O h r l e i s t e wird ebenfalls mit k l e i n , m i t t e l und g r o ß bezeichnet. Ist er k l e i n , dann sind hintere Längsfurche und der untere Teil der Qegenleiste sehr oft abgeplattet und lassen den hinteren Ohrteil flach erscheinen (Taf. I, 7). Im entgegengesetzten Falle sehen wir ein die hintere Längsfurche und den unteren Teil der Qegenleiste verdeckendes Fettpolster (Taf. I, 9). Als Zwischenstufe haben wir auch hier noch die Bezeichnung: m i t t e l (Taf. I, 8). Im Anschluß hieran ist gleich die h i n t e r e L ä n g s f u r c h e zu beschreiben, da ihre Form durch die Qestalt des hinteren Teiles der Ohrleiste bedingt wird und beide somit in engem Z u s a m m e n h a n g e stehen. Die hintere Ohrleiste zeigt Verschiedenheiten, je nachdem sie stark oder schwach zusammengerollt o d e r g e ö f f n e t ist. In manchen Fällen, hauptsächlich aber bei kleinen und mittleren Maßen, ist d e r hintere Teil der Ohrleiste stark rückwärts geneigt, so daß die Längsfurche deutlich zu sehen ist. Dieses Merkmal bezeichnen wir mit o f f e n (Taf. I, 10). In anderen Fällen ist die Ohrleiste mehr zusammengerollt, wobei die Längsfurche nur als eine schmale Rinne sichtbar ist. Diesen Grad der Ö f f n u n g bezeichnen wir als m i t t e l (Taf. I, 11). Endlich kann die hintere Ohrleiste, w e n n sie als g r o ß zu bezeichnen ist, stark zusammengerollt sein und dicht an dem unteren Teil der Gegenleiste anliegen. In diesem Falle ist die Längsfurche vollständig bedeckt und die Ö f f n u n g wird als g e s c h l o s s e n bezeichnet (Taf. I, 12).

Die Hauptmerkmale des Kopfes 2. D a s

31

Ghriäppchen.

Unter Ohrläppchen verstehen wir jene weiche und nach unten abgerundete Anschwellung, die den untersten Teil des Ohres bildet. Wir haben es hinsichtlich der Form seines äußeren Randes, seines Z u s a m m e n h a n g e s mit der W a n g e , seiner Gestalt, seiner Flächenbildung und schließlich hinsichtlich seines Umfanges und seiner Besonderheiten zu prüfen. a) U m r i ß d e s O h r l ä p p c h e n s . Das Ohrläppchen kann g e g e n die W a n g e hin in Spitzform auslaufen: z w i c k e l f ö r m i g e r U m r i ß (Taf. I, 13 und Abb. 51, erste F o r m ) ; es kann ferner mit der W a n g e einen rechten Winkel bilden: r e c h t w i n k e l i g e r U m r i ß (Taf. I, 14 und Abb. 51, zweite Form). Der Umriß kann gegen die W a n g e zu abgerundet sein, d. h. erst abwärtsgehend, dann gegen die W a n g e hin wieder aufwärts-

Abb. 51.

steigend ; wenn das abgerundete Ohrläppchen noch teilweise mit der W a n g e verschmolzen ist, bezeichnen wir es b o g e n f ö r m i g (Taf. I, 15 und Abb. 51, dritte F o r m ) ; wenn der untere Rand des Läppchens noch tiefer hinabsteigt und von der W a n g e durch einen freien Zwischenraum ganz getrennt ist, so wird dieses als f r e i h ä n g e n d oder g o l f f ö r m i g (Taf. I, 16 und Abb. 51, vierte Form) bezeichnet. Wir haben beim Ohrläppchen vier Umrißfornien zu unterscheiden: zwickeiförmig (V), rechtwinkelig (L), bogenförmig (u) und freihängend oder golfförmig (fh). b) A n w u c h s d e s O h r l ä p p c h e n s an die W a n g e . Dieser kann sein: v e r s c h m o l z e n (Taf. I, 17), wenn die das Ohrläppchen bedeckende Haut sich mit der H a u t der W a n g e furchenund faltenlos verschmilzt, wenn mit anderen W o r t e n der Verbindungspunkt von W a n g e und Ohrläppchen nicht mehr zu unterscheiden ist. W e n n das Ohrläppchen teilweise von der W a n g e getrennt ist, d. h . wenn zwischen Ohrläppchen und W a n g e eine kurze Furche sichtbar ist, bezeichnen wir diese Form h a l b g e t r e n n t (Taf. I, 18). W e n n das Ohrläppchen von der W a n g e vollständig durch eine Hautfnrche getrennt ist, so ist diese Form mit g e t r e n n t zu bezeichnen (Taf. I, 19). Endlich

32

I. Die Personenbeschreibung

kann das Ohrläppchen vollständig von der W a n g e losgelöst s e i n ; in diesem Falle wird es als i s o l i e r t bezeichnet (Taf. I, 20). Zwischen vollständiger Verschmelzung und Isolierung h a b e n wir demnach vier Arten seines Anwuchses zu unterscheiden: verschmolzen (vsm), halbgetrennt (ht), getrennt (gt) und isoliert (is). c) G e s t a l t d e s O h r l ä p p c h e n s . Die Oberfläche des Ohrläppchens kann d u r c h f u r c h t sein (Taf. I, 21). In diesem Falle endet die hintere Längsfurche nicht an der Grenze der hinteren Ohrleiste, sondern durchquert die ganze Oberfläche des Ohrläppchens. W e n n sich die hintere Längsfurche ungefähr bis in die Mitte des Ohrläppchens fortsetzt, bezeichnen wir diese Form h a l b d u r c h f u r c h t (Taf. I, 22). Zeigt das Ohrläppchen keine Spur einer Vertiefung, so nennen wir es g l a t t oder e b e n (Taf. I, 23). Springt das glatte Ohrläppchen etwas nach vorn (außen), so bezeichnen wir es als v o r r a g e n d (Taf. I, 24). Die vierstufige Einteilung der hier besprochenen Formen ist also: durchfurcht (df), halbdurchfurcht (hdf), glatt oder eben (eb) lind vorragend (vr). d) D i e G r ö ß e ( H ö h e ) d e s O h r l ä p p c h e n s . Die G r ö ß e des Ohrläppchens, bestimmt nach der H ö h e vom oberen bis zum unteren Rande des Ohrläppchens, kann sein: k l e i n (Taf. II, 25), m i t t e l (Taf. II, 26) und g r o ß (Taf. II, 27). 3. Der

Antitragus.

Der Antitragus ist ein knorpeliger, mit Haut überzogener Teil des Ohres, der gerade über dem Ohrläppchen liegt. Er zeigt gewöhnlich einen leichten Vorsprung, der aber auch ganz fehlen kann. Der Antitragus ist f ü r unsere Zwecke nach folgenden Eigenschaften zu untersuchen: a) N e i g u n g ; b) Profil; c) A u s b i e g u n g ; d) G r ö ß e ; e) Besonderheiten. a) D i e N e i g u n g d e s A n t i t r a g u s . Um diese abzuschätzen, hat man seine Grundlinie ohne Rücksicht aut den Vorsprung des Antitragus zu b e a c h t e n ; seine Richtung schwankt zwischen horizontal und schräg bis zu einem Winkel von 45°. Ein Antitragus, der sogar leicht gegen den T r a g u s ansteigt, statt abwärts zu verlaufen, kommt zuweilen auch vor; wir bezeichnen diese Form durch Unterstreichung des W o r t e s horizontal. Die vier Richtungen des Antitragus unterscheiden wir, wie folgt: horizontal o d e r wagrecht (=s) (Taf. II, 28), horizontal oder

Tafel I.

T a f e l III.

Die Hauptmerkmale des Kopfes

33

wagrecht (—) (Taf. II, 29), mittel (m) (Taf. II, 30) und schräg (Taf. II, 31). b) D a s P r o f i l d e s A n t i t r a g u s . W e n n man das Profil des Antitragus prüft, drückt man das O h r etwas gegen den Kopf der P e r s o n ; dadurch tritt der äußere Rand des Antitragus besser in Erscheinung, und wir finden so ein Profil, das bei verschiedenen Personen zwischen k o n k a v (ausgehöhlt) und k o n v e x (vorspringend) schwankt. Der k o n k a v e oder ausgehöhlte Antitragus bildet gegen das Ohrläppchen zu eine halbkreisförmige Kurve, eine seltene Form (Taf. II, 32). Der g e r a d l i n i g e Antitragus (Taf. II, 33) ist meistens mit einer horizontalen Richtung verbunden; doch findet man auch geradlinige, schräg verlaufende Profillinien des Antitragus. Die als m i t t e l zu bezeichnende Richtung des Antitragus zeigt einen leichten Vorsprung des Profils und wird dadurch etwas wellig (Taf. II, 34). Endlich ist noch der v o r s p r i n g e n d e Antitragus zu erwähnen, nach dem starken Vorsprung seines Profils so genannt (Taf. II, 35). Das Profil des Antitragus wird also a b g e s t u f t : k o n k a v oder a u s g e h ö h l t (ah), g e r a d l i n i g (gl), m i t t e l (m) und v o r s p r i n g e n d (vs). c) D i e A u s b i e g u n g d e s A n t i t r a g u s . Der äußere (freie) Rand des Antitragus ist sehr oft nach vorn gewendet, d. h. von der Ohrmuschel nach außen. Ist dies in starkem Grade der Fall, dann wählen wir die Bezeichnung ausgebogen (Taf. II, 36), wenn nur in leichtem Grade m i t t e l (Taf. II, 37). Ist überhaupt keine Ausbiegung vorhanden, sondern verläuft der äußere Rand in gerader Linie oder ragt er sogar leicht in die Ohrmuschel hinein, so bezeichnen wir diese Form mit g e r a d e (Taf. II, 38). Wir erhalten hier somit eine dreistufige Einteilung: a u s oder u m g e b o g e n (ug), m i t t e l (m) und g e r a d e (ge). d) D i e G r ö ß e d e s A n t i t r a g u s kann sein: k l e i n (Taf. II, 39), m i t t e l (Taf. II, 40) und g r o ß (Taf. II, 41) und richtet sich nach d e r Kürze oder Länge der unter „ N e i g u n g " erwähnten Linie.

(V

A n m e r k u n g : Der Tragus wird nur hinsichtlich seiner Besonderheiten beschrieben ; s. weiter unten. 4. Die G e g e n l e i s t e oder Falte.

Die Gegenleiste oder Falte zerfällt in zwei Teile, die untere und die obere Falte. a) D i e u n t e r e F a l t e . Dieser Teil der Gegenleiste wird nur hinsichtlich seines größeren oder geringeren Vorsprunges S c h n e i c k e r t , Signalementslehre.

3

34

I. Die Personenbeschreibung

betrachtet; man bezeichnet diesen Teil als v o r r a g e n d , v o r g e w ö l b t oder k o n v e x (vr), (Taf. II, 42 und Abb. 52c), w e n n er über den äußeren Rand der Ohrleiste hervorragt, 1 ) als m i t t e l , w e n n er mit dem äußeren O h r r a n d auf gleicher H ö h e liegt (Taf. II, 43 und Abb. 52b), und als z u r ü c k w e i c h e n d o d e r k o n k a v , wenn er von dem äußeren Ohrrand überragt wird (Taf. II, 44 und Abb. 52 a). Diese Formen werden am besten durch wagrechte Anlegung eines kleinen Lineals über T r a g u s und Ohrleiste geprüft. b) D i e o b e r e F a l t e . In ihrem o b e r e n Teile wird die Falte o d e r G e g e n l e i s t e mit 0 ( = fehlend) b e z e i c h n e t (Taf. II, 45), wenn sie g a r nicht, als m i t t e l (Taf. II, 46), wenn sie n u r w e n i g , und als h e r v o r t r e t e n d o d e r . ; v o r r a g e n d (vr) (Taf. II, 47), wenn sie stark hervortritt und den ä u ß e r e n O h r ^ V rand überragt. i . n, i , , c . * » Hierzu ist noch zu b e m e r k e n , daß * sich d e r B e a m t e hintei die zu beAbb. 52. s c h r e i b e n d e P e r s o n stellen muß, um die einzelnen F o r m e n der Falte o d e r G e g e n l e i s t e feststellen zu k ö n n e n , w ä h r e n d die s o n s t i g e B e s c h r e i b u n g des O h r e s von d e r Seite a u s g e s c h e h e n muß.

V t

'

82

I. Die Personenbeschreibung

ständig beseitigt. Er nimmt auf schmerzlosem Wege, nach örtlicher Betäubung der betreffenden Stelle, vor dem O h r auf beiden Seiten des Gesichts einen Hautstreifen heraus, zieht den unteren N a r b e n r a n d bis zu dem oberen in die H ö h e und vernäht dann die Operationswunde. Die H ä n g e w a n g e verschwindet auf diese Weise vollständig und das Gesicht erhält, verglichen mit dem Zustande vor der Operation ein überraschend jugendliches Aussehen. Das Vernähen der W u n d e geschieht mit Hilfe sterilisierter Roßhaare, wodurch die Narbe nach der Verheilung fast unsichtbar wird. 1 ) In Amerika gibt es viele Ärzte, die solche Operationen für teures Geld vornehmen; z. B. wird ein durch gestörte Nerven und Muskeln gebildetes Hautzäpfchen aus dem Gesicht herausgeschnitten und die W u n d e sorgfältig vernäht; die Nerven und Muskeln haben sich wieder zusammengeschlossen und sind neu gespannt. Hängende Backen, Doppelkinn und der scharfe Zug um die Mundwinkel werden durch straffere Spannung verwischt und verschwinden. Bleichen Frauen werden die W a n g e n rötlich tätowiert, wodurch ein frischer rosiger Teint vorgetäuscht wird. Andere lassen sich die Augenbrauen und Lidränder tätowieren, die n u r aus allernächster Nähe von natürlichen zu unterscheiden sind. Durch Öleinspritzungen unter die Epidermis wurden Falten und Runzeln schnell beseitigt und ein jugendliches Aussehen hervorgerufen. Ebenso werden Tränensäcke und Falten um die Äugen beseitigt, ein kleiner Schnitt spannt die Muskeln neu an, die Epidermis wird abgenommen und so die dunkle F ä r b u n g der Haut unter den Augen beseitigt. Mit Säuren oder durch einen geschickten Schnitt wird das „ G r ü b c h e n " geformt. An Nasenkorrekturen und - U m f o r m u n g e n wird Unglaubliches geleistet; dagegen wagen sich die Ärzte an eine U m f o r m u n g der Lippen nur selten, da sie besonders schwierig ist und nicht immer nach Wunsch ausfällt. Ebenso werden nur selten die Ohren korrigiert, während die E n t f e r n u n g von Fettknoten, die sich g e r n e in der durch die Ohrleiste und Falte (Gegenleiste) gebildeten Vertiefung unter der Haut ansetzen, nur eine einfache Operation erfordert. Solche Operationen haben neben kosmetischen auch wertvolle Heilerfolge zu verzeichnen, werden sicher aber auch in den Dienst der Verbrecher gestellt werden. So z. B. wurden mit g u t e m Erfolg künstliche Geschwülste erzeugt, um Rekruten vom Militärdienst zu befreien. Diese Operationen bestanden in der Einspritzung von Paraffin, das warm unter die Haut eingeführt wurde und bei Körpertemperatur zu einer festen Masse erstarrte. So gut sich damit Höhlen ausfüllen lassen, lassen sich damit auch künstliche Geschwülste erzeugen, die wirklichen Geschwülsten täu') Ein englischer Stabsarzt (Dr. Gillies) hat die durch Schußwunden und Verbrennungen stark entstellten Gesichter der Soldaten künstlich erneuert; von 10000 Tüllen mußten nur 15 Fälle als unheilbar aufgegeben werden.

Veränderungen des Aussehens

83

sehend ähnlich sind. In einem Falle war ein tuberkulöses Lymphom sehr täuschend nachgemacht; in einem andern dagegen war das benützte Präparat von zu niedrigem Schmelzpunkt. Infolgedessen ließ sich die Geschwulst unter der Haut noch kneten. Ein andermal w a r das Paraffin an einer Stelle eingespritzt worden, wo Geschwülste dieser Art niemals vorzukommen pflegen. Immerhin ist die T ä u s c h u n g bei sehr geschickter Anbringung möglich und wird unter die mancherlei den Militärärzten bekannten T ä u s c h u n g s m a n ö v e r einzureihen sein. F ü r einen bewanderten Chirurgen sind übrigens die falschen Geschwülste von den echten ziemlich leicht zu unterscheiden. Gelegentlich kamen f r ü h e r auch Selbstverstümmelungen vor, um sich dem Militär- oder Kriegsdienst zu entziehen. Nach einem von dem Wiener Arzt Dr. J. P a s c h k i s erfundenen T ä t o w i e r u n g s v e r f a h r e n können auffallende Merkmale der Haut, wie Muttermale, Leberflecken, selbst Narben und Warzen entfernt werden, wie G r o ß in seinem Handbuch für Untersuchungsrichter im 7. Abschnitt des ersten Bandes über „ G a u n e r p r a k t i k e n " angibt. Dort werden noch weitere wertvolle Fingerzeige f ü r die Erkennung der Verstellungskünste flüchtiger Verbrecher gegeben und betont, daß der Neuling im Verbrechen zuerst die T a t begeht und dann sich unkenntlich macht, während der gewiegte Verbrecher sich zuerst unkenntlich macht und dann das Verbrechen begeht. Beliebt ist die Unkenntlichmachung durch falsche- Bart- und Kopfhaare (Perücken), farbige Augengläser, 1 ) Kleiderwechsel (insbesondere auch T r a g e n einer Gesichtsmaske und von Trikots beim Hotelraub u. dgl.), durch Färben der Haare, des Teints, 2 ) der Zähne (schwarz g e f ä r b t e Zähne erscheinen als Zahnlücken!), V e r ä n d e r u n g des Nasenrückens durch Wachs- und Kautschukmassen usw. Aber auch die Stimme, G a n g , H a l t u n g , Körpergröße, Gesten werden verstellt, und selbst auffallende Kennzeichen, wie Hinken, steifer oder fehlender Arm, verkrüppelte Hand, Narben, Warzen und Muttermäler werden vorgetäuscht. 3 ) In Frankreich ist die Herstellung von V e r k r ü p p e l u n g e n ein weitverbreiteter Bettlertrick. Das Rezept f ü r den „ E i n a r m " ist f o l g e n d e s : Ein künstlicher Armstumpf wird mit zwei Schnallen an der Schulter befestigt, der richtige Arm eng an den Leib g e s c h n ü r t und eine weite Bluse darüber') Selbst F ä r b u n g d e r I r i s durch Gebrauch von pupillenerweiternden Gilten, namentlich Atropin, ist schon versucht worden. •) Durch Fettschminken wird ein brünetter, unreiner Teint rosig gefärbt; brünetter Teint wird mit einer Lösung von hypermangansaurera Kali oder mit Jodtinktur erzeugt. «) Beliebt ist auch die Ausführung von Straftaten, namentlich von betrügerischen, in bestimmter Maske (Berufskleidung, wie Briefträger, pepeschenbote, Gepäckträger, Revisoren usw.). Daher ist es in manchen Fällen zweckmäßig, wenn sich der Kriminalbeamte dem Verbrecher mit gleichen Schlichen zu nähern sucht. V

84

I. Die Personenbeschreibung

gezogen, worauf sogleich das rührende Bild dasteht mit dem Aushängeschild: „Unglücklicher Arbeiter, Vater von f ü n t Kindern, dessen Arm vor fünf Jahren von einem Maschinenrad zermalmt w o r d e n ist." Ein Bild des J a m m e r s bietet der s p a n i s c h e O i c h t b r ü c h i g e : Eine lange Bluse reicht ihm bis zu den Füßen, die Beine sind gekrümmt und eingezogen, die A r m e hängen schlaff und starr herab; die Augen halb geschlossen, den Mund mit einem schweren Stöhnen g e ö f f n e t , so lehnt das „ E i n b e i n " auf seinen beiden Krücken, ein b e j a m m e r n s w e r t e r Anblick. Der Krüppel ohne Beine wird leicht dadurch hergestellt, daß die Beine in einem kleinen W a g e n verschränkt zusammengelegt und mit einem Tuche verhüllt werden. Der von Schwären bedeckte „arme Lazarus" sitzt auf der Erde, die Beine mit weißen Tüchern verbunden, die schmutzig und feucht sind, wie von Eiter und Blut. Dabei sind die Beine unter dem Verband natürlich ganz gesund. Ein kränkliches Aussehen wird durch künstlich erzeugte Blässe, langsamen und gebeugten Gang, Hüsteln, Nervenzucken usw. simuliert. 1 ) Als besonderer Verkleidungstrick ist hier noch die „ k ü n s t l i c h e D i e b e s h a n d " zu erwähnen, ein — namentlich iji Amerika — beliebtes Täuschungsmittel der Warenhausdiebinnen. 8 ) Leicht kann es vorkommen, daß solche gefälschte oder simulierte Kennzeichen eines Täters in dessen Steckbrief übernommen werden. Sie richtig einzuschätzen und beim Zusammentreffen mit einem so entstellten Menschen nicht getäuscht zu werden, setzt, wie auch G r o ß mit Recht hervorhebt, eine Schulung in der Signalementslehre voraus. Die T ä t o w i e r u n g e n haben vom Gesichtspunkte der Identifizierung den Nachteil, daß sie leicht durch andere Tätowierungen ü b e r d e c k t oder selbst ganz a u s g e l ö s c h t werden können. W a r bei der T ä t o w i e r u n g ein leicht vergänglicher Farbstoff angewendet oder das Einstechen des Farbstoffes nur oberflächlich gemacht, dann können die Abbildungen von selbst verschwinden; sie können aber auch durch W e g ä t z e n mit Säuren zum Verschwinden gebracht werden. *i Sind die T ä t o w i e r u n g e n von selbst verschwunden, so lassen sich mit einer guten Lupe meistens noch die punktartigen Narben feststellen, die auch beim Einreiben mit Ruß oder Tinte oft wieder zum Vorschein gebracht werden können. Daß eine T ä t o w i e r u n g von einer anderen nachträglich überdeckt „worden ist, erkennt man gewöhnlich an der dunkleren ') Über Simulation von Krankheiten und Leiden vgl. Prol. G r o ß a . a . O . ') Aber auch Taschendiebe haben schon ähnliche Tricks angewendet. 8 ) G r o ß gibt in seinem Handbuch für Untersuchungsrichter im 5. Abschnitt des 1. Bandes einige Methoden hierzu an.

Veränderungen des Aussehens

85

Farbe und an den dickeren und zuweilen überflüssigen Linien. Oft ist auch die erste Inschrift zum Teil hoch lesbar. Ist die erste T ä t o w i e r u n g nicht mehr zu erkennen, so kann man bei der Beschreibung s a g e n : „Sehr dunkle Tätowierung, wahrscheinlich eine Oberdeckung, darstellend. . D a s gewaltsame Auslöschen (Wegätzen) einer T ä t o w i e r u n g hinterläßt regelmäßig an der betreffenden Hautstelle eine Narbe, die mit der beseitigten Zeichnung in ihrer Ausdehnung noch ziemlich übereinstimmt und einer alten Brandnarbe ähnlich sieht. 1 ) Für die Beschreibung sind solche Narben, wenn ihr Ursprung sicher erkannt wird, als „ T ä t o w i e r u n g s n a r b e n " aufzuführen oder als „Brandnarbe, wahrscheinlich beseitigte T ä t o w i e r u n g " zu bezeichnen, selbstverständlich unter Benennung etwa noch vorhandener erkennbarer Inschriften oder Bildteile. Ober Vorkommen, Bedeutung und Bildvariationen gibt die kriminalistische Literatur des In- und Auslandes ausreichend Aufklärung. Man vergleiche auch die Ausführungen und Zitate bei G r o ß a. a. O . Wenn wir an diese zahlreichen Entstellungsmöglichkeiten denken, müssen wir erst recht an der Zuverlässigkeit der von Zeugen gemachten Signalementsangaben zweifeln; man hat diese also nur mit g r o ß e r Vorsicht und Überlegung entgegenzunehmen und sich dabei zu vergegenwärtigen, was am Signalement schwer oder gar nicht zu verändern ist, wie sehr kleine Gestalt, Ohrformen, Farbe der Augen usw. In zweifelhaften Fällen von Simulation werden Fachleute wie Ärzte, Zahnärzte, Bandagisten, Orthopäden und Friseure manche Aufklärung geben können. ') Von einem weitgereisten Schiffsoffizier habe ich erfahren, daß in ausländischen Häfen, vor allem in Honkong, oft solche Menschen mit starken Narben auf dem Handrücken zu sehen sind, welche von der Entfernung der in S i a m erhaltenen polizeilichen Tätowierung, einer „Pagode" zum Zeichen der Verbannung (des ausländischen Verbrechers), zurückgeblieben ist. Dort herrscht demnach noch der Brauch der Brandinarkung.

86

II. Die Handhabung de« Signalements in der Praxis

Zweiter

Teil.

Die Handhabung des Signalements in der Praxis. A. Die Herstellung des S i g n a l e m e n t s

im

Dienst.

Zur Zeit der Anwendung der Anthropométrie hatte des Signalement (das portrait parlé) eine andere Bedeutung als heute. Jedenfalls war die Beschreibung der Person ein ganz wesentlicher Bestandteil der Bertillonschen Meßkarte. Oleichwohl hat die Signalementslehre ihre Bedeutung für die Ausbildung des Polizei- und insbesondere Erkennungsdienstbeamten auch heute noch nicht verloren, denn dieser muß einmal die auffallenden Merkmale richtig erkennen, benennen und nötigenfalls auch aufzeichnen können, so vor allem die besonderen Kennzeichen, da diese ihren Wert für die Wiedererkennung eines Menschen, der z. B. flüchtig ist und steckbrieflich verfolgt wird, niemals verlieren können. Denn zur Wiedererkennung eines Verbrechers in der Freiheit können wiederum seine Fingerabdrücke nichts n ü t z e n . D a kommt es hauptsächlich auf eine genaue Beschreibung der Gestalt und der einzelnen Merkmale der Bestandteile des Kopfes an. Aber auch zur erfolgreichen Anwendung der Bildervergleichung wie sie im Erkennungsdienst fast täglich erfordert wird, sind die Kenntnisse der Signalementslehre unentbehrlich. Da das Fingerabdruckverfahren in Verbindung mit dem Personenbildnis heute das hauptsächlichste Hilfsmittel des modernen Erkennungsdienstes darstellt, braucht die Beschreibung insoweit nicht mehr ausführlich zu sein, als die Vorder- und Seitenansicht des daktyloskopierten und photographierten Menschen die einzelnen Merkmale der Bestandteile des Kopfes genügend erkennen lassen. Soweit das nicht der Fall ist, tritt dte Beschreibung, namentlich aber der besonderen Kennzeichen ergänzend hinzu: bei den Fingerabdruckbogen, die für die Reichsmeßzentrale in Berlin bestimmt sind, wird diese Beschreibung auf der Rückseite des Bogens verlangt und ist in den mit Vordruck versehenen Raum aufzunehmen. Die Vordrucke der Personenbeschreibung der früheren Meßkarten enthielten die von Bertillon international ëingefûhrten Abl ) Bei Anwendung des F e r n i d e n t i ! i 2 i e r u n g s v e r l a h r e n s auch die Fingerabdrucke in diesen Fällen herangezogen werden.

sollen aber

Die Herstellung des Signalements im Dienst

87

kürzungen, wie auch die Eintragungen nur in abgekürzter Form erfolgten. Das w a r schon wegen der größtmöglichen Raumersparnis nötig. Später ist man aber wieder davon abgekommen, einmal, weil die Meßkarten aus der dienstlichen V e r w e n d u n g gezogen wurden (in Berlin im Jahre 1914), sodann, weil die zahlreichen in der Signalementslehre nicht ausgebildeten Beamten diese Abkürzungen nicht verstanden und diese daher ein gewisses Hindernis bildeten. N u r die Beschreibung der „besonderen Kennzeichen" wird heute noch in Abkürzungen ausgeführt, um Raum zu ersparen, d. h. auf einen kleinen Raum möglichst viele derartige Kennzeichen (z. B. die Beschreibung von Tätowierungen) notieren zu können. Manche Abkürzungen in Zeichenform haben sich im internationalen Polizeiverkehr eingebürgert und behalten somit erst recht ihre Allgemeinbedeutung. Bei der Beschreibung wird zunächst die Augenklasse festgestellt, sodann die Gesichtsfarbe und die Beschreibung der Kopf- und Barthaare angeschlossen. Hierauf geht man zu der eigentlichen Gestaltsbeschreibung über und beginnt mit der Stirn, dann folgt die Beschreibung der Augen und ihrer Umgebung, die Beschreibung der Nase, des rechten O h r s ; dann kommen die Lippen, der Mund, das Kinn, der Hals, die Schultern, der Körperumfang, schließlich die besonderen Kennzeichen in der Rubrik „ B e m e r k u n g e n " , wo auch Auffälliges von den Gewohnheiter! oder der Kleidung des Menschen zu notieren wäre.

88

II. Die Handhabung des Signalements in der Praxis

a) V e r z e i c h n i s

der

Abkürzungen,

nach

Merkmalen

geordnet. Die Stirn (== S).

Agb I s e n k r e c h t , vertikal vert o d e r | ng j v o r s t e h e n d , v o r s p r i n g e n d vs Hh \ S i n u s , S t i r n b o g e n . . . Sin Br Stirnhöcker Sh \

Augenbogen Neigung Höhe Breite schräg

Die Nase ( = Nasenwurzel Nw Nasenflügel Nf Nasenloch Nl Nasenscheidewand. . . Nsch Wurzeltiefe . . . . . Wrzt Rücken rk Grundlinie ( o d . B a s i s ) gdloA.bas Vorsprung Fs eingebogen (

Lst A ü H Oe of f« Ol

. . .

. . . . . .

• •

.

. .

V 1 ht fh bh drchl

gl )

geradlinig gebogen winklig g e b o g e n

. . .

wellig, w e l l e n f ö r m i g . . wl aufwärts afw abwärts abw w a g r e c h t , horizontal hör od. — höckerig hög

Das Ohr ( = Leiste Anfangsteil . . Obere Ohrleiste. Hintere Ohrleiste Öffnung offen geschlossen . . Ohrläppchen . . Umriß zwickeiförmig . rechtwinklig . . halbgetrennt . . freihängend . . behaart durchlocht... durchrissen . .

N).

Or).

viereckig . . . . • anw(ans) Anwuchs (Ansatz) vsrn verschmolzen . . isoliert durchfurcht, gefurcht df eb eben flach f trag Tragus Antitragus . . . . Profil Pf ah ausgehöhlt.... ge gerade vorspringend . . . . Ölst Gegenleiste . . vg vorgewölbt . . . ov oval

Die Herstellung des Signalements im Dienst

89

rund rd \ Ohrmuschel Om Abstehen des Ohres abst(d.Or) Falte Fl weit wt Darwinscher Knoten . . DK unten oder oben eng an„ Vorsprung. DVs liegend . . u oder o anlig Darwinsche Erweiterung DErw Das Auge ( = Augapfel Aa tiefliegend tflyd nach innen oder außen schielend . . i oder a schil Iris IiAbweichende Färbung d. rechten Iris z. B. Ir r aw Augenlid 8 ) AI unbehaart ubh Augenschlitz, -Öffnung . Oe Gestalt d. Oberlides gest.d.o.Al.

Pigmentfarben: pigmentlos oder blau . ( I ) ') gelb, gelblich . . . gb (II) rotgelb rtgb (III) nußbraun . . . . nbn (IV) kastanienbraun . . kbn (V) schwarzbraun . . szbn (VI) dunkel dl hell hl Augenzwischenraum . . Azwr Augenwinkel Aw Augenhöhle Ah

Augenbrauen ( = niedrig . . . hoch 9chräg aufwärts . abwärts bürstenförmig pinselförmig .

nd hh \ afw \ abw bürst

. .

Olp Vip



df sm

Ab).

eng beisammen . . . zusammengewachsen. weit g e t r e n n t . . . . stark b e h a a r t . . . . sehr dünn

Die Lippen") ( = Oberlippe Unterlippe Hasenscharte.... F u r c h e , durchfurcht . schmal

A).

eg zgw wt bh iTn

ILp).

dünn . . . . dick . . . . herabhängend aufgeworfen

Zahl der Augenklasse. Augenlid bedeckt, unbedeckt. •) Wenn die Besonderheiten der Lippen, des Mundes und Kinnes wegen eines vorhandenen Bartes nicht festgestellt werden können, wird dies vermerkt: „durch B a r t verdeckt".

") AI bdk, ubdk =

90

II. Die Handhabung des Signalements in der Praxis

Der Mund ( = offen zusammengekniffen Mundwinkel aufwärts g e b o g e n .

.

.

.

of zgk Mio Mw_p

M).

abwärts g e b o g e n . . Oberzähne unbedeckt Oberzähne vorstehend Unterzähne

ift«-^ Obzubdk Obz v* Ott

Das Kinn flach vorgewölbt . . zurückweichend vorspringend . . Grübchen . . .

. . . . . .

/ vg

. . .

Grb

zkw oder

/

Doppelkinn . . spitz abgeplattet . . . Querfalte Senkrechte Furche

. .

.

Dpk sp pl • if— • df\

Der Kopf ( = K p f ) . Prognathisch pro orthognathisch . . . . ort z u r ü c k w e i c h e n d . . zkw od. /

halbmondförmig.

. .

hmdf,)

pyramidenförmig

. .

.pyram

rund viereckig rechteckig

rd o d e r Q • rek

kreiseiförmig rautenförmig biconcav Spitzkopf . Tartarenkopf schiffskielförmig flacher Hinterkopf vorgewölbter „

Das Gesicht ( = Pigment Blutmenge krank blass gebräunt picklig Pockennarben . . . . Sommersprossen . . . Backenknochen weitgetrennt B a c k e n k n o c h e n e n g zusammen

IHgm llltm kk bl gbrä pik Pk Ssp Bk wt Bk eg

. . .

b

. . . .

•) Unsymmetrisches G =

us.

I vg

G).

hohles Gesicht (eingehol fallene B a c k e n ) 1 ) K i n n l a d e n ( K i e f e r ) weit getrennt . . . . Kl ( K i f j wt Kinnladen ( K i e f e r ) e n g Kl eg zusammen . . Unterkiefer . . . L'kf Gesichtsprofil . . Opf Stirn-Nasenprofil tjn Nasen-.Mundprofil . nlm S;hl Schläfe J xhb Jochbein . . . .

Haare und Bart. blond braun schwarz

kreial mut bic sp lurt hü

rot . grau weiß

91

Die Herstellung de9 S i g n a l e m e n t s im Dienst

weich steif struppig glatt wellig gepflegt Glatze Backenbart Kinnbart . Knebelbart. Vollbart Schnurrbart

. .

. . .

. . .

. . .

.

.

.

.

.

»f st

. . . . . . .

• . . . . . .

gf Ol Bb Kb Ebb VI, Sb

Spitzbart Spb Fliege (Mücke) . . . Fli Kotelettenbart . . . Kot Ohrenbart Orb Schnurrbart aufwärts Sb afw Schnurrbart kurz g e s c h n . Sb kz Amerikanischer B a c k e n Am bart österreichischer Backen bart Ost Russischer B a c k e n b a r t Rus Per Perücke

Der Hals ( = kurz lang

Hs).

kz | Kehlkopf v o r s p r i n g e n d . l | Kropf

Kkvs Krpf

Besondere Kennzeichen: Narbe ( = n), Muttermal ( = Mm), Form: geradlinig . wellig. . . kreisrund oval . . . kreuzförmig dreieckig viereckig . winkelig. . b) Abkürzung

A a An Ab

gl . wl rd od. O . . ov .

• • • • •



Alphabetisches

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