Sicherungsinstrumente beim Grundstückserwerb: Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Rechte an Grundstücken, der Grundstücksregister und des Grunderwerbsverfahrens in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika 9783161540639, 9783161540424

Welche Instrumente stellen die deutsche und US-amerikanische Rechtsordnung und Praxis zur reibungslosen Übertragung von

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Sicherungsinstrumente beim Grundstückserwerb: Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Rechte an Grundstücken, der Grundstücksregister und des Grunderwerbsverfahrens in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika
 9783161540639, 9783161540424

Table of contents :
Cover
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Kapitel 1: Einleitung
A. Einführung in die Thematik
I. Fragestellung und Bedeutung des Grundstücksrechts
II. Das Grundstücksrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen
B. Forschungsstand
C. Methoden
I. Funktionaler Rechtsvergleich
II. Die Vereinigten Staaten als inhomogene Rechtsordnung
III. Englische Rechtsbegriffe
D. Gang der Untersuchung
Kapitel 2: Grundlagen
A. Allgemeine Prinzipien
I. Das angloamerikanische Common Law
1. Rechtsquellen der angloamerikanischen Rechtsordnung
a) Fallrecht und Gesetze – Case Law und statutes
b) Systematisierung des Fallrechts
c) Rechtsvereinheitlichung durch Modellgesetze
2. Billigkeitsrecht – Equity
3. Gerichtsorganisation
4. Besonderheiten des Zivilprozesses
5. Der Erfüllungsanspruch und die ökonomische Betrachtungsweise
II. Grundlagen des Sachenrechts
1. Trennung und Verhältnis von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft
2. Publizitätsakt – Traditions- und Konsensprinzip bzw. Grundbuch- und Privatsystem
B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung eines Abschnittes der Erdoberfläche
I. Deutschland – Das Grundstück im Rechtssinne
1. Aufbau des Liegenschaftskatasters
2. Verknüpfung der Register
3. Grundstücksbegriff
4. Geometrische Veränderungen des Grundstücks – Teilung und Vereinigung
II. Vereinigten Staaten – Private Grundstücksbeschreibung
1. Formen der Grundstücksbeschreibung
a) Grenzbeschreibung – Metes and bounds
b) Öffentliche Landvermessung – Government survey
c) Registrierte Grundstücksbeschreibung – Recorded plat
d) Zentrales Geoinformationssystem
2. Übertragung von Grundstücksteilen
III. Rechtsvergleichende Betrachtung
C. Rechte an Grundstücken
I. Grundstücksrechte in Deutschland
1. Eigentum
2. Grundstücksgleiche Rechte
3. Beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken
a) Nutzungsrechte
b) Sicherungs- und Verwertungsrechte
c) Erwerbsrechte
d) Altrechtliche Dienstbarkeiten
4. Rang der Grundstücksrechte
5. Personenmehrheiten als Rechtsinhaber
6. Zusammenfassung
II. Angloamerikanische Grundstücksrechte
1. Ursprung der Grundstücksrechte
2. Die Bundesstaaten als Normgeber im Grundstücksrecht
3. Das Eigentumsrecht – Property, the bundle of rights
4. Gegenwärtige Eigentumsrechte – Present interests
a) Dauerhafte Eigentumsrechte – Freehold estates
aa) Das Volleigentum – Fee simple absolute
bb) Fee tail
cc) Bedingte Eigentumsrechte – Defeasible estates
b) Vorübergehende Eigentumsrechte – Nonfreehold estates
aa) Rechte am Grundstück auf Lebenszeit – Life estate
bb) Leasehold estate als vorübergehendes dingliches Recht
5. Potentielle Eigentumsrechte – Future interests
a) Future interest des Übertragenden
b) Future interest eines Begünstigten bzw. Empfängers
c) Rule against perpetuities
6. Sondereigentum an Gebäudeteilen – Condominium
7. Weitere Grundstücksrechte
a) Nutzungsrechte – Servitudes
b) Sicherungs- und Verwertungsrechte – Lien
aa) Mortgage
(a) Grundlagen
(b) Rechtsnatur
(c) Die equitable mortgage und der mortgage- Ersatz (mortgage substitute)
(d) Sicherungsübereignung – Deed of trust
bb) Gesetzliche Grundpfandrechte
c) Erwerbsrechte – Preemption und option
d) Dinglicher Rechtserwerb durch Abschluss des Kaufvertrags – Equitable estates
8. Konkurrenz verschiedener Grundstücksrechte – Prioritäten
9. Verschmelzung von Rechten an einem Grundstück – Merger of estates
10. Personenmehrheiten als Eigentümer – Cotenancy
a) Joint tenancy
b) Tenancy in common
c) Tenancy by the entirety
11. Zusammenfassung
III. Rechtsvergleichende Betrachtung
D. Registersysteme und Verfahren
I. Das deutsche Grundbuchsystem
1. Historische Entwicklung
2. Aufgabe, Funktion und Wirkung des Grundbuchs
3. Zuständigkeit und Aufbau
4. Grundbuchverfahren
a) Antrag und Eintragungsbewilligung
b) Überprüfung und Eintragung
c) Grundakten
d) Datenbankgrundbuch und elektronisches Verfahren
5. Eintragungsfähige Rechte
6. Beschränkte Öffentlichkeit des Grundbuchs
7. Zusammenfassung
II. Die angloamerikanische Urkundensammlung – Recording of land titles
1. Historische Entwicklung
2. Aufgabe, Funktion und Wirkung des Grundstücksregisters
a) Aussagekraft des Registers
b) Wirkung der Eintragung
3. Zuständigkeit
4. Aufbau und Struktur des Registers
a) Der name index
b) Der tract index
c) Parallele Register der Rechtsmängelversicherer – Title plants
d) Elektronische Registerführung
5. Registrierungsverfahren
6. Eintragungsfähige Rechte
7. Öffentlichkeit des Grundstücksregisters
8. Reformbestrebungen
9. Title registration bzw. Torrens-System
10. Zusammenfassung
III. Rechtsvergleich
Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren
A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch
I. Vertragsanbahnung
1. Erstkontakt und Vermittlung durch einen Makler
2. Vertragsverhandlung
3. Kaufpreisfinanzierung
II. Termin vor dem Notar und notarielle Beurkundung
1. Vorbereitende Tätigkeit des Notars
2. Abschluss des notariellen Kaufvertrags
3. Erklärung der Auflassung
4. Sicherung durch Vormerkung
5. Grundpfandrecht – Dingliche Sicherung der Finanzierung
III. Vollzug durch den Notar
1. Antrag auf Eintragung der Vormerkung
2. Antrag auf Eintragung des Grundpfandrechts
3. Einholung von Erklärungen, Genehmigungen sowie Mitteilungspflichten
4. Abwicklung der Eintragungen und Kaufpreiszahlung
5. Kaufpreiszahlung und Antragstellung auf Eintragung
IV. Zusammenfassung
B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung
I. Vertragsanbahnung und Vermittlung unter Mitwirkung eines Maklers
II. Der Kaufvertrag – Contract of sale
1. Vertragsinhalt
a) Pflicht zur Verschaffung eines marketable title
b) Vertragliche Regelung bei Unmöglichkeit zur Verschaffung eines marketable title
c) Finanzierungsvorbehalt
2. Vertragsgestaltung und Rechtsberatung
a) Mitwirkung von Rechtsanwälten und deren Verdrängung
b) Abschluss und Abwicklung des Grundstücksgeschäfts unter Mitwirkung eines Maklers
3. Vertragsschluss
4. Anzahlung und pauschalierter Schadensersatz
5. Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt – Der contract for deed
III. Zwischenverfahren
1. Überprüfung der sachenrechtlichen Verhältnisse
a) Title search
b) Rechtsmängelversicherung – Title insurance
2. Finanzierung des Grundstückgeschäfts
a) Finanzierungsmodalitäten
b) Sekundärer Kreditmarkt
IV. Das closing – Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung
1. Anwendbares Recht bei grenzüberschreitenden Grundstücksgeschäften
2. Zeitpunkt des closing und Verzug
3. Eigentumsübergang durch Privaturkunde
a) Ausfertigung des deed – Execution
aa) Inhaltliche Anforderungen an den deed
(a) Bezeichnung von Veräußerer und Erwerber
(b) Deed ohne Angabe eines Erwerbers
(c) Grundstücksbeschreibung
(d) Words of grant
(e) Die habendum-Klausel
(f) Sonstiger Inhalt
(g) Gesetzliche Vorlage
bb) Schriftform
cc) Identitätsbestätigung – Acknowledgment
(a) Funktion und Form
(b) Der notary public
b) Rechtsübergang durch Übergabe und Annahme – Conveyance
aa) Übergabe des deed – Delivery
bb) Annahme des deed – Acceptance
cc) Rechtsfolgen
dd) Untergang des schuldrechtlichen Anspruchs – Doctrine of merger
ee) Garantieinhalt des deed
(a) Umfangreiche Garantie durch einen warranty deed
(b) Rechtsübertragung ohne Garantie – Der quitclaim deed
(c) Rechtsnatur der conveyance – Trennungsprinzip?
4. Kaufpreiszahlung
5. Der bedingte Eigentumsübergang
a) Der bedingte deed – Der transfer of death deed
b) Bedingung der Übergabe – Delivery in escrow
6. Dingliche Sicherung des Kreditgebers – Mortgage
V. Deklaratorische Registrierung des deed
VI. Nicht rechtsgeschäftlicher Rechtserwerb
1. Rechtserwerb von Todes wegen
2. Rechtserwerb bei Bedingungseintritt oder Zeitablauf – Future estates
3. Ersitzung – Adverse possession
a) (Historische) Grundlagen
b) Voraussetzungen
c) Rechtsfolge
d) Ausgleichsansprüche des ehemaligen Eigentümers
VII. Zusammenfassung
VIII. Reformbestrebungen des Grundstücksrechts
C. Erwerb vom Nichtberechtigten
I. Der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten nach § 892 Abs. 1 BGB
II. Der bona fide purchase
1. Vermeintliche Berechtigung des „Buchinhabers“
2. Entgeltlichkeit
3. Unkenntnis und Registrierung
a) Unkenntnis (lack of notice)
b) Race statutes
c) Notice statutes
d) Race-notice statutes
4. Zusammenfassung
III. Vergleichende Betrachtung
D. Abschließende rechtsvergleichende Betrachtung
Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs
A. Risiken und Sicherungsinteressen
I. Interessen des Käufers bzw. Erwerbers
1. Beratung und Unterstützung während des Erwerbsverfahrens
2. Verbindlichkeit des Kaufvertrags
3. Schutz während der Abwicklung des Erwerbs
a) Austausch von Kaufpreis und Eigentum
b) Rechtsmängelfreiheit des Eigentums
c) Fehler innerhalb der Register
4. Weitere Interessen
5. Zusammenfassung
II. Interessen des Verkäufers bzw. Veräußerers
1. Beratung
2. Verbindlichkeit des Kaufvertrags
3. Verlust des Eigentums ohne garantierte Gegenleistung
4. Beschränkung des Haftungsrisikos
5. Zusammenfassung
III. Kreditgeber
1. Auszahlung nur gegen garantierte Sicherheit
2. Rechtsmängelfreiheit
3. Zusammenfassung
IV. Zentrale Interessen der Beteiligten
B. Erfüllung der Sicherungsinteressen
I. Beratung und Unterstützung – Notar vs. Privatautonomie
1. Beratung und Begleitung durch den deutschen Notar
a) Der deutsche Notar
aa) Ausgestaltung des Amts
bb) Neutralität
b) Zwingende Beteiligung bei Grundstücksgeschäften
c) Zweck der Mitwirkung des Notars
aa) Zweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB
bb) Zweck des § 925 Abs. 1 BGB
cc) Warum gerade ein Notar?
d) Aufgaben des Notars bei Grundstücksgeschäften
aa) Belehrung und Vertragsgestaltung – § 17 BeurkG
bb) Vollzugstätigkeit
e) Sicherung einer ordnungsgemäßen Mitwirkung – Haftung des Notars
f) Notarhaftung in Deutschland
g) Zusammenfassung
2. Unterstützung beim Grundstückserwerb durch juristische Laien
a) Zulässigkeit und Grund der Beteiligung von juristischen Laien
b) Beratung und Unterstützung durch einen Makler
aa) Typischer Interessenkonflikt und Hinweispflicht
bb) Beratungsleistung des Maklers und dessen Haftung
cc) Beratungssicherung durch attorney-approval- Klauseln
c) Beratung durch Rechtsanwälte
aa) „Vertretung“ von mehreren Parteien
bb) Beratungsleistung des Rechtsanwalts
d) Zusammenfassung
3. Rechtsvergleichende Betrachtung
II. Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags – Notarielle Form vs. Schriftform
1. Vertragliche Bindung nur durch notarielle Beurkundung
a) Notarielle Form – § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB
aa) Verfahrensrechtliche Voraussetzungen
bb) Materiell-rechtliche Mängel
cc) Rechtsfolge – Nichtigkeit, § 125 BGB
dd) Heilung durch Erfüllung
b) Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit
c) Zusammenfassung
2. Einklagbarkeit durch Schriftform
a) Schriftform – Statute of Frauds
aa) Voraussetzungen
bb) Zweck
cc) Heilung durch teilweise Erfüllung – Part performance
b) Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit
c) Zusammenfassung
3. Rechtvergleichende Betrachtung
III. Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung
1. Abwicklung unter Mitwirkung des Notars
a) Eintragung der Eigentumsvormerkung
aa) Voraussetzungen
bb) Wirkung
b) Kaufpreiszahlung
aa) Direkte Abwicklung
bb) Treuhänderische Abwicklung über ein Notaranderkonto
cc) Gegenüberstellung von direkter und indirekter Abwicklung
dd) Schutz des Verkäufers
c) Auflassung
aa) Materiell-rechtliche Lösung
bb) Beurkundungs- und verfahrensrechtliche Lösung
d) Zusammenfassung
2. „Sit-down“ und escrow closing
a) Direkter Austausch von Kaufpreis und deed – „sit-down“ closing
b) Treuhänderische Abwicklung – Escrow closing
aa) Escrow agreement und escrow agent
bb) Ablauf des escrow-Verfahrens
cc) Pflichten und Haftung des escrow agent
dd) Zusammenfassung
c) Zusammenfassenden Betrachtung von „sit-down“ und escrow closing
3. Rechtsvergleichende Betrachtung
IV. Abwicklung der Kaufpreisfinanzierung und Bestellung des Grundpfandrechts
1. Bestellung des Grundpfandrechts unter Mitwirkung des Verkäufers
2. Der Kreditgeber beim closing
3. Rechtsvergleichende Betrachtung
V. Sicherstellung der Rechtsmängelfreiheit – Grundbuch vs. title insurance
1. Rechtsmängelfreiheit durch Grundbuch und Grundbuchverfahren
a) Verlässlichkeit der Grundbucheinsicht
b) Mechanismen zur Sicherstellung der Richtigkeit des Grundbuchs
aa) Kenntnis durch Eintragungszwang
bb) Berechtigung
cc) Übereinstimmung zwischen (dinglichem) Rechtsgeschäft und Eintragungsantrag
dd) Ordnungsgemäße Eintragung
ee) Abschirmung des Grundbuchs vor Fehlern des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Geschäfts
ff) Öffentlicher Glaube und Fehlerkorrektur durch gutgläubigen Erwerb
gg) Unsicherheiten durch nicht aus dem Grundbuch ersichtliche Lasten
c) Zusammenfassung
2. Rechtsmängelfreiheit durch title search und title assurance
a) Verlässlichkeit des Registerinhalts
b) Registerbereinigung – Marketable title legislation
aa) Curative statutes
bb) Statutes of limitation und adverse possession
cc) Marketable title acts
dd) Zusammenfassung
c) Aufstellung der Rechtekette – Abstract of title
aa) Zuständiger Personenkreis
bb) Durchführung
cc) Ergebnis und Aussagekraft
dd) Haftung
d) Rechtliche Analyse – Title examination
aa) Ablauf der title examination und title opinion
bb) Umgang mit Mängeln
cc) Title opinion
dd) Haftung
ee) Schutzreichweite der title opinion
e) Rechtsmängelsicherheit durch die title insurance
aa) Entwicklung der title insurance
bb) Die Rechtsmängelversicherer
cc) Grundlagen
dd) Abschluss der title insurance
ee) Standardisierte Versicherungsverträge
(a) Das versicherte Grundstück und Grundstücksrecht
(b) Der Versicherte und die Dauer des Versicherungsschutzes
(c) Reichweite des Versicherungsschutzes
(1) Allgemeines
(2) Versicherte Rechtsmängel
(3) Sonstige abgesicherte Mängel
(4) Die Homeowner’s Policy
(5) Kreditgeber – Loan Policy
(6) Nicht abgedeckte Mängel
(d) Erweiterungen des Versicherungsschutzes – Endorsements
(e) Weitere Pflichten des Rechtsmängelversicherers
(1) Duty to search – Haftung für fehlerhafte title search
(2) Duty to defend – Pflicht zur gerichtlichen Verteidigung des versicherten Rechts
ff) Versicherungsfälle in der Praxis
gg) Finanzzahlen der Rechtsmängelversicherungsindustrie
hh) Regulierung und die staatliche Rechtsmängelversicherung von Iowa
f) Zusammenfassung
3. Rechtsvergleichende Betrachtung
a) Zuverlässigkeit des Registerinhalts
b) Vertrauen auf den Registerinhalt
c) Absicherung der Rechtsmängelfreiheit
d) Abschließende Gegenüberstellung
VI. Sachmängelfreiheit
VII. Überblick über die Kosten des Grundstückserwerbs
1. Deutschland
2. Vereinigte Staaten
3. Zusammenfassung
C. Vergleich der Erfüllung der Sicherungsinteressen
I. Beratung durch Notar und Makler
II. Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags
III. Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung
IV. Rechtsmängelfreiheit
V. Sicherungsinstrumente
1. Sicherheit durch Grundbuch und Notar
2. Sicherheit durch die private Rechtsmängelversicherung
VI. Vergleich der gewährten Sicherheitsniveaus
Kapitel 5: Zusammenfassung und abschließende Stellungnahme
A. Zusammenfassung Grundlagenteil (Kapitel 2)
B. Zusammenfassung Grundstückserwerbsverfahren (Kapitel 3)
C. Zusammenfassung Sicherung des Grundstückerwerbs (Kapitel 4)
I. Rechtliche Beratung
II. Verbindlichkeit des Kaufvertrags
III. Sichere Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung
IV. Sicherstellung der Rechtsmängelfreiheit
D. Stellungnahme
E. Anmerkungen zur Deregulierung
F. Fazit
Literaturverzeichnis
Verzeichnis US-amerikanischer Entscheidungen
Sachregister

Citation preview

Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht 355 Herausgegeben vom

Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht Direktoren:

Jürgen Basedow, Holger Fleischer und Reinhard Zimmermann

André-Pierre Resch

Sicherungsinstrumente beim Grundstückserwerb Eine rechtsvergleichende Betrachtung der Rechte an Grundstücken, der Grundstücksregister und des Grunderwerbsverfahrens in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika

Mohr Siebeck

André-Pierre Resch, geboren 1982; Studium der Rechtswissenschaften an der JuliusMaximilians-Universität Würzburg; Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Deutsches und Europäisches Handels- und Gesellschaftsrecht der Universität Würzburg; Juristischer Vorbereitungsdienst am Landgericht Darmstadt mit Stationen in Mannheim und Windhuk, Namibia; seit 2014 Rechtsanwalt in Mannheim.

Zugl.: Würzburg, Julius-Maximilians-Universität, Diss., 2015 e-ISBN PDF 978-3-16-154063-9 ISBN 978-3-16-154042-4 ISSN 0720-1141 (Studien zum ausländischen und internationalen Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb. dnb.de abrufbar. © 2016  Mohr Siebeck, Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­ tung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek­ tronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruck­ papier gedruckt und von der Buchbinderei Nädele in Nehren gebunden.

Für Andrea und Klaus

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Dezember 2014 von der juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Die Arbeit ist im Wesentlichen während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl von Herrn Prof. Dr. Christoph Teichmann sowie eines dreimonatigen Aufenthalts in den USA entstanden. Für die Drucklegung wurden die das deutsche Recht betreffende Literatur und Rechtsprechung sowie die angloamerikanischen Rechtsvorschriften auf den Stand August 2015 gebracht. Den zahlreichen Personen, die mich bei der Anfertigung dieser Arbeit unterstützt haben, gilt mein besonderer Dank. Hervorheben möchte ich meinen Doktorvater Herrn Prof. Dr. Christoph Teichmann, der mein Interesse für das angloamerikanische Grundstücksrecht geweckt und die vorliegende Arbeit in vielfältiger Weise unterstützt hat. Danken möchte ich außerdem Frau Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger für die zügige Anfertigung des Zweitgutachtens. Schließlich gilt mein Dank den Herausgebern für die Aufnahme in die vorliegende Schriftenreihe. Herzlich bedanken möchte ich mich außerdem bei meinen ehemaligen Lehrstuhlkollegen, die stets für ein gutes Arbeitsklima gesorgt haben. Besonderer Dank gebührt Christian, Lenard, Manuel und Peter, die stets für fachliche Diskussionen zur Verfügung standen. Die gemeinsame Studien- und Promotionszeit werde ich in sehr guter Erinnerung behalten. Großen Dank schulde ich außerdem meiner Freundin Bettina für ihre Geduld und bedingungslose Unterstützung während des gesamten Promotionsvorhabens. Die Arbeit ist meinen Eltern gewidmet. Ihnen habe ich am meisten zu verdanken. Mannheim, im Dezember 2015

André-Pierre Resch

Inhaltsübersicht Inhaltsverzeichnis ........................................................................................ XI  Abkürzungsverzeichnis .......................................................................... XXIII 

Kapitel 1: Einleitung ............................................................................... 1  A.  Einführung in die Thematik ..................................................................... 1  B.  Forschungsstand....................................................................................... 8  C.  Methoden ................................................................................................. 9  D.  Gang der Untersuchung ...........................................................................13 

Kapitel 2: Grundlagen............................................................................15  A.  Allgemeine Prinzipien .............................................................................15  B.  Das Grundstück als geometrische Beschreibung eines Abschnittes der Erdoberfläche ....................................................................................32  C.  Rechte an Grundstücken..........................................................................46  D.  Registersysteme und Verfahren ...............................................................99 

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren........................................ 142  A.  Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch ................ 143  B.  Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung ....... 162  C.  Erwerb vom Nichtberechtigten .............................................................. 232  D.  Abschließende rechtsvergleichende Betrachtung ................................... 241 

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs ................................ 243  A.  Risiken und Sicherungsinteressen ......................................................... 244  B.  Erfüllung der Sicherungsinteressen ....................................................... 256 

X

Inhaltsübersicht

C.  Vergleich der Erfüllung der Sicherungsinteressen ................................. 438 

Kapitel 5: Zusammenfassung und abschließende Stellungnahme .................................................................................. 447  A.  Zusammenfassung Grundlagenteil (Kapitel 2) ...................................... 447  B.  Zusammenfassung Grundstückserwerbsverfahren (Kapitel 3) ............... 450  C.  Zusammenfassung Sicherung des Grundstückerwerbs (Kapitel 4)......... 451  D.  Stellungnahme ...................................................................................... 455  E.  Anmerkungen zur Deregulierung .......................................................... 456  F.  Fazit .................................................................................................. 458  Literaturverzeichnis .................................................................................... 461  Verzeichnis US-amerikanischer Entscheidungen ........................................ 489  Sachregister ................................................................................................ 494 

Inhaltsverzeichnis Inhaltsübersicht ........................................................................................... IX  Abkürzungsverzeichnis .......................................................................... XXIII 

Kapitel 1: Einleitung ............................................................................... 1  A.  Einführung in die Thematik ..................................................................... 1  I.  Fragestellung und Bedeutung des Grundstücksrechts ....................... 1  II.  Das Grundstücksrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen ........... 4  B.  Forschungsstand....................................................................................... 8  C.  Methoden ................................................................................................. 9  I.  Funktionaler Rechtsvergleich ........................................................... 9  II.  Die Vereinigten Staaten als inhomogene Rechtsordnung ................11  III.  Englische Rechtsbegriffe ................................................................13  D.  Gang der Untersuchung ...........................................................................13 

Kapitel 2: Grundlagen............................................................................15  A.  Allgemeine Prinzipien .............................................................................15  I.  Das angloamerikanische Common Law ..........................................15  1.  Rechtsquellen der angloamerikanischen Rechtsordnung ............17  a)  Fallrecht und Gesetze – Case Law und statutes ....................17  b)  Systematisierung des Fallrechts ............................................18  c)  Rechtsvereinheitlichung durch Modellgesetze ......................19  2.  Billigkeitsrecht – Equity ............................................................21  3.  Gerichtsorganisation ..................................................................22  4.  Besonderheiten des Zivilprozesses.............................................23  5.  Der Erfüllungsanspruch und die ökonomische Betrachtungsweise .....................................................................23  II.  Grundlagen des Sachenrechts ..........................................................25  1.  Trennung und Verhältnis von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft ...................................................................26 

XII

Inhaltsverzeichnis

2.  Publizitätsakt – Traditions- und Konsensprinzip bzw. Grundbuch- und Privatsystem ....................................................29  B.  Das Grundstück als geometrische Beschreibung eines Abschnittes der Erdoberfläche ....................................................................................32  I.  Deutschland – Das Grundstück im Rechtssinne ..............................33  1.  Aufbau des Liegenschaftskatasters ............................................33  2.  Verknüpfung der Register ..........................................................34  3.  Grundstücksbegriff ....................................................................35  4.  Geometrische Veränderungen des Grundstücks – Teilung und Vereinigung ........................................................................35  II.  Vereinigten Staaten – Private Grundstücksbeschreibung .................37  1.  Formen der Grundstücksbeschreibung .......................................38  a)  Grenzbeschreibung – Metes and bounds ...............................38  b)  Öffentliche Landvermessung – Government survey .............39  c)  Registrierte Grundstücksbeschreibung – Recorded plat ........40  d)  Zentrales Geoinformationssystem ........................................41  2.  Übertragung von Grundstücksteilen ...........................................43  III.  Rechtsvergleichende Betrachtung ...................................................44  C.  Rechte an Grundstücken..........................................................................46  I.  Grundstücksrechte in Deutschland ..................................................47  1.  Eigentum ...................................................................................47  2.  Grundstücksgleiche Rechte ........................................................49  3.  Beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken.........................52  a)  Nutzungsrechte ....................................................................52  b)  Sicherungs- und Verwertungsrechte .....................................54  c)  Erwerbsrechte ......................................................................56  d)  Altrechtliche Dienstbarkeiten ...............................................57  4.  Rang der Grundstücksrechte ......................................................57  5.  Personenmehrheiten als Rechtsinhaber ......................................58  6.  Zusammenfassung .....................................................................59  II.  Angloamerikanische Grundstücksrechte .........................................59  1.  Ursprung der Grundstücksrechte................................................59  2.  Die Bundesstaaten als Normgeber im Grundstücksrecht ............62  3.  Das Eigentumsrecht – Property, the bundle of rights .................62  4.  Gegenwärtige Eigentumsrechte – Present interests ....................64  a)  Dauerhafte Eigentumsrechte – Freehold estates....................64  aa)  Das Volleigentum – Fee simple absolute ......................64  bb)  Fee tail .........................................................................65  cc)  Bedingte Eigentumsrechte – Defeasible estates ............66  b)  Vorübergehende Eigentumsrechte – Nonfreehold estates ..................................................................................68  aa)  Rechte am Grundstück auf Lebenszeit – Life estate ............................................................................68 

Inhaltsverzeichnis

XIII

bb)  Leasehold estate als vorübergehendes dingliches Recht ............................................................................69  5.  Potentielle Eigentumsrechte – Future interests...........................71  a)  Future interest des Übertragenden ........................................73  b)  Future interest eines Begünstigten bzw. Empfängers ............74  c)  Rule against perpetuities ......................................................75  6.  Sondereigentum an Gebäudeteilen – Condominium ...................76  7.  Weitere Grundstücksrechte ........................................................77  a)  Nutzungsrechte – Servitudes ................................................77  b)  Sicherungs- und Verwertungsrechte – Lien ..........................80  aa)  Mortgage ......................................................................80  (a) Grundlagen .............................................................80  (b) Rechtsnatur .............................................................82  (c) Die equitable mortgage und der mortgageErsatz (mortgage substitute) ....................................84  (d) Sicherungsübereignung – Deed of trust ...................87  bb)  Gesetzliche Grundpfandrechte......................................88  c)  Erwerbsrechte – Preemption und option ...............................89  d)  Dinglicher Rechtserwerb durch Abschluss des Kaufvertrags – Equitable estates ..........................................91  8.  Konkurrenz verschiedener Grundstücksrechte – Prioritäten .......92  9.  Verschmelzung von Rechten an einem Grundstück – Merger of estates .......................................................................92  10. Personenmehrheiten als Eigentümer – Cotenancy ......................93  a)  Joint tenancy ........................................................................93  b)  Tenancy in common .............................................................94  c)  Tenancy by the entirety ........................................................94  11. Zusammenfassung .....................................................................95  III.  Rechtsvergleichende Betrachtung ...................................................98  D.  Registersysteme und Verfahren ...............................................................99  I.  Das deutsche Grundbuchsystem .................................................... 100  1.  Historische Entwicklung .......................................................... 101  2.  Aufgabe, Funktion und Wirkung des Grundbuchs ................... 103  3.  Zuständigkeit und Aufbau........................................................ 104  4.  Grundbuchverfahren ................................................................ 106  a)  Antrag und Eintragungsbewilligung ................................... 106  b)  Überprüfung und Eintragung .............................................. 107  c)  Grundakten......................................................................... 109  d)  Datenbankgrundbuch und elektronisches Verfahren ........... 109  5.  Eintragungsfähige Rechte ........................................................ 110  6.  Beschränkte Öffentlichkeit des Grundbuchs ............................ 110  7.  Zusammenfassung ................................................................... 111 

XIV

Inhaltsverzeichnis

II.  Die angloamerikanische Urkundensammlung – Recording of land titles ...................................................................................... 113  1.  Historische Entwicklung .......................................................... 113  2.  Aufgabe, Funktion und Wirkung des Grundstücksregisters...... 116  a)  Aussagekraft des Registers ................................................. 116  b)  Wirkung der Eintragung ..................................................... 117  3.  Zuständigkeit ........................................................................... 118  4.  Aufbau und Struktur des Registers........................................... 120  a)  Der name index .................................................................. 121  b)  Der tract index.................................................................... 122  c)  Parallele Register der Rechtsmängelversicherer – Title plants.................................................................................. 123  d)  Elektronische Registerführung ........................................... 124  5.  Registrierungsverfahren ........................................................... 126  6.  Eintragungsfähige Rechte ........................................................ 129  7.  Öffentlichkeit des Grundstücksregisters................................... 130  8.  Reformbestrebungen ................................................................ 130  9.  Title registration bzw. Torrens-System .................................... 132  10. Zusammenfassung ................................................................... 138  III.  Rechtsvergleich............................................................................. 139 

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren........................................ 142  A.  Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch ................ 143  I.  Vertragsanbahnung ....................................................................... 144  1.  Erstkontakt und Vermittlung durch einen Makler .................... 144  2.  Vertragsverhandlung ............................................................... 146  3.  Kaufpreisfinanzierung ............................................................. 147  II.  Termin vor dem Notar und notarielle Beurkundung ...................... 149  1.  Vorbereitende Tätigkeit des Notars.......................................... 150  2.  Abschluss des notariellen Kaufvertrags ................................... 150  3.  Erklärung der Auflassung ........................................................ 152  4.  Sicherung durch Vormerkung .................................................. 154  5.  Grundpfandrecht – Dingliche Sicherung der Finanzierung ...... 155  III.  Vollzug durch den Notar ............................................................... 156  1.  Antrag auf Eintragung der Vormerkung ................................... 157  2.  Antrag auf Eintragung des Grundpfandrechts .......................... 157  3.  Einholung von Erklärungen, Genehmigungen sowie Mitteilungspflichten ................................................................ 158  4.  Abwicklung der Eintragungen und Kaufpreiszahlung .............. 159  5.  Kaufpreiszahlung und Antragstellung auf Eintragung .............. 160  IV.  Zusammenfassung......................................................................... 161 

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XV

B.  Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung ....... 162  I.  Vertragsanbahnung und Vermittlung unter Mitwirkung eines Maklers ......................................................................................... 162  II.  Der Kaufvertrag – Contract of sale................................................ 164  1.  Vertragsinhalt .......................................................................... 165  a)  Pflicht zur Verschaffung eines marketable title .................. 165  b)  Vertragliche Regelung bei Unmöglichkeit zur Verschaffung eines marketable title.................................... 167  c)  Finanzierungsvorbehalt ...................................................... 168  2.  Vertragsgestaltung und Rechtsberatung ................................... 170  a)  Mitwirkung von Rechtsanwälten und deren Verdrängung ...................................................................... 170  b)  Abschluss und Abwicklung des Grundstücksgeschäfts unter Mitwirkung eines Maklers ......................................... 175  3.  Vertragsschluss ........................................................................ 175  4.  Anzahlung und pauschalierter Schadensersatz ......................... 176  5.  Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt – Der contract for deed ......................................................................................... 176  III.  Zwischenverfahren ........................................................................ 177  1.  Überprüfung der sachenrechtlichen Verhältnisse ..................... 178  a)  Title search......................................................................... 178  b)  Rechtsmängelversicherung – Title insurance ...................... 178  2.  Finanzierung des Grundstückgeschäfts .................................... 179  a)  Finanzierungsmodalitäten................................................... 181  b)  Sekundärer Kreditmarkt ..................................................... 182  IV.  Das closing – Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung ......... 183  1.  Anwendbares Recht bei grenzüberschreitenden Grundstücksgeschäften ............................................................ 184  2.  Zeitpunkt des closing und Verzug ............................................ 185  3.  Eigentumsübergang durch Privaturkunde ................................ 186  a)  Ausfertigung des deed – Execution .................................... 187  aa)  Inhaltliche Anforderungen an den deed ...................... 187  (a) Bezeichnung von Veräußerer und Erwerber .......... 187  (b) Deed ohne Angabe eines Erwerbers ...................... 188  (c) Grundstücksbeschreibung ..................................... 189  (d) Words of grant ...................................................... 190  (e) Die habendum-Klausel.......................................... 191  (f)  Sonstiger Inhalt ..................................................... 192  (g) Gesetzliche Vorlage .............................................. 192  bb)  Schriftform ................................................................. 193  cc)  Identitätsbestätigung – Acknowledgment ................... 194  (a) Funktion und Form ............................................... 195  (b) Der notary public .................................................. 197 

XVI

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b)  Rechtsübergang durch Übergabe und Annahme – Conveyance ........................................................................ 199  aa)  Übergabe des deed – Delivery .................................... 199  bb)  Annahme des deed – Acceptance ............................... 200  cc)  Rechtsfolgen .............................................................. 201  dd)  Untergang des schuldrechtlichen Anspruchs – Doctrine of merger ..................................................... 203  ee)  Garantieinhalt des deed .............................................. 206  (a) Umfangreiche Garantie durch einen warranty deed .............................................................. 207  (b) Rechtsübertragung ohne Garantie – Der quitclaim deed ...................................................... 208  (c) Rechtsnatur der conveyance – Trennungsprinzip? ................................................ 209  4.  Kaufpreiszahlung ..................................................................... 213  5.  Der bedingte Eigentumsübergang ............................................ 214  a)  Der bedingte deed – Der transfer of death deed .................. 214  b)  Bedingung der Übergabe – Delivery in escrow .................. 216  6.  Dingliche Sicherung des Kreditgebers – Mortgage .................. 218  V.  Deklaratorische Registrierung des deed ........................................ 219  VI.  Nicht rechtsgeschäftlicher Rechtserwerb ....................................... 220  1.  Rechtserwerb von Todes wegen ............................................... 220  2.  Rechtserwerb bei Bedingungseintritt oder Zeitablauf – Future estates ........................................................................... 223  3.  Ersitzung – Adverse possession ............................................... 223  a)  (Historische) Grundlagen ................................................... 224  b)  Voraussetzungen ................................................................ 226  c)  Rechtsfolge ........................................................................ 228  d)  Ausgleichsansprüche des ehemaligen Eigentümers ............ 229  VII.  Zusammenfassung......................................................................... 230  VIII. Reformbestrebungen des Grundstücksrechts ................................. 230  C.  Erwerb vom Nichtberechtigten .............................................................. 232  I.  Der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten nach § 892 Abs. 1 BGB................................................................................... 232  II.  Der bona fide purchase ................................................................. 234  1.  Vermeintliche Berechtigung des „Buchinhabers“ .................... 235  2.  Entgeltlichkeit ......................................................................... 236  3.  Unkenntnis und Registrierung ................................................. 236  a)  Unkenntnis (lack of notice) ................................................ 237  b)  Race statutes ...................................................................... 238  c)  Notice statutes .................................................................... 239  d)  Race-notice statutes ............................................................ 239  4.  Zusammenfassung ................................................................... 240 

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XVII

III.  Vergleichende Betrachtung ........................................................... 240  D.  Abschließende rechtsvergleichende Betrachtung ................................... 241 

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs ................................ 243  A.  Risiken und Sicherungsinteressen ......................................................... 244  I.  Interessen des Käufers bzw. Erwerbers ......................................... 244  1.  Beratung und Unterstützung während des Erwerbsverfahrens ................................................................... 245  2.  Verbindlichkeit des Kaufvertrags ............................................ 247  3.  Schutz während der Abwicklung des Erwerbs ......................... 247  a)  Austausch von Kaufpreis und Eigentum ............................. 248  b)  Rechtsmängelfreiheit des Eigentums .................................. 249  c)  Fehler innerhalb der Register ............................................. 250  4.  Weitere Interessen ................................................................... 251  5.  Zusammenfassung ................................................................... 251  II.  Interessen des Verkäufers bzw. Veräußerers ................................. 252  1.  Beratung .................................................................................. 252  2.  Verbindlichkeit des Kaufvertrags ............................................ 252  3.  Verlust des Eigentums ohne garantierte Gegenleistung ............ 253  4.  Beschränkung des Haftungsrisikos .......................................... 253  5.  Zusammenfassung ................................................................... 253  III.  Kreditgeber ................................................................................... 254  1.  Auszahlung nur gegen garantierte Sicherheit ........................... 254  2.  Rechtsmängelfreiheit ............................................................... 255  3.  Zusammenfassung ................................................................... 255  IV.  Zentrale Interessen der Beteiligten ................................................ 255  B.  Erfüllung der Sicherungsinteressen ....................................................... 256  I.  Beratung und Unterstützung – Notar vs. Privatautonomie ............. 256  1.  Beratung und Begleitung durch den deutschen Notar............... 257  a)  Der deutsche Notar ............................................................. 257  aa)  Ausgestaltung des Amts ............................................. 258  bb)  Neutralität .................................................................. 259  b)  Zwingende Beteiligung bei Grundstücksgeschäften ........... 260  c)  Zweck der Mitwirkung des Notars ..................................... 263  aa)  Zweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB ........................ 263  bb)  Zweck des § 925 Abs. 1 BGB .................................... 265  cc)  Warum gerade ein Notar? ........................................... 267  d)  Aufgaben des Notars bei Grundstücksgeschäften ............... 268  aa)  Belehrung und Vertragsgestaltung – § 17 BeurkG ...... 268  bb)  Vollzugstätigkeit ........................................................ 274 

XVIII

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e)  Sicherung einer ordnungsgemäßen Mitwirkung – Haftung des Notars ............................................................. 276  f)  Notarhaftung in Deutschland .............................................. 278  g)  Zusammenfassung .............................................................. 280  2.  Unterstützung beim Grundstückserwerb durch juristische Laien ....................................................................................... 281  a)  Zulässigkeit und Grund der Beteiligung von juristischen Laien ............................................................... 281  b)  Beratung und Unterstützung durch einen Makler................ 283  aa)  Typischer Interessenkonflikt und Hinweispflicht ....... 283  bb)  Beratungsleistung des Maklers und dessen Haftung ...................................................................... 286  cc)  Beratungssicherung durch attorney-approvalKlauseln ..................................................................... 288  c)  Beratung durch Rechtsanwälte ........................................... 290  aa)  „Vertretung“ von mehreren Parteien .......................... 291  bb)  Beratungsleistung des Rechtsanwalts ......................... 292  d)  Zusammenfassung .............................................................. 295  3.  Rechtsvergleichende Betrachtung ............................................ 297  II.  Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags – Notarielle Form vs. Schriftform .................................................... 301  1.  Vertragliche Bindung nur durch notarielle Beurkundung ......... 301  a)  Notarielle Form – § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB ..................... 302  aa)  Verfahrensrechtliche Voraussetzungen ....................... 302  bb)  Materiell-rechtliche Mängel ....................................... 303  cc)  Rechtsfolge – Nichtigkeit, § 125 BGB ....................... 304  dd)  Heilung durch Erfüllung ............................................. 306  b)  Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit ................................ 307  c)  Zusammenfassung .............................................................. 307  2.  Einklagbarkeit durch Schriftform ............................................ 308  a)  Schriftform – Statute of Frauds .......................................... 308  aa)  Voraussetzungen ........................................................ 309  bb)  Zweck ........................................................................ 310  cc)  Heilung durch teilweise Erfüllung – Part performance ............................................................... 311  b)  Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit ................................ 312  c)  Zusammenfassung .............................................................. 313  3.  Rechtvergleichende Betrachtung.............................................. 313  III.  Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung .................................................................. 314  1.  Abwicklung unter Mitwirkung des Notars ............................... 315  a)  Eintragung der Eigentumsvormerkung ............................... 316  aa)  Voraussetzungen ........................................................ 317 

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XIX

bb)  Wirkung ..................................................................... 318  b)  Kaufpreiszahlung ............................................................... 321  aa)  Direkte Abwicklung ................................................... 321  bb)  Treuhänderische Abwicklung über ein Notaranderkonto......................................................... 322  cc)  Gegenüberstellung von direkter und indirekter Abwicklung ................................................................ 323  dd)  Schutz des Verkäufers ................................................ 325  c)  Auflassung ......................................................................... 325  aa)  Materiell-rechtliche Lösung ....................................... 326  bb)  Beurkundungs- und verfahrensrechtliche Lösung ....... 327  d)  Zusammenfassung .............................................................. 328  2.  „Sit-down“ und escrow closing ................................................ 329  a)  Direkter Austausch von Kaufpreis und deed – „sitdown“ closing .................................................................... 330  b)  Treuhänderische Abwicklung – Escrow closing ................. 331  aa)  Escrow agreement und escrow agent .......................... 333  bb)  Ablauf des escrow-Verfahrens ................................... 335  cc)  Pflichten und Haftung des escrow agent ..................... 338  dd)  Zusammenfassung ...................................................... 340  c)  Zusammenfassenden Betrachtung von „sit-down“ und escrow closing .................................................................... 341  3.  Rechtsvergleichende Betrachtung ............................................ 343  IV.  Abwicklung der Kaufpreisfinanzierung und Bestellung des Grundpfandrechts.......................................................................... 344  1.  Bestellung des Grundpfandrechts unter Mitwirkung des Verkäufers ............................................................................... 345  2.  Der Kreditgeber beim closing .................................................. 346  3.  Rechtsvergleichende Betrachtung ............................................ 348  V.  Sicherstellung der Rechtsmängelfreiheit – Grundbuch vs. title insurance ....................................................................................... 348  1.  Rechtsmängelfreiheit durch Grundbuch und Grundbuchverfahren ................................................................ 349  a)  Verlässlichkeit der Grundbucheinsicht ............................... 350  b)  Mechanismen zur Sicherstellung der Richtigkeit des Grundbuchs ........................................................................ 350  aa)  Kenntnis durch Eintragungszwang ............................. 351  bb)  Berechtigung .............................................................. 352  cc)  Übereinstimmung zwischen (dinglichem) Rechtsgeschäft und Eintragungsantrag ....................... 353  dd)  Ordnungsgemäße Eintragung ..................................... 355  ee)  Abschirmung des Grundbuchs vor Fehlern des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Geschäfts ......... 355 

XX

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ff)  Öffentlicher Glaube und Fehlerkorrektur durch gutgläubigen Erwerb .................................................. 356  gg)  Unsicherheiten durch nicht aus dem Grundbuch ersichtliche Lasten...................................................... 357  c)  Zusammenfassung .............................................................. 358  2.  Rechtsmängelfreiheit durch title search und title assurance ..... 359  a)  Verlässlichkeit des Registerinhalts ..................................... 361  b)  Registerbereinigung – Marketable title legislation .............. 361  aa)  Curative statutes ......................................................... 364  bb)  Statutes of limitation und adverse possession ............. 365  cc)  Marketable title acts ................................................... 367  dd)  Zusammenfassung ...................................................... 370  c)  Aufstellung der Rechtekette – Abstract of title ................... 371  aa)  Zuständiger Personenkreis.......................................... 371  bb)  Durchführung ............................................................. 372  cc)  Ergebnis und Aussagekraft ......................................... 375  dd)  Haftung ...................................................................... 376  d)  Rechtliche Analyse – Title examination ............................. 377  aa)  Ablauf der title examination und title opinion ............ 377  bb)  Umgang mit Mängeln ................................................. 379  cc)  Title opinion............................................................... 380  dd)  Haftung ...................................................................... 381  ee)  Schutzreichweite der title opinion .............................. 382  e)  Rechtsmängelsicherheit durch die title insurance ............... 383  aa)  Entwicklung der title insurance .................................. 384  bb)  Die Rechtsmängelversicherer ..................................... 387  cc)  Grundlagen ................................................................ 387  dd)  Abschluss der title insurance ...................................... 389  ee)  Standardisierte Versicherungsverträge ....................... 391  (a) Das versicherte Grundstück und Grundstücksrecht .................................................. 392  (b) Der Versicherte und die Dauer des Versicherungsschutzes .......................................... 393  (c) Reichweite des Versicherungsschutzes ................. 394  (1) Allgemeines .................................................... 394  (2) Versicherte Rechtsmängel ............................... 398  (3) Sonstige abgesicherte Mängel.......................... 400  (4) Die Homeowner’s Policy ................................. 401  (5) Kreditgeber – Loan Policy ............................... 404  (6) Nicht abgedeckte Mängel ................................ 406  (d) Erweiterungen des Versicherungsschutzes – Endorsements ....................................................... 408 

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XXI

(e) Weitere Pflichten des Rechtsmängelversicherers ..................................... 410  (1) Duty to search – Haftung für fehlerhafte title search ....................................................... 410  (2) Duty to defend – Pflicht zur gerichtlichen Verteidigung des versicherten Rechts .............. 412  ff)  Versicherungsfälle in der Praxis ................................. 414  gg)  Finanzzahlen der Rechtsmängelversicherungsindustrie .......................... 419  hh)  Regulierung und die staatliche Rechtsmängelversicherung von Iowa ......................... 420  f)  Zusammenfassung .............................................................. 422  3.  Rechtsvergleichende Betrachtung ............................................ 425  a)  Zuverlässigkeit des Registerinhalts .................................... 426  b)  Vertrauen auf den Registerinhalt ........................................ 428  c)  Absicherung der Rechtsmängelfreiheit ............................... 429  d)  Abschließende Gegenüberstellung...................................... 430  VI.  Sachmängelfreiheit ....................................................................... 432  VII.  Überblick über die Kosten des Grundstückserwerbs...................... 433  1.  Deutschland ............................................................................. 435  2.  Vereinigte Staaten ................................................................... 435  3.  Zusammenfassung ................................................................... 436  C.  Vergleich der Erfüllung der Sicherungsinteressen ................................. 438  I.  Beratung durch Notar und Makler ................................................. 438  II.  Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags................ 439  III.  Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung .................................................................. 440  IV.  Rechtsmängelfreiheit .................................................................... 441  V.  Sicherungsinstrumente .................................................................. 442  1.  Sicherheit durch Grundbuch und Notar .................................... 442  2.  Sicherheit durch die private Rechtsmängelversicherung .......... 444  VI.  Vergleich der gewährten Sicherheitsniveaus ................................. 445 

Kapitel 5: Zusammenfassung und abschließende Stellungnahme .................................................................................. 447  A.  Zusammenfassung Grundlagenteil (Kapitel 2) ...................................... 447  B.  Zusammenfassung Grundstückserwerbsverfahren (Kapitel 3) ............... 450  C.  Zusammenfassung Sicherung des Grundstückerwerbs (Kapitel 4)......... 451  I.  Rechtliche Beratung ...................................................................... 451  II.  Verbindlichkeit des Kaufvertrags .................................................. 452 

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III.  Sichere Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung .................................................................. 452  IV.  Sicherstellung der Rechtsmängelfreiheit ....................................... 453  D.  Stellungnahme ...................................................................................... 455  E.  Anmerkungen zur Deregulierung .......................................................... 456  F.  Fazit .................................................................................................. 458  Literaturverzeichnis .................................................................................... 461  Verzeichnis US-amerikanischer Entscheidungen ........................................ 489  Sachregister ................................................................................................ 494 

Abkürzungsverzeichnis A., A.2d. ABA A.C. AcP A.D.3d AEUV a.F. AktO Ala. Alb. L.J. Sci. & Tech. ALI ALR A.L.R. ALTA Am. Jur. Am. Bankr. Inst. J. Am. Bus. L.J. Am. J. Comp. L. Am. J. Legal Hist. Am. U. L. Rev. AnwBl. Ariz. Ariz.App. Ariz. St. L.J. Ark. BauGB Bay BeckOF BeurkG BGB BGBl. BKR BNotO Brandeis L.J. B.R. BReg Brook. L. Rev. BT Drucks. Buff. Envtl. L.J.

Atlantic Reporter, Atlantic Reporter 2d American Bar Association Arkansas Code Archiv für die civilistische Praxis Appellate Division Reports (New York) 3d Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktenordnung Alabama Albany Law Journal of Science and Technology American Law Institute Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten American Law Reports American Land Title Association American Jurisprudence American Bankruptcy Institute Journal American Business Law Journal American Journal of Comparative Law American Journal of Legal History American University Law Review Anwaltsblatt Arizona Arizona Appeals Reports Arizona State Law Journal Arkansas, Arkansas Reports Baugesetzbuch Bayerische Beck’sche Online-Formulare Beurkundungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesnotarordnung Brandeis Law Journal Bankruptcy Reporter Bundesregierung Brooklyn Law Review Bundestag Drucksache Buffalo Environmental Law Journal

XXIV Buff. L. Rev. B.U.L. Rev. Bus. & Prof. Code BVerfG BVerfGE BWNotZ B.Y.U. L. Rev. C./Chap. Cal. Cal.App.2d Cal.App.3d Cal.App.4th Cal. Civ. Code Cal. Code Civ. Proc. Cal Const. Cal.Elec.Code Cal. Fin. Code Cal. Gov. Code Cal. Ins. Code Cal. L. Rev. (Comm’n R.) California Real Estate California Real Estate Forms Cal. Probate Code Cal.Rptr.2d Campbell L. Rev. Cath. U. L. Rev. Chas. II. CJS Cl. CLTA cmt. Colo. Colo. Law. Colum. L. Rev. Conn. Conn. L. Rev. Consumer Fin. L.Q. Rep. CPLR CR Del. Del. L. Rev. DIW DNotI-Report DNotZ DONot Drake L. Rev. DRiZ

Abkürzungsverzeichnis Buffalo Law Review Boston University Law Review Business and Professions Code Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg Brigham Young University Law Review Chapter California California Appellate Reports 2d Series California Appellate Reports 3d Series California Appellate Reports 4th Series Civil Code of California California Code of Civil Procedure California Constitution California Elections Code California Financial Code California Government Code California Insurance Code California Law Revision (Commission Reports) California Real Estate, Hrsg.: Miller, Harry D./Starr, Marvin B. Miller & Starr California Real Estate Forms, Hrsg.: Hamilton, Alexander E. California Probate Code California Reporter 2d Series Campbell Law Review Catholic University Law Review (König) Charles II. (*1630 †1685) Corpus Juris Secundum Clause California Land Title Association Comment Colorado Colorado Lawyer Columbia Law Review Connecticut Connecticut Law Review Consumer Finance Law Quarterly Report Civil Practice Law and Rules Computer und Recht Delaware Delaware Law Review Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Informationsdienst des Deutschen Notarinstituts Deutsche Notar-Zeitschrift Dienstordnung für Notarinnen und Notare Drake Law Review Deutsche Richterzeitung

Abkürzungsverzeichnis EGBGB Eng.Rep. ErbbauRG ErbStG EPT EXC Law of N.Y. F. FAC FGPrax Fidelity L.J. Fla. Fla. L. Rev. Fordham L. Rev. FR FRCP Ga. Ga. St. U. L. Rev. Ga.App. GBO GBV GenG Geo. J. Legal Ethics Geo. J. on Poverty Geo. V. Geo. L.J. GIS GOL of N.Y. Gonz. L. Rev. GrdstVG Greenl. GrEStG GRUR GwG Harv. L. Rev. Hastings Bus. L.J. Hastings Int’l & Comp. Hen. VIII. HJ Hofstra L. Rev. Hrsg. HypBankG ILCS Ill. Ill. B.J. in re Ind. Ind. L. J. Int’l L. Practicum Iowa ADC

XXV

Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche English Reports Erbbaurechtsgesetz Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz Estates, Powers and Trusts Executive Law of New York Federal Reporter Florida Administration Code Praxis der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Fidelity Law Journal Florida Florida Law Review Fordham Law Review Federal Register Federal Rules of Civil Procedure Georgia, Georgia Reports Georgia State University Law Review Georgia Appeals Reports Grundbuchordnung Grundbuchverfügung Genossenschaftsgesetz Georgetown Journal of Legal Ethics Georgetown Journal on Poverty Law and Policy (König) Georg V. (*1865 †1936) Georgetown Law Journal geographic information system General Obligations Law of New York Gonzaga Law Review Grundstückverkehrsgesetz Greene’s Iowa Reports Grunderwerbsteuergesetz Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Geldwäschegesetz Harvard Law Review Hastings Business Law Journal Hastings International and Comparative Law Review (König) Henry VIII. (*1491 †1547) Historisches Jahrbuch Hofstra Law Review Herausgeber Hypothekenbankgesetz Illinois Compiled Statutes Illinois, Illustration Illinois Bar Journal lat. für „in der (Rechts-)Sache“ Indiana Indiana Law Journal International Law Practicum Iowa Administrative Code

XXVI Iowa L. Rev. IPRax IZR JA J. Aff. Housing & Community

Abkürzungsverzeichnis

Iowa Law Review Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Zeitschrift für Internationale Rechnungslegung Juristische Arbeitsblätter Journal of Affordable Housing & Community Development Law James I. (König) James I. (*1603 †1625) J.L. & Com. Journal of Law and Commerce J. Land Resources & Envtl. L. Journal of Land, Resources, and Environmental Law J. Legal Stud. Journal of Legal Studies JLEO Journal of Law, Economics and Organization J. Marshall L. Rev. John Marshall Law Review Johns. Johnson’s New York Reports J. Real Estate Finance & Econ. Journal of Real Estate Finance and Economic Jurimetrics J. Jurimetrics Journal JuS Juristische Schulung JZ JuristenZeitung Kan. Kansas, Kansas Reports Kap. Kapitel KonsG Konsulargesetz KostO Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Ky. Kentucky Ky. Admin. Regs. Kentucky Administrative Regulations L.Ed. United States Supreme Court Reports, Lawyer’s Edition L.Q.Rev. Law Quarterly Review La. Louisiana La. B.J. Louisiana Bar Journal La. Civ. Code Louisiana Civil Code lit. littera Loy. Consumer L. Rep. Loyola Consumer Law Reporter Loy. U. Chi. L.J. Loyola University Chicago Law Journal Mass. Massachusetts, Massachusetts Reports MBS Mortgage Backed Securities McGill L.J. McGill Law Journal Md. Maryland Md. B.J. Maryland Bar Journal Md.App. Maryland Appellate Reports Me. Maine Reports and Maine Public Domain Citations Mercer L. Rev. Mercer Law Review MERS Mortgage Electronic Registration System M.G.L. Massachusetts General Laws Mich. Michigan, Michigan Reports Mich. B.J. Michigan Bar Journal Mich. L. Rev. Michigan Law Review Mil. L. Rev. Military Law Review Minn. Minnesota Misc.2d New York Miscellaneous Reports 2d

Abkürzungsverzeichnis MittBayNot MittRhNotK MLS Mo. Mo. L. Rev. MüKo m.w.N. NAR N.C. N.C. Banking Inst. N.C. Cent. L.J. NCCUSL N.C.G.S. NCSL ND N.D. N.D. L. Rev. N.E., N.E.2d Neb. Nev. Nev. L.J. New Eng. L. Rev. N.H. N.J. N.J. Admin. Code N.J. Law. NJW N.M. NNA NOV CBA Rec. Nova L. Rev. N.W., N.W.2d N.Y. N.Y. Ins. Law N.Y. St. B.J. N.Y.S., N.Y.S.2d N.Y.S.B.A. Gov’t & Pol’y. N.Y.U. L. Rev. NZM OK Okla. Okla. J. L. & Tech. Or. Or. L. Rev. P., P.2d Pa.

XXVII

Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Multiple Listing Service Missouri Missouri Law Review Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen National Association of Realtors North Carolina Reports North Carolina Banking Institute North Carolina Central Law Journal National Conference of Commissioners on Uniform State Laws North Carolina General Statutes National Conference of State Legislatures Neudruck North Dakota North Dakota Law Review North Eastern Reporter, North Eastern Reporter 2d Nebraska Nevada Nevada Law Journal New England Law Review New Hampshire New Jersey New Jersey Administrative Code New Jersey Lawyer Neue Juristische Wochenschrift New Mexico National Notary Association CBA Record Nova Law Review North Western Reporter, North Western Reporter 2d New York New York Insurance Law New York State Bar Journal New York Supplement, New York Supplement 2d New York State Bar Association Government, Law and Policy Journal New York University Law Review Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht Oklahoma Supreme Court Public Domain Citations Oklahoma Oklahoma Journal of Law & Technology Oregon Oregon Law Review Pacific Reporter, Pacific Reporter 2d Pennsylvania

XXVIII Pet. PfandBG PLI/Real

Abkürzungsverzeichnis

Peter’s United States Supreme Court Reports Pfandbriefgesetz Practising Law Institute/Real Estate Law and Practice Course Handbook Series Prac. Real Est. Law. The Practical Real Estate Lawyer Prob. & Prop. Probate & Property Prof. Law. The Professional Lawyer Quinnipiac L. Rev. Quinnipiac Law Review RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RDG Rechtsdienstleistungsgesetz Real Est. Rev. Real Estate Review Real Prop. Prob. & Tr. J. Real Property, Probate, and Trust Journal RegVBG Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz RGBl. Reichsgesetzblatt R.I. B.J. Rhode Island Bar Journal R.J.T. Revue Juridique Themis RPA Real Property Actions and Proceedings RPfleger Der Deutsche Rechtspfleger RPflG Rechtspflegergesetz RpflStud Rechtspfleger Studienhefte RPL Real Property Law Santa Clara L. Rev. Santa Clara Law Review S.Ct. Supreme Court Reporter S.D., SDCL South Dakota, South Dakota Codified Laws S.E.2d South Eastern Reporter 2d So.2d, So.3d Southern Reporter 2d, Southern Reporter 3d SOEP Sozio-oekonomisches Panel St. Statute(s) Stan. L. Rev. Stanford Law Review Stetson L. Rev. Stetson Law Review St. John’s L. Rev. St. John’s Law Review St. Louis U.L.J. Saint Louis University Law Journal St. Mary’s L.J. St. Mary’s Law Journal S.W.2d South Western Reporter 2d Tex. Texas Tex. Civ. Prac. & Rem. Code Texas Civil Practice & Remedies Code Tex. L. Rev. Texas Law Review Tex. Tech L. Rev. Texas Tech Law Review Transactions: Tenn. J. Bus. L. Transactions: the Tennessee Journal of Business Law TOD deed Transfer of Death Deed Tul. L. Rev. Tulane Law Review U.C.C. Uniform Commercial Code U. D.C. L. Rev. University of the District of Columbia Law Review U. Denv. Water L. Rev. University of Denver Water Law Review U. Det. Mercy L. Rev. University of Detroit Mercy Law Review U. Ill. L. Rev. University of Illinois Law Review U. Kan L. Rev. University of Kansas Law Review ULTA Uniform Land Transactions Act

Abkürzungsverzeichnis U. Pa. J. Int’l Econ. L.

XXIX

University of Pennsylvania Journal of International Economic Law UPC Uniform Probate Code U.S., U.S. Const. United States Reports, United States Constitution U.S.C. United States Code USLTA Uniform Simplification of Land Transfers Act USRAPA Uniform Statutory Rule Against Perpetuities Act Utah 2d Utah Reports 2d Utha B.J. Utha Bar Journal UVPRA Vendor and Purchaser Risk Act v. versus Val. U. L. Rev. Valparaiso University Law Review Vand. L. Rev. Vanderbilt Law Review VermKatG Vermessungs- und Katastergesetz Vic. (Königin) Victoria (*1819 †1901) Vor., Vorb. Vorbemerkung Vt. B.J. Vermont Bar Journal v.u.Z. vor unserer Zeitrechnung Wash. Washington, Washington Reports Wash. & Lee L. Rev. Washington and Lee Law Review Washburn L.J. Washburn Law Journal WEG Wohnungseigentumsgesetz WGV Wohnungsgrundbuchverfügung Whittier L. Rev. Whittier Law Review Williston on Contracts Williston on Contracts, Hrsg.: v. Lord, Richard A. Willamette L.J. Willamette Law Journal Wis. Int’l L.J. Wisconsin International Law Journal WL WESTLAW Citations W. New Eng. L. Rev. Western New England Law Review W & M Envtl. L. & Pol’y Rev. William and Mary Environmental Law and Policy Review Wm. & Mary L. Rev. William and Mary Law Review Wm. Mitchell L. Rev. William Mitchell Law Review W. Va. L. Rev. West Virginia Law Review Yale L.J. Yale Law Journal ZEuP Zeitschrift für europäisches Privatrecht ZNotP Zeitschrift für die Notarpraxis ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik

Kapitel 1

Einleitung A. Einführung in die Thematik A. Einführung in die Thematik

I.

Fragestellung und Bedeutung des Grundstücksrechts

Das Grundstückseigentum stellt selbst im 21. Jahrhundert noch einen großen Teil des Vermögens der Gesellschaft dar.1 Grundstücke sind sowohl für Privatpersonen und Unternehmen als auch allgemein volkswirtschaftlich von erheblicher Bedeutung. Sie dienen neben der Sicherung von Krediten auf Grund ihrer besonderen Wertbeständigkeit weiten Teilen der Gesellschaft als wesentliches Element der Vermögensbildung.2 Nicht zuletzt steht das Grundstückseigentum im Schnittpunkt zwischen privaten und öffentlichen Interessen. Das private Eigentum und die freie Verfügung darüber sind untrennbar mit der persönlichen Freiheit und der Vertragsfreiheit verbunden. Es unterliegt jedoch der Sozialpflichtigkeit und gewissen öffentlichen Beschränkungen. Diese Funktionen kann das Grundstückseigentum nur ausüben, wenn es in rechtlicher Hinsicht Bestand hat und Rechteinhaber ihre Rechte gegenüber anderen durchsetzen können. Aus diesem Grund muss jede Rechtsordnung durch entsprechende Regelungen den problemlosen Übergang von Eigentums-, aber auch von Sicherungsrechten gewährleisten und den Schutz solcher Rechte gegenüber Dritten sicherstellen.3 Kann der Inhaber des Eigentums- oder eines anderen dinglichen Rechts dieses nicht rechtlich verbindlich nachweisen oder rechtlich geltend machen, so ist das Recht für ihn wertlos. 1

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1. Im Jahr 2013 stellte das private Immobilienvermögen mit 5,4 Billionen Euro den größten Aktivposten des Vermögens der Privathaushalte dar. Siehe Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Juni 2013, S. 30. 2 Gondring, Immobilienwirtschaft, 2009, S. 1. 3 Gerade in Entwicklungsländern existieren solche Regelungen nicht bzw. es fehlt an der Möglichkeit ihrer Durchsetzung. Der Schutz und die Registrierung von Grundeigentum werden unter anderem als Bestandteile der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes gesehen, die früher oder später zwingend erforderlich sind. Siehe hierzu beispielsweise Hanstad, 13 Am. U. Int’l L. Rev. 647 (1998); Larsson, Land registration and cadastral systems, 1991, S. 9 ff.; Soto, The mystery of capital, 2001, S. 44 ff., dort insbesondere S. 60 f. Siehe aber auch zu möglichen negativen Folgen von privatem Eigentum im Zusammenhang mit der Festigung staatlicher Einflussnahme Katz, 160 U. Pa. L. Rev. 2029 (2012); siehe auch Williamson/Enemark/Wallace et. al, Land Administration for Sustainable Development, 2009, S. 15 f.; siehe hierzu auch Limmer, ERCL 2013, 387, 389 f.

2

Kapitel 1: Einleitung

Die Instrumente, welche die Interessen der an Grundstücksgeschäften beteiligten Parteien in Deutschland und den Vereinigten Staaten sicherstellen, sind zentraler Inhalt der nachfolgenden Betrachtung. Das deutsche Grundstücksrecht vertraut seit über einhundert Jahren bei der Übertragung und Klarheit der Besitzverhältnisse von Grundstücksrechten auf eine Kombination der obligatorischen Grundbucheintragung und der Mitwirkung eines Notars. In der deutschen Rechtswissenschaft wird dieses System, soweit erkennbar, überhaupt nicht hinterfragt; ganz im Gegenteil wird jegliches „Aufweichen“ der Grundsätze durch die Rechtsprechung entschieden zurückgewiesen.4 Doch gerade die umfassende und zwingende Beteiligung des Notars wird im Zusammenhang mit einem besseren Verbraucherschutz, vor allem niedrigeren Transaktionskosten, im europäischen Kontext kritisch diskutiert. Seine Mitwirkung sei zu teuer, belaste den Verbraucher unnötig und hemme den Grundstücksverkehr insgesamt.5 Im Gegensatz zur Beteiligung eines Notars ist zumindest die Notwendigkeit eines Grundbuchs unbestritten, ein deutscher Jurist kann sich eine andere Möglichkeit, die alle Rechtsverhältnisse zu einem Grundstück darstellt, wohl kaum vorstellen. Müssten einem Verzicht auf formelle Verfahren oder die zwingende Eintragung ins Grundbuch nicht völlige Rechtsunsicherheit und Chaos folgen? Die Prinzipien, die im angloamerikanischen Recht für Schutz und Klarheit der Rechtsverhältnisse an Grundstücken sorgen sollen, weichen indes stark vom deutschen Recht ab. Die Mitwirkung einer dem Notar ähnlichen Person mit juristischer Ausbildung ist bei Grundstücksgeschäften weitgehend unbekannt. Ein öffentliches Grundstücksregister besteht zwar, die Eintragung von Rechtsänderungen ist für deren Wirksamkeit jedoch nicht erforderlich. Die Übertragung von Grundstücksrechten kann zumindest theoretisch durch ein rein privates System ohne die Mitwirkung jeglicher öffentlicher Stellen vorgenommen werden, wenn auch in der Praxis eine Eintragung in nahezu allen Fällen erfolgt. 4 Sefrin, MittBayNot 2010, 268, 274. Siehe beispielsweise zur Grundbuchfähigkeit der BGB-Gesellschaft Hertel, DNotZ 2009, 121, 122 ff.; Ruhwinkel, MittBayNot 2009, 177, 189, zum Anspruchsaustausch bei der Eigentumsvormerkung Demharter, MittBayNot 2008, 214, 216; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1488 und zum Baulastenverzeichnis als „Nebengrundbuch“ m.w.N. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3197 ff. („völliger Mißgriff“). 5 Schmid/Lee/Fink et al., Study Conveyancing Services Market, S. 195 f. Dies wird wiederum von einer Studie, die im Auftrag verschiedener Notarverbände angefertigt wurde, bestritten. Siehe hierzu Murray, Real Estate Conveyancing in 5 European Union Member States. Siehe hierzu auch im Lichte des kürzlich ergangenen EuGH-Urteils (EuGH, DNotZ 2011, 462) Schmid/Pinkel, NJW 2011, 2928, dort vor allem S. 2930. Siehe auch Sefrin, MittBayNot 2010, 268, 274, der die Studie von Schmid/Lee/Fink et al. als „Angriff auf unser bewährtes lateinisches Notariat und das deutsche Grundbuchsystem“ bezeichnet.

A. Einführung in die Thematik

3

Die konkrete Ausgestaltung, rechtliche Wirkung und Funktion des in den Vereinigten Staaten üblichen Registersystems ist nicht vergleichbar mit dem deutschen System. Es besteht lediglich aus einer Sammlung aller Übertragungsurkunden im Zuständigkeitsbereich eines Registeramts. Zur Ermittlung aller an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse bedarf es einer eingehenden Analyse aller Dokumente. Der große Unterschied zum deutschen Recht ist nicht nur auf die Zugehörigkeit der Vereinigten Staaten zum angelsächsischen Rechtskreis des Common Law zurückzuführen,6 sondern auch auf eine durch die individuelle Freiheit aller Marktteilnehmer geprägte und stark ökonomisch ausgerichtete Rechtsordnung, die sich grundsätzlich zurückhaltend gegenüber staatlichen Vorgaben verhält. Trotz der großen Unterschiede im Grundstücksrecht sind die Interessen der Teilnehmer an Grundstücksgeschäften in beiden Ländern vergleichbar. Von beiden Rechtsordnungen wird erwartet, dass sie dem Rechtsverkehr ausreichende Instrumente zur Sicherung des Grundstückerwerbs zur Verfügung stellen. Grundstücksgeschäfte, also Erwerb und Veräußerung, aber auch die Verwendung als Sicherungsgut, müssen ohne größere Risiken für die Beteiligten durchführbar sein. Grundsätzlich kann eine solche Sicherheit und damit auch die Funktionsfähigkeit der Grundstücksmärkte in Deutschland und den Vereinigten Staaten – wie sicherlich in allen entwickelten Staaten – nicht bestritten werden. In beiden Ländern stehen ausreichende Sicherungsinstrumente zur Verfügung, die den Interessen der Beteiligten gerecht werden. Nichtsdestotrotz steht das deutsche Grundstücksrecht in internationalen Studien im Vergleich mit den Vereinigten Staaten nicht gut da. Es belegt im Doing-Business-Bericht der Weltbank7 in der Kategorie Registering Property nur Platz 89,8 die Vereinigten Staaten sind hingegen auf Platz 259 zu finden. Die Untersuchungskriterien der Weltbank beschränken sich jedoch lediglich auf die Kosten, die Dauer sowie den Umfang des öffentlichen Verfahrens beim Grundstückserwerb und lassen das Niveau der gewährten Sicherheit weitgehend außen vor. In der Kategorie „Schutz von Eigentumsrechten“ im Global-Competitiveness-Report des Weltwirtschaftsforums ist Deutschland hingegen auf Platz 15 gelistet, die Vereinigten Staaten sind erst auf Platz 33 6

Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten haben einige Länder des CommonLaw-Rechtskreises seit Mitte des 19. Jahrhunderts neue Grundstücksregister eingeführt, die dem deutschen Grundbuchsystem ähneln (das sogenannte Torrens-System), z.B. Australien, England und Kanada (bis auf Québec). Siehe hierzu unten S. 132. 7 Weltbank/IFC, Doing Business 2015. Das Ranking basiert zu je einem Drittel auf Kosten in Prozent des Grundstückswerts (inklusive Grunderwerbssteuer), Zeitaufwand in Tagen und der Anzahl der notwendigen Verfahrensschritte. 8 Weltbank/IFC, Doing Business 2015, S. 187: Kosten: 6,7 Prozent; Zeitaufwand: 40 Tage; 5 Verfahrensschritte. 9 Weltbank/IFC, Doing Business 2015, S. 241: Kosten: 2,4 Prozent; Zeitaufwand: 15,2 Tage; 4,4 Verfahrensschritte.

4

Kapitel 1: Einleitung

zu finden.10 Die abweichenden Ergebnisse der beiden Studien schaffen Grund zu der Annahme, dass das deutsche Grundstücksrecht dem der Vereinigten Staaten zwar im Hinblick auf Kosten, Komplexität sowie bürokratischen und zeitlichen Aufwand unterlegen ist, auf der anderen Seite jedoch einen höheren Schutz für den Rechtsverkehr gewährt. Eine genaue Aussage über die tatsächliche Sicherheit der Grundstücksrechte und des Grundstückserwerbs lassen beide Studien nicht zu. Der Doing-Business-Bericht lässt diese weitgehend außen vor, und die Untersuchung der Weltbank basiert hauptsächlich auf einer Umfrage führender Geschäftsleute.11 Er stellt damit folglich keine umfassende, auf Tatsachen basierende rechtliche Analyse dar. II.

Das Grundstücksrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen

Obwohl es sich beim Grundstücksrecht um ein klassischerweise wenig internationales12 und sehr statisches Rechtsgebiet handelt, muss sich das deutsche Recht auch in diesem Bereich einem zunehmenden Wettbewerb der Rechtsordnungen stellen.13 Investoren richten ihr Engagement nach Indikatoren, wie sie von der Weltbank oder vom Weltwirtschaftsforum ermittelt werden. Für sie spielen Schnelligkeit und Kosten, aber auch die Sicherheit von Grundstücksgeschäften eine große Rolle. Wenn auch das deutsche Recht mit Schnelligkeit und niedrigen Kosten nicht dienen kann, gewährleistet es auf der anderen Seite mit seinen oft formellen Vorschriften und seiner tiefen Dogmatik sicher andere Vorteile gegenüber dem angloamerikanischen Recht. Privatpersonen und örtlich gebundenen Unternehmen steht im Gegensatz zu Investoren im Bereich des Grundstücksrechts keine Wahlmöglichkeit zu. Sie müssen sich mit den örtlichen Regelungen abfinden. Jedoch könnten auch sie von einer Anpassung des Systems, etwa durch den Abbau von Bürokratie oder geringere Kosten, profitieren.14

10

Schwab, The Global Competitiveness Report 2013–2014, S. 195, 383. Deutschland 5,8 von 7 Punkten; Vereinigte Staaten 5,2 Punkte. 11 Siehe zur Methode Schwab, The Global Competitiveness Report 2013–2014, S. 53 ff. 12 Stöcker, WM 2006, 1941. Siehe aber auch Lehavi, 81 U. Colo. L. Rev. 425 (2010), der herausstellt, dass die Globalisierung auch vor dem Grundstücksrecht nicht Halt macht. 13 Ein Wettbewerb der Rechtsordnungen ist vor allem im Gesellschaftsrecht weit fortgeschritten. Siehe hierzu beispielhaft Sandrock/Wetzler, Deutsches Gesellschaftsrecht im Wettbewerb der Rechtsordnungen, 2004. Siehe einführend zum Wettbewerb der Rechtsordnungen Hauschka, ZRP 1988, 136; Kötz, AnwBl. 2010, 1, 1 f.; bzw. grundlegend im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen im Europäischen Binnenmarkt, 2002; siehe zum Wettbewerb und zur Globalisierung hinsichtlich des Notariats Baumann, MittRhNotK 2000, 1. Siehe für Überlegungen zu einer europäischen Registervereinheitlichung Rupp, AcP 2014 (214), 567 ff. 14 In diesem Sinne vor allem Schmid/Lee/Fink et al., Study Conveyancing Services Market.

A. Einführung in die Thematik

5

Gerade in diesem Zusammenhang wird das deutsche Recht oftmals mit dem angloamerikanischen verglichen. Vor allem im Wirtschaftsrecht ist der Einfluss des angloamerikanischen Rechts omnipräsent.15 In diesem Bereich führt das weltweite wirtschaftliche Engagement von Unternehmen aus den Vereinigten Staaten zu einem wahrhaften „Rechtsexport“. Aber der Einfluss geht auch über das klassische Wirtschaftsrecht hinaus. Das vermeintlich vom ausländischen Recht unabhängige deutsche Grundstücksrecht musste sich zumindest teilweise den „Angriffen“ des angloamerikanischen Rechts geschlagen geben. So musste etwa das (angeblich) langsame und unflexible deutsche Grundstücksrecht bei einer großen Immobilientransaktion im Jahr 2006 durch Instrumente des angloamerikanischen Rechts ergänzt werden. Bei der Übertragung von über 160.000 Eigentumswohnungen bzw. der damit zusammenhängenden Verbriefung von Grundschuldforderungen war es nicht möglich, bis zum Abschluss der Transaktion sämtliche Grundstücksrechte im Grundbuch zu überprüfen sowie Eigentumsänderungen und Belastungen vorzunehmen. Die Grundbuchämter waren mit der schieren Masse an Eintragungen überlastet und konnten diese nicht schnell genug abarbeiten. Zur zwischenzeitlichen Absicherung der Transaktion wurde auf die in den Vereinigten Staaten bei sämtlichen Grundstücksgeschäften übliche Rechtsmängelversicherung (title insurance) zurückgegriffen. Das Restrisiko hinsichtlich Eigentümerstellung und dinglicher Belastungen wurde über einen in Europa agierenden Rechtsmängelversicherer abgewickelt.16 Auch wenn es sich hier um einen (extremen) Ausnahmefall im Rahmen einer sehr großen Transaktion handelte, muss sich die deutsche Rechtsordnung auch im Bereich des Grundstücksrechts des Einflusses und damit der Konkurrenz des angloamerikanischen Rechts zumindest bewusst sein und sich im Zweifel seiner erwehren. Nach dieser Übertragung ist die title insurance, soweit ersichtlich, nicht mehr in Deutschland verwendet worden. Zumindest vereinzelt werden auch in den Vereinigten Staaten die Vorteile des deutschen Grundstücksrechts mit dessen Kombination aus Grundbuch und Notar erkannt. Gerade im Zusammenhang mit der Finanzkrise im Jahr 2007 und dem folgenden Zusammenbruch des Immobilienmarkts haben sich die Probleme, die mit der Struktur und Ausgestaltung des angloamerikanischen Grundstücksrechts zusammenhängen, gehäuft.17 Zumindest in der Krise 15

Kühne, in: Das deutsche Wirtschaftsrecht unter dem wachsenden Einfluss des USamerikanischen Rechts, 2010, S. 253, 253. 16 Commercial Property News, 9.1.2006, Title Insurance Backs Record European CMBS Transaction. Siehe auch First Title, Pressemitteilung vom 20.2.2007 (Santa Ana (Cal.) und Frankfurt), Frankfurt Location Offers Geographic Benefit to Europe’s Leading Title Insurer. 17 Hierzu gehören etwa die rechtlichen Unsicherheiten bei Zwangsvollstreckungen. Siehe nur die zahlreichen Probleme im Zusammenhang mit den sogenannten robo-signern, die ohne ausreichende Kontrolle – fast schon maschinell – massenweise Zwangsvollstreckun-

6

Kapitel 1: Einleitung

scheint sich das formalistische und bürokratische deutsche Recht bewährt zu haben. Der Finanzmarktexperte der Yale University Shiller befürwortet beispielsweise die Beratung von Hypothekennehmern durch eine am Vorbild des deutschen Notars orientierte unabhängige Person. Die Hypothekennehmer könnten so zumindest vor „skrupellosen Anbietern“ geschützt werden.18 Das deutsche Recht scheint zudem wesentlich weniger anfällig für moderne Betrugsformen im Grundstücksrecht, wie mortgage fraud oder house stealing,19 zu sein.20 Darüber hinaus muss sich das deutsche Recht auch dem Wettbewerb der Rechtsordnungen im Rahmen des „Rechtsexports“ in andere Länder stellen.21 Gerade in aufstrebenden Entwicklungsländern stellt sich oft die Frage, auf Grundlage welchen Rechtssystems das eigene Recht entwickelt bzw. angepasst wird. Das wirtschaftliche Engagement von Unternehmen aus den Vereinigten Staaten bringt oftmals Teile der angloamerikanischen Rechtsordnung bzw. zumindest deren Rechtsvorstellung mit sich.22 Auf der anderen Seite passen Länder ihr lokales Recht an, um mögliche Hindernisse durch die eigene Rechtsordnung zu vermindern und so die eigene Attraktivität für Investitionen zu steigern. In diesem Bereich ist der „Export“ des deutschen Rechts sicher noch nicht so weit fortgeschritten und kann seine internationale Stellung noch ausweiten.23 In diesem Zusammenhang hat 2008 das Bundesministerium der Justiz gemeinsam mit zahlreichen deutschen Justizorganisationen24 das „Bündnis für das deutsche Recht“ geschlossen und die Initiative „Law – Made in Ger-

gen in Gang gesetzt haben; siehe m.w.N. Banks, 29-JAN Am. Bankr. Inst. J. 54 (2011) sowie Limmer, ERCL 2013, 387, 407. 18 Shiller, Die Subprime-Lösung, 2008, S. 140; siehe auch Limmer, ERCL 2013, 387, 390. 19 Sowohl mortgage fraud als auch das house stealing basieren auf dem Identitätsdiebstahl, der es dem Betrüger ermöglicht, ein nicht ihm gehörendes Grundstück (zwar nicht wirksam) zu veräußern bzw. hieran eine Hypothek zu bestellen und so einen beträchtlichen Schaden auszulösen. Siehe Näheres unten S. 414. 20 Franzmann, MittBayNot 2009, 346, 353. 21 Ähnlich Kühne, in: Das deutsche Wirtschaftsrecht unter dem wachsenden Einfluss des US-amerikanischen Rechts, 2010, S. 253, 264. 22 Siehe im Hinblick auf den Einfluss der Vereinigten Staaten auf die Rechtsentwicklung nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, der unter anderem auch von staatlichen Institutionen gefördert wurde, deLisle, 20 U. Pa. J. Int’l Econ. L. 179 (1999). 23 Ähnlich Kühne, der die teilweise behauptete Überlegenheit des Common Law über das Civil Law nicht in allen Rechtsgebieten sieht. Kühne, in: Das deutsche Wirtschaftsrecht unter dem wachsenden Einfluss des US-amerikanischen Rechts, 2010, S. 253, 266. 24 Bundesnotarkammer, Bundesrechtsanwaltskammer, Deutscher Anwaltsverein, Deutscher Juristinnenbund, Deutscher Notarverein und Deutscher Richterbund.

A. Einführung in die Thematik

7

many“25 ins Leben gerufen.26 Die Position des deutschen Rechts soll im internationalen Wettbewerb gestärkt werden.27 Als eines der herausragenden Elemente des deutschen Rechts wird hier auf das Grundbuch mit seiner zentralen Funktion zum Schutz von Grundstücksrechten hervorgehoben.28 Seit Februar 2011 besteht auch eine deutsch-französische Initiative,29 welche die Vorteile des kontinentaleuropäischen Rechts in den Mittelpunkt stellt.30 Unter anderem wird hier auf das kontinentale Immobilienrecht hingewiesen, welches durch Grundbuch und Notar geprägt ist. Es gewährleiste ein hohes Maß an Rechtssicherheit und beuge Rechtsstreitigkeiten vor.31 Der kontinentale Rechtskreis bringt sich hier ganz klar gegen das durch die Vereinigten Staaten und England dominierte Common Law in Stellung. Gerade im Bereich des Grundstücksrechts wird mit den Vorteilen des Grundbuchsystems geworben, welches von vielen Entwicklungsländern mit Unterstützung der Länder des kontinentalen Rechts eingeführt wurde oder wird.32 Die beiden letztgenannten Initiativen zeigen besonders deutlich, dass der Wettbewerb der Rechtsordnungen auch im Bereich des Grundstücksrechts eröffnet ist. Es stellt sich die Frage, inwieweit sich das deutsche Recht hier gegenüber dem Common Law behaupten kann. Mag das deutsche Recht dem angloamerikanischen hinsichtlich Kosten und Effizienz unterlegen sein, kann es diesen Nachteil doch eventuell durch ein höheres Sicherheitsniveau ausgleichen und als Beispiel für andere Staaten dienen. Weiterhin zeigt die Dis-

25

Die in diesem Zusammenhang herausgegebene Broschüre (Bundesnotarkammer/Bundesrechtsanwaltskammer et al., Law – Made in Germany, 2014) ist eine Antwort auf die Broschüre der britischen Anwaltsvereinigung England and Wales: The Jurisdiction of Choice; Kötz, AnwBl. 2010, 1, 2. Im Jahr 2014 ist bereits die 3. Auflage der Broschüre erschienen. 26 Ansporn für die Herausgabe einer solchen Broschüre in Deutschland war unter anderem der offene Brief von Triebel, AnwBl. 2008, 305, 308. 27 Siehe Bundesnotarkammer/Bundesrechtsanwaltskammer et al., Law – Made in Germany, (besucht am 4.8.2015). 28 Bundesnotarkammer/Bundesrechtsanwaltskammer et al., Law ‒ Made in Germany, 2014, S. 12 ff. 29 An der Initiative wirken folgende Institutionen mit: Association des Juristes Français et Allemands; Bundesnotarkammer; Bundesrechtsanwaltskammer; Conseil National des Barreaux; Conseil Supérieur du Notariat; Deutscher Anwaltverein; Deutscher Notarverein; Deutscher Richterbund; Fondation pour le Droit Continental; Université Paris PanthéonAssas Paris II. 30 Siehe Association des Juristes Français et Allemands/Bundesnotarkammer et al., Kontinentales Recht, (besucht am 4.8.2015). 31 Association des Juristes Français et Allemands/Bundesnotarkammer et al., Kontinentales Recht, 2011, S. 14 f. 32 Association des Juristes Français et Allemands/Bundesnotarkammer et al., Kontinentales Recht, 2011, S. 15.

8

Kapitel 1: Einleitung

kussion in Europa über die Rolle des Notars beim Grundstückserwerb, dass auch ein innereuropäischer Wettbewerb und Reformdruck bestehen.

B. Forschungsstand B. Forschungsstand

Sowohl die Sicherungsinstrumente des deutschen Rechts als auch des angloamerikanischen Grundstücksrechts sind bisher in der deutschen Literatur nicht eingehend behandelt worden. Das Grundstücksrecht der Vereinigten Staaten wird in einschlägigen Lehrbüchern zur Einführung in das (Zivil-)Recht der Vereinigten Staaten regelmäßig nur kurz und überblicksartig dargestellt.33 Weiterhin wird in der deutschen Literatur zum Sachenrecht im Rahmen einer rechtsvergleichenden Behandlung teilweise das angloamerikanische Recht am Rande erörtert.34 Umfassende (rechtsvergleichende) Studien existieren lediglich hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte des Grundstücksrechts. Hierzu gehört unter anderem die Betrachtung des Grundstückskaufrechts verschiedener wichtigster Rechtskreise von von Hoffmann, der auch das Verfahrensrecht am Rande behandelt.35 Er bezieht sich jedoch nicht ausschließlich auf die Mutterrechtsordnung, sondern zieht zu einzelnen Thematiken und Problemen verschiedene Repräsentanten des jeweiligen Rechtskreises heran. Auf diese Weise sichert er die Darstellung vielfältiger, mitunter origineller Lösungen einzelner Rechtsprobleme. Das angloamerikanische Recht wird an zahlreichen Stellen erörtert und zum Vergleich herangezogen. Eine durchgängige und umfassende strukturelle Einbeziehung aller bedeutenden Facetten des Grundstücksrechts der Vereinigten Staaten erfolgt jedoch nicht, sodass ein Vergleich zum deutschen Recht nicht durchgängig möglich ist. Im Bereich des Grundstücksregisterrechts ist, neben der vereinzelten kurzen Beschreibung des angloamerikanischen recording of land titles als Gegenentwurf zum deutschen Grundbuchsystem,36 die Abhandlung von Metzlers zu nennen.37 Dessen wohl teilweise auch veraltete rechtsvergleichende Untersuchung betrachtet die Grundbuchsysteme verschiedener Common-LawLänder sowie Deutschlands. Die Darstellung erfolgt jedoch weitestgehend isoliert vom Vorgang des Grundstückserwerbs. 33 So beispielsweise bei Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 436 ff.; Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 131–156; Elsing/Alstine, USamerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht, 1999, Rn. 367 ff.; Treumann/ Peltzer/Kuehn, US business law, 1990, S. 108 ff. 34 So etwa bei Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, §§ 64 Rn. 46 ff., 110 ff. 35 Von Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, 1982. 36 So beispielsweise bei Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 59 ff. 37 Von Metzler, Das anglo-amerikanische Grundbuchwesen, 1966.

C. Methoden

9

Mit der Funktion des Notars als neutralem Rechtsberater beschäftigen sich Murray und Stürner ausführlich. Sie gehen hierbei unter anderem auch umfassend auf das angloamerikanische Grundstücksrecht, vor allem den Grundstückserwerb, ein.38 Neben den Werken von von Hoffmann und von Metzler bestehen noch vereinzelte Abhandlungen und Beiträge, die einzelne Probleme und Institute des angloamerikanischen Grundstücksrechts darstellen.39 Im Bereich der Grundpfandrechte, die auf Grund der Subprime-Krise in den Vereinigten Staaten hochaktuell sind, beschäftigt sich Böning umfassend mit dem Recht der Vereinigten Staaten und Deutschlands.40 Hierbei geht sie auf die für Grundpfandrechte relevanten Gesichtspunkte des Grundstücksregisters sowie der title insurance ein. In diesem Bereich bestehen wohl auf Grund der praktischen Relevanz vereinzelt weitere Beiträge.41

C. Methoden C. Methoden

I.

Funktionaler Rechtsvergleich

Ein Rechtsvergleich ist mehr als nur die Darstellung eines speziellen Rechtsproblems bzw. eines kompletten Rechtsgebietes in einem ausländischen Recht.42 Erst die Bezugnahme auf das Recht eines anderen Landes und spezifische vergleichende Überlegungen führen zu einem Rechtsvergleich im eigentlichen Sinne.43 Die rechtsvergleichende Betrachtung beginnt in der Regel mit einer bestimmten Fragestellung bzw. Arbeitshypothese. Diese soll durch die Untersuchung und den Vergleich von zwei oder mehr ausländischen Rechten beantwortet bzw. nachgewiesen werden.44 Ausgangspunkt der Formulierung der Fragestellung ist jedoch keine bestimmte rechtliche Regelung, sondern die Lösung eines grundsätzlichen, übergreifenden Problems.45 Die 38

Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 127 ff. 39 Beispielsweise: Jacobs, Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971; Conrad, Die Ersitzung im Liegenschaftsrecht der USA, 1963; Saalfrank, JR 1950, 494. 40 Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011. 41 So beispielsweise Kaufmann, in: Praktikerhandbuch Auslandssicherheiten, 2010, S. 769; Mühl, Recht der Kreditsicherheiten in den Vereinigten Staaten von Amerika Teil II, 1985; sowie aus volkswirtschaftlicher Sicht ‒ jedoch wird die Grundstücksfinanzierung auch unter rechtlichen Gesichtspunkten betrachtet ‒ Albrecht, Das System der USamerikanischen Wohnungsfinanzierung, 2004. 42 Dies würde man eher als Länderbericht bezeichnen. 43 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 6. 44 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 33. 45 Siehe ausführlich auch Sacco, Einführung in die Rechtsvergleichung, 2011, S. 59 ff.

10

Kapitel 1: Einleitung

Erfahrung zeigt, dass in allen Gesellschaften unabhängig von der Rechtsordnung im Wesentlichen die gleichen Probleme existieren.46 Jede Gesellschaft wird die Lösung jedoch auf ihre eigene Weise vornehmen, die durch Rechtsdenken, gesellschaftliche Einstellung und weitere Merkmale geprägt ist. Das grundsätzliche Problem lässt sich nicht alleine durch die direkte Gegenüberstellung von Normen, Rechtsprechung oder Rechtsinstituten lösen. Vielmehr muss die Lösung im jeweiligen Recht aus funktionaler Sicht betrachtet werden.47 Zum Vergleich muss all das, „was dieselbe Aufgabe [und] dieselbe Funktion erfüllt“,48 herangezogen werden. Für den funktionalen Vergleich müssen die verschiedenen Lösungen „aus ihren nur-nationalen dogmatisch[en] Verkrustungen“49 befreit werden. Die Fragestellung erfolgt daher unter funktionellen Aspekten, ohne dass auf Begriffe oder Rechtsinstitute Bezug genommen wird.50 Ausgehend von einer solchen Fragestellung kann die Reichweite des Stoffs, der in den Reichsvergleich einzubeziehen ist, ermittelt werden. Die unterschiedlichen Systematiken und Strukturen der verschiedenen Rechtsordnungen erfordern die Einbindung des Umfelds einer rechtlichen Lösung, um deren Grund zu erfassen, das Verständnis zu fördern und Fehlinterpretationen zu vermeiden.51 Bei der Untersuchung ist der Begriff der Rechtsquelle weit zu verstehen; er umfasst „alles, was das Rechtsleben […] gestaltet oder mitgestaltet“52. Über rein rechtliche, von der Rechtsordnung geschaffene Instrumente hinaus sind auch außerrechtliche Lösungen in die rechtsvergleichende Betrachtung einzubeziehen. So können etwa rechtliche Regelungen in anderen Ländern wegen des Bestehens einer privatwirtschaftlichen Lösung fehlen.53 Nicht zu vergessen ist außerdem die in den Vergleichsländern vorherrschende Rechtskultur,54 die maßgeblichen Einfluss auf die Lösung von rechtlichen Fragestellungen hat. Die unterschiedliche Herangehensweise an Probleme durch die in Deutschland vorherrschende Systematik und Dogmatik auf der einen Seite und die praktische Orientierung des Common Law auf der anderen Seite 46

Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 33. Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 33; Kischel, ZVglRWiss 2005, 10, 15 f. 48 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 33. 49 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 43. 50 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 33. 51 Kischel bezeichnet dies als „Weite des Blicks“ Kischel, ZVglRWiss 2005, 10, 17 ff.; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 34. 52 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 34. 53 Siehe hierzu Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 37 f. und Kischel, ZVglRWiss 2005, 10, 24 f., die beide auf die title insurance verweisen, die auch bei der nachfolgenden Betrachtung eine zentrale Rolle einnehmen wird. Ähnlich Sacco, Einführung in die Rechtsvergleichung, 2011, S. 62 f. 54 Siehe zur Rechtskultur Jayme, RabelsZ 2003, 211. 47

C. Methoden

11

beinhalten Grundannahmen über die Aufgabe und Funktion des Rechts, die beim Rechtsvergleich berücksichtig werden müssen.55 In den Vereinigten Staaten ist hier besonders auf die starke ökonomische Orientierung bei der Lösung rechtlicher Konflikte hinzuweisen.56 Insgesamt birgt eine rechtsvergleichende Untersuchung zahlreiche Fallstricke, die nur bei Beachtung der genannten Zusammenhänge umgangen werden können.57 Diesem Ansatz eines funktionalen Rechtsvergleichs wird auch in der hier vorliegenden Arbeit gefolgt. Es sollen nicht etwa die Grundstücksrechte Deutschlands und der Vereinigten Staaten mit ihrem jeweiligen Registerrecht in Form zweier Länderberichte einander gegenübergestellt werden.58 Im Mittelpunkt steht vielmehr die Frage, wie beide Rechtsordnungen die Sicherheit beim Grundstückserwerb garantieren und auf welche Weise sie die Interessen aller Beteiligten befriedigen. In diesem Zusammenhang kann jedoch nicht auf einen einleitenden Abschnitt in Form zweier Länderberichte verzichtet werden. Diese werden vorangestellt, um als Grundlage für die spätere funktionale, vergleichende Betrachtung der bestehenden Sicherungsinstrumente zu dienen.59 II.

Die Vereinigten Staaten als inhomogene Rechtsordnung

In der Bearbeitung werden die Rechtsordnungen Deutschlands und der Vereinigten Staaten mit Hinblick auf den Grundstückserwerb verglichen. Im Gegensatz zu Deutschland stellen die Vereinigten Staaten mit ihren 50 Bundesstaaten (und Washington D.C.) keinen zivilrechtlich homogenen Rechtsraum dar.60 Die Verfassung der Vereinigten Staaten weist die Gesetzgebungskompetenz bei Fehlen einer Zuweisung an den Kongress, ähnlich wie in Deutschland, den Bundesstaaten zu, Art. 1 Section 8 U.S. Const.61 Für weite Teile des Zivilrechts gibt es keine solche Zuweisung, sodass die Bundesstaaten zuständig sind.62 Auf Grund der Gesetzgebungskompetenz der Bundesstaaten exis55

Kischel, ZVglRWiss 2005, 10, 20. Siehe hierzu ausführlich Posner, Economic analysis of law, 2014. 57 Siehe zu spezifischen Problemen eines Rechtsvergleichs zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten Großfeld, RabelsZ 1975, 5. 58 Zumal in den Vereinigten Staaten ein Länderbericht auf Grund der abweichenden Rechte in den Bundesstaaten nicht ohne Weiteres möglich ist. 59 Diesen Zweischritt empfehlen auch Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 42 ff. 60 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 244 f. 61 Siehe zur Gesetzgebungskompetenz in den Vereinigten Staaten Brugger, Einführung in das öffentliche Recht der USA, 2001, S. 62 ff. 62 Besonders deutlich werden die Unterschiede bei der Betrachtung der Zivilrechtsordnung von Louisiana. Diese folgt auf Grund der historischen Entwicklung weitgehend dem Rechtssystem von Frankreich und Spanien. Das Zivilrecht orientiert sich somit größtenteils am Civil Law und kann mit Einschränkungen dem kontinental-europäischen Rechtsraum 56

12

Kapitel 1: Einleitung

tiert genau genommen ein angloamerikanisches Zivilrecht überhaupt nicht.63 Es bestehen letztendlich 5064 verschiedene Zivilrechtsordnungen.65 Eine Harmonisierung durch Modellgesetze, wie beispielsweise im Handelsrecht durch den Uniform Commercial Code, hat zwar einige Rechtsgebiete weitgehend vereinheitlicht, im Grundstücksrecht konnte sich – trotz zahlreicher Initiativen66 – allerdings bisher kein Modellgesetz durchsetzen. Die Grundlagen des Grundstücksrechts entspringen jedoch in allen Bundesstaaten dem englischen Common Law und sorgen so für eine gewisse Einheitlichkeit. Das Recht der einzelnen Bundesstaaten hat sich in der Geschichte der Vereinigten Staaten immer mehr von den Regelungen des ursprünglichen Common Law entfernt. Die unterschiedliche Entwicklung hat dazu geführt, dass in den Bundesstaaten einzelne Probleme durchaus unterschiedlich gelöst und heute teilweise (stark) abweichende Grundsätze verfolgt werden. Nichtsdestotrotz besteht noch eine gemeinsame Grundlage, auf die bei der folgenden Betrachtung zurückgegriffen werden kann. Auch in der angloamerikanischen Lehrbuchliteratur wird das Grundstücksrecht als einheitliches Recht behandelt. Es ist Aufgabe des konkreten Rechtsanwenders, sich später vor der Ausübung des eigenen Berufs als Rechtsanwalt oder Richter mit den Besonderheiten des betreffenden Bundesstaats vertraut zu machen. Die folgende Darstellung erfolgt unter Einbeziehung dieser Gesichtspunkte. Das angloamerikanische Grundstücksrecht wird grundsätzlich als (Civil Law) zugeordnet werden. Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 6. Das Recht des Bundesstaates Louisiana mit seiner Mischrechtsordnung, welche sich in einem stetigen „Konflikt“ zwischen dem englischen Common Law und dem französischen und spanischen Recht befindet, wird in der folgenden Betrachtung ausgeklammert. In Louisiana besteht im Gegensatz zu den übrigen Bundesstaaten ein Notarwesen nach lateinischer Tradition. Zudem ähnelt das Grundstücksregister dem kontinental-europäischen Modell, es ist nach spanischem Vorbild ausgestaltet. Siehe zu den Civil Law Notaries in Louisiana sowie dem dortigen Grundstücksrecht kurz Lichtenwimmer/Siebenhaar, MittBayNot 2005, 17. 63 So auch der Supreme Court: „[…] the law to be applied in any case is the law of the state. And whether the law of the state shall be declared by its Legislature in a statute or by its highest court in a decision is not a matter of federal concern. There is no federal general common law.“ Erie R. Co. v. Tompkins, 304 U.S. 64, 78, 58 S.Ct. 817, 114 A.L.R. 1487, 82 L.Ed. 1188, 11 O.O. 246 (1938). 64 Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 1. Der District of Columbia nimmt eine Sonderrolle ein, da es sich zwar um keinen Bundesstaat handelt, jedoch über ein eigenes Rechtssystem verfügt. Die Bundesregierung der Vereinigten Staaten besitzt allerdings bei allen Gesetzen ein Vetorecht, Art. 1 § 8, cl. 17 U.S. Const., Schneebaum, 11 U. D.C. L. Rev. 13 (2008). 65 Zimmermann, in: Amerikanische Rechtskultur und europäisches Privatrecht, 1995, S. 1, 5. 66 Siehe hierzu unten S. 131 und S. 230.

D. Gang der Untersuchung

13

einheitliches Recht beschrieben, lediglich bei Bedarf wird auf Besonderheiten oder Abweichungen zwischen den Bundesstaaten hingewiesen. In der angloamerikanischen Rechtspraxis nehmen die Bundesstaaten New York und Kalifornien als sogenannte leading jurisdictions eine führende Stellung in der Rechtsentwicklung ein.67 Die östlichen Bundesstaaten orientieren sich eher an New York, die westlichen an Kalifornien. In der Darstellung der Rechtslage wird versucht – soweit möglich –, zumindest die Regelungen dieser beiden Bundesstaaten aufzuführen. III. Englische Rechtsbegriffe Bei der Darstellung einer fremden Rechtsordnung stößt man zwangsläufig auf Rechtsbegriffe, deren Bedeutung sich nicht ohne Weiteres durch eine schlichte Übersetzung – selbst mit der Hilfe eines zweisprachigen Fachwörterbuchs – erschließen lässt.68 Wie in jeder Rechtsordnung transportieren Rechtsbegriffe neben ihrem schlichten Wortinhalt die dahinterstehende Dogmatik und Systematik der Rechtsordnung. Gerade das Common Law, wie alle grundlegend vom deutschen Recht abweichenden Rechtsordnungen, erfordert die Verabschiedung von „eigenen juristisch-dogmatischen Vorurteilen“69 in vielen Bereichen. Einzelne Begriffe müssen stets im Kontext mit der gesamten Rechtsordnung bzw. zumindest mit dem konkreten Rechtsgebiet gesehen werden. Zwangsläufig kann die Darstellung einer ausländischen Rechtsordnung nicht ohne die Verwendung ihrer Rechtsbegriffe erfolgen. Nachstehend wird, sofern kein gefestigter und inhaltlich übereinstimmender deutscher Begriff besteht, zum besseren Verständnis der englische verwendet. Nur so können der mit einer Übersetzung zwangsläufig einhergehende inhaltliche Verlust und eine hieraus resultierende Ungenauigkeit vermieden werden. Zudem erlaubt der Bezug auf den englischen Begriff einen schnelleren Einstieg in die weiterführende angloamerikanische Literatur.

D. Gang der Untersuchung D. Gang der Untersuchung

Die Untersuchung beginnt mit der Darstellung des Grundstücksrechts in Form von Länderberichten und mündet in die funktional rechtsvergleichende 67

Blumenwitz, Einführung in das angloamerikanische Recht, 2003, S. 48, 112. Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 4. Es sollte – sofern erforderlich – möglichst ein einsprachiges englisches Fachwörterbuch verwendet werden, wie etwa Black, Black’s Law Dictionary, 2014. Siehe auch Kischel, ZVglRWiss 2005, 10, 11 ff., der in diesem Zusammenhang einige „unterhaltsame“ fehlerhafte Übersetzungen aufführt. Siehe zu Rechtsvergleichung und Sprache auch Sacco, Einführung in die Rechtsvergleichung, 2011, S. 33 ff. 69 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 34. 68

14

Kapitel 1: Einleitung

Betrachtung der Sicherungsinstrumente beider Rechtsordnungen. Im Anschluss an diese Einleitung befasst sich das Kapitel 2 zunächst mit allgemeinen Prinzipien des angloamerikanischen Common Law und einigen sachenrechtlichen Grundlagen beider Rechtsordnungen. Daraufhin werden mit der geometrischen Beschreibung des Grundstücks, den Grundstücksrechten und dem Registersystem für die spätere Darstellung wichtige Grundlagen des Grundstücksrechts erläutert. In Kapitel 3 ist das Grundstückserwerbsverfahren in chronologischer Reihenfolge der notwendigen Schritte bis zum vollständigen Rechtserwerb aufgeführt. Die einzelnen Abschnitte in Kapitel 2 und 3 enthalten jeweils abschließend eine rechtsvergleichende Betrachtung, die bereits Unterschiede beider Rechtsordnungen herausstellt. Die in Kapitel 2 und 3 erlangten Kenntnisse bilden die Grundlage für Kapitel 4. Dieses ermittelt zuerst die Sicherungsinteressen der am Erwerbsverfahren beteiligten Parteien, bevor deren Erfüllung durch beide Rechtsordnungen erläutert wird. Die Lösungen beider Länder werden anhand der wichtigsten Interessen beim Grundstückserwerb dargestellt. Das Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung und einer umfassenden rechtsvergleichenden Betrachtung ab. In Kapitel 5 erfolgen eine kurze Zusammenfassung sowie eine abschließende Bewertung der erlangten Erkenntnisse.

Kapitel 2

Grundlagen Die im folgenden Kapitel dargestellten Grundlagen zum deutschen und angloamerikanischen Grundstücksrecht sind für das Verständnis des Erwerbsverfahrens sowie der Sicherungsinstrumente erforderlich. Darüber hinaus geben die Grundlagen auch schon erste Hinweise auf die Gründe für die unterschiedliche Struktur der Sicherung des Grundstückserwerbs. Diese sind nicht zuletzt auf die Unterschiede zwischen dem kontinentaleuropäischen (Civil Law) und dem angelsächsischen Rechtskreis (Common Law) zurückzuführen. Den Besonderheiten des Grundstücksrechts ist aus diesem Grund eine Darstellung allgemeiner Prinzipien des Common Law vorangestellt, die maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung des materiellen Rechts haben. Darauf folgen einige allgemeine Grundlagen des Sachenrechts beider Rechtsordnungen, welche die Basis für die weitere Bearbeitung bilden. Nachdem die allgemeinen Grundlagen geklärt sind, erfolgt in drei Abschnitten die Darstellung des Grundstücksrechts. Diese umfassen das geometrische Grundstück als tatsächlichen Bezugspunkt von Rechten, die dinglichen Grundstücksrechte sowie den Aufbau und die Funktion der Grundstücksregistersysteme. Die deutsche Rechtslage wird nur kurz erläutert. Für Details wird auf die einschlägige deutsche Literatur zum (Immobiliar-)Sachenrecht verwiesen.1

A. Allgemeine Prinzipien A. Allgemeine Prinzipien

I.

Das angloamerikanische Common Law

Das Recht der Vereinigten Staaten als ein dem Common-Law-Rechtskreis zugehöriges Recht geht auf das englische Recht zurück.2 Nach der Unabhängigkeit im Jahre 1776 hat es sich verselbstständigt und unterliegt nicht mehr dem Einfluss des englischen Rechts.3 Neben dem englischen Recht haben auch Frankreich und Spanien durch die Kolonialisierung weiter Teile der 1 Wie beispielsweise Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009; Wolf/Wellenhofer-Klein, Sachenrecht, 2014; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015. 2 Ausführlich zur historischen Entwicklung Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 233 ff. 3 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 13 ff.

16

Kapitel 2: Grundlagen

heutigen Vereinigten Staaten zur Entwicklung des angloamerikanischen Rechts zu einer eigenständigen Rechtsordnung beigetragen.4 Zumindest am Rande hat auch die deutsche Rechtswissenschaft die Entwicklung des angloamerikanischen Rechts beeinflusst.5 Die Betrachtung des Common Law im Allgemeinen führt zu der Feststellung, dass im Vergleich zum kontinentaleuropäischen Civil Law einige grundlegende Unterschiede bestehen. Das Common Law ist weit weniger durch die Interpretation von Gesetzestexten und einem in sich geschlossenen, durch Dogmatik bestimmten System geprägt. Vielmehr orientiert sich das Recht stark an einzelnen Fallgruppen und am Fallrecht (Präjudizien) mitsamt ihrem ausgeprägten Praxisbezug auf den konkreten Einzelfall.6 Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat jedoch die zunächst langsam einsetzende Gesetzgebung stark zugenommen.7 Das angloamerikanische Recht nähert sich in dieser Hinsicht zwar dem Civil Law mit seinen ausgiebigen Kodifikationen an, behält insgesamt jedoch seinen durch das Fallrecht geprägten Charakter. Es wird heute als ein aus Fallrecht und Gesetzen bestehendes gemischtes System bezeichnet.8 Die Betrachtung von Rechtsproblemen aus einer praxisorientierten Perspektive heraus hat zur Folge, dass keine Einteilung in die bekannten klassischen Rechtsgebiete erfolgt, wie sie etwa das BGB vornimmt. Gerade im Bereich des Sachenrechts werden in der Regel das Recht der beweglichen und das der unbeweglichen Sachen getrennt behandelt. Das Recht beweglicher Sachen wird meist im Zusammenhang mit dem Vertragsrecht bzw. dem Handelsrecht besprochen. Der in sämtlichen Bundesstaaten umgesetzte Uniform Commercial Code (U.C.C.) enthält neben Regelungen des Vertragsrechts auch solche zum Eigentumsübergang von beweglichen Sachen. Eine Betrachtung des Grundstücksrechts in der wissenschaftlichen, aber auch der Lehrbuchliteratur erfolgt hiervon weitgehend isoliert. Neben der dinglichen Seite des Grundstücksrechts werden stets auch schuldrechtliche Fragestellungen wie etwa das Grundstückskauf-, Darlehens- und Mietrecht angesprochen. Ebenso sind regelmäßig Bereiche des öffentlichen Rechts, wie etwa die Bauleitplanung (zoning), Inhalt der Betrachtung des Grundstücksrechts. Schuldrechtliche Komponenten können in der folgenden Darstellung nicht vollstän4

Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 234 f. Siehe m.w.N. Zimmermann, in: Amerikanische Rechtskultur und europäisches Privatrecht, 1995, S. 1, 4 sowie ausführlich Reimann, Historische Schule und Common Law, 1993. 6 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 177. 7 Siehe zu der Entwicklung der Kodifikation in den Vereinigten Staaten Gruning, 39 R.J.T. 153 (2005); Herman, in: Amerikanische Rechtskultur und europäisches Privatrecht, 1995, S. 45. 8 So Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 17; siehe auch Herman, in: Amerikanische Rechtskultur und europäisches Privatrecht, 1995, S. 45, 81. 5

A. Allgemeine Prinzipien

17

dig ausgeblendet werden, da sie vor allem im Rahmen des Grundstückskaufvertrags in maßgeblichem Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb stehen. Öffentlich-rechtliche Fragestellungen werden im Folgenden – sofern sie für die Darstellung von Interesse sind – am Rande diskutiert. 1.

Rechtsquellen der angloamerikanischen Rechtsordnung

a)

Fallrecht und Gesetze – Case Law und statutes

Rechtsquellen des angloamerikanischen Rechts sind sowohl das Richterrecht in Form des Fallrechts (Case Law) als auch das gesetzte Recht in Form von Bundes- oder einzelstaatlichen Gesetzen (statutes). Das Fallrecht basiert auf dem Grundsatz, dass die Untergerichte an die früheren Entscheidungen der Obergerichte9 gebunden sind, dem sogenannten System des stare decisis. Die bindenden Entscheidungen stellen die Präjudizien bzw. Präzedenzfälle dar (doctrine of precedent).10 Nur der für den konkreten Fall entscheidungserhebliche Teil wird zum bindenden Inhalt. Die zusätzlich enthaltenen obiter dicta entfalten keine bindende Wirkung, sondern können lediglich zur Einschätzung der zukünftigen Rechtsentwicklung herangezogen werden.11 Ebenso bezieht sich ein Präjudiz stets nur auf den entschiedenen Einzelfall und nicht auf eine Rechtsfrage im Allgemeinen.12 Aus der Analyse zahlreicher einzelner Entscheidungen lässt sich jedoch auf allgemeine Grundsätze und Prinzipien schließen.13 Frühere Präjudizien können nur von dem höchsten Gericht, das sie aufgestellt hat, verworfen werden (overruling).14 Das Gesetzesrecht nimmt seit Ende des 19. Jahrhunderts mit der Kodifizierung einzelner Rechtsgebiete eine immer größere Rolle ein. Durch Gesetze greift die Legislative regulierend in die Rechtsentwicklung ein.15 Die neu geschaffenen Gesetze nehmen oftmals nur die Rechtslage des bestehenden Fallrechts auf oder sehen lediglich marginale Änderungen vor. Auch den Bereich des Grundstücksrechts haben heute fast alle Bundesstaaten gesetzlich

9

Im Kompetenzbereich der Bundesstaaten die einzelstaatlichen Supreme Courts; bei Bundesrecht der Supreme Court. 10 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 20. 11 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 22. 12 Auf diese Weise kann ein Richter durch geschicktes Interpretieren des Sachverhaltes die bindende Vorgabe eines Präjudizes umgehen; siehe Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 23. 13 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 257. 14 Nur im Einzelfall weichen nachgeordnete Gericht ab, vor allem wenn mit einer Rechtsänderung zu rechnen ist; Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 21. 15 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 24.

18

Kapitel 2: Grundlagen

geregelt.16 Gleichwohl spielt auch im Gesetzesrecht die Rechtsprechung eine entscheidende Rolle. Die Auslegung der Gesetze steht zwar jedem Richter zu, er ist jedoch an die Auslegung der Obergerichte gebunden. Deren Entscheidungen hinsichtlich gesetzlicher Regelungen wirken praktisch wie Präjudizien und überlagern das Gesetzesrecht.17 Die zahlreichen Einzelfallentscheidungen zu Rechtsproblemen dürfen nicht isoliert gesehen werden. Durch ihre Auswertung kann durchaus auf allgemeine Rechtsgrundsätze in einem bestimmten Rechtsgebiet geschlossen werden. Es lässt sich eine allgemeine Systematik und Struktur bilden, die wiederum Rückschlüsse für die Lösung von Einzelfällen zulässt. Gerade das Immobiliarsachenrecht gilt als eines der Rechtsgebiete, das im angloamerikanischen Recht durch ein hohes Maß an Systematik geprägt ist.18 Zur Lösung eines Einzelfalls muss der Rechtsanwender jedoch stets eine Vielzahl von verschiedenen Gerichtsentscheidungen heranziehen und diese auswerten. Erschwerend kommt die in den einzelnen Bundesstaaten teilweise voneinander abweichende Rechtslage hinzu. Insgesamt kann im Bereich der Rechtsquellen festgestellt werden, dass trotz der fortschreitenden Kodifizierung das Recht der Vereinigten Staaten immer noch hauptsächlich durch das Richterrecht und den Bezug auf Präjudizien geprägt ist. b)

Systematisierung des Fallrechts

Die zahlreichen Gerichtsentscheidungen, die in der Regel zu einem bestimmten Rechtsgebiet, aber auch zu einzelnen Rechtsfragen, ergangen sind, sind in der Praxis teilweise kaum mehr zu überblicken. Der Aufgabe, Übersicht zu schaffen, hat sich das im Jahre 1923 gegründete American Law Institut (ALI) angenommen.19 Es handelt sich um eine privatrechtliche Vereinigung, die von Rechtsanwälten, Richtern und Professoren ins Leben gerufen wurde. Als zentrale Aufgabe setzt sich das ALI für eine Verdeutlichung und Vereinfachung des Rechts ein.20 Zunächst versucht es eine Systematisierung der zahl16 So beispielsweise mit dem California Civil Code von 1872 (dort §§ 654 ff.) und dem New York Real Property Law von 1909. 17 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 19 f. 18 Obwohl das Immobilliarsachenrecht als eines der schwersten Rechtsgebiete der Vereinigten Staaten gilt (Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn.428), ähnelt es dem Civil Law mehr als andere Rechtsgebiete. Einem im kontinentaleuropäischen Recht ausgebildeten Juristen steht dieses Rechtsgebiet näher. Ähnlich Reimann/Ackmann, Einführung USPrivatrecht, 2004, S. 131 f. 19 Siehe zur Geschichte des ALI Zekoll, in: Globalisierung und Entstaatlichung des Rechts, 2008, S. 101, 103 ff.; Frank, 26 Hofstra L. Rev. 615 (1998). 20 „The particular business and objects of the society are educational, and are to promote the clarification and simplification of the law and its better adaptation to social needs, to secure the better administration of justice, and to encourage and carry on scholarly and

A. Allgemeine Prinzipien

19

reichen Einzelfallentscheidungen vorzunehmen. Weiterhin trägt es zum Einhalt der fortschreitenden Rechtszersplitterung zwischen den einzelnen Bundesstaaten bei und strebt an, diese rückgängig zu machen.21 Das ALI erarbeitet die sogenannten Restatements of Law.22 Diese behandeln einzelne Themenbereiche des Zivilrechts23 anhand der Rechtsprechung und stellen allgemein formulierte Rechtssätze auf.24 Sie bilden das aktuelle Recht umfassend ab und ähneln den Gesetzbüchern bzw. Kommentaren des Civil Law.25 Die Restatements entfalten jedoch keine unmittelbare rechtliche Wirkung.26 Verbindlich werden sie erst durch die Übernahme der Regelungen in die Rechtsprechung der Obergerichte der Bundestaaten, die sie als Präjudizien für zukünftige Fälle anwendbar machen. Insgesamt hat die Arbeit des ALI mit den Restatements in weiten Teilen zu einer Rechtsvereinheitlichung beigetragen und genießt heute große praktische Relevanz.27 Neben den Arbeiten des ALI findet eine Systematisierung des Fallrechts auch in den umfangreichen Darstellungen zu bestimmten Themenkomplexen in sogenannten treatises statt. Gerade im Bereich des Grundstücksrechts,28 aber auch in anderen Rechtsgebieten,29 existieren solche Abhandlungen in Form von Loseblattsammlungen bzw. Onlinedatenbanken, die stets aktualisiert werden. Zudem wird in den jeweils mehrbändigen Sammlungen „Corpus Juris Secundum“ (CJS) und „American Jurisprudence“ (Am. Jur.) das Fallrecht der Vereinigten Staaten sortiert nach zahlreichen Oberbegriffen dargestellt.30 c)

Rechtsvereinheitlichung durch Modellgesetze

Die Gesetzgebungskompetenz der Bundesstaaten im Bereich des Zivilrechts verhindert, dass der Bund für alle Bundesstaaten geltende Gesetze schaffen scientific legal work.“ ALI, Certificate of Incorporation, (besucht am 23.8.2015). 21 Zekoll, in: Globalisierung und Entstaatlichung des Rechts, 2008, S. 101, 105. 22 Siehe zu den Restatements im Allgemeinen Jansen, The making of legal authority, 2010, S. 50 ff. 23 Z.B. zum Eigentum: Restatement of Property (First) von 1936. Siehe eine Liste der Projekte ALI, Current Projekts, (besucht am 2.8.2015). 24 Zekoll, in: Globalisierung und Entstaatlichung des Rechts, 2008, S. 101, 108; Blumenwitz, Einführung in das angloamerikanische Recht, 2003, S. 119 f. 25 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 32; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 246 f. 26 Zekoll, in: Globalisierung und Entstaatlichung des Rechts, 2008, S. 101, 115, siehe dort auch zu den Ausnahmen. 27 Zekoll, in: Globalisierung und Entstaatlichung des Rechts, 2008, S. 101. 28 Dort vor allem Powell, The law of real property (17 Bände). 29 Wie dem Vertragsrecht, dort z.B. Lord, Williston on Contracts (31 Bände). 30 Blumenwitz, Einführung in das angloamerikanische Recht, 2003, S. 130 f.

20

Kapitel 2: Grundlagen

kann. Eine Vereinheitlichung des Rechts kann nur erfolgen, wenn die Legislativen aller Bundesstaaten übereinstimmend die gleichen Regelungen beschließen.31 Mit der Ausformulierung von Vorschlägen, die in allen Bundesstaaten beschlossen werden sollen, beschäftigt sich die National Conference of Commissioners on Uniform State Laws (NCCUSL)32. Sie trat im Jahre 1892 erstmals zusammen und arbeitet seitdem Modellgesetze (sogenannte Uniform Laws oder Uniform Acts) aus. Diese beschäftigen sich sowohl mit einzelnen Rechtsfragen, teilweise aber auch mit ganzen Rechtsgebieten, die für eine inneramerikanische Rechtsvereinheitlichung besonders regelungsbedürftig erscheinen.33 Bisher wurden zahlreiche Gesetzesvorschläge in den verschiedensten Rechtsgebieten entworfen, welche mitunter sehr erfolgreich waren und die viele, teilweise sogar alle Bundesstaaten umgesetzt haben.34 Das bekannteste und auch erfolgreichste Modellgesetz ist der U.C.C., der unter anderem weite Teile des Kauf- und Handelsrechts vereinheitlicht. Er gilt mit wenigen Einschränkungen in allen Bundesstaaten und wurde schon mehrfach überarbeitet.35 Doch selbst die weit reichende Umsetzung eines Modellgesetzes garantiert keine vollständig einheitliche Rechtslage zwischen den Bundesstaaten. Im Gesetzgebungsprozess der Bundesstaaten werden oftmals einzelne Regelungen nicht oder nur in veränderter Form übernommen. Zudem kann durch das Fehlen einer bundeseinheitlichen Rechtsauslegung eines letztzuständigen Obergerichts keine einheitliche Rechtsauslegung und Rechtsanwendung entstehen.36 Neben den erfolgreichen Initiativen finden sich auch Entwürfe, die zwar komplett ausformuliert sind, deren Umsetzung jedoch von zahlreichen oder allen Bundesstaaten abgelehnt wurde. Hierzu zählen unter anderem der Uniform Land Transactions Act (ULTA) von 1975 und der Uniform Simplification of Land Transfers Act37 (USLTA) von 1976. Beide Entwürfe sollten das 31 Siehe zur Rechtsvereinheitlichung auch Gray, RabelsZ 1986, 111; Stein, RabelsZ 1986, 166. 32 Siehe die Website der NCCUSL, Uniform Law Commission, (besucht am 2.8.2015). Die NCCUSL ist ein nationales Gremium und besteht aus Fachleuten aller Bundesstaaten. 33 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 247. 34 Siehe eine komplette Liste aller bisher geschaffenen Modellgesetze unter NCCUSL, Uniform Law Commission, Acts, (besucht am 2.8.2015). 35 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 18. 36 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 18; Reimann/Ackmann, Einführung USPrivatrecht, 2004, S. 7. 37 Dieser wird heute von der NCCUSL als sogenannter Model Act betrachtet. Model Acts werden u.a. auch von der NCCUSL entworfen, sie behandeln Probleme, die in allen Bundesstaaten bestehen, eine einheitliche Gesetzgebung wird jedoch nicht für zwingend erforderlich erachtet.

A. Allgemeine Prinzipien

21

Grundstücksrecht und die Übertragung von Grundstücksrechten vereinheitlichen.38 2.

Billigkeitsrecht – Equity

Ein besonderes Merkmal des Common Law ist das umfangreiche Billigkeitsrecht (equity)39, das auch heute noch im angloamerikanischen Recht zu finden ist. Im ursprünglichen englischen Common Law des Mittelalters waren Klagen nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen möglich und meist auf einen Schadensersatz in Geld beschränkt. Zudem konnten im Prozess keine Einwendungen wegen Bösgläubigkeit oder Rechtsmissbrauch geltend gemacht werden. Diese Lücke wurde im Common Law durch die direkte Anwendung der königlichen Gewalt und die Berufung auf die allgemeine Billigkeit gelöst.40 Für solche Verfahren, die sich auf die Billigkeit beriefen, waren von der ordentlichen Rechtsprechung unabhängige, selbstständige Gerichte zuständig. Die englischen Kolonien in Nordamerika übernahmen die grundsätzliche Unterscheidung von zwei Verfahren bzw. Gerichtszweigen, solche in law und solche in equity. Die Vereinigten Staaten haben die Trennung beginnend mit dem Zivilprozessrecht New Yorks von 184841 bis heute in allen Bundesstaaten abgeschafft.42 Die bundesweite Zivilprozessordnung von 1938 hat die Regelungen des New Yorker Gesetzes und die parallelen Regelungen in den übrigen Bundesstaaten abgelöst.43 Heute existiert nur noch ein einziges Verfahren, welches sowohl Ansprüche in law als auch in equity umfasst und von allen Gerichten angewendet wird. Die Unterscheidung zwischen beiden Verfahrensarten ist jedoch auch noch in der heutigen Gerichtspraxis relevant. Ein Geschworenenprozess kann

38

Siehe zu beiden Modellgesetzen und den Gründen für das Scheitern einer Umsetzung unten S. 131 und S. 230. 39 Lat. aequitas, dt. Gleichheit. 40 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 6 ff.; Reimann/Ackmann, Einführung USPrivatrecht, 2004, S. 166. 41 Siehe dort § 69; abgedruckt bei Commissioners on Practice and Pleadings, The Code of Civil Procedure of the State of New York, 1850. Das Gesetz wird auch Field Code genannt, nach David Dudley Field, der maßgeblich an der Ausarbeitung beteiligt war. 42 Andere Bundesstaaten übernahmen im Folgenden die Regelungen New Yorks, etwa Kalifornien bereits im Jahr 1850. Siehe zum Ablauf der Verbreitung in den übrigen Bundesstaaten Hepburn, The historical development of code pleading in America and England, 1897; ND 2002, S. 87 ff. sowie zur weiteren historischen Entwicklung Bone, 89 Colum. L. Rev. 1 (1989). In England existiert eine Trennung der Gerichte seit 1873 ebenfalls nicht mehr. 43 Siehe § 2 FRCP.

22

Kapitel 2: Grundlagen

nach dem siebten Zusatzartikel der Verfassung44 für Zivilprozesse nur nach Common Law mit einem Streitwert von mehr als 20 Dollar gefordert werden.45 Der Verfassungszusatz versteht unter einem Prozess nach Common Law Ansprüche in law und gerade nicht solche in equity.46 Im Zusammenhang mit dem Grundstücksrecht finden sich zahlreiche Ansprüche, die dem equity zugeordnet werden. Dem Gläubiger eines Grundstücksrechts kann mit der Gewährung eines Schadensersatzes in Geld (ein Anspruch in law) oft nicht geholfen werden. Meist steht das Erlangen (ein Anspruch in equity) eines konkreten Grundstücks im Vordergrund.47 3.

Gerichtsorganisation

Die Gerichtsorganisation in den Vereinigten Staaten setzt sich aus den Gerichtszügen der Bundesstaaten und denen des Bundes zusammen.48 Die Gerichte der Bundesstaaten sind höchst unterschiedlich organisiert. Die wichtigen zivil- und strafrechtlichen Verfahren werden in erster Instanz vor dem Einzelrichter und in den vorgesehenen Fällen vor Geschworenen verhandelt. In den meisten Bundesstaaten bestehen zwei Instanzen, in den bevölkerungsreichen, größeren hingegen auch drei.49 Die Gerichte des Bundes sind nur in Ausnahmefällen zuständig, etwa wenn die Klage auf Vorschriften des Bundesrechts gestützt wird oder die Prozessparteien Bürger verschiedener Bundesstaaten50 sind.51 Der Instanzenzug des Bundes umfasst die District Courts, die Courts of Appeals als Berufungsgerichte und die bundesstaatlichen Supreme Courts.52 Der Supreme Court als höchstes Bundesgericht ist im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht ein Gericht mit allgemeinen Zuständigkeiten. Es ist sowohl Verfassungsgericht als auch höchste Rechtsmittelinstanz.53

44 „In Suits at common law, where the value in controversy shall exceed twenty dollars, the right of trial by jury shall be preserved“. 45 Siehe hierzu auch Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 11. 46 „By common law, they meant […] in contradistinction to […] equitable rights“, Parsons v. Bedford, Breedlove & Robeson, 28 U.S. 433, 447, 3 Pet. 433, 1830 WL 3875 (U.S.La.), 7 L.Ed. 732 (La. 1830). 47 Siehe in diesem Zusammenhang die Ausführung zur Rolle des Erfüllungsanspruches unten S. 23. 48 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 248. 49 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 249. 50 Zusätzlich muss der Streitwert 75.000 Dollar übersteigen, 28 U.S.C. § 1332; siehe auch Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 111. 51 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 249 f. 52 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 248. 53 Siehe m.w.N. Kau, United States Supreme Court und Bundesverfassungsgericht, 2007, S. 60 ff.

A. Allgemeine Prinzipien

4.

23

Besonderheiten des Zivilprozesses

Der Zivilprozess54 in den Vereinigten Staaten unterscheidet sich vom deutschen Recht vor allem hinsichtlich der Rolle des Richters und der Mitwirkung von Geschworenen. Der Richter spielt im angloamerikanischen Prozess eine eher passive Rolle ein.55 Die aktive Rolle übernehmen die Rechtsanwälte, die durch eigene Darstellung des Sachverhalts und der Rechtslage sowie die Vernehmung der Zeugen im Kreuzverhör die Wahrheit ermitteln sollen. Der Richter überwacht hingegen die Einhaltung der einschlägigen Prozessregeln und befragt in der Regel auch keine Zeugen oder Sachverständigen.56 Die wichtige Rolle des streitigen Vortragens durch die Rechtsanwälte vor Gericht ist der auch heute noch regelmäßigen Verhandlung von Zivilprozessen vor Geschworenen geschuldet. Die Geschworenen57 entscheiden nach dem Prozess ohne Anwesenheit des Richters selbstständig über alle Tatsachen, die Grundlage der späteren Entscheidung sind. Reine Rechtsfragen werden hingegen alleine vom Richter beurteilt.58 In seiner Rolle als Verfahrenshüter ist es seine Aufgabe, die Geschworenen vor subjektiver Beeinflussung, wie durch das Vortragen irrelevanter Tatsachen oder Suggestivfragen an Zeugen und Sachverständige, zu schützen.59 Die Ausgestaltung des Verfahrens zwingt die Rechtsanwälte, ihre Prozessstrategie unter besonderer Berücksichtigung der Geschworenen auszurichten.60 Folge der großen Rolle der Geschworenen und der damit zusammenhängenden, fast ausschließlich mündlich geprägten Verhandlung61 ist der geringe Beweiswert von Urkunden. Ein Urkundenbeweis ist zwar grundsätzlich möglich,62 einen besonderen Beweiswert strahlen (öffentliche) Urkunden hingegen nicht aus.63 5.

Der Erfüllungsanspruch und die ökonomische Betrachtungsweise

Im Gegensatz zum deutschen Recht ist der Erfüllungsanspruch (specific performance) im angloamerikanischen Recht nur unter besonderen Vorausset-

54 Siehe zum Zivilprozessrecht im Allgemeinen Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 149 ff. 55 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 197; Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 268. 56 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 268. 57 Zur Auswahl der Geschworenen Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 198. 58 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 199. 59 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 269 f. 60 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 269. 61 Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 4, v.a. Fn. 33. 62 Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 196. 63 Siehe zu diesem Aspekt im Zusammenhang mit dem Notar nach lateinischem Vorbild unten S. 199.

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Kapitel 2: Grundlagen

zungen durchsetzbar.64 Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus einem Vertrag, steht zunächst ein Schadensersatzanspruch im Vordergrund.65 Der Erfüllungsanspruch ist hierzu lediglich eine (nachrangige) Alternative und liegt im Ermessen des Gerichts.66 Er tritt wie der Rückerstattungsanspruch aus historischen und wirtschaftstheoretischen Gründen meist in den Hintergrund.67 Im Common Law steht dem Gläubiger zur Befriedigung eines Anspruchs seit jeher nur das Vermögen des Schuldners zur Verfügung, also ein Schadensersatzanspruch.68 Lediglich die Billigkeitsrechtsprechung (equity) kann den Schuldner im Ausnahmefall zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen verpflichten. Ein Erfüllungsanspruch kommt nur in Frage, wenn der sonstige Rechtsschutz die Interessen des Gläubigers nicht ausreichend schützt. Die ökonomische Betrachtung des Rechts kommt zu dem Ergebnis, dass die Beschränkung auf einen Schadensersatzanspruch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht sinnvoll ist.69 Die Funktion des Privatrechts als Mittel zur Förderung des Gemeinwohls müsse unmittelbaren Einfluss auf die Durchsetzbarkeit von Verträgen zwischen einzelnen Personen haben. Einem Schuldner ist unter diesem Gesichtspunkt der Bruch eines Vertrags erlaubt. Findet er einen Käufer, der die bereits einem anderen versprochene Sache effizienter gebrauchen kann und einen höheren Preis zahlt, diene der Vertragsbruch letztendlich dem gesamten wirtschaftlichen Nutzen. Die Rechtsordnung könne folglich diesem wirtschaftlich notwendigen Vertragsbruch (efficient breach)70 nicht durch einen Erfüllungsanspruch entgegenstehen. Der Verkäufer, der den Vertrag bricht, habe zuvor eine falsche Entscheidung getroffen.71 Er habe nicht mit der Person, die den größten Nutzen aus dem Kauf zieht, den Vertrag geschlossen. Der Verkäufer könne nicht für seine falsche Entscheidung durch einen Erfüllungsanspruch des Käufers bestraft werden. Neben den Interessen der Parteien müssten die Gerichte auch das Gemeinwohl, welches hauptsächlich durch den größten wirtschaftlichen Nutzen definiert wird, beachten. Die Beschränkung auf den Schadensersatz wird als faire Lösung zwischen Ge64

„Specific performance and injunction are alternatives to the award of damages as means of enforcing contracts.“ ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, 16, Chap. 3 Introductory Note. 65 Siehe auch das bekannte Zitat von Holmes: „The duty to keep a contract at common law means a prediction that you must pay damages […] and nothing else.“ Holmes, Jr., 10 Harv. L. Rev. 457, 462 (1897). 66 ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 346 Cmt. a; ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 357. 67 Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 54. Mitunter kritisch Taibleson, 27 Quinnipiac L. Rev. 541 (2009). 68 Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, 1996, S. 477. 69 Siehe zu law and economics grundlegend Posner, Economic analysis of law, 2014. 70 Posner, Economic analysis of law, 2014, S. 128 ff. 71 „[…] judges believe breachers are generally imperfect decision makers.“ Taibleson, 27 Quinnipiac L. Rev. 541, 562 (2009).

A. Allgemeine Prinzipien

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rechtigkeit und Ökonomie gesehen;72 nicht zuletzt ist sie auch eine Ausprägung der Freiheit des Marktes.73 Der Schadensersatz ist somit grundsätzlich der Regelfall, ein Erfüllungsanspruch kommt nur in Frage, wenn der Gläubiger durch einen Schadensersatzanspruch nicht ausreichend geschützt wird.74 Vor allem bei einzigartigen Sachen, wie Grundstücken, hilft ein Schadensersatzanspruch dem Gläubiger in der Regel nicht weiter. Weiterhin sind die Fälle anerkannt, in denen das Eintreiben der Schadenssumme ungewiss ist und die Berechnung oder der Nachweis eines Schadens sich schwierig bis unmöglich gestaltet.75 Diese Grundsätze sind für bewegliche Gegenstände im U.C.C. vorgesehen. Ein Erfüllungsanspruch ist möglich, wenn es sich bei der Sache um ein Unikat handelt oder andere „angemessene Umstände“76 vorliegen. Im Bereich des Grundstücksrechts existiert eine solche Regelung zwar nicht,77 doch das Problem der grundsätzlichen Nachrangigkeit des Erfüllungsanspruchs taucht bei Kaufverträgen über Grundstücke auch nicht auf. Ein Grundstück ist stets eine unvertretbare Sache,78 somit kann auf die allgemeinen Grundsätze, unter denen ein Erfüllungsanspruch möglich ist, zurückgegriffen werden.79 Der Käufer eines Grundstücks kann folglich stets einen Erfüllungsanspruch geltend machen, soweit der Verkäufer tatsächlicher Inhaber des zu veräußernden Grundstücks ist. Statt des Erfüllungsanspruchs verbleibt ihm natürlich das Wahlrecht, einen möglichen Schadensersatzanspruch einzuklagen. II.

Grundlagen des Sachenrechts

Einige grundlegende Prinzipien des Sachenrechts sind für die spätere Darstellung des angloamerikanischen, aber auch des deutschen Rechts erforderlich. Deshalb wird zunächst ein Überblick zweier grundlegender Prinzipien des Sachenrechts vorangestellt, die in beiden Rechtsordnungen unterschiedlich ausgestaltet sind. Hierzu gehört die Frage nach der Existenz des Trennungs72

Taibleson, 27 Quinnipiac L. Rev. 541, 555 (2009). Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 283. 74 ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 359 (1). 75 ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 360. 76 „[…] or in other proper circumstances.“ § 2-716 (1) U.C.C. 77 Der ULTA sieht eine solche Regelung in § 2-511 vor. Zum ULTA siehe unten S. 131. 78 Der Einzigartigkeit eines Grundstücks wird in der angloamerikanischen Literatur teilweise das Argument entgegengehalten, für viele Arten von Grundstücken existiere ein funktionierender Markt, der zu einer Austauschbarkeit führe; Kirwan, 47 Wm. & Mary L. Rev. 697, 708 (2005). Siehe auch Perkins Spyke, 52 Buff. L. Rev. 387 (2004), die der Ansicht ist, es gebe keinen Grund, Grundstücke gegenüber anderen Rechten zu bevorzugen. 79 77 Am. Jur. 2d Vendor and Purchaser § 507. Siehe auch zu dem Erfüllungsanspruch bei Grundstückskaufverträgen im Vergleich zu Verträgen über bewegliche Sachen Shavell, 84 Tex. L. Rev. 831 (2006). 73

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Kapitel 2: Grundlagen

prinzips im Grundstücksrecht der Vereinigten Staaten und den rechtlichen Anforderungen an die Übertragung von Grundstücksrechten, die neben dem Abschluss des „Verfügungsgeschäfts“ erforderlich sind (Grundbuch- oder Privatsystem). Weitere sachenrechtliche Prinzipien wie der Spezialitätsgrundsatz, die Absolutheit von dinglichen Rechten und der Typenzwang bestehen grundsätzlich in beiden Rechtsordnungen mit lediglich kleinen Abweichungen, auf die noch im Laufe der weiteren Bearbeitung eingegangen wird. 1.

Trennung und Verhältnis von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft

Sämtliche Rechtsordnungen lassen sich hinsichtlich der Trennung und des Verhältnisses von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft in zwei Gruppen einteilen. Es kann entweder dem Trennungs- oder dem Einheitsprinzip (bzw. reinem Vertrags- oder Konsensprinzip) gefolgt werden. Das Trennungsprinzip sieht eine rechtliche Trennung zwischen dem kausalen Verpflichtungsgeschäft und dem rechtsändernden Verfügungsgeschäft vor. Das Einheitsprinzip kennt hingegen nur ein Geschäft, welches sowohl die Verpflichtung als auch die Verfügung enthält. Innerhalb einer Rechtsordnung können verschiedene Geschäfte durchaus unterschiedlich eingeordnet werden. So kann beispielsweise bei der Übertragung von beweglichen Sachen das Einheitsprinzip Anwendung finden und bei unbeweglichen Sachen das Trennungsprinzip. Folge des Trennungsprinzips ist die rechtliche Aufteilung eines meist einheitlichen Lebenssachverhalts. Der entgeltliche Erwerb (Kauf) einer Sache besteht aus dem verpflichtenden Kaufvertrag und der Verfügung über das Eigentum an der Sache und dem Kaufpreis. Rechtlich gesehen wird jedes dieser drei Geschäfte einzeln abgeschlossen, natürlich kann auch jeweils ein konkludenter Vertragsschluss vorliegen. Das Trennungsprinzip alleine gibt noch keine Auskunft über das Abhängigkeitsverhältnis hinsichtlich der Wirksamkeit zwischen dem Verpflichtungsgeschäft und den beiden Verfügungsgeschäften. Entweder existiert zwischen beiden Geschäften eine kausale Beziehung (Kausalprinzip) oder sie stehen in einem abstrakten Verhältnis zueinander und sind unabhängig voneinander zu betrachten (Abstraktionsprinzip). Das Kausalprinzip nimmt zwar eine Trennung in drei unterschiedliche Rechtsgeschäfte vor, für einen wirksamen Rechtserwerb sind jedoch stets ein wirksames Verpflichtungs- und ein wirksames Verfügungsgeschäft erforderlich.80 Beide Geschäfte sind durch eine kausale Beziehung verbunden. Folge hiervon ist, dass die Verfügung automatisch unwirksam wird, wenn sich die Verpflichtung als fehlerhaft herausstellt.81 Die Abstraktheit und Trennung der Rechtsgeschäfte bewirken, dass alle drei Geschäfte unabhängig voneinander bestehen und auf ihre Wirk80 81

Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 27. Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 5 Rn. 42.

A. Allgemeine Prinzipien

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samkeit hin jeweils selbstständig zu bewerten sind.82 Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip, welches vor allem in Deutschland Anwendung findet, geht auf Friedrich Carl von Savigny zurück.83 Das Kausalprinzip ist hingegen vor allem in den Zivilrechtsordnungen der Schweiz und Österreichs zu finden.84 Das Einheitsprinzip nimmt keine Aufspaltung vor und geht von einem einzigen Rechtsgeschäft aus, das sowohl die Verpflichtung als auch die Verfügung enthält. Folglich erwirbt der Käufer unmittelbar bei Abschluss des Kaufvertrags Eigentum an der verkauften Sache.85 Der einheitliche Vertrag kann nur insgesamt unwirksam sein. Ein Eigentumsübergang findet bei dessen Unwirksamkeit überhaupt nicht statt. Es stellt sich nun die Frage, welcher der drei möglichen Formen das angloamerikanische Zivilrecht folgt (Trennungs- und Abstraktionsprinzip, Trennungs- und Kausalprinzip oder Einheitsprinzip). Im Bereich der Übertragung von Rechten an Grundstücken sieht das angloamerikanische Recht eine Unterscheidung zwischen dem verpflichtenden agreement (contract of sale) und der verfügenden conveyance vor.86 Jedoch verschafft das Verpflichtungsgeschäft dem Käufer bzw. Erwerber schon einen equitable title, der bereits ein dingliches Grundstücksrecht darstellt.87 Bei der Übertragung von beweglichen Sachen (personal property) folgt das Common Law hingegen dem Einheitsprinzip und lässt das Eigentum mit Abschluss des Kaufvertrags übergehen. Im angloamerikanischen Recht wird der Eigentumsübergang bei Kaufverträgen im U.C.C. geregelt. Nach § 2–401 (2) U.C.C. geht das Eigentum an der (Kauf-)Sache, sofern keine abweichende Parteivereinbarung besteht, mit Übergabe an den Erwerber über (passing of title).88 Die Begründung und die 82

Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 1998, § 4 I. 2. Nichtsdestotrotz besteht eine Reihe von Ausnahmen, die zu einem „Durchbrechen“ des Abstraktionsprinzips führen. Siehe Einzelheiten bei Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zum Sachenrecht Rn. 50 ff. Kritisch zum Abstraktionsprinzip Koziol, AcP 2012 (212), 1, 16 ff. dort auch w.N. 83 Olzen, in: Staudinger, BGB, Einleitung zum Schuldrecht, Rn. 27; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 112 ff.; Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 1998, § 4 I. 1. 84 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 5 Rn. 42, § 64 Rn. 8. 85 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 5 Rn. 42. Dies ist vor allem in den romanischen Rechtsordnungen der Fall (Frankreich, Italien, Spanien); Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 64 Rn. 8, 16, 23. 86 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 996 ff. In Kapitel 3 wird der Unterschied besonders deutlich. 87 Siehe zum equitable title unten S. 77. 88 Bei Schickschulden reicht hingegen die Übergabe an die Transportperson zum Eigentumsübergang, § 2-401 (2) (a) U.C.C. Die Parteien können durch eine Vereinbarung den Eigentumserwerb in die Zukunft verlegen; Elsing/Alstine, US-amerikanisches Handelsund Wirtschaftsrecht, 1999, Rn. 246. Einen Eigentumsvorbehalt, wie er im deutschen Recht bekannt ist, kennt der U.C.C. nicht. Der Verkäufer, der sich das Eigentum vorbehält,

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Kapitel 2: Grundlagen

Erfüllung der Verpflichtung zur Übertragung des Eigentums fallen zeitlich auseinander.89 Der Eigentumsübergang kann beispielsweise erst zum Zeitpunkt der Übergabe eines speziellen Dokuments (document of title)90 eintreten, vor allem wenn der Erwerber schon im Besitz der Sache ist.91 Die Verlagerung des Eigentumserwerbs auf einen späteren Zeitpunkt hat jedoch keinen Einfluss auf das Einheitsprinzip. Die Erfüllung der Erwerbsvoraussetzung, etwa die Übergabe eines Dokuments, stellt keinen dinglichen Vertrag dar, sondern ist Teil des einheitlichen Vertrags. Weiterhin ist dem angloamerikanischen Recht eine schuldrechtliche Verpflichtung zu einer Schenkung völlig unbekannt.92 Das Eigentum geht durch die tatsächliche Übergabe der Sache mit Schenkungsabsicht über.93 Im Grundstücksrecht stellt sich die Übertragung von dinglichen Rechten anders dar. Grundstücksrechte werden immer in zwei Schritten übertragen. Die entgeltliche Eigentumsübertragung besteht aus dem contract of sale, der die „Verpflichtung“ des Verkäufers zur Übertragung des Eigentumsrechts darstellt.94 Der letztendliche Übergang des Eigentumsrechts findet jedoch erst zu einem späteren Zeitpunkt mit der Übergabe einer (privaten) Übertragungsurkunde (deed), statt.95 Erst wenn alle Voraussetzungen der Übergabe erfüllt sind, geht das Eigentumsrecht auf den Erwerber über (transfer of title).96 So ist eine Annahme des deed durch den Erwerber für die Wirksamkeit des Rechtsübergangs erforderlich.97 Obwohl die Eigentumsübertragung in zwei Schritte geteilt ist, greift die angloamerikanische Literatur in der Regel die Frage der Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft nicht auf.98 Teilweise wird jedoch die Übergabe des deed auch als (dinglicher) Vertrag beurteilt, da sie über einen tatsächlichen Vorgang hinausgeht.99 Zieht man jedoch den Eigentumsübergang im Mobiliarsachenrecht heran, so sind große erwirbt vielmehr ein Sicherungsrecht; Treumann/Peltzer/Kuehn, US business law, 1990, S. 90. 89 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, §§ 64 Rn. 110; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 37 ff. 90 Dies kann etwa ein Lieferschein sein. Siehe zur Legaldefinition § 1-201 (b) (16) U.C.C. 91 § 2-401 (3) (a) U.C.C. Siehe auch 3A Lawrence’s Anderson U.C.C. §§ 2-401:115. 92 38 Am. Jur. 2d Gifts § 6. 93 Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 159. 94 77 Am. Jur. 2d Vendor and Purchaser § 4. 95 23 Am. Jur. 2d Deeds §§ 1 f.; Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 468. 96 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 996. 97 23 Am. Jur. 2d Deeds § 149. 98 So auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 523. 99 23 Am. Jur. 2d Deeds § 150. Diese rechtliche Einordnung wird jedoch bis heute kontrovers gesehen. Siehe m.w.N. Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 41 sowie Riesenfeld, 37 Am. J. Comp. L. 1, 3 f. (1989).

A. Allgemeine Prinzipien

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Parallelen zu dem oben dargestellten Eigentumsübergang durch die Übergabe eines Dokuments vorhanden. Eine Teilung in Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft bietet sich zwangsläufig nicht an. Insgesamt kann zumindest aus der Perspektive des deutschen Rechts auf eine gewisse Trennung zwischen dem Verpflichtungsgeschäft und dem Verfügungsgeschäft im angloamerikanischen Immobiliarsachenrecht geschlossen werden.100 2. Publizitätsakt – Traditions- und Konsensprinzip bzw. Grundbuch- und Privatsystem Der Eigentumsübergang erfordert in zahlreichen Rechtsordnungen neben dem Abschluss des Kaufvertrags bzw. des dinglichen Vertrags einen zusätzlichen (Real-)Akt wie die Übergabe der Kaufsache. Dies wird als Traditionsprinzip101 bezeichnet. Historischer Zweck der Übergabe war es, den Übertragungswillen des Veräußerers zu manifestieren.102 Heute ist jedoch verstärkt der Publizitätsgedanke in den Vordergrund gerückt; der Wechsel der Person des Eigentümers soll nach außen erkennbar sein.103 Dem Traditionsprinzip folgen sowohl Rechtsordnungen, die nach dem Trennungsprinzip,104 als auch solche, die nach dem Einheitsprinzip105 ausgestaltet sind. Nach dem Traditionsprinzip ist bei der Eigentumsübertragung von beweglichen Sachen die Übergabe regelmäßig ein zusätzlicher Erwerbstatbestand.106 Eine Rechtsordnung, die keine weitere Voraussetzung für den Eigentumserwerb vorsieht und etwa auf eine zusätzliche Übergabe der Sache verzichtet, verfolgt das reine Konsensprinzip (bzw. Konsensualprinzip).107 Der Abschluss des Kaufvertrags ist einzige Voraussetzung für den Eigentumsübergang. 100 So auch (jedoch ohne w.N.) Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, §§ 64 Rn. 48. Die genaue Ausgestaltung und Bewertung des Erwerbsverfahrens erfolgt nochmals ausführlich zu einem späteren Zeitpunkt, dort wird auch die Frage einer eventuellen Abstraktheit beider „Geschäfte“ diskutiert. Siehe hierzu unten S. 209. 101 Lat. traditio; dt. Übergabe, Auslieferung. 102 So die Begründung des BGB, Motive III, S. 197. Siehe Näheres bei Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vorb §§ 929-931 Rn. 21. 103 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 4 Rn. 10. 104 So in Deutschland. 105 Beispielsweise in Spanien und in den Niederlanden; Krimphove, Das europäische Sachenrecht, 2006, S. 103 106 Siehe für Deutschland § 929 Satz 1 BGB und für die Vereinigten Staaten § 2-401 (2) U.C.C. In der Regel existieren jedoch Ausnahmen, die im Einzelfall eine Eigentumsübertragung ohne Übergabe vorsehen; beispielsweise in Deutschland §§ 929 Satz 2, 930, 931 BGB. Siehe Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vorb §§ 929‒931 Rn. 19 ff. zum Streit, ob das BGB trotz seiner zahlreichen Ausnahmen insgesamt dem Traditionsprinzip folgt. 107 Beispielsweise in Frankreich; Krimphove, Das europäische Sachenrecht, 2006, S. 109.

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Kapitel 2: Grundlagen

Bei der Übertragung von Grundstücksrechten ist ebenfalls in vielen Rechtsordnungen neben dem Abschluss eines Vertrags eine zusätzliche Voraussetzung erforderlich.108 Jedoch ist die körperliche Übergabe eines Grundstücks nicht möglich. Das Bedürfnis könnte bei der Übertragung des Eigentumsrechts zwar noch mit der Besitzverschaffung befriedigt werden, die Übertragung von anderen dinglichen Rechten kann jedoch nicht auf diese Weise erfolgen. Die Übergabe eines Sicherungsrechts wie der Hypothek ist nicht möglich. Ebenso befriedigt die Besitzverschaffung bei Eigentumsübertragung nicht das Publizitätsbedürfnis des Grundstückseigentümers. Durch Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks fallen Eigentum und Besitz oft dauerhaft auseinander. Zudem hat die Änderung des Eigentümers eines Grundstücks nicht immer auch eine Änderung der Besitzverhältnisse zur Folge. Hinsichtlich der Übertragung des Eigentums und weiterer Grundstücksrechte ist eine andere Form der Willensbestätigung und Publizität erforderlich.109 Bei der Übertragung von Grundstücksrechten kann grundsätzlich zwischen dem Privat- und dem Grundbuchsystem unterschieden werden.110 Beide bestehen unabhängig davon, ob das Trennungs- oder Einheitsprinzip Anwendung findet. Das Grundbuchsystem fordert neben der Einigung über den Eigentumsübergang durch den Kaufvertrag oder der dinglichen Einigung zusätzlich noch die Eintragung in ein öffentliches Register. Erst durch die obligatorische Eintragung der Rechtsänderung geht das Eigentumsrecht auf den Erwerber über. In einem Privatsystem ist eine solche Eintragung hingegen nicht erforderlich. Die Parteien können die Rechtsänderung eigenständig durch die Übergabe einer Privaturkunde herbeiführen. Die Eintragung in ein Grundstücksregister ist lediglich deklaratorisch. In welcher Form in einer Rechtsordnung Rechte an Grundstücken übertragen werden und welche Voraussetzungen hierfür im Einzelnen erforderlich sind, geht auf eine mitunter lange historische Entwicklung zurück.111 Ursprung beider Formen ist die Übertragung von Grundstücksrechten (zu Beginn hauptsächlich des Eigentums) in einer mitunter komplexen Zeremonie. Diese bestand beispielsweise in der „Übergabe“ des Grundstücks vor 108

Anders beispielsweise in Frankreich. Dort gibt es jedoch zumindest einen mittelbaren Eintragungszwang, da ohne Eintrag keine Rechtswirkung gegenüber Dritten besteht; Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 64 Rn. 8 f. 109 Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zum Sachenrecht Rn. 56; Wiegand, in: Staudinger, BGB, Vorb §§ 929–931 Rn. 19 ff.; Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 873–902 Rn. 31 ff. 110 Vgl. die Terminologie bei von Metzler, Das anglo-amerikanische Grundbuchwesen, 1966, S. 71; von Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, 1982, S. 16. In diese Richtung auch Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 691. 111 Zur detaillierten historischen Entwicklung siehe für Deutschland unten S. 101 und für die Vereinigten Staaten unten S. 113.

A. Allgemeine Prinzipien

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Zeugen oder der symbolischen Übergabe eines Gegenstandes auf dem zu übertragenden Grundstück.112 Die Zeremonie wurde später durch die Übergabe einer Urkunde ersetzt. Über das Erfordernis der Registrierung dieser Urkunde entwickelte sich das Grundbuchsystem mit einer obligatorischen, für eine Rechtsänderung zwingend erforderlichen Eintragung. Das Privatsystem verzichtet hingegen auf einen solchen Zwang, kommt jedoch in der Regel aus Verkehrsschutz- und Beweisgründen nicht ohne ein Grundstücksregister aus. Die modernen Privat- und Grundbuchsysteme kommen durch ihre Ausgestaltung dem Erfordernis nach, den Grundstücksverkehr zu erleichtern, aber zugleich Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Interessen der Parteien und der Öffentlichkeit zu beachten.113 Die obligatorische Eintragung in einem Grundstücksregister diente zunächst nur der Befriedigung der Partei- und Verkehrsinteressen hinsichtlich des Nachweises der Rechtsübertragung (Publizitätsgedanke). Der Staat hat sich sodann des Eintragungsverfahrens bedient, um öffentlich-rechtliche Aufgaben, wie Steuererhebung, Stadtentwicklung und -planung, wahrzunehmen.114 Deutschland stellt mit dem Erfordernis der Eintragung einen klassischen Vertreter eines Grundbuchsystems dar, § 873 Abs. 1 BGB. Eine Rechtsänderung findet erst nach der Eintragung im Grundbuch statt. Das angloamerikanische Recht kennt zwei verschiedene Arten der Grundstücksübertragung. In der Mehrzahl der Bundesstaaten und bei den meisten Rechtsübertragungen wird nach dem Privatsystem verfahren. Lediglich das nur sehr regional vorkommende Torrens-System sieht eine Art Eintragung als zusätzliches Erfordernis für eine Rechtsänderung vor.115 Davon abgesehen ist die Eintragung der Eigentumsübertragung in einem Register nicht erforderlich. Das Verpflichtungsgeschäft besteht aus der Übergabe einer (privaten) Übertragungsurkunde, welche alleine die Rechtsänderung herbeiführt. In den Vereinigten Staaten gibt es zwar auch öffentliche Register, eine Registrierung des Erwerbes ist jedoch nur fakultativ vorgesehen. Durch die dortige Aufnahme der Urkunde kann der Erwerber einen gutgläubigen Erwerb Dritter ausschließen. In der Praxis führt dieser Schutz selbstverständlich zu einem mittelbaren „Eintragungszwang“.116 Insgesamt lässt sich feststellen, dass das angloamerikanische Recht eine Trennung zwischen Verpflichtung und Verfügung vornimmt und diese sogar weitgehend abstrakt voneinander beurteilt. Die Rechtsübertragung an sich ist allerdings nicht durch einen Doppeltatbestand gekennzeichnet. Vielmehr 112

Von Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, 1982, S. 16. Von Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, 1982, S. 16. 114 Siehe hierzu die Mitteilungspflichten im Rahmen des Erwerbsprozesses im deutschen Recht unten S. 158. 115 Vor allem im Bundesstaat Louisiana. Siehe zum Torrens-System unten S. 132. 116 Es handelt sich gerade um keine Eintragung im Sinne der deutschen Terminologie. Die Übertragungsurkunde wird letztendlich nur in das Register aufgenommen. 113

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Kapitel 2: Grundlagen

reicht alleine die Übergabe einer Urkunde aus. Eine Registrierung in einem Register ist zwar möglich, hat aber keinen Einfluss auf den Rechtsübergang. Der Eigentumsübergang findet ohne einen nach außen sichtbaren Publizitätsakt statt.

B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung eines Abschnittes der Erdoberfläche B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung der Erdoberfläche

Die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden beziehen sich stets auf einen bestimmten abgrenzbaren Teil der Erdoberfläche, das Grundstück. Die Rechte des Eigentümers erstrecken sich auf diesen Abschnitt. Nach allgemeiner Beurteilung bestimmen sich Lage und Ausmaß eines Grundstücks anhand sichtbarer Grenzen (z.B. Mauern, Zäunen, Flüssen, Wegen, Wäldern, Wiesen etc.).117 Doch nicht immer sind solche natürlichen oder künstlich geschaffenen Abgrenzungsmerkmale vorhanden und zudem müssen diese nicht zwangsläufig mit den rechtlichen Abmessungen eines Grundstücks übereinstimmen. Des Weiteren sind solche Merkmale oft ungenau und unterliegen natürlichen Veränderungen. Für die Sicherheit des Rechtsverkehrs ist es erforderlich, dass Lage und Ausmaß eines Grundstücks zweifelsfrei feststellbar sind. Aus diesem Grund greift man für die rechtliche Beschreibung eines Grundstücks auf eine Landvermessung zurück. Die Ergebnisse einer solchen Vermessung werden für eine Verknüpfung mit dem Grundstücksregister verwendet, um eine zweifelsfreie Individualisierung eines jeden Grundstücks sicherzustellen. Sowohl das deutsche als auch das angloamerikanische System greifen zur rechtlichen Beschreibung eines Grundstücks auf eine solche Verknüpfung zurück. Wesentliche Unterschiede bestehen jedoch in der Zuständigkeit für die Vermessung und der Art der Verknüpfung mit dem Grundstücksregister. In Deutschland werden Landvermessungen von einer öffentlichen Vermessungsbehörde in Auftrag gegeben, welche die Ergebnisse in einem vom Grundbuch getrennten Register, dem sogenannten Liegenschaftskataster, verwaltet. Eine Verknüpfung zwischen Grundbuch und Liegenschaftskataster wird jeweils mittels einer wechselseitigen rechtlichen Bezugnahme hergestellt. In den Vereinigten Staaten sind hingegen die Eigentümer bzw. die Parteien des Erwerbsverfahrens selbst für die Beschreibung von Lage und Ausmaß des Grundstücks verantwortlich. In der Regel werden bei einer solchen, in privater Verantwortung stehenden Grundstücksbeschreibung auch die Ergebnisse einer Landvermessung, die jedoch nicht zwangsläufig durch eine öffentlich bestellte Person vorgenommen wurde, verwendet. 117

Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 873–902 Rn. 12.

B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung der Erdoberfläche

I.

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Deutschland – Das Grundstück im Rechtssinne

Spricht das BGB von einem Grundstück, ist stets das Grundstück im Rechtssinne gemeint.118 Es „entsteht“ in Deutschland aus dem Grundbuch als Register, welches die rechtlichen Verhältnisse abbildet, und dem Liegenschaftskataster,119 welches die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks (Lage und Ausmaß) zu dessen Auffinden in der Natur beschreibt.120 Flächendeckend wurde dieses System im Deutschen Reich gemeinsam mit dem BGB zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die Grundbuchordnung (GBO)121, die am 1. Januar 1900 in Kraft trat, eingeführt. Zuvor bestanden nur in einzelnen Bundesländern Grundbuchsysteme sowie eine Verknüpfung mit einem amtlichen Grundstücksregister.122 Die erste reichsweite GBO sah bereits eine Verknüpfung des Grundbuchs mit einem amtlichen Grundstücksregister vor, welche durch die Länder eingerichtet wurden (§ 2 GBO 1898).123 Die Länder mussten hierfür keine völlig neuen Grundstücksverzeichnisse anlegen, sondern konnten auf bestehende Verzeichnisse, wie die Grundsteuerkataster, zurückgreifen.124 Die Trennung zwischen einem rechtlichen und einem tatsächlichen Register existierte folglich schon seit dem Beginn der flächendeckenden Einführung des Grundbuchs. 1.

Aufbau des Liegenschaftskatasters

Die Einrichtung und Führung der Liegenschaftskataster ist Angelegenheit der Länder, § 2 Abs. 2 GBO.125 Es besteht aus dem Katasterkartenwerk, das alle Liegenschaften, Grundstücke und baulichen Anlagen des Staatsgebiets basierend auf einer Vermessung darstellt, und den Katasterbüchern, welche die Eigenschaft eines jeden Grundstücks, z.B. hinsichtlich dessen Nutzungsart, beschreiben.126 Die Kataster sind nach Vermessungsbezirken, den sogenann118

Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 873–902 Rn. 14. Begriffsvereinheitlichung durch das Registerverfahrenbeschleunigungsgesetz (RegVBG) vom 20.12.1993, BGBl. I, 2182; vorher amtliches Grundstücksverzeichnis; früher auch Flurbücher, Lagerbücher, Fundbücher oder Messregister, siehe Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 571. 120 Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, § 2 Rn. 3. 121 Beschlossen am 24.3.1897 und am 3.4.1897 verkündet, RGBl. 1897, S. 139; erneute Bekanntmachung am 20.5.1898 im RGBl. 1898, S. 754. 122 Das formelle und materielle Grundbuchrecht galt in den einzelnen Ländern jedoch erst, nachdem dort ein Grundbuch neu eingeführt worden bzw. eine Umstellung und Umorganisation des vorher bestehenden Systems erfolgt war; Bauer, in: Bauer/Oefele, GBO, AT I Rn. 43; Böhringer, BWNotZ 1999, 161, 162. 123 Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, § 2 Rn. 4. 124 Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, § 2 Rn. 5. 125 Siehe beispielsweise für Bayern: Art. 5 Abs. 2 VermKatG. 126 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 49; Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, § 2 Rn. 6; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 573. 119

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Kapitel 2: Grundlagen

ten Gemarkungen, gegliedert. In der Liegenschaftskarte wird die Gemarkung in Flurkarten unterteilt, die jeweils die Flurstücke mit ihrer Bebauung und ihrer geometrischen Lage maßstabsgetreu darstellen und eine eindeutige Flurstücksnummer vergeben. Die Flurstücksnummer dient gleichzeitig als Buchungseinheit des Liegenschaftskatasters und bildet die Grundlage für die Grundstücke des Grundbuchs.127 Das Liegenschaftsbuch besteht aus den Flurbüchern, die die Grundstücke nach Lage, Nutzungsart, Größe, usw.128 beschreiben und dem Eigentümerverzeichnis, das für jeden Eigentümer alle ihm gehörenden Flurstücke auflistet. Die im Liegenschaftskataster verwendeten Messergebnisse129 werden durch die zuständige Landesbehörde130 veranlasst und ständig von ihr kontrolliert.131 2.

Verknüpfung der Register

Das Grundbuch verwendet die Flur- und Flurstücksnummern des Liegenschaftskatasters für seine Struktur, § 2 Abs. 2 GBO. Für jedes Flurstück wird entweder ein eigenes Grundbuchblatt (Realfolium, § 3 Abs. 1 Satz 1 GBO) angelegt oder dieses mit anderen Flurstücken desselben Eigentümers gemeinsam geführt (Personalfolium, § 4 GBO).132 Der Bezug des Grundbuchs auf die Flurbezeichnung des Liegenschaftskatasters und die Führung eines Eigentümerverzeichnisses im Liegenschaftskataster machen eine Verknüpfung zwischen beiden Registern sowie eine ständige Aktualisierung erforderlich. Die Verknüpfung wird über § 2 Abs. 2 GBO und die entsprechende landesrechtliche Regelung des Liegenschaftskatasters133 erreicht.134 Die Übereinstimmung beider Register gewährleisten Veränderungsmitteilungen, die das Grundbuchamt (§ 55 Abs. 3, 4 GBO) oder die Katasterbehörde an die jeweils andere Stelle übersendet.135

127

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 48; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 574. 128 Weitere Inhalte können auch öffentlich-rechtliche Angelegenheiten betreffen. Siehe für Einzelheiten Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 49. 129 In der Natur sind die Grenzen durch Grenzzeichen erkennbar. 130 In Bayern das Landesamt für Vermessung und Geoinformation, Art. 12 VermKatG. 131 Die Liegenschaftskataster werden heute überwiegend elektronisch geführt. Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 47. 132 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 560, 564; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 50. 133 Siehe für Bayern Art. 6 Abs. 1 Satz 1 VermKatG. 134 Siehe zur Integration von Grundbuch und Liegenschaftskataster § 127 GBO. 135 Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, § 2 Rn. 9; Nowak, in: Meikel, GBO, § 2 Rn. 13; ausführlich Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 601 ff.

B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung der Erdoberfläche

3.

35

Grundstücksbegriff

Der vom BGB genutzte Begriff des Grundstücks (gleichbedeutende Begriffe wie „Liegenschaft“, „Immobilie“ oder „unbewegliche Sache“ vermeidet das Gesetz)136 ist weder im BGB selbst noch in der GBO legal definiert. Er wird vielmehr als gegeben vorausgesetzt (z.B. in §§ 94, 873, 890 BGB oder § 3 GBO).137 Ein Grundstück im Rechtssinne ist nach allgemeiner Ansicht138 ein „gegen andere Teile räumlich abgegrenzte[r] Teil der Erdoberfläche, der auf einem besonderen Grundbuchblatt für sich allein oder auf einem gemeinschaftlichen Grundbuchblatt unter einer besonderen Nummer im Verzeichnis der Grundstücke gebucht ist“.139 4. Geometrische Veränderungen des Grundstücks – Teilung und Vereinigung Die im Grundbuch bzw. Liegenschaftskataster verzeichneten Grundstücke können vom Eigentümer140 auf Grund seiner dinglichen Berechtigung (§ 903 BGB) hinsichtlich ihrer geometrischen Ausmaße verändert werden.141 Dies kann durch Vereinigung, Zuschreibung oder Teilung geschehen. Für jede Änderung ist ein bestimmtes Verfahren erforderlich, das im Grundbuch und Liegenschaftskataster vollzogen wird. Durch eine Vereinigung werden mehrere zunächst rechtlich selbstständige Grundstücke zu einem einzigen verschmolzen, § 890 Abs. 1 BGB. Die Grundstücke müssen hierfür demselben Eigentümer zustehen (bzw. dieselben Miteigentumsverhältnisse aufweisen).142 Zudem sollen sie im selben Grundstücks- und Liegenschaftskatasterbezirk liegen und aneinander angrenzen, § 5 Abs. 2 Satz 1 GBO.143 Die vereinigten Grundstücke werden zu nichtwesentlichen Bestandteilen eines neuen einheitlichen Grundstücks und verlieren ihre Selbstständigkeit.144 Die an den zuvor selbstständigen Grundstücken beste136

Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 873–902 Rn. 11. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 561; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 42. 138 Siehe nur Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 561; Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, § 2 Rn. 16; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 51. Kritisch vor allem im Hinblick auf neue Buchungsformen wie des § 7 Abs. 1 WEG Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 873–902 Rn. 16 m.w.N. 139 RGZ 84, 265, 270. 140 Eine Veränderung ist jedoch auch durch behördliche Maßnahmen möglich (z.B. durch eine Flurbereinigung). Siehe hierzu Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 72 ff. 141 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 623. 142 Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, §§ 5, 6 Rn. 19; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 65; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 625. 143 Siehe Einzelheiten zum genauen Verfahren bei Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, §§ 5, 6 Rn. 19 ff. 144 BGH DNotZ 1978, 156; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 66. 137

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Kapitel 2: Grundlagen

henden Belastungen erstrecken sich weiterhin nur auf den ursprünglichen Bestandteil und nicht auf das komplette neue Grundstück.145 Als besondere Form der Vereinigung kann ein Grundstück einem anderen zugeschrieben werden, § 890 Abs. 2 BGB. Durch die Zuschreibung wird das eine Grundstück zum nichtwesentlichen Bestandteil des Hauptgrundstücks. In diesem Fall erstrecken sich die Grundpfandrechte des Hauptgrundstücks auch auf die des zugeschriebenen Grundstücks, § 1131 Satz 1 BGB.146 Sowohl Vereinigung als auch Zuschreibung sind nur zulässig, wenn durch sie keine „Verwirrung“ entsteht, das Grundbuch also nicht unübersichtlich wird, § 5 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 1 Satz 1 GBO. Durch eine Vielzahl bestehender dinglicher Belastungen in Kombination mit der Rechtskrafterstreckung, aber auch deren Fehlen bei der Vereinigung (§ 890 Abs. 1 BGB), können leicht Unübersichtlichkeiten entstehen. Vor allem im Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung kann dies zu Schwierigkeiten führen. Dem Grundbuchamt ist es in diesem Fall möglich, die Vereinigung oder Zuschreibung zu versagen bzw. eine gleichmäßige Belastung als Voraussetzung zu fordern.147 Eine Vereinigung mehrerer rechtlich selbstständiger Grundstücke kann in der Regel ohne Neuvermessung und Änderung des Liegenschaftsregisters erfolgen.148 Die Teilung eines Grundstücks ist im Gegensatz zur Vereinigung nicht materiell-rechtlich geregelt, wird jedoch von einigen Vorschriften des BGB149 erwähnt. Sie folgt zumindest aus der dinglichen Berechtigung des Eigentümers, welche ihm zugesteht, nach eigenem Ermessen mit seiner Sache, also dem Grundstück, zu verfahren (§ 903 BGB).150 Die katastermäßige Teilung wird durch einen Antrag des Eigentümers auf Teilung seines Grundstücks, welcher die Grenzen der beabsichtigten Teilung enthält, eingeleitet. Die Vermessungsbehörde nimmt im Folgenden eine Neuvermessung des Grundstücks vor und veranlasst die Eintragung der neuen Flurstücke im Liegenschaftskataster.151 Die Übernahme ins Grundbuch (materielle Teilung) erfolgt durch die Übernahme der Ergebnisse der Änderungen des Liegenschaftskatasters im Rahmen einer Änderungsmitteilung. Der Eigentümer muss eine entsprechende Bewilligung abgeben und einen Antrag auf Teilung stellen. 145

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 67; siehe Näheres bei Gursky, in: Staudinger, BGB, § 890 Rn. 34. 146 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 69; siehe Näheres bei Gursky, in: Staudinger, BGB, § 890 Rn. 39 ff. 147 Waldner, in: Bauer/Oefele, GBO, §§ 5, 6 Rn. 25 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 70. 148 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 632. 149 §§ 1025, 1026, 1108, 1109 BGB. 150 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 890 Rn. 52; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 668. 151 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 62.

B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung der Erdoberfläche

37

Die rechtliche Teilung tritt mit der Eintragung der neuen Flurstücke unter einer eigenen Nummer im Bestandsverzeichnis des Grundbuchs ein, § 2 Abs. 3 GBO.152 Überträgt oder belastet ein Eigentümer nur einen Grundstücksteil, wird die Teilung von Amts wegen vorgenommen;153 in der Praxis ist dies der Regelfall.154 Im Gegensatz zur Vereinigung unterliegt die Teilung eines Grundstücks öffentlich-rechtlichen Beschränkungen. Solche sind vor allem im BauGB,155 aber auch in landesrechtlichen Regelungen156 zu finden. Das Verbot einer Teilung bzw. ein Genehmigungserfordernis sollen verhindern, dass die Richtung und Zwecke der öffentlichen Bau- bzw. Bauleitplanung durch eine Teilung konterkariert werden.157 Die Teilung und Vereinigung von Grundstücken erlaubt dem Eigentümer eine Aufteilung nach seinem Willen. Er kann die Struktur seines Grundeigentums nach seinen Bedürfnissen (wie Bebauung, Nutzung, Belastung oder Veräußerung von Teilen158) ausgestalten.159 II.

Vereinigten Staaten – Private Grundstücksbeschreibung

In den Vereinigten Staaten bezieht sich die geometrische Beschreibung eines Grundstücks in der Regel ebenfalls auf die Ergebnisse einer Landvermessung. Im Gegensatz zu Deutschland existiert jedoch keine rechtliche Verknüpfung zwischen dem Grundstücksregister und einem öffentlichen Kataster. Eine solche Verknüpfung ist auch nicht notwendig, da die Struktur des angloamerikanischen Grundstückregisters keine Zuordnung zwischen den einzelnen Grundstücksrechten und einer bestimmten Grundstücksparzelle vornimmt. Es besteht vielmehr aus einer fortlaufenden Sammlung der einzelnen Rechtsübertragungen in einem bestimmten Bezirk. Die fehlende rechtliche Verknüpfung hat zur Folge, dass die Begriffsbestimmung des Grundstücks im Rechtssinne sich nicht auf einen Abschnitt der 152

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 63. Siehe zum Verfahren Böttcher, in: Meikel, GBO, § 7 Rn. 22 ff. 154 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 7 Rn. 20. 155 Z.B. Teilungen im Geltungsbereichs eines Bebauungsplans (§ 19 Abs. 2 BauGB), in einem städtebaulichen Entwicklungsgebiet (§ 169 Abs. 1 Nr. 3 BauGB), in einem Sanierungsgebiet (§§ 144 Abs. 2, Nr. 5 145 BauGB ) oder in einem Umlegungsgebiet (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 BauGB). 156 Hier sind vor allem Art. 119 Nr. 2 EGBGB und die Regelungen der Landesbauordnungen zu nennen. 157 Siehe Einzelheiten bei Böttcher, in: Meikel, GBO, § 7 Rn. 9 ff. Siehe auch die aktuelle Übersicht des DNotI, Arbeitshilfen, (besucht am 1.8.2015). 158 Eine sogenannte Vorratsteilung. 159 Siehe für Hauptanwendungsfälle von Teilung und Vereinigung: Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 57, 64. 153

38

Kapitel 2: Grundlagen

Erdoberfläche bezieht, die in einem Vermessungsregister fixiert ist. Ein Grundstück im Rechtssinne ist vielmehr ein Abschnitt der Erdoberfläche, dessen Lage und Ausmaß durch die Parteien bei der Übertragung des Grundstücks festgelegt werden. 1.

Formen der Grundstücksbeschreibung

Die Beschreibung eines Grundstücks ist grundsätzlich in drei verschiedenen Formen möglich. Die älteste Methode ist die Nennung der Verläufe der Grundstücksgrenzen in Abhängigkeit zu sichtbaren Merkmalen (metes and bounds method).160 Weiterhin können die Parteien einer Grundstücksübertragung die Ergebnisse der öffentlichen Landvermessung (government survey), soweit eine solche für die entsprechende Region existiert, oder die Informationen einer individuellen, registrierten Vermessung eines Grundstücks (recorded plat) zur Beschreibung der Lage und der Ausmaße des Grundstücks heranziehen.161 In den Bundesstaaten bestehen meistens keine gesetzlichen Vorgaben, die eine konkrete Form der Grundstücksbeschreibung für Übertragungen vorsehen. Nur in wenigen Registerämtern ist eine bestimmte Beschreibungsform vorgeschrieben, ohne die eine Übertragungsurkunde zur Registrierung nicht angenommen wird. a)

Grenzbeschreibung – Metes and bounds

Die Beschreibung der Lage und der Ausmaße eines Grundstücks ist am einfachsten durch die Nennung der Grundstücksgrenzen möglich. Eine mitunter aufwendige und kostspielige Vermessung ist nicht erforderlich. Von einem feststehenden Bezugspunkt aus werden die Grenzen des Grundstücks durch Distanzen und Richtungen, natürliche Abgrenzungen oder die Verbindung verschiedener Bezugspunkte wiedergegeben, bis der Ausgangspunkt wieder erreicht wird.162 Die Bezugspunkte und Grenzen können sowohl einen natürlichen Ursprung (wie Flüsse, Seen, Gebirge oder Bäume)163 als auch einen künstlichen Ursprung (wie Zäune, Gebäude oder Straßen)164 haben.165 Die Beschreibung der Grenzen wurde vor allem zu Beginn der Kolonialisierung Nordamerikas auf Grund einer fehlenden Landvermessung verwen-

160

Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 10:1 (S. 10-2); 14 Powell on Real Property § 81A.05[2][b][i] (1999). 161 14 Powell on Real Property § 81A.05[2][a] (1999). 162 3 California Real Estate § 8:63; 14 Powell on Real Property § 81A.05[2][b][ii] (1999). 163 11 CJS Boundaries § 19. 164 11 CJS Boundaries § 20. 165 Siehe ausführlich Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, §§ 126 ff.; 11 CJS Boundaries §§ 22 ff.

B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung der Erdoberfläche

39

det.166 Sie ist bis heute vor allem im ländlichen Raum der Gründerstaaten üblich, wird jedoch auch in anderen Bundesstaaten verwendet.167 Ihr größter Vorteil gegenüber den beiden anderen Methoden ist der Wegfall einer komplizierten und kostspieligen Vermessung. Hinsichtlich Zuverlässigkeit und Genauigkeit ist sie einer Vermessung allerdings unterlegen. In der Praxis führt vor allem die Verwendung natürlicher Bezugspunkte, die veränderlich und nicht dauerhaft sind, teilweise zu enormen Problemen.168 b)

Öffentliche Landvermessung – Government survey

Für weite Teile der Vereinigten Staaten existiert eine umfassende öffentliche Landvermessung der Bundesregierung (government survey). Deren Einteilung in immer kleiner werdende quadratische Parzellen kann zur Bestimmung der Lage und Ausmaße eines Grundstücks verwendet werden. Der (Zentral-)Staat war nach der Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten Eigentümer großer Regionen westlich der ursprünglichen Kolonien geworden.169 Vor der Vergabe von Grundstücken für die bevorstehende Besiedelung der neuen Gebiete war eine standardisierte Landvermessung erforderlich, um von Anfang an eine ordnungsgemäße Abgrenzung einzelner Grundstücke zu garantieren.170 Durch den National Land Act von 1796171 wurde die Rectangular Survey Method für die weiträumige Vermessung gewählt. Diese Vermessungsmethode sieht eine Unterteilung des Landes durch Nord-Süd-Linien in sechs Quadratmeilen große Abschnitte (ca. 1550 Hektar), sogenannte townships, vor. Die townships werden wiederum in sections (1 Quadratmeile, ca. 259 Hektar), quarter sections (160 Acres, ca. 64 Hektar) und in quarter-quarter sections (40 Acres, ca. 16 Hektar) als die kleinsten 166 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, §§ 1012 ff.; Burke, Real estate transactions, 2006, S. 155 ff. 167 14 Powell on Real Property § 81A.05[2][b][i] (1999). 168 So war beispielsweise der Grenzverlauf eines Grundstücks strittig, für dessen nördliche Abgrenzung im Jahre 1909 die Wasserlinie eines Sees gewählt wurde („[b]eginning at a stake on the shore of Newfound Lake […] thence running Westerly along the shore of said lake“). Da die Wasserlinie natürlichen Schwankungen unterliegt, musste fast hundert Jahre später gerichtlich geklärt werden, ob der Strand Teil des Grundstücks ist oder nicht; Greenan v. Lobban, 143 N.H. 18, 19, 717 A.2d 989 (N.H. 1998). Für eine umfassende Darstellung von Beispielen und Auslegungsregeln siehe 23 Am. Jur. 2d Deeds §§ 247 ff. 169 Bereits zu Beginn der Kolonisierung existierte teilweise eine mehr oder weniger genaue Landvermessung, die unter anderem auch zur Vergabe von Land an die Einwanderer genutzt wurde. So beispielsweise in den Neuengland-Staaten; Kain/Baigent, The cadastral map in the service of the state, 1992, S. 243, 265. 170 14 Powell on Real Property § 81A.05[2][c][i] (1999). 171 43 U.S.C. § 52. In Kalifornien war beispielsweise vor der Durchführung dieser Vermessung keine Übertragung von öffentlichen Grundstücken erlaubt. Siehe auch 3 California Real Estate § 8:64.

40

Kapitel 2: Grundlagen

Parzellen aufgespalten.172 Die Bundesregierung der Vereinigten Staaten vergab die durch stetige Unterteilung geschaffenen rechteckigen Parzellen teilweise entgeltlich an Privatpersonen, aber auch unentgeltlich an öffentliche Einrichtungen wie Universitäten oder an Bundesstaaten.173 Die Vorteile des Bezugs der Grundstücksgrenzen auf diese öffentliche Landvermessung sind deren weit reichende Verfügbarkeit und Genauigkeit. Nicht rechteckige Grundstücksverläufe lassen sich mit dieser Landvermessungsmethode jedoch nicht darstellen. Ebenso ist die rechteckige Aufteilung in sehr große Parzellen nicht für dicht bebaute Regionen geeignet, die typischerweise aus zahlreichen kleineren Parzellen für Geschäfte, Apartments und Wohnhäuser bestehen.174 Für die Beschreibung von Grundstücksparzellen, die kleiner als 40 Acres oder nicht rechteckig sind, wird als Ausgangspunkt die rechteckige Landvermessung verwendet und durch eine Beschreibung nach dem oben genannten metes-and-bounds-System ergänzt.175 c)

Registrierte Grundstücksbeschreibung – Recorded plat

Die Probleme der klassischen Beschreibungsmethoden zeigen sich vor allem in dicht besiedelten Gebieten. Kleine und nicht rechteckige Grundstücksparzellen lassen sich nur umständlich darstellen. Viele Bundesstaaten haben seit Beginn des 19. Jahrhunderts die bestehenden Systeme miteinander kombiniert und weiterentwickelt. Heute erfolgt die geometrische Grundstücksbeschreibung vor allem in urbanen Regionen regelmäßig durch einen Verweis in der Übertragungsurkunde auf einen im Grundstücksregister aufgenommenen Vermessungsplan, den sogenannten subdivision plat oder recorded plat.176 Gesetzliche Regelungen legen in vielen Bundesstaaten fest, dass auf Grundlage der Vermessung des Bundes oder in Bezug auf feststehende natürliche Merkmale eine Landvermessung durch den Eigentümer durchgeführt werden kann.177 Soll etwa ein großes Grundstück, wie eine quarter-quartersection, in kleinere Einheiten zur Entwicklung und späteren Veräußerung unterteilt werden, beauftragt der Eigentümer einen privaten Landvermesser mit der Aufteilung und Vermessung einzelner Grundstücksparzellen. Es er172

3 California Real Estate § 8:64; 4 Tiffany Real Prop. § 991; siehe auch die graphische Darstellung bei Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1013 ff. 173 Friedman, A history of American law, 2005, S. 168. 174 Garro, in: International Encyclopedia of Comparative Law, § 8-97; Nelson/ Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1016. 175 14 Powell on Real Property § 81A.05[2][c][i] (1999). 176 3 California Real Estate § 8:64; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 119; 4 Tiffany Real Prop. § 992. 177 Siehe beispielsweise §§ 355.7 ff. Iowa Code; ch. 41 § 81X M.G.L. Siehe auch den Subdivision Map Act von Kalifornien §§ 66410 ff. Cal. Gov. Code. Hierzu ausführlich 9 California Real Estate §§ 25:11 ff.

B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung der Erdoberfläche

41

folgt eine Unterteilung in blocks, die wiederum mehrere lots umfassen. Im vermessenen Plan sind ebenso Straßen und weitere öffentliche Flächen, wie etwa Parks, enthalten.178 Lots sind hierbei die kleinsten Einheiten und erhalten eine individuelle Nummer. Ihre Größe ist für eine individuelle Bebauung geeignet, sodass eine weitere Unterteilung zur effektiven Nutzung nicht mehr erforderlich ist. Bevor ein solcher Plan jedoch im Register aufgenommen und für die Beschreibung eines Grundstücks verwendet werden kann, muss er meist von einer öffentlichen Stelle179 genehmigt werden. Diese überprüft, ob öffentlich-rechtliche Anforderungen – vor allem lokale Vorschriften180 wie beispielsweise die Straßenbreite, Gehwege und ein ausreichend öffentlicher Raum – eingehalten werden.181 Nach der Genehmigung kann der Plan in das Grundstücksregister aufgenommen werden.182 Bei zukünftigen Grundstücksübertragungen kann der registrierte Plan als Beschreibung des betreffenden Grundstücks dienen.183 d)

Zentrales Geoinformationssystem

Die Ergebnisse einer Landvermessung lassen sich nicht nur für die geometrische Beschreibung eines Grundstücks nutzen. Es existieren noch viele weitere öffentlich-rechtliche Interessen, die durch umfangreiche Informationen über die Lage, Größe, Nutzung und Beschaffenheit von Grundstücken und Gewässern sowie den Verlauf von Straßen und Flüssen effizienter erfüllt werden können. Aus diesem Grund haben in der jüngeren Vergangenheit viele Counties damit begonnen, ihr Gemeindegebiet umfassend zu kartographieren. Primäre Intention einer solchen flächendeckenden Vermessung war insbesondere die Erfassung aller Grundstücke und deren Wert für die Erhebung von Grundsteuern.184 178

4 Tiffany Real Prop. § 992. Dies kann beispielsweise der Stadtrat oder eine vom ihm beauftragte Behörde sein. Siehe beispielsweise ch. 41 § 81X M.G.L; § 66452 Cal. Gov. Code. 180 Siehe zum genauen Verfahren 18A Massachusetts Practice Series, Municipal Law and Practice §§ 18.1 ff. (für Massachusetts) und 9 California Real Estate § 25:23 (für Kalifornien). 181 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1016. 182 Der Plan muss für die Registrierung zudem bestimmten formalen Anforderungen entsprechen. Siehe beispielsweise 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms 4.27.1; bzw. ch. 36 § 13A M.G.L. 183 Ein Grundstück lässt sich nach folgendem Schema beschreiben: „Lot 3, Block K, Ridgefield Acres Subdivision, as shown in Plat Book D, page 23, Official Records of Orange County“ (Beispiel nach Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1016). Siehe auch Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 119. 184 Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 243 (1999). Siehe zu den Steuerregistern, die vor der Einführung des GIS in zahlreichen Counties bestanden, Fairchild, 28 Geo. L.J. 307 (1939). 179

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Kapitel 2: Grundlagen

Mit Hilfe des satellitengestützten GPS erfolgt eine sehr detaillierte Landvermessung, deren Ergebnisse im sogenannten Geographic Information System (GIS)185 zusammengeführt werden. Die auf Grundlage dieser Landvermessung entstandene Karte kann mit weiteren öffentlichen Daten, wie Bebauung, Bodenbeschaffenheit und Nutzung, verknüpft werden.186 Der Grundstücksverkehr profitiert vor allem von den im Rahmen der Vermessung vergebenen Grundstücksnummern, den land parcel identifier numbers.187 Diese Nummer identifiziert ein im Rahmen der Kartographierung vermessenes Grundstück eindeutig. Jedoch muss beachtet werden, dass sich die Vermessung im Rahmen des GIS an natürlich erkennbaren Grenzen orientiert und nicht zwangsläufig mit den rechtlichen Grundstücksgrenzen übereinstimmen muss.188 Teilweise findet daher ein Abgleich mit den rechtlichen Grundstücksbeschreibungen der im Grundstücksregister erfassten Übertragungsurkunden statt. Auf diese Weise konnten in der Vergangenheit Unstimmigkeiten wie überlappende Grundstücke, vermeintlich eigentumslose Lücken oder andere Grenzstreitigkeiten aufgedeckt und im Folgenden zumindest teilweise behoben werden.189 Die Grundstücksidentifikationsnummer ist gut geeignet, um ein bestimmtes Grundstück eindeutig hinsichtlich seiner geometrischen Lage und Ausmaße zu beschreiben. Grundsätzlich kann die Identifikationsnummer als Bezugspunkt im Rahmen einer Grundstücksübertragung oder -belastung verwendet werden.190 Problematisch ist jedoch, dass die Angaben im GIS nicht zwangsläufig mit den tatsächlichen rechtlichen Ausmaßen übereinstimmen müssen. In der Regel existiert keine rechtliche Verknüpfung zwischen dem GIS und dem Grundstücksregister. Maßgeblich für die rechtlichen Ausmaße ist alleine die Grundstücksbeschreibung der im Grundstücksregister erfassten Übertragungsurkunde.191 Für die Beibehaltung der Aktualität des GIS ist eine kontinuierliche Fortführung und Aufnahme aller Änderungen von Grund185 Siehe zu Aufbau und Struktur des GIS Natoli, 2 N.Y.S.B.A. Gov’t & Pol’y 42 (2000). 186 Neben der Erhebung von Grundsteuern bietet das GIS zahlreiche Möglichkeiten und Vorteile für die öffentliche Verwaltung; Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 243 (1999); Garro, in: International Encyclopedia of Comparative Law, § 8-98: beispielsweise Stadtplanung, Bestimmung der Verläufe von Schul- oder Wahlbezirken, Optimierung von Anfahrtswegen für Rettungskräfte oder Kriminalitätsbekämpfung; Onsrud/Reis, 35 Jurimetrics J. 377, 381 (1995). 187 Siehe allgemein zu einer solchen Identifikationsnummer vor allem im Hinblick auf eine Reform des Grundstücksregisters Bayse, 22 Am. U. L. Rev. 251 (1973); National Research Council, Panel on a Multipurpose Cadastre. Procedures and standards for a multipurpose cadastre, 1983. 188 Garro, in: International Encyclopedia of Comparative Law, § 8-97. 189 Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 243 (1999). 190 Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 244 (1999). 191 Garro, in: International Encyclopedia of Comparative Law, § 8-97.

B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung der Erdoberfläche

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stücksgrößen und -verläufen erforderlich.192 Einige fortschrittliche Counties stellen ihre kompletten GIS-Informationen der Öffentlichkeit über eine frei zugängliche Website zur Verfügung.193 Die Internetseiten weisen jedoch stets auf ihre Unverbindlichkeit hinsichtlich der rechtlichen Grundstücksgrenzen und der Eigentumslage hin. Sie sind kein öffentliches Grundstücksregister, welches verbindlich Eigentumsverhältnisse zuordnet.194 Die Verwendung der Identifikationsnummern des GIS zur Beschreibung der Grundstücksausmaße bei Grundstücksübertragungen führt letztendlich zu einer Verknüpfung zwischen dem öffentlichen Vermessungsregister und dem Grundstücksregister. Die Verknüpfung ist jedoch nicht rechtlicher Natur und deshalb nicht so weitgehend wie in Deutschland. Besonders deutlich wird dies an der Möglichkeit, einen Grundstücksteil ohne besonderes Verfahren oder eine Neuvermessung zu übertragen.195 Nichtsdestotrotz haben die Identifikationsnummern in vielen Bereichen zu einer Vereinfachung und größeren Zuverlässigkeit der Beschreibung von Lage und Ausmaß von Grundstücken geführt.196 2.

Übertragung von Grundstücksteilen

Die Änderung der geometrischen Ausmaße eines Grundstücks durch Teilung oder Vereinigung erfolgt in den Vereinigten Staaten nicht durch ein formelles Verfahren. Vielmehr existiert die Teilung oder Vereinigung von Grundstücken, wie sie im deutschen Recht verstanden wird, überhaupt nicht. Die fehlende rechtliche Verknüpfung zwischen dem Grundstücksregister und einer öffentlichen Landvermessung wie dem GIS hat zur Folge, dass im Rahmen einer Teilung oder einer Vereinigung nicht automatisch eine Anpassung des Vermessungsregisters erfolgt bzw. vorausgehen muss. Die Teilung und Vereinigung wird durch die Parteien im Rahmen einer Grundstücksübertragung selbst vorgenommen. Dem Eigentümer eines Grundstücks ist es möglich, 192

Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 244 (1999). Auf der Website des Greene County (Ohio) können die Informationen zu jeder einzelnen Grundstücksparzelle abgerufen werden. So lassen sich Eigentümer, Kaufpreis und Steuerschulden abrufen; Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 243, Fn. 30 (1999); Local Government of Greene County (Ohio), GIS – GIS Mapping, (besucht am 23.8.2015); Gleiches gilt für die Stadt Boston: City of Boston, GIS Data Hub, (besucht am 23.8.2015). 194 Vgl. den Hinweis auf der Website des Greene County (Ohio) zum GIS: „This web site is for […] taxation purposes only. […] In no way will Greene County be liable for any damages […] that might arise from the use of this information.“ Local Government of Greene County (Ohio), GIS – GIS Mapping, (besucht am 23.8.2015). 195 Siehe zur Teilung und Vereinigung sogleich. 196 Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 244 (1999). 193

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Kapitel 2: Grundlagen

jederzeit nur einen bestimmten Teil auf einen anderen zu übertragen. Ebenso kann er zwei nebeneinanderliegende Grundstücke als eine Einheit gemeinsam in einer Urkunde übertragen. Die geometrischen Ausmaße eines Grundstücks können folglich von dem jeweiligen Eigentümer selbstständig bei der Übertragung bestimmt werden.197 Außerhalb einer Übertragung existiert eine rechtliche Teilung oder Vereinigung von Grundstücken nicht. Diese Tatsache ist dem Fehlen einer Grundstücksdefinition, die wie in Deutschland an eine katastermäßige Vermessung anknüpft, geschuldet. Die Registrierung eines Plans (recorded plat), der die Aufteilung eines großen Grundstücks in kleinere Parzellen vorsieht, ist hingegen möglich.198 Ein solcher Vorgang lässt jedoch nicht verschiedene Grundstücke im Rechtssinne entstehen, sondern dient durch Bezug auf den registrierten Plan der einfacheren Zuordnung und Beschreibung der zu übertragenden Grundstücksfläche. Teilweise fordern die Grundstücksregister vor der Registrierung einer Grundstücksübertragung die Durchführung einer Landvermessung, falls eine solche bisher noch nicht stattgefunden hat oder die Grundstücksausmaße durch Teilung oder Vereinigung verändert worden sind.199 Die rechtliche Teilung wird jedoch weiterhin ausschließlich durch die privatrechtliche Übertragungsurkunde vollzogen. Weiterhin sehen manche örtliche öffentlichrechtliche Bauvorschriften, welche die Nutzung und Bebauung von Grundstücken regeln (sogenanntes zoning), bestimmte Anforderungen vor, die einer Übertragung von Grundstücksteilen entgegenstehen können. In urbanen Regionen existiert oft eine Mindestgröße, die bei der Übertragung eines Grundstücks eingehalten werden muss.200 Besteht im Verwaltungsgebiet des geteilten oder vereinigten Grundstücks ein GIS, wird dort jede Teilung oder Vereinigung übernommen und eine neue Grundstücksidentifikationsnummer vergeben.201 III. Rechtsvergleichende Betrachtung Der Vergleich der geometrischen Grundstücksbeschreibung im deutschen und angloamerikanischen Recht zeigt, dass trotz teilweiser großer Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung zahlreiche Gemeinsamkeiten bestehen. Auffällig ist, dass der Begriff des Grundstücks im Rechtssinne oder zumindest eine ähnliche Definition des Grundstücks in Bezug auf die Erdoberfläche in den 197 Siehe für mögliche Formulierungen zur Übertragung von Teilflächen Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1018; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, §§ 148 f. 198 Ähnlich einer Vorratsteilung im deutschen Recht. 199 Siehe 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms §§ 24.1 ff. 200 Siehe zum zoning und der Mindestgröße einzelner Grundstücke 9 California Real Estate §§ 25:35 ff.; 12 Powell on Real Property § 79C.05[2][a] (2001). 201 Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 244 (1999).

B. Das Grundstück als geometrische Beschreibung der Erdoberfläche

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Vereinigten Staaten nicht existiert. Die Beschreibung der Lage und Ausmaße eines Grundstücks wird dort vor allem im Zusammenhang mit der Übertragung thematisiert.202 Eine vorweggenommene Definition des Grundstücks, wie sie in Deutschland üblich ist,203 besteht hingegen nicht. Das Fehlen einer rechtlichen Verknüpfung zwischen Grundstücksregister und einem öffentlichen Vermessungsregister, wie es sie in Deutschland zwischen Grundbuch und Liegenschaftskataster gibt, verhindert eine solche Definition des Grundstücks in Bezug auf die Informationen des Vermessungsregisters. Änderungen der Grundstücksausmaße werden nur mittelbar in die Landvermessungsregister wie das GIS übernommen. Eine Verknüpfung mit Vermessungsergebnissen ist dem angloamerikanischen Grundstücksregister nicht völlig fremd. Die klassische Grundstücksbeschreibung nach dem metes-and-bounds-System oder in Bezug auf die großflächige Regierungsvermessung (government survey) ist oft zu ungenau und nicht für kleine, urbane Regionen geeignet. Die Registrierung einzelner Karten, welche die Unterteilung großer Flächen tatsächlich für die individuelle urbane Bebauung nutzbar machen, in einem öffentlichen Register (recorded plat) sowie das GIS haben zu einer genaueren, einfacheren und übersichtlicheren Beschreibung der Grundstücksausmaße geführt. Dies hat vor allem in den städtisch geprägten Gebieten an der Ost- und der Westküste dazu geführt, dass die Verknüpfung zwischen Landvermessung und Grundstücksbeschreibung im Grundstücksregister sehr eng geworden ist. Sie unterscheidet sich jedoch weiterhin von der Verknüpfung zwischen Liegenschaftskataster und Grundbuch. Trotzdem ist die Beschreibung, die sich am rechteckigen System oder an sichtbaren natürlichen oder künstlichen Landschaftsmerkmalen orientiert, gerade in den Flächenstaaten, die durch große landwirtschaftliche Flächen geprägt sind, noch weit verbreitet. Eine letztendlich rechtliche Verknüpfung der Landvermessung mit dem Grundstücksregister ist in den Vereinigten Staaten schwer durchsetzbar, da sie eine vollständige Änderung der Struktur des Grundstücksregisters zur Folge hätte.204 Das deutsche System ist klar durch die zwingende öffentliche Vermessung, an die der Grundstücksbegriff geknüpft ist, geprägt. Das angloamerikanische Recht überlässt dies weitgehend den am Grundstücksgeschäft beteilig202 Dies zeigt auch die Behandlung der Grundstücksbeschreibung im Zusammenhang mit dem Inhalt der Übertragungsurkunden in der Lehrbuchliteratur. Siehe beispielsweise: Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, §§ 1012 ff. Ähnlich in 3 California Real Estate §§ 8:61 ff. 203 Siehe beispielsweise: Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 42 ff.; Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 5, § 15 Rn. 15 ff. 204 In der Literatur wurde teilweise (bisher jedoch erfolglos) eine stärkere Ausgestaltung der Verknüpfung gefordert. Siehe beispielsweise: National Research Council, Panel on a Multipurpose Cadastre. Procedures and standards for a multipurpose cadastre, 1983, S. 66 ff., 125 ff.; Bayse, 22 Am. U. L. Rev. 251 (1973).

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Kapitel 2: Grundlagen

ten Personen. Die genannten Schwächen dieses privaten Systems haben jedoch zu einer immer enger werdenden Verknüpfung geführt. Die Grundstückseigentümer geben zwar die Vermessung selbst in Auftrag, welche durch einen privaten Vermesser durchgeführt wird, jedoch kann sich auch das angloamerikanische Recht einer Aufnahme der Landvermessung in ein öffentliches Register nicht verschließen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das deutsche System durch formelle Verfahren geprägt ist, die zu einer gewissen Inflexibilität führen, die geometrischen Ausmaße eines Grundstücks allerdings sicher darstellen. In den Vereinigten Staaten steht klar die individuelle Entscheidung des Eigentümers hinsichtlich der Einteilung seines Grundstücks unabhängig von einem formellen Verfahren im Mittelpunkt. Vor allem in den urbanen Regionen ist diese jedoch durch öffentlich-rechtliche Beschränkungen und die Pflicht zur Registrierung von Vermessungskarten weitgehend eingeschränkt. Besonders deutlich werden die jeweiligen Ansätze bei der unterschiedlichen Handhabung der Teilung oder Vereinigung von Grundstücken.

C. Rechte an Grundstücken C. Rechte an Grundstücken

Das Grundstück im Sinne der eben genannten Definition ist tatsächlicher Bezugspunkt der Grundstücksrechte. Ein (dingliches) Recht an einem Grundstück beschreibt die rechtlichen Beziehungen des Rechtsinhabers zu dem geometrisch abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, dem Grundstück. Die einzelnen Grundstücksrechte unterscheiden sich hinsichtlich der Reichweite der Berechtigung des jeweiligen Inhabers. Hierbei ist das Eigentumsrecht die weitest reichende Rechtsposition, die eine Person an einem Grundstück innehaben kann.205 Es gehört zu den ältesten Rechtsinstituten206 und besteht in jeder Rechtsordnung und Gesellschaft.207 Der deutsche Eigentumsbegriff entspricht inhaltlich dem Eigentumsbegriff des angloamerikanischen Grundstücksrechts (fee simple absolute).208 Neben dem Eigentumsrecht existieren in beiden Rechtsordnungen weitere dingliche Rechte, welche die Ausübung des Eigentumsrechts in unterschiedlicher Weise beschränken. Sie wirken jedoch „von außen“ auf das Eigentumsrecht ein und lassen das Recht selbst unangetastet.209 Die einzelnen dingli205 Das Eigentumsrecht ist das „umfassendste Herrschaftsrecht, das die Rechtsordnung an einer Sache zuläßt“, Wolff/Raiser, Sachenrecht, 1957, § 51 II. 206 So Herrmann, in: Staudinger, Eckpfeiler (2008), S. 979. Siehe zur Entwicklung des Eigentumsbegriffs Olzen, JuS 1984, 328. 207 Siehe für eine ökonomische Begründung des Entstehens von Eigentumsrechten Posner, Economic analysis of law, 2014, S. 42 ff. 208 Von Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, 1982, S. 2. 209 Klinck, in: Staudinger, Eckpfeiler (2014), W. Das Eigentum Rn. 2.

C. Rechte an Grundstücken

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chen Rechte sind im deutschen und angloamerikanischen Recht teilweise unterschiedlich ausgestaltet. Die aus dem Common Law übernommene, auf das mittelalterliche Lehnswesen zurückgehende Struktur der Grundstücksrechte ist in den Vereinigten Staaten noch heute vorherrschend. Die Grundstücksrechte beider Rechtsordnungen stellen dem Rechtsverkehr eine Vielzahl von möglichen Berechtigungen zur Verfügung. Bis auf wenige Ausnahmen können in beiden Ländern die Interessen an einer bestimmten dinglichen Ausgestaltung eines Rechtsverhältnisses befriedigt werden. Neben dem Eigentumsrecht existieren jeweils Grundstücksrechte, die der Sicherung einer Forderung dienen und die einer Person die umfassende Nutzung des gesamten Grundstücks erlauben, und solche Rechte, die einer Person oder dem Inhaber eines Grundstücks einzelne Nutzungsrechte gewähren. Das angloamerikanische Recht kennt zudem weitere, in Deutschland nicht existente Grundstücksrechte. Hierzu gehören vor allem die Abspaltung von Eigentumsrechten, die nur für einen bestimmten Zeitraum oder bis zum Eintritt einer Bedingung ein eigentumsgleiches Recht gewähren, und das dinglich wirkende Mietrecht. In beiden Ländern gibt es zudem die Möglichkeit, Wohnungseigentum, bestehend aus einem Miteigentumsanteil an einem Grundstück und einem Sondereigentum an einer Wohnung (condominium), zu erwerben. I.

Grundstücksrechte in Deutschland

1.

Eigentum

Der zivilrechtliche Eigentumsbegriff210 wird im BGB selbst nicht definiert, sondern lediglich in § 903 BGB vorausgesetzt.211 Das Eigentum im Sinne des BGB ist ein (dingliches) Vollrecht an einer Sache, das zur umfassenden Sachherrschaft berechtigt.212 Es kann anders als das verfassungsrechtliche Eigentum213 nur an Sachen, also körperlichen Gegenständen im Sinne der §§ 90 f. BGB bestehen.214 Vom Eigentum ist grundsätzlich der Besitz als Beschreibung eines tatsächlichen Verhältnisses abzugrenzen.215 Er ist weniger rein rechtlicher als vielmehr tatsächlicher Natur und würde auch ohne die 210

Siehe zu abweichenden Eigentumsbegriffen anderer Wissenschaften Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 24 Rn. 1 f. 211 Seiler, in: Staudinger, BGB, 2002, § 903 Rn. 2. 212 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 24 Rn. 4 ff. 213 Der Eigentumsbegriff des Art. 14 GG umfasst grundsätzlich alle vermögenswerten Rechtspositionen; BVerfGE 42, 263, 292 f. 214 Seiler, in: Staudinger, BGB, 2002, Vor §§ 903 ff. Rn. 3. Rechte an nicht körperlichen Gegenständen werden oftmals als „geistiges Eigentum“ bezeichnet, auf sie finden die Eigentumsvorschriften des BGB jedoch keine Anwendung. Hierzu gehören beispielsweise Marken, Patente, Urheberrechte Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 24 Rn. 4. 215 Gutzeit, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 854–872 Rn. 34.

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Kapitel 2: Grundlagen

Existenz einer Rechtsordnung bestehen.216 Der Besitz „entsteht“ durch den Erwerb der tatsächlichen Sachherrschaft über eine Sache, § 854 Abs. 1 BGB.217 Der Inhaber eines Eigentumsrechts ist berechtigt, mit der Sache nach seinem Belieben zu verfahren (positive Befugnis bzw. Einwirkungsrecht) und andere von jeder Einwirkung auszuschließen (negative Befugnis bzw. Ausschließungsrecht).218 Das Eigentumsrecht wird jedoch nicht schrankenlos gewährt. Der Eigentümer kann seine Rechte nur im Rahmen der Gesetze und sofern keine Rechte Dritter (§ 903 Satz 1 BGB) entgegenstehen ausüben (soziale Bindung des Eigentums).219 Das Eigentum wird etwa durch das Eigentum anderer oder die Interessen Dritter,220 aber auch durch öffentlichrechtliche Vorschriften221 eingeschränkt.222 Das Eigentum wirkt wie alle dinglichen Rechte gegenüber jedermann, es ist absolut. Eine Aufspaltung in einzelne Berechtigungen, wie etwa Oberoder Nutzungseigentum, ist nicht möglich (Totalität des Eigentums).223 Eine gegenüber jedermann wirkende Beschränkung des Eigentums ist nur durch die Bestellung eines dinglichen Rechts möglich. Eine solche dingliche Belastung beeinträchtigt den Inhaber des Eigentumsrechts in der Ausübung seiner Rechte. Dem Eigentümer ist es jedoch nicht möglich, die Art der dinglichen Berechtigung Dritter an seiner Sache individuell zu bestimmen. Das deutsche Sachenrecht sieht einen abschließenden Katalog von dinglichen Rechtspositionen vor (Typenzwang bzw. Numerus clausus der Sachenrechte).224 Nur die gesetzlich vorgesehenen dinglichen Rechte können an einer Sache bestehen.225 Das Gesetz sieht zumindest den Mindestinhalt der verschiedenen dinglichen Berechtigungen vor (Typenfixierung).226 Die Gestaltungsfreiheit 216

Klinck, in: Staudinger, Eckpfeiler (2014), V. Besitz Rn. 1. Die Sachherrschaft ist jedoch bei anderen Besitzformen stark gelockert: mittelbarer Besitz § 868 BGB und Erbenbesitz § 857 BGB bzw. weisungsabhängig: Besitzdiener § 855 BGB. Gutzeit, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 854–872 Rn. 34. 218 Säcker, in: MüKo, BGB, § 903 Rn. 5; Seiler, in: Staudinger, BGB, 2002, § 903 Rn. 2. 219 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 24 Rn. 6; Säcker, in: MüKo, BGB, § 903 Rn. 23. 220 Im Grundstücksrecht vor allem das sogenannte Nachbarrecht (§§ 905 ff. BGB); Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 25 Rn. 1. 221 Wie beispielsweise Vorschriften des Baurechts. 222 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, §§ 25 f.; Säcker, in: MüKo, BGB, § 903 Rn. 32 ff.; Seiler, in: Staudinger, BGB, 2002, § 903 Rn. 3. 223 Säcker, in: MüKo, BGB, § 903 Rn. 4. 224 Seiler, in: Staudinger, Eckpfeiler (2014), U. Sachenrecht – Allgemeine Lehren Rn. 37. 225 Siehe zur Erweiterung des Katalogs durch den Gesetzgeber und die Rechtsprechung Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zum Sachenrecht Rn. 42 ff. 226 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 1 Rn. 7; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012 2008, Rn. 19. 217

C. Rechte an Grundstücken

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der dinglichen Rechte ist nur innerhalb der engen gesetzlichen Vorgaben möglich. Daraus folgt im Sachenrecht eine starke Einschränkung der Vertragsfreiheit.227 Diese im deutschen Recht stark ausgeprägte Typisierung wird auch als „Axiom“228 der ganzen Rechtsordnung bezeichnet. Das Eigentumsrecht kann sowohl an beweglichen (Fahrnis) als auch an unbeweglichen Sachen (Liegenschaft, Grundstück, Immobilie) bestehen.229 Das Eigentum an einem Grundstück bezieht sich auf das Grundstück im Rechtssinne. Das Eigentumsrecht erstreckt sich nicht nur auf den Grund und Boden, sondern auch auf die mit diesem fest verbundenen Sachen, § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB.230 Diese wesentlichen Bestandteile können nicht Gegenstand besonderer dinglicher Rechte sein, an ihnen kann kein Sondereigentum bestehen, § 93 BGB.231 Der Eigentümer eines Grundstücks ist folglich auch Eigentümer der darauf stehenden Bauwerke. Das Grundstück bildet mit sämtlichen wesentlichen Bestandteilen eine rechtliche Einheit.232 Durch diese Regelung werden klare und sichere Rechtsverhältnisse im Grundstücksrecht erreicht.233 Ein Erwerber kann sich darauf verlassen, dass er zusammen mit dem Grundstück auch die mit dem Grundstück fest verbundenen Sachen erwirbt.234 Der Augenschein des Grundstücks reicht in der Regel aus, um die fest verbundenen Sachen zu erkennen. Die Regelung des § 94 BGB hängt weder vom Werteverhältnis zwischen Grundstück und Bauwerk ab noch kann sie durch Parteiabrede oder die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts abbedungen werden.235 2.

Grundstücksgleiche Rechte

Neben dem (Voll-)Eigentum an Grundstücken bilden das Wohnungseigentum und das Erbbaurecht in der Praxis wichtige Sonderformen.236 Sie werden als grundstücksgleiche Rechte bezeichnet und auf Grund besonderer gesetzlicher 227 „Der Grundsatz der Vertragsfreiheit […] hat für das Sachenrecht keine Geltung“, Mugdan III, S. 2. 228 Ausführlich Wiegand, in: Wege europäischer Rechtsgeschichte, 1987, S. 623. 229 Gaier, in: MüKo, BGB, Einleitung Sachenrecht Rn. 2. 230 Siehe zu den Anforderungen an eine „feste“ Verbindung Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 94 Rn. 7 ff. 231 Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 93 Rn. 24 ff. Siehe zum Sondereigentum an Wohnungen nach dem WEG unten S. 49. 232 Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 94 Rn. 2 ff. 233 Holch, in: MüKo, BGB, § 94 Rn. 1; Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 94 Rn. 3. 234 Gleiches Interesse hat der Kreditgeber. Er weiß, dass sich sein Sicherungsrecht auch auf die Gebäude erstreckt und diese zur Befriedigung herangezogen werden können. 235 Jickeli/Stieper, in: Staudinger, BGB, § 94 Rn. 4. Lediglich Sachen, die zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grundstück verbunden werden, gehören nicht zu den wesentlichen Bestandteilen, § 95 BGB. 236 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 54.

50

Kapitel 2: Grundlagen

Bestimmungen hinsichtlich Übertragung und Belastung weitgehend wie Grundstückseigentum behandelt.237 Das BGB sah in seiner Fassung von 1900 keine Möglichkeit vor, Sondereigentum an Grundstücken zu erwerben.238 Die Einheit von Grundstück und den damit fest verbundenen Sachen verbietet ein solches Rechtsinstitut. Erst im Zusammenhang mit der akuten Wohnungsnot im Deutschland der Nachkriegszeit wurde 1951 das Wohnungseigentum geschaffen.239 Das Wohnungseigentum besteht aus einem Miteigentumsanteil an Grund und Boden, den „tragenden“ Teilen des Gebäudes und den gemeinschaftlichen Einrichtungen sowie dem Sondereigentum an einer Wohnung, § 1 Abs. 1 WEG.240 Das Wohnungseigentum ist echtes Eigentum im Sinne des § 903 BGB,241 es kann wie ein Grundstück übertragen und belastet werden.242 Die Wohnungseigentümer sind Mitglieder in der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10 ff. WEG). Die Verwaltung des Wohnungseigentums erfolgt durch die Wohnungseigentümerversammlung unter Zuhilfenahme eines Verwalters.243 Wohnungseigentum kann entweder durch eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Miteigentümern eines Grundstücks244 (§ 2 WEG) oder durch einseitige Teilungserklärung des Eigentümers (sogenannte Vorratsteilung, § 8 WEG) begründet werden. Das durch den dinglichen Vertrag vereinbarte Wohnungseigentum entsteht erst durch den Vollzug im Grundbuch (bzw. erst mit der späteren Errichtung), § 4 Abs. 1 WEG.245 Im Grundbuch wird für jeden Miteigentumsanteil in Verbindung mit dem entsprechenden Sondereigentum ein eigenes Grundbuchblatt angelegt, § 7 Abs. 1 WEG. Das Grund-

237

Gursky, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 873–902 Rn. 23. Vor der Einführung des BGB war es in einigen Ländern möglich, Eigentum an Teilen eines horizontal geteilten Gebäudes zu erwerben, das sogenannte Stockwerkseigentum; Hönle/Hönle, in: Staudinger, BGB, Art. 182 EGBGB Rn. 1. Das Stockwerkseigentum wurde jedoch nicht ins BGB übernommen. Das bei der Einführung des BGB bestehende Stockwerkseigentum gilt jedoch bis heute weiter, Art. 182 EGBGB; Rapp, in: Staudinger, WEG, Einl Rn. 93. 239 Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht (WEG) vom 15.3.1951, BGBl. I, 175. Der Erwerb von (Wohnungs-)Eigentum sollte für größere Bevölkerungsgruppen erschwinglicher werden. Rapp, in: Staudinger, WEG, Einl Rn. 99. 240 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 55; Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 29 Rn. 8. 241 BGHZ 116, 392, 394. 242 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 29 Rn. 10; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1668. 243 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 29 Rn. 14. 244 Ein abgeschlossener Bauplan ist ausreichend, das Gebäude muss noch nicht fertiggestellt sein; Rapp, in: Staudinger, WEG, § 3 Rn. 33. 245 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1623. 238

C. Rechte an Grundstücken

51

buchblatt des ursprünglichen Grundstücks wird anschließend geschlossen. Für das Gemeinschaftseigentum existiert kein eigenes Grundbuchblatt.246 Weiteres grundstücksgleiches Recht ist das Erbbaurecht. Es ist ein veräußerliches und vererbliches Recht an einem Bauwerk auf einem fremden Grundstück,247 § 1 Abs. 1 ErbbauRG248. Es erfolgt eine rechtliche Trennung von Grundstück und Bauwerk, der eigentlich § 94 Abs. 1 BGB entgegensteht. Nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB und § 12 Abs. 1 ErbbauRG ist das Bauwerk jedoch nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks. Das Erbbaurecht ist ein beschränktes dingliches Recht in Bezug auf das Grundstück.249 Durch die Bestellung des Erbbaurechts wird das Volleigentum am Grundstück in ein formelles Eigentum am unbebauten Grundstück und ein Recht auf Nutzung – beispielsweise als Baugrund – aufgespalten.250 Die Begründung des Erbbaurechts erfolgt durch einen schuldrechtlichen Vertrag zwischen dem Eigentümer des Grundstücks und dem Erbbauberechtigten. Das Erbbaurecht entsteht erst durch Einigung und Eintragung im Grundbuch.251 Die Eintragung erfolgt in der zweiten Abteilung252 des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks. Zusätzlich wird ein eigenes Grundbuchblatt, das Erbbaugrundbuch, angelegt, § 14 ErbbauRG.253 Für die Übertragung und Belastung des Erbbaurechts gelten weitgehend die Vorschriften, die sich auf Grundstücke beziehen.254 Das Erbbaurecht findet in der Praxis vor allem dann Anwendung, wenn der Eigentümer eines Grundstücks selbst kein Bauwerk errichten will oder dem späteren Erbbauberechtigten nicht ausreichend Kapital für den Erwerb des Grundstücks und die Errichtung eines Gebäudes zur Verfügung steht.255 Die Erbbauvereinbarung kann vorsehen, dass dem Eigentümer des Grundstücks als Ausgleich ein Nutzungsentgelt (Erbbauzins) zusteht, § 9 Abs. 1 Satz 1

246 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1624. Siehe zu Einzelheiten des Grundbuchverfahrens die Kommentierung von Böttcher zum WGV bei Meikel, in: Meikel, GBO, S. 2891 ff. 247 Das Erbbaurecht kann auch an einer Wohnung bestellt werden. Engelhardt, in: MüKo, BGB, § 30 WEG Rn. 1; Rapp, in: Staudinger, WEG, § 30 Rn. 2. 248 Bis zum 30.11.2007 ErbbauVO. Das Erbbaurecht wurde bis zum 31.12.2001 noch im BGB geregelt (§ 1017 BGB a.F.). 249 Aus diesem Grund wird teilweise bestritten, dass das Erbbaurecht ein grundstücksgleiches Recht darstellt; so beispielsweise Sauren, NJW 1985, 180. 250 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1707. 251 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1712. 252 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1724. 253 Rapp, in: Staudinger, BGB, § 14 ErbbauRG Rn. 2. 254 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1755. 255 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 31. Ausführlich Rapp, in: Staudinger, BGB, Einl ErbbauRG Rn. 4.

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Kapitel 2: Grundlagen

ErbbauRG.256 Das Erbbaurecht endet durch Aufhebung (§ 26 ErbbauRG) oder Zeitablauf (§§ 27 ff. ErbbauRG). 3.

Beschränkte dingliche Rechte an Grundstücken

Neben dem Eigentumsrecht und den grundstücksgleichen Rechten existiert eine Reihe von beschränkten dinglichen Rechten. Diese gewähren dem Rechtsinhaber nur einen beschränkten Zugriff auf das Grundstück. Beschränkte dingliche Rechte können Nutzungs-, Sicherungs- und Verwertungsoder Erwerbsrechte sein. Spiegelbildlich schränken sie das umfassende Recht des Grundstückseigentümers ein, sie stellen eine Belastung des Eigentumsrechts bzw. eine Belastung am Grundstück dar.257 a)

Nutzungsrechte

Nutzungsrechte an einem Grundstück können sein: der Nießbrauch als umfassendes Nutzungsrecht, die Grunddienstbarkeit, die dem Eigentümer eines anderen Grundstücks ein subjektives dingliches Recht gewährt, und die beschränkt persönliche Dienstbarkeit, die einer Person ein subjektivpersönliches Recht am Grundstück einräumt. Der Nießbrauch gestattet dem Berechtigten (Nießbraucher), sämtliche Nutzungen am belasteten Gegensand zu ziehen, § 1030 Abs. 1 BGB.258 Beim Grundstück besteht das Nießbrauchsrecht in der Regel am Eigentumsrecht.259 Für die Bestellung des Nießbrauchs an Grundstücksrechten gelten die Vorschriften für die Übertragung des entsprechenden Grundstücksrechts, § 1069 Abs. 1 BGB.260 Der Bestellung geht in der Regel ein schuldrechtliches Grundgeschäft als Rechtsgrund voraus.261 Das Nießbrauchsrecht ist grundsätzlich nicht vererblich (§ 1061 BGB), und seine rechtsgeschäftliche Übertragung ist nur im Ausnahmefall möglich, §§ 1059 f. BGB.262 Der Nießbrauch spielt in der Praxis eine große Rolle, er wird vor allem zur Versorgung im

256 Es kann sowohl ein dinglicher Erbbauzins (der im Grundbuch eingetragen wird) als auch schuldrechtlicher Erbbauzins vereinbart werden; siehe hierzu Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1724. 257 Siehe Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 35 ff. 258 Frank, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1030 ff. Rn. 4; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1358. 259 Es kann aber auch an anderen Grundstücksrechten bestehen. 260 Beim Nießbrauch an Grundstücken also §§ 873 ff BGB. Siehe zum Nießbrauch an Grundpfandrechten Frank, in: Staudinger, BGB, § 1069 Rn. 3 ff. 261 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1037. 262 Frank, in: Staudinger, BGB, § 1061 Rn. 2 ff. Die Ausübung des Nießbrauchs kann jedoch einer anderen Person überlassen werden, § 1059 Satz 2 BGB; Frank, in: Staudinger, BGB, § 1059 Rn. 2 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1387.

C. Rechte an Grundstücken

53

Wege der vorweggenommenen Erbfolge, aus steuerlichen Gründen und (nur) noch vereinzelt als Sicherungsrecht genutzt.263 Eine Grunddienstbarkeit erlaubt dem Inhaber eines Grundstücks (herrschendes Grundstück), ein anderes Grundstück (dienendes Grundstück) zu nutzen, oder stattet ihn mit einem Duldungs- oder Unterlassungsanspruch gegenüber dem Inhaber des anderen Grundstücks aus, § 1018 BGB.264 Die Grunddienstbarkeit ist ein beschränkt subjektiv dingliches Recht, es steht nicht einer bestimmten Person, sondern dem jeweiligen Eigentümer des herrschenden Grundstücks zu.265 Grunddienstbarkeiten werden meist zur Gestaltung nachbarrechtlicher Verhältnisse, aber auch zur Sicherung des Wettbewerbs genutzt.266 Die Nutzungsdienstbarkeit erlaubt beispielsweise, einen Zugang zum dienenden über das herrschende Grundstück zu führen (Gehund Fahrtrecht)267 oder auf dem herrschenden Grundstück eine Wasser- oder Stromleitung zu verlegen (Leitungsrecht)268. Die Unterlassungsdienstbarkeit kann eine bestimmte Bebauung oder die Ausübung eines Gewerbes verbieten. Die Duldung von Immissionen oder geringer Abstandsflächen kann durch eine Duldungsdienstbarkeit erreicht werden.269 Die Befugnisse einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) stehen – im Gegensatz zur Grunddienstbarkeit – nicht dem jeweiligen Eigentümer eines bestimmten Grundstücks, sondern einer bestimmten natürlichen oder juristischen Person zu.270 Eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit kann mit dem gleichen Inhalt wie eine Grunddienstbarkeit bestellt werden. Sie erlischt jedoch mit dem Tod der berechtigten Person und ist grundsätzlich nicht übertragbar, § 1092 BGB.271 Die beschränkt persönliche Dienstbarkeit findet häufig in Form eines Wohnungs- oder Mitbenutzungsrechts Anwendung.272 Die Begründung sowohl der Grunddienstbarkeit als auch einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit erfolgt durch dingliche Einigung und Eintragung 263 Frank, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1030 ff. Rn. 23 f.; Pohlmann, in: MüKo, BGB, Vorb §§ 1030 ff. Rn. 11 ff. Siehe zu den einzelnen Anwendungsfällen und Nießbrauchsarten Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1023 ff. 264 Joost, in: MüKo, BGB, § 1018 Rn. 1; Mayer, in: Staudinger, BGB, § 1018 Rn. 1. 265 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 972. 266 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 975. 267 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1113 ff. 268 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1192 ff. 269 Für weitere Einzelfälle siehe Joost, in: MüKo, BGB, § 1018 Rn. 26 ff.; Mayer, in: Staudinger, BGB, § 1018 Rn. 75 ff. 270 Joost, in: MüKo, BGB, § 1090 Rn. 1, 32; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 989. 271 Ausnahmen von der Unübertragbarkeit bestehen für juristische Personen, § 1092 Abs. 3 BGB. 272 Für weitere Anwendungsfälle siehe Joost, in: MüKo, BGB, § 1090 Rn. 2; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 991.

54

Kapitel 2: Grundlagen

im Grundbuch.273 Von der Bestellung ist das zugrunde liegende schuldrechtliche Grundgeschäft zu unterscheiden, das nur die Verpflichtung zur Einräumung der Dienstbarkeit enthält.274 b)

Sicherungs- und Verwertungsrechte

Zur Sicherung einer Geldforderung ist die Bestellung eines Sicherungs- und Verwertungsrechts an einem Grundstück möglich. Solche Grundpfandrechte sind die Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld.275 Als weiteres Sicherungsrecht existiert noch die Reallast, die eine wiederkehrende Geld-, Sachoder Dienstleistung dinglich absichert.276 Die Grundpfandrechte räumen dem Berechtigten ein dingliches Verwertungsrecht an einem Grundstück ein.277 Sowohl die Grundschuld als auch die Hypothek haben eine hohe wirtschaftliche Bedeutung für die Kreditwirtschaft.278 Sie sichern oftmals den Kredit ab, den der Erwerber eines Grundstücks zur Finanzierung des Kaufpreises benötigt, aber auch Verbindlichkeiten bei laufenden geschäftlichen Beziehungen. Der Gläubiger der mit dem Grundpfandrecht gesicherten Forderung kann bei Nichterfüllung der Schuld eine Zwangsvollstreckung (Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung) in das Grundstück betreiben und mit dem Erlös seine Forderung befriedigen.279 Der Eigentümer des belasteten Grundstücks und der Schuldner der Forderungen müssen nicht identisch sein. Der Eigentümer kann sein Grundstück zur Sicherung einer Verbindlichkeit einer anderen Person zur Verfügung stellen. Das Verwertungsrecht der Grundpfandrechte erstreckt sich nicht nur auf das Grundstück selbst, sondern auf das Grundstück als wirtschaftliche Einheit.280 Neben den wesentlichen Bestandteilen (§§ 93, 94 BGB) ist vor allem auch das Zubehör vom Haftungsverband des Grundpfandrechts erfasst, § 1120 BGB.281 Der Unterschied zwischen

273

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 966 ff. Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 964 f. 275 Die Rentenschuld (§§ 1199 ff. BGB) ist als Unterfall der Grundschuld auf die regelmäßige Leistung einer bestimmten Geldsumme gerichtet. Sie hat jedoch kaum praktische Relevanz. Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1302. Siehe zur Rentenschuld ferner Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1199 ff. Rn. 1 ff. 276 Näheres bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1285 ff. und Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1180 ff. 277 Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Einl §§ 1113 ff. Rn. 37. 278 Epp, in: Bankrechts-HB, § 94 Grundpfandrechte Rn. 2; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1298 ff. Die Bedeutung der Hypothek bleibt schon seit einiger Zeit hinter der der Grundschuld zurück. Siehe m.w.N. Epp, in: Bankrechts-HB, § 94 Grundpfandrechte Rn. 2. 279 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1296. 280 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 39 Rn. 2. 281 Siehe zu Einzelheiten Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1120 Rn. 32 ff. 274

C. Rechte an Grundstücken

55

Hypothek und Grundschuld besteht im Verhältnis zu der jeweils gesicherten Forderung. Die Besonderheit der Hypothek ist die rechtliche Beziehung zu der gesicherten Forderung. Beide stehen in einem akzessorischen Verhältnis.282 Eine wirksame Hypothek kann nur bestehen, wenn die Forderung entstanden ist (§ 1163 Abs. 1 BGB) und der Inhaber der Hypothek mit dem Gläubiger der Forderung identisch ist (§ 1113 Abs. 1 BGB).283 Folge der Akzessorietät ist, dass eine Hypothek nicht ohne Forderung und die Forderung nicht ohne Hypothek übertragen werden kann.284 Weiterhin bezieht die Hypothek ihren Inhalt und Umfang aus der gesicherten Forderung, die jedoch nicht über die Eintragung im Grundbuch hinausgehen kann.285 Die Grundschuld beruht auf den Regelungen der Hypothek, für sie sind jedoch die Vorschriften über die Akzessorietät der Forderung nicht anwendbar, § 1192 Abs. 1 BGB. Eine bestimmte Forderung muss nicht zwangsläufig bestehen, die Grundschuld verlangt vielmehr schlechthin die Zahlung einer Geldsumme aus dem belasteten Grundstück.286 Die Grundschuld wird in der Praxis meist zur Sicherung eines Anspruchs verwendet (Sicherungsgrundschuld), § 1192 Abs. 1a BGB. Sie kann jedoch auch Verbindlichkeiten bei laufenden Geschäftsbeziehungen absichern. Zur Absicherung neuer Forderungen muss keine neue Grundschuldbestellung erfolgen, eine bereits bestehende kann weiter genutzt werden.287 Die Grundschuld und Forderung werden in diesem Fall durch eine schuldrechtliche Sicherungsabrede verknüpft. Diese legt fest, welche Forderungen von der Grundschuld umfasst sind und unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger eine Vollstreckung in das Grundstück vornehmen darf.288 Die Verbindung zwischen Grundschuld als dinglichem Recht und der Forderung ist stets nur schuldrechtlicher und nicht dinglicher Natur. Die Bestellung von Hypothek und Grundschuld erfolgt jeweils durch Einigung und Eintragung ins Grundbuch.289 Die Hypothek entsteht jedoch erst, wenn die gesicherte Forderung entstanden ist, also erst nach der Eintragung, 282

Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1113 ff. Rn. 4 ff. Eickmann, in: MüKo, BGB, § 1113 Rn. 12; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1113 ff. Rn. 7. 284 Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1113 ff. Rn. 7. Ausnahmsweise ist dies lediglich bei der sogenannten forderungsentkleideten Hypothek möglich. Siehe hierzu Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1138 Rn. 8. 285 Etwa hinsichtlich der Haftungssumme; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1113 ff. Rn. 6. 286 Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1191 ff. Rn. 1 ff. 287 Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1191 ff. Rn. 23. 288 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1504 ff. 289 Die Vorschriften der §§ 873 ff. BGB sind hier grundsätzlich anwendbar; Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 37 Rn. 24. 283

56

Kapitel 2: Grundlagen

sofern eine zukünftige oder bedingte Forderung abgesichert wird, § 1113 Abs. 2 BGB.290 Grundschuld und Hypothek können jeweils in Buch- oder Briefform bestehen. Bei der Bestellung einer Briefhypothek oder Briefgrundschuld wird ein Hypothekenbrief bzw. ein Grundschuldbrief vom Grundbuchamt erteilt.291 Dessen Übergabe an den Gläubiger ist zwingend für das Entstehen des Sicherungsrechts erforderlich, § 1117 Abs. 1 BGB.292 Der Brief enthält die wesentlichen Inhalte des Grundpfandrechts wie Geldbetrag, Zinsen und Angaben über das belastete Grundstück, §§ 56, 57 GBO. Ohne die Heranziehung des Grundbuchs ist sein Aussagegehalt jedoch gering.293 Die Übertragung einer Briefhypothek oder Briefgrundschuld ist ohne eine Eintragung im Grundbuch möglich, die schriftliche Abtretung der Forderung und die Übergabe des Briefes reichen aus, § 1154 Abs. 1 BGB (bzw. §§ 1192 Abs. 1, 1154 BGB).294 Die Hypothek hat sich in der Praxis jedoch als zu unflexibel erwiesen. Bei der Grundschuld kann die zu sichernde Forderung beliebig und zu jeder Zeit durch eine neue Sicherungsabrede ausgetauscht werden, ohne dass es einer Eintragung im Grundbuch bedarf. In der Praxis wird die Hypothek heute kaum noch verwendet; sie wurde nahezu vollständig durch die Grundschuld verdrängt.295 c)

Erwerbsrechte

Ein dingliches Erwerbsrecht berechtigt den Rechtsinhaber, unter bestimmten Voraussetzungen das Eigentum oder ein anderes Recht an einem Grundstück zu erwerben.296 Hierzu gehören das dingliche Vorkaufsrecht und die Vormerkung. Das dingliche Vorkaufsrecht (§ 1094 BGB) räumt einer Person (oder dem Eigentümer eines Grundstücks) für den Fall des Verkaufs des belasteten Grundstücks das Recht ein, durch eine einseitige Erklärung das Grundstück zu den gleichen Vertragsbedingungen zu erwerben.297 Dieser zweite Kaufver-

290

Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1113 Rn. 35 ff. Bestelmeyer, in: Meikel, GBO, § 56 Rn. 33 ff. 292 Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1117 Rn. 4, 36. 293 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1416. 294 Siehe Genaueres zur Briefhypothek Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1911 ff. und zur Briefgrundschuld Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 2277 ff. 295 Epp, in: Bankrechts-HB, § 94 Grundpfandrechte Rn. 2; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1113 ff. Rn. 2. Siehe jedoch zur möglichen „Renaissance“ der Hypothek im Zusammenhang mit der Einführung des § 1192 Abs. 1a BGB Redeker, ZIP 2009, 208. 296 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 42. 297 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1084. 291

C. Rechte an Grundstücken

57

trag kann gegenüber allen Beteiligten vollzogen werden, selbst wenn der erste Kaufvertrag samt Eigentumsübertragung schon abgewickelt worden ist.298 Die Vormerkung hingegen dient der Sicherung eines schuldrechtlichen Anspruchs auf Einräumung (oder Aufhebung) eines Grundstücksrechts gegenüber Dritten, §§ 883 ff. BGB.299 In der Praxis wird die Vormerkung vor allem zur Absicherung der Risikophase zwischen dem Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags zur Übertragung eines Grundstücksrechts, der Kaufpreiszahlung und dem letztendlichen Rechtsübergang durch die Eintragung im Grundbuch verwendet.300 d)

Altrechtliche Dienstbarkeiten

Neben den genannten dinglichen Rechten existieren teilweise noch Grundstücksrechte, die vor der Einführung des BGB in den einzelnen Ländern möglich waren.301 Diese sogenannten altrechtlichen Dienstbarkeiten gelten auch nach der Schaffung des BGB fort und können in der Regel auch weiter übertragen werden, Art. 184 EGBGB.302 4.

Rang der Grundstücksrechte

Die Konkurrenz zwischen mehreren Grundstücksrechten bzw. deren Inhabern richtet sich nach dem Zeitpunkt ihres Entstehens.303 Die Entstehung der Grundstücksrechte hängt im deutschen Recht (in der Regel) vom Zeitpunkt der Eintragung in das Grundbuch ab.304 Die Rangordnung von Grundstücksrechten derselben Abteilung305 richten sich nach der räumlichen Reihenfolge, § 879 Abs. 1 Satz 1 BGB.306 Konkurrierende Rechte, die in verschiedenen Abteilungen eingetragen sind, richten sich nach dem Datum der Eintragung, 298 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 42. Siehe für Näheres zum Vorkaufsrecht Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1394 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1084 ff. 299 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 42. Siehe ausführlich zu Ausgestaltung und Funktion der Vormerkung unten S. 316. 300 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1478; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 869. 301 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1171. 302 Hönle/Hönle, in: Staudinger, BGB, Art. 184 EGBGB Rn. 15 f. Siehe Näheres zu den altrechtlichen Dienstbarkeiten bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1171 ff.; Säcker, in: MüKo, BGB, Art. 187 EGBGB Rn. 1 ff. 303 Prior tempore potior iure. Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 17 Rn. 7. 304 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 188. Das ist selbst dann der Fall, wenn die Einigung erst nach der Eintragung erfolgt, § 879 Abs. 2 BGB. Kutter, in: Staudinger, BGB, § 879 Rn. 63. 305 Siehe zu den Abteilungen des Grundbuchs unten S. 105. 306 Sogenanntes Locusprinzip; Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 17 Rn. 13; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 309.

58

Kapitel 2: Grundlagen

§ 879 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB,307 wobei im letzten Fall Rechte mit demselben Datum denselben Rang haben, § 879 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB. Im Grundbuchverfahren muss das Grundbuchamt für die Abbildung dieser Rangordnung entsprechende Vorkehrungen treffen und Eintragungen von Rechtsänderungen nach ihrem zeitlichen Eingang bearbeiten.308 5.

Personenmehrheiten als Rechtsinhaber

Das Eigentumsrecht an Grundstücken (aber auch das Wohnungseigentum309 und mit Einschränkungen das Erbbaurecht310) kann entweder einer Person alleine (Alleineigentum) oder mehreren gemeinsam (Miteigentum oder Gesamthandseigentum) zustehen.311 Beim Miteigentum (bzw. der Eigentumsgemeinschaft nach Bruchteilen) steht jedem Miteigentümer ein bestimmter ideeller – nicht realer – Anteil am Grundstück zu, § 1008 BGB. Jeder Miteigentümer kann über seinen Anteil, wie über Alleineigentum, frei verfügen.312 Das Gesamthandseigentum ist hingegen durch die Zugehörigkeit des Grundstücks zu einem Vermögen geprägt, welches wiederum mehreren zur gesamten Hand (Gesamthandsgemeinschaft)313 zusteht.314 Der Anteil am Eigentumsrecht ist für den einzelnen Gesamthänder sachenrechtlich nicht „fassbar“.315 Er kann über seinen Anteil am Grundstück, der ihm mittelbar über das Vermögen der Gemeinschaft zusteht, nicht verfügen. Die übrigen Grundstücksrechte können ebenfalls zu Gunsten mehrerer Personen bestellt werden, sofern ihre Rechtsnatur316 dem nicht entgegensteht.317

307 Sogenanntes Tempusprinzip; Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 17 Rn. 13; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 309. 308 Dies wird unter anderem durch §§ 45, 17 GBO sichergestellt. 309 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 2938. 310 Rapp, in: Staudinger, BGB, § 1 ErbbauRG Rn. 4. 311 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 25. 312 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 1008 Rn. 2; Näheres bei Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 28. 313 Hierzu gehören: Die BGB-Gesellschaft, die OHG, die KG, das Gesamtgut bei der ehelichen Gütergemeinschaft, die Miterbengemeinschaft und der nicht rechtsfähige Verein. 314 Seiler, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 903 ff. IV. 3. 315 Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 3 Rn. 27. 316 So etwa bei der Grunddienstbarkeit. Siehe Joost, in: MüKo, BGB, § 1018 Rn. 22; Mayer, in: Staudinger, BGB, § 1018 Rn. 51 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1125 a.E. 317 Siehe zum Nießbrauch Frank, in: Staudinger, BGB, § 1030 Rn. 39 ff.; zur beschränkt persönlichen Dienstbarkeit Frank, in: Staudinger, BGB, § 1090 Rn. 6; zu den Grundpfandrechten Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Einl §§ 1113 ff. Rn. 80.

C. Rechte an Grundstücken

6.

59

Zusammenfassung

Das deutsche Grundstücksrecht ist insgesamt sehr stark durch den Bestimmtheitsgrundsatz sowie den Typenzwang (Numerus clausus der Sachenrechte) geprägt. Beide Prinzipien sind essentielle Bestandteile des Sachenrechts und zwingende Voraussetzung für Rechtsklarheit, Rechtssicherheit sowie für die Darstellung der Grundstücksrechte im Grundbuch.318 Die verschiedenen Grundstücksrechte grenzen sich voneinander klar ab.319 Mischformen sind nicht möglich.320 Der Rechtsanwender kann sich nur der gesetzlich vorgegebenen Formen bedienen. Neue dingliche Grundstücksrechte, die eventuell für die Praxis oder die Wirtschaft förderlich wären, können nur durch den Gesetzgeber geschaffen werden. Die individuelle Gestaltung innerhalb der zur Verfügung gestellten Rechte ist nur sehr eingeschränkt möglich. Eine auf den konkreten Einzelfall zugeschnittene Lösung ist im Regelfall nicht realisierbar. Von der deutschen Rechtsordnung wird trotzdem ein ausgefeiltes System verschiedener Rechte zur Verfügung gestellt. In der Regel lassen sich alle gewünschten rechtlichen Beziehungen zu einem Grundstück abbilden. In der Praxis scheint zumindest kein Bedarf für neue Rechtsformen zu bestehen. Das System der Rechte an Grundstücken existiert nahezu unverändert seit der Einführung des BGB. Es wird insgesamt als eine statische und konservative Rechtsmaterie bezeichnet.321 II.

Angloamerikanische Grundstücksrechte

1.

Ursprung der Grundstücksrechte

Das angloamerikanische Grundstücksrecht geht auf das durch das Lehnswesen stark geprägte englische Grundstücksrecht zurück.322 Die heutige Struktur der einzelnen Grundstücksrechte ist vor allem auf die Organisation der Landnutzung nach der Krönung von William I. zum König von England im Jahr

318 Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zum Sachenrecht Rn. 38 ff., 54 ff. Siehe auch aus rechtsökonomischer Sicht Fleischer, in: FS Schäfer, 2008, S. 125. 319 Wenn auch die Abgrenzung in der Praxis nicht immer einfach ist. 320 Durch den Numerus clausus der Sachenrechte wollte der Gesetzgeber auch eine feudale Struktur von Grundstücksrechten, mit Ober- und Untereigentum, vermeiden. Siehe m.w.N. Fleischer, in: FS Schäfer, 2008, S. 125, 128. 321 Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zum Sachenrecht Rn. 68. 322 Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 138; Katz, 76 Mich. L. Rev. 1, 9 f. (1977). Siehe für eine detaillierte historische Entwicklung Alexander, Commodity & Propriety, 1997; 3 American law of property § 12.1; Jacobs, Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971, S. 15 ff.; 1 Powell on Real Property § 16 ff. (1998). Sehr ausführlich zum englischen Recht Simpson, A History of the Land Law, 1986.

60

Kapitel 2: Grundlagen

1066 zurückzuführen.323 Grundgedanke war, dass nur der Monarch Eigentümer eines Grundstücks sein könne. Von ihm leiteten sich alle weiteren Grundstücksrechte ab. Den unter dem König stehenden Adeligen stellte die Krone einzelne Landstücke in Form von Lehen (tenure) zur Verfügung. Die Adeligen überließen Teile dieser Landstücke wiederum weiteren nachgeordneten Personen – in der letzten Stufe dem einfachen Bauern – zur Nutzung. Für die Erlaubnis zur Nutzung mussten die Bauern den Adeligen, so, wie diese dem Monarchen, eine Gegenleistung erbringen. Die Struktur der Weitergabe von Grundstücksrechten führte zu einer Lehnspyramide mit dem König an der Spitze als oberstem Lehnsherr – dem lord paramount oder chief lord – und den nachgeordneten Lehnsmännern.324 Das Recht zur Nutzung eines Grundstücks war entweder an die Zugehörigkeit zu einem Familienstamm oder zeitlich gebunden und unterlag teilweise bestimmten Bedingungen oder Verpflichtungen.325 Aus dem Lehnsrecht entwickelte sich Ende des 13. Jahrhunderts das englische System der sogenannten estates.326 Ein estate beschreibt das Verhältnis einer Person zu einem bestimmten Grundstück. Es stellt seine Berechtigung, also die Reichweite seines Rechts am Grundstück, dar.327 Bereits zum damaligen Zeitpunkt existierten die heute noch in den Vereinigten Staaten üblichen Eigentumsrechte wie das fee simple, life estate, estate for years und die zugehörigen future interests.328 Die spätere Entwicklung bis zum 17. Jahrhundert war vor allem durch einzelne Gesetze geprägt, welche die zahllosen unterschiedlich abgeleiteten Grundstücksrechte spezifizierten und vereinfachten.329 Es entstand eine Art Typenzwang, der es verbot, neue Grundstücksrechte

323

1 Powell on Real Property § 21; Erp, in: The Oxford handbook of comparative law, 2008, S. 1043, 1057. Die Ursprünge des englischen Grundstücksrechts gehen auch teilweise auf das vor 1066 in England bestehende Recht zurück; 1 American law of property §§ 1.3; siehe auch Eisenhauer, Moderne Entwicklungen im englischen Grundstücksrecht, 1997, S. 7 ff. 324 1 American law of property §§ 1.4. Vgl. hierzu auch das geteilte Eigentum in Deutschland (Obereigentum, Untereigentum und Nutzungseigentum), welches im Mittelalter das Rechtsverhältnis zwischen Lehnsherrn und Lehnsmann beschrieb; Seiler, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 903 ff. Rn. 60. 325 Wie z.B. die Pflicht, dem Lehnsherrn militärische Unterstützung, landwirtschaftliche Güter oder Geldleistungen zur Verfügung zu stellen; 1 Powell on Real Property § 22 ff. 326 Der Begriff estate leitet sich von statuts ab, der zunächst die Stellung einer Person innerhalb der Gesellschaft und des Staats beschrieb. Die Bedeutung eines estate wandelte sich später zu dem des Grundeigentums; 1 American law of property §§ 1.7. 327 1 American law of property §§ 1.7. 328 1 American law of property §§ 1.8 ff. 329 Siehe hierzu 1 American law of property §§ 1.16 ff.

C. Rechte an Grundstücken

61

einzuführen. Die bestehenden und alle neuen Rechtsverhältnisse mussten in das vorgegebene System eingeordnet werden.330 Das englische Grundstücksrecht galt bei der Kolonialisierung des nordamerikanischen Kontinents zumindest in den englischen Gebieten. Teilweise bestand sogar ein Lehnssystem mit einer regelmäßigen Abgabepflicht an einen Lehnsherrn.331 Spätestens mit der amerikanischen Unabhängigkeit wurde jedoch jede Verbindung der Grundstücksinhaber mit dem englischen König gebrochen.332 In manchen Regionen folgte der neu geschaffene Bundesstaat in die Rechtsposition des Monarchen als obersten Lehnsherrn.333 Die folgende Gesetzgebung sprach den Bundesstaaten jedoch seine Stellung als Lehnsherr ab und erklärte die Eigentümerstellung als frei von jeglicher Abhängigkeit.334 Die Inhaber hatten von nun an ein freies, von jeglicher übergeordneten Institution unabhängiges Grundstücksrecht (allodial title).335 Die Begrifflichkeiten des englischen Grundstücksrechts haben sich bis heute in den Vereinigten Staaten nicht geändert.336 Die estates beschreiben das Verhältnis einer Person zu einem Grundstück. Sie sind Eigentumsrechte, die eine unterschiedlich weit reichende Eigentümerposition gewähren und nicht notwendigerweise mit dem deutschen Eigentumsbegriff übereinstimmen müssen.

330 „A man cannot create a new kind of inheritance“; Johnson v. Whiton, 159 Mass. 424, 426, 34 N.E. 542 (Mass. 1893). 331 Lediglich in den Kolonien Massachusetts Bay, Plymouth, Connecticut und Rhode Island war der Grundstücksbesitz frei von jeglicher Lehnsleistung, 1 American law of property §§ 1.41; Jacobs, Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971, S. 102 ff. 332 Jacobs, Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen Real-Property-Law, 1971, S. 134 f. 333 McThenia, JR./Epstein, 40 Wash. & Lee L. Rev. 1429, 1431 (1983); 1 American law of property § 1.41; Vance, 33 Yale L.J. 248, 265 (1924). 334 1 American law of property §§ 1.41. Z.B. in Virginia 1776 unter der Mitarbeit von Thomas Jefferson, Katz, 76 Mich. L. Rev. 1, 12 f. (1977); in New York 1787, Hosford v. Ballard, 12 Tiffany 147, 151, 39 N.Y. 147, 1868 WL 6248 (N.Y. 1868). 335 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 281; Jacobs, Die Quit-Rents in den USA und ihre Wurzeln in der Geschichte des englisch-amerikanischen Real-PropertyLaw, 1971, S. 135. In England sind heute zumindest noch teilweise von der Krone abgeleitete Eigentumsrechte möglich; Erp, in: The Oxford handbook of comparative law, 2008, S. 1043, 1057 f. 336 Die Terminologie ist in der Rechtswissenschaft immer noch weit verbreitet und wird auch im Restatement (Third) of Property beibehalten. ALI, Restatement (Third) of Property: Wills & Other Donative Transfers, 2003, § 24.1 cmt. a.

62

Kapitel 2: Grundlagen

2.

Die Bundesstaaten als Normgeber im Grundstücksrecht

Im Bereich des Immobiliarsachenrechts sowie in weiten Teilen des übrigen Zivilrechts liegt die Gesetzgebungskompetenz bei den Bundesstaaten.337 Eine Zuweisung der Kompetenz an den Kongress existiert im Grundstücksrecht nicht.338 Jeder Bundesstaat hat folglich sein eigenes, von den anderen Bundesstaaten unabhängiges Grundstücksrecht,339 das auch von den Bundesgerichten bei Entscheidungen herangezogen werden muss.340 Auf Grund des gemeinsamen Ursprungs des Grundstücksrechts im Common Law unterscheidet sich die Ausgestaltung zwischen den Bundesstaaten nur hinsichtlich einzelner Fragestellungen. Eine einheitliche Darstellung des Grundstücksrechts ist jedoch grundsätzlich möglich.341 Die meisten Bundesstaaten haben das Grundstücksrecht des Common Law weitgehend kodifiziert,342 zum Teil jedoch auch einzelne Grundstücksrechte abgeschafft oder beschränkt. 3.

Das Eigentumsrecht – Property, the bundle of rights

Das angloamerikanische Sachenrecht sieht das Eigentum (property, teilweise auch ownership)343 ähnlich wie das deutsche Recht und beschreibt eine Ansammlung von Rechten (bundle of rights) an einer bestimmten Sache.344 Die Hauptbestandteile des Eigentumsrechts sind in positiver Hinsicht das Besitz-, Nutzungs- und Verfügungsrecht sowie in negativer Hinsicht das Ausschlussrecht gegenüber anderen.345 Das Eigentumsrecht wirkt gegenüber jedermann, auch gegenüber dem Staat.346 Das Common Law unterscheidet grundsätzlich auch zwischen dem personal property und dem real property. Beide Begriffe 337

S. 11.

Siehe zur inhomogenen Rechtsordnung zwischen den Bundesstaaten bereits oben

338 „[…] state law as the traditional source of the real property interests.“ Preseault v. I.C.C., 494 U.S. 1, 22, 110 S.Ct. 914 (1990). Siehe auch Art. 4 Section 3 cl. 2 U.S. Const. 339 63C Am. Jur. 2d Property § 1; Burke/Snoe, Property, 2004, S. 5 f. 340 „Property interests […] are not created by the Constitution. Rather, they are created and their dimensions are defined by […] state law“. Board of Regents of State Colleges v. Roth, 408 U.S. 564, 577, 92 S.Ct. 2701 (1972). 341 In dieser Form wird auch in den Lehrbüchern (casebooks) verfahren. Diese weisen meist nur darauf hin, dass in den Bundesstaaten verschiedene Rechtslagen bestehen. Der Rechtsanwender muss die für seinen Bundesstaat abweichenden Regelungen beachten. Im Übrigen vergleiche zur Auswahl der Rechtsordnungen oben S. 13. 342 So z.B. in Kalifornien 1872 (§§ 654 ff. Cal. Civ. Code) und New York 1909 (Art. 1 ff. RPL, Law of N.Y.). 343 Beide Begriffe werden regelmäßig als Eigentum übersetzt, ownership zuweilen auch als Besitz. Siehe auch Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 131. 344 63C Am. Jur. 2d Property § 1; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 5. 345 63C Am. Jur. 2d Property § 1. 346 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 5.

C. Rechte an Grundstücken

63

stimmen zumindest weitgehend mit der deutschen Unterscheidung zwischen dem Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen überein.347 Das personal property umfasst jedoch neben dem Eigentum an körperlichen Gegenständen (tangible property) auch das Eigentum an immateriellen Gütern bzw. an Vermögenswerten (intangible property).348 Das Eigentumsrecht an beweglichen Sachen, also ohne immaterielle Güter, wird als chattel oder in der Terminologie des Civil Law auch als moveable property bezeichnet.349 Der Begriff des real property stimmt hingegen vollständig mit dem Eigentum an unbeweglichen Sachen des deutschen Rechts bzw. des Civil Law überein.350 Er bezieht sich nur auf Rechte an Grundstücken.351 Ebenso wie das deutsche Recht umfasst das Eigentum an Grundstücken auch alle hiermit fest verbundenen Gegenstände, die nicht mehr sonderrechtsfähig sind, sogenannte fixtures.352 Die aus dem englischen Feudalrecht stammende Struktur des Eigentumsrechts an Grundstücken differenziert zwischen gegenwärtigen Besitzrechten (present interests) und zukünftigen bzw. potentiellen Besitzrechten (future interests).353 Die einzelnen Eigentumsrechte (real estates oder nur estates)354 unterscheiden sich hinsichtlich Qualität, Ausmaß, Natur, Reichweite und Dauer.355 Sie können in verschiedene zeitlich beschränkte oder bedingte Eigentumsrechte „aufgespalten“ werden, sodass verschiedene Inhaber mit unterschiedlichen „Eigentumsrechten“ bestehen. Die zukünftigen Eigentumsrechte gewähren dem Inhaber erst in der Zukunft, nach Ablauf einer bestimmten Zeitperiode oder dem Eintritt einer Bedingung, ein Besitzrecht am Grundstück.356

347

Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 428; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 5. Siehe beispielsweise auch die Legaldefinition in § 655 Cal. Civ. Code. 348 63C Am. Jur. 2d Property § 9. Hierzu gehören neben Patenten und Urheberrechten auch Wertpapiere und schuldrechtliche Ansprüche (Bankguthaben, Versicherungspolicen). Der Eigentumsbegriff ist folglich noch weiter als der des geistigen „Eigentums“; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 5. 349 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 5; 63C Am. Jur. 2d Property § 19. 350 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 5; ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 8 cmt. c. 351 63C Am. Jur. 2d Property § 11. Siehe beispielsweise auch die Legaldefinition in § 658 Cal. Civ. Code. 352 Näheres bei 36A CJS Fixtures §§ 1 ff. 353 Burke/Snoe, Property, 2004, S. 108. 354 ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 9. 355 „The amount, degree, nature, and quality of a person’s interest in land“, Black, Black’s Law Dictionary, 2014. Siehe auch 1 Powell on Real Property § 11.01 (2009). 356 Burby, Real Property, 1965, S. 335.

64

Kapitel 2: Grundlagen

4.

Gegenwärtige Eigentumsrechte – Present interests

Die gegenwärtigen Grundstücksrechte (present interests) berechtigen den Inhaber zum sofortigen Besitz und werden aus diesem Grund auch possessory estates genannt.357 Innerhalb dieser Rechte wird zwischen den freehold estates, die zum Besitz auf unbestimmte Zeit berechtigen,358 und den nonfreehold estates, welche nur ein Besitzrecht für einen bestimmbaren Zeitraum gewähren, unterschieden.359 Welches Eigentumsrecht bei einer Übertragung auf den Erwerber übergeht, bestimmt sich nach der sogenannten habendumKlausel.360 Diese Klausel ist in der Übertragungsurkunde (deed), aber auch im Testament (will), enthalten. Die Formulierung beschreibt mit einer speziellen historischen Terminologie, welches Recht bei einer Übertragung auf den Erwerber übergeht. a)

Dauerhafte Eigentumsrechte – Freehold estates

Die freehold estates361 sind die wichtigsten und am weitesten gehenden Rechte an einem Grundstück. Sie berechtigen den Inhaber grundsätzlich zum Besitz auf unbestimmte Zeit. Es existieren drei verschieden Typen: das fee simple absolute, das fee tail und das defeasible estate (auch fee simple determinable). Sie alle können als Eigentumsrechte verstanden werden und unterscheiden sich hinsichtlich der jeweiligen Absolutheit der Eigentümerstellung. So verleiht das fee simple die umfangreichsten Rechte, das fee tail beschränkt die Übertragbarkeit und das defeasible estate kann beim Eintritt einer vereinbarten Bedingung automatisch an den Veräußerer zurückfallen. An einem Grundstück kann immer nur eines dieser Eigentumsrechte bestehen. aa) Das Volleigentum – Fee simple absolute Beim fee simple absolute (bzw. nur fee simple) handelt es sich um das weitest gehende Eigentumsrecht an einem Grundstück. Es ist durch potentielle ewige Dauer (fee), freie Vererbbarkeit (simple) sowie seine Unbedingtheit (absolute) gekennzeichnet.362 Das fee simple stimmt in seiner Ausgestaltung und Reichweite mit dem deutschen Volleigentum überein. Es unterliegt grundsätzlich keinerlei Einschränkungen. Im Common Law war für eine Übertragung des fee simple die Formulierung to A and his heirs363 in der habendum357

31 CJS Estates § 38. 31 CJS Estates § 11. 359 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 250; Burby, Real Property, 1965, S. 4 f. 360 Siehe Genaueres zur habendum-Klausel unten S. 191. 361 Siehe hierzu auch Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 139 ff. 362 Burby, Real Property, 1965, S. 5; ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 15. 363 Etwa: an A und seine Nachkommen. 358

C. Rechte an Grundstücken

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Klausel erforderlich. Heute ist dies nicht mehr zwingend notwendig. Fast alle Bundesstaaten haben gesetzliche Regelungen geschaffen, welche die Übertragung eines fee simple vermuten, wenn nichts Gegenteiliges aus der Übertragungsurkunde hervorgeht.364 In der Praxis wird die alte Terminologie zur Klarstellung oftmals weiterhin in den Übertragungsurkunden verwendet.365 bb) Fee tail Das fee tail366 ist ein Eigentumsrecht, das in seiner rechtsgeschäftlichen Übertragbarkeit beschränkt ist. Es wurde ursprünglich genutzt, um ein Grundstück dauerhaft im Eigentum einer Familie zu halten. Die Formulierung to A and the heirs of his body367 schafft dieses Recht und führt im Todesfall des Inhabers zu einer gesetzlichen Übertragung auf die Erben in gerader Linie. Der Rechtsinhaber ist jedoch in seiner Verfügung beschränkt, ihm ist es nicht erlaubt, das Grundstück zu veräußern, an andere als Familienmitglieder zu vererben oder in anderer Weise zu übertragen.368 In den Vereinigten Staaten wurde das fee tail in vielen Bundesstaaten nie akzeptiert oder später durch gesetzliche Regelungen abgeschafft.369 Meist ist das fee tail direkt oder bei der nächsten Übertragung an die Nachkommen automatisch in ein volles Eigentumsrecht ohne jegliche Beschränkungen übergegangen.370 Durch die weitgehende Abschaffung hat das fee tail heute meist nur noch rechtsgeschichtliche Relevanz. Die Beschränkung der rechtsgeschäftlichen Übertragbarkeit des fee tail kann mit dem 1938371 in Deutschland abgeschafften Familienfideikommisses372 verglichen werden.

364 1 Powell on Real Property § 13.04[5] (2000). Siehe beispielsweise § 1105 Cal. Civ. Code und § 33-432 Ariz. St. 365 23 Am. Jur. 2d Deeds § 14. 366 Lat. foedum talliatum; eng. cut-short fee. 367 ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 59. 368 2 Powell on Real Property § 14.03 (2002). Folge dieser Beschränkungen war unter anderem das Unvermögen vieler Adeliger im 17. bis 19. Jahrhundert, ihre hohen Schulden trotz großer Liegenschaften zu begleichen. Sie konnten ihr Grundeigentum schlicht nicht zu Geld machen. 369 1 American law of property § 2.13. Siehe zu den einzelnen Bundesstaaten ALI, Restatement (First) of Property, 1936, Ch. 5 Introductory Note, Special Note 4 ff. 370 In Kentucky wurde es beispielsweise 1960 abgeschafft und in ein fee simple umgewandelt, § 381.218 Ky. St. Siehe auch § 6-1.2 EPT Law of N.Y.; § 763 f. Cal. Civ. Code. 371 Gesetz über das Erlöschen der Familienfideikommisse und sonstiger gebundener Vermögen (FidErlG) vom 6.7.1938, RGBl., 825. 372 Siehe hierzu m.w.N. Avenarius, in: Staudinger, BGB, Vor. §§ 2100–2146 Rn. 18.

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Kapitel 2: Grundlagen

cc) Bedingte Eigentumsrechte – Defeasible estates Im Gegensatz zum bedingungsfeindlichen deutschen Grundstücksrecht373 ist es im Common Law möglich, ein Grundstück unter einer (auflösenden) Bedingung zu übertragen. Ein solches defeasible estate374 fällt bei Eintritt der Bedingung entweder automatisch an den ursprünglichen Eigentümer zurück (fee simple determinable)375 oder verschafft diesem ein Eintrittsrecht (fee simple subject to a condition subsequent). Das fee simple determinable geht folglich beim Eintritt der Bedingung automatisch unter, und der ursprüngliche Eigentümer erhält sein volles Eigentum zurück.376 Diese Form der auflösenden Bedingung wird in der Übertragungsurkunde durch die Verknüpfung einer Bedingung mit den Worten while, during, so long as oder until ausgedrückt.377 Der Rechtsübergang findet bei Bedingungseintritt automatisch statt, auch ohne oder sogar gegen den Willen des Berechtigten. Der Rückfall (possibility of reverter) an den ursprünglichen Eigentümer, dessen Nachkommen oder eine andere vorher festgelegte Person ist jederzeit möglich. Das fee simple subject to a condition subsequent ist zwar auch mit einer Bedingung verknüpft, die Rechtsfolge bei dessen Eintritt ist jedoch eine andere. Tritt die vereinbarte Bedingung ein, folgt ihr nicht ein automatischer Übergang des Rechts. Vielmehr wird dem ursprünglichen Eigentümer oder der bei der Übertragung benannten Person ein Eintrittsrecht zugestanden.378 Es hängt von seiner Entscheidung ab, ob das Eigentum an ihn fällt oder nicht. Er kann durch die Ausübung379 seines Eintrittsrechts Eigentümer werden (right of (re-)entry oder power of termination).380 In der Übertragungsurkunde wird dies durch die Wortwahl provided that oder on condition deutlich.381 Dies kann auch in Form einer Rückkaufklausel geschehen, die bei Bedin-

373

Siehe nur § 925 Abs. 2 BGB. Die Übersetzung von defeasible als anfechtbar oder annullierbar gibt die tatsächliche rechtliche Ausgestaltung nicht exakt wieder. 375 Determinable im Sinne von befristet. 376 Burke/Snoe, Property, 2004, S. 118. 377 31 CJS Estates Rn. 15. 378 Burke/Snoe, Property, 2004, S. 119 f. 379 Die Geltendmachung des Eintrittsrechts kann je nach Bundesstaat durch eine Klage, Registrierung der Erklärung im Grundstücksregister, aber auch durch die schlichte Inbesitznahme oder Erklärung gegenüber dem Inhaber des defeasible estate erfolgen. Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 284; siehe beispielsweise § 885.050 Cal. Civ. Code. 380 In manchen Bundesstaaten muss das Eintrittsrecht innerhalb einer bestimmten Zeit ausgeübt werden, da es sonst erlischt. In Kalifornien beispielsweise innerhalb von fünf Jahren, § 885.050 Cal. Civ. Code. 381 31 CJS Estates § 21. 374

C. Rechte an Grundstücken

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gungseintritt zum entgeltlichen Rückerwerb berechtigt.382 Die Konstruktion hat zur Folge, dass zwei Personen jeweils ein Eigentumsrecht am selben Grundstück innehaben. Der Erwerber hat ein Vollrecht, welches jedoch bei Eintritt der Bedingung bzw. nach Ausübung des Eintrittsrechts untergeht. Beim Übertragenden verbleibt ein potentielles Recht (future interest), welches bei Bedingungseintritt (wieder) zum Vollrecht erstarkt. Beide bedingten Eigentumsrechte sind frei übertragbar, sowohl rechtsgeschäftlich als auch von Todes wegen. Sie bleiben jedoch stets mit der ursprünglichen Bedingung belastet.383 Ein defeasible estate kann folglich wie ein fee simple von ewiger Dauer sein. Es besteht jedoch stets die Möglichkeit, das Recht durch Bedingungseintritt wieder zu verlieren. In der Praxis wurde es in der Vergangenheit vor allem bei Übertragungen von Grundstücken, die ausschließlich einen bestimmten öffentlichen Nutzen hatten, verwendet. Historische Beispiele sind etwa die Bedingung, das Grundstück ausschließlich als Kirche oder Schule zu nutzen, oder die Pflicht, eine Brücke zu unterhalten.384 Tritt zu irgendeinem Zeitpunkt die Unmöglichkeit des Bedingungseintritts ein, so wandelt sich das defeasible estate automatisch in ein fee simple um.385 Der Berechtigte erwirbt kraft Gesetzes volles Eigentum, über welches er uneingeschränkt verfügen kann. Die Vereinbarung einer Bedingung hat zur Folge, dass selbst nach einem langen Zeitraum noch eine automatische Rechtsänderung eintreten kann.386 Die Nachkommen des Berechtigten können zumindest theoretisch noch hunderte Jahre später die ursprüngliche Eigentumslage ihres Vorfahren zurückerhalten. In manchen Bundesstaaten wurde aus diesem Grund das fee simple determinable abgeschafft387 oder dessen Existenz auf einen bestimmten Zeitraum (meist 30 Jahre) beschränkt.388 Nach Ablauf dieser Zeitspanne entsteht für den Inhaber des determinable estate ein volles Eigentumsrecht (fee simple).389 Sämtliche Rechtsänderungen nach Bedingungseintritt und eventueller Ausübung des Eintrittsrechts sind von einer „Eintragung“ im Grundstücksregister unabhängig.

382

Burby, Real Property, 1965, S. 205. 28 Am. Jur. 2d Estates § 30. 384 Burby, Real Property, 1965, S. 205. 385 ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 58 cmt. c. 386 Siehe genauer auch Powell, 40 U. Kan L. Rev. 411 (1992). 387 Beispielsweise in Kalifornien, § 885.020 Cal. Civ. Code. 388 Zwischen den Gerichten der Bundesstaaten ist strittig, ob eine solche Beschränkung verfassungsgemäß ist. Krier, Property, 2006, § 393; Woerner, 16 A.L.R. 2d 1246 (1951). 389 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 283. 383

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Kapitel 2: Grundlagen

b)

Vorübergehende Eigentumsrechte – Nonfreehold estates

Im Gegensatz zu den freehold estates zeichnen sich die nonfreehold estates durch ihre von vorneherein begrenzte Dauer aus: Bereits bei der Übertragung steht fest, dass der Erwerber sein Recht am Grundstück wieder verlieren oder nur bis zu seinem Tod innehaben wird; ein Übergang auf die Erben findet nicht statt. Hierzu gehören das life estate, welches das Eigentumsrecht an die Dauer des Lebens einer oder mehrerer Personen knüpft, sowie das leasehold estate, welches eine Art dingliches Mietrecht darstellt. aa) Rechte am Grundstück auf Lebenszeit – Life estate Wird das Recht für den Zeitraum bis zum Tod des Erwerbers übertragen, so spricht man von einem life estate (to A for life).390 Während dieser Zeit darf das Grundstück wie eigenes Eigentum behandelt werden. Eine Beschränkung besteht nur hinsichtlich exzessiver Nutzung, Wertminderung und Beschädigung, da es sich rechtstechnisch um ein temporäres Recht handelt.391 Das Recht auf Zeit kann ebenso an den Tod einer anderen Person gekoppelt werden (life estate pur autre vie;392 to A for the life of B).393 Nach Eintritt des Todes geht das Recht am Grundstück automatisch an die in der Übertragungsurkunde genannte Person oder den ursprünglichen Eigentümer über.394 In der Praxis wird das life estate unter anderem genutzt, um ein Grundstück noch zu Lebzeiten an den Ehegatten oder die Kinder zu übertragen, um diese zu versorgen.395 Der Übertragende kann das Grundstück jedoch bis zu seinem eigenen Tod noch weitestgehend selbst nutzen,396 vermieten oder beleihen.397 Die Übertragung eines life estate ist rechtsgeschäftlich möglich. Die Reichweite des übertragenen Rechts bleibt jedoch an das life estate gebunden. Der Inhaber kann keine über seine eigene Rechtposition hinausgehenden Rechte verschaffen.398 Durch die Übertragung wird der ursprünglich vereinbarte Zeitrahmen nicht umgangen. Die Bindung des Rechts an den Tod einer Person bleibt auch nach der rechtsgeschäftlichen Übertragung bestehen. In der Praxis wird das life estate teilweise zur Umgehung einer unter Um-

390

2 Powell on Real Property § 15.02[1] (2000). ALI, Restatement (First) of Property, 1936, §§ 117 ff.; 2 Powell on Real Property § 15.03 (2000). 392 Französisch für: auf das Leben (oder die Lebenszeit) eines anderen. 393 Burby, Real Property, 1965, S. 188 ff.; ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 18. 394 31 CJS Estates § 77. 395 Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 139 f. 396 2 Powell on Real Property § 15.03[2] (2000). 397 31 CJS Estates §§ 64 f. 398 2 Powell on Real Property § 15.03[3] (2000). 391

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ständen langen Testamentsvollstreckung verwendet.399 In der Vergangenheit wurde das life estate häufig im Zusammenhang mit Ansprüchen der Eheleute bei deren Tod genutzt.400 Ein life estate kann ebenso wie das fee simple zusätzlich von einer Bedingung abhängig gemacht werden (defeasible life estate).401 bb) Leasehold estate als vorübergehendes dingliches Recht Wird ein Grundstück einer anderen Person für einen bestimmten Zeitraum übertragen, liegt ein leasehold estate vor.402 Der Zeitraum ist anders als beim life estate auf eine bestimmte Dauer festgelegt, also nicht mit unsicheren Faktoren wie der Lebenszeit verknüpft.403 Durch den Charakter einer Überlassung des Grundstücks auf Zeit stellt das leasehold estate eine Art dingliches Mietrecht dar.404 Der übertragende Eigentümer wird als landlord und der Inhaber des zeitlich begrenzten Nutzungsrechts als tenant bezeichnet. Dieses Verhältnis besteht sowohl aus einer schuldrechtlichen als auch dinglichen Komponente.405 Durch den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags erwirbt der tenant ein dingliches Besitzrecht am Grundstück. Dieses wirkt nicht nur gegenüber dem Eigentümer, sondern auch gegenüber jedem Dritten. Bei einer Übertragung des Grundstücks behält das leasehold seine Wirkung auch gegenüber dem neuen Eigentümer. Es gilt somit ebenso wie in Deutschland: „Kauf bricht nicht Miete“, § 566 BGB.406 Im schuldrechtlichen Teil des Ver-

399 Das Grundstück wird auf den späteren Erben so übertragen, dass dem Erblasser ein life estate verbleibt. Im Todesfall erhält der Erbe automatisch das volle Eigentumsrecht. Diese Form der Regelung der Übertragung von Grundeigentum auf die Nachkommen birgt jedoch einige Probleme. Heute überträgt der Erblasser deshalb häufig sein Grundeigentum auf einen sogenannten trust, der das Eigentum treuhänderisch für die Erben hält. Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 271. Siehe zum trust auch Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 554 ff.; Reimann/Ackmann, Einführung USPrivatrecht, 2004, S. 169 ff.; besonders ausführlich Schiemann, Der us-amerikanische Trust als Testamentsersatzgeschäft und Instrument der Nachlassplanung, 2008. 400 In fast allen Bundesstaaten hat der überlebende Ehegatte heute keinen gesetzlichen Anspruch auf einen bestimmten Teil des Grundvermögens. Der Ehegatte erhält aus diesem Grund ein life estate. Nach dessen Tod erhalten die Erben das Grundstück ohne die „Belastung“ des life estate. 2 Powell on Real Property § 15.04 ff. (2000). 401 31 CJS Estates § 78. 402 Das Mietverhältnis lease darf nicht mit dem auch in Deutschland bekannten Leasing verwechselt werden. 403 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 272. 404 Burke/Snoe, Property, 2004, S. 225. 405 49 Am. Jur. 2d Landlord and Tenant § 19; 2 Powell on Real Property § 16.02[2] (2003). 406 So Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 149.

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Kapitel 2: Grundlagen

trags (rental agreement) können genaue Nutzungsbedingungen, der Mietzins und weitere Vereinbarungen geregelt werden.407 Eine Unterscheidung zwischen Pacht und Miete findet im angloamerikanischen Recht nicht statt, beides wird als lease bezeichnet.408 Eine Fruchtziehung ist dem tenant nur im Falle einer abweichenden Vereinbarung versagt.409 Das leasehold estate kann im Ganzen auf eine andere Person übertragen (assignment)410 und sogar mit einer Hypothek belastet werden.411 Aus historischen Gründen wird das leasehold estate teilweise als Mobiliarrecht (personal property) gehandhabt.412 Dies zeigt auch, dass personal und real property nicht direkt mit den deutschen Begriffen „beweglich“ und „unbeweglich“ übereinstimmen. Im Gegensatz zu den übrigen estates ist keine schriftliche Übertragungsurkunde (deed) erforderlich. Eine mündliche Vereinbarung reicht zur Schaffung des leasehold estate aus. Die Gesetze vieler Bundesstaaten fordern jedoch bei einer Laufzeit von mehr als einem Jahr die Einhaltung der Schriftform.413 Der Abschluss eines Mietvertrags wurde in der Vergangenheit meistens als Übertragung eines Grundstücksrechts gesehen (conveyance).414 In der neueren Entwicklung hat sich jedoch immer mehr die Abkehr von dieser Form der Rechtsübertragung durchgesetzt. Das dingliche Recht am Grundstück entsteht nach heutiger Ansicht allein durch den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags zwischen dem Vermieter und Mieter.415 Lediglich in einzelnen Bundesstaaten ist bei besonders langen Mietzeiten eine zusätzliche Übertragungsurkunde erforderlich.416 407

52 CJS Landlord & Tenant §§ 2 f. Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 147. 409 Parker, Das Privatrecht der Vereinigten Staaten von America, 1960, S. 74. 410 52 CJS Landlord & Tenant § 29; Burke/Snoe, Property, 2004, S. 239 ff. Die sich hieraus ergebenden Probleme mit der Wirkung des schuldrechtlichen Teils gegenüber dem neuen tenant werden über eine Fiktion gelöst. Der neue Inhaber des leasehold estates erwirbt ein sogenanntes privity of estate, welches ihn zur Zahlung gegenüber dem neuen Eigentümer verpflichtet. Ebenso muss der Eigentümer seine Pflichten auch gegenüber dem tenant erfüllen; 52 CJS Landlord & Tenant §§ 49 ff. 411 Sogenannte leasehold mortgage. Siehe hierzu 52 CJS Landlord & Tenant § 30; 2 Powell on Real Property § 17A.03. 412 2 Powell on Real Property §16.02[2] (2003). In Kalifornien hat das leasehold beispielsweise einen dualen Charakter. Es ist sowohl personal als auch real property. 7 California Real Estate § 19:2; siehe auch Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 140. 413 49 Am. Jur. 2d Landlord and Tenant § 27. 414 Siehe zum sogenannten contract und property approach Madison, 82 B.U.L. Rev. 405, 410 ff. (2002). 415 Die Registrierung im Grundstücksregister kann jedoch erforderlich sein, um die dingliche Wirkung der Miete gegenüber einem Erwerber beizubehalten; 2 Powell on Real Property § 16.03[3] (2003). 416 Siehe mit einer Aufzählung der einzelnen gesetzlichen Regelungen ALI, Restatement (Second) of Property: Landlord & Tenant, 1977, § 2.1 Statutory Note. 408

C. Rechte an Grundstücken

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Das leasehold estate tritt in verschiedenen Arten in Erscheinung, die sich hinsichtlich ihrer Dauer sowie in Art und Weise der Beendigung unterscheiden. Wird ein Nutzungsrecht für einen bestimmten, vorher festgelegten Zeitraum vereinbart, so liegt ein estate for years vor; unabhängig davon, ob die Vereinbarung mehrere Wochen oder Jahre umfasst.417 Tritt beim Fehlen einer Kündigung eine automatische Verlängerung ein, so spricht man von einer periodic tenancy.418 Eine tenancy at will dauert bis zur Kündigung durch eine Partei für unbestimmte Zeit an.419 Bleibt der tenant nach Beendigung im Besitz des Grundstücks, so führt dies zu einer Art von fehlerhaftem Besitz.420 5.

Potentielle Eigentumsrechte – Future interests

Die Übertragung eines bedingten oder vorübergehenden Eigentumsrechts hat zur Folge, dass das Eigentumsrecht am Grundstück aufgespalten wird.421 Nach der Übertragung besteht sowohl ein present interest, welches zum Besitz berechtigt, als auch ein besitzloses future interest. Der Inhaber des future interest hat weder eine Berechtigung zum Besitz noch kann er andere typische Eigentümerrechte ausüben. Er hat jedoch eine Rechtsposition inne, die ihm möglicherweise in der Zukunft ein Besitzrecht mit vollen Eigentümerrechten verschafft. Tritt die Bedingung jedoch nie ein, erlangt der Inhaber des future interest auch nie ein volles Eigentumsrecht. Das future interest wird allgemein als Recht an einem Grundstück beschrieben, das zum zukünftigen Besitz oder zur zukünftigen Nutzung berechtigt. Gegenwärtig stehen dem Inhaber solche Rechte nicht zu.422 Es handelt sich nicht um ein zukünftiges Recht, vielmehr entsteht die dingliche Rechtsposition, sobald das bedingte oder vorübergehende Eigentumsrecht übertragen wird. Lediglich das Besitz- und Nutzungsrecht ist zukünftig.423 Die übrigen besitzlosen Grundstücksrechte, wie dingliche Sicherungsrechte und Grunddienstbarkeiten, gewähren zwar auch in der Zukunft ein Recht zur 417

52 CJS Landlord & Tenant § 24. In Massachusetts jedoch nicht mehr als 99 Jahre, da sonst die Übertragung eines fee simple angenommen wird. Parker, Das Privatrecht der Vereinigten Staaten von America, 1960, S. 49; Chapter 186 Section 1 General Law of Massachusetts. 418 Burke/Snoe, Property, 2004, S. 226 f. 419 In manchen Staaten besteht eine Kündigungsfrist. Burke/Snoe, Property, 2004, S. 227. 420 Dieser Zustand wird als tenancy of sufferance bezeichnet. Näheres bei Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 441; 2 Powell on Real Property § 16.06[6] (2005). 421 Siehe hierzu auch Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 141 ff. 422 „A future interest may be described as an interest in land […] in which the privilege of possession or of enjoyment is future and not present.“ Borron, Simes and Smith, The Law of Future Interests, § 1. 423 3 Powell on Real Property § 20.01[1] (2005).

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Kapitel 2: Grundlagen

Nutzung; sie schränken jedoch die Rechte des Eigentümers nur ein. Dem Inhaber steht keine eigentumsrechtsähnliche Rechtsposition zu.424 Das future interest kann am ehesten mit einem Anwartschaftsrecht verglichen werden.425 Der Eintritt des Erwerbs des Besitz- und Nutzungsrechts ist jedoch nicht immer ausschließlich vom Verhalten des Inhabers des future interest abhängig.426 Teilweise kann der Inhaber des entsprechenden present interest das Anwachsen des future interest zu einem Eigentumsrecht mit Besitz- und Nutzungsrecht verhindern. Dies ist etwa dann der Fall, wenn er bei einem bedingten Eigentumsrecht Einfluss auf den Eintritt der Bedingung hat, z.B. wenn die Bedingung in einer bestimmten Nutzungsart liegt. Trotz seiner Besitzlosigkeit gleicht das future interest in einigen Punkten der Rechtsposition eines Eigentumsrechts. Es kann beispielsweise rechtsgeschäftlich und von Todes wegen an andere Personen übertragen werden.427 Weiterhin genießt der Inhaber bereits Schutz gegenüber Handlungen, die sich gegen sein zukünftiges Besitzrecht oder das Grundstück richten. Er ist gegenüber Beeinträchtigungen seines Rechts durch eine Enteignung geschützt, ihm steht eventuell ein Teil des Ausgleichsanspruchs zu.428 Ebenso kann ihm ein Ausgleichsanspruch für einen Wertverlust des Grundstücks infolge einer Beschädigung oder Zerstörung durch den Besitzer oder einen Dritten zustehen.429 Future interests sind in der Praxis weit verbreitet. Sie entstehen zwangsläufig, sobald ein Eigentumsrecht unter einer Bedingung oder für nur einen beschränkten Zeitraum übertragen wird. Es kann entweder dem ursprünglichen Inhaber des fee simple (future interest des Übertragenden) oder einer von diesem bei der Übertragung genannten dritten Person (future interest eines Begünstigten) zustehen.430 Das Anwachsen zum Besitzrecht tritt entweder automatisch kraft Gesetzes ein oder bedarf einer Erklärung des Inhabers.

424

Borron, Simes and Smith, The Law of Future Interests, § 1; ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 153 (2). 425 So auch Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 142. 426 Nach allgemeiner Ansicht ist für das Vorliegen eines Anwartschaftsrechts erforderlich, dass der Veräußerer die gesicherte Rechtsstellung nicht mehr einseitig zerstören kann. Bork, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 158–163 Rn. 53. 427 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 273. Siehe genauer Borron, Simes and Smith, The Law of Future Interests, §§ 1852 ff. Siehe auch die gesetzliche Regelung in New York, die eine allgemeine Übertragbarkeit von future interests vorsieht, § 6-5.1 EPT Law of N.Y. 428 Ein Entschädigungsanspruch besteht jedoch nicht, wenn das Anwachsen zum Besitzrecht unwahrscheinlich ist. ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 53. 429 Borron, Simes and Smith, The Law of Future Interests, §§ 1651 ff.; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 319 ff. 430 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 280.

C. Rechte an Grundstücken

a)

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Future interest des Übertragenden

Überträgt der Inhaber eines Eigentumsrechts sein Recht auf einen anderen in der Weise, dass er (oder seine Erben) nach Zeitablauf oder Eintritt einer Bedingung das übertragene Recht zurückerhält, so erwirbt der übertragende Eigentümer automatisch ein future interest am Grundstück. Das future interest kann entweder durch den Eintritt einer Bedingung (possibility of reverter) oder durch Zeitablauf (reversion) automatisch zu einem Besitzrecht anwachsen. Dem Inhaber des future interest kann jedoch auch bei Bedingungseintritt ein Wahlrecht über das Anwachsen zum Besitzrecht verbleiben (right of entry). Je nachdem welches Eigentumsrecht der Übertragende dem anderen verschafft, verbleibt bei ihm eines der drei genannten future interests zurück. Bei der Übertragung eines bedingten Eigentumsrechts (determinable estate) verbleibt beim Übertragenden eine possibility of reverter.431 Auf Grund der Bedingung besteht die Möglichkeit, dass er zu einem späteren Zeitpunkt wieder Eigentümer mit Besitzrecht wird. Er erhält das gleiche Eigentumsrecht, das er schon vor der Übertragung innehatte. Das Anwachsen des future interest zum Besitzrecht findet bei Eintritt der Bedingung automatisch statt, ohne dass dessen Inhaber es verhindern kann. In vielen Bundesstaaten wurde der Zeitraum, innerhalb dessen das Recht an den Übertragenden zurückfallen kann, jedoch beschränkt. Die possibility of reverter geht dann ersatzlos unter. Der Inhaber des bedingten Eigentumsrechts hat nach Zeitablauf das volle Eigentumsrecht inne. Die Weiterübertragung einer possibility of reverter ist im Common Law nur von Todes wegen und nicht in rechtsgeschäftlicher Form möglich. Viele Bundesstaaten lassen eine rechtsgeschäftliche Übertragung heute jedoch ausdrücklich zu.432 Das future interest, welches bei der Übertragung eines Eigentumsrechts für einen vorher festgelegten Zeitraum (life oder leasehold estate) zu Gunsten des Übertragenden entsteht, nennt sich reversion. Nach dem Zeitablauf erhält der ursprüngliche Eigentümer oder seine Nachkommen das zuvor übertragene Eigentumsrecht automatisch zurück.433 Es handelt sich um einen Fall des gesetzlichen Rechtserwerbs. Ein reversion muss nicht zwangsläufig an einem fee simple bestehen. So kann beispielweise der Inhaber eines leasehold estate für zehn Jahre sein Recht für fünf Jahre an einen anderen übertragen (sublease); quasi eine dingliche Untervermietung. Nach Zeitablauf erlangt der erste „Mieter“ sein volles leasehold estate zurück, bis wiederum seine Zeit abge431

ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 154 (3). 31 CJS Estates § 138. 433 Es ist grundsätzlich ein garantiertes Recht, es kann aber auch so ausgestaltet sein, dass der Rückfall nicht zwingend eintreten muss. O überträgt ein estate an A für dessen Leben, danach soll das estate an B gehen, wenn dieser A überlebt. O hat ein reversion, welches nur eintreten kann, wenn B A nicht überlebt. Beispiel nach Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 282. 432

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Kapitel 2: Grundlagen

laufen ist. In diesem Fall bestehen folglich zwei reversions: das des ursprünglichen Eigentümers und das des Inhabers des ersten leasehold estate.434 Die Übertragung einer reversion ist sowohl rechtsgeschäftlich als auch von Todes wegen möglich.435 Besteht an einem Grundstück ein fee simple subject to a condition subsequent, so kann der Übertragende bei Bedingungseintritt wählen, ob er wieder in seine ursprüngliche Eigentümerstellung treten will. Er hat ein Eintrittsrecht (right of entry oder power of termination).436 Im Common Law war dieses Eintrittsrecht nicht rechtsgeschäftlich übertragbar, da es nicht als Eigentumsrecht, sondern als reines Wahlrecht gesehen wurde.437 In den Bundesstaaten bestehen diesbezüglich unterschiedliche Regelungen.438 Es wird entweder als rechtsgeschäftlich übertragbar gesehen oder den Regelungen des ursprünglichen Common Law gefolgt.439 Ebenso wie beim reverter ist das right of entry hinsichtlich seiner zeitlichen Dauer begrenzt. Darüber hinaus kann der Inhaber des Eintrittsrechts dieses aufgeben und so ein fee simple beim Inhaber des bedingten Eigentumsrechts schaffen.440 b)

Future interest eines Begünstigten bzw. Empfängers

Wird ein estate so übertragen, dass ein Rückfall möglich ist und dieser nicht den Übertragenden, sondern einen Dritten begünstigt, so liegt ein future interest des Begünstigten bzw. Empfängers vor. In diesem Rahmen unterscheidet man zwischen dem remainder und dem executory interest. Soll ein Dritter (eine andere Person als der Übertragende) nach Ablauf eines estate unmittelbar ein Besitzrecht erwerben, so steht ihm ein remainder zu.441 Wird ein life estate an A und danach an B übertragen (to A for life, then to B), ist B Inhaber eines remainder. Es liegt nur vor, wenn folgende vier Voraussetzungen erfüllt sind: Ein remainder muss zum selben Zeitpunkt wie das vorhergehende estate geschaffen werden (also in derselben Übereignungsurkunde), es darf keinem defeasible estate folgen, zudem darf es erst nach der natürlichen Beendigung eines estate entstehen, zudem darf zwischen 434

Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 281. Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 282. 436 ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 155. 437 Krier, Property, 2006, §§ 391 f. 438 In wenigen Bundesstaaten geht das Eintrittsrecht beim Übertragungsversuch unter und wandelt das estate subject to condition subsequent automatisch in ein fee simple um; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 284. 439 Übertragbar z.B in Kalifornien (§§ 699, 1046 Cal. Civ. Code) und New York (§ 65.1 EPT, Law of N.Y.). Nicht übertragbar z.B. in Illinois (765 ILCS 330/1). Weitere Nachweise bei Foster, 87 A.L.R. 3d 1011 (1978). 440 Krier, Property, 2006, § 391. 441 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 284; ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 156. 435

C. Rechte an Grundstücken

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dem Übergang des vorherigen estate auf den Inhaber des future interest kein Zeitraum ohne Besitzberechtigung liegen.442 Sind nicht alle diese Voraussetzungen erfüllt, so existiert kein future interest in Form eines remainder.443 In diesem Fall entsteht ein executory interest. Ein executory interest ist immer dann vorhanden, wenn einem anderen als dem Übertragenden ein zukünftiges Recht an einem Grundstück zusteht und kein remainder gegeben ist.444 In der Praxis bestehen executory interests vor allem bei estates mit Bedingungen (defeasible estate).445 Es bewirkt, wie der remainder, unabhängig von einer Handlung des Berechtigten einen unmittelbaren Rechtsübergang. Im Gegensatz zur remainder muss ein executory interest jedoch nicht zwangsläufig zu einer Übertragung führen. Dies ist etwa der Fall, wenn die Bedingung nicht bzw. nie eintritt. c)

Rule against perpetuities

Die Übertragung eines bedingten Eigentumsrechts kann dazu führen, dass ein future interest über einen langen Zeitraum hinweg besteht und unklar ist, ob ein Rückfall an den Begünstigten jemals eintritt. Dieser Zeitraum der Unklarheit hat die Einschränkung der Verkehrsfähigkeit des Grundstücks zur Folge.446 Niemand ist an einem Grundstück interessiert, das er selbst nach einem langen Zeitraum wieder verlieren kann. Die rule against perpetuities447 verhindert einen zu langen Zeitraum der Unklarheit und unterbindet so die Möglichkeit eines Eigentümers, durch die Aufstellung einer Bedingung das Schicksal seines Eigentums weit über seinen Tod hinaus bestimmen zu können.448 Im Jahre 1682 wurde erstmals der Zeitraum, in dem ein executory 442

Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 285. Im ursprünglichen Common Law entstand sogar überhaupt kein future interest. Dies wurde im frühen England durch die Bestellung eines umfangreichen Nutzungsrechtes am Grundstück (sogenanntes use) kompensiert (Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 299). Übertragungen hatten keinen Einfluss auf ein solches Nutzungsrecht. Dies führte dazu, dass der Rechtsinhaber und der Nutzungsberechtigte dauerhaft auseinanderfielen (Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 94 f. (2002)). Erst mit der Verabschiedung des Statute of Uses im Jahre 1536 (27 Hen. VIII c. 10 (1536): Statute of Uses), welches das use abschaffte, waren andere future interests für Dritte als der remainder möglich. Hauptgrund für das Statute of Uses war die Umgehung von Steuerpflichten durch die Verwendung von uses (Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 278). 444 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 299. 445 Beispiel: Wird A ein estate unter einer Bedingung übertragen und soll für den Fall des Bedingungseintritts das estate an B gehen (to A, but if … to B), so ist B Inhaber eines executory interest. 446 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 304 f. 447 Siehe ausführlich Gray, The rule against perpetuities, 2003; Dukeminier, 74 Cal. L. Rev. 1867 (1986); sowie Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 143 ff. 448 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 305. 443

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Kapitel 2: Grundlagen

interest bestehen kann, durch ein Gericht beschränkt.449 Die Regel in ihrer heutigen allgemeinen Form existiert seit 1833450 und besagt, dass sich das Recht (future interest) 21 Jahre nach dem Tod einer zum Zeitpunkt der Entstehung des Rechts lebenden Person verwirklicht haben muss.451 Steht bereits bei Schaffung des future interest fest, dass dieser Zeitraum überschritten wird, entsteht das future interest überhaupt nicht.452 Die rule against perpetuities ist als Bestandteil des Common Law auch in den Vereinigten Staaten gültig.453 Viele Bundesstaaten haben die Regelung jedoch durch eine weniger strenge ersetzt und lassen heute einen teilweise wesentlich längeren Zeitraum der Unsicherheit zu.454 6.

Sondereigentum an Gebäudeteilen – Condominium

Das Common Law verbietet ähnlich wie das deutsche Recht den Erwerb von Eigentum an Teilen eines Gebäudes auf einem Grundstück.455 In den Vereinigten Staaten galt dieses Verbot auch bis in die 1950er Jahre. Erst das große Bevölkerungswachstum in den Städten und die damit verbundene Wohnungsnot führte zunächst in den urban geprägten, kleineren Bundestaaten zur gesetzlichen Regelung des Sondereigentums an Grundstücken (condominium teilweise auch horizontal property).456 Ausgehend von Puerto Rico457 im Jahre 1958 ist ein solches Sondereigentum heute in allen Bundesstaaten möglich.458 Das condominium ist ähnlich wie in Deutschland ausgestaltet. Es besteht aus einem fee simple an den alleine genutzten Teilen (unit ownership) und dem Miteigentum an den gemeinsam genutzten Bereichen (common area).459 Beim condominium handelt es sich um ein Grundstücksrecht im Sinne eines

449

Duke of Norfolk’s Case, Re, 22 Eng.Rep. 931 ( 1682). Cadell v Palmer, 6 Eng.Rep. 956 ( 1833). 451 Siehe zur Ermittlung des genauen Zeitraums Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 307 ff. 452 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 307. 453 Gray, The rule against perpetuities, 2003, § 200. 454 1 Am. Jur. 2d Perpetuities § 11. Ein großer Teil der Bundesstaaten haben auch den Uniform Statutory Rule Against Perpetuities Act umgesetzt, der einen Zeitraum von 90 Jahren vorsieht, Sec. 1 (a)(2) USRAPA. 455 Berger, 63 Colum. L. Rev. 987, 1001 f. (1963). 456 Poliakoff, Law of Condominium Operations, 2009, §§ 1.7 f.; 15A Am. Jur. 2d Condominiums and Cooperative Apartments § 1. 457 Puerto Rico ist kein Bundesstaat, sondern durch ein völkerrechtliches Abkommen assoziierter Freistaat innerhalb der Vereinigten Staaten. 458 Siehe mit Verweis auf die jeweiligen Gesetze aller Bundesstaaten Poliakoff, Law of Condominium Operations, 2009, § 1.2 Fn. 1. 459 Poliakoff, Law of Condominium Operations, 2009, § 1.2. 450

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real estate.460 Es kann grundsätzlich in der gleichen Weise wie die oben beschriebenen estates übertragen und belastet werden. Das Rechtsverhältnis zwischen den Inhabern der einzelnen condominiums wird durch das Gesetz und durch die Versammlung aller Inhaber (owners’ association) bestimmt.461 Für die Umwandlung eines Grundstücks in ein condominium ist die Einreichung einer besonderen Erklärung462 mit einem Plan, der die Aufteilung der einzelnen Wohnungen und die gemeinsam genutzten Bereiche vorsieht, beim Registeramt erforderlich.463 Eine Rückumwandlung in ein Grundstück ohne die Aufteilung in unit ownership und common areas kann die Inhaberversammlung, in den meisten Bundesstaaten durch eine Mehrheitsentscheidung, beschließen.464 7.

Weitere Grundstücksrechte

Die Grundstücksrechte, die nicht zum unmittelbaren oder zukünftigen Besitz berechtigen, lassen sich in drei Kategorien einteilen: Nutzungsrechte (easement), Sicherungs- und Verwertungsrechte (lien) sowie Erwerbsrechte (option und preemption). Neben den legal estates (oder estates in law), zu denen alle bisher genannten Grundstücksrechte gehören, kennt das angloamerikanische Recht noch die equitable estates (oder estates in equity). Dies sind Grundstücksrechte, die der Billigkeitsrechtsprechung des englischen Rechts entspringen.465 Sie sind streng genommen keine dinglichen Rechte, räumen dem Inhaber jedoch schon Elemente einer eigentümerähnlichen Rechtsposition ein. a)

Nutzungsrechte – Servitudes

Unter dem Oberbegriff der servitudes466 werden sowohl dingliche als auch schuldrechtliche Nutzungsrechte an einem Grundstück zusammengefasst. Das easement ist ein dingliches Recht zur Nutzung des Grundstücks eines ande460

31 CJS Estates § 234. 31 CJS Estates §§ 256 ff. Oftmals ist bei der Übertragung eines condominium die Zustimmung der Versammlung erforderlich. 15A Am. Jur. 2d Condominiums and Cooperative Apartments § 42; 31 CJS Estates § 283. Teilweise müssen dem Erwerber bei der Übertragung bestimmte Dokumente, wie etwa die Regelungen der owners association, übergeben werden. Siehe beispielsweise § 1368 Cal. Civ. Code. 462 31 CJS Estates § 239. 463 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 121. Siehe beispielsweise die gesetzlichen Regelungen in §§ 1352 ff. Cal. Civ. Code; § 718.104 FL ST. 464 31 CJS Estates § 287; 15A Am. Jur. 2d Condominiums and Cooperative Apartments §§ 51 ff. In der Regel ist eine sehr hohe Zustimmungsquote (80 oder 90 Prozent) erforderlich. Siehe genauer Rohan, 65 Colum. L. Rev. 593 (1965). 465 ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 6. 466 Der Begriff der servitudes wird teilweise auch nur auf die dinglichen Nutzungsrechte beschränkt; ALI, Restatement (Third) of Property: Servitudes, 2000, § 1.1 (1). 461

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ren. Sein Inhalt ist auf Duldung, Unterlassung oder eine bestimmte Nutzungsart gerichtet.467 Es steht entweder dem Inhaber eines Grundstücks (easement appurtenant) oder einer bestimmten Person (easement in gross) zu.468 Weiterhin berechtigt ein profit den Berechtigten, die Nutzungen aus einem Grundstück zu ziehen.469 Profits470 sind dingliche Nutzungsrechte, die zur Fruchtziehung berechtigten. Sie können sowohl dem jeweiligen Inhaber eines Grundstücks als auch einer bestimmten Person zustehen.471 Neben diesen dinglichen Rechten existieren noch die beiden schuldrechtlichen Nutzungsrechte license und covenant. Die license ist eine schuldrechtliche Vereinbarung über die Nutzung eines Grundstücks. Sie ist nicht übertragbar und kann vom Grundstückseigentümer jederzeit widerrufen werden.472 Ein covenant ist ein schuldrechtliches Versprechen des Grundstückseigentümers, eine bestimmte Handlung zu tun oder zu unterlassen.473 Das easement appurtenant entspricht etwa der Grunddienstbarkeit. Das Nutzungsrecht steht dem Inhaber des herrschenden Grundstücks (dominant estate) am dienenden Grundstück (servient estate) zu.474 Das mit einem Grundstück verbundene easement bleibt bei der Übertragung des dienenden Grundstücks bestehen und wirkt auch gegenüber dem neuen Eigentümer. Ebenso berechtigt es bei der Übertragung des herrschenden Grundstücks dessen neuen Eigentümer zur Ausübung des Nutzungsrechts.475 Eine Übertragung des easement ist ohne die gleichzeitige Übertragung des herrschenden Grundstücks nicht möglich. Bei der „Teilung“476 des herrschenden Grundstücks bleibt das Nutzungsrecht für jeden neuen „Teil“ bestehen.477 Das easement in gross478 gebührt nur einer bestimmten Person und entspricht der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Sie wirkt – außer beim gutgläubigen Erwerb – auch gegenüber einem neuen Inhaber des dienenden Grundstücks.

467

28A CJS Easements § 1. 25 Am. Jur. 2d Easements and Licenses in Real Property § 5. 469 Dies kann beispielsweise das Recht zum Fällen von Bäumen sein oder Tiere auf dem Grundstück weiden zu lassen; 28A CJS Easements § 14. 470 Teilweise auch profit à prendre. 471 25 Am. Jur. 2d Easements and Licenses in Real Property § 3; 3 Tiffany Real Prop. §§ 839 ff. 472 Siehe hierzu 25 Am. Jur. 2d Easements and Licenses in Real Property §§ 117 ff. 473 Siehe hierzu 21 CJS Covenant §§ 1 ff. 474 28A CJS Easements § 5; 6 California Real Estate § 15:6. 475 28A CJS Easements § 17; 6 California Real Estate § 15:6. Das easement „run[s] with the land“. ALI, Restatement (Third) of Property: Servitudes, 2000, § 1.5 cmt. a. 476 Die „Teilung“ eines Grundstücks stellt vielmehr die Übertragung von zwei verschiedenen neuen Grundstücken dar. Siehe zur Teilung und Vereinigung oben S. 43. 477 28A CJS Easements § 127. 478 Teilweise auch personal easement. 468

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In der Regel kann es nicht übertragen werden, auch nicht von Todes wegen.479 Typische easements sind etwa ein Wege- oder ein Leitungsrecht.480 Ein easement entsteht primär durch eine ausdrückliche Vereinbarung mit dem Eigentümer des dienenden Grundstücks.481 Das genaue Nutzungsrecht wird ebenso wie die Übertragung eines Eigentumsrechts in einer schriftlichen Urkunde, einem deed, der das entsprechende Recht überträgt, festgelegt.482 Die genaue Wortwahl im deed entscheidet, ob letztendlich nur ein Nutzungsrecht oder schon ein Eigentumsrecht übertragen wird.483 Konkret wird ein Nutzungsrecht in der Regel durch eine an den deed angehängte Karte, in welcher beispielsweise das Wegerecht eingezeichnet ist, beschrieben.484 Im Einzelfall kann sich ein easement aber auch aus den Umständen einer Grundstücksübertragung ergeben.485 Weiterhin führen tatsächliche Umstände, wie eine Ersitzung (adverse possession)486 oder die Notwendigkeit eines Notwegs487, unter bestimmten Voraussetzungen zum Entstehen eines easement. Ein easement endet entweder durch den Verzicht des Berechtigten nach Zeitablauf, sofern ein solcher vereinbart wurde, oder wiederrum durch Ersitzung.488

479 28A CJS Easements § 18; 6 California Real Estate § 15:7. Eine Übertragung ist nur möglich, wenn dies bei Schaffung des easement vereinbart wurde oder es sich um wirtschaftliches (commercial) easement handelt. 28A CJS Easements § 128. 480 Siehe für weitere Nutzungsrechte 3 Tiffany Real Prop. § 763. 481 ALI, Restatement (Third) of Property: Servitudes, 2000, § 2.1 (1); 28A CJS Easements §§ 62 ff. Siehe ausführlich 6 California Real Estate §§ 15:13 ff.; 3 Tiffany Real Prop. §§ 776 ff. 482 ALI, Restatement (Third) of Property: Servitudes, 2000, § 2.1 cmt. a. 483 Siehe zur Abgrenzung 28A CJS Easements § 65. Vor allem die Formulierung rightof-land bereitet oftmals Schwierigkeiten, da sie nicht nur ein Nutzungsrecht in Form eines Wegerechts sein kann; sie kann jedoch auch die Übertragung des Eigentumsrecht an einem konkreten Weg, also einen Teil eines Grundstücks darstellen. Siehe beispielsweise Machado v. Southern Pacific Transportation Co., 233 Cal.App.3d 347, 353, 284 Cal.Rptr. 560 (Cal. 1991). 484 Siehe etwa die Karte bei Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 858. 485 ALI, Restatement (Third) of Property: Servitudes, 2000, § 2.11 ff. 486 28A CJS Easements § 153. Siehe zur Ersitzung und zu deren Voraussetzungen unten S. 223. 487 28A CJS Easements §§ 106 ff.; 6 California Real Estate §§ 15:27 f.; 3 Tiffany Real Prop. §§ 793 ff. Das Common Law kennt ein Notwegerecht, dieses ist teilweise auch gesetzlich geregelt. Siehe beispielsweise § 704.01 FL ST. 488 28A CJS Easements §§ 138 ff.; ausführlich 6 California Real Estate §§ 15:73 ff.; 3 Tiffany Real Prop. §§ 817 ff.

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Kapitel 2: Grundlagen

b)

Sicherungs- und Verwertungsrechte – Lien

Die dinglichen Sicherungs- und Verwertungsrechte (lien) an Grundstücken tauchen in der angloamerikanischen Rechtsordnung vor allem in zwei verschiedenen Formen auf. Neben der auf einer Vereinbarung basierenden mortgage, die weitestgehend mit der deutschen Hypothek übereinstimmt,489 gibt es noch solche Sicherungsrechte, die durch Gesetz entstehen (statutory lien). Hierzu gehört vor allem das dingliche Sicherungsrecht des Werkunternehmers (mechanic’s lien), das auch an Grundstücken entstehen kann. Ebenso kann der Veräußerer bei der Übertragung eines Grundstücks ein dingliches Sicherungsrecht zur Absicherung des Kaufpreises auf Grund einer gesetzlichen Regelung oder durch eine Vereinbarung erhalten (vendor’s lien). Ferner bestehen in allen Bundesstaaten gesetzliche Regelungen, die den verschiedenen staatlichen Ebenen ein dingliches Sicherungsrecht an Grundstücken für ihre Steuern einräumen (tax lien). Die Sicherungsrechte berechtigen den Inhaber nicht zum Besitz, sondern im Fall der Nichtzahlung der gesicherten Forderung zur Zwangsvollstreckung in das Grundstück. aa) Mortgage In der Vereinigten Staaten ist die mortgage490 das zentrale Grundstücksrecht zur Sicherung einer Geldforderung. In der Regel sichert sie einen Kredit ab, den der Käufer eines Grundstücks zur Finanzierung des Grundstückserwerbs benötigt. Der Kreditgeber erhält mit dem Grundstück eine Sicherheit, die durch einen hohen Werterhalt ausgezeichnet ist. Er kann darauf vertrauen, dass er im Fall einer Nichtbegleichung des Kredits den größten Teil seiner Kreditsumme im Rahmen einer Zwangsversteigerung zurückerhält.491 (a) Grundlagen Die mortgage ist eine Übertragung eines Grundstücksrechts, das zur Sicherung einer Forderung dient.492 Sie kann neben dem Volleigentum (fee simple) auch an den übrigen oben dargestellten Eigentumsrechten bestellt werden.493 489

Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 155. Siehe auch die Einführung von Stürner/Kern, in: FS Schlechtriem, 2003, S. 923; sowie ausführlich und rechtsvergleichend Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011. 491 Die Subprime-Krise hat die Banken und institutionellen Anleger auf schmerzliche Weise gelehrt, dass bei fallenden Grundstückspreisen der Erlös einer Zwangsversteigerung durchaus auch (weit) hinter der gewährten Kreditsumme zurückbleiben kann. 492 „A mortgage is a conveyance […] of an interest in real property as security for performance of an obligation.“ ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 1.1. 493 Eine mortgage kann an jedem Grundstücksrecht, das selbst übertragbar ist, bestellt werden; 59 CJS Mortgages § 110; 5 Tiffany Real Prop. §§ 1384 ff. Sie kann sogar am leasehold, dem dinglichen Mietrecht, bestehen. 490

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Sie entsteht durch die Übergabe einer Übertragungsurkunde (mortgage deed). Das Verhältnis zwischen mortgage und der gesicherten Forderung ist, wie bei der deutschen Hypothek, streng akzessorisch.494 Entsteht die gesicherte Forderung nicht, etwa durch die Unwirksamkeit des schuldrechtlichen Vertrags (note), entsteht auch kein dingliches Sicherungsrecht.495 Die Person des Gläubigers muss mit dem Inhaber der mortgage übereinstimmen, eine isolierte Übertragung ist nicht möglich.496 Der Schuldner muss hingegen nicht mit dem Inhaber des „beliehenen“ Grundstücksrechts übereinstimmen. Ebenso kann die mortgage eine zukünftige Forderung (future advances), die zum Zeitpunkt der Bestellung bereits bekannt war, jedoch noch nicht entstanden ist, absichern.497 Eine Vereinbarung über das Erstrecken der mortgage auf zukünftige Forderungen kann entweder in der ursprünglichen Bestellung der mortgage enthalten sein oder später durch eine (auch mündliche) Abrede erfolgen.498 Sie wird auch als creditline mortgage bezeichnet.499 Das Erstrecken auf zukünftige Forderungen mit der rangsichernden Rückwirkung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Bestellung wirkt gegenüber Dritten nur unter bestimmten Voraussetzungen. Diesbezüglich bestehen Unterschiede zwischen den Bundesstaaten. In der Regel muss die Bestellungsurkunde der mortgage eine entsprechende Klausel enthalten, einen Höchstbetrag vorsehen oder der Dritte muss positive Kenntnis haben.500 Die creditline mortgage entspricht in etwa der deutschen Höchstbetragshypothek.501 Der Höchstbetrag der mortgage richtet sich auch bei zukünftigen Forderungen nach der im mortgage deed vorgesehenen Summe, unabhängig von einer späteren Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger über einen höheren Betrag.502 Die mortgage erlischt automatisch, sobald die komplette Forderung erfüllt worden ist.503

494

„[…] a mortgage is not valid and enforceable unless there is an underlying valid debt or obligation for which the mortgage is intended as security“; Coronet Capital Co. v. Spodek, 265 A.D.2d 292, 696 N.Y.S.2d 191, 1999 N.Y. Slip Op. 08165 (N.Y. 1999); siehe auch 59 CJS Mortgages § 4; sowie § 2909 Cal. Civ Code. 495 59 CJS Mortgages § 4. 496 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 5.4 (a), (b). 497 59 CJS Mortgages § 206. 498 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 2.1 (b). 499 Siehe beispielsweise § 281 (1) RPL of N.Y. 500 Siehe mit Übersicht ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 2.1 (c). 501 So Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011, S. 29. Siehe zur Höchstbetragshypothek Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1190 Rn. 1 ff. 502 Siehe ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 2.1 Ill. 7; ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 2.1 (d). 503 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 516 f.; 54A Am. Jur. 2d Mortgages § 318.

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Kapitel 2: Grundlagen

Das angloamerikanische Recht kennt im Gegensatz zum deutschen Recht kein Grundpfandrecht, das nicht akzessorisch ist. Lediglich in Louisiana existiert ein mit der Grundschuld vergleichbares dingliches Sicherungsrecht, die collateral mortgage504 (Art. 3298 La. Civ. Code).505 Der Hauptanwendungsfall der mortgage ist die Absicherung des Kaufpreises im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags. Eine sogenannte purchase money mortgage besteht, wenn der Kaufpreis vom früheren Eigentümer oder einem Dritten,506 wie einer Bank, zur Verfügung gestellt wird.507 Die Besonderheit dieser mortgage ist ihr Vorrang gegenüber anderen Grundstücksbelastungen.508 (b) Rechtsnatur Historisch509 gesehen hat die mortgage die gleichen Wurzeln wie die Hypothek, beide gehen unter anderem auf das Sächsische und Römische Recht zurück.510 Die mortgage stellt grundsätzlich nur das Recht an einem Grundstück dar, hiervon müssen die schuldrechtliche Absprache (mortgage agreement bzw. note) und die Forderung unterschieden werden. Im Common Law war ursprünglich mit der Bestellung einer mortgage eine bedingte Eigentumsübertragung verbunden (transfer of title).511 Bis in das 17. Jahrhundert hinein nahm der mortgage-Inhaber das entsprechende Grundstück sogar meist in Besitz.512 Mit Rückzahlung des beliehenen Betrags fiel das Eigentum automatisch wieder an den ursprünglichen Eigentümer zurück.513 Wegen der Übertragung des Eigentums im Rahmen der Sicherung der Forderung spricht man bei der Rechtsnatur der mortgage in diesem Fall von einer Anwendung 504

Auch multiple indebtedness mortgage. Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 385; siehe auch Rubin/ Willenzik/Moore, 41 La. B.J. 529 (1994) 506 So zumindest in den meisten Bundesstaaten; Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 1.1. 507 59 CJS Mortgages § 12. 508 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 1.1. Siehe Näheres zur Priorität unten S. 92. 509 Siehe zur Entwicklung 4 California Real Estate § 10:1; 5 Tiffany Real Prop. § 1379. 510 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 6; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Einl §§ 1113 ff. Rn. 2 f. 511 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 3.1 (a); 54A Am. Jur. 2d Mortgages § 1. 512 Es wurde ein Eigentumsrecht an den Kreditgeber übertragen, welches dem Kreditnehmer ein Eintrittsrecht bei Zahlung der vollständigen Kreditsumme erteilt (condition subsequent); Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 6, sowie grundsätzlich ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 4.1 (a) (1). 513 „[…] upon payment of the note by the mortgagor […] the mortgagee’s interest in the real property comes to an end“. Maglione v. BancBoston Mortg. Corp., 29 Mass.App.Ct. 88, 90, 557 N.E.2d 756 (Mass. 1990). 505

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der title-Theorie. Heute wenden jedoch nur noch wenige Bundesstaaten diese rechtliche Konstruktion an.514 Selbst wenn die mortgage nach dem Recht des Bundesstaats eine Eigentumsübertragung darstellt, ist meist gesetzlich oder durch Vereinbarung im mortgage agreement geregelt, dass der Eigentümer im Besitz des Grundstücks bleibt.515 Andernfalls wäre die mortgage ungeeignet für die Absicherung des Kaufpreises, da der Erwerber das Grundstück nicht nutzen könnte.516 Die mortgage stellt in den meisten Bundesstaaten heute keine Eigentumsübertragung, sondern nach der sogenannten lien-Theorie lediglich eine Grundstücksbelastung dar.517 Durch die Übergabe des mortgage deed entsteht ein Sicherungsrecht am Grundstück (security interest in real estate), das dem Inhaber der mortgage nur im Fall der Nichteinhaltung der Vereinbarung, in der Regel durch Nichtzahlung der Forderung, das Recht zugesteht, das Grundstück zu verwerten und die Schuld aus dem Erlös zu befriedigen.518 Wenige Bundesstaaten folgen einem Kompromiss zwischen title- und lien-Theorie. Eine mortgage nach der sogenannten intermediate-Theorie überträgt bei der Bestellung kein Eigentumsrecht. Tritt jedoch durch Nichtzahlung die Säumnis des Schuldners ein, geht das Eigentumsrecht519 automatisch auf den Gläubiger über, der nun das Grundstück in Besitz nehmen und verwerten kann.520 Letztendlich bestehen zwischen der intermediate- und der title-Theorie hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen heute keine Unterschiede mehr.521 Der Gläubiger erhält jeweils nur nach Säumnis Zugriff auf das Grundstück. Die Unterschiede zwischen den drei Theorien sind zumindest bis zum Zeitpunkt der Säumnis gering. Der Schuldner kann das Grundstück jeweils uneingeschränkt nutzen und dessen Nutzungen ziehen. Der Kreditgeber hat hingegen einige Vorteile, falls ihm das Eigentumsrecht schon im Zeitpunkt der Bestellung der mortgage oder beim Eintritt der Säumnis zugeordnet wird. 514

Siehe die Übersicht in ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997,

§ 4.1. 515

ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 4.1 cmt. (a) (1). Siehe beispielsweise 183 § 26 M.G.L. „Until default […] of a mortgage of real estate, the mortgagor […] may hold and enjoy the mortgaged premises and receive the rents and profits thereof, unless otherwise stated in the mortgage“. 516 Bis zum 17. Jahrhundert lag hier die Interessenlage anders, da die mortgage nicht primär zur Sicherung des Kaufpreises genutzt wurde und der Kreditgeber nach der Belastung die Nutzung des Grundstücks ziehen wollte; ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 4.1 cmt. (a) (1). 517 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, §§ 4.1 (a) (2). Siehe beispielsweise § 744 Cal. Code of Civil Proceedure; § 611 RPA, Laws of N.Y. 518 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 138 f. 519 Bzw. das entsprechend belastete Grundstücksrecht. 520 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 4.1 cmt. (a) (3). 521 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 4.1 cmt. (a) (3).

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In einer Jurisdiktion, die der title- oder intermediate-Theorie folgt, bleibt dem Kreditgeber ein mitunter langwieriges Gerichtsverfahren im Rahmen der Zwangsvollstreckung (foreclosure)522 erspart. Er kann zumindest theoretisch direkt auf das Grundstück zugreifen. Zudem stehen dem Inhaber der mortgage die Nutzungen des Grundstücks, wie beispielsweise die Mieteinnahmen, sofort zu.523 Die unmittelbare Zugriffsmöglichkeit wird jedoch in den Bundesstaaten, die der title- oder intermediate-Theorie folgen, durch gesetzliche Vorschriften eingeschränkt.524 Der ursprüngliche Grundstückseigentümer soll so vor einer zu schnellen Zwangsvollstreckung geschützt werden.525 Die Anwendung der title-Theorie hat ein zumindest dogmatisches Problem zur Folge. Die Rechtsnatur der Bestellung einer zweiten mortgage am selben Grundstück ist unklar. Die zweite mortgage kann nicht durch die Übertragung des Eigentums entstehen, da dieses bereits auf den Inhaber der ersten mortgage übergegangen ist und dasselbe Eigentumsrecht nicht zwei verschiedenen Inhabern zustehen kann.526 In der Praxis ergänzen die Kreditgeber die gesetzlichen Regelungen durch Vertragsabsprachen und schränken so die Nachteile der jeweiligen Theorie ein.527 So wird in Bundesstaaten, die der lien-Theorie folgen, regelmäßig vereinbart, dass die Mieteinnahmen dem Gläubiger zustehen.528 In den titleund intermediate-Jurisdiktionen verbleibt der Schuldner in der Regel zunächst im Besitz des Grundstücks, um es einerseits noch zur Rückzahlung der Forderung nutzen zu können und andererseits die oben genannten Risiken zu vermeiden. Hinsichtlich des Besitzrechts hat der Theoriestreit in der Praxis heute kaum noch eine Bedeutung.529 (c) Die equitable mortgage und der mortgage-Ersatz (mortgage substitute) Im Gegensatz zur üblichen Form (auch legal mortgage), die sich aus einer Forderung und der Übergabe des mortgage deed ableitet, fehlen bei der soge-

522

Siehe zum Zwangsvollstreckungsverfahren Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011, S. 120 ff.; Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, §§ 7.1 ff. 523 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, §§ 4.21 f. Zu beachten ist, dass den Kreditgeber mit dem Übergang des Besitzrechts auch die Pflichten eines Eigentümers treffen. Siehe mit der Erläuterung der hieraus folgenden Probleme Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 4.1. 524 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 199 f. 525 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 199 f. 526 Siehe hierzu ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 4.1 (b). 527 Siehe m.w.N. Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011, S. 20 f. 528 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 4.35. 529 So Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011, S. 21.

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nannten equitable mortgage bestimmte Entstehungsvoraussetzungen.530 Aus Billigkeitsgründen wird unvollständigen Sicherungsrechten die gleiche dingliche Wirkung wie einer mortgage zugestanden. Eine equitable mortgage kann unter besonderen Voraussetzungen trotz eines Verstoßes gegen formelle Voraussetzungen, wie etwa die Schriftform, vorliegen.531 Weiterhin kann eine equitable mortgage bestehen, wenn die Parteien eine rechtliche Konstruktion wählen, die in ihrer Ausgestaltung einer mortgage entspricht, der sogenannte mortgage-Ersatz532 (mortgage substitute).533 Die Vereinbarung wird in diesem Fall in eine mortgage umgedeutet. Zu diesen mortgage substitutes gehören vor allem der absolute deed, der contract for deed und die negative pledge und werden in der Regel zur Umgehung bestimmter Schutzvorschriften vereinbar. Der Schuldner ist jeweils gegenüber der Vereinbarung einer „normalen“ mortgage schlechter gestellt.534 Jedoch sind nicht alle Vereinbarungen, die in ihrer Funktion einer mortgage entsprechen, als solche einzuordnen. Es besteht meist eine breite Judikatur, deren Ergebnis nicht immer ohne Weiteres vorhersehbar ist.535 So ist etwa die Sicherungsübereignung an einen Treuhänder (sogenannter deed of trust) durchaus zulässig. Der sogenannte absolute deed entspricht in seiner Funktion vollständig der einer mortgage, ist als solcher jedoch nicht nach außen erkennbar. Der Eigentümer überträgt sein Grundstück auf den Kreditgeber, der sich schuldrechtlich verpflichtet, bei vollständiger Rückzahlung das Grundstück zurückzuübertragen. Aus der Übertragungsurkunde ist diese Vereinbarung jedoch nicht erkennbar, sie macht den Anschein einer endgültigen, „absoluten“ Übertragung.536 Kann der Schuldner die Forderung nicht begleichen, muss der Gläubiger keine Zwangsvollstreckung durchführen und kann das Grundstück sofort verwerten. Die Gerichte deuten diese Konstruktion regelmäßig in eine equitable mortgage um, da diese den Zweck einer mortgage genau erfüllt und den Schuldner benachteiligt. Die wahre Intention der Parteien sei in 530

59 CJS Mortgages § 32. 59 CJS Mortgages § 50; 4 California Real Estate § 10:29 ff. Siehe zum Schriftformerfordernis bei Übertragung von Grundstücksrechten unten S. 193. 532 Böning spricht in diesem Fall von einer „getarnten“ mortgage. Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011, S. 30 ff. 533 5 Tiffany Real Prop. § 1563. 534 4 California Real Estate § 10:25. 535 Siehe auch folgende Extrembeispiele In re Seatrain Lines, Inc., 20 B.R. 577, 582 (N.Y. 1982), Umdeutung eines sale-and-lease-back-Geschäfts in eine mortgage; ähnlich für einen Mietvertrag zwischen Ehegatten Earp v. Earp, 231 Cal.App.3d 1008, 1013, 283 Cal.Rptr. 43 (Cal. 1991). Die Beurteilung der Gerichte wird jedoch vor allem bei anwaltlich vertretenen Parteien mitunter kritisch gesehen; so beispielsweise Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 3.19. 536 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 3.2 (a); 4 California Real Estate §§ 10:25 ff. 531

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diesem Fall die Vereinbarung einer mortgage.537 Gleiches gilt für eine Übertragung an den Kreditgeber mit der Forderungserfüllung als auflösender Bedingung.538 Ebenso stellt der sogenannte contract for deed539 eine equitable mortgage dar. Der Erwerber verpflichtet sich, den Kaufpreis in Raten über einen langen Zeitraum hinweg an den Veräußerer zu zahlen. Der Eigentumsübergang findet jedoch erst mit der Zahlung der letzten Rate statt. Diese Form der Finanzierung entspricht der einer mortgage und wird folglich auch als solche behandelt.540 Eine besondere Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Grundstückserwerber und Kreditgeber ist die Vereinbarung einer Belastungs- und Veräußerungsbeschränkung statt der Bestellung einer mortgage, eine sogenannte negative covenant.541 Der Kreditnehmer wird zwar Eigentümer des Grundstücks. Bis zur Rückzahlung des Grundstücks ist es ihm jedoch untersagt, neue Belastungen vorzunehmen oder das Grundstück zu übertragen.542 Bei dieser vor allem in Kalifornien verwendeten Vereinbarung hat der Kreditgeber den Vorteil, sowohl als gesicherter als auch als ungesicherter Gläubiger gegen den Kreditnehmer vorgehen zu können.543 Der Kreditgeber kann so die für ihn günstigste Möglichkeit der Befriedigung seiner Schuld wählen. Zusätzlich bleiben dem Schuldner die Schutzvorschriften der mortgage verwehrt.544 Die Einordnung der negative covenant als mortgage wird von den Gerichten je nach Einzelfall höchst unterschiedlich beurteilt.545 Insgesamt spricht viel dafür, die Vereinbarung einer Verfügungsbeschränkung nicht als mortgage einzuordnen. So ist es beispielsweise schwer zu begründen, eine

537 „[…] any agreement […], by which an intention is clearly shown that the land shall be security for an obligation, creates an equitable mortgage upon the land […] Thus, a deed absolute on its face if given for security is a mortgage by operation of law“; Boyarsky v. Froccaro, 125 Misc.2d 352, 359, 479 N.Y.S.2d 606 (N.Y. 1998). 538 Siehe für Einzelheiten ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 3.3. 539 Auch installment land contract, long-term land contract, installment sale contract, bond for deed oder land sale contract. ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 3.4 cmt. a. 540 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 3.4. 541 Auch negative pledge. 542 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 3.39; 17 Williston on Contracts § 51:59. 543 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 3.39. 544 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 3.39. 545 Einordnung als mortgage: Coast Bank v. Minderhout, 61 Cal.2d 311, 392 P.2d 265, 38 Cal.Rptr. 505 (Cal. 1964); a.A. Tahoe National Bank v. Phillips, 4 Cal.3d 311, 480 P.2d 320 (Cal. 1971).

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negative Absprache als Intention der Parteien zur Vereinbarung einer mortgage zu sehen.546 (d) Sicherungsübereignung – Deed of trust In einigen Bundesstaaten hat sich der sogenannte deed of trust als primäres dingliches Recht zur Sicherung einer Forderung etabliert und die mortgage weitgehend verdrängt.547 Der deed of trust stellt keine Bestellung eines Pfandrechts, sondern eine Sicherungsübereignung des Grundstücks dar. Das Grundstück wird beim Erwerb oder beim Abschluss eines Darlehensvertrags auf einen Treuhänder übertragen. Der Treuhänder überträgt das Grundstück erst bei Zahlung der vollständigen Forderung auf den Kreditnehmer. Bis zur Zahlung hält er das Grundstück treuhänderisch für den Kreditgeber, der Kreditnehmer ist jedoch zum Besitz und zum Ziehen der Nutzung berechtigt.548 Durch die Schaffung eines Drei-Personen-Verhältnisses wird versucht, eine Interpretation als equitable mortgage durch die Gerichte zu verhindern.549 Durch den Verbleib des Eigentumsrechts bei dem Dritten wird eine spätere Vollstreckung in das Grundstück erleichtert. Der direkte Verkauf durch den Treuhänder ist zudem meist günstiger und kann schneller erfolgen.550 Dem Treuhänder ist es vertraglich erlaubt, das Grundstück bei Zahlungsverzug zu veräußern. Dem Kreditnehmer stehen gegenüber einem Verkauf durch den Treuhänder jedoch kaum Schutzrechte zu. Die Rechtsprechung stellt aus diesem Grund den deed of trust einer mortgage gleich, da er die gleiche Funktion hat.551 Heute stimmen beide Rechtsinstitute materiell-rechtlich weitestgehend überein.552 Bei Zahlungsverzug des Schuldners kann der Treuhänder das Grundstück nicht einfach veräußern und den Gläubiger vom Erlös befriedigen. Vielmehr muss ein formelles Zwangsvollstreckungsverfahren durchgeführt werden, das ausreichend Rechtsschutz für den Schuldner vorsieht.553

546 So ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 3.5; siehe auch m.w.N. Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 3.39. 547 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 1.6. 548 59 CJS Mortgages §§ 15 f. 549 59 CJS Mortgages § 17. 550 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 1.6. 551 „[…] deeds of trust, except for the passage of title for the purpose of the trust, are practically and substantially only mortgages with a power of sale“; Bank of Italy Nat. Trust & Sav. Ass’n v. Bentley, 217 Cal. 644, 657, 20 P.2d 940 (Cal. 1933). 552 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 1.6. 553 Näheres zur Zwangsvollstreckung (foreclosure) bei Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 7.1 ff.; Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011, S. 120 ff.

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bb) Gesetzliche Grundpfandrechte Neben der mortgage, die rechtsgeschäftlich vereinbart wird, existiert in den Vereinigten Staaten noch eine Reihe von Grundpfandrechten, die kraft Gesetzes entstehen. Hierzu zählen vor allem die dinglichen Sicherungsrechte des Werkunternehmers (mechanic’s lien), des Steuergläubigers (tax lien) und des ungesicherten Veräußerers (vendor’s lien). Im angloamerikanischen Recht kann ein Werkunternehmerpfandrecht554 auch an Grundstücken erwachsen. Dieses sogenannte mechanic’s lien555 entsteht kraft Gesetzes, wenn ein Werkunternehmer Arbeiten zum Bau, Reparaturen oder Renovierungen eines Gebäudes vornimmt oder hierfür Material verwendet.556 Der Werkunternehmer,557 der in gutem Glauben wertsteigernde Arbeiten an einem fremden Gebäude vornimmt, soll eine zusätzliche Sicherheit für seine Forderung erhalten.558 Das Eigentum am Material verliert der Werkunternehmer mit dem Einbau, es wird als fixture nicht selbstständiger Bestandteil des Grundstücks. Das gesetzliche Grundpfandrecht ist teilweise sogar in der Verfassung der Bundesstaaten vorgesehen.559 Die mechanic’s lien genießen in vielen Bundesstaaten Vorrang vor allen anderen dinglichen Rechten, unabhängig vom Zeitpunkt der Eintragung ins Grundstücksregister.560 In den Vereinigten Staaten bestehen auf allen Verwaltungsebenen Gesetze, die dem Staat ein Grundpfandrecht für ausstehende Steuern gewähren (tax lien); die Steuerpflicht muss nicht notwendigerweise mit dem Grundstück zusammenhängen.561 Die Gesetze sind meist so ausgestaltet, dass die dingliche Belastung jedes Jahr zu einem bestimmten Zeitpunkt für die noch nicht

554 Mit der Sicherungshypothek des Bauunternehmers (§ 648 BGB) existiert in Deutschland eine ähnliche Sicherung. Eine solche Hypothek entsteht jedoch weder automatisch noch geht sie anderen Grundpfandrechten vor. Der Bauunternehmer hat lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eintragung einer solchen Sicherheit; siehe hierzu ausführlich Busche, in: MüKo, BGB, § 648 Rn. 1 ff. 555 Auch materialman’s, contruction oder supplier’s lien. 556 56 CJS Mechanics’ Liens § 1. Siehe ausführlich 10 California Real Estate §§ 28:1 ff. 557 Dies gilt sogar für den Subunternehmer; 56 CJS Mechanics’ Liens § 8. 558 56 CJS Mechanics’ Liens § 3; 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 11:18. 559 So in Kalifornien Art. 14 § 3 Cal Const.; einfach gesetzlich Regelung in New York § 1 ff. N.Y. Lien Law. 560 5 California Real Estate § 11:130; Palomar, Title Insurance Law, § 5.16. Siehe Genaueres zur Priorität gegenüber einer Hypothek 56 CJS Mechanics’ Liens §§ 241 ff. 561 85 CJS Taxation § 960; siehe ausführlich 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms §§ 12.1 ff.

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beglichene Steuern entsteht.562 Die tax lien gehen, teilweise auch ohne Eintragung ins Grundstücksregister, anderen dinglichen Belastungen vor.563 Neben den mechanic’s und tax lien gesteht das equity-Recht564 dem ungesicherten Veräußerer eines Grundstücks ein Grundpfandrecht zu (vendor’s lien).565 Hintergrund ist das Prinzip, dass der Erwerber eines Grundstücks dieses nicht ohne Zahlung des Kaufpreises behalten soll.566 Ein vendor’s lien entsteht, wenn zwischen Erwerber und Veräußerer keine dingliche Sicherheit für den noch nicht gezahlten Kaufpreis vereinbart wurde.567 Die dinglichen Sicherungsrechte, die kraft Gesetzes entstehen und sogar ohne Eintragung ins Grundstücksregister früher erfassten Rechten vorgehen, tragen zur Rechtsunsicherheit der Rechte an einem Grundstück bei. Sie werden auch als surprise lien bezeichnet, da sie auch gegenüber einem gutgläubigen Erwerber wirken und ihre Existenz Erwerber „überraschen“ kann.568 c)

Erwerbsrechte – Preemption und option

Dingliche Erwerbsrechte können als option, die ein Ankaufsrecht in Form eines bedingten Angebots darstellt, und der preemption, die ein Vorkaufsrecht im Fall der Veräußerung durch den Eigentümer gewährt, an einem Grundstück bestehen. Die option ist eine Vereinbarung mit dem Eigentümer eines Grundstücks, die es Dritten erlaubt, das Grundstück zu bestimmten Konditionen zu erwerben.569 Die Vereinbarung muss die Person des Berechtigten, eine Beschreibung des Grundstücks, den Zeitraum, innerhalb der die option ausgeübt werden kann, und einen genauen Kaufpreis enthalten.570 Zudem muss eine Verpflichtung des Berechtigten zur Gegenleistung enthalten sein, andernfalls liegt nur ein schlichter, jederzeit widerrufbarer Antrag auf Abschluss eines

562

Siehe hierzu genauer 5 Powell on Real Property § 39. Einzelheiten bei 85 CJS Taxation §§ 984 ff. 564 First Const. Credit, Inc. v. Simonson Lumber of Waite Park, Inc., 633 N.W.2d 14, 17 f. (Minn. 2003); siehe auch § 3048 Cal. Civ Code. 565 92 CJS Vendor and Purchaser § 586; 5 Tiffany Real Prop. §§ 1572 f. Teilweise bestehen auch gesetzliche Regelungen, siehe beispielsweise § 44-6-1 S.D.C.L. 566 „The real basis for the existence of a vendor’s lien seems to be the broad equitable principle that a person having obtained the estate of another ought not […] allowed to keep it and not pay the purchase price.“; Weaver v. Blake, 300 N.W.2d 52, 54 f. (S.D. 1980). 567 92 CJS Vendor and Purchaser § 587. 568 Siehe hierzu Pomeroy, 11 Nev. L.J. 139 (2010). 569 Es besteht Uneinigkeit über die Rechtsnatur der option. Sie wird als Vertrag, einseitige Vereinbarung oder lediglich als Angebot beurteilt; 92 CJS Vendor and Purchaser §§ 587 f. 570 Marshall v. Floyd, 292 Ga.App. 407, 409 f., 664 S.E.2d 793, 08 FCDR 2426 (Ga. 2008). Näheres zur Form 92 CJS Vendor and Purchaser § 166. 563

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Kaufvertrags vor.571 Die Ausübung der option durch eine Erklärung572 des Berechtigten gegenüber dem Eigentümer lässt einen durchsetzbaren Kaufvertrag mit dem Inhalt der option entstehen.573 Die option gibt nicht nur dem Berechtigten ein Recht zum Erwerb des Grundstücks, sie wirkt auch dinglich und stellt ein Grundstücksrecht dar.574 Sie entfaltet ihre Wirkung auch gegenüber dem Erwerber des Grundstücks, zumindest sofern dieser entweder Kenntnis hatte oder die option ins Grundstücksregister aufgenommen wurde.575 Die preemption räumt dem Berechtigten ein Vorkaufsrecht an einem Grundstück ein. Der Berechtigte kann im Fall der Veräußerung des Grundstücks dieses vor einem Dritten erwerben. Sie tritt entweder in der Form der right of first refusal oder right of first offer auf. Beim right of first refusal muss der Eigentümer eines Grundstücks, der ein Angebot eines Kaufinteressierten erhalten hat und verkaufen will, das Angebot dem Berechtigten vorlegen. Dieser kann innerhalb eines bestimmten Zeitraums ein entsprechendes Angebot abgeben und statt dem Dritten das Grundstück erwerben. Es muss immer ein Angebot vorliegen, damit der Berechtigte des right of first refusal sein Recht überhaupt ausüben kann.576 Besteht die Pflicht des Eigentümers, das Grundstück zuerst dem Berechtigten der preemption anzubieten, liegt ein right of first offer vor. Erst wenn dieser das Angebot ablehnt, kann der Eigentümer das Grundstück zu den gleichen Konditionen an jeden Dritten veräußern. In der Variante des right of first offer ist es dem Eigentümer nach der Ablehnung des Angebots möglich, das Grundstück ohne weitere Rücksprache mit dem Berechtigten zu veräußern.577 Eine preemption wirkt unter den gleichen Voraussetzungen wie die option dinglich auch gegenüber Dritten.

571

92 CJS Vendor and Purchaser § 168. Die Gegenleistung (consideration) ist für eine Einordnung als Vertrag im Sinne des Common Law in manchen Bundesstaaten zwingend erforderlich; siehe hierzu Fromholzer, Consideration, 1997. 572 92 CJS Vendor and Purchaser § 171. 573 92 CJS Vendor and Purchaser § 179. 574 92 CJS Vendor and Purchaser § 155. In manchen Bundesstaaten wird die option jedoch nicht als Grundstücksrecht gesehen; so etwa in Kalifornien: „[…] an option is merely an offer to sell and vests no estate in the property to be sold.“; Leslie v. Federal Finance Co., 14 Cal.2d 73, 80, 92 P.2d 906 (Cal. 1939). 575 92 CJS Vendor and Purchaser § 155. 576 Siehe hierzu 1 California Real Estate § 2:10. 577 Siehe für Einzelheiten 92 CJS Vendor and Purchaser § 180; siehe auch Bill Signs Trucking, LLC v. Signs Family Ltd. Partnership, 157 Cal.App.4th 1515, 1522 ff., 69 Cal.Rptr.3d 589 (Cal. 2008)

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d) Dinglicher Rechtserwerb durch Abschluss des Kaufvertrags – Equitable estates Das angloamerikanische Recht kennt neben den oben dargestellten estates, die auch als legal estates bezeichnet werden, noch die sogenannten equitable estates.578 Die equitable estates entspringen im Gegensatz zu den legal estates nicht den ordentlichen Common-Law-Gerichten, sondern sind auf die Billigkeitsrechtsprechung in England zurückzuführen.579 Die equity-Gerichte gestanden dem Käufer eines Grundstücks bereits nach Abschluss des Kaufvertrags ein Grundstücksrecht zu.580 Grund waren die beschränkten Möglichkeiten zur Durchsetzung des Erfüllungsanspruchs vor den ordentlichen Gerichten. Dieses equitable estate entsteht schon mit dem Abschluss des Kaufvertrags (doctrine of equitable conversion).581 Sie berechtigen den Rechtsinhaber jedoch nicht zum Besitz.582 Die Spaltung des Eigentums in legal estate, das beim Verkäufer verbleibt, und equitable estate, das der Käufer erhält, wird durch die Rechtsfigur eines trust erreicht.583 Der Verkäufer hält das Eigentum als Treuhänder, bis der Käufer den Kaufpreis erfüllt hat. Die Rechtsstellung, die der Käufer innehat, ähnelt der Wirkung einer Eigentumsvormerkung. Zur Wirkung gegenüber einem gutgläubigen Erwerber ist jedoch die Registrierung des Kaufvertrags im Grundstücksregister erforderlich.584 In den Bundesstaaten müssen unterschiedliche Voraussetzung erfüllt werden, damit der Käufer tatsächlich bereits mit Kaufvertragsschluss Rechtsinhaber wird.585 Manche Bundesstaaten erkennen equitable estates überhaupt nicht an.586 Der Käufer, der Inhaber eines equitable estates ist, gilt für bestimmte Zwecke gegenüber Dritten schon als Eigentümer des Grundstücks. Seine Rechtsposition ähnelt der einer Hypothek, da sie einen Teil des Kaufpreises

578

Zur Unterscheidung zwischen den legal und den equitable estates siehe ALI, Restatement (First) of Contracts, 1932, § 6. 579 Siehe zur equity einleitend oben S. 21. 580 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 996; 92 CJS Vendor and Purchaser §§ 229 ff.; siehe auch Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 151. 581 Siehe Näheres 18 CJS Conversion §§ 9 ff. 582 27A Am. Jur. 2d Equitable Conversion § 1. 583 U.S. v. 74.05 Acres of Land, 428 F.Supp.2d 57, 61 (Conn. 2006); 18 CJS Conversion § 9; 1 Tiffany Real Prop. § 308. 584 Siehe hierzu unten S. 220. 585 In Kalifornien ist beispielsweise eine Anzahlung erforderlich, 4 California Real Estate § 10:34. 586 27A Am. Jur. 2d Equitable Conversion § 1; so beispielsweise in Washington Estate of Phillips v. Nyhus, 124 Wash.2d 80, 88, 874 P.2d 154 (Wash. 1994).

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absichert.587 Ein equitable estate kann wie ein dingliches Recht übertragen und belastet werden.588 Sofern der Käufer ein equitable estate erwirbt, geht in der Regel das Risiko des zufälligen Untergangs auf ihn über. Er kann jedoch selbst Ersatzansprüche gegenüber einem Schädiger geltend machen.589 8.

Konkurrenz verschiedener Grundstücksrechte – Prioritäten

Die Priorität zwischen rechtsgeschäftlich übertragenen Grundstücksrechten richtet sich nach dem Grundsatz first in time, first in right.590 Das zeitlich früher bestellte Recht geht folglich einem später bestellten vor. Grundstücksrechte entstehen, sofern alle Voraussetzungen erfüllt sind,591 im Zeitpunkt der Übergabe der Übertragungsurkunde. Der Übergabezeitpunkt ist folglich für die Priorität zwischen konkurrierenden Grundstücksrechten maßgeblich. Der Zeitpunkt des Entstehens gesetzlicher Grundpfandrechte, wie der mechanic’s tax und vendor’s lien, bestimmt sich je nach Bundesstaat unterschiedlich. So wirken beispielsweise mechanic’s lien in der Regel ab dem Beginn der Tätigkeit des Werkunternehmers und gehen ohne Eintragung allen späteren (eingetragenen) Grundstücksrechten vor.592 Ein vendor’s lien entsteht erst mit seiner Geltendmachung, wirkt aber auf den Zeitpunkt seiner Eintragung zurück.593 9.

Verschmelzung von Rechten an einem Grundstück – Merger of estates

Führt die Übertragung eines Grundstücksrechts dazu, dass eine Person Inhaber zweier unterschiedlich „starker“ Eigentumsrechte am selben Grundstück wird, verschmelzen diese beiden Rechte zu einem einzigen (doctrine of merger).594 Ist eine Person beispielsweise Inhaber eines leasehold estate und wird ihr ein life estate übertragen, geht das leasehold estate in diesem auf.595 Hin587 27A Am. Jur. 2d Equitable Conversion § 13; 1 Tiffany Real Prop. § 308; siehe zum Ganzen auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 494 f. 588 27A Am. Jur. 2d Equitable Conversion § 13; 1 Tiffany Real Prop. § 307. 589 27A Am. Jur. 2d Equitable Conversion § 13; 1 Tiffany Real Prop. § 309. Der Uniform Vendor and Purchaser Risk Act, welcher in manchen Bundesstaaten umgesetzt wurde, verschiebt die Risikoverteilung, die durch ein equitable estate entsteht, zu Lasten des Verkäufers, § 1 UVPRA. Ebenso kann der Kaufvertrag nach dem Wunsch der Parteien eine abweichende Risikoverteilung vorsehen. 590 53 CJS Liens § 27; 5 California Real Estate § 11:1. 591 Der Rechtsübergang kann sich etwa bei der Bestellung einer mortgage verzögern, wenn zwar die Urkunde bereits übergeben wurde, der Schuldner das belastete Grundstück jedoch noch erwerben muss (sogenannte mortgage mit einer after-acquired propertyKlausel); siehe hierzu ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 7.5. 592 5 California Real Estate § 11:131. Siehe auch § 8450 Cal. Civ. Code. 593 5 California Real Estate § 11:120. 594 28 Am. Jur. 2d Estates § 423. Siehe beispielsweise § 44-6-2 Ga. Code. 595 28 Am. Jur. 2d Estates § 430.

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ter die doctrine of merger steht der Gedanke des Feudalrechts, dass niemand gleichzeitig Inhaber und Begünstigter eines Rechts am selben Grundstück sein könne (nemo potest esse dominus et tenens)596. Gleiches gilt bei der Übertragung einer Forderung auf den Grundstückseigentümer, die durch eine mortgage gesichert ist.597 Eine Verschmelzung der Grundstücksrechte findet jedoch nicht gegen den Willen598 oder zum Nachteil599 des Rechtsinhabers statt.600 10. Personenmehrheiten als Eigentümer – Cotenancy Rechte an Grundstücken können verschiedenen Personen gleichzeitig zustehen (cotenancy).601 Das Common Law kennt drei verschiedene Varianten dieses Miteigentums an Grundstücken: die tenancy in common, die joint tenancy und die tenancy by the entireties. Die einzelnen Rechte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit und der Rechtsfolgen im Fall des Todes eines Miteigentümers. Die Miteigentümer (cotenants) sind jeweils zum Besitz und zur Nutzung des gesamten Grundstücks berechtigt. Die Miteigentumsanteile erstrecken sich nicht auf einen bestimmten Grundstücksteil oder sind auf die Ausübung eines bestimmten Nutzungsrechts beschränkt.602 a)

Joint tenancy

Die joint tenancy berechtigt mehrere Personen, ein Grundstück während ihrer Lebenszeit zu besitzen und zu nutzen.603 Das Miteigentum muss durch denselben Entstehungsgrund, wie etwa eine Eigentumsübertragung an alle Miteigentümer, zum gleichen Zeitpunkt entstehen und von der gleichen Art und Dauer für alle Miteigentümer sein.604 Beim Fehlen einer dieser vier Entstehungsvoraussetzungen entsteht keine joint tenancy, sondern nur eine tenancy in common.605 Essentieller Bestandteil der joint tenancy ist das right of survivorship. Beim Tod eines Miteigentümers gehen dessen Eigentumsrechte zu

596 Engl.: No man can be both tenant and lord; dt.: Niemand kann gleichzeitig Lehnsmann und Lehnsherr sein. 597 59 CJS Mortgages § 432. 598 McLemore v. Hyundai Motor Mfg. Alabama, 7 So.3d 318, 334 (Ala. 2008). 599 Smith v. U.S. Nat. Bank of Galveston, 767 S.W.2d 820 (Tex. 1989). 600 28 Am. Jur. 2d Estates § 425. 601 Siehe auch Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 430 ff.; Nelson/ Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 347 ff.; Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 135 ff. 602 20 Am. Jur. 2d Cotenancy and Joint Ownership § 2. 603 48A CJS Joint Tenancy § 1. 604 7 Powell on Real Property § 51.01[2] (2009). 605 20 Am. Jur. 2d Cotenancy and Joint Ownership § 5.

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gleichen Teilen auf die übrigen Miteigentümer über.606 Der letzte überlebende Miteigentümer wird folglich alleiniger Eigentümer.607 Im Gegensatz zur Übertragung von Todes wegen können die Miteigentümer ihren Anteil zu Lebzeiten rechtsgeschäftlich frei übertragen. Folge einer solchen Übertragung an einen Dritten ist, dass das right of survivorship für den neuen Miteigentümer untergeht.608 Für ihn liegt nur Miteigentum in Form der tenancy in common vor, das right of survivorship der übrigen Miteigentümer bleibt hingegen bestehen.609 b)

Tenancy in common

Das Miteigentum in der Form des tenancy in common gewährt ebenso jedem Miteigentümer ein eigenes Besitzrecht.610 Es handelt sich um grundsätzlich getrennte Rechte an dem Grundstück, ähnlich dem Miteigentum nach Bruchteilen. Ein gemeinsamer Entstehungsgrund ist ebenso wenig erforderlich wie die gleiche Art der Rechte, diese können bei jedem Miteigentümer unterschiedlich sein. Für ihr Vorliegen besteht heute – im Gegensatz zum ursprünglichen Common Law – in den meisten Bundesstaaten eine gesetzliche Vermutung.611 Soll keine tenancy in common geschaffen werden, ist eine ausdrückliche Vereinbarung erforderlich. Die Miteigentumsrechte der tenancy in common sind frei veräußerlich und vererblich. c)

Tenancy by the entirety

Die tenancy by the entirety ist eine besondere Miteigentumsform von Ehegatten.612 Sie steht der joint tenancy nahe. Beim Tod eines Ehegatten erhält der Überlebende das alleinige Eigentum.613 Das Gesetz betrachtet die Ehegatten beim Erwerb von Eigentumsrechten als eine Person. In den Bundesstaaten besteht in der Regel eine gesetzliche Vermutung zu Gunsten eines gemeinsamen Erwerbs.614 Die alleinige Übertragung eines Ehegatten auf einen Dritten ist unwirksam.615 Das Eigentum der Ehegatten genießt in manchen Bundes606

48A CJS Joint Tenancy § 2. 7 Powell on Real Property § 51.04[3] (2008). 608 20 Am. Jur. 2d Cotenancy and Joint Ownership § 23. 609 20 Am. Jur. 2d Cotenancy and Joint Ownership § 7. 610 20 Am. Jur. 2d Cotenancy and Joint Ownership § 32. 611 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 348. Siehe beispielsweise § 683 Cal. Civ Code und § 2-117 Md.-Code Real Property. 612 Siehe zum Güterrecht in den Vereinigten Staaten auch Bardy, RNotZ 2005, 137 ff. 613 20 Am. Jur. 2d Cotenancy and Joint Ownership § 34. 614 41 Am. Jur. 2d Husband and Wife § 21. Teilweise muss bei der Übertragung an die Ehegatten jedoch ausdrücklich eine tenancy by the entirety vereinbart werden. Siehe beispielsweise § 5302.17 Ohio St. 615 20 Am. Jur. 2d Cotenancy and Joint Ownership § 32. 607

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staaten besonderen Schutz gegenüber den Gläubigern des anderen Ehegatten.616 Vor allem in den südwestlichen Bundesstaaten finden Grundsätze des Civil Law im Rahmen der Eigentumsverhältnisse von Ehegatten Anwendung. Die Gegenstände der Ehegatten sind Gesamtgut (community property), sofern sie nicht Sondervermögen sind.617 Die Ausgestaltung entspricht der Errungenschaftsgemeinschaft, wie sie früher im BGB zu finden war.618 11. Zusammenfassung Die angloamerikanischen Grundstücksrechte unterscheiden sich vor allem inhaltlich von den deutschen. Die Entwicklung und Abhängigkeit vom englischen Lehnsrecht sind heute über die schlichte Terminologie hinaus noch klar erkennbar. Trotz der teilweise schwer verständlichen Konstruktionen, vor allem der future interests, ist das Grundstücksrecht sehr systematisch aufgebaut. Diese Systematik kann zu hochkomplexen Rechtsverhältnissen führen, wenn eine Reihe verschiedener abgeleiteter Rechte bestehen. Das Eigentumsrecht an einem Grundstück kann in dreifacher Hinsicht unterteilt werden. Es kann mehreren Personen auf derselben Ebene zustehen (cotenancy), zeitlich beschränkt oder bedingt sein und so potentielle Eigentumsrechte (future estates) zur Folge haben, darüber hinaus können noch dingliche Rechte auf Grund eines schuldrechtlichen Vertrags bestehen (equitable estates). Diese dreifache Aufspaltung des Eigentumsrechts erschwert eine Analyse der an einem Grundstück bestehenden Eigentumsverhältnisse maßgeblich. Eine Besonderheit des Eigentumsrechts ist zudem, dass die Bestellung dinglicher Belastungen nicht nur am Volleigentum, sondern auch an den schwächeren Rechten möglich ist. Beispielsweise kann eine mortgage auch an einem life estate oder dem leasehold estate bestellt werden und so die Komplexität weiter erhöhen. Weitere Unklarheiten der dinglichen Rechtslage an einem Grundstück werden durch die zahlreichen Ersatzkonstruktionen der mortgage (mortgage substitutes) geschaffen. Ein Gläubiger kann sich nie sicher sein, ob das vom ihm verwendete Instrument der Absicherung seiner Forderung von den Gerichten nicht doch noch in eine mortgage umgedeutet wird. So gibt es eine gewisse Unsicherheit über die Geltung von dinglichen Rechten. Weiterhin tragen auch die gesetzlichen Grundpfandrechte, die automatisch entstehen und teilweise Vorrang genießen, zu einer solchen Unsicherheit bei. Zudem

616

20 Am. Jur. 2d Cotenancy and Joint Ownership § 36. 41 CJS Husband and Wife §§ 250 ff.; siehe auch Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 2014, Rn. 712. 618 Siehe § 1519 ff. BGB a.F., abgeschafft durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957, BGBl. I, 609. 617

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Kapitel 2: Grundlagen

können sie die Werthaltigkeit nachrangiger Sicherungsrechte wie einer rechtsgeschäftlich bestellten mortgage negativ beeinflussen.619 Betrachtet man die zahlreichen möglichen Grundstücksrechte und ihre Aufspaltung in verschiedene Unterrechte stellt sich die Frage, inwieweit eine Beschränkung durch eine Art Typenzwang existiert. In der angloamerikanischen Lehrbuchliteratur wird diese Thematik in der Regel nicht angesprochen und auch nicht als Grundprinzip des Sachenrechts vorausgesetzt. Nichtsdestotrotz ist in der Rechtswissenschaft in neuerer Zeit eine Diskussion entstanden, inwieweit das in den Vereinigten Staaten geltende Common Law einen Numerus clausus der absoluten Rechte kennt.620 Die Existenz des Typenzwangs wird vor allem unter dem Gesichtspunkt der Auswirkungen auf die Effizienz von Eigentumsübertragungen betrachtet. Der Typenzwang diene nicht vordergründig der Typisierung von dinglichen Rechten, sondern als Hilfe für die Verifizierung von dinglichen Rechten im Zusammenhang mit Übertragungen, aber auch der Bestellung von dinglichen Sicherheiten.621 Eine Beschränkung der dinglichen Rechte helfe bei der Reduzierung der Transaktionskosten, da bei einer Übertragung grundsätzlich nur bestimmte dingliche Rechte in Frage kommen.622 Im deutschen Recht wird die Notwendigkeit des Typenzwangs weniger hinsichtlich seiner direkten ökonomischen Auswirkungen als hinsichtlich des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gerechtfertigt.623 Nichtsdestotrotz sind sich die Autoren einig, dass das angloamerikanische Recht nur eine beschränkte Zahl von Grundstücksrechten kennt. Das dem Feudalrecht entsprungene Recht der estates folgt in seinen Grundformen durchaus einem System, das man als Typenzwang bezeichnen könnte, wenn auch nur eine Terminologie verwendet wird, die eine abschließende Anzahl möglicher Grundstücksrechte impliziert (wie etwa catalogue of estates oder forms of ownership).624 Die absoluten Rechte werden in diesem Zusammen619 Siehe hierzu im Hinblick auf die fehlende Erkennbarkeit der gesetzlichen Grundpfandrechte Pomeroy, 11 Nev. L.J. 139 (2010). 620 Erp, in: The Oxford handbook of comparative law, 2008, S. 1043, 1061; Merill/Smith, 110 Yale L.J. 1 (2000). Dorfman, 61 U. Toronto L.J. 467 (2011) geht von der Existenz eines Numerus clausus im Common Law aus und charakterisiert dessen Merkmale. Siehe auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 111 f.; zweifelnd, ob ein solches tatsächlich besteht, Stürner, AcP 210 (2010), 105, 124. 621 So etwa Smith, 79 N.Y.U.L.Rev. 1719 (2004) unter besonderer Berücksichtigung von Transaktionskosten und einem Vergleich der Eigentumsrechte mit vertraglichen Ansprüchen. Siehe aber auch Davidson, 61 Vand. L. Rev. 1597 (2008); Hansmann/Kraakman, 31 J. Legal Stud. 373 (2002); Merill/Smith, 110 Yale L.J. 1 (2000). 622 Smith, 79 N.Y.U.L.Rev. 1719, 395 ff. (2004). 623 M.w.N. Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zum Sachenrecht § 38. Siehe aus rechtsökonomischer Sicht jedoch Fleischer, in: FS Schäfer, 2013, S. 125; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, 2013, S. 589 ff. 624 Merill/Smith, 110 Yale L.J. 1, 4 (2000).

C. Rechte an Grundstücken

97

hang mit dem Vertragsrecht verglichen. Dort ist grundsätzlich eine nahezu unendliche Zahl individueller Ausgestaltungen von Rechtsverhältnissen möglich.625 Ein Gericht wird hingegen ein durch die Parteien neu geschaffenes Eigentumsrecht nicht anerkennen und für nicht durchsetzbar erklären. Bei der Übertragung und Verschaffung von Grundstücksrechten können nur die bekannten estates herangezogen werden. Letztendlich wird so einer Zersplitterung und Unübersichtlichkeit der dinglichen Grundstücksrechte entgegengewirkt. Im Gegensatz zum deutschen Recht stände der Schaffung neuer Grundstücksrechte zumindest die Registereintragung nicht entgegen.626 Ein neu geschaffenes Grundstücksrecht könnte ohne Weiteres „eingetragen“ werden. Der Registerbeamte steht nicht vor dem Problem, ein ihm unbekanntes Recht schon auf Grund der Ausgestaltung des Registers nicht erfassen zu können. Die Aufnahme der Übertragungsurkunde in das Register könnte er ohne Probleme vornehmen. Lediglich bei einer weiteren Übertragung müsste sich der Erwerber Gedanken darüber machen, welche Rechte er erwerben kann und ob das neu geschaffene Recht sich überhaupt in eines der vorgesehenen estates einordnen lässt. Obwohl sich keine „formelle“ Anerkennung des Typenzwangs in den Gesetzen der Bundestaaten oder der Rechtsprechung finden lässt, ist ein Numerus clausus der dinglichen Eigentumsrechte dem angloamerikanischen Recht immanent.627 Es findet eine „Selbstbeschränkung“628 der Gerichte hinsichtlich der Anerkennung neuer dinglicher Rechte statt. Es wird davon ausgegangen, dass neue dingliche Rechte nur durch eine Rechtsänderung des Gesetzgebers und nicht durch die Rechtsprechung geschaffen werden können.629 Der Rechtsanwender genießt durch die Vielzahl der möglichen Rechte eine hohe Flexibilität.630 Für den konkreten Einzelfall können maßgeschneiderte Lösungen bereitgestellt werden. Jedoch führen beispielsweise Grundstücksrechte, die unter einer Bedingung übertragen wurden und einen automatischen Rechtsübergang auslösen können, zu einer hohen Rechtsunsicherheit in der Praxis. Beim Eintritt der Bedingung können Grundstücksrechte ohne jeglichen Publizitätsakt oder sogar ohne Wissen der Rechtsinhaber auf andere Personen übergehen.

625

Merill/Smith, 110 Yale L.J. 1, 5 f. (2000). Ein Numerus clausus wurde in England im Zuge der Einrichtung eines effizienten Grundstückregisters eingeführt (15 & 16 Geo. V c. 20 (1925): Law of Property Act). Erp, in: The Oxford handbook of comparative law, 2008, S. 1043, 1062. 627 Smith, 79 N.Y.U.L.Rev. 1719, 1768 ff. (2004); Hansmann/Kraakman, 31 J. Legal Stud. 373 (2002); Merill/Smith, 110 Yale L.J. 1 (2000). 628 „Judicial self-governance“ Merill/Smith, 110 Yale L.J. 1, 11 (2000). 629 Merill/Smith, 110 Yale L.J. 1, 10 ff. (2000). 630 Letztendlich bedeutet Typenzwang auch immer eine Einschränkung der Vertragsfreiheit und Privatautonomie. Siehe m.w.N. Stürner, AcP 210 (2010), 105, 134 f. 626

98

Kapitel 2: Grundlagen

Das angloamerikanische System der Grundstücksrechte wird teilweise als zu komplex beschrieben. Die Anwendung einer auf dem Feudalrecht basierenden Rechtsstruktur sei der heutigen Zeit nicht mehr angemessen.631 Die Beibehaltung des jahrhundertealten Systems sei lediglich ein „historischer Unfall“632 und gehöre insgesamt reformiert.633 So wird beispielsweise die Verwendung feudaler Terminologien, wie freehold estate und nonfreehold estate, im vorläufigen Entwurf des Restatement (Third) of Property abgelehnt.634 III. Rechtsvergleichende Betrachtung Der Vergleich des deutschen Grundstückseigentums mit dem angloamerikanischen zeigt, dass zumindest zwischen dem deutschen Volleigentum und dem fee simple kein allzu großer Unterschied besteht. Doch schon die weitere Struktur der Eigentumsrechte ist höchst unterschiedlich ausgestaltet. Das deutsche Recht kennt keine Abspaltung von Eigentumsrechten, die weniger weit reichend als das Volleigentum sind. Die Eigentumsstruktur des BGB kennt vor allem keine Abhängigkeit des Eigentumserwerbs bzw. des Rückerwerbs von einer Bedingung. Die Vornahme eines Publizitätsakts ist in diesem Zusammenhang überhaupt nicht erforderlich. Im angloamerikanischen Recht erfolgt die Erteilung von Berechtigungen an Dritte oftmals durch die Aufspaltung des Eigentumsrechts. Das deutsche Recht hingegen basiert in diesem Zusammenhang vor allem auf der Bestellung von Rechten, die bestimmte Berechtigungen enthalten. Die doppelte Wirkung des angloamerikanischen Mietrechts, sowohl dinglich als auch schuldrechtlich, ist dem deutschen Recht völlig fremd. Das schuldrechtliche Verhältnis der Miete wirkt zwar durch § 566 BGB auch gegenüber einem Erwerber, es stellt jedoch höchstens eine Annäherung an ein dingliches Recht dar, welche sehr schwach ausgeprägt ist.635 Insgesamt lässt sich feststellen, dass das deutsche Grundstücksrecht stark durch die Prinzipien des Sachenrechts, vor allem die Bestimmtheit, Absolutheit und Publizität beeinflusst ist. Das angloamerikanische Recht ist teilweise wesentlich flexibler und individuell gestaltbar. Zudem haben Rechtsinstitute

631

So beispielsweise Barros, 66 Wash. & Lee L. Rev. 3 (2009); Waggoner, 85 Harv. L. Rev. 729 (1972). 632 „Historical accident“ Barros, 66 Wash. & Lee L. Rev. 3, 4 (2009). 633 Siehe hierzu den Vorschlag von Barros Barros, 66 Wash. & Lee L. Rev. 3 (2009). 634 ALI, Restatement (Third) of Property: Wills & Other Donative Transfers (Preliminary Draft No. 12), 2007, § 24.1 cmt. a. 635 Emmerich, in: Staudinger, BGB, Vor. § 535 Rn. 19. Wenn die Miete auch vereinzelt als dingliches Recht gesehen wird. Siehe m.N. Emmerich, in: Staudinger, BGB, § 566 Rn. 4, 6.

D. Registersysteme und Verfahren

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wie die gesetzlichen Grundpfandrechte und die Umdeutung der mortgage substitutes in dingliche Rechte eine gewisse Rechtsunsicherheit zur Folge. Die weitere Betrachtung wird sich hauptsächlich auf das Eigentumsrecht und dessen Übertragung beziehen. Hierbei wird das fee simple als Synonym für das deutsche Volleigentum verwendet. Beide gewähren dem Inhaber, sofern keine belastenden Rechte bestehen, eine nahezu grenzenlose Verfügungsbefugnis. Auf die übrigen estates wird nur eingegangen, falls dies für das weitere Verständnis erforderlich ist. In der folgenden Untersuchung wird auch zu klären sein, in welcher Form die jeweiligen Rechte in einem Registersystem abgebildet werden und so für Sicherheit im Rechtsverkehr sorgen können.

D. Registersysteme und Verfahren D. Registersysteme und Verfahren

Rechte an Grundstücken stellen nur dann einen Wert für ihren Eigentümer dar, wenn diese auch gegenüber anderen durchsetzbar sind. Im Rahmen der Geltendmachung muss der Rechtsinhaber vor allem nachweisen, dass er tatsächlich Inhaber eines konkreten Rechts ist; ohne einen solchen Nachweis ist sein Recht wertlos.636 Im Rahmen des Eigentums an Grundstücken kann im Gegensatz zu beweglichem Eigentum nicht vordergründig auf den Besitz abgestellt werden.637 Grundstücke werden Dritten oft zur Miete oder Pacht überlassen, sodass während des Bestehens des Rechtsverhältnisses Besitz und Eigentum für einen längeren Zeitraum auseinanderfallen. Eine Rechtsordnung muss sicherstellen, dass der Eigentümer während dieser Zeit und nach Ablauf eines Mietverhältnisses sein Recht wiedererlangen kann. Besonders deutlich wird dies bei dinglichen Rechten wie der Hypothek; bei diesen hat der Rechtsinhaber keine Form von Besitz am Grundstück inne. Aus diesen Gründen wurden schon vor Jahrhunderten erste Systeme entwickelt, die für Publizität im Bereich des Immobilienrechts sorgten. In der altgriechischen Polis wurden beispielsweise die Zahlungspflichten von Grundstückseigentümern in Büchern geführt.638 Im frühen Babylonien sowie in der römischen Provinz Ägypten bestanden ebenso gut geführt Urkundensammlungen von Grundstücksgeschäften.639 636

Reeves, 8 Colum. L. Rev. 438, 438 (1908). Siehe für Deutschland § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Common Law stellt ebenso auf den Besitz ab; 73 CJS Property § 70. 638 Diese Pfandbücher werden nach der Region Attika, welche sich um Athen erstreckt, als attische Pfandbücher bezeichnet; Morivilius, in: Meikel, GBO, § 54 Rn. 4. 639 Morivilius, in: Meikel, GBO, § 54 Rn. 5.; Kohler, in: MüKo, BGB, Vor § 873 Rn. 12. 637

100

Kapitel 2: Grundlagen

Das Grundstücksregister entwickelte sich von diesen historischen Zeitpunkten aus immer weiter. In der römischen Zeit wurde die Publizität der Eigentumsübertragung durch die Übergabe einer Beweisurkunde, der notitia, hergestellt.640 Aus einer Sammlung dieser Urkunden entwickelten sich im Mittelalter die Dingprotokolle und später in Kontinentaleuropa die ersten Grundbücher. Die Funktion der Publizität wird in Deutschland durch das Grundbuch übernommen, es stellt zunächst eine widerlegbare Vermutung der bestehenden bzw. nichtbestehenden Rechte an einem Grundstück auf, § 891 BGB. Im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs wächst diese sogar zu einer unwiderlegbaren Vermutung an, § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB.641 In den Vereinigten Staaten besteht ebenso ein Register, welches alle Rechtsänderungen, die Grundstücke betreffen, aufnimmt. Auf Grund der konkreten Ausgestaltung der Registerführung sowie des fehlenden Wirksamkeitserfordernisses einer Eintragung für den Rechtserwerb ergeben sich jedoch große Unterschiede zur deutschen Rechtsordnung. Im Folgenden werden die Registersysteme vor allem im Hinblick auf ihren Aufbau und das Eintragungsverfahren dargestellt, also das formelle Recht. Zusätzlich erfolgt mit der Beschreibung der Wirkung der Eintragung von Rechten die Erörterung eines Teils des materiellen Rechts. Weitere Einzelheiten des formellen und materiellen Registerrechts werden anschließend im Rahmen der Darstellung des Grundstückserwerbsverfahrens in Kapitel 3 behandelt. I.

Das deutsche Grundbuchsystem

In Deutschland besteht das Registersystem für Grundstücke aus zwei getrennten Registern, dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster. Das Grundbuch stellt alle rechtlichen Verbindungen zu einem konkreten Grundstück dar.642 Die geometrische Lage ist hingegen im Liegenschaftskataster verzeichnet.643 Beide Register sind in der Form verknüpft, dass ein Grundbuchblatt sich jeweils auf ein durch das Liegenschaftskataster geometrisch festgelegtes Grundstück bezieht, § 2 Abs. 2 GBO. Das formelle Grundbuchrecht umfasst die Einrichtung der Grundbücher und das Eintragungsverfahren, das materielle Grundbuchrecht regelt hingegen den Inhalt eines bestimmten Rechts, wie seine Entstehung, Änderung oder Aufhebung.644 Formelles und

640

Morivilius, in: Meikel, GBO, § 54 Rn. 8. Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 1. 642 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1. 643 Zur Verknüpfung beider Register und zum Grundstück im Rechtssinne siehe oben S. 34. 644 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 13. 641

D. Registersysteme und Verfahren

101

materielles Recht sind eng miteinander verbunden, stellen jedoch jeweils ein eigenes Rechtsgebiet dar.645 In Deutschland wird bei der Eigentumsübertragung an Grundstücken dem Eintragungsprinzip646 gefolgt. Für eine Rechtsänderung ist grundsätzlich eine Eintragung im Grundbuch erforderlich.647 1.

Historische Entwicklung

Das heute in Deutschland verwendete Grundstücksregistersystem geht auf eine jahrhundertelange Entwicklung zurück.648 Bereits im frühen Babylonien und der altgriechischen Polis bestanden Aufzeichnung über dingliche Rechte an Grundeigentum.649 Nach älterem deutschen Recht wurde der Wechsel von Eigentumspositionen im Mittelalter durch „feierliche, örtliche und öffentliche Weise“ vollzogen.650 Dieser Publizitätsakt wurde später durch die Beurkundung der Grundstücksübertragungen und Sammlung der Urkunden ersetzt.651 Teilweise war zudem die Mitwirkung eines Gerichts erforderlich. Das Grundstück wurde durch Urteil übertragen (gerichtliche Auflassung).652 Später ersetzte ein fortlaufendes Buch (Traditionsbücher) die im gerichtlichen Verfahren erstellte Beweisurkunde.653 Das Traditionsprinzip, das auf dem Römischen Recht basiert, sah zur Übertragung eines Grundstücks nur Einigung und Übergabe vor. Die Eintragung in die Registerbücher hatte keine konstitutive Rechtswirkung und unterscheidet sich deshalb vom deutschen Grundbuch in seiner heutigen Ausgestaltung.654

645

Böttcher, in: Meikel, GBO, Einl B Rn. 5; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 13. 646 Auch Grundbuchsystem in Abgrenzung zum Privatsystem. Siehe hierzu bereits oben S. 29. 647 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1. 648 Siehe für eine ausführliche Darstellung die Nachweise bei Morivilius, in: Meikel, GBO, § 54. 649 Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 4 f.; Kohler, in: MüKo, BGB, Vor § 873 Rn. 12. 650 Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 9; Mugdan III, S. 5. 651 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 438. „Später […] ging man dazu über, die Geschäfte schriftlich zu beurkunden und die Urkunden zu sammeln, um das Geschehene der Vergessenheit zu entrücken“; Mugdan III, S. 5 f. 652 Bauer, in: Bauer/Oefele, GBO, AT I Rn. 42; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 15 f. 653 Bauer, in: Bauer/Oefele, GBO, AT I Rn. 42; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 17. 654 Bauer, in: Bauer/Oefele, GBO, AT I Rn. 42; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 17.

102

Kapitel 2: Grundlagen

Die ersten Vorläufer des modernen Grundbuchs entstanden bereits im 15. Jahrhundert in Form von Stadtbüchern in Pressburg und München.655 Für jedes Grundstück wurde erstmals ein eigenes Blatt (Grundbuchblatt) angelegt und dort alle Rechtsänderungen vermerkt. Später setzte sich die Auffassung durch, dass die Eintragung erst die Rechtsänderung am Grundstück herbeiführe.656 Zwischen den einzelnen deutschen Ländern hatte sich im Weiteren zunächst kein einheitliches Grundbuchrecht entwickelt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde vom Deutschen Reich eine Grundbuchordnung657 geschaffen, welche die Rechtslage in ganz Deutschland vereinheitlichte. Die Ausarbeitung fand parallel zu den Arbeiten am BGB statt. Für die Sicherung der Rechte an Grundstücken sah man ein Grundbuch mit konstitutiver Wirkung für erforderlich und nahm so Abstand vom reinen Konsensprinzip.658 Auf diese Weise sind grundsätzlich alle659 an einem Grundstück bestehenden Rechte aus dem Grundbuch erkennbar.660 Die Grundbuchordnung von 1897 ist bis heute ohne wesentliche Änderungen Grundlage des formellen Grundbuchsrechts.661 Die Vorschriften des materiellen Rechts befinden sich hingegen im BGB.662 Der grundsätzliche Aufbau und das System des Grundbuchs wurden über Jahrzehnte nur marginal modifiziert. Die größte Veränderung brachten die Umstellung auf ein maschinell geführtes Grundbuch und die elektronische 655

Bauer, in: Bauer/Oefele, GBO, AT I Rn. 42; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 20 f. 656 Bauer, in: Bauer/Oefele, GBO, AT I Rn. 42; Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 22. 657 Grundbuchordnung vom 24.3.1897, RGBl., 139. 658 „Die Nothwendigkeit der Bucheintragung ist unter den heutigen Verkehrsverhältnissen mit der absoluten Wirkung der dinglichen Rechte gegeben. Soll diese Wirkung nicht zu Unbilligkeiten und Ungerechtigkeiten […] muß die Gesetzgebung eine positive Einrichtung schaffen, welche die Erkennbarkeit des Rechtsstandes jedes einzelnen Grundstücks gewährleistet. Wo eine solche Einrichtung nicht besteht, da kann es nicht ausbleiben, daß jemand, welcher auf ein die Erwerbung oder die Beleihung eines Grundstückes bezweckendes Rechtsgeschäft sich eingelassen hat, hinterher erfährt, daß ältere Rechte an dem Grundstück begründet sind, welche ihn von dem Rechtserwerbe ausschließen oder doch den Werth des Gegenstandes erschöpfen. Das Vorhandensein dieser Gefahr mindert naturgemäß die Neigung, Grundstücke zu erwerben und zu beleihen, erschwert infolge dessen den Abschluß von Veräußerungs- und Kreditgeschäften zu angemessenen Bedingungen und schädigt auf diese Weise das Interesse der Grundbesitzer auf das Empfindlichste“; Motive GBO-Entwurf 1889, S. 16. 659 Es bestehen jedoch auch Grundstücksrechte, die nicht aus dem Grundbuch erkennbar sind und deren Eintragung auch nicht möglich ist. 660 „Die Hypothek muß im Interesse des Immobiliarkredits […] erkennbar sein. Sie kann daher ohne Eintragung […] nicht zur Entstehung gelangen“; Motive GBO-Entwurf 1889, S. 18. 661 Morivilius, in: Meikel, GBO, § 54 Rn. 35. 662 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 29 f.

D. Registersysteme und Verfahren

103

Datenverarbeitung am Ende des 20. Jahrhunderts mit sich.663 Zudem wurde die Möglichkeit der Integration des Liegenschaftskatasters bzw. dessen elektronische Verknüpfung mit dem Grundbuch geschaffen, §§ 126 ff. GBO.664 Die Entwicklung des deutschen Grundbuchs ist eng mit der Entstehung und Ausgestaltung des Notariats verbunden.665 Der Notar muss nach deutschem Recht an sämtlichen Grundstücksgeschäften beteiligt sein.666 Eintragungen werden im Grundbuch nicht ohne eine notarielle Beurkundung oder Beglaubigung vorgenommen. 2.

Aufgabe, Funktion und Wirkung des Grundbuchs

Hauptaufgabe des Grundbuchs ist die Darstellung der an einem bestimmten Grundstück bestehenden dinglichen Rechte. Es soll den Teilnehmern des Immobiliarverkehrs eine sichere Grundlage geben. Aufgabe des Grundbuchs ist die sichere und dauerhafte Darstellung der an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse.667 Die Angaben des Grundbuchs sollen zudem übersichtlich und eindeutig sein.668 So kann das Grundbuch durch eine „schlichte“669 Einsicht die schnelle Ermittlung der bestehenden Rechte gewährleisten.670 Die Darstellung der an einem Grundstück bestehenden dinglichen Rechte erfüllt das Grundbuch durch die Notwendigkeit der konstitutiven Eintragung von Rechtsänderungen und das formalistische Grundbuchverfahren. Die konstitutive Eintragung hat zur Folge, dass das Grundbuchamt von sämtlichen Rechtsänderungen Kenntnis erlangt. Das Grundbuchverfahren gewährleistet 663 Engel, in: Meikel, GBO, Vor § 126 Rn. 3 ff. Siehe zum aktuellen Stand zur Einführung des elektronischen Grundbuchs sowie Grundbuchverfahrens in den einzelnen Bundesländern Bundesnotarkammer, Elektronischer Rechtsverkehr, (besucht am 1.8.2015). 664 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 607a; Wilsch, in: BeckOK, GBO, § 126 Rn. 10. 665 Siehe zur historischen Entwicklung des Notars unten S. 257. 666 Siehe zu den genauen Vorschriften sowie dem Zweck der Mitwirkung des Notars unten S. 260 und 262. 667 „Man kann und muß es insbesondere auch als Hauptzweck des […] Grundbuches erklären, daß dadurch auf sicherer Grundlage bestimmte und sichere Rechtsverhältnisse für unbewegliche Sachen geschaffen und erhalten werden sollten.“ RGZ 61, 374, 377; siehe auch Böttcher, in: Meikel, GBO, Einl B Rn. 8; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 2; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 443. 668 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 2. 669 Die Vornahme von größeren Überprüfungen, wie etwa die Wirksamkeit zurückliegender Übertragungen, ist im Rahmen der Einsicht nicht notwendig. Hierin besteht ein großer Unterschied zum angloamerikanischen Grundstücksregister. 670 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 2; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 443.

104

Kapitel 2: Grundlagen

hingegen die korrekte Eintragung der Anträge und zumindest eine grundlegende Überprüfung. Ergänzt wird die Sicherstellung der Richtigkeit des Grundbuchs durch die zwingende Beteiligung eines Notars bei der Übertragung, Bestellung und Löschung von Grundstücksrechten.671 Der Rechtsverkehr kann sich auch auf die Angaben des Grundbuchs verlassen, da alle Eintragungen von einer umfassenden öffentlichen Glaubenswirkung erfasst sind.672 Das Gesetz stellt die Vermutung auf, dass alle vorgenommenen Eintragungen richtig sind, § 891 Abs. 1 BGB (positive Publizität). Ebenso wird das Nichtbestehen von nicht eingetragenen oder gelöschten Rechten vermutet, § 891 Abs. 2 BGB (negative Publizität).673 Die Vermutung erstreckt sich jedoch nur auf das eingetragene Recht und nicht auf den der Eintragung zugrunde liegenden Tatbestand.674 Ein von einer unrichtigen Eintragung Betroffener kann jederzeit die Vermutung widerlegen und eine Berichtigung des Grundbuchs verlangen, § 894 BGB. Das Grundbuch stellt gerade keine unwiderlegbare Vermutung hinsichtlich seines Inhalts auf (sogenannte formelle Rechtskraft).675 Über die rein prozessual-beweisrechtliche Wirkung des § 891 BGB hinaus bewirkt § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB eine unwiderlegbare676 Vermutung. Sie wirkt materiell-rechtlich und ermöglicht den gutgläubigen Erwerb eines Grundstücksrechts von einem Nichtberechtigten, sofern dieser im Grundbuch als Berechtigter eingetragen ist.677 Der Schutz der öffentlichen Glaubenswirkung erstreckt sich nach § 893 BGB auch auf Leistungen an zu Unrecht eingetragene Nichtberechtigte sowie sonstige Vereinbarungen über eingetragene Rechte.678 3.

Zuständigkeit und Aufbau

Die Grundbücher werden von den Amtsgerichten geführt, welche sachlich für die in ihrem Bezirk liegenden Grundstücke zuständig sind, § 1 Abs. 1 Satz 1

671

Siehe zur Beteiligung des Notars und zu dessen Aufgaben ausführlich unten S. 257. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 336. 673 Böttcher, in: Meikel, GBO, Einl B Rn. 11; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 337 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 701 ff. 674 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 891 Rn. 5. 675 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 891 Rn. 1. 676 Teilweise wird § 892 Abs. 1 BGB nicht als unwiderlegbare Vermutung, sondern als Fiktion eingeordnet. So beispielsweise Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 10. Die Unterscheidung hat jedoch letztendlich keine praktische Auswirkung. Siehe m.w.N. Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 1 (Fn. 1). 677 Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 1. Näheres zum gutgläubigen Erwerb unten S. 232. 678 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 893 Rn. 1; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 724 f. 672

D. Registersysteme und Verfahren

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GBO.679 Die Organe des Grundbuchamts sind der Grundbuchrichter, der Rechtspfleger, der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und der Präsentatsbeamte. Für die Bearbeitung von Eintragungsanträgen und -ersuchen ist bis auf wenige Ausnahmen der Rechtspfleger680 funktionell in vollem Umfang zuständig, § 3 Nr. 1 h RPflG.681 Der Grundbuchrichter ist nur in wenigen Ausnahmefällen zuständig.682 Die Rechtspfleger müssen ihnen besondere Vorgänge vorlegen, § 5 Abs. 1 RPflG. Die Urkundsbeamten der Geschäftsstelle führen die von Grundbuchrichter und Rechtspfleger verfügten Eintragungen aus.683 Der Präsentatsbeamte ist für die Annahme der Eintragungsanträge und Eintragungsersuchen zuständig und versieht diese mit einem Eingangsstempel.684 Das Grundbuch besteht aus Grundbuchblättern, die wiederum in drei Abschnitte (Abteilungen) unterteilt sind. Grundsätzlich ist für jedes Grundstück im Rechtssinne ein eigenes Grundbuchblatt vorhanden, § 3 Abs. 1 Satz 1 GBO (Realfolium). Mehrere Grundstücke desselben Eigentümers können jedoch auch auf einem gemeinsamen Grundbuchblatt geführt werden, § 4 Abs. 1 GBO (Personalfolium).685 In der ersten Abteilung des Grundbuchblatts sind alle Eigentümer eingetragen, § 9 GBV.686 Die Grundstücksbelastungen Hypothek, Grundschuld und Rentenschuld sind in der dritten Abteilung erfasst, § 11 GBV;687 alle übrigen Rechte in der zweiten Abteilung, § 10 GBV.688 Zu jedem Grundbuchblatt existiert eine Grundakte, die das jeweilige Grundstück betreffende Eintragungsdokumente enthält. Beim Wohnungseigentum besteht für jeden Miteigentumsanteil ein besonderes Grundbuchblatt (Wohnungsgrundbuch bzw. Teileigentumsgrundbuch), § 7 Abs. 1 Satz 1 WEG.689 Für das Gemeinschaftseigentum existiert hingegen kein eigenes Grundbuchblatt.690 679 In Baden-Württemberg sind die Grundbuchämter aus historischen Gründen bei den Gemeinden angesiedelt, § 1 Abs. 1 Satz 3 GBO; Böhringer, BWNotZ 2001, 1, 1. 680 Der Rechtspfleger verfügt über eine praktische sowie fachhochschulische Ausbildung. Er entscheidet unabhängig und ist nur dem Gesetz unterworfen. Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 449 f. Siehe auch Böttcher, Rpfleger 1986, 201. 681 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 1 Rn. 32 ff.; Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 3. Teil Rn. 16. 682 Siehe die Aufzählungen bei Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 448. 683 Siehe für weitere Aufgaben Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 451. 684 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 453. 685 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 50. 686 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 700 ff. 687 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1900 ff. 688 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 1200, Rn. 1100 ff. Dies sind Grunddienstbarkeit, Nießbrauch, beschränkt persönliche Dienstbarkeit, Vorkaufsrecht, Reallast, Erbbaurecht, Dauerwohnrechte und Dauernutzungsrechte. 689 Rapp, in: Staudinger, WEG, § 3 Rn. 2. 690 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1624.

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Kapitel 2: Grundlagen

Durch die flächendeckende Einführung des maschinell geführten Grundbuchs darf man sich dieses nicht mehr als tatsächliches Buch vorstellen. Es besteht vielmehr aus einer Reihe von Datensätzen, die auf einem zentralen Server gespeichert werden.691 4.

Grundbuchverfahren

Eine Änderung des Grundbuchinhalts erfolgt in Form von Eintragungen in der entsprechenden Abteilung des Grundbuchblatts. Eine Eintragung ist „jede in das Grundbuch aufgenommene Angabe über die Rechtsverhältnisse des Grundstücks“.692 Die Eintragung und damit eine Änderung des Grundbuchinhalts erfolgt in der Regel nur durch Antrag (Antragsverfahren). Entweder stellt die Person, deren Recht von der Eintragung betroffen ist, oder die Person, zu deren Gunsten die Eintragung erfolgt, den Antrag, § 13 Abs. 1 GBO.693 Nur in besonderen Fällen wird das Grundbuchamt von sich aus tätig (Amtsverfahren).694 a)

Antrag und Eintragungsbewilligung

Der Antrag an das Grundbuchamt stellt ein Begehren zur Vornahme einer Eintragung dar.695 Die Eintragung wird nur vorgenommen, wenn die Person, die durch die Eintragung ein Recht verliert (verlierende Teil), der Änderung zustimmt, diese bewilligt, § 19 GBO. Die Kombination aus Antrag und Bewilligung wird als formelles Konsensprinzip bezeichnet.696 Zur Stellung eines Antrags ist nur die Person berechtigt, die durch die Eintragung eine dingliche Rechtsstellung am Grundstück gewinnt oder verliert.697 Der Antrag muss den Willen auf die Vornahme einer Eintragung698 und den konkreten Inhalt der Eintragung eindeutig enthalten699. Eine Antragstellung unter Vorbehalt, wie die Verknüpfung mit einer Bedingung oder

691

Siehe zum maschinellen Grundbuch Engel, in: Meikel, GBO, Vor § 126 Rn. 2 ff. Motive GBO-Entwurf 1889, S. 51; zitiert nach Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 225. 693 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 3. Teil Rn. 1 f. 694 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 5. Teil Rn. 156 ff. Aufzählung aller Einzelfälle bei Böttcher, in: Meikel, GBO, § 13 Rn. 7 ff. 695 OLG Düsseldorf NJW 1956, 877. 696 Nieder/Maaß, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 1 Rn. 72; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 95. 697 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 4. Teil Rn. 20. 698 Auslegung nach § 133 BGB möglich; Böttcher, in: Meikel, GBO, § 13 Rn. 22. 699 Der Verweis auf die Bewilligung oder eine andere Urkunde ist jedoch möglich; Böttcher, in: Meikel, GBO, § 13 Rn. 24 ff. 692

D. Registersysteme und Verfahren

107

Befristung, ist nicht möglich, § 16 Abs. 1 GBO.700 Der Antrag kann sowohl auf einem formlosen Schriftstück oder mündlich zur Niederschrift gestellt werden.701 Die Antragstellung erfolgt in der Praxis über den Notar, der das zugrunde liegende Rechtsgeschäft beurkundet hat. Der Notar erstellt unter Anwesenheit der Beteiligten die für eine Eintragung erforderlichen Dokumente. Diese sind zwingend für eine Eintragung durch das Grundbuchamt erforderlich.702 Mit Eingang beim Grundbuchamt wird der Antrag wirksam.703 Das Grundbuchamt vermerkt den Eingang jedes Antrags mit Datum und genauer Uhrzeit, § 13 Abs. 2 Satz 1 GBO. So wird eine spätere Bearbeitung der Anträge nach der Reihenfolge ihres Eingangs sichergestellt.704 Die Eintragung einer Rechtsänderung im Grundbuch erfordert neben dem Antrag die Bewilligung des betroffenen Rechtsinhabers, § 19 GBO. Sie ist eine Einverständniserklärung mit der beantragten Eintragung, Berichtigung oder Löschung eines Rechts.705 Die Bewilligung muss entweder notariell beglaubigt oder beurkundet werden, § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO. b)

Überprüfung und Eintragung

Das Grundbuchamt bearbeitet die Anträge in der Reihenfolge ihres Eingangs, § 17 GBO.706 Der Zeitpunkt der Eintragung hat wiederum Einfluss auf die Priorität bzw. den Rang der verschiedenen Rechte an einem Grundstück, § 879 BGB.707 Vor der Durchführung einer Eintragung nimmt das Grundbuchamt eine beschränkte Überprüfung der Anträge vor.708 Eine solche findet grundsätzlich nur in formeller Hinsicht statt. Die Inhalte von Antrag und Bewilligung müssen übereinstimmen, § 19 GBO.709 Lediglich bei der Auflassung eines Grundstücks (Eigentumsübertragung) und im Zusammenhang mit dem Erbbaurecht 700 Jedoch sind Ausnahmen nach § 16 Abs. 2 GBO möglich sowie solche Bedingungen, die vom Grundbuchamt ohne Weiteres feststellbar sind; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 509. 701 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 13 Rn. 30. 702 Siehe hierzu ausführlich unten S. 260. 703 Eingang entweder durch Vorlage oder Niederschrift, § 13 Abs. 2 Satz 2 bzw. Satz 3 GBO. Bis zum Eingang ist ein Widerruf des Antrags möglich; Böttcher, in: Meikel, GBO, § 13 Rn. 66. Nach Eingang ist eine Rücknahme des Antrags nur unter den Voraussetzungen des § 31 GBO möglich; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 513 f. 704 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 57. 705 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 516. 706 Bestelmeyer, in: Meikel, GBO, § 17 Rn. 2 f. 707 Siehe zum Rang oben S. 57. 708 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 4. Teil Rn. 103 ff. Siehe ausführlich zu Prüfungspflicht und -recht des Grundbuchamts Böttcher, in: Meikel, GBO, Einl. H Rn. 1 ff. 709 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 15.

108

Kapitel 2: Grundlagen

nimmt das Grundbuchamt eine weitergehende Überprüfung vor, § 20 GBO. Bei diesen Änderungen sind wesentliche privat- und öffentlich-rechtliche Interessen betroffen, sodass ein besonderes Interesse an der Übereinstimmung zwischen Grundbucheintragung und materieller Rechtslage besteht.710 Das Grundbuchamt überprüft bei diesen Rechtsgeschäften zusätzlich das Vorliegen der dem Antrag zugrunde liegenden dinglichen Einigung (materielles Konsensprinzip). Die Beschränkung auf die Überprüfung der Übereinstimmung von Antrag und Bewilligung soll bei den übrigen Grundstücksgeschäften ein einfacheres und schnelleres Verfahren gewährleisten.711 Die Überprüfung der Auflassung nach § 925 BGB (also der Grundstücksübertragung) umfasst die Einigung von Erwerber und Veräußerer, die Einhaltung der Form, die Unbedingtheit sowie die Bezeichnung des zu übertragenden Grundstücks.712 Das schuldrechtliche Geschäft unterliegt hingegen wegen des Abstraktionsprinzips keiner Kontrolle.713 Ausnahmsweise steht dem Grundbuchamt bei begründeten Zweifeln ein Überprüfungsrecht zu.714 Dies ist bei Vorliegen einer Fehleridentität,715 eines Bedingungszusammenhangs sowie der Geschäftseinheit der Fall.716 Verläuft die Überprüfung von Antrag und Bewilligung positiv, bei der Auflassung zusätzlich der Einigung, wird die Eintragung in der entsprechenden Abteilung im Grundbuch vorgenommen. Mit der Eintragung im Grundbuch findet der letzte Erwerbstatbestand statt und das übertragene Recht geht auf den Erwerber über bzw. lässt eine dingliche Belastung entstehen. Die Löschung eines Rechts, welche auch eine „Eintragung“ darstellt, wird hingegen durch einen Löschungsvermerk § 46 Abs. 1 GBO717 und eine rote Unterstreichung (Rötung) kenntlich gemacht.718

710

Nieder/Maaß, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 1 Rn. 73; Böttcher, in: Meikel, GBO, § 20 Rn. 2; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 108. 711 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 4. Teil Rn. 90; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 108. Kritisch m.w.N. Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 7. 712 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 4. Teil Rn. 167 ff. 713 Böttcher, in: Meikel, GBO, Einl. H Rn. 95. 714 Näheres bei Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 15 ff. 715 Vor allem bei einem Verstoß gegen §§ 242, 138 Abs. 1 BGB sowie bei §§ 305 ff. BGB (sehr strittig); Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 4. Teil Rn. 178. 716 Böttcher, in: Meikel, GBO, Einl. H Rn. 96 ff.; Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 20 Rn. 234 f. 717 Eine Nichtübertragung eines Rechts auf die nächste Seite stellt auch ohne Löschungsvermerk eine Löschung dar, § 46 Abs. 2 GBO; Böhringer, in: Meikel, GBO, § 46 Rn. 3; Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 4. Teil Rn. 3. 718 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 2. Teil Rn. 130.

D. Registersysteme und Verfahren

c)

109

Grundakten

Nach der erfolgten Eintragung im Grundbuch wird ein Teil der Eintragungsunterlagen vom Grundbuchamt in den Grundakten dauerhaft aufbewahrt, § 24 GBV. Zu jedem Grundbuchblatt besteht eine Grundakte, die dieses Blatt betreffende Urkunden in der Reihenfolge ihrer Eintragung aufnimmt, § 21 Abs. 1 Satz 1 AktO.719 Die Führung einer Grundakte verhindert eine „Überladung“ des Grundbuchs mit weniger relevanten Dokumenten.720 In den Grundakten werden vor allem die nach § 10 Abs. 1 GBO aufzubewahrenden Eintragungsunterlagen gesammelt. Dies sind Urkunden, die Grundlage einer Eintragung sind oder auf die diese Bezug nimmt.721 Urkunden über das zugrunde liegende Rechtsgeschäft, wie der Kaufvertrag, und den Geschäftsgang betreffende Schriftstücke müssen hingegen nicht aufbewahrt werden.722 Sie können in Sonderheften erfasst werden, § 21 Abs. 3 AktO. Die in der Grundakte enthaltenen Urkunden gelten als Grundbuchinhalt, sofern eine Verweisung zulässig ist (siehe § 49 GBO). Die Grundakten werden im Gegensatz zum Grundbuch bisher nicht maschinell geführt. Eine gesetzliche Grundlage besteht bereits in § 96 GBO; es fehlt jedoch bisher schlicht an den technischen Voraussetzungen.723 d)

Datenbankgrundbuch und elektronisches Verfahren

Der Gesetzgeber hat im Oktober 2013 die Einführung eines Datenbankgrundbuchs beschlossen.724 Die bislang maschinell geführten Grundbücher sollen auf eine strukturierte Datenbank umgestellt werden.725 Letztendlich soll der 719

Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 61. Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 476. 721 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 65 ff. 722 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 65. Der § 10 Abs. 3 GBO a.F., der die Aufbewahrung von Urkunden über das schuldrechtliche Grundgeschäft auf Antrag vorsah, wurde zur Reduzierung des Umfangs der Grundakten aufgehoben. Art. 5 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz vom 6.6.1995, BGBl. I, 778. Wird das schuldrechtliche Geschäft zusammen mit der Auflassung beurkundet, gelangt jedoch der Inhalt beider Geschäfte in die Grundakten. 723 Mit einer Umsetzung ist erst in mehreren Jahren zu rechnen. Besonders aufwendig und kostenintensiv ist vor allem das Erfassen aller bisher bestehenden Grundakten; Meyer/Mödl, DNotZ 2009, 743, 756. 724 Gesetz zur Einführung eines Datenbankgrundbuchs vom 1.10.2013, BGBl. I, 3719; siehe Böhringer, BWNotZ 2015, 34, 38. 725 Das Grundbuch wurde zwar bereits elektronisch gespeichert. Der Inhalt bestehender Grundbücher wurde bei der Umstellung auf das maschinell geführte Grundbuch nur in Form eines Abbilds übernommen (Bilddatei). Eine Datenbank hingegen speichert den Inhalt des Grundbuchs in einzelnen Datensätzen, welche beispielsweise einer Volltextsuche zugänglich sind. Neue Eintragungen erfolgen bereits nach diesem System; Biederer, Die rechtlichen Voraussetzungen elektronischer Grundstückstransaktionen in rechtsvergleichender Sicht, 2006, S. 110 f. 720

110

Kapitel 2: Grundlagen

Notar alle Anträge und Urkunden direkt an das Grundbuchamt elektronisch übertragen. Bei der Umsetzung sollen die „hohen Qualitätsstandards des deutschen Grundbuchverfahrens und [die] Rechtssicherheit im Grundstücksverkehr“726 beibehalten werden. Die technische Ausgestaltung des elektronischen Verfahrens ist sehr aufwendig. Eine vollständige Umstellung wird voraussichtlich noch einige Jahre dauern.727 5.

Eintragungsfähige Rechte

Im Grundbuch ist nur die Eintragung der im Gesetz vorgesehenen Grundstücksrechte möglich.728 Das Eigentumsrecht und die grundstücksgleichen Rechte werden im Grundbuch als Bestand gebucht. An diesen Rechten können als Rechtsverhältnisse nur Rechte an Grundstücken (bzw. Rechte an grundstücksgleichen Rechten), Rechte an Grundstücksrechten, Sicherungsmittel, Verfügungsbeschränkung und sonstige Vermerke ins Grundbuch eingetragen werden.729 Alle übrigen Grundstücksrechte sind nicht eintragungsfähig. Hierzu gehören vor allem öffentlich-rechtliche Lasten, sofern das Gesetz nicht ausnahmsweise eine Eintragung vorsieht, § 54 GBO.730 Die Beschränkung auf eine fest umrissene Anzahl von eintragungsfähigen Rechten soll das Grundbuch vor einer übermäßigen Belastung schützen.731 Der Inhalt des Grundbuchs soll sich auf die notwendigen Eintragungen beschränken.732 Nur die eintragungsfähigen Grundstücksrechte kommen in den Genuss des öffentlichen Glaubens des Grundbuchs, § 892 BGB.733 6.

Beschränkte Öffentlichkeit des Grundbuchs

Beim Grundbuch handelt es sich im Gegensatz zu anderen Registern734 um kein öffentliches Register.735 Durch ein umfassendes Einsichtsrecht könnte 726

Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte im Grundbuchverfahren sowie zur Änderung weiterer grundbuch-, register- und kostenrechtlicher Vorschriften, BT Drucks. 16/12319 S. 1. 727 Meyer/Mödl, DNotZ 2009, 743, 760; Böhringer, BWNotZ 2015, 34, 38. 728 Etwa durch die Anknüpfung der rechtlichen Wirkung an die Eintragung; BGHZ 116, 392, 399. Siehe auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 22. 729 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 22. Siehe auch die vollständige Liste der eintragungsfähigen Rechte Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 23. 730 Eine Eintragung der öffentlich-rechtlichen Lasten ist in der Regel nicht notwendig, da sie den Schutz des öffentlichen Glaubens für ihre Wirksamkeit nicht benötigen; Morivilius, in: Meikel, GBO, § 54 Rn. 1. Siehe für eine vollständige Liste dieser „unsichtbaren“ Belastungen und Beschränkungen Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 39. 731 RGZ 119, 211, 213. 732 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 28. 733 Siehe Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 26. 734 Die öffentlichen Register, die jedermann ohne Einschränkung einsehen kann, sind vor allem Handelsregister (§ 9 Abs. 1 HGB), Genossenschaftsregister (§ 156 GenG i.V.m.

D. Registersysteme und Verfahren

111

das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Eigentümers gefährdet werden, somit sind dessen Interessen mit den der Einsicht begehrenden Person abzuwägen.736 Aus diesem Grund kann eine Einsichtnahme nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses gewährt werden, welches vom Antragsteller darzulegen ist, § 12 Abs. 1 GBO (beschränkte Öffentlichkeit).737 Es ist ein „zur Überzeugung des Grundbuchamts […] verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers“ erforderlich.738 Das Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder tatsächlicher Natur sein.739 Der Hauptanwendungsfall ist die Einsichtnahme eines Kaufinteressenten oder Kreditgebers, wobei jeweils bereits Verhandlungen bezüglich eines Erwerbs oder der Kreditaufnahme bestehen müssen. Aber auch Mieter können einen Anspruch auf ein Einsicht haben.740 Für einen einsichtnehmenden Notar741 gibt es hingegen keine Darlegungspflicht, § 43 Abs. 2 Satz 1 GBV. Die Einsicht in das Grundbuch kann nicht nur im Grundbuchamt selbst erfolgen, sondern auch über einen Onlineanschluss, § 133 GBO.742 Uneingeschränkten Zugriff auf die Daten des Grundbuchs haben jedoch nur die Notare, Gerichte, Behörden und öffentlichen Vermessungsingenieure, § 133 Abs. 2 Satz 2 GBO. Bei allen anderen Stellen ist der Zugriff im Onlineverfahren auf solche Grundstücke beschränkt, für die eine Zustimmung des Eigentümers vorliegt oder in die eine Zwangsvollstreckung betrieben wird, § 133 Abs. 4 GBO.743 7.

Zusammenfassung

Das deutsche Grundbuch gewährleistet die klare Darstellung der an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse. Eine Betrachtung ist jedoch nur im Zusammenhang mit dem Liegenschaftskataster möglich. Dieses garantiert, § 9 Abs. 1 HGB), Vereinsregister (§ 79 Abs. 1 BGB) und Güterrechtsregister (§ 1563 BGB). 735 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 2. Teil Rn. 146 f. 736 Siehe hierzu ausführlich Grziwotz, MittBayNot 1995, 97. 737 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 12 Rn. 9. 738 BayObLG MittBayNot 1993, 310; siehe auch Böttcher, in: Meikel, GBO, § 12 Rn. 5; Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, 2. Teil Rn. 152. 739 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 12 Rn. 5. 740 Weitere Einzelfälle bei Böttcher, in: Meikel, GBO, § 12 Rn. 14 ff. 741 Dies ist ebenso bei Rechtsanwälten, die im nachgewiesenen Auftrag eines Notars das Grundbuch einsehen wollen, oder bei Beauftragten inländischer öffentlicher Behörden der Fall, § 43 Abs. 2 GBV. 742 Engel, in: Meikel, GBO, § 133 Rn. 4. Der Onlineanschluss bietet vor allem zeitliche Vorteile gegenüber einer persönlichen Einsichtnahme beim Grundbuchamt. Siehe auch Göttlinger, DNotZ 2002, 743. In Bayern verfügen mehr als zweitausend Teilnehmer über einen Onlineanschluss und wickeln jährlich 2,5 Millionen Grundbucheinsichten ab (Daten von 2009). Bayerisches Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, Justiz in Bayern, S. 29. 743 Engel, in: Meikel, GBO, § 133 Rn. 28 ff.

112

Kapitel 2: Grundlagen

dass die im Grundbuch aufgeführten Grundstücke mit einem in der Wirklichkeit existierenden Grundstück hinsichtlich ihrer geometrischer Lage und Ausmaße übereinstimmen. Nicht zuletzt stellen auch der Numerus clausus der Sachenrechte und die Eintragungsfähigkeit einer beschränkten Anzahl von Grundstücksrechten die zuverlässige Darstellung der bestehenden Rechtsverhältnisse durch das Grundbuch sicher.744 Die Darstellung der im Grundbuch aufgeführten Rechte gewährleistet ein stark formalistisches Verfahren. Es stellt sicher, dass sämtliche Rechtsänderungen an der richtigen Stelle aufgenommen werden. Zudem führt das Grundbuchverfahren in Kombination mit der Mitwirkung eines Notars zu einer sehr hohen Übereinstimmung des Grundbuchs mit der tatsächlich bestehenden Rechtslage.745 Die Übereinstimmung ist so hoch, dass sich jeder auf die Eintragung im Grundbuch im Sinne der positiven und negativen Publizität verlassen kann. Von dieser Verknüpfung des formellen und materiellen Grundbuchrechts „lebt“746 das ganze Grundbuchsystem. Trotz der hohen Übereinstimmung zwischen Grundbuch und tatsächlicher Rechtslage existiert eine Reihe von Grundstücksrechten und Belastungen, die nicht aus dem Grundbuch erkannt werden können, da eine Eintragung nicht möglich oder vorgesehen ist. Hierzu gehören vor allem öffentlich-rechtliche Belastungen, aber auch Grundstücksrechte von Privaten.747 Zu der hohen gewährten Sicherheit kommt hinzu, dass die flächendeckende Einführung des maschinell geführten Grundbuchs viele Abläufe erleichtert und beschleunigt hat. Die Zuverlässigkeit des deutschen Grundbuchs wird, vor allem im Vergleich mit dem englischen und angloamerikanischen System, von Böhringer als „unübertroffen“ bezeichnet.748 Jedoch darf nicht vernachlässigt werden, dass diese Rechtssicherheit mit einem hohen bürokratischen Aufwand749 sowie Kosten, die für das Grundbuchverfahren und das Honorar des Notars anfallen, verbunden ist.

744

Siehe hierzu Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 1 Rn. 7; Seiler, in: Staudinger, BGB, Einl zum Sachenrecht Rn. 38 ff.; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 1957, S. 9; kritisch Fleischer, in: FS Schäfer, 2008, S. 125, 135 ff. 745 Siehe hierzu ausführlich unten S. 349. 746 So Bauer, in: Bauer/Oefele, GBO, AT I Rn. 36. 747 Siehe zu diesen verdeckten bzw. „unsichtbaren“ Rechten jeweils m.w.N. Böhringer, BWNotZ 2008, 70; Böhringer, BWNotZ 1992, 3. 748 Böhringer, in: Meikel, GBO, Einl A Rn. 57; so auch Kohler, in: MüKo, BGB, Vor § 873 Rn. 13; siehe auch Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009, § 14 I Rn. 8: „[D]er ‚Trick‘ des Gesetzgebers besteht darin, daß er die Eintragung nich zum bloßen deklaratorischen Folgetatbestand des dinglichen Geschäfts gemacht, sondern sie in dieses selbst einbezogen hat“; so auch OLG Köln NJW-RR 2011, 452, 454. 749 Man denke nur an die Masse an Änderungen, die sowohl im Grundbuch als auch im Liegenschaftskataster vorgenommen werden muss.

D. Registersysteme und Verfahren

II.

113

Die angloamerikanische Urkundensammlung – Recording of land titles

In den Vereinigten Staaten existieren grundsätzlich zwei verschiedene Grundstücksregistersysteme. Neben dem in allen Bundesstaaten vorherrschenden Registersystem des recording of land titles, welches aus einer Sammlung aller jemals registrierten Rechtsübertragungen besteht, existiert in einigen Bundesstaaten zusätzlich noch die title registration (auch Torrens-System), welche in ihrer Ausgestaltung dem deutschen Grundbuch zumindest ähnelt. Der Unterschied zwischen beiden Registersystemen lässt sich schon an den Begriffen recording im Sinne einer reinen Aufzeichnung und registration im Sinne einer tatsächlichen Registrierung erkennen. Nachfolgend ist, bis auf den Exkurs zum Torrens-System,750 ausschließlich das Registersystem in der Form des recording of land titles Gegenstand der Betrachtung. Die Hauptunterschiede zwischen dem deutschen und angloamerikanischen Registerrecht sind nicht nur die konkrete Ausgestaltung des Registers, des Registerverfahrens und der Wirkung der Eintragungen, sondern bereits die Voraussetzung des zugrunde liegenden materiellen Rechts. In den Vereinigten Staaten ist für eine wirksame Übertragung von Grundstücksrechten eine „Eintragung“ der Rechtsänderung im Grundstücksregister nicht erforderlich. Bereits die Übergabe einer Privaturkunde an den Erwerber reicht für einen wirksamen Rechtsübergang aus.751 Jedoch kommt auch die angloamerikanische Rechtsordnung nicht ohne ein Grundstücksregister aus. Der Inhaber eines Grundstücksrechts muss dieses gegenüber anderen in irgendeiner Art nachweisen können. Zudem ist ein Anknüpfungspunkt für einen gutgläubigen Erwerb bzw. dessen Verhinderung erforderlich.752 Die Darstellung der Struktur der Grundstücksrechte mit der Möglichkeit der Abspaltung von bedingten und befristeten Eigentumsrechten hat gezeigt, dass die Führung eines mit dem deutschen Grundbuch vergleichbaren Registers nicht ohne Weiteres möglich ist. Die Ermittlung der an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse ist bei bedingten (defeasible estate), zeitlich beschränkten (life estate) sowie potentiellen Eigentumsrechten (future estates) nicht alleine durch eine Einsicht in das Register möglich. Die Ermittlung des Rechtsinhabers erfordert zusätzlich die Untersuchung, ob eine Bedingung bereits eingetreten oder ein Recht durch Zeitablauf an eine andere Person gefallen ist. 1.

Historische Entwicklung

Die Registrierung von Rechten an Grundstücken in den USA geht ebenso wie das Grundstücksrecht im Allgemeinen auf die Mutterrechtsordnung, das eng750

Siehe unten S. 132. 26A CJS Deeds (2001) § 155. 752 26A CJS Deeds (2001) § 157. 751

114

Kapitel 2: Grundlagen

lische Common Law zurück.753 Die erste publike Form der Übertragung von Grundstücksrechten (zunächst nur des Eigentumsrechts) war im frühen England die Übergabe eines symbolischen Gegenstands, welcher die Rechte am Grundstück repräsentierte. In einer speziellen Zeremonie wurde auf dem zu übertragenden Grundstück das Symbol unter Zeugen, meist der Dorfgemeinschaft, übergeben. Diese Übertragung wird als livery of seisin bezeichnet.754 Durch die Erinnerungen der Zeugen waren die Übertragungen eines jeden Grundstücks nachvollziehbar. Die Dorfgemeinschaft hatte stets Kenntnis, wer Eigentümer eines bestimmten Grundstücks war; ihr Gedächtnis stellte quasi das Register dar. Später wurde das Symbol durch ein Schriftstück ersetzt, welches bei jeder Übertragung weitergereicht wurde. In England forderte das Statute of Enrollment von 1535755 für die Wirksamkeit einer Grundstücksübertragung eine Registrierung innerhalb von sechs Monaten.756 Hierdurch entstand die erste Form eines Grundstückregisters.757 Das Gesetz galt jedoch nur für Übertragungen eines freehold estate und wurde von den Beteiligten oft durch Aufspaltung und Übertragung anderer Grundstücksrechte umgangen.758 Die mündliche Übertragung von Eigentumsrechten war zu diesem Zeitpunkt durchaus noch üblich.759 Das Statute of Frauds aus dem Jahre 1677760 schrieb erstmals für alle Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte über Grundstücke die Schriftform vor. Von nun an mussten zumindest sämtliche Übertragungen von Grundstücksrechten durch eine schriftliche Urkunde vorgenommen werden. Eine verpflichtende Registrierung im Grundstücksregister war jedoch nach wie vor nur bei der Übertragung des freehold zwin-

753

Siehe hierzu Wagemann, Funktion und Bedeutung von Grundstücksregistern, 2002, S. 33 ff.; siehe auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 62 ff. 754 1 American law of property § 1.15; Reeves, 8 Colum. L. Rev. 438, 438 f. (1908); Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 93 (2002). Ausführlich Simpson, A History of the Land Law, 1986, S. 119 ff. William Penn, der Gründer des Bundesstaates Pennsylvania, hatte noch 1682 Eigentum durch die livery of seisin erworben; Boyer, 11 Del. L. Rev. 101, 102 (2010). 755 „[N]o […] lands […] shall pass […] except […] inrolled in one of the King’s courts […] within six month“, 27 Hen. VIII c. 16 (1535): Enrollment of Bargains of Lands Act. 756 3 American law of property § 12.12. 757 Durch die Registrierung sollte auch die geheime Übertragung von Grundstücken verhindert werden; Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 98 (2002). 758 3 American law of property § 12.12. Siehe zum genauen Vorgang der Umgehung Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 99 (2002). Zudem konnten die Parteien auf diese Weise Registrierungsgebühren sparen und die Offenlegung der Grundeigentumsverhältnisse verhindern; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 998. 759 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 997. 760 29 Chas. II c. 3 (1677): An Act for prevention of Frauds and Perjuries. Siehe hierzu ausführlich unten S. 308.

D. Registersysteme und Verfahren

115

gend erforderlich. Erst eine Gesetzesänderung im Jahre 1845,761 die freilich nicht in den Vereinigten Staaten gilt, führte zu der Erfassung sämtlicher Rechtsübertragungen in den englischen Grundstücksregistern. Das Registersystem der Vereinigten Staaten orientiert sich an dem Englands.762 In den englischen Kolonien wurden ab 1620 erste Gesetze (recording acts) zur Errichtung von öffentlichen Registern erlassen.763 Ein Gesetz der Massachusetts Bay Colony, dem Vorläufer des Bundesstaates Massachusetts, sah bereits 1640 die noch heute üblichen Elemente eines Grundstückregisters vor.764 Zweck des Gesetzes war neben dem Nachweis der Grundstücksrechte vor allem auch die Verhinderung von betrügerischen Übertragungen.765 Die Übertragungsurkunden konnten von nun an freiwillig registriert werden, um den Schutz des Registers zu genießen. Zunächst erfolgte die Registrierung durch die Übernahme einer Zusammenfassung des als wichtig eingeordneten Inhalts der Übertragungsurkunde in das Register. Kurze Zeit später ging man jedoch dazu über, schlicht die komplette Urkunde als Kopie aufzunehmen, um zu verhindern, dass wichtige Informationen der Urkunde bei der Übernahme in das Archiv verloren gingen.766 Die Erfassung war stets nur deklaratorisch und hatte keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der Übertragung.767 Die fakultative Registrierung verhinderte den gutgläubigen Erwerb eines Dritten und stellte sicher, dass anhand des Registers die Rechtekette zum Nachweis des Eigentums aufgestellt werden konnte. Die Schriftform war in den Vereinigten Staaten bzw. den Kolonien von Beginn an für 761

8 & 9 Vic. c. 18 (1845): Land Clauses Consolidation Act. Der Land Registration Act von 1925 führte schließlich die title registration (siehe hierzu unten S. 132) als neues Registersystem ein, 15 Geo. V c. 21 (1925): Land Registration Act. Siehe auch von Metzler, Das anglo-amerikanische Grundbuchwesen, 1966, S. 23 ff.; Wagemann, Funktion und Bedeutung von Grundstücksregistern, 2002, S. 35. 762 3 American law of property § 12.13. 763 3 American law of property § 12.13; Haskins, 21 B.U.L. Rev. 281, 282 (1941); Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 228 (1999). Weitere Bundesstaaten: Plymouth 1636, Connecticut 1639, Massachusetts 1640, New Jersey 1676, North Carolina 1715. Siehe Reeves, 8 Colum. L. Rev. 438, 441 (1908); Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 99 f. (2002). 764 Bayse, 47 Iowa L. Rev. 261, 261 (1962). 765 „For avodying all fraudulent conveyances, & that every man may know what estate or interest other men may have in any house, land, or other hereditaments […] it is therefore ordered, that […] no mortgage, bargain, sale, or graunt […] shalbee of force against any other person except the graunter & his heirs, unlesse the same bee recorded“; 1 Records of Massachusetts 306 f. zitiert nach 4 American law of property § 17.4. 766 Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 234 (1999). 767 „[…] it is […] ordered, that […] no morgage, bargaine, sale, or graunt hereafter to bee made of any houses, lands […] except […] the same bee recorded […] [and] shalbee certified to the recorder at Boston within 6 months yearely.“; Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 99 Fn. 82 (2002).

116

Kapitel 2: Grundlagen

alle Rechtsübertragungen an Grundstücken zwingend erforderlich. Das Statute of Frauds fand als Teil des Common Law auch in den Vereinigten Staaten Anwendung. Weder die Struktur noch die Wirkung einer Registrierung haben sich bis heute geändert. Die Register werden heute lediglich maschinell geführt. 2.

Aufgabe, Funktion und Wirkung des Grundstücksregisters

Trotz des unterschiedlichen Aufbaus des angloamerikanischen Registers ist die Zielsetzung mit der des deutschen Grundbuchs vergleichbar. Das Grundstücksregister soll für Rechtssicherheit sorgen und dem Rechtsverkehr ein Instrument zur Ermittlung der Inhaber von Grundstücksrechten zur Verfügung stellen.768 Das Register in der Form des recording of land titles erfüllt diese drei Funktionen. Es soll für die Publizität der Übertragungen von Grundstücksrechten sorgen,769 den Erwerber eines Rechts vor weiteren Verfügungen des Veräußerers schützen – etwa durch die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs770 – und die Priorität zwischen einzelnen eingetragenen Grundstücksrechten sicherstellen771.772 Das Grundstücksregister dient lediglich als Mittel zur Feststellung der an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse. Die im Register erfassten Urkunden haben alleine keine Aussagekraft, vielmehr müssen durch die Zurückverfolgung aller jemals durchgeführten Rechtsübertragungen der aktuelle Rechtsinhaber und alle bestehenden dinglichen Rechte ermittelt werden. Im Gegensatz zum Grundbuch kann das Register alleine, ohne weitere Analyse, keine Auskunft über die an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse geben. a)

Aussagekraft des Registers

Die Ermittlung des Eigentümers und weiterer Rechtsinhaber ist nur durch die Aufstellung der sogenannten chain of titles möglich. Die Berechtigung des vermeintlich aktuellen Eigentümers muss durch die Aufstellung aller Rechtsübertragungen bis zur ursprünglichen Rechtsverleihung durch den Bundes768

Burke, Real estate transactions, 2006, S. 167 f.; 4 American law of property § 17.5. Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 4. 770 „[…] the purpose behind the recording statutes […] is to provide protection to subsequent purchasers, mortgagees, and lessees of real property.“; ABN AMRO Mortg. Group, Inc. v. American Residential Services, LLC, 845 N.E.2d 209, 218 (Ind. 2006). 771 „Recording and indexing was not necessary to determine title to property as between the seller and buyer but only to determine priorities as between subsequent claimants to title interests, i.e., third parties, such as the banks in the instant case.“; Greenpoint Mortg. Funding, Inc. v. Schlossberg, 390 Md. B.J. 211, 230, 888 A.2d 297 (Md. 2005). 772 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 4; Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 101 f. (2002); 4 American law of property § 17.5. Siehe auch Johnson, 47 Iowa L. Rev. 213 (1962). 769

D. Registersysteme und Verfahren

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staat, teilweise auch durch einen Monarchen, zurückverfolgt werden. Nach der Aufstellung dieser Rechtekette kann durch eine Analyse der Wirksamkeit und der Rechtsfolgen der Übertragungsurkunden eine Auskunft über den aktuellen Eigentümer erfolgen. Diesen Vorgang, der die Berechtigung eines Rechtsinhabers überprüft, wird als title search bezeichnet.773 Nur mittels einer solchen Recherche gewinnt das Register eine Aussagekraft über die Rechtsverhältnisse an einem konkreten Grundstück. Die Notwendigkeit der title search hat zur Folge, dass jedes Recht grundsätzlich bis zu seinem Ursprung, oft hunderte von Jahren,774 zurückverfolgt werden muss. Nur so ist es möglich „absolute“ Sicherheit über den tatsächlichen Rechtsinhaber zu erlangen.775 Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird das Grundstücksregister, vor allem dessen Unzuverlässigkeit, durch den Abschluss einer Rechtsmängelversicherung (title insurance) ergänzt.776 Diese sichert Gefahren eines bei der Recherche unerkannt gebliebenen Rechtsmangels ab. Heute wird bei nahezu allen Grundstücksgeschäften eine solche Versicherung abgeschlossen. b)

Wirkung der Eintragung

Die Erfassung einer Urkunde im Register hat grundsätzlich keine rechtsändernde Wirkung. Die Aufnahme ist kein Erwerbstatbestand; die Übergabe der Übertragungsurkunde an den Erwerber als privater Rechtsakt reicht aus.777 Weiterhin hat die „Eintragung“ keinerlei Einfluss auf die Rechtswirksamkeit der Übertragung; es tritt durch sie keine Heilung oder Ähnliches ein.778 Die fehlende rechtsändernde Wirkung hat zur Folge, dass eine Registrierung der Rechtsübertragungen nicht zwingend notwendig ist und somit nicht zwangsläufig alle Übertragungen im Register aufzufinden sind. Hat der Inhaber eines Grundstücksrechts dieses bereits weiter übertragen und wurde diese Übertragung nicht registriert, kommt eine Analyse des Registers zu dem Ergebnis, dass er noch Berechtigter ist. Genau diesen Erwerb von einem Nichtberechtigten, der jedoch im Register noch als Berechtigter aufgeführt ist, schützt das angloamerikanische Register. Ein Erwerber hat grundsätzlich keine Möglichkeit zu erkennen bzw. zu ermitteln, ob eine Rechtsübertragung außerhalb des Registers stattgefunden hat. Die Person, die auf die Vollständigkeit des Re773

Siehe zum genauen Vorgang der title search unten S. 376. Es existieren jedoch Regelungen, die den zu untersuchenden Zeitraum begrenzen. Siehe hierzu unten S. 361. 775 Reeves, 8 Colum. L. Rev. 438, 442 f. (1908). 776 Siehe m.w.N. Burke, Law of title insurance, § 1.01; Reeves, 8 Colum. L. Rev. 438, 443 (1908); siehe ausführlich zur title insurance unten S. 382. 777 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 4.60; 26A CJS Deeds (2001) § 270. 778 So ist eine Heilung gefälschter Urkunden nicht möglich. Sie entfalten auch nach Registrierung keinerlei Wirkung; 3 American law of property § 12.36; 5 California Real Estate § 11:13; 26A CJS Deeds (2001) § 164. 774

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Kapitel 2: Grundlagen

gisters vertraut, wird geschützt. Der Erwerber, der versäumt, seinen Rechtserwerb zu registrieren, wird hingegen durch einen möglichen Verlust seines Rechts bestraft. Das Register schützt den guten Glauben an die Berechtigung des Veräußerers, der diese durch einen Vorgang außerhalb des Registers wieder verloren hat.779 Eine positive Publizität kennt das angloamerikanische Register hingegen nicht. Das Register macht grundsätzlich keine direkte Aussage über die Berechtigung einer Person. Eine solche muss sich der Erwerber selbst erschließen. Der gute Glaube an eine „Eintragung“ ist nicht möglich, da eine solche in der Form des deutschen Verständnisses überhaupt nicht existiert. Es ist nicht Aufgabe des Registers, die Teilnehmer des Rechtsverkehrs vor unwirksamen Übertragungen zu schützen.780 Der gute Glaube ist für den Erwerber nur nützlich, wenn der Nichtberechtigte zu einem vorherigen Zeitpunkt tatsächlich Berechtigter war und der Grund seiner Nichtberechtigung nicht aus dem Register erkennbar war.781 Die Erfassung einer Übertragungsurkunde schützt folglich den Erwerber vor der Gefahr des gutgläubigen Erwerbs eines Dritten. Zudem stellt das Register die notwendigen Beweise in Form von Übertragungsurkunden zur Verfügung, die erforderlich sind, um die an einem Grundstück bestehenden Rechte im Rahmen einer title search zu ermitteln. Das Register ist ein „reines Prioritätenregister mit negativer Publizität“.782 3.

Zuständigkeit

Die Gesetzgebungskompetenz für das Grundstücksregisterrecht liegt bei den Bundesstaaten. Es bestehen jeweils gesetzliche Regelungen, die ein Grundstücksregister mitsamt dessen Aufbau und Wirkung vorsehen.783 Für die Einrichtung und den Betrieb der Grundstücksregister sind in den meisten Bundesstaaten die Counties, die mit den deutschen Landkreisen vergleichbar sind, zuständig.784 Die Organisation der Registerämter (registry of deeds) unter779

Siehe zum gutgläubigen Erwerb ausführlich unten S. 234. „The Recording Act […] never was intended to be a protection to innocent purchasers against theft, forgery, fraud or duress.“; Marden v. Dorthy, 160 N.Y. 39, 60, 54 N.E. 726 (N.Y. 1899). 781 „[…] it is a rule universally recognized that, if a party relies upon a record to establish his title to realty and to relieve him of knowledge of secret liens known to his grantor, the record itself must show a chain of conveyances which discloses a perfect title in the grantor.“; Weatherington v. Smith, 109 N.W.2d 381, 382, 77 Neb. 363 (Neb. 1906). Siehe auch 66 Am. Jur. 2d Records and Recording Laws § 84. 782 So Stürner, AcP 210 (2010), 105, 123. 783 Siehe beispielsweise: §§ 27201 ff. Cal. Gov. Code; ch. 36 §§ 1 ff. M.G.L. 784 Auf Hawaii und in Alaska sind die Bundesstaaten für die Registrierung zuständig; in den Neuengland-Staaten teilweise die nächst kleinere Verwaltungseinheit, die Stadt; McCormack, 18 Wm. Mitchell L. Rev. 61, 67 (1992); Nelson/Stoebuck/Whitman, Contem780

D. Registersysteme und Verfahren

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scheidet sich zwischen den Bundesstaaten, teilweise sogar zwischen den verschiedenen Counties. Je nach Größe des verwalteten Bezirks werden die Aufgaben der Aufzeichnung und Indizierung der Übertragungsurkunden durch ein eigenständiges Amt durchgeführt oder einem anderen zugeordnet.785 Im Fall der Errichtung eines selbstständigen Registeramtes ist der recorder of deeds786 funktional zuständig.787 Im Übrigen werden die Aufgaben des Grundstücksregisters vom county clerk (auch clerk of court), einem Mitarbeiter des Gerichts, wahrgenommen.788 Im Gegensatz zu Deutschland erfolgt in den Vereinigten Staaten die Besetzung von öffentlichen Ämtern nicht immer mit Beamten, die eine spezielle Laufbahn und Ausbildung genossen haben. Vielmehr existieren in vielen Bundesstaaten auch Wahlbeamte, die im Rahmen der Kommunalwahlen für eine bestimmte Amtszeit bestimmt werden.789 In den Bundesstaaten, die eine solche direkte Wahl nicht vorsehen, werden die recorder of deeds ernannt.790 Die Gesetze der Bundesstaaten sehen in der Regel vor, dass die Bewerber für das Amt des recorder of deeds, auch für das Wahlamt, eine bestimmte fachliche Qualifikation aufweisen müssen; beispielsweise über eine Rechtsanwaltszulassung verfügen.791 Die gewählten Beamten nehmen in der Regel nur Leitungs- und Überwachungsaufgaben wahr und können, soweit erforderlich, weitere Mitarbeiter ernennen.792 Falls die Größe des Registers eine weitere Leitungsebene erfordert, wird diese oftmals durch Juristen ausgefüllt.793 Die Aufzeichnung und Indizierung übernehmen in der Regel hierfür ausgebildete Mitarbeiter. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der recorder of deeds für Schäden, die er oder seine Mitarbeiter während der Amtsausübung verursachen, verantwortlich sein.794 Für den Fall von Pflichtverletzungen muss er eine

porary property, 2008, S. 1072. Insgesamt bestehen mehr als dreitausend Registerämter. Marsh, 111 Colum. L. Rev. Sidebar 19, 20 f. (2011). 785 76 CJS Registers of Deeds § 2. In Illinois liegt beispielsweise die Grenze für ein selbstständiges Amt bei 60.000 Einwohnern, 55 ILCS 5/3-5001. 786 Auch register of deeds oder county recorder. 787 66 Am. Jur. 2d Records and Recording Laws § 57. 788 76 CJS Registers of Deeds § 1. 789 76 CJS Registers of Deeds § 4. Der recorder of deeds ist beispielsweise Wahlbeamter in: Massachusetts (ch. 36 § 2 M.G.L.), Kalifornien (§ 24009 Cal. Gov. Code), Colorado (Art. 14 § 8 Constitution of the State of Colorado) und North Carolina (§ 161‑1 N.C.G.S.). 790 76 CJS Registers of Deeds § 4. 791 76 CJS Registers of Deeds § 5. 792 76 CJS Registers of Deeds §§ 21 ff. 793 So auch in dem vom Verfasser im November 2010 besuchten Registeramt von Suffolk (Boston, Mass.). 794 Siehe Näheres zur Haftung 76 CJS Registers of Deeds Rn. 14 ff.

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Kapitel 2: Grundlagen

Sicherheitsleistung (official bond) hinterlegen, die bei Schadensersatzansprüchen zur Erfüllung herangezogen wird.795 4.

Aufbau und Struktur des Registers

Das angloamerikanische Grundstücksregister besteht aus einer Sammlung aller Übertragungsurkunden, die jemals im entsprechenden Zuständigkeitsbereich des Registeramts eingereicht wurden. Die Urkunden werden dort nur nach ihrem Eingang chronologisch erfasst. Die durch die jeweilige Urkunde ausgelöste Rechtsänderung wird weder einem bestimmten Grundstück zugeordnet noch auf einem „Grundbuchblatt“ vermerkt. Ebenso besteht keine Akte, in die alle Urkunden eines bestimmten Grundstücks einsortiert werden. Das Register besteht letztendlich aus fortlaufenden Büchern (deed books), in die die eingereichten Urkunden in chronologischer Reihenfolge einsortiert werden. Teilweise führen die Registerämter separate Bücher für verschiedene Rechtsübertragungen, beispielsweise für Eigentumsübertragungen und Hypothekenbestellungen.796 Im Laufe der Jahre sind in den Registerämtern zehntausende von Urkunden angefallen, die zumindest theoretisch alle noch für die Ermittlung der Rechtsverhältnisse an einem Grundstück relevant sein können.797 Jedoch werden die meisten Register heute nur noch in elektronischer Form geführt, sodass zumindest keine neuen gedruckten Bücher mehr hinzukommen.798 Die Ermittlung der an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse ist mit alleiniger Hilfe einer solchen Urkundensammlung nahezu unmöglich. Das Register ist nur nutzbar, wenn alle relevanten Urkunden wieder aufgefunden werden können. Die Übersichtlichkeit des Registers und die Möglichkeit, eine bestimmte Urkunde wiederzufinden, werden durch einen Index gewährleistet. Als Bezugspunkt verwendet der Index entweder die an der Übertragung beteiligten Parteien (name index oder grantor-grantee index) oder den von der Rechtsänderung betroffenen Teil einer Region bzw. Grund-

795

76 CJS Registers of Deeds Rn. 16 f. In North Carolina mindestens 10.000 Dollar, § 161-4 N.C.G.S. 796 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 67; Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 1:3. 797 Im Registeramt von Suffolk bestanden im November 2010 bereits 47.000 Bücher mit Übertragungsurkunden, die seit Beginn der Registrierung im 17. Jahrhundert angelegt wurden und jeweils mehrere hundert Seiten umfassen. Um 1700 reichten noch 19 Bände aus; die Anzahl stieg jedoch in den folgenden Jahren bis zum heutigen Umfang stark an (193 Bände zum 1.1.1800 und bereits 1974 zum Ende des Jahres 1890); Hassam, 4 Harv. L. Rev. 271, 273 (1891). 798 Im Registeramt von Suffolk wurden 2005 die letzten gedruckten Bücher angefertigt (eigene Recherche im Registeramt von Suffolk).

D. Registersysteme und Verfahren

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stücksparzelle (tract index).799 Der name index ist jedoch auf Grund des Fehlens einer zuverlässigen Landvermessung bis in das 20. Jahrhundert hinein weitaus verbreiteter. Die Angaben zum geographischen Ort eines Grundstücks sowie die Größenangaben in der Übertragungsurkunde waren oft nicht präzise genug oder schlicht falsch, um eine eindeutige Zuordnung zu gewährleisten. Erst neuere und zuverlässigere Methoden der Landvermessung und die Nutzung der Angaben in Übertragungsurkunden haben die Verwendung eines tract index überhaupt erst ermöglicht. Die großen Kosten einer vollständigen Zuordnung aller Urkunden zu einem Grundstück und die bereits getätigten Investitionen für einen name index sind jedoch ein großes Hindernis für eine Umstellung der Register.800 Die Ermittlung der Rechtsverhältnisse in einem tract index kann in der Regel wesentlich schneller vorgenommen werden. Mit Einführung der elektronischen Erfassung von Urkunden werden meist weitere Anknüpfungspunkte für die Zuordnung, wie die Adresse des Grundstücks, in einer Datenbank erfasst. a)

Der name index

Beim name index wird jede Urkunde jeweils unter dem Erwerber (grantor) und dem Veräußerer (grantee) in einem separaten Index aufgenommen. Beide sind alphabetisch sortiert und enthalten neben den Informationen der Beteiligten eine Grundstücksbeschreibung, die Art der Übertragung (Eigentumsübertragung, Hypothekenbestellung etc.) sowie den zugehörigen Fundort der Urkunde im deed book mit Band und Seitenzahl.801 Der genaue Aufbau von Register802 und Index sind nur selten gesetzlich geregelt. Typischerweise fordern die Gesetze der Bundesstaaten lediglich die Indizierung der beteiligten Parteien. Welche weiteren Daten genau aufgenommen werden, muss von den Registerämtern selbst bestimmt werden.803 In New Hampshire wird beispielsweise nur abstrakt eine einwandfreie bzw. akzeptable Registrierung gefordert.804 Es kann folglich mitunter schwierig sein zu bestimmen, welche Daten bei der Indizierung genau aufgenommen werden sollen. Im Bundesstaat Washington hingegen wird der genaue Aufbau des Registers mit allen aufzunehmenden Daten exakt vorgegeben.805 Teilweise haben die Bundes799

Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 67; 14 Powell on Real Property § 82.03[2] (2005). 800 14 Powell on Real Property § 82.03[2][b] (2009). 801 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 67; 14 Powell on Real Property § 82.03[2][b] (2005). 802 Siehe hierzu schon oben S. 120. 803 Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 9 (2007). 804 „The register of deeds may cause the indexes to be reproduced into indexes of grantors and grantees using an acceptable recording method.“ § 478:6 N.H. St. 805 „Every auditor or recording officer must keep a general index, direct and inverted. […] The direct index shall be divided into eight columns […] as follows: Date of recep-

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Kapitel 2: Grundlagen

staaten auch Verwaltungsvorschriften erlassen, die die Form der Eintragung vorgeben.806 Die Indexe werden jeweils für einen bestimmten Zeitraum, wie etwa ein Kalenderjahr, erstellt. Sie sind grundsätzlich die einzige Verknüpfung, die zu der erfassten Urkunde besteht. Durch den Eintrag im Index kann die jeweilige Urkunde im entsprechenden Band leicht aufgefunden und für eine weitere Analyse verwendet werden. Das Auffinden einer Urkunde, ohne die Person des Erwerbers oder Veräußerers zu kennen, ist hingegen schier unmöglich. b)

Der tract index

In einem Grundstücksregister, das nach einem tract index aufgebaut ist, sind die erfassten Urkunden einer bestimmten Region im Registerbezirk oder direkt einer Grundstücksparzelle zugeordnet. Vor allem in den Teilen der Vereinigten Staaten, die schon früh vermessen wurden, besteht ein solcher tract index.807 Die oben beschriebene Landvermessung der Bundesregierung (government survey)808 dient der Zuordnung der Übertragungsurkunden. Diese öffentliche Landvermessung unterteilt das Land in quadratische Parzellen, die wiederum unterteilt werden, bis die kleinste Parzelle von 40 Acres, ca. 16 Hektar (quarter-quarter sections), erreicht ist. Das Registeramt ordnet nun die eingereichten Übertragungsurkunden einer dieser Parzellen zu.809 Diese Art der Zuordnung gewährleistet das schnelle Auffinden aller ein bestimmtes Grundstück betreffenden Übertragungsurkunden. Jedoch ist dieses System nur in ländlichen, dünn besiedelten Regionen tatsächlich vorteilhaft. In dicht bebauten Regionen wie Städten befinden sich selbst innerhalb der kleinsten Parzelle zahlreiche Grundstücke, sodass einer solchen Parzelle wieder zahllose Übertragungsurkunden zugeordnet sind. Eine Recherche ist dann mindestens ebenso mühsam wie in einem name index.

tion, grantor, grantee, nature of instrument, volume and page where recorded and/or the auditor’s file number, remarks, description of property, assessor’s property tax parcel or account number.“ 65.04.050 Wash. St. 806 In North Carolina muss sich die Registerbehörde an solche Vorschriften halten. „[…] the register of deeds shall follow the rules specifying minimum standards and procedures in land records management adopted by the Department of Secretary of State […].“ § 161-22.3. N.C.G.S. 807 Die Bundesstaaten Nebraska, North Dakota, Oklahoma, South Dakota, Utah und Wyoming verwenden einen tract index in allen Landkreisen. In Kansas, Ohio, Wisconsin und Minnesota können die Landkreise einen tract index verwenden. In New York (Stadt) wird ein Index nach Blöcken geführt; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1092 Fn. 45. 808 Siehe oben S. 39. 809 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 67; siehe auch mit Beispiel Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1090 ff.

D. Registersysteme und Verfahren

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Verbessert wird der tract index durch einen Bezug auf die Grundstücksparzelle, die mit dem Grundstück im Rechtssinne übereinstimmt und sehr klein ist. Vor allem urbane Regionen verwenden einen solchen Index, der jeder Urkunde ein bestimmtes Grundstück, das über eine eigene Nummer (parcel identifier number) verfügt, zuordnet.810 Unter der jeweiligen Grundstücksnummer können folglich alle das Grundstück betreffenden Urkunden und die jeweilige Fundstelle in der chronologischen Sammlung aufgefunden werden.811 Schwierigkeiten ergeben sich jedoch, wenn aus der Übertragungsurkunde nicht klar hervorgeht, welches Grundstück genau von der Übertragung betroffen ist, oder wenn durch eine Urkunde mehrere Grundstücke übertragen werden.812 Bei der Erfassung muss deshalb die in der Übertragungsurkunde genannte Lage des Grundstücks exakt überprüft werden. Die Möglichkeit der Trennung und Vereinigung von Grundstücken durch die Parteien ohne die Durchführung eines formellen Verfahrens hat zur Folge,813 dass die Aufteilung der Landvermessung nicht zwangsläufig mit der tatsächlichen sachenrechtlichen Aufteilung übereinstimmt. Eine Übertragungsurkunde muss in diesen Fällen unter zwei verschiedenen Parzellen registriert werden. Das System des tract index ist in seiner Struktur viel komplexer und stellt höhere Anforderungen an die Registerführung als ein name index. Der tract index ist jedoch ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung des Registersystems. Er ermöglicht eine einfachere und schnellere Recherche.814 c)

Parallele Register der Rechtsmängelversicherer – Title plants

Parallel zu den öffentlichen Grundstücksregistern betreiben private Gesellschaften815 eigene Register, die die öffentlichen Register genau abbilden (sogenannte title plants).816 Im Laufe der Zeit haben sie alle Urkunden des öffentlichen Registers erfasst und ergänzen ihr eigenes Register ständig durch die Aufnahme der im Registeramt eingehenden Urkunden.817 Die Register sind durch elektronische Datenbanken und eine Sortierung nach der jeweili-

810 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 166; 14 Powell on Real Property § 82.03[2][c] (2005). 811 Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 1:4. 812 Wenn etwa die Grundstücksbeschreibung anhand natürlicher Merkmale erfolgt; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1092. 813 Siehe oben S. 43. 814 Barnet, 12 Buff. Envtl. L.J. 1, 24 ff. (2004). 815 Dies sind vor allem Rechtsmängelversicherer und solche Organisationen, die sich auf die Recherche von Grundstücksrechten spezialisiert haben (z.B. sogenannte title abstractor). 816 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 41; Szypszak, 24 Whittier L. Rev. 633, 690 (2003); Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 227 Fn. 1 (1999). 817 Roberts, 39 Ind. L. J. 1, 16 (1963); 3 California Real Estate § 7:21.

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Kapitel 2: Grundlagen

gen Grundstücksparzelle (tract index) meist sehr übersichtlich gestaltet.818 Die Recherche in den title plants gestaltet sich auf Grund ihres Aufbaus und der elektronischen Datenverarbeitung in der Regel wesentlich unkomplizierter und schneller als in den öffentlichen Registern. Bei der Beauftragung durch einen Erwerber, der die Berechtigung des Veräußerers überprüfen will, oder im Rahmen der Überprüfung der Berechtigung des Schuldners eines hypothekarisch gesicherten Darlehens verwenden privaten Unternehmen die title plants für ihre eigene Recherche. In den privaten Registern werden oftmals auch alte Recherchen aufbewahrt, um sie später als Basis für eine Überprüfung desselben Grundstücks erneut verwenden zu können. So muss nicht immer wieder aufs Neue eine vollständige Überprüfung durchgeführt werden.819 Es muss lediglich eine Recherche der zwischenzeitlich vorgenommenen Rechtsänderungen erfolgen. Die Register der privaten Wirtschaft haben teilweise dazu geführt, dass die Suche sich kaum noch in den Registerämtern abspielt, sondern meist in den parallelen, privaten Registern stattfindet.820 Die Existenz eines parallelen Registers hat letztendlich jedoch doppelte Kosten zur Folge. Neben dem öffentlichen Register wird ebenso ein (teilweise auch mehrere) privates Register geführt. Gerade unter ökonomischen Gesichtspunkten ist dies höchst ineffizient.821 d)

Elektronische Registerführung

Die Rechtsmängelversicherer haben bereits in den sechziger Jahren begonnen, ihre Archive zu digitalisieren, und so sehr früh eine computerbasierte Suche ermöglicht.822 Der Einzug von elektronischer Datenverarbeitung in die Registerämter fand etwas später und in zwei Schritten statt. Zunächst wurden nur die Indexe elektronisch geführt, sodass jederzeit eine aktuelle alphabetische Liste ausgegeben werden konnte.823 Teilweise war auch schon ein elektronischer Zugriff auf den Index und eine Suche an einem Computerterminal im Registeramt oder sogar über das Internet möglich. Im nächsten Schritt wurden die eingereichten Urkunden nicht mehr schlicht kopiert, sondern zusätzlich zur sicheren, dauerhaften Aufbewahrung auf Mikrofilmen festge818 Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 230 (1999); 3 California Real Estate § 7:22. Siehe auch Shade, 46 Baylor L. Rev. 1007, 1020 (1994). 819 3 California Real Estate § 7:21. Ein title plant kann auch nur aus den aufbewahrten Urkunden bestehen. Dessen Erstellung und Pflege ist wesentlich kostengünstiger und unkomplizierter, vereinfacht eine Recherche jedoch auch nicht so stark; Roberts, 39 Ind. L. J. 1, 17 (1963). 820 Taylor Mattis, 20 Nova L. Rev. 1095, 1105 (1996). 821 So Johnstone, 22 Val. U. L. Rev. 493, 545 (1988). 822 McCormack, 18 Wm. Mitchell L. Rev. 61, 73 (1992). 823 Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 228 f. (1999).

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halten.824 Die Suchmöglichkeit innerhalb des Indexes erleichtert zwar die Ermittlung der zu untersuchenden Urkunden, diese mussten jedoch nach wie vor aus dem deed book oder dem Mikrofilmarchiv einzeln herausgesucht werden.825 Im zweiten Schritt fand durch das Einscannen der eingereichten Urkunden eine Digitalisierung statt. Eine Recherche im Index ermöglicht den sofortigen Zugriff auf ein elektronisches Abbild der Urkunde.826 Das Blättern in einem Buch und das Anfertigen einer Kopie sind nicht mehr erforderlich. Heute ist zudem oftmals der Zugriff auf die digitalisierten Urkunden über das Internet möglich.827 Teilweise haben die Registerämter auch zurückliegende Urkunden nachdigitalisiert.828 Doch auch das direkte Einscannen der Urkunden erfordert nach wie vor die manuelle Eingabe von Erwerber und Veräußerer oder die Zuordnung zu einer bestimmten Grundstücksparzelle. Da die Recherche in einem elektronischen Register und das Erstellen eines Indexes wesentlich einfacher sind, werden bei der Eingabe der Urkunden weitere Daten der Rechtsübertragung aufgenommen. Hierzu gehört beispielsweise die Adresse des von der Rechtsänderung betroffenen Grundstücks. Der rechtliche Anknüpfungspunkt, der beispielsweise für den gutgläubigen Erwerb relevant ist, bleibt jedoch stets der Name der beteiligten Parteien, also der name index. Das Drucken von tatsächlichen Büchern, die alle Übertragungsurkunden enthalten, wird meist nicht mehr vorgenommen. Die Recherche läuft nur noch elektronisch innerhalb der Datenbanken ab. Die Zuordnung jeder Urkunde zu einem bestimmten (imaginären) Band und zu den Seiten im Registerbuch wird jedoch nach wie vor beibehalten.829 Die computerbasierte Erfassung der Urkunden vereinfacht zwar deren Suche und Abruf, verursacht allerdings auch neue Probleme. Die Eingabe sowohl bei der Registrierung als auch bei der Suche erfordert höchste Genauigkeit. Es besteht ein großer Unterschied, ob beispielsweise St. James oder StJames in einem Datenfeld eingegeben wird.830 Ein Tippfehler kann im

824

Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 229 (1999). Bayer-Pacht, 32 Cardozo L. Rev. 337, 359 f. (2010). 826 Bayer-Pacht, 32 Cardozo L. Rev. 337, 340 ff. (2010). 827 Bayer-Pacht, 32 Cardozo L. Rev. 337, 360 (2010). 828 Im Registeramt von Suffolk sind alle Urkunden seit 1975 digitalisiert und können über das Internet eingesehen werden (eigene Recherche im Registeramt von Suffolk); Siehe Secretary of the Commonwealth, Massachusetts Land Records, (besucht am 1.8.2015). In Massachusetts ist bei der Registrierung von Urkunden eine Zusatzgebühr fällig, die zur weiteren Digitalisierung des Grundstücksregister genutzt wird, ch. 36 § 41 M.G.L. Siehe auch 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 28.14. 829 So im Registeramt von Suffolk. 830 Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 10 (2007). 825

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schlimmsten Fall zu der Unauffindbarkeit einer Urkunde führen.831 Die Registerämter überprüfen in der Regel die manuellen Eingaben in das Computersystem. Dies kann von einer schlichten Sichtkontrolle bis hin zu einer doppelten Eingabe durch zwei verschiedene Personen und einen anschließenden Abgleich beider Eingaben reichen.832 Die Fehlerhäufigkeit wird zwar minimiert, kann jedoch nie vollständig ausgeschlossen werden. 5.

Registrierungsverfahren

Das Registrierungsverfahren im Registeramt gestaltet sich in den Vereinigten Staaten wesentlich unkomplizierter als in Deutschland. Das Fehlen der Rechtswirkung und der positiven Publizität einer Eintragung hat wesentlich geringere Prüfungsanforderungen an die eingereichten Urkunden zur Folge. Nachdem die Übertragung eines Grundstücksrechts durch die Übergabe der Übertragungsurkunde an den Erwerber abgeschlossen ist, reicht dieser die originale Urkunde beim zuständigen Registeramt ein.833 Der zuständige Registerbeamte nimmt im Folgenden eine Überprüfung der Urkunde vor. Diese umfasst jedoch nur wenige formelle Voraussetzungen. So muss die Urkunde beispielsweise Mindestangaben enthalten, um sich für eine Registrierung zu qualifizieren.834 Zwingend müssen Erwerber und Veräußerer sowie das von der Rechtsänderung betroffene Grundstück genau bezeichnet werden. Eine Urkunde ohne diese Angaben bzw. mit unbestimmten Angaben hat schon keine Rechtsübertragung zur Folge und wird von den Registerämtern nicht angenommen.835 Weiterhin wird regelmäßig gefordert, dass die Urkunde den Ursprung des übertragenen Rechts in Form des vorherigen Rechtsinhabers enthält. Diese sogenannte marginal reference muss auf die Übertragungsurkunde, durch die der Veräußerer sein Recht erlangt hat, unter Angabe der

831

Vgl. beispieslweise den Hinweis, den das Register im Oklahoma County verwendete: „The computer only recognizes exact matches. […] Partial names will retrieve any record that starts with the letters entered. For example, ,OKLAʻ will find all entries that begin with ,OKLAʻ such as ,OKLAHOMAʻ and ,OKLA CITYʻ but will not find OKC.“ In der Praxis hat sich besonders der Umgang mit langen Namen von Versicherungsgesellschaften als problematisch erwiesen. Die zur Verfügung stehenden Zeichen im Computersystem reichen schlicht nicht aus; Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 10 Fn. 32 (2007). 832 Im Registeramt von Suffolk werden die eingegebenen Daten doppelt überprüft. Eine Sichtkontrolle wird nach dem Scannen der Dokumente durchgeführt. Später werden die Daten abermals komplett eingegeben und automatisch mit der ersten Eingabe abgeglichen. Bei Fehlern kann eine Korrektur anhand der Angaben der gescannten Urkunde erfolgen (eigene Recherche im Registeramt von Suffolk). 833 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1072. 834 Siehe zu den genauen Anforderungen 5 California Real Estate §§ 10:10 ff. 835 Näheres zum Inhalt und Wirksamkeit der Übertragungsurkunden unten S. 186.

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genauen Fundstelle im Grundstücksregister mit Buch und Seite verweisen.836 Ebenso wird teilweise zur besseren Zuordnung des betroffenen Grundstücks die Angabe der Adresse sowie der Bezug auf einen registrierten Plan (recorded plat) gefordert. Diese formellen Erfordernisse an die Urkunde haben keinen Einfluss auf deren Wirksamkeit. Das Registeramt kann lediglich die Eintragung verweigern. Erfolgt die Eintragung ins Register trotz eines solchen Verstoßes, entfaltet das Register dennoch seinen vollen Schutz hinsichtlich der eingereichten Urkunde.837 Einige Bundesstaaten verlangen die Bestätigung (acknowledgment)838 der Identität des Ausstellers der Übertragungsurkunde durch einen notary public,839 bevor diese im Registeramt eingereicht werden kann.840 Das acknowledgment stellt eine reine Identitätsüberprüfung dar.841 Der notary public vergleicht nur, ob die Person, die in der Übertragungsurkunde als Veräußerer genannt ist, mit der Person, die die Urkunde ausgestellt hat, übereinstimmt.842 So sollen unter anderem Fälschungen im Zusammenhang mit einer unrichtigen bzw. gestohlenen Identität verhindert werden.843 Das acknowledgment trifft keinerlei Aussage über die Wirksamkeit der Urkunde oder die Rechtsübertragung. Es stellt keinen Erwerbstatbestand dar und ist insofern irrelevant für die Wirksamkeit der Rechtsübertragung.844 Nachdem der Registerbeamte die formellen Voraussetzungen für die Registrierung überprüft hat, kann die Übertragungsurkunde in das Register aufgenommen werden.845 Zunächst werden hierzu auf der Urkunde Datum und Uhrzeit vermerkt, um die Ermittlung der Priorität zwischen verschiedenen Grundstücksrechten sicherzustellen. Das Registeramt kopiert sodann die Urkunde, sortiert sie in das deed book ein und gibt die originale Urkunde an den Erwerber zurück. In den Registerämtern, die vollständig digitalisiert wurden, werden die für die digitale Weiterverarbeitung notwendigen Daten unmittelbar bei der ersten Erfassung der Urkunde in das Computersystem 836 Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 11:10. Siehe beispielsweise ch. 183 § 6A M.G.L. Die marginal reference erleichtert die Recherche zumindest teilweise, da der Rechtsvorgänger ohne die Heranziehung des Indexes feststellbar ist. 837 Siehe beispielsweise ch. 183 §§ 6A f. M.G.L. 838 Siehe zur Wirkung und Funktion des acknowledgment unten S. 194. 839 Der notary public entspricht hinsichtlich Aufgabe und Funktion nicht dem deutschen Notar bzw. dem Notar nach Verständnis des Civil Law. Siehe Näheres unten S. 197. 840 Szypszak, 28 N.C. Cent. L.J. 199, 213 (2006). Siehe beispielsweise § 47-17 N.C.G.S.; § 1170 Cal. Civ. Code. 841 „The general purpose of an acknowledgment is to authenticate an instrument as being the act of the person executing the instrument.“ Sanchez v. Telles, 960 S.W.2d 762, 767 (Tex. 1997). 842 1A CJS Acknowledgments § 1; 5 California Real Estate § 11.23. 843 Szypszak, 28 N.C. Cent. L.J. 199, 213 (2006). 844 1A CJS Acknowledgments § 14. 845 Siehe zum Verfahren 5 California Real Estate § 11:11.

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Kapitel 2: Grundlagen

eingegeben. Hierzu gehören Erwerber, Veräußerer, Grundstücksbeschreibung in Form einer Adresse oder durch Verweis auf einen vorher registrierten Plan und die marginal reference.846 Daraufhin erfolgen das Einscannen der Urkunde und eine Überprüfung der Angaben der Urkunde mit den bereits erfassten Daten. Teilweise werden die Urkunden zusätzlich auf Mikrofilm dauerhaft festgehalten.847 Nachdem die Urkunde eingescannt und überprüft wurde, ist sie sofort im Computersystem digital abrufbar. Das Registerverfahren enthält keinerlei Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Urkunden, eine solche ist für die Archivierung irrelevant. Die Rechtsfolgen und die Wirksamkeit jeder Urkunde müssen sich die Recherchierenden selbst aus dem Inhalt der Urkunde erschließen.848 Eine eindeutige Klärung der Eigentums- und Rechtsverhältnisse an einem Grundstück kann letztendlich nur durch die Durchführung eines Rechtsstreits geklärt werden.849 Die Funktion der eindeutigen Darstellung der Eigentumsverhältnisse kommt dem angloamerikanischen Register auch nicht zu. Auf Grund der geringen Prüfungskompetenz des Registerbeamten und der fehlenden Darstellung der Rechtsverhältnisse im Register wird der recorder of deeds teilweise als schlichter Archivar historischer Dokumente bezeichnet.850 In fast allen Bundesstaaten besteht die Möglichkeit, das Registrierungsverfahren, vor allem das Einreichen der Urkunden, komplett elektronisch durchzuführen; zumindest soweit die Registerämter hierfür die notwendigen technischen Voraussetzungen geschaffen haben. Hierfür legt der Uniform Electronic Transactions Act851 von 1999 den notwendigen Grundstein. Dieser erlaubt den Registerämtern, elektronische Dokumente zu akzeptieren. Auf Grund dieser Regelung wird erwartet, dass in naher Zukunft ein modernes computerbasiertes Registersystem in vielen Bundesstaaten geschaffen wird.852 Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass die Übertragung aller alten Urkunden in das neue digitale Register mit einem hohen finanziellen, zeitlichen und organisatorischen Aufwand verbunden ist. Die Praxis fordert ein komplett elektronisches Verfahren, um das Registersystem schneller und 846

Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 122. Die Urkunde muss reproduzierbar sein, 5 California Real Estate § 11:18. 848 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1082. 849 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1071 f. 850 „The Recorder of Deeds is […] an archivist, a preserver of historic documents.“ Woodward v. Bowers, 630 F.Supp. 1205, 1208, 54 USLW 2501 (Penn. 1986). 851 Er wurde von der NCCUSL vorgeschlagen und in nahezu allen Bundesstaaten umgesetzt. Eine Liste der Bundesstaaten, die den Uniform Electronic Transactions Act umgesetzt haben, ist einsehbar unter NCCUSL, Uniform Electronic Transactions Act, (besucht am 1.8.2015). Siehe zum elektronischen Registerverfahren sowie der technischen Ausgestaltung Ewan/Ladd, 22-Feb Prob. & Prop. 8 (2008). 852 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1092 f. 847

D. Registersysteme und Verfahren

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effektiver zu gestalten.853 Die erste vollkommen papierlose Grundstückstransaktion fand 2000 in Florida statt. Der Austausch sämtlicher Dokumente und deren Aufnahme in das Register dauerten insgesamt lediglich fünf Minuten.854 Die Einführung eines solchen komplett elektronisch geführten Registers ist jedoch sehr kostenintensiv. Die einmalige Investition in die Schaffung eines solchen Systems soll sich jedoch innerhalb eines kurzen Zeitraums durch zeitliche und finanzielle Einsparungen von selbst amortisieren.855 6.

Eintragungsfähige Rechte

In den Genuss der Vorteile des Registers kommen nur solche Rechte, die eintragungsfähig sind. Die Gesetze der Bundesstaaten bestimmen, welche Grundstücksrechte bzw. welche zugrunde liegenden Übertragungsurkunden im Register aufgenommen werden können.856 Allgemein fallen hierunter alle privatrechtlichen Übertragungsvorgänge, die durch ein schriftliches Dokument ein Recht an einem Grundstück übertragen oder verschaffen.857 Neben der Übertragung des Grundeigentums und den möglichen abgespaltenen Eigentumsrechten gehören die mortgage als Grundpfandrecht sowie die dinglichen Nutzungs- und Erwerbsrechte zu den eintragungsfähigen Rechten.858 Weiterhin kann auch das dingliche Mietrecht, das leasehold, im Register eingetragen werden, um bei einer Übertragung des Grundstücks gegenüber dem Erwerber fortzuwirken.859 Nicht eintragungsfähig sind hingegen solche Grundstücksrechte, die nicht Grundlage eines schriftlichen Dokuments sind. Hierzu gehören vor allem gesetzlich entstehende Grundstücksrechte, wie das Sicherungsrecht eines ungesicherten Verkäufers (vendor’s lien), und Rechte, die durch Ersitzung erworben werden.860

853

Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 232 ff. (1999). Title News, Jul/Aug 2002, County Recorders’ Track to E-Recording. 855 Hale, 5 Okla. J. L. & Tech. 44 (2009). Als Hindernis für die zügige Umsetzung wird unter anderem auch die allgemeine Zurückhaltung und Skepsis der amerikanischen Bevölkerung gegenüber Investitionen in öffentliche Projekte gesehen. 856 76 CJS Records § 11. Siehe beispielsweise § 27280 (a) i.V.m. § 27279 (a) Cal. Gov. Code; § 291 i. V. m § 290 (3.) RPL of N.Y. 857 „A recordable ,instrumentʻ is one which either a) transfers title, b) ,givesʻ a lien, or c) ,givesʻ a right or duty.“ Ward v. Superior Court, 55 Cal.App.4th 60, 64, 63 Cal.Rptr.2d 731 (Cal. 1997). 858 Siehe auch die Aufzählung bei 5 California Real Estate § 11:6. 859 52 CJS Landlord & Tenant § 359. Ein dingliches Mietrecht, das kürzer als ein Jahr ist, wirkt teilweise auch ohne Registrierung gegenüber einem gutgläubigen Erwerber; so beispielsweise in Kalifornien, § 1214 Cal. Civ. Code. Für einen solchen kurzen Mietvertrag ist meist keine Schriftform erforderlich. 860 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1079 ff. 854

130 7.

Kapitel 2: Grundlagen

Öffentlichkeit des Grundstücksregisters

Die Grundstücksregister sind in den Vereinigten Staaten weitgehend öffentlich und von jedermann ohne Einschränkungen oder den Nachweis eines besonderen Interesses einsehbar. Die Grundstücksregister werden von den Gerichten fast ausschließlich als öffentliche Register (public records) eingeordnet.861 Grund für die Öffentlichkeit des Registers ist auch das in den Vereinigten Staaten stark ausgeprägte Recht der Bürger, Akten und Dokumente aller Behörden einzusehen.862 Viele Registerämter ermöglichen heute schon den Abruf ihres Datenbestands über das Internet.863 Eine besondere Authentifizierung ist hierfür nicht erforderlich. Der Zugriff kann von jedem Computer mit Internetzugang aus erfolgen. Natürlich sind dort lediglich alle Übertragungsurkunden einsehbar, sodass ohne eine weiterführende title search die vorhandenen Angaben meist wenig hilfreich sind. Die Gefahr der Verletzung der Privatsphäre von Rechtsinhabern und des Missbrauchs der öffentlich zugänglichen Daten wird zwar erkannt,864 das Interesse der Öffentlichkeit an den an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnissen jedoch regelmäßig als überwiegend angesehen.865 8.

Reformbestrebungen

Die Struktur, Wirkung und Organisation des Grundstücksregisters besteht in den Vereinigten Staaten seit mehr als 300 Jahren weitgehend unverändert.866 Während dieses Zeitraums sind bis auf die Digitalisierung der Register kaum Änderungen am System vorgenommen worden. In der Vergangenheit gab es jedoch immer wieder Bestrebungen, das Registersystem zu reformieren.867 Das System der bloßen Erfassung von Urkunden birgt eine Reihe von Gefahren und ist hinsichtlich der Darstellung der Rechtsverhältnisse an Grundstücken teilweise sehr ineffizient. Gerade seit Beginn des 19. Jahrhunderts plädieren viele Wissenschaftler für eine Reformierung und Vereinfachung des 861

State v. Grimes, 29 Nev. 50, 84 P. 1061 (Nev. 1906); siehe zum Recht eines Rechtsmängelversicherers, umfangreiche Kopien des Registers anzufertigen, 66 Am. Jur. 2d Records and Recording Laws § 169. 862 76 CJS Records § 74. Siehe hierzu auch die Ausführung zu den freedom-ofinformation-Gesetzen des Bundes und der Bundesstaaten 76 CJS Records §§ 112 ff. 863 Siehe z.B. die Webseite der Registry of Deeds von Massachusetts Secretary of the Commonwealth, Massachusetts Land Records, (besucht am 1.8.2015). In Florida ist es beispielsweise gesetzlich vorgeschrieben, dass alle Übertragungsurkunden elektronisch abrufbar sein müssen, § 28.2221 FL ST. 864 So beispielsweise Stonefield, 24 W. New Eng. L. Rev. 205, 234 (2002). 865 Siehe hierzu auch das umfangreiche Einsichtsrecht in die Steuerregister, wie etwa die der Grundsteuern. 85 CJS Taxation § 675. 866 „During the past 350 years, little has changed in the way real estate conveyances are recorded in America.“ Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 227 (1999). 867 Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 5 f. (2007).

D. Registersysteme und Verfahren

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Registrierungssystems, des gesamten Vorgangs der Eigentumsübertragung sowie der Struktur der Eigentumsrechte.868 Ende der sechziger Jahre begann die NCCUSL, einen Entwurf zur Vereinheitlichung und Vereinfachung von Grundstücksgeschäften und deren Finanzierung zu erarbeiten. Ergebnis waren zwei Modellgesetze: der Uniform Land Transactions Act (ULTA) von 1975, der das schuldrechtliche Geschäft vereinheitlichen sollte, und der Uniform Simplification of Land Transfers Act (USLTA) von 1976, der die Rechtsübertragung vereinfachen sollte. Beide Vorschläge wurden jedoch in keinem Bundesstaat umgesetzt.869 Als Grund für die Nichtumsetzung werden neben der Einstellung der Gesetzgeber, die eine Änderung für nicht notwendig hielten, vor allem die Teile der Grundstücksindustrie gesehen, die von den Risiken der Registersysteme profitieren.870 Im Zusammenhang mit der Reformierung des Grundstücks- und Grundstücksregisterrechts forderten Wissenschaftler und Praktiker um 1900 die Einführung des Torrens-Systems.871 Dieses aus Australien stammende Registersystem ähnelt hinsichtlich seiner Wirkung und seinem Aufbau dem deutschen Grundbuch. Es fordert eine obligatorische rechtsändernde Eintragung und stellt die Rechtsverhältnisse eines Grundstücks eindeutig und rechtsverbindlich dar. Einige Bundesstaaten führten diese Form der Registrierung von Grundstücksrechten als freiwillige Alternative zu dem überall bestehenden 868

So beispielsweise: Sewards, Registration of Written Instruments affecting Title to Real Estate, 1872, S. 14: „It has long been a source of complaint among lawyers that our present system of recording, although requiring prolonged and laborious research through its labyrinth of ancient, warped, and dust-bound books, in order to come to any conclusion whatever in regard to be condition of a title, is uncertain and unsatisfactory.“ Hassam, 4 Harv. L. Rev. 271, 278 (1891): „In a commercial age, Feudal ideas as to land are entirely out of place. Cumbersome and antiquated methods of transfer must give way to the needs of the present time.“ McDougal/Brabner-Smith, 48 Yale L.J. 1125, 1149 (1939): „It is not our intention to suggest that land title registration is, in all of its current embodiments, a close approach to unavoidable perfection. Per contra. Important improvements are both easily possible and urgently needed“; siehe aus neuerer Zeit Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 39 f. (2007); Waggoner, 85 Harv. L. Rev. 729 (1972). 869 Benfield, Jr., 20 Nova L. Rev. 1037, 1052 f. (1996); Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 13 ff. (2007); für weitere Gründe siehe Benton Brown, 20 Nova L. Rev. 1017, 1017 ff. (1996). 870 Amandes, 20 Nova L. Rev. 1033, 1035 (1996); Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 14 (2007). Siehe auch Benfield, Jr., 20 Nova L. Rev. 1037 (1996). 871 Siehe beispielsweise Carret, Harv. L. Rev. 1893, 24; Lobel, 11 U. Rich. L. Rev. 501 (1977). Siehe auch das Comment, 48 Yale L.J. 1238 (1939), das zu dem Ergebnis kommt, ein Torrens-System sei notwendig und unterscheide sich nicht zu sehr vom Vorgang der Registrierung von Eigentumsrechten an Automobilen. Dort habe eine Änderung des Registrierungsverfahrens zu einer deutlichen Verbesserung beigetragen; Comment, 48 Yale L.J. 1238, 1255 f. (1939).

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Kapitel 2: Grundlagen

System des recording of land titles ein.872 Letztendlich konnte es sich wegen des hohen Verwaltungsaufwands, der hohen Kosten sowie des nicht ausreichenden Sicherungsfonds nicht durchsetzen.873 Im Zusammenhang mit der Finanzkrise und den folgenden massenhaften Zwangsvollstreckungen ist das Registersystem als Ursprung vieler Probleme wieder in den Vordergrund gerückt.874 Die Finanzwirtschaft hat unter anderem einen Teil der Informationen des Grundstücksregisters in ein eigenes privates Register für hypothekarisch gesicherte Forderungen überführt. Teilweise wird sogar propagiert, ein komplett neues Registersystem auf nationaler Ebene einzuführen.875 Es bleibt jedoch abzuwarten, ob in Zukunft solch grundlegende Änderungen am System vorgenommen werden. Sie scheinen zumindest nach Betrachtung der bisherigen Reformbemühungen als sehr unwahrscheinlich. Von den Reformbestrebungen ist letztendlich nur die Digitalisierung der Register verblieben. Sie hat zu einer Vereinfachung der Recherche der Übertragungsurkunden geführt. Für eine Analyse dieser Urkunden und die Ermittlung aller bestehenden Rechtsverhältnisse an einem Grundstück ist jedoch nach wie vor ein Fachmann erforderlich. In der Praxis erfüllt das angloamerikanische Registersystem zwar seinen Zweck. Allein sein „historischer Erfolg“ und der Bestand seit mehreren hundert Jahren rechtfertigt jedoch nicht die Beibehaltung dieses teilweise sehr fehleranfälligen Systems.876 Trotz der offensichtlichen Schwächen des Registersystems konnte sich in den vergangenen Jahrzehnten keine Reformbewegung des Grundstücksrechts durchsetzen. Es ist nicht davon auszugehen, dass in naher Zukunft einer der zahlreichen Änderungsvorschläge oder einer der Uniform Acts umgesetzt wird. 9.

Title registration bzw. Torrens-System

In einigen Bundesstaaten existiert neben dem Registersystem des recording of land titles noch das schon angesprochene Torrens-System bzw. System der title registration.877 Beide Registersysteme unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihres Aufbaus, ihrer Struktur, der rechtlichen Wirkung einer Eintra872

Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1106. Siehe zum Torrens-System ausführlich unten S. 132. 874 Siehe beispielsweise Marsh, 111 Colum. L. Rev. Sidebar 19 (2011). 875 So Marsh, 111 Colum. L. Rev. Sidebar 19, 26 (2011): „[…] the American land title system is broken. The time has come for a radical reinvention that meets the needs of the modern real estate industry.“ 876 „Historic success does not justify lack of attention to opportunities for improvement, especially in a market and technological environment that could not have been envisioned when the present system was developed.“ Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 39 (2007); ähnlich Barnet, 12 Buff. Envtl. L.J. 1, 50 ff. (2004). 877 Siehe hierzu ausführlich Shick/Plotkin, Torrens in the United States, 1978. 873

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gung und dem Registerverfahren. Das Torrens-System geht auf den australischen Juristen Sir Robert Torrens zurück, der dieses im Jahre 1858 federführend in Form des Real Property Act in Südaustralien durchsetzte.878 Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat dieses Registersystem das System der recording of land titles in vielen vom Common Law geprägten Ländern ergänzt oder vollständig ersetzt.879 In den Vereinigten Staaten wurde seit 1895 in 20 Bundesstaaten das Torrens-System als Alternative eingeführt.880 Den Grundstückseigentümern wurde jedoch stets die Wahlfreiheit überlassen, selbst zu entscheiden, ob ein Grundstück nach dem Torrens-System registriert oder das bisherige System weiter verwendet werden sollte. Ein Zwang, sämtliche Grundstücke nach dem neuen System zu registrieren, bestand zu keiner Zeit.881 In den 20 Bundesstaaten, die das Torrens-System einführten, bestanden demnach zwei völlig verschiedene Registersysteme nebeneinander. Entscheidet sich der Eigentümer eines Grundstücks, dieses nach dem Torrens-System registrieren zu lassen, wird ein umfangreiches gerichtliches Verfahren eingeleitet.882 Ein solches ist notwendig, da für das Register zunächst ein allgemein verbindlicher Rechtszustand festgestellt werden muss.883 Das Gericht veranlasst ein Verfahren, durch das alle Rechtsverhältnisse am neu zu registrierenden Grundstück identifiziert werden.884 Zunächst wird eine Person beauftragt, in einem vorläufigen Bericht alle am Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse durch eine Recherche der Übertragungsurkunden 878 Siehe ausführlich von Metzler, Das anglo-amerikanische Grundbuchwesen, 1966, S. 29 ff. Neue Erkenntnisse kommen zu dem Ergebnis, dass der deutsche Jurist Ulrich Hübbe maßgeblich an der Ausarbeitung beteiligt war und das Grundstücksregister der Hansestadt Hamburg als Vorbild diente; Esposito, Die Entstehung des australischen Grundstücksregisterrechts (Torrenssystem), 2005, S. 7 ff.; m.w.N. Raff, Private property and environmental responsibility, 2003, S. 26 ff. 879 So beispielsweise in Irland (1865), Neuseeland (1870), in den westlichen Provinzen von Kanada, aber auch im Vereinigten Königreich. Dort unter anderem durch den 25 & 26 Vic. c. 53 (1862): Land Registry Act und den 15 Geo. V c. 21 (1925): Land Registration Act. Shick/Plotkin, Torrens in the United States, 1978, S. 17 f. 880 Beginnend mit Illinois und Ohio im Jahre 1895 bzw. 1896. Nelson/ Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1106; Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 106 Fn. 114 (2002). Grund für die Einführung in Illinois war unter anderem die Zerstörung des kompletten Registers des Cook Counties während des Großen Brands von Chicago im Jahre 1871. Lediglich anhand von Aufzeichnungen zweier title-abstractorGesellschaften konnten die Inhaber von Grundstücksrechten zumindest teilweise nachvollzogen werden; Shick/Plotkin, Torrens in the United States, 1978, S. 123 f.; Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 924 Fn. 3. 881 Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 925. 882 76 CJS Registration of Land Titles § 8; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 682. 883 76 CJS Registration of Land Titles § 6. 884 Siehe zum Verfahren 4 American law of property § 17.40; 5 Tiffany Real Prop. § 1316.

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Kapitel 2: Grundlagen

aufzudecken.885 Mit diesem Bericht kann das Gericht alle betroffenen Parteien, also alle Personen, denen ein dingliches Recht am Grundstück zusteht, ermitteln. In der Regel müssen sodann alle Betroffenen über die bevorstehende Registrierung unterrichtet werden, sodass sie eventuelle Einwände erheben können.886 Am Ende des Verfahrens stellt das Gericht alle Rechtsverhältnisse am Grundstück verbindlich fest.887 Grundstücksrechte, die vom Gericht nicht erkannt oder von den Betroffenen nicht geltend gemacht werden, gehen durch die gerichtliche Entscheidung verloren.888 Dem Eigentümer wird ein sogenanntes certificate of title ausgestellt, das alle bestehenden Grundstücksrechte und deren Inhaber aufführt. Ein zusätzliches Exemplar wird im Grundstücksregister hinterlegt.889 Rechtsinhaber, die durch den Registrierungsvorgang ein Recht verlieren, können unter bestimmten Voraussetzungen einen Schadensersatz aus einem Sicherungsfonds verlangen. Der Fonds wird aus einem Teil der Registergebühren finanziert.890 Nachdem ein Grundstück erstmals registriert wurde, kann eine Rechtsübertragung nicht mehr durch die Übergabe einer Urkunde vorgenommen werden.891 Vielmehr muss das certificate of title des Eigentümers gemeinsam mit der Übertragungsurkunde bei Gericht eingereicht werden. Dieses nimmt eine Überprüfung vor und stellt ein neues certificate of title aus, welches die neue, veränderte Rechtslage darstellt.892 Die Rechtsänderung tritt im Gegensatz zum recording-of-land-titles-System erst mit der Ausstellung des neuen certificate of title ein.893 Auf diese Weise besteht immer ein certificate of title, das alle bestehenden Rechte an einem Grundstück aufweist. Letztendlich 885

76 CJS Registration of Land Titles § 9. Siehe zu den Beteiligten und ihren Rechten 76 CJS Registration of Land Titles §§ 11 f. 887 76 CJS Registration of Land Titles §§ 29 ff. 888 76 CJS Registration of Land Titles § 51. Der Untergang der Grundstücksrechte hatte bei der Einführung des Torrens-Systems zahlreiche Prozesse über die Verfassungsmäßigkeit dieses Registersystems zur Folge. Diese wird jedoch durchgängig bejaht; siehe für Kalifornien Robinson v. Kerrigan, 151 Cal. 40, 90 P. 129 (Cal. 1907). Siehe m.w.N. 5 Tiffany Real Prop. § 1315. Unter gewissen Umständen, wie einer fehlenden Benachrichtigung eines Rechtsinhabers, ist trotz der gerichtlichen Feststellung die Geltendmachung vermeidlich untergegangener Rechte möglich. Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 926 f. 889 76 CJS Registration of Land Titles §§ 45 ff. Siehe auch den Abdruck eines certificate of title von Massachusetts bei Shick/Plotkin, Torrens in the United States, 1978, S. 24 ff. 890 4 American law of property § 17.48; 76 CJS Registration of Land Titles § 4; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 689. 891 4 American law of property § 17.41; 5 Tiffany Real Prop. § 1318. 892 76 CJS Registration of Land Titles § 57; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1107. 893 76 CJS Registration of Land Titles § 55. 886

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werden im Torrens-System tatsächlich Rechte registriert. Das Register ist in Form eines tract index organisiert, sodass jederzeit alle an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse eingesehen werden können.894 Bis auf wenige Ausnahmen verschafft das certificate of title Beweiswirkung und eine Art öffentlichen Glauben.895 Die im Register abgebildete Rechtslage stellt somit auch die tatsächliche Rechtslage dar. Eine Deregistrierung eines nach dem Torrens-System erfassten Grundstücks ist ebenso möglich.896 Nach der erfolgreichen Löschung kann die Übertragung von Grundstücksrechten wieder alleine durch die Übergabe eines deed erfolgen. Insgesamt entspricht das Torrens-System in etwa dem deutschen Grundbuch. Für eine Rechtsänderung ist nicht nur die Übergabe einer Übertragungsurkunde, sondern zusätzlich ein staatlicher Akt in Form der „Eintragung“ in das Register erforderlich. Zudem können alle an einem Grundstück bestehenden Rechte direkt aus dem Register erkannt werden.897 Eine Recherche in die Vergangenheit und die Aufstellung einer Rechtekette ist nicht erforderlich.898 Nach der erstmaligen Erfassung des certificate of title, die sehr aufwendig und kostspielig ist, können alle weiteren Rechtsübertragungen einfacher und kostengünstiger abgewickelt werden. Die Registerführung bedarf jedoch eines höheren Verwaltungsaufwands, weit reichender juristischer Kenntnisse bei der Registerführung und einer fortlaufenden Pflege.899 Das Torrens-System konnte sich letztendlich in keinem der Bundesstaaten durchsetzen. Als Grund sind neben der geringen Akzeptanz bzw. Ablehnung durch die Praxis auch einzelne Nachteile des Systems zu nennen. Gerade Rechtsanwälte und Rechtsmängelversicherer lehnten das Torrens-System von Anfang an ab.900 Beide Berufsgruppen verdienen an den Nachteilen des klassischen Systems, da ohne ihre Beteiligung die Übertragung von Grundstücksrechten nahezu unmöglich ist. Die Urkundensammlung muss bei jeder Rechtsübertragung erneut untersucht werden und eine Versicherung gegen mögliche verbleibende Rechtsmängel abgeschlossen werden. Die Lobbyarbeit beider Berufsgruppen trug maßgeblich zur Verhinderung der flächendecken894

Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 684. Von der Rechtsprechung entwickelte Ausnahmen bestehen vor allem bei Fälschungen, Bösgläubigkeit und falls der aktuelle Besitzer sein Recht verliert, ohne vorher im gerichtlichen Nachforschungsverfahren benachrichtigt worden zu sein; 76 CJS Registration of Land Titles § 36; Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 928 f. 896 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.29; Mendler, Massachusetts Conveyancers’ Handbook with Forms, § 8:16; so in Massachusetts seit April 2001, ch. 185 § 52 M.G.L. 897 66 Am. Jur. 2d Registration of Land Titles § 1. 898 76 CJS Registration of Land Titles § 1. 899 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1107. 900 Bostick, 63 Ind. L. J. 55, 63, 83 (1988); Whitman, 32 J. Marshall L. Rev. 227, 232 (1999). 895

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den Einführung bzw. zur späteren Abschaffung des Torrens-Systems bei.901 Die Rechtsmängelversicherer sehen unter anderem auch die Unterstützung bei Rechtsstreitigkeiten als Argument für die klassische Kombination aus Registersystem und title insurance.902 In der Praxis wird ein Übergang zum Torrens-System heute oftmals verwendet, um die Verkehrsfähigkeit eines Grundstücks, das zahlreiche unbehebbare Rechtsmängel aufweist, wiederherzustellen.903 Neben der Ablehnung durch Berufsgruppen, die das Grundstücksrecht prägen, hat das Torrens-System gewisse Nachteile gegenüber der klassischen Urkundensammlung. Zunächst ist die erstmalige Erfassung eines Grundstücks sehr kostspielig904 und kann mit sechs bis acht Monaten905 sehr lange dauern.906 Problematisch sind ebenso die von der Rechtsprechung erkannten Ausnahmen vom öffentlichen Glauben an den Inhalt des certificate of title. Die finanzielle Ausstattung des Sicherungsfonds, der unter anderem solche Schäden abdecken soll, war in der Vergangenheit nicht immer ausreichend. So konnte beispielsweise in Kalifornien der Schadensersatzanspruch eines Geschädigten nicht komplett ausgezahlt werden, da die Geldmittel im Fonds nicht ausreichten, um den vollen Betrag zu ersetzen.907 Der Geschädigte blieb so auf einem Teil seines Schadens sitzen. Für den Bundesstaat bzw. das County besteht meist keine direkte Haftung für Schäden, die durch Fehler des Torrens-Systems entstehen.908 Gerade für den sekundären Hypothekenmarkt sind einige der Risiken höchst problematisch, da sie im Zweifel zur Wertlosigkeit eines Grundpfandrechts führen können.909 Als weiterer Grund für das Scheitern des Torrens-Systems wird dessen Freiwilligkeit genannt. Im Ge901

Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1106 f.; Stoebuck/ Whitman, The law of property, 2000, S. 929. 902 Die title insurance ersetzt nicht nur Schäden, sondern unterstützt den Versicherten auch bei Rechtsstreitigkeiten, vergleichbar mit einer Rechtsschutzversicherung. Siehe hierzu unten S. 412. 903 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31A.1. 904 Shick/Plotkin, Torrens in the United States, 1978, S. 89, 115. Die Kosten belaufen sich auf 550 bis 750 Dollar in Minnesota bzw. auf 1500 bis 2100 Dollar in Massachusetts (Daten von 1978). Diese Kosten fallen an, ohne dass überhaupt eine Rechtsübertragung stattfindet. Die jeweiligen Investitionskosten werden wohl nicht durch niedrige Transaktionskosten amortisiert. So Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 926 mit Verweis auf Janczyk, 6 J. Legal Stud. 213 (1977). 905 Zeitangaben für Minneapolis. In Massachusetts sollen es sogar 12 bis 18 Monate sein. Siehe Shick/Plotkin, Torrens in the United States, 1978, S. 89, 114. Teilweise soll es auch bis zu zwei Jahre gedauert haben, bis der Eigentümer ein neues certificate of title erhält; so Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 690. 906 Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 926. 907 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1108 Fn. 73. 908 Siehe auch Gill v. Johnson, 21 Cal.App.2d 649, 69 P.2d 1016 (Cal. 1937). 909 Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 106 Fn. 114 (2002).

D. Registersysteme und Verfahren

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gensatz zu anderen Ländern, die dieses Registersystem zwingend einführten, war es in den Vereinigten Staaten stets freiwillig. Dadurch, dass ein konkurrierendes System existierte, das die Interessen aller Beteiligten – zumindest nach deren Einschätzung – zufriedenstellte, bestand kein Grund zu einem Wechsel.910 Sowohl die Schwächen als auch der Widerstand der Rechtsanwälte und Rechtsmängelversicherer haben eine Durchsetzung verhindert.911 In zahlreichen Bundesstaaten wurde die Möglichkeit, neue Grundstücke nach dem Torrens-System zu registrieren, wieder abgeschafft.912 Heute können nur noch in neun Bundesstaaten Grundstücksrechte nach dem Torrens-System registriert werden.913 Obwohl die Vorteile des Torrens-Systems auf der Hand liegen,914 wird es heute nur noch in drei der ursprünglich zwanzig Bundesstaaten mehr oder weniger umfassend genutzt.915 Eine abgeschwächte Form des Torrens-Systems wurde 1982 in Minnesota geschaffen.916 Durch die sogenannte possessory title registration917 wird ebenfalls ein certificate of title geschaffen, durch seine Ausstellung gehen jedoch keine früheren Rechte, die bei der Recherche übersehen wurden, verloren.918 Vielmehr muss ein bestimmter Zeitraum vergehen, bis die Rechte letztendlich untergehen und nicht mehr geltend gemacht werden können.919 910

Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 690. Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 929. 912 In Kalifornien beispielsweise 1955; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1108 Fn. 73. 913 Colorado, Georgia, Hawaii, Massachusetts, Minnesota, New York, North Carolina, Ohio, Virginia und Washington; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1106; Szypszak, 24 Whittier L. Rev. 633, 673 (2003). 914 Eindrucksvoll ist der Vergleich der Registrierung von Rechten an Grundstücken und denen an Automobilen; siehe Comment, 48 Yale L.J. 1238 (1939). 915 Hawaii, Massachusetts und Minnesota; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1106; Szypszak, 24 Whittier L. Rev. 633, 673 (2003). Im Registeramt von Suffolk sind nur etwa 11 Prozent der Grundstücke nach dem Torrens-System registriert; Suffolk Registry of Deeds, About, (besucht am 1.8.2015). Siehe zu den Vorteilen des Torrens-Systems aus einer ökonomischen Perspektive Miceli/Sirmans, 10 J. Real Estate Finance & Econ. 81 (1995); Miceli, Economics of the Law, 1996, S. 128 ff.; Miceli/Sirmans/Kieyah, 3 Am. L. & Econ. Rev. 275 (2001). 916 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1108 Fn. 74; McCormack, 18 Wm. Mitchell L. Rev. 61, 86 ff. (1992). Im Jahre 1990 wurde die possessory title registration zuerst im Hennepin County (Minn.) eingeführt; McCormack, 18 Wm. Mitchell L. Rev. 61, 88 (1992). 917 Siehe auch Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 929 f. 918 §§ 508A.01 ff. Minn. St. In Colorado wurde versucht, ein ähnliches System einzuführen, dies ist jedoch am Widerstand verschiedener Lobbygruppen gescheitert; Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 930. 919 In Minnesota sind dies fünf Jahre. § 508A.01 Subd. 2 Minn. St. 911

138

Kapitel 2: Grundlagen

Zur Ausstellung des Zertifikats ist kein gerichtliches Verfahren erforderlich, es wird lediglich eine Recherche durch das Registeramt durchgeführt.920 10. Zusammenfassung Das angloamerikanische Grundstücksregister in der Form der recording of land titles kann durchaus als reine Sammlung von Übertragungsurkunden verstanden werden. Gerade die mangelhafte Indizierung und die daraus resultierende Unübersichtlichkeit fordern eine komplizierte und aufwendige Recherche.921 Erst durch eine solche title search kann das Grundstücksregister ein gewisses Maß an Publizität, Rechtssicherheit und Priorität der bestehenden Rechte gewährleisten. Das Register für sich alleine erfüllt diesen Zweck nicht. Doch selbst nach der Durchführung einer sorgfältigen Recherche können für den Eigentümer, für mögliche Erwerber und Kreditgeber noch Risiken bestehen. Der Inhalt des Registers kann beispielsweise auf Grund von nicht registrierten Urkunden (off-record defect) oder fehlerhaften Urkunden (on-record defect) unvollständig oder falsch sein. Die nur deklaratorische Registrierung hat zur Folge, dass Rechte existieren können, deren Übertragungsurkunden nicht registriert wurden.922 Diese sind trotzdem voll wirksam und können eventuell gegenüber dem Eigentümer oder dem späteren Erwerber geltend gemacht werden. Eine Überprüfung der Urkunden hinsichtlich dem Vorliegen einer Fälschung oder anderer Fehler erfolgt in der Regel weder durch das Registeramt noch durch eine andere unabhängige Stelle. Das Torrens-System verspricht zwar eine größere Sicherheit, birgt durch eine unzureichende finanzielle Ausstattung des Sicherungsfonds jedoch auch Gefahren. Zudem konnte es sich in keinem Bundesstaat flächendeckend durchsetzen. Die elektronische Datenverarbeitung hat zwar das Auffinden von Urkunden vereinfacht und ermöglicht eine schnelle Recherche, sie sorgt jedoch nur bedingt für eine höhere Rechtssicherheit. Die verbleibenden Risiken werden bei nahezu allen Rechtsübertragungen durch eine Rechtsmängelversicherung abgedeckt. Die angloamerikanischen Rechtsmängelversicherer haben im Jahr 2014 etwa 738 Millionen Dollar an durch Rechtsmängel entstandenen Schäden reguliert.923 Der Betrag macht

920

McCormack, 18 Wm. Mitchell L. Rev. 61, 88 (1992). Johnstone, 22 Val. U. L. Rev. 493, 545 (1988). 922 Szypszak, 24 Whittier L. Rev. 633, 670 (2003). 923 Diesem Betrag stehen im selben Zeitraum 11,3 Milliarden Dollar an eingenommenen Prämien gegenüber (vor der Subprime-Krise im Jahr 2006 beliefen sich die Einnahmen sogar auf über 15 Milliarden Dollar, bei einer Schadensregulierung von etwas über 800 Millionen Dollar); vgl. den Finanzbericht der Vereinigung der ALTA, 2014 Title Insurance Industry Annual Financial Statement, (besucht am 23.8.2015). 921

D. Registersysteme und Verfahren

139

deutlich, dass die Register tatsächlich mit einer Reihe von Fehlern behaftet sind und in der Praxis zahlreiche Schäden entstehen. III. Rechtsvergleich Die Registersysteme Deutschlands und der Vereinigten Staaten dienen grundsätzlich dem gleichen Zweck. Sie sollen für den Rechtsverkehr Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der an einem Grundstück bestehenden Rechte sicherstellen. Bei genauer Betrachtung sind beide Registersysteme sowohl hinsichtlich ihres Aufbaus als auch ihrer Wirkung völlig unterschiedlich. Das deutsche Grundbuch schafft mit Hilfe des Liegenschaftskatasters das Grundstück im Rechtssinne. Auf dieser Basis werden die an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse durch die Eintragung aller Rechtsänderungen dargestellt. Das Ergebnis ist ein Register, welches nach Grundstücken sortiert sämtliche bestehenden Rechtsverhältnisse darstellt. Das in den Vereinigten Staaten vorherrschende System der recording of land titles ist hingegen nicht durch einen strukturierten Aufbau nach den jeweiligen Grundstücken geprägt. Vielmehr werden sämtliche Übertragungsurkunden in chronologischer Reihenfolge aufgenommen. Eine Verknüpfung mit einem „Grundstück im Rechtssinne“ existiert nicht bzw. nur in einem sehr beschränkten Maße. Aus jeder Übertragungsurkunde muss auf das betroffene Grundstück geschlossen werden. Bei der Bezugnahme auf einen vorher registrierten Plan (recorded plat) lässt sich die jeweilige Urkunde und damit die Rechtsänderung einem Grundstück eindeutig zuweisen. Jedoch besteht dieses System vorwiegend in urbanen Regionen. Die Verwendung einer Grundstücksbeschreibung nach anderen Methoden, wie der metes-andbounds-Methode, kann schnell zu Zuordnungsproblemen von Rechtsänderungen führen. Selbst wenn eine solche Zuordnung gelingt, können alle ein konkretes Grundstück betreffenden Übertragungsurkunden nur durch eine umfangreiche Recherche anhand des name index ermittelt werden. Jede einzelne Übertragungsurkunde muss auf ihre Rechtsfolgen hin untersucht werden, um letztendlich sämtliche Rechtsverhältnisse darzustellen. Das Register alleine gibt keinerlei verlässliche Auskunft hierüber. Von Metzler bezeichnet beispielsweise die angloamerikanische Urkundensammlung als schlichte „Papierflut“,924 das Register wird auch als Lagerstätte oder Bibliothek von kopierten Dokumenten beschrieben.925 Das recording of land titles kann in diesem Zusammenhang nicht weiter als das Aufzeichnen von Rechtsvorgängen verstanden werden.

924

Von Metzler, Das anglo-amerikanische Grundbuchwesen, 1966, S. 43, der den technischen Apparat des Registers als „völlig unzulänglich“ ansieht. 925 „[…] it serves merely as a depository or library for copies of documents“, Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 774.

140

Kapitel 2: Grundlagen

Beide Grundstücksregister unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des Aufbaus und der Aussagekraft, sondern auch hinsichtlich ihrer rechtlichen Wirkung. Das deutsche Grundbuch ist zunächst durch eine obligatorische rechtsändernde Eintragung geprägt, die sowohl positive als auch negative Publizität auslöst. Der Rechtsanwender kann auf die Angaben des Grundbuchs vertrauen. Das angloamerikanische Register hat hingegen überhaupt keine rechtsändernde Wirkung. Die Rechtsübertragung findet alleine durch die Übergabe der Übertragungsurkunde statt. Die deklaratorische Registrierung sorgt nur für den Schutz vor einem gutgläubigen Erwerb Dritter. Ebenso besteht keine positive Publizität der erfassten Urkunden. Diese werden durch das Registeramt nur hinsichtlich weniger formeller Voraussetzungen überprüft. Zudem findet eine vorhergehende Prüfung durch einen Notar oder eine ähnlich Person nicht statt. Lediglich durch das acknowledgment wird sichergestellt, dass die Identität des Ausstellers einer Übertragungsurkunde richtig ist. Ohne eine eingehende Analyse im Rahmen einer title search kann überhaupt keine Aussage über bestehende Rechtsverhältnisse getroffen werden.926 Auf den ersten Blick scheint es einem mit dem Grundbuch aufgewachsenen deutschen Juristen kaum verständlich, dass ein Grundstücksmarkt mit dem oben dargestellten Registersystem überhaupt ohne große Probleme funktionieren kann. Der angloamerikanische Immobilienmarkt funktioniert jedoch „prächtig“. Wenn auch die hohe Zahl der Schadensregulierungen durch die Rechtsmängelversicherer auf häufig auftretende Rechtsstreitigkeiten schließen lässt. In den Vereinigten Staaten scheint kein Bedürfnis zu bestehen, die tatsächliche Rechtslage eines Grundstücks jederzeit einsehen zu können. Der verhältnismäßig hohe Anteil an Rechtsmängeln schreckt den Rechtsverkehr ebenso nicht ab. Zumindest konnten sich bisher keine der Reformbestrebungen durchsetzen, obwohl selbst angloamerikanische Autoren von einem fehlerhaften System sprechen, welches für jeden Erwerber inakzeptable Risiken berge.927 Die Gefahr von Risiken, die trotz einer sorgfältigen Recherche noch bestehen können, ist teilweise enorm und zieht eine Quasiverpflichtung zum Abschluss einer Rechtsmängelversicherung nach sich.928 Auf der anderen Seite darf das deutsche formalistische Grundbuchsystem nicht als Maß aller Dinge betrachtet werden; zumal in diesem Zusammenhang auch das materielle Recht gesehen werden muss. Bedingte Eigentumsrechte und ein automatischer Rechtsübergang können im deutschen Grundbuch nicht abgebildet werden. Darüber hinaus sorgt das verhältnismäßig einfache Registerverfahren der Vereinigten Staaten für Schnelligkeit und Einfachheit des 926 Siehe auch Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 55, der als grundsätzliches Problem von Titelregistern die Notwendigkeit der Mitwirkung einer rechtskundigen Person zur Ermittlung der bestehenden Rechtsverhältnisse sieht. 927 So beispielsweise Szypszak, 24 Whittier L. Rev. 633, 664 (2003). 928 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1082 Fn. 18.

D. Registersysteme und Verfahren

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Rechtsverkehrs, welcher dort als sehr wichtig erachtet wird. Die Registrierung kann innerhalb von Minuten nach der Übergabe der Übertragungsurkunde durch den Erwerber persönlich oder seinen Rechtsanwalt vorgenommen werden.929 Dies wird im Folgenden bei der Betrachtung des Erwerbsverfahrens, welches ebenso mit wenigen formellen Vorschriften auskommt, noch deutlicher werden.

929 Die Schnelligkeit dieses Verfahrens wird besonders deutlich, wenn die Übergabe der Übertragungsurkunde direkt im Registeramt stattfindet.

Kapitel 3

Grundstückserwerbsverfahren Die Übertragung von Grundstücksrechten findet fast ausschließlich innerhalb eines standardisierten Ablaufs statt, der bestimmte zwingende Schritte beinhaltet. Im Gegensatz zum Erwerb von Rechten an beweglichen Gegenständen oder immateriellen Rechtsgütern besteht beim Grundstückserwerb ein gesteigertes Interesse am ordnungsgemäßen und sicheren Ablauf des Übertragungsvorgangs. Die Grundstücke, an denen Rechte übertragen werden, sind unvertretbar und können – gerade in Ballungsgebieten – nicht einfach durch ein gleichwertiges Grundstück ersetzt werden. Zudem sind regelmäßig hohe finanzielle Werte betroffen, die gerade bei Privatpersonen einen großen Teil ihres Vermögens repräsentieren. Die Beteiligten sind aus diesem Grund in besonderem Maße an einer klaren Rechtslage interessiert. Nahezu alle Rechtsordnungen sehen deshalb für den Erwerb von Rechten an Immobilien im Gegensatz zu beweglichen Gegenständen ein weitaus formelleres Verfahren vor.1 Als Muster des Erwerbs von Grundstücksrechten wird im Folgenden der Erwerb des Eigentumsrechts dargestellt. Der Kauf eines Grundstücks von einer anderen Person ist sicherlich das klassische Grundstücksgeschäft schlechthin. Es beinhaltet zudem meist die Bestellung von Grundpfandrechten zur Absicherung der Finanzierung. Weiterhin treffen beim Erwerb des Eigentumsrechts die stark gegenläufigen Interessen von Erwerber und Veräußerer aufeinander. Ein solcher Konflikt besteht bei der Eigentumsübertragung von Todes wegen oder bei Schenkungen klassischerweise nicht. Der Grundstückserwerb findet regelmäßig in einem festen Ablauf verschiedener Vorgänge statt, die hinsichtlich unterschiedlicher Grundstücke nur gering voneinander abweichen. Der Erwerb eines Einfamilienhauses im ländlichen Raum und der eines riesigen Wolkenkratzers in einer Großstadt weichen in Hinsicht auf den Ablauf der verschiedenen Erwerbsschritte nur minimal voneinander ab. Das im Folgenden dargestellte Erwerbsverfahren des deutschen und angloamerikanischen Rechts umfasst nicht nur die rechtlichen Schritte, wie den Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrags und den sachenrechtlichen 1

Siehe von Metzler, Das anglo-amerikanische Grundbuchwesen, 1966, S. 15 ff., 110 ff., im Hinblick auf den schuldrechtlichen bzw. sachenrechtlichen Vertrag; siehe auch von Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, 1982, S. 68 ff.

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

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Rechtsübergang. Vielmehr erfolgen auch die Einbeziehung der Teile, die dem Erwerb vorausgehen (Erwerbsanbahnung), die Vorgänge zwischen schuldrechtlichem und dinglichem Geschäft (Zwischenverfahren) sowie Abläufe, die nach dem Rechtsübergang stattfinden. Die Interessen von Erwerber und Veräußerer, sowie die der weiteren Beteiligten, können schon vor Abschluss des Kaufvertrags bestehen und sich über die Rechtsübertragung hinaus erstrecken. Die beiden Hauptbestandteile des Erwerbsverfahrens stellen in rechtlicher Hinsicht in beiden Rechtsordnungen das Verpflichtungs- (Kaufvertrag und contract of sale) und das Verfügungsgeschäft2 (Auflassung und Eintragung sowie delivery und acceptance) dar. Die Darstellung des Erwerbsverfahrens erfolgt hier, vor allem wegen des unterschiedlichen Ablaufs und der verschiedenen beteiligten Personen in beiden Rechtsordnungen, in Form von Länderberichten. Die Beschreibung der einzelnen Schritte des Erwerbsverfahrens wird in chronologischer Reihenfolge und nicht hinsichtlich einzelner rechtlicher Probleme abgehandelt.3 Innerhalb der jeweiligen Erwerbsverfahren werden die maßgeblichen Rechtsfiguren, die der Sicherung der Interessen der Beteiligten dienen, nur kurz erläutert. Eine umfassende Behandlung der Sicherungsinstrumente und ihrer genauen Funktion erfolgt in Kapitel 4. Im Anschluss an das Erwerbsverfahren des angloamerikanischen Rechts wird kurz auf den gutgläubigen Erwerb sowie auf gesetzliche Rechtserwerbstatbestände eingegangen. Hierzu gehören der Erwerb von Todes wegen, der Rechtserwerb bei Bedingungseintritt oder Fristablauf und die in den Vereinigten Staaten mögliche Ersitzung von Grundstücksrechten.

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

Der Grundstückserwerb in Deutschland ist stark durch die obligatorische Mitwirkung eines Notars und die für eine Rechtsänderung notwendige Eintragung im Grundbuch geprägt.4 Eine Eigentumsübertragung bzw. auch jede andere Bestellung von dinglichen Grundstücksrechten ist ohne die Mitwirkung eines Notars nicht möglich. Weiterhin ist auffallend, dass der schuldrechtliche Kaufvertrag und die dingliche Auflassung in der Regel zum glei2

So zumindest die deutsche Terminologie. Einem solchen chronologischen Muster folgt in der Regel auch die angloamerikanische Lehrbuchliteratur, so beispielsweise Krier, Property, 2006; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008. In den deutschen Lehrbüchern wird eher hinsichtlich einzelner Rechtsprobleme gegliedert, so beispielsweise Baur/Stürner, Sachenrecht, 2009; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015. 4 §§ 311b Abs. 1, 873 Abs. 1, 2, § 925 Abs. 1 BGB, §§ 29, 39 GBO. 3

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

chen Zeitpunkt vor dem Notar geschlossen werden. Ein Verfahren zwischen beiden Geschäften existiert in Deutschland fast überhaupt nicht. Die Vorgänge, die bis zum Vertragsschluss vorgenommen werden, sind für Erwerber und Veräußerer weitgehend unverbindlich. I.

Vertragsanbahnung

Der Zeitraum der Vertragsanbahnung umfasst alle Vorgänge bis zum Abschluss des notariellen Grundstückskaufvertrags. Hierzu gehören vor allem die Kontaktherstellung zwischen dem potentiellen Käufer und dem Verkäufer und die Verhandlung der Parteien über den Inhalt und die Abwicklung des Kaufvertrags. Sofern der Käufer fremdes Kapital für die Finanzierung des Grundstückskaufs benötigt, muss er vor Vertragsschluss die Modalitäten der Finanzierung und der dinglichen Sicherung mit seinem Kreditgeber klären. Nachdem zwischen den Parteien grundsätzlich Einigkeit über den Kauf besteht, müssen sie einen Notar mit der weiteren Abwicklung beauftragen. Dieser nimmt daraufhin eine Überprüfung der sachenrechtlichen Verhältnisse vor und bereitet Kaufvertrag und Auflassung vor. Bereits während des Vorgangs der Vertragsanbahnung können zwischen den Parteien Verträge geschlossen werden, die eine gewisse Bindungswirkung enthalten (z.B. ein Vorvertrag) oder schlicht den Ablauf des Grundstücksgeschäfts vorzeichnen (z.B. ein Letter of Intent, der vor allem bei gewerblichen Transaktion geschlossen wird). 1.

Erstkontakt und Vermittlung durch einen Makler

Jedes Grundstücksgeschäft beginnt mit einem Kauf- oder Verkaufswunsch einer Person, der auf das Kauf- oder Verkaufsgesuch einer anderen Person trifft. Die Zusammenführung beider Personen ist der Beginn der Vertragsanbahnung. Der Kontakt beider Personen entsteht in der Regel durch die Veröffentlichung einer der beiden Gesuche. Dies geschieht vor allem bei Grundstücksgeschäften mit Privatpersonen über ein Inserat in der Tageszeitung oder mit zunehmendem Maße auch über Immobilienportale im Internet. Gerade große gewerbsmäßige Immobilientransaktionen, sowohl hinsichtlich Anzahl und finanziellem Umfang, finden häufig im Zusammenhang mit Unternehmensübernahmen oder Immobilieninvestitionen statt. Weiterhin spielen die Immobilienmakler5 bei der Vermittlung von Kaufund Verkaufsgesuchen eine große Rolle.6 Ein Makler handelt in der Regel im

5

Die Rolle des Maklers beim Immobilienerwerb wird hier kurz dargestellt, um später einen Vergleich mit dem angloamerikanischen Makler zu ermöglichen, der in besonders hohem Maße an Grundstücksgeschäften mitwirkt. Siehe zum Immobilienmakler ausführlich Gondring, Immobilienwirtschaft, 2009, S. 382 ff.

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

145

Auftrag von Käufer oder Verkäufer und versucht, eine gewünschte Immobilie oder einen Käufer zu finden. Der Maklervertrag nach § 652 BGB verpflichtet den Makler jedoch grundsätzlich zu keiner besonderen Leistung, sondern sieht nur eine Leistungspflicht des Auftraggebers für den Fall einer erfolgreichen Vermittlung vor, § 652 Abs. 1 Satz 1 BGB.7 Der Auftraggeber ist hingegen nicht verpflichtet, das Angebot des Maklers anzunehmen.8 In der Regel wird eine hiervon abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen. Diese sieht eine Pflicht des Maklers vor, für einen bestimmten Zeitraum auf den Abschluss des Grundstückgeschäfts hinzuwirken. Gleichzeitig verpflichtet sich der Auftraggeber, keine weiteren Makler zu beauftragen (sogenannter Alleinauftrag)9.10 Verpflichtet sich der Auftraggeber darüber hinaus auch im Fall eines Vertragsabschlusses eine Maklerprovision zu entrichten, liegt ein qualifizierter Alleinauftrag vor.11 Ein Makler kann gleichzeitig auf der Seite des Erwerbers und auf der des Veräußerers tätig werden (Gemeinschaftsgeschäft). Hier sind vor allem Besonderheiten hinsichtlich der Maklerprovision zu beachten.12 Den Makler treffen zusätzlich zu den vertraglich vereinbarten Pflichten Beratungs- und Aufklärungspflichten. Diese bestehen jedoch nur eingeschränkt, er ist nicht verpflichtet, aktiv eigene Erkundigung einzuholen oder Nachforschungen anzustellen.13 Eine juristische Beratung ist dem Makler nur in einem sehr eingeschränkten Umfang möglich. Er darf lediglich solche rechtsberatenden Tätigkeiten ausführen, die mit der Maklertätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stehen, § 5 RDG.14 Hierzu gehört etwa die Unterstützung bei Grundbuchsachen und Auskünften bei den Katasterbehörden oder die Beantragung von öffentlich-rechtlichen Genehmigungen.15 Hinsichtlich des eigentlichen Kaufvertrags findet eine beratende Tätigkeit wegen der späteren Mitwirkung eines Notars nur in sehr begrenztem Umfang statt.16 Der Makler übermittelt dem Notar regelmäßig die erforderlichen Angaben, die für die Einsicht im Grundbuch und Vorbereitung des Kaufvertrags sowie der 6

Im Jahre 1994 wickelten Makler über die Hälfte aller Verkäufe und Vermietungen in Deutschland ab. Ibold, Maklerrecht, 2009, Rn. 2. 7 Roth, in: MüKo, BGB, § 652 Rn. 3. 8 Reuter, in: Staudinger, BGB, Vorb §§ 652 Rn. 1. 9 Ibold, Maklerrecht, 2009, Rn. 17. 10 Roth, in: MüKo, BGB, § 652 Rn. 227 ff. 11 Roth, in: MüKo, BGB, § 652 Rn. 236. 12 Siehe Einzelheiten zum Gemeinschaftsgeschäft Pauly, NZM 2006, 161; Roth, in: MüKo, BGB, § 652 Rn. 267 ff. Selbst die Beteiligung desselben Maklers auf beiden Seiten ist grundsätzlich zulässig (Doppeltätigkeit). Zu den Einzelheiten Roth, in: MüKo, BGB, § 654 Rn. 7 ff.; Sotelo-Lubig, Doppeltätigkeit des Immobilienmaklers, 2009. 13 Siehe für Einzelheiten Roth, in: MüKo, BGB, § 652 Rn. 258 ff. 14 Reuter, in: Staudinger, BGB, Vorb §§ 652 Rn. 66. 15 Reuter, in: Staudinger, BGB, Vorb §§ 652 Rn. 67. 16 Chemnitz/Johnig, Rechtsberatungsgesetz, 2003, Rn. 541 ff.

146

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Auflassung erforderlich sind. Danach überlässt er die weitere Abwicklung dem Notar und wirkt nicht mehr am Verfahren mit. Die Höhe der erfolgsabhängigen Maklerprovision richtet sich in der Regel nach der Höhe des Kaufpreises der Immobilie und liegt zwischen drei und fünf Prozent.17 Diese kann auch in Form einer Maklerprovisionsklausel im notariellen Kaufvertrag zwischen Käufer und Verkäufer festgehalten werden.18 2.

Vertragsverhandlung

Nachdem der erste Kontakt zwischen potentiellem Käufer und Verkäufer hergestellt wurde, finden in der Regel eine Begutachtung der Immobilie und der Eintritt in konkrete Vertragsverhandlungen statt. Besteht zwischen den Parteien eine grundsätzliche Einigung über die maßgeblichen Vertragsinhalte wie Kaufpreis, Sachmängelhaftung und Zeitpunkt der Übertragung, folgt als nächster Schritt die Konsultation eines Notars zwecks Durchführung des weiteren Ablaufs des Erwerbsverfahrens. Aufgabe des Notars ist es dann, die Vereinbarung und Vorstellung der Parteien in eine juristisch korrekte Form umzusetzen, die Parteien aufzuklären und für die Einhaltung aller formellen Vorschriften zu sorgen.19 Bei einfachen Grundstücksgeschäften, wie dem Erwerb einer Immobilie zu privaten Zwecken, lassen sich die Parteien in der Regel nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten oder beraten.20 Jedoch kann bei speziellen Fragestellungen das Hinzuziehen eines spezialisierten Rechtsanwalts oder Steuerberaters notwendig sein. Der Notar ist grundsätzlich nur verpflichtet, über die

17 Roth, in: MüKo, BGB, § 652 Rn. 67a. Grundsätzlich schuldet der Auftraggeber die Maklerprovision. Sofern der Grundstücksmarkt es erlaubt, wälzt der Auftraggeber jedoch regelmäßig die Zahlungspflicht auf die Gegenseite ab; Reuter, in: Staudinger, BGB, § 653 Rn. 190 ff. 18 Roth, in: MüKo, BGB, § 652 Rn. 33 f.; siehe auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3185. 19 Brambring, in: Beck’sches Notar-HB, 2009, A. I. Grundstückskauf Rn. 1; siehe ausführlich zu den Aufgaben des Notars unten S. 257. 20 Bei Grundstücksübertragungen mit einem größeren Umfang oder im Umfeld eines Unternehmenskaufs, etwa beim Asset Deal (Heckschen, in: Beck’sches Notar-HB, D. V. Rn. 6 ff.), ist hingegen die Hinzuziehung von Rechtsanwälten üblich und auf Grund der rechtlichen Komplexität teilweise auch erforderlich. Diese nehmen meist die Ausarbeitung des schuldrechtlichen und dinglichen Vertrags selbst vor (Reithmann, DNotZ 2003, 603, 608). Die Beratung und Belehrung des Notars kann in diesen Fällen wegen der Kenntnis der beteiligten Personen über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse bzw. beim Bestehen einer Freizeichnungsklausel ausnahmsweise entfallen (Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 219; Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: BeurkG Rn. 497). Der Notar nimmt letztendlich nur noch die eigentliche Beurkundung vor.

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

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rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren, jedoch nicht über wirtschaftliche oder steuerrechtliche Folgen.21 Gerade bei größeren Grundstücksgeschäften können die Vertragsverhandlungen mitunter schwierig sein und lange andauern. Zudem besteht ein Interesse des Käufers, Unterlagen über das Grundstück einzusehen und zu überprüfen, um sich ein genaues Bild zu verschaffen (sogenannte Due Diligence).22 In diesem Zusammenhang vereinbaren die Parteien bereits vor Eintritt in konkrete Vertragsverhandlungen bestimmte Rahmenbedingungen, wie den zeitlichen Ablauf, die Durchführung der Due Diligence, die Vereinbarung von Vertraulichkeit mitsamt einer Vertragsstrafe.23 Diese Absichtserklärung wird auch Letter of Intent24 genannt. Bei solchen Absprachen im Zusammenhang mit einer Grundstücksübertragung muss im Besonderen auf eine eventuelle Formbedürftigkeit geachtet werden.25 Gleiches gilt für einen Vorvertrag, der nur bei inhaltlicher Vollständigkeit einklagbar ist.26 3.

Kaufpreisfinanzierung

Der Käufer muss bis zum Termin vor dem Notar die Finanzierung des Kaufpreises sicherstellen. Regelmäßig reichen die eigenen finanziellen Mittel nicht aus, um den vollständigen Kaufpreis zu begleichen, sodass eine zumindest anteilige Fremdfinanzierung erforderlich ist.27 Typischerweise wird die Finanzierung durch ein Kreditinstitut wie eine Bank, Sparkasse oder Bausparkasse abgewickelt. In neuerer Zeit wird auch immer öfter ein Kreditmakler beauftragt, der dem Kreditnehmer einen günstigen Kredit vermitteln soll.28 Der zu finanzierende Anteil am Kaufpreis ist in der Regel so hoch, dass der Kreditgeber eine Sicherheit verlangt, meist ein Grundpfandrecht am zu erwerbenden Grundstück.29 Erfüllt der Schuldner seine Pflicht aus dem Kreditvertrag nicht, kann der Gläubiger auf das Grundstück zurückgreifen und so 21

Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 237 ff., 264 ff. Ausführlich hierzu Steinke/Niewerth/Ludwig, Due Diligence bei Grundstücksgeschäften, 2009. 23 Steinke/Niewerth/Ludwig, Due Diligence bei Grundstücksgeschäften, 2009, §§ 1 ff. 24 Formulierungsvorschlag bei Steinke/Niewerth/Ludwig, Due Diligence bei Grundstücksgeschäften, 2009, S. 159 f. 25 Siehe hierzu Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3112; Wolf, DNotZ 1995, 179. 26 So Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 156, der aus diesem Grund den Abschluss eines Vorvertrags für überflüssig hält; ähnlich Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 98. 27 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 350. 28 Siehe hierzu Artz, in: Bülow/Artz, § 655a Rn. 1 ff. 29 Gondring, Immobilienwirtschaft, 2009, S. 681 f.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 350. In Deutschland meist die Grundschuld. Siehe Epp, in: Bankrechts-HB, § 94 Grundpfandrechte Rn. 2. 22

148

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

sein Ausfallrisiko minimieren. Bei der Bestellung des Grundpfandrechts besteht ein zeitliches Ablaufproblem. Der Kreditgeber verlangt die Sicherheit vor Auszahlung der Kreditsumme, der Schuldner kann wiederum das Grundpfandrecht erst nach vollständiger Eigentumsübertragung bestellen, die jedoch vom Verkäufer erst nach Zahlung des Kaufpreises veranlasst wird.30 Dieser Konflikt wird meist durch die Mitwirkung des Verkäufers bei der Pfandrechtsbestellung oder durch die Abwicklung der Kaufpreiszahlung über den Notar gelöst.31 Jeder Käufer eines Grundstücks hat unterschiedliche Anforderungen an die Höhe des für die Finanzierung des Kaufpreises notwendigen Anteils an Fremdkapital. Der deutsche Markt für die Finanzierung von Immobilien verhält sich klassischerweise sehr konservativ. Die erforderliche Eigenkapitalquote liegt mit über 20 Prozent32 signifikant höher als in den Vereinigten Staaten.33 Zudem besteht vorwiegend eine Zinsbindung über die komplette oder zumindest über einen großen Teil der Laufzeit des Kredits, die für eine Planungssicherheit beim Kreditnehmer sorgt.34 Eine Fremdfinanzierung ist meist nur bis etwa 80 bis 90 Prozent des Gesamtwertes möglich (Beleihungswert).35 Weiterhin ist der mit einem erstrangigen Grundpfandrecht gesicherte Kredit einer Pfandbriefbank36 auf eine Beleihungsgrenze von 60 Prozent beschränkt, § 14 PfandBG.37 Selbst bei einem Wertverlust der Immobilie ist es dem Kreditgeber so möglich, einen großen Teil des Kredits im Wege der Zwangsversteigerung zu erlangen. Im Rahmen der Finanzierung von Grundstücksgeschäften ist nicht nur an die Finanzierung des Kaufpreises zu denken. Die Kreditinstitute benötigen für die Finanzierung von Darlehen wiederum selbst finanzielle Mittel. Den Verkauf von Darlehensforderungen und deren Abtretung nutzen die Kreditgeber zur Refinanzierung und zur Diversifizierung38 ihres eigenen Risikos.39

30

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 350. Siehe hierzu ausführlich unten S. 345. 32 Siehe Gondring, Immobilienwirtschaft, 2009, S. 668. 33 Gerade vor der Subprime-Krise waren dort auch Hundert-Prozent-Finanzierungen durchaus üblich. Siehe zur Finanzierung in den Vereinigten Staaten unten S. 179. 34 Siehe Gondring, Immobilienwirtschaft, 2009, S. 674 ff., mit der Darstellung verschiedener Tilgungsmodalitäten. 35 Siehe zur Berechnung Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1303 f. 36 Hierzu sogleich. 37 Stöcker, in: Bankrechts-HB, § 87 Rn. 38. 38 Bredow/Vogel, BKR 2008, 271, 272. 39 Bachner, DNotZ 2008, 644, 644 f. 31

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

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In Deutschland wird hierfür häufig40 der Hypothekenpfandbrief verwendet, der eine besondere Form der Schuldverschreibung ist.41 Weiterhin können die Kreditgeber ihre hypothekarisch gesicherten Forderungen auch an Investoren veräußern. In Deutschland ist ein ausgeprägter Markt mit dem Handel von solchen verbrieften Forderungen im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten bisher noch nicht vorhanden.42 Obwohl ein solcher Weiterverkauf von Darlehen aus gesamtwirtschaftlicher Sicht für notwendig und sinnvoll erachtet wird,43 erfolgt die Betrachtung in Deutschland meist aus einer negativen Perspektive heraus und wird hauptsächlich mit Missbrauchsfällen in Verbindung gebracht.44 In Deutschland werden bisher meist die Forderungen notleidender Kredite übertragen,45 sodass eine Zwangsvollstreckung in das Grundstück durch den neuen Gläubiger wahrscheinlich ist. Der neue Darlehensgläubiger hat regelmäßig nicht die gleiche Nachsicht und Verhandlungsbereitschaft mit dem Schuldner wie die eigene Hausbank, mit der meist eine langjährige geschäftliche Verbindung besteht.46 II.

Termin vor dem Notar und notarielle Beurkundung

Nachdem zwischen Käufer und Verkäufer Einigkeit über das Grundstücksgeschäft besteht und der Käufer die Finanzierung sichergestellt hat, wird ein Termin vor dem Notar vereinbart. Dort findet sowohl eine Beratung und Belehrung durch den Notar als auch die notarielle Beurkundung von Kaufvertrag, Auflassung und Bestellung des Grundpfandrechts statt. Kaufvertrag und Auflassung sind zwei verschiedene Geschäfte, zwischen denen nach dem 40 In Deutschland bestehen Pfandbriefe mit einer Gesamtsumme von etwas über 700 Milliarden Euro. Stöcker, in: Bankrechts-HB, § 87 Rn. 4. 41 Der Aussteller verpflichtet sich zur Zahlung eines bestimmten Betrags zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Pfandbrief ist bei Zahlungsausfall durch einen Vermögenswert, hier ein Grundpfandrecht, gedeckt. Siehe ausführlich Stöcker, in: Bankrechts-HB, § 87 Rn. 10 ff. 42 Jahn, in: Bankrechts-HB, § 114 a Verbriefung von Forderungen – Asset Backed Securities („ABS“) Rn. 7. Zur Refinanzierung werden Kredite mit gleicher Laufzeit und Bonität gebündelt und hierfür Wertpapiere ausgegeben (Verbriefung); Jahn, in: Bankrechts-HB, § 114 a Verbriefung von Forderungen – Asset Backed Securities („ABS“) Rn. 1. Siehe zur Situation in den Vereinigten Staaten unten S. 182. 43 Siehe m.w.N. Bredow/Vogel, BKR 2008, 271, 272. 44 Siehe beispielsweise Bredow/Vogel, BKR 2008, 271. 45 M.w.N. Jahn, in: Bankrechts-HB, § 114 a Verbriefung von Forderungen – Asset Backed Securities („ABS“) Rn. 7. 46 Durch das Risikobegrenzungsgesetz (Gesetz zur Begrenzung der mit Finanzinvestitionen verbundenen Risiken vom 12.8.2008, BGBl. I, 1666) wurde diese Problematik zumindest teilweise entschärft. Siehe hierzu vor allem den neugeschaffenen § 1192 Abs. 1a BGB, welcher es ermöglicht, Einreden des schuldrechtlichen Sicherungsvertrags dem Erwerber der Grundschuld entgegenzusetzen; Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, § 1192 Rn. 42 f.; siehe auch Langenbucher, NJW 2008, 3169.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Trennungsprinzip streng unterschieden werden muss. Der schuldrechtliche Kaufvertrag begründet die Verpflichtung zu einer Leistung, beim Kaufvertrag zur Übergabe und Eigentumsverschaffung durch den Verkäufer, § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, und zur Kaufpreiszahlung durch den Käufer, § 433 Abs. 2 BGB. Die Auflassung sorgt hingegen in Verbindung mit der Eintragung im Grundbuch für den Eigentumsübergang. Bis auf wenige Ausnahmen muss die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Geschäfts isoliert von der dinglichen Rechtsübertragung betrachtet werden (Abstraktionsprinzip).47 1.

Vorbereitende Tätigkeit des Notars

Bevor der beauftragte Notar die notwendigen Unterlagen, vor allem Kaufvertrag und Auflassung, für die notarielle Beglaubigung vorbereiten kann, benötigt er einige Angaben48 des zu übertragenden Grundstücks. Weiterhin ist es ihm nur mit Kenntnis der bestehenden rechtlichen Verhältnisse möglich, die beteiligten Parteien über potentielle Gefahren und Rechtsfolgen des konkreten Geschäfts aufzuklären.49 Der Notar oder eine von ihm beauftragte Person50 holt deshalb zunächst eine Grundbucheinsicht, entweder elektronisch von seinem Amtssitz oder auf klassische Weise im Grundbuchamt selbst, ein. Die Einsicht umfasst alle Tatsachen, die für die Abwicklung des Geschäfts erforderlich sind. Im Fall des Kaufvertrags werden Eigentumslage sowie alle Belastungen in der zweiten und dritten Abteilung des Grundbuchs eingesehen.51 Der Notar kann mit Hilfe der Ergebnisse der Grundbucheinsicht und der Angaben von Käufer und Verkäufer den Entwurf von Kaufvertrag und Auflassung erstellen. 2.

Abschluss des notariellen Kaufvertrags

Der Abschluss des Kaufvertrags – als verpflichtender Vertrag über die Eigentumsübertragung an einem Grundstück – bedarf nach § 311b Abs. 1 BGB der notariellen Beurkundung. Der Vertrag ist sonst nichtig und entfaltet keine rechtlich bindende Wirkung, § 125 Satz 1 BGB.52 Der Kaufvertrag kann folg-

47 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 114 ff. Siehe zur Durchbrechung des Abstraktionsprinzips bereits oben S. 108. 48 Siehe hierzu die Checkliste bei Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 9 ff. 49 Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 1. 50 Z.B. durch einen sachkundigen und zuverlässigen Mitarbeiter; Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 11. 51 Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 13 ff. Es besteht hingegen keine Pflicht, die Grundakten einzusehen. 52 Siehe ausführlich zu Inhalt und Zweck der Formvorschriften unten S. 263.

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

151

lich nur vor einem Notar geschlossen werden.53 Die Beurkundung von Angebot und Annahme erfolgt in der Regel gleichzeitig; lediglich beim Vorliegen sachlich gerechtfertigter Gründe ist eine getrennte, sukzessive Beurkundung möglich.54 Eine solche separate Beurkundung ist allerdings unüblich und birgt für die Parteien gewisse Nachteile. Die Beratung durch den Notar ist in diesem Fall nur eingeschränkt möglich, und die Vertragsfreiheit wird auf Grund fehlender Verhandlungsmöglichkeiten stark verkürzt.55 In der Praxis werden Kaufvertrag und Auflassung meist in einem gemeinsamen Dokument abgefasst.56 Eine getrennte Beurkundung kann bei der Veräußerung noch nicht vermessener Grundstücke sinnvoll sein, zwingend ist sie jedoch nicht.57 Weiterhin können die Parteien durch eine getrennte Beurkundung verhindern, dass das Verpflichtungsgeschäft zu den Grundakten gelangt und somit der Inhalt des Kaufvertrags der beschränkten Öffentlichkeit des Grundbuchs unterliegt.58 Die gemeinsame Beurkundung beider Geschäfte hat natürlich keinen Einfluss auf das Bestehen zweier rechtlich voneinander unabhängiger Verträge (Trennungsprinzip).59 Der Notar fertigt über die Beurkundung der Willenserklärungen von Käufer und Verkäufer eine Niederschrift (§ 8 BeurkG) an,60 die er den Beteiligten vorliest (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG).61 Er erforscht hierbei den Willen der Parteien und den dem Rechtsgeschäft zugrunde liegenden Sachverhalt. Ebenso klärt er über die rechtlichen Folgen des Geschäfts auf, § 17 Abs. 1 BeurkG.62 Die Niederschrift muss daraufhin von Käufer und Verkäufer genehmigt und eigenhändig unterzeichnet werden, § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG. Zuletzt bezeugt der Notar den Inhalt der Urkunde und das persönliche Erscheinen der bezeichneten Personen durch seine Unterschrift.63 53

Eine Ausnahme besteht beim gerichtlichen Vergleich § 127a BGB und bei der Handlung eines Konsularbeamten, § 10 Abs. 2 KonsG; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 217. 54 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 175; siehe auch Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 885. 55 So Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 885, der im Einzelfall eine vollmachtlose Vertretung empfiehlt. 56 Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 435; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 221. 57 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 877 ff. 58 So Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 222. 59 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 118. 60 Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 8 BeurkG Rn. 5 ff.; zum genauen Inhalt der Niederschrift Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 9 BeurkG Rn. 1 ff. 61 Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 13 BeurkG Rn. 3 ff. 62 Siehe Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 18; sowie ausführlich unten S. 268. 63 Winkler, BeurkG, § 13 Rn. 79.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Die Niederschrift muss die Beteiligten zweifelsfrei bezeichnen, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeurkG.64 Auf Grund der hohen Beweiskraft der öffentlichen Urkunde und der Gutglaubenswirkung des Grundbuchs ist eine besonders sorgfältige Identitätsfeststellung erforderlich.65 Das Ausmaß der Identitätsprüfung (§ 10 Abs. 1 BeurkG) steht grundsätzlich im Ermessen des Notars und richtet sich nach dem konkreten Geschäft.66 Sofern der Notar die Beteiligten nicht kennt,67 überprüft er deren Identität in der Regel anhand eines amtlichen Lichtbildausweises.68 Mit Abschluss der Niederschrift durch den Notar entsteht eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO.69 3.

Erklärung der Auflassung

Neben dem Abschluss des Kaufvertrags erklären die Parteien vor dem Notar regelmäßig gleichzeitig die Auflassung.70 Sie stellt die dingliche Einigung im Sinne des § 873 Abs. 1 BGB zwischen Erwerber und Veräußerer über die Übertragung des Eigentumsrechts an einem Grundstück dar, § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie ist Teil des Doppeltatbestandes aus Einigung und Eintragung, der für die Übertragung eines Grundstücksrechts erforderlich ist (Traditionsprinzip). Die dingliche Einigung besteht aus zwei übereinstimmenden

64

Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 9 BeurkG Rn. 4; Winkler, BeurkG, § 9 Rn. 7 ff. 65 BGH DNotZ 1956, 502. Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 158. Siehe auch § 26 DONot. 66 Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 10 BeurkG Rn. 7; Winkler, BeurkG, § 10 Rn. 16. Siehe hierzu auch Bohrer, MittBayNot 2005, 460. 67 Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 10 BeurkG Rn. 8; Winkler, BeurkG, § 10 Rn. 17. 68 Z.B. Personalausweis, Reisepass, Führerschein; Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 10 BeurkG Rn. 9; Winkler, BeurkG, § 10 Rn. 19 ff. Siehe zu Besonderheiten im Zusammenhang mit dem GwG Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 10 BeurkG Rn. 15 f.; Winkler, BeurkG, § 10 Rn. 31 ff. Siehe zur Identitätsprüfung auch unten S. 352. 69 Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 8 BeurkG Rn. 6; Winkler, BeurkG, § 13 Rn. 79. Die Urkunden werden beim Notar für 100 Jahre verwahrt. Siehe § 5 Abs. 4 S. 1 DONot. 70 Der Begriff der Auflassung entstammt dem alten deutschen Recht, er fand sich schon im ALR. Ursprünglich bezeichnet er die feierliche und rituelle Übergabe des Grundstücks. Der alte Eigentümer „verlässt“ das Grundstück; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 925– 928 Rn. 3; Weirich, DNotZ 1982, 669, 670 f. „Der Veräußerer eines Grundstücks öffnete in Anwesenheit von zugezogenen Zeugen Fenster und Türen des Gebäudes, löschte das Herdfeuer, trat vor das Haus und führte den Erwerber um die Grundstücksgrenzen herum. Der Erwerber erwarb an dem Anwesen dadurch Besitz und Eigentum, daß er das ihm so aufgelassene Haus betrat, Fenster und Türen schloß und das Herdfeuer anzündete.“ Köbl, DNotZ 1983, 207, 216.

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Willenserklärungen,71 welche auf die Eigentumsänderung an einem Grundstück gerichtet sind.72 Die Auflassung kann im Gegensatz zu der Übertragung des Eigentumsrechts an beweglichen Sachen nicht von einer Bedingung abhängen oder befristet werden, § 925 Abs. 2 BGB. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Angaben über den Eigentümer im Grundbuch nicht von einem unsicheren Faktor abhängen und von der rechtlichen Realität abweichen.73 Andere dingliche Rechte als das Eigentum können jedoch einer Bedingung oder Befristung unterliegen,74 welche jedoch im Grundbuch ausdrücklich mit aufgenommen werden müssen.75 In der Praxis besteht jedoch eine Notwendigkeit, den Eigentumsübergang von einer Bedingung abhängig zu machen.76 Der Veräußerer will, dass der Erwerber das Eigentum erst erlangt, wenn er seinerseits den vollständigen Kaufpreis erhalten hat. Da die Auflassung nicht von solch einer Bedingung abhängen kann, bedient man sich eines Hilfskonstrukts. Nicht die Auflassung steht unter einer Bedingung, sondern lediglich deren Vollzug (Vollzugsvorbehalt).77 Hierbei handelt es sich um einen Vorbehalt der Eintragung der Auflassung in das Grundbuch. Solche Anweisungen sind nicht dinglicher Natur und unterliegen deshalb nicht der Bedingungsfeindlichkeit des § 925 Abs. 2 BGB. In Betracht kommt entweder eine Anweisung an den Notar, der die Eintragung nur bei Eintritt der Bedingung zu veranlassen hat, eine Bedingung im Eintragungsantrag selbst, der vom Grundbuchamt vor Vornahme der Eintragung zu überprüfen ist, oder eine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen den Parteien.78 Sobald die Bedingung, wie etwa die Kaufpreiszahlung, eingetreten ist, erfolgt die Veranlassung der Eintragung der Auflassung, die die Rechtsänderung auslöst.79 Die dingliche Einigung über die Übertragung von Grundstücksrechten unterliegt grundsätzlich keinen besonderen Formvorschriften des materiellen Rechts.80 Die Übertragung des Eigentumsrechts muss jedoch bei gleichzeitiger Anwesenheit von Erwerber und Veräußerer vor der zuständigen Stelle, in

71 Auf den dinglichen Vertrag sind alle Vorschriften des Allgemeinen Teils des BGB anwendbar, wie beispielsweise die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit, Stellvertretung, Willenserklärungen und Willensmängel. 72 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 41. 73 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 91. 74 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 116 ff. 75 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 91. 76 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 215. 77 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 98. 78 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 99. 79 Siehe noch unten ausführlich zum Vollzugsvorbehalt sowie zum Schutz von Käufer und Verkäufer in dieser Situation S. 325. 80 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 117.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

der Regel vor einem Notar,81 erklärt werden, § 925 Abs. 1 BGB. Die Erklärung vor dem Notar muss grundsätzlich nicht notariell beurkundet werden, um Wirksamkeit zu entfalten. Sie ist formlos möglich.82 Die Formlosigkeit wird allerdings durch besondere verfahrensrechtliche Voraussetzungen, die für die Eintragung von Rechtsänderungen im Grundbuch erforderlich sind, überlagert.83 Eine Eintragung im Grundbuch soll nur erfolgen, wenn die Einigungserklärungen des Berechtigten (Veräußerer) und des anderen Teils (Erwerber) durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen werden, §§ 20, 29 GBO. Dies hat zur Folge, dass auch die Auflassung notariell beurkundet wird, meist gemeinsam mit dem schuldrechtlichen Geschäft in einem Dokument.84 Das Beurkundungserfordernis ist eine reine Ordnungsvorschrift, ihre Missachtung hat keine materiell-rechtlichen Folgen. Das Grundbuch wird bei der Eintragung der nicht beurkundeten Auflassung nicht unrichtig.85 Der dingliche und schuldrechtliche Vertrag werden durch § 925a BGB verfahrensrechtlich miteinander verknüpft. Die Auflassung soll nur erfolgen, wenn gleichzeitig die nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB errichtete Urkunde, der Kaufvertrag, vorgelegt oder gleichzeitig errichtet wird. Die Vorschrift des § 925a BGB bildet eine „Brücke zwischen Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft“86 und soll für die Einhaltung der notariellen Form sorgen.87 Sie hat jedoch keinen Einfluss auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip. Die Beurkundung der Auflassung findet in der gleichen Form wie der des Kaufvertrags statt. 4.

Sicherung durch Vormerkung

Zusätzlich zur Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung wird in der Regel von den Parteien vereinbart, dass für den Käufer eine Vormerkung zur Sicherung des schuldrechtlichen Anspruchs aus dem Kaufvertrag, dem Eigentumsverschaffungsanspruch aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB, im Grundbuch eingetragen wird.88 Eine solche Eigentumsvormerkung89 schützt den Käufer 81 Die Auflassung kann in Ausnahmefällen vor den Gerichten oder einem Konsularbeamten erklärt werden; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 81. 82 Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 925 Rn. 14. 83 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 209. 84 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 221. 85 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 101. 86 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925a Rn. 4. 87 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925a Rn. 3. 88 Die Eintragung einer Vormerkung stellt bei Grundstücksgeschäften den Regelfall dar, sodass bei der Beschreibung des Ablaufs des weiteren Verfahrens von deren Verwendung ausgegangen wird. 89 Der Begriff der Eigentumsvormerkung passt besser als der sonst übliche Begriff der Auflassungsvormerkung. Siehe hierzu Weirich, DNotZ 1982, 669.

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

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bis zur endgültigen Eintragung der Auflassung und der folgenden Rechtsänderung vor Zwischenverfügungen des Verkäufers.90 Dem Käufer steht zwar grundsätzlich ein Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer bei Zwischenverfügungen zu, dieser geht jedoch nur auf Geld und kann unter Umständen wegen Insolvenz des Schuldners wertlos sein.91 Die Vormerkung bewirkt die relative Unwirksamkeit von Verfügungen, die einen Anspruch des Inhabers der Vormerkung (Erwerber) vereiteln oder beeinträchtigen, § 883 Abs. 2 BGB.92 Der durch die Vormerkung zu sichernde Anspruch93 muss zunächst auf die Eintragung eines eintragungsfähigen Rechts gerichtet sein.94 Weiterhin muss der Gläubiger des Anspruchs mit dem Vormerkungsberechtigten übereinstimmen.95 Die Vormerkung entsteht durch die Eintragung einer einseitigen Bewilligung des Betroffenen, also des Verkäufers, im Grundbuch, § 885 Abs. 1 Satz 1 BGB.96 Eine Einigung ist hingegen nicht erforderlich.97 Die Eintragungsbewilligung muss in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO beantragt werden, also auch durch eine öffentlich beglaubigte Urkunde eines Notars. Sie wird meist zusammen mit Kaufvertrag und Auflassung beurkundet.98 5.

Grundpfandrecht – Dingliche Sicherung der Finanzierung

Im Termin beim Notar erfolgt regelmäßig auch die Bestellung eines Grundpfandrechts zu Gunsten des Kreditgebers des Käufers, das zur Sicherung der Darlehensforderung dient. Der Erwerber ist hier auf die Mitwirkung des Veräußerers angewiesen. Nur dieser kann vor Eigentumsübertragung ein Grundpfandrecht wirksam bestellen.99 Bereits im notariellen Kaufvertrag erklärt sich der Veräußerer einverstanden, ein Grundpfandrecht für den Kreditgeber des Erwerbers eintragen zu lassen. Der Veräußerer bewilligt die Eintragung, bevor das Eigentumsrecht durch Eintragung übergeht.100 Weiterhin kann der Veräußerer den Erwerber auch bevollmächtigen, eine Grundschuld zum 90

Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 5. Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 871. 92 Siehe Einzelheiten zu Voraussetzungen, Wirkungsweise und Bedeutung der Vormerkung unten S. 316. 93 Siehe zur Vormerkung zukünftiger und bedingter Ansprüche Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 885 f. 94 Siehe zu weiteren Ansprüchen, die neben der Kaufpreiszahlungen durch eine Vormerkung gesichert werden können Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 27 ff. 95 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 70. 96 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 895. 97 Die Bewilligung ist lediglich eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 885 Rn. 4. 98 Siehe z.B. Dieckmann, in: Beck’sches Formularbuch, IV.A. 2. Anm. 1. 99 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 350. 100 Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 267 ff. 91

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Zweck der Kaufpreisfinanzierung zu bestellen.101 Entsteht ein Grundpfandrecht, schon bevor das Eigentum übergegangen ist, muss der Veräußerer besonders geschützt werden. Beim Scheitern des Grundstücksgeschäfts besteht die Gefahr, dass der Verkäufer den Kaufpreis nicht erhält, an seinem Grundstück jedoch ein Grundpfandrecht zu Gunsten des Kreditgebers des vermeintlichen Käufers besteht.102 Das Grundpfandrecht entsteht durch Einigung und Eintragung im Grundbuch, § 873 Abs. 1 BGB. Die Einigung ist, mit Ausnahme der Übertragung des Eigentumsrechts in Form der Auflassung, formfrei möglich.103 Die notarielle Beurkundung der Einigung über die Bestellung des Grundpfandrechts ist auch allgemein unüblich.104 Es wird lediglich die Erklärung des Grundstückseigentümers bzw. des bevollmächtigten Erwerbers beurkundet.105 Die Erklärung der Bank besteht in der Beauftragung des Notars, den Einigungsantrag auch für diese zu stellen.106 Dieses Anschließen stellt zumindest eine konkludente Einigungserklärung dar.107 Aus diesem Grund ist ein Vertreter des Kreditgebers vor allem bei normalen Grundstückserwerbsgeschäften von Privaten nicht beim Termin vor dem Notar und der Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung anwesend. Der Käufer kann ebenso im Rahmen des Grundstückserwerbs ein bereits bestehendes und dinglich gesichertes Darlehen des Verkäufers übernehmen (Schuldübernahme), welches auf den Kaufpreis angerechnet wird.108 III. Vollzug durch den Notar Über die Beurkundung des schuldrechtlichen und dinglichen Geschäfts hinaus wird der Notar von den Parteien mit der weiteren Abwicklung der

101

Epp, in: Bankrechts-HB, § 94 Grundpfandrechte Rn. 114. Siehe hierzu ausführlich zu den Alternativen und Ablauf der Sicherung von Erwerber und Veräußerer bei der Bestellung des Grundpfandrechts unten S. 345. 103 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 50. 104 Epp, in: Bankrechts-HB, § 94 Grundpfandrechte Rn. 117. 105 Grund für die notarielle Beurkundung ist meist die Unterwerfung des Gläubigers unter die sofortige Zwangsvollstreckung, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO. Siehe hierzu unten S. 324. 106 Epp, in: Bankrechts-HB, § 94 Grundpfandrechte Rn. 118. 107 Epp, in: Bankrechts-HB, § 94 Grundpfandrechte Rn. 118; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 53. 108 Dies bedarf jedoch der Genehmigung des Gläubigers (Inhaber des Darlehensanspruches, meist eine Bank), § 415 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Übernahme von Darlehensverbindlichkeiten und bestehender Grundschulden ist unter dem Gesichtspunkt der Ersparnis von Neufinanzierungskosten für den Käufer vorteilhaft (Kosten für Wertgutachten, Notar und Grundbucheintragung). Der Verkäufer kann bei noch langer Restlaufzeit seines Darlehens ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung den Vertrag auf den Käufer übertragen; Brambring, in: Beck’sches Notar-HB, 2009, A. I. Grundstückskauf Rn. 337. 102

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

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Rechtsübertragung beauftragt.109 Nachdem Verkäufer und Käufer vor dem Notar alle erforderlichen Erklärungen abgegeben haben und diese notarielle beglaubigt worden sind, vollzieht der Notar die in den Urkunden an ihn gestellten Aufträge. Hierzu gehören, neben der Stellung der Eintragungsanträge im Grundbuch, die Abwicklung der Kaufpreiszahlung und die Einholung von Genehmigungen und Erklärungen.110 Die Bevollmächtigung des Notars zur Stellung der erforderlichen Anträge erfolgt regelmäßig in rechtsgeschäftlicher Form im Kaufvertrag bzw. der Auflassung.111 1.

Antrag auf Eintragung der Vormerkung

Der Notar stellt zunächst den Antrag auf Eintragung der Vormerkung. Der Antrag sollte immer (auch) im Namen des Begünstigten (also des Käufers) gestellt werden,112 da so eine Rücknahme ohne dessen Einverständnis nicht mehr möglich ist.113 Für die Eintragung im Grundbuch ist die Eintragungsbewilligung des Betroffenen (also des Verkäufers), der Eintragungsantrag durch den Betroffenen oder den Begünstigten und die Voreintragung des Betroffenen (§ 39 GBO), also dessen Berechtigung im Grundbuch, erforderlich. Im Antrag ist zusätzlich der Rechtsgrund des zu sichernden Anspruchs, also der Kaufvertrag, anzugeben. Eine Überprüfung dessen Wirksamkeit steht dem Grundbuchamt nicht zu.114 2.

Antrag auf Eintragung des Grundpfandrechts

Der Antrag auf Eintragung des Grundpfandrechts wird ebenso vor der Abwicklung der Kaufpreiszahlung und dem Antrag auf Eintragung der Auflassung gestellt. Der Kreditgeber fordert das Bestehen des Grundpfandrechts, bevor er die Auszahlung der Kreditsumme vornimmt. Der Notar stellt den Antrag auf Eintragung. Diese erfordert die dingliche Einigung nach § 873

109

Salzig, in: BeckOF Vertragsrecht, 8.1.1 Kaufvertrag über ein bebautes Grundstück

§ 12.

110

Siehe Hagemann, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 549 ff. Siehe den Musterkaufvertrag von Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1., unter III. Durchführung und Hinweise § 1 Abwicklung. Zudem sieht das Gesetz in § 15 GBO eine gesetzliche Vermutung für die Bevollmächtigung des Notars vor; Böttcher, in: Meikel, GBO, § 15 Rn. 12. 112 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 906. 113 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 13 Rn. 89. Bei Antragstellung unter Bezugnahme auf § 15 GBO wird eine Antragstellung im Namen beider vermutet; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 182. 114 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 908. Siehe ausführlich zur Bestellung der Vormerkung unten S. 316. 111

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Abs. 1 BGB und die Eintragungsbewilligung des Eigentümers, §§ 19, 29 GBO.115 3.

Einholung von Erklärungen, Genehmigungen sowie Mitteilungspflichten

Dem Vollzug des Grundstückgeschäfts, vor allem der Eintragung der Eigentumsänderung, können öffentlich-rechtliche Hindernisse, vor allem Vorkaufsrechte und erforderliche behördliche Genehmigungen, entgegenstehen.116 Der Notar belehrt die Parteien über eventuell vorliegende Verfügungsbeschränken und deren mögliche Auswirkungen auf das Grundstücksgeschäft, § 18 BeurkG.117 Der Notar ist beispielsweise verpflichtet, alle in Frage kommenden öffentlich-rechtlichen Vorkaufsberechtigten über den Grundstückserwerb zu informieren.118 Hierzu gehört vor allem die Gemeinde, der nach §§ 24 f. BauGB ein Vorkaufsrecht in bestimmten Fällen zusteht.119 Bei Nichtausübung oder Nichtbestehen eines Vorkaufsrechts erteilt die Gemeinde eine Verzichtserklärung, § 28 Abs. 1 Satz 3 BauGB. Das Vorliegen der Verzichtserklärung der Gemeinde ist verfahrensrechtlich zwingend für die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch erforderlich (§ 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB) und wird durch das Grundbuchamt überprüft.120 Weiterhin kann eine Genehmigung des Grundstücksgeschäfts nach § 2 GrdstVG erforderlich sein.121 Sofern es sich um ein genehmigungspflichtiges Grundstücksgeschäft handelt, holt der Notar bei der zuständigen Behörde die erforderliche Genehmigung ein. Die Eintragung des Eigentumswechsels eines betroffenen Grundstücks darf ohne das Vorliegen der entsprechenden Genehmigung nicht erfolgen und ist vom Grundbuchamt zu überprüfen.122 Die Genehmigungspflichtigkeit bezieht sich sowohl auf das schuldrechtliche als auch auf das dingliche Rechtsgeschäft, § 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG. Der Notar ist zudem verpflichtet, das zuständige Finanzamt über den Grundstückserwerb zu informieren, §§ 18, 20, 21 GrEStG. Die Mitteilung ermöglicht dem Finanzamt die reibungslose Erhebung der Grund- und Grunderwerbssteuern.123 Erst nach Begleichung der Grunderwerbssteuer 115

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1537. Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, Rn. 320 ff. 117 Einzelheiten bei Winkler, BeurkG, § 18 Rn. 1 ff. 118 Ausführlich Grziwotz, in: Meikel, GBO, Einl J Rn. 225 ff. 119 Siehe hierzu Reidt, in: Battis/Krautzberger, BauGB, § 24 Rn. 1 ff. 120 Grziwotz, in: Meikel, GBO, Einl J Rn. 246. 121 Vor allem wenn landwirtschaftlich genutzte Grundstücke betroffen sind, § 1 Abs. 1 GrdstVG. Siehe hierzu ausführlich Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3933 ff. 122 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 4020. Ein vor der Einholung der Genehmigung geschlossener Kaufvertrag ist bis Erteilung der Genehmigung schwebend unwirksam; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3944. 123 Hagemann, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 560 ff. 116

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

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durch den Steuerschuldner (in der Regel der Erwerber) und dem Erhalt der Unbedenklichkeitsbescheinigung durch das Finanzamt ist die Eintragung des Erwerbs im Grundbuch möglich, § 22 Abs. 1 GrEStG.124 Das Grundbuch überprüft das Vorliegen der Unbedenklichkeitsbescheinigung.125 Weiterhin teilt der Notar dem Gutachterausschuss der kreisfreien Städte und Landkreise die Transaktion mit, § 195 Abs. 1 BauGB.126 4.

Abwicklung der Eintragungen und Kaufpreiszahlung

Nachdem der Notar die Anträge auf Eintragung der Vormerkung und des Grundpfandrechts gestellt sowie alle erforderlichen Genehmigungen beantragt hat, informiert er beide Parteien über den Fortschritt des Verfahrens. Die weiteren Schritte können erst vorgenommen werden, wenn das Grundpfandrecht bzw. die Eigentumsvormerkung im Grundbuch eingetragen worden sind. Nachdem das Grundbuchamt die beantragten Eintragungen überprüft und vorgenommen hat, benachrichtigt es den Notar127 über die erfolgten Eintragungen (Eintragungsmitteilung), § 55 Abs. 1 GBO.128 Für den Notar besteht eine Amtspflicht, die Mitteilungen des Grundbuchamts hinsichtlich ihres sachlichen Inhalts zu überprüfen.129 Wurde die Eintragung des Grundpfandrechts im Grundbuch ordnungsgemäß vorgenommen, informiert der Notar den Kreditgeber hierüber. Dieser verfügt nun über ein dingliches Sicherheitsrecht und kann das Darlehen an den Erwerber auszahlen. Teilweise reicht dem Kreditgeber für die Auszahlung auch eine „Bestätigung“ des Notars, welche die Stellung des Eintragungsantrags und die verlangte Rangstelle des Grundpfandrechts bestätigt (Notarbestätigung).130 Ebenso informiert der Notar den Käufer über die erfolgte Eintragung der Vormerkung und das Vorliegen der für eine Eintragung der Eigentumsänderung erforderlichen Genehmigungen. Zudem fordert der Notar den Käufer auf, den nun fälligen Kaufpreis an den Verkäufer zu überweisen. Der Verkäufer wird vom Notar hierüber ebenfalls in Kenntnis gesetzt

124

Hagemann, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 563. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 148 ff. 126 Hagemann, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 568. Siehe Näheres zu Aufgabe und Funktion des Gutachterausschusses Reidt, in: Battis/Krautzberger, BauGB, § 192 Rn. 1 ff. 127 Sowie die Antragsteller und übrigen Betroffenen, sofern der Notar den Antrag nicht nach § 15 GBO gestellt hat. Morivilius, in: Meikel, GBO, § 54 Rn. 7. 128 Morivilius, in: Meikel, GBO, § 55 Rn. 6 ff. 129 Diese Amtspflicht leitet sich aus der Übernahme des Vollzugs ab (str.). Siehe jeweils m.w.N. Morivilius, in: Meikel, GBO, § 54 Rn. 44; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 188; Winkler, BeurkG, § 53 Rn. 56; siehe ausführlich unten S. 274. 130 Hagemann, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 591. Siehe zur Notarbestätigung unten S. 346. 125

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

und aufgefordert, diesen über den Eingang der Kaufpreiszahlung zu informieren. Die Kaufpreiszahlung kann beim Vorliegen besonderer Voraussetzungen unter Mitwirkung des Notars abgewickelt werden, § 54a Abs. 2 BeurkG.131 Der Notar verwahrt in diesem Fall die Kaufpreiszahlung auf einem sogenannten Anderkonto und überweist den Kaufpreis nach Vorliegen aller Voraussetzungen an den Verkäufer.132 Der Regelfall ist jedoch eine direkte Kaufpreisabwicklung zwischen Käufer und Verkäufer, ohne die Zwischenschaltung eines Notars. 5.

Kaufpreiszahlung und Antragstellung auf Eintragung

Sobald der Notar vom Verkäufer über den Zahlungseingang informiert wurde, vollzieht er die Auflassung. Hierzu beantragt er die Eintragung der Auflassung im Grundbuch.133 Das Grundbuchamt bearbeitet die Anträge in dem bereits oben dargestellten Verfahren. In diesem Zusammenhang findet eine Überprüfung der eingereichten Unterlagen bis auf wenige Ausnahmen nur in formeller Hinsicht statt.134 Beim Vorliegen aller Voraussetzungen veranlasst das Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Die Eintragung wird wirksam, sobald sie von der zweiten Person unterzeichnet wird, § 44 Abs. 1 Satz 2 und 3 GBO135 bzw. wenn die Eintragung im maschinell geführten Grundbuch im dafür vorgesehenen Datenspeicher auf Dauer unveränderlich gespeichert wird, § 129 Abs. 1 Satz 1 GBO.136 Mit der endgültigen Eintragung geht das Eigentumsrecht am Grundstück auf den neuen Inhaber über. Nach der Konzeption des deutschen Rechts ist für die Übertragung von Rechten an Grundstücken der Doppeltatbestand (Traditionsprinzip)137 von dinglicher Einigung (Auflassung) und Eintragung im Grundbuch erforderlich, § 873 Abs. 1 BGB.138 Der Rechtsübergang beinhaltet mit der Einigung einen privaten und mit der Eintragung einen hoheitlichen Akt. Einigung und Eintragung müssen inhaltlich übereinstimmen, um eine wirksame Rechtsänderung auszulösen. Eine bestimmte Reihenfolge beider Vorgänge muss grundsätzlich nicht eingehalten werden, wenn auch in der Praxis die Einigung regelmäßig vor der Eintragung erfolgt.139 131

Siehe zu den Voraussetzungen Winkler, BeurkG, § 54a Rn. 16 ff. Siehe Einzelheiten bei Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A I. Grundstückskauf Rn. 753 ff.; sowie ausführlich unten S. 321. 133 Siehe Musterschreiben bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 257. 134 Siehe zum Verfahren und der Prüfungskompetenz des Grundbuchamtes oben S. 107. 135 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 44 Rn. 7 136 Engel, in: Meikel, GBO, § 129 Rn. 5 ff. 137 Siehe hierzu grundlegend oben S. 29. 138 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 4. 139 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 9. 132

A. Deutschland – Rechtssicherheit durch Notar und Grundbuch

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Gleichzeitig mit dem Antrag auf Eintragung der Auflassung beantragt der Notar regelmäßig die Löschung der Vormerkung, die nach Eigentumsübergang nicht mehr notwendig ist.140 Nachdem der Notar vom Grundbuchamt über die Eintragung informiert wurde (§ 55 Abs. 1 GBO), weist er den Eigentümer nach erneuter Grundbucheinsicht über dessen Eintragung als neuen Eigentümer im Grundbuch hin.141 Mit dieser Mittteilung an den Erwerber ist das Grundstücksgeschäft vollständig abgeschlossen. IV. Zusammenfassung Das deutsche Erwerbsverfahren ist durch die obligatorische Mitwirkung des Notars gekennzeichnet. Bevor die erforderlichen Verträge geschlossen werden, klärt er die Parteien über die Rechtsfolgen und Risiken der Eigentumsübertragung auf und zeigt mögliche Alternativen zur sicheren Abwicklung. Die zusätzliche Beratung durch einen Rechtsanwalt findet in Deutschland nur in Ausnahmefällen statt. Zudem wirkt der Kreditgeber beim Grundstückserwerb nur indirekt über den Erwerber mit. Er ist regelmäßig nicht beim Abschluss von Kaufvertrag und Auflassung anwesend. Weiterhin ist der Notar für die Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung zuständig, die zwingend für die Stellung der Eintragungsanträge beim Grundbuchamt erforderlich ist. Nach dem Schluss von Kaufvertrag und Auflassung übernimmt er die Abwicklung des Erwerbsverfahrens. Er stellt die Anträge beim Grundbuchamt und überwacht die Einhaltung der weiteren Erwerbsschritte, wie Einholung von Genehmigungen, Beachtung von Mitteilungspflichten, Kaufpreiszahlung und ordnungsgemäße Vornahme der Eintragungen. Das Erwerbsverfahren ist durch die zwingende Mitwirkung des Notars und das umfangreiche Grundbuchverfahren sehr stark formalistisch geprägt. In der Praxis führt beides mitunter zu einem mehr oder weniger langen Zeitraum zwischen Abschluss des Kaufvertrags und endgültigem Eigentumsübergang.142 Die maschinelle Führung des Grundbuchs hat jedoch zu einer Beschleunigung von Grundbucheintragungen geführt. Auffallend ist zudem, dass die rechtliche Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zumindest in tatsächlicher Hinsicht nicht klar erkennbar ist. Kaufvertrag und Auflassung werden gemeinsam beurkundet und sind zumindest für den Laien nicht als zwei getrennte Geschäfte erkenn-

140

Siehe Musterschreiben bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 257. Siehe Musterschreiben bei Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 258. 142 Siehe für einen extremen Fall BGH DNotZ 2007, 371, die Anlegung der Wohnungseigentumsgrundbuchs und die Eintragung der Eigentumsvormerkung hatte fast zwei Jahre gedauert; das Grundbuchamt war überlastet. Dem Eigentümer stand jedoch ein Entschädigungsanspruch gegen den Staat zu. 141

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

bar. Natürlich hat dies keinen Einfluss auf das Bestehen des Trennungs- und Abstraktionsprinzips.

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

Das Grundstückserwerbsverfahren in den Vereinigten Staaten unterscheidet sich vom deutschen Verfahren sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht. Zunächst nimmt auch das angloamerikanische Recht eine Trennung des Erwerbsverfahrens in zwei rechtlich selbstständige Geschäfte vor. Es besteht aus dem Abschluss des schuldrechtlichen Kaufvertrags und der Übergabe der Übertragungsurkunde, die den Rechtsübergang auslöst. Eine obligatorische Eintragung im Grundstücksregister ist für den Eigentumsübergang nicht erforderlich.143 In tatsächlicher Hinsicht unterscheidet sich das Erwerbsverfahren vor allem in der zeitlichen Abfolge. Zwischen Abschluss des Kaufvertrags und Übergabe der Übertragungsurkunde besteht eine nicht unerhebliche zeitliche Zäsur. Die Zeitspanne zwischen beiden Vorgängen wird für die Überprüfung der Rechtsverhältnisse am zu übertragenden Grundstück und zur Sicherstellung der Kaufpreisfinanzierung genutzt. Die Eigentumsübertragung ist kaum an formelle Erfordernisse geknüpft, sie kann zumindest theoretisch in extrem kurzer Zeit und simpel erfolgen.144 Für die Abwicklung des Erwerbs ist keine mit dem deutschen Notar vergleichbare Person, welche die formellen Belange der Übertragung beaufsichtigt und eine unabhängige rechtliche Beratung gewährleistet, erforderlich. Diese Rolle wird (zumindest teilweise) von Maklern, Rechtsanwälten, Rechtsmängelversicherern oder Kreditgebern übernommen. Der Ablauf des Grundstückserwerbs erfolgt trotz der teilweise unterschiedlichen Rechtslage in den Bundesstaaten nach einer durchgängigen, übereinstimmenden Grundstruktur.145 I.

Vertragsanbahnung und Vermittlung unter Mitwirkung eines Maklers

Der Erstkontakt zwischen potentiellem Käufer und Verkäufer eines Grundstücks findet in den Vereinigten Staaten überwiegend durch Mitwirkung eines 143

Siehe einführend zum Trennungsprinzip und dem Privatsystem bereits oben S. 29. Siehe hierzu das Beispiel eines spontanen und unkomplizierten Grundstückserwerbs bei Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 891: „[…] P […] spots V’s house with a ,For Saleʻ sign […], P can pull out her checkbook and write V a check, in return for which V can write a deed to the property (the back of an old envelope will do) and immediately hand it to P. Presto, the transaction is completed!“ 145 Kennedy Dawson, 7 N.C. Banking Inst. 277, 283 (2003). 144

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

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Maklers (real estate broker bzw. agent) statt.146 Zudem ist es durchaus üblich, dass beide Parteien einen Makler einschalten, um ein passendes Grundstück bzw. einen Käufer zu finden.147 Die Beauftragung des Maklers erfolgt durch einen Vertrag zwischen dem Makler und dem potentiellen Käufer bzw. Verkäufer.148 Der Maklervertrag wird listing contract bzw. listing agreement genannt,149 da die Vermittlungstätigkeit hauptsächlich über eine standardisierte Datenbank, den Multiple Listing Service (MLS)150 abgewickelt wird. Der Auftraggeber verpflichtet sich, im Falle eines Vertragsschlusses eine Provision an den Makler zu zahlen, der Makler zur Vermittlung eines Käufers bzw. Verkäufers.151 Die Provision wird fällig, sobald der Makler einen Käufer findet, der bereit und fähig ist, das Grundstück zu den im Maklervertrag genannten Bedingungen zu erwerben.152 Für den Vertragsschluss werden meist standardisierte Verträge der Nationalen Makler-Vereinigung (National Association of Realtors, NAR) verwendet.153 Der Makler ist in der Regel zum Abschluss von Untermaklerverträgen berechtigt, um so eine Vermittlung zu beschleunigen. Bei Erfolg einer Vermittlung wird die Provision zwischen den beteiligten Maklern aufgeteilt.154 Im Gegensatz zu Deutschland benötigt der Makler in den Vereinigten Staaten fast immer eine spezielle Lizenz.155 Er muss eine Prüfung ablegen, deren Hürde jedoch nicht allzu groß ist.156 146

Sotelo-Lubig, Doppeltätigkeit des Immobilienmaklers, 2009, S. 155. In den USA wurden im Jahre 2004 77 Prozent aller Immobilienverkäufe über einen Makler abgewickelt. Hahn/Litan/Gurman, 35 Real Est. L. J. 86, 87 (2006). Siehe zur historischen Entwicklung des Maklers Dallon, 54 Fla. L. Rev. 395, 396 ff. (2002). 147 Daneben existieren noch die klassischen Vermittlungsmethoden über Tageszeitungen oder For-Sale-Schilder sowie das Internet. Es wird davon ausgegangen, dass durch die Nutzung des Internets die Rolle des Maklers v.a. auf der Seite des Käufers zurückgehen wird; Hahn/Litan/Gurman, 35 Real Est. L. J. 86, 97 f. (2006). 148 In der Regel erfolgt die Beauftragung durch den Verkäufer; Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 2.01 (S. 2-4 f.). 149 Siehe ausführlich zum listing agreement 2 California Real Estate §§ 5:1 ff. 150 Siehe hierzu 2 California Real Estate §§ 5:24, 5:32. 151 12 CJS Brokers § 71; 152 „[…] the broker will be paid an agreed commission if he produces a purchaser ready, willing, and able to buy the listed property under the terms of the contract.“ Star Supply Co. v. Jones, 665 S.W.2d 194, 196 (Tex. 1994). Teilweise wird auch gefordert, dass tatsächlich ein Kaufvertrag bzw. eine Eigentumsübertragung zustande kommt. Siehe ausführlich 2 California Real Estate §§ 5:41 ff.; Mulliken, 132 Mil. L. Rev. 265 (1991). 153 Siehe beispielsweise das Formular der Nebraska Real Estate Commission, abgedruckt bei Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 873 ff. 154 Sotelo-Lubig, Doppeltätigkeit des Immobilienmaklers, 2009, S. 155 f.; Hahn/Litan/ Gurman, 35 Real Est. L. J. 86, 91 f. (2006). 155 2 California Real Estate §§ 5:1 ff. Siehe auch die gesetzlichen Regelungen § 440-a RPL of N.Y.; § 10000 ff. Bus. & Prof. Code of Cal. und § 93A-N.C.G.S. 156 So Burke, Real estate transactions, 2006, S. 41 f.

164

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Die eigentliche Vermittlungsleistung findet heute vorwiegend durch die bereits genannte Datenbank, den Multiple Listing Service, statt. Nachdem ein Makler beauftragt wurde, wird das Angebot oder Gesuch in die Datenbank eingegeben. Eine solche Datenbank existiert für zahlreiche Regionen in den Vereinigten Staaten und wird von den lokalen Organisationen der Nationalen Makler-Vereinigung zur Verfügung gestellt und verwaltet.157 Die teilnehmenden Makler haben Zugriff auf die Datenbank und können nach geeigneten Interessenten oder Immobilien suchen. Ein solches Verzeichnis existiert seit über einhundert Jahren158 und wickelt heute weit über neunzig Prozent aller Transaktionen mit der Beteiligung von Maklern ab.159 Die Makler sind in den Vereinigten Staaten auch über die reine Vermittlung zwischen Käufer und Verkäufer hinaus am Grundstückserwerb beteiligt.160 Sie stellen beispielsweise standardisierte Kaufverträge zur Verfügung, füllen diese aus, beraten ihre Kunden in Bezug auf verschiedene Rechtsfolgen oder in Finanzierungsfragen und vertreten diese sogar in Verwaltungsverfahren.161 Ebenso wirken sie bei der Eigentumsübertragung im Rahmen des closing mit.162 Die Makler haben in weiten Teilen des Grundstückserwerbs die Rechtsanwälte verdrängt.163 II.

Der Kaufvertrag – Contract of sale

Der Abschluss des Kaufvertrags (contract of sale)164 erfolgt regelmäßig unmittelbar nachdem sich die Parteien über den wesentlichen Inhalt des Vertrags geeinigt haben. Der Kaufvertrag verpflichtet den Verkäufer nicht zur Verschaffung des Eigentumsrechts am Grundstück schlechthin, sondern „nur“ zur Verschaffung eines marktfähigen bzw. eines hinreichend einwandfreien Eigentumsrechts, eines sogenannten marketable title. Eine weitere Besonderheit des angloamerikanischen Grundstückkaufvertrags ist der Abschluss unter einer Finanzierungsbedingung. Der Käufer behält sich das Recht vor, den Vertrag nicht erfüllen zu müssen, sofern er keine Finanzierung für den Kaufpreis erhält. Zusätzlich zahlt der Käufer bei Vertragsschluss meist eine An-

157

Die NAR hat etwa 1,3 Millionen Mitglieder und insgesamt bestehen mehr als neunhundert regionale MLS in den Bundesstaaten; Nagalski, 73 Brook. L. Rev. 771, 772 f. (2008). 158 Nagalski, 73 Brook. L. Rev. 771, 772 (2008). 159 Sotelo-Lubig, Doppeltätigkeit des Immobilienmaklers, 2009, S. 155. 160 Kennedy Dawson, 7 N.C. Banking Inst. 277, 280 f. (2003). 161 Goudey, 75 Or. L. Rev. 889, 889 f. (1996). 162 Hahn/Litan/Gurman, 35 Real Est. L. J. 86, 91 (2006). 163 Siehe allgemein zur Verdrängung des Rechtsanwaltes im Grundstückserwerbsverfahren unten S. 170. 164 Auch short-term, earnest money, deposit receipt, binder oder marketing contract. Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 892.

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

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zahlung (earnest money), die der Verkäufer unter Umständen beim Scheitern als pauschalierten Schadensersatz erhält. 1.

Vertragsinhalt

a)

Pflicht zur Verschaffung eines marketable title

Die Verpflichtung des Verkäufers zur Verschaffung eines marketable title hat seinen Ursprung in der Gestaltung des angloamerikanischen Grundstückregisters. Die an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse können nicht einfach abgelesen werden, sondern erfordern eine umfangreiche Analyse des Registerinhalts durch eine title search. Doch selbst eine solche Recherche kommt nur in wenigen Fällen zu einem eindeutigen Ergebnis.165 Vielmehr ist das Ergebnis eine Darstellung der Rechtsverhältnisse, wie sie durch die Untersuchung zu Tage getreten sind. Das Ergebnis der title search stellt eine juristische Meinung des Zustands des Rechts dar und enthält oft Einschränkungen und Ungewissheiten. Zudem muss die Ansicht nicht mit der tatsächlichen Rechtslage übereinstimmen.166 Enthielte der Kaufvertrag die Verpflichtung zur Übertragung eines „perfekten“ Rechts ohne jegliche Einschränkung, könnte der Käufer die Erfüllung des Verkäufers ablehnen oder auf Grund von möglichen Rechtsmängeln Ersatzansprüche geltend machen. Weiterhin ist es nicht möglich, den durch die title search ermittelten Rechtszustand in den Kaufvertrag zu übernehmen. Die Ausgaben für die Nachforschung sind sehr kostspielig und wären im Fall eines Scheiterns des Kaufvertragsschlusses verloren. Aus diesem Grund erfolgt die title search fast ausschließlich nach dem Abschluss des Kaufvertrags.167 Das Konzept des marketable title beruht auf der Annahme, dass der Verkäufer ein perfektes Recht übertragen und der Käufer ein solches erwerben will. Da solche perfekten Rechte selten und schwer zu identifizieren sind, genügt die Übertragung eines nicht zweifelfreien Rechts. Ein marketable title reicht zur Erfüllung aus.168 Ein marketable title169 liegt vor, wenn das Eigentumsrecht keine „erheblichen Mängel“ aufweist, die die rechtliche Nutzbarkeit des Grundstücks einschränken.170 Das Grundstücksrecht muss zumindest so weit nachgewiesen 165

Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 774. Siehe ausführlich zu Durchführung und Aussagekraft der title search unten S. 358. 167 Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 181. 168 Stoebuck/Whitman, The law of property, 2000, S. 775; ausführlich Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, §§ 4:1 ff. (S. 4-2 ff.). 169 Vereinzelt auch merchantable title, good title oder clear title. 170 „[…] a title which has no defects of a serious nature, and none which affect the possessory title of the owner, ought to be adjudged marketable.“ Kenefick v. Shumaker, 116 N.E. 319, 323, 64 Ind.App. 552, (Ind. 1917). Siehe auch 3 American law of property § 11.48; 77 Am. Jur. 2d Vendor and Purchaser §§ 104 f.; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 48. 166

166

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

und frei von nachvollziehbaren Zweifeln sein, dass ein durchschnittlicher Käufer es als Erfüllung annehmen würde.171 Die reine Möglichkeit oder ein schlichter Verdacht von Rechtsmängeln reicht nicht aus, um die Marktfähigkeit zu versagen.172 Bei der Qualifikation eines Grundstücksrechts als marketable title haben Umstände, die nur die tatsächliche Nutzbarkeit einschränken, wie etwa Umweltverschmutzungen oder öffentliche Nutzungsbeschränkungen, keinen Einfluss.173 Zu den genauen Voraussetzungen und Ausnahmen existiert eine umfassende Judikatur, die im konkreten Einzelfall heranzuziehen ist.174 Selbst eine Formulierung im Kaufvertrag wie perfect title, good title oder first class title, welche die Verpflichtung zur Verschaffung eines perfekten Rechts vermuten lässt, wird von der Rechtsprechung lediglich als Verpflichtung zur Übertragung eines marketable title interpretiert.175 Sofern den Parteien bereits bei Vertragsschluss bekannt ist, dass bestimmte Rechte am Grundstück bestehen, können sie auch die Übertragung eines marketable title mit entsprechenden Einschränkungen vereinbaren. Eine solche Beschränkung können etwa ein bestehendes Grundpfandrecht, das vom Käufer übernommen werden soll, oder eine Grunddienstbarkeit sein.176 Eine übliche Alternative zum marketable title ist die Verpflichtung zur Übertragung einer Rechtsposition, die von einem Rechtsmängelversicherer abgesichert wird (insurable title).177 Die Rechtsmängelversicherer verlangen jedoch in der Regel vor Vertragsschluss eine title search, die einen marketable title nachweist;178 bzw. ein marketable title liegt zumindest dann nicht vor, wenn 171 „A marketable title means a title free from reasonable doubt both as to matters of law and fact – a title which a reasonable purchaser, well informed as to the facts and their legal bearings, willing and ready to perform his contract, would, in the exercise of that prudence which business men ordinarily bring to bear upon such transactions, be willing to accept and ought to accept.“ Robinson v. Bressler, 240 N.W.2d 564, 469, 122 Neb. 461 (Neb. 1932). 172 77 Am. Jur. 2d Vendor and Purchaser § 106. Norwegian Evangelical Free Church v. Milhauser, 252 N.Y. 186, 190, 169 N.E. 134 (N.Y. 1929). 173 77 Am. Jur. 2d Vendor and Purchaser § 103; sowie beispielhaft Humphries v. Ables, 789 N.E.2d 1025, 1033 (Ind. 2003). 174 Berger/Johnstone/Tracht, Land transfer and finance, 2007, S. 435. Siehe mit zahlreichen Nachweisen A.G.S., 57 A.L.R. 2d 1253 (1928). Siehe auch die Title Standards Nr. 2 ff. der Real Estate Bar Association (REBA) von Massachusetts, abgedruckt bei 28B Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms Ch. 58 REBA Tit. Std. 175 Siehe m.w.N. 3 American law of property § 11.47. 176 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 4:3.1 (S. 4-18 f.). Meist führt der Kaufvertrag die Fundstelle des deed, der die Belastung enthält, auf. 177 Siehe 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 3.11; 17 Williston on Contracts § 50:20. 178 Berger/Johnstone/Tracht, Land transfer and finance, 2007, S. 435. Siehe Näheres zur title insurance und den erforderlichen Voraussetzungen für deren Abschluss unten S. 382.

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

167

keine uneingeschränkte Rechtsmängelversicherung abgeschlossen werden kann.179 Enthält der Kaufvertrag hingegen keine ausdrückliche Regelung, so wird vermutet, dass die Parteien sich konkludent über die Verschaffung eines marketable title geeinigt haben.180 Sowohl Verkäufer als auch Käufer vertrauen folglich beim Abschluss des Kaufvertrags auf die Möglichkeit des Verkäufers, einen marketable title zu verschaffen bzw. dass eventuelle Rechtsmängel am Grundstück noch vor der Rechtsübertragung aus dem Weg geräumt werden können.181 b) Vertragliche Regelung bei Unmöglichkeit zur Verschaffung eines marketable title Bei Abschluss des Kaufvertrags besteht für Käufer und Verkäufer keine Sicherheit, dass der Verkäufer tatsächlich Inhaber eines marketable title ist. Diese Frage lässt sich erst nach der Durchführung der title search beantworten. Aus diesem Grund enthält der Kaufvertrag meist eine Regelung über die Folgen der Unmöglichkeit des Verkäufers, einen marketable title zu verschaffen.182 Eine solche Regelung kann beispielsweise eine Haftung des Verkäufers, verbunden mit einem Schadensersatzanspruch des Käufers, sein. Weiterhin besteht die Möglichkeit, dem Verkäufer einen Zeitraum zur Herstellung eines marketable title oder ein Rücktrittsrecht einzuräumen. Ebenfalls kann dem Käufer ein Kaufpreisminderungsrecht zustehen oder er kann im Falle des Rücktritts seine vergeblichen Aufwendungen, vor allem für die title search, gegenüber dem Verkäufer geltend machen. Der Kaufvertrag kann den Käufer auch mit einem Recht ausstatten, den Verkäufer zur Heilung des Mangels zu zwingen.183 Beim Fehlen einer vertraglichen Regelung für den Fall des Scheiterns sehen die meisten Bundesstaaten einen umfangreichen Schadensersatzanspruch des Käufers vor.184 Der Verkäufer hat die Differenz zwischen Kaufpreis und

179 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 3.11; 17 Williston on Contracts § 50:20; 1 California Real Estate § 2:22. 180 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 4:3.1 (S. 4-18); Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 181 f.; 1 California Real Estate § 2:22. 181 Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 181. 182 1 Real Estate Transactions – Structure and Analysis with Forms, § 1:60; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 4:3 (S. 4-15). 183 1 Real Estate Transactions – Structure and Analysis with Forms § 1:60; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 4:3 (S. 4-15 f.). Siehe Formulierungsvorschläge, die einen gerechten Interessenausgleich vorsehen, Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 4:3 (S. 4-16 ff.). 184 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 7:2.3 (S. 7-60 ff.); 12 California Real Estate § 34:44; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 3:34.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

dem tatsächlichen Grundstückswert zu ersetzen (America Rule).185 Sofern der Verkäufer jedoch gutgläubig an seine eigene Berechtigung geglaubt hat, verweigern manche Bundesstaaten dem Käufer einen umfangreichen Schadensersatzanspruch (good faith rule).186 Ihm steht nur ein Aufwendungsersatzanspruch zu, der sich vor allem auf die Kosten für die Durchführung der title search, für andere Untersuchungen des Grundstücks und die Rechtsanwaltskosten beschränkt.187 Die Bewahrung des Verkäufers vor weiteren Schadensersatzansprüchen geht auf eine englische Gerichtsentscheidung aus dem Jahre 1776188 zurück und wird deshalb auch als English Rule bezeichnet.189 Auf Grund der unterschiedlichen Beurteilung eines Schadensersatzanspruchs in den Bundesstaaten ist eine vertragliche Regelung im Kaufvertrag erforderlich, um eine für den Einzelfall angemessene Risikoverteilung vorzusehen.190 c)

Finanzierungsvorbehalt

In den Vereinigten Staaten wird der Kaufvertrag über ein Grundstück meist zu einem sehr frühen Zeitpunkt geschlossen. Bis das Ergebnis der mitunter schwierigen title search feststeht und das closing durchgeführt wurde, vergeht ein gewisser Zeitraum. Während dieser Periode müssen beide Parteien Sicherheit über die Ernsthaftigkeit des anderen Teils an dem Grundstücksgeschäft haben. Diese wird über eine frühe vertragliche Bindung erreicht. Solch eine frühe Verpflichtung ist ebenso im Interesse der Makler, die ein Abwenden der Parteien und einen damit verbundenen Verlust der Maklerprovision verhindern wollen.191 185

Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 3:34 Fn. 96. Siehe beispielsweise für Kalifornien § 3306 Cal. Civ. Code, der auf eine Gesetzesänderung aus dem Jahr 1983 zurückgeht; vorher galt noch die American Rule. Auch der ULTA enthält in § 2-510 eine modifizierte American Rule. 186 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 7:2.3 (S. 7-64 ff.). 187 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 7:2.3 (S. 7-64 ff.). 188 Flureau v. Thornhill, 2 W.B.I. 1078, 96 Eng. Rep. 638 (1776). 189 Manche Bundesstaaten haben die English Rule im Bereich des Grundstücksrechts auch gesetzlich geregelt. Siehe beispielsweise Title 23 § 27 Okla. St.: „The detriment caused by the breach of an agreement to convey an estate in real property, is deemed to be the price paid and the expenses properly incurred in examining the title and preparing the necessary papers, with interest thereon; but adding thereto, in case of bad faith the difference between the price agreed to be paid, and the value of the estate agreed to be conveyed, at the time of the breach, and the expenses properly incurred in preparing to enter upon the land.“ 190 Ähnlich Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 3:34. 191 „[…] often they [the real estate agents] are in a hurry to get it [the sales contract] signed before the parties cool off.“ Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 896.

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

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Der Käufer hat vor Abschluss des Kaufvertrags oft noch keine Gelegenheit, sich um eine Finanzierung oder eine erforderliche Baugenehmigung zu kümmern. Aus diesem Grund werden viele Kaufverträge unter dem Vorbehalt einer Finanzierung oder Erteilung einer Baugenehmigung getroffen. Auf diese Weise verhindert der Käufer im Fall des Scheiterns der Finanzierung oder Nichterteilung der Baugenehmigung die Entstehung eines Schadensersatzanspruchs des Verkäufers wegen Nichterfüllung des Vertrags.192 Der Kaufvertrag sieht jedoch teilweise vor, dass der Verkäufer in einem solchen Fall die Anzahlung als pauschalierten Schadensersatzanspruch vom Käufer einbehalten kann. Die Formulierung der Finanzierungsklausel muss sehr detailliert erfolgen, um nicht wegen Unbestimmtheit unwirksam zu sein. Eine Formulierung, die den Kaufvertrag unter die „einfache“ Bedingung stellt, dass der Käufer eine Finanzierung für das Geschäft erhält, ist nicht ausreichend.193 Die Auslegung einer ungenauen Klausel unter der Berücksichtigung der Umstände des Geschäfts ist jedoch grundsätzlich möglich.194 Stellt sich eine Klausel als zu unbestimmt und somit als unwirksam dar, hat dies die Unwirksamkeit und Nichtdurchsetzbarkeit des gesamten Kaufvertrags zur Folge. Aus diesem Grund sind detaillierte Finanzierungsklauseln in einem Kaufvertrag üblich. Sie enthalten unter anderem die genauen Angaben über Höhe, Laufzeit und maximalen Zinssatz, den der Käufer bei Abschluss eines Kredites bereit ist einzugehen.195 Der Käufer ist mit Abschluss des Kaufvertrags verpflichtet, sich um einen Kredit mit dem im Vertrag festgelegten Inhalt zu bemühen und muss dies im Zweifel nachweisen.196

192

Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 985 f. Als nicht ausreichend wurde folgende Klausel erachtet: „This offer to purchase is further contingent upon the purchaser obtaining the proper amount of financing.“ Gerruth Realty Co. v. Pire, 17 Wis.2d 90, 90, 115 N.W.2d 557 (Wis. 1962). 194 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 986. 195 Siehe beispielsweise die Formulierung bei 11PT1 Real Property Practice §§ 3.25: „The balance of the purchase price shall be paid as follows: […] By Buyer delivering a purchase-money bond and mortgage to Seller at closing. This purchase-money bond and mortgage shall be in the amount of $ [dollar amount of purchase-money bond and mortgage], shall be amortized over a term of [number of years] years, and all due and payable [number of years] years from the date of closing, shall bear interest at the rate of [percentage rate of annual interest] % per year, and shall be paid in monthly installments of $ [dollar amount of monthly installments], including principal and interest.“ 196 „[The buyer has to] make diligent efforts to obtain mortgage financing“. Lynch v. Andrew, 20 Mass.App.Ct. 623, 625, 481 N.E.2d 1383 (Mass. 1985). Siehe Näheres m.w.N. 1 California Real Estate §§ 1:159 f.; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 992. 193

170

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Entsprechendes gilt für Klauseln, die den Kaufvertrag unter die Bedingung der Erteilung einer Baugenehmigung oder Änderung des Bebauungsplans (zoning) stellen.197 2.

Vertragsgestaltung und Rechtsberatung

In den Vereinigten Staaten besteht in keinem Bundesstaat die Pflicht, vor oder zum Abschluss des Kaufvertrags eine mit dem deutschen Notar vergleichbare Person aufzusuchen. Ebenso ist keine öffentliche Beurkundung vorgesehen. Das Fehlen einer mit dem Notar vergleichbaren Person hat zur Folge, dass bei Grundstückstransaktion keine Unterstützung bei der konkreten Gestaltung und Formulierung des Kaufvertrags von staatlicher Seite vorgeschrieben ist. Nichtsdestotrotz bedienen sich die Parteien anderer Personen, um eventuelle Formalien einzuhalten, rechtliche Fragestellungen zu klären und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Gerade Privatpersonen haben in der Regel keine ausreichenden Kenntnisse oder Erfahrungen, um einen Grundstückskaufvertrag ohne Unterstützung abzuschließen. Sie benötigen für die Sicherstellung der Einhaltung der erforderlichen Regelungen und die Wahrung ihrer Interessen eine (rechtliche) Beratung durch Dritte. In der historischen Entwicklung spielten Rechtsanwälte bei der Durchführung von Grundstücksgeschäften eine große Rolle. Sie sorgten lange Zeit alleine für die Einhaltung aller erforderlichen Vorschriften, Beratung der Parteien, Vornahme der title search und Abwicklung des gesamten Geschäfts. Doch gerade bei alltäglichen Übertragungen von privatem Grundeigentum hat eine Verdrängung dieser professionellen Beratung zu Gunsten von Maklern und Rechtsmängelversicherern stattgefunden.198 a)

Mitwirkung von Rechtsanwälten und deren Verdrängung

Grundstücksgeschäfte gehörten ursprünglich zu den typischen Arbeitsfeldern von Rechtsanwälten in den Vereinigten Staaten.199 Sie waren maßgeblich an sämtlichen Schritten des Erwerbsverfahrens beteiligt. Zunächst erfolgte vor Abschluss des Kaufvertrags die Beauftragung eines eigenen Rechtsanwalts durch den Käufer und den Verkäufer. Die widerstreitenden Interessen konnten auf diese Weise gewahrt werden. Die Vertragsverhandlungen, die Ausformulierung und der Abschluss des Kaufvertrags fanden mit deren Unterstützung statt. Daraufhin führte der Rechtsanwalt des Käufers eine title 197

Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:4.11 f. Im Jahre 1997 waren Rechtsanwälte nur an etwa vierzig Prozent der Grundstücksgeschäfte in den Vereinigten Staaten beteiligt. Teilweise beschränkte sich deren Tätigkeit jedoch nur auf einzelne Schritte und Randbereiche des Verfahrens; Braunstein, 62 Mo. L. Rev. 241, 241 (1997). Noch 1974 gehörten Grundstücksgeschäfte zu dem Haupttätigkeitsbereich von einem Viertel aller Rechtsanwälte; Whitman, 62 Geo. L.J. 1311, 1324 (1974). 199 Krier, Property, 2006, § 1498; Whitman, 62 Geo. L.J. 1311, 1324 (1974). 198

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

171

search durch, um die tatsächliche Rechtslage am Grundstück und mögliche Rechtsmängel zu ermitteln. Die Rechtsanwälte wohnten dem closing bei und stellten Inhalt und ordnungsgemäße Übergabe der Übertragungsurkunde sowie die Zahlung des Kaufpreises sicher. Im letzten Schritt nahm der Rechtsanwalt des Käufers noch die Registrierung der Übertragungsurkunde beim Registeramt vor. Diese umfassende Beteiligung von Rechtsanwälten ist in den vergangenen Jahrzehnten jedoch stark zurückgegangen. Vor allem das Vordringen von Maklern und Rechtsmängelversicherern bei Grundstücksgeschäften hat hierzu beigetragen. Gerade nicht gewerbsmäßige und alltägliche Grundstücksübertragungen zwischen Privatpersonen finden heute teilweise vollständig ohne die Mitwirkung eines Rechtsanwalts statt. Bevor Rechtsmängelversicherungen im großen Stil in den Vereinigten Staaten aktiv wurden, war ein Grundstücksgeschäft ohne die Beteiligung eines Rechtsanwalts kaum möglich. Ein solcher wurde zumindest für die Durchführung der title search benötigt. Die Verdrängung begann, als dieser Bereich zunehmend von den Rechtsmängelversicherern übernommen wurde.200 Zunächst wehrten sich die Rechtsanwaltskammern201 noch gegen das Vordringen in einen Kernbereich ihrer Tätigkeit. Letztendlich scheiterten ihre Klagen gegen die Rechtsmängelversicherer wegen unzulässiger Rechtsberatung (unauthorized practice of law).202 Nachdem die Rechtsanwälte aus der Durchführung der title search als einem ihrer Kernbereiche verdrängt wurden, verschwanden sie auch allmählich aus den übrigen Schritten des Grundstücksgeschäfts. Vor allem Makler haben weitgehend die Koordinierung und Durchführung des Erwerbsprozesses übernommen. Sie nehmen in diesem Bereich klassische Aufgaben von Rechtsanwälten wahr. Hierzu gehören auch rechtsberatende Tätigkeiten beim Vertragsschluss und darüber hinaus. Die Aktivitäten der Makler befinden sich zwar in einer Grauzone zu einer unerlaubten Rechtsberatung.203 Dies ist jedoch bereits seit den fünfziger Jahren gängige Praxis.204 Sämtliche Bundesstaaten sehen zwar ein Rechtsberatungs-

200 Braunstein, 62 Mo. L. Rev. 241, 247 ff. (1997). Siehe hierzu auch Yordy, III. U. Ill. L. Rev. 309, 312 ff. (2011). 201 Diese sind meist für die Verfolgung und das Verbot von unzulässiger Rechtsberatung zuständig; so beispielsweise in North Carolina, § 84-37 (a) N.C.G.S. 202 Braunstein, 62 Mo. L. Rev. 241, 250 ff. (1997). Ein Verstoß stellt eine Ordnungswidrigkeit bzw. ein Vergehen (misdemeanor) dar. Siehe beispielhaft § 84-38 N.C.G.S. 203 Siehe zur unerlaubten Rechtsberatung von Maklern beispielsweise Burkhart, 72 Mo. L. Rev. 1031 (2007); Goudey, 75 Or. L. Rev. 889 (1996); Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 447 ff. (1999). 204 Goudey, 75 Or. L. Rev. 889, 889 f. (1996).

172

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

monopol für die Rechtsanwälte vor,205 die Gerichte ordnen jedoch unter bestimmten Voraussetzungen zumindest die einfache „beratende“ Tätigkeit von Maklern, die mit der Vermittlung des Grundstücksgeschäfts zusammenhängt,206 regelmäßig nicht als unerlaubte Rechtsberatung ein.207 Ausreichend ist in der Regel, wenn die Makler in einem standardisierten Formular darauf hinweisen, dass von ihnen keine Rechtsberatungsleistung erbracht wird. Weiterhin ist in manchen Bundesstaaten eine sogenannte attorney-approvalKlausel erforderlich, die es den Parteien erlaubt, den Vertrag nach Abschluss innerhalb eines bestimmten Zeitraums von einem Rechtsanwalt überprüfen zu lassen.208 Für die rechtsberatende Tätigkeit darf der Makler kein zusätzliches Entgelt verlangen. Dies zeigt, dass die Beratung nicht unbedingt mit der Vermittlungstätigkeit zusammenhängen muss.209 Soweit diese Voraussetzungen erfüllt sind, liegt keine unerlaubte Rechtsberatung vor. Da die Makler für die beschränkte Rechtsberatungstätigkeit im Gegensatz zu Rechtsanwälten keine Zulassung bzw. Lizenz benötigen, spricht man auch von unlizenzierter Rechtsberatung (unlicensed practice of law).210 Die Verdrängung der Rechtsanwälte wird teilweise auch kritisch gesehen. Nicht zuletzt seien auch der hohe Anteil an Rechtsstreitigkeiten im Nachgang der Subprime-Krise zumindest teilweise Folge der fehlenden Rechtsberatung bei Grundstücksgeschäften.211 Die Mitwirkung bei der Eigentumsübertragung durch die Übergabe des deed im Rahmen des closing konnten die Rechtsanwälte hingegen länger behaupten. In manchen Bundesstaaten wird auch heute noch die Beteiligung am closing als unzulässige Rechtsberatung eingeordnet, sodass dieser Vorgang nicht von einem Laien beaufsichtigt werden darf.212 In den meisten Bundesstaaten kann heute jedoch auch das closing von juristischen Laien

205

7 CJS Attorney and Client §§ 26 f. Siehe auch Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 16.01 (S. 16-3). 206 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 16.01 (S. 16-10 ff.). 207 Siehe hierzu ausführlich Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 16.01 (S. 163 ff.). Der Tatbestand der unerlaubten Rechtsberatung wird jedoch in den einzelnen Bundesstaaten teilweise höchst unterschiedlich beurteilt; Craig, 14 Willamette L.J. 475, 457 f. (1977–1978); Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1131 f. 208 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:9. Siehe hierzu ausführlich unten S. 288. 209 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 16.01 (S. 16-22). 210 Siehe zum Ganzen unten S. 283. 211 So etwa Yordy, III. U. Ill. L. Rev. 309 (2011). 212 So etwa in Georgia. Siehe Formal Advisory Opinion No. 04-1, 280 Ga. St. U. L. Rev. 227, 228, 626 S.E.2d 480 (Ga. 2006).

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

173

durchgeführt und überwacht werden.213 Teilweise war jedoch eine Intervention durch die Bundesregierung notwendig, bevor dies zugelassen wurde.214 Als weiteren Grund für das Verschwinden der Rechtsanwälte werden vor allem die durch ihre Mitwirkung entstehenden Kosten genannt.215 Gerade bei stark standardisierten Geschäften im nichtgewerblichen Bereich sehen die Beteiligten keine Vorteile von einer mitunter teuren Beratung durch einen Rechtsanwalt.216 Ebenso sind Rechtsanwälte dafür bekannt, eine Grundstücksübertragung zu verlangsamen und gerade bei Geschäften, die in den Abendstunden und am Wochenende abgeschlossen werden sollen, zeitlich unflexibel zu sein.217 Von den Beteiligten wird regelmäßig der durch einen Rechtsanwalt gewährleistete Sicherheitsgewinn nicht gesehen. Zudem werden die 213

1997 waren nur noch in 8 von 40 befragten Bundesstaaten Rechtsanwälte beim closing beteiligt (nachdem es 1983 noch 15 waren). Siehe m.w.N. Braunstein, 62 Mo. L. Rev. 241, 265 (1997). 214 So beispielsweise in North Carolina. Dort war die Rechtsanwaltskammer lange Zeit der Ansicht, eine Tätigkeit im Rahmen des closing stelle Rechtsberatung dar (siehe deren heute nicht mehr gültige Einschätzung: 99 Formal Ethics Opinion 13 (2000); 2001 Formal Ethics Opinion 8 (2001), zu finden unter North Carolina State Bar (Hrsg.): Ethics Opinions, (besucht am 23.8.2015)). Faktisch führte diese Interpretation dazu, dass bei nahezu allen Grundstücksgeschäften ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden musste. Die Rechtsanwaltskammer rückte erst nach einer Intervention der Bundeshandelskommission und des Bundesjustizministeriums von ihrer Ansicht ab. Zur Durchsetzung des Sherman Antitrust Act, welcher der Beschränkung der freien Konkurrenz und der Monopolbildung entgegenwirken soll, wurde die Rechtsanwaltskammer aufgefordert, ihre Auslegung zur unzulässigen Rechtsberatung zu ändern. Der Ausschluss von Laien bei der Durchführung des closing diene alleine der Sicherung von Erwerbschancen der Rechtsanwälte und entspreche nicht dem Interesse der Verbraucher. Siehe auch das gemeinsame Schreiben der Bundeshandelskommission und des Bundesjustizministeriums James/Butler-Arkow/Muris et al., Re: North Carolina State Bar Opinions Restricting Involvement of Non-Attorneys in Real Estate Closings and Refinancing Transactions, (besucht am 23.8.2015). Regelungen zur unerlaubten Rechtsberatung seien nicht geschaffen worden, um den Rechtsanwälten ein Monopol zu verleihen, sondern um die Bürger vor Inkompetenz und Unredlichkeit zu schützen. Diesem Druck konnte die Rechtsanwaltskammer nicht standhalten und änderte im Folgenden ihre Ansicht, siehe 2002 Formal Ethics Opinion 9 (2003). Siehe ausführlich Kennedy Dawson, 7 N.C. Banking Inst. 277 (2003); Walker, 26 Campbell L. Rev. 59 (2004). 215 Bender/Hammond/Madison et al., Modern real estate finance and land transfer, 2008, S. 11; Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 438 ff. (1999). Jedoch haben die Parteien in der Regel keine Kenntnis über die tatsächliche Höhe der Gebühren. Diese sind teilweise nur sehr gering; Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 438 f. (1999), siehe dort auch die Höhe der typischerweise anfallenden Gebühren für Rechtsanwälte bei Grundstücksgeschäften. 216 Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 441 (1999). 217 Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 439 f. (1999).

174

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Kosten auch von Vertretern der Banken und von Maklern als „unnötig“218 dargestellt. Insgesamt hat die weitgehende Standardisierung des Erwerbsverfahrens, die eine Mitwirkung von Rechtsanwälten kaum vorsieht, zu deren Verschwinden maßgeblich beigetragen.219 Lediglich bei gewerblichen Grundstücksgeschäften sind hingegen eine Beratung und die Durchführung des Erwerbsfahrens durch einen Rechtsanwalt durchaus die Regel. Bei solchen nichtalltäglichen Geschäften sind häufig spezialisierte Rechtsanwälte auf beiden Seiten notwendig, die das Grundstücksgeschäft aus den verschiedensten rechtlichen Blickwinkeln heraus betrachten und die Interessen ihrer Mandanten wahren. Bei Geschäften von Privatpersonen spielen Rechtsanwälte nur noch bei atypischen Geschäften eine Rolle.220 Teilweise verzichten die Parteien nicht vollständig auf eine rechtliche Beratung und Unterstützung, sondern beauftragen einen gemeinsamen Rechtsanwalt. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfolgt meist schon aus Kostengesichtspunkten.221 Dieser soll für die Einhaltung aller erforderlichen formellen und materiellen Voraussetzungen sorgen und zudem die Interessen von Käufer und Verkäufer wahren. Der Rechtsanwalt kann jedoch bei Beachtung der unterschiedlichen Interessen der Parteien schnell in einen Interessenkonflikt geraten. Für ihn besteht die Gefahr, gegen geltendes Berufsrecht zu verstoßen und „unethisch“ zu handeln.222 Insgesamt besteht ein klarer Trend zu einer immer geringer werdenden Beteiligung von Rechtsanwälten bei normalen Grundstücksübertragungen. In vielen Bundesstaaten sind Rechtsanwälte an privaten Grundstücksgeschäften überhaupt nicht mehr oder nur noch in sehr geringem Rahmen beteiligt.223 Zahlreiche Transaktionen werden folglich ohne Beratung durch eine fundiert juristisch ausgebildete Person vorgenommen.

218

Siehe Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 439 Fn. 53 (1999). Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 441 ff. (1999). 220 Hierzu gehören komplizierte Transaktionen, die eine ausführliche Beratung und Vertragsgestaltung beinhalten, wie Erbschafts- und Steuerangelegenheiten, oder eine Finanzierung unter Mitwirkung des Verkäufers vorsehen; Kennedy Dawson, 7 N.C. Banking Inst. 277, 281 (2003); Braunstein, 62 Mo. L. Rev. 241, 261 ff. (1997). 221 2 California Real Estate § 3:52. 222 Eine Verletzung des Berufsrechts für Rechtsanwälte liegt vor allem dann vor, wenn keine Aufklärung über einen möglichen Interessenkonflikt erfolgt. Siehe New York Lawyer's Code of Professional Responsibility vom 28.12.2007, Ethical Consideration, Regel 514 und 5-15; sowie In re Lanza, 65 N.J. 347, 351 f., 322 A.2d 445 (N.J. 1974). Siehe hierzu auch unten S. 291. 223 Braunstein, 62 Mo. L. Rev. 241, 278 f. (1997). 219

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

175

b) Abschluss und Abwicklung des Grundstücksgeschäfts unter Mitwirkung eines Maklers Die meisten Grundstückskaufverträge werden heute unter Mitwirkung eines Maklers geschlossen.224 In der Regel stellen Maklervereinigungen oder Rechtsanwaltskammern vorformulierte und standardisierte Verträge zur Verfügung.225 Solche Vordrucke erfordern nur das Einfügen der für das konkrete Geschäft relevanten Angaben (fill-in-the-blank) und sind im Schreibwarenhandel,226 über Maklervereinigungen oder Rechtsmängelversicherer erhältlich. Besteht bei den Parteien der Bedarf, von einer Regelung des Musterkaufvertrags abzuweichen, nimmt der beteiligte Makler in der Regel Änderungen vor und „berät“ die Beteiligten über mögliche Alternativen.227 3.

Vertragsschluss

Der Kaufvertrag wird durch die Unterschrift von Käufer und Verkäufer unter dem vorher formulierten Vertragstext geschlossen. In allen Bundesstaaten existieren gesetzliche Regelungen, die eine Schriftform für einen durchsetzbaren Kaufvertrag über ein Grundstück fordern. Sie werden als Statute of Frauds bezeichnet. Ihr Ursprung ist ein Gesetz des Englischen Parlaments aus dem 17. Jahrhundert.228 Das Gesetz wurde 1676 verabschiedet und trat 1677 in England und all seinen Kolonien, also auch den britischen Kolonien in Nordamerika, in Kraft.229 Das Gesetz gilt heute entweder als Teil des Common Law fort oder wurde in Form neuer bundesstaatlicher Gesetze normiert. Das Gesetz fordert für die Verpflichtung zur Übertragung von Rechten an Grundstücken einen schriftlichen Vertrag.230 Die Formvorschriften wirken jedoch in fast allen Bundesstaaten nur prozessual.231

224

Siehe zu den genauen Voraussetzungen der Mitwirkung von Maklern bei Abschluss des Kaufvertrags und des closing Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 16.01 (S. 163 ff.) sowie unten S. 283. 225 Im Internet sind zudem zahllose kostengünstige, aber auch kostenlose Vertragsmuster auffindbar. 226 Harris, 14 Real Est. Rev. 12 (1984). 227 Craig, 14 Willamette L.J. 475, 486 f. (1977–1978). 228 29 Chas. II c. 3 (1677): An Act for prevention of Frauds and Perjuries. 229 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 2. 230 Für das Verpflichtungsgeschäft: „[…] any Contract or Sale of Lands […] shall be in Writeing and signed by the partie to be charged therewith or some other person thereunto by him lawfully authorized.“ 29 Chas. II c. 3 (1677): An Act for prevention of Frauds and Perjuries, Art. IV; ähnlich § 1624 (a)(3) Cal. Civ. Code; § 5-703 (2) GOL of N.Y.; § 25:113 N.J.S. 231 Siehe ausführlich zur Schriftform und zu deren genauen Wirkung unten S. 308.

176 4.

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Anzahlung und pauschalierter Schadensersatz

Der Kaufvertrag enthält in der Regel eine Vereinbarung, die eine Anzahlung des Käufers bei Abschluss vorsieht, meist nicht mehr als zehn Prozent des Kaufpreises.232 Mit dieser als earnest money oder down payment bezeichneten Zahlung bringt der Käufer zum Ausdruck, dass er das Grundstück wirklich erwerben will.233 Im Kaufvertrag wird meist vereinbart, dass die Anzahlung dem Verkäufer als pauschalierter Schadensersatz zustehen soll, wenn der Vollzug des Vertrags aus einem Grund scheitert, der dem Käufer zuzurechnen ist.234 Die Begleichung der Anzahlung hat jedoch keinen Einfluss auf die Wirksamkeit oder Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags.235 Die Anzahlung wird entweder direkt an den Verkäufer oder einen Dritten, der als Treuhänder dient, gezahlt. Dies kann beispielsweise der Makler oder ein beteiligter Rechtsanwalt sein.236 5.

Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt – Der contract for deed

Neben dem Kaufvertrag mit sofortigem Rechtsübergang (contract of sale) ist in den Vereinigten Staaten ein Kaufvertrag mit Eigentumsvorbehalt möglich. Bei einem solchen contract for deed237 erfolgt die Kaufpreisfinanzierung meist über den Verkäufer. Dieser verpflichtet sich, den deed erst bei Zahlung der letzten Rate an den Käufer zu übergeben. Der Eigentumsübergang wird so bis zur Abzahlung des Kaufpreises hinausgeschoben.238 Während dieser Zeit bleibt der Verkäufer zunächst Eigentümer des Grundstücks. Der contract for deed entspricht nach seiner rechtlichen Ausgestaltung einem Eigentumsvor232

Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1A:4.1 (S. 1A-25 f.); Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 927 f. 233 Mortenson v. Financial Growth, Inc., 23 Utha 54, 57, 456 P.2d 181 (Utha 1969). 234 Siehe auch das Kaufvertragsmuster bei Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 893 ff.: „In the event of material breach of the contract by the Buyer, the Seller may retain the earnest money deposit as liquidated damages for the Buyer’s breach“; siehe hierzu auch 77 Am. Jur. 2d Vendor and Purchaser S. 485; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 7:1.5 (S. 7-17 ff.); 12 California Real Estate §§ 34:37 f., 34:53. 235 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 927. Die Zahlung des earnest money kann dann Voraussetzung für den Vertragsschluss sein, wenn sie Teil der Willenserklärung des Käufer ist. Prudential Preferred Properties v. J and J Ventures, Inc., 859 P.2d 1267, 1275 f. (Wyo. 1993). 236 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1A:4.2 (S. 1A-26 ff.). In New York muss beispielsweise bei Kaufverträgen über ein noch zu errichtendes Gebäude ein Treuhänder die Anzahlung verwahren, § 71-a (2) N.Y. Lien Law. 237 Der contract for deed wird auch als real estate installment contract, installment sale agreement, agreement to convey oder land contract bezeichnet. Nelson, 1998 B.Y.U. L. Rev. 1111, 1112 (1998). 238 Nelson, 1998 B.Y.U. L. Rev. 1111 (1998).

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

177

behalt.239 Ein automatischer Rechtsübergang tritt bei vollständiger Zahlung allerdings nicht ein. Die Übergabe des deed ist weiterhin erforderlich. Das Grundstück kann durch diese Übertragung auf einen Dritten der Verfügungsgewalt des Kreditgebers entzogen werden. Der Dritte hält das Eigentumsrecht treuhänderisch für den Kreditgeber als Sicherheit für den gewährten Kredit.240 Der contract of deed wird in der Praxis oft genutzt, wenn es dem Erwerber nicht möglich ist, eine Finanzierung über ein Kreditinstitut zu erlangen.241 Der Verkäufer, oft eine Privatperson, sorgt dann für die Finanzierung des Grundstückerwerbs. Die Verknüpfung der Finanzierung mit einem Eigentumsvorbehalt am Grundstück wurde auch entwickelt, um die strengen Vorgaben, den zeitlichen Aufwand und weitere Nachteile einer Zwangsvollstreckung einer mortgage zu umgehen.242 Faktisch nimmt er jedoch die Stellung einer mortgage ein. In einigen Bundesstaaten lässt der contract for deed eine mortgage entstehen oder wird rechtlich als solche behandelt.243 Durch diese Gleichbehandlung werden dem Erwerber die gleichen Schutzvorschriften wie bei einer mortgage gewährt.244 III. Zwischenverfahren Nachdem der Kaufvertrag geschlossen wurde, vergeht in der Regel ein Zeitraum von etwa sechzig bis neunzig Tagen, bis das closing stattfindet.245 In diesem Zeitraum muss der Käufer die Finanzierung für das Vorhaben sicherstellen. In den Verantwortungsbereich des Erwerbers fällt ebenso die Analyse der dinglichen Rechtslage des Grundstücks (title search). Die öffentlichen Register müssen auf alle an dem zu veräußernden Grundstück bestehenden dinglichen Rechte hin untersucht werden. Weiterhin muss in der Regel eine Rechtsmängelversicherung zu Gunsten des Kreditgebers abgeschlossen werden.

239

So auch Stürner/Kern, in: FS Schlechtriem, 2003, S. 923, 928. Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 984. 241 Lee, 37 Tex. Tech L. Rev. 1231, 1233 f. (2005). 242 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 984 f. Hinsichtlich der Rechtsfolgen besteht eine Ähnlichkeit zum deed of trust, siehe hierzu bereits oben S. 87. 243 Dies geschieht sowohl durch die Rechtsprechung als auch in Form gesetzlicher Regelungen; beispielsweise in Illinois, wenn es sich um ein Wohnhaus handelt, der Kreditvertrag über mindestens fünf Jahre läuft und nur noch achtzig Prozent der Kreditsumme ausstehen; 735 ILCS 5/15-1106. 244 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, 3.4. Siehe zu den Risiken für den Kreditgeber Lee, 37 Tex. Tech L. Rev. 1231 (2005); sowie zu Informationspflichten beispielsweise § 5.077 Texas Property Code. 245 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 892. 240

178

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

1.

Überprüfung der sachenrechtlichen Verhältnisse

a)

Title search

Das angloamerikanische Recht mit seiner fehlenden Publizität und der nur deklaratorischen Eintragung führt dazu, dass die an einem Grundstück bestehenden Rechte, auch die des Eigentümers, nicht ohne Weiteres aus dem Grundstücksregister erkennbar sind. Aus diesem Grund müssen vor jeder Veräußerung oder Belastung eines Grundstücks sämtliche bestehenden Rechte durch eine title search ermittelt werden.246 Die Untersuchungspflicht fällt in den Vereinigten Staaten in den Verantwortungsbereich des Käufers. Für Rechtsmängel, die nach der Übertragung des Grundstücksrechts auftauchen, haftet der Verkäufer nicht mehr.247 Der Käufer muss sich folglich vergewissern, dass der Verkäufer überhaupt Eigentümer ist und dessen Angaben zu den bestehenden Belastungen mit der Realität übereinstimmen. Weicht das Ergebnis der title search von den Angaben des Verkäufers im Kaufvertrag ab, wird ihm Gelegenheit gegeben, diese Rechtsmängel bis zum vereinbarten Zeitpunkt des closing bzw. innerhalb eines angemessenen Zeitraums zu beseitigen.248 Im Fall des Scheiterns können dem Erwerber Schadensersatzansprüche wegen Vertragsbruchs zustehen.249 b)

Rechtsmängelversicherung – Title insurance

Die im Auftrag des Erwerbers durchgeführte title search stellt nicht zwangsläufig die tatsächlichen rechtlichen Verhältnisse an dem untersuchten Grundstück dar. Sie ist vielmehr eine Einschätzung der untersuchenden Person hinsichtlich der Rechtsverhältnisse am überprüften Grundstück, die auf einer Analyse des Inhalts des Grundstücksregisters beruht. Die title search garantiert gerade nicht das Bestehen von bestimmten Rechten. Weder der Käufer noch der Kreditgeber verlassen sich auf eine solche vage Aussage. Beide können bei Vorliegen von nicht aufgedeckten Rechtsmängeln einen hohen wirtschaftlichen Schaden erleiden. Im schlimmsten Fall war der Veräußerer überhaupt nicht Eigentümer und der Erwerber kann so kein Eigentum erwerben, oder er erwirbt ein Grundstück mit wertmindernden dinglichen Belastungen. Für den Kreditgeber gilt Gleiches, im Zweifel ist er nie Inhaber eines Grundpfandrechts geworden oder dieses besteht nur nachrangig. In diesem Fall kann bei der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners der Erlös der Zwangsvollstreckung nicht ausreichen, um auch ihn als nachrangigen Gläubiger voll zu befriedigen. 246

Siehe ausführlich zur Durchführung einer title search unten S. 370. Siehe zu diesem als doctrine of caveat emptor bekannten Prinzip unten S. 359. 248 3 American law of property § 11.51. 249 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1068 ff.; ausführlich 12 California Real Estate § 34:57. 247

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

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In den Vereinigten Staaten wurde zur Schließung dieser durch die Ausgestaltung des Registersystems entstandenen Lücke die Rechtsmängelversicherung (title insurance) geschaffen.250 Der Erwerber kann eine solche Versicherung zu seinen Gunsten abschließen (owner’s policy). Beim Bestehen von dinglichen Rechten Dritter, die bei der title search nicht aufgefunden wurden und den Erwerber in seinem Eigentumsrecht beeinträchtigen, begleicht die Versicherung den entstandenen Vermögensschaden in Geld. Gleiches gilt für die zu Gunsten des Kreditgebers abgeschlossene Versicherung (lender’s policy). Kann der Kreditgeber beim Zahlungsausfall die hypothekarisch gesicherte Forderung wegen eines Rechtsmangels im Rahmen einer Zwangsvollstreckung nicht eintreiben, ersetzt die Rechtsmängelversicherung den dadurch entstandenen Schaden. Das Bestehen einer solchen Absicherung entscheidet deutlich über den Marktwert eines Kredits.251 Die Rechtsmängelversicherung zum Schutz von Erwerber und Kreditgeber wird vor dem eigentlichen Eigentumsübergang beantragt. Der Versicherer führt entweder eine eigene title search durch oder schätzt anhand der Untersuchung eines Rechtsanwalts das Risiko hinsichtlich nicht erkannter Rechtsmängel ein. Auf dieser Grundlage legt der Versicherer ein vorläufig bindendes Vertragsangebot (title insurance commitment) vor, das den Inhalt der title insurance samt möglichen Einschränkungen des Versicherungsschutzes enthält.252 Der Versicherer macht so deutlich, dass er die Transaktion gegen Rechtsmängel absichern will. Der finale Abschluss erfolgt erst, nachdem eine erneute title search nach Abschluss der Eigentumsübertragung stattgefunden hat. Bei privaten Grundstücksgeschäften wird die title insurance häufig direkt über den Kreditgeber, den Hypothekenmakler oder den beteiligten Rechtsanwalt abgeschlossen.253 2.

Finanzierung des Grundstückgeschäfts

Bis zum Eigentumsübergang muss der Käufer die Finanzierung des Kaufpreises sicherstellen. Wie bereits dargestellt ist es üblich, den Kaufvertrag zu einem sehr frühen Zeitpunkt abzuschließen und die Finanzierung erst später zu klären. Findet der Käufer keinen Kreditgeber für sein Vorhaben, schützt ihn die Finanzierungsklausel im Kaufvertrag vor möglichen Schadensersatzansprüchen des Verkäufers.

250

Siehe zur historischen Entwicklung sowie der genauen Ausgestaltung der title insurance unten S. 382. 251 Für den Handel mit Krediten auf dem sekundären Hypothekenmarkt bzw. bei der Verbriefung von Kreditforderungen ist eine solche Versicherung unerlässlich. Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1109. 252 Burke, Law of title insurance, § 12.02. 253 Palomar, Title Insurance Law, §§ 2.2 f.

180

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

In den Vereinigten Staaten werden Kredite zur Finanzierung von Grundstücken im Wohnungssektor hauptsächlich unter der Mitwirkung von Hypothekenmaklern (mortgage brokers)254 vermittelt.255 In der jüngeren Vergangenheit hat der mortgage broker die klassische kreditfinanzierende Bank als Ansprechpartner weitgehend verdrängt.256 Im Gegensatz zu einer Bank kann er auf eine Vielzahl von Kreditgebern zurückgreifen und so dem Erwerber einen für diesen passenden Kredit mit optimalen Konditionen beschaffen. Die Leistungen des mortgage broker werden entweder über eine Provision des Kreditgebers oder über eine Gebühr des Kreditnehmers finanziert.257 Neben der reinen Vermittlungstätigkeit beinhaltet die Leistung in der Regel auch die Unterstützung des Kreditnehmers bei allen notwendigen Formalitäten rund um die Kreditgewährung, wie etwa das Ausfüllen von Anträgen oder das Besorgen von notwendigen Dokumenten.258 Ebenso wickelt er meist das komplette Geschäft für den Kreditgeber ab, sodass dieser im Zweifel seinen Schuldner nie zu Gesicht bekommt.259 Der Kreditgeber verlangt für die Absicherung der Kreditsumme eine dingliche Sicherheit, um im Falle einer Zahlungsunfähigkeit des Kreditnehmers über ein ausreichendes Verwertungsrecht zu verfügen. In der Regel wird zu diesem Zweck eine mortgage zu Gunsten des Kreditgebers bestellt. Die Rechtsübertragung erfolgt erst im Rahmen des closing, kurz nachdem der Erwerber Eigentümer geworden ist. Der Kreditgeber ist ebenso wie der Käufer den Gefahren und Risiken des angloamerikanischen Registersystems ausgesetzt und verlangt deshalb eine Rechtsmängelversicherung zu seinen Gunsten (lender’s policy).

254 Der mortgage broker entspricht dem deutschen Kreditmakler (oder Kreditvermittler). Die Makler unterstehen in beiden Ländern einer besonderen staatlichen Aufsicht bzw. Zugangsbeschränkungen. 255 Real Estate Settlement Procedures Act (RESPA) Statement of Policy 1999-1 Regarding Lender Payments to Mortgage Brokers (1.3.1999), 64 FR 10080, 10080 f. 256 Case/Himes-Wiederschall, 13 Fidelity L.J. 57, 59 f. (2007) Fast zwei Drittel aller Privathypotheken wird über sie abgewickelt; Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 924. 257 Gerade die Provision durch den Kreditgeber wird sehr kontrovers diskutiert, da der Kreditnehmer dadurch oft einen höheren Zinssatz zahlt; Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 924. 258 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, S. 924 f. 259 Im Zusammenhang mit der Subprime-Krise wird in den Vereinigten Staaten teilweise gefordert, den mortgage broker haftbar zu machen, falls er einem Kreditnehmer einen für diesen „unpassenden“ Kreditvertrag vermittelt hat. Siehe hierzu auch Smith, 17 Geo. J. on Poverty 377 (2010). Sowie zur Regulierung Ireland, 36 Wm. Mitchell L. Rev. 1 (2009).

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

a)

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Finanzierungsmodalitäten

Die konkrete Ausgestaltung der Grundstücksfinanzierung sowie die Voraussetzungen, die ein potentieller Kreditnehmer erfüllen muss, unterscheiden sich in den Vereinigten Staaten enorm von denen in Deutschland. Dies gilt hauptsächlich bezüglich der erforderlichen Eigenkapitalquote und der Zinsbindung des Kreditvertrags. Gerade vor der US-Immobilienkrise wurden Finanzierungen mit bis zu einhundert Prozent vorgenommen, ein Erwerber musste folglich kein oder fast kein Eigenkapital aufbringen.260 Teilweise lag die Finanzierungsquote eines Grundstücks bei über einhundert Prozent des ursprünglichen Kaufpreises.261 Der Grund hierfür ist auch auf die teilweise extensive staatliche Förderung des Immobilienerwerbs zurückzuführen.262 Infolge des Wertverfalls von Grundstücken und steigenden Zinsen konnten viele Schuldner von sogenannten Subprime-Krediten diese nicht mehr bedienen. Dies war unter anderem einer der Auslöser der Weltwirtschaftskrise von 2007.263 Fast jeder konnte unabhängig von seinen eigenen finanziellen Möglichkeiten eine Immobilie erwerben. Im Übrigen liegen die Finanzierungsquoten regelmäßig zwischen 80 bis 95 Prozent.264 Die Kreditverträge sahen in der Vergangenheit meist eine lange Zinsbindung und eine kontinuierliche Tilgung und Zinszahlung vor.265 Seit den achtziger Jahren sind jedoch variable verzinsliche Hypothekarkredite (adjustablerate mortgages) sehr populär geworden.266 Der Zinssatz wird während der Laufzeit des Kredits ständig angepasst, der Kreditnehmer ist so den allgemeinen Zinsschwankungen stark ausgesetzt. Eine langfristige Planung der Immobilienfinanzierung ist so nur unzureichend möglich. Steigen die Zinsen

260

Albrecht, Das System der US-amerikanischen Wohnungsfinanzierung, 2004, S. 25. Weiterhin nahmen viele Grundstückseigentümer mit steigendem Grundstückswert weitere Kredite auf, um Konsumgüter zu finanzieren. 262 Shiller, Die Subprime-Lösung, 2008, S. 24 f. 263 Siehe beispielsweise Ruzik, BKR 2009, 133, 133 f.; Wagner, IZR 2008, 163. 264 Lee, Kapitalmobilisierung durch Sekurisation der hypothekarisch gesicherten Darlehensforderung, 1991, S. 127 f. 265 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 1.1. Bis in die dreißiger Jahre waren Kredite üblich, die eine kontinuierliche Zinszahlung und nach Laufzeitende (drei bis fünf Jahren) die Rückzahlung der gesamten Kreditsumme vorsahen (sogenannte balloon mortgages); Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 1.1. Siehe auch zu Laufzeit und Zins der mortgage Lee, Kapitalmobilisierung durch Sekurisation der hypothekarisch gesicherten Darlehensforderung, 1991, S. 140 ff. 266 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 11.4. Siehe hierzu den ARM auch Albrecht, Das System der US-amerikanischen Wohnungsfinanzierung, 2004, S. 28 ff. ARM wurden hauptsächlich bei den Subprimekrediten verwendet. Sovern, 71 Ohio St. L.J 761 (2010). 261

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

stark an, kann der Kredit für den Schuldner bereits nach kurzer Zeit unbezahlbar werden.267 b)

Sekundärer Kreditmarkt

Die allgemeine Struktur der Grundstücksfinanzierung ist in den Vereinigten Staaten insgesamt sehr durch einen ausgeprägten sekundären Kreditmarkt (secondary mortgage market) gekennzeichnet.268 Der ursprüngliche Kreditgeber bleibt nicht Forderungsinhaber bis zum Ende der Kreditlaufzeit, sondern veräußert seine durch ein Grundpfandrecht gesicherte Forderung weiter an Investoren.269 Die Übertragung der Forderung erfolgt durch eine Abtretung (assignment), die entweder durch ein Indossament oder ein zusätzliches Schriftstück erfolgen kann.270 Die Akzessorietät der mortgage hat zur Folge, dass mit der Abtretung das Grundpfandrecht automatisch auf den neuen Gläubiger übergeht.271 Eine Übergabe der ursprünglichen Übertragungsurkunde der mortgage sowie eine Eintragung im Grundstücksregister272 sind hingegen nicht erforderlich.273 In den Vereinigten Staaten besteht ein reger Handel mit solchen Forderungen. Es ist die Regel, dass eine Forderung mehrmals den Inhaber wechselt und zwischen verschiedenen Banken oder

267

Shiller, Die Subprime-Lösung, 2008, S. 24 f. Im Rahmen der Subprime-Krise hat die hohe Finanzierungsquote in Kombination mit einem Wertverlust des Grundstücks weiterhin dazu geführt, dass der Grundstückswert nicht mehr die volle Kreditsumme umfasst. Der Kreditgeber konnte im Falle einer Zwangsversteigerung oft nicht mehr die komplette Summe des vergebenen Kredits erlangen. 268 Der Begriff des secondary mortgage markets sollte nicht mit sekundärem Hypothekenmarkt übersetzt werden. Die mortgage entspricht zwar dem dinglichen Recht einer Hypothek, im Zusammenhang mit dem Zweitmarkt ist jedoch der Kredit, welcher von der Hypothek gesichert ist, gemeint. Der Kredit wird im Allgemeinen auch als mortgage bezeichnet. Siehe für eine ausführliche Darstellung des secondary mortage market in den Vereinigten Staaten Albrecht, Das System der US-amerikanischen Wohnungsfinanzierung, 2004; Lee, Kapitalmobilisierung durch Sekurisation der hypothekarisch gesicherten Darlehensforderung, 1991, sowie Böning, Grundpfandrechte in Deutschland und den USA, 2011, S. 103 ff. 269 Case/Himes-Wiederschall, 13 Fidelity L.J. 57, 59 ff. (2007); Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 5.27. In den Vereinigten Staaten sind unter anderem drei große bundeseigene Institutionen an diesem Handel beteiligt (Fannie Mae, Freddie Mac und Government National Mortgage Association). Siehe hierzu Näheres bei Albrecht, Das System der US-amerikanischen Wohnungsfinanzierung, 2004. 270 Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 5.28; 59 CJS Mortgages § 407. 271 Eine mündliche Abtretung der hypothekarisch gesicherten Forderung ist nicht möglich. Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 5.28, siehe dort aber auch Fn. 5. 272 Die Eintragung ist jedoch zur Absicherung gegenüber Dritten erforderlich und empfehlenswert. 59 CJS Mortgages § 415. 273 59 CJS Mortgages § 413.

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Investoren übertragen wird.274 Vor allem wegen des umfangreichen sekundären Kreditmarkts sind die angloamerikanischen Kreditgeber an einer einfachen Übertragung von Forderungen und Sicherheiten interessiert. Nur so kann gewährleistet werden, dass dingliche Sicherheiten ohne größeren Aufwand übertragen werden können. Die hypothekarisch gesicherten Forderungen werden nicht nur übertragen, sondern auch verbrieft.275 Diese Mortgage Backed Securities (MBS) erfreuten sich gerade im Vorfeld der Subprime-Krise höchster Beliebtheit,276 da die Anleger über eine doppelte Besicherung in Form der Forderung und der Hypothek verfügen.277 Kreditgeber bündeln zahlreiche ihrer Forderungen in Pools, die an eine Zweckgesellschaft übertragen werden.278 Diese gibt im Folgenden Wertpapiere aus, die an Investoren veräußert werden. Die Zinszahlungen der Schuldner und mögliche Zwangsvollstreckungen werden entweder vom ursprünglichen Kreditgeber oder einem Serviceanbieter abgewickelt.279 IV. Das closing – Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung Die Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung findet im Rahmen des closing statt. Dies bezeichnet klassischerweise das persönliche Aufeinandertreffen von Käufer und Verkäufer, um den Kaufpreis und den deed auszutauschen. Sofern der Kaufpreis über einen dinglichen gesicherten 274

Zur effektiveren Abwicklung dieser zahlreichen Übertragungen hat die Kreditindustrie 1993 ein elektronisches Register geschaffen, in dem Forderungsübertragungen dokumentiert werden können. Dieses Mortgage Electronic Registration System (MERS) soll neben der Sicherstellung der Nachverfolgbarkeit der Forderungsinhaber und der zugehörigen Hypothek auch die Übertragung von Forderungen vereinfachen. MERS handelt als Treuhänder und wird als Berechtigter der Hypothek im Grundstücksregister eingetragen. Forderungsabtretungen finden schließlich nur noch innerhalb des privaten Registers statt. Siehe Näheres m.w.N. Madison/Dwyer/Bender, The Law of Real Estate Financing, 2010, § 12:35; Phillips, 63 Consumer Fin. L.Q. Rep. 262 (2009). 275 Siehe ausführlich Albrecht, Das System der US-amerikanischen Wohnungsfinanzierung, 2004, S. 13 ff.; Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, §§ 5.27, 11.3; Ramos Muñoz, The law of transnational securitization, 2010, Rn. 1.01 ff.; siehe zur Refinanzierung und Verbriefung in Deutschland oben S. 148. 276 Siehe Shiller, Die Subprime-Lösung, 2008, S. 24 ff. Ein großer Teil aller hypothekarisch gesicherten Forderungen war vor dem Beginn der Subprime-Krise in solchen MBS gebündelt; Nelson/Whitman, Real estate finance law, 2007, § 11.3. Zu Reformvorschlägen siehe Werrett, 42 Conn. L. Rev. 319 (2009). 277 Jahn, in: Bankrechts-HB, § 114 a Verbriefung von Forderungen – Asset Backed Securities („ABS“) Rn. 6. 278 Die Gesellschaft wird auch auf Grund ihres einzigen Zwecks, die Forderungen zu halten, als special purpose vehicle bezeichnet; Ramos Muñoz, The law of transnational securitization, 2010, Rn. 1.08. 279 Ramos Muñoz, The law of transnational securitization, 2010, Rn. 1.09.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Kredit finanziert wird, nimmt regelmäßig noch ein Vertreter des Kreditgebers am closing teil und empfängt den mortgage deed, der das dingliche Sicherungsrecht entstehen lässt. Das closing findet üblicherweise in den Räumlichkeiten des Registeramts,280 des Kreditgebers, des Maklers, des Rechtsmängelversicherers, eines beteiligten Rechtsanwalts oder auf dem zu veräußernden Grundstück statt.281 Neben diesem „sit-down“ closing, bei dem die Parteien tatsächlich an einem Tisch gegenübersitzen, kann die Abwicklung des Geschäfts auch in einem treuhänderischen Verfahren erfolgen. Bei einem solchen escrow closing werden Kaufpreis und deed an einen neutralen Dritten, den Treuhänder (escrow agent), übergeben. Sofern von den Parteien alle Voraussetzungen des Geschäfts erfüllt wurden, gibt dieser Kaufpreis und deed an Verkäufer bzw. Käufer weiter. Im Folgenden wird lediglich das „sit-down“ closing ausführlich dargestellt. Hinsichtlich der erforderlichen Urkunden, vorzunehmenden Handlungen und Voraussetzungen bestehen jedoch kaum Unterschiede zum escrow closing. Beide Verfahren werden hinsichtlich ihrer Funktion der Gewährung von Übertragungssicherheit zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich erläutert und gegenübergestellt.282 Neben Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung werden im Rahmen des closing meist noch weitere mit dem Erwerb zusammenhängende Vorgänge durchgeführt. Hierzu gehören etwa der Abschluss des Kreditvertrags, der Austausch von Untersuchungsberichten, die den Zustand des Grundstücks betreffen, und zahlreiche weitere Dokumente.283 1.

Anwendbares Recht bei grenzüberschreitenden Grundstücksgeschäften

In den Vereinigten Staaten stellt sich oftmals die Frage, welches Recht bei Grundstücksgeschäften, die über Bundesstaatsgrenzen hinweg vorgenommen werden, anwendbar ist.284 Hinsichtlich des Kaufvertrags ergeben sich keine besonderen Probleme, es gilt das Recht des Bundesstaats, in dem dieser abgeschlossen wird. Eine Rechtsübertragung durch den deed muss jedoch nicht zwangsläufig in dem Bundesstaat durchgeführt werden, in dem das Grundstück auch tatsächlich liegt. Erwerber und Veräußerer können sich während 280

Im Registeramt von Suffolk werden der Öffentlichkeit kostenlos Räumlichkeiten für die Durchführung des closing zur Verfügung gestellt (eigene Recherche im Registeramt von Suffolk). 281 Siehe Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1A:15; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 3:23.1 Fn. 90.4. 282 Siehe hierzu unten S. 329. 283 Boackle, Real estate closing deskbook, 2003, Ch. 4; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, §§ 13:1 ff. (S. 13-1 ff.). Siehe auch die Übersicht in 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 29:6. 284 Solche Geschäfte werden ungleich öfter vorgenommen als beispielsweise grenzüberschreitende Grundstücksgeschäfte in Europa.

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

185

des closing durchaus in einem Nachbarbundesstaat aufhalten. Besonders problematisch sind die teilweise unterschiedlichen Anforderungen an den deed, die für dessen Registrierung im Grundstücksregister erforderlich sind. Grundsätzlich gelten für die Rechtsübertragungen und die Registrierung nur die Regelungen des Bundesstaats, der das Grundstück beheimatet.285 In der Regel sehen die Gesetze der Bundesstaaten jedoch vor, dass die Erfüllung der formellen und materiellen Voraussetzungen eines anderen Bundesstaats ausreichend sind.286 Gerade im Hinblick auf den umfangreichen und landesweiten Handel mit Hypotheken ist eine solche Regelung geradezu zwingend erforderlich.287 2.

Zeitpunkt des closing und Verzug

Bei Abschluss des Kaufvertrags einigen sich die Parteien über einen Zeitpunkt und Ort, an dem das closing stattfinden soll. Gerade dem Käufer soll genügend Zeit verbleiben, um die erforderlichen Handlungen, vor allem Sicherstellung der Finanzierung und Durchführung der title search, vornehmen zu können. Der Kaufvertrag sieht in der Regel einen bestimmten Tag und eine genaue Uhrzeit vor.288 Lässt eine der Parteien den vereinbarten Termin verstreichen, kommt unter Umständen ein Schadensersatzanspruch oder ein Rücktrittsrecht des anderen Teils wegen Verzugs in Betracht.289 Der Kaufvertrag oder die Umstände des Geschäfts müssen jedoch deutlich machen, dass der vereinbarte Zeitpunkt des closing für beide Parteien wesentlich war.290 Die Vereinbarung eines speziellen Datums ist hierfür nicht ausreichend,291 vielmehr darf der Kaufvertrag, etwa durch die Formulierung time is of essence of this agreement, keinen Zweifel an der Wesentlichkeit lassen.292 Haben die Parteien keinen Zeitpunkt im Kaufvertrag vorgesehen oder ist der im Kaufvertrag genannte Zeitpunkt nicht wesentlich, tritt ein Verzug nach 285 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 61; Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 2:7. 286 Siehe beispielsweise § 1189 (b) Cal. Civ. Code; § 299-a RPL of N.Y.; siehe für eine Auflistung entsprechender Gesetze in den übrigen Bundesstaaten Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 2:7 Fn. 1. 287 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 61. 288 92 CJS Vendor and Purchaser § 139. 289 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 939 ff.; siehe auch 1 California Real Estate § 1:162. 290 3 American law of property § 11.45; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 3:14. 291 Die Formulierung im Kaufvertrag: „in no event later than December 31, 2001“ wurde beispielsweise als nicht ausreichend erachtet. ADC Orange, Inc. v Coyote Acres, Inc., 7 N.Y.3d 484, 489, 857 N.E.2d 513, 824 N.Y.S.2d 192 (N.Y. 2006). 292 Stern, 59 Syracuse L. Rev. 1011, 1012 f. (2009). Nicht ausreichend ist beispielsweise: „closing shall occur“.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

einem angemessenen Zeitraum nach Abschluss des Kaufvertrags ein.293 Die Angemessenheit richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.294 Nach Ablauf eines vereinbarten und unwesentlichen Zeitpunkts oder eines nichtvereinbarten und angemessenen Zeitraums steht es den Parteien frei, einseitig einen neuen Zeitpunkt zu bestimmen und diesen für wesentlich zu erklären.295 Weiterhin muss der Termin der anderen Partei einen angemessenen Zeitraum bis zur Durchführung des closing geben.296 3.

Eigentumsübergang durch Privaturkunde

Zum vereinbarten Zeitpunkt des closing findet die Übertragung des Eigentumsrechts statt. Hierfür ist nach angloamerikanischem Recht die Übergabe einer privaten Übertragungsurkunde erforderlich. Die als deed bezeichnete Urkunde stellt im Common Law ein schriftliches Dokument dar, welches nach Ausfertigung übergeben wird und zur Übertragung eines Grundstücksrechts dient.297 Bei einem deed handelt es sich um eine Privaturkunde, die vom Veräußerer selbst ausgestellt wird. Der deed ersetzt die bei einem Grundstück unmögliche tatsächliche Übergabe eines Gegenstands. Über diese Funktion hinaus hat er keine eigenständige Bedeutung. Durch den deed kann kein verbrieftes Recht geltend gemacht werden; er stellt kein Inhaberpapier dar. Der Eigentumsübergang mit Hilfe des deed wird in drei Schritte unterteilt. Zunächst muss der deed in Form eines Schriftstücks erstellt und unterschrieben werden (execution).298 Daraufhin wird der deed dem Erwerber übergeben (delivery). Für den Rechtsübergang muss der Erwerber den deed akzeptieren (acceptance). Teilweise werden delivery und execution als ein einziger Schritt betrachtet, sodass die Eigentumsübertragung aus lediglich zwei Schritten, execution und acceptance, besteht. Dies hat jedoch keinen Einfluss auf die rechtliche Betrachtung des Eigentumsübergangs. Für die Wirksamkeit der 293

3 American law of property § 11.45; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 941. Siehe etwa Grace v Nappa, 46 N.Y.2d 560, 565, 389 N.E.2d 107, 415 N.Y.S.2d 793 (N.Y. 1979). 294 Siehe für Beispiele aus der Rechtsprechung Stern, 59 Syracuse L. Rev. 1011, 1018 (2009). 295 Stern, 59 Syracuse L. Rev. 1011, 1021 (2009). 296 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 941. Eine solche Vereinbarung unterliegt keinen besonderen Formanforderungen; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 941 f.; Bacchetta v. Conforti, 108 Misc.2d 761, 762, 438 N.Y.S.2d 892 (N.Y. 1981). 297 23 Am. Jur. 2d Deeds § 1. „[…] a deed of conveyance is a writing signed by the grantor, whereby the title to real property is transferred from one to the other.“ National Fire Ins. Co. v. Patterson, 41 P.2d 645, 646, 170 Okla. 593, 1935 OK 161 (Okla. 1935); siehe auch § 1091 Cal. Civ. Code. 298 23 Am. Jur. 2d Deeds § 87.

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Rechtsübertragung ist ein spezieller öffentlicher Akt, wie eine Beglaubigung oder Eintragung im Grundstücksregister, nicht erforderlich.299 a)

Ausfertigung des deed – Execution

Für die Ausfertigung des deed (execution) ist zunächst die Erstellung eines Schriftstücks mit dem notwendigen Inhalt der Rechtsübertragung erforderlich. Weiterhin muss der deed einer bestimmten Form entsprechen und vom Veräußerer unterzeichnet werden. Sofern der jeweilige Bundesstaat eine Identitätsbestätigung oder Bezeugung für den Rechtsübergang fordert, muss eine solche durchgeführt bzw. auf dem deed vermerkt werden. aa) Inhaltliche Anforderungen an den deed Die Wirksamkeit des deed als Übertragungsinstrument hängt von einer Reihe inhaltlicher Voraussetzungen ab.300 Zunächst müssen die Parteien der Rechtsübertragung, also Veräußerer und Erwerber sowie das betroffene Grundstück, zweifelsfrei bezeichnet sein. Die im deed gewählten Worte müssen weiterhin deutlich machen, dass der Veräußerer tatsächlich ein Grundstücksrecht übertragen will. Ebenso muss aus dem deed erkennbar sein, welches Grundstücksrecht (estate) übertragen werden soll. Neben diesen zwingenden Inhalten werden regelmäßig weitere Angaben zur Rechtsübertragung aufgenommen, die jedoch meist nur Beweiszwecken oder der Klarstellung dienen.301 (a) Bezeichnung von Veräußerer und Erwerber Der deed enthält zunächst die Bezeichnung von Veräußerer und Erwerber. Die Person des Veräußerers dient der Feststellung seiner Berechtigung. Die des Erwerbers gewährleistet die Bestimmung des neuen Rechtsinhabers. Bei der Ausstellung des deed ist dessen Bezeichnung durch den Veräußerer nicht zwingend erforderlich. Der deed wird jedoch erst bei Eintragung eines Erwerbers wirksam. Ebenso kann eine Registrierung im Grundstücksregister nur mit Angabe eines Erwerbers erfolgen. Eine Identifizierung der im deed genannten Parteien muss grundsätzlich anhand dessen Wortlauts bestimmbar sein. Eine Angabe der Parteien mit

299

So auch die Regelung im Common Law. Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:6, S. 8-16. Lediglich für die Registrierung im Grundstücksregister kann eine Identitätsbestätigung (acknowledgment) erforderlich sein. Siehe hierzu unten S. 194. 300 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:1 (S. 8-2); 3 California Real Estate § 8:3. 301 3 California Real Estate § 8:3; 26A CJS Deeds (2001) § 31.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

ihren genauen Namen ist hingegen nicht erforderlich.302 Die Angabe „an mein ältestes noch lebendes Kind“303 oder „an meine Frau“ ist völlig ausreichend.304 Zur Bestimmung der Parteien können auch Anhaltspunkte herangezogen werden, die sich aus den Umständen des Geschäfts ergeben und nicht im deed selbst aufgeführt sind.305 Um Problemen bei der Identifizierung der Parteien zu vermeiden, sehen manche Bundesstaaten strengere Anforderungen an die Bezeichnung der Parteien vor. So ist beispielsweise in Idaho die Angabe der kompletten Adresse erforderlich, um eine Verwechslung bei übereinstimmendem Namen auszuschließen.306 Scheitert eine eindeutige Identifizierung des Veräußerers oder Erwerbers, ist der deed unheilbar nichtig.307 Seine Übergabe löst keine Rechtsübertragung aus. (b) Deed ohne Angabe eines Erwerbers In der Praxis ist es nicht unüblich, dass der Veräußerer den Erwerber im deed nicht benennt, sondern an der entsprechenden Stelle ein leeres Feld verbleibt. Dieses Vorgehen hat zumindest eine vorläufige Unwirksamkeit zur Folge.308 Der deed kann jedoch, sobald ein Erwerber eingetragen wird, wirksam werden und auch ein Grundstücksrecht übertragen.309 Der Veräußerer übergibt in einem solchen Fall den deed nicht direkt dem Erwerber, sondern einem Repräsentanten des eigentlichen Erwerbers, beispielsweise dessen Rechtsanwalt. Der Name des Erwerbers wird dann auf dem deed nachträglich ergänzt. Der Veräußerer muss den Empfänger jedoch zur selbstständigen Einfügung eines Erwerbers ermächtigt haben.310 Eine solche Ermächtigung wird in manchen Bundesstaaten vermutet, sobald eine Übergabe ohne die Bezeichnung eines Erwerbers stattfindet.311 Teilweise ist aber auch eine schriftliche Ermächti302

Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:3 (S. 8-6 ff.); 3 California Real Estate § 8:15; 26A CJS Deeds (2001) §§ 41, 45; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 31. Siehe für Beispiele von Unklarheiten, die einer Identifizierung nicht schaden, Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 388. 303 „[…] to my oldest living child“. John Hancock Mut. Life Ins. Co. v. Chinn, 28 P.2d 761, 762, 138 Kan. 804 (Kan. 1934). 304 Siehe auch 3 California Real Estate § 8:26. 305 23 Am. Jur. 2d Deeds § 31. So etwa bei Namensgleichheit. 306 § 55-601 Idaho Code; siehe auch Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:3.1 (S. 8-8). 307 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:3.1 S. 8-8; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 32. 308 3 American law of property § 12.40; 3 California Real Estate § 8:28. 309 3 American law of property § 12.41; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 32. 310 23 Am. Jur. 2d Deeds § 33; 3 California Real Estate § 8:28. 311 23 Am. Jur. 2d Deeds § 34. Siehe etwa Gajewski v. Bratcher, 221 N.W.2d 614, 638, 81 A.L.R.3d 211 (N.D. 1974).

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gung erforderlich.312 Erfolgt eine Eintragung ohne das Vorliegen einer Ermächtigung des Veräußerers, löst der deed keinen Übergang eines Grundstücksrechts aus.313 Weiterhin muss die Eintragung des tatsächlichen Erwerbers vor der tatsächlichen Übergabe des deed an den Erwerber vorgenommen werden.314 Mit dem Einfügen des Namens des Erwerbers wird der zunächst unwirksame deed wirksam; es tritt eine Art Heilung ein. Das Eigentumsrecht geht bei Übergabe an den Erwerber und dessen Annahme über.315 Erfolgt eine Eintragung hingegen durch den Erwerber selbst316 oder erst nach Übergabe des deed, findet kein Rechtsübergang statt. In der Praxis wird die Übertragung durch einen deed ohne Bezeichnung des Erwerbers vor allem bei Kettenübertragungen genutzt. Plant der erste Erwerber von vornherein die sofortige Weiterveräußerung, kann der Eigentümer den deed ohne Bezeichnung eines Erwerbers ausstellen und den Ersterwerber ermächtigen, den Namen des eigentlichen Erwerbers selbst einzufügen. Der Ersterwerber ergänzt daraufhin den Namen des Zweiterwerbers und übergibt diesem den deed. Das Eigentumsrecht am Grundstück geht in diesem Fall direkt von dem ursprünglichen Eigentümer auf den Zweiterwerber über.317 Es findet kein Durchgangserwerb, auch nicht für eine juristische Sekunde, statt. Ein Erwerber kann auf diese Weise erreichen, dass er bei der Transaktion für den Veräußerer weitgehend unbekannt bleibt. (c) Grundstücksbeschreibung Der deed muss weiterhin eine genaue Beschreibung der geometrischen Lage und des Ausmaßes des Grundstücks enthalten, an welchem ein Recht übertragen werden soll. Anhand der Angaben muss sich das Grundstück, bzw. im Fall einer nur teilweisen Übertragung318 der übertragene Grundstücksteil, genau ermitteln lassen. Die Grundstücksbeschreibung kann entweder anhand der staatlichen Landvermessung oder mit Hilfe von natürlichen Merkmalen geschehen. Ebenso kann der deed auf einen registrierten Plan (recorded plat) bezugnehmen oder auf eine andere Art der Landvermessung in Form eines Anhangs verweisen.319 Es muss nur in irgendeiner Form einwandfrei feststellbar sein, welches Grundstück von der Rechtsänderung betroffen ist. Reicht die Beschreibung des Grundstücks nicht aus, um die genaue Lage und 312

So etwa in Kalifornien 3 California Real Estate § 8:28. 26A CJS Deeds (2001) § 51; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 36. 314 26A CJS Deeds (2001) § 51. 315 26A CJS Deeds (2001) § 48. 316 Teilweise lassen die Gerichte dies jedoch zu; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 34. 317 So der Fall in Gilmore v. Shearer, 197 Iowa 506, 197 N.W. 631 (Iowa 1924) mit einer Veräußerungskette von vier Erwerbern. 318 Siehe zur Teilung von Grundstücken genauer oben S. 43. 319 Zur Landvermessung siehe oben S. 39. 313

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

das Ausmaß zu ermitteln, ist der deed unwirksam und führt zu keiner Übertragung.320 Die Gerichte setzen bei der Beurteilung der Bestimmtheit der Grundstücksbeschreibung jedoch keine allzu hohen Maßstäbe an.321 Es können neben den Angaben des deed auch die Umstände der Übertragung oder die mit dem deed zusammenhängenden Dokumente für eine Identifizierung herangezogen werden.322 Die Gerichte gehen nur in Ausnahmefällen von einer Unwirksamkeit des deed aus.323 Neben der genauen Beschreibung des zu übertragenden Grundstücks besteht auch die Möglichkeit, dem Erwerber ein Wahlrecht (right of selection) unter mehreren Grundstücken oder Teilflächen einzuräumen.324 Der deed muss in diesem Fall die Bedingungen des Wahlrechts und die in Betracht kommenden Grundstücke bzw. Teilflächen genau bestimmen. Der Rechtserwerb tritt in einem solchen Fall nicht mit der Übergabe des deed, sondern erst mit dem Ausüben des Wahlrechts ein.325 (d) Words of grant Die vom Veräußerer im deed verwendeten Worte müssen klar machen, dass überhaupt ein Recht übergehen soll. Der Wille des Veräußerers zur Übertragung eines Rechts leitet sich aus den sogenannten words of grant des deed ab. Die Rechtsprechung erkennt eine Reihe von Formulierungen für die Aussage der Übertragung eines Grundstücksrechts an. Durch die Verwendung der Begriffe alien, assign, assure, convey, enfeoff, give, quitclaim, set over und transfer wird deutlich, dass dem Erwerber ein Recht am Grundstück verschafft werden soll.326 Darüber hinaus wird in der Rechtsprechung teilweise angenommen, dass bei der Verwendung des Begriffs sell ebenso von einer Rechtsübertragung ausgegangen werden könne.327 Im Common Law wird von sell jedoch meist nur im Zusammenhang mit der Übertragung von bewegli320

23 Am. Jur. 2d Deeds § 38; 3 California Real Estate § 8:61; 26A CJS Deeds (2001)

§ 51.

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3 California Real Estate § 8:61. 23 Am. Jur. 2d Deeds § 38; 26A CJS Deeds (2001) § 51. Siehe beispielsweise Andrews v. Murphy, 12 Ga. St. U. L. Rev. 431, 12 Ga. 431, 1853 WL 1520 (Ga. 1853); Los Angeles County v. Hannon, 159 Cal. 37, 112 P. 878 (Cal. 1910). 323 23 Am. Jur. 2d Deeds § 40; 26A CJS Deeds (2001) § 51. „It is […] well settled that the law leans against the destruction of a deed for uncertainty of description“. Nolen v. Henry, 67 So. 500, 502, 190 Ala. 540 (Ala. 1914). 324 Wenn auch hierauf in neuerer Zeit nicht mehr hingewiesen wird, bestehen noch Gerichtsentscheidungen, die eine solche Möglichkeit vorsehen, so 23 Am. Jur. 2d Deeds § 42. 325 Builders Supplies Co. of Goldsboro, N. C., Inc. v. Gainey, 282 N.C. 261, 271, 192 S.E.2d 449 (N.C. 1972). 326 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1009; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 343. 327 Taylor v. Burns, 203 U.S. 120, 125, 27 S.Ct. 40 ( 1906). 322

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chen Sachen gesprochen. Wegen des Einheitsprinzips im Recht der beweglichen Sachen findet keine Unterscheidung zwischen Kauf und Übereignung statt.328 Durch die Verwendung der Begrifflichkeit sell werde deutlich, dass ein Recht übergehen soll; für unbewegliche Sachen könne nichts anderes gelten.329 Diese begriffliche Unschärfe zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft lässt abermals erkennen, dass eine konsequente Trennung beider Geschäfte nicht erfolgt. Enthält der deed keine words of grant oder kann aus der verwendeten Formulierung nicht auf den Willen zur Übertragung eines Rechts am Grundstück geschlossen werden, ist der deed unwirksam und löst folglich keinen Rechtsübergang aus.330 (e) Die habendum-Klausel Die Struktur der angloamerikanischen Grundstücksrechte erlaubt die Aufspaltung des Eigentumsrechts in verschiedene Unterrechte, wie etwa das life estate, fee tail oder das leasehold estate.331 Sie hat zur Folge, dass aus dem Inhalt des deed genau hervorgehen muss, ob das Vollrecht, lediglich ein Unterrecht oder ein zeitlich befristetes Recht übertragen werden soll. Aus der sogenannten habendum-Klausel332 des deed lässt sich auf das zu übertragende Recht schließen.333 Für die Übertragung jedes Rechts ist eine spezielle historische Formulierung üblich. Die Übertragung des Vollrechts (fee simple) wird beispielsweise durch die Formulierung to A and his heirs, also „an A und seine Nachkommen“ vorgenommen.334 Die habendum-Klausel ist für die Wirksamkeit des deed nicht zwingend erforderlich. Die Beschreibung des zu übertragenden Rechts wird meist schon durch die words of grant deutlich. Kann jedoch nicht ermittelt werden, welches Recht übertragen werden soll, bestehen gesetzliche Regelungen, die eine Vermutung für die Übertragung des Vollrechts aufstellen.335 Die habendum-Klausel spielt vor allem eine Rolle, wenn sich die Reichweite des konkret zu übertragenden Rechts nicht in die klassische Struktur einordnen lässt. Beim dinglichen Mietrecht (leasehold estate) werden die 328 Siehe oben zum Einheitsprinzip im angloamerikanischen Recht bei beweglichen Gegenständen S. 27. 329 Siehe mit Rechtsprechungsnachweisen 26A CJS Deeds (2001) § 39. 330 Siehe beispielsweise Lilly v. Earl, 463 So.2d 143, 145 (Ala. 1984). 331 Zu der Aufspaltung des Eigentumsrechts siehe oben S. 59 ff. 332 Lat. habendum et tendendum, engl. to have and to hold, dt. haben und halten. 333 23 Am. Jur. 2d Deeds § 16; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 345. 334 Siehe für die Formulierungen zur Übertragung anderer Eigentumsrechte oben S. 64 ff. 335 Siehe beispielhaft § 1105 Cal. Civ. Code oder 765 ILCS 5/13. Siehe auch 3 California Real Estate § 8:59. Die Rechtsprechung geht ebenso davon aus. 26A CJS Deeds (2011) § 33.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Rechte des Mieters bzw. Pächters entscheidend durch die konkrete Formulierung bestimmt.336 Weiterhin kommt es beispielsweise im Zusammenhang mit Bohrrechten oft zu Streitigkeiten, inwieweit die Bodenschätze eines Grundstücks ausgebeutet werden dürfen.337 Eine genaue und ausführliche habendum-Klausel, die die Ausgestaltung des Grundstücksrechts exakt beschreibt, verhindert Streitigkeiten im Voraus. (f)

Sonstiger Inhalt

Neben den zwingenden Inhalten enthält ein deed in der Regel noch weitere freiwillige Angaben. Diese nicht notwendigen Inhalte erleichtern vor allem die Registrierung und können die Beweiskraft des deed erhöhen. Obwohl für die Wirksamkeit des deed eine Gegenleistung (consideration) nicht erforderlich ist, wird bei fast jeder Übertragung eine Gegenleistung (meist der Kaufpreis) mit aufgenommen.338 Dem Erwerber fällt so der Beweis der Entgeltlichkeit im Falle eines gutgläubigen Erwerbs leichter.339 Die Urkunde enthält in der Regel auch das Datum der Übergabe, um den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs einfacher nachweisen zu können. Die zeitliche Angabe stellt jedoch grundsätzlich nur eine widerlegbare Vermutung der Übergabe dar.340 Der genaue Zeitpunkt des Rechtsübergangs kann vor allem im Zusammenhang mit einem eventuellen gutgläubigen Erwerb oder der Rangfolge von Belastungen eine wichtige Rolle spielen. (g) Gesetzliche Vorlage Die Gesetze einiger Bundesstaaten sehen gesetzliche Regelungen für den Wortlaut eines deed vor. Die Vorgaben sind meist schlicht gehalten und beinhalten lediglich den zwingenden Inhalt; beispielhaft die Regelung von Kalifornien, § 1092 Cal. Civ. Code:341 „I, A B, grant to C D all that real property situated in (insert name of county) County, State of California, bounded (or described) as follows: (here insert property description, or if the

336

Siehe beispielsweise zur Formulierung for railroad purposes Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 345. 337 Siehe hierzu beispielsweise Walker, Jr., 8 Tex. L. Rev. 483 (1930). 338 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:4 (S. 8-10); Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1009. Dies hat jedoch zur Folge, dass der Kaufpreis der Öffentlichkeit des Grundstücksregisters unterfällt und für jedermann erkennbar wird. 339 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 342. 340 23 Am. Jur. 2d Deeds § 18; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 352. 341 Ähnliche gesetzliche Regelungen bestehen in anderen Bundesstaaten; siehe beispielsweise 64.04.030 Wash. St.; § 258 RPL of N.Y.; § 34.15.030 Alaska St.

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land sought to be conveyed has a descriptive name, it may be described by the name, as for instance, ,The Norris Ranch.ʻ) Witness my hand this (insert day) day of (insert month), 20___. AB“

Die gesetzlichen Regelungen sind nur unverbindliche Vorschläge.342 Die Ausarbeitung eigener, von der gesetzlichen Regelung abweichender Formulierungen ist weiterhin zulässig. Der deed muss lediglich die oben genannten zwingenden Angaben enthalten. Die beispielhafte gesetzliche Formulierung bildet insoweit einen Anhaltspunkt für die Ausgestaltung und stellt klar, dass bei Verwendung der Vorlage der deed in jedem Fall wirksam ist. bb) Schriftform Der deed als private Übertragungsurkunde muss einer bestimmten Form entsprechen, um eine Rechtsübertragung auszulösen. Eine rechtsgeschäftliche formlose Übertragung von Grundstücksrechten ist im angloamerikanischen Recht grundsätzlich nicht vorgesehen.343 Der deed muss lediglich schriftlich abgefasst344 und vom Veräußerer eigenhändig unterschrieben345 werden. Der Inhalt der Urkunde muss durch verkörperte Schriftzeichen dauerhaft festgehalten werden. Es ist unerheblich, ob sie handschriftlich, per Schreibmaschine, Computerausdruck oder durch das Ausfüllen eines Vordrucks zustande kommt.346 Die erforderliche Form entspricht in etwa der des § 126 Abs. 1 BGB. Das Formerfordernis geht ebenso wie die Schriftform des contract of sale auf das Statute of Frauds von 1677 zurück.347 Die Unterschrift auf dem deed macht deutlich, dass der Veräußerer den Willen hat, dem Erwerber ein Recht am Grundstück zu verschaffen. Fehlt die Unterschrift im Zeitpunkt der Übergabe, geht grundsätzlich kein Recht über. Auch eine Heilung mit ex-tunc-Wirkung, etwa durch eine später erfolgte 342

3 California Real Estate § 8:2. Beim gesetzlichen Erwerb von Grundstücksrechten wie beim Eintritt einer Bedingung beim defeasible estate oder nach Zeitablauf beim life estate oder leasehold bedarf es hingegen keiner schriftlichen Übertragungsurkunde, Gleiches gilt für die Ersitzung (adverse possession); 37 CJS Statute of Frauds § 106. Siehe hierzu unten S. 220. 344 23 Am. Jur. 2d Deeds § 87; 26A CJS Deeds (2001) § 36. 345 23 Am. Jur. 2d Deeds § 92; 26A CJS Deeds (2001) § 62. 346 37 CJS Statute of Frauds § 115. Siehe auch Bracker, Inhalt und Bedeutung der Statutes of Frauds im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika, 1996, §§ 113 f. 347 Siehe hierzu schon oben S. 175. Für das Verfügungsgeschäft: „noe […] Freehold […] shall […] be assigned, granted or surrendred unlesse it be by Deed or Note in Writeing signed by the party soe assigning granting or surrendring the same“, 29 Chas. II c. 3 (1677): An Act for prevention of Frauds and Perjuries, Art. III. Siehe zu den Gesetzen der Bundesstaaten beispielhaft § 1091 Cal. Civ. Code; § 243 RPL of N.Y.; ausführlich zur Schriftform sowie zur Möglichkeit der Heilung unten S. 308. 343

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Beglaubigung, ist nicht möglich.348 Eine Vertretung des Veräußerers ist wie bei jedem nicht höchstpersönlichen Rechtsgeschäft denkbar. Teilweise ist eine schriftliche Erteilung der Vertretungsmacht vorgeschrieben.349 Bei der Übertragung von Grundstücksrechten, die mehreren Personen zustehen, ist die Unterschrift aller Personen notwendig. Die jeweilige Unterschrift kann zeitversetzt erfolgen, muss jedoch vor der Übergabe vorgenommen werden.350 cc) Identitätsbestätigung – Acknowledgment Zum Abschluss der Ausfertigung des deed erfolgt in der Regel eine Identitätsbestätigung (acknowledgment) durch einen notary public351. Das Common Law erfordert neben der Schriftform und der Unterschrift des Veräußerers solche Formvorschriften nicht für die Wirksamkeit des deed.352 Nur wenige Bundesstaaten weichen hiervon ab und fordern ein acknowledgment des deed oder eine Mitwirkung von Zeugen bei der Unterzeichnung (attestation) für einen wirksamen Rechtsübergang. Die meisten Bundesstaaten folgen hingegen der alten Regelung des Common Law und lassen die Schriftform für die Wirksamkeit genügen. Das acknowledgment ist lediglich für eine spätere Registrierung des deed im Grundstücksregister353 oder für dessen Wirksamkeit gegenüber Dritten354 erforderlich.355 Eine Rechtsübertragung ist ohne die Mitwirkung staatlicher Stellen allein durch die Übergabe einer Privaturkunde möglich. Lediglich in den Bundesstaaten, die zwingend eine Identitätsbestätigung oder Mitwirkung von Zeugen vorsehen, geht das Grundstücksrecht erst nach Erfüllung der zusätzlichen Voraussetzungen über. In Florida muss der Veräußerer den deed beispielsweise in der Gegenwart von zwei Zeugen unterschreiben; die Bestätigung erfolgt durch deren Unterschrift auf dem

348 American Savings Bank & Trust Co. V. Helgesen, 67 Wash. 572, 122 P. 26 (Wash. 1912), zum mortgage deed. 349 Beispielsweise § 1091 Cal. Civ. Code; § 243 RPL of N.Y. 350 23 Am. Jur. 2d Deeds § 92. 351 Zum notary public sogleich unten S. 197. 352 26A CJS Deeds (2011) § 66; 3 California Real Estate § 8:40; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 334. 353 So etwa in Kalifornien, § 27287 Cal. Gov. Code: „before an instrument can be recorded its execution shall be acknowledged“. 354 So etwa in New York, § 243 RPL of N.Y.: „If not duly acknowledged before its delivery, […] its execution and delivery must be attested by at least one witness, or, if not so attested, it does not take effect as against a subsequent purchaser or incumbrancer until so acknowledged.“ 355 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:8, S. 8-22 ff.; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 88; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 334; Szypszak, 28 N.C. Cent. L.J. 199, 213 (2006).

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deed.356 In Arizona ist hingegen ein acknowledgment zwingend für die Wirksamkeit der Rechtsübertragung erforderlich.357 Fehlt eine der zusätzlichen formellen Voraussetzungen, kann durch die Übergabe des deed kein Grundstücksrecht übergehen. In den meisten Bundesstaaten bestehen Heilungsvorschriften, die Mängel des acknowledgment oder der Bezeugung nach einem bestimmten Zeitraum für unbeachtlich erklären.358 In Arizona sind solche formellen Fehler beispielsweise zehn Jahre nach der Registrierung unbeachtlich und führen nicht mehr zur Unwirksamkeit der Rechtsübertragung.359 Das Fehlen kann durch reinen Zeitablauf hingegen nicht geheilt werden.360 Die gesetzlichen Vorschriften der Bundesstaaten haben zur Folge, dass nahezu alle Übertragungsurkunden beglaubigt oder bezeugt werden. Der Veräußerer bringt meist einen bereits beglaubigten deed zum closing mit oder lässt die Beglaubigung von einer während des closing anwesenden Person vornehmen.361 Teilweise wird die Beglaubigung auch erst nach der Durchführung des closing und bereits erfolgter Übergabe vorgenommen.362 (a) Funktion und Form Das acknowledgment und die attestation sollen die Identität der den deed ausstellenden Person sichern. Ein acknowledgment bestätigt, dass die Identität der in der Urkunde genannten Person mit der des Unterzeichners übereinstimmt.363 Eine attestation ist hingegen die reine Bezeugung des Vorgangs der execution. Der Zeuge bestätigt mit seiner Unterschrift, dass er bei der Ausfertigung des deed anwesend war.364 Das acknowledgment authentifiziert den deed als einen Akt der unterzeichnenden Person.365 Eine Überprüfung des deed über die Identität des Ausstellers hinaus, etwa in inhaltlicher oder rechtlicher Hinsicht, findet hin356 „No estate […] shall be created, made, granted, transferred or released in any other manner than by instrument in writing, signed in the presence of two subscribing witnesses by the party […].“ § 689.01 Fla. St.; ähnlich in Alabama (§ 35-4-20 Ala. St.). 357 „Every deed or conveyance of real property must be signed by the grantor and must be duly acknowledged before some officer authorized to take acknowledgments.“ § 33-401 (B) Ariz. St. 358 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:8 (S. 8-23 ff.). Siehe zu diesen curative statutes ausführlich unten S. 363. 359 § 33-401 (C) Ariz. St. 360 So Crum v. Butler, 601 So.2d 834, 837 (Miss. 1992). 361 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 13:4 (S. 13-27). 362 Siehe 1A CJS Acknowledgments § 39. 363 1 Am. Jur. 2d Acknowledgment § 1; 1A CJS Acknowledgments § 1; 3 California Real Estate §§ § 8:40. 364 1A CJS Acknowledgments § 1. 365 1A CJS Acknowledgments § 2; 3 California Real Estate §§ § 8:40.

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gegen nicht statt. Im Gegensatz zur attestation kann es nicht von jedermann, sondern nur von einer hierfür bestellten öffentlichen Person vorgenommen werden.366 In der Regel ist hierfür der notary public zuständig.367 Die konkrete Form des acknowledgment unterscheidet sich zwischen den Bundesstaaten nur marginal.368 In der Regel erfolgt die Bestätigung durch die mündliche Erklärung des Veräußerers gegenüber dem notary public, dass er den deed tatsächlich unterschrieben hat. Die Erklärung, die persönlich vor dem notary public erfolgen muss,369 wird auf dem deed oder einer separaten Urkunde festgehalten.370 Der Veräußerer muss seine Identität zweifelsfrei nachweisen.371 Dies kann entweder durch persönliche Bekanntheit gegenüber dem notary public oder durch die Vorlage eines Identifikationsausweises erfolgen.372 Beim acknowledgment wird grundsätzlich nur die Identität der Partei, die durch die Urkunde ein Recht verliert bzw. überträgt – also des Veräußerers –, bestätigt. Hinsichtlich des Erwerbers erfolgt eine solche Überprüfung nicht.373 Durch das wachsende Problem des Identitätsdiebstahls, vor allem im Zusammenhang mit Hypotheken, dem sogenannten mortgage fraud,374 haben viele Bundesstaaten ihre Anforderungen an die Durchführung des acknowledgment erhöht. Teilweise werden sogar die Fingerabdrücke der Beteiligten erfasst.375 Der notary public ist zudem verpflichtet, alle von ihm vorgenommenen acknowledgments lückenlos zu dokumentieren.376 Insgesamt stellt das acknowledgment einen reinen Identitätsnachweis des Ausstellers eines deed dar. Es ist mit einer öffentlichen Unterschriftsbeglau366

1A CJS Acknowledgments § 24. Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:8 S. 8-27 f.; so beispielsweise in Kalifornien (§ 1181 Cal. Civ. Code, siehe hier auch weitere zuständige Personen, v.a. Inhaber öffentlicher Ämter) und New York (§ 298 (1)(d) RPL of N.Y.). 368 1 Am. Jur. 2d Acknowledgment § 8. Siehe beispielsweise: § 1180 f. Cal. Civ. Code; § 298 RPL of N.Y.; § 695.03 Fla. St. 369 Siehe zum acknowledgment über Telefon Abernathy v. Harris, 183 Ark. 22, 34 S.W.2d 765 (Ark. 1931), der notary public erkannte die Stimme. 370 In den Bundesstaaten existieren meist gesetzliche Vorlagen für den Text des acknowledgment; siehe beispielsweise für Kalifornien § 1189 (a)(1) Cal. Civ. Code. 371 1A CJS Acknowledgments § 43. 372 In Kalifornien reicht hierfür ein Führerschein oder ein Reisepass aus, § 1185 (b)(3) und (4) Cal. Civ. Code. 373 1 Am. Jur. 2d Acknowledgment § 5. 374 Durch den „Diebstahl“ einer Identität, etwa durch einen gefälschten Ausweis, bestellen Betrüger Hypotheken an fremden Grundstücken und lassen sich die Hypothekensumme auszahlen. Teilweise übertragen sie auf diese Weise sogar ganze Grundstücke auf gutgläubige Dritte (sogenanntes house stealing). Siehe noch ausführlich unten S. 414. 375 Siehe hierzu Lillig, 23-NOV NOV CBA Rec. 30, 31 (2009); so ist beispielsweise in Illinois seit 2008 ein Fingerabdruck erforderlich, 5 ILCS 312/3-102 (c)(6). 376 66 CJS Notaries § 15; Weston, 95 Ill. B.J. 384, 384 (2007). 367

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bigung des deutschen Rechts vergleichbar.377 Darüber hinaus entfaltet es keinerlei rechtliche Wirkung, auf die sich Dritte verlassen können.378 Der deed kann noch immer inhaltlich fehlerhaft oder der Veräußerer überhaupt nicht Inhaber des übertragenen Rechts sein. Das acknowledgment stellt weiterhin eine Vermutung hinsichtlich Vornahme und Zeitpunkt von Ausfertigung (execution) und Übergabe (delivery) des deed auf.379 (b) Der notary public Der notary public bekleidet ebenso wie der deutsche Notar ein öffentliches Amt und übt dies unparteiisch aus.380 Das Amt hat den gleichen Ursprung wie das des Notars des Civil Law und kann somit bis in die Antike zurückverfolgt werden.381 Der notary public ist jedoch hinsichtlich Funktion und Aufgabe nicht mit diesem vergleichbar. Obwohl die Kolonialisierung Nordamerikas mit einem notariellen Akt begann,382 ist der Notar nach lateinischem Vorbild heute im angloamerikanischen Recht weitgehend unbekannt. Der Notar des Civil Law konnte sich letztendlich in dem für ihn unbekannten Common Law nicht durchsetzen.383 377

So Langhein, Angloamerikanische notarielle Beglaubigungen, Bescheinigungen und Belehrungen im deutschen Registerrecht, 1994, S. 92. 378 1A CJS Acknowledgments § 18. 379 1A CJS Acknowledgments § 17. 380 58 Am. Jur. 2d Notaries Public §§ 1 f. Siehe für den deutschen Notar Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 1 sowie unten S. 257. 381 Closen/Dixon, III, 68 N.D. L. Rev. 873, 874 f. (1992). 382 Bereits 1492 soll Christopher Columbus von einem Notar begleitet worden sein, der die Landinbesitznahme bezeugt und diese dokumentiert habe; siehe m.w.N. Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 563 f. 383 Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 574. Lediglich in Louisiana ist der Notar nach lateinischer Tradition heute noch zu finden. Zu Beginn der Besiedelung Nordamerikas war er jedoch noch in den von Frankreich und Spanien verwalteten Gebieten verbreitet, aber auch im heutigen New York waren Notare bekannt (Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 564). Sie waren (unabhängiger) Teil der Verwaltung (Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 566, 568 f.). In den französischen Teilen durften nur sie juristische Beratungen vornehmen (Baade, 53 Tul. L. Rev. 1, 10 (1979)), da Frankreich anderen Juristen keinen Zugang zu seinen Kolonien gestattete („Due to the contentious nature of their business, advocates were considered undesirable elements of discord and instability.“ Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 569). Das Notariat in Louisiana überstand die Übernahme der Herrschaft durch die Spanier (Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 593). Für eine Reihe privater Transaktionen, wie den Sklavenhandel und die Übertragung von Plantagen und Grundstücken, war die obligatorische Mitwirkung eines Notars erforderlich (Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 570). Der Notar überlebt in Louisiana, gemeinsam mit Teilen des

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Zunächst sind die Berufszugangsvoraussetzungen wesentlich niedriger. Grundsätzlich kann jeder Volljährige, der der englischen Sprache in Wort und Schrift mächtig ist, zum notary public ernannt werden.384 Eine spezielle juristische Ausbildung, wie etwa ein Hochschulstudium, ist nicht erforderlich. Nur in wenigen Bundesstaaten muss der notary public überhaupt eine schriftliche Prüfung vor der Aufnahme seiner Tätigkeit ablegen.385 Diese ist hinsichtlich ihrer Schwierigkeit mit der Führerscheinprüfung vergleichbar.386 In den meisten Bundesstaaten muss ein notary public vor Amtsantritt eine Sicherheit (bond) stellen, die Schäden aus Amtspflichtverletzungen abdecken soll.387 Besondere juristische Kenntnis oder eine entsprechende Ausbildung ist nicht erforderlich, da der notary public keinerlei rechtliche Beratung vornimmt; diese ist ihm in den meisten Bundesstaaten sogar ausdrücklich untersagt.388 Er ist nur für die Bestätigung der Identität im Rahmen des acknowledgment zuständig. Das Amt kann neben anderen Berufen ausgeübt werden. Der notary public ist oft Angestellter einer Bank oder Rechtsmängelversicherung, Rechtsanwalt, Makler oder er arbeitet im öffentlichen Dienst.389 Die Tätigkeit eines notary public ist nicht auf eine bestimmte Region beschränkt, Civil Law, auch nach dem „Kauf“ durch die Vereinigten Staaten (Lichtenwimmer/Siebenhaar, MittBayNot 2005, 17, 19 f.). Bis heute existieren noch Notare in Louisiana, ihr Wirkungsbereich schwindet jedoch zunehmend (Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 579). In den Bundesstaaten Florida und Alabama gibt es seit Ende des 20. Jahrhunderts eine Person, die ähnliche Aufgaben wie der Notar übernimmt. Auf Grund der starken Zuwanderung aus Lateinamerika war hier eine Person erforderlich, die Rechtsakte mit Auslandsbezug durchführen konnte (Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 581 f.). 384 Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 561. 385 58 Am. Jur. 2d Notaries Public § 15. In Kalifornien ist ein sechsstündiger Kurs mit einer anschließenden Prüfung erforderlich, § 8201 Cal. Gov. Code. In New York gibt es lediglich einen Test, Art. 6 § 130 EXC Law of N.Y. 386 So Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 561. Weder eine schriftliche Prüfung noch eine spezielle Ausbildung ist beispielsweise in Virginia, Massachusetts, Texas oder New Jersey erforderlich. Die Webseite der National Notary Association (NNA) ermöglicht über ein einfaches Onlineverfahren die Registrierung und Ernennung zum notary public; und dies bereits ab 40 Dollar. National Notary Association, How to Become a Notary in California, (besucht am 23.8.2015). 387 66 CJS Notaries § 30. In Kalifornien sind dies beispielsweise 15.000 Dollar (§ 8212 Cal. Gov. Code). 388 Malavet, 19 Hastings Int’l & Comp. 389, 397 (1996). Dies trifft nicht zu, wenn der notary public gleichzeitig zugelassener Rechtsanwalt ist. 389 Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 562.

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dieser kann im gesamten Bundesstaat seiner Tätigkeit nachgehen.390 Ebenso besteht keine Beschränkung hinsichtlich der zu besetzenden Stellen.391 Im Gegensatz zum deutschen Notar kann der notary public einem von ihm bestätigten Dokument keinen öffentlichen Glauben verleihen.392 Ein solcher ist dem Common Law insgesamt fremd. Das angloamerikanische Prozessrecht sieht für solche Urkunden keine besondere Beweiserleichterung vor. Sie haben vor Gericht keinen höheren Beweiswert. Gerade in Prozessen mit Geschworenen gewähren Urkunden gegenüber dem Zeugenbeweis oft keine speziellen (prozessualen) Vorteile.393 Die ausgeprägte Mündlichkeit macht die Benutzung von Urkunden „schwierig und in vielen Fällen sogar unmöglich“.394 b)

Rechtsübergang durch Übergabe und Annahme – Conveyance

Nachdem der Veräußerer den deed ausgefertigt und seine Identität durch ein acknowledgment bestätigt hat, übergibt er die Urkunde an den Erwerber. Die Rechtsübertragung (conveyance) besteht aus Übergabe (delivery)395 und Annahme (acceptance).396 aa) Übergabe des deed – Delivery Für die Übergabe ist erforderlich, dass der Erwerber oder dessen Vertreter den tatsächlichen Besitz am deed erlangt.397 Die Übergabe stellt jedoch nicht nur einen rein tatsächlichen Akt dar.398 Vielmehr muss der Veräußerer bei der Übergabe auch den Willen haben, den deed als Übertragungsinstrument für 390

66 CJS Notaries § 20. In den Vereinigten Staaten sind insgesamt über 4,4 Millionen tätig. Siehe National Notary Association, History of the National Notary Association, (besucht am 23.8.2015). 392 Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 26 Fn. 59; Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 561 f. 393 Allgemeines zum Zivilprozess sowie zu der Rolle der Geschworenen in den Vereinigten Staaten siehe oben S. 23 sowie von Mehren/Murray, Das Recht in den Vereinigten Staaten von Amerika, 2008, S. 215 ff. Eine Prozessart vergleichbar mit dem deutschen Urkundenprozess (§§ 592 ff. ZPO) existiert in den Vereinigten Staaten nicht. 394 Reimann, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 559, 593. 395 Siehe beispielsweise § 1054 Cal. Civ. Code; § 244 RPL of N.Y. 396 Teilweise wird die Annahme auch als Teil der Übergabe gesehen. Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:8.1 (S. 8-23). 397 23 Am. Jur. 2d Deeds § 102; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:7 (S. 8-17). Bei mehreren Erwerbern ist die Übergabe an einen davon ausreichend. 398 23 Am. Jur. 2d Deeds § 111; 3 California Real Estate § 8:41. 391

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das genannte Grundstücksrecht zu verwenden.399 Das Vorliegen eines solchen Willens wird bei Übergabe des deed an den Erwerber widerlegbar vermutet.400 Der deed muss zudem außerhalb des Herrschaftsbereichs des Veräußerers gelangen, sodass dieser keine Möglichkeit mehr hat, den Rechtserwerb einseitig zu verhindern.401 Dies ist nicht der Fall, wenn der deed an einen Vertreter übergeben wird, der dem Veräußerer unter bestimmten Umständen zur Rückgabe verpflichtet ist.402 bb) Annahme des deed – Acceptance Nach der Übergabe des deed an den Erwerber hängt der Rechtserwerb nur noch von dessen Annahme ab. Dies wird vermutet, wenn der deed im Grundstücksregister registriert worden ist.403 Die Annahme des deed stellt ebenso keinen rein tatsächlichen Akt dar, sondern beinhaltet auch ein Willenselement. Der Erwerber muss den Willen haben, ein Grundstücksrecht zu erwerben,404 gegen seinen Willen geht grundsätzlich kein Recht über.405 Der Erwerbswille wird nicht zwingend durch die Unterschrift des Erwerbers auf dem deed ausgedrückt. Ein solches Unterzeichnen ist weder nach dem Statute of Frauds notwendig noch allgemein üblich.406 Der deed stellt lediglich das Instrument zur Rechtsübertragung dar. Die Annahme ist ein Akt, der erst nach der Übergabe des deed stattfinden kann. Der Wille zum Erwerb wird durch die äußeren Umstände der Übergabe deutlich.407 In der Regel wird eine Vermutung hinsichtlich der Annahme von den Gerichten schnell angenommen.408 An das Widerlegen der Vermutung werden hingegen sehr hohe Anforderungen gestellt. 399

„A valid delivery of a deed depends upon whether the grantor intended that it should be presently operative“, Luna v. Brownell, 110 Cal.Rptr.3d 573, 573, 85 Cal.App.4th 668 (Cal. 2010). Siehe auch 23 Am. Jur. 2d Deeds § 105; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:7.1 (S. 8-18). 400 Williams v. Pacific Royalty Co., 247 F.2d 672, 676 ( 1957); Estate of Atkinson v. Allied Fence and Imp. Co., Inc., 746 S.W.2d 709, 712 (Tenn. 1988). Siehe auch 3 California Real Estate § 8:42. 401 „[…] delivery is complete only where the grantor has put the deed beyond his power to revoke or reclaim it“, Estate of Atkinson v. Allied Fence and Imp. Co., Inc., 746 S.W.2d 709, 712 (Tenn. 1988). Siehe auch 3 California Real Estate § 8:45. 402 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:7.2 (S. 8-19). 403 26A CJS Deeds (2011) § 78; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:7.3 (S. 8-21 f.). 404 26A CJS Deeds (2011) § 92; 3 California Real Estate § 8:49. 405 23 Am. Jur. 2d Deeds § 149. 406 Siehe hierzu Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:8.2 (S. 8-24 ff.). 407 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:8:1 (S. 8-24). 408 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:8:1 (S. 8-24). Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Erwerber das Grundstücksrecht unentgeltlich erhält und

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Selbst bei einer unentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks (donative transfer),409 etwa im Rahmen einer Schenkung (gift), ist die Annahme des deed durch den Erwerber erforderlich.410 Diese Klarstellung ist notwendig, da das angloamerikanische Recht die Verpflichtung zu einer Schenkung nicht kennt. Die Schenkung stellt keinen (schuldrechtlichen) Vertrag dar.411 Eine wirksame Schenkung besteht nur aus der Absicht des Schenkenden, einem anderen ein Grundstücksrecht unentgeltlich zuzuwenden, sowie der Übertragung des Rechts.412 Im Rahmen der Schenkung wird auf das Einheitsprinzip zurückgegriffen. Bevor die Schenkung vollzogen ist, besteht kein Anspruch des Beschenkten gegen den Schenker.413 Im deutschen Recht ist auf Grund des allgemein geltenden Trennungsprinzips das Verfügungsgeschäft, dem eine Schenkung zugrunde liegt, nicht anders zu betrachten wie bei einem Kaufvertrag.414 cc) Rechtsfolgen Rechtsfolge der willentlichen Übergabe und Annahme des deed ist der unmittelbare Übergang des in der habendum-Klausel des deed bezeichneten Grundstücksrechts.415 Der deed selbst verliert mit dem Abschluss des Rechtsübergangs jegliche rechtliche Wirkung. Eine nachträgliche Änderung des Inhalts, etwa hinsichtlich des übertragenen Grundstücks oder Grundstücksrechts, hat keine rechtsändernde Wirkung.416 Ebenso hat die Vernichtung, Rück- oder Weitergabe des Dokuments keinerlei Einfluss auf die Rechtslage am Grundstück.417 Eine erneute Rechtsänderung, wie etwa eine Rückübertragung, kann nur durch die Ausfertigung und Übergabe eines neuen deed durch den neuen Rechtsinhaber herbeigeführt werden (reconveyance).418 Nach der Registrieihn sonst keine Belastungen treffen. 38 Am. Jur. 2d Gifts § 28; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 159. 409 Siehe hierzu ALI, Restatement (Second) of Property: Donative Transfers, 1983. 410 ALI, Restatement (Third) of Property: Wills & Other Donative Transfers, 2003, S. 6.1. 411 38 Am. Jur. 2d Gifts § 2. 412 38 Am. Jur. 2d Gifts § 14. 413 Oman v. Yates, 70 Wash.2d 181, 186, 422 P.2d 489 (Wash. 1967). 414 Siehe aber zur Schenkung als Rechtsgrundabrede (Handschenkung) Chiusi, in: Staudinger, BGB, § 516 Rn. 1 ff. 415 23 Am. Jur. 2d Deeds § 270; 26A CJS Deeds (2001) § 172. 416 23 Am. Jur. 2d Deeds § 291. Zur Abänderung hinsichtlich falscher Angaben im deed siehe 23 Am. Jur. 2d Deeds § 272; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:17 (S. 8-67). 417 23 Am. Jur. 2d Deeds § 291; 3 California Real Estate § 8:49. Siehe auch § 1058 Cal. Civ. Code. „Redelivering a grant of real property to the grantor, or canceling it, does not operate to retransfer the title.“ 418 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1011.

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rung des deed im Grundstücksregister ist eine Aufbewahrung nicht mehr zwingend erforderlich; aus Beweisgesichtspunkten ist dies jedoch sinnvoll. Zudem dient der deed bei einer Weiterveräußerung meist als Ausgangspunkt für die title search.419 Der genaue Zeitpunkt des Rechtserwerbs ist vor allem im Zusammenhang mit weiteren Übertragungen des ursprünglichen Eigentümers und dem gutgläubigen Erwerb entscheidend. Grundsätzlich gilt der Zeitpunkt der Übergabe und Annahme als Rechtserwerb. Dieser wird in der Regel auch auf dem deed mit Datum und Uhrzeit vermerkt.420 Solche Angaben dienen im Streitfall als Vermutung für den Zeitpunkt des tatsächlichen Rechtsübergangs.421 Der deed kann nur einen Rechtsübergang auslösen, wenn der Veräußerer tatsächlich Inhaber des betreffenden Grundstücks und Grundstücksrechts war.422 Ist beides nicht der Fall, geht überhaupt kein Recht über. Deshalb kann auch durch einen gefälschten deed nie ein Grundstücksrecht übergehen.423 Eine differenzierte Betrachtung ist jedoch erforderlich, wenn der Veräußerer Inhaber zumindest eines Teils des Grundstücks war oder ihm ein weniger weit reichendes Recht am übertragenen Grundstück zustand. Bei unrichtigen Angaben hinsichtlich der geometrischen Ausmaße werden die Angaben im deed zur Grundstücksbeschreibung so ausgelegt, dass der Erwerber zumindest den Teil erwirbt, der dem Veräußerer tatsächlich zusteht.424 Gleiches gilt, sofern der Veräußerer nur Inhaber eines weniger weit reichenden Grundstücksrechts als das im deed genannte ist. Ist er beispielsweise nur Inhaber eines life estate, überträgt aber ein fee simple, geht zumindest das zeitlich beschränkte Recht auf den Erwerber über.425 Ausnahmsweise kann ein deed auch solche Grundstücksrechte umfassen, die der Veräußerer erst nach der Übergabe erwirbt. Die Übertragung eines sogenannten afteracquired title muss bereits im zurückliegenden deed vorgesehen gewesen sein.426 419

23 Am. Jur. 2d Deeds § 291. Eine Aufbewahrung ist auch sinnvoll, um später Verdächtigungen wegen einer eventuellen Fälschung anhand des originalen Dokuments ausräumen zu können; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1006. 420 23 Am. Jur. 2d Deeds § 18. 421 23 Am. Jur. 2d Deeds § 270. 422 3 California Real Estate § 8:58; 26A CJS Deeds (2011) § 245. 423 Siehe hierzu ausführlich 23 Am. Jur. 2d Deeds §§ 167 ff.; 26A CJS Deeds (2011) §§ 106, 114 ff.; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:13 (S. 835 ff.). 424 3 California Real Estate § 8:58; 26A CJS Deeds (2011) §§ 244 ff., siehe dort weitere Fragestellungen in Bezug auf einzelne Fehler hinsichtlich der Art und Weise der Grundstücksbeschreibung. 425 26A CJS Deeds (2011) § 277. 426 Siehe hierzu ausführlich 23 Am. Jur. 2d Deeds §§ 277 ff.; 3 California Real Estate § 8:73; 26A CJS Deeds (2011) § 281.

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dd) Untergang des schuldrechtlichen Anspruchs – Doctrine of merger Neben dem Rechtsübergang hat die Übergabe und Annahme des deed eine besondere Rechtsfolge für die Ansprüche aus dem Kaufvertrag. Nach der sogenannten doctrine of merger (in deed)427 gehen die Ansprüche des Käufers auf Verschaffung eines marketable title aus dem Kaufvertrag mit dem Übergang des Eigentumsrechts unter.428 Die Annahme des deed bewirkt das Erlöschen aller Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag. Mögliche Ansprüche hinsichtlich Rechts- und Sachmängeln können nach Übergabe nur noch aus dem deed selbst abgeleitet werden. Er stellt die einzig verbindliche Vereinbarung zwischen den Parteien dar und ist alleinige Quelle für Garantieerklärungen.429 Um den Untergang von noch nicht erfüllten Pflichten zu verhindern, müssen diese in den deed übernommen werden.430 Bis zur Übergabe des deed steht es dem Käufer hingegen frei, diesen auf Grund von Rechts- oder Sachmängeln abzulehnen und vom Vertrag zurückzutreten.431 Gleiches gilt für Rechte des Verkäufers aus dem Kaufvertrag. So gehen beispielsweise im Kaufvertrag genannte Rücktrittsrechte unter, falls sie nicht in den deed mit aufgenommen werden.432 Die doctrine of merger rekurriert auf die Regelung des Common Law, die besagt, dass eine Person an einem Grundstück nicht zwei verschieden starke estates innehaben kann.433 Das mit dem Abschluss des Kaufvertrags entstandene equitable estate „kollidiert“ mit dem durch die Übergabe des deed übertragenen Grundstücksrechts, etwa dem fee simple. Das „schwächere“ equitable estate und damit auch die Ansprüche aus dem Kaufvertrag gehen vollständig im „stärkeren“ legal estate auf. Der Untergang der schuldrechtlichen Ansprüche diene letztendlich auch der Klarheit und Sicherheit von Grundstücksgeschäften. Es müsse einen Zeitpunkt geben, nach dem keine Ansprü427

Siehe hierzu Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 150. 26A CJS Deeds (2001) § 195; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:18 (S. 8-57); ALI, Restatement (First) of Contracts, 1932, § 413. Siehe hierzu auch kurz Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 524 ff. 429 „The deed supersedes the provisions of the real estate contract and becomes the only binding instrument between the parties.“ Czarobski v. Lata, 882 N.E.2d 536, 540 (Ill. 2008). 430 „The acceptance of a deed of conveyance of land from one who has previously contracted to sell it, discharges the contractual duties of the seller to the party so accepting except such as are embodied in the deed […]“. ALI, Restatement (First) of Contracts, 1932, § 413. 431 Siehe Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 524 f. 432 Siehe Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:18 (S. 8-58 f.). 433 Siehe hierzu oben S. 92. Zur historischen Entwicklung der doctrine of merger siehe Ginsburg, 16 Nova L. Rev. 1171, 1174 ff. (1992). 428

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che aus dem Kaufvertrag mehr geltend gemacht werden können.434 Die doctrine of merger findet sich auch im Vertragsrecht und im Zivilprozessrecht.435 Die Ergänzung oder Erweiterung eines Vertrags bewirkt, dass der ursprüngliche Vertrag vollständig im zweiten Vertrag aufgeht. Bei der Geltendmachung von Ansprüchen ist nur noch der später abgeschlossene Vertrag maßgeblich. Problematisch in diesem Zusammenhang ist nur, dass der deed nicht ohne Weiteres unter den angloamerikanischen Vertragsbegriff fällt.436 Die doctrine of merger kann in der Praxis zu großen Nachteilen für die Parteien führen. Nach der Übergabe des deed können nicht nur Nebenansprüche aus dem Kaufvertrag verloren gehen. Es ist auch möglich, dass der Anspruch auf die konkrete Beschaffenheit des zu übertragenden Grundstücks bzw. Grundstücksrechts weitgehend abhanden kommt. In der Rechtssache Arnold v. Wilkins437 hatte sich beispielsweise der Verkäufer verpflichtet, ein Grundstück mit einem ordnungsgemäßen Abwassersystem zu übereignen. Nach der Übergabe des deed stellte sich jedoch heraus, dass das Abwassersystem nicht der vereinbarten Beschaffenheit entsprach. Das Gericht versagte dem Erwerber im folgenden Prozess jegliche Mängelansprüche, die Ansprüche aus dem Kaufvertrag seien vollständig im deed aufgegangen. Letztendlich hatte der Erwerber keine Möglichkeit, die versprochene Leistung aus dem Kaufvertrag mehr einzufordern oder Schadensersatz wegen Vertragsbruchs zu verlangen.438 Der Erwerber kann das Untergehen seines schuldrechtlichen Anspruchs nur durch eine Nichtannahme des deed vor der Erfüllung des Anspruchs oder durch die Übernahme der Verpflichtung bzw. eine Garantieerklärung in den deed verhindern. In den meisten Fällen ist der Wegfall der Ansprüche aus dem Kaufvertrag einseitig für den Verkäufer vorteilhaft.439 Es ist auch in seinem Interesse, möglichst bald nach der Übergabe des deed keinen Ansprüchen des Erwerbers mehr ausgesetzt zu sein. Die möglichen Anspruchsverluste durch die doctrine of merger sind gerade für einen Laien nicht ohne Weiteres erkennbar 434

„[…] the need for certainty and finality in land transactions, a point after which buyer and seller could no longer pursue claims under the contract.“ Ginsburg, 16 Nova L. Rev. 1171, 1175 (1992). 435 Siehe ALI, Restatement (First) of Contracts, 1932, § 443. 436 Teich, 71 Det. Mercy L. Rev. 543, 550 f. (1994). Siehe zur Rechtsnatur der delivery unten S. 209. 437 Arnold v. Wilkins, 61 A.D.3d 1236, 876 N.Y.S.2d 780 (N.Y. 2009). 438 Weitere Fälle aus der Rechtsprechung: Untergang des Schadensersatzanspruchs wegen Betrugs Marcantonio v. Picozzi, 70 A.D.3d 655, 893 N.Y.S.2d 623 (N.Y. 2010); Untergang des Anspruchs auf Übereignung eines leeren und sauberen Grundstücks Novelty Crystal Corp. v. PSA Institutional Partners, L.P., 49 A.D.3d 113, 850 N.Y.S.2d 497 (N.Y. 2008); Untergang der Verpflichtung des Verkäufers auf Verschaffung eines Grundstücks, welches bestimmten öffentlichen Standards entspricht Novelty Crystal Corp. v. PSA Institutional Partners, L.P., 49 A.D.3d 113, 850 N.Y.S.2d 497 (N.Y. 2008). 439 Madison, 82 B.U.L. Rev. 405, 432 (2002).

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und führen in der Praxis oft zu Unbilligkeiten. Selbst Rechtsanwälte, die die Parteien bei der Transaktion unterstützen, sind sich nicht immer der Regelung der doctrine of merger und dessen Folgen bewusst.440 Die Rechtsprechung hat, um grobe Unbilligkeiten zu vermeiden, einige Ausnahmen geschaffen, die dem Untergehen der schuldrechtlichen Ansprüche entgegenstehen.441 Solche Ausnahmen bestehen für Fälle des Betrugs und bei Ansprüchen, die ihrer Natur entsprechend nach der Übergabe des deed weiterbestehen oder erst anschließend geltend gemacht werden können.442 Grundsätzlich sollen alle „Nebenabreden“ (collateral agreements) des Kaufvertrags nicht von der doctrine of merger betroffen sein.443 Dieser Standpunkt ist in der Rechtsprechung jedoch höchst strittig. Die genaue Definition einer Nebenabrede erfolgt höchst unterschiedlich. Oft wird folgende nicht hilfreiche Definition verwendet: Ein collateral agreement soll dann vorliegen, wenn die Parteien den Untergang des Anspruchs nicht wollten.444 Ein solcher Wille lässt sich nur schwer bzw. überhaupt nicht nachvollziehen, da den meisten Erwerbern und Veräußerern die doctrine of merger unbekannt ist.445 Die Parteien können sich jedoch bereits bei Abschluss des Kaufvertrags darüber einigen, dass mit der Übergabe des deed die noch nicht erfüllten Ansprüche oder Gewährleistungsrechte nicht untergehen.446 Die doctrine of merger gilt nur für die Übertragung von Eigentumsrechten. Bei der Bestellung bzw. Übertragung einer mortgage findet es hingegen keine Anwendung. Die Vereinbarungen des mortgage agreement über die genauen Modalitäten der Kreditgewährung und Rückzahlung bleiben nach der Übergabe des mortgage deed bestehen.447 Die doctrine of merger wird in der Literatur insgesamt kritisch gesehen.448 Neben den oft unfairen Rechtsfolgen für den Erwerber tragen die zahlreichen von der Rechtsprechung entwickelten Ausnahmen zu wenig Rechtssicherheit und mehr oder weniger großen Problemen in der praktischen Anwendung bei. Der Hinweis, die Parteien könnten eine anti-merger-Klausel vereinbaren, hilft den Parteien in der Regel nicht weiter. Sie sind sich oft nicht aller Pflich440

So Ginsburg, 16 Nova L. Rev. 1171, 1222 (1992). Siehe hierzu Ginsburg, 16 Nova L. Rev. 1171, 1182 ff. (1992). 442 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:18 (S. 8-59); 26A CJS Deeds (2011) § 195. 443 92 CJS Vendor and Purchaser § 245. 444 Regensteiner, 52 A.L.R. 2d 647, 2 (1957). Siehe auch ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 216. 445 Teich, 71 Det. Mercy L. Rev. 543, 546 (1994). 446 Sogenannte survival of liability clause, survival clause oder anti-merger provision. Madison, 82 B.U.L. Rev. 405, 432 (2002); Parnell, 38 A.L.R. 2d 1310, 4 (1954). 447 ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 8.5. 448 Siehe beispielsweise: Teich, 71 Det. Mercy L. Rev. 543 (1994); Ginsburg, 16 Nova L. Rev. 1171 (1992). 441

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ten des Kaufvertrags bewusst, die mit der Übergabe des deed untergehen. Ginsburg ist etwa der Ansicht, dass eine Lösung der doctrine of merger durch eine vertragliche Vereinbarung lediglich eine „optimistische Utopie und keine praktische Tatsache“ sei.449 Die Diskussion über eine solche Klausel berge nur noch einen weiteren Konfliktposten in den schon oft schwierigen Vertragsverhandlungen über die genauen Modalitäten und führe oft zur Nichtvereinbarung solcher Klauseln.450 Es wird deshalb zunehmend gefordert, die doctrine of merger durch eine gesetzliche Regelung abzuschaffen, um den Parteien mehr Klarheit und Sicherheit bei der Transaktion zu gewähren.451 Im Bereich der beweglichen Sachen sieht der U.C.C. bereits vor, dass der Erwerber auch nach der Übergabe der Sache Ansprüche aus dem Kaufvertrag geltend machen kann, § 2– 607 U.C.C. Der Entwurf des ULTA,452 der bisher in keinem Bundesstaat umgesetzt wurde, sah ebenso die Abschaffung der doctrine of merger vor.453 ee) Garantieinhalt des deed Die Rechte des Erwerbers hinsichtlich der Rechts- und Sachmängelfreiheit des übertragenen Grundstücksrechts richten sich folglich im Anschluss an die Übergabe des deed nach dem Inhalt von dessen Garantieerklärung (covenant of title).454 Welche Garantie vom Veräußerer übernommen wird, regeln die Parteien meistens bereits im Kaufvertrag.455 Die Reichweite der Garantie richtet sich im Übrigen nach dem genauen Wortlaut des deed, teilweise bestehen in den Bundesstaaten auch gesetzliche Vermutungen.456 In der Regel ist in einem Bundesstaat bzw. einer Region die Verwendung eines bestimmten deed üblich. Ein solcher Brauch kann bei fehlender vertraglicher Vereinbarung zur Ermittlung der konkreten Pflicht des Veräußerers herangezogen

449 „Complete resolution by express contract provisions, whether standard-form or tailor-made, is optimistic utopia but not a practical reality.“ Ginsburg, 16 Nova L. Rev. 1171, 1223 (1992). 450 Ginsburg, 16 Nova L. Rev. 1171, 1223 (1992). 451 So Teich, 71 Det. Mercy L. Rev. 543, 560 ff. (1994). 452 Siehe zum ULTA oben S. 131. 453 „Acceptance […] of a deed […] is not of itself a waiver or renunciation of any of his rights under the contract […] and does not of itself relieve any party of the duty to perform all his obligations under the contract.“ § 1-309 UTLA. 454 Siehe einführend m.w.N. Sheppard, 79 N.D. L. Rev. 311, 319 ff. (2003); sowie Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 471; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 524 f. 455 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:14.1 (S. 8-38). 456 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:14.1 (S. 8-38); 4 Tiffany Real Prop. § 956. Vermutung für warranty deed: § 2-105 Md. Code Real Property; für special warranty deed: § 1113 Cal. Civ. Code (grant) und § 46:4-2 N.J. St.

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werden.457 In einem warranty deed übernimmt der Veräußerer eine umfassende Haftung, ein quitclaim deed schließt hingegen die Haftung aus. (a) Umfangreiche Garantie durch einen warranty deed In einem warranty deed garantiert der Veräußerer dem Erwerber, dass er Rechtsinhaber ist und zur Verschaffung des im deed genannten Grundstücksrechts in der Lage ist. Sofern der Erwerb auf Grund von Rechtsmängeln fehlschlägt, besteht eine umfangreiche Haftung des Veräußerers.458 Der Erwerber kann vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz verlangen.459 Weiterhin geht durch einen warranty deed nicht nur das Grundstücksrecht über, das der Veräußerer zum Zeitpunkt der Übertragung innehatte, sondern auch eventuell später erworbene Rechte. Scheitert eine Übertragung zunächst an der fehlenden Berechtigung des Veräußerers, erwirbt dieser jedoch später das entsprechende Grundstücksrecht, sorgt die doctrine of estoppel by deed für den Übergang des später erworbenen Rechts auf den Erwerber. Der warranty deed überträgt folglich ein nachträglich erworbenes Recht (after acquired title), auch wenn der Veräußerer zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht Inhaber war.460 Auf Grund der weiten Verbreitung der title insurance, die den Erwerber bei Rechtsmängeln schützt, ist die Verwendung eines warranty deed in der Praxis heute unüblich.461 Eine eingeschränkte Haftung des Veräußerers gewährt ein special warranty deed.462 Der Veräußerer garantiert nur, dass während seiner Rechtsinhaberschaft keine (neuen) Rechtsmängel entstanden sind, er also weder das Recht bereits an einen Dritten übertragen noch mit dinglichen Rechten belastet hat, die dem Erwerber unbekannt sind. Es besteht hingegen keine Haftung für frühere Vorgänge, die das übertragene Grundstücksrecht beeinträchtigt haben könnten.463

457

Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 6:26. 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms §§ 4.4 ff.; 3 California Real Estate § 8:12; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 6:28. 459 3 California Real Estate §§ 8:10 f.; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 6:28. Siehe auch § 3304 Cal. Civ. Code. 460 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 4.7; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:14.5 (S. 8-47 ff.); 3 California Real Estate §§ 8:5, 8:73; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 219; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 6:42. Siehe auch § 1106 Cal. Civ. Code. 461 3 California Real Estate § 8:12. Dies gilt vor allem für die östlichen Bundesstaaten. In Teilen von Massachusetts wird er ebenfalls noch verwendet; 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 4.4. 462 Teilweise auch grant oder grant deed; so etwa in Kalifornien. 463 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:14.2 (S. 8-41 f.); 3 California Real Estate §§ 6:6 f.; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 6:35. 458

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(b) Rechtsübertragung ohne Garantie – Der quitclaim deed Beim quitclaim deed überträgt der Veräußerer sämtliche Grundstücksrechte, die er zum Zeitpunkt der Übertragung hat. Ein after-acquired title geht zu einem späteren Zeitpunkt nicht auf den Erwerber über. Ebenso garantiert der Veräußerer dem Erwerber nicht, dass er tatsächlich Rechtsinhaber ist. Folglich besteht auch keine Haftung, sofern er nichtberechtigt oder das übertragene Recht mit Rechtsmängeln behaftet war.464 Der Erwerber trägt das alleinige Risiko. Der Veräußerer haftet nicht einmal für Rechtsmängel, die er selbst verursacht hat. Auf Grund dieser fehlenden Garantie wird der quitclaim deed bei entgeltlichen Übertragungen nur selten verwendet. Bei Schenkungen findet er jedoch Anwendung, um so die Haftung des Schenkenden auszuschließen.465 Gleiches gilt bei Übertragungen durch öffentlich bestellte Personen im Rahmen von Zwangsversteigerungen.466 In manchen Bundesstaaten steht die Übertragung in Form eines quitclaim deed einem gutgläubigen Erwerb entgegen.467 Der Erwerber könne sich nicht auf die Berechtigung des Veräußerers verlassen, wenn schon dieser durch einen quitclaim deed zum Ausdruck bringt, er garantiere nicht für das Bestehen eines bestimmten Rechts.468 Ein bargain and sale deed469 gewährt dem Erwerber ebenfalls keinerlei Garantie hinsichtlich des Bestehens eines bestimmten Grundstücksrechts und Siehe § 1113 Cal. Civ. Code: „From the use of the word ,grantʻ in any conveyance by which an estate of inheritance or fee simple is to be passed, the following covenants, and none other, on the part of the grantor […] are implied, unless restrained by express terms contained in such conveyance: 1. That previous to the time of the execution of such conveyance, the grantor has not conveyed the same estate, or any right, title, or interest therein, to any person other than the grantee; 2. That such estate is at the time of the execution of such conveyance free from encumbrances done, made, or suffered by the grantor, or any person claiming under him.“. Ähnlich § 5302.07 Ohio St. und 21 Pa. St. § 6. 464 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:15 (S. 8-49 ff.); 3 California Real Estate § 8:13; 5 Tiffany Real Prop. Rn. 959; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 6:37. 465 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:15 (S. 8-49). 466 So etwa durch den Sheriff 3 California Real Estate § 8:14. Im Gegensatz zum deutschen Recht findet hier kein originärer Erwerb statt. Siehe beispielsweise § 701.640 Cal. Code Civ. Proc. 467 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:15 (S. 8-50 f.); Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 6:37. 468 Teilweise zerstört sogar ein einziger quitclaim deed bei einer Übertragung eines Rechtsvorgängers den gutgläubigen Erwerb für alle späteren Erwerber. Siehe etwa Kirby Lumber Corp. v. Williams, 124 F.Supp. 456, 462 (Tex. 1954). Diese strenge Interpretation ist jedoch veraltet und wird nur noch in wenigen Bundesstaaten gefolgt; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 219. Siehe zum gutgläubigen Erwerb ausführlich unten S. 234. 469 Siehe beispielsweise § 93.860 Or. St.

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somit auch keinen Ersatzanspruch.470 Im Gegensatz zum quitclaim deed kann er jedoch auch einen after acquired title übertragen.471 Zudem widerspricht er einem gutgläubigen Erwerb nicht.472 (c) Rechtsnatur der conveyance – Trennungsprinzip? Betrachtet man die Struktur des angloamerikanischen Grundstückserwerbs, sind in rechtlicher Hinsicht klare Parallelen zum deutschen Recht erkennbar. Zunächst stellen der Kaufvertrag und die conveyance zwei klar getrennte rechtliche Vorgänge dar. Ebenso geht die Übergabe des deed über einen schlichten Realakt hinaus, der Wille von Veräußerer und Erwerber ist zwingend erforderlich. Es stellt sich somit die Frage nach der Rechtsnatur der Übergabe des deed und dessen Verhältnis und Abhängigkeit vom Kaufvertrag. Der Rechtsübergang von Grundstücksrechten wird durch die Übergabe des deed durch den Veräußerer (delivery) und die Annahme durch den Erwerber (acceptance) ausgelöst. Für die Wirksamkeit beider Vorgänge ist neben dem tatsächlichen Element auch der Wille beider Parteien erforderlich. Letztere Voraussetzungen ähneln der dinglichen Einigung bzw. des dinglichen Vertrags des deutschen Rechts, die aus zwei übereinstimmenden Willenserklärungen besteht.473 Die conveyance wird in der angloamerikanischen Literatur und Rechtsprechung meist als contract bzw. executed contract, written contract oder contract to convey bezeichnet.474 Die Betrachtung des deed als Vertrag ist wegen des engen Vertragsbegriffs des angloamerikanischen Rechts nicht ohne Weiteres möglich. Ein Vertrag im Sinne eines contract umfasst in der Regel nur Vereinbarungen, die eine Partei zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen verpflichten.475 Der Vertragsbegriff des BGB ist hingegen weiter. Nach Savigny ist ein Vertrag „die Vereinigung Mehrerer zu einer übereinstimmenden Willenserklärung, wodurch ihre Rechtsverhält-

470 26A CJS Deeds (2011) § 19; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 6:36 471 So ausdrücklich in § 93.860 (2)(b) Or. St. 472 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:15 (S. 8-50). 473 Siehe zur Einordnung des § 873 Abs. 1 BGB als dinglichen Vertrag Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 35. 474 26A CJS Deeds (2011) §§ 1, 3; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 1. Siehe beispielsweise auch § 1040 Cal. Civ. Code. Gerade in der älteren Literatur wird die Betrachtung des deed als Vertrag jedoch abgelehnt. Siehe beispielsweise 4 Tiffany Real Prop. § 226: „A conveyance is not, properly speaking, a contract“; w.N. bei Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 41, dort vor allem Fn. 101 f. 475 17A Am. Jur. 2d Contracts § 1; ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 1. Siehe auch die Legaldefinitionen in § 1-201 (b) Nr. 12 U.C.C. und § 1549 Cal. Civ. Code.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

nisse bestimmt werden“.476 Rechtsverhältnisse werden sowohl durch eine schuldrechtliche Abrede als auch durch eine Eigentumsübertragung gestaltet. Somit fallen beide Vereinbarungen unter den Vertragsbegriff des BGB.477 Im Common Law ist zudem für die Wirksamkeit eines Vertrags stets eine Gegenleistung erforderlich, die sogenannte consideration.478 Bei der isolierten Betrachtung der conveyance besteht keine Gegenleistung des Erwerbers. Der deed selbst enthält nur die Übertragung eines Grundstücksrechts und keine Gegenleistung, die der Veräußerer im Austausch hierfür erhält.479 Durch die Versagung der Vertragsqualität des deed ist eine consideration für die Wirksamkeit der Rechtsübertragung nicht erforderlich. Eine Rechtsübertragung kann folglich auch ohne Gegenleistung wirksam sein, sodass diese Fehlermöglichkeit beim deed entfällt.480 Ausnahmsweise kann ein Vertrag aber auch ohne consideration wirksam sein, wenn er weitere Voraussetzungen erfüllt. Ein solcher written oder sealed contract muss die Vertragsparteien benennen, schriftlich abgefasst oder besiegelt (sealed)481 und der anderen Vertragspartei übergeben worden sein.482 Genau diese Voraussetzungen erfüllt auch der deed, der zwangsweise all diese Elemente enthalten muss.483 Aus diesem Grund wird der deed auch teilweise als written contract bezeichnet.484 Manche Gesetze der Bundesstaaten sehen vor, dass die Rechtsübertragung ein

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Savigny, System des heutigen römischen Rechts, 1840, S. 309. Siehe hierzu auch Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978; Felgentraeger, Friedrich Carl von Savignys Einfluß auf die Übereignungslehre, 1927. 477 Flume, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 1992, S. 600 f. Das gemeine Recht sowie ein Vorentwurf des BGB und auch andere Rechtsordnung sehen ebenso den Vertrag als ausschließlich im Schuldrecht verordnet; Flume, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, 1992, S. 599 f. Siehe zur historischen Entwicklung des Abstraktionsprinzips Buchholz, Abstraktionsprinzip und Immobiliarrecht, 1978, S. 1 ff. 478 „[…] the formation of a contract requires a bargain in which there is a manifestation of mutual assent to the exchange and a consideration.“ ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, §§ 17 (1). Siehe auch Fromholzer, Consideration, 1997; Hay, USamerikanisches Recht, 2011, Rn. 300 ff. Die consideration ist teilweise gesetzlich geregelt. Siehe beispielsweise § 1605 Cal. Civ. Code. 479 Teilweise wird eine Gegenleistung jedoch in den deed mit aufgenommen. Siehe oben S. 192. 480 Chase Federal Sav. and Loan Ass’n v. Schreiber, 479 So.2d 90 (Fla. 1985); siehe auch m.w.N. Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1004. 481 Beim „Besiegeln“ eines Dokuments ersetzt ein Siegel die Unterschrift des Ausstellers. Historisch ist dies vor allem auf den weit verbreitenden Analphabetismus zurückzuführen; siehe hierzu ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, Introductory Note und § 96 f. 482 ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 95 (1). 483 Er muss der Schriftform genügen, die Vertragsparteien benennen (grantor und grantee) und auch übergeben werden. 484 Siehe beispielsweise 23 Am. Jur. 2d Deeds § 1; 26A CJS Deeds (2011) § 3.

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Vertrag ist, ohne dass eine consideration erforderlich ist.485 Diese gesetzliche Einordnung der conveyance als (executed) contract hat ihren Ursprung im sogenannten Fields Code,486 einem Entwurf eines Zivilgesetzes für New York im 19. Jahrhundert, der jedoch nie umgesetzt wurde.487 Andere Bundesstaaten488 haben die Kodifikationsidee jedoch aufgenommen, sodass auch die Idee der Eigentumsübertragung als (executed) contract ihren Weg in die Gesetze mancher Bundesstaaten fand.489 Neben den oben genannten Merkmalen, die gegen eine Einordnung des deed als Vertrag sprechen, existieren auch Gemeinsamkeiten. So entsprechen delivery und acceptance Angebot (offer) und Annahme (acceptance) des (schuldrechtlichen) Vertrags.490 Der deed wird aus diesem Grund teilweise auch als agreement gesehen.491 Ein agreement ist eine Vereinbarung, die nicht so engen Voraussetzungen wie der contract unterliegt.492 Weiterhin sind auf den deed die allgemeinen vertraglichen Grundsätze, wie Stellvertretung, anwendbar.493 Insgesamt kann festgehalten werden, dass die conveyance ein Rechtsgeschäft darstellt und durchaus als Vertrag bezeichnet werden kann.494 Neben der Frage der Rechtsnatur der conveyance ist noch deren Verhältnis zum Kaufvertrag zu klären. Bei der Betrachtung der Abfolge des angloamerikanischen Grundstückerwerbs ist eine Teilung in zwei rechtliche Vorgänge, den Abschluss des Kaufvertrags und die Übergabe des deed im Rahmen des closing, deutlich erkennbar. Eine solche Aufteilung lässt vermuten, 485 So beispielsweise § 1040 Cal. Civ. Code: „A voluntary transfer is an executed contract, subject to all rules of law concerning contracts in general; except that a consideration is not necessary to its validity.“ 486 Nach dem federführenden Mitglied der Gesetzgebungskommission David Dudley Field. 487 Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 72 Fn. 161 mit Verweis auf Friedman, A history of American law, 2005, S. 302, 403. Siehe auch Herman, in: Amerikanische Rechtskultur und europäisches Privatrecht, 1995, S. 45, 65 ff.; Reimann, 37 Am. J. Comp. L. 95, 97 ff. (1989). 488 Beispielsweise den Civil Code von Kalifornien aus dem Jahre 1872. 489 § 1040 Cal. Civ. Code ist direkt auf den Fields Code zurückzuführen. 490 „Delivery and acceptance are simultaneous and correlative acts, comparable to the companion acts of offer and acceptance of a contract.“ 23 Am. Jur. 2d Deeds § 149. 491 „While a deed is technically a unilateral conveyance, the process of delivery and acceptance can be seen as an agreement.“ Korngold, 56 Am. U. L. Rev. 1525, 1157 Fn. 146 (2007). Siehe auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 73 f. 492 Siehe zum agreement und dessen Verhältnis zum contract ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 3. 493 26A CJS Deeds (2011) § 3; Estate of Stephens, 28 Cal.4th 665, 670 f., 49 P.3d 1093, 122 Cal.Rptr.2d 358 (Cal. 2002) Siehe auch Johnston v. City of Los Angeles, 176 Cal. 479, 485, 168 P. 1047 (Cal. 1971): „[Deeds] are to be read, like other contracts […].“ 494 So auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 43.

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

dass das angloamerikanische Immobiliarrecht dem Trennungsprinzip folgt.495 Hierfür spricht auch die Einordnung des deed als Rechtsgeschäft, wenn nicht sogar als Vertrag. Jedoch wird eine solch klare Trennung nicht bei allen Rechtsgeschäften eingehalten. So ist beispielsweise ein schuldrechtlicher Schenkungsvertrag im angloamerikanischen Recht völlig unbekannt.496 Hier existiert nur der dingliche Teil, der das Recht durch die Übergabe des deed übergehen lässt. Es wird in diesem Zusammenhang der Einheitstheorie gefolgt.497 Weiterhin verschwimmen die Grenzen zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Geschäft durch die dingliche Vorwirkung des Kaufvertrags. Dieser enthält neben seiner verpflichtenden auch eine rechtsändernde Wirkung. Bereits der Abschluss führt zum Übergang eines equitable estate auf den Erwerber, welches ein dingliches Grundstücksrecht darstellt.498 Trotz dieser Abweichungen ähnelt die rechtliche Struktur des Immobiliarrechts der Vereinigten Staaten der des BGB.499 In den Vereinigten Staaten selbst erfolgt eine Diskussion des Verhältnisses zwischen Kaufvertrag und conveyance regelmäßig nicht.500 So wird beispielswiese nicht auf das Erfordernis eines Kaufvertrags vor der Eigentumsübertragung eingegangen.501 Auch ohne den Abschluss eines (formwirksamen) Kaufvertrags ist durch die Übergabe des deed die Übertragung eines Grundstücksrechts möglich, ohne dass ein Anspruch des Veräußerers auf Rückübertragung besteht. Nachdem der Kaufvertrag durch die conveyance abgewickelt wurde, konzentriert sich die Diskussion nur noch auf den Rechtsübergang. Der Kaufvertrag bleibt außen vor. Dies hängt vor allem mit der doctrine of merger zusammen, das für den Untergang der meisten Ansprüche aus dem Kaufvertrag sorgt. Danach sind weitestgehend nur noch die

495

Siehe hierzu kurz bereits einleitend oben S. 29. Bei einem Schenkungsvertrag würde es zudem stets an der erforderlichen consideration fehlen, sodass kein contract im Sinne des angloamerikanischen Rechts vorläge. 17A Am. Jur. 2d Contracts § 102. 497 Zum gift siehe bereits oben S. 200. 498 Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 494. Siehe zu den Rechten des Käufers aus dem equitable estate oben S. 77. Siehe zur „dinglichen Vorwirkung“ des Kaufvertrags im englischen Recht Häcker, ZEuP 2011, 335, 343 f. 499 So auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 486. Siehe für das englische Recht Häcker, ZEuP 2011, 335, 342 f., dort auch Fn. 47 und 51; wenn auch im englischen Recht bei der Annahme des deed der Wille des Erwerbers nicht erforderlich ist (lediglich einseitiges Geschäft). Zudem fordert das englische Recht eine zwingende Eintragung im Grundstücksregister für den Eintritt der Rechtsänderung. 500 Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 523. 501 Siehe beispielsweise 26A CJS Deeds (2001) § 7 zur Abgrenzung zwischen deed und Kaufvertrag. 496

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Mängel des deed und deren Auswirkungen maßgeblich.502 Mängel, die zu einer Unwirksamkeit (bzw. Nichtigkeit) des deed führen (void), vor allem bei Betrug und Nötigung,503 haben zur Folge, dass überhaupt keine Grundstücksrechte übergehen.504 Der Veräußerer hat sein Grundstücksrecht zu keiner Zeit verloren. Bei Mängeln, die nicht zur Unwirksamkeit des deed führen, diesen jedoch angreifbar machen (voidable), liegt nach wie vor eine wirksame Rechtsübertragung vor.505 Der Veräußerer muss Klage auf Rückübertragung seines Grundstücksrechts erheben.506 In der Zwischenzeit ist jedoch ein gutgläubiger Erwerb durch einen Dritten möglich.507 Gleiches gilt für den Rücktritt (rescission), etwa nach Ausbleiben der Kaufpreiszahlung.508 Die Eigentumsübertragung bleibt wirksam; es ist eine Rückübertragung durch einen neuen deed erforderlich.509 Diese weitgehende Unabhängigkeit der Rechtsübertragung vom Kaufvertrag spricht für ein abstraktes Verhältnis zum schuldrechtlichen Vertrag,510 wenn auch eine solche Abstraktheit nicht in jeglicher Hinsicht das angloamerikanische Immobiliarrecht durchzieht und Unterschiede zum deutschen Recht bestehen. 4.

Kaufpreiszahlung

Neben der Übergabe des deed findet im Rahmen des closing in der Regel auch die Kaufpreiszahlung statt. Vor dem closing wird der genau zu zahlende Kaufpreis ermittelt, da dieser eventuell mit einer vom Käufer bereits geleisteten Anzahlung und anderen Kosten wie Steuern, Maklergebühren und Kosten für die Rechtsmängelversicherung verrechnet werden muss.511 Die genauen Modalitäten richten sich nach der im Kaufvertrag getroffenen Zahlungsvereinbarung.512 Neben der Barzahlung513 kann der Kaufpreis auch in Form von

502

Siehe ausführlich Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 524 ff. 503 26A CJS Deeds (2011) §§ 114 ff., 127 ff. 504 26A CJS Deeds (2001) § 151; 23 Am. Jur. 2d Deeds § 162. 505 26A CJS Deeds (2001) § 151. 506 23 Am. Jur. 2d Deeds § 162. 507 26A CJS Deeds (2001) § 151; 3 California Real Estate § 8:52. 508 Siehe zur rescission bzw. cancellation 13 Am. Jur. 2d Cancellation of Instruments §§ 1 ff.; 26 Williston on Contracts §§ 68:3 ff. 509 26A CJS Deeds (2001) §§ 451 ff.; 3 California Real Estate § 8:57. Siehe auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 529 f. 510 So auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 524, mit Verweis auf das Internationale Privatrecht; ähnlich für das englische Recht Häcker, ZEuP 2011, 335, 364 f. 511 Siehe hierzu Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 3:1.6 (S. 3-9). 512 92 CJS Vendor and Purchaser § 496. 513 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:4.4 (S. 1-28).

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

bestätigten Schecks,514 einer Banküberweisung oder in anderer Form erfolgen.515 Findet zum Zeitpunkt des closing keine sofortige Kaufpreiszahlung statt, vereinbaren die Parteien in der Regel die Abwicklung der Transaktion über einen Treuhänder (escrow agent). An diesen wird der vom Veräußerer ausgefertigte deed übergeben, der ihn im Fall der Zahlung an den Erwerber weiterreicht.516 5.

Der bedingte Eigentumsübergang

Nicht immer ist es im Interesse des Veräußerers, dass das Grundstücksrecht sofort auf den Erwerber übergeht. Aus verschiedenen Gründen kann er an einem späteren Rechtsübergang interessiert sein. Es bestehen verschiedene Möglichkeiten, den endgültigen Rechtsübergang von dem Eintritt einer Bedingung abhängig zu machen. Zunächst kann die Wirksamkeit des deed durch die Aufnahme einer Bedingung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Ebenso kann die Übergabe des deed bedingt werden. Zu diesem Zweck muss der deed jedoch einer dritten Person übergeben werden, welche den deed treuhänderisch hält und bei Eintritt der Bedingung an den Erwerber weitergibt (sogenannte delivery in escrow).517 a)

Der bedingte deed – Der transfer of death deed

Legt der Veräußerer eine Bedingung im deed selbst fest, muss dies wegen des Statute of Frauds grundsätzlich schriftlich erfolgen. Die mündliche Erklärung einer Bedingung reicht nicht aus. Eine im deed enthaltene Bedingung kann dem Erwerber entweder ein bedingtes Eigentumsrecht schaffen (conditional estate)518 oder die Wirksamkeit des Rechtserwerbs von einer Bedingung abhängig machen. Im ersten Fall wird dem Erwerber zunächst ein future estate übertragen, im letzten Fall geht bis zum Eintritt der Bedingung überhaupt kein Recht über. Welche Alternative vom Veräußerer gewollt ist, muss durch Auslegung des deed ermittelt werden. Die Möglichkeit, den Rechtserwerb vom Eintritt einer Bedingung abhängig zu machen, wird in der Praxis häufig genutzt, um Formvorschriften, Kosten und die lange Verfahrenszeit bei der Abwicklung eines Testaments zu umgehen.519 Der Veräußerer übergibt dem Erwerber zu Lebzeiten einen deed, 514

Beim certified check garantiert die Bank eine Deckung des Kontos in der genannten

Höhe. 515

28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 28.8, siehe auch § 28.27. 516 Siehe genauer unten S. 331. 517 4 Tiffany Real Prop. § 1048. 518 Siehe zu den bedingten Eigentumsrechten oben S. 66. 519 Siehe hierzu Fellows/Spitko/Strohm, 85 Ind. L. J. 409, 411 f. (2010). In den Vereinigten Staaten werden heute durch solche will substitutes mehr Grundstücke übertragen als

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der erst mit dem Tod des Veräußerers wirksam werden soll. Mit Eintritt des Todes soll das Grundstücksrecht ohne weitere Zwischenschritte vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen. Die Rechtsprechung beurteilt diese Umgehung höchst unterschiedlich. Teilweise wird angenommen, die Umgehung führe zu einer Unwirksamkeit des deed, der Eigentumsübergang mit Eintritt des Todes könne nur durch ein Testament und die Einhaltung der dafür vorgeschriebenen hohen Formvorschriften erreicht werden.520 Andererseits wird die Übertragung als wirksam angesehen, es gehe jedoch lediglich ein potentielles Eigentumsrecht (future interest) über. Mit dem Eintritt des Todes trete der Rechtserwerb automatisch ein (executory interest).521 Weiterhin wird vertreten, dass einige Vorschriften, die für die Wirksamkeit eines Testaments zwingend vorgeschrieben sind, auch für die Umgehung durch einen bedingten deed gelten.522 Es ist jedoch nicht möglich, die Wirksamkeit eines deed vom Tod des Veräußerers abhängig zu machen. Mit Übergabe des deed muss grundsätzlich auch ein Recht übergehen, wenn auch nur ein future estate. Seit 1989 wurden in einigen Bundesstaaten Gesetze erlassen, die einen deed zulassen, der erst im Zeitpunkt des Todes wirksam wird (transfer of death deed523).524 Für seine Wirksamkeit ist keine Übergabe und Annahme durch den Begünstigten, den Erwerber, erforderlich. Die Gesetze fordern jedoch eine Registrierung des deed im Grundstücksregister, um ihn wirksam werden zu lassen. Im Gegensatz zum „normalen“ deed kann der Veräußerer den TOD deed jederzeit widerrufen. Hierfür muss er lediglich einen Widerruf des TOD deed registrieren lassen. Dem Begünstigten stehen bis zum Tod des Veräußerers überhaupt keine Rechte zu. Er ist nicht einmal Inhaber eines future interest.525 Die Befürworter dieser Form des deed sehen die Notwendigkeit, den Bürgern eine einfache und verständliche Möglichkeit bereitzustellen, die es ihnen erlaubt, ihr Eigentum nach dem Tod auf ihre Nachkommen zu übertragen. Die Verwendung eines Testaments oder die Einrichtung eines trust, die in der durch Testamente. Hierzu gehört neben dem TOD deed vor allem der trust. Probleme mit möglichen Pflichtteilsansprüchen im Erbfall gibt es in den Vereinigten Staaten nicht, denn bis auf den Ehegatten bestehen keine gesetzlichen Pflichterbanteile der nahen Verwandten; Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 215. 520 Butler v. Sherwood, 233 N.Y. 655, 135 N.E. 957 (N.Y. 1922). Siehe zu den Voraussetzungen eines will 95 CJS Wills §§ 217 ff. 521 Parsons v. Parsons, 2 Greenl. 298, 2 Me. 298, 1823 WL 293 (Me.) (Me. 1823). 522 ALI, Restatement (Third) of Property: Wills & Other Donative Transfers, 2003, § 7.2. 523 Kurz TOD deed oder beneficiary deed. 524 § 461.025 Mo. St. (seit 1989); § 33-405 Ariz. St. (seit 2001); § 111.655 ff. Nev. St. (seit 2003); § 18-12-608 A.C. (seit 2005); w.N. bei California Law Revision Commission, 36 Cal. L. Rev. Comm’n R. 103, 135 (2006). 525 Gary, 34 Real Prop. Prob. & Tr. 529, 542 (2006).

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Praxis häufig zur Regelung der Eigentumsverhältnisse nach dem Tode genutzt werden,526 erfordert stets die Mitwirkung eines (spezialisierten) Rechtsanwalts.527 Die Gegner sehen hingegen die Gefahr, dass ein Laie mit der selbstständigen Regelung seines Nachlasses überfordert sein könnte. Insgesamt werfe der TOD deed mehr Fragen auf, als er löse, und führe so zu mehr Rechtsunsicherheit. Die bisher bestehenden Möglichkeiten zur Regelung des Nachlasses seien völlig ausreichend.528 b)

Bedingung der Übergabe – Delivery in escrow

Wichtiger als der bedingte deed ist die Bedingung der Übergabe. Hierfür wird der deed einer dritten Person (escrow agent) bis zum Eintritt der Bedingung zur treuhänderischen Verwahrung überlassen.529 Käufer und Verkäufer vereinbaren im escrow agreement, unter welchen Voraussetzungen der Treuhänder den deed an den Käufer weiterzugeben hat. Eine alleinige Vereinbarung des Veräußerers mit dem Treuhänder ist auch möglich, vor allem wenn vom Erwerber keine Bedingung wie eine Kaufpreiszahlung zu erfüllen ist, sondern der Rechtserwerb etwa vom Tode des Veräußerers abhängen soll. Nach dem Abschluss des Treuhandvertrags besteht eine Verpflichtung zur Einhaltung der Vereinbarung. Bei Missachtung ist der Treuhänder zum Schadensersatz gegenüber dem Erwerber oder Veräußerer verpflichtet.530 Die Treuhandvereinbarung ist nicht formbedürftig.531 Zwingender Bestandteil der Treuhandvereinbarung ist die Unmöglichkeit der einseitigen Widerruflichkeit der Übergabe des deed bzw. dessen Zurückverlangen.532 Behält sich der Veräußerer nach der Übergabe an den Dritten ein Recht zum einseitigen Widerruf vor, so liegt kein treuhänderisches Verhältnis vor. Der deed hat den Einflussbereich des Veräußerers nicht verlassen. Der Dritte handelt in diesem Fall lediglich als Vertreter, er ist noch an die Weisungen des Veräußerers gebunden.533 526 76 Am. Jur. 2d Trusts § 4; Schiemann, Der us-amerikanische Trust als Testamentsersatzgeschäft und Instrument der Nachlassplanung, 2008, S. 23, 168 ff. 527 Major, 49 Santa Clara L. Rev. 285, 286 f. (2009). 528 So Major, 49 Santa Clara L. Rev. 285, 298 f. (2009). In Kalifornien wurde beispielsweise die gesetzliche Regelung eines TOD deed lange diskutiert, letztendlich jedoch nicht eingeführt. Der Gesetzentwurf wurde im Juni 2008 abgelehnt und die Einführung vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben. Dies geschah, obwohl die California Law Revision Commission ein positives Votum abgab; California Law Revision Commission, 36 Cal. L. Rev. Comm’n R. 103, 135 ff. (2006). 529 Siehe ausführlich zum escrow closing unten S. 331. 530 Siehe hierzu unten S. 337. 531 28 Am. Jur. 2d Escrow § 11; 4 Tiffany Real Prop. S. 1048. 532 4 Tiffany Real Prop. § 1150; ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 103 (1). 533 Donovan v. Kirchner, 100 Md.App. 409, 426, 641 A.2d 961 (Md. 1994). Siehe auch ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 103.

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Nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen eines TOD deed kann eine solche Übergabe wirksam sein. Die delivery in escrow wird in der Praxis genutzt, um den Zugriff des Erwerbers auf den deed auf einen Zeitpunkt nach der Kaufpreiszahlung zu verschieben. Der escrow agent überwacht die Erfüllung der Ansprüche des Kaufvertrags, vor allem die Zahlung des Kaufpreises. Er kann aber auch andere Bedingungen, wie beispielsweise den Tod des Veräußerers, überwachen. Bei Eintritt der vereinbarten Bedingung, wie beispielsweise der Zahlungseingang oder der Tod des Veräußerers, übergibt der Treuhänder den deed an den Erwerber und leitet den Kaufpreis an den Veräußerer weiter.534 Der genaue Zeitpunkt des Rechtserwerbs richtet sich nach den Umständen des Geschäfts. Grundsätzlich geht das Eigentumsrecht unmittelbar mit Eintritt der Bedingung auf den Erwerber über.535 Eine physische Übergabe des deed an den Erwerber ist hingegen nicht zwingend erforderlich.536 Eine Ausnahme vom Grundsatz des Rechtserwerbs bei Eintritt der Bedingung ist nur möglich, sofern deren Anwendung zu einem unfairen und unbilligen Ergebnis führt.537 Dies ist meist der Fall, wenn der Veräußerer sein Grundstücksrecht vor Erfüllung der Bedingung an einen Dritten verloren hat und dieser nicht schutzbedürftig ist. Hierunter fallen vor allem die Veräußerung an einen Dritten während des Treuhandverfahrens und der zwischenzeitliche Tod des Veräußerers538.539 Der Veräußerer hätte jeweils sein Eigentumsrecht verloren, einmal durch rechtsgeschäftliche Übertragung, das andere Mal durch den automatischen Übergang auf die Erben, sodass der treuhänderisch verwahrte deed auch bei Bedingungseintritt kein Recht mehr schaffen könnte. In solchen Fällen wendet die Rechtsprechung die sogenannte relation back rule an, die den Rechtserwerb bei Eintritt der Bedingung auf den Zeitpunkt der Übergabe des deed an den Treuhänder zurückwirken lässt.540 Der Dritte, der durch die Anwendung der Regel kein Recht erwirbt, muss jedoch bösgläubig sein, also Kenntnis vom schwebenden Treuhandverfahren haben.541 Nur ein gutgläubiger, entgeltlicher Zweiterwerber, der seinen deed ordnungsgemäß registrieren lässt, kann dem Ersterwerber noch zuvorkommen.542 Durch die Fiktion der

534

Thomason/Dubnow, 25 Ariz. St. L.J. 643, 643 f. (1993). 3 California Real Estate § 6:32; 30A CJS Escrows § 6. 536 Smith v. Smith, 820 So.2d 64, 71 f. (Ala. 2001). 537 28 Am. Jur. 2d Escrow § 38; 30A CJS Escrows § 7. 538 Siehe beispielsweise Ruggles v. Lawson, 13 Johns. 285, 7 Am.Dec. 375 (N.Y. 1816). Gleiches gilt für den zwischenzeitlichen Tod des Erwerbers oder sofern einer der Parteien geschäftsunfähig wird; 30A CJS Escrows § 7. 539 28 Am. Jur. 2d Escrow § 40. 540 3 California Real Estate § 6:36; 30A CJS Escrows 7; 4 Tiffany Real Prop. § 1053. 541 3 California Real Estate § 6:36. 542 Gavit, 30 Colum. L. Rev. 1145, 1154 (1930). 535

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Rückwirkung kann der Erwerber beim Tod des Veräußerers vor dessen Erbe das Grundstücksrecht erlangen. Es ist bisher unklar, welches Recht der Erwerber zwischen dem Zeitpunkt der Übergabe des deed an den escrow agent und dem Eintritt der Bedingung innehat. Sein Recht ähnelt in dieser Zeit sehr einem executory interest, welches im Fall eines bedingten Eigentumsrechts dem Begünstigten zusteht. Beide Rechte haben gemeinsam, dass der Rechtsübergang bei Bedingungseintritt automatisch vollzogen wird. Ein future interest wie das executory interest kann jedoch nur durch den deed selbst geschaffen werden. Im Fall der bedingten Übergabe reicht hingegen eine mündliche Absprache aus. Nach Gavit hat der potentielle Erwerber lediglich ein Recht auf eine zukünftige Rechtsübertragung, er nennt dieses a right to the future transfer of title.543 Der Erwerber hat ein unwiderrufliches, bedingtes Eigentumsrecht am Grundstück („irrevocable conditional right to the […] property“)544.545 Der Vorteil der delivery in escrow im Gegensatz zu einem bedingten deed ist, dass die Bedingung von einem neutralen Dritten überprüft wird. So werden von Anfang an Streitigkeiten über den Eintritt der Bedingung vermieden. Sie eignet sich vor allem zur Vermeidung der Gefahr eines Rechtsverlusts während der Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang. 6.

Dingliche Sicherung des Kreditgebers – Mortgage

Neben der Übertragung des Eigentumsrechts erfolgt im Rahmen des closing in der Regel auch die Bestellung einer mortgage für den Kreditgeber. Den schuldrechtlichen Kreditvertrag (mortgage agreement oder note) hat der Erwerber bereits vor dem closing abgeschlossen. Die aus dieser Vereinbarung entspringende Forderung wird durch die Bestellung einer mortgage am Grundstück gesichert. Zwischen dem schuldrechtlichen Kreditvertrag und der dinglichen Sicherung besteht eine akzessorische Verknüpfung.546 Die mortgage wird wie die übrigen Grundstücksrechte auch durch die Übergabe eines deed übertragen. Die Bestellung einer mortgage stellt in den meisten Bundesstaaten heute keine bedingte Übertragung des Eigentumsrechts an den Kreditgeber dar, sondern lediglich eine Grundstücksbelastung (sogenannte lienTheorie).547 Für den mortgage deed gelten die gleichen formellen und materiellen Anforderungen wie für den deed zur Übertragung eines Eigentumsrechts. Damit der Erwerber überhaupt wirksam eine mortgage bestellen kann, muss er Inhaber des zu belastenden Grundstücksrechts sein. Er kann folglich erst, nach543

Gavit, 30 Colum. L. Rev. 1145, 1153 (1930). 1 Williston on Contracts §§ 2:9. 545 ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 103, com. b. 546 54A Am. Jur. 2d Mortgages § 47. 547 Siehe zur title bzw. lien Theorie bereits oben S. 80. 544

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

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dem er vom Veräußerer den deed erhalten hat, selbst Rechte am betreffenden Grundstück verschaffen. Im Rahmen des closing wird folglich zunächst der deed zur Übertragung des Eigentums vom Veräußerer an den Erwerber übergeben, danach übergibt der Erwerber den mortgage deed an den Kreditgeber.548 V.

Deklaratorische Registrierung des deed

Nachdem im Rahmen des closing das Eigentum durch die Übergabe des deed übergegangen ist, werden der deed sowie der mortgage deed im Grundstücksregister registriert. Für den wirksamen Übergang des Eigentumsrechts bzw. die Bestellung des Grundpfandrechts ist dies nicht erforderlich. Der Rechtsinhaber kann sich vor einem gutgläubigen Erwerb Dritter jedoch nur durch die Registrierung der Urkunde absichern. Die Priorität der mortgage gegenüber anderen Sicherungsrechten richtet sich ebenso nach dem Zeitpunkt der Eintragung im Register. Diese Vorteile des Registers führen letztendlich zu einem mittelbaren Eintragungszwang. Deed und mortgage deed werden nach der Durchführung des closing durch einen Rechtsanwalt oder eine andere Person, die das closing überwacht hat, beim Registeramt eingereicht. Dem Registeramt muss zu diesem Zwecke die originale Urkunde übergeben werden. In einigen Bundesstaaten ist für die Registrierung eine vorherige Beglaubigung (acknowledgment) vor einem notary public erforderlich.549 Eine Kopie des deed wird nach dem bereits oben beschriebenen Verfahren in das Register aufgenommen.550 Die Rechtsinhaber erhalten daraufhin die Originalurkunden zurück. Sofern das closing in den Räumen des Registeramtes stattgefunden hat, erfolgt die Registrierung unmittelbar im Anschluss an die Übergabe.551 Dies garantiert ein sehr schnelles Verfahren, sodass die Möglichkeit einer zwischenzeitlichen Einreichung widersprechender Urkunden nahezu unmöglich ist.552 Um eine gleichzeitige 548

Der Erwerber kann ebenso ein bestehendes Kreditverhältnis des Veräußerers übernehmen. In diesem Fall ist keine Übertragung einer mortgage erforderlich. Der Kreditgeber kann bei Zahlungsausfall weiterhin in die schon vorher bestehende mortgage vollstrecken; 54A Am. Jur. 2d Mortgages § 1021. Es ist jedoch eine Schuldübernahme (assumption of liability) durch den Erwerber und eine Genehmigung durch den Kreditgeber erforderlich; ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 5.1 (a). Siehe zur Formbedürftigkeit beispielsweise § 1624 (a) (7) Cal. Civ. Code; § 5-705 GOL of N.Y. Siehe auch ALI, Restatement (Third) of Property: Mortgages, 1997, § 5.3. 549 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:10 (S. 8-29); Szypszak, 28 N.C. Cent. L.J. 199, 213 (2006). Siehe beispielsweise § 47-17 N.C.G.S.; § 27287 Cal. Gov. Code. 550 Siehe oben S. 116. 551 So auch im Registeramt von Suffolk (eigene Recherche im Registeramt von Suffolk). 552 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 13:4 (S. 12-25).

220

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Registrierung eines widersprechenden deed zu verhindern, nehmen manche Rechtsmängelversicherer die Registrierung aller Urkunden zu einem bestimmten Zeitpunkt am Tag vor. Teilweise schreiben dies die Registerämter auch zwingend vor.553 Ausnahmsweise kann bereits der Kaufvertrag in die öffentlichen Register aufgenommen werden. Der Abschluss des Kaufvertrags verschafft dem Erwerber in der Regel schon einen equitable title. Der Erwerber kann durch die Registrierung den gutgläubigen Erwerb eines Dritten verhindern.554 Der equitable title stellt in diesem Fall eine Art Vormerkung dar.555 Einige Bundesstaaten behalten eine Registereintragung jedoch nur für Rechte vor, die einen legal title darstellen. Eine Registrierung des Kaufvertrags ist in diesem Fall nicht möglich.556 Eine Aufnahme des Kaufvertrags in das Register ist in jedem Fall möglich, wenn er dem Erwerber ein Ankaufsrecht (option) einräumt. Bei diesem handelt es sich um ein registerfähiges Grundstücksrecht.557 VI. Nicht rechtsgeschäftlicher Rechtserwerb Im Gegensatz zum (rechtsgeschäftlichen) Erwerb von Grundstücksrechten durch die Übergabe des deed ist beim gesetzlichen Rechtserwerb die Übergabe einer solchen Urkunde nicht erforderlich. Ein gesetzlicher Erwerb von Grundstücksrechten kommt vor allem von Todes wegen und im Zusammenhang mit dem Anwachsen eines potentiellen, nicht zum Besitz berechtigenden Eigentumsrechts (future estates) zum Besitzrecht (present estate) in Betracht. Zudem besteht in den Vereinigten Staaten die Möglichkeit, ein Grundstücksrecht durch Ersitzung (adverse possession) zu erwerben. 1.

Rechtserwerb von Todes wegen

Dem angloamerikanischen Erbrecht558 ist die Universalsukzession weitgehend unbekannt.559 Vielmehr muss durch ein gerichtliches Nachlassverfahren (probate) der Rechtsübergang auf die Erben vorgenommen werden.560

553

Der Zeitpunkt liegt dann meist außerhalb der regulären Öffnungszeiten. Siehe hierzu 3 California Real Estate § 7:23. 554 66 Am. Jur. 2d Records and Recording Laws Rn. 47. 555 So Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 494. 556 66 Am. Jur. 2d Records and Recording Laws § 53. 557 77 Am. Jur. 2d Vendor and Purchaser § 27. Siehe zur option oben S. 89. 558 Siehe zum angloamerikanischen Erbrecht Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 531 ff.; Philipp, Form im amerikanischen Erbrecht, 2002; Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 204 ff. 559 Dukeminier/Sitkoff/Lindgren, Wills, trusts, and estates, 2009, S. 48; siehe auch Philipp, Form im amerikanischen Erbrecht, 2002, S. 24; Reimann/Ackmann, Einführung USPrivatrecht, 2004, S. 205.

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Im Bereich des Grundstücksrechts unterliegt die joint tenancy561 als Miteigentum nicht dem erbrechtlichen Verfahren. Das Miteigentum des Erblassers geht bei dessen Tod automatisch auf die übrigen Miteigentümer über. Es fällt von vornherein nicht in die Erbmasse. Der letzte verbleibende Miteigentümer wird automatisch alleiniger Eigentümer und kann über das Grundstück frei verfügen, es auch vererben. Er kann sein alleiniges Recht durch die Abgabe einer Erklärung und dem Vorweisen der Todesurkunde (death certificate) nachweisen. Beides wird in ein Register aufgenommen, welches nicht notwendigerweise das Grundstücksregister sein muss. In der Regel werden solche Formalitäten erst bei der nächsten nach dem Tod stattfindenden Veräußerung des Grundstücks vorgenommen.562 In der Zwischenzeit ist aus der letzten im Register aufgenommenen Übertragungsurkunde nicht erkennbar, dass einer der Miteigentümer verstorben ist und möglicherweise nur noch eine Person alleiniger Eigentümer des Grundstücksrechts ist. Eine weitere praxisrelevante Ausnahme vom gerichtlichen Verfahren sind alle Grundstücksrechte, die der Erblasser zu Lebzeiten in einen trust563 eingebracht hat. Der Tod des Erblassers hat keinen Einfluss auf den Begünstigten des Treuhandverhältnisses. Ferner ist eine Rechtsübertragung auch durch einen transfer of death deed564 dem gerichtlichen Erbschaftsverfahren entzogen. Auf Grund seiner Bedingtheit bewirkt er im Zeitpunkt des Todes den Rechtsübergang. Die übrigen Grundstücksrechte unterliegen dem gerichtlichen probateVerfahren.565 Dessen Durchführung hängt nicht vom Bestehen oder Nichtbestehen eines wirksamen Testaments ab. Es findet in beiden Fällen statt. Es dient dem Nachweis des Rechtsübergangs und räumt so mögliche Zweifel an den Grundstücksrechten aus. Es schützt die Gläubiger des Erblassers und sorgt für eine Verteilung der Erbmasse nach den Vorstellungen des Erblassers oder des Gesetzes.566 Zunächst setzt das Nachlassgericht (probate court)

560 Siehe zu den nicht vom gerichtlichen Nachlassverfahren erfassten (schuldrechtlichen) Rechtspositionen Dukeminier/Sitkoff/Lindgren, Wills, trusts, and estates, 2009, S. 39. 561 Siehe hierzu oben S. 93. 562 McGovern/Kurtz/English, Wills, trusts, and estates, 2010, S. 625. 563 Siehe ausführlich zum trust Schiemann, Der us-amerikanische Trust als Testamentsersatzgeschäft und Instrument der Nachlassplanung, 2008; Sieker, Der US-Trust, 1991. 564 Siehe hierzu oben S. 214. 565 Ausnahmen können noch für kleine Nachlässe gelten, hier wird teilweise auf ein aufwendiges gerichtliches Verfahren verzichtet; McGovern/Kurtz/English, Wills, trusts, and estates, 2010, S. 633 f. In der Regel hat dies die persönliche Haftung der Erben für den Nachlass zur Folge; vgl. etwa § 13550 Cal. Probate Code. 566 Dukeminier/Sitkoff/Lindgren, Wills, trusts, and estates, 2009, S. 39.

222

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

einen Testamentsvollstrecker (personal representative)567 ein.568 Der Testamentsvollstrecker569 verwaltet das Vermögen des Erblassers, befriedigt Gläubiger und verteilt den Rest letztendlich unter den Erben. Der gesamte Vorgang wird vom Nachlassgericht überwacht, welches unter Umständen bei bestimmten Rechtsgeschäften seine Zustimmung erteilen muss.570 Die Grundlagen des Nachlassverfahrens sind in den Bundesstaaten durch den Uniform Probate Code weitestgehend vereinheitlicht worden. Das gerichtliche Verfahren hat jedoch zunächst keinen Einfluss auf den Eigentumsübergang auf die Erben. Mit dem Tod des Erblassers gehen dessen Eigentumsrechte direkt auf die Erben über.571 Der Testamentsvollstrecker kann allerdings weiter auf die Grundstücke des Erblassers zur Befriedigung von Gläubigern zugreifen.572 Die Verfügungsgewalt des Erben ist hingegen bis zum Abschluss des probate-Verfahrens weitgehend eingeschränkt. In der Praxis führt dies dazu, dass bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens die Grundstücke des Erblassers vorübergehend nicht verkehrsfähig sind. Es besteht stets die Gefahr, dass das Grundstück zur Befriedigung der Gläubiger des Erblassers herangezogen wird. Der Erbe ist folglich in diesem Zeitraum nicht Inhaber eines marketable title.573 Aus diesem Grund ist ein Erbe stets an einer schnellen Abwicklung des probate-Verfahrens interessiert. Bei Streitigkeiten kann das gerichtliche Verfahren unter Umständen sehr lange dauern. Weiterhin entstehen Verfahrensgebühren für das Gericht sowie möglicherweise für einen fremden Testamentsvollstrecker oder für Rechtsanwälte.574 Zudem sind alle Dokumente des Verfahrens öffentlich zugänglich, hierunter fallen vor allem das Testament sowie das vom Testamentsvollstrecker angefertigte Vermögensverzeichnis.575 Aus diesen Gründen ist das probate-Verfahren gerade bei großen Erbschaften heute der Ausnahmefall. Durch die vorherige Errichtung eines trust oder andere Möglichkeiten wird versucht, das gerichtliche Verfahren zu umgehen und für eine schnelle, unkomplizierte und nichtöffentliche Abwicklung zu sorgen.576 567

Teilweise wird noch die veraltete Terminologie verwendet. Für den vom Erblasser benannten Testamentsvollstrecker executor; für einen vom Gericht bestellten administrator. 568 Zum Nachlassverfahren Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 549 ff. 569 Dieser wird entweder vom Erblasser oder durch das Nachlassgericht bestimmt. Siehe beispielsweise § 3-203 UPC; § 8461 Cal. Probate Code. 570 Dukeminier/Sitkoff/Lindgren, Wills, trusts, and estates, 2009, S. 42 ff. 571 26B CJS Descent and Distribution § 73. Siehe beispielsweise § 3A:2A-2 N.J.S.; § 7000 Cal. Probate Code. 572 Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 206. 573 McGovern/Kurtz/English, Wills, trusts, and estates, 2010, S. 633. 574 Siehe Hay, US-amerikanisches Recht, 2011, Rn. 553. 575 Siehe m.w.N. Martin, 94 Minn. L. Rev. 42, 43 (2009). 576 Dukeminier/Sitkoff/Lindgren, Wills, trusts, and estates, 2009, S. 40, 45 f.; siehe auch Reimann/Ackmann, Einführung US-Privatrecht, 2004, S. 219.

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2.

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Rechtserwerb bei Bedingungseintritt oder Zeitablauf – Future estates

Das besitzlose, potentielle Eigentumsrecht (future estate) kann entweder durch Eintritt der vereinbarten Bedingung oder durch Zeitablauf zu einem Eigentumsrecht, das zum sofortigen Besitz berechtigt (present estate), anwachsen. Ob der Erwerb automatisch oder erst nach Ausübung des Eintrittsrechts (right of entry)577 des Inhabers des future estate eintritt, richtet sich nach dem Inhalt des deed, der das future estate ursprünglich übertrug. Der Erwerb findet stets ohne die Übergabe eines deed statt. Aus dem Grundstücksregister ist ein solcher Rechtsübergang nicht unmittelbar erkennbar. Es muss stets überprüft werden, ob die Bedingung eingetreten oder die Zeitperiode verstrichen, sowie gegebenenfalls, ob das Eintrittsrecht ausgeübt worden ist. 3.

Ersitzung – Adverse possession

Im Gegensatz zum deutschen Recht578 ist es in den Vereinigten Staaten möglich, ein Grundstücksrecht durch Ersitzung zu erwerben.579 Die sogenannte adverse possession ist Folge der Verjährung von Ansprüchen der Inhaber von Grundstücksrechten. Nach dem Ablauf der Verjährungsfrist kann der ursprüngliche Rechtsinhaber seine Ansprüche gegenüber dem neuen Besitzer nicht mehr geltend machen. Darüber hinaus verliert er auch sein Grundstücksrecht. In Bezug auf die Ersitzung des Eigentumsrechts ist die adverse possession ein eigenständiger Erwerbstatbestand im angloamerikanischen Grundstücksrecht.580 Neben dem Erwerb des Eigentumsrechts durch Ersitzung ist es ebenso möglich, eine Grunddienstbarkeit (wie ein easement) durch tatsächliches Verhalten zu erwerben (sogenannte prescreption).581 In Bezug auf das Registersystem dient die adverse possession durch den Untergang alter Rechte auch der Stärkung der Rechte des aktuellen Grundstücksbesitzers und der Bereinigung des Registers.582 Ebenso können durch die Ersitzung 577

Siehe zum Eintrittsrecht und dessen Ausübung ALI, Restatement (First) of Property, 1936, § 155. 578 Siehe jedoch für die Buchersitzung § 900 BGB und das Aufgebotsverfahren § 927 BGB. 579 Siehe zur Ersitzung in den Vereinigten Staaten die ausführliche Darstellung von Conrad, Die Ersitzung im Liegenschaftsrecht der USA, 1963. Sie ist auch in vielen Zivilrechtsordnungnen Europas bekannt. Krimphove, Das europäische Sachenrecht, 2006, S. 424 ff. 580 16 Powell on Real Property § 91.01[2] (2007). Siehe ebenso § 1000 Cal. Civ. Code, der bei der Aufzählung der Erwerbsformen den Erwerb durch Besitz (occupancy), also die Ersitzung, noch vor der rechtsgeschäftlichen Übertragung nennt. 581 Siehe zur Abgrenzung 16 Powell on Real Property § 91.01[3] (2007); 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 8. 582 Siehe zum Einfluss der adverse possession auf das Grundstücksregister sowie die title search unten S. 365.

224

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Grundstücksgrenzen verändert und so Grenzstreitigkeiten unter Nachbarn gelöst, aber auch entfacht werden.583 a)

(Historische) Grundlagen

Die Verjährung von Ansprüchen im Grundstücksrecht hat im Common Law lange Tradition. Bereits im 13. Jahrhundert wurde in England ein Gesetz584 beschlossen, welches den Nachweis von Grundstücksrechten auf Tatsachen ab einem bestimmten Zeitpunkt eingrenzte.585 Später wurde ein fester Zeitraum festgelegt, nach dessen Verstreichen der Inhaber eines Grundstücksrechts sein Recht gegenüber einem Besitzer nicht mehr geltend machen konnte.586 Diese beiden Gesetze ließen den Anspruch des Rechtsinhabers nicht verjähren und erwirkten keinen Rechtsübergang. Sie hatten lediglich prozessuale Wirkung. Sie beschränkten die Möglichkeit des Inhabers eines Grundstücksrechts, dieses gegenüber Dritten nachzuweisen. Ein Gesetz aus dem Jahr 1623587 änderte die Rechtslage weitgehend in seine heutige Ausgestaltung. Nach dem Verstreichen eines bestimmten Zeitraums war ein Grundstücksrecht nicht mehr durchsetzbar. Ein Rechtsübergang auf den neuen Besitzer fand jedoch nicht statt. Der Rechtsinhaber war zwar Inhaber eines Grundstücksrechts, konnte dies jedoch nicht durchsetzen, sodass es letztendlich wertlos für ihn war.588 Der Widerspruch zwischen Nichtdurchsetzbarkeit einerseits und verbleibender Inhaberschaft hinsichtlich des Grundstücksrechts andererseits wurde 1833 durch eine weitere gesetzliche Regelung589 gelöst. Nach Ablauf der Verjährungsfrist verliert der ehemalige Inhaber sein Recht und der Ersitzende wird neuer Rechtsinhaber.590 Die englischen Gesetze dienten in den Vereinigten Staaten als Vorlage für die Ausgestaltung der heutigen Verjährungsvorschriften im Grundstücksrecht.591 In den meisten Bundesstaaten existieren heute solche statutes of limitation, die sich meist nur hinsichtlich Beginn und Dauer der Verjährungsfristen unterscheiden. In den übrigen Bundesstaaten, die keine gesetzliche Regelung 583

Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, §§ 9:2. 3 Edward I. c. 39 (1275): Statutes of Westminster the First. 585 Stichtag war das Jahr 1189, der Beginn der Herrschaft König Richards I.; Ballantine, 32 Harv. L. Rev. 135, 137 (1918). Ähnliche Vorschriften sind bereits im Römischen Recht im Jahr 500 v.u.Z. zu finden. Barnet, 12 Buff. Envtl. L.J. 1, 10 f. (2004). 586 32 Hen. VIII. c. 2 (1540): An Act for Limitation of Prescription, 3. 587 21 James I. c. 16 (1623): Limitation Act, 1 ff. 588 Ballantine, 32 Harv. L. Rev. 135, 138 f. (1918). 589 3 & 4 William IV. c. 27 (1833): Real Property Limitation Act. Die Verjährungsfrist betrug 20 Jahre und wurde später auf 12 Jahre verkürzt. 37 & 38 Vic. c. 57 (1874): Statute Law Revision (No. 2) Act. 590 Ballantine, 32 Harv. L. Rev. 135, 139 (1918). 591 14 Powell on Real Property § 91.01[1] (2007); Ballantine, 32 Harv. L. Rev. 135, 138 (1918). 584

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erlassen haben, gilt die Regelung des Common Law mit seiner 20-jährigen Verjährungsfrist weiter.592 Der Zweck von Verjährungsvorschrift im Grundstücksrecht ist die Herstellung von Rechtsfrieden.593 Der Inhaber eines Anspruchs soll diesen nach einem bestimmten Zeitraum nicht mehr geltend machen können. Der Anspruchsgegner muss irgendwann darauf vertrauen können, dass er vor Ansprüchen Dritter geschützt wird.594 Im Fall der adverse possession geht nicht nur der Anspruch unter, sondern das Grundstücksrecht selbst geht auf den Besitzer des Grundstücks über. Für den Erwerb ist nicht einmal ein „guter Glaube“ des Besitzers erforderlich. Er kann sich folglich wissentlich mit Hilfe der Ersitzung ein Grundstück verschaffen. In diesem Zusammenhang wird teilweise geltend gemacht, es handle sich um einen „Diebstahl“ (land theft) des Grundstücks.595 Jedoch darf die Ersitzung nicht einseitig aus der Perspektive des ursprünglichen Eigentümers heraus betrachtet werden. Die Person, die schon seit vielen Jahren Besitzer des Grundstücks ist, muss ebenfalls vom Gesetz geschützt werden.596 Die adverse possession unterstützt den gesellschaftlichen Konsens, dass der Status quo nicht gestört werden darf. Der Ersitzende wurde bereits lange Zeit wie ein Eigentümer behandelt und soll auch in Zukunft als solcher behandelt werden.597 Ferner spricht auch eine ökonomische Betrachtung für das Rechtsinstitut der Ersitzung. Der Besitzer hat das Grundstück im Gegensatz zum Eigentümer über einen langen Zeitraum hinweg sinnvoll genutzt und so letztendlich zu einer effektiven Landnutzung beigetragen.598 Der eigentliche Eigentümer macht durch die Nichtnutzung des Grundstücks deutlich, dass er dessen Wert als gering einschätzt, und stellt es dadurch der Allgemeinheit zur Verfügung.599 Der ursprüngliche Rechtsinhaber wird durch den mehr oder weniger langen Zeitraum geschützt, in dem der Besitz für ihn erkennbar war. Ebenso werden an den Besitz spezielle Anforderungen gestellt, die nicht ohne Weiteres jeder Besitzer erfüllt. Weiterhin wird die adverse possession auch im Zusammenhang mit der Ausgestaltung des angloamerikanischen Registersystems für notwendig erach-

592

Siehe m.w.N. 4 Tiffany Real Prop. § 1033. „[…] to reduce litigation and preserve the peace by protecting long-standing possession“, Hirshfield v. Schwartz, 91 Cal.App.4th 749, 769, 110 Cal.Rptr.2d 861 (Cal. 2001). 594 14 Powell on Real Property § 91.01[2] (2007). 595 Siehe m.w.N. Katz, 55 McGill L.J. 47, 60 (2010). 596 So 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 5. 597 „Adverse possession servers the social policy of not disturbing what has become the status quo.“ 16 Powell on Real Property § 91.01[4] (2007). 598 16 Powell on Real Property § 91.01[4] (2007). 599 Posner, Economic analysis of law, 2014, S. 84 ff. 593

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

tet.600 Der Besitz sei immer noch ein wichtiger Anhaltspunkt für den tatsächlichen Eigentümer eines Grundstücks.601 b)

Voraussetzungen

Die genauen Voraussetzungen, die für den Erwerb durch die adverse possession erforderlich sind, variieren auf Grund unterschiedlicher Gesetze und deren Auslegung in den einzelnen Bundesstaaten.602 Grundsätzlich muss der Ersitzende für den im Gesetz erforderlichen Zeitraum im Besitz des Grundstücks eines anderen gewesen sein. Für einen wirksamen Rechtsübergang durch adverse possession muss der Besitz actual, exclusive, hostile, open und continuous sein.603 Die Ersitzung eines Grundstücksrechts setzt zunächst einen tatsächlichen (actual) Besitz voraus. Dieses Merkmal wird durch die räumliche Beziehung des Besitzers zum Grundstück geprägt. Das Vorliegen eines tatsächlichen Besitzes wird hinsichtlich der konkreten Art, Dauer und Wiederholung der Nutzung des Grundstücks bewertet, wobei eine Unterscheidung hinsichtlich der Eigenart des Grundstücks vorgenommen wird.604 Der Besitzer braucht sich nicht dauerhaft auf dem Grundstück aufzuhalten oder dieses jeden Tag nutzen. Die Nutzung des Grundstücks muss insoweit geschehen, wie sie ein durchschnittlicher Eigentümer des konkreten Grundstücks vornehmen würde.605 Die Rechtsprechung hält zur genauen Ermittlung der erforderlichen Nutzung zahlreiche Fälle bereit, die sich mit den verschiedensten Grundstücks- und Nutzungsarten beschäftigt. Als ausreichend wurden etwa die Bewirtschaftung eines Grundstücks,606 die Durchführung alltäglicher Arbeiten an einem Wohnhaus607 und Reparaturen oder Modernisierungen608 erachtet. Der tatsächliche Besitz dient vor allem dem Schutz des eigentlichen Eigentümers, der eine drohende Ersitzung erkennen soll, um vorher entsprechende Vorkehrungen treffen zu können. Dies kommt ebenso durch das Er-

600

Siehe Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 259 sowie unten S. 365. 601 „[…] possession remains the great source, muniment, and quieter of titles to land.“ Ballantine, 32 Harv. L. Rev. 135, 144 (1918). 602 16 Powell on Real Property § 91.01[2] (2007). 603 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 2. 604 16 Powell on Real Property § 91.03 (2008). 605 Nennemann v. Rebuck, 496 N.W.2d 467, 471, 242 Neb. 604 (Neb. 1993). An den tatsächlichen Besitz eines landwirtschaftlichen Grundstücks (eventuell eine riesige Farm) werden andere Voraussetzungen gestellt als bei der Nutzung eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks. 606 Hayes v. Cotter, 439 So.2d 102 (Ala. 1983). 607 City of South Greenfield v. Cagle, 591 S.W.2d 156, 159 (Miss. 1979). 608 Emerson v. Maine Rural Missions Ass'n, Inc., 560 A.D.2d 1, 1 f. (Me. 1989).

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fordernis der Erkennbarkeit (open, notorious, visible) des Besitzes zum Ausdruck. Zudem muss der Besitz im Verhältnis zu anderen Personen exklusiv (exclusive) sein.609 Der alleinige Besitz des Grundstücks gilt vor allem hinsichtlich des tatsächlichen Eigentümers. Ein gemeinsamer Besitz mit diesem ist nie exklusiv und verhindert stets den Erwerb durch adverse possession.610 Es ist jedoch möglich, Dritten die Nutzung des Grundstücks zu erlauben, wenn dies aus einer vermeintlichen Eigentümerposition heraus geschieht, wie etwa bei einer Vermietung oder Verpachtung.611 Der Ersitzende muss das Grundstück weiterhin in feindlicher Form (hostile) besitzen. Dieses Merkmal stellt klar, dass der Besitzer das Grundstück als Eigentümer besitzt und er sein Besitzrecht nicht von diesem ableitet. Diese Besitzform kommt dem deutschen Eigenbesitz sehr nahe. Ein besonderer guter Glaube des Besitzers ist in den meisten Bundesstaaten nicht erforderlich.612 Die Inbesitznahme des Grundstücks kann auch durch eine falsche Annahme geschehen.613 Baut der Besitzer etwa aus Unkenntnis über seine Grundstücksgrenze hinaus, so nutzt er das andere Grundstück, als wäre es sein eigenes, also feindselig.614 Die Ausübung des Besitzes, als wäre man der tatsächliche Eigentümer, wird auch als Besitz unter einem claim of right615 bezeichnet.616 Sind die genannten Voraussetzungen eines tatsächlichen, erkennbaren, exklusiven und feindlichen Besitzes vorhanden, so liegt adverse possession als Zustand vor. Ein Rechtserwerb durch Ersitzung kann jedoch erst stattfinden, wenn die adverse possession eine bestimmte Zeit ununterbrochen angedauert hat (continuous).617 Der Zeitraum richtet sich nach dem statute of limitation des entsprechenden Bundesstaats und bewegt sich zwischen fünf und zwanzig Jahren.618

609

3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 67. 16 Powell on Real Property 91.06 (2007). 611 Siehe etwa Ewing’s Lessee v. Burnet, 36 U.S. 41, 49, 9 L.Ed. 624; 1837 WL 3546 (Ohio 1837). 612 So 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 43. 613 16 Powell on Real Property § 91.05[2] (2007). 614 Moore v. Chapman, 344 P.2d 1100, 1959 OK 185 (Okla. 1959). 615 Auch claim of title oder claim of ownership. 616 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession §§ 117 f.; 16 Powell on Real Property § 91.05[4] (2007). 617 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 73. 618 Beispielsweise: 5 Jahre in Kalifornien, § 318 Cal. Code Civ. Proc.; 10 Jahre in New York § 212 CPLR of N.Y.; 15 Jahre in Minnesota § 541.02 Minn. St.; 20 Jahre in Massachusetts und North Carolina ch. 260 § 21 M.G.L. bzw. § 1-40 N.C.G.S. Siehe auch die Auflistung bei 16 Powell on Real Property § 91.10[1] (2008). 610

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Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Weitere Voraussetzung für den Erwerb durch Ersitzung kann die Zahlung von Steuern für das Grundstück sein.619 Auf diese Weise macht der Besitzer deutlich, dass er auch gegenüber dem Staat als Eigentümer gilt. Wird die Zahlung der Steuer als nicht zwingend erforderlich erachtet, so kann sie zumindest ein starkes Indiz für das Vorliegen der adverse possession sein.620 Teilweise kommt der Besitzer in den Genuss einer kürzeren Zeitspanne, wenn er den Besitz auf Grund eines vermeintlich wirksamen Dokuments, wie etwa einer (unwirksamen) Übertragungsurkunde, erhalten hat (color of title).621 Bei einer Fälschung oder bösem Glauben des Besitzers tritt diese Wirkung in der Regel jedoch nicht ein.622 Das Eigentum der Bundesstaaten genießt regelmäßig einen größeren Schutz gegenüber der Ersitzung. Die Ersitzung von staatlichen Grundstücken ist teilweise überhaupt nicht möglich oder durch zusätzliche Voraussetzungen stark eingeschränkt.623 c)

Rechtsfolge

Nachdem der Zustand der adverse possession über den erforderlichen Zeitraum hinweg bestanden hat, verhindern die statutes of limitation die wirksame gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen des (ursprünglichen) Eigentümers. Zudem geht das Grundstücksrecht, welches der Eigentümer bei Beginn der adverse possession selbst innehatte, auf den Besitzer über. In der Regel ist dies das Vollrecht (fee simple), lediglich bei der Ersitzung in Verbindung mit einem color of title kann nur das im nicht wirksamen Dokument genannte Recht übergehen.624 Die Ersitzung stellt einen originären Rechtserwerb dar und hat keine Beziehung zum vorherigen Eigentümer.625 Der Erwerb entspricht einem direkten Rechtserwerb vom Bundesstaat.626 Das Eigentumsrecht ist unabhängig vom Recht des ursprünglichen Eigentümers und bezieht sich nur auf den Beginn des Besitzes, welcher die adverse possession ausgelöst hat. Lediglich der Besitz ist der Ursprung des Rechts.627 Dem neuen Eigentümer stehen alle Ansprüche aus dem Grundstück zu, er kann über dieses frei verfügen.628 Das 619

So beispielsweise in Kalifornien § 325 Cal. Code Civ. Proc. und Minnesota § 541.02 Minn. St. 620 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 147. 621 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 123. 622 16 Powell on Real Property § 91.08[1] (2007). 623 16 Powell on Real Property § 91.11[1 f.] (2008). 624 16 Powell on Real Property § 91.08 [2] (2007). 625 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 244. 626 Connell v. Ellison, 448 N.Y.S.2d 580, 582, 86 A.D.2d 943 (N.Y. 1982). 627 „His own possession is the source of his title.“ Wanha v. Long, 587 N.W.2d 531, 543, 255 Neb. 849 (Neb. 1998). 628 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 247.

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

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durch die Ersitzung entstehende Eigentumsrecht kann nicht durch eine Veräußerung des ursprünglichen Eigentümers gutgläubig durch einen Dritten erworben werden.629 Der durch das Register gewährte Schutz entfaltet gegenüber einem Erwerb durch adverse possession keine Wirkung.630 Ein Erwerber kann sich in diesem Fall nicht auf das Register verlassen. Dem Veräußerer, der nach der Analyse des Registers Eigentümer sein müsste, ist es nicht möglich, Rechte am Grundstück zu verschaffen. Der neue Eigentümer braucht folglich seinen Erwerb auch nicht zu registrieren, da der Schutz des Registers für ihn nicht erforderlich ist. Ebenso hat er im Rahmen der Ersitzung kein Dokument erhalten, welches überhaupt registerfähig ist.631 Die Ersitzung wird regelmäßig während einer title search festgestellt. Letztendliche Sicherheit über das Vorliegen aller Voraussetzungen verschafft in der Regel nur ein Rechtsstreit. In der Praxis tritt der Erwerb durch adverse possession oftmals bei Grenzstreitigkeiten ein und nicht bei ganzen Grundstücken.632 Solche Grenzänderungen führen zu einem Abweichen der Angaben in den Übertragungsurkunden, die sich im Grundstücksregister befinden, von den tatsächlichen rechtlichen Grenzen. Die Ersitzung hat so auch einen negativen Einfluss auf die Verlässlichkeit des Registers.633 d)

Ausgleichsansprüche des ehemaligen Eigentümers

Der ursprüngliche Eigentümer des Grundstücks verliert mit dem Ablauf der Frist des statute of limitation sowohl die Möglichkeit, sein Recht aus dem Grundstück geltend zu machen, als auch das Grundstücksrecht selbst. Ihm stehen weder gegenüber dem neuen Eigentümer irgendwelche Ausgleichsansprüche zu noch besteht die Möglichkeit, das Eigentum auf andere Weise zurückzuverlangen.634 Solche Ansprüche stünden dem Zweck der Verjährung von Ansprüchen entgegen, die gerade Rechtsstreitigkeiten verhindern und für Rechtsfrieden sorgen soll.

629

3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 254; 16 Powell on Real Property § 91.12 (2006). Zum gutgläubigen Erwerb siehe unten S. 234. 630 Connell v. Ellison, 448 N.Y.S.2d 580, 582, 86 A.D.2d 943 (N.Y. 1982). 631 Die Ersitzung bei Grundstücken, die nach dem Torrens-System registriert sind, ist ebenso möglich. Es ist ein gerichtliches Verfahren notwendig, wenn der Ersitzende sein Recht eintragen lassen und den Schutz des Registers genießen will. Der ursprüngliche Eigentümer ist hierbei zwingend Partei des Verfahrens. 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 255. 632 16 Powell on Real Property §91.05[3] (2010). 633 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 9:2. 634 Rogers v. Marlin, 754 So.2d 1267, 1273 (Miss. 1999). Siehe auch 3 Am. Jur. 2d Adverse Possession § 1; Ballantine, 32 Harv. L. Rev. 135, 140 (1918).

230

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

VII. Zusammenfassung Das angloamerikanische Erwerbsverfahren ist durch die drei wesentlichen Schritte Abschluss des Kaufvertrags, Zwischenverfahren und Eigentumsübergang im Rahmen des closing gekennzeichnet. Das schuldrechtliche Geschäft wird zu einem sehr frühen Zeitpunkt geschlossen, eine Finanzierungsklausel im Kaufvertrag ermöglicht den Vertragsschluss noch vor Beantwortung der Frage, ob der Käufer den Kaufpreis letztendlich aufbringen kann. Das Zwischenverfahren dient neben der Klärung der Finanzierung des Geschäfts durch den Käufer vor allem der Überprüfung der dinglichen Rechtslage am Grundstück in Form der title search. Auf Grund der Struktur des Registersystems ist eine mehr oder weniger aufwendige Recherche erforderlich, die bis zur Vornahme des closing durchgeführt werden muss. Der Eigentumsübergang im letzten Schritt des Erwerbsverfahrens ist durch die Übergabe des deed gekennzeichnet. Dessen willentliche Übergabe und Annahme reichen für den Eigentumsübergang aus. Die dem eigentlichen Erwerbsverfahren nachgelagerte Registrierung des deed hat letztendlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Rechtserwerbs. Sie ist deklaratorisch und dient dem Schutz vor dem gutgläubigen Erwerb Dritter. Die formellen Voraussetzungen an den Kaufvertrag und den deed sind sehr gering, für beide reicht die schlichte Schriftform aus. Die Übertragung von Grundstücksrechten kann grundsätzlich ohne die Beteiligung von Personen mit besonderen juristischen Kenntnissen vorgenommen werden, in der Praxis ist dies gerade bei dem Erwerb von Grundstücken durch Privatpersonen oft der Fall. VIII. Reformbestrebungen des Grundstücksrechts Die Grundlagen des angloamerikanischen Grundstücksrechts stammen aus dem Common Law und bestehen weitgehend unverändert seit mehreren hundert Jahren. In der angloamerikanischen Literatur sind die offensichtlichen Nachteile und Probleme einzelner Elemente des Grundstücksrechts und des Erwerbsverfahrens nicht unerkannt geblieben. Hierzu gehört unter anderem die Reformierung des Grundstückserwerbs durch den deed. Manche Autoren gehen so weit, dass sie das Grundstücksrecht als „antiquiert“ bezeichnen, und meine, dass es aus seinem „komatösen Zustand“ befreit werden müsse.635 Die gesetzlichen Regelungen und die über Jahrhunderte entwickelten Doktrinen der Rechtsprechung führten zu einem „matschigen“, schwer zu durchblickenden und unstrukturierten Rechtsge-

635 „[…] contract theory, […] is the reformist engine that is needed to shock antiquated property law out of its comatose state.“ Madison, 82 B.U.L. Rev. 405, 409 f. (2002).

B. Vereinigte Staaten – Privatsystem und Rechtsmängelversicherung

231

biet.636 Der deed gehöre abgeschafft und müsse durch einen vertraglichen Ansatz (contract theory) ersetzt werden. Die heute im angloamerikanischen Recht herrschende property-Theorie umfasst die Übertragung der Grundstücksrechte durch die delivery of the deed und den zuvor abgeschlossenen verpflichtenden schuldrechtlichen (Kauf-)Vertrag. Eine vertragliche Betrachtung der Rechtsübertragung wickelt das ganze Grundstücksgeschäft hingegen über einen einzigen Vertrag ab. Dieser Ansatz wird heute in vielen Bundesstaaten schon beim dinglichen Mietrecht (leasehold estate) verfolgt. Die contract-Theorie sieht den Kaufvertrag als einziges Instrument zur Rechtsübertragung. Bereits nach aktuellem Recht geht mit dem Abschluss des Kaufvertrags ein equitable title auf den Erwerber bzw. Käufer über. Es wird vorgeschlagen, den Kaufvertrag für die komplette Rechtsübertragung zu nutzen. Der Rechtsübergang finde erst dann statt, wenn beide Parteien bestätigt haben, dass die jeweilige Verpflichtung aus dem Kaufvertrag erfüllt wurde.637 Die Bestätigung der Erfüllung soll auf dem Vertrag vermerkt werden. Eine Übergabe des deed ist hingegen nicht mehr erforderlich. Statt des deed soll der Kaufvertrag registriert werden. Die Eigentumsübertragung durch einen einzigen Vertrag sei weniger verwirrend. Gerade im Bereich der Dienstbarkeiten (easements) führe die neu erlangte Vertragsfreiheit zu mehr Flexibilität und Klarheit der Register.638 Die vertraglich gegenüber Dritten wirkenden Grundstücksbeschränkungen könnten so direkt aus dem Register ersehen werden, da der Kaufvertrag die Beschränkungen enthalte und dieser registriert werde. Die Ansprüche aus dem Kaufvertrag würden auch nach der Übertragung des Eigentumsrechts nicht mehr entfallen, da die doctrine of merger auf Grund der fehlenden Rechtsübertragung durch den deed nicht mehr anwendbar sei. Letztendlich stellt der Ansatz der contract-Theorie einen Abschied von der Trennung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft dar, der in den Vereinigten Staaten jedoch meist nicht als solcher gesehen wird. Ergebnis dieser Betrachtung wäre die Einführung des Einheitsprinzips im Grundstücksrecht. Neben dem Grundstückserwerb waren vor allem der Aufbau und die Wirkung des Grundstücksregisters Ansatzpunkte für Reformbestrebungen. Die Einführung des Torrens-Systems konnte sich jedoch auf Grund der oben639 dargestellten Gründe nie durchsetzen. Weitere Reformvorhaben im Grundstücksrecht waren vor allem der Uniform Land Transactions Act (ULTA) von 1975,640 der für ein einheitliches 636

“muddy doctrines“ Rose, 40 Stan. L. Rev. 577, 580 (1988). Madison, 82 B.U.L. Rev. 405, 476 (2002). 638 Madison, 82 B.U.L. Rev. 405, 484 (2002). 639 Siehe ausführlich oben S. 132. 640 Siehe hierzu Bruce, 10 Stetson L. Rev. 1 (1980). 637

232

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Recht zwischen den Bundesstaaten sorgen sollte.641 Er regelt weite Teile des Grundstücksrechts neu, um sie unter anderem an neue wirtschaftliche Gegebenheiten anzupassen.642 Das Modellgesetz konnte ebenso wie der Uniform Simplification of Land Transfers Act (USLTA) aus dem Jahr 1977, der vor allem Änderungen im Registerecht vorsah, nicht an den Erfolg des U.C.C. anknüpfen. Beide wurden in keinem Bundesstaat umgesetzt. Die NCCUSL zog schließlich jeweils ihre Umsetzungsempfehlung zurück.643 Gerade die hohe Komplexität der Grundstücksrechte durch das Bestehen der verschiedenen estates und future interests wird immer wieder kritisiert und eine Reform gefordert.644 Auch in nächster Zeit ist – trotz zahlreicher Kritik am bestehenden System – nicht mit grundlegenden Reformen im Grundstücksrecht zu rechnen.

C. Erwerb vom Nichtberechtigten C. Erwerb vom Nichtberechtigten

In diesem Teil erfolgt eine kurze Erörterung der Voraussetzungen des Erwerbs von einem Nichtberechtigten. Der gutgläubige Erwerb trägt – vor allem im deutschen Recht – maßgeblich zur Sicherstellung einer rechtsmängelfreien Übertragung bei. Weiterhin bestehen grundlegende Unterschiede zwischen dem deutschen und dem angloamerikanischen Recht, die nicht zuletzt auf die unterschiedliche Wirkung des jeweiligen Grundstücksregisters zurückzuführen sind. I.

Der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten nach § 892 Abs. 1 BGB

Die Übertragung von Grundstücksrechten ist grundsätzlich nur möglich, sofern der Veräußerer hierzu berechtigt ist. Eine Berechtigung liegt vor, wenn er der tatsächliche Rechtsinhaber ist645 oder er von diesem zur Übertragung nach § 185 Abs. 1 BGB ermächtigt wurde bzw. dieser die Verfügung später genehmigt hat, § 185 Abs. 2 Satz 1 BGB646. Eine Übertragung kann jedoch auch beim Fehlen einer solchen Verfügungsberechtigung unter den Voraus-

641

„ULTA was to be the Uniform Commercial Code (,U.C.C.ʻ) of real estate law.“ Korngold, 20 Nova L. Rev. 1069, 1070 (1996). 642 Siehe etwa Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 10 ff. (2007). 643 Szypszak, 43 Gonz. L. Rev. 5, 12 (2007). Siehe hierzu auch Benton Brown, 20 Nova L. Rev. 1017 (1996). 644 Siehe etwa Barros, 66 Wash. & Lee L. Rev. 3 (2009). Aber auch schon Waggoner, 85 Harv. L. Rev. 729 (1972). 645 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 69; Kohler, in: MüKo, BGB, § 873 Rn. 67. 646 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 69; Kohler, in: MüKo, BGB, § 873 Rn. 71.

C. Erwerb vom Nichtberechtigten

233

setzungen des gutgläubigen Erwerbs nach § 892 Abs. 1 BGB wirksam sein.647 Hierfür ist zunächst erforderlich, dass der Veräußerer im Grundbuch als Rechtsinhaber eingetragen ist. Die Eintragung stellt den im Rahmen des gutgläubigen Erwerbs erforderlichen Rechtsschein dar,648 wie der Besitz beim Erwerb nach §§ 929 Satz 1, 932 Abs. 1 BGB. Weiterhin muss es sich sowohl um ein Rechts- als auch ein Verkehrsgeschäft handeln.649 Somit scheidet jeder gesetzliche und hoheitliche Erwerb von vornherein aus.650 Ein Verkehrsgeschäft liegt vor, wenn der Erwerber nicht gleichzeitig auch auf Veräußererseite steht; eine wirtschaftliche Zuordnung reicht zum Ausschluss aus.651 Zudem darf zum Zeitpunkt652 der Eintragung der Rechtsänderung kein Widerspruch gegen die Richtigkeit nach § 899 BGB eingetragen sein. Ist der Widerspruch berechtigt, war also das Grundbuch tatsächlich unrichtig und es ist kein gutgläubiger Erwerb möglich.653 Der gutgläubige Erwerber darf zum Zeitpunkt654 des Rechtserwerbs, bzw. nach § 892 Abs. 2 BGB zum Zeitpunkt der Antragstellung,655 keine positive Kenntnis über die Nichtberechtigung des Veräußerers haben; reine Zweifel, also auch grobe Fahrlässigkeit, reichen hingegen nicht aus.656

647

Siehe ausführlich zum gutgläubigen Erwerb Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, 1990. 648 Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 4; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 708, 711. 649 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 96 ff.; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 24; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 714. Hierzu ausführlich Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, 1990, S. 96 ff., 118 ff. 650 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 77 ff.; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 28 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 712. 651 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 96 ff.; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 33 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 714. 652 Sofern vorher eine Vormerkung eingetragen wird, ist der Zeitpunkt von deren Eintragung maßgeblich; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 187; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 42; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 717. 653 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 130 ff.; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 40; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 713. Der Widerspruch löst hingegen keine Grundbuchsperre aus, Rechtsübertragungen und ihre Eintragungen sind weiterhin möglich. Sofern sich der Widerspruch als unzutreffend erweist, sind Verfügungen von Anfang an wirksam. Aus einem Widerspruch folgt jedoch auf Grund der abschreckenden Konsequenz für den Rechtsverkehr eine faktische Grundbuchsperre; so Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 40. 654 Bei der Vormerkung ist abermals der Zeitpunkt von deren Entstehung maßgeblich; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 45; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 717. 655 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 196 ff.; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 53 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 716. 656 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 161 ff.; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 44 ff.

234

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Liegen die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs vor, wird der Erwerber Inhaber des übertragenen Grundstücksrechts.657 Das Grundbuch wird im Folgenden richtig.658 Der ehemalige Rechtsinhaber hat keinerlei Ansprüche gegenüber dem neuen.659 Es kommen lediglich Ausgleichsansprüche gegen den nichtberechtigten Veräußerer in Frage.660 Der gutgläubige Erwerb sorgt letztendlich für die Sicherstellung der Richtigkeit des Grundbuchs und ist maßgeblicher Grund für das hohe Vertrauen des Rechtsverkehrs auf dessen Inhalt.661 II.

Der bona fide purchase

Das angloamerikanische Recht kennt ebenso wie das deutsche einen gutgläubigen (lastenfreien) Erwerb von Grundstücksrechten. Auf Grund der unterschiedlichen Wirkung des Grundstücksregisters, das keine positive Publizität kennt, ist der wirksame Erwerb von einem Nichtberechtigten jedoch nur sehr eingeschränkt möglich. Das Register schützt nicht den guten Glauben an die Rechtswirkung einer konkreten Urkunde, sondern nur an das Register als Ganzes. Dies hat zur Folge, dass ein gutgläubiger Erwerb nur von ehemaligen Rechtsinhabern möglich ist, die ihr Recht auf Grund von (noch) nicht registrierten Urkunden, also wegen Ursachen außerhalb des Registers, verloren haben. Als weitere Voraussetzungen muss das zugrunde liegende Geschäft entgeltlich sein, der Erwerber darf keine Kenntnis über die Nichtberechtigung haben, und der deed des gutgläubigen Erwerbers muss vor dem des tatsächlichen Berechtigten registriert werden.662 In diesem Fall geht das entsprechende Grundstücksrecht wirksam auf den gutgläubigen Erwerber (bona fide purchaser)663 über. Hinsichtlich der einzelnen Anforderungen bestehen teil657

Siehe zur Frage, ob das Grundbuchamt bei Kenntnis einen gutgläubigen Erwerb verhindern kann bzw. muss m.w.N.; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 218. 658 Siehe zur Frage, ob es sich um einen originären oder derivativen Erwerb handelt, m.w.N. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 11. 659 Lediglich bei unentgeltlichem Erwerb kommt ein Anspruch des ehemaligen Inhabers gegen den neuen Inhaber nach § 816 Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht. 660 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 272 ff.; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 74; ein Amtshaftungsanspruch besteht nur in Ausnahmefällen Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 273. 661 Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, 1990, v.a. S. 419 ff. Siehe hierzu ausführlich unten S. 356. 662 „A bona fide purchaser – one who purchases real property in good faith, for valuable consideration, without actual or record notice of another party’s adverse interests in the property and is the first to record the deed or conveyance – takes title free and clear of such adverse interests […].“ Panther Mountain Water Park, Inc. v. County of Essex, 40 A.D.3d 1336, 1338, 836 N.Y.S.2d 374, 2007 N.Y. Slip Op. 04388 (N.Y. 2007). Siehe auch 92 CJS Vendor and Purchaser § 547; 5 California Real Estate § 11:50. 663 Bzw. bona fide encumbrancer, wenn es sich um eine dingliche Belastung (lien) handelt.

C. Erwerb vom Nichtberechtigten

235

weise Unterschiede zwischen den Bundesstaaten. So ist eine Unkenntnis nicht immer erforderlich, vereinzelt reicht auch eine vorhergehende Registrierung aus. Die gesetzlichen Vorschriften der Bundesstaaten knüpfen hinsichtlich des gutgläubigen Erwerbs jeweils an die Wirkung der Registrierung von Übertragungsurkunden an.664 1.

Vermeintliche Berechtigung des „Buchinhabers“

Ein gutgläubiger Erwerb ist nur möglich, wenn der Veräußerer aus dem Register als Rechtsinhaber hervorgeht; er muss quasi wie in Deutschland „Buchinhaber“ sein. Das angloamerikanische Grundstücksregister in Form der Urkundensammlung weist jedoch den Inhaber eines Grundstücksrechts nicht ohne Weiteres aus. Auf die einzelnen erfassten Urkunden kann der Rechtsverkehr nicht vertrauen; sie sind keine Eintragung nach deutschem Verständnis. Vielmehr stellt der gesamte Inhalt des Registers die „Eintragung“ dar, an die der gute Glauben anknüpft. Die Ermittlung der Berechtigung ist nur durch eine title search möglich, die jedoch auf Grund der Struktur und Ausgestaltung des Registers fehleranfällig ist. Ein gutgläubiger Erwerb ist folglich nicht möglich, wenn der Veräußerer nie Inhaber des betroffenen Rechts war. Es existiert somit grundsätzlich nur eine Fallgestaltung, die einen gutgläubigen Erwerb zulässt. Der tatsächlich berechtigte Veräußerer hat sein Grundstücksrecht bereits wirksam durch einen deed übertragen. Der Ersterwerber hat jedoch (noch) keine Registrierung vorgenommen; trotzdem ist er zunächst wirksamer Rechtsinhaber geworden.665 Daraufhin hat der Veräußerer – der jetzt nicht mehr berechtigt ist – das Recht erneut an einen anderen, den Zweiterwerber, übertragen. Diese Übertragung ist grundsätzlich wegen der fehlenden Berechtigung des Veräußerers unwirksam. Lässt der Zweiterwerber jedoch seinen deed vor dem des Ersterwerbers registrieren, erwirbt er – sofern die weiteren Voraussetzungen vorliegen – wirksam das betreffende Grundstücksrecht. Der Ersterwerber verliert hingegen sein Recht wieder. Ein gutgläubiger Erwerb ist folglich vor allem möglich, wenn der Ersterwerber seinen Erwerb nicht registrieren lässt. Auf Grund dieser fehlenden Registrierung weist die Urkundensammlung den ursprünglichen Eigentümer noch als Rechtsinhaber aus. Diese objektive666 Information erlangt der 664 Siehe beispielsweise: Kalifornien § 1107 Cal. Civ. Code; Massachusetts ch. 183 § 4 M.G.L.; § 291 RPL of N.Y. 665 Die Registrierung des deed ist gerade nicht für einen wirksamen Rechtsübergang erforderlich. Siehe hierzu bereits oben S. 117. 666 Im Fall eines Rechtsstreits wird durch eine gerichtlich angeordnete und überprüfte Untersuchung des Registers festgestellt, wen das Register zum Zeitpunkt der Übertragung als Rechtsinhaber auswies. Es ist folglich unerheblich, ob die title search ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Letztendlich ist alleine die objektive Registerlage maßgeblich.

236

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Zweiterwerber durch die Durchführung einer title search.667 Der Zweiterwerber kann in diesem Fall vom nichtberechtigten Veräußerer wirksam erwerben. 2.

Entgeltlichkeit

Ein gutgläubiger Erwerb ist nur bei entgeltlichen Geschäften möglich.668 Die Gegenleistung muss nicht zwangsläufig dem Wert des übertragenen Grundstücks entsprechen, bei schwerwiegenden Abweichungen bzw. einem lediglich symbolischen Wert liegt jedoch keine Entgeltlichkeit vor.669 Es reicht nicht aus, dass eine Gegenleistung besteht, vielmehr muss der Erwerber, bevor er Kenntnis über die Nichtberechtigung des Veräußerers erlangt hat, auch eine (Teil-)Zahlung bewirkt haben.670 3.

Unkenntnis und Registrierung

Eine weitere Voraussetzung des Erwerbs vom Nichtberechtigten ist die Gutgläubigkeit des Erwerbers und die Registrierung von dessen deed. Das Erfordernis des Vorliegens beider Voraussetzungen unterscheidet sich zwischen den Bundesstaaten. Es existieren grundsätzlich drei verschiedene Systeme. Entweder fordern die Gesetze nur eine Unkenntnis beim Rechtserwerb (sogenannte notice statutes), nur eine vorhergehende Registrierung (race statutes671) oder sowohl eine Unkenntnis als auch eine Registrierung (race-

667

Bei der Voraussetzung der vermeintlichen Berechtigung des „Buchinhabers“ handelt es sich um eine rein formale Voraussetzung, die für einen gutgläubigen Erwerb vorliegen muss. Zum Maße des guten Glaubens siehe unten S. 236. 668 92 CJS Vendor and Purchaser § 550; 5 California Real Estate § 11:53; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 10; 5 Tiffany Real Prop. § 1300. Lediglich in Colorado wird auch der unentgeltliche Erwerber vom Schutz des Registers erfasst; so Eastwood v. Shedd, 166 Colo. Law. 136, 442 P.2d 423 (Colo. 11968), im konkreten Fall waren sowohl der Erst- als auch der Zweiterwerb unentgeltlich. Mit dem gleichen Ergebnis Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 10 Rn. 5. 669 5 California Real Estate § 11:53; 5 Tiffany Real Prop. § 1301; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 11. Siehe Nichols-Steuart v. Crosby, 29 S.W.2d 380, 382, 87 Tex. 443 (Tex. 1895), der Kaufpreis war 5 $, der Grundstückswert 5.000 $. 670 5 California Real Estate § 11:54 ff.; 5 Tiffany Real Prop. §§ 1304 f.; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 11. Ein Erwerber, der nach Teilzahlung Kenntnis von der Nichtberechtigung erlangt und deshalb kein Recht gutgläubig erwirbt, kann einen Ausgleichsanspruch in Höhe der Teilzahlung und möglicher Verwendungen haben. Siehe hierzu 5 Tiffany Real Prop. § 1305. 671 „The race statute, sometimes called a ,pure raceʻ statute, evokes the image of two competing grantees in a footrace to the recorder’s office. The first purchaser to record wins, regardless of whether he has notice of the other claimant and regardless of which interest is prior in time.“ Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8 Appendix 8A (S. 8A-1).

C. Erwerb vom Nichtberechtigten

237

notice statutes).672 Ein reines race statute existiert nur noch in drei Bundesstaaten.673 In den übrigen besteht etwa jeweils zur Hälfte ein notice oder racenotice statute.674 a)

Unkenntnis (lack of notice)

Ein wirksamer Rechtserwerb von einem Nichtberechtigten ist nur möglich, sofern der Erwerber im guten Glauben ist, er also keine Kenntnis über die Nichtberechtigung hat.675 Die Anforderungen an die Kenntnis unterscheiden sich teilweise zwischen den Bundesstaaten. In der Regel schaden sowohl positive Kenntnis, fahrlässige Unkenntnis (actual notice) als auch Anzeichen, die eine Nachforschungspflicht auslösen (inquiry notice).676 Weiterhin wird die Kenntnis durch registrierte Urkunden fingiert (constructive notice).677 Der Erwerber hat positive Kenntnis, wenn er tatsächlich weiß, dass der Veräußerer nicht zur Rechtsübertragung berechtigt ist. Fahrlässige Unkenntnis besteht hingegen, sofern für den Erwerber Anzeichen vorliegen, die eine Nichtberechtigung des Erwerbers nahelegen, er jedoch nicht hiervon überzeugt ist.678 Ein gutgläubiger Erwerb wird weiterhin verwehrt, wenn Hinweise bestehen, die eine weitere Erforschung erforderlich machen. Das sind vor allem Informationen, die auf einen anderen Rechtsinhaber hindeuten und beispielsweise durch eine Inaugenscheinnahme der Besitzverhältnisse am Grundstück hätten erkannt werden können. Den Erwerber trifft somit auch eine gewisse Nachforschungspflicht, um in den Schutzbereich des gutgläubigen Erwerbs zu gelangen.679 Insgesamt werden hohe Anforderungen an die

672

Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8 Appendix 8A (S. 8A-1 f.); Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 5; siehe auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 515 f. sowie zur historischen Entwicklung Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 6. 673 Delaware, Louisiana und North Carolina; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1075; Szypszak, 24 Whittier L. Rev. 633, 666 (2003). 674 Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 91 Fn. 2 (2002). Siehe auch die Zusammenstellungen der jeweiligen Gesetze aller Bundesstaaten bei Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8 Appendix 8A (S. 8A-3 ff.); Szypszak, 24 Whittier L. Rev. 633, 666 Fn. 21, 23 (2003). 675 Lediglich bei einem race statute schadet auch Bösgläubigkeit nicht. 676 92 CJS Vendor and Purchaser § 551; 5 California Real Estate § 11:52; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 12; 5 Tiffany Real Prop. § 1284. 677 Siehe Einzelheiten zu den registrierten Urkunden, die eine Kenntnis fingieren, 92 CJS Vendor and Purchaser §§ 554 ff.; 5 California Real Estate § 11:60 ff.; 5 Tiffany Real Prop. § 1284. 678 Siehe für Einzelheiten 92 CJS Vendor and Purchaser § 552; 5 California Real Estate § 11:59; 5 Tiffany Real Prop. § 1284. 679 92 CJS Vendor and Purchaser §§ 557 ff.; 5 California Real Estate § 11:81 ff.; 5 Tiffany Real Prop. § 1285. Ein Indiz kann beispielsweise auch ein (weit) unter dem Markt-

238

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

Unkenntnis des gutgläubigen Erwerbers gestellt. Selbst ein reiner (Anfangs-)Verdacht kann bereits zur Bösgläubigkeit und somit zum Scheitern des Erwerbs führen. Die Gutgläubigkeit des Erwerbers muss nicht zwangsläufig bis zur Registrierung seines deed vorliegen. Es ist ausreichend, wenn er bis zum Zeitpunkt der (Teil-)Zahlung keine Kenntnis hat. Eine später eintretende fahrlässige Unkenntnis oder positive Kenntnis schadet dem gutgläubigen Erwerb nicht. Teilweise muss die Gutgläubigkeit jedoch bis zum Zeitpunkt der Registrierung bestehen.680 Trotzdem muss der gutgläubige Erwerber weiterhin seinen deed vor dem des Ersterwerbers registrieren, um das Grundstücksrecht gutgläubig zu erwerben. Nicht in allen Bundesstaaten ist zwangsläufig eine Registrierung des deed des gutgläubigen Erwerbers vor dem Ersterwerber erforderlich. Vielmehr wirkt die Eintragung auf den Zeitpunkt der Übergabe zurück, sofern der deed innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach der Übergabe im Register erfasst wird. Früher bestanden solche Regelungen in vielen Bundesstaaten und waren auf die mitunter langen Zeitspanne zurückzuführen, die zwischen der Einreichung bzw. dem Absenden des deed an das Registeramt und dessen tatsächlicher Registrierung bestand.681 Heute sehen nur noch sehr wenige Bundesstaaten eine solche „Rückwirkung“ der Eintragung auf den Zeitpunkt der Übergabe vor.682 Fast ausschließlich muss die Registrierung des deed des gutgläubigen Erwerbers tatsächlich vor der des Ersterwerbers erfolgen. b)

Race statutes

In den Bundesstaaten,683 deren Gesetze zum gutgläubigen Erwerb in Form eines race statute ausgestaltet sind, muss der Zweiterwerber seinen deed lediglich vor dem des Ersterwerbers registrieren.684 Ein guter Glaube ist hinwert liegender Kaufpreis sein; so in Asisten v. Underwood, 183 Cal.App.2d 304, 7 Cal.Rptr. 84 (Cal. 1960), dies war jedoch nur einer von mehreren Anhaltspunkten. 680 Siehe Einzelheiten bei 92 CJS Vendor and Purchaser § 551; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 11. 681 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 16; 5 Tiffany Real Prop. § 1272. 682 So etwa noch in Pennsylvania für mortgages, die innerhalb von 30 Tagen nach deren Übergabe registriert werden, 21 P.S. § 622. Die übrigen noch bei Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 16 Fn. 3 genannten Bundesstaaten haben ihre Gesetze mittlerweile geändert. 683 Delaware, Louisiana und North Carolina; Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1075; Szypszak, 24 Whittier L. Rev. 633, 666 (2003). 684 „[…] instruments registered in the office of the register of deeds shall have priority based on the order of registration as determined by the time of registration […]“, § 47-18 N.C.G.S. Ähnlich 25 Del. Code § 153. Kritisch zur Rechtslage in North Carolina Szypszak, 28 N.C. Cent. L.J. 199 (2006).

C. Erwerb vom Nichtberechtigten

239

gegen nicht erforderlich.685 Die ersten Registergesetze der meisten Bundesstaaten im 17. und 18. Jahrhundert waren in dieser Form ausgestaltet.686 Da jedoch bei Bösgläubigkeit des Zweiterwerbers offensichtliche Ungerechtigkeiten bestehen, wurden die Gesetze in fast allen Bundesstaaten geändert, sodass heute meist eine Gutgläubigkeit des Zweiterwerbers notwendig ist. c)

Notice statutes

Ein gutgläubiger Erwerb unter einem notice statute687 stellt auf genau die gegenteiligen Voraussetzungen wie ein reines race statute ab. Es kommt nicht auf die Registrierung, sondern alleine auf die Unkenntnis eines späteren Erwerbers an.688 Ein Erwerber wird nur geschützt, sofern er seinen deed vor einer widersprechenden gutgläubigen Übertragung registriert hatte. Selbst wenn sein deed zuerst registriert wird, ist eine spätere – jedoch vor der Registrierung liegende – Übertragung vorrangig. Anknüpfungspunkt ist nicht die Registrierung, sondern alleine der Zeitpunkt der Rechtsübertragung. Nach einem notice statute erwirbt immer der letzte gutgläubige Erwerber, unabhängig davon, wessen deed zuerst registriert wird.689 d)

Race-notice statutes

Die sogenannten race-notice statutes690 kombinieren die Voraussetzungen der race und notice statutes. Ein gutgläubiger Erwerb ist nur möglich, sofern der Erwerber keine Kenntnis von der Nichtberechtigung des Veräußerers hat und er seinen deed vor dem Ersterwerber registrieren lässt.691 Durch die Kombina-

685

92 CJS Vendor and Purchaser § 567; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 6; Szypszak, 28 N.C. Cent. L.J. 199, 201 (2006). 686 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 6; Scheid, 80 U. Det. Mercy L. Rev. 91, 103 (2002). 687 Siehe beispielsweise § 558.41 Iowa Code: „An instrument affecting real estate is of no validity against subsequent purchasers for a valuable consideration, without notice […] unless the instrument is filed and recorded […].“ 688 92 CJS Vendor and Purchaser § 568; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8 Appendix 8A (S. 8A-1); Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 7. 689 Den notice statutes liegt der Gedanke zugrunde, dass der „letzte gutgläubige Erwerber gewinnt“; so Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8 Appendix 8A (S. 8A-1). 690 „Every grant of an estate in real property is conclusive against the grantor, […] except a purchaser […] who in good faith and for a valuable consideration acquires a title […] by an instrument that is first duly recorded.“ § 1107 Cal. Civ. Code. Ähnlich § 291 RPL of N.Y.; ch. 183 § 4 M.G.L. 691 92 CJS Vendor and Purchaser § 568; 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 2.3; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8

240

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

tion wird sowohl die mögliche Bösgläubigkeit des Erwerbers berücksichtigt als auch die umfassende Wirkung des Registers klargestellt. Im Gegensatz zum reinen notice statute kann sich der Erwerber, der seinen deed registrieren lässt, darauf verlassen, dass er tatsächlich Rechtsinhaber geworden und ein Verlust durch einen gutgläubigen Erwerb nicht mehr möglich ist. 4.

Zusammenfassung

Der gutgläubige Erwerb nach angloamerikanischem Recht ist grundsätzlich nur von einem Veräußerer möglich, der zu einem früheren Zeitpunkt tatsächlich Rechtsinhaber war. Ein guter Glaube bezüglich einzelner Urkunden existiert auf Grund der fehlenden positiven Publizität des Registers nicht. Weitere Voraussetzungen sind die Entgeltlichkeit des Erwerbs sowie ein guter Glaube, der schon durch geringe Zweifel zerstört werden kann. Teilweise bestehen durch die verschiedenen Anforderungen hinsichtlich Kenntnis und Eintragung beträchtliche Unterschiede zwischen den Bundesstaaten. Gerade die notice statutes sorgen oftmals für weitere Fehler innerhalb des Registers. Ein Erwerb vom Berechtigten kann in diesem Fall – trotz einer Eintragung – auf Grund eines gutgläubigen Erwerbs eines Zweiterwerbers, der nicht einmal eingetragen werden muss, unwirksam sein. III. Vergleichende Betrachtung Der gutgläubige Erwerb des deutschen und angloamerikanischen Rechts unterscheidet sich beträchtlich. In beiden Rechtsordnungen ist der Anknüpfungspunkt zunächst das Grundstücksregister. Im deutschen Recht knüpft der gute Glaube jedoch an eine konkrete Eintragung an, während in den Vereinigten Staaten das Register in seiner Gesamtheit als Anknüpfungspunkt dient. Dies hat zur Folge, dass in Deutschland von jeder eingetragenen Person grundsätzlich ein gutgläubiger Erwerb möglich ist, nach angloamerikanischem Recht jedoch nur von einem ehemals Berechtigten. Die Fälle des gutgläubigen Erwerbs sind dadurch auf wenige Ausnahmen beschränkt. Weiterhin unterscheiden sich die Voraussetzungen an die Kenntnis, die eine Bösgläubigkeit zur Folge haben. Während in Deutschland nur positive Kenntnis schadet, reichen in den Vereinigten Staaten bereits geringe Zweifel aus; ferner kann dort sogar eine Ermittlungspflicht bestehen. Nicht zu vergessen ist, dass in den wenigen Bundesstaaten, die ein race statute haben, ein Erwerb vom Nichtberechtigten auch mit Bösgläubigkeit möglich ist. Insgesamt führt gerade der gutgläubige Erwerb nach deutschem Recht zu einer Bereinigung des Registers von Fehlern. In den Vereinigten Staaten ist

Appendix 8A (S. 8A-2); 5 California Real Estate § 11:3; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 8.

D. Abschließende rechtsvergleichende Betrachtung

241

dies nur sehr beschränkt der Fall. Bei reinen notice statutes wird sogar die Verlässlichkeit des Registers verringert.

D. Abschließende rechtsvergleichende Betrachtung D. Abschließende rechtsvergleichende Betrachtung

Betrachtet man beide Erwerbsverfahren, so fällt auf, dass zunächst bezüglich der rechtlichen Ausgestaltung sowohl in der deutschen als auch in der angloamerikanischen Rechtsordnung zwischen dem Verpflichtungs- und dem Verfügungsgeschäft getrennt wird, wenn diese in den Vereinigten Staaten auch nicht immer konsequent eingehalten wird. Deutliche Unterschiede sind hingegen in der Mitwirkung staatlicher Stellen zu finden. Das angloamerikanische Recht gibt dem Veräußerer und dem Erwerber die Möglichkeit, ohne die Einbeziehung staatlicher Organe Grundstücksrechte rein privat zu übertragen. Ein Publizitätsakt ist neben der Übergabe des deed für die Wirksamkeit grundsätzlich nicht erforderlich. Ein doppelter Erwerbstatbestand, wie Einigung und Eintragung in einem Register im deutschen Recht, ist gerade nicht erforderlich. Die Übergabe und Annahme des deed stellt vielmehr den einzigen Erwerbsakt dar. Die Registrierung ist keine notwendige Voraussetzung für den Rechtsübergang, sondern rein deklaratorisch. Das deutsche Recht ist hingegen durch die zwingende Eintragung und Mitwirkung des Notars geprägt. Es existieren zahlreiche Formvorschriften, die seine Mitwirkung erzwingen. Den Parteien ist es nicht möglich, ohne ihn ein Grundstücksrecht zu übertragen. In den Vereinigten Staaten existieren zwar formelle Vorschriften, die Anforderungen sind jedoch wesentlich geringer als die einer notariellen Beglaubigung. Eine schlichte Schriftform für das Verpflichtungsgeschäft ist völlig ausreichend. Die Übergabe des deed muss nicht einmal schriftlich bestätigt werden, die rein tatsächliche Übergabe der formgerechten Urkunde genügt. Darüber hinaus wirken die Statutes of Frauds lediglich prozessual und haben so nur indirekten Einfluss auf die Wirksamkeit der Geschäfte. In tatsächlicher Hinsicht werden in Deutschland alle Modalitäten des Geschäfts vor dem notariellen Abschluss des Auftrags und der Auflassung geklärt. Es existiert kein umfangreiches Zwischenverfahren, in welchem noch Fragen der Finanzierung oder der Eigentumslage geklärt werden müssen. Dies wird auch dadurch deutlich, dass in der Regel Kaufvertrag und Auflassung zusammen beurkundet werden. Nur in wenigen Fällen mag eine getrennt und zeitlich versetzte Beurkundung sinnvoll sein. Das Erwerbsverfahren in den Vereinigten Staaten ist hingegen in drei wesentliche Schritte unterteilt. Der schuldrechtliche Kaufvertrag wird so früh geschlossen, dass der Erwerber regelmäßig noch nicht einmal eine Finanzierungszusage hat. Darauf folgt ein mehr oder weniger langes Zwischenverfahren, in welchem vor allem die dingliche Rechtslage durch eine title search überprüft und die Finanzierung

242

Kapitel 3: Grundstückserwerbsverfahren

der Transaktion sichergestellt wird. Erst danach wird der Eigentumsübergang im Rahmen des closing vollzogen.

Kapitel 4

Sicherung des Grundstückerwerbs Bei der Durchführung von Grundstücksgeschäften bestehen für die beteiligten Parteien teilweise erhebliche Risiken. Käufer und Verkäufer übertragen jeweils große Wertgegenstände, die nicht selten einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens, wenn nicht sogar ihren einzigen werthaltigen Vermögensgegenstand, ausmachen. Neben den beiden Hauptakteuren ist auch der Kreditgeber, der in der Regel zumindest einen Teil des Kaufpreises finanziert, maßgeblich am Erwerbsprozess beteiligt. Er stellt den erforderlichen Darlehensbetrag nur zur Verfügung, sofern er im Gegenzug ein Grundpfandrecht erhält. Dies dient im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zur Befriedigung der verbleibenden Darlehenssumme und minimiert so das Ausfallrisiko. Im folgenden Kapitel wird zunächst untersucht, welche konkreten Risiken für Käufer, Verkäufer und Kreditgeber bestehen. Diese Risiken stellen jeweils die Sicherungsinteressen der Beteiligten während des Grundstückserwerbsprozesses dar. Zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland gibt es nur marginale Unterschiede, sodass eine gemeinsame Darstellung unter Berücksichtigung der Unterschiede erfolgt. Daraufhin wird die Befriedigung dieser Interessen durch tatsächliche Vorgänge, rechtliche Rahmenbedingungen und eventuell bestehende marktwirtschaftliche Funktionen erörtert. Der unterschiedliche Ablauf des Erwerbsverfahrens sowie die Ausgestaltung der Eigentumsrechte in beiden Ländern haben zur Folge, dass einzelne Risiken mehr oder weniger stark ausgeprägt sind oder zu einem anderen Zeitpunkt zur Geltung kommen. Weiterhin existieren einzelne Risiken für die Beteiligten auf Grund der rechtlichen Ausgestaltung nur in einer der beiden Rechtsordnungen. Die untersuchten Rechtsordnungen begegnen den Risiken teilweise auf höchst unterschiedliche Weise. Dies mag verschiedenen Gründen geschuldet sein wie der historischen Entwicklung, dem grundsätzlich verschiedenen Rechtsdenken oder aber auch der unterschiedlichen Einstellung der Gesellschaft. Der Abschnitt über die Befriedigung der Sicherungsinteressen besteht aus einem funktionalen Vergleich. Die Verhinderung bzw. Minimierung der einzelnen Risiken wird im Folgenden rechtsvergleichend gegenübergestellt.1 Am Ende dieses Kapitels erfolgt ein Vergleich des Sicherheitsniveaus in Deutschland und den Vereinigten Staaten. Abschließend werden die jeweili1

Siehe zur Methodik ausführlichen oben S. 9.

244

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

gen Instrumente, die in beiden Ländern für die Sicherheit beim Grundstückserwerb sorgen, zusammenfassend herausgearbeitet. Die Sicherungsinstrumente werden für ein typisches, nicht gewerbliches, aber entgeltliches Grundstücksgeschäft aufgezeigt. Hinsichtlich des angloamerikanischen Rechts bezieht sich der Grundstückserwerb nur auf solche Grundstücke, die anhand des recording-land-title-Systems im Register geführt und nur durch einen deed übertragen werden.

A. Risiken und Sicherungsinteressen A. Risiken und Sicherungsinteressen

Die am Grundstückserwerb beteiligten Hauptakteure sind jeweils unterschiedlichen spezifischen Risiken ausgesetzt. Im Mittelpunkt steht bei Käufer, Verkäufer und Kreditgeber jeweils die Gefahr des Verlusts des Kaufpreises, des Eigentums bzw. der gewährten Kreditsumme, ohne die hierfür angestrebte Gegenleistung zu erlangen. Neben dem Ausschluss bzw. der Minimierung dieser „Primärrisiken“ haben die Parteien jedoch auch weiter gehende Interessen, die unmittelbar, teilweise aber auch nur mittelbar mit dem Erwerbsprozess zusammenhängen. So sind beispielsweise Käufer und Verkäufer im Besonderen daran interessiert, dass sie durch die Vertragsgestaltung nicht unangemessen benachteiligt werden. Die jeweiligen Interessen von Käufer und Verkäufer sind im Folgenden vier Bereichen zugeordnet, die sich am zeitlichen Ablauf des Erwerbs orientieren. Dies ist zunächst die dem Abschluss des Kaufvertrags vorgelagerte (rechtliche) Beratung, die auch die Unterstützung bei der Abwicklung des kompletten Erwerbsvorgangs enthält. Daraufhin bestehen besondere Interessen der Vertragsparteien beim Abschluss des Kaufvertrags. Die Hauptrisiken drohen jedoch beim Austausch von Eigentum und Kaufpreis im Rahmen der (sachenrechtlichen) Abwicklung des Geschäfts. Das Interesse des Kreditgebers beschränkt sich auf die Risiken, die bei der Auszahlung der Darlehenssumme im Zusammenhang mit dem Erwerb eines werthaltigen Grundpfandrechts sichtbar werden. I.

Interessen des Käufers bzw. Erwerbers

Der Käufer ist neben dem Verkäufer einer der beiden zentralen Akteure des Grundstücksgeschäfts. Er erwirbt ein Grundstück, wenn es sich nicht um eine Schenkungen oder Erbschaft handelt, meist entgeltlich und ist so gleichzeitig Erwerber im Rahmen des dinglichen Teils der Transaktion. Die Intention für den Kauf stellt meist die Nutzung von Grundeigentum für eigene private oder gewerbliche Zwecke oder als Kapitalanlage dar. Bei privaten Käufern handelt es sich beim Erwerb eines Grundstücks meist schon wegen des hohen finan-

A. Risiken und Sicherungsinteressen

245

ziellen Risikos um kein alltägliches Geschäft.2 Eine Immobilie wird meist zur eigenen Nutzung, also als Wohneigentum oder für die Führung eines Gewerbes benötigt. Die Immobilie ist in der Regel der zentrale Lebensmittelpunkt des Eigentümers. Dies verleiht dem Grundeigentum eine hohe soziale Komponente. Das finanzielle Risiko des Käufers wird in der Regel durch eine hohe Fremdfinanzierung begleitet. Die Aufbringung des Kaufpreises erfolgt nur in ganz seltenen Fällen ausschließlich über eigenes Kapital. Die Folge ist oft eine hohe Verschuldung des Käufers, welche über Jahre oder gar Jahrzehnte andauert. Das erworbene Grundstück dient beim Erwerb zugleich als Sicherheit für das Darlehen.3 Der Erwerber ist zwar Eigentümer des Grundstücks, bis zur Begleichung der Darlehenssumme besteht am Eigentumsrecht jedoch eine dingliche Belastung in Form eines Grundpfandrechts. 1.

Beratung und Unterstützung während des Erwerbsverfahrens

Die Darstellung des Erwerbsverfahrens hat gezeigt, dass der Erwerb eines Grundstücks kein alltägliches Geschäft ist und besondere Kenntnisse des Erwerbsprozesses für dessen erfolgreiche Abwicklung erforderlich sind. Er ist mit zahlreichen, nicht immer ohne Weiteres erkennbaren und teilweise auch besonders hohen (finanziellen) Risiken verbunden. Der typische nichtgewerbliche Käufer (aber auch Verkäufer) eines Grundstücks hat in der Regel keine besonderen Kenntnisse über die für eine risikofreie Abwicklung erforderlichen rechtlichen Details, Verfahrensschritte und Vorgänge. Zunächst müssen die zahlreichen formellen Voraussetzungen erfüllt werden. Hierzu gehört neben der Einhaltung der Form von Kaufvertrag und Eigentumsübertragung auch die Einholung der erforderlichen öffentlichrechtlichen Genehmigungen. Vor allem in Deutschland bestehen hier zahlreiche Pflichten, wie beispielsweise die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung und die Klärung von öffentlich-rechtlichen Vorkaufsrechten, ohne die ein Eigentumsübergang letztendlich nicht möglich ist. Des Weiteren müssen mit dem Grundstücksregister zusammenhängende Fragen und Probleme bei der Eigentumsübertragung berücksichtigt werden. Solche kann ein Laie vor allem in den Vereinigten Staaten auf Grund des Aufbaus, der Struktur und der Wirkung des Registers nicht ohne Unterstützung beantworten. Doch selbst das in Deutschland bestehende übersichtliche Grundbuch erfordert noch eine Auslegung durch einen Experten, der etwa die Auswirkungen von bestehenden dinglichen Belastungen erläutert und deren Auswirkungen auf das konkrete Geschäft beurteilt. 2

Siehe etwa Kutter, in: Beck’sches Notar-HB, A II. Bauträgervertrag Rn. 2, der den Grundstückskaufvertrag als „wichtigsten (Notar-)Vertrag im Leben vieler Mitbürger“ bezeichnet. 3 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1300.

246

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Ebenso ist der Käufer regelmäßig nicht in der Lage, den Inhalt von Kaufvertrag und Eigentumsübertragung (Auflassung bzw. Inhalt des deed) selbst so zu formulieren, dass diese seinem tatsächlichen Willen entsprechen. In diesem Zusammenhang stellt sich natürlich die Frage, ob ein solches Interesse gerade bei standardisierten, sich stets wiederholenden Grundstücksgeschäften überhaupt besteht. In der deutschen Literatur existieren zahlreiche Werke, die sich alleine mit dem Grundstückskauf befassen und entsprechende Formulare und Formulierungsvorschläge bereitstellen.4 Die schiere Menge von Formulierungsvorschlägen für zahlreiche Spezialfälle zeigt jedoch auch, dass kein Grundstückskauf dem anderen gleicht. In jeder möglichen Hinsicht können Unterschiede bestehen, die eine Anpassung des Kaufvertrags oder der Auflassung verlangen. Sowohl die Beschaffenheit des konkreten Grundstücks als auch die beteiligten Parteien oder die gewählte Art der Finanzierung können Besonderheiten bei der Gestaltung erfordern.5 Die Verwendung eines einheitlichen Mustervertrags, selbst unter Nutzung von Wahlmöglichkeiten, wie sie etwa die im Handel erhältlichen Mietverträge bieten, scheint für den Grundstückskauf wenig praktikabel. Der juristische Laie wäre wohl selbst mit Hilfe einer detaillierten Anleitung nicht in der Lage, ein solches Musterformular ordnungsgemäß auszufüllen. In den Vereinigten Staaten stellt sich die Lage ähnlich dar. Es werden zahlreiche Formulierungsvorschläge bereitgestellt, um die unterschiedlichen Formen des Grundstückerwerbs abzudecken.6 Die Formulierungsvorschläge werden auch in der Praxis häufig verwendet.7 Ähnlich wie in Deutschland ist deren Verwendung ohne die Hilfe eines Experten jedoch kaum möglich. Für den konkreten Einzelfall existiert in der Regel keine Vorlage, die alle Besonderheiten berücksichtigt.8 4 Siehe nur Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B.; Grziwotz/Everts/Heinemann et al., Grundstückskaufverträge, 2. Aufl. 2011; Hertel, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 2 Rn. 4; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 2014. Siehe hierzu auch BGH NJW 1991, 843, der sich mit Standardformulierungen in notariellen Urkunden auseinandersetzt (hier im Zusammenhang mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen). 5 Siehe etwa die Gliederung der verschiedenen Kaufverträge bei Heckschen/ Herrler/Starke, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf; ähnlich ausdifferenziert Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B., der zu jedem Formular noch zahlreiche Anmerkungen, die im Einzelfall zu beachten sind, aufführt. Siehe auch Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 2014, Rn. 273, der in diesem Zusammenhang von der „typischen Abfolge einer ,Standardurkundeʻ“ spricht. 6 Siehe etwa 1A Miller & Starr California Real Estate Forms §§ 1:17 ff., der sowohl Käufern als auch Verkäufern „orientierte“ Musterverträge zur Verfügung stellt. Siehe beispielsweise auch den Mustervertrag der Real Estate Bar Association (REBA) von Massachusetts, abgedruckt bei Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, Ch. 61 REBA Form No. 21. 7 Rieger/Gibbons, Residential Real Estate Transactions, 2004, § 2.6. 8 So etwa Rieger/Gibbons, Residential Real Estate Transactions, 2004, § 1.14.

A. Risiken und Sicherungsinteressen

247

Neben dem Problem, den eigenen Willen in die erforderlichen Dokumente aufzunehmen, besteht auch ein Interesse am Schutz vor dem Vertragspartner. Gerade bei der Konfrontation einer unerfahrenen Person mit einem Experten9 besteht im besonderen Maße die Gefahr der einseitigen Benachteiligung. Der Käufer (aber auch Verkäufer) hat aus diesem Grund ein großes Interesse an der ausreichenden Berücksichtigung seiner eigenen Position und der interessengerechten Verteilung der Risiken. 2.

Verbindlichkeit des Kaufvertrags

Der Käufer hat weiterhin ein Interesse an der Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags. Er ist daran interessiert, dass sich der Verkäufer an die getroffene Vereinbarung hält und dass er diese im Zweifel auch gerichtlich geltend machen kann. Oftmals trifft der Käufer nach Abschluss des Kaufvertrags eigene Verfügungen, wie etwa die Veräußerung eines eigenen, bisher bewohnten Grundstücks. Scheitert der Erwerb des neuen Grundstücks, ist aber das eigene schon weiterverkauft, besteht für den Käufer die Gefahr, plötzlich ohne Grundstück bzw. Wohnsitz zu verbleiben. Aus diesem Grund darf dem Verkäufer keine Möglichkeit eingeräumt werden, sich einseitig vom Kaufvertrag zu lösen. Weiterhin hilft dem Käufer im Fall der Nichterfüllung ein Schadensersatzanspruch meist nicht weiter. Vielmehr werden seine Interessen nur durch eine Erfüllung in Form der Eigentumsübertragung befriedigt. Der gerichtlich durchsetzbare Anspruch muss folglich als Ziel die Verschaffung des Eigentums haben. In den Vereinigten Staaten ist der Käufer jedoch nicht nur an der Verbindlichkeit des Kaufvertrags interessiert. Im Hinblick auf die regelmäßig erst nach Vertragsschluss zu klärende Finanzierung ist für den Käufer eine Möglichkeit des sanktionsfreien Lösens vom Vertrag erforderlich. Beim Scheitern der Finanzierung soll kein oder nur ein geringer Schadensersatzanspruch des Verkäufers bestehen. 3.

Schutz während der Abwicklung des Erwerbs

Bei der Abwicklung des Erwerbs, dem Austausch von Leistung und Gegenleistung (Kaufpreis und Eigentum am Grundstück), bestehen für den Käufer/Erwerber die größten Risiken. Er leistet mit dem Kaufpreis eine beträchtliche Summe an den Verkäufer. Hierfür überträgt der Verkäufer ihm das Eigentumsrecht an einem Grundstück. Beim Scheitern eines Teils der Abwicklung kann es im Zweifel zu einem völligen Verlust der Rechtsposition des Käufers kommen. Zudem ist der Käufer nicht nur am Erwerb des Eigentumsrechts interessiert, sondern auch an dessen Rechtsmängelfreiheit. 9 Hier kommen vor allem Verträge mit Bauträgern in Frage. Siehe etwa Kutter, in: Beck’sches Notar-HB, A II. Bauträgervertrag Rn. 3.

248 a)

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Austausch von Kaufpreis und Eigentum

Bei jedem Rechtsgeschäft, das den Austausch von Leistungen vorsieht, besteht für beide Seiten die Gefahr, trotz eigener Leistung die Gegenleistung vom Vertragspartner nicht zu erhalten. Sofern keine gleichzeitige Leistung möglich ist oder gewünscht wird, muss eine der Parteien in Vorleistung treten. Gerade im Grundstücksrecht bestehen hier Besonderheiten. Nach deutschem Recht ist eine gleichzeitige Leistung überhaupt nicht möglich, da das Eigentum zwangsläufig erst nach Eintragung im Grundbuch auf den Erwerber übergeht. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Erwerber noch nicht Eigentümer geworden, er hat jedoch meist schon den Kaufpreis bezahlt. Es besteht stets ein Zeitraum, in dem eine der Parteien in Vorleistung treten muss.10 In den Vereinigten Staaten stellt sich die Gefahrenlage etwas anders dar, da für die Wirksamkeit der Eigentumsübertragung keine zusätzliche Eintragung in ein Register erforderlich ist. Das Eigentum geht unmittelbar im Zeitpunkt der Übergabe des deed auf den Erwerber über. Es ist folglich möglich, den Austausch von Eigentum und Kaufpreis (etwa in Form von Bargeld oder bestätigten Schecks) gleichzeitig durchzuführen. Jedoch sind auch in den Vereinigten Staaten Konstellationen denkbar, die ein Auseinanderfallen von Kaufpreiserfüllung und Eigentumsverschaffung durch den deed zur Folge haben. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Kreditgeber das Darlehen erst nach Bestellung eines dinglichen Sicherungsrechts auszahlt oder die Kaufpreiszahlung per Banküberweisung abgewickelt wird. Zudem ist zwar eine Eintragung im Register nicht erforderlich; nur sie gewährt jedoch einen absoluten Schutz vor weiteren Verfügungen des Veräußerers. Die Konfliktlage besteht somit grundsätzlich in beiden Rechtsordnungen, wenn sie auch in Deutschland auf Grund der obligatorischen Eintragung stärker ausgeprägt ist. Die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung des schuldrechtlichen Anspruchs reicht alleine zur Erfüllung der Interessen der Parteien nicht aus.11 Bei einer Nichterfüllung des Kaufpreises besteht die Möglichkeit, nach gerichtlichem Urteil in das komplette Vermögen des Schuldners zu vollstrecken. Ebenso kann ein Urteil, das den Veräußerer zur Übertragung des Eigentumsrechts verpflichtet, vollstreckt werden. Im deutschen Recht kommt die Fiktion der Abgabe der Willenserklärung im Rahmen der Auflassung in Frage, § 894 ZPO. In den Vereinigten Staaten tritt die Rechtsänderung, also der Eigentumsübergang, entweder direkt durch das Urteil ein oder das Gericht

10

Siehe Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 143. Im angloamerikanischen Recht besteht nur in Ausnahmefällen ein Anspruch auf Erfüllung (specific performance), dieser liegt jedoch beim Anspruch auf Eigentumsverschaffung an Grundstücken in der Regel vor. Siehe hierzu schon oben S. 23. 11

A. Risiken und Sicherungsinteressen

249

bestimmt eine Amtsperson, die die Eigentumsübertragung vornimmt.12 Diese Möglichkeiten der Vollstreckung reichen jedoch nicht aus, sobald auf Grund einer Insolvenz keine Masse zur Befriedigung des jeweiligen Anspruchs zur Verfügung steht. Den Gläubiger des Eigentumsübertragungsanspruchs trifft eine Insolvenz sogar noch härter. Fällt das Grundstück in die Insolvenzmasse, dient es der Befriedigung aller Gläubiger. Für ihn kommt dann meist nur noch ein Anspruch auf Schadensersatz in Frage, der lediglich eine Geldleistung zur Folge hat. Weiterhin kann der Veräußerer auf Grund zwischenzeitlichen Verlusts des Eigentums, etwa durch Veräußerung an einen Dritten, nicht mehr in der Lage sein, den Anspruch zu erfüllen. In diesem Fall ist der Anspruch des Erwerbers wertlos bzw. wegen Unmöglichkeit entfallen. Es verbleibt nur die Möglichkeit des Schadensersatzanspruchs, dessen Inhalt das Interesse des Erwerbers nicht erfüllt. b)

Rechtsmängelfreiheit des Eigentums

Neben der Erlangung des Eigentumsrechts im Austausch für die Zahlung des Kaufpreises ist der Erwerber an dessen Rechtsmängelfreiheit interessiert. Er will nicht nur Eigentümer des Grundstücks werden, sondern dieses soll auch nur mit den im Kaufvertrag vereinbarten dinglichen Rechten belastet sein. Sämtliche nicht vereinbarten dinglichen Rechte Dritter, wie etwa Grundpfandrechte oder Nutzungsrechte, haben negativen Einfluss auf den Grundstückswert und können zusätzlich dessen Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigen. Der Erwerber kann zwar grundsätzlich den Veräußerer für den entstandenen Schaden in Form einer Wertminderung in Anspruch nehmen, die Erlangung von rechtsmängelfreiem Eigentum ist in der Regel jedoch nicht möglich. Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein Dritter nicht auf sein Nutzungsrecht verzichten will. Zudem gelten hinsichtlich der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs die oben gemachten Einschränkungen, vor allem im Falle einer Insolvenz des Veräußerers. Unter einen Rechtsmangel fallen auch die Fälle einer fehlenden Berechtigung des Veräußerers, wenn dieser also nicht Inhaber des zu übertragenden Rechts war. Der Eigentumserwerb kann in diesem Fall vereitelt werden. Ein solch massiver Mangel ist etwa durch ein nicht mit der tatsächlichen Rechtslage übereinstimmendes Register möglich, auf dessen Inhalt sich der Erwerber verlassen hat. Der Erwerber hat in einem solchen Fall das Interesse, trotz der fehlenden Berechtigung des Veräußerers das Eigentumsrecht zu erwerben. Ein Schadensersatzanspruch befriedigt die Interessen des Erwerbers in der Regel nicht, da er am Erwerb des konkreten Grundstücks und nicht an einem Anspruch in Geld interessiert ist. 12

4 Tiffany Real Prop. § 1246. Siehe auch Friedenthal/Kane/Miller, Civil procedure, 2005, S. 116 ff., sowie Engelmann-Pilger, Die Grenzen der Rechtskraft des Zivilurteils im Recht der Vereinigten Staaten, 1974, S. 131 f.

250

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Nicht zu vergessen ist das Interesse des Käufers, tatsächlich auch Inhaber des gewünschten Grundstücks zu werden, also nicht nur das Eigentumsrecht zu erwerben, sondern dieses auch am richtigen Grundstück im Sinne seiner geometrischen Lage und Ausmaße. Diese sollen mit der Vorstellung des Käufers und den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort übereinstimmen. Es besteht nicht zwangsläufig das Risiko, dass der Erwerber ein völlig anderes Grundstücks erwirbt, sondern insbesondere die Gefahr, dass ein Grundstück mit abweichenden Ausmaßen, etwa durch falsche Pläne oder unrichtige Grenzmarkierungen, übergeht. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass bei der Abwicklung des Grundstückskaufvertrags durch Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung sichergestellt werden muss, dass der Kaufpreis nur in den Machtbereich des Verkäufers gelangt, sofern der rechtsmängelfreie Eigentumserwerb des Erwerbs gewährleistet ist. c)

Fehler innerhalb der Register

In engem Zusammenhang mit der Rechtsmängelfreiheit des Eigentums steht das Interesse der Beteiligten an einem zuverlässigen und fehlerlosen Eintrag im Grundstücksregister. Insbesondere in den Vereinigten Staaten sieht sich der Käufer der Gefahr ausgesetzt, dass die im Register dargestellte Rechtslage durch unrichtige bzw. gefälschte Übertragungsurkunden nicht mit der rechtlichen Wirklichkeit übereinstimmt. In Deutschland besteht eine solche Gefahr zwar grundsätzlich auch, auf Grund der rechtlichen Ausgestaltung und Organisation des Grundbuchs bzw. Grundbuchverfahrens tauchen solche Fehler jedoch sehr selten auf bzw. sind sehr unwahrscheinlich. In der angloamerikanischen Rechtsordnung werden solche Beeinträchtigungen des Inhalts des Grundstücksregisters vor allem durch Vorgänge, die als house stealing und mortgage fraud bekannt sind, verursacht.13 Diese sorgen zwar in der Regel für keinen Rechtsverlust, können den Rechtsinhaber jedoch mit unnötigen und kostspieligen Rechtsstreitigkeiten oder einem vorübergehenden Verlust der Verkehrsfähigkeit seines Rechts belasten. Im deutschen Recht werden solche negativen Folgen weitgehend durch die zahlreichen formellen Voraussetzungen, die eine Grundbucheintragung fordert, vermieden. Die beschränkte Ersatzfähigkeit von Prozesskosten im angloamerikanischen Recht verschärft die Beeinträchtigung des Grundstücksrechts durch (unwirksame) Übertragungsurkunden. Der Rechtsinhaber muss sich auf der einen Seite gegen vermeintliche Ansprüche Dritter verteidigen; auf der anderen Seite ist es ihm nicht möglich, die Prozesskosten, vor allem die eige-

13

Siehe hierzu ausführlich unten S. 414.

A. Risiken und Sicherungsinteressen

251

nen Rechtsanwaltskosten, gegenüber der anderen Partei, selbst bei deren Unterliegen, geltend zu machen.14 4.

Weitere Interessen

Der Käufer ist im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb neben der Rechtsmängelfreiheit vor allem auch an der Sachmängelfreiheit des Grundstücks interessiert. Ein negatives Abweichen der tatsächlichen von der versprochenen Beschaffenheit des Grundstücks bzw. dessen Bebauung können ebenfalls einen nicht unerheblichen finanziellen Nachteil für den Käufer bedeuten. Viele Sachmängel bleiben einem Laien auch bei einer Inaugenscheinnahme verborgen. Außerdem treten solche Mängel oftmals erst nach der Abwicklung der Übertragung in Erscheinung. Weiterhin können Mängel am Grundstück wegen Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, vor allem gegen solche des Baurechts, bestehen. Der Eigentümer kann beispielsweise bei einem Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes, etwa durch Beseitigung (Abriss), verpflichtet sein. Es steht im Interesse des Käufers, sowohl Sachmängelrisiken als auch Verstöße gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften möglichst zu vermeiden bzw. im Zweifel einen Schadensersatzanspruch gegen den Veräußerer geltend machen zu können. Das Risiko eines Sachmangels lässt sich meist durch die Begutachtung eines Sachverständigen ausschließen. In der folgenden Darstellung wird deshalb nur kurz auf die Sicherstellung der Sachmängelfreiheit durch vertragliche Regelungen eingegangen. Nicht zuletzt ist der Käufer besonders an niedrigen Transaktionskosten interessiert. Meist trägt er neben den Kosten für den Makler auch die sonst anfallenden Beträge, in Deutschland vor allem für den Notar, in den Vereinigten Staaten für die Rechtsmängelversicherung. 5.

Zusammenfassung

Die Interessen des Käufers eines Grundstücks in Deutschland und den Vereinigten Staaten ähneln sich weitgehend. Es sind jeweils eine Beratung und eine Begleitung des Verfahrens durch einen Experten erforderlich. Zudem besteht ein Interesse an der Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags, mit der Besonderheit der Finanzierungsklausel, die in den Vereinig14

Nach angloamerikanischem Recht muss jede Partei unabhängig vom Ausgang des Verfahrens ihre eigenen Kosten tragen. Zudem existiert eine mit der deutschen Prozesskostenhilfe vergleichbare Institution in den Vereinigten Staaten nur in sehr beschränktem Maße. Siehe zur Prozesskostenhilfe in den Vereinigten Staaten, die nur für die Gerichtskosten gilt, Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht, 2011, Rn. 25. In Deutschland scheidet in der Praxis ein Anspruch eines Grundstückseigentümers wohl in der Regel auf Grund des Fehlens der Voraussetzungen des § 114 ZPO aus.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

ten Staaten notwendig ist. Das zentrale Interesse des Käufers und damit auch das höchste Risiko besteht bei der Abwicklung des Geschäfts während des Austauschs der jeweiligen Leistungen (Kaufpreis und Eigentum). Der Käufer interessiert sich vor allem für den rechtsmängelfreien Erwerb. In den Vereinigten Staaten muss der Käufer weiterhin vor Beeinträchtigungen Dritter und vor den hiermit zusammenhängenden Kostenrisiken geschützt werden. II.

Interessen des Verkäufers bzw. Veräußerers

Der Verkäufer ist neben dem Käufer die zentrale Figur des Grundstückerwerbs. Gründe für den Verkauf seines Grundstücks können beispielsweise der Erwerb eines neuen Grundstücks, für welches Kapital benötigt wird, oder die Verwendung des erzielten Kaufpreises für andere Zwecke sein. Ebenso wie der Käufer ist der Verkäufer bei einer typischen nichtgewerblichen Grundstücksübertragung kein Experte und hat in der Regel keine besonderen Kenntnisse von Grundstücksgeschäften. Die Veräußerung stellt oft ein einmaliges Ereignis dar. Die wichtigste Rechtsposition, die während des Erwerbsverfahrens geschützt werden muss, ist das Eigentumsrecht. Es stellt einen besonders hohen Wert dar und lässt sich nicht ohne Weiteres ersetzen. Insgesamt stimmen die Interessen des Verkäufers bzw. die bestehenden Risiken weitgehend mit denen des Käufers überein. Im Folgenden wird deshalb nur auf die Abweichungen genauer eingegangen. 1.

Beratung

Ebenso wie der Käufer ist der Verkäufer in der Regel kein Experte auf dem Gebiet des Grundstücksrechts und benötigt Unterstützung während des Verfahrens und der Ausarbeitung der erforderlichen Unterlagen wie Kaufvertrag und Eigentumsübertragung. Auch er benötigt im Zweifel Schutz vor einer Überlegenheit des Käufers in Form einer Beratung, um seine Interessen im Kaufvertrag und bei der Durchführung des Geschäfts zu wahren. 2.

Verbindlichkeit des Kaufvertrags

Der Verkäufer ist ebenso wie der Käufer an der Verbindlichkeit des Kaufvertrags interessiert. Im Vertrauen auf die Durchführung des Vertrags ist der Verkäufer möglicherweise selbst Verpflichtungen eingegangen, für deren Erfüllung er den Kaufpreis benötigt; so z.B. die Finanzierung des Kaufs eines anderen Grundstücks oder die Verwendung des Kaufpreises für andere Zwecke. Löst sich der Käufer vom Kaufvertrag, kann dies neben der Verzögerung der Veräußerung beim Verkäufer auch zu finanziellen Nachteilen führen. So kann beispielsweise eine anderweitige Zwischenfinanzierung erforderlich sein oder der Verkäufer muss seinerseits auf ein Geschäft verzichten. Folglich

A. Risiken und Sicherungsinteressen

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hat er ein Interesse an der Verbindlichkeit des Kaufvertrags. Auf Grund von Finanzierungsklauseln, die in Kaufverträgen in den Vereinigten Staaten üblich sind, hat der Verkäufer ein besonderes Interesse an der Ausgestaltung der Bedingung, die die Verbindlichkeit einschränkt. Zumindest darf dem Käufer kein entschädigungsfreies Lösen vom Vertrag, mit dem Verweis auf eine vermeintlich nicht erlangte Finanzierung, möglich sein. 3.

Verlust des Eigentums ohne garantierte Gegenleistung

Während der Abwicklung des Kaufvertrags durch Austausch von Leistung und Gegenleistung bestehen auch für den Verkäufer die größten Risiken und somit das größte Interesse an einer sicheren Gestaltung des Erwerbsverfahrens. Aus den bereits oben genannten Gründen ist beim Grundstückskauf eine gleichzeitige Erfüllung regelmäßig nicht möglich. Der Verkäufer ist deshalb nur bereit, sein Eigentumsrecht an den Käufer zu übertragen, sofern er bereits den Kaufpreis erhalten hat bzw. dessen Auszahlung sichergestellt ist. Der schuldrechtliche Anspruch, der zwar gerichtlich geltend gemacht werden kann, reicht auf Grund des Insolvenzrisikos alleine nicht aus. 4.

Beschränkung des Haftungsrisikos

Spiegelbildlich zum Interesse des Käufers an einem rechtsmängelfreien Grundstücksrecht hat der Verkäufer ein Interesse daran, das Haftungsrisiko für Rechtsmängel möglichst zu beschränken. Dies gilt vor allem in den Vereinigten Staaten, da dort Rechtsmängel, die dem Verkäufer unbekannt waren und auch bei der title search unerkannt blieben, nicht unwahrscheinlich sind. Fehlte dem Verkäufer die Berechtigung zur Rechtsübertragung, kann der Käufer eventuell den kompletten Kaufpreis zurückverlangen und der Verkäufer verbleibt ohne Kaufpreis und Grundstücksrecht. Ebenso ist er an einer Minimierung der Ersatzpflicht für Sachmängel interessiert. 5.

Zusammenfassung

Die Interessen des Verkäufers entsprechen im Großen und Ganzen spiegelbildlich denen des Käufers. Das zentrale Sicherungsbedürfnis besteht im Rahmen der Abwicklung des Kaufvertrags in Form des Leistungsaustauschs. Der Verkäufer setzt sich mit der Übertragung seines Grundstücksrechts einem hohen Risiko aus. Weitere Interessen können jedoch vor der Abwicklung sowie im Anschluss an die Übertragung bestehen. Bis auf die Frage der Finanzierungsklausel innerhalb des Kaufvertrags stimmen die Interessen von Verkäufern in Deutschland und den Vereinigten Staaten überein.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

III. Kreditgeber Neben den Interessen von Käufer und Verkäufer werden auch solche des Kreditgebers während des Erwerbsverfahrens berührt. Dieser finanziert in der Regel einen großen Teil des Kaufpreises, für den er die Bestellung eines Grundpfandrechts als Sicherheit fordert. Das zentrale Interesse besteht auch hier im Hinblick auf den „Austausch“ der Darlehenssumme für das Grundpfandrecht. Im Gegensatz zu Käufer und Verkäufer benötigt der Kreditgeber meist keine rechtliche Beratung, die ihn über den Ablauf und die Folgen aufklärt, oder eine Person, die ihn bei der Auszahlung des Kreditbetrags und Bestellung des Grundpfandrechts begleitet. Der typische Kreditgeber, wie eine Bank, aber auch ein Hypothekenmakler, befasst sich in seinem alltäglichen Geschäft mit der Finanzierung von Grundstücksgeschäften. Er verfügt in der Regel über die erforderlichen rechtlichen Kenntnisse oder über eine eigene Rechtsabteilung. Lediglich bei großen gewerblichen Transaktionen mag das Hinzuziehen von besonderen Fachleuten erforderlich sein. 1.

Auszahlung nur gegen garantierte Sicherheit

Der Kreditgeber ist nur bereit, einen Teil des Kaufpreises zu finanzieren, wenn er zur Sicherung des Darlehens gegen Zahlungsausfall ein Grundpfandrecht am Grundstück erhält. Bei der Finanzierung von Grundstückskäufen ist die Darlehenssumme in der Regel so hoch, dass der Kreditgeber nicht alleine auf die Erfüllung der Rückzahlung durch den Schuldner vertraut. Zudem birgt der lange Zeitraum, über den die Rückzahlungsverpflichtung besteht, oft 20 Jahre oder mehr, größere Risiken hinsichtlich eines Zahlungsausfalls. Das Grundpfandrecht stellt dem Kreditgeber für den Fall der Zahlungsunfähigkeit mit dem Grundstück einen gewissen Wert zur Verfügung, der in seiner Höhe relativ beständig ist. Das Darlehen wird folglich nur ausbezahlt, wenn dem Kreditgeber bereits ein Grundpfandrecht bestellt wurde bzw. dies absolut sicher ist. Scheitert die Eintragung des Sicherungsrechts, verbleibt nur noch das Vermögen des Schuldners zur Befriedigung eventueller Forderungen. Ein Grundpfandrecht gewährt dem Kreditgeber hingegen auch bei Insolvenz eine vorrangige Befriedigung aus dem Grundstück. Das Problem tritt ebenso wie die zentralen Risiken von Käufer und Verkäufer während der Abwicklung des Geschäfts auf. Der Käufer ist nicht in der Lage, ohne Darlehensbetrag die Kaufpreisforderung zu erfüllen, die aber für eine Eigentumsübertragung vom Veräußerer gefordert wird. Die Eigentümerstellung ist hingegen erforderlich, um ein Grundpfandrecht zu Gunsten des Kreditgebers zu bestellen, welches wiederum für die Auszahlung des Darlehens erforderlich ist.

A. Risiken und Sicherungsinteressen

2.

255

Rechtsmängelfreiheit

Die Bestellung des Grundpfandrechts alleine reicht jedoch nicht aus. Es muss zudem sichergestellt werden, dass das dingliche Recht auch die vorher vereinbarte Qualität aufweist. Die Rangstelle des Sicherungsrechts hat maßgeblichen Einfluss auf dessen Wert. Existiert beispielsweise ein dem Grundpfandrecht des Kreditgebers vorrangiges Sicherungsrecht, so besteht bei Zahlungsausfall die Gefahr, im Wege der Zwangsvollstreckung nur einen Teil bzw. im schlimmsten Fall überhaupt keinen Erlös mehr erzielen zu können. Weiterhin ist es möglich, dass die Bestellung des Grundpfandrechts insgesamt unwirksam ist, wenn der Veräußerer Nichtberechtigter ist. 3.

Zusammenfassung

Der Kreditgeber ist letztendlich „nur“ an der Sicherstellung der Bestellung eines rechtsmängelfreien Grundpfandrechts vor der Auszahlung des Darlehens interessiert. IV. Zentrale Interessen der Beteiligten Abgesehen von der Notwendigkeit der Beratung und Begleitung von Käufer und Verkäufer und der ausgewogenen Beachtung ihrer Interessen in der jeweiligen Vertragsgestaltung stimmen die Interessen von Käufer, Verkäufer und Kreditgeber überein. Alle drei Parteien sind daran interessiert, nicht in Vorleistung zu treten bzw. ihrer Leistungspflicht (Kaufpreiszahlung, Eigentumsübertrag oder Darlehensauszahlung) nur nachzukommen, sofern der Erhalt der Gegenleistung (bei Kreditgeber die Bestellung des Grundpfandrechts) absolut sicher ist. Anhand dieser zentralen Sicherungsinteressen wird das Spannungsfeld, innerhalb dessen sich Käufer, Verkäufer und Kreditgeber befinden, klar. Jede Leistung ist von einer anderen „abhängig“. Der Verkäufer überträgt das Eigentum nur, wenn er den Kaufpreis erhält. Für die Aufbringung der Kaufpreissumme (regelmäßig zumindest für einen großen Teil) benötigt der Käufer einen Kredit. Der Kredit wird wiederum nur ausgezahlt, sofern der Kreditgeber Inhaber eines Grundpfandrechts ist. Für die Bestellung des Grundpfandrechts ist hingegen die Eigentümerstellung erforderlich. Im Mittelpunkt des Interessenskonflikt steht die Problematik der Leistung Zug um Zug, die bei Grundstücksgeschäften nicht ohne Weiteres, in Deutschland auf Grund des Eintragungsprinzips überhaupt nicht, möglich ist. Weiteres zentrales Interesse ist die Rechtsmängelfreiheit des erworbenen Grundstücksrechts. Sowohl der Käufer als auch der Kreditgeber leisten einen hohen finanziellen Betrag als Gegenleistung für ein Recht. Ein Rechtsmangel kann von einer nicht erkannten, aber wirksamen Belastung bis hin zu einem vollständigen Scheitern der Übertragung auf Grund der fehlenden Berechtigung des Veräußerers zu einem hohen Schaden bis zum totalen Verlust füh-

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

ren. Ebenso sind Käufer und Verkäufer an einer gerechten Verteilung des Sachmängelrisikos interessiert. Da dies jedoch nicht unmittelbar das Grundstücksrecht betrifft, wird die Lösung dieses Konflikts im Folgenden nur kurz angesprochen. Letztendlich stimmen die Sicherungsinteressen in den beiden untersuchten Rechtsordnungen weitgehend überein. Lediglich die Ausgestaltung des Erwerbsverfahrens, aber auch des Grundstücksregisters, in den Vereinigten Staaten führt zu Besonderheiten. Hier sind insbesondere die Finanzierungsklausel im Kaufvertrag und die Interessen des Käufers hinsichtlich einer nachträglichen Beeinträchtigung seines Grundstücksrechts zu nennen. Abschließend muss jedoch beachtet werden, dass die hier an objektiven Maßstäben festgestellten Interessen nicht zwangsläufig mit den tatsächlich von Käufer und Verkäufer wahrgenommenen subjektiven Interessen übereinstimmen müssen. Gerade in den Vereinigten Staaten scheint das Interesse an einer Beratung und Unterstützung während des Erwerbsverfahrens nicht so weit ausgeprägt zu sein wie in Deutschland. Der in der angloamerikanischen Gesellschaft vorherrschende Grundsatz der Privatautonomie und Selbstverantwortung führt wohl zu einem verminderten Bedürfnis nach einer „Zwangsberatung“. Auch dies hat letztendlich Einfluss auf die unterschiedliche Risikoabsicherung.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

Die im letzten Abschnitt dargestellten, während des Grundstückserwerbs bestehenden Risiken und Sicherungsinteressen muss jede Rechtsordnung zur Zufriedenheit des Rechtsverkehrs minimieren und befriedigen. Auf diese Weise ist eine für die Teilnehmer gefahrlose Übertragung von Grundstücksrechten möglich, die wiederum zu einem insgesamt funktionierenden Grundstücksmarkt führt. Hierbei ist zudem ein Ausgleich der Interessen zwischen Käufer, Verkäufer und Kreditgeber erstrebenswert, um ein Risikoungleichgewicht zu Lasten einer Partei zu vermeiden. Obwohl in Deutschland und den Vereinigten Staaten grundsätzlich ähnliche Risiken und Interessen der Beteiligten bestehen, erfolgen der Schutz und der Ausgleich teilweise höchst unterschiedlich. Grund hierfür sind zunächst die abweichende Ausgestaltung der Grundstücksrechte und der Erwerbsverfahren, aber auch gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die zur unterschiedlichen Einordnung und Bewertung von Gefahren führen. I.

Beratung und Unterstützung – Notar vs. Privatautonomie

Käufer und Verkäufer sind in der Regel mit den Besonderheiten von Grundstücksgeschäften nicht vertraut, sie benötigen Unterstützung bei der Durch-

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

257

führung, vor allem der Einhaltung der erforderlichen Verfahren und Voraussetzungen. Zudem sind bei Grundstücken hohe Werte betroffen, die eine besondere Beratung bei der Ausgestaltung der Vertragsbedingungen erfordern, um so einen gerechten Interessenausgleich ohne Benachteiligung zu erreichen. 1.

Beratung und Begleitung durch den deutschen Notar

In Deutschland kann ein Grundstückserwerb nicht ohne die zwingende Mitwirkung eines Notars durchgeführt werden. Sie ist, wie auch in anderen kontinentaleuropäischen Ländern,15 gesetzlich vorgeschrieben. Die Aufgabe des Notars im Rahmen von Grundstücksgeschäften ist die Sicherstellung der Einhaltung der erforderlichen Verfahren, die neutrale Beratung der Beteiligten und die Beurkundung der Rechtsvorgänge. a)

Der deutsche Notar

Das Notariat in Deutschland geht auf eine lange historische Entwicklung zurück, die sich bis in das öffentliche Beurkundungswesen in Rom im 3. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.16 Kern der Aufgabe der Notare war lange Zeit die Dokumentation von wichtigen Rechtsvorgängen, wie etwa der Erwerb von Grundstücken. Auch heute ist die Beurkundung von Rechtsvorgängen die Hauptaufgabe des deutschen Notars, § 1 BNotO.17 Der Aufgabenbereich hat sich nach der Gründung der Bundesrepublik in der Mitte des letzten Jahrhunderts vor allem durch die Einführung von Betreuungs- und Beratungspflichten stetig erweitert.18 Dieser Bedeutungswandel19 hat die zuvor schon bestehende soziale Komponente20 der Arbeit des Notars ergänzt.21 15 Hierzu gehören vor allem noch die Schweiz und Österreich. In Frankreich und Spanien besteht zumindest ein mittelbarer Zwang. Siehe hierzu von Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, 1982, S. 69. 16 Böhringer, BWNotZ 1989, 25, 25. Siehe für eine grundlegende historische Darstellung bis 1845 Oesterley, Das deutsche Notariat, 1845 (ND 1965); ausführlich bis heute bei Schubert, in: Handbuch zur Geschichte des Notariats der europäischen Traditionen, 2009, S. 203; sowie ein kurzer Abriss bei Böhringer, BWNotZ 1989, 25; Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 9 ff. 17 Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 3; Vaasen, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, Einl. BNotO Rn. 40. 18 Bohrer, Das Berufsrecht der Notare, 1991, Rn. 64 ff.; Lichtenberger, in: FS Bayerisches Notariat, 1987, S. 113, 117 f. 19 Basty, in: FS Schippel, 1996, S. 571, 572 ff.; Reithmann, in: Deutscher Notar Tag 1965, 1965, S. 86, 87 ff. 20 So ermöglichte der Notar schon früher Analphabeten die Teilnahme am Rechtsverkehr. Siehe m.w.N. Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 2 f. Eine soziale Komponente besteht auch heute noch, so beispielsweise in der Quersubventionierung durch die wertabhängige Gebührenordnung. Auch bei geringem Geschäftswert wird eine Beratung und Belehrung

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Seine Mitwirkung ist bei einer Reihe von Rechtsgeschäften obligatorisch, darunter fallen auch Grundstücksgeschäfte, die zu einem Kernbereich der notariellen Tätigkeit zählen. aa) Ausgestaltung des Amts Der Notar übt ausschließlich hoheitliche und staatliche Aufgaben aus.22 Er ist unabhängiger23 Träger eines öffentlichen Amts, § 1 BNotO24.25 Diese Unabhängigkeit ist sowohl gegenüber jeglichem staatlichen Einfluss als auch gegenüber den beteiligten Parteien gewährleistet.26 Das öffentliche Amt verpflichtet den Notar, seine Urkundstätigkeit27 jedem zur Verfügung zu stellen, § 15 Abs. 1 Satz 1 BNotO. Lediglich in Ausnahmefällen ist ihm eine Ablehnung gestattet.28 Auf diese Weise steht die vorsorgende Rechtspflegetätigkeit des Notars jedermann zur Verfügung.29 Der Notar ist weder Beamter noch Inhaber eines freien Berufes, sondern steht vielmehr zwischen diesen.30 Weiterhin ist er Teil der vorsorgenden Rechtspflege. Durch seine rechtskundige Mitwirkung bei der Gestaltung durch den Notar sichergestellt. Siehe hierzu auch Stürner, in: FS Leipold, 2009, S. 835, 41 f.; Lappe/Reimann, in: Korintenberger/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, Einl. Rn. 21 ff.; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 123 ff. 21 Siehe Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 3 f. 22 BVerfGE 17, 381, 386; BVerfGE 47, 285, 320; aber EuGH, DNotZ 2011, 462, 465, Tz. 116, der feststellt, dass zumindest der Anwaltsnotar keine öffentliche Gewalt (i.S.v. Art. 51 AEUV) ausübt. Siehe hierzu auch die Anmerkung von Lorz, DNotZ 2011, 491 sowie Bormann, in: FS Stürner, 983, 985 ff. 23 Die Unabhängigkeit beschreibt die Stellung des Notars im Verhältnis zum Staat. Frenz, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 1 Rn. 5. 24 Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 7. 25 Siehe auch Starke, in: Beck’sches Notar-HB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 3 ff. 26 Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 18 ff.; Starke, in: Beck’sches NotarHB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 10 ff. 27 Siehe zum genauen Inhalt der Pflicht Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 15 BNotO Rn. 7 ff.; Reithmann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 15 Rn. 15 ff. Unter den Begriff der Urkundstätigkeit fallen auch alle „Hilfstätigkeiten“, wie etwa die Einreichung von Urkunden beim Grundbuchamt; Reithmann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 15 Rn. 66. 28 Siehe hierzu Bischoff, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 1 Rn. 89; Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 15 BNotO Rn. 24 ff.; Reithmann, in: Schippel/ Bracker, BNotO, § 15 Rn. 43 ff. 29 Reithmann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 15 Rn. 1. Siehe zur vorsorgenden Rechtspflege durch Notare auch Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989. 30 Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 14. Lediglich in Baden-Württemberg ist der Notar aus historischen Gründen teilweise noch Beamter, § 114 BNotO. Im badischen Rechtsgebiet existiert der Amtsnotar, im württembergischen der Bezirksnotar. Bis zum Stichtag 1. Januar 2018 wird schrittweise ein freiberufliches Notariat eingeführt werden. Siehe Görk, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 114 Rn. 1 ff.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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privater Rechtsbeziehungen dient er der Gewährung von Rechtssicherheit und Streitverhütung.31 Die Wahrnehmung seiner präventiven Aufgabe dient auch der Einhaltung der Zivilrechtsordnung insgesamt.32 Die Notare sind entweder hauptberuflich (Nurnotar) oder gleichzeitig als Rechtsanwalt (Anwaltsnotar) tätig, § 3 BNotO.33 Für die Ausübung des Berufes ist die Befähigung zum Richteramt erforderlich, also eine universitäre juristische Ausbildung mit zwei Staatsexamina, § 5 BNotO.34 Der Notardienst ist regelmäßig nur Absolventen mit besonders guten Leistungen35 und fachlichen Kenntnissen vorbehalten.36 Die Tätigkeit des Notars ist grundsätzlich auf seinen Amtsbereich, den Amtsgerichtsbezirk des Amtssitzes beschränkt, § 10a BNotO.37 Die Zahl der Notare ist genau festgelegt, es werden nur so viele bestellt, wie für eine „geordnete Rechtspflege“ erforderlich sind, § 4 Satz 1 BNotO.38 bb) Neutralität Die Neutralität des Notars ist essentieller Bestandteil seiner Berufsausübung. Er ist gegenüber den Beteiligten zur Unparteilichkeit verpflichtet, § 14 Abs. 1 Satz 1 BNotO.39 Diese geht über die „passive Neutralität und die Vermeidung

31

Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 5 ff.; Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 1 BNotO Rn. 11 ff.; siehe hierzu auch Baumann, MittRhNotK 1996, 1, 3. 32 Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 1, der die Notare für die Funktionsfähigkeit der deutschen Zivilrechtsordnung sogar als zwingend notwendig erachtet; ähnlich Reithmann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 15 Rn. 2. 33 Nurnotare in Bayern, Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, im Saarland, in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, in den rheinischen Teilen Nordrhein-Westfalens sowie in Teilen Baden-Württembergs. Anwaltsnotare in Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit Ausnahme der Gebiete des rheinischen Rechts. 34 Der Notar im Landesdienst durchläuft in der Regel eine Ausbildung zum Bezirksnotar. Görk, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 114 Rn. 11. 35 „Einser-Juristen“, so Lichtenberger, in: FS Bayerisches Notariat, 1987, S. 113, 115. Es ist ein „deutlich überdurchschnittliches Ergebnis“ erforderlich. Bischoff, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 1 Rn. 31. 36 Siehe zur fachlichen Eignung Görk, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 6 Rn. 12 ff.; Starke, in: Beck’sches Notar-HB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 19 ff. 37 Siehe genauer Püls, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 10a Rn. 1 ff. 38 Im Jahr 2015 gab es in Deutschland 7156 Notare (1506 hauptberufliche Notare; 5650 Anwaltsnotare). Bundesnotarkammer, Notarstatistik, (besucht am 1.8.2015). 39 Bischoff, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 1 Rn. 9 ff.; Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 19; Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 14 BNotO Rn. 7 ff.; vgl. auch den Amtseid in § 13 Abs. 1 Satz 1 BNotO.

260

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

einseitiger Parteinahme“40 hinaus. Obwohl er über den Interessen der Parteien stehen muss, ist er verpflichtet, unerfahrene und ungewandte Beteiligte vor einer Benachteiligung zu schützen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG) und einen gerechten Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu finden.41 Die Sicherstellung der Neutralität gewährleistet das Gesetz beispielsweise durch Ausübungsverbote und Beschränkungen.42 Hierzu gehören vor allem Mitwirkungsverbote bei bestimmten Geschäften mit persönlicher Beteiligung (§ 3 BeurkG, § 16 BNotO) und das Verbot bzw. Genehmigungserfordernis einer Nebentätigkeit (§ 8 BNotO). Eine wirtschaftliche Unabhängigkeit von seinen Klienten wird durch die Gebührenordnung gewährleistet (§ 17 BNotO).43 Diese verhindert ebenso einen Kostenwettbewerb zwischen einzelnen Notaren und trägt so zur Erhaltung der Qualität bei.44 Der Notar muss durch geeignete Maßnahmen, die zu einem großen Teil schon im Gesetz und in den Kammerrichtlinien vorgesehen sind,45 seine Unparteilichkeit sicherstellen, § 28 BNotO.46 b)

Zwingende Beteiligung bei Grundstücksgeschäften

Das Gesetz sieht bei einer Reihe von Rechtsgeschäften die zwingende Mitwirkung eines Notars vor.47 In der Regel geschieht dies durch die Aufstellung einer Formvorschrift, die nur ein Notar erfüllen kann, z.B. „notarielle Beurkundung“, „notarielle Form“, „öffentlich beglaubigte Form“. Bei Grundstücksgeschäften ist eine solche Formvorschrift hinsichtlich der schuldrecht-

40

Starke, in: Beck’sches Notar-HB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 52. Kanzleiter, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 14 Rn. 35; Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 14 BNotO Rn. 10; Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 17; zu den Besonderheiten der Anwaltsnotare Sandkühler, in: Beck’sches Notar-HB, L II. Sonderfragen des Anwaltsnotars Rn. 35 ff. Siehe auch Flume, in: 18. Deutscher Notar Tag 1969, 1969, S. 30, 32, der dem Notar insbesondere auch die Aufgabe zuschreibt, den Gefahren der Privatautonomie zu begegnen und unterschiedliche Rechtskenntnisse der Parteien auszugleichen. 42 Bracker, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 1 Rn. 19; Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 1 BNotO Rn. 29. 43 Starke, in: Beck’sches Notar-HB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 9. 44 Schäfer, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 17 Rn. 5. 45 Schäfer, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 28 Rn. 5. 46 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 28 BNotO Rn. 7 ff.; Schäfer, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 28 Rn. 2; Starke, in: Beck’sches Notar-HB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 14. 47 Außerhalb des Grundstücksrechts sind dies beispielsweise der Abschluss von Ehe(§ 1410 BGB) und Erbverträgen (§ 2276 BGB) und Vorgänge im Zusammenhang mit Gesellschaften (so beispielsweise bei der Gründung einer Kapitalgesellschaft, § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, § 23 Abs. 1 Satz 1 AktG, aber auch bei Eintragungen im Handelsregister, § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB). 41

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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lichen Verpflichtung zur Übertragung des Eigentumsrechts,48 etwa durch Kaufvertrag oder Schenkung,49 in § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB geregelt. Für die Verpflichtung zur Bestellung oder Übertragung anderer dinglicher Rechte, wie einer Dienstbarkeit,50 einer Reallast51 oder eines Grundpfandrechts52, ist hingegen keine Form vorgeschrieben. Sie kann jeweils formlos erfolgen,53 sodass zumindest im Rahmen der Verpflichtung die Mitwirkung eines Notars nicht erforderlich ist. Das Rechtsgeschäft über die Verfügung eines Grundstücksrechts, die dingliche Einigung nach § 873 Abs. 1 BGB, muss materiell-rechtlich nicht mit Hilfe eines Notars geschlossen werden;54 eine formlose Einigung reicht aus. Bei der Übertragung des Eigentumsrechts muss jedoch die Einigung (Auflassung) bei gleichzeitiger Anwesenheit aller Beteiligten55 vor einem Notar erklärt werden, § 925 Abs. 1 BGB.56 Eine Beurkundung der Auflassung ist hingegen nicht erforderlich.57 Die allgemeine Formfreiheit der Einigung wird jedoch mittelbar durch verfahrensrechtliche Erfordernisse beschränkt. Für eine Eintragung im Grundbuch ist grundsätzlich nur die Bewilligung des Inhabers des betroffenen Rechts erforderlich, § 19 GBO (formelles Konsensprinzip). Die Bewilligung muss jedoch notariell beglaubigt oder beurkundet

48 Gilt auch für die Übertragung und Bestellung eines Erbbaurechts (§ 11 Abs. 2 ErbbauRG), des Wohnungseigentums (direkte Anwendung des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, Rapp, in: Staudinger, WEG, § 4 Rn. 10), des Sondereigentums (§ 4 Abs. 3 WEG) und die Verpflichtung zur Einräumung eines dinglichen Vorkaufsrechts (Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 24). Siehe Einzelheiten bei Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 6 ff. 49 Siehe für weitere formbedürftige Verträge Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 155. 50 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 964. 51 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1207. 52 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 1502. Siehe auch Wolfsteiner, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 1191 ff. Rn. 212. Im Verkehr mit Banken wird zudem oftmals eine Beurkundungsvereinbarung nach § 154 Abs. 2 BGB vermutet. Siehe m.w.N. BGH NJWRR 1993, 235, 236. 53 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311b Rn. 7. 54 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 50; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 117. 55 Vertretung ist jedoch möglich. Siehe Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 83; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 212. 56 Gleiches gilt für Einräumung oder Aufhebung von Wohnungseigentum oder Teileigentum (§ 4 Abs. 1, 2 WEG). Siehe mit weiteren Ausnahmen Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 50. 57 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 76, siehe dort auch Nachweise für die früher (teilweise heute wieder) vertretene Ansicht, die Beurkundung sei materiell-rechtlich für die Wirksamkeit der Auflassung erforderlich. Die Beurkundung ist zumindest wohl Amtspflicht des Notars, §§ 8 ff. BeurkG. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 50.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

sein, § 29 Abs. 1 GBO.58 Im Rahmen der Übertragung des Eigentumsrechts59 muss zusätzlich die materielle Einigung (Auflassung) in der Form des § 29 Abs. 1 GBO nachgewiesen werden, § 20 GBO (materielles Konsensprinzip).60 Letztendlich ist somit auch die Beurkundung der Auflassung erforderlich; ohne diese nimmt das Grundbuchamt keine Eintragung vor.61 Im Rahmen der Bestellung von Grundschulden ist bei der Unterwerfung des Schuldners unter die sofortige Zwangsvollstreckung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), die bei Grundstücksgeschäften der Kreditgeber im Regelfall verlangt, eine Beurkundung durch einen Notar nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BNotO erforderlich.62 Die dargestellten Vorschriften, die die Mitwirkung eines Notars verlangen, sind für die Parteien zwingend. Ihre Nichteinhaltung hat entweder die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts nach § 125 Satz 1 BGB (so bei einem Verstoß gegen § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB63 und § 925 Abs. 1 BGB64) oder die Verweigerung der Grundbucheintragung durch das Grundbuchamt (so bei Nichterfüllung der in §§ 19, 20, 29 Abs. 1 GBO geforderten Beurkundung) zur Folge. Die Mitwirkung des Notars wird folglich durch verschiedene Form- und Verfahrensvorschriften erzwungen, deren Nichteinhaltung für die Beteiligten entweder nachteilig ist, etwa durch fehlende Wirksamkeit und die daraus folgende Nichtdurchsetzbarkeit der Ansprüche, oder den Rechtserwerb durch die fehlende Eintragung verhindert. Zweck der Formvorschrift der notariellen Beurkundung ist folglich, die Mitwirkung des Notars sicherzustellen.65 Dieser muss wiederum bei der Abwicklung des Rechtsgeschäfts seinen Amtspflichten nachkommen und trägt so zur Unterstützung der Parteien und zu deren Beratung bei.66 Weiterhin steht es den Beteiligten frei, zusätzlich einen Rechtsanwalt zur Beratung und Vertretung ihrer Interessen hinzuzuziehen.

58

Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 4 f. Siehe auch Hertel, in: Meikel, GBO, § 29 Rn. 1 ff. 59 § 20 GBO ist auf alle Fälle anwendbar, für die neben § 873 Abs. 1 BGB auch § 925 Abs. 1 BGB gilt. Siehe Böttcher, in: Meikel, GBO, § 20 Rn. 50 ff. 60 Holzer/Kramer, Grundbuchrecht, 2004, Rn. 175; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 76; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 108. 61 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 209. Siehe zu den formellen Eintragungsvoraussetzung und dem Grundbuchverfahren oben S. 106. 62 Wolfsteiner, in: MüKo, ZPO, § 794 Rn. 142. Siehe zur Zwangsvollstreckungsunterwerfung unten S. 306. 63 Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 25. 64 Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 28. 65 Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 22. Siehe mit Verweis auf Winkler auch Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 14. 66 Siehe zu den Amtspflichten und Aufgaben des Notars sogleich.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

c)

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Zweck der Mitwirkung des Notars

Die umfassende Mitwirkung des Notars bei Grundstücksgeschäften verfolgt verschiedene Zwecke. Sie dient neben den Interessen der Parteien auch der Rechtsordnung im Allgemeinen. Hinsichtlich der beteiligten Personen soll der Notar eine neutrale Beratung und eine ausgewogene Vertragsgestaltung gewährleisten sowie vor Übereilung schützen. Die Rechtsordnung profitiert vor allem auf Grund der erhöhten Beweiswirkung der öffentlichen Urkunden und der Sicherstellung des korrekten Inhalts des Grundbuchs von seiner Mitwirkung. Den Zweck seiner Beteiligung beim Grundstückserwerb, aber auch anderen Grundstücksgeschäften bestimmen die Vorschriften, die seine zwingende Mitwirkung vorsehen. Die Unterscheidung zwischen beiden Schutzrichtungen kommt auch in den Hauptvorschriften, die eine zwingende Mitwirkung des Notars vorsehen, zum Ausdruck. So dient die Form des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB hauptsächlich den Parteiinteressen,67 während § 925 Abs. 1 BGB hingegen vordergründig dem öffentlichen Interesse zugute kommt,68 wobei jeweils Überschneidungen hinsichtlich der geschützten Interessen bestehen. Die Mitwirkung des Notars soll folglich sicherstellen, dass der Normzweck der entsprechenden Vorschriften erfüllt wird.69 aa) Zweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB Sowohl die Schutzrichtung als auch der Zweck der Formbedürftigkeit von Verpflichtungen zur Veräußerung oder zum Erwerb von Grundstückseigentum haben sich seit der Einführung des BGB gewandelt. Zunächst galt das Formerfordernis nur für die Verpflichtung zur Veräußerung.70 Erst seit dem 1. Juli 197371 erfasst sie auch Verpflichtungen zum Erwerb.72 Ursprünglich sollte nur der Verkäufer eines Grundstücks durch das Aufsuchen eines Notars – früher war daneben noch die gerichtliche Form vorgesehen73 – vor einem voreiligen Vertragsschluss geschützt werden. Hauptgrund für das Ab67

Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 2; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 160; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 3. 68 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 75; siehe auch m. zahlreichen w.N. Pajunk, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung, 2002, S. 37. 69 Siehe zum Formzweck der notariellen Beurkundung auch Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 7 ff., der den Begriff der Formwirkung verwendet; hierunter versteht er den Zweck der Vorschrift, losgelöst vom ursprünglichen Zweck des Gesetzgebers. 70 Siehe § 313 Satz 1 BGB in der Fassung bis zum 30.6.1973. 71 Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 30.5.1973, BGBl. I, 501. 72 Siehe § 313 Satz 1 BGB in der Fassung ab dem 1.7.1973; ohne inhaltliche Änderung durch Schuldrechtsmodernisierungsgesetz vom 26.11.2001, BGBl. I, 3138 in § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB geregelt. 73 Siehe hierzu unten S. 266.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

weichen von der grundsätzlichen Formfreiheit bei Grundstücksgeschäften war bei Einführung des BGB die Funktion des Grundstücks als wichtiges Wirtschaftsgut mit einer hohen sozialen Bedeutung.74 Es sei „natürlich[e] Grundlage für die Seßhaftigkeit“ und bedürfe besonderer Rücksicht. Eine Veräußerung dürfe deshalb nicht zu leicht möglich sein.75 Dieser Zweck wird in der Regel als Schutz vor Übereilung76 und als Warnfunktion77 beschrieben. Weiterhin soll die notarielle Beurkundung die Aufnahme des wahren Willens der Parteien sicherstellen. Es soll Gewissheit bestehen, mit welchem Inhalt der Vertrag geschlossen wurde78 und zudem soll dieser auch wirksam sein (Inhaltsklarheit und Gültigkeitsgewähr). Die Erstellung einer öffentlichen Urkunde gewährleistet den jederzeitigen Nachweis des Abschlusses (Beweissicherung).79 Zuletzt dient der Formzwang durch die neutrale und rechtskundige Beratung des Notars dem Schutz der geschäftlich ungewandten Bevölkerung,80 die sich über die Bedingungen und den genauen Inhalt des Vertrags oft nicht im Klaren ist (Schutzfunktion).81 Der mit dem Formzwang des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB vordergründig bezweckte Schutz des Veräußerers vor einer unüberlegten Veräußerung hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Trotz dieses Verständnisses diente die Beurkundungspflicht schon bei der Einführung des BGB auch den Interessen

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Grund waren auch die Geschäfte von sogenannten Güterschlächtern, die vornehmlich in Wirtshäusern der bäuerlichen Bevölkerung Grundstücke abkauften. Die einfache Schriftform reichte hingegen – zumindest nach Ansicht des Gesetzgebers – nicht aus, um diese Missstände zu beseitigen. Siehe Mugdan II, S. 620 f. 75 Mugdan II, S. 104. 76 Siehe etwa BGHZ 29, 6, 11: „Durch die Einhaltung der Formvorschrift des § 313 BGB sollen die Parteien vor Übereilung geschützt werden. Es soll ihnen eine fachmännische Beratung beim Abschluss des Rechtsgeschäfts zuteilwerden. Der Inhalt der Abmachung soll klar und genau festgehalten und die Beweisführung gesichert werden.“ 77 Die Wirksamkeit der Warnfunktion zeigt sich vor allem durch das kurzfristige Abstandnehmen von geplanten Geschäften; so Limmer, in: FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 15, 34, der auch von „Abschreckungswirkung“ hinsichtlich des Aufsuchens der Urkundsperson spricht. 78 Mugdan II, S. 621. 79 Siehe jeweils Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 1; Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 2014, Rn. 32 f.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 160; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 3. 80 Siehe zum Schutz des schwächeren Teils Kanzleiter, DNotZ-Sonderheft 2001, 69, 71 ff. 81 Mugdan II, S. 104 f., 622, 1237; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze, BT Drucks. 7/63 S. 6. Siehe auch RGZ 135, 70, 71; BGHZ 29, 6, 11; Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 11 ff.; Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 46. Siehe auch Flume, in: 18. Deutscher Notar Tag 1969, 1969, S. 30, 34, der herausstellt, dass die Gestaltung bedeutsamer Geschäfte nicht den Parteien alleine überlassen werden könne.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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des Käufers.82 Später wurde zudem offensichtlich, dass auch der Käufer eines gewissen Schutzes vor einem übereilten Erwerb bedarf.83 Durch die Aufnahme der Verpflichtung zum Erwerb in den Formzwang84 passte der Gesetzgeber die Rechtslage an die Bedürfnisse der Wirklichkeit an.85 Im Mittelpunkt des Schutzzwecks steht nun weitestgehend der Käufer, der auf Grund des Einsatzes hoher finanzieller Mittel beim Grundstückskauf besonders von einem Schadenseintritt bedroht ist.86 Insgesamt dient der § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB und damit die Mitwirkung eines Notars vordergründig den Interessen der Parteien. In Verbindung mit verfahrensrechtlichen Vorschriften, wie §§ 20, 29 Abs. 1 GBO und § 925a BGB, sorgt das Formerfordernis jedoch auch für allgemeine Rechtssicherheit und die Übereinstimmung des Grundbuchs mit der materiellen Rechtslage. bb) Zweck des § 925 Abs. 1 BGB Der Zweck des § 925 Abs. 1 BGB folgt aus verschiedenen mit der Vorschrift zusammenhängenden Regelungen.87 Für sich betrachtet sieht er nur die Abgabe der Einigungserklärung bei gleichzeitiger Anwesenheit vor einem Notar vor. Der eigentliche Zweck wird hingegen erst durch das Hinzuziehen von § 925a BGB und §§ 20, 29 Abs. 1 GBO deutlich. Nach § 925a BGB ist die Vorlage der nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB errichteten Urkunde, in der Regel des beurkundeten Kaufvertrags, erforderlich. So wird einerseits die Durchsetzung der Formvorschrift erreicht88 und andererseits erlangt der Notar Kenntnis über die für eine Belehrung erforderlichen Angaben des Ge82 So Wolf, JZ 1971, 80, 82, mit Hinweis auf Mugdan II, S. 1237. Siehe auch Wagner, AcP 172 (1972), 452, 456 ff. 83 Hagen, DNotZ 1984, 267, 268. 84 Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 30.5.1973, BGBl. I, 501. 85 Der BGH hatte bis zur Gesetzesänderung für eine Erwerbsverpflichtung, trotz eines ersichtlichen Schutzbedürfnisses, den Formzwang versagt. BGHZ 57, 394. Siehe hierzu Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 2. Grund für die Gesetzänderung war auch die verbreitete Praxis der einseitigen Erwerbspflicht mit Vertragsstrafen oder pauschaliertem Schadensersatz; Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze, BT Drucks. 7/63 S. 5. 86 Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 2; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 2. In der Regel bedarf nur der Käufer einer Beratung. Lediglich in Ausnahmefällen (z.B. bei unüblichen Klauseln) auch der Verkäufer; so Litzenburger, in: BeckOK, BGB, § 17 BeurkG Rn. 18. 87 Ausführlich Pajunk, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung, 2002, S. 109 ff. 88 Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 925a, Rn. 1. Bei Einverständnis der Parteien könnte sonst das Formerfordernis des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB umgangen werden. Durch die Heilung nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB hätten die Parteien letztendlich auch keine negativen Folgen zu befürchten; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925a Rn. 3.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

schäfts.89 Der § 925a BGB verfolgt somit letztendlich die schon im Rahmen des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB dargestellten Zwecke hinsichtlich des Schutzes der Beteiligten. In erster Linie dient er dem Schutz vor Übereilung und Sicherstellung einer neutralen und rechtskundigen Beratung. Die Belehrungssicherung stellt heute den wichtigsten Formzweck dar.90 Der weitere Zweck des § 925a BGB wird durch die verfahrensrechtlichen Vorschriften der §§ 20, 29 Abs. 1 GBO deutlich. Im Vordergrund stehen nicht die Interessen der Beteiligten,91 sondern vielmehr das „öffentlich[e] Interesse an der Institution des mit öffentlichen Glauben ausgestatteten Grundbuchs“.92 Die zwingende Mitwirkung des Notars soll die Richtigkeit des Grundbuchs sicherstellen.93 Dies wird besonders im Verhältnis zu anderen Grundstücksrechten deutlich, dort ist lediglich die Bewilligung durch den Rechtsinhaber erforderlich, § 19 GBO.94 Die gesteigerten Anforderungen an die Eintragung im Grundbuch sorgen für eine besondere Klarheit der Eigentumsverhältnisse.95 Die Mitwirkung des Notars erfolgt weiterhin auch aus fiskalischen (z.B. § 18 GrEStG, § 34 ErbStG) und bodenpolitischen (§§ 195 ff. BauGB) Zwecken und somit zumindest mittelbar mit dem Ziel der Wahrung weiterer öffentlich-rechtlicher Interessen.96

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Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 49. Siehe Eylmann, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, Einl. BeurkG Rn. 3; Limmer, in: FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 15, 35; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 126 f., 139, 143. 91 Diese werden schon durch § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB ausreichend befriedigt. Siehe m.w.N. Pajunk, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung, 2002, S. 37 f. Die Interessen sind zumindest „gleichbedeutend“, Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 49. 92 Pajunk, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung, 2002, S. 37, 138 ff., der den Grundbuchschutz nicht als Zweck des § 925 Abs. 1 BGB sieht, sondern hierfür zusätzlich §§ 20, 29 Abs. 1 GBO heranzieht. Pajunk, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung, 2002, S. 153 f. 93 Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 76. Der Notar trägt grundsätzlich zur Erleichterung und Entlastung des Grundbuchwesens bei. Reithmann, DNotZ 1975, 324, 341. Siehe auch Limmer, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 2, Rn. 11. 94 Siehe beispielsweise Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 7. 95 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 20 Rn. 2; Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 46; ähnlich m.w.N. BGHZ 29, 6, 10 „[…] im Interesse der Rechtssicherheit [ist] die Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften unerlässlich […].“ 96 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 160. Siehe auch Pajunk, Die Beurkundung als materielles Formerfordernis der Auflassung, 2002, S. 39. 90

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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cc) Warum gerade ein Notar? Nach der Darstellung der verschiedenen Zwecke der Beurkundung stellt sich die Frage, warum der Gesetzgeber gerade den Notar mit deren Erfüllung beauftragt hat. Seine besondere Rolle wird vor allem deutlich, wenn man die formellen Voraussetzungen an den Erwerb von Eigentum an Grundstücken zu Beginn der Einführung des BGB betrachtet. Zum damaligen Zeitpunkt war eine zwingende Mitwirkung des Notars nicht erforderlich. Für einen wirksamen Kaufvertrag reichte auch eine gerichtliche Beurkundung aus, § 313 BGB a.F. Gleiches gilt für die Auflassung, die vor Gericht, dem Grundbuchamt oder einem Notar97 erklärt werden konnte, § 925 BGB a.F.98 Erst seit dem 1. Januar 197099 ist hierfür jeweils nur noch der Notar zuständig. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Übergabe der Zuständigkeit für die Auflassung in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Notare100 verschiedene Zwecke.101 Zunächst sollten die Gerichte von Aufgaben, die der Rechtsprechung ferner stehen, entlastet102 und insgesamt die Zuständigkeiten für Beurkundungen strukturiert103 werden. Weiterhin seien Gerichte in der Regel nicht mit besonderen Sachkenntnissen über die Beurkundung von Grundstücksgeschäften ausgestattet. Sie müssten sich meist eingehend mit Fragestellungen befassen, die nur einen geringen Teil ihrer Tätigkeit ausmachen und sich selten wiederholten.104 Die Notare haben jedoch alltäglich mit Beurkundungen zu tun und verfügen über die entsprechenden Fachkenntnisse.105 Diese Ansicht deckt sich mit der Wandlung des Formzwecks. Die Beweissicherung und der Übereilungsschutz traten im Lauf der Zeit immer mehr hin97 In manchen Bundesländern bestanden jedoch Regelungen nach Art. 143 Abs. 1 EGBGB a.F., die bereits damals eine alleinige Zuständigkeit der Notare vorsahen; so etwa in Bayern. Siehe Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 256. 98 Der erste Entwurf des BGB sah sogar nur eine Auflassung vor dem Grundbuchamt vor, § 868 Entwurf I, BGB. Mugdan III, S. XIX. Nur dort liege das Grundbuch vor, sodass direkt erkannt werden könne, ob die Auflassung im Widerspruch zur formellen Grundbuchlage erfolge; Mugdan III, S. 173 ff. Die Pflicht, für eine Eigentumsübertragung neben dem Notar oder Gericht auch das Grundbuchamt aufzusuchen, wurde im Rahmen der Beratungen als zu zeit- und kostenaufwendig erachtet. Eine Erklärung der Auflassung war nach § 925 Abs. 1 BGB folglich auch vor anderen Stellen zulässig; Mugdan III, S. 607 ff. 99 Beurkundungsgesetz vom 28.8.1969, BGBl. I, 1513. 100 Siehe zu den Ausnahmen Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 81. 101 Siehe hierzu auch Holste, DNotZ 1953, 296. 102 Entwurf eines Beurkundungsgesetzes, BT Drucks. 5/3282 S. 24, mit Verweis auf Weißbuch 1961, S. 306. 103 Entwurf eines Beurkundungsgesetzes, BT Drucks. 5/3282 S. 22 f. 104 Entwurf eines Beurkundungsgesetzes, BT Drucks. 5/3282 S. 24, mit Verweis auf Weißbuch 1961, S. 305. 105 Entwurf eines Beurkundungsgesetzes, BT Drucks. 5/3282 S. 24, mit Verweis auf Weißbuch 1961, S. 306.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

ter die Beratung und Belehrung durch den Notar zurück. Die Unabhängigkeit und Neutralität der Notare gewährt zudem eine Gleichbehandlung der Beteiligten. d)

Aufgaben des Notars bei Grundstücksgeschäften

Die Parteien können ein Grundstücksgeschäft nur erfolgreich abschließen, wenn sie auf einen Notar zurückgreifen. Sobald dieser beteiligt ist, muss er die ihm vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben wahrnehmen. Seine Mitwirkung dient vordergründig der Wahrung der Interessen der beteiligten Parteien.106 Darüber hinaus führt er jedoch auch Tätigkeiten aus, die für den Staat bzw. die Rechtsordnung im Allgemeinen nützlich und für den Rechtsverkehr teilweise auch erforderlich sind. Den Notar treffen im Rahmen der Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung verschiedene Pflichten. Hierzu gehören die Beratung der Parteien und die Durchführung, Einhaltung und Überwachung aller erforderlichen Verfahrensschritte. aa) Belehrung und Vertragsgestaltung – § 17 BeurkG Die Beurkundung beinhaltet mehr als das reine Bezeugen eines vom Notar wahrgenommenen tatsächlichen Vorgangs in der vom ihm erstellten Urkunde.107 Vielmehr ist weiterer essentieller Inhalt der notariellen Beurkundung von Willenserklärungen die Beratung und Belehrung der Beteiligten.108 Dieser weite Begriff der notariellen Beurkundung kommt durch das erforderliche Verfahren zustande. Zunächst ist „nur“ eine Niederschrift109 über die Verhandlung110 erforderlich, § 8 BeurkG. Im Rahmen dieser Verhandlung ist der Notar wiederum verpflichtet, den Willen der Beteiligten zu erforschen und diese über die rechtliche Tragweite des konkreten Geschäfts aufzuklären, § 17 BeurkG.111 Diese Belehrung ist unverzichtbarer Bestandteil der Beur-

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Siehe jedoch auch Flume, in: 18. Deutscher Notar Tag 1969, 1969, S. 30, 35, der die Funktion des Notars mehr als Berater des Geschäfts als der Parteien hervorhebt. 107 Reithmann, DNotZ 2003, 603, 604. 108 Die Beteiligten sind nach § 6 Abs. 2 BeurkG die vor dem Notar persönlich erschienenen Personen, also auch der Vertreter. 109 Zum Begriff der Niederschrift Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 8 BeurkG Rn. 6. 110 Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 8 BeurkG Rn. 7. 111 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 7 ff.; Winkler, BeurkG, Einl. Rn. 22. Früher standen vor allem die Irrtumsvermeidung und das Benachteiligungsverbot im Vordergrund, § 26 BNotO a.F. (aufgehoben durch Beurkundungsgesetz vom 28.8.1969, BGBl. I, 1513); jedoch in § 17 Abs. 1 Satz 2 BeurkG aufgenommen; siehe auch Flume, in: 18. Deutscher Notar Tag 1969, 1969, S. 30, 33 f.; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 140 ff.; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 1.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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kundung und gleichzeitig oberste Pflicht des Notars.112 Vor der Aufklärung der Beteiligten muss der Notar zunächst deren genauen Willen und den zugrunde liegenden Sachverhalt ermitteln.113 Erst mit Hilfe dieser Erkenntnisse ist eine zweifelsfreie Aufnahme der entsprechenden Erklärungen in die Urkunde möglich. Zu Beginn der Belehrung steht die Ermittlung des wahren Willens der Beteiligten, § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG. Aufgabe des Notars ist es, die Parteien so zu „führen“, dass ihr wahrer Wille ohne Irrtümer und Zweifel zum Ausdruck kommt.114 Durch eine „Verhandlung“ zwischen den Beteiligten ist es dem Notar möglich, den für das Rechtsgeschäft erheblichen Inhalt der Erklärungen herauszufiltern, ihren wahren Willen zu ermitteln und so schließlich die jeweiligen Willenserklärungen abzufassen. Dies kann beispielsweise durch geschicktes und gezieltes Stellen von Fragen, durch Erörtern des Geschäfts und Aufzeigen von möglichen Alternativen geschehen.115 Ebenso muss der Notar sicherstellen, dass sich die Beteiligten über den Inhalt der von ihnen verwendeten rechtlichen Begriffe im Klaren sind.116 Legen die Beteiligten dem Notar einen Entwurf vor, darf er sich mit dessen Inhalt nicht zufriedengeben. Vielmehr muss er selbstständig feststellen, ob dessen Inhalt dem wahren Willen der Beteiligten entspricht.117 Weiterhin ist es die Pflicht des Notars, auch den zugrunde liegenden Sachverhalt mit sämtlichen Tatsachen aufzuklären, § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG. Diese Kenntnisse unterstützen ihn bei der Ermittlung des Willens und der Aufklärung der Beteiligten.118 Grundsätzlich trifft ihn hierbei, bis auf die

112 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 446; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 1; siehe auch Schmitz-Valckenberg, DNotZ 1994, 495, 496, der den § 17 BeurkG als „magna charta“ der notariellen Tätigkeit bezeichnet. 113 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 6; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 206 ff. 114 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 4 ff.; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 206. 115 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 4; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 206 f. Siehe auch Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 3, der diesen Vorgang treffend als Herausschälen des rechtlich erheblichen Inhalts bezeichnet, der teilweise große Geduld fordert. Siehe zur Verhandlungsführung der Notare auch Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003. 116 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 5. Siehe beispielsweise BGH DNotZ 1987, 450, 452. 117 Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 3, 9; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 209. 118 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 6; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 213.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Einsichtspflicht in das Grundbuch nach § 21 BeurkG,119 keine Amtsermittlungspflicht.120 Der Notar darf sich im Übrigen auf die Angaben der Beteiligten verlassen und diese als zutreffend betrachten.121 Mit Kenntnis des Sachverhalts kann der Notar beispielsweise die Formbedürftigkeit zusammenhängender Rechtsgeschäfte ermitteln.122 Sowohl Willenserforschung als auch Tatbestandsermittlung dienen als „Hilfsfunktion“123 der ordnungsgemäßen Belehrung der Parteien. Den Notar trifft grundsätzlich die Pflicht, die Beteiligten über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren, § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG. Dies beinhaltet die Aufklärung über die rechtliche Bedeutung der abgegebenen Erklärungen und die für den beabsichtigten Erfolg unmittelbar erforderlichen rechtlichen Bedingungen.124 Der Umfang der Belehrung richtet sich nach den im Einzelfall vorhandenen rechtlichen und wirtschaftlichen Kenntnissen der Beteiligten.125 Gerade bei unerfahrenen und ungewandten Beteiligten ist eine besonders eingehende Belehrung erforderlich, § 17 Abs. 2 Satz 2 BeurkG.126 Es ist die Aufgabe des Notars, die rechtlichen Vorgänge so zu „übersetzten“, dass sie auch für einen juristischen Laien verständlich sind.127 Zur Erfüllung der Belehrungspflicht muss der Notar über die erforderlichen rechtlichen Kenntnisse verfügen. Die Weiterbildung durch die Verfolgung aktueller Rechtsprechung und einschlägiger Literatur stellt sicher, dass er stets über Änderungen und aktuelle Entwicklungen informiert ist.128 Der Notar muss nicht nur die Hauptleistungspflichten im Blick haben, er muss vielmehr auf 119

Erst durch die Einsicht ins Grundbuch ist es dem Notar möglich, die Beteiligten „qualifiziert“ zu beraten; so Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 1. 120 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 6. Siehe zur Einsichtspflicht genauer Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 21 BeurkG Rn. 1 ff.; Winkler, BeurkG, § 21 Rn. 1 ff. 121 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 6; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 213. 122 Siehe Näheres bei Winkler, BeurkG, § 21 Rn. 215 f. 123 So Basty, in: FS Schippel, 1996, S. 571, 577; Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 15. 124 M.w.N. BGH DNotZ 1992, 457, 458. 125 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 14; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 16, 219. 126 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 498; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 219. 127 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 14. Die Belehrung kann sowohl abstrakt als auch in Form von Beispielen erfolgen. Basty, in: FS Schippel, 1996, S. 571, 584. 128 Siehe zum genauen Umfang Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 220. Siehe zur Fortbildungspflicht Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 14 BNotO Rn. 50 ff. Siehe ebenso Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 475, der vom „Stand notarieller Kunst“ spricht.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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eine umfassende, ausgewogene und interessengerechte Vertragsgestaltung hinwirken.129 Hierbei ist nicht die Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung relevant, sondern die Verteilung der Risiken.130 Eine Beratung „ins Blaue hinein“ ist hingegen nicht erforderlich.131 So wird auch eine Konzentration auf die für das konkrete Geschäft wesentlichen Gesichtspunkte sichergestellt.132 Eine besondere Belehrungspflicht besteht bei ungesicherten Vorleistungen, die im Grundstücksrecht in der Regel durch die Bestellung einer Vormerkung verhindert wird.133 Auf wirtschaftliche oder steuerliche Folgen des beurkundeten Rechtsgeschäfts muss der Notar nur in wenigen Ausnahmefällen hinweisen.134 Unter mehreren möglichen Gestaltungen eines Rechtsgeschäfts hat der Notar über die sicherste Variante aufzuklären.135 Bestehen verschiedene gleich sichere Wege, ist jedoch der kostengünstigste zu empfehlen.136 Die Belehrungspflicht kann im Einzelfall unterbleiben, sofern die Beteiligten über eigene Sachkenntnisse verfügen, die keiner weiteren Beratung bedürfen.137 Der ermittelte wahre Wille und der zugrunde liegende Sachverhalt werden zur Anfertigung der Niederschrift verwendet. Diese gibt letztendlich den von den Beteiligten gewünschten Inhalt in rechtlich zutreffender Form wieder. Das notarielle Protokoll vereinigt durch die schriftliche Fixierung des Inhalts 129 So m.w.N. BGH NJW 1994, 2283. Siehe zum Gebot der Gerechtigkeit des Notars Kanzleiter, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 14 Rn. 35; Gonnella, DNotZ 1956, 453 (notarielle Urkunde als Instrument der Gerechtigkeit); zur gerechten Vertragsgestaltung m.w.N. Limmer, in: FS Rheinisches Notariat, 1998, S. 15, 36 ff., v.a. 39. Siehe zur Vertragsgestaltung auch Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 157 ff. 130 Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 20. Die Ausgewogenheit kann sich nach allgemeinen in der Literatur und Praxis herausgebildeten Grundsätzen richten. 131 BGH NJW 1992, 3237, 3239; BGH DNotZ 1995, 407, 409. 132 BGH DNotZ 1995, 407, 409. Siehe auch Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 15; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 227. 133 Sogenannte „doppelte Belehrungspflicht“. Näheres bei Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 5; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 232 ff. Der Notar ist somit auch verpflichtet, auf die Möglichkeit einer Auflassungsvormerkung hinzuweisen. BGH DNotZ 1989, 449, 450. 134 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 18 f. Ausführlich Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 237 ff. 135 Jeweils m.N. Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 468; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 210. 136 Jeweils m.N. Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 468; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 211. 137 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 15; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 1, 219; so beispielsweise gegenüber einem Rechtsanwalt, der bei Beurkundung erklärt hatte, er sei mit den Rechtsproblemen vertraut; OLG Koblenz DNotZ 1996, 128.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

der mündlichen Erklärungen der Beteiligten in der Urkunde die Vorteile einer mündlichen und einer schriftlichen Willenserklärung.138 Der Notar ist verpflichtet, den Willen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiederzugeben, § 17 Abs. 1 Satz 1 BeurkG.139 Die Belehrung der Beteiligten ist in der Regel am effektivsten, wenn sie im Beisein der jeweiligen Parteien erfolgt. Eine Umgehung ist etwa durch die Einschaltung eines vollmachtlosen Vertreters, die getrennte Beurkundung von Angebot und Annahme, durch Bevollmächtigung von Mitarbeitern des Notars oder die Auslagerung von wesentlichen Vereinbarungen in Bezugsurkunden möglich.140 Auf Grund der vermehrt vorkommenden systematischen Umgehung in einer dieser Formen, vor allem beim sogenannten Strukturvertrieb,141 hat der Gesetzgeber für Verbraucherverträge142 die Regelung des § 17 Abs. 2a BeurkG143 erlassen.144 Der Verbraucher soll so durch eine Verfahrensgestaltung vor unüberlegten Handlungen geschützt145 und ihm soll die Möglichkeit der Ausübung seiner Vertragsfreiheit gegeben werden.146 Die Vorschrift gilt jedoch allgemein als misslungen.147 Sie erfasst nicht das Kernproblem, das weniger die rechtlichen, als vielmehr die wirtschaftlichen Folgen betrifft.148 Die Regelung sieht vor allem ein persönliches Erscheinen der Parteien oder einer Vertrauensperson149 (§ 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 BeurkG) und die Zusendung des Kaufvertrags150 14 Tage vor Durchführung der Beurkundung (§ 17

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Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 2. Siehe zum Transparenzgebot Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 276. 140 Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 19. 141 Siehe hierzu m.w.N. Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 39a. 142 Zum Begriff des Verbrauchervertrags Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 82 ff. 143 § 17 Abs. 2a BeurkG eingefügt durch das Dritte Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31.8.1988, BGBl. I, 2585; Satz 2 und 3 angefügt durch OLG-Vertretungsänderungsgesetz vom 23.7.2002, BGBl. I, 2850; zuletzt geändert durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren vom 15.7.2013, BGBl. I, 2378. 144 RegE, BT Drucks. 13/4184 S. 47. Siehe auch Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 18 f. 145 Die cooling-off-Periode soll dem Verbraucher ausreichende Zeit zur Prüfung verschaffen; so Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 74; ähnlich Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 39b. 146 Grziwotz, ZIP 2002, 2109, 2110. 147 So beispielsweise Bohrer, DNotZ 2002, 579, 583 ff.; Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 39a; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 75 jeweils m.w.N. 148 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 39b. 149 Zum Begriff der Vertrauensperson Limmer, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 2 Rn. 148; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 116 ff. 150 Bzw. solcher Verträge, die nach § 311b Abs. 1 BGB formbedürftig sind. 139

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

273

Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG) vor.151 Mit der Erschwerung der Vertretung setzt sich das Verfahrensrecht über die nach materiellem Recht weiterhin mögliche Vertretung hinweg.152 Nach allgemeiner Ansicht kann jedoch eine solche verfahrensrechtliche Lösung einen Ausschluss der Vertretungsmöglichkeit nicht erreichen. Eine Vertretung ist nach wie vor, allerdings unter weiteren Voraussetzungen, möglich.153 Insgesamt hat die Vorschrift wohl mehr neue Probleme hervorgerufen, als sie beheben konnte.154 Wenn sie auch als nicht gelungen gilt, trägt die Regelung des § 17 Abs. 2a BeurkG zumindest teilweise zur Verhinderung der systematischen Umgehung der Belehrung der Parteien bei. Der Notar ist verpflichtet, ein missbräuchliches, gegen § 17 Abs. 2a BeurkG verstoßendes Beurkundungsverfahren abzulehnen.155 Die Belehrungspflicht steht im Spannungsverhältnis mit der Vertragsfreiheit als Bestandteil der Privatautonomie der Parteien.156 Wünschen die Beteiligten trotz einer Belehrung die Beurkundung eines Geschäfts, welches für eine Seite nachteilig ist oder eine ungleiche Risikoverteilung vorsieht, kann der Notar den Vertragsschluss nicht verhindern.157 Anderes gilt nur, sofern der Vertrag unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt oder gegen das Gesetz verstößt. Der Notar ist dann zur Ablehnung der Beurkundung verpflichtet, § 4 BeurkG, § 14 Abs. 2 BNotO.158 Liegt ein solcher Ausnahmefall jedoch nicht vor, muss der Notar die Beurkundung vornehmen.159 Es ist nicht die Aufgabe des Notars, nachteilige oder risikoreiche Geschäfte zu verhindern, sondern die Kenntnis der Beteiligten über diese Risiken sicherzustel-

151

Eine Beurkundung vor Ablauf der zweiwöchigen Regelfrist kann eine Pflichtverletzung des Notars darstellen. Dies gilt selbst bei Vereinbarung eines freien Rücktrittsrechts. BGH NJW 2015, 2646. Siehe hierzu Weber, NJW 2015, 2619. 152 Die Änderung durch das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im notariellen Beurkundungsverfahren vom 15.7.2013, BGBl. I, 2378 sieht eine Aufnahme der Gründe für ein Unterschreiten der Frist in die Niederschrift vor, § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG. 153 Siehe Reetz, in: Beck´sches Notar-Handbuch, F. Rn. 33 ff. 154 Siehe mit zahlreichen Einzelheiten ausführlich zur Problematik des § 17 Abs. 2a BeurkG: Althammer, MittBayNot 2014, 297 ff.; Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 17 BeurkG Rn. 39a ff.; Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 517 ff.; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 75 ff. 155 Litzenburger, in: BeckOK, BGB, § 17 BeurkG Rn. 47; so auch BGH NJW 2013, 1451; BGH WM 2015, 883; siehe auch Terner, NJW 2013, 1404. 156 Walz, DNotZ 2003, 164, 171; ähnlich Ludwig, AcP 180 (1980), 373, 375. 157 Siehe aber OLG Celle BeckRS 2010, 22387. 158 Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 14 BNotO Rn. 27 ff.; Winkler, BeurkG, § 4 Rn. 8 ff., 28 ff. 159 Bestehen lediglich Zweifel, ist strittig, ob der Notar ablehnen darf. Siehe Näheres bei Winkler, BeurkG, § 4 Rn. 4 ff.

274

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

len.160 Es steht den Beteiligten frei, ein Geschäft abzuschließen oder nicht. Letztendlich hat somit die Vertragsfreiheit und Eigenverantwortlichkeit ein „höheres Gewicht“ als die Schutzpflicht des Notars.161 Die Privatautonomie wird durch die Mitwirkung des Notars jedoch nicht nur eingeschränkt. Durch die Beratung und Aufklärung können die Parteien die rechtlichen Folgen ihres Handels teilweise erstmals verstehen und Alternativen in Betracht ziehen. Die Beratung ermöglicht ihnen, die gesetzlich eingeräumte Privatautonomie überhaupt erst wahrzunehmen.162 Ein Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 17 BeurkG hat keine materiellen Folgen. Die Beurkundung bleibt wirksam, und es entstehen keine negativen Folgen für das konkrete Rechtsgeschäft.163 Es kommen lediglich Disziplinarmaßnahmen164 gegen den Notar in Betracht und, sofern einem Beteiligten ein Schaden entstanden ist, auch eine Haftung wegen Verstoßes gegen eine Amtspflicht.165 bb) Vollzugstätigkeit Neben der Beurkundung des Rechtsgeschäfts, der Belehrung der Parteien und der Vertragsgestaltung wirkt der Notar auch beim Vollzug des Grundstücksgeschäfts mit. Er weist die Beteiligten nicht nur auf die sicherste Möglichkeit hin, sondern begleitet sie darüber hinaus bei der Abwicklung des Geschäfts.166 Diese Vollzugstätigkeit167 ist Amtstätigkeit des Notars (§ 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO), sie stellt jedoch keine Urkundstätigkeit dar.168 160

„Sie [die Notare] müssen dafür sorgen, dass jeder Beteiligte weiß, was er tut.“ Walz, DNotZ 2003, 164, 171. 161 Walz, DNotZ 2003, 164, 171; Walz, Verhandlungstechnik für Notare, 2003, S. 146 f. Kritisch Grziwotz, MittBayNot 2004, 34, 34 f. mit Hinweis auf BVerfGE 89, 214. Demnach unterliegen Bürgschaftsverträge mit Banken einer Inhaltskontrolle der Zivilgerichte, sofern einkommens- und vermögenslose Angehörige von Kreditnehmern als Bürgen hohe Haftungsrisiken übernehmen. 162 „Diese ‚Einschränkung‘ der Privatautonomie […] scheint […] ein besonders geglückter Kunstgriff gerade zur Aufrechterhaltung des Grundsatzes der Privatautonomie zu sein.“ Flume, in: 18. Deutscher Notar Tag 1969, 1969, S. 30, 35. 163 Armbrüster, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, Vorb §§ 17 ff. BeurkG Rn. 1, 16; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 279. Siehe zur Wartefrist auch Grziwotz, der davon ausgeht, dass zumindest ein systematischer Verstoß sich auch negativ auf die Wirksamkeit des Vertrags auswirken kann; Grziwotz, ZIP 2002, 2109, 2111; Grziwotz, ZfIR 2009, 627, 631. 164 Siehe beispielsweise OLG Celle BeckRS 2010, 22387. 165 Siehe zu Disziplinarmaßnahmen und der Notarhaftung unten S. 278. 166 Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 253. 167 Als Obergriff wird auch von Betreuungstätigkeit gesprochen, die neben der Vollzugstätigkeit und Treuhandtätigkeiten umfasst. 168 Hertel, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 24 BNotO Rn. 1, 32 ff.; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 251. Dies hat zur Folge, dass

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

275

Neben der selbstständigen Vollzugstätigkeit des Notars umfasst seine Mitwirkung bei der Abwicklung auch unselbstständige Vollzugstätigkeiten.169 Diese stehen mit der Beurkundung im direkten Zusammenhang und sind bereits auf Grund gesetzlicher Regelungen Amtspflicht des Notars.170 Hierzu gehören unter anderem die vorbereitende Einsicht nach § 21 BeurkG, die Einreichung von beurkundeten Willenserklärungen beim Grundbuchamt nach § 53 BeurkG171 sowie Eintragungsbewilligungen und Eintragungsanträge.172 Jede über diese Tätigkeiten hinausgehende Mitwirkung ist hingegen selbstständige Vollzugstätigkeit im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO. Grundsätzlich erfolgt eine Unterscheidung in solche Tätigkeiten, die den rechtlichen Erfolg, und solche, die den verfolgten wirtschaftlichen Zweck des Rechtsgeschäfts sicherstellen.173 Bei der Übertragung des Grundstückseigentums besteht der rechtliche Erfolg in der Grundbuchumschreibung, die der letzte Erwerbstatbestand des § 873 Abs. 1 BGB ist. Hierzu sind vor allem verschiedene behördliche Genehmigungen erforderlich,174 ohne die das Grundbuchamt keine Eintragung vornimmt. Neben der Sicherstellung des reinen Erwerbs fördert der Notar auch die Erreichung des mit dem Geschäft erstrebten wirtschaftlichen Zwecks. Dieser besteht hauptsächlich im lastenfreien Erwerb des Grundstücks. Der Notar wird im Allgemeinen zur Durchführung der Lastenfreistellung, etwa durch Einholung von Löschungsbewilligungen, Freigaben und Grundschuldbriefen,175 beauftragt.176 Bei der Bestellung eines Grundpfandrechts gilt Gleiches.177 Der Notar kümmert sich um die Löschung und etwaige Rangrücktrittserklärungen.178 Ebenso teilt der Notar im Rahmen des Grundstückskaufs den Parteien bestimmte Vorgänge, wie etwa Fälligkeit oder Eintragungen, mit179 und gibt Erklärungen, wie etwa die

der Notar nicht zur Tätigkeit verpflichtet ist und das Haftungsprivileg des § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO nicht gilt. 169 Teilweise auch Hilfstätigkeiten. Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 256 ff. 170 Hertel, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 24 BNotO Rn. 32; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 256. Sie sind auch bereits von den Gebühren der Beurkundung umfasst. 171 Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 53 BeurkG Rn. 3. 172 Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 257 ff. 173 Reithmann, DNotZ 1975, 324, 326 ff. 174 Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 271 ff. 175 Siehe hierzu Hagemann, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 582. 176 Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 276. 177 Reithmann, DNotZ 1975, 324, 329. 178 Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 277. 179 Hertel, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 24 BNotO Rn. 25; Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 279.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Rangbestätigung, gegenüber dem Kreditgeber ab (Notarbestätigung).180 Sofern eine der genannten Vollzugstätigkeiten nach der allgemeinen Verkehrssitte bei Grundstücksgeschäften vom Notar übernommen wird, er sie im konkreten Fall jedoch nicht wahrnehmen will, muss er hierauf gesondert hinweisen.181 Neben der reinen Durchführung der übernommenen Vollzugstätigkeit besteht auch eine Pflicht zur Überwachung der ordnungsgemäßen Vollziehung. Bei selbstständigen Vollzugstätigkeiten muss der Notar durch geeignete Mittel sicherstellen, dass er über den Sachstand informiert wird und Genehmigungen auf ihre Richtigkeit hin untersucht.182 Im Rahmen der unselbstständigen Vollzugstätigkeit ist eine solche Überwachungspflicht hingegen strittig.183 Sofern er einen Antrag beim Grundbuchamt selbst gestellt hat, wird meist von einer Pflicht zur Überprüfung ausgegangen, da er in diesem Fall auch die Vollzugsmitteilung erhält.184 Leitet er die Anträge nur als Bote weiter, besteht eine solche Pflicht hingegen nicht.185 Zusammenfassend sorgt der Notar im Rahmen der selbstständigen und unselbstständigen Vollzugstätigkeit für die Einholung aller erforderlichen Genehmigungen, die Einreichung aller Anträge und die Kontrolle der Dokumente, die für eine erfolgreiche und risikoarme Grundstücksübertragung erforderlich sind. Die Parteien nehmen hingegen im Rahmen der Abwicklung hauptsächlich eine passive Rolle ein und stellen in der Regel selbstständig keine Anträge beim Grundbuchamt oder bei anderen Behörden. e)

Sicherung einer ordnungsgemäßen Mitwirkung – Haftung des Notars

Die Mitwirkung des Notars wird, wie bereits dargestellt, durch die Nichtigkeit (§ 125 Satz 1 BGB) des Rechtsgeschäfts, das ohne dessen Beteiligung durchgeführt wurde, gewährleistet. Bei den Pflichten, die der Notar im Rahmen der Beurkundung einhalten muss, handelt es sich jedoch durchgängig um

180

Siehe Hertel, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 24 BNotO Rn. 28; siehe hierzu ausführlich unten S. 345. 181 M.w.N. Hertel, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 24 BNotO Rn. 34. 182 Näheres bei Hertel, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 24 BNotO Rn. 36. Siehe auch Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 252. 183 Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 262. 184 Hertel, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 24 BNotO Rn. 37; Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 188; Winkler, BeurkG, § 53 Rn. 57. 185 BGHZ 28, 104, 109. Siehe auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 188; Winkler, BeurkG, § 53 Rn. 59; so auch Reithmann, in: Reithmann/Albrecht, HB Vertragsgestaltung Rn. 265, der eine Verschiebung der Haftung für Fehler des Grundbuchamts auf den Notar ablehnt. Teilweise wird jedoch angenommen, dass eine stillschweigende Übernahme einer Überwachungspflicht in Frage kommt; so Preuß, in: Armbrüster/ Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 53 BeurkG Rn. 28; Winkler, BeurkG, § 53 Rn. 60.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

277

reine Ordnungsvorschriften.186 Ein Verstoß führt weder zur Unwirksamkeit der beurkundeten Rechtsgeschäfte noch besteht die Möglichkeit, den Vertragspartner in Regress zu nehmen oder das Geschäft rückabzuwickeln. Die Nichteinhaltung von Sollvorschriften kann nicht zum Nachteil einer Partei die Unwirksamkeit des ganzen Rechtsgeschäfts nach sich ziehen.187 Gleiches gilt für die Überwachungspflichten des Notars im Rahmen seiner Vollzugstätigkeit. Der Geschädigte einer Amtspflichtverletzung des Notars hat folglich keine Möglichkeit, seine negativen Folgen im Verhältnis zum Vertragspartner auszugleichen. Es verbleibt nur die Möglichkeit, sich direkt an den handelnden Notar zu wenden. Die Sicherung der Einhaltung der Amtspflichten des Notars wird im Gegensatz zur Einhaltung der Formvorschriften nicht durch eine Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts, sondern durch negative Folgen für den Notar erreicht. Solche sind Amtshaftungsansprüche, Disziplinarmaßnahmen im Rahmen der Dienstaufsicht und in extremen Fällen strafrechtliche Folgen. Zumindest die Amtshaftung188 und die Dienstaufsicht189 wirken indirekt auch präventiv. Die Gefahr der persönlichen Haftung bewirkt, dass die Notare im Zweifel besonders sorgfältig, über die eigentliche Amtspflicht hinaus, tätig werden, um „auf der sicheren Seite“ zu sein.190 Die Dienstaufsicht ist Spiegelbild der hoheitlichen Tätigkeit des Notars. Wie jeder Träger eines öffentlichen Amts muss auch der Notar einer gewissen staatlichen Kontrolle unterliegen. Zudem ist eine Überprüfung der Arbeit der Notare nicht unmittelbar durch eine Rechtsmittelinstanz möglich.191 Die Dienstaufsicht durch den Präsidenten des Landgerichts bzw. Oberlandesgerichts (§ 92 BNotO)192 sichert das Funktionieren der Tätigkeit des No186

Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 537; Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 279 f., siehe dort auch zur im Ausnahmefall bestehenden Unwirksamkeit von Klauseln bei fehlender Belehrung; ebenso bei den Verbraucherverträgen nach § 17 Abs. 2a BGB. Winkler, BeurkG, § 17 Rn. 203. Siehe zu den im Beurkundungsverfahren zwingend einzuhaltenden Vorschriften Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 232 f. 187 Hier überwiegt die Rechtssicherheit der notariellen Beurkundung, die wegen Fehlern des Notars keine Unwirksamkeit zur Folge haben soll; Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 231. 188 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 712. 189 BGH DNotZ 1993, 465, 467; Baumann, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 92 BNotO Rn. 3; Hermann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 92 Rn. 1; Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 719. 190 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 712. 191 Hermann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 92 Rn. 1. 192 Die Aufsicht steht zudem den Notarkammern zu, § 67 Abs. 1 Satz 2 BNotO. Hermann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 92 Rn. 7. Zur Zuständigkeit im Einzelnen Baumann,

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

tars im Bereich der vorsorgenden Rechtspflege.193 Neben ihrer repressiven Wirkung soll sie auch zur Vermeidung zukünftiger Fehler beitragen.194 Die präventive Wirkung wird vor allem durch Genehmigungsvorbehalte und Anzeigepflichten bei typischen Gefahren- und Konfliktsituationen erreicht.195 Als Dienstaufsichtsmaßnahmen kommen bei geringen Verstößen die Ermahnung durch die Notarkammer196 (§ 75 BNotO) und Missbilligung durch die Dienstaufsichtsbehörde (§ 94 BNotO) in Betracht.197 Bei größeren Verstößen können Disziplinarmaßnahmen vom Verweis bis hin zur dauerhaften Entfernung aus dem Amt verhängt werden.198 Eine Strafbarkeit wegen Verstoßes gegen Beurkundungsvorschriften kommt in extremen Fällen ebenso in Betracht. Hierzu zählt vor allem die Beurkundung von inhaltlich falschen Tatsachen (Falschbeurkundung im Amt, § 348 StGB) und die Teilnahme am Betrug (§ 263 StGB), die etwa bei Verstößen gegen die Warnpflicht zu unredlichen Zwecken vorliegen kann.199 Die drohende Strafbarkeit dient letztendlich auch präventiv zur Einhaltung der Amtspflichten des Notars, vor allem von § 4 BeurkG und § 14 Abs. 2 BNotO. f)

Notarhaftung in Deutschland200

Der Notar haftet trotz seiner öffentlich-rechtlichen Tätigkeit für Amtspflichtverletzungen persönlich.201 Staatshaftungsansprüche bestehen grundsätzlich nicht, § 19 Abs. 1 Satz 4 BNotO.202 Alleinige Anspruchsgrundlage ist § 19 Abs. 1 BNotO als zivilrechtlicher, deliktischer – nicht öffentlich-rechtlicher –

in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 92 BNotO Rn. 6 f.; Hermann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 92 Rn. 5 f. 193 Baumann, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 92 BNotO Rn. 1; Hermann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 92 Rn. 1. 194 Hermann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 92 Rn. 1. 195 Hermann, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 92 Rn. 4, siehe dort auch die einschlägigen Vorschriften. 196 Siehe zu den Kontrollaufgaben der Notarkammern Hertel, in: HB Notarhaftung Rn. 186 ff. 197 Starke, in: Beck’sches Notar-HB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 146. 198 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 720; Starke, in: Beck’sches Notar-HB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 147 f. 199 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 721. 200 Siehe zur Notarhaftung ausführlich Ganter/Hertel/Wöstmann, in: HB Notarhaftung. 201 Hogl, in: Beck’sches Notar-HB, K. Notarhaftung Rn. 7. 202 Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 2; Hogl, in: Beck’sches Notar-HB, K. Notarhaftung Rn. 3. Eine Staatshaftung kommt jedoch bei einer Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Aufsichtsbehörden in Betracht. Für die Notare im Landesdienst in Baden-Württemberg besteht hingegen eine Haftung des Landes; Ganter, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 5 Rn. 3.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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Haftpflichtanspruch.203 Voraussetzung eines Anspruchs ist zunächst die Verletzung einer Amtspflicht in Ausübung des öffentlichen Amts des Notars. Hier kommt insbesondere ein Verstoß gegen § 17 BeurkG in Betracht,204 die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang besonders strenge Maßstäbe aufgestellt.205 Weiterhin muss der Geschädigte in den geschützten Personenkreis der verletzten Amtspflicht fallen. Dies ist der Fall, wenn er vom Schutzzweck der Amtspflicht (mit-)umfasst ist.206 Zu dem unmittelbar207 von § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO geschützten Personenkreis zählen die Personen, die die Tätigkeit des Notars veranlassen. Es sind nicht die formell Beteiligten, also die Erschienenen nach § 6 Abs. 2 BeurkG, sondern die materiell Beteiligten. Sie sind folglich auch im Fall der Vertretung208 vom Schutzzweck umfasst.209 Der Notar muss bei der Amtspflichtverletzung vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben, wobei ein „durchschnittlich erfahrener und pflichtbewusster Notar“ Maßstab ist.210 Der Geschädigte hat beim Vorliegen der Haftungsvoraussetzungen einen Anspruch auf Ersatz der durch die Amtspflichtverletzung entstandenen Schäden. Die Ursächlichkeit der Schadenspositionen wird anhand der Prüfung der Vermögenslage bei pflichtgemäßem Verhalten des Notars beurteilt.211 Nach § 19a Abs. 1 BNotO muss jeder Notar eine Berufshaftpflichtversicherung für fahrlässige Amtspflichtverletzungen mit einer Mindestsumme 203

Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 3; Schramm, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 19 Rn. 1 f.; Hogl, in: Beck’sches Notar-HB, K. Notarhaftung Rn. 3. 204 Siehe zu den Amtspflichten aus § 17 BeurkG oben S. 268. Zu weiteren Amtspflichten Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 8 f.; Ganter, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 5 Rn. 28 ff.; Schramm, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 19 Rn. 9 ff. 205 Hogl, in: Beck’sches Notar-HB, K. Notarhaftung Rn. 12. 206 BGH DNotZ 1960, 157. Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 10; Hogl, in: Beck’sches Notar-HB, K. Notarhaftung Rn. 9; Schramm, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 19 Rn. 26 ff., 35 ff. 207 Siehe zu den mittelbar geschützten Personen und Dritten Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 15 f.; Schramm, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 19 Rn. 26 ff., 35 ff. 208 Der Vertreter ist hingegen nur geschützt, sofern die Belehrung gerade ihn schützen soll; Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 13. 209 Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 13; Schramm, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 19 Rn. 21. 210 BGH DNotZ 2001, 49, 54. Siehe Genaueres bei Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 23 ff.; Ganter, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 5, Rn. 169 ff.; Schramm, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 19 Rn. 51 ff. 211 BGHZ 96, 157, 170 f. Näheres bei Ganter, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 5, Rn. 191 ff.; Eylmann/Frenz, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 19 BNotO Rn. 30 ff.; Schramm, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 19 Rn. 75 ff.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

von 500.000 Euro212 je Versicherungsfall abschließen, § 19a Abs. 3 Satz 1 BNotO.213 Deren Bestehen muss bei der Bestellung nachgewiesen werden, § 6a BNotO. Über die Pflichtversicherung, Gruppenanschlussversicherung und eine eventuell bestehende individuelle Anschlussversicherung hinaus haftet der Notar persönlich. Ein großer Teil der Haftpflichtfälle erstreckt sich auf den Verstoß gegen Belehrungspflichten (25 Prozent), sowie Vollzugsfehler und fehlerhafte Gestaltung (mit jeweils 20 Prozent der erfassten Fälle).214 g)

Zusammenfassung

Der Notar ist umfangreich am Erwerbsverfahren beteiligt. Er ist mehr als ein reiner Urkundsbeamter, der lediglich eine Niederschrift über Willenserklärungen anfertigt. Vielmehr sind seine zentralen Aufgaben die Belehrung der Parteien, die auch eine Vertragsgestaltung umfasst,215 sowie die Durchführung und Überwachung weiter Teile der Abwicklung des Rechtsgeschäfts. Seine Mitwirkung wird durch Form- und Verfahrensvorschriften erzwungen, die Ordnungsgemäßheit seiner Handlungen wird durch Amtspflichten in Kombination mit Sanktionen (wie Notarhaftung und Disziplinarmaßnahmen) durchgesetzt. Insgesamt soll der Notar die Beteiligten schützen, Kosten reduzieren und Streitigkeiten verhindern.216 Eine Aufklärung über wirtschaftliche Risiken leistet der Notar hingegen nur in wenigen Ausnahmefällen. Ebenso steht im Mittelpunkt seiner Tätigkeit der Schutz des schwächeren und unerfahrenen Vertragspartners und somit ein sozialer Auftrag.217 Die Mitwirkung des Notars ist zwingend, die Parteien können auf ihn nicht verzichten. Dies schränkt die Privatautonomie offensichtlich ein. Im Rahmen der Beratung und Belehrung verbleibt jedoch die Entscheidungshoheit bei den Parteien. Der Notar hat keine Möglichkeit, Vertragsklauseln oder Ähnliches gegen deren Willen durchzusetzen. Nur im Ausnahmefall kann er die Beurkundung ablehnen. Es bleibt den Parteien stets frei, sich entgegen dem Rat des Notars zu verhalten. Dieser muss lediglich sicherstellen, dass sie Kenntnis über die Folgen solcher Handlungen haben. 212 Die Notarkammern sichern weitere 500.000 Euro über eine Gruppenanschlussversicherung ab, § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO. 213 Einzelheiten zum mehrstufigen System der Haftpflichtversicherungen bei Hertel, in: HB Notarhaftung Rn. 220 ff.; Schramm, in: Schippel/Bracker, BNotO, § 19a Rn. 1 ff.; Zimmermann, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 5, Rn. 254 ff. 214 Siehe Schlee, MittBayNot 2002, 499, 500 mit Verweis auf die Jahresstatistik der Allianz-Versicherungs-AG von 2001. Zudem sind die Haftpflichtfälle in den Jahren vor 2001 erheblich angestiegen. Dies hatte auch ein Ansteigen der Prämien zur Folge. 215 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 227. 216 Siehe Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 26. 217 Starke, in: Beck’sches Notar-HB, L I. Berufsrecht der Notare Rn. 5.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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Die Lösung des deutschen Rechts mit der Einschaltung einer neutralen Person erfüllt die Interessen hinsichtlich Beratung und Unterstützung gut. Es ist sowohl die Kenntnis über Rechtsfolgen und Risiken als auch die Einhaltung aller Verfahrensvorschriften sichergestellt. Diese Sicherheit der Parteien geht jedoch zu Lasten der oben dargestellten Privatautonomie und kann sicher auch zu Verzögerungen bei der Durchführung des Erwerbs führen. 2.

Unterstützung beim Grundstückserwerb durch juristische Laien

Das Recht der Vereinigten Staaten kennt die zwingende Mitwirkung einer mit dem deutschen Notar vergleichbaren neutralen Person beim Grundstückserwerb nicht.218 Weder das materielle Grundstücksrecht noch das Registerverfahrensrecht sieht die zwingende Beteiligung einer juristisch besonders ausgebildeten Person vor. Lediglich die Identitätsfeststellung erfolgt durch den notary public, der jedoch keine Rechtsberatung leistet.219 Sowohl den Abschluss des Kaufvertrags als auch die Eigentumsübertragung durch die Übergabe des deed können die Parteien alleine vornehmen. Nichtsdestotrotz haben die typischen Käufer und Verkäufer bei nichtgewerblichen Grundstücksgeschäften in der Regel keine ausreichenden Kenntnisse über die rechtlichen Anforderungen einer Grundstücksübertragung, sodass auch in den Vereinigten Staaten in der Praxis Dritte zur ordnungsgemäßen Durchführung hinzugezogen werden müssen. Neben Rechtsanwälten, die in den Vereinigten Staaten alleine zur Rechtsberatung berechtigt sind, kommen noch weitere Berufsgruppen in Betracht. Hierzu gehören vor allem der Grundstücksmakler, der Kreditgeber (oder Kreditmakler) und der Rechtsmängelversicherer. Sie alle wirken bereits aus anderen Gründen an einem typischen Grundstücksgeschäft mit und sind in der Regel juristische Laien.220 Über ihre eigentliche Funktion hinaus nehmen sie Beratungs- und Unterstützungsaufgaben wahr und helfen bei der Einhaltung der erforderlichen Verfahren. a)

Zulässigkeit und Grund der Beteiligung von juristischen Laien

In den Vereinigten Staaten stellte die Durchführung von Grundstücksgeschäften in der Vergangenheit einen zentralen Aufgabenbereich von Rechtsanwälten dar. Alle anderen Berufsgruppen waren von einer Beteiligung ausgeschlossen, da ihre Mitwirkung bei Kaufvertragsschluss und closing eine unzulässige Rechtsberatung darstellte. Diese Interpretation hat sich jedoch im 218

In den Vereinigten Staaten ist ebenso weder die freiwillige Beteiligung eines neutralen Dritten noch eine Institution der vorsorgenden Rechtspflege bekannt; Stürner, AcP 210 (2010), 105, 122 f. 219 Siehe zur Identitätsbestätigung und zum notary public oben S. 194 bzw. S. 197. 220 Die genannten Berufsgruppen haben in der Regel weder eine juristische Ausbildung genossen noch bestehen Berufszugangsbeschränkungen, die besondere juristische Kenntnisse erfordern.

282

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Lauf des letzten Jahrhunderts weitgehend geändert, sodass heute auch Personen ohne spezielle juristische Kenntnisse weite Teile des Erwerbsverfahrens durchführen können. Grund für die Übernahme der früher durch Rechtsanwälte wahrgenommenen Tätigkeit durch Immobilienmakler, Kreditgeber und Rechtsmängelversicherer war unter anderem auch die Überzeugung, die rechtliche Beratung jeder einzelnen Partei durch einen eigenen Rechtsanwalt sei zu teuer.221 Gerade bei einfachen, sich wiederholenden Grundstücksgeschäften reicht nach Ansicht der Praxis die Verwendung von standardisierten Formularen aus.222 Aus diesen Gründen sind heute weite Teile des Grundstückserwerbsverfahrens in der Hand von juristischen Laien. Im Bereich des Abschlusses des Kaufvertrags sind vor allem Immobilienmakler, die an einem großen Teil aller Grundstücksgeschäfte beteiligt sind, erster Ansprechpartner der Parteien. Nach erfolgreicher Vermittlung endet ihre Tätigkeit nicht. Vielmehr begleitet der Makler Käufer und Verkäufer bis zum Abschluss des Erwerbs weiter. Nach Einigung der Parteien über die wichtigsten Rahmenbedingungen des Vertrags, vor allem Kaufpreis und Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, initiiert der Makler mit Hilfe eines standardisierten Kaufvertragsformulars den Vertragsschluss. Hierfür verwendet er einen von den Maklerorganisationen oder Rechtsanwaltskammern zur Verfügung gestellten oder einen im Handel erhältlichen Kaufvertragsvordruck. Diesen muss er nur um die notwendigen Angaben des konkreten Geschäfts ergänzen.223 Vereinzelt findet auch bei Abschluss des Kaufvertrags über nichtgewerbliche Immobilien eine Beratung durch einen Rechtsanwalt bzw. durch Rechtsanwälte auf beiden Seiten statt. Dies ist jedoch insgesamt eher die Ausnahme.224 Beim closing gilt Gleiches, auch hier wurden die Rechtsanwälte weitgehend verdrängt. Das Ausstellen des deed, dessen Übergabe und die Kaufpreisabwicklung werden ebenfalls oftmals durch den beteiligten Makler durchgeführt. Teilweise nimmt auch der Rechtsmängelversicherer diese Auf-

221 Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 120; Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 438 f. (1999); Rieger/Gibbons, Residential Real Estate Transactions, 2004, § 2.7. 222 Siehe zum Ganzen bereits oben S. 170. 223 Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 2:1.2, S. 2-11; Kennedy Dawson, 7 N.C. Banking Inst. 277, 283 (2003). Das (entgeltliche) Anbieten solcher Dienstleistungen ist den Rechtsmängelversicherern in manchen Bundesstaaten untersagt; so etwa in Texas; Alsup, 61 Consumer Fin. L.Q. Rep. 475, 479 ff. (2008); siehe auch O’Sullivan v. Countrywide Home Loans, Inc., 319 F.3d 732, 54 Fed.R.Serv.3d 909 (Tex. 2003). 224 In Teilen von New York ist die Beteiligung von Rechtsanwälten heute noch üblich. Siehe Murray, Real Estate Conveyancing in 5 European Union Member States, S. 80 ff., 361 ff.; Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 136 ff.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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gabe wahr bzw. dieser fertigt den verwendeten deed an.225 Im Gegensatz zum Abschluss des Kaufvertrags ist die Anwesenheit eines Rechtsanwalts beim closing in manchen Bundesstaaten noch üblich bzw. erforderlich.226 Es wirkt jedoch meist nur ein einziger Rechtsanwalt mit, der oftmals Vertreter des Kreditgebers oder des Rechtsmängelversicherers ist. b)

Beratung und Unterstützung durch einen Makler

Die rechtliche Beratung von Käufer und Verkäufer ist nicht primäre Aufgabe des Maklers. Seine eigentliche Leistung ist die Vermittlung. Darüber hinaus erbringt er auch Leistungen, die typischerweise rechtsberatend einzuordnen sind. Wie dargestellt erlauben die Rechtsprechung und die Gesetze der Bundesstaaten diese Tätigkeit zumindest in einem gewissen Maße. Grundsätzlich füllt der Makler die vorgedruckten Formulare mit den Daten des konkreten Geschäfts aus. Hierzu gehören vor allem die Bezeichnung der Vertragsparteien, der Kaufpreis, die Finanzierungsbedingungen und der Zeitpunkt des closing. Eine weitere Anpassung des Vertrags oder die Ausformulierung individueller Klauseln ist ihm nicht erlaubt. Hiermit würde der Makler die Grenze zur unzulässigen Rechtsberatung übertreten und müsste mit negativen Konsequenzen rechnen.227 aa) Typischer Interessenkonflikt und Hinweispflicht Der Makler befindet sich im Rahmen der Beratungsleistung bei Grundstücksgeschäften in einem Interessenkonflikt,228 der negativen Einfluss auf eine unabhängige bzw. neutrale Beratung haben kann. Dieser Konflikt besteht sowohl gegenüber dem Auftraggeber (Vertragspartner), als auch der Partei, die den Makler nicht beauftragt hat. Zunächst einmal profitiert der Makler direkt vom Vertragsschluss, der Bedingung für seinen Anspruch auf die vereinbarte Vermittlungsprovision ist. Er hat folglich ein Interesse an einem möglichst schnellen Vertragsschluss und versucht nicht selten, die Parteien zu einem möglichst frühen Abschluss des Vertrags zu bewegen.229 In diesem Zusammenhang hat er kein Interesse daran, dass die Parteien während der Abwicklung des Geschäfts an der Sicherheit ihrer eingesetzten finanziellen Mittel (Kaufpreis und Grundstück) oder wegen weiteren bestehenden Risiken zweifeln. Eine umfangreiche Aufklärung kann eventuell schnell Zweifel hervorrufen und zu einer Verzögerung 225

Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:9 (S. 8‒28). Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:9 (S. 8‒29). 227 Ein Verstoß stellt zumindest eine Ordnungswidrigkeit dar, zudem können Haftungsansprüche bestehen. Siehe hierzu oben S. 175. 228 Siehe hierzu ausführlich Barondes/Slawson, Jr., 84 Or. L. Rev. 681 (2005). 229 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 896. 226

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oder sogar zum Abwenden vom Geschäft führen. Der Makler hat folglich kein eigenes Interesse an einem Übereilungsschutz, vielmehr steht für ihn mit einer möglichst schnellen Verbindlichkeit des Geschäfts genau das Gegenteil im Mittelpunkt. Dieser Interessenkonflikt ergibt sich sowohl hinsichtlich des Käufers als auch des Verkäufers. Gleiches gilt für den Kaufpreis, da er die Höhe der Provision bestimmt. Auf der Seite des Käufers hat er kein Interesse an einem niedrigen Kaufpreis. Genau das Gegenteil kann auftreten, wenn nur wenige oder ein Käufer zur Verfügung steht. Der Makler hat ein Interesse am sofortigen Abschluss und kann den Verkäufer im Zweifel zu einem niedrigeren Kaufpreis bewegen, da er so nicht auf einen anderen Käufer warten muss.230 Die Neutralität des Maklers gegenüber der Partei, die ihn nicht beauftragt hat, führt zu einem weiteren Konflikt.231 Zu dieser unterhält er kein vertragliches Verhältnis, folglich bestehen grundsätzlich auch keine Schutz- und Sorgfaltspflichten232 des Maklers.233 In der Regel wird der Makler, der das Geschäft abwickelt und den Kaufvertragsschluss unterstützt, vom Verkäufer beauftragt.234 Der Konflikt hinsichtlich einer neutralen Beratung des Käufers wird durch dessen Annahme, der Makler handle auch in seinem Interesse, verstärkt.235 Diese entsteht durch die Tätigkeiten, die der Makler auch für den Käufer vornimmt. Durch den Kontakt wird das Bestehen eines vermeintlichen Vertrauensverhältnisses suggeriert. Der Makler überbringt beispielsweise das Angebot des Käufers und unterstützt diesen auch bei der Einschätzung der Angemessenheit des Kaufpreises236.237 Dieser Interessenkonflikt herrscht nicht primär hinsichtlich einer rechtlichen Beratung, sondern betrifft vielmehr das Verschweigen von Kenntnissen des Maklers über die tatsächliche Be-

230

Siehe hierzu Johnstone, 22 Val. U. L. Rev. 493, 538 (1988). Siehe zum Interessenkonflikt des Maklers gegenüber seinem Auftraggeber, der vor allem bei einem Weiterverkauf durch den Makler und durch die damit verbundenen verdeckten Provisionen vorliegen kann, Wallace/Didszun, 29-Feb L.A. Law. 22 (2007); siehe auch Barondes/Slawson, Jr., 84 Or. L. Rev. 681 (2005). 232 Siehe zu den einzelnen Pflichten, die gegenüber dem Auftraggeber bestehen, Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 10.02 (S. 10-4 ff.), § 10.03 (S. 10‒17 ff.). 233 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 11.01 (S. 11-3). 234 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 2.01 (S. 2‒4 f.); Pancak/Miceli/Sirmans, 25 Real Est. L. J. 345, 345 (1997). 235 Bevor der Gesetzgeber diesen Missstand durch Hinweispflichten – siehe hierzu sogleich – behob, unterlagen nach einer Umfrage 72 Prozent der Käufer einem solchen Missverständnis; Dallon, 54 Fla. L. Rev. 395, 416 (2002); ähnlich Johnstone, 22 Val. U. L. Rev. 493, 537 (1988). 236 Siehe Pancak/Miceli/Sirmans, 25 Real Est. L. J. 345, 350 (1997). 237 Siehe hierzu oben S. 175. 231

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schaffenheit des Grundstücks.238 Der Makler befindet sich stets im Konflikt zwischen der Loyalität gegenüber seinem Auftraggeber und einer eventuellen Pflicht, sein Wissen der anderen Partei zu offenbaren. Ein weiterer Konflikt des Maklers mit den Interessen der Vertragsparteien besteht in Kaufvertragsklauseln, die dessen Provisionsanspruch absichern. Oftmals enthalten die Vertragsformulare Regelungen, die es ihm erlauben, seine Ansprüche direkt aus dem Kaufpreis oder der Anzahlung zu befriedigen.239 Die Aufnahme einer solchen Klausel steht vordergründig im Interesse des Maklers, sodass bei einer Aufnahme ohne besonderen Hinweis kaum von einer Neutralität gesprochen werden kann.240 Die Interessenkonflikte der Makler sind von den bundesstaatlichen Gesetzgebern nicht unerkannt geblieben. Vor allem zum Schutz des Käufers, der in der Regel nicht in den Schutzbereich der vertraglichen Pflichten des Maklers fällt, wurden in vielen Bundesstaaten241 Regelungen erlassen, die den Maklern eine Hinweispflicht auferlegen.242 Auf diese Weise soll vor allem eine Aufklärung des Käufers über den bestehenden Konflikt erfolgen. Vor Abschluss des Kaufvertrags muss der Makler den Parteien ein Dokument zur Unterschrift vorlegen, das sie über den Interessenkonflikt informieren soll.243 Die Einführung der Aufklärungspflicht hat dazu geführt, dass zumindest ein großer Teil der Parteien über den Interessenkonflikt Kenntnis erlangt. Es steht Käufer und Verkäufer im Weiteren frei, sich zusätzlich um eine eigene Interessenvertretung und Rechtsberatung zu bemühen. Es lässt sich bezweifeln, dass das Unterschreiben eines Formulars bzw. die mündliche Aufklärung durch den Makler tatsächlich zu einer Wahrnehmung des Interessenkon-

238

Siehe die umfangreichen Mitteilungspflichten über den tatsächlichen Zustand des Grundstückes Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 11.02 (S. 11-13 ff.); Raper, Esq./Vandiver, 36 N. Ky. L. Rev 409, 411 f. (2009). 239 Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 892 f., siehe dort auch eine beispielhafte Formulierung. 240 Siehe hierzu m.w.N. das Problem von Maklerklauseln in deutschen Kaufverträgen und der Neutralitätspflicht des Notars Hertel, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 2, Rn. 491 ff., v.a. 494. 241 Siehe beispielsweise § 443 (3) RPL of N.Y.; § 2079.17 Cal. Civ. Code. 242 Dallon, 54 Fla. L. Rev. 395, 416 ff. (2002); Pancak/Miceli/Sirmans, 25 Real Est. L. J. 345, 353 ff. (1997). 243 Siehe beispielsweise § 443 (4)(a) RPL of N.Y.; ähnlich, jedoch wesentlich kürzer § 2079.17 (c) Cal. Civ. Code. Siehe zur Rechtslage in allen Bundesstaaten Pancak/Miceli/Sirmans, 25 Real Est. L. J. 345, 373, Tabelle 1 (1997). Teilweise fordert auch die Rechtsprechung die Vorlage solcher Aufklärungsformulare. Siehe etwa In re Opinion No. 26 of Committee on Unauthorized Practice of Law, 139 N.J. 323, 362 f., 654 A.2d 1344 (N.J. 1995), dort Nr. 1 des Anhangs.

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flikts bei den Parteien führt, geschweige denn eine Notwendigkeit für eine zusätzliche Rechtsberatung gesehen wird.244 bb) Beratungsleistung des Maklers und dessen Haftung In den Vereinigten Staaten bestehen keine Vorschriften, die die Mitwirkung einer rechtsberatenden Person während eines Grundstückgeschäfts vorschreiben. Folglich existieren auch keine Regelungen, die Reichweite und Ausmaß der Beratung festlegen. Die Pflicht des Maklers zur Beratung seines Vertragspartners resultiert grundsätzlich aus dem Maklervertrag. Gegenüber der Person, die nicht Vertragspartner des Maklers ist, meist der Käufer, folgen die Pflichten aus der Haftung für unerlaubte Handlungen (torts);245 teilweise sind einzelne Pflichten aber auch gesetzlich geregelt.246 Insgesamt werden in der angloamerikanischen Literatur (rechtsberatende) Pflichten247 des Maklers gegenüber Käufer und Verkäufer fast ausschließlich im Zusammenhang mit einer Haftung des Maklers erörtert.248 Die Beratungsleistung des Maklers beschränkt sich auf die Erläuterung der Klauseln des Kaufvertrags und deren Ausfüllen. Ebenso ist er in der Lage, in Grundstücksgeschäften ungeübte Personen über den genauen Ablauf des Erwerbsgeschäfts aufzuklären und mitzuteilen, welche Schritte typischerweise vorgenommen werden. Eine Aufklärung über grundsätzliche Gefahren, die mit einem Grundstückserwerb verbunden sind, oder solche, die beim konkreten Geschäft bestehen, erfolgt hingegen nicht. Gleiches gilt für das Aufzeigen von Alternativen hinsichtlich der Abwicklung oder der Risikoverteilung zwischen den Parteien. Dem Makler fehlen in der Regel die juristischen Kenntnisse, um solche Gefahren zu erkennen, geschweige denn individuelle Lösungen aufzuzeigen. Lediglich die üblichen, immer wieder 244

„Agency disclosure may serve to educate the parties, but in and of itself it does not serve to provide adequate buyer representation. In other words, it may solve the problem associated with misunderstanding of the real estate brokerage relationships, but it does not solve the ancillary problem that buyers are unrepresented.“ Pancak/Miceli/Sirmans, 25 Real Est. L. J. 345, 354 (1997). Ähnlich Dallon, 54 Fla. L. Rev. 395, 417 f., v.a. Fn. 123 (2002). Siehe auch Morales Olazábal, 40 Harv. L. Rev. 65, 123 f. (2003), die auf Grund der geringen Lesefähigkeit großer Teile der Bevölkerung davon ausgeht, dass die Formulare nicht immer verstanden werden. 245 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 11.01 (S. 11-4). 246 So etwa in Kentucky, siehe 201 Ky. Admin. Regs. 11:121. Näheres bei Raper, Esq./Vandiver, 36 N. Ky. L. Rev 409 (2009). 247 Einen großen Teil der Diskussion nehmen Offenlegungspflichten über den Zustand des Grundstücks und die Bebauung gegenüber dem Käufer ein. Siehe hierzu Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, §§ 11.02 ff. (S. 11-13 ff.); Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 2:25. 248 Siehe etwa Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 10.01 (S. 10-3); ähnlich 12 CJS Brokers §§ 110 ff.

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auftauchenden Fragestellungen kann der Makler auf Grund seiner eigenen Erfahrung oder Ausbildung249 beantworten. Doch selbst selbstverständliche Klauseln, wie solche zum Ausschluss der doctrine of merger, das bei Übergabe des deed die Ansprüche aus dem Kaufvertrag untergehen lässt, sind Maklern häufig unbekannt und werden bei Abschluss von Kaufvertrag oder Formulierung des deed nicht berücksichtigt.250 Sobald der Makler die Parteien vertieft berät, besteht zudem stets die Gefahr, den mitunter schmalen Grat zur unzulässigen Rechtsberatung zu überschreiten.251 Die Makler müssen ihre Tätigkeit mit ordnungsgemäßer Sorgfalt ausüben.252 Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach den üblichen Kenntnissen eines vernünftig qualifizierten und sorgfältigen Maklers, die über die eines (juristischen) Laien hinausgehen.253 Teilweise fordern die Gerichte von Maklern aber auch die gleiche Sorgfalt wie von Rechtsanwälten.254 Die Rechtsprechung hat in zahlreichen Einzelfällen rechtsberatende Pflichten des Maklers anerkannt, die zu einer ordnungsgemäßen Ausübung ihrer Tätigkeit gehören. Beim Verstoß besteht jeweils eine Haftung des Maklers für den entstandenen Schaden. Zu den Pflichten gehören im Einzelnen: das ordnungsgemäße Ausfüllen des Kaufvertrags und anderer Dokumente,255 die Aufklärung über

249 Immobilienmakler verfügen in der Regel über keine spezifische Ausbildung. Ebenso erfordern die – in manchen Bundesstaaten verlangten ‒ Prüfungen nur sehr beschränkte juristische Kenntnisse. Siehe hierzu bereits oben S. 162. 250 Siehe hier Ginsburg, 16 Nova L. Rev. 1171, 1222 (1992). 251 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 16.03 (S. 16‒45). 252 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 11.02 (S. 11‒25 f.); Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 2.24. 253 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 11.02 (S. 11‒26). 254 „Hence, although the completion of form earnest money agreements might be commonly understood as the practice of law, we believe it is in the public interest to permit licensed real estate brokers or licensed salespersons to complete such lawyer prepared standard form agreements; provided, that in doing so they comply with the standard of care demanded of an attorney.“ Cultum v. Heritage House Realtors, Inc., 103 Wash.2d 623, 628, 694 P.2d 630, 53 USLW 2387 (Wash. 1985). Die Maklerin hatte eine individuelle Bedingung im Kaufvertrag (Rücktritt ohne Schadensersatz auf Grund eines Sachmängelberichts eines Gutachters) nicht ordnungsgemäß formuliert. Der Käufer verlor (vorübergehend) seine Anzahlung. Weitere Beispiele bei Buhai, 2007 Utah L. Rev 87, 112 ff. (2007). 255 Salem v. De Witt-Jenkins Realty Co., 113 N.E.2d 113 (Ohio 1952). Der Makler hatte die Grundstücksbeschreibung nicht mit den Angaben im Grundstücksregister überprüft, der Verkäufer konnte folglich nicht ordnungsgemäß erfüllen. Er haftete für den Schadensersatzanspruch, den der Verkäufer an den Käufer gezahlt hatte. Siehe für weitere Einzelfälle Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 2.24 Fn. 58. Siehe zur allgemeinen Sorgfalt des Maklers bei der Anfertigung von Dokumenten Vance, 94 A.L.R. 2d 468, 9 (1964).

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rechtliche Folgen,256 die Hinweispflicht auf Abweichungen vom üblichen Vorgehen bei Grundstücksgeschäften257 sowie das Hinweisen auf die Notwendigkeit einer title search258 und auf eine fehlenden Sicherheit beim closing259.260 cc) Beratungssicherung durch attorney-approval-Klauseln Der Abschluss des Kaufvertrags ohne die Mitwirkung einer rechtskundigen Person birgt für die Parteien eine gewisse Gefahr. In der Praxis wurden aus diesem Grund verschiedene Modelle entwickelt, um einen Schutz der Parteien ohne eine verpflichtende Beteiligung eines Rechtsanwalts zu gewährleisten. Hierzu gehören vor allem ein verpflichtender Hinweis auf mögliche Risiken und Gefahren, die bei einem Abschluss ohne rechtliche Beratung zu befürchten sind, und die sogenannte attorney-approval-Klausel, die eine nachgelagerte Rechtsberatung ermöglichen soll. Vergleichbar mit der Pflicht des Maklers, den Käufer über einen bestehenden Interessenkonflikt aufzuklären, verlangen manche Bundesstaaten, beide Parteien über die fehlende rechtliche Beratung zu informieren.261 Auf 256

Pepitone v. Russo, 64 Cal.App.3d 685, 134 Cal.Rptr. 709 (Cal. 1976). Der Makler hatte den Käufer nicht über eine acceleration clause eines deed of trust (siehe hierzu oben S. 87) aufgeklärt. 257 Der Kaufpreis war nicht über eine mortgage abgesichert; Morley v. J. Pagel Realty and Ins., 27 Ariz.App. 62, 550 P.2d 1104 (Ariz. 1976). 258 Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 11.02 (S. 11-26). Siehe zur Pflicht einer ordnungsgemäßen title search, sofern der Makler dies ausdrücklich übernommen hat, Mayflower Mortg. Co. v. Brown, 530 P.2d 1298, 1301 (Colo. 1975). 259 Welch v. Holley, 191 Ga.App. 532, 382 S.E.2d 128 (Ga. 1989). Der Makler informierte den Verkäufer nicht, dass die Dokumente beim closing keine dinglichen Sicherungsrechte für den restlichen Kaufpreis vorsahen. 260 Siehe für weitere Pflichten Buhai, 2007 Utah L. Rev 87, 111 ff. (2007); Burke, Jr., Law of Real Estate Brokers, § 11.02 (S. 11‒25 ff.), § 16.03 (S. 16‒41 ff.); 2 California Real Estate § 3:26. 261 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:9. Etwa in New York: „If you need legal, tax or other advice, consult with a professional in that field.“ § 443 (4)(a) RPL of N.Y. Ähnlich das Formular, dass der Supreme Court von New Jersey für Makler vorschreibt: „The Supreme Court of New Jersey requires real estate brokers to give you the following information before you sign this contract. […] 2) I am not allowed, and I am not qualified, to give either the seller or the buyer any legal advice. Neither the title company nor any of its officers are allowed to give either the seller or buyer any legal advice. Neither of you will get any legal advice at any point in this transaction unless you have your own lawyer. If you do not hire a lawyer, no one will represent you in legal matters either now, or at the closing. I will not represent you and the title company and its officers will not represent you in those matters.“ In re Opinion No. 26 of Committee on Unauthorized Practice of Law, 139 N.J. 323, 362 f., 654 A.2d 1344 (N.J.

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diese Weise erlangen Käufer und Verkäufer zumindest Kenntnis über die fehlende Fähigkeit des Maklers, eine rechtliche Beratung vorzunehmen. Anschließend ist es die bewusste Entscheidung jeder einzelnen Partei, auf das Hinzuziehen eines Rechtsanwalts zu verzichten. Fraglich ist natürlich, ob das von einem Makler vorgelegte Formular tatsächlich einen weit reichenden Aufklärungseffekt hat und inwieweit der Makler den Parteien eventuelle Bedenken ausredet oder sie mit vermeintlich hohen Rechtsberatungskosten abschreckt. Neben dieser Aufklärungspflicht ist es in manchen Bundesstaaten üblich, eine bestimmte Klausel in den Grundstückskaufvertrag aufzunehmen, die es den Parteien gestattet, nach Vertragsschluss noch eine rechtliche Prüfung durch einen Rechtsanwalt vornehmen zu lassen (sogenannte attorney approval clause)262.263 Teilweise enthalten die Musterkaufverträge eine solche Klausel, ohne dass eine gesetzliche Pflicht hierzu besteht.264 Die Klausel soll eine nachträgliche Überprüfung durch einen Rechtsanwalt innerhalb eines bestimmten Zeitraums gewährleisten und so eine rechtliche Beratung ermöglichen.265 Letztendlich kann eine nachträgliche Überprüfung auch dazu dienen, Zweifel der Parteien beim Vertragsschluss auszuräumen, und sie auf eine spätere Begutachtung durch einen Rechtsanwalt verweisen. Trotz dem Vorliegen von Zweifeln kann es daher zu einem Vertragsschluss kommen. Die Klausel ist auch Folge des „Kampfes“ zwischen Rechtsanwälten und Maklern in der Frage der Rechtsberatung bei Grundstücksgeschäften.266 1995). Siehe für weitere Formulierungen anderer Bundesstaaten Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 186 ff. (2006). 262 Siehe zur Entwicklung Porter, 34 J. Legal Prof. 399, 400 f. (2010). 263 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:9. Lediglich in New Jersey ist eine solche Klausel bei kleinen Grundstücksgeschäften von Privatpersonen zwingend. „ATTORNEY REVIEW: 1. Study by Attorney The Buyer or the Seller may choose to have an attorney study this contract. If an attorney is consulted, the attorney must complete his or her review of the contract within a three-day period. This contract will be legally binding at the end of this three-day period unless an attorney for the Buyer or Seller reviews and disapproves of the contract.“ § 11:56.2 (g)(2) N.J. Admin. Code. Siehe Genaueres für weitere Bundesstaaten Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:8.1 (S. 1-53 ff.); Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 186 ff. (2006). 264 Siehe Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 171 Fn. 2 (2006). 265 Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 172 (2006). Siehe auch New Jersey State Bar Ass’n v. New Jersey Ass'n of Realtor Boards, 461 A.2d 1112, 1114, 93 N.J. 470 (N.J. 1983): „To the extent that there is an inevitable or unavoidable overlap between the realty and legal professions, the public's interest is safeguarded through the settlement's attorney review provisions“. 266 Noble-Allgire, 48 U. Kan L. Rev. 339, 342 f. (2000).

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

In rechtstechnischer Hinsicht werden solche Klauseln meist als aufschiebende oder auflösende Bedingung des Kaufvertrags eingeordnet.267 Der Vertrag kann nur bei Vorliegen von besonderen Gründen, die durch eine Überprüfung des Rechtsanwalts zu Tage treten, aufgelöst oder angepasst werden. Erfolgt hingegen eine Einordnung als bedingtes Angebot bzw. Annahme, existiert zunächst kein bindender Vertrag. Dieser kommt erst nach Ablauf der Überprüfungsfrist zustande. Eine Auflösung ist in diesem Fall ohne die Angabe von Gründen möglich.268 In der Praxis sorgt eine solche Interpretation für eine enorme Rechtsunsicherheit.269 Zudem wird der extrem kurze Zeitraum (teilweise nur drei Tage), innerhalb dessen eine Überprüfung durchgeführt werden muss, kritisiert.270 Letztendlich ist fraglich, ob die Möglichkeit der nachträglichen Kontrolle durch einen Rechtsanwalt tatsächlich zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Beratung beiträgt. In der Regel schalten die Parteien einen Rechtsanwalt nur ein, sofern sie legitime Zweifel am Inhalt des Kaufvertrags haben oder sie durch den Vertrag stark benachteiligt werden. Solche Zweifel oder Tatsachen treten jedoch meist erst zu einem Zeitpunkt auf, zu dem die Überprüfungsfrist schon längst abgelaufen ist.271 Die attorney-approval-Klausel wird aber auch als „effektiver Kompromiss zwischen den entgegenstehenden Interessen bei Grundstücksgeschäften von Privatpersonen“272 bewertet. Insgesamt scheint ihre Wirkung doch zumindest zweifelhaft. c)

Beratung durch Rechtsanwälte

Im Gegensatz zum Makler verfügt ein Rechtsanwalt über die notwendige juristische Ausbildung, um die Vorstellungen und Interessen der Parteien ordnungsgemäß in Kaufvertrag und deed aufzunehmen. Ebenso wie der deutsche ist der angloamerikanische Rechtsanwalt keine neutrale Person, sondern

267

Siehe ausführlich Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 194 ff. (2006); Porter, 34 J. Legal Prof. 399, 401 ff. (2010). 268 Der Verkäufer kann sich beispielsweise auch vom Vertrag lösen, wenn ein Dritter ein höheres Kaufangebot abgibt. Siehe m.N. Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 186 (2006). 269 Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 194 ff. (2006). 270 In dieser kurzen Zeit ist es Rechtsanwälten oft nicht möglich, eine ordnungsgemäße Prüfung vorzunehmen; Noble-Allgire, 48 U. Kan L. Rev. 339, 354 ff. (2000); Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 228 ff. (2006). 271 Allgemein kritisch vor allem im Hinblick auf die Ausgestaltung der Klauseln im Einzelfall Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 227 ff. (2006). 272 „[…] effective compromise between competing interests in a residential real estate transaction“ [Übersetzung des Verfassers], Noble-Allgire, 48 U. Kan L. Rev. 339, 389 (2000), die solch eine Klausel jedoch nicht als die optimale Lösung betrachtet.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

291

verfolgt nur die Interessen seines Mandanten.273 Aus diesem Grund muss jede Partei über einen eigenen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Interessen verfügen. Beim typischen Grundstücksgeschäft wären dies in den Vereinigten Staaten folglich drei Rechtsanwälte; jeweils einer für Käufer, Verkäufer und den Kreditgeber, der regelmäßig zumindest beim closing mitwirkt. Wie bereits erläutert sind Rechtsanwälte bei Grundstücksgeschäften nur noch in sehr begrenztem Maße beteiligt. Lediglich in wenigen Bundesstaaten oder Teilen von diesen wirken sie noch umfangreich an Grundstücksgeschäften mit. In Teilen des Bundesstaats New York ist es beispielsweise üblich, dass sich Käufer und Verkäufer jeweils durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen.274 Insgesamt ist eine solch umfassende Mitwirkung in den Vereinigten Staaten jedoch die Ausnahme. aa) „Vertretung“ von mehreren Parteien Weitaus üblicher als die Mitwirkung eines Rechtsanwalts für jede Partei ist die Vertretung durch einen „gemeinsamen“ Rechtsanwalt bzw. den Rechtsanwalt des Kreditgebers.275 Sobald lediglich ein Rechtsanwalt zur Wahrnehmung der Interessen mehrerer Parteien hinzugezogen wird, befindet sich dieser in einem Interessenkonflikt. Die Interessen der Parteien sind klassischerweise entgegengesetzt. Das Risiko der einen Partei entspricht in der Regel dem Vorteil der anderen Partei. Der Rechtsanwalt setzt sich bei der „Vertretung“ von mehreren Parteien stets der Gefahr eines Verstoßes gegen Standesregelungen und eines Schadensersatzanspruchs aus.276 Nichtsdestotrotz ist ein Handeln für mehrere Personen unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Der Rechtsanwalt muss sich sicher sein, dass er beide Parteien ordnungsgemäß beraten kann, es darf weder ein gesetzliches Verbot für ein solches Handeln bestehen noch darf es sich um eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen handeln, und er muss die Parteien schriftlich über die Wahrnehmung der Interessen beider Seiten aufklären277.278 Unter diesen Vo-

273

ALI, Restatement (Third) of The Law Governing Lawyers, 2000, § 121; 7 CJS Attorney and Client § 148. Für das deutsche Recht Hamm, in: Beck’sches Rechtsanwalts HB, § 50 Rn. 63; siehe hierzu auch § 356 StGB (Parteiverrat) sowie Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 112 ff. 274 So Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 136 ff. 275 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 29.1. 276 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:8.2 (S. 1-59); 7 CJS Attorney and Client § 288. 277 Die Aufklärung muss die Parteien auf die Vorteile einer individuellen anwaltlichen Vertretung hinweisen. Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:8.2 (S. 1-61).

292

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

raussetzungen ist zumindest bei einfachen Grundstücksgeschäften mit der Beteiligung von Privatpersonen die Mitwirkung eines gemeinsamen Rechtsanwalts möglich. Sobald jedoch Uneinigkeit hinsichtlich wichtiger Vertragsbestandteile besteht oder eine intensive Beratung beider Teile notwendig erscheint, ist der Interessenkonflikt zu groß, um noch beide Parteien vertreten zu können.279 In diesem Fall ist der Rechtsanwalt gezwungen, eine weitere Vertretung beider abzulehnen. Der Konflikt wird besonders beim closing deutlich, da hier in manchen Bundesstaaten die Mitwirkung eines Rechtsanwalts, meist des Kreditgebers, noch weitaus verbreiteter ist. Die Interessen von Kreditgeber und Käufer bzw. Verkäufer stimmen grundsätzlich nicht überein, wenn auch alle an der Durchführung des Geschäfts interessiert sind.280 Zudem besteht häufig eine vielfältige (auch finanzielle) Verstrickung des Rechtsanwalts des Kreditgebers mit den verschiedenen Beteiligten. So ist er oftmals gleichzeitig als Vermittler eines bestimmten Rechtsmängelversicherers tätig und führt die title search für diesen durch,281 er unterstützt den Käufer beim Ausfüllen der Kreditunterlagen und fertigt die Übertragungsurkunden für den Verkäufer an.282 Dies hat zur Folge, dass für den Käufer und Verkäufer teilweise unklar ist, wen der Rechtsanwalt genau repräsentiert.283 Sofern der Rechtsanwalt nicht nur für seinen Auftraggeber handelt, muss er die übrigen Beteiligten über den Interessenkonflikt aufklären.284 bb) Beratungsleistung des Rechtsanwalts Ein Rechtsanwalt, der sich seinem Mandanten gegenüber zur Übernahme einer Rechtsberatung verpflichtet hat, muss bei seiner Tätigkeit die übliche Sorgfalt eines durchschnittlichen Rechtsanwalts einhalten.285 Im Folgenden wird die optimale Beratung und Unterstützung durch einen Rechtsanwalt, der bereits vor Abschluss des Kaufvertrags hinzugezogen wird und bis zum endgültigen Eigentumsübergang sowie zur Eintragung im Grundstücksregister

278 Siehe Model Rules of Professional Conduct Rule 1.7 (b), abgedruckt bei Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:8.2 (S. 1-60); siehe auch Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 113. 279 Siehe ALI, Restatement (Third) of The Law Governing Lawyers, 2000, § 122 cmt. g(iv), Ill. 10, 11. 280 Bolus, 56 U. Cin. L. Rev. 639, 643 (1987). 281 Kaplan, 78-FEB Fla. B.J. 33, 34 f. (2004). Siehe ausführlich zu diesem Interessenkonflikt Bintinger, 4 Geo. J. Legal Ethics 687 (1991). 282 Kaplan, 78-FEB Fla. B.J. 33, 33 (2004), dort auch die Darstellung zahlreicher möglicher Interessenkonflikte. 283 O’Brien, 6 Loy. Consumer L. Rep. 77, 78 (1994). 284 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:8.2 (S. 1-61). 285 7 CJS Attorney and Client § 300.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

293

mitwirkt, dargestellt. In der Praxis ist es jedoch weit verbreitet, dass ein Rechtsanwalt nur an einzelnen Teilen des Erwerbsprozesses beteiligt ist. Zunächst steht die Ermittlung der Ziele, des Willens, der Erwartungen und Pläne des Mandanten (Käufer oder Verkäufer) im Mittelpunkt.286 Besonders wichtig ist der geplante Zeitpunkt des closing und der folgende Übergang des Besitzes. Denn oftmals erwirbt der Veräußerer selbst ein neues Grundstück, für das er den Kaufpreis benötigt. Es besteht regelmäßig ein kleines Zeitfenster, in dem die Abwicklung beider Geschäfte abgeschlossen sein muss.287 Bei der Vertretung des Käufers muss besonders auf zusätzliche mündliche Abreden zwischen Käufer, Verkäufer und Makler geachtet werden. Es bestehen beispielsweise nicht selten Absprachen, man kümmere sich noch um Sachmängel, ohne solche Versprechen in den Kaufvertrag aufzunehmen.288 Mit den erhaltenen Informationen kann der Rechtsanwalt erkennen, welche Risiken während der Abwicklung des Vertrags auftreten können.289 Es ist ihm auf diese Weise möglich, seinen Mandanten auf entsprechende Risiken hinzuweisen und Vorschläge zu deren Minimierung zu machen.290 Nachdem alle Rahmenbedingungen des Kaufvertrags geklärt sind, kann der Rechtsanwalt den Kaufvertrag, meist unter Verwendung von Musterformularen, an die konkrete Situation anpassen und in die Verhandlung mit der Gegenpartei eintreten.291 Sofern ein Rechtsanwalt ausnahmsweise beide Parteien „vertritt“, muss er auf einen Interessenausgleich achten und die Benachteiligung einer Partei verhindern. Verbleibt eine Partei vollständig ohne rechtliche Beratung, steht der beratende Rechtsanwalt stets im oben genannten Interessenkonflikt zwischen der Loyalität zu seinem Mandanten und der Aufklärung der anderen Partei. Bei den beiden zuletzt genannten Fällen ist es für den Rechtsanwalt mitunter schwer, seine Neutralität zu wahren, er setzt sich stets der Gefahr eines Haftungsanspruchs der von ihm benachteiligten Partei aus. Bei der Vertretung des Käufers muss der Rechtsanwalt durch geeignete Bedingungen sicherstellen, dass das closing tatsächlich stattfindet und ein entsprechender Schadensersatzanspruch bei Vertragsbruch des Verkäufers besteht.292 Nach der Betrachtung dieser umfangreichen Überprüfungspflichten und Gestaltungsaufgaben wird deutlich, dass eine nachträgliche Überprüfung im Rahmen einer attorney-approval-Klausel nicht die gleiche Aufklärung und

286

Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 1:1.1 (S. 1‒2 ff.), § 1:2.1 (S. 1‒ 30 ff.), siehe dort auch eine Checkliste; Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 178 ff. (2006). 287 Siehe hierzu Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 1:1.1 (S. 1‒2 f.). 288 Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 179 f. (2006). 289 Siehe auch Malloy/Klapow, 74 St. John's L. Rev. 407, 424 ff. (2000). 290 Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 180 f. (2006). 291 Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 181 ff. (2006). 292 Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 185 (2006).

294

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

den gleichen Schutz der Parteien garantieren kann wie eine Beratung vor Vertragsschluss. Nachdem der Kaufvertrag geschlossen ist, nimmt der Rechtsanwalt entweder selbst eine title search vor oder beauftragt hiermit einen title abstractor oder eine Rechtsmängelversicherung. Mit Hilfe des Ergebnisses kann der Rechtsanwalt prüfen, ob der Verkäufer seine Pflichten aus dem Kaufvertrag erfüllen kann, also Inhaber eines marketable title ist, oder ob dem Käufer ein Rücktrittsrecht zusteht.293 Im Anschluss an die title search erfolgt die Aufklärung der Mandanten über die Folgen der Eigentumsübertragung im Rahmen des closing und die Initiierung des Abschlusses einer Rechtsmängelversicherung. Ebenso ist es Aufgabe des Rechtsanwalts, den Käufer über die Reichweite des Versicherungsschutzes aufzuklären. Die standardisierten Versicherungsformulare schließen zahlreiche Rechtsmängel aus, für die der Käufer letztendlich das alleinige Risiko trägt.294 Dieser beschränkte Schutz ist nur wenigen Käufern, die nicht anwaltlich vertreten sind, bekannt.295 Gerade bei Streitigkeiten hinsichtlich des Ergebnisses der title search im Hinblick auf den Kaufvertrag vertritt der Rechtsanwalt die Interessen seines Mandanten. Er kann bei Bedarf eine Lösung zu dessen Zufriedenheit aushandeln.296 Sofern nur ein Makler beteiligt ist, findet das closing in der Praxis regelmäßig trotz bestehender Streitigkeiten und ohne zufriedenstellende Lösung für zumindest eine Seite statt.297 Bevor die Eigentumsübertragung und die Kaufpreiszahlung im Rahmen des closing vonstatten gehen, bereitet der Rechtsanwalt, meist der des Verkäufers, die entsprechenden Dokumente vor. Hierzu gehört vor allem die Ausformulierung des deed.298 Alle Dokumente werden mit der Gegenseite ausgetauscht, sodass diese eine Kontrolle vor dem eigentlichen closing vornehmen kann.299 Beim closing sorgen die Rechtsanwälte für die ordnungsgemäße Übergabe des deed und des Kaufpreises sowie für die Ausfertigung und Übergabe weiterer Dokumente300.301 Der Rechtsanwalt des Käufers muss zudem noch die 293

Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 183 f. (2006). Siehe zur Reichweite des Schutzes der title insurance unten S. 382. 295 So Braunstein, 62 Mo. L. Rev. 241, 260 (1997), der auf den großen Erfolg der Rechtsmängelversicherer verweist, der bei Käufern den Anschein erweckt, die Versicherung gewähre einen höheren als den tatsächlich garantierten Schutz. 296 Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 184 (2006). 297 Pogrund Stark, 39 J. Marshall L. Rev. 171, 184 (2006). 298 Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 3:1.5 (S. 3‒6). 299 Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 3:2.5 (S. 3‒20 ff.). 300 Hierzu gehören etwa steuerliche Dokumente, die Rechtsmängelversicherungsunterlagen etc. 301 Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 4:1.1 (S. 4-2 ff.), § 4:2.1 (S. 4‒ 12 ff.). 294

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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Finanzierung abwickeln. Hierzu gehören die Unterzeichnung der Kreditunterlagen und die Übergabe des mortgage deed.302 Nach Abschluss des closing initiiert der Rechtsanwalt des Käufers die Registrierung des deed im Grundstücksregister und überprüft diese später auf Vollständigkeit und Übereinstimmung mit dem Inhalt des deed.303 Die Mitwirkung von Rechtsanwälten auf Seiten des Käufers und Verkäufers findet in den Vereinigten Staaten jedoch nur sehr selten statt. Bei einem typischen closing ist meist nur ein Rechtsanwalt beteiligt, in der Regel ist dies der des Kreditgebers.304 Er nimmt in diesem Fall die Aufgaben beider Rechtsanwälte wahr und sorgt für die Beratung der Beteiligten, die Wahrung von deren Interessen und die Ordnungsgemäßheit der übergebenen Dokumente.305 Neben dem mortgage deed, der dem Kreditgeber übergeben wird, fertigt er meist auch den deed des Veräußerers, der zur Eigentumsübertragung dient, an. Den Interessen von Käufer und Verkäufer wird bei diesem Vorgehen jedoch nur beschränkt entsprochen. Es besteht stets ein Interessenkonflikt, der nicht in jedem Fall ohne Weiteres durch eine „Neutralität“ des Rechtsanwalts gelöst werden kann. d)

Zusammenfassung

Die Beratung und Unterstützung der Parteien während des Grundstückerwerbs wird in den Vereinigten Staaten nicht durch die zwingende Einschaltung eines neutralen Dritten gewährleistet. Vielmehr steht es den Beteiligten weitgehend frei, jeweils einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung ihrer Interessen hinzuzuziehen oder darauf ganz zu verzichten. Somit ist es zumindest möglich, eine ordnungsgemäße Beratung und Aufklärung über die Risiken und über alternative Gestaltungsformen zu erlangen. In einem solchen „Idealfall“ sind bis zu drei Anwälte am Erwerbsverfahren beteiligt. Die Realität sieht jedoch in nahezu allen Bundesstaaten anders aus. Die Beteiligung von Rechtsanwälten erfolgt nur in sehr beschränktem Maße. Der wohl meist verbreitete Regelfall ist die alleinige Mitwirkung eines Maklers bei Abschluss des Kaufvertrags und die Beteiligung zumindest eines Rechtsanwalts, der des Kreditgebers, im Rahmen des closing. In diesem Zusammen302

Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 4:2.2 (S. 4‒13). Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 4:3.2 (S. 4‒23). 304 Bolus, 56 U. Cin. L. Rev. 639, 641 (1987); Vermont Bar Association, 28-JUN Vt. B.J. 31, 32 (2002), siehe dort auch zur Entwicklung. In der Vergangenheit zwangen die Kreditgeber den Käufer teilweise, einen „anerkannten“ Rechtsanwalt beim closing hinzuzuziehen. Dieser Zwang wurde jedoch durch gesetzliche Regelungen für unrechtmäßig erklärt (sogenannte Closed Shop Statutes). Siehe etwa O’Brien, 6 Loy. Consumer L. Rep. 77 (1994). 305 Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 120. 303

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

hang ist ein Problem der Mitwirkung von Maklern deren Komplettangebot, das sämtliche Leistungen beinhaltet. Die Parteien können letztendlich überhaupt nicht wählen, ob sie bestimmte Leistungen wünschen oder nicht. Ziehen sie trotzdem einen Rechtsanwalt hinzu, besteht der Makler trotzdem auf seiner vollen Provision.306 Bei der Beratung durch einen Makler kann in diesem Zusammenhang nur von einem „Basisschutz“ ausgegangen werden.307 Auf Grund der fehlenden juristischen Ausbildung kann er weder in großem Maße in rechtlicher Hinsicht aufklären und beraten noch ist er zu einer solchen eingehenden Beratung befugt. Zudem ist ihm eine Einwirkung wegen der Verwendung von standardisierten Formularen nur in sehr beschränktem Maße möglich. Teilweise wird den Maklern die fachliche Kompetenz aberkannt, die Parteien ordnungsgemäß beraten zu können.308 Sofern ein Rechtsanwalt beim closing mitwirkt, bzw. dies zwingend für die Ausstellung der Übertragungsurkunden erforderlich ist, folgt hieraus noch keine Pflicht zur Beratung und Aufklärung der Parteien. Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts ist nur erfordrlich, wenn das Ausstellen der Urkunden als Rechtsberatungsleistung einzuordnen ist. Sofern der Rechtsanwalt folglich die Urkunden anfertigt, ist er nicht automatisch zur Aufklärung aller Beteiligten, sondern grundsätzlich nur gegenüber seinem Auftraggeber verpflichtet. Eine Beratungspflicht gegenüber den Übrigen kann jedoch durch das Verhalten des Rechtsanwalts entstehen, wenn er etwa den Anschein erweckt, als Vertreter aller zu handeln. Die Vertretung mehrerer Parteien wird mitunter kritisch gesehen, sie ist zwar möglich, sei aber „mangelhaft und wenig durchdacht“.309 Die Aufdeckung sei keine Lösung des Problems, eine solche könne nur durch den Verzicht auf die Beratung in solchen Konfliktsituationen erfolgen.310 Es wird jedoch auch erkannt, dass die Mitwirkung eines Rechtsanwalts zumindest besser sei, als das komplette Geschäft ohne Rechtsberatung abzuwickeln.311 In diesem Zusammenhang ist besonders auf den entstehenden Interessenkonflikt hinzuweisen, der einer ausgewogenen und ordnungsgemäßen Beratung aller Beteiligten im Wege stehen kann. Letztendlich ist es in 306

Siehe Johnstone, 22 Val. U. L. Rev. 493, 537 (1988). Eine Abwicklung der erforderlichen Dokumente findet zwar statt, aber eine Aufklärung fehlt; so 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 29.1. 308 Johnstone, 22 Val. U. L. Rev. 493, 536 (1988). 309 So Kaplan, 78-FEB Fla. B.J. 33, 37 (2004); ähnlich 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 29.1, die Mitwirkung eines gemeinsamen Rechtsanwalts ist nicht ausreichend. 310 Kaplan, 78-FEB Fla. B.J. 33, 37 (2004). 311 „[…] homeowners benefit from the legal expertise […], even when the […] attorney represents the mortgage lender.“ Alsup, 61 Consumer Fin. L.Q. Rep. 475, 483 f. (2008), ähnlich Bolus, 56 U. Cin. L. Rev. 639, 662 (1987). Siehe zur Notwendigkeit einer Mitwirkung eines Rechtsanwalts Walker, 26 Campbell L. Rev. 59, 68 (2004). 307

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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vielen Bundesstaaten möglich, einen Grundstückserwerb vom Abschluss des Kaufvertrags bis zur Eigentumsübertragung komplett ohne die Mitwirkung eines Rechtsanwalts durchzuführen. In einem solchen Fall ist lediglich ein Makler unter Verwendung von Musterformularen für Kaufvertrag und deed am Geschäft beteiligt. Betrachtet man die Entwicklung in den Vereinigten Staaten von einer Beratung durch zwei Rechtsanwälte hin zu einer Laienberatung durch Makler und Rechtsmängelversicherungen, so ist zumindest eine Tendenz zu einer Beratung durch einen „neutralen“ Dritten deutlich, wenn nicht sogar sehr weit fortgeschritten. Dieses Modell rückt tendenziell dem des lateinischen Notars nahe, der für einen Interessenausgleich und eine neutrale Beratung sorgt. Nichtsdestotrotz verfügen die in den Vereinigten Staaten handelnden juristischen Laien nicht über die notwendigen Kenntnisse.312 Weiterhin ist das Maß der Neutralität von Makler und Rechtsmängelversicherer, die weitestgehend eigene Interessen vertreten, höchst fraglich. Zur Sicherstellung einer gewissen Sicherheit für die Beteiligten sehen manche Bundesstaaten Hinweispflichten auf den bestehenden Interessenkonflikt und die fehlende rechtliche Beratung durch einen Makler vor Vertragsschluss bzw. closing vor. Weiterhin enthalten die Kaufverträge teilweise Klauseln, die eine nachträgliche Überprüfung durch einen Rechtsanwalt gewährleisten. Zusammenfassend ist festzustellen, dass der beratende und unterstützende Teil des Grundstückserwerbsverfahrens in den Vereinigten Staaten durch den Grundsatz der Privatautonomie geprägt ist.313 Jeder muss selbst durch die Wahl eines eigenen Rechtsvertreters für die Durchsetzung seiner Interessen sorgen (sogenanntes adversarial system).314 3.

Rechtsvergleichende Betrachtung

Eine rechtsvergleichende Betrachtung hinsichtlich der Erfüllung der Interessen der Parteien an einer Beratung und Unterstützung im Rahmen des Erwerbsverfahrens ist nicht ohne Weiteres möglich. Zunächst existieren in den Vereinigten Staaten, auf Grund des Fehlens einer einheitlichen Rechtsordnung, Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesstaaten. Ebenso ist beim Grundstückserwerb die Mitwirkung einer besonders juristisch ausgebildeten Person nicht zwingend erforderlich. Es besteht folglich eine höchst unterschiedliche Qualität und Reichweite der Beratung und Unterstützung. Im 312

So Arruñada, 19 JLEO 401, 425 (2003), der das Problem auf den Punkt bringt: „It seems that there is increasing demand for independent legal advice, but its most efficient providers are nonspecialists.“ 313 Siehe hierzu Arruñada, 19 JLEO 401, 242 f. (2003). 314 Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 109 ff.; Stürner, AcP 210 (2010), 105, 122 f.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Gegensatz dazu gewährleisten die deutschen Notare eine landesweit einheitliche Qualität bei allen Grundstücksgeschäften. Betrachtet man zuerst die Mitwirkung von jeweils einem Rechtsanwalt für Käufer, Verkäufer sowie Kreditgeber in den Vereinigten Staaten bei allen Erwerbsschritten, also den höchstmöglichen Grad an Rechtsberatungsleistung, entspricht das Niveau von Beratung, Belehrung und Unterstützung wohl dem eines deutschen Notars. Der Interessenausgleich, der Aufgabe des Notars ist, wird in den Vereinigten Staaten – zumindest im Idealfall – durch die Verhandlung zwischen den Parteien unter Mitwirkung ihrer Rechtsanwälte erreicht. Direktes Ziel ist jedoch stets nur der Vorteil für die eigene Seite. Im Gegensatz hierzu ist der Notar neben der Belehrung auch – in einem gewissen Maße – zu einem gerechten Interessenausgleich verpflichtet. Dieses Ergebnis kann wohl nur durch die Beteiligung eines neutralen Dritten erreicht werden. Sofern jedoch nach dem angloamerikanischen Modell alle Seiten durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, besteht eine ausreichende Aufklärung über die Risiken und Folgen des Grundstücksgeschäfts und letztendlich werden die Interessen aller berücksichtigt.315 Die Mitwirkung von Rechtsanwälten auf allen Seiten ist in den Vereinigten Staaten jedoch eher die Ausnahme als die Regel. Für einen realistischen Vergleich der Beratung und Unterstützung der Parteien während des Erwerbsverfahrens muss nicht der Idealfall, sondern vielmehr ein tatsächlicher Regelfall der Praxis herangezogen werden. Ein solcher lässt sich auf Grund von Unterschieden zwischen den Bundesstaaten bzw. deren Regionen nicht ohne Weiteres feststellen. Ursachen sind sowohl abweichende rechtliche Vorgaben als auch regionale, historisch entwickelte Gebräuche. Letztendlich lässt sich das typische Vorgehen auf zwei Fallgestaltungen reduzieren. Durchgehend ist bei Abschluss des Kaufvertrags meist nur ein Makler beteiligt, der den Kaufvertrag unter Verwendung eines Musterformulars für die Parteien anfertigt. In vielen Bundesstaaten ist zumindest bei der Durchführung des closing ein Rechtsanwalt erforderlich, dieser steht meist im Dienste des Kreditgebers. Teilweise erfolgt die Abwicklung der Eigentumsübertragung und Kaufpreisübergabe jedoch auch durch den Makler. Es bestehen folglich die Fälle der reinen Unterstützung und Abwicklung durch einen Immobilienmakler (1) und der ergänzenden Zuhilfenahme eines Rechtsanwalts beim closing (2). Sofern nur ein Makler an allen Erwerbsschritten beteiligt ist, kann kaum von einer qualifizierten Beratung der Parteien gesprochen werden. Es fehlen detaillierte juristische Kenntnisse, die eine solche ermöglichen. Die Parteien erhalten in einem solchen Fall keine ausreichende Aufklärung über die ge315

Jedoch werden auch bei Grundstücksgeschäften in Deutschland die Parteien von Rechtsanwälten beraten. Dies ist insbesondere bei größeren Grundstücksgeschäften der Fall.

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nauen Folgen des Rechtsgeschäfts sowie über die hiermit verbundenen typischen Risiken. Zudem kollidiert das Interesse des Maklers an einem schnellen Abschluss des Geschäfts mit den Interessen von Käufer und Verkäufer über eine ordnungsgemäße Aufklärung und Einschätzung des Geschäfts. Die Verwendung der attorney-approval-Klausel scheint zwar in gewisser Weise Abhilfe zu schaffen, die genaue Ausgestaltung verursacht jedoch weitere Rechtsprobleme, die Unsicherheiten hervorrufen. Zudem ist der Überprüfungszeitraum oftmals zu kurz bemessen, und die Möglichkeit der nachträglichen, fachkundigen Überprüfung wird nur in wenigen Fällen überhaupt von den Parteien wahrgenommen. Beim closing verwendet der Makler Unterlagen, die von einem Rechtsanwalt oder Rechtsmängelversicherer für den konkreten Fall angefertigt werden. Auf diese Weise ist zumindest der wirksame Übergang von Eigentum und Grundpfandrecht weitgehend sichergestellt. Aufkommende Fragen oder Probleme bei der tatsächlichen Übergabe kann der Makler jedoch nicht beantworten, geschweige denn (atypische) Risiken erkennen. Bei den Grundstücksgeschäften, die zumindest im Rahmen des closing unter der Mitwirkung eines Rechtsanwalts abgewickelt werden, besteht ein gewisses Maß an Beratung und Unterstützung. Jedoch findet auch in diesem Fall der Abschluss des Kaufvertrags ohne vorherige eingehende rechtliche Beratung, sondern nur mit Hilfe eines Maklers statt. Gerade der Kaufvertrag legt jedoch viele wichtige Rahmenbedingungen und den weiteren Ablauf des Verfahrens fest. Auch ein später mitwirkender Rechtsanwalt kann die Regelungen des Kaufvertrags nicht mehr abändern. Er kann lediglich auf auftretende Probleme reagieren und auf eine Lösung nach der Vorgabe des Kaufvertrags hinwirken. Im Rahmen des closing stellt der Rechtsanwalt hingegen die Ordnungsgemäßheit der Urkunden sicher, die für den Eigentumsübergang und die Bestellung des Grundpfandrechts sorgen. Gerade hier können Fehler für Käufer und Kreditgeber enorme finanzielle Schäden verursachen. Insgesamt muss jedoch die teilweise fehlende „Neutralität“ des Rechtsanwalts berücksichtigt werden. Er ist oftmals nur Vertreter des Kreditgebers oder gleichzeitig als Vermittler des Rechtsmängelversicherers tätig, sodass das Wohl von Käufer und Verkäufer nicht im Mittelpunkt steht. Bei einer Mitwirkung von Makler und Rechtsanwalt treten die hiermit verbundenen Nachteile gegenüber der Mitwirkung eines Notars – vor allem bei problemlosen Geschäften – in den Hintergrund. Sofern jedoch Ungereimtheiten oder Konflikte zwischen den Parteien auftreten, können ein „schlecht“ ausgestalteter Kaufvertrag oder eine fehlerhafte Abwicklung des closing zu großen Problemen, hohen finanziellen Risiken und oftmals auch zu einem kostspieligen und zeitintensiven Rechtsstreit führen. Eine empirische

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Untersuchung von Palomar316 kommt zwar zu dem Ergebnis, dass die Einschaltung von Laien im Vergleich mit Rechtsanwälten bei Grundstücksgeschäften keine besonderen Nachteile in Form von massenhaften Rechtsstreitigkeiten oder finanziellen Verlusten für die Parteien hat.317 Eine solche Analyse der tatsächlich auftretenden Problemfälle trifft jedoch keine Aussage über die Qualität und Reichweite der Beratung und Aufklärung. Auf Grund des dargestellten Vergleichs kann sowohl die alleinige Mitwirkung eines Maklers als auch die Unterstützung durch einen einzigen Rechtsanwalt nicht das Maß an Neutralität und Qualität der Beratung eines deutschen Notars erreichen.318 Manche Autoren sehen das Fehlen einer solchen neutralen Person als einen der Auslöser der Subprime-Krise.319 In diesem Zusammenhang spielt jedoch eher die wirtschaftliche Sichtweise wie etwa die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers in Form des Käufers eine Rolle. Es ist natürlich fraglich, ob ein deutscher Notar, der gerade keine wirtschaftliche Beratung vornimmt, den Erwerb mit Hilfe von Subprime-Krediten hätte verhindern können. Seine zwingende Beteiligung, die in der Regel zu einer Verlangsamung des Verfahrens – zumindest des Abschlusses des Kaufvertrags – führt, und die Aufklärung über die rechtlichen Folgen hätten wohl das große Ausmaß abgeschwächt und die mitunter missbräuchliche Handlung von Banken und Maklern frühzeitig aufgedeckt bzw. gehemmt. Auf Grund der wirtschaftlichen Verquickung von Rechtsanwälten und Immobilienwirtschaft hätte sich nach Ansicht von Murray und Stürner auch die Mitwirkung eines angloamerikanischen Rechtsanwalts nicht gegen die wirtschaftliche Übermacht der Kreditgeber durchsetzen können.320 Der Vorteil des Notars besteht in diesem Zusammenhang gerade in seiner Neutralität und auch finanziellen Unabhängigkeit. Die Warnfunktion bzw. der Schutz vor Übereilung, die der Notar nach deutscher Auffassung zumindest auch teilweise noch wahrnimmt, besteht in den Vereinigten Staaten als Zweck der rechtlichen Unterstützung weitgehend nicht. Im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrags wirkt der Makler gerade 316 Sie vergleicht hierbei die Anzahl der Streitigkeiten bei Grundstücksgeschäften (in zehn Bundesstaaten) mit und ohne Beteiligung eines Rechtsanwalts. Es wird zudem beachtet, ob ein Rechtsanwalt den Grund des Streits überhaupt hätte erkennen können. Als Quelle dienen sowohl Umfragen und Statistiken von Verbänden als auch die Analyse von Gerichtsentscheidungen. Siehe Genaueres zur Methode Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 485 ff. (1999). 317 Palomar, 31 Conn. L. Rev. 423, 474 ff., 527 (1999). 318 Ähnlich Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 160 ff. 319 So etwa Knieper, Eine ökonomische Analyse des Notariats, 2010, S. 116 Rn. 30 und vor allem Shiller, Die Subprime-Lösung, 2008, S. 130. 320 Murray/Stürner, The Civil Law Notary – Neutral Lawyer for the Situation, 2010, S. 121.

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auf einen schnellen, mitunter unüberlegten Vertragsschluss hin, um ein cool-off des Käufers zu vermeiden.321 Hingegen sieht das deutsche Recht aus verbraucherschützenden Gesichtspunkten eine durch den Notar umzusetzende cool-off-Periode vor, um den Erwerber vor einem übereilten Abschluss zu schützen. Dieser Übereilungsschutz ist wohl mit dem ausgeprägten Gedanken der Privatautonomie, zumindest nach angloamerikanischer Sichtweise, nicht vereinbar.322 Der Rechtsanwalt (oder Makler) soll seinen Mandanten über die rechtlichen Folgen aufklären und unterstützen, aber diesen nicht von einem Geschäft abhalten oder zum Überdenken auffordern. Insgesamt unterscheidet sich bereits das Grundverständnis beider Länder voneinander. Nach deutschem Recht ist eine zwingende Beteiligung des Notars erforderlich, der eine qualitativ hochwertige Beratung und Unterstützung aus einer Hand gewährleistet. In den Vereinigten Staaten steht hingegen die Privatautonomie im Vordergrund. Jeder Käufer und Verkäufer muss selbst entscheiden, ob er sich der ausführlichen und sicher qualitativ gleichwertigen Beratungsleistung eines eigenen Rechtsanwalts bedient. Er hat aber stets auch die Möglichkeit, lediglich auf einen Makler zurückzugreifen, der ohne besondere juristische Kenntnisse den kompletten Erwerb (bzw. zumindest weite Teile) alleine abwickelt. Letzteres ist in den meisten Teilen der Vereinigten Staaten vorherrschend, sodass die Rechtsberatung und Unterstützung beim Grundstückserwerb (weit) hinter der deutschen zurückbleibt. II. Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags – Notarielle Form vs. Schriftform Sowohl Käufer als auch Verkäufer haben ein Interesse an der Verbindlichkeit des Kaufvertrags, der im Zweifel auch gerichtlich durchsetzbar sein muss. Beides zusammen sorgt für Planungssicherheit und ermöglicht beiden Parteien, weitere Geschäfte vorzunehmen. Der Käufer in den Vereinigten Staaten ist hingegen auf Grund einer erst nach Kaufvertragsschluss stattfindenden Organisation der Finanzierung auf eine Rücktrittsmöglichkeit im Fall von deren Scheitern angewiesen. Im Übrigen decken sich die Interessen der Parteien in beiden Ländern weitgehend. 1.

Vertragliche Bindung nur durch notarielle Beurkundung

In Deutschland schließen Käufer und Verkäufer den Kaufvertrag vor einem Notar ab. Gleichzeitig erfolgt in der Regel die Erklärung der Auflassung.323 321

Siehe hierzu oben S. 283. Siehe zur Einschränkung der Privatautonomie durch den Notar und die sich daraus ergebende Möglichkeit der Parteien, ihre Privatautonomie auszuüben, oben S. 268. 323 Siehe zur gleichzeitigen Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung bereits oben S. 152 sowie unten S. 326. 322

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Das Zusammentreffen vor dem Notar findet statt, nachdem sich die Parteien über die wichtigen Eckpunkte des Geschäfts „geeinigt“ haben. Da sie einen Termin mit einem Notar vereinbaren müssen und bei Verbrauchergeschäften nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG eine Zweiwochenfrist vorgesehen ist, vergeht meist ein gewisser Zeitraum, bis es tatsächlich zum Vertragsschluss vor dem Notar kommt. a)

Notarielle Form – § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB

Die Verbindlichkeit eines Kaufvertrags entsteht nach deutschem Recht durch Angebot und Annahme (§ 145 ff. BGB). Die Einhaltung einer bestimmten Form ist nur in Ausnahmefällen erforderlich; grundsätzlich herrscht im deutschen Privatrecht Formfreiheit.324 Für Verträge, deren Verpflichtung die Übertragung oder den Erwerb des Eigentumsrechts an einem Grundstück beinhalten, ist jedoch nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB eine notarielle Beurkundung (§ 128 BGB) notwendig.325 Die Formbedürftigkeit erstreckt sich nicht nur auf Kaufverträge, sondern umfasst sämtliche auf die Änderung des Eigentums gerichteten Verträge.326 Dies umfasst auch Vorverträge327 und einseitige Verpflichtungen. Der Abschluss solcher Verträge ist folglich nur unter der Mitwirkung eines Notars möglich. Für die Wirksamkeit der schuldrechtlichen Einigung muss zunächst die notarielle Urkunde den verfahrensrechtlichen Voraussetzungen entsprechen und darüber hinaus müssen die beurkundeten Willenserklärungen der Beteiligten materiell-rechtlich mängelfrei sein. Ein Verstoß gegen die notarielle Form hat die Nichtigkeit des Vertrags zur Folge, § 125 Satz 1 BGB. Eine Heilung des Formverstoßes ist jedoch durch Auflassung und Eintragung möglich, § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB. aa) Verfahrensrechtliche Voraussetzungen Die notarielle Beurkundung besteht aus der Erstellung einer Niederschrift über die Verhandlung vor dem Notar. Die genauen formellen Voraussetzungen sind im Beurkundungsgesetz (dort § 8 ff.) geregelt.328 Die Niederschrift329 muss als Ergebnis der Verhandlung vor allem den Notar und die 324

Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 3. Siehe zum Zweck der Formvorschrift bereits oben S. 262. 326 Siehe die Aufzählungen bei Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 155 und Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 64 ff. 327 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 156; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 98 ff. 328 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 2; Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 140. 329 Siehe zur äußeren Form der Niederschrift (zulässiges Material etc.) Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 141 ff. 325

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Beteiligten bezeichnen und die Erklärungen der Beteiligten beinhalten. Die vollständige Niederschrift wird im Beisein der Parteien vorgelesen330 und anschließend von diesen genehmigt und unterzeichnet331.332 Weiterhin soll die Niederschrift weitere Angaben, wie Ort und Tag der Verhandlung, die genaue Bezeichnung der Beteiligten, deren Geschäftsfähigkeit und das Ergebnis und den Zeitpunkt der Grundbucheinsicht, enthalten.333 Ein Verstoß gegen die Sollvorschriften hat zwar keine Unwirksamkeit der Beurkundung zur Folge, kann jedoch die Beweiswirkung (§ 415 ZPO) der notariellen Urkunde negativ beeinträchtigen.334 Den Notar trifft eine Amtspflicht zur Einhaltung der nicht zwingenden Voraussetzungen. Sofern einem Beteiligten durch einen Verstoß ein Schaden entsteht, kommen Amtshaftungsansprüche gegen den Notar oder disziplinarrechtliche Maßnahmen in Frage.335 bb) Materiell-rechtliche Mängel Neben dem Verstoß gegen formelle Voraussetzungen der Beurkundung können weiterhin materiell-rechtliche Mängel der Wirksamkeit des Kaufvertrags entgegenstehen. Solche Verstöße sind jedoch keine Besonderheit des Grundstücksrechts, sondern haben ihren Ursprung im allgemeinen Teil des BGB. Im Bereich des Grundstückskaufvertrags kommen vor allem unvollständige und bewusste bzw. unbewusste, unrichtige Beurkundungen in Frage.336 Eine unvollständige Beurkundung liegt vor, wenn in der Erklärung der Urkunde nicht sämtliche Bestandteile des Vertrags erfasst sind. Die Urkunde erstreckt sich grundsätzlich nur auf den tatsächlich beurkundeten Teil. Der genaue Vertragsinhalt muss sich allein aus der Urkunde entnehmen lassen.337 Sofern dies nicht möglich ist, sind nichtbeurkundete Teile der Vereinbarung, wie etwa Nebenabreden, nichtig. Welche Auswirkung diese Teilnichtigkeit 330

Siehe für Einzelheiten Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 203 ff. 331 Siehe für Einzelheiten Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 210 ff. 332 Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 153, Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 327. 333 Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 153 ff., Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 327 ff. 334 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 230, 707. 335 Hertel, in: Staudinger, BGB, Vorb zu §§ 127a und 128: Beurkundungsgesetz Rn. 230. Siehe zu Haftungsansprüchen und Disziplinarverfahren oben S. 278. 336 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 250 ff.; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 223 ff. Siehe für weitere Fälle, wie Irrtum und Wegfall der Geschäftsgrundlage, Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 257 ff. 337 Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 223. Eine Auslegung des Vertrags oder die Bezugnahme auf weitere Dokumente ist jedoch möglich.

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auf den restlichen, tatsächlich beurkundeten Teil hat, richtet sich nach § 139 BGB.338 Lassen die Parteien bewusst eine andere als die tatsächlich getroffene Vereinbarung beurkunden, so hat dies sowohl die Nichtigkeit des Scheingeschäfts als auch des verdeckten Geschäfts zur Folge. Das beurkundete Geschäft stellt nicht die tatsächlich getroffene Vereinbarung dar. Es ist ein Scheingeschäft und somit nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Die tatsächlich getroffene Vereinbarung, das verdeckte Geschäft, ist hingegen auf Grund der fehlenden Beurkundung nach § 125 BGB nichtig, da es an der Form des §§ 117 Abs. 2, 311b Abs. 1 Satz 1 BGB fehlt.339 Ein solches Scheingeschäft taucht im Grundstücksrecht vor allem in Form der Unterverbriefung, der unrichtigen (niedrigeren) Angabe des Kaufpreises, auf.340 Zur Ersparnis von Grunderwerbssteuern und Gebühren341 oder zur Verwendung von „Schwarzgeld“ geben die Parteien in einem solchen Fall beim Notar einen niedrigeren als den tatsächlich vereinbarten Kaufpreis an.342 Haben die Parteien hingegen eine Einigung getroffen und wird deren Inhalt im Folgenden unrichtig beurkundet, hat dies keine Nichtigkeit zur Folge. Es liegt lediglich eine unschädliche Falschbezeichnung vor.343 Beim Verkauf von Grundstücken kommt sie vor allem bei der Bezeichnung des Grundstücks vor, wenn etwa eine falsche Grundbuchbezeichnung, Grenze oder ein falsches Flurstück gewählt wird.344 cc) Rechtsfolge – Nichtigkeit, § 125 BGB Ein Verstoß gegen das Formgebot des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB hat grundsätzlich die Nichtigkeit des geschlossenen Vertrags nach § 125 Satz 1 BGB zur Folge. Sowohl ein schriftlicher als auch ein mündlicher Grundstückskaufvertrag können aus diesem Grund keinerlei rechtliche Wirkung entfalten. Ein Verstoß hat jedoch keinen Einfluss auf die (gleichzeitig) erklärte Auflas338

Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 71; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 235 ff. 339 Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 68; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 239. 340 Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 68; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 240. Weitere Fälle bei Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 241. 341 Beides richtet sich nach der Höhe des Kaufpreises. 342 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 250; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 240. Bei einer Unterverbriefung machen sich die Parteien wegen Steuerhinterziehung § 370 AO und Betrugs § 267 StGB (Beurkundungs- und Grundbuchgebühren) strafbar. 343 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 252; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 243. 344 Siehe Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 252. Weitere Einzelheiten bei Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 245 ff.

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sung und die folgende Eintragung im Grundbuch (Abstraktionsprinzip).345 Die Einhaltung der notariellen Form ist durch das Grundbuchamt von Amts wegen zu prüfen.346 Es stellt beim Grundstückskaufvertrag sicher, dass neben der Form der Auflassung auch die des Kaufvertrags überprüft wird, § 20 GBO. Es ist somit selbst bei beiderseitigem Einverständnis nicht möglich, die Formvorschrift des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB zu umgehen. Sofern nur ein Teil der vertraglichen Vereinbarung nicht beurkundet wurde, wird nach § 139 BGB bestimmt, ob sich der Verstoß auf das ganze Rechtsgeschäft erstreckt.347 Dies wird in der Regel angenommen, sofern es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft handelt.348 Liegt hingegen ein teilbares Geschäft vor, erstreckt sich die Nichtigkeit nur auf den nichtbeurkundeten Teil (Teilnichtigkeit).349 Den Parteien kann im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ein Berufen auf die Nichtigkeit versagt werden.350 Der eigentliche formunwirksame Vertrag wird dann als wirksam behandelt. Hierbei handelt es sich jedoch um wenige extreme Ausnahmefälle. Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit müssen für einen Vertragspartner nicht nur hart, sondern „schlechthin untragbar“351 sein.352 Anerkannt sind vor allem die Fallgruppen der schweren Treuepflichtverletzung und die der Existenzgefährdung des anderen Vertragsteils.353 Eine schwere Pflichtverletzung liegt etwa vor, wenn eine der Parteien den anderen Teil arglistig von der Einhaltung der Form abgehalten hat.354 Letztere Fallgruppe ist beispielsweise gegeben, wenn die Rückabwicklung oder Nichterfüllung zu einer Existenzvernichtung bei einem Vertragsteil

345

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 251; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 250. Es kommt jedoch eine Rückforderung der Leistungen im Wege eines Kondiktionsanspruchs in Betracht. Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 69; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 251. 346 Einsele, in: MüKo, BGB, § 125 Rn. 42. 347 Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 71; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 259. 348 Siehe für Einzelheiten Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rn. 36 ff. 349 Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 101 f.; Roth, in: Staudinger, BGB, § 139 Rn. 60 ff. 350 Teilweise werden von der Literatur andere dogmatische Begründungen angenommen bzw. solche Ausnahmen grundsätzlich abgelehnt. Siehe m.N. Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 110. 351 BGHZ 29, 6, 10. 352 Einsele, in: MüKo, BGB, § 125 Rn. 57; Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 111; Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 72; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 254. 353 Einsele, in: MüKo, BGB, § 125 Rn. 57; Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 111. 354 Einsele, in: MüKo, BGB, § 125 Rn. 59 ff.; Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 112 ff., jeweils mit Einzelfällen.

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führen würde.355 Jedoch handelt es sich in solchen Fällen stets um extreme Ausnahmen,356 im Übrigen gilt die Nichtigkeitsfolge des § 125 BGB. dd) Heilung durch Erfüllung Trotz des Verstoßes gegen die notarielle Form kann der Kaufvertrag durch Erfüllung noch wirksam – also geheilt – werden. Für eine Heilung des zunächst unwirksamen Kaufvertrags müssen nach dem Vertragsschluss sowohl die Auflassung als auch die Eintragung im Grundbuch erfolgen, § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB. Grund für die Heilungsvorschrift ist das Interesse der Rechtsordnung an klaren sachenrechtlichen Verhältnissen. Ein eigentlich abgeschlossener Sachverhalt soll auch dauerhaft aufrechterhalten werden. Eine „unbegrenzte“ Rückabwicklung wegen eines formunwirksamen Kaufvertrags soll gerade nicht möglich sein. Die Heilung trägt also auch zum Rechtsfrieden zwischen den Parteien bei.357 Die Möglichkeit der Heilung eines Formverstoßes ist in der Praxis jedoch durch weitere gesetzliche Regelungen stark eingeschränkt. Die Pflicht zur Vorlage des formbedürftigen Kausalgeschäfts nach § 925a BGB bei der Vornahme der Auflassung schließt nahezu aus,358 dass ein nur mündlicher oder schriftlicher Kaufvertrag jemals geheilt wird.359 Es bleiben letztendlich nur die Fälle übrig, bei denen eine Beurkundung zwar erfolgt ist, diese jedoch unvollständig oder unrichtig war. Hierunter fällt auch die Unterverbriefung. Das eigentlich formunwirksame, verdeckte Geschäft wird mit Erfüllung (Eintragung im Grundbuch) geheilt. Dies hat zur Folge, dass die Unterverbriefung zumindest zivilrechtlich oftmals ohne negative Folgen für die Parteien bleibt. Die Heilung erstreckt sich jedoch nur auf die Form und nicht etwa auf weitere Mängel des Geschäfts.360 Die Heilung wirkt nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des formwidrigen Vertrags zurück.361 Diese ex-nunc-Wirkung hat zur Folge, dass eine Eigentumsvormerkung362 des Käufers letztendlich keine Rangsicherung ge-

355

Einsele, in: MüKo, BGB, § 125 Rn. 58; Hertel, in: Staudinger, BGB, § 125 Rn. 115. Siehe zum Ganzen auch Armbrüster, NJW 2007, 3317. 357 BGH NJW 1978, 1577; Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 311b Rn. 74; Kanzleiter, DNotZ 1973, 519, 523 f.; Wufka, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 262. Siehe auch Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, 1999, S. 280 ff. 358 Der Zweck des § 925a BGB besteht gerade in der Durchsetzung der Form des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB. Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925a Rn. 3. 359 Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 262 ff., dort auch Einzelheiten zu den genauen Voraussetzungen für Auflassung und Eintragung. 360 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 249; Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 272. 361 Schumacher, in: Staudinger, BGB, § 311b Rn. 302. 362 Siehe ausführlich zur Eigentumsvormerkung unten S. 316. 356

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währleistet und so kein Schutz gegenüber Zwischenverfügungen des Verkäufers besteht.363 b)

Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit

Sofern die Parteien bei Abschluss des Kaufvertrags die notarielle Form eingehalten haben und sonst keine materiell-rechtlichen Mängel vorliegen, hat jeder Vertragsteil einen Anspruch auf Erfüllung. Sowohl die Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB) als auch die Übertragung des Eigentums (§ 433 Abs. 1 Satz 1 BGB) können vom jeweils anderen Teil verlangt werden. Die gerichtliche Geltendmachung dieser Ansprüche ist jederzeit möglich. Sofern sich ein Vertragspartner auch nach rechtskräftigem Urteil weigert, seine Verpflichtung zu erfüllen, kann der Kläger auch zwangsweise vollstrecken. Die Zwangsvollstreckung ermöglicht dem Verkäufer, den Kaufpreis aus dem kompletten Vermögen des Schuldners zu erlangen, §§ 704 ff. ZPO. Eine Zwangsvollstreckungsunterwerfung (§ 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO) des Käufers erleichtert die Durchsetzung des Kaufpreisanspruchs. Eine solche ist in manchen Teilen der Bundesrepublik bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrags üblich.364 Der auf der Unterwerfungserklärung beruhende Vollstreckungstitel ist einem Leistungsurteil gleichgestellt.365 Der Verkäufer muss folglich kein umfangreiches und mitunter lang andauerndes gerichtliches Verfahren durchführen. Bei der Durchsetzung des Anspruchs auf Übertragung des Eigentums wird die Abgabe der für die Auflassung erforderlichen Willenserklärung durch die Rechtskraft des Urteils fingiert, § 894 ZPO.366 Die Durchsetzbarkeit der Ansprüche hilft natürlich nur weiter, sofern der Käufer tatsächlich Vermögen besitzt, in das vollstreckt werden kann, bzw. sofern der Verkäufer Inhaber des Grundstücks ist. c)

Zusammenfassung

Die Verbindlichkeit des Kaufvertrags entsteht nach deutschem Recht erst mit dessen notarieller Beurkundung. Nach dem Vertragsschluss besteht für beide Seiten die Möglichkeit, die Ansprüche gerichtlich geltend zu machen und auch zwangsweise durchzusetzen. Ihr Interesse nach Sicherheit über die tatsächliche Durchführung des Grundstückskaufs ist somit gewährleistet. Es ist ihnen möglich, selbst weitere Geschäfte abzuschließen, wie etwa den Verkauf eines bisher bewohnten Grundstücks oder die Einplanung des Kaufpreises 363

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 190, 249. So etwa im Rheinland; eher unüblich in Norddeutschland; Brambring, in: Beck’sches Notar-HB, 2009, A. I. Grundstückskauf Rn. 113. 365 Siehe für Einzelheiten Krauß, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 245 ff. (mit Formulierungsvorschlag); Wolfsteiner, in: MüKo, ZPO, § 794 Rn. 130 ff. 366 Gruber, in: MüKo, ZPO, § 894 Rn. 14. 364

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zum Erwerb eines anderen Grundstücks. Jedoch findet der Abschluss des notariellen Vertrags in Deutschland erst zu einem eher späten Zeitpunkt statt. Käufer und Verkäufer haben sich regelmäßig bereits vorher über Kaufpreis und Zeitpunkt des Eigentumsübergangs geeinigt. Beide „warten“ jetzt nur noch auf den Termin mit dem Notar, um eine Verbindlichkeit herzustellen. Bis der Kaufvertrag beurkundet worden ist, ist beiden Teilen ein Abwenden vom Vertrag ohne jeden Grund möglich. Nur in extremen Einzelfällen kann schon vorher eine wirksame Bindung bestehen. Folglich herrscht für beide Teile stets die Gefahr, dass der andere Teil sich vom Vertrag abwendet und so erneut nach einem anderen Grundstück oder Käufer gesucht werden muss. Die Herstellung einer kurzfristigen Verbindlichkeit ist nach deutschem Recht nicht ohne Weiteres möglich. Vor allem die verbraucherschützende Vorschrift der zweiwöchigen Frist zur „Auseinandersetzung“ mit dem Vertrag nach § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG verzögert den Vertragsschluss; wenn auch im Einzelfall Ausnahmen möglich sind.367 2.

Einklagbarkeit durch Schriftform

In den Vereinigten Staaten findet der Abschluss des Kaufvertrags meist unmittelbar nach der Einigung von Käufer und Verkäufer, also zu einem sehr frühen Zeitpunkt während des Erwerbsverfahrens, statt. Der Vertragsschluss erfolgt in der Regel unter Zuhilfenahme eines Maklers auf einem Formularvertrag durch die Unterschrift beider Parteien. Eine Besonderheit ist die Finanzierungsklausel, die es dem Käufer ermöglichen soll, sich ohne Ersatzansprüche im Fall eines Scheiterns der Finanzierung vom Vertrag zu lösen. a)

Schriftform – Statute of Frauds

Die Regelungen zur Schriftform des Kaufvertrags über ein Grundstück gehen auf das Statute of Frauds des englischen Parlaments aus dem Jahre 1677368 zurück. Systematisch unterscheidet sich die Formvorschrift jedoch vom deutschen Recht. Ein Vertrag, der nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, ist nicht nichtig. Der Anspruch ist lediglich nicht durchsetzbar.369 Die

367 Siehe jedoch KG, NotBZ 2009, 68, 69 f. für eine Beurkundung, ohne vorherige Zusendung eines Entwurfs, an einem Sonntag; ablehnend Litzenburger, in: BeckOK, BGB, § 17 BeurkG Rn. 22. 368 „[…] any Contract or Sale of Lands […] shall be in Writeing and signed by the partie to be charged therewith or some other person thereunto by him lawfully authorized.“ 29 Chas. II c. 3 (1677): An Act for prevention of Frauds and Perjuries, Art. IV. 369 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 425; 9 Williston on Contracts § 25:1; 1 California Real Estate § 1:72; ebenso von Hoffmann, Das Recht des Grundstückskaufs, 1982, S. 117 ff.; siehe auch Bracker, Inhalt und Bedeutung der Statutes of Frauds im Recht der Vereinigten Staaten von Amerika, 1996, S. 157 ff., der jedoch nicht zwischen Kaufvertrag

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Form wirkt nur prozessual, ein Anspruch auf Übertragung eines Grundstücksrechts bzw. auf Zahlung der Gegenleistung kann gerichtlich nur mit Hilfe einer schriftlichen Urkunde geltend gemacht werden. Der Beklagte kann sich im Prozess auf das Angriffs- oder Verteidigungsmittel des Statute of Frauds berufen, um einer Verurteilung zu entgehen.370 Die erfolgreiche Geltendmachung des Kaufvertrags vor Gericht ist letztendlich nur möglich, wenn der Vertragsschluss schriftlich nachweisbar ist. Im Übrigen reicht auch eine mündliche Abrede aus. Eine weitere Besonderheit ist, dass für den Erfolg der Klage lediglich ein Dokument mit der Unterschrift der Person, die auf Leistung in Anspruch genommen wird, erforderlich ist.371 Verklagt der Käufer den Verkäufer auf Übertragung des Eigentumsrechts, so reicht ein Dokument mit der Unterschrift des Verkäufers aus. Der Käufer muss nicht unterschrieben haben. Dritte hingegen können sich überhaupt nicht auf einen Formverstoß berufen.372 In den Bundesstaaten wurden entweder neue Gesetze373 erlassen, die inhaltlich weitestgehend dem alten englischen Gesetz entsprechen, oder das Gesetz von 1677 gilt dort als Teil des Common Law weiter.374 aa) Voraussetzungen Die Erfordernisse an die Schriftform nach dem Statute of Frauds sind sehr gering. Der Vertrag selbst muss nicht schriftlich abgefasst werden; dies kann mündlich geschehen. Es ist lediglich eine (schriftliche) Dokumentation des Vertrags erforderlich, etwa ein schriftliches Vertragsdokument oder auch ein Telegramm.375 Der Vertrag muss zudem auch keine eigenhändige Unterschrift enthalten; ausreichend ist ein gedruckter Name. Nur die ausstellende Person und deed unterscheidet, so etwa auf S. 159. Siehe zur Einordnung des Statute of Frauds aus deutscher Sicht Donath, IPRax 1994, 333; Bieberstein, in: FS Beitzke, 1979, S. 625, 638 f. 370 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 427. 371 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:5.2 (S. 1‒33); 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 278. Der englische Text spricht von „the partie to be charged“, Gleiches sehen die bundesstaatlichen Gesetze vor. Siehe etwa die Regelung in New Jerseys: § 25:1-13 N.J. St.: „[…] signed by […] the party against whom enforcement is sought“; ähnlich § 1624 (a) (3) Cal. Civ. Code; § 5-703 (2) GOL of N.Y. Wird der deed nur von einer Person unterschrieben, nennt man ihn auch deed poll, sofern beide unterschreiben indenture deed; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 8:8.2 (S. 8-24 ff.). 372 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:5.2 (S. 1‒30); ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 144. 373 Die Gesetze werden ebenfalls als Statute(s) of Frauds bezeichnet. Sie schreiben die Schriftform für verschiedene Geschäfte vor, darunter vor allem solche über Grundstücksrechte. Siehe für eine Übersicht der einzelnen gesetzlichen Regelungen in den Bundesstaaten 10 Williston on Contracts § 27:2. 374 9 Williston on Contracts § 21:1. 375 37 CJS Statute of Frauds § 114, für Einzelheiten § 116; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:5.2 (S. 1-29 f.).

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und deren Wille zum Abschluss des Vertrags müssen feststellbar sein.376 Letztendlich genügt eine schriftliche Bestätigung des Inhalts der mündlichen Abrede, um den formellen Voraussetzungen zu genügen.377 Inhaltlich muss der Kaufvertrag die Parteien und das betreffende Grundstück genau bezeichnen, die jeweiligen Verpflichtungen (Verkauf und Kaufpreiszahlung) enthalten und, sofern erforderlich, eine Gegenleistung (consideration) nennen.378 Die nach den Statute of Frauds erforderliche Form entspricht wohl am ehesten der deutschen Textform in § 126b BGB. Insgesamt wirkt das Formerfordernis jedoch nur mittelbar über das Prozessrecht. Ein Kaufvertrag über ein Grundstück kann stets auch nur mündlich geschlossen werden.379 Er ist dann jedoch nicht gerichtlich durchsetzbar. Die fehlende Durchsetzbarkeit führt dazu, dass in der Praxis nahezu alle Verträge über Grundstücksrechte schriftlich geschlossen und auch von beiden Parteien unterschrieben werden. bb) Zweck Der Zweck der Schriftform geht auf das englische Gesetz aus dem Jahre 1677 zurück und ergibt sich aus seinem Namen („An Act for prevention of Frauds and Perjuries“) hervor. Die Beschränkung des Nachweises eines Anspruchs aus einem Grundstückskaufvertrag sollte betrügerische Ansprüche und den Meineid vor Gericht verhindern.380 Vor Erlassung des Gesetzes war es auf Grund des damaligen Prozessrechts möglich gewesen, das Bestehen eines Grundstückskaufvertrags durch einen mündlichen Vortrag vor den Geschworenen nachzuweisen.381 Sofern diese einer (falschen) Zeugenaussage Glauben schenkten, konnte eine Verurteilung erfolgen, obwohl nie ein Vertragsschluss

376 37 CJS Statute of Frauds § 141; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:5.2 (S. 1-33 f.). 377 37 CJS Statute of Frauds § 141; ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 131; siehe auch Drake v. Livesay, 341 S.E.2d 186, 231 Va. 117 (Virginia 1986). Der Verkäufer hatte in einem Entschuldingungsschreiben an den Käufer bedauert, dass er das Grundstück trotz mündlichem Vertrag an einen Dritten verkaufte. Im Einzelfall kann auch der spätere deed noch als Bestätigung dienen, sofern er den Vertragsinhalt aufweist; 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 221. 378 37 CJS Statute of Frauds §§ 120 ff.; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:5.2 (S. 1-30 ff.). 379 Ein Grund hierfür ist sicher auch der vorherrschende Gedanke von der Privatautonomie, deren Beschränkung auch ein Formerfordernis darstellt. Siehe zur Verfassungsmäßigkeit von Formvorschriften 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 3. 380 Deshalb wird das Statute of Frauds teilweise auch als Verteidigungs- und nicht als Angriffsmittel beschrieben: „a shield and not a sword“. 1 California Real Estate § 1:72; Laack v. Dimmick, 95 Cal.App.2d 456, 466, 273 P. 50 (Cal. 1928). 381 Hunter, Modern Law of Contracts, § 7:18. Siehe hierzu auch Rabel, 63 L.Q.Rev. 174, 174 (1947), der die historische Entwicklung rechtsvergleichend betrachtet.

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stattgefunden hatte.382 Solche Fälle häuften sich über die Jahre und zwangen den Gesetzgeber dazu, das Statute of Frauds zur Verhinderung betrügerischer Ansprüche zu erlassen.383 Der ursprüngliche Zweck wurde zwar im Laufe der Jahre durch weitere ergänzt, er ist jedoch weiterhin zentraler Bestandteil.384 Die Formvorschrift soll auch dazu dienen, den Parteien die Möglichkeit zum Überdenken des Geschäfts zu geben und zu verhindern, dass diese unbedacht handeln.385 Sie erfüllt folglich neben der Beweiswirkung auch eine Warnfunktion und dient zur Abgrenzung zwischen einer reinen Verhandlung und dem eigentlichen Vertragsschluss.386 cc) Heilung durch teilweise Erfüllung – Part performance Sofern die Parteien den Grundstückskaufvertrag nicht schriftlich abgefasst haben, besteht unter dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der part performance,387 bei teilweise erfolgter Erfüllung des Vertrags, die Möglichkeit, die Ansprüche trotzdem gerichtlich geltend zu machen bzw. sich gegen eine Rückabwicklung zu wehren. In diesem Zusammenhang passt der Begriff der Heilung nicht genau, da ein Verstoß gegen das Statute of Frauds gerade keine Unwirksamkeit im Sinne einer Nichtigkeit nach sich zieht, sondern nur prozessual wirkt. Die Ergebnisse sind letztendlich wie bei der Heilung das Verhindern der Rückabwicklung sowie die Durchsetzung der noch nicht erbrachten Leistung. Die Idee der part performance ist, dass, sofern bereits Leistungen ausgetauscht worden sind, kein Beweis mehr für das Bestehen eines Vertrags notwendig ist.388 Die part performance setzt voraus, dass sich die Parteien in angemessener Weise auf das Bestehen des Vertrags verlassen haben, Leistungen im Zusammenhang mit dem Vertrag bereits geleistet worden sind und eine Rück-

382 Erschwerend kam hinzu, dass die Parteien prozessrechtlich selbst keine Aussage vor Gericht treffen konnten. Der Beeinflussung von Zeugen und der Anstiftung zum Meineid waren somit Tür und Tor geöffnet; Hunter, Modern Law of Contracts, § 7:18. Siehe auch 9 Williston on Contracts § 21.1. 383 Siehe hierzu die Einleitung zum Gesetz: „For prevention of many fraudulent Practices which are commonly endeavoured to be upheld by Perjury and Subornation of Perjury“. 384 37 CJS Statute of Frauds § 63; Hunter, Modern Law of Contracts, § 7:18. 385 Rabel, 63 L.Q.Rev. 174, 178 (1947); Recent Statute, 68 Harv. L. Rev. 383, 384 (1954). 386 9 Williston on Contracts § 21.1; Recent Statute, 68 Harv. L. Rev. 383, 384 (1954). Siehe zu den Funktionen des Statute of Frauds auch Kidwell, 44 St. Louis U.L.J. 1427, 1429 f. (2000). 387 Siehe hierzu auch Heiss, Formmängel und ihre Sanktionen, 1999, S. 296 ff. 388 ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 145; 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 313; Hunter, Modern Law of Contracts, § 7:36. Siehe zum Zweck ausführlich Perillo, 43 Fordham L. Rev. 39, 48 ff. (1974).

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

abwicklung unangemessen ist.389 Anerkannt ist, dass zumindest die Übergabe des deed und der damit verbundene Eigentumsübergang ausreichen, um die Gegenleistung des Vertrags vor Gericht einklagen zu können.390 Der Käufer kann sich in diesem Fall nicht auf das Fehlen eines schriftlichen Vertrags berufen und die Kaufpreiszahlung verweigern. Dem Verkäufer ist es hingegen nicht möglich, die Rückabwicklung und somit die Herausgabe des bereits übertragenen Eigentums zu verlangen. Weitere Voraussetzungen können die Erlangung des Besitzes am Grundstück391 und die Vornahme von Verbesserungen oder Reparaturen392 sein. Die Kaufpreiszahlung alleine reicht in der Regel nicht aus, sie muss mit einer der oben genannten Handlungen zusammentreffen.393 Unter den jeweiligen Voraussetzungen der part performance entsteht ein gerichtlich durchsetzbarer Vertrag, ohne dass der Schriftform des Statute of Frauds entsprochen wurde. In Ausnahmefällen ist auch ein mündlicher Vertrag gerichtlich durchsetzbar, sofern eine unangemessene Härte für den anderen Teil nur durch Erfüllung des Vertrags verhindert werden kann (Grundsatz des estoppel).394 b)

Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit

Sofern den Voraussetzungen des Statute of Frauds entsprochen wurde oder ein Fall der part performance vorliegt, ist der Kaufvertrag für beide Seiten verbindlich. Die Verbindlichkeit wird hingegen durch Bedingungen im Kaufvertrag beschränkt, die es den Parteien erlauben, sich unter bestimmten Voraussetzungen vom Vertrag zu lösen. Dies ist regelmäßig hinsichtlich der Finanzierung und des Vorliegens eines nicht behebbaren Rechtsmangels, der erst im Rahmen der title search zum Vorschein kommt, der Fall. Solche Klauseln stellen sicher, dass sich sowohl der Käufer (beim Scheitern der Finanzierung) als auch der Verkäufer (beim Vorliegen eines unbehebbaren Rechtsmangels) ohne Schadensersatzpflicht vom Vertrag lösen können.

389 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:5.4 (S. 1-42); 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 319; ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 178 cmt. f. Siehe beipielsweise Brunette v. Vulcan Materials Co., 256 N.E.2d 44, 47, 119 Ill.App.2d 390 (Ill. 1970). 390 10 Williston on Contracts § 27:20. 391 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds § 326. 392 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds §§ 338 ff.; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:5.4 (S. 1-43 f.). 393 72 Am. Jur. 2d Statute of Frauds §§ 350 f.; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 1:5.4 (S. 1-44). 394 ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, Rn. 129, 139; 10 Williston on Contracts § 27:13 ff. Siehe zur Abgrenzung bzw. Überschneidungen zur part performance Note, 3 Stan. L. Rev. 281 (1951).

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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Sobald ein verbindlicher Kaufvertrag besteht, ist beiden Seiten die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche möglich. Der Käufer kann die Übertragung des Eigentums und der Käufer die Kaufpreiszahlung bzw. einen entsprechenden Schadensersatz verlangen. Das Common Law kennt einen Erfüllungsanspruch zwar nur unter bestimmten Voraussetzungen und geht im Regelfall von einem Schadensersatzanspruch aus. Die speziellen Voraussetzungen, die für einen Erfüllungsanspruch (specific performance) erforderlich sind,395 liegen beim Anspruch auf Eigentumsübertragung jedoch vor. Ein Schadensersatzanspruch befriedigt in diesem Zusammenhang die Interessen des Käufers nicht ausreichend, da ein Grundstück eine einzigartige, nicht ersetzbare Sache ist. c)

Zusammenfassung

Das Bedürfnis der Parteien nach der Verbindlichkeit des Kaufvertrags wird durch die Erfüllung der Schriftform gewährleistet. Sie ermöglicht eine gerichtliche Durchsetzung. Einzelne Bedingungen können ein Lösen vom Vertrag auf Grund von Tatsachen, die außerhalb des Einflussbereichs der Parteien stehen, vorsehen. Weiterhin ist eine „Heilung“ bei Verstoß gegen die Schriftform unter sehr niedrigen Voraussetzungen möglich. Beide Parteien können im Fall der part performance von einer Verbindlichkeit des Kaufvertrags und der Einklagbarkeit der Ansprüche ausgehen. 3.

Rechtvergleichende Betrachtung

Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Deutschland müssen die Parteien eines Grundstückskaufvertrags besondere Formvorschriften einhalten, um einen verbindlichen Vertrag zu schließen. Im angloamerikanischen Recht gelten jedoch weitaus geringere Anforderungen. Die Abfassung des Kaufvertrags in einem schriftlichen Dokument ist vollkommen ausreichend. In Deutschland muss hingegen zwingend ein Notar mitwirken. Diese hohe Förmlichkeit führt dazu, dass der Abschluss des Kaufvertrags mit größeren Hindernissen, einem zeitlichen Mehraufwand und in der Regel höheren Kosten verbunden ist. Der Zeitpunkt, zu dem eine Bindung für beide Parteien besteht, unterscheidet sich zwischen beiden Ländern nicht zuletzt auf Grund der unterschiedlichen Anforderungen an die Form. In den Vereinigten Staaten wird eine Bindung an den Kaufvertrag sehr früh, meist unmittelbar nach Einigung über den Kaufpreis, durch das Unterzeichnen eines standardisierten Formulars hergestellt. Die Eigentumsübertragung und Kaufpreiszahlung erfolgen erst zu einem späteren Zeitpunkt. Die in Deutschland erforderliche Mitwirkung des Notars verschiebt die Verbindlichkeit hingegen nach hinten. Dies führt in der Regel zu einem Zusammenfallen von Vertragsschluss und 395

Siehe hierzu oben S. 23.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Erklärung der Auflassung in einer notariellen Urkunde und somit zu einem einzigen Notartermin. Beide Rechtsordnungen entsprechen dem Interesse der Parteien an der Verbindlichkeit des Kaufvertrags in geringfügig abweichender Art. Sie sorgen jeweils für Planungssicherheit der Parteien. Der „späte“ Zeitpunkt in Deutschland ist sicher in Einzelfällen mit Nachteilen verbunden, da einerseits ein gewisser Zeitraum der Unsicherheit beider Seiten besteht und andererseits eine schnelle Verbindlichkeit nicht ohne Weiteres möglich ist.396 Vorteile des notariellen Verfahrens sind neben der Möglichkeit, das Geschäft zu überdenken, vor allem die vom Notar gewährte Beratung und Aufklärung. Weitere Unterschiede bestehen in der Heilungsmöglichkeit bei einem Verstoß gegen die erforderliche Form. In Deutschland ist eine solche grundsätzlich in § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehen. Auf Grund des § 925a BGB ist sie jedoch nur in wenigen Ausnahmefällen überhaupt möglich. Die für die Heilung erforderliche Eintragung ist ohne das Vorliegen eines notariellen Dokuments nicht möglich, sodass letztendlich die Heilung eines mündlichen Vertrags ausscheidet. In den Vereinigten Staaten ermöglicht die part performance hingegen auch die Durchsetzbarkeit von mündlichen Grundstückskaufverträgen. Ein materieller Anspruch auf Übertragung des Eigentumsrechts kann in beiden Rechtsordnungen ohne Weiteres gerichtlich durchgesetzt werden. Das Common Law kennt zwar einen Erfüllungsanspruch nur in Ausnahmefällen, die Voraussetzungen der specific performance liegen jedoch beim Grundstückseigentum stets vor. Insgesamt wird den Interessen von Käufer und Verkäufer an die Verbindlichkeit und Durchsetzbarkeit des Kaufvertrags in beiden Rechtsordnungen ausreichend entsprochen. Es bestehen Unterschiede, die sowohl Vor- als auch Nachteile nach sich ziehen. Gerade die Durchsetzbarkeit des Eigentumsübertragungsanspruchs ist in Deutschland durch die Vormerkung weitaus besser geschützt. Dies wird im Zusammenhang mit der Abwicklung des Geschäfts im folgenden Abschnitt ausführlich erörtert. III. Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung Im Mittelpunkt der Interessen von Käufer und Verkäufer steht bei Grundstücksgeschäften der Austausch von Kaufpreis und Eigentum. Das Risiko, einen beträchtlichen finanziellen Schaden zu erleiden, ist hier am höchsten. Deshalb besteht die Bereitschaft der Parteien, ihre jeweiligen Leistungen zu erfüllen, nur, wenn sie im Gegenzug die Leistung des anderen Teils erhalten bzw. schon erhalten haben. Im Grundstücksrecht ist jedoch eine gleichzeitige 396

Vorverträge zwischen Privatpersonen sind in Deutschland eher unüblich. Vorverträge unterliegen in der Regel der Form des § 311b Abs. 1 BGB; siehe hierzu Wolf, DNotZ 1995, 179.

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Leistung von Kaufpreis und Eigentum nicht ohne Weiteres möglich. Dem steht schon die Unmöglichkeit der Übergabe von Grundeigentum entgegen. Nach deutschem Recht ist zudem die Eintragung im Grundbuch für einen wirksamen Eigentumsübergang erforderlich. Im angloamerikanischen Recht reicht zwar die Übergabe des deed aus, völlige Sicherheit hat der Erwerber jedoch erst, wenn das erworbene Grundstücksrecht auch im Register erfasst wurde und er so vor weiteren Verfügungen des Veräußerers geschützt ist. Weiterhin erschwert die Einbindung eines Kreditgebers die Abwicklung des Austauschs der jeweiligen Leistungen. Der Käufer kann den Kaufpreis in diesem Fall nur erfüllen, sofern der Kreditgeber die Kreditsumme an ihn ausgezahlt hat. Dieser nimmt eine Auszahlung wiederum nur vor, sofern er Inhaber eines Grundpfandrechts ist bzw. dessen Erwerb sicher ist. Hierfür muss der Erwerber jedoch selbst Eigentümer sein. Der Veräußerer ist jedoch nicht ohne Weiteres bereit, eine Belastung an seinem Grundstück vornehmen zu lassen, ohne hierfür selbst seine Gegenleistung zu erhalten. Sowohl das deutsche als auch das angloamerikanische Recht stellen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, die eine sichere Abwicklung des Grundstücksgeschäfts gewährleisten. Trotz der grundlegenden Unterschiede in der Ausgestaltung des Grundstücksrechts bestehen zwischen den einzelnen Verfahren grundsätzliche Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen. 1.

Abwicklung unter Mitwirkung des Notars

Die Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung erfolgt in Deutschland unter der Mitwirkung eines Notars. Für den Konflikt zwischen Käufer und Verkäufer während der Abwicklung sieht das Gesetz zunächst keine Lösung vor. Ein Eigentumsvorbehalt durch die Bedingung der Auflassung ist im Grundstücksrecht nicht möglich.397 Das Gesetz untersagt dies ausdrücklich in § 925 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Klarheit des Grundbuchs. Dieses soll die tatsächliche Eigentumslage darstellen und nicht etwa mit Bedingungen, deren Eintritt nicht aus dem Grundbuch selbst erkennbar ist, belastet sein.398 Die kautelarjuristische Praxis hat diese gesetzliche Lücke durch verschiedene Gestaltungen des Abwicklungsverfahrens geschlossen.399 Im Folgenden werden nur die Abwicklungsformen dargestellt, die für beide Seiten ausreichende Sicherheit gewährleisten und so deren Sicherungsinte397 Siehe für Einzelheiten Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 925 Rn. 26; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 93. 398 Im Gesetzgebungsprozess war teilweise die Möglichkeit der Bedingung der Auflassung gefordert worden, gerade um den Konflikt im Rahmen der Abwicklung von Grundstücksgeschäften begegnen zu können. Diese Ansicht konnte sich jedoch nicht durchsetzen; siehe m.w.N. Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 92. 399 Dieckmann, BWNotZ 2008, 134, 134 f.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 329.

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ressen zufriedenstellend erfüllen. Natürlich ist stets auch die Vorleistung eines Teils, etwa durch die Kaufpreiszahlung vor oder nach der Eintragung des Eigentums bzw. der Eigentumsvormerkung, möglich. Beide Fälle garantieren jedoch weder für den Käufer noch Verkäufer eine ausreichende Sicherheit. Es besteht jeweils die Gefahr, die Gegenleistung nicht zu erhalten. Die verschiedenen Abwicklungsalternativen unterscheiden sich lediglich hinsichtlich der Ausgestaltung von Kaufpreiszahlung und Auflassung. Der grundsätzliche Ablauf des Verfahrens folgt jeweils einem ähnlichen Muster. Nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags wird die Eintragung einer Vormerkung zu Gunsten des Käufers zur Absicherung seines Eigentumsverschaffungsanspruchs beantragt. Sobald die Eintragung erfolgt ist, nimmt der Käufer die Zahlung des Kaufpreises vor. Daraufhin leitet der Notar die Auflassung der Parteien an das Grundbuchamt weiter, die durch Eintragung im Grundbuch den Übergang des Eigentumsrechts bewirkt. a)

Eintragung der Eigentumsvormerkung

Die Eigentumsvormerkung (§ 883 Abs. 1 BGB) ist ein vorläufiges Sicherungsmittel zur Überbrückung der Risikophase des Käufers zwischen Abschluss des Kaufvertrags und Eintragung im Grundbuch. Der Kaufvertrag verschafft ihm zwar einen durchsetzbaren Anspruch, Verfügungen des Eigentümers oder Zwangsverfügungen Dritter schließt der nur schuldrechtlich wirkende Vertrag jedoch nicht aus.400 Die Eigentumsvormerkung bewirkt die relative Unwirksamkeit aller Verfügungen, die den Anspruch des Käufers auf Verschaffung des Eigentumsrechts vereiteln oder beeinträchtigen, § 883 Abs. 2 Satz 1 BGB.401 Die Bewilligung einer Vormerkung zur Sicherung des Eigentumsübertragungsanspruchs des Käufers ist bereits im notariellen Kaufvertrag enthalten.402 Nach Abschluss des Kaufvertrags reicht der beteiligte Notar den Antrag auf Eintragung der Vormerkung beim Grundbuchamt ein. Die Eintragung einer Vormerkung beeinträchtigt das Grundstücksrecht des Verkäufers unmittelbar, da sie dessen Verkehrsfähigkeit einschränkt.403 Deshalb muss für den Fall des Scheiterns des Kaufvertrags nach Eintragung der Vormerkung Vorsorge für deren Löschung getroffen werden.404 Der Ei400

Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 870. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 202; Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 49 f.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 921. 402 Siehe etwa das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort IV. Abs. 3. 403 Siehe zu dieser Problematik der Vorleistung des Verkäufers ausführlich Hagenburcher, MittBayNot 2003, 249. 404 Durch den Untergang des Eigentumsverschaffungsanspruchs geht die Vormerkung auf Grund des Fehlens eines zu sichernden Anspruchs unter, sie befindet sich jedoch nach wie vor im Grundbuch; Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 424. 401

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gentümer hat zwar einen Anspruch auf Löschung der Vormerkung, für dessen Durchsetzung ist allerdings eventuell ein gerichtliches Verfahren, das wiederum zeit- und kostenintensiv sein kann, erforderlich. Aus diesem Grund enthält bereits der Kaufvertrag eine Regelung, die die Löschung der Vormerkung bei dessen Scheitern betrifft. Regelmäßig gibt der Käufer im Kaufvertrag bereits eine Löschungsbewilligung ab, die der Notar im Fall des Scheiterns beim Grundbuch einreichen kann.405 aa) Voraussetzungen Für die Wirksamkeit einer Vormerkung müssen drei inhaltlich übereinstimmende Voraussetzungen vorliegen. Es sind ein vormerkungsfähiger Anspruch, die Bewilligung des betroffenen Rechtsinhabers und die Eintragung im Grundbuch erforderlich.406 Nicht nur der Eigentumsverschaffungsanspruch aus § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB ist vormerkungsfähig, sondern sämtliche schuldrechtliche Ansprüche auf Einräumung und Aufhebung eines dinglichen Rechts, § 883 Abs. 1 Satz 1 BGB.407 Der Schuldner des Anspruchs muss Inhaber des von der Vormerkung betroffenen dinglichen Rechts, also regelmäßig der Eigentümer des Grundstücks, sein (Identität).408 Ebenso müssen der Gläubiger des gesicherten Anspruchs und der Berechtigte der Vormerkung übereinstimmen.409 Weiterhin ist erforderlich, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch bereits entstanden bzw. bei künftigen oder bedingten Ansprüchen zumindest bestimmbar ist, § 883 Abs. 1 Satz 2 BGB.410 Zwischen dem schuldrechtlichem Anspruch und der Vormerkung besteht ein akzessorisches Verhältnis. Ein Erlöschen des Anspruchs hat folglich auch das Erlöschen der Vormerkung zur Folge.411 Das Grundbuch wird im Folgenden unrichtig, und der durch die Vormerkung belastete Rechtsinha-

405 Sogenannte Schubladenlöschungsbewilligung, Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 425; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 909; so auch im Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort II. § 8 Abs. 2. 406 Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 413; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1480. 407 Siehe für Einzelheiten Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 20 ff.; Schöner/ Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1483 ff. Siehe zu Vormerkungen beschränkter dinglicher Rechte Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 45 ff. 408 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 57 f.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1493; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 881. 409 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 69; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1494; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 881. 410 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 175 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1486 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 884 ff. 411 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 21 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1486.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

ber hat einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung (Löschung der Vormerkung).412 Damit die Vormerkung wirksam entstehen kann, ist neben den materiellen Voraussetzungen auch deren Eintragung im Grundbuch erforderlich. Da es sich bei der Vormerkung jedoch um kein Recht an einem Grundstück, sondern um ein Sicherungsrecht eigener Art413 handelt, ist keine Einigung nach § 873 Abs. 1 BGB, sondern lediglich die Bewilligung des Betroffenen414 erforderlich, § 885 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die einseitige Bewilligung ist grundsätzlich formlos möglich, dem Grundbuchamt muss sie jedoch in öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Form vorgelegt werden, §§ 19, 29 GBO. Der Verkäufer erteilt die Bewilligung der Eigentumsvormerkung im notariellen Kaufvertrag.415 Der Notar stellt daraufhin den Eintragungsantrag beim Grundbuchamt im Namen beider Parteien (§ 15 GBO). Dies verhindert eine einseitige Rücknahme des Antrags durch den Verkäufer.416 Die Eigentumsvormerkung wird in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen, § 12 Abs. 1 GBV.417 Die Eintragung muss den zu sichernden Anspruch418 und den Berechtigen benennen.419 Das Vorlegen des den Anspruch begründenden schuldrechtlichen Vertrags beim Grundbuchamt ist nicht erforderlich; diesem steht auch kein Prüfungsrecht zu.420 Es hat lediglich zu überprüfen, ob der zu sichernde Anspruch überhaupt vormerkungsfähig ist.421 Nach der Eintragung im Grundbuch entsteht die Vormerkung und entfaltet ihre Wirkung. bb) Wirkung Die Vormerkung sichert die Verwirklichung des durch sie gesicherten schuldrechtlichen Anspruchs. Sämtliche Verfügungen, die nach der Eintragung der 412 Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 414; Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 22. 413 Siehe hierzu m.w.N. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 328; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1479; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 895. 414 Im Übrigen besteht noch die Möglichkeit der einstweiligen Verfügung, § 885 Abs. 1 Satz 1 BGB. Siehe hierzu Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1548 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 900 ff. 415 So auch das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort IV. Abs. 3. 416 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1510. 417 Andere Vormerkungen erfolgen in die Abteilung, in die später das vorgemerkte Recht eingetragen wird. 418 Mit Datum, Name und Urkundsnummer des Urkundsnotars. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1514. 419 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1511. 420 H. M. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 885 Rn. 68; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1514; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 908. 421 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 885 Rn. 67.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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Vormerkung erfolgen und den gesicherten Anspruch vereiteln oder beeinträchtigen, sind dem Vormerkungsberechtigten gegenüber unwirksam, § 883 Abs. 1 Satz 1 BGB.422 Diese relative Unwirksamkeit von Verfügungen führt zu einer dinglichen Wirkung des schuldrechtlichen Anspruchs. Der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch ist – ebenso wie dingliche Rechte – insolvenz- und zwangsvollstreckungsfest, § 883 Abs. 2 Satz 2 BGB.423 Die Vormerkung entfaltet hingegen weder eine Verfügungsbeschränkung noch eine Grundbuchsperre.424 Der Rechtsinhaber kann weiterhin Verfügungen vornehmen, und das Grundbuchamt muss deren Eintragung auch vornehmen.425 Solche (vertragswidrigen) Verfügungen des Verkäufers nach der Eintragung der Eigentumsvormerkung, wie etwa eine Veräußerung an einen Dritten oder die Belastung des Grundstücks mit einem Grundpfandrecht, sind zunächst voll wirksam.426 Im Fall der Übertragung des Eigentums an einen Dritten kann sich der Verkäufer gegenüber dem Käufer nicht auf tatsächliche Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) berufen und die Eigentumsübertragung verweigern. Die der Vormerkung widersprechenden Verfügungen sind dem Inhaber der Vormerkung gegenüber unwirksam. Der ursprüngliche Eigentümer (Verkäufer) kann weiterhin den Vertrag erfüllen. Der Käufer kann die nach § 19 GBO erforderliche Bewilligung des eingetragenen Dritten verlangen, § 888 Abs. 1 BGB.427 Die Eintragung der Vormerkung hat zudem eine rangsichernde Wirkung.428 Der Rang des vorgemerkten Rechts richtet sich nach dem Zeitpunkt der Eintragung der Vormerkung, § 883 Abs. 3 BGB.429 Diese dient somit als

422

Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 202; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1519. 423 Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 406; Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 60 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1532 f. 424 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 203; Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 49; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 916. Die Lösung einer relativen Unwirksamkeit stellt den geringstmöglichen Eingriff in die Rechte des Inhabers bei zugleich großer Sicherheit des Käufers dar und ist somit im Gegensatz zu einer Verfügungsbeschränkung oder Grundbuchsperre, die die Verkehrsfähigkeit des Grundstücks aufhebt, sinnvoll; so Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 203 m.w.N. 425 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 203; Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 49; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 916. 426 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 244; Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 49. 427 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 245; Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 50; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 926. Eine Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB kann hingegen nicht gefordert werden, da das Grundbuch insoweit richtig ist. 428 Siehe zum „Rang“ der Vormerkung selbst Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 279 ff. 429 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 270 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1531 f.

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„Platzhalter“.430 Eine vormerkungswidrige Belastung des Grundstücks steht zwar einer Änderung des Eigentums nicht entgegen, sie beeinträchtigt jedoch die Rechtsmängelfreiheit und damit auch den Grundstückswert.431 Der Vormerkungsberechtigte kann nach Eintragung seines Rechts vom Inhaber des vormerkungswidrigen Rechts die Einwilligung zur Rangberichtigung verlangen, § 888 Abs. 1 BGB.432 Er erhält somit ein unbelastetes Recht. Die Sicherungswirkung der Vormerkung beginnt mit dem Zeitpunkt ihrer Eintragung.433 Sie bietet folglich nur Sicherheit gegen Verfügungen, die nach ihrer Eintragung erfolgen. Eine Vormerkung entfaltet keine Rückwirkung, sofern sie erst nach ihrer Eintragung wirksam wird; etwa bei einer aufschiebenden Bedingung oder Befristung und im Fall einer späteren Heilung.434 Ihre Wirkung setzt in diesen Fällen erst mit dem Eintritt der Bedingung, dem Ablauf der Befristung oder der Heilung ein.435 Hauptanwendungsfall der Heilung der Vormerkung ist die Unterverbriefung. In diesem Fall genießt der Käufer trotz eingetragener (und bezahlter) Vormerkung keine Sicherheit.436 Anders ist jedoch die Sicherung eines bedingten oder befristeten Anspruchs zu beurteilen. Die Vormerkung selbst ist nicht bedingt oder befristet, sodass der Zeitpunkt der Eintragung maßgeblich ist.437 Es ist Aufgabe des Notars, die ordnungsgemäße Vornahme der Eintragung der Vormerkung zu überprüfen.438 Vorher entfaltet die Vormerkung keinen Schutz für den Käufer. Eine Eigentumsvormerkung gewährt diesem eine so große Sicherheit, dass deren Eintragung alleine für die gefahrlose Vornahme der Kaufpreiszahlung ausreicht. Sobald die Eintragung erfolgt ist, kann er den Kaufpreis bezahlen. Zumindest durch eine Klage auf Erfüllung ist es ihm möglich, den nun dinglich gesicherten Anspruch auf Eigentumsübertragung in jedem Fall durchzusetzen. Sofern die Parteien auf eine Vormerkung ver-

430

So Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 917. Der Erwerber kann folglich die Kaufpreiszahlung verweigern; Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 308; Hertel, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 2 Rn. 153. 432 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 270. 433 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 225; Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 49. Im Fall des § 878 BGB, der entsprechend auf die Vormerkung anwendbar ist, beginnt der Schutz sogar bereits mit der Stellung des Eintragungsantrags. Siehe hierzu Gursky, in: Staudinger, BGB, § 878 Rn. 9. 434 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 225 ff. 435 Kohler, in: MüKo, BGB, § 883 Rn. 23. 436 Siehe etwa BGHZ 54, 56, 62 ff., Unterverbriefung, dann Heilung durch Auflassung und Eintragung; OLG Frankfurt DNotZ 1995, 539, 540, Unterverbriefung, dann jedoch Bestätigung des zunächst formunwirksamen Vertrags. 437 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 883 Rn. 229. 438 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1553. 431

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

321

zichten wollen, besteht eine besondere Gefahr, über die der Notar eingehend belehren muss.439 b)

Kaufpreiszahlung

Die Fälligkeit des Kaufpreises hängt neben der Eintragung der Eigentumsvormerkung von weiteren Voraussetzungen ab, vor allem von der Lastenfreistellung und dem Vorliegen der erforderlichen Genehmigungen.440 Der Notar wird von den Parteien mit der Herbeiführung der Fälligkeitsvoraussetzungen und deren Überprüfung beauftragt. Der Kaufvertrag sieht regelmäßig einen bestimmten bzw. angemessenen Zeitraum441 nach Eintritt aller Voraussetzungen für die Fälligkeit des Kaufpreises vor; bzw. die Benachrichtigung des Notars an den Käufer löst die Fälligkeit aus (Fälligkeitsmitteilung).442 Der Transfer des Kaufpreises vom Käufer an den Verkäufer erfolgt regelmäßig auf zwei verschiedene Arten. Entweder wird der Kaufpreis direkt oder indirekt über ein Anderkonto des Notars abgewickelt.443 aa) Direkte Abwicklung Die direkte Abwicklung der Kaufpreiszahlung gestaltet sich sehr einfach. Nach der Fälligkeitsmitteilung durch den Notar überweist der Käufer den Kaufpreis direkt auf das Konto des Verkäufers. Dieser wiederum informiert den Notar über den Zahlungseingang bzw. der Käufer weist den Zahlungseingang selbst nach.444 Der Notar kann jetzt die Auflassung beantragen und so als letzten Schritt die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch veranlassen.

439 Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 405; Hertel, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 2 Rn. 144 ff. Das Risiko ist nur in wenigen Fällen vertretbar. So etwa bei Geschäften mit Gebietskörperschaften, Kreditinstituten oder engen Angehörigen. 440 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 339 ff. Siehe auch das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort unter II. § 2 Abs. 1. 441 Meist sieben bzw. zehn Tage nach Zugang bzw. Absendung der Fälligkeitsmitteilung. 442 Krauß, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 96; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 345 f.; so auch das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort unter II. § 2 Abs. 1. 443 Siehe zu Besonderheiten bei der Kaufpreiszahlung wie Übernahme von Darlehensverbindlichkeiten oder Grundschulden durch den Käufer Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3153 ff. 444 Siehe Hagemann, in: Beck’sches Notar-HB, 2009, A. I. Grundstückskauf Rn. 256. Kritisch zum Nachweis der Zahlung durch den Käufer Eckhardt, DNotZ 1983, 96, der letztendlich eine Bestätigung des Zahlungseingangs durch den Verkäufer empfiehlt (S. 103).

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

bb) Treuhänderische Abwicklung über ein Notaranderkonto Bei der Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Anderkonto des Notars verwahrt dieser den Kaufpreis treuhänderisch, bis die Voraussetzungen der Auszahlung an den Verkäufer vorliegen.445 Ein Anderkonto ist ein bei einer Bank eingerichtetes offenes Treuhandkonto, das im Namen des Treuhänders446 auf Rechnung des Treugebers geführt wird.447 Das Guthaben auf dem Anderkonto ist von der Vermögensmasse des Treuhänders getrennt und so vor Zugriffen im Falle seiner Insolvenz geschützt.448 Die Wahl der Abwicklung der Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto ist nicht in jedem Fall möglich. Das Gesetz fordert, dass die Beteiligten ein berechtigtes Interesse an der Verwahrung haben müssen, § 54a Abs. 2 Nr. 1 BeurkG.449 Beim Fehlen eines solchen Interesses gebietet es die Amtspflicht des Notars, die Verwahrung abzulehnen. Die Beurteilung des Vorliegens eines berechtigten Interesses richtet sich nach objektiven Merkmalen. Der reine Wunsch der Parteien oder der finanzierenden Bank reicht alleine nicht aus.450 Ein berechtigtes Interesse kann bestehen, wenn bei der Abwicklung vorrangige Grundpfandrechte abgelöst werden, ein Grundpfandrecht vor Eigentumsübergang eingetragen werden soll oder die Eintragung der Eigentumsvormerkung erst nach Zahlung eines Teils des Kaufpreises erfolgen soll;451 aber auch, wenn sich das Grundstück bereits in der Zwangsversteigerung befindet.452 Weiterhin muss das im Einzelfall bestehende berechtigte Interesse ausschließlich oder besser durch die Abwicklung über ein Ander445

Die Abwicklung über ein Notaranderkonto ist vor allem in Norddeutschland üblich. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3152b. 446 Als Treuhänder sind nur bestimmte Berufsgruppen zulässig, darunter vor allem Notare und Rechtsanwälte. 447 Siehe ausführlich Lwowski, in: Bankrechts-HB, § 38 Anderkonto Rn. 1 ff. Siehe auch § 54b Abs. 1 Satz 1 BeurkG bzw. zu Details von Einrichtung und Kontoführung Renner, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 54a BeurkG Rn. 3 ff. 448 Lwowski, in: Bankrechts-HB, § 38 Anderkonto Rn. 8. Siehe Einzelheiten zur Insolvenz von Käufer, Verkäufer und Notar Renner, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 54a BeurkG Rn. 92 ff. 449 Dieses Erfordernis besteht erst seit der Einfügung des § 54a BeurkG durch Drittes Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung und anderer Gesetze vom 31.8.1998, BGBl. I, 2285. Siehe zur alten Rechtslage kurz Brambring, DNotZ 1999, 381, 381, zum Ganzen ausführlich Weingärtner, Das notarielle Verwahrungsgeschäft, 2004. 450 Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 759; Hertel, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 2 Rn. 661 ff.; Renner, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 54a BeurkG Rn. 5 ff. 451 Siehe hierzu Hagenburcher, MittBayNot 2003, 249, 256 ff. 452 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3152b; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 358; enger Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 772 ff. (besonderes berechtigtes Interesse). Siehe auch die Fallgruppen bei Renner, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 54a BeurkG Rn. 12 ff.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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konto erfüllt werden können.453 Insgesamt hat das vom Gesetzgeber eingeführte Erfordernis eines berechtigten Interesses dazu geführt, dass die direkte Abwicklung der Kaufpreiszahlung den Regelfall darstellt.454 Soweit ein berechtigtes Interesse vorliegt, kann die Abwicklung über ein Notaranderkonto erfolgen. Hierfür wird eine Verwahrungsvereinbarung455 geschlossen. Diese ist regelmäßig im Kaufvertrag enthalten, sofern bereits bei der Beurkundung die Abwicklung über ein Anderkonto feststand.456 Der vereinbarte Fälligkeitszeitpunkt entspricht in der Regel dem einer direkten Abwicklung, der Fälligkeitsmitteilung des Notars. Bei der treuhänderischen Abwicklung ist jedoch für die Fälligkeit des Kaufpreises die Eintragung der Eigentumsvormerkung nicht zwingend erforderlich. Der Kaufpreis verbleibt nach Zahlung zunächst auf dem Anderkonto und wird erst später an den Verkäufer ausgezahlt. Für den Käufer besteht keine Gefahr, den Kaufpreis ohne Gegenleistung zu verlieren. Auf diese Weise kann eine Vorleistung des Verkäufers in Form der Eigentumsvormerkung verhindert werden.457 Nachdem der Notar dem Käufer die Fälligkeit angezeigt und dieser den Kaufpreis auf das Anderkonto überwiesen hat, veranlasst der Notar die Eintragung der Eigentumsvormerkung. Sobald diese erfolgt ist und alle weiteren Auszahlungsvoraussetzungen458 vorliegen, kann die Auszahlung an den Verkäufer erfolgen.459 cc) Gegenüberstellung von direkter und indirekter Abwicklung Die direkte und indirekte Kaufpreiszahlungsabwicklung stehen zwar grundsätzlich nebeneinander, das Erfordernis eines berechtigten Interesses lässt die Verwahrung jedoch deutlich in den Hintergrund rücken. Beide Verfahren sind 453

Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 769. Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 754. 455 Siehe genauer zur Gestaltung und Durchführung Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 831 ff.; Hertel, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 2 Rn. 682 ff.; Renner, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 54a BeurkG Rn. 37 ff. 456 Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3152b. Zudem ist die Aufnahme einer fakultativen Verwahrungsvereinbarung in den Kaufvertrag empfehlenswert; so auch das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort unter II. § 2 Abs. 3. Sofern die Verwahrungsvereinbarung im Kaufvertrag enthalten ist, erfolgt deren Annahme durch den Notar regelmäßig konkludent; Renner, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 54a BeurkG Rn. 83. 457 Siehe hierzu den Vorschlag von Hagenburcher, MittBayNot 2003, 249, 256 f. 458 Siehe hierzu Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 861 ff.; Renner, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 54a BeurkG Rn. 75 ff. 459 Zu welchem Zeitpunkt Erfüllung eintritt, ist bisher nicht höchstrichterlich geklärt (ausdrücklich offen gelassen von BGH NJW 1994, 1403, 1404). Dies sollte deshalb vertraglich geregelt werden; beispielsweise mit Auszahlungsreife; so Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 836. 454

324

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

jeweils mit besonderen Vor- oder Nachteilen behaftet. Die Verwendung eines Notaranderkontos ermöglicht es zunächst, die Eintragung der Eigentumsvormerkung auf einen Zeitpunkt nach Zahlung bzw. Anzahlung des Kaufpreises zu verschieben und so eine Vorleistung des Verkäufers zu vermeiden.460 Das Anderkonto erleichtert weiterhin die Abwicklung einer Kaufpreisfinanzierung durch verschiedene Banken und die Ablösung verschiedener Gläubiger zur Lastenfreistellung.461 Sinnvoll ist die treuhänderische Abwicklung, wenn die Kaufpreiszahlung oder der Besitzwechsel vor der Lastenfreistellung erfolgen soll462 oder eine frühe Zahlung steuerliche Vorteile bietet463. Gleiches gilt beim Wunsch der Vereinbarung eines festen Fälligkeitstermins.464 Die vorteilhaften Möglichkeiten des Anderkontos können jedoch meist auch durch eine bestimmte Konstruktion der direkten Kaufpreisabwicklung erreicht werden. Das Notaranderkonto ist deshalb nur in wenigen Fällen die tatsächlich einzige Alternative zur Vermeidung eines bestimmten Risikos bzw. zur Erzielung eines bestimmten Ergebnisses.465 Die treuhänderische Abwicklung zieht jedoch auch Nachteile nach sich. Hierzu gehört neben den finanziellen Nachteilen durch Zinsverlust und den zusätzlich entstehenden Kosten466 auch ein erhöhtes Haftungsrisiko des Notars467. Weiterhin wird der Notar bei Konflikten nach erfolgter Einzahlung des Kaufpreises auf das Anderkonto unmittelbar in die Streitigkeit zwischen Käufer und Verkäufer einbezogen. Er muss letztendlich entscheiden, ob er eine Auszahlung vornimmt oder nicht.468 Insgesamt gewährt die direkte Abwicklung ausreichende Sicherheit für beide Teile und bietet zudem genug Flexibilität, um auf zahlreiche Einzelfälle einzugehen. Nicht ohne Grund sehen Gesetzgeber und Praxis469 dies als Regelfall an. Letztendlich kommt es auf die Entscheidung des Notars unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls an, welche Form der Kaufpreisabwicklung er den Parteien vorschlägt.

460

Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 784. Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 775. 462 Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 785 f. 463 Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 794 f. 464 Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 797; Hertel, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 2 Rn. 664. 465 Siehe jeweils die Anmerkungen bei Brambring, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 774 ff. 466 Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 803. 467 Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 805. 468 Tönnies, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 808. 469 Siehe etwa Brambring, in: Beck’sches Notar-HB, 2009, A. I. Grundstückskauf Rn. 1, der die Nennung der Abwicklung über ein Anderkonto in Vertragsmustern kritisiert. 461

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

325

dd) Schutz des Verkäufers Im Rahmen der Kaufpreiszahlung bedarf nicht nur der Käufer, sondern auch der Verkäufer Schutz vor Nichtzahlung des Käufers. Neben der Möglichkeit der Zahlung vor Eintragung der Eigentumsvormerkung auf ein Notaranderkonto, der Geltendmachung des Verzugsschadens und dem Rücktritt vom Vertrag unterwirft sich der Käufer meist bereits im Kaufvertrag der sofortigen Zwangsvollstreckung.470 Der Verkäufer hat so die Möglichkeit, bei Nichterfüllung ohne großes gerichtliches Verfahren direkt gegen den Käufer vorzugehen. Natürlich gewährleistet dies keinen Schutz vor dessen Zahlungsunfähigkeit.471 c)

Auflassung

Nachdem der Käufer den Kaufpreis gezahlt hat sowie alle für den Eigentumswechsel erforderlichen Genehmigungen und Bescheinigungen vorliegen, kann die Beantragung der Eintragung der Auflassung im Grundbuch erfolgen. Die Erklärung der Auflassung vor dem Notar (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB) erfolgt entweder bereits mit Abschluss des Kaufvertrags oder nach der Eintragung der Eigentumsvormerkung und Zahlung des Kaufpreises. Der Verkäufer verliert durch Auflassung und Eintragung sein Eigentumsrecht und bedarf deshalb eines besonderen Schutzes. Eine Abwicklungsalternative stellt die materiell-rechtliche Lösung dar. Die Auflassung erfolgt in einem erneuten Notartermin nach der Eintragung der Eigentumsvormerkung und der Zahlung des Kaufpreises.472 In diesem Fall ist der Käufer auf die Mitwirkung des Verkäufers angewiesen, der seine Leistung bereits erhalten hat. Verweigert der Verkäufer die Auflassung, muss der Käufer im Zweifel ein gerichtliches Verfahren durchführen. Als Alternative erfolgt die Erklärung der Auflassung bereits bei Abschluss des Kaufvertrags, bei gleichzeitiger Abhängigkeit von der Kaufpreiszahlung. Dem steht jedoch die Bedingungsfeindlichkeit der Auflassung entgegen, § 925 Abs. 2 BGB. Die notarielle Praxis hat deshalb Abwicklungsformen geschaffen, die faktisch die Eintragung der Auflassung von der Bedingung der Kaufpreiszahlung abhängig machen (beurkundungs- und verfahrensrecht-

470

Krauß, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 245 ff.; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 331; so auch das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort unter II. § 2 Abs. 5. Siehe zur vollstreckbaren Urkunde ausführlich Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 53 BeurkG Rn. 3 ff. 471 Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1 Fn. 16 bezeichnet sie deshalb als „Scheinsicherheit“. 472 Diese wird vor allem von Kanzleiter, DNotZ 1996, 242; Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 925 Rn. 30 und Wolfsteiner, Rpfleger 1990, 505 favorisiert.

326

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

liche Lösung).473 Beide Lösungsmöglichkeiten werden in der Praxis verwendet, wenn auch die gemeinsame Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung der Regelfall ist.474 aa) Materiell-rechtliche Lösung Bei der materiell-rechtlichen Lösung findet die Auflassung nach Eintragung der Eigentumsvormerkung und Zahlung des Kaufpreises statt. Sie wird in einem erneuten Notartermin durch Käufer und Verkäufer erklärt. Um zu verhindern, dass beide Parteien erneut vor dem Notar auftreten müssen, wird in der Praxis teilweise mit Vollmachten gearbeitet. Hierbei tritt der Käufer bei der Auflassung als Vertreter ohne Vertretungsmacht auch für den Verkäufer auf und der Notar hält eine bereits vorher erteilte Genehmigung der Vertretung des Verkäufers bis zur Kaufpreiszahlung zurück (sogenanntes Karlsruher Modell).475 Ebenso kann eine Vollmacht an einen Mitarbeiter des Notars erteilt werden. Beide Lösungen sind jedoch nicht zu empfehlen, es besteht stets die Gefahr eines Widerrufs der Vollmacht bzw. der Genehmigung durch den Verkäufer.476 Der Bevollmächtigung von Mitarbeitern steht zudem § 17 Abs. 2a Satz 2 BeurkG sowie einer Richtlinienempfehlung der Bundesnotarkammer477 entgegen. Nachdem die Auflassung (unter Zuhilfenahme von Vertretern) erfolgt ist, beantragt der Notar deren Eintragung beim Grundbuchamt. Der Nachteil der separaten Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung ist das Risiko des Käufers, seinen Anspruch auf Eigentumsübertragung notfalls gerichtlich durchsetzen zu müssen.478 Zudem ist ein weiterer Notartermin erforderlich – sofern man die Vollmachtslösungen außer Acht lässt – für den sich beide Parteien Zeit nehmen müssen.479 Weiterhin entstehen durch eine getrennte Beurkundung höhere Kosten.480 473

Diese wird von Brambring, in: FS Hagen, 1999, S. 251 und Amann, MittBayNot 2001, 150 als verzugswürdige Lösung beurteilt; ähnlich Weser, MittBayNot 1999, 253, 262 (im Regelfall das geeignete Mittel); Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 145. 474 Brambring, in: FS Hagen, 1999, S. 251, 275; Keim, MittBayNot 2003, 21, 21; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 145; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 221. 475 Dieckmann, BWNotZ 2008, 134, 134 f. 476 So Krauß, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 449; eher unkritisch Dieckmann, BWNotZ 2008, 134, 134 f. 477 Bundesnotarkammer, DNotZ 1999, 258, 260. 478 Hier können sehr hohe Prozesskosten entstehen. Siehe die Berechnung bei Amann, MittBayNot 2001, 150, 153. Ähnliches gilt beim Tod des Verkäufers. Zeitintensiv kann die Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der Erben sein; siehe Brambring, in: FS Hagen, 1999, S. 251, 267. 479 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 335. 480 Brambring, in: FS Hagen, 1999, S. 251, 253; Krauß, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 447; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 335. Gerade die Rechtsprechung betrachtet die getrennte Auflassung auf Grund der höheren Kosten als die

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

327

bb) Beurkundungs- und verfahrensrechtliche Lösung Bei der beurkundungs- und verfahrensrechtlichen Lösung erklären Käufer und Verkäufer die Auflassung zeitgleich mit dem Abschluss des Kaufvertrags. In beiden Fällen liegen alle für die Eigentumsumschreibung erforderlichen Erklärungen vor, der Notar wird jedoch angewiesen, diese nicht vor Zahlung des Kaufpreises zu beantragen. Bei der beurkundungsrechtlichen Lösung vereinbaren die Parteien eine Vollzugs- und Ausfertigungssperre.481 Sie weisen den Notar an, vor Zahlung des Kaufpreises weder die Eigentumsumschreibung zu beantragen noch dem Käufer eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Urkunde mit Auflassung zu erteilen oder beim Grundbuchamt einzureichen.482 Der Notar reicht folglich die Urkunde zunächst nur teilweise ein,483 sie enthält lediglich die Eintragung der Eigentumsvormerkung und den notariellen Kaufvertrag, jedoch nicht die Auflassung. Der Käufer erhält ebenso nur eine unvollständige Urkunde, um dessen eigenständige Antragstellung der Eigentumsumschreibung zu verhindern.484 Sobald der Notar vom Verkäufer über den Zahlungseingang benachrichtigt wurde, können die Auflassung und Eigentumsumschreibung erfolgen. Die verfahrensrechtliche Lösung485 besteht in der gemeinsamen Erklärung der Auflassung bei gleichzeitiger Klarstellung, dass diese keine Eintragungsbewilligung enthält. Der Notar wird von den Parteien bevollmächtigt, die Eintragung (durch Eigenurkunde) zu bewilligen, sofern die Kaufpreiszahlung

schlechtere Lösung und sieht teilweise sogar eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 16 Abs. 1 KostO; so etwa OLG Köln MittRhNotK 1997, 328 (mit abl. Anm. Recker); OLG Düsseldorf DNotZ 1996, 324; OLG Düsseldorf DNotZ 1990, 674 (mit abl. Anm. Schmitz-Valckenberg); a.A. OLG Hamm MittBayNot 1998, 275. 481 So auch das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort unter IV. Abs. 2. 482 Krauß, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 453; Brambring, in: FS Hagen, 1999, S. 251, 271 ff.; Dieckmann, BWNotZ 2008, 134, 138 ff.; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 145. 483 Eine auszugsweise Ausfertigung der notariellen Urkunde ist nach §§ 42 Abs. 3, 49 Abs. 5 BeurkG möglich. 484 Dies ist nach § 51 Abs. 2 BeurkG möglich. Die Vereinbarung eines Antragsverzichts des Käufers bzw. einer verdrängenden Vollmacht des Notars, die teilweise in der notariellen Praxis verwendet wurde, ist unwirksam und bietet somit keinen Schutz vor einer Eigentumsumschreibung vor der Kaufpreiszahlung; OLG Frankfurt DNotZ 1992, 389, 391; so auch die h.M. in der Literatur Krauß, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 452; Brambring, in: FS Hagen, 1999, S. 251, 269 f.; Ertl, DNotZ 1975, 644; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 88, 183, jeweils m.w.N. 485 Sie geht auf Ertl, DNotZ 1975, 644, 646; Ertl, MittBayNot 1992, 102, 105 f. und Weser, MittBayNot 1999, 253 zurück; siehe aber auch schon Behmer, Rpfleger 1984, 306.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

erfolgt ist.486 Für die Eintragung im Grundbuch ist die Bewilligung als verfahrensrechtliche Voraussetzung neben der Auflassung erforderlich. Sie ist zwar grundsätzlich in der Erklärung der Auflassung enthalten, sofern die Parteien jedoch anderes klarstellen, kann eine Eintragung im Grundbuch nicht erfolgen.487 Beide Lösungen machen den Erwerb des Eigentumsrechts bzw. dessen Eintragung von der Kaufpreiszahlung abhängig. Es handelt sich jedoch um keine Bedingung im Sinne des § 925 Abs. 2 BGB, sodass dies einer Wirksamkeit der Auflassung nicht entgegensteht.488 Strittig ist nach wie vor, welche der beiden Lösungen die größte Sicherheit gewährleistet. Abschließend lässt sich diese Frage nicht beantworten, da beide Lösungen zumindest theoretische Risiken beinhalten und jeweils Vorteile bieten. Vor allem die materiell-rechtliche Lösung scheint jedoch zu einseitig den Verkäufer zu bevorteilen, da die Vornahme der Auflassung von seiner Mitwirkung abhängt und für ihn nach Erhalt des Kaufpreises kein unmittelbarer Anreiz zur schnellen Abwicklung besteht. Bei der grundbuchrechtlichen Lösung liegt diese Gefahr hingegen nicht vor. Nichtsdestotrotz beachtet sie auch die Interessen des Verkäufers. Eine Eigentumsumschreibung ist ohne die Zahlung des Kaufpreises, die vom Notar überwacht wird, nicht möglich. d)

Zusammenfassung

Die Sicherheit bei der Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang wird im deutschen Recht durch das Zusammenspiel von Eigentumsvormerkung und Abwicklung durch den Notar gewährleistet. Vor allem die Eigentumsvormerkung ermöglicht die weitgehend gefahrlose Zahlung des Kaufpreises durch den Käufer, da sie seinen schuldrechtlichen Übereignungsanspruch dinglich absichert. Zwischenverfügungen des Verkäufers sind nach Eintragung im Grundbuch ihm gegenüber unwirksam. Die Nutzung einer Vormerkung zur Sicherung des Käufers zieht zwar erhöhte Kosten489 nach sich, garantiert jedoch eine Sicherheit, die auf anderem Wege nicht zu erreichen ist. Sie ist letztendlich „unverzichtbares“ Sicherungsinstrument beim Grundstückserwerb.490 Zudem liegen sowohl bei der direkten als auch indirekten Abwicklung über ein Notaranderkonto mit Fälligkeit des Kaufpreises 486 Krauß, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 444; Brambring, in: FS Hagen, 1999, S. 251, 270 f.; Dieckmann, BWNotZ 2008, 134, 140 f.; Ertl, MittBayNot 1992, 102, 105 f.; Pfeifer, in: Staudinger, BGB, § 925 Rn. 145. 487 Siehe m.w.N. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 97; a.A. Kesseler, ZNotP 2005, 176. 488 LG München DNotZ 1950, 33; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3332. 489 Zusätzlich eine halbe Gebühr nach § 66 KostO. 490 So Brambring, in: Beck’sches Notar-HB, 2009, A. I. Grundstückskauf Rn. 50.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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alle vom Verkäufer zu erfüllenden Voraussetzungen des Eigentumserwerbs vor. Der Verkäufer kann folglich – sofern nicht die Auflassung getrennt erfolgt (materiell-rechtliche Lösung) – den Eigentumserwerb nicht mehr einseitig verhindern. Selbst bei der materiell-rechtlichen Lösung, die eine getrennte Beurkundung von Kaufvertrag und Auflassung vorsieht, kann der Käufer seinen Anspruch auf Eigentumsverschaffung auf Grund der Vormerkung auf jeden Fall, im Zweifel durch einen Prozess, durchsetzen. Bei der Verwendung einer Vormerkung muss der Verkäufer grundsätzlich in Vorleistung treten und sein Grundstück belasten, obwohl die Zahlung des Kaufpreises noch unsicher ist. Der Kaufvertrag kann dieses einseitige Risiko durch das Vorsehen einer Löschungsbewilligung des Käufers hinsichtlich der Vormerkung minimieren. So ist im Fall des Scheiterns des Vertrags eine Löschung der Vormerkung und somit die zügige Wiederherstellung der vollen Verkehrsfähigkeit des Grundstücks gewährleistet. 2.

„Sit-down“ und escrow closing

In den Vereinigten Staaten findet die Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung grundsätzlich in zwei verschiedenen Formen statt. Die einfachere ist die gleichzeitige Übergabe von Kaufpreis und deed, das sogenannte „sit-down“ closing. Sofern keine sofortige Zahlung erfolgt oder weitere Voraussetzungen zur Fälligkeit des Kaufpreises oder des Eigentumsübergangs erforderlich sind bzw. vereinbart wurden, kann die Abwicklung mit Hilfe eines Treuhänders erfolgen, das sogenannte escrow closing. Welche der beiden Arten im konkreten Fall Anwendung findet, richtet sich sowohl nach den Umständen des konkreten Geschäfts als auch nach den rechtlichen Erfordernissen und örtlichen Gebräuchen. Im Westen der Vereinigten Staaten wird in der Regel ein Treuhänder hinzugezogen, während im Osten ein direkter Austausch üblich ist.491 Teilweise treffen sich die Parteien oder deren Rechtsanwälte vor dem eigentlichen closing, um offene Fragen zu klären, Probleme zu lösen und Dokumente zu kontrollieren. Ein solches pre-closing492 sorgt für die problemlose und schnelle Durchführung des später stattfindenden tatsächlichen closing.493 491

Siehe Katheder, 29 U. Miami Inter-Am. L. Rev. 197, 2154 Fn. 94 (1998); Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 7:2. Deshalb werden auch die Begriffe New York style closing und California closing verwendet. In Kalifornien wird fast ausschließlich ein Treuhänder eingeschaltet, wobei dort wiederum Unterschiede in der konkreten Ausgestaltung zwischen dem Norden und Süden bestehen (Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:561). Vor allem in New York, aber auch in anderen Bundesstaaten, wie etwa Massachusetts, sind hingegen meist keine escrow agents beteiligt (Holtzschue on Real Estate Contracts and Closings, § 2:2.9 (S. 2-99); Mendler, Massachusetts Conveyancers’ Handbook with Forms, § 21:5). 492 Auch dry closing. 493 Siehe Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 7:6.

330 a)

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Direkter Austausch von Kaufpreis und deed – „sit-down“ closing

Die einfachste Form der Abwicklung des Kaufvertrags im Rahmen des closing ist der gleichzeitige Austausch von Kaufpreis und Übertragungsurkunde. Bei diesem „sit-down“ closing treffen sowohl Käufer und Verkäufer als auch Kreditgeber und Rechtsmängelversicherer an einem Tisch aufeinander und nehmen unmittelbar alle erforderlichen Handlungen vor. Zunächst überprüfen die Parteien bzw. deren Rechtsanwälte,494 ob die vom Verkäufer ausgestellten Übertragungsurkunden (der deed und der mortgage deed) den rechtlich erforderlichen inhaltlichen Voraussetzungen entsprechen und zur Übertragung eines Grundstücksrechts dienen können. Weiterhin wird geprüft, ob der Verkäufer tatsächlich Inhaber der zu übertragenden Rechte ist. Eine title search wurde zwar bereits durch einen Rechtsanwalt oder den Rechtsmängelversicherer nach Abschluss des Kaufvertrags durchgeführt, diese liegt jedoch schon einen gewissen Zeitraum zurück. Die Rechtslage am Grundstück kann sich zumindest theoretisch mittlerweile geändert haben. Der Rechtsmängelversicherer hat deshalb vor dem closing geprüft, ob zwischenzeitlich Rechtsänderungen erfolgt sind.495 Mit der positiven Bestätigung übernimmt der Versicherer den Schutz für möglicherweise unerkannt gebliebene Rechtsmängel.496 Der Rechtsübergang findet zwar direkt durch die Übergabe des deed statt, erst dessen Registrierung verhindert jedoch den gutgläubigen Erwerb eines Dritten. Deshalb findet das closing teilweise nach Geschäftsschluss des Registeramts statt, um dem Käufer zu ermöglichen am nächsten Morgen als Erster die Registrierung vornehmen zu können.497 Sofern das closing direkt im Registeramt durchgeführt wird, kann es auch kurz für die Vornahme der Registrierung der Urkunden unterbrochen werden, oder die Urkunden werden direkt im Anschluss an die Übergabe dem Registeramt vorgelegt. Die Möglichkeit einer zwischenzeitlichen Registrierung eines widersprechenden deed wird so minimiert. Weiterhin erfolgt neben der Überprüfung der deeds auch eine Kontrolle des Zahlungsmittels des Käufers.498 In der Regel werden hierfür bestätigte Schecks (certified checks), deren Einlösung die Bank garantiert, verwendet.499 Nachdem die Ordnungsgemäßheit der Übertragungsurkunden, des Registers und der Zahlungsmittel sichergestellt sind, können die Parteien den Aus494 Sofern kein Rechtsanwalt beteiligt ist, werden meist von einem Rechtsmängelversicherer ausgestellte Übertragungsurkunden verwendet. 495 Teilweise auch telefonisch. Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 13:4 (S. 13-26). 496 Siehe zum genauen Schutz der title insurance unten S. 358. 497 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 13:4 (S. 13-25). 498 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 13:4 (S. 13-27). 499 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 11:3.1 (S. 11-22).

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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tausch vornehmen. Zum Abschluss des closing wird meist ein Bericht (closing statement) erstellt, der alle getätigten Vorgänge und den Austausch von Dokumenten aufführt.500 Insbesondere bei späteren Streitigkeiten kann so einfacher nachgewiesen werden, wie das closing abgelaufen ist, wer beteiligt war und wer welche Dokumente empfangen hat.501 Beim „sit-down“ closing erfolgt die Sicherung der Parteien vor den während der Abwicklung bestehenden Gefahren alleine durch die gleichzeitige Durchführung aller Handlungen. Jede Partei bekommt sofort ihre Leistung und leistet ihrerseits sofort an den anderen Teil. Die Abwicklung des Grundstückskaufvertrags unterscheidet sich zumindest grundsätzlich nicht von einem Alltagsgeschäft, bei dem die Leistungen unmittelbar ausgetauscht werden. Nach Abschluss des Geschäfts ist der Käufer Inhaber des Eigentumsrechts, der Verkäufer hat den Kaufpreis erlangt, und der Kreditgeber ist Inhaber einer mortgage am Grundstück geworden. Letztendlich verbleibt nur eine Unsicherheit hinsichtlich der Registrierung der Übertragungsurkunden. Zumindest theoretisch könnte ein widersprechender deed vorher noch im Register erfasst werden. Der Rechtsmängelversicherer übernimmt jedoch regelmäßig das Risiko für den Zeitraum zwischen Übergabe des deed und dessen Registrierung.502 Der Vorteil des gleichzeitigen Austauschs der Leistungen ist dessen Schnelligkeit. Zudem können eventuelle, offene Fragen oder Probleme sofort im Beisein der Parteien geklärt werden.503 Jedoch besteht stets die Gefahr, dass eine Partei mit dem Geschäft unzufrieden ist und versucht, während des closing Nachverhandlungen vorzunehmen oder den Abschluss des Geschäfts zu blockieren bzw. zu verzögern.504 Aus diesem Grund bedarf es einer sorgfältigen Vorbereitung zur Vermeidung solcher Probleme. Das „sit-down“ closing ist nicht auf kleine Übertragungen zwischen Privaten beschränkt, teilweise werden auch umfangreiche gewerbliche Grundstücksgeschäfte in dieser Form abgewickelt.505 b)

Treuhänderische Abwicklung – Escrow closing

Im Gegensatz zum „sit-down“ closing findet beim escrow506 closing kein unmittelbarer Austausch von Leistung und Gegenleistung statt. Vielmehr wird ein Treuhänder zwischengeschaltet, der die Erfüllung der Kaufpreiszah500

Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 13:3 (S. 13-16). Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 13:3 (S. 13-16), siehe auch das dort abgedruckte Muster (S. 13-17 ff.). 502 Siehe hierzu unten S. 148. 503 Dickermann, 26 No. 2 Prac. Real Est. Law. 45, 57 (2010). 504 Beasley, 448 PLI/Real 107, 111 (1999). 505 Dickermann, 26 No. 2 Prac. Real Est. Law. 45, 57 (2010). 506 Siehe zur Herkunft des Begriffs 4 Tiffany Real Prop. § 1048. 501

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

lung überwacht und die Ordnungsgemäßheit des deed überprüft. Diese Form der Abwicklung ist vor allem in den westlichen Teilen der Vereinigten Staaten üblich;507 in Kalifornien wird sie fast ausschließlich verwendet und aus diesem Grund auch California closing genannt.508 Sofern die Zuhilfenahme eines Treuhänders von Anfang an geplant war, erfolgt das closing meist, ohne dass die Parteien nach Abschluss des Kaufvertrags nochmals aufeinandertreffen.509 Der Austausch des Kaufpreises und des deed findet in einem solchen Fall indirekt über den Treuhänder statt.510 Grund für die treuhänderische Abwicklung ist die Sicherstellung der Kaufpreiszahlung im Gegenzug zur Eigentumsverschaffung durch die Übergabe des deed. Bei der Einschaltung des Treuhänders (escrow agent)511 ist ein gleichzeitig stattfindender Austausch beider Leistungen nicht erforderlich. Trotzdem wird sichergestellt, dass jeder Teil seine Leistungen nur erhält, sofern er seine eigene Leistungspflicht erfüllt hat.512 Darüber hinaus nimmt der Treuhänder teilweise auch weitere Aufgaben, die nicht unmittelbar mit der Kaufpreiszahlung und der Eigentumsübertragung zusammenhängen, wahr.513 Warum gerade das escrow closing in Teilen der Vereinigten Staaten besonders weit verbreitet ist und in anderen nicht, ist unklar. Als Gründe werden unter anderem der Mangel an Rechtsanwälten während des Zweiten Weltkriegs und die nach dem Krieg einsetzende Verschiebung der Bevölkerung Richtung Westen und die damit verbundene Unkenntnis über die Finanzkraft der „eingewanderten“ Käufer genannt.514 Gefestigt hat sich diese Form des closing auch durch die zunehmende Mitwirkung von Rechtsmängelversicherern, die zusätzlich als Treuhänder fungieren. Weiterhin enthalten Kaufverträge zunehmend Bedingungen, vor allem solche zur Finanzierung, über deren Eintritt der Treuhänder als neutrale Stelle wacht. Nicht zuletzt scheint die Praxis des escrow closing auch auf die Tradition des Civil Law und des lateinischen Notars in den ehemals spanischen Kolonien zurückzu507

Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 334 ff. (1975/1976). 2 Colorado Practice Series, Methods Of Practice § 67.2. 509 Burke, Law of title insurance, § 13.01. 510 Neben der treuhänderischen Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübergang existieren noch langfriste Treuhandverfahren (long-term escrow). Die Finanzierung des Kaufpreises erfolgt in solchen Fällen über den Verkäufer. Der Treuhänder hält den deed bis zur vollständigen Zahlung, zudem zieht er die monatlichen Raten ein und gibt sie an den Verkäufer weiter. Siehe Walker/Eshee, Jr., 16 Real Est. L. J. 45, 46 f. (1987). 511 Teilweise auch escrow holder oder closer. Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:564. 512 28 Am. Jur. 2d Escrow § 2. Siehe für weitere Anwendungsbeispiele des escrowVerfahrens außerhalb von Grundstücksgeschäften 2 Colorado Practice Series, Methods Of Practice § 67.2; 30A CJS Escrows § 2; 17 Williston on Contracts § 51:45. 513 Wie beispielsweise die Registrierung des deed oder der Anfertigung von Übertragungsunterlagen. 514 Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 334 (1975/1976). 508

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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führen zu sein. Dort war eine neutrale Person zur Abwicklung von Grundstücksgeschäften bekannt, sodass man sich einer solchen auch in der Neuen Welt bedienen wollte. Dem Common Law, das klassischerweise auf ein „sitdown“ closing zurückgreift, war eine solche Person unbekannt.515 Ein Treuhänder kann im Einzelfall auch noch während eines „sit-down“ closing eingeschaltet werden (sogenanntes post closing escrow); beispielsweise wenn der Verkäufer das Grundstück zum vereinbarten Zeitpunkt noch nicht im vertraglich festgelegten Zustand übertragen kann.516 Eine Übergabe des deed und der damit verbundene Eigentumsübergang finden zwar trotzdem statt, ein Teil des Kaufpreises wird jedoch von einem Treuhänder bis zur vollständigen Erfüllung zurückgehalten. Die Mitwirkung des Treuhänders stellt so die Durchführung des closing sicher und macht ein weiteres Aufeinandertreffen obsolet.517 In diesem Fall erfolgt jedoch nur ein Teil der Abwicklung über den Treuhänder. Der sichere Austausch wird nach wie vor durch die gleichzeitige Übergabe (eines Teils) des Kaufpreises und des deed erreicht. aa) Escrow agreement und escrow agent Das treuhänderische Verhältnis zwischen Käufer, Verkäufer und Treuhänder entsteht durch den Abschluss einer Treuhandvereinbarung518 (escrow agreement)519. Sie beschreibt die Verwahrung von Kaufpreis und deed und enthält genaue Anweisungen zur Handlung des Treuhänders hinsichtlich Auszahlung des Kaufpreises und Übergabe des deed. Wichtige Voraussetzung der Vereinbarung ist, dass weder Käufer noch Verkäufer nach Übergabe von deed und Kaufpreis ohne die Zustimmung des anderen Teils Zugriff auf ihre Leistung haben.520 Allein der Treuhänder entscheidet über die Weitergabe an den anderen Teil bzw. über eine Rückgabe im Fall des Scheiterns des Geschäfts. Die Übertragung des Eigentumsrechts über einen Treuhänder wird als de-

515

Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 334 (1975/1976); Burke, Law of title insurance, § 13.01. 516 Es kommen sowohl noch bestehende Rechtsmängel als auch Sachmängel in Frage. 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 28.25. Siehe auch 2 Colorado Practice Series, Methods Of Practice § 67.2. 517 Siehe hierzu 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 28.25; Burke, Law of title insurance, § 13.11. 518 Eine Schriftform ist nicht erforderlich. 28 Am. Jur. 2d Escrow § 5. 519 Auch escrow instructions. Für Formulierungsbeispiele und Vorlagen siehe etwa 1A Miller & Starr California Real Estate Forms § 1:44; MacLeod Heminway/McLemore, 7 Transactions: Tenn. J. Bus. L. 273 (2006). Siehe zum genauen Inhalt auch 2 Colorado Practice Series, Methods Of Practice § 67.4; Walker, 26 Campbell L. Rev. 59, 67 f. (2004). 520 ALI, Restatement (Second) of Contracts, 1981, § 103 (1); ausführlich 3 California Real Estate § 6:16; siehe auch die Legaldefinition in § 1057 Cal. Civ. Code.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

livery in escrow bezeichnet.521 Das escrow agreement enthält weiterhin sämtliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit der Treuhänder Kaufpreis und deed an den jeweiligen anderen Teil übergeben darf. Sie sind an die Umstände des Kaufvertrags angepasst; teilweise ist die Vereinbarung schon in diesem enthalten.522 Die Vereinbarung kommt regelmäßig durch die Annahme des Treuhänders zustande, nachdem diese ihm zusammen mit der Kaufpreisanzahlung des Käufers übersandt wurde.523 Es entsteht ein Treuhandverhältnis mit Rechten und Pflichten für alle drei Vertragsparteien.524 Die treuhänderische Verwaltung von Kaufpreis und deed sowie die Überwachung des closing können nicht von jedermann durchgeführt werden. In den meisten Bundesstaaten ist hierfür eine spezielle Lizenz erforderlich.525 Die Anforderungen hieran sind jedoch nicht sehr hoch. In der Regel reichen eine Anmeldung sowie das Zur-Verfügung-Stellen einer Sicherungsleistung (bond) aus.526 Für bestimmte Personengruppen und Firmen, die bereits aus anderen Gründen am Grundstückserwerb teilnehmen, bestehen weiterhin umfangreiche Ausnahmen von den Zugangsvoraussetzungen. So können Makler, Rechtsanwälte, Rechtsmängelversicherer und Kreditgeber ohne weitere Voraussetzungen ein escrow closing selbst überwachen.527 Der escrow agent muss in jedem Fall ein Dritter sein, er darf also weder Käufer noch Verkäufer sein, sonst läge kein treuhänderisches Verhältnis vor.528 Kaufpreis bzw. deed würden den jeweiligen Machtbereich nicht verlassen. Sofern ein beteiligter Rechtsanwalt529 oder Makler als Treuhänder handelt, kann sich dieser in einem Interessenkonflikt zwischen den Interessen seines Mandanten bzw. Auftraggebers und denen des anderen Teils befinden. In diesen Fällen ist es zumindest grenzwertig, gleichzeitig als Vertreter einer Partei und als Treuhänder zu handeln. Es ist deshalb empfehlenswert, einen

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Siehe zur delivery in escrow im Allgemeinen oben S. 216. Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:583. 523 Es ist unüblich, dass der Treuhänder selbst die Vereinbarung unterzeichnet. Die Formulare sehen dies meist nicht einmal vor. 524 Burke, Law of title insurance, § 13.01; Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:576; 28 Am. Jur. 2d Escrow §§ 8, 12. 525 Siehe beispielsweise § 17200 Cal. Fin. Code; § 6-813 Ariz. St. 526 3 California Real Estate §§ 6:5, 6:10. Siehe beispielsweise §§ 17201 ff. Ca. Fin. Code; § 6-814 Ariz. St. 527 § 17006 Cal. Fin. Code. In Nordkalifornien ist der escrow agent meist Teil einer Bank oder eines Rechtsmängelversicherers; in Südkalifornien ist er regelmäßig selbstständig und unabhängig. Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 335 (1975/1976). Ähnlich in Arizona § 6-811 Ariz. St. 528 Das Eigentum würde sofort übergehen, auch wenn der Käufer als „Treuhänder“ handelt. 3 California Real Estate § 6:3; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 7:19. 529 Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:571. 522

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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neutralen Dritten, wie beispielsweise den Rechtsmängelversicherer oder einen unabhängigen Treuhänder, zu beauftragen.530 bb) Ablauf des escrow-Verfahrens Das treuhänderische Verfahren beginnt direkt nach dem Abschluss des Kaufvertrags. Die Parteien einigen sich auf einen bestimmten escrow agent, der die weitere Abwicklung des Grundstückserwerbs durchführen und überwachen soll. Bei der Auswahl wird regelmäßig auf eine Empfehlung des beteiligten Maklers, Rechtsanwalts, Kreditgebers oder Rechtsmängelversicherers zurückgegriffen oder einer dieser wird mit der treuhänderischen Aufgabe betraut.531 Die Treuhandvereinbarung schließen die Parteien regelmäßig unter Mitwirkung des Maklers und unter Verwendung von Standardformularen ab.532 Nach Abschluss des Treuhandvertrags folgt das Erwerbsverfahren den sonst üblichen Schritten. Zunächst wird eine title search durchgeführt und ein Versicherer eingeschaltet, der die Rechtsmängel versichern soll. Während dieser Zeit kümmert sich der Käufer um eine eventuell erforderliche Finanzierung des Kaufpreises. Ebenso wie beim „sit-down“ closing steht beim escrow closing ein Termin fest, zu dem die Übertragung von Kaufpreis und deed stattfinden soll.533 Bis zu diesem Zeitpunkt muss der Käufer den Kaufpreis und der Verkäufer den deed an den Treuhänder übermittelt haben. Der Treuhänder vergleicht den Inhalt des deed mit dem Ergebnis der title search und dem Inhalt der Rechtsmängelversicherung. Er nimmt meist die Einreichung des deed beim Registeramt vor; teilweise reicht der Erwerber die Urkunde auch erst nach Erhalt selbst ein.534 Eine Registrierung durch den escrow agent genügt für einen Eigentumsübergang alleine nicht aus, da noch keine Übergabe an den Erwerber und dessen Annahme stattgefunden hat.535 Der Veräußerer kann sein Eigentumsrecht erst verlieren, wenn der Treuhänder den deed an den Erwerber weitergibt. Ein bereits vorher registrierter deed ist in diesem Moment noch unwirksam, sodass das Register folglich „falsch“ ist. Da es jedoch alleine keine Aussage über die Wirksamkeit der registrierten Übertragungsurkunden gibt, stellt dies zunächst kein unmittelbares Problem für den Veräußerer dar.536 Der Treuhänder kontrolliert weiterhin die Voll530

2 Colorado Practice Series, Methods Of Practice § 67.3 Burke, Law of title insurance, § 13.01; 3 California Real Estate § 6:3. 532 Burke, Law of title insurance, § 13.01; Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:584. 533 Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:626. 534 Empfehlenswert ist jedoch die Registrierung durch den escrow agent, da so keine Schutzlücke zwischen Übergabe des deed und der Erfassung im Register entsteht. Siehe 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 28.8. 535 Siehe zu den Voraussetzungen einer wirksamen Übertragung bereits oben S. 216. 536 Im Fall des Scheiterns der weiteren Abwicklung würde der unwirksame deed zumindest vorübergehend die Verkehrsfähigkeit seines Grundstücks einschränken. 531

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

ständigkeit des Kaufpreises. Dessen Zahlung ist nicht nur in bar, sondern auch durch Überweisung oder einfachen (nichtbestätigten) Scheck möglich.537 Weitere Aufgaben des Treuhänders sind die Abwicklung der Fremdfinanzierung, die Bestellung des Grundpfandrechts sowie die Löschung bestehender Belastungen.538 Weiterhin überprüft er sonstige Dokumente und Berichte, die nicht mit der rechtlichen Qualität, sondern der Sachmängelfreiheit des Grundstücks zusammenhängen.539 Nachdem alle Voraussetzungen vorliegen und die Registrierung erfolgt ist, übermittelt der escrow agent den Kaufpreis an den Verkäufer und den deed an den Erwerber. Zudem begleicht er regelmäßig noch den Provisionsanspruch des Maklers540 und eventuelle Steuerschulden.541 Die Kosten der treuhänderischen Abwicklung werden in der Regel zwischen den Parteien geteilt.542 Die Höhe richtet sich nach der des Kaufpreises. Sobald Veräußerer und Erwerber ihre Leistungen an den Treuhänder übergeben haben, können sie nicht mehr über Kaufpreis und deed543 verfügen. Die Bindung besteht jedoch nicht auf unbestimmte Zeit. Bei Nichterfüllung 537 3 California Real Estate § 6:23. In vielen Bundesstaaten existieren gesetzliche Regelungen, die einen Abschluss des escrow-Verfahrens nur zulassen, sofern der Treuhänder tatsächlich über den Kaufpreis, vor allem den vom Kreditgeber finanzierten Teil, verfügen kann, sogenannte good funds laws. Ein einfacher Scheck reicht beispielsweise nicht aus, er muss zudem bereits eingelöst worden sein. Eine Registrierung des mortgage deed ist teilweise verboten, bevor der Treuhänder die Verfügungsmacht über den Kaufpreis besitzt. Durch diese Gesetze soll sichergestellt werden, dass der Verkäufer tatsächlich den Kaufpreis erhält und das closing nicht etwa schon vorher abgeschlossen wird. Vgl. beispielsweise die gesetzlichen Regelungen in Kalifornien (§ 12413.1 Cal. Ins. Code) und Massachusetts (ch. 183 § 63B M.G.L.). In Indiana müssen beispielsweise Beträge über 10.000 Dollar, die über einen Treuhänder abgewickelt werden, per Überweisung übertragen werden (§ 27-7-3.7-7 Ind. St.). Siehe hierzu auch Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 11:3.2 (S. 11-27 ff.); 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 28.27; 3 California Real Estate §§ 6:16, 6:23. 538 Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:604 f.; 3 California Real Estate § 6:2. 539 Dies können etwa weitere Versicherungen, Unterlagen und Kautionen aus vermieteten Teilen oder Grundstücksuntersuchungen eines Sachverständigen sein. Greenwald/ Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, §§ 4:606, 4:609. 540 Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:578. 541 Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:612. 542 Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 335 (1975/1976); Burke, Law of title insurance, § 13.01. Vor allem Rechtsmängelversicherer bieten die Abwicklung des escrow closing „kostenlos“ an, sofern gleichzeitig eine title insurance abgeschlossen wird; 3 California Real Estate § 6:19. 543 Zumindest für den Veräußerer hat dies nur einen geringen „Nachteil“, er kann jederzeit über sein Eigentum verfügen, indem er einfach einen neuen deed ausstellt. Jedoch kann nach der relation back rule der treuhänderisch verwaltete deed vorrangig sein. Siehe hierzu bereits oben S. 217.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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durch eine oder beide Parteien sieht die Treuhandvereinbarung einen Zeitpunkt vor,544 zu dem das Treuhandverhältnis aufgelöst werden kann und eventuell bereits getätigte Leistungen vom Treuhänder zurückgegeben werden müssen.545 Bei dessen Verstreichen können die Parteien einseitig die Vereinbarung widerrufen546 und sie erhalten vom Treuhänder ihre jeweilige Leistung zurück.547 Beim escrow closing erfolgt die Übergabe des deed zunächst nur an den Treuhänder, der diesen nach Eintritt der Bedingung an den Erwerber weitergibt. Der Übergang des Eigentumsrechts findet jedoch unmittelbar mit Bedingungseintritt, also der Kaufpreiszahlung statt.548 Eine physische Übergabe der Urkunde an den Erwerber ist hingegen nicht erforderlich. In Ausnahmefällen wirkt der Rechtserwerb sogar auf den Zeitpunkt der Übergabe an den Treuhänder zurück, sofern dies die einzig faire und billige Lösung für den Fall darstellt (relation back rule).549 Dies ist vor allem bei einer zweiten Veräußerung des Verkäufers während des Treuhandverfahrens an einen bösgläubigen Dritten der Fall.550 Sofern der Treuhänder den deed an den Erwerber übergibt, obwohl die Bedingung noch nicht eingetreten ist, geht hingegen kein Grundstücksrecht über.551 Die fehlende Befugnis des Treuhänders hindert den wirksamen Rechtsübergang. Nichtsdestotrotz kann der vermeintliche Erwerber die (zu Unrecht) in seinem Besitz befindliche (unwirksame) Urkunde registrieren lassen und eventuell selbst weitere (unwirksame) Veräußerungen vornehmen. Der wahre Eigentümer ist in diesem Fall gezwungen, die Unrichtigkeit des Register durch eine Klage richtigstellen zu lassen.552 Im Übrigen kann er den Treuhänder wegen Vertragsbruchs in Anspruch nehmen.553

544 Sofern kein Zeitpunkt vorgesehen ist, gilt ein angemessener Zeitraum. 30A CJS Escrows § 24; 1 Williston on Contracts § 2:9; 3 California Real Estate § 6:24. 545 30A CJS Escrows § 24; 1 Williston on Contracts § 2:9; 3 California Real Estate § 6:24. Siehe auch MacLeod Heminway/McLemore, 7 Transactions: Tenn. J. Bus. L. 273, 281 ff. unter 3 (2006). 546 Siehe für Einzelheiten 3 California Real Estate § 6:25. 547 28 Am. Jur. 2d Escrow § 26; 3 California Real Estate § 6:26. 548 3 California Real Estate § 6:32; Smith v. Smith, 820 So.2d 64, 71 f. (Ala. 2001). Siehe ausführlich zur delivery in escrow oben S. 216. 549 3 California Real Estate § 6:36; 4 Tiffany Real Prop. § 1053. Siehe hierzu bereits oben S. 217. 550 Siehe etwa Miller & Lux v. Sparkman, 128 Cal.App.2d 449, 17 P.2d 772 (Ca 1932); siehe hierzu auch im Zusammenhang mit dem gutgläubigen Erwerb oben S. 234. 551 3 California Real Estate § 6:33; 30A CJS Escrows 27. 552 3 California Real Estate § 6:17. 553 30A CJS Escrows 27. Siehe grundsätzlich zur Haftung des Treuhänders sogleich.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

cc) Pflichten und Haftung des escrow agent Die Pflichten des escrow agent folgen aus der Vereinbarung mit dem Käufer und Verkäufer, die ihn zum Vertreter beider Parteien macht. Es handelt sich jedoch um kein gewöhnliches Vertretungsverhältnis, da die Parteien als Vertretene teilweise entgegengesetzte Interessen verfolgen.554 Aus diesem Grund bestehen einzelne Pflichten des Treuhänders nur, sofern sie nicht im Konflikt mit den Pflichten gegenüber dem anderen Teil stehen.555 Die Pflichten richten sich primär nach dem Inhalt der Treuhandvereinbarung.556 Sie enthält genaue Anweisungen für die Durchführung der treuhänderischen Abwicklung sowie Angaben zu Haftung von Käufer, Verkäufer und Treuhänder.557 Durch die Annahme der Treuhandvereinbarung verpflichtet sich der Treuhänder die von den Parteien aufgestellten Regeln genau zu beachten.558 Eine eigene Interpretation oder Auslegung der Vereinbarung ist ihm nicht erlaubt, bei Zweifeln muss er die Parteien um Aufklärung bitten.559 Die Ausführung der Pflichten muss der escrow agent mit angemessener und der im Einzelfall erforderlichen Sorgfalt ausüben.560 Der Sorgfaltsmaßstab wird von den meisten Gerichten höher als der eines „normalen“ Vertragspartners eingeordnet, da die Mitwirkung des escrow agent gerade für mehr Sicherheit bei der Abwicklung des Grundstücksgeschäfts sorgen soll.561 Zum Sorgfaltsmaßstab gehört nach Ansicht der Gerichte auch die Pflicht des escrow agent, alle üblichen treuhänderischen Handlungen vorzunehmen. Dies folge konkludent aus der Treuhandvereinbarung, sofern dort solche Pflichten nicht explizit ausgeschlossen wurden.562 Lange Zeit erkannten die Gerichte als (einzige) Hauptpflicht des escrow agent nur die Beachtung der Treuhandvereinbarung an. Dies sind vor allem 554

Dieses Verhältnis wird unter anderem als limited agency bezeichnet. 3 California Real Estate § 6:11; 30A CJS Escrows § 16. 555 „The status could only properly be classified as an […] limited agency […], whereby the duties and obligations owing by the escrow holder to each would not conflict with the duties it owed to the others.“ Blackburn v. McCoy, 1 Cal.App.2d 648, 654, 37 P.2d 153 (Cal. 1934). 556 28 Am. Jur. 2d Escrow § 22; 557 3 California Real Estate § 6:12. 558 Siehe zu den besonderen Pflichten eines Rechtsmängelversicherers, der zugleich als escrow agent handelt, Burke, Law of title insurance, § 13.03. 559 28 Am. Jur. 2d Escrow § 22. 560 30A CJS Escrows § 17; 3 California Real Estate § 6:12. 561 So m.N. aus der Rechtsprechung Thomason/Dubnow, 25 Ariz. St. L.J. 643, 645 (1993). 562 „[The escrow agent] impliedly promised […] that it would do all of the things normally done by an escrow agent, which were not expressly excluded by the provisions of the instructions, and that it would do all of these things with reasonable care and with reasonable dispatch“, Bruckman v. Parliament Escrow Corp., 190 Cal.App.3d 1051, 1057 f., 235 Cal.Rptr. 813 (Cal. 1987); so auch 3 California Real Estate § 6:12.

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die Verwahrung der Leistungen von Käufer und Verkäufer, die Überprüfung der Bedingungen und bei deren Eintritt die Weiterleitung an beide Teile.563 Darüber hinaus hat die Rechtsprechung den Pflichtenkreis stetig erweitert. Hierzu gehören insbesondere Aufklärungspflichten gegenüber den Parteien über Kenntnisse des Treuhänders.564 Er muss vor Übernahme der Tätigkeit auf einen Interessenkonflikt, der in seiner Person liegt, hinweisen.565 Die Pflicht zur Offenlegung sämtlicher Kenntnisse besteht hingegen nur im eingeschränkten Maße, da gerade hier ein Konflikt der Interessen der Auftraggeber naheliegt.566 Er ist nur verpflichtet, eine solche Information offenzulegen, die einen Nachteil für eine der Parteien zur Folge hat und im Zusammenhang mit der treuhänderischen Abwicklung steht.567 Da der escrow agent jedoch keine (Rechts-)Beratung leistet568 und ein Verhältnis zu beiden Parteien besteht, muss er diese nicht über jeden Verdacht aufklären.569 Sofern er deutliche Beweise für einen Betrug durch eine Partei hat, ist er zur Aufklärung des anderen Teils verpflichtet.570 Die Ausweitung der Pflichten wird mitunter kritisch gesehen, da der escrow agent eigentlich keine Beratungsleistung anbiete und folglich grundsätzlich keine erweiterten Aufklärungspflichten habe.571 Der escrow agent haftet für Pflichtverstöße, durch die den Parteien ein Schaden entsteht.572 Die Haftung besteht unerheblich von der Entgeltlichkeit der Tätigkeit.573 Als Pflichtverstoß kommt in erster Linie eine Handlung im Widerspruch mit der Treuhandvereinbarung in Betracht;574 etwa durch eine Herausgabe von Kaufpreis oder deed, obwohl der andere Teil das seinerseits Erforderliche noch nicht getan hat bzw. alle Voraussetzungen der Treuhand-

563

28 Am. Jur. 2d Escrow § 25; 3 California Real Estate § 6:14. Siehe zur Entwicklung dieser Pflichten Thomason/Dubnow, 25 Ariz. St. L.J. 643, 546 ff. (1993). 565 28 Am. Jur. 2d Escrow § 23. 566 3 California Real Estate § 6:13. 567 28 Am. Jur. 2d Escrow § 24; 3 California Real Estate § 6:13, dort auch weitere Einzelheiten. Siehe zu der Offenlegungspflicht eines Rechtsmängelversicherers, der zugleich als escrow agent handelt, Palomar, Title Insurance Law, §§ 20:2 ff. 568 Er muss nur den Inhalt der Treuhandvereinbarung beachten und sich sonst neutral verhalten. Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 340 (1975/1976). 569 3 California Real Estate § 6:13. 570 3 California Real Estate § 6:13. 571 So etwa Thomason/Dubnow, 25 Ariz. St. L.J. 643, 649 f., 656 f. (1993). 572 Siehe auch die Übersicht zu Haftungsgefahren des escrow agent bei Beasley, 251 PLI/Real 305 (1984). 573 Also auch, wenn ein Rechtsmängelversicherer oder Makler die Leistung kostenlos anbietet. 574 28 Am. Jur. 2d Escrow § 27; 30A CJS Escrows § 18; 3 California Real Estate § 6:17; Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 341 (1975/1976). 564

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

vereinbarung noch nicht erfüllt sind.575 Gleiches gilt für solche Pflichten, die konkludenter Inhalt der Vereinbarung sind.576 Hierunter fällt vor allem die Nichteinhaltung der üblichen Sorgfalt eines Treuhänders und die Nichtvornahme der von diesen üblicherweise vorzunehmenden Handlungen.577 Ebenso haftet der escrow agent für einen Verstoß gegen Aufklärungspflichten, wenn die Kenntnis über die Tatsachen einen Schaden vermieden hätte.578 Eine Haftung kommt ferner in Frage, sofern der escrow agent gleichzeitig die Parteien in unzulässigerweise rechtlich berät. Eine solche Beratung ist ihm nur in beschränktem Maße, vergleichbar mit der Beratung durch einen Makler, erlaubt.579 Für die Begleichung von Schäden, die durch Pflichtverletzungen von selbstständigen Treuhändern – solche, die nicht Teil einer Bank oder eines Rechtsmängelversicherers sind – verursacht werden, steht die vom Treuhänder hinterlegte Sicherung zur Verfügung.580 dd) Zusammenfassung Im Gegensatz zum „sit-down“ closing wird beim escrow closing die Sicherheit der Parteien nicht durch einen gleichzeitigen Austausch, sondern durch die Einschaltung eines neutralen Dritten gewährleistet. Die von Käufer und Verkäufer formulierte Treuhandvereinbarung legt das Verhältnis zwischen allen dreien und die jeweiligen Voraussetzungen fest, die für den Abschluss des closing erforderlich sind. Zunächst übergeben Käufer und Verkäufer den Kaufpreis bzw. den deed an den Treuhänder, der wiederum nach Erfüllung aller Voraussetzungen die jeweiligen Leistungen an den anderen Teil weiterleitet. Er handelt hierbei jeweils als Vertreter für beide Parteien. Erst mit seiner Übergabe verlassen die Leistungen den Machtbereich von Käufer bzw. Verkäufer. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass eine Partei nicht leistet, ohne dass die andere Partei ihre Leistungspflicht erbringt. An den Treuhänder kann mehr oder weniger gefahrlos geleistet werden. Scheitert die Abwick575

Siehe beispielsweise Castillo v. Express Escrow Company, 146 Cal.App.4th 1301, 53 Cal.Rptr.3d 485 (Cal. 2007). 576 3 California Real Estate § 6:17. 577 Siehe etwa Bruckman v. Parliament Escrow Corp., 190 Cal.App.3d 1051, 235 Cal.Rptr. 813 (Cal. 1987). Der escrow agent hatte den preliminary title report nicht rechtzeitig angefordert. Dies führte zum Abbruch des closing. 578 Vor allem beim Betrug einer Partei. Siehe etwa Zang v. Northwestern Title Co., 135 Cal.App.3d 159, 185 Cal.Rptr. 176 (Cal. 1983). Bei einer Neufinanzierung hatte der escrow agent Kenntnis vom Vorhaben des Eigentümers, noch während des Treuhandverfahrens einen zweiten deed of trust an einen Dritten auszustellen, der dem deed of trust des am Treuhandverfahren beteiligten Kreditgebers vorgeht. 579 3 California Real Estate § 6:20. 580 3 California Real Estate § 6:10. In Kalifornien sind dies für jeden escrow agent ein bis fünf Million Dollar. § 17314 (b) Cal. Fin. Code.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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lung, besteht die Verpflichtung des Treuhänders, die jeweiligen Leistungen zuerstatten. Sofern die Treuhandanweisungen genau befolgt werden, ist eine sichere Abwicklung gegeben. Mögliche Probleme können jedoch im Zusammenhang mit der Registrierung des deed entstehen. Bis zu deren Vornahme existiert stets die Gefahr, dass der Veräußerer das Grundstück an einen Dritten überträgt und dieser dem Ersterwerber mit seiner Registrierung zuvorkommt. In diesem Fall ist ein gutgläubiger Erwerb des Zweiterwerbers möglich. Hier hilft auch die relation back rule nur beschränkt weiter, da sie lediglich gegenüber einem bösgläubigen Erwerber Anwendung findet. Gleiches gilt für die Beauftragung des Treuhänders mit der Registrierung des deed. Sie verhindert zwar die Auszahlung des Kaufpreises, ohne dass der Erwerber hierfür eine Gegenleistung erbringt. Sofern jedoch ein gutgläubiger Erwerb durch einen Dritten stattgefunden hat, ist der Käufer wegen Unmöglichkeit nicht mehr in der Lage seinen Anspruch aus dem Kaufvertrag durchzusetzen. Es verbleibt nur ein Schadensersatzanspruch gegen den Verkäufer. Die Sicherheit der treuhänderischen Abwicklung hängt insgesamt vor allem von der Ausgestaltung der Treuhandvereinbarung sowie deren Einhaltung durch den Treuhänder ab. Problematisch ist hierbei, dass die Vereinbarung meist ohne rechtliche Beratung geschlossen wird.581 Regelmäßig erfolgt ihr Abschluss unter Zuhilfenahme eines Musterformulars durch den beteiligten Makler. Mag diese Form des Vertragsschlusses für ein gewöhnliches Grundstücksgeschäft ausreichend sein, ist eine Anpassung der Voraussetzungen an den individuellen Kaufvertrag nur mit Hilfe einer eingehenden rechtlichen Beratung möglich. c)

Zusammenfassenden Betrachtung von „sit-down“ und escrow closing

In den Vereinigten Staaten haben sich zwei verschiedene Formen der Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung etabliert. In den östlichen Bundesstaaten, allen voran New York, ist das „sit-down“ closing, das aus einem gleichzeitigen Austausch aller Leistungen besteht, und im Westen, vor allem Kalifornien, ist das escrow closing, das eine Abwicklung über einen Treuhänder vorsieht, als Regelfall verbreitet. Beide Arten gewährleisten den Parteien auf unterschiedliche Weise Sicherheit beim Leistungsaustausch. Beim „sit-down“ closing reicht der schlichte gleichzeitige Austausch von Kaufpreis und deed aus, um die Gefahr einer Nichterfüllung des anderen Teils zu verhindern. Das escrow closing besteht hingegen in der Einschaltung eines neutralen Dritten, der alle Voraussetzungen überprüft, aus einem etwas umfangreicheren und aufwendigeren Verfahren.

581 Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 342 f. (1975/1976); ähnlich Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 13:4 (S. 13-28).

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Der Vorteil des „sit-down“ closing ist vor allem in dessen Schnelligkeit zu sehen. Beide Parteien sitzen an einem Tisch und erhalten die jeweilige Leistung sofort. Käufer und Verkäufer können nach Erhalt sofort über den deed, also das Grundstück, bzw. den Kaufpreis frei verfügen. Zum Zeitpunkt des closing ist für beide klar, dass die Transaktion erfolgreich abgeschlossen wurde. Beim escrow closing wird zwar auch ein bestimmter Zeitpunkt für das closing vereinbart, zu dem beide Seiten ihren Teil geleistet haben müssen. Bis der Treuhänder die Parteien über den Eingang der Leistungen informiert hat, besteht jedoch keine Sicherheit, ob die Transaktion tatsächlich erfolgreich war. Zudem haben die Parteien keine Möglichkeit, die Vollständigkeit von Kaufpreis und deed selbst zu überprüfen. Sie müssen sich auf das Urteil eines Dritten verlassen. Hinzu kommt, dass beim „sit-down“ closing die Beteiligung eines Rechtsanwalts weitaus verbreiteter ist. Dieser ist auf Grund seiner juristischen Kenntnisse besser in der Lage, den Inhalt des deed und dessen Wirksamkeit zu überprüfen, als der juristisch nicht oder nur sehr gering ausgebildete Treuhänder. Dieser Punkt hängt jedoch vom Willen der Parteien ab, das Hinzuziehen eines Rechtsanwalts ist jederzeit möglich. Beim escrow closing ist es jedoch weitgehend unüblich. Sicherheit hinsichtlich der Registrierung des deed ist bei beiden Formen des closing möglich. Entweder wird die Registrierung unmittelbar vor oder nach dem „sit-down“ closing bzw. vom escrow agent vor der Weitergabe an den Käufer vorgenommen. Sofern eine unmittelbare Registrierung geschehen soll, muss der Ort des closing folglich in der Nähe des Registeramts liegen, ebenso sind bei der Wahl des Zeitpunkts die Öffnungszeiten des Registeramts zu beachten. Weiterer Vorteil des escrow closing ist der Verzicht auf ein persönliches Treffen. Es muss kein mitunter zeitaufwendiger Termin für beide Seiten gefunden werden.582 Beim „sit-down“ closing gibt es weiterhin Beschränkungen hinsichtlich der Zahlung des Kaufpreises. Diese kann nur mit Bargeld oder bestätigten Schecks vorgenommen werden. Eine Überweisung ist hingegen nicht ohne Weiteres möglich. Beim escrow closing bestehen solche Beschränkungen nicht. Ein Kostenvergleich ist nur eingeschränkt möglich. Ein escrow closing ist zwar regelmäßig günstiger, die zusätzlichen von einem „teuren“ Rechtsanwalt erbrachten (rechtsberatenden) Dienste werden bei einem solchen Vergleich jedoch nicht beachtet.583 Bei der Durchführung eines „sit-down“ closing ohne Rechtsanwalt sieht der Kostenvorteil wieder ganz anders aus.584 582 Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 338 (1975/1976); Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 7:14. 583 Siehe Greenwald/Asimow, California Practice Guide: Real Property Transactions, § 4:561. 584 Siehe Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 7:14.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

3.

343

Rechtsvergleichende Betrachtung

Die Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung unterscheidet sich zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten schon auf Grund der materiellen Voraussetzungen. Nach angloamerikanischem Recht besteht das Problem der Unmöglichkeit der Zug-um-Zug-Abwicklung im Grundstücksrecht grundsätzlich nicht. Eine gleichzeitige Übergabe von Kaufpreis und deed ist ohne Weiteres möglich. Nichtsdestotrotz besteht auch hier der Bedarf nach einer Abwicklungsform, die einen indirekten Austausch vorsieht. Zunächst ist zwar die Registrierung im Grundstücksregister für den Eigentumserwerb nicht erforderlich, sie gewährt jedoch Schutz vor weiteren Verfügungen des Verkäufers und einem gutgläubigen Erwerb Dritter. Zudem kommt bei einer direkten Abwicklung nur der Austausch von Bargeld oder bestätigten Schecks in Frage. Sofern der Kaufpreis überwiesen werden soll, ist hingegen ein „sit-down“ closing unter Sicherheitsgesichtspunkten nicht möglich. Weiterhin müssen sämtliche Voraussetzungen zu einem bestimmten Zeitpunkt erfüllt sein, sonst scheitert das closing und muss wiederholt werden. Aus diesem Grund ist eine eingehende Vorbereitung und vorgehende Überprüfung aller Dokumente erforderlich. Selbst ein Verzug von wenigen Stunden kann zu einem Scheitern des closing führen und dessen erneute Vornahme erforderlich machen. Im deutschen Recht ist ein zweites Treffen nach Abschluss des Kaufvertrags weitgehend obsolet, sodass beide Parteien regelmäßig nur noch mit dem Notar kommunizieren. Eine solche Lösung hat jedoch eine mitunter komplexe Konstruktion der Auflassung in Form von verschiedenen Bedingungen des Vollzugs zur Folge. Im Gegensatz zur direkten Abwicklung ähnelt das escrow closing in einzelnen Punkten der Abwicklung durch den Notar.585 Beim Treuhänder werden alle erforderlichen Dokumente zusammengeführt, der diese auch überprüft und sodann an die Parteien weiterleitet. Der Notar übernimmt ähnliche Aufgaben, wenn er die Voraussetzungen für die Fälligkeit herbeiführt und den Käufer zur direkten oder indirekten Zahlung anweist. Auf Grund dieser Ähnlichkeit wird in der angloamerikanischen Literatur teilweise vertreten, die Aufgaben des escrow agent zu erweitern und ihn an weiteren Teilen des Erwerbsverfahrens zu beteiligen.586 In Deutschland ist jedoch die treuhänderische Abwicklung über ein Anderkonto eher die Ausnahme als die Regel, da sie mit den genannten Nachteilen verbunden ist. Einen zentralen Stellenwert der Abwicklung nimmt im deutschen Recht weiterhin die Eigentumsvormerkung ein. Sobald sie eingetragen wurde, drohen dem Käufer kaum noch Gefahren, sein Eigentumserwerb ist weitgehend sichergestellt. Ein ähnliches Rechtsinstitut stellt das angloamerikanische 585

Nicht zuletzt wird angenommen, dass die Funktion des escrow agent zumindest teilweise auf den Notar des Civil Law zurückgeht. 586 So Burke/Fox, 50 Tul. L. Rev. 318, 344 f. (1975/1976).

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Recht hingegen nicht zur Verfügung. Eine Registrierung des Kaufvertrags, der dem Erwerber bereits ein equitable estate verschafft, wird in aller Regel nicht vorgenommen.587 Die Vormerkung garantiert dem Käufer folglich frühzeitig eine erfolgreiche Abwicklung, die nur noch von seiner Zahlung abhängt. In den Vereinigten Staaten sind sich beide Teile erst mit der Durchführung des closing sicher, dass eine Erfüllung des anderen Teils tatsächlich erfolgt. Sicherheit während der Abwicklung wird im deutschen Recht vor allem durch die Eigentumsvormerkung und die Mitwirkung des Notars gewährleistet. In den Vereinigten Staaten wird hingegen auf eine durch Rechtsanwälte oder Makler begleitete direkte Abwicklung oder ein treuhänderisches Verfahren vertraut. Trotz der unterschiedlichen Verfahren in beiden Ländern ist die sichere Abwicklung jeweils weitgehend gewährleistet. Das angloamerikanische Recht birgt auf Grund der vielen Alternativen hinsichtlich der Beteiligung von rechtlichen Beratern weitaus mehr Unsicherheiten. Sofern diese ordnungsgemäß handeln, können sowohl Käufer als auch Verkäufer ihre Leistung vornehmen, ohne sich der Gefahr eines Verlusts auszusetzen. Vorteil des deutschen Verfahrens ist, dass bereits bei Abschluss des Kaufvertrags auch an ein Scheitern des Vertrags gedacht wird und dessen reibungslose Rückabwicklung vorbereitet wird; etwa in der Form der Löschungsbewilligung der Vormerkung durch den Käufer und dessen Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung. Mit der Schnelligkeit des „sit-down“ closing kann das deutsche Recht jedoch nicht mithalten. Selbst bei einer sehr schnellen Abwicklung der Grundbucheintragungen muss, sofern Sicherheit gewährleistet werden soll, immer die Eintragung der Vormerkung abgewartet werden. Gleiches gilt für den Zeitpunkt des Eigentumsübergangs, der erst mit der Eintragung eintritt. Ebenso entstehen durch die Mitwirkung des Notars und die Grundbucheintragungen Kosten, die in den Vereinigten Staaten nicht zwingend anfallen. IV. Abwicklung der Kaufpreisfinanzierung und Bestellung des Grundpfandrechts Bei der Abwicklung des Grundstücksgeschäfts muss in der Regel nicht nur die Sicherheit des Austauschs von Kaufpreis und Eigentum, sondern auch die sichere Bestellung des Grundpfandrechts gewährleistet werden. Der Kreditgeber tritt als dritte Partei neben Käufer und Verkäufer. Für ihn besteht die Gefahr, den Kredit auszuzahlen, ohne hierfür eine Sicherheit in Form des Grundpfandrechts zu erlangen. Die Abwicklung muss folglich so gestaltet sein, dass eine Auszahlung des Kredits nur im Gegenzug zur Übertragung des 587

Nach Stadler gewährt dies eine mit der Eigentumsvormerkung „vergleichbare Rechtsposition“; Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 494. Siehe hierzu bereits oben S. 220.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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Pfandrechts erfolgt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Abhängigkeit der Bestellung des Grundpfandrechts vom Eigentumserwerb des Käufers, der wiederum die Kaufpreiszahlung voraussetzt, die nur nach Auszahlung des Kredits möglich ist. Dieses Dilemma muss durch eine gemeinsame Gestaltung der Abwicklung von Kaupreiszahlung, Eigentumsübertragung und Kaufpreisfinanzierung gelöst werden. Sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in Deutschland fügt sich die Abwicklung der Kaufpreisfinanzierung in die Übertragung von Kaufpreis und Eigentum ein. Die Abwicklung wird in Deutschland vom beteiligten Notar und in den Vereinigten Staaten vom Treuhänder übernommen bzw. beim „sit-down“ closing mit abgewickelt. 1.

Bestellung des Grundpfandrechts unter Mitwirkung des Verkäufers

Beim Eigentumserwerb in Deutschland wirkt der Verkäufer regelmäßig bei der Bestellung des Grundpfandrechts mit, denn der Käufer kann auf Grund fehlender Berechtigung die Eintragung des Grundpfandrechts nicht selbst vornehmen.588 In der Praxis finden hauptsächlich zwei Alternativen Anwendung. Entweder bestellt der Verkäufer direkt ein Grundpfandrecht zu Gunsten des Kreditgebers oder er bevollmächtigt den Käufer hierzu (Belastungsvollmacht)589.590 Der Schutz des Verkäufers vor einer Belastung seines Grundstücks, ohne den Kaufpreis im Gegenzug zu erlangen, wird über die Vereinbarung einer eingeschränkten Sicherungsabrede sowie eine Zahlungsanweisung an den Kreditgeber gewährleistet. Der Kaufvertrag regelt, dass bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung das Grundpfandrecht nur als Sicherheit dient, wenn der Kaufpreis tatsächlich getilgt wird. Weiterhin wird der Kreditgeber angewiesen, die Auszahlung nur direkt an den Verkäufer vorzunehmen.591 Beide Bedingungen werden zudem der Grundschuldbestellungsurkunde angehängt.592 Bevor der Notar die Eintragung beantragt, informiert er den Kreditgeber über die getroffene Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer und lässt sich den Erhalt bestätigen. Somit erlangt auch der Kreditgeber Kenntnis von den

588

Die Abwicklung der Kaufpreisfinanzierung und Bestellung des Grundpfandrechts kann jedoch auch über ein Notaranderkonto erfolgen. In diesem Fall wird der Kaufpreis an den Verkäufer jedoch erst ausgezahlt, nachdem der Käufer als neuer Eigentümer und die Grundschuld im Grundbuch eingetragen wurden. Eine solche Verzögerung der Abwicklung steht jedoch nicht im Interesse der Parteien; Amann, in: Beck’sches Notar-HB, 2009, A. I. Grundstückskauf Rn. 118; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 351. 589 Näheres bei Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 354 ff.; so auch das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort unter II § 3. 590 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 353. 591 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 352. Siehe das Kaufvertragsmuster bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort unter II § 3 Abs. 2. 592 Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 266 ff.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

vereinbarten Beschränkungen.593 Die eingeschränkte Sicherungsabrede sowie die Zahlungsanweisung stellen sicher, dass eine Belastung des Grundstücks des Verkäufers nur erfolgt, sofern dieser auch tatsächlich den Kaufpreis erhält. Eine Zwangsvollstreckung in das Grundstück ist folglich bei Nichtzahlung nicht zu befürchten. Nichtsdestotrotz zahlt der Kreditgeber das Darlehen in der Regel erst mit der Eintragung des Grundpfandrechts aus. Eine zügigere Auszahlung ist durch die Ausstellung einer sogenannten Notarbestätigung594 möglich. Bereits vor der Eintragung im Grundbuch bestätigt der Notar dem Kreditgeber, dass der Antrag auf Eintragung des Grundpfandrechts erfolgt ist und dieses auch den gewünschten Rang erhalten wird. Hierfür muss der Besteller der Grundschuld als Eigentümer im Grundbuch eingetragen und die Eintragung der Grundschuldbestellung im Namen der Bank beantragt werden. Weiterhin muss die zukünftige Rangstelle der Grundschuld frei bzw. Rangrücktrittserklärungen und eventuell erforderliche Zustimmungen Dritter müssen vorhanden sein.595 Der Notar überprüft das Vorliegen dieser Voraussetzungen anhand einer Einsicht in das Grundbuch samt Grundakten und bestätigt dies dem Kreditgeber. Der Kreditgeber nimmt nicht selbst an der Beurkundung des Kaufvertrags oder der Auflassung teil. Für die Einigung über die Bestellung eines Grundpfandrechts zwischen Käufer und Kreditgeber ist keine Form erforderlich.596 Letztendlich wird nur die Bewilligung des Eigentümers benötigt. Der Käufer schließt mit dem Kreditgeber einen Darlehensvertrag ab, der die genaue Ausgestaltung der Finanzierung regelt und als Bedingung der Auszahlung die Eintragung eines Grundpfandrechts bzw. die Erteilung einer Notarbestätigung vorsieht. Der Notar tritt nach der Eintragung mit dem Kreditgeber in Kontakt oder lässt diesem eine Bestätigung zukommen. Sobald die Eintragung des Grundpfandrechts sichergestellt ist, kann die Auszahlung direkt an den Verkäufer erfolgen. 2.

Der Kreditgeber beim closing

Die beiden in den Vereinigten Staaten üblichen closing-Verfahren unterscheiden sich maßgeblich hinsichtlich der Beteiligung des Kreditgebers. Beim „sit-down“ closing nimmt dieser als eigene Partei teil, empfängt den mortgage deed und zahlt den Kredit zur Kaufpreisfinanzierung direkt aus. Sofern ein treuhänderisches Verfahren gewählt wird, bestehen Gemeinsam-

593

Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 274. Auch Rangbescheinigung. 595 Siehe hierzu Everts, in: Beck’sches Notar-HB, A VI. Grundschulden Rn. 151. Siehe für Formulierungsvorschlag. Bundesnotarkammer, DNotZ 1999, 369. 596 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 50. 594

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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keiten mit der in Deutschland üblichen Abwicklung. Der escrow agent wickelt des komplette closing inklusive Kaufpreisfinanzierung ab.597 Die beim „sit-down“ closing gewährte Sicherheit der Parteien wird alleine durch die gleichzeitige Übergabe aller Dokumente erreicht. Sofern eine Kaufpreisfinanzierung vorgesehen ist, nimmt der Kreditgeber schlicht als dritte Partei teil. Vor dem Austausch aller Leistungen und Dokumente werden diese von den Beteiligten überprüft, sodass der bevorstehende Austausch ohne Probleme erfolgen kann. Sobald der Käufer durch den Empfang des deed Eigentümer geworden ist, kann er selbst durch Übergabe des mortgage deed dem Kreditgeber ein Grundpfandrecht übertragen. Beim „sit-down“ closing nimmt der Kreditgeber eine noch weiter gehende Rolle ein. Er wird meist durch einen Rechtsanwalt vertreten, der auch für Käufer und Verkäufer eine beschränkte rechtliche Beratung sicherstellt. Er überprüft, ob die ausgetauschten Übertragungsurkunden inhaltlich korrekt sind und auch tatsächlich das gewünschte Eigentums- bzw. Grundpfandrecht verschaffen können. Gleiches gilt für die Übereinstimmung zwischen der Rechtslage am Grundstück und der abgeschlossenen Rechtsmängelversicherung. Beim escrow closing besteht das Treuhandverhältnis grundsätzlich nur zwischen Käufer und Verkäufer und dient der Abwicklung von Kaufpreis und Eigentumsübertragung. Der Kreditgeber schließt mit dem escrow agent eine separate Vereinbarung,598 die festlegt, unter welchen Voraussetzungen der Kredit für das Geschäft verwendet werden darf.599 Die Treuhandvereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer enthält einen Verweis auf die Absprache zwischen Treuhänder und Kreditgeber, sodass zwischen beiden Vereinbarungen eine Verknüpfung besteht.600 Teilweise sind die Anweisungen des Kreditgebers auch bereits in der Treuhandvereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer oder dem Kaufvertrag enthalten. Der Kreditgeber überweist dem escrow agent den Darlehensbetrag; teilweise erfolgt auch der Abschluss des Kreditvertrags über den Treuhänder, sodass dieser hierfür auch alle notwendigen Dokumente erhält. Eine Auszahlung der Kreditsumme darf nur erfolgen, sofern die Kreditunterlagen des Käufers, der Restkaufpreis und der deed vorhanden sind. Weiterhin müssen der mortgage deed und ein verbindliches Angebot zum Abschluss einer Rechtsmängelversicherung zu Gunsten des Kreditgebers vorliegen. Durch die Verknüpfung beider Treuhandvereinbarungen wird sichergestellt, dass ein 597

Teilweise bekommt der Kreditgeber den Käufer niemals zu Gesicht, da auch der Darlehensvertrag über einen Kreditmakler abgeschlossen wird. 598 Siehe für ein Muster 3 Miller & Starr California Real Estate Forms § 3:45. 599 3 California Real Estate § 6:18, v.a. Fn. 3. 600 Siehe etwa das Muster bei 1A Miller & Starr California Real Estate Forms § 1:46, dort Section 4.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Austausch der Leistungen nur stattfindet, sofern hierfür eine Gegenleistung erbracht wird. Die Haftung des escrow agent erstreckt sich bei einer solchen Abwicklung auch auf Pflichtverletzungen gegenüber dem Kreditgeber.601 3.

Rechtsvergleichende Betrachtung

Ebenso wie die Abwicklung von Kaufpreiszahlung und Eigentumsübertragung ist der Hauptunterschied die in Deutschland erforderliche Eintragung für den Erwerb des Grundpfandrechts. In den Vereinigten Staaten ist auf Grund der fehlenden rechtsändernden Eintragung die Mitwirkung des Verkäufers bei der Bestellung des Grundpfandrechts nicht zwingend erforderlich. Der Käufer kann sofort nach Erhalt des deed das Grundpfandrecht wirksam bestellen. Übereinstimmend fügt sich die Kaufpreisfinanzierung in beiden Ländern in das übrige Verfahren ein und wird von Notar bzw. Treuhänder mit abgewickelt. Der Kreditgeber in den Vereinigten Staaten ist allerdings weit reichender am Grundstücksgeschäft beteiligt. Er nimmt mit einem Vertreter am closing teil und gewährt beim „sit-down“ closing auch rechtsberatende Leistungen. Die Finanzierungsabwicklung beim escrow closing entspricht in etwa der Verwendung eines Notaranderkontos in Deutschland. In beiden Fällen wird der Kaufpreis beim Notar bzw. escrow agent verwahrt, bis die Auszahlungsvoraussetzungen vorliegen. Das „sit-down“ closing besticht auch bei der Finanzierungsabwicklung durch seine außerordentliche Schnelligkeit. Nachteilig ist abermals die geringe Flexibilität, die ein Vorliegen aller Voraussetzungen an einem bestimmten Zeitpunkt erfordert. Das deutsche Verfahren gewährt durch die Ausstellung einer Notarbestätigung zumindest eine Beschleunigung des kompletten Verfahrens. Beim escrow closing verbleibt der Kaufpreis für einen Zeitraum auf dem Treuhandkonto, sodass hier die gleichen Nachteile wie beim Notaranderkonto bestehen. Insgesamt gewähren die Abwicklungsformen in beiden Rechtsordnungen ausreichend Sicherheit für den Kreditgeber, bevor er die Auszahlung des Kredits vornimmt. V.

Sicherstellung der Rechtsmängelfreiheit – Grundbuch vs. title insurance

Beim Grundstückserwerb ist es ein Hauptinteresse des Käufers, das Eigentumsrecht zu erwerben. Hierfür muss das Erwerbsverfahren sicherstellen, dass tatsächlich das volle Eigentumsrecht übergeht und dieses auch rechts601 3 California Real Estate § 6:18. Siehe auch Lowe/Castro Narayanan, 21 No. 3 Miller & Starr, Real Estate Newsalert 1 (2011), die u.a. das Urteil Plaza Home Mortg., Inc. v. North American Title Co., Inc., 184 Cal.App.4th 130, 109 Cal.Rptr.3d 9 (Cal. 2010) besprechen. Der escrow agent hatte eine Auszahlung ohne Einverständnis des Kreditgebers vorgenommen.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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mängelfrei ist, also nur die im Kaufvertrag vereinbarten Belastungen am Grundstück bestehen. Aus diesem Grund erfolgen vor Abschluss der angestrebten Eigentumsübertragung eine Überprüfung der Eigentümerstellung des Verkäufers sowie die Prüfung des Bestehens weiterer dinglicher Rechte. Nur dem Eigentümer eines Grundstücks ist es – abgesehen vom gutgläubigen Erwerb – möglich, wirksam Rechte zu übertragen. Eine fehlende Eigentümerstellung kann den Erwerb vollständig vereiteln. Das Bestehen von dinglichen Rechten Dritter führt hingegen zumindest zu einer Wertminderung des Eigentumsrechts, kann aber auch die Nutzbarkeit oder Verfügungsfreiheit einschränken. Die Überprüfung der sachenrechtlichen Verhältnisse findet auf Grund der voneinander abweichenden Erwerbsverfahren in den Vereinigten Staaten und Deutschland zu unterschiedlichen Zeitpunkten statt. Bei der Durchführung eines Grundstückgeschäfts in Deutschland werden alle das Grundstück betreffenden rechtlichen Informationen vor Abschluss des Kaufvertrags und erneut nach Eintragung der Eigentumsvormerkung durch eine Grundbucheinsicht vom Notar eingeholt. In den Vereinigten Staaten wird hingegen die title search, die die Rechtsverhältnisse am Grundstück aufdecken soll, erst nach Abschluss des Kaufvertrags vorgenommen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses muss sich der Erwerber auf die Angaben des Veräußerers und dessen vermeintliche Eigentümerstellung verlassen. Weiterhin „garantieren“ beide Rechtsordnungen die Rechtsmängelfreiheit auf grundsätzlich verschiedene Weise. Die Angaben des Grundbuchs sind auf Grund der positiven und negativen Publizität sowie der Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs verlässlich. In den Vereinigten Staaten fehlt es zumindest an einer positiven Publizität, sodass eine „Garantie“ nicht aus dem Ergebnis der title search selbst folgt. Deshalb wird die Registerauskunft zusätzlich durch den Abschluss einer title insurance, die den Käufer (und Kreditgeber) vor unerkannt gebliebenen Rechtsmängeln durch die Gewährung eines Versicherungsanspruchs schützt, abgesichert. 1.

Rechtsmängelfreiheit durch Grundbuch und Grundbuchverfahren

In Deutschland gewährleistet das Grundbuch einen schnellen und vollständigen Überblick über die an einem Grundstück bestehenden dinglichen Rechte und deren Inhaber. Vor der Beurkundung eines Grundstückkaufvertrags soll der Notar Einsicht in das Grundbuch nehmen, um sich über alle bestehenden Rechte zu unterrichten, § 21 Abs. 1 Satz 1 BeurkG.602 Nur mit Hilfe dieser

602

Auf Verlangen der Beteiligten ist nach eingehender (BayObLG DNotZ 1990, 667, 668) Belehrung über die Risiken auch eine Beurkundung ohne vorherige Einsicht zulässig, § 21 Abs. 1 Satz 2 BeurkG; Herrler, in: Beck’sches Notar-HB, A. I. Grundstückskauf Rn. 18.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Angaben ist es ihm möglich, genau festzulegen, mit welchen Belastungen der Verkäufer sich verpflichtet, das Eigentumsrecht zu übertragen. Die verhältnismäßig einfache Überprüfung der an einem Grundstück bestehenden Rechte setzt voraus, dass sich der Notar sowie die Beteiligten auf die Angaben des Grundbuchs verlassen können. Die Ausstattung des Grundbuchs mit einer weit reichenden positiven und negativen Publizität sowie öffentlichem Glauben setzt voraus, dass eine möglichst hohe Übereinstimmung zwischen dem Grundbuch und der rechtlichen Wirklichkeit besteht. a)

Verlässlichkeit der Grundbucheinsicht

Das Grundbuch verleiht den Eintragungen keine formelle Rechtskraft, es stellt also die dingliche Rechtslage nicht unwiderlegbar fest. Vielmehr wird das Bestehen eines eingetragenen Rechts bzw. Nichtbestehen eines gelöschten Rechts nur widerlegbar vermutet, § 891 BGB (positive bzw. negative Publizität).603 Der Schutz des Grundbuchs wird über die reine Vermutung hinaus durch den öffentlichen Glauben des Grundbuchs in § 892 Abs. 1 Satz 1 BGB maßgeblich erweitert.604 Sein Inhalt gilt für einen rechtsgeschäftlichen Erwerber als richtig. Entspricht er hingegen (ausnahmsweise) nicht der tatsächlichen Rechtslage, wird ein gutgläubiger Erwerber so gestellt, als sei der Inhalt des Grundbuchs richtig.605 b)

Mechanismen zur Sicherstellung der Richtigkeit des Grundbuchs

Die widerlegbare Vermutung und Gutglaubensfunktion der Grundbucheintragung lassen sich nur rechtfertigen, wenn eine Übereinstimmung zwischen Grundbuch und der tatsächlichen Rechtslage weitgehend gewährleistet ist. Bestünde eine zuverlässige Übereinstimmung nicht, wäre die Gefahr eines Rechtsverlusts bzw. der durch das vermehrte Auftreten von wirksamen Erwerben vom Nichtberechtigten entstehende Schaden irgendwann so groß, dass er für die Rechtsordnung nicht mehr hinnehmbar wäre. Ebenso ist der hohe bürokratische und finanzielle Aufwand für die Grundbuchführung nur in Kombination mit der umfassenden Wirkung des Grundbuchs vertretbar.606 Für die Übereinstimmung sorgen sowohl verfahrensrechtliche als auch materiell-rechtliche Vorschriften. Hinsichtlich besonders wichtiger Grundstücksrechte – vor allem dem Eigentumsrecht – wird durch weitergehende Anforderungen eine noch größere Übereinstimmung erreicht.

603

Gursky, in: Staudinger, BGB, § 891 Rn. 1; Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 1. So Gursky, in: Staudinger, BGB, § 891 Rn. 2. 605 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 3; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 708. Siehe zum gutgläubigen Erwerb oben S. 234. 606 So Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 2. 604

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Für die Richtigkeit des Grundbuchs ist erforderlich, dass das Grundbuchamt überhaupt über Rechtsänderungen Kenntnis erlangt. Zudem müssen die beantragten Rechtsänderungen tatsächlich dem Willen des Berechtigten entsprechen, mit dem dinglichen Rechtsgeschäft übereinstimmen und schließlich ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragen werden. aa) Kenntnis durch Eintragungszwang Erste Voraussetzung für die Richtigkeit des Grundbuchs ist die Kenntnis des Grundbuchamts über sämtliche Rechtsänderungen. Nur mit Hilfe dieser Informationen können die Rechtsänderungen auch im Grundbuch aufgenommen werden. Nach deutschem Recht sind rechtsgeschäftliche Übertragungen von Grundstücksrechten sowie deren Belastung erst nach Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch wirksam, § 873 Abs. 1 BGB.607 Ebenso sehen Sondervorschriften den Eintragungsgrundsatz bei der Änderung des Inhalts eines Grundstücksrechts (§ 877 BGB), der Rangänderung (§ 880 Abs. 2 BGB), des Rangvorbehalts (§ 881 BGB) und der Auswechslung der Hypothekenforderung (§ 1180 BGB) vor.608 Diese materiell-rechtlichen Vorschriften erreichen die Eintragung zahlreicher Rechtsänderungen in das Grundbuch. Sie bewirken somit auch dessen Vollständigkeit. Nicht erfasst vom Eintragungszwang sind hingegen kraft Gesetzes oder Hoheitsakts eintretende Rechtsänderungen.609 In einem solchen Fall wird das Grundbuch zunächst unrichtig. Durch einen Grundbuchberichtigungsantrag des Betroffenen erfolgt eine Berichtigung des Grundbuchs. Beim Hauptanwendungsfall des nichtrechtsgeschäftlichen Erwerbs, des Eigentumsübergangs im Todesfall, besteht sogar ein Zwang zur Grundbuchberichtigung, § 82 GBO.610 Durch die genannten Vorschriften und Voraussetzungen stellt die Rechtsordnung sicher, dass das Grundbuchamt von sämtlichen Rechtsänderungen Kenntnis erlangt und deren Eintragung sichergestellt ist.

607

Siehe ausführlich zum Anwendungsbereich Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 20 ff.; zu Ausnahmen Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 31 ff. Ebenso wird bei Verfügungen über grundstücksgleiche Rechte, Wohnungseigentum (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 WEG), Wohnungserbbaurecht (§ 30 WEG) und Erbbaurecht (§ 11 Abs. 1 ErbbauRG) auf § 873 Abs. 1 BGB verwiesen. 608 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 10, dort auch weitere Einzelfälle. 609 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 873 Rn. 12 ff.; Kohler, in: MüKo, BGB, § 873 Rn. 12 ff.; jeweils mit Ausführungen zu den einzelnen Anwendungsfällen. 610 Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 617.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

bb) Berechtigung Die Übertragung, Belastung und Löschung von Grundstücksrechten kann nur mit Zustimmung des jeweiligen Rechtsinhabers geschehen.611 Bevor die Rechtsänderung im Grundbuch eingetragen wird, muss folglich überprüft werden, ob eine Zustimmung vorliegt und ob diese auch vom tatsächlichen Rechtsinhaber stammt oder nicht etwa von einem nichtberechtigten Dritten abgegeben wurde. Die Zustimmung besteht im Grundbuchverfahren aus der (einseitigen) Bewilligung des Rechtsinhabers, § 19 GBO, die gemeinsam mit dem Antrag beim Grundbuchamt eingereicht wird. Die Bewilligung muss folglich von der Person stammen, die im Grundbuch als Inhaber des vom Änderungsantrag betroffenen Rechts eingetragen ist612 und die Änderung in der Form des § 15 GBV eindeutig bezeichnet sein.613 Anhand dieser Angaben nimmt das Grundbuchamt eine Überprüfung vor.614 Es stellt sicher, dass der in der Bewilligung genannte Berechtigte tatsächlich (Buch-)Inhaber des betroffenen Rechts ist. Eine Identitätsfeststellung der Person, die die Bewilligung abgegeben hat, findet nicht durch das Grundbuchamt statt.615 Hierfür ist der Notar, der die Beurkundung vorgenommen hat verantwortlich, § 10 BeurkG. Die Identität ist mit besonderer Sorgfalt zweifelsfrei, in der Regel durch persönliche Bekanntschaft oder amtlichen Lichtbildausweis, festzustellen.616 Die Zuverlässigkeit einer solchen Feststellung hängt unter anderem von der Verlässlichkeit bzw. Fälschungssicherheit des zur Identifizierung verwendeten Dokuments ab.617 In Deutschland kann hiervon wohl weitgehend ausgegangen 611 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 33; Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 19 Rn. 135 ff. 612 Holzer, in: BeckOK, GBO, § 19 Rn. 60 ff.; Nieder/Maaß, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 1 Rn. 72. Auf die materielle Rechtslage kommt es hingegen nicht an; es sei denn, das Grundbuchamt hat hiervon Kenntnis (jedoch nur bei wenigen Ausnahmefällen); Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 19 Rn. 143. 613 Holzer, in: BeckOK, GBO, § 19 Rn. 36. 614 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 124; Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 19 Rn. 93 ff. 615 Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 163; Renner, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 10 BeurkG Rn. 10. Es muss die Identitätsfeststellung des Notars auch akzeptieren, wenn diese gegen die Voraussetzungen des § 10 BeurkG verstößt. OLG Celle DNotZ 2006, 297. 616 Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 158 f.; Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 10 BeurkG Rn. 9; Winkler, BeurkG, § 10 Rn. 19. Siehe zur Identitätsfeststellung oben S. 152 und S. 352. Der Notar muss jedoch auch eine Beurkundung vornehmen, wenn er die Identität nicht zweifelsfrei klären kann. Die so erstellte Urkunde hat jedoch einen beschränkten Beweiswert; Limmer, in: Eylmann/Baumann, BNotO, BeurkG, § 10 BeurkG Rn. 14; Litzenburger, in: BeckOK, BGB, § 10 BeurkG Rn. 10. 617 Siehe hierzu Bohrer, MittBayNot 2005, 460, 461.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

353

werden.618 Die zutreffende Identitätsfeststellung durch den Notar wird durch dessen Mitwirkungspflicht an allen Grundstücksgeschäften garantiert.619 Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO muss die Eintragungsbewilligung in Form einer öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunde beim Grundbuchamt eingereicht werden. Für die Ausstellung ist grundsätzlich der Notar zuständig.620 Ohne den Notar und dessen Identitätsfeststellung ist eine Eintragung im Grundbuch nicht möglich. Die Überprüfung der Identität der verfügenden Person sowie der Übereinstimmung mit dem im Grundbuch eingetragenen Rechtsinhaber durch Notar und Grundbuchamt stellt sicher, dass jeweils nur der laut Grundbuch Berechtigte die Eintragung von Rechten bewilligt. So wird verhindert, dass nicht im Grundbuch eingetragene Personen Rechtsänderungen bewilligen und solche auch nicht durch Täuschung im Namen des tatsächlich Berechtigten erfolgen. cc) Übereinstimmung zwischen (dinglichem) Rechtsgeschäft und Eintragungsantrag Der Inhalt des Grundbuchs stellt nur die tatsächliche Rechtslage dar, wenn die Eintragung inhaltlich mit dem (dinglichen) Rechtsgeschäft übereinstimmt. Das materielle Recht fordert eine solche inhaltliche Übereinstimmung zwischen Einigung und Eintragung (materielles Konsensprinzip).621 Das Grundbuchverfahrensrecht geht jedoch nicht so weit und verlangt keinen Nachweis der Einigung, sondern grundsätzlich nur die einseitige Bewilligung der von der Rechtsänderung betroffenen Person (formelles Konsensprinzip; § 19 GBO). Der durch die Eintragung gewinnende Teil muss verfahrensrechtlich nicht zustimmen.622 Zur Erleichterung und Beschleunigung623 des Eintragungsverfahrens wird auf die Überprüfung des Vorliegens einer Einigung verzichtet.624 Eine solche würde zu erhöhten Kosten sowie einem zeitlichen, den Rechtsverkehr hindernden Verzug der Eintragung führen.625 Bei Vorlie618

Siehe zum hohen Stellenwert der Identitätsfeststellung in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern Franzmann, MittBayNot 2009, 346, 350 f. 619 Siehe hierzu oben S. 152. 620 Otto, in: BeckOK, GBO, § 29 Rn. 137 ff. 621 Kohler, in: MüKo, BGB, § 873 Rn. 101; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 15. 622 Nieder/Maaß, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 1 Rn. 73; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 15. 623 Kritisch hinsichtlich einer tatsächlichen Beschleunigung Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 7. 624 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 7; Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 19 Rn. 3 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 95. 625 Holzer, in: BeckOK, GBO, § 19 Rn. 1, der auch auf die historische (negative) Erfahrung mit der Preußischen Hypothekenordnung von 1783 verweist; Wolfsteiner, DNotZ 1987, 67, 68.

354

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

gen der Bewilligung wird das Bestehen der Einigung vermutet.626 Im Gegenzug zum vereinfachten Verfahren wird eine zumindest vorübergehende Unrichtigkeit des Grundbuchs in Kauf genommen, etwa beim Nichtbestehen einer dinglichen Einigung. Das Grundbuchamt hat grundsätzlich keine Möglichkeit, das Vorliegen der Einigung zu überprüfen. Das formelle Konsensprinzip wird bei besonders wichtigen Rechtsübertragungen, vor allem der Auflassung und der Verfügung über das Erbbaurecht, zu Gunsten des materiellen Konsensprinzips durchbrochen, § 20 GBO.627 Bei der Übertragung von Grundstückseigentum und Erbbaurecht sind nicht nur wesentliche private Rechte, sondern auch öffentlich-rechtliche Verpflichtungen betroffen.628 Hier besteht ein besonderes Interesse an der Richtigkeit des Grundbuchs. Das Grundbuchamt befriedigt dieses Interesse durch die Überprüfung des Vorliegens der dinglichen Einigung, die zusammen mit dem Eintragungsantrag eingereicht werden muss.629 Neben der Überprüfung durch das Grundbuchamt findet zudem eine vorgelagerte Überprüfung durch den Notar statt. Einen Eintragungsantrag kann zwar jeder (formlos) stellen, für die Bewilligung sowie die eigentlich formlose Auflassung ist jedoch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde erforderlich, § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO. Deshalb beauftragen die Parteien in der Praxis meist den Notar mit der Antragstellung. Bei einer schlichten Unterschriftsbeglaubigung besteht grundsätzlich keine ausführliche Prüfungspflicht des Notars,630 da nur der Beglaubigungsvermerk selbst Teil der öffentlichen Urkunde ist.631 Neben der sorgfältigen Identitätsfeststellung und nach § 40 Abs. 2 BeurkG ist lediglich eine Evidenzprüfung des beglaubigten Texts erforderlich.632 Sofern der Notar jedoch auch den beglaubigten Text entwirft,

626

Zudem entstehen für den gewinnenden Teil keine unmittelbaren Nachteile. Holzer, in: BeckOK, GBO, § 20 Rn. 3. 627 Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 20 Rn. 7; Nieder/Maaß, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 1 Rn. 73. 628 Holzer, in: BeckOK, GBO, § 20 Rn. 1; Nieder/Maaß, in: Würzburger NotarHB, Teil 2 Kap. 1 Rn. 73; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 108. Ursprünglich wurde § 20 GBO aus fiskalischen Gründen geschaffen; Böttcher, in: Meikel, GBO, § 20 Rn. 2; Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 19 Rn. 8. 629 Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 2; Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 19 Rn. 13. 630 Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 284; Limmer, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 2 Rn. 226. 631 Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 283; Limmer, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 2 Rn. 219. 632 Limmer, in: Würzburger NotarHB, Teil 1 Kap. 2 Rn. 226. Ausführlich Preuß, in: Armbrüster/Preuss/Renner, BeurkG, BNotO, § 40 BeurkG Rn. 27 ff.; Winkler, BeurkG, § 40 Rn. 41 ff.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

355

wie gerade im Grundbuchverfahren üblich, treffen ihn wiederum die Prüfungs- und Belehrungspflichten der Beurkundung von Willenserklärungen.633 dd) Ordnungsgemäße Eintragung Letzter Punkt der Sicherstellung der Richtigkeit des Grundbuchs bei Rechtsänderungen ist deren ordnungsgemäße Eintragung. Jede Rechtsänderung muss an einer speziellen Stelle (Abteilung) im Grundbuch eines bestimmten Grundstücks erfolgen. Die für die Eintragung erforderlichen Angaben sind in der vom Notar beurkundeten Bewilligung enthalten. Dies sind neben der Person des Rechtsinhabers die Grundstücksbezeichnung (Flurnummer etc.; § 28 Satz 1 GBO), die Person des Eintragungsberechtigten sowie der genaue Inhalt des einzutragenden Rechts.634 Das Grundbuchamt nimmt mit Hilfe dieser Angaben die Eintragung des richtigen Rechts in der entsprechenden Abteilung des betroffenen Grundstücks vor. Nachdem die Eintragung durch das Grundbuchamt vorgenommen wurde, überprüft der Notar – sofern er hiermit beauftragt wurde – dessen Übereinstimmung mit der beantragten Rechtsänderung. ee) Abschirmung des Grundbuchs vor Fehlern des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Geschäfts Den Eintragungen im Grundbuch – sofern es sich nicht um einen gesetzlichen Erwerb handelt – liegt stets ein schuldrechtliches Geschäft zugrunde. Das Abstraktionsprinzip sorgt für die Unabhängigkeit der Wirksamkeit des schuldrechtlichen und dinglichen Vertrags. Ein mit einem Fehler behaftetes, unwirksames schuldrechtliches Geschäft hat keinerlei Auswirkungen auf die dingliche Einigung und somit auch nicht auf die Eintragung im Grundbuch.635 Es wird nicht „lediglich“ unrichtig. Sofern das zugrunde liegende Geschäft unwirksam ist, besteht „nur“ ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückübertragung. Bei besonders wichtigen Rechtsübertragungen, vor allem des Eigentumsrechts, sorgt weiterhin die zwingende Mitwirkung des Notars beim schuldrechtlichen Geschäft durch § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bzw. auch § 925a BGB für eine Vermeidung bzw. Minimierung von Fehlern von Anfang an.636 Insgesamt trägt das Abstraktionsprinzip durch die Unabhängigkeit der Grundbucheintragung vom fehlerhaften Kausalgeschäft zu dessen Überein633

Bernhard, in: Beck’sches Notar-HB, G. Beurkundung Rn. 291. Holzer, in: BeckOK, GBO, § 19 Rn. 35 ff.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 103. Zum Inhalt ausführlich Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 111 ff.; Kössinger, in: Bauer/Oefele, GBO, § 19 Rn. 54 ff. 635 Siehe zur Durchbrechung des Grundsatzes, vor allem bei Fehleridentität, oben S. 108. 636 Kanzleiter, in: MüKo, BGB, § 925a Rn. 1. 634

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

stimmung mit der tatsächlichen Rechtslage bei.637 Ebenso ist aus diesem Grund keine Überprüfung des schuldrechtlichen Geschäfts durch das Grundbuchamt notwendig.638 ff)

Öffentlicher Glaube und Fehlerkorrektur durch gutgläubigen Erwerb

Trotz des umfangreichen Grundbuchverfahrens und der Überprüfung durch Grundbuchamt und Notar sind unrichtige Eintragungen nicht vollständig ausgeschlossen. Ein Vertrauen auf die Richtigkeit des Grundbuchs ist für den Rechtsverkehr nur dann von Vorteil, wenn dem Vertrauen auf eine unrichtige Eintragung keine Nachteile folgen. Hierfür sorgt der öffentliche Glaube des Grundbuchs und die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs, § 892 Abs. 1 BGB. Das Fehlen einer solchen Wirkung hätte eine Irreführung des Rechtsverkehrs zur Folge.639 Ohne die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs wäre jedes Verlassen auf den Inhalt des Grundbuchs sinnlos. Es bestünde stets die Möglichkeit, sein eingetragenes Recht auf Grund der tatsächlichen Berechtigung eines ehemaligen Inhabers zu verlieren. Solche Fehler würden sich zudem quasi endlos in die Zukunft erstrecken.640 Das Grundbuch wäre insgesamt „diskreditiert“641 und würde sogar als „Falle für den redlichen Geschäftsverkehr“642 wirken. Sofern die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs vorliegen, ist auch ein Erwerb von einem nichtberechtigten, aber eingetragenen Rechtsinhaber möglich. Die Anforderungen an den Erwerber sind weitaus geringer als beim gutgläubigen Erwerb von beweglichen Sachen. 637

Stürner, in: Soergel, BGB, § 925a Rn. 2. Holzer, in: BeckOK, GBO, § 20 Rn. 64. Siehe hierzu auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 532 ff., die zumindest indirekt die fehlende Abstraktion für die umständliche title search und title insurance in den Vereinigten Staaten verantwortlich macht. „Abstrakte Verfügungen ermöglichen es im Liegenschaftsrecht, Grundstückgeschäfte schneller, effizienter und vor allem kostengünstiger durchzuführen – man denke nur an die aufwendige title search und title insurance amerikanischen Rechts.“ Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 535. Dem kann wohl nicht zugestimmt werden, da zunächst das Verhältnis zwischen Kaufvertrag und Eigentumsübertragung durch den deed weitgehend auch abstrakt ist (siehe oben S. 209, davon geht auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 531, 534 aus) und letztendlich die fehlende positive Publizität und der Aufbau des Registers wesentliche Gründe für die umfangreiche und unzuverlässige title search sind. 639 Siehe beispielsweise Sefrin, MittBayNot 2010, 268, 270, der der Ansicht ist, ohne den Vertrauensschutz des § 892 BGB „wären Grund und Boden zu Kreditzwecken kaum verwendbar“. 640 Genau dieses Problem besteht im angloamerikanischen Recht und wird dort durch Vorschriften zur Ersitzung und zum Untergang von Grundstücksrechten (marketable title legislation) durch Zeitablauf abgeschwächt. Siehe hierzu unten S. 361. 641 So Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 2. 642 So Mugdan III, S. 115; ähnlich RGZ 117, 257, 265. 638

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

357

Die Rechtsscheinwirkung des Grundbuchs ist weitaus höher als die des Besitzes, auf die beim gutgläubigen Erwerb von Mobilien zurückgegriffen wird.643 Dem Erwerber schadet nur positive Kenntnis der Unrichtigkeit.644 Die geringen Anforderungen an den gutgläubigen Erwerb fördern so auch die Übereinstimmung des Grundbuchs mit der tatsächlichen Rechtslage.645 Der gutgläubige Erwerb „erzwingt“ die Richtigkeit des Grundbuchs.646 Insgesamt führen die sorgfältige Führung des Grundbuchs und die umfangreiche Mitwirkung des Notars zu einer wohl sehr seltenen Anwendung des gutgläubigen Erwerbs in der Praxis.647 gg) Unsicherheiten durch nicht aus dem Grundbuch ersichtliche Lasten Aus dem Grundbuch sind jedoch nicht sämtliche dinglichen Rechte erkennbar.648 So müssen beispielsweise öffentlich-rechtliche Beschränkungen dem Baulastenverzeichnis entnommen werden.649 Weiterhin können mit den altrechtlichen Dienstbarkeiten dingliche Rechte bestehen, die auch ohne Eintragung im Grundbuch wirksam sind und im Fall eines gutgläubigen Erwerbs nicht untergehen, Art. 187 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.650 Die Ermittlung des Bestehens solcher Rechte ist folglich durch eine Grundbucheinsicht nicht mög-

643

Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 2, 47; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 708. 644 Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 47; Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 140 ff.; zu Kritik siehe die Nachweise bei Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 9. 645 Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 7; siehe ausführlich Hager, Verkehrsschutz durch redlichen Erwerb, 1990, S. 419 ff. 646 So Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 58. 647 So Kohler, in: MüKo, BGB, § 892 Rn. 2, Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 58; Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 710. Zumindest zweifelnd hinsichtlich dieser Einschätzung Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 8. Ausnahmen gelten lediglich für extreme Situationen in der Vergangenheit; siehe hierzu m.w.N. Schäfer, RpflStud 2006, 171, 176. 648 Ausführlich zu unsichtbaren Belastungen Böhringer, BWNotZ 1992, 3; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3195 ff. Siehe auch Reithmann, Vorsorgende Rechtspflege durch Notare und Gerichte, 1989, S. 63 ff. 649 Die Baulastenverzeichnisse werden teilweise kritisch gesehen, da sie eine Art „Nebengrundbuch“ darstellen und die Lasten nicht aus dem Grundbuch erkennbar sind. Siehe etwa Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 3197 („völliger Missgriff“); Sefrin, MittBayNot 2010, 268, 273; sowie Böhringer, BWNotZ 1992, 3, 13, der es als bedauerlich ansieht, dass öffentlich-rechtliche Vorschriften das Grundbuch stetig „durchlöchern“ und so das Vertrauen in dieses negativ beeinträchtigen. 650 Säcker, in: MüKo, BGB, Art. 187 EGBGB Rn. 3; siehe hierzu ausführlich Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 2012, Rn. 1171 ff.

358

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

lich. Der Kaufvertrag sieht aus diesem Grund für solche Rechtsmängel meist einen Haftungsausschluss des Verkäufers vor.651 c)

Zusammenfassung

Der Sicherstellung der Rechtsmängelfreiheit bei Grundstücksübertragungen erfolgt durch eine Einsicht des Notars in das Grundbuch, auf dessen Inhalt sich der Rechtsverkehr verlassen kann. Die Übereinstimmung des Grundbuchs mit der tatsächlichen Rechtslage wird durch den Eintragungszwang, das formalistische Grundbuchverfahren und die Kontrolle durch Grundbuchamt und Notar gewährleistet. Gerade die Mitwirkung des Notars bei Rechtsübertragungen sorgt für eine umfangreiche Überprüfung. Er nimmt eine Einsicht regelmäßig dreimal vor, nämlich vor Abschluss des Kaufvertrags, nach Eintragung der Eigentumsvormerkung und schließlich nach erfolgter Eigentumsumschreibung. Bei besonders wichtigen Rechten, vor allem dem Eigentum, sorgt zudem die Kontrolle der Einigung für einen noch höheren Grad an Übereinstimmung und die Vermeidung eines unrichtigen Grundbuchs. In der Praxis tauchen deshalb Abweichungen zwischen formeller und tatsächlicher Rechtslage, gerade beim Eigentumsrecht, extrem selten auf.652 Selbst ein durch den gesetzlichen Erwerb entstehendes unrichtiges Grundbuch beeinträchtigt den Rechtsverkehr kaum, da spätestens bei der nächsten Übertragung der tatsächliche Rechtsinhaber die Unrichtigkeit korrigieren bzw. gegenüber dem Grundbuchamt darlegen muss. Die hohe Verlässlichkeit der Übereinstimmung des Grundbuchs mit der tatsächlichen Rechtslage ermöglicht erst den öffentlichen Glauben und den gutgläubigen Erwerb.653 Der Rechtsverkehr ist letztendlich nicht vordergründig an der Übereinstimmung interessiert, sondern an der Garantie, dass sich der Erwerb von Grundstücksrechten nach dem Inhalt des Grundbuchs und nicht etwa nach der wirklichen Rechtslage richtet.654 Letztendlich ist das Grundbuch mit der Wirkung der Eintragung – Publizität und öffentlicher Glaube – Grundlage für die sichere Übertragung von Grundstücksrechten. Es ist „Garant für Rechtsicherheit“655 und Grundpfeiler656 des Grundstücksrechts.

651

Siehe beispielsweise den Musterkaufvertrag bei Gebele, in: Beck’sches Formularbuch, III. B. 1, dort II. § 6 Abs. 1. 652 So Gursky, in: Staudinger, BGB, § 891 Rn. 1; Kohler, in: MüKo, BGB, § 891 Rn. 1. 653 Siehe Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 7. 654 So Wolfsteiner, DNotZ 1987, 67, 68 f.; siehe auch Böttcher, in: Meikel, GBO, § 19 Rn. 7. 655 So Sefrin, MittBayNot 2010, 268, 274. 656 So Gursky, in: Staudinger, BGB, § 892 Rn. 8; ähnlich Weirich/Ivo, Grundstücksrecht, 2015, Rn. 710.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

2.

359

Rechtsmängelfreiheit durch title search und title assurance

Im Gegensatz zum deutschen Grundbuch sind aus dem Grundstücksregister in den Vereinigten Staaten die an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse nicht ohne Weiteres erkennbar. Zu deren Ermittlung ist eine umfassende Untersuchung des Registerinhalts im Rahmen der title search erforderlich. Nur auf diese Weise können Rechtsmängel aufgedeckt werden. Das Fehlen einer mit dem Notar vergleichbaren Person hat zur Folge, dass bei Grundstücksgeschäften nicht zwingend eine Überprüfung der Rechtsverhältnisse stattfindet. Es ist alleinige Aufgabe der Parteien, für eine Untersuchung des Grundstücks auf bestehende Rechtsmängel zu sorgen. Nach angloamerikanischem Recht liegt die title search im Verantwortungsbereich des Käufers. Der Verkäufer verpflichtet sich zwar im Kaufvertrag, dem Käufer einen marketable title, also ein weitgehend rechtsmängelfreies Recht, zu verschaffen, er ist jedoch nicht verpflichtet, seine Rechtsposition nachzuweisen.657 Es liegt im Aufgabenbereich des Käufers, sich selbst über das Bestehen eines marketable title zu vergewissern. Ursprung dieser Übertragung der Verantwortung auf den Käufer ist ein Grundsatz des Vertragsrechts des Common Law, die sogenannte doctrine of caveat emptor.658 Es besagt, dass es im Verantwortungsbereich des Käufers liegt, sich über die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse der zu kaufenden Sachen selbst zu informieren. Übersieht der Käufer Sach- oder Rechtsmängel, so hat er keinerlei Ansprüche gegenüber dem Verkäufer.659 In vielen Bundesstaaten ist diese Gefahrtragungsregel mittlerweile abgeschwächt; vor allem beim Erwerb von (nicht gewerblich genutzten) Neubauten.660 Die Position des Käufers wird weiterhin durch die beschränkte Garantie des deed geschwächt, die eine Haftung des Veräußerers weitgehend einschränkt, so beispielsweise beim quitclaim deed661. Der Käufer veranlasst aus diesen Gründen vor der Eigentumsübertragung eine title search, die die dingliche Rechtslage feststellt. So kann er das Risiko eines Schadens durch eine abweichende Eigentumslage oder durch dingliche Belastungen ausschließen bzw. minimieren. Neben dem Käufer hat auch der Kreditgeber ein großes Interesse an einer Überprüfung der dinglichen Verhältnisse. Der Wert seines Grundpfandrechts hängt maßgeblich von dem Recht ab, das der Käufer erwirbt. Findet kein Eigentumserwerb statt oder 657 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 41. Es sei denn, er hat sich hierzu ausdrücklich vertraglich verpflichtet. Dies ist jedoch unüblich. 658 Laidlaw v. Organ, 15 U.S. 178, 15 U.S. 178, 4 L.Ed. 214, 2 Wheat. 178 (La. 1817); 17 Williston on Contracts § 50:26. 659 17 Williston on Contracts § 50:26; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 41. Ausnahmen gelten regelmäßig bei Täuschung und Betrug. 660 17 Williston on Contracts § 50:26. Siehe auch 1 California Real Estate § 1:140. 661 Siehe zum Garantieinhalt des deed oben S. 206.

360

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

bestehen bereits Sicherungsrechte am Grundstück, kann der Kreditgeber im Zweifel ohne wirksame oder nur mit einer wertlosen dinglichen Sicherung seines Kredites verbleiben. Eine Finanzierung wird folglich nur gewährt, wenn der Erwerber nachweisen kann, dass er tatsächlich ein rechtsmängelfreies Grundstück erlangen kann. Wie bereits aufgezeigt lassen die angloamerikanischen Register, die nach dem recording-of-land-titles-System aufgebaut sind, den aktuellen Eigentümer eines Grundstücks und an diesem bestehende Belastungen nicht ohne Weiteres erkennen. Vielmehr ist eine umfangreiche Recherche im Grundstücksregister sowie in weiteren öffentlichen Registern erforderlich. Der gesamte Vorgang wird als title search bezeichnet und besteht aus zwei Schritten. Zunächst erfolgt eine Auflistung aller vorherigen Rechtsübertragungen und Belastungen anhand des Grundstücksregisters (abstract of title), daraufhin werden die rechtlichen Auswirkungen analysiert (title examination). Die durch die title search erhaltenen Informationen können auf Grund der Fehleranfälligkeit des Registers unzutreffend sein. Der Erwerber hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten, Sicherheit über die Richtigkeit der aus dem Register ermittelten Informationen zu erhalten (dies wird als title assurance bezeichnet).662 Zunächst kann der Erwerber einen auf das Grundstücksrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der Analyse des Registerinhalts beauftragen. Sein Ergebnis ist die sogenannte attorney title opinion, die in Form eines Gutachtens Aussagen über die Eigentumslage und hieran bestehende Rechte trifft. Sie enthält eine komplette Beurteilung über die „Qualität“ des Grundstücks in rechtlicher Hinsicht. Weiterhin kann der Erwerber eine Versicherung, die sogenannte title insurance, über das Auftreten von Rechtsmängeln am Grundstück zu seinen Gunsten und/oder zu Gunsten des Kreditgebers abschließen. Ein Rechtsmängelversicherer wird das Risiko eines Rechtsmangels anhand einer eigenen oder fremden Recherche einschätzen und dementsprechend einen Versicherungsschutz gewähren. Beide Möglichkeiten der title assurance basieren zwar auf einer Recherche und Analyse des Grundstückregisters (title search), unterscheiden sich jedoch hinsichtlich des für den Erwerber und den Kreditgeber gewährten Sicherheitsniveaus. Im Folgenden werden zunächst die Verlässlichkeit des Registerinhalts sowie gesetzliche Regelungen, die für eine Fehlerbereinigung sorgen, dargestellt. Anschließend wird die aus abstract of title und title examination bestehende title search beschrieben. Daraufhin wird die Funktion und die Schutzreichweite von title opinion und title insurance erörtert.

662

Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 269; McCormack, 18 Wm. Mitchell L. Rev. 61, 76 (1992). Siehe auch Sheppard, 79 N.D. L. Rev. 311, 314 (2003), der weitere allgemeine Sicherungsmöglichkeiten des Erwerbers aufführt, die jedoch – bis auf die auch hier dargestellten – nur eine geringe Sicherheit gewährleisten.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

a)

361

Verlässlichkeit des Registerinhalts

Das angloamerikanische Grundstücksregister besteht lediglich aus einer Sammlung von registrierten Übertragungsurkunden. Die Rechtsordnung sieht keine besonderen Vorschriften vor, die eine Übereinstimmung zwischen der aus dem Register erkennbaren und der tatsächlich bestehenden Rechtslage sicherstellen. Zunächst erhält das Registeramt nicht zwingend Kenntnis über alle Rechtsübertragungen. Eine Registrierung ist für die Wirksamkeit einer Rechtsübertragung nicht erforderlich. Lediglich der durch das Register gewährte Schutz vor einem gutgläubigen Erwerb verursacht einen mittelbaren Zwang. Die Registrierung von Urkunden ist zudem von jedermann bereits unter sehr geringen Voraussetzungen möglich. In den meisten Bundesstaaten muss lediglich die Identität der übertragenden Person durch eine acknowledgment eines notary public festgestellt werden. So kann letztendlich – bis auf Täuschungs- bzw. Betrugsfälle663 – zumindest von der zutreffenden Identität des Urkundenausstellers ausgegangen werden. Grundsätzlich ist nicht sichergestellt, dass nur Urkunden über Übertragungen registriert werden, die tatsächlich stattgefunden haben. Darüber hinaus gewährleistet das Register keine Sicherheit über das Bestehen von einzelnen Rechten oder die inhaltliche oder rechtliche Übereinstimmung einzelner Urkunden mit der Rechtswirklichkeit. b)

Registerbereinigung – Marketable title legislation

Im angloamerikanischen Grundstücksrecht hängt jede Rechtsübertragungen von sämtlichen vorhergehenden Übertragungen ab. Einzelne Eintragungen bzw. Registrierungen entfalten hingegen keine eigenständige Wirkung. Zur Feststellung der an einem Grundstück bestehenden Rechtsverhältnisse ist zumindest theoretisch die Zurückverfolgung des vermeintlichen aktuellen Rechtsinhabers bis zur ursprünglichen Rechtsübertragung durch den Staat664 bzw. in den östlichen Bundesstaaten oft durch die englische Krone (sogenanntes land patent oder grant) erforderlich. Grundsätzlich wurde jedes Grundstück zu einem Zeitpunkt in der Vergangenheit vom Staat an eine Privatperson übertragen. Diese Rechtsübertragung stellt den Ausgangspunkt jeder Recherche dar und gewährt „absolute“ Sicherheit, dass zu diesem Zeitpunkt dem Erwerber das Eigentumsrecht verschafft wurde. Von einem solchen Ausgangspunkt aus muss daraufhin die Weiterübertragung des Eigentums bis zum aktuellen Rechtsinhaber anhand der Urkunden im Register nachvollzogen werden. 663

Siehe hierzu unten S. 414 (house stealing und mortgage fraud). Siehe zur Vergabe der Eigentumsrechte durch den Staat Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, §§ 281 ff. 664

362

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Selbst in der verhältnismäßig kurzen Geschichte der Vereinigten Staaten wird schnell klar, dass bei der Ermittlung des aktuellen Rechtsinhabers teilweise ein Zeitraum von über dreihundert Jahren abgedeckt werden muss.665 Weiterhin können sämtliche jemals registrierten Übertragungsurkunden für die aktuelle Rechtslage an einem Grundstück relevant sein. Die Bestellung einer mortgage durch den ersten Eigentümer eines Grundstücks ist auch über hunderte Jahre später noch wirksam, selbst wenn in dieser Zeit mehrere Eigentumsübertragungen stattfanden. Sämtliche im Register enthaltenen Urkunden bewahren ihre Wirkung, sofern die übertragenen Rechte nicht auf Grund einer Weiterübertragung, Aufhebung einer Belastung oder im Fall der mortgage auch durch Untergang der Forderung aufgehoben werden. Dies hat letztendlich zur Folge, dass selbst kleine Mängel theoretisch für eine unendlich andauernde Rechtsunsicherheit sorgen können.666 Das angloamerikanische Recht bzw. das Common Law kennt (ursprünglich) kein Instrument, das für eine Bereinigung des Registers von solch weit zurückliegenden Rechtsübertragungen sorgt. Der gutgläubige Erwerb erfasst solche Situationen gerade nicht. Er sorgt nur in wenigen Konstellationen für einen rechtsmängelfreien Erwerb. Anknüpfungspunkt für den guten Glauben ist nicht eine konkrete Eintragung, sondern das Grundstücksregister als Gesamtheit aller jemals erfassten Urkunden. Ein gutgläubiger Erwerb ist nur von einem Nichtberechtigten, den das Register als Berechtigten ausweist, der sein Recht jedoch auf Grund eines Vorgangs außerhalb des Registers verloren hat, 665

Siehe folgende kleine Geschichte, die in ironischer Weise das Eigentumsrecht in Louisiana bis auf Gott zurückführt. Es handelt sich um die Antwort auf die Anfrage des Rechtsanwalts eines Erwerbers, der einen noch weiter zurückgehenden title abstract wünschte: „Dear Sir: There are no records or archives available which concern the title to the above described land any further back than the United States government. However, I believe from a historical standpoint, I can enlighten you as to the title in such a way that the objections you have pointed out will be waived. The United States Government acquired this land in 1803 by the purchase from France under what we now refer to as the Louisiana Purchase. Spain acquired possession of the land by virtue of the fact that a young man in her service by the name of Christopher Columbus on the 12th day of October, 1492 discovered it and claimed it for Spain. Columbus got his authority for making the aforesaid voyage and discovery from Ferdinand and Isabella, the King and Queen of Spain. Ferdinand and Isabella got their authority for the sponsoring of the voyage from the Pope in Rome. The Pope of Rome got his authority by virtue of the fact that he said he was the Vicar of Christ on Earth. Christ got his authority by the fact that he was the Son of God, and God created the Earth.“ West Publishing Company Docket of Winter, 1934–35; zitiert nach Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 53 Fn. 1. 666 Natürlich sinkt das Risiko der Geltendmachung einer mortgage oder eines anderen Grundstücksrechts, das 100 oder 200 Jahre alt ist, stetig.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

363

möglich. War der vermeintliche Rechtsinhaber nie Inhaber des betreffenden Rechts, scheidet ein rechtsmängelfreier Erwerb aus. Eine fehlende Berechtigung, die auf einer weit zurückliegenden (im Register erfassten) Übertragung basiert, kann folglich nicht durch einen gutgläubigen Erwerb überwunden werden.667 Die andauernde Wirkung sehr alter Übertragungsurkunden und die fehlende Bereinigung des Registers haben zur Folge, dass sich die Recherche zunehmend umständlicher gestaltet und einen immer größer werdenden Zeitraum abdecken muss.668 Dies hat eine immer umfangreichere und komplexere Registerrecherche zur Folge. Ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit, einzelne Rechtsübertragungen oder Belastungen zu übersehen, und somit die Fehleranfälligkeit der title search. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der Umfang der Grundstücksregister in vielen Bundesstaaten so weit angewachsen und dessen Klarheit so weit beeinträchtigt, dass zahlreiche Autoren der Ansicht waren, das Übertragungssystem befinde sich in einer Krise (crisis of conveyancing). Das Grundstücksregister könne seine wichtigste Aufgabe, die an einem Grundstück bestehenden Rechte darzustellen, nicht mehr ausreichend erfüllen.669 Infolgedessen haben die meisten Bundesstaaten gesetzliche Regelungen zur Wiederherstellung der Klarheit und Übersichtlichkeit der Grundstücksregister geschaffen. Diese haben eine Beschränkung der Registerrecherche auf einen kürzeren Zeitraum zur Folge.670 Die Gesetze erklären kleine (formelle) Fehler im Register für irrelevant, lassen bestehende Rechte nach einem gewissen Zeitraum (zwischen 20 und 50 Jahren) untergehen oder erklären diese für nicht durchsetzbar. Die Gesetze werden unter dem Begriff der marketable title legislation zusammengefasst. Sie bereinigen letztendlich durch das Erlöschen lange zurückliegender Rechte, die der Rechtsinhaber in der Regel nicht mehr geltend macht, das Register von Fehlern und sorgen für das Beheben von Rechtsmängeln und mehr Rechtssicherheit.671 Die Gesetze werden grundsätzlich in drei Kategorien eingeteilt. Die curative statutes heilen bzw. erklären formelle Fehler der Registrierung einer Urkunde für irrelevant. Eine Verjährung von Ansprüchen auf und aus Grund667

Siehe ausführlich zum gutgläubigen Erwerb oben S. 234. So Bayse, 47 Iowa L. Rev. 261, 262 (1962). 669 Bayse, 47 Iowa L. Rev. 261, 262 ff. (1962), m.w.N. in Fn. 2; Cross, 47 Iowa L. Rev. 245 (1962); McCormack, 18 Wm. Mitchell L. Rev. 61, 69 (1992). 670 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 9:3 (S. 9-9); SaintPaul, Basye Clearing Land Titles, § 5:1. Als weitere Alternative galt früher die Einführung des Torrens-Systems, welches sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Siehe hierzu oben S. 132. Ebenso kann die Aufstellung eines tract index die Recherche erleichtern und mögliche Fehler vermeiden. Siehe hierzu Berger/Johnstone/Tracht, Land transfer and finance, 2007, S. 647 und oben S. 122. 671 Siehe 14 Powell on Real Property § 82.04[1] (2005). 668

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

stücksrechten wird durch die statutes of limitation erreicht; hierunter fällt vor allem die doctrine of adverse possession, das zurückliegende Rechte erlöschen lässt und der deutschen Ersitzung ähnelt.672 Die marketable title acts lassen hingegen Grundstücksrechte, die vor einem bestimmten Zeitpunkt bestanden, ersatzlos untergehen. aa) Curative statutes Die Wirksamkeit einer Übertragung von Grundstücksrechten hängt in den Vereinigten Staaten regelmäßig nicht von besonderen formellen Voraussetzungen wie der Beglaubigung (acknowledgment) ab. Trotzdem kann die Aufnahme in das Grundstücksregister wegen eines formellen Fehlers unwirksam sein und die vorteilhafte Wirkung des Registers versagt bleiben. Ein curative statute bewirkt, dass spezielle formelle Fehler bei der Registereintragung nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums eine zunächst unwirksame Registrierung heilen.673 Liegt dieser Zeitpunkt weit genug zurück, so sind bestimmte, im Gesetz genannte, vorher bestehende formelle Mängel nicht mehr relevant und das Register kann seine vollständige Wirkung für das registrierte Recht entfalten. Die entsprechende Übertragungsurkunde ist so zu betrachten, als hätte der Fehler nie existiert.674 In allen Bundesstaaten bestehen curative statutes, sie unterscheiden sich nur hinsichtlich der zu heilenden Fehler und des notwendigen Zeitintervalls.675 Die meisten Bundesstaaten sehen eine feste Zeitspanne vor.676 Vereinzelt werden auch formelle Mängel, die vor dem Ablauf eines bestimmten Jahres vorgenommen wurden, für irrelevant erklärt.677 Nachteil letzterer Vorgehensweise ist, dass das maßgebliche Jahr im jeweiligen Gesetz stets angepasst werden muss, um seine allgemein heilende Wirkung auch für neuere Übertragungsurkunden beizubehalten.678 Die Art der Fehler, die in den einzelnen Bundesstaaten für geheilt oder unbeachtlich erklärt werden, unterscheidet sich nur marginal. In Massachusetts sind beispielsweise zahlreiche mögliche formelle Fehler enthalten, wie fehlerhafte Beglaubigungen und Bezeugungen oder falsche Angaben zu Da-

672

Siehe zur Ersitzung ausführlichen oben S. 223. Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 11:1; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 366. 674 14 Powell on Real Property § 82.04[1][a] (2005). 675 Vgl. Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 366. 676 Beispielsweise 10 Jahre in Iowa (§ 589.3 Iowa Code) und Massachusetts (ch. 184 § 24 M.G.L.); ein Jahr in Kalifornien (§ 1207 Cal. Civ. Code). 677 So etwa in North Carolina für alle deeds, die vor dem 1. Januar 1991 registriert wurden (§ 47-51 N.C.G.S.). 678 14 Powell on Real Property § 82.04[1][a] (2005). 673

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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tum, Zeit oder Anschrift einer vertretungsberechtigten Person.679 In der Regel erfassen die curative statutes die in der Praxis am häufigsten auftretenden formellen Fehler.680 Die rückwirkende Wirksamkeit einer Übertragungsurkunde darf jedoch nicht dazu führen, dass ein gutgläubiger Erwerber sein bereits erworbenes Recht wieder verliert.681 Ein curative statute wirkt nicht gegenüber einem gutgläubigen Erwerber. Er erleidet keinen rückwirkenden Rechtsverlust. Die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbes müssen lediglich vor Ablauf des curative statute eingetreten sein.682 Die curative statutes tragen durch die Heilung zahlreicher formeller Fehler ein Stück zu einem zuverlässigen und fehlerfreien Grundstücksregister bei. Eine Urkunde, die vor dem im Gesetz vorgesehenen Zeitraum eingetragen wurde, unterliegt folglich auch bei formellen Fehlern dem Schutz des Registers. Der Nachweis eines marketable title wird auf diese Weise erleichtert.683 Die curative statutes haben jedoch keinen direkten Einfluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten Grundstücksrechts, sondern nur auf die Wirkung eines deed innerhalb des Registers. bb) Statutes of limitation und adverse possession Das angloamerikanische Recht erlaubt die Ersitzung (adverse possession) eines Grundstücks, ohne dass jemals eine Übertragung im Grundstücksregister erfasst wurde. Durch die Verjährung der Ansprüche aus einem Grundstücksrecht, die in einem statute of limitation festgelegt sind, wird ein originärer und nicht von einer früheren Veräußerung abhängiger Erwerb ausgelöst. Der Rechtserwerb durch Ersitzung tritt ein, sobald das entsprechende Grundstück über den gesetzlich vorgegebenen Zeitraum ununterbrochen besessen wurde. Bei der Recherche im Register kann man folglich in der Regel davon ausgehen, dass der letzte Eigentümer zumindest nach dem Zeitablauf der 679

Ch. 184 § 24 M.G.L. „When […] an instrument in writing conveying […] land or interest […] is recorded […] and a period of ten years elapses after the instrument is accepted for record […] any requirement of law relating to seals, corporate or individual, to the validity of acknowledgment, to certificate of acknowledgment, witnesses, attestation, proof of execution, or time of execution, to recitals of consideration, residence, address, or date, to the authority of a person signing for a corporation who purports to be the president or treasurer or a principal officer of the corporation, such instrument and the record thereof shall […] be effective for all purposes to the same extent as though the instrument and the record thereof had originally not been subject to the defect, irregularity or omission“; ähnlich in Kalifornien, § 1207 Cal. Civ. Code. 680 Siehe hierzu ausführlich Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, §§ 11:1 ff. 681 14 Powell on Real Property § 82.04[1][a] (2005). 682 Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 298; 5 California Real Estate § 11:70; 14 Powell on Real Property § 82.04[1][a] (2005). 683 Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 299.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Verjährung durch adverse possession Rechtsinhaber geworden ist.684 Zudem gehen mit der Ersitzung alle am Grundstück bestehenden Rechte unter. Die Aufstellung aller vorherigen Eigentümer und die folgende Rechtekette können so mitunter stark abgekürzt werden. Eine Ersitzung sorgt jedoch nicht in jedem Fall für eine Bereinigung des Registers und eine Vereinfachung der title search. Da die Ersitzung außerhalb des Registers stattfindet, kann sie auch zu einem (dauerhaften) Auseinanderfallen von wahrem und dem durch das Register ausgewiesenen Rechtsinhaber führen. Im Zweifel ist ein Gerichtsverfahren zur Ermittlung des wahren Inhabers erforderlich. Weiterhin führt die Ersitzung von Teilen eines Nachbargrundstücks, beispielsweise bei unrichtigen Grenzmarkierungen, zu falschen Angaben über die in den Übertragungsurkunden genannten Grundstücksgrenzen. Dies ist weder aus dem Register noch nach außen hin685 erkennbar. Die adverse possession mag zwar Millionen von Grundstücken von alten Rechten bereinigt haben,686 sie sorgt jedoch auch für eine Erhöhung der Unsicherheit, vor allem in Bezug auf die Ausmaße der registrierten Grundstücke. In der Praxis gestaltet sich allerdings die Ermittlung des Beginns der Verjährung oft als problematisch. Eine Hemmung oder Unterbrechung der Verjährungsfrist kann durch viele Faktoren eintreten, die weder aus dem Register noch aus anderen Quellen ohne Weiteres erkennbar sind.687 Zur Klärung eines Rechtsübergangs durch Ersitzung ist deshalb oftmals ein Rechtsstreit erforderlich. Aus diesem Grund kann der von der adverse possession vorgegebene Zeitraum in der Praxis oft nicht zur Vereinfachung und Abkürzung einer Recherche herangezogen werden.688 Nichtsdestotrotz tragen die Ersitzung und die Verjährung zu einer Verbesserung der Marktfähigkeit von Grundstücksrechten bei.689

684

Bestätigt wird diese Vermutung dadruch, dass die Ersitzung in Verbindung mit einer fehlerhaften Übertragungsurkunde an geringe Voraussetzungen geknüpft ist (color of title); siehe hierzu oben S. 228. 685 Nur im Rahmen einer Vermessung fallen solche Mängel auf. 686 „In the United States, the law of adverse possession has functioned to cure millions of land titles.“ Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 9:2 (S. 9-5 f.). 687 Hierzu zählen etwa die Minderjährigkeit oder Geschäftsunfähigkeit des Rechtsinhabers, aber auch der Aufenthalt außerhalb des Landes oder die Ableistung des Militärdiensts. Ein Umstand, der es dem Rechtsinhaber nicht ermöglicht, den tatsächlichen Besitz zu kontrollieren, soll für ihn nicht nachteilig sein. 14 Powell on Real Property § 91.10[3] (2008); Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 4:4, jeweils m.w.N.; siehe auch die gesetzliche Regelung in Kalifornien (§ 328 Cal. Code Civ. Proc.) oder Texas (§ 16.027 Tex. Civ. Prac. & Rem. Code). 688 So 14 Powell on Real Property § 82.04[1][b] (2005). 689 Siehe etwa Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 4:1, die solche Regelungen als essentiell für den sozialen Fortschritt bezeichnet: „Statutes of limitations that apply to real property rights express a policy that is essential to social progress by promoting the mar-

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

367

cc) Marketable title acts Die eigentlichen marketable title acts befreien den Inhaber des vollen Eigentumsrechts (fee simple) nach dem Verstreichen eines bestimmten Zeitraums von einzelnen „abgelaufenen“ Grundstücksrechten. Die „abgelaufenen“ Rechte sind tatsächlich bestehende Rechte, die Teil des Registers sind, aber typischerweise vom Rechtsinhaber nicht mehr geltend gemacht werden.690 Ebenso zählen hierzu Rechte, die zwar noch im Register eingetragen, aber aller Wahrscheinlichkeit nach schon erloschen sind. Es kommen vor allem mortgages in Frage, deren Bestellung weit zurückliegt, deren Löschung aber nie registriert wurde. Die marketable title acts bestehen sowohl aus Elementen der curative statutes als auch der statutes of limitation. Hinsichtlich ihrer Wirkung beschränken sie sich jedoch nicht auf Einzelfälle, sondern sind meist allgemeiner Natur.691 Der ersatzlose Untergang von Grundstücksrechten, die neben dem fee simple existieren, führt zu einer Verkürzung der notwendigen Recherche im Grundstücksregister und sorgt für einen einfacheren Nachweis eines marketable title.692 Die Bereinigung des Registers von „abgelaufenen“ Rechten erhöht zudem die Zuverlässigkeit des Grundstücksregisters insgesamt.693 Die marketable title acts sind eine neuere Entwicklung des Grundstücksrechts. Iowa schuf als erster Bundesstaat 1919694 ein Gesetz, welches alle Grundstücksrechte, die neben dem fee simple vor 1900 bestanden und bis 1920 vom Inhaber nicht erneut registriert wurden, erlöschen ließ.695 Das heute geltende Gesetz legt den Zeitpunkt auf 1980 fest.696 Die Gesetzgebung der Bundesstaaten wurde 1960 durch den Model Marketable Title Act, der auf den Gesetzen von Michigan, Wisconsin und Ontario basiert, teilweise verein-

ketability of land titles after the passage of a certain amount of time of peaceful possession.“ 690 14 Powell on Real Property § 82.04[1][c] (2005); Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 5:1. 691 Berger/Johnstone/Tracht, Land transfer and finance, 2007, S. 647. 692 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 9:3 (S. 9.9 ff.); SaintPaul, Basye Clearing Land Titles, § 5:1. 693 Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 300. 694 Berger/Johnstone/Tracht, Land transfer and finance, 2007, S. 647. 695 Bayse, 47 Iowa L. Rev. 261, 269 (1962). 696 § 614.17 Iowa Code.

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heitlicht.697 Heute besteht in 20 der 50 Bundesstaaten irgendeine Form von marketable title acts.698 Nach dem Modellgesetz hat jeder, der eine ununterbrochene Erwerbskette nachweisen kann, die bis zum root of title699 zurückgeht, einen marketable title inne, der frei von allen Rechten ist, die vor dem root of title entstanden sind.700 Der root of title ist die Übertragung des Eigentumsrechts innerhalb der Erwerbskette, die mindestens vierzig Jahre701 zurückliegt.702 Die Recherche kann sich folglich auf den Zeitraum bis zum root of title beschränken. Sämtliche vorher bestehenden Rechte sind untergegangen. Neben den generell auf alle Rechte wirkenden marketable title acts existieren noch Gesetze, die sich lediglich mit dem Untergang einzelner Rechte befassen (limited purpose marketable title acts).703 Sie existieren vor allem für die mortgage704 sowie für die Rückfallrechte (reversionary interests).705 Bei beiden Rechtspositionen ist typischerweise nach Ablauf eines langen 697

Das Modellgesetz wurde von Lewis Simes und Charles Taylor 1960 erarbeitet (Simes/Taylor, Model title standards, 1960) und später in den USLTA integriert. 1990 wurde ein eigenständiger Uniform Marketable Title Act von der NCCUSL erlassen, der jedoch bisher in keinem Bundesstaat umgesetzt wurde; Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, § 5:2; 14 Powell on Real Property § 82.04[3][a] (2005). 698 Siehe die Auflistung sowie die jeweiligen Besonderheiten bei Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, §§ 5:3 ff. 699 Auch source of title. 700 § 1 f. Model Marketable Title Act; bzw. § 2 f. Uniform Marketable Title Act. 701 § 8 (e) Model Marketable Title Act; bzw. 30 Jahre § 1 (14) Uniform Marketable Title Act. 702 Zur Verdeutlichung folgendes an 14 Powell on Real Property § 82.04[3][a][i] (2005) angelehntes Beispiel: X will von A das Eigentum an einem Grundstück erwerben. Die Recherche findet 2011 statt. A hat das Grundstück 1968 von B erworben. B hat C 1970 hieran mortgage bestellt. Sowohl die Übertragung des Eigentums als auch die Bestellung der mortgage liegen mehr als vierzig Jahre zurück. Der root of title wäre in diesem Fall die Übertragung des Eigentums von B an A im Jahre 1968. Die Bestellung der mortgage kann hingegen nicht als root of title dienen, da hier kein Eigentumsrecht übertragen wurde. Der root of title muss immer das Recht übertragen, welches der Begünstigte des marketable title act für sich frei von früheren Grundstücksrechten beansprucht. Im Beispiel ist A der Begünstigte, im Jahr 2008 (40 Jahre nach der Übertragung von B an A) bewirkt der marketable title act den Untergang aller Grundstücksrechte, die vor der Übertragung von B an A im Jahr 1968 bestanden. Die Recherche kann sich folglich auf den Zeitraum zwischen der Übertragung von 1968 und dem Tag der Recherche beschränken. 703 14 Powell on Real Property § 82.04[1][c] (2005). 704 Siehe hierzu ausführlich m.N. zu den jeweiligen Gesetzen Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, §§ 6:1 ff. 705 Siehe für weitere Grundstücksrechte, die von speziellen marketable title acts betroffen sind, ausführlich Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, §§ 7:1 ff.

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Zeitraums unklar, ob die Rechte noch bestehen oder längst durch Zahlung oder Ausübung untergegangen sind. Das automatische Erlöschen einer mortgage durch die Zahlung der Forderung ist aus dem Register nicht ohne Weiteres erkennbar. Zudem wird oft versäumt, einen Nachweis des Erlöschens registrieren zu lassen. Ist seit der Bestellung der mortgage ein so großer Zeitraum vergangen, dass aller Wahrscheinlichkeit nach die Forderung bereits verjährt ist, kann die mortgage in der Regel als unbeachtlich betrachtet werden. In der Praxis führen jedoch die zahlreichen Möglichkeiten, die die Verjährung hemmen oder von Neuem beginnen lassen,706 zu einem gewissen Risiko. Die genaue Klärung der Frage über das Bestehen oder Nichtbestehen der Forderung kann bei sehr alten mortgages sehr schwierig, zeitaufwendig und kostspielig sein. Aus diesem Grund haben einige Bundesstaaten sogenannte ancient mortgage statutes erlassen, die die Vollstreckung in das Grundstück aus der mortgage nach einem bestimmten Zeitraum nach der Registrierung der mortgage grundsätzlich unmöglich machen.707 Weiterhin bereiten die Rückfallrechte708 bei der Recherche oft ein großes Problem, da nicht klar ist, ob der Berechtigte sein Recht nach langer Zeit noch ausüben wird. Bei der Nutzung eines Grundstücks im Widerspruch mit dem ursprünglich in der Übertragungsurkunde vorgesehenen Zweck kann das Grundstücksrecht automatisch auf eine andere Person übergehen (possibility of reverter) oder ein Eintrittsrecht gewähren (right of entry). Grundsätzlich unterliegen solche Rechte keinerlei Verjährungsvorschriften und können auch noch nach hunderten von Jahren geltend gemacht werden.709 Einige Bundesstaaten haben aus diesem Grund Gesetze geschaffen (stale reversionary interests acts), die solche Rechte nach einem bestimmten Zeitraum automatisch untergehen lassen.710 Teilweise ist es dem Berechtigten möglich, sein Recht durch eine erneute Registrierung über den vorgesehenen Zeitablauf hinaus zu sichern.711

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Die Verjährung beginnt etwa von Neuem, sobald auch nur eine Rate gezahlt wird. 14 Powell on Real Property § 82.04[2][a] (2005). 707 Saint-Paul, Basye Clearing Land Titles, §§ 6:1 ff. Siehe etwa § 614.21 Iowa Code (20 Jahre, aber mindestens 10 Jahre nach Fälligkeit); § 95.281 Florida St. (20 Jahre bzw. 5 Jahre nach Fälligkeit). 708 Siehe hierzu bereits oben S. 71. 709 14 Powell on Real Property § 82.04[2][a] (2005). 710 Beispielsweise nach 40 Jahren in Illinois, 765 ILCS 330/4; ähnlich § 689.18 FL ST; § 354 RPL of N.Y. 711 In Iowa muss zum Erhalt solcher Rechte eine erneute Registrierung alle 21 Jahre vorgenommen werden, § 614.24 Iowa Code.

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dd) Zusammenfassung Die einzelnen Elemente der marketable title legislation sorgen insgesamt für eine Verbesserung der Zuverlässigkeit der Grundstücksregister. Die Heilung formeller Fehler bei der Registrierung durch die curative statutes, das Untergehen von Rechten durch die adverse possession und die marketable title acts tragen zu einer Bereinigung des Registers von Fehlern sowie von alten Rechten bei. Von einer tatsächlichen Bereinigung des Registers kann jedoch nicht gesprochen werden. Die Folgen der marketable title legislation sind lediglich rechtlicher Natur und nicht nach außen erkennbar. Ein spezielles Registerverfahren, durch das etwa Übertragungsurkunden von abgelaufenen Rechten aus dem Register entnommen werden, findet nicht statt. Die Folgen der verschiedenen Bereinigungsvorschriften müssen im Rahmen der title search durch den untersuchenden Rechtsanwalt beurteilt werden. Er muss überprüfen, ob ein Recht möglicherweise schon untergegangen ist oder nicht. Hierfür sind genaue Kenntnisse der Gesetze des jeweiligen Bundesstaats und der einschlägigen Rechtsprechung erforderlich. Insgesamt besteht kein in sich geschlossenes Gesamtkonzept, das eine Bereinigung und Erleichterung des Registers im Auge hat. Sämtliche Regelungen sind nur punktuell und befassen sich mit einem isolierten, in der Praxis vermehrt auftretenden Problem. Von einer Reform des Registerrechts kann insoweit nicht gesprochen werden.712 Nichtsdestotrotz wird die title search jedoch stark verkürzt und vereinfacht.713 Mehrere Jahrhunderte zurückreichende Recherchen sind in vielen Bundesstaaten nicht mehr erforderlich, um Sicherheit über die an einem Grundstück bestehenden Rechte zu erlangen. Kehrseite des Untergehens von Rechten ist der Rechtsverlust einer Person, die ein Grundstücksrecht ursprünglich ordnungsgemäß erworben hatte. Trotz des langen Zeitraums, der in der Regel verstreichen muss, und der Unwahrscheinlichkeit der tatsächlichen Geltendmachung wird die Zuverlässigkeit des Grundstücksregisters auf Kosten dieser Rechtsinhaber erkauft. Die Verfassungswidrigkeit der statutes of limitations und der marketable title acts haben die Gerichte in der Regel

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Goldner, 29 UCLA L. Rev. 661, 672 und 675 (1982); so auch Stadler, Gestaltungsfreiheit und Verkehrsschutz durch Abstraktion, 1996, S. 532. Siehe auch Allott, Esq., 44Nov R.I. B.J. 7, 7 (1995), der den neuen Marketable Title Act als ersten Schritt im Prozess zur Revision des überaltenden Registersystems beschreibt. 713 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 9:3 (S. 9-9 ff.); Zitter, 31 A.L.R. 4th 11, § 2[a] (1984). Siehe aber auch Allott, Esq., 44-Nov R.I. B.J. 7 (1995), der hinsichtlich des Marketable Title Act von Rhode Island von keiner großen Vereinfachung der title search ausgeht. Ebenso zweifelnd Comment, 68 Yale L.J. 1245 (1959); Goldner, 29 UCLA L. Rev. 661, 675 (1982).

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abgelehnt. Den Rechtsinhabern verbleibe stets genug Zeit, ihre Rechte geltend zu machen bzw. ihre Rechte vor Zeitablauf erneut zu registrieren.714 c)

Aufstellung der Rechtekette – Abstract of title

Die zweistufige title search beginnt mit der Anfertigung eines Auszugs aus dem Grundstücksregister, der alle das zu untersuchende Grundstück betreffenden Übertragungsurkunden enthält (abstract of title). Erst im nächsten Schritt findet eine Überprüfung der rechtlichen Auswirkungen der einzelnen Übertragungen durch einen Rechtsanwalt oder Rechtsmängelversicherer statt (title examination). Beim abstract of title715 werden, beginnend mit dem aktuellen Eigentümer, alle früheren Eigentümer ermittelt, es wird also eine Kette sämtlicher Eigentumsübertragungen aufgestellt (chain of title). Von dieser ausgehend können die dinglichen Belastungen, die jeder einzelne Eigentümer vorgenommen hatte, sowie eventuelle Löschungen festgestellt werden. aa) Zuständiger Personenkreis Die Untersuchung des Grundstücksregisters und die Anfertigung des abstract of title kann auf Grund der Öffentlichkeit des Registers grundsätzlich von jedermann angefertigt werden. Da hierfür jedoch besondere Kenntnisse erforderlich sind, werden mit der Untersuchung des Grundstücksregisters spezialisierte Personen oder Firmen beauftragt. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts nahm oftmals ein Beamter des Registeramtes, wie etwa der county clerk, die Recherche selbst vor und gab Auskunft über die Rechtekette.716 Auf Grund der Fülle von Übertragungsurkunden sowie der ungeklärten bzw. unzureichenden Haftung des Registersamts befassten sich später vor allem auf das Grundstücksrecht spezialisierte Rechtsanwälte mit der Recherche, die wiederum besonders ausgebildete Mitarbeiter mit der Durchführung der Registeruntersuchung beauftragen. Ebenso wie in anderen Gebieten des Grundstücksrechts wurde der Rechtsanwalt, nicht zuletzt aus Kostengründen, in vielen Bundesstaaten aus dieser Tätigkeit verdrängt.717 Spezialisierte Firmen (title abstractors) und Rechtsmängelversicherer haben in weiten Teilen der Vereinigten Staaten dessen Platz eingenommen.718 Die reine Recherche und Aufstellung der Rechtekette stellt im Gegensatz zur darauffolgenden Analyse 714

Siehe beispielsweise Lane v. Travelers Ins. Co. of Hartford, Conn., 230 Iowa 973, 299 N.W. 553 (Iowa 1941); Wichelman v. Messner, 83 N.W.2d 800, 250 Minn. 88, 71 A.L.R.2d 816 (Minn. 1957). 715 Weitere Bezeichnungen: title certificate, brief of title oder nur brief. 716 Vgl. Glawatz v. People’s Guaranty Search Co., 63 N.Y.S. 691, 692, 49 A.D. 465 (N.Y. 1900). 717 Siehe eine Auflistung der Bundesstaaten bei Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 41 Fn. 7. 718 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 41.

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keine Rechtsberatung dar und muss somit nicht zwingend durch einen Rechtsanwalt erfolgen.719 Die Firmen, die die title search als Unternehmenszweck durchführen, verfügen in der Regel über ein eigenes Register (title plant), das die öffentlichen Register vollständig abbildet.720 In diesen privaten Registern gestaltet sich die Recherche auf Grund einer optimalen elektronischen Verarbeitung und besseren Strukturierung wesentlich effektiver als in den öffentlichen Registern. Auf Grund des hohen öffentlichen Interesses, welches mit der Erstellung eines abstract of title zusammenhängt, haben viele Bundesstaaten die Berufsausübung in diesem Bereich reguliert.721 Anforderungen sind typischerweise das Ablegen einer Prüfung und das Leisten einer Sicherheit (bond).722 Darüber hinaus verlangen manche Bundesstaaten von Firmen das Aufrechterhalten eines eigenen Registers, welches das öffentliche Register abbildet.723 Ebenso sind die Gebühren,724 die für eine Recherche erhoben werden dürfen, wegen der monopolartigen Struktur725 zum Teil stark reguliert. bb) Durchführung Die Anfertigung des abstract of title beginnt zunächst mit der Aufstellung der Rechtekette.726 Beginnend mit dem aktuellen Eigentümer (Veräußerer) werden in umgekehrter chronologischer Reihenfolge alle vorherigen Grundstückseigentümer ermittelt. Der zu untersuchende Zeitraum richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften der marketable title legislation und beträgt meist zwischen 30 und 50 Jahren.727 Der Ablauf der Registerrecherche gestaltet sich unterschiedlich, je nachdem, ob der Registerindex nach Namen des Erwerbers und Veräußerers (name index) oder nach Grundstücksparzelle (tract index) organisiert ist. 719

State v. Buyers Service Co., Inc., 357 S.E.2d 15, 18 f., 292 S.C. 426 (Cal. 1987). Siehe auch Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 270. 720 Siehe hierzu bereits oben S. 123. 721 1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 4. Etwa die Hälfte der Bundesstaaten, meist im Westen der Vereinigten Staaten. Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 270. 722 Beispielsweise obligatorische Prüfung in Arkansas, § 17-11-303 A.C., und Sicherheitsleistung in Oklahoma, Title 1 § 27 Okla. ST. 723 Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 270. 724 Beispielsweise in South Dakota, § 36-13-25 S.D.C.L. 725 So Siefkes v. Clark Title Co., 215 N.W.2d 648, 651, 88 S.D. 81 (S.D. 1974). 726 Siehe zum genauen Ablauf 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.3 ff.; Mendler, Massachusetts Conveyancers’ Handbook with Forms, § 6:4. 727 Mendler, Massachusetts Conveyancers’ Handbook with Forms, § 6:5; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 30; 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.3. Siehe hierzu den Title Standard Nr. 1 der Real Estate Bar Association (REBA) von Massachusetts, abgedruckt bei 28B Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms Ch. 58 REBA Tit. Std.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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Beim name index beginnt die Aufstellung der Rechtekette mit der Suche der Übertragungsurkunde, die dem aktuellen Eigentümer das Eigentumsrecht verschafft hat. Der Namenseintrag des aktuellen Eigentümers im Erwerberindex (grantee index) verweist auf einen bestimmten Band und eine bestimme Seite in der Urkundensammlung bzw. dem elektronischen Register, unter der die Übertragungsurkunde zu finden ist. Existieren mehrere Urkunden mit demselben Namen, helfen weitere Angaben im Index wie Datum, Art der Übertragung und Grundstücksort weiter. Mit Hilfe dieser Angaben kann der Name des vorherigen Eigentümers ermittelt werden. Dessen Übertragungsurkunde führt wiederum über den Erwerberindex zur nächsten Übertragungsurkunde und dem entsprechenden früheren Eigentümer. Auf diese Weise kann zumindest theoretisch die komplette Rechtekette bis zur ursprünglichen Verleihung des Grundstücks durch den Staat aufgestellt werden.728 Ausgehend vom root of title, der Übertragungsurkunde, die nach dem einschlägigen marketable title act weit genug zurückliegt, werden sämtliche Rechtsübertragungen sowie das Grundstück betreffende Belastungen der vorherigen Eigentümer anhand des Veräußererindexes (grantor index) ermittelt.729 Die so erhaltenen Angaben über die Inhaber von Rechten und Belastungen am Grundstück müssen auf Weiterübertragungen und Löschungen hin überprüft werden. Sofern ein tract index besteht, wird die Suche der relevanten Übertragungsurkunden vereinfacht. Es muss zunächst herausgefunden werden, in welcher Parzelle sich das zu untersuchende Grundstück befindet. Mit Hilfe dieser Angabe lassen sich die entsprechenden Übertragungsurkunden im Grundstücksregister ermitteln. Handelt es sich jedoch um ein sehr dicht bebautes Gebiet bzw. ist die Parzelle in viele Grundstücke unterteilt, kann unter einer Parzelle eine unübersichtliche Zahl von Übertragungsurkunden vorhanden sein. Dies erschwert die Recherche wiederum. Der tract index wurde jedoch in vielen Bundesstaaten durch die Vergabe von eindeutigen Grundstücksnummern erweitert. Es muss nur die maßgebliche Grundstücksnummer ausfindig gemacht werden. Die dort gefundenen Urkunden können dann im entsprechenden Registerbuch oder der elektronischen Datenbank herausgesucht werden.730 Mit Hilfe eines tract index ist das Auffinden aller ein konkretes Grundstück betreffenden Übertragungsurkunden ohne großen Aufwand möglich. Die gesamte Erwerbskette muss zwar trotzdem aufgestellt werden, dies kann im Gegensatz zum name index jedoch viel schneller und unkomplizierter erfolgen. Die Wahrscheinlichkeit des Übersehens einer Urkunde ist zudem wesentlich geringer.

728

14 Powell on Real Property § 82.03[2][b] (2009). 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.4. 730 14 Powell on Real Property § 82.03[2][c] (2005). 729

374

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Die Recherche sowohl im name als auch im tract index wird durch Vorkommnisse erschwert, die Einfluss auf einzelne Grundstücksrechte haben, jedoch nicht im Grundstücksregister erfasst werden.731 So werden beispielsweise der Tod eines Rechtsinhabers und der Rechtsübergang auf die Erben in der Regel nicht im Grundstücksregister erfasst. Der Erbe taucht folglich nicht als Erwerber im Index auf. Um den ursprünglichen Erwerber, also den Erblasser, zu finden, ist das Heranziehen des Erbschaftsregisters erforderlich. Dieses wird meist von den Gerichten geführt und listet sämtliche Testamente und Erben auf. Nachdem der Erblasser ermittelt wurde, kann anhand seines Namens mit der Aufstellung der weiteren Erwerberkette fortgefahren werden. Eine extreme Form der „Zersplitterung“ der Register findet sich beispielsweise in Cleveland (Ohio), dort existieren 76 für die Recherche relevante unterschiedliche Typen von Registern in 16 verschiedenen Ämtern.732 Für die Aufstellung der Rechtekette kann es erforderlich sein, alle diese Register zu konsultieren. Doch trotz der Konsultation verschiedener Register besteht die Möglichkeit, dass eine zurückliegende Rechtsübertragung nicht mehr ermittelt werden kann und die Recherche somit in einer Sackgasse endet. In einem solchen Fall kann nur durch Vermutungen und Erfahrungen bezüglich der fehlenden Eigentumsübertragung die Recherche fortgesetzt werden. Der Suchende muss im Zweifel durch „Ausprobieren“ (trial and error) versuchen, die Lücke zu schließen.733 Es ist durchaus möglich, dass am Ende einer Recherche keine sichere Aussage über die Erwerberkette getroffen werden kann. Die Recherche kann durch Heranziehung eines abstract of title, der für eine frühere Übertragung angefertigt wurde, stark verkürzt werden. Dieser kann als Ausgangspunkt dienen. Das Register muss nur noch auf neue Urkunden hin, die seit der letzten Rechtsübertragung registriert wurden, untersucht werden.734 Erforderlich ist jedoch, dass der Rechtsanwalt, die Firma oder der Rechtsmängelversicherer der letzten Übertragung abermals beauftragt wird oder das Ergebnis für die Anschlussrecherche zugänglich ist. Des Weiteren kann natürlich eine vergangene Recherche auch fehlerhaft sein und relevante Übertragungen verschweigen. Der durchaus hohe Aufwand und die erforderlichen Kenntnisse über die Unterschiede des Registeraufbaus zwischen den einzelnen Bundesstaaten oder sogar Counties machen deutlich, dass nur ein mit den örtlichen Gege731

28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.23 ff.; Mendler, Massachusetts Conveyancers’ Handbook with Forms, § 6:2. 732 So Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 181. 733 McCormack, 18 Wm. Mitchell L. Rev. 61, 68, Fn. 22 (1992). Teilweise ist das Ermitteln eines früheren Eigentümers „a combination of detective work and luck“, zu dem verschiedene Hilfsmittel wie historische Karten oder die Angaben zu einem Nachbargrundstück herangezogen werden müssen; so 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.3. 734 Shade, 46 Baylor L. Rev. 1007, 1020 f. (1994).

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

375

benheiten vertrauter Spezialist einen abstract of title zuverlässig anfertigen kann. cc) Ergebnis und Aussagekraft Nach dem Abschluss der Recherche im Grundstücksregister wird vom Untersuchenden eine Zusammenfassung der Ergebnisse hergestellt.735 Der abstract of title umfasst alle das zu veräußernde Grundstück betreffenden rechtlichen Vorgänge, die Einfluss auf die dingliche Rechtslage haben.736 Die Auflistung stellt nicht die aktuelle dingliche Rechtslage dar, sondern enthält lediglich alle Rechtsübertragungen bis zu dem festgelegten Zeitpunkt in der Vergangenheit. Neben den Eigentumsübertragungen (rechtsgeschäftliche, gesetzliche sowie solche von Todes wegen) erfasst der Bericht auch alle jemals vorgenommenen Bestellungen von Grundpfandrechten, Grunddienstbarkeiten (easements) sowie deren eventuelle spätere Aufhebung.737 Die Auflistung beinhaltet zudem Angaben über die jeweils beteiligten Parteien, die verwendete Übertragungsform, das Datum des Vorgangs und die entsprechende Fundstelle im Register. Um eine rechtliche Analyse jedes einzelnen Vorgangs zu gewährleisten, sind alle Übertragungsurkunden als Kopie im Bericht enthalten.738 Im Einzelfall können auch Informationen, die keinen direkten Einfluss auf die sachenrechtlichen Verhältnisse des Grundstücks haben, sondern die Qualität des Grundstücksrechts in anderer Hinsicht beeinträchtigen, Inhalt des abstract of title sein. Hierunter fallen beispielsweise anhängige oder abgeschlossene Gerichtsverfahren oder noch ausstehende Steuern, für die der jeweilige Grundstückseigentümer haftet.739

735

28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.6. „[…] an ,abstract of titleʻ [lists] all recorded conveyances, instruments, or documents which, under […] impart constructive notice with respect to the chain of title to the real property […].“ 1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 1; siehe auch die Legaldefinition in § 12340.10 Cal. Ins. Code. 737 1A CJS Acknowledgments § 1; 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.5. 738 Siehe zum Inhalt und zu den Anforderungen an den abstract of title auch Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 45. Siehe zu besonderen Übertragungsvorgängen, auf die in der Regel im title abstract besonders hingewiesen wird, 28 Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms § 31.7 ff. 739 1A CJS Acknowledgments § 7. Siehe auch Leeper v. Patton, 215 P. 421, 422, 91 Okla. 12, 1923 OK 266 (Okla. 1923). Grundstücke haften in den Vereinigten Staaten für zahlreiche verschiedene Steuern. Teilweise ist die dingliche Belastung des Grundstückes mit Steuern (tax lien) auch ohne eine Eintragung im Register vorrangig. Die dingliche Belastung entsteht meist jedes Jahr aufs Neue zu einem gesetzlich festgelegten Zeitpunkt. Siehe hierzu genauer 5 Powell on Real Property § 39, sowie oben S. 88. 736

376

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

dd) Haftung Der Ersteller des abstract of title haftet für Schäden, die auf eine fehlerhafte Recherche zurückzuführen sind.740 Eine fehlerhafte Recherche kann beispielsweise durch das Übersehen eines relevanten deed741 oder durch das Fürunbeachtlich-Betrachten eines deed, der dann nicht in die Zusammenfassung übernommen wird, zustande kommen.742 Für Schäden, die auf Grund von Umständen auftreten, die nicht aus dem Register erkennbar sind oder durch eine spätere fehlerhafte Interpretation erwachsen, besteht hingegen keine Haftung. Hierfür ist die Person, die die title examination durchführt, verantwortlich. In den meisten Bundesstaaten erstreckt sich die Haftung nicht nur auf den Auftraggeber der Recherche, sondern auch auf Dritte.743 Vereinzelt existieren auch Gesetze, die einen umfangreichen Drittschutz gewähren.744 Im Übrigen erkennen die Gerichte meist eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz, der eine Drittwirkung von Rechten und Pflichten bei vertraglichen Beziehungen ablehnt, an.745 Bei der Recherche im Register muss mit angemessener Sorgfalt vorgegangen werden.746 Dies ist der Fall, wenn die allgemein üblichen Standards eingehalten werden und keine Fahrlässigkeit vorliegt.747 Darüber hinaus führt ein Verstoß gegen gesetzliche oder veröffentlichte berufliche Standards bei der Anfertigung des abstract of title zu einer Haftung für die hierdurch verursachten Schäden.748 740

1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 15; 1 CJS Abstracts of Title § 15; Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 46. 741 Siehe beispielsweise Newberry v. Scruggs, 336 Ark. 570, 986 S.W.2d 853 (Ark. 1999), der title abstractor hatte trotz zweimaliger Überprüfung ein vom Gericht angeordnetes dingliches Verwertungsrecht übersehen. 742 1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 22; 1 CJS Abstracts of Title § 17. 743 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 46. 744 1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 28; so etwa in Idaho § 54-101 Idaho Code; siehe für weitere Gesetzesnachweise Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 46 Fn. 1. 745 1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 24; 1 CJS Abstracts of Title § 20. Teilweise bestehen besondere Voraussetzungen. Der Dritte/Geschädigte muss sich auf den abstract of title verlassen haben (Stagen v. Stewart-West Coast Title Co., 149 Cal.App.3d 114, 122, 196 Cal.Rptr. 732 (Cal. 1983)), oder es muss dem Untersuchenden bekannt bzw. für diesen vorhersehbar gewesen sein, dass Dritte seinen Ergebnissen vertrauen würden (First American Title Ins. Co., Inc. v. First Title Service Co. of the Florida Keys, 457 So.2d 467, 473, 50 A.L.R.4th 301 (Fla. 1984)). 746 „Duty to use reasonable care and skill“, 1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 10. 747 „[…] to perform [the search] in a diligent and reasonably skillful workmanlike manner.“ Williams v. Polgar, 391 Mich. 6, 21, 215 N.W.2D 149 (Mich. 1974). Siehe auch 1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 10. 748 1 Am. Jur. 2d Abstracts of Title § 17.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

d)

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Rechtliche Analyse – Title examination

Der abstract of title alleine trifft noch keine Aussage über den Eigentümer eines Grundstücks und die daran bestehenden dinglichen Rechte. Er führt lediglich sämtliche möglicherweise relevanten Rechtsübertragungen, Belastungen und Löschungen auf. Als zweiter Schritt der title search bedarf es einer rechtlichen Analyse und der rechtlichen Würdigung aller Übertragungsvorgänge. Dieser Vorgang wird als title examination bezeichnet. Nach der Evaluation aller aus dem Register erkennbaren Vorgänge gibt der beauftragte Rechtsanwalt seine fachliche Meinung bezüglich der sachenrechtlichen Lage des Grundstücks ab, die attorney title opinion. Soll die Analyse der Rechtslage als Grundlage für den Abschluss einer Rechtsmängelversicherung dienen, so wird das Ergebnis in der Regel als title report bezeichnet. Der Zweck des title report ist jedoch nicht die Information und Aufklärung des Erwerbers bzw. Kreditgebers, sondern die Abschätzung und Minimierung des Risikos, welches der Versicherer bei Abschluss einer title insurance eingeht.749 Letztendlich ist der Inhalt beider Berichte weitgehend identisch. Sie beantworten die Frage,750 ob der Veräußerer dem Erwerber tatsächlich einen marketable title verschaffen kann und welche weiteren Rechte möglicherweise am Grundstück bestehen, die das Recht des Erwerbers bzw. des Kreditgebers einschränken könnten.751 aa) Ablauf der title examination und title opinion Ziel der title examination ist der Nachweis eines marketable title des Veräußerers. Ein solcher liegt vor, wenn sich das zu übertragende Eigentumsrecht anhand des Registers ohne begründeten Zweifel nachweisen lässt, der Veräußerer berechtigter Besitzer ist und nur solche dinglichen Belastungen bestehen, die im Kaufvertrag vorgesehen sind.752 Die Frage nach der aktuellen Rechtslage lässt sich nur durch die Aufstellung der Übertragungskette anhand des abstract of titles beantworten. Zunächst muss jedoch ein Ausgangspunkt festgelegt werden, von dem aus alle weiteren Rechtsübertragungen nachvollzogen werden können.753 Dies ist regelmäßig der nach den marketable title acts des konkreten Bundesstaats zur ermittelnde root of title, der auch schon für den title abstract zugrunde gelegt wurde. In den Bundesstaaten, die keinen marketable title act kennen, findet in der Regel auch eine Beschränkung der title search auf einen bestimmten Zeit749

Palomar, Title Insurance Law, § 12:1. Zu den einzelnen Unterschieden siehe genauer Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, §§ 50 f. 751 Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 271. 752 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 50. 753 Siehe zum Ablauf auch Boackle, Real estate closing deskbook, 2003, Ch. 2. 750

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

raum statt.754 Es werden andere Anhaltspunkte zur Einschränkung des Untersuchungszeitraums herangezogen. Dies sind in der Regel Zeiträume, nach deren Ablauf nach allgemeiner Erfahrung die Geltendmachung von Rechten sehr gering ist.755 Der zu untersuchende Zeitraum wird mit Hilfe einer Abwägung zwischen Aufwand und dem Risiko eines Schadenseintritts für den neuen Eigentümer festgelegt.756 So kann beispielsweise die Ersitzung zur Minimierung herangezogen werden. Sie tritt bis auf wenige Ausnahmen durch ein statute of limitation mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nach einem bestimmten Zeitraum ein. Auf Grund der Ausnahmen ist das Bestehen widersprechender Rechte, die weiter zurückliegen, nicht unmöglich. Bei Gebieten, die genau kartographiert sind, verlassen sich die Rechtsanwälte oftmals auf das Eigentumsrecht, das zum Zeitpunkt der erstmaligen Vornahme der Landvermessung bestand. Es wird angenommen, dass bei der Genehmigung der Landvermessung auch eine richtige Aussage über die bestehenden Eigentumsrechte getroffen wurde.757 Den Gerichten ist dieses Vorgehen bekannt und wird im Zusammenhang mit Haftungsfragen toleriert. Es hat letztendlich jedoch keinen Einfluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen eines Eigentumsrechts.758 Die Rechtsmängelversicherer erlassen meist eigene Vorschriften für den zu untersuchenden Zeitraum, der bei der Erstellung eines title report beachtet werden muss.759 Der bei der title examination zu untersuchende Zeitraum spiegelt sich in der Regel bei der Anfertigung des abstract of title wider. Die Zusammenfassung aller vorherigen Übertragungsvorgänge muss nicht bis zur Verleihung des Grundstücks durch den Staat zurückreichen, wenn die anschließende Analyse lediglich einen kürzeren Zeitraum abdeckt. Nachdem der Ausgangspunkt der Analyse gefunden wurde, werden alle seit diesem Zeitpunkt vorgenommenen Rechtsübertragungen in ihrer chronologischen Reihenfolge untersucht. Jede einzelne Übertragungsurkunde wird hinsichtlich des genauen Namens und Familienstands der Parteien, des Datum des Abschlusses und der Registrierung der Urkunde, der Art der Urkunde und des jeweils übertragenen Rechts, hinsichtlich der genauen geographischen

754

Siehe den üblichen Zeitraum für alle Bundesstaaten bei Boackle, Real estate closing deskbook, 2003, S. 81 ff. 755 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 53. 756 Siehe zur Entwicklung eines mathematischen Modells, um den Zeitraum der Recherche zu ermitteln, Baker/Mecili/Sirmans et. al., 31 J. Legal Stud. 139 (2002). 757 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 53. 758 Siehe beispielsweise Palamarg Realty Co. v. Rehac, 80 N.J. 446, 460 f., 404 A.2d 21 (N.J). 759 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, §§ 53 Fn. 10.

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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Grundstücksbeschreibung und einer ausreichenden Identitätsbestätigung (acknowledgment) überprüft.760 bb) Umgang mit Mängeln Die bei der Analyse auftretenden Fragen, Ungereimtheiten oder Fehler einer Übertragungsurkunde müssen durch den untersuchenden Rechtsanwalt hinsichtlich ihrer rechtlichen Auswirkungen beurteilt werden. Hierbei ist zu beachten, dass nicht jeder Fehler gleich zu einer Unwirksamkeit der gesamten Rechtsübertragung führt, sondern zahlreiche Heilungsmöglichkeiten bestehen. Eine eindeutige rechtliche Einschätzung ist jedoch nicht immer möglich. Die bei der Beurteilung der Rechtsfolgen vorgenommene Sorgfalt hat maßgeblichen Einfluss auf das Risiko, das der Erwerber oder der Kreditgeber eingeht. Teilt ein Gericht die Ansicht des Rechtsanwalts nicht, so kann sich später herausstellen, dass nie Eigentum am Grundstück übertragen wurde oder ein dingliches Sicherungsrecht nicht entstanden oder wertlos ist. Die Einschätzung einzelner Fehler und ihrer Auswirkungen unterscheidet sich sowohl hinsichtlich des Rechts, welches für die Erfüllung des Kaufvertrags erforderlich ist, als auch hinsichtlich der Person, die durch die Analyse geschützt werden soll. Der Erwerber benötigt in der Regel eine größere Sicherheit als der Kreditgeber. Dessen Sicherungsrecht wird beispielsweise von dinglichen Nutzungsrechten nicht so stark beeinträchtigt wie das Eigentumsrecht. Die Rechtsanwälte orientieren sich bei der Einschätzung einzelner Mängel nicht nur an den eigenen Erfahrungen, sondern auch an dem üblichen Vorgehen der Kollegen, die bei einer späteren Veräußerung und erneuten Untersuchung eine abweichende Meinung vertreten könnten, und an den einschlägigen Entscheidungen der Gerichte.761 In vielen Bundesstaaten wird eine Zusammenfassung der Empfehlungen zur Beurteilung einzelner Fehler von den Rechtsanwaltskammern herausgegeben.762 An diesen title examination standards können sich die Rechtsanwälte bei ihrer Analyse orientieren und zugleich eine gewisse Sicherheit bezüglich des Bestehens vor Gericht 760 Vgl. Boackle, Real estate closing deskbook, 2003, S. 15. Nützlich ist eine Darstellung der Übertragungen in einem Diagramm. Dies erleichtert es, bei komplexen Vorgängen, wie der Aufteilung von Rechten an verschiedene Personen und deren Zusammenführung, den Überblick zu behalten. Siehe für Beispiele Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, S. 52 Fn. 1; Mendler, Massachusetts Conveyancers’ Handbook with Forms, § 6:43. 761 Vgl. Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 52. 762 Vgl. die Übersicht der Standards auf der Webseite des National Title Examination Standards Resource Center: Epperson, The National Title Examination Standards Resource Center, (besucht am 23.8.2015). Siehe auch die Vorgaben der ALTA ALTA, Minimum Standard Detail Requirements for ALTA/ACSM Land Title Surveys, (besucht am 23.8.2015).

380

Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

erlangen.763 Die Standards der Rechtsanwaltskammer des Bundesstaats New York764 legen etwa dar, unter welchen Umständen mögliche Fehler als irrelevant betrachtet werden können.765 Nach der Begutachtung jeder einzelnen Übertragungsurkunde kann der Übergang des Eigentumsrechts vom Ausgang der Analyse bis zum aktuellen Rechtsinhaber verfolgt werden. Ebenso sind zu jedem Zeitpunkt die am Grundstück bestehenden dinglichen Rechte erkennbar. cc) Title opinion In der abschließenden Beurteilung, der title opinion, bestätigt der untersuchende Rechtsanwalt, dass seiner Meinung766 nach zum Zeitpunkt der Vornahme des abstract of title ein marketable title vorliegt, der ausreicht, um den Kaufvertrag zu erfüllen.767 Fallen bei der Untersuchung jedoch Fehler innerhalb der Rechtekette auf oder kommen Rechte zum Vorschein, die einem marketable title entgegenstehen, informiert der Rechtsanwalt über diese Mängel. Sofern möglich macht er Vorschläge, wie Rechtsmängel bis zum closing noch behoben werden können, um dem Erwerber doch noch einen marketable title verschaffen zu können.768 Die title opinion gibt trotz einer sorgfältigen Recherche im Grundstücksregister und einer zutreffenden Analyse der Übertragungsvorgänge keine Auskunft über alle möglichen Vorgänge, die das Grundstücksrecht betreffen. Vor allem solche Mängel, die nicht aus dem Register erkennbar sind, können nach wie vor zu einem erheblichen Schaden bei Erwerber und Kreditgeber führen. Hierzu zählen unter anderem eine abweichende Erbfolge, die das Eigentum einer anderen Person zuschreibt, Betrug oder Fälschungen, die eine Übertragungsurkunde unwirksam 763

Nelson/Stoebuck/Whitman, Contemporary property, 2008, S. 1103. Abrufbar unter New York State Bar Association, Standards for Title Examination,

(besucht am 1.8.2015); ähnlich die Title Standards Nr. 2 ff. der Real Estate Bar Association (REBA) von Massachusetts, abgedruckt bei 28B Massachusetts Practice Series, Real Estate Law with Forms Ch. 58 REBA Tit. Std. 765 Beispielsweise hat die Übertragung eines Grundstücksrechts durch den Vertreter eines Geschäftsunfähigen im eigenen Namen keine negativen Folgen für die Übertragung, wenn die Vertretungsmacht auch registriert wurde oder auf andere Weise nachweisbar ist; so G-6 Standards for Title Examination New York, abrufbar unter New York State Bar Association, Standards for Title Examination, (besucht am 1.8.2015). 766 Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 5:15. 767 Siehe beispielsweise den Formulierungsvorschlag bei Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 51: „I have examined the title to [description of the property] down to the [date and time], and I find that on said date good title of record to said property was duly vested in [county], free from encumbrances or defects.“ 768 Siehe auch Mendler, Massachusetts Conveyancers’ Handbook with Forms, § 6:44. 764

B. Erfüllung der Sicherungsinteressen

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werden lassen, Fehler bei der Registrierung durch das Registeramt und Übertragungen unter anderen Namen, die nicht ohne Weiteres aus dem Register erkennbar sind.769 dd) Haftung Die Meinung des Rechtsanwalts garantiert nicht das Vorliegen eines marketable title. Es handelt sich lediglich um eine rechtliche Bewertung der im Register erfassten Rechtsübertragungen. Diese kann sich auf Grund von Mängeln, deren Ursprung außerhalb des Registers zu finden ist, als nicht zutreffend erweisen. Ebenso besteht die Möglichkeit, dass ein bereits fehlerhafter title abstract zu einer falschen Einschätzung der Rechtslage führt. Der Verfasser der title opinion haftet nur unter bestimmten Voraussetzungen für Schäden. Die Fehler müssen auf einer mangelhaften Analyse der aus dem Register erkennbaren Informationen beruhen.770 Die Mängel, die ihren Ursprung außerhalb des Registers haben und für den Rechtsanwalt nicht erkennbar sind, verbleiben im Risikobereich des Auftraggebers. Der Rechtsanwalt ist jedoch auch nicht für sämtliche Fehler verantwortlich, die aus dem Register erkennbar sind.771 Vielmehr muss ihm nachgewiesen werden, dass er die title opinion nicht in der allgemein üblichen, sorgfältigen und zuverlässigen Weise angefertigt oder nicht die dafür erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen des Grundstücksrechts oder örtlicher Besonderheiten hat.772 Weiterhin besteht keine Haftung für eine (vertretbare) rechtliche Bewertung durch den untersuchenden Rechtsanwalt, die später von einem Gericht als unzutreffend beurteilt wird.773 Die Gesetze von Nebraska sehen beispielsweise vor, dass eine fahrlässige Handlung nicht vorliegt, wenn die title search nach den Vorgaben der title standards der Rechtsanwaltskammer angefertigt wurde.774 Im Gegensatz zum abstract of title haftet der Verfasser einer title opinion nur gegenüber dem Auftraggeber und nicht gegenüber jedem Dritten, der sich vorhersehbar auf deren Inhalt verlässt.775 Typische Fehler, die eine 769

Siehe die ausführliche Auflistung der möglichen Fehler bei Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 41 und Travaskis, JR., in: Title Insurance, 1985, S. 299, 320 ff. Vgl. auch im Zusammenhang mit den Schwächen gegenüber dem Torrens-System Carret, Harv. L. Rev. 1893, 24. 770 Bockrath, 59 A.L.R. 3d 1176, § 2[b] (1974); 7 Am. Jur. 2d Attorneys at Law § 215; Yzenbaard, Residential Real Estate Transactions, § 5:16. 771 Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 54; Bockrath, 59 A.L.R. 3d 1176, § 2[a] (1974). 772 Clinton v. Miller, 226 P.2d 487, 498 (Mont. 1951). 773 Malloy/Smith, Real estate transactions, 2007, S. 272. Dies gilt vor allem, wenn bisher zu einer Frage keine höchstrichterliche Rechtsprechung bestand, Hopper v. Gurtman, 8 A.2d 376, 380, 17 N.J. Misc. 289 (N.J. 1939). 774 § 76-557 Neb. St. 775 Clause v. Manuel, 442 So.2d 905, 908 (La. 1983).

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Haftung auslösen, sind beispielsweise eine nicht ordnungsgemäße Durchführung,776 das Übersehen von Belastungen, die unrichtige Feststellung von Grundstücksgrenzen777 oder die Einordnung eines eigentlich zweifelhaften Rechts als marketable title778.779 ee) Schutzreichweite der title opinion Die von einem Rechtsanwalt angefertigte title opinion basiert zwar mit dem abstract of title auf einer umfassenden Untersuchung des Grundstücksregisters, sie stellt jedoch grundsätzlich nur eine Rechtsauffassung des Rechtsanwalts in Form eines Gutachtens dar. Eine Garantie für das Bestehen eines marketable title gewährt die title opinion gerade nicht. Deren Zuverlässigkeit hängt vom abstract of title und damit von der Struktur und Wirkung des Grundstücksregisters sowie von dessen Vollständigkeit und Übereinstimmung mit der tatsächlichen Rechtslage ab. Die Feststellung der Rechtsinhaber ist anhand des Registers nicht immer einwandfrei möglich,780 zudem können zahlreiche, außerhalb des Registers bestehende dingliche Rechte die Aussage der title opinion negativ beeinträchtigen.781 Ein Rechtsanwalt kann folglich aus der Natur der Sache heraus nie eine hundertprozentig zutreffende Aussage über die tatsächlichen Rechtsverhältnisse treffen.782 Aus diesem Grund besteht auch nur eine eingeschränkte Haftung des Rechtsanwalts für die Angaben der title opinion. Darüber hinausgehende Fehler gehen allein zu Lasten des Auftraggebers (Käufers, Kreditgebers oder Rechtsmängelversicherers), der sich auf die Meinung des Rechtsanwalts verlässt. Die genannten Einschränkungen der Zuverlässigkeit der Aussage der title opinion sowie die eingeschränkte Haftung führen zu großen Risiken, die im Zweifel in einem totalen Verlust ohne jegliche Ansprüche gegen Dritte enden können.783 Insgesamt bietet eine title opinion nur einen beschränkten Schutz gegen das Bestehen von Rechtsmängeln und belastet den Erwerber mit nicht unerheblichen 776

Thomas v. Schee, 80 Iowa 237, 45 N.W. 539 (Iowa 1890); siehe auch Gleason v. Title Guarantee Co., 300 F.2d 813 (Fla. 1962), der Rechtsanwalt hatte überhaupt keine Recherche vorgenommen, sondern sich auf eine telefonische Auskunft verlassen. 777 Palmer v. Nissen, 256 F.Supp. 497 ( 1966). 778 Wlodarek v. Thrift, 13 A.2d 774, 178 Md. 453 (Md. 1970). 779 Siehe für weitere Einzelfälle Bockrath, 59 A.L.R. 3d 1176 (1974). 780 „Under our system of recording, as opposed to a registration system of land titles, public records provide only evidence of (but not proof of) the quality of title.“ Malloy/Klapow, 74 St. John's L. Rev. 407, 427 (2000). 781 Siehe zu den typischen Ursachen von Rechtsmängeln, für die eine title opinion keinen Schutz gewähren kann, Palomar, Title Insurance Law, § 1:18. 782 Malloy/Klapow, 74 St. John's L. Rev. 407, 434 (2000). 783 Ein Käufer hat sogar gegen den Verkäufer keinerlei Ansprüche, wenn dieser nicht Inhaber des Eigentumsrechts war. Siehe hierzu den beschränkten Garantieinhalt des deed oben S. 206.

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Risiken.784 Eine größere Sicherheit gewährt nur der Abschluss einer Rechtsmängelversicherung. Eine title opinion wird aus diesen Gründen heute nur noch in den seltensten Fällen als alleiniges Sicherungsmittel verwendet.785 e)

Rechtsmängelsicherheit durch die title insurance

Die von einem Rechtsanwalt angefertigte title opinion gewährleistet für die Teilnehmer am Grundstücksverkehr keine ausreichende Sicherheit vor Rechtsmängeln. Die offensichtlich bestehende Schutzlücke wird bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durch eine Versicherung geschlossen, die den Versicherungsnehmer gegen mögliche Schäden durch unerkannte Rechtsmängel absichert. Diese title (guaranty) insurance hat seit ihrer Einführung die Absicherung von Grundstücksrechten in den Vereinigten Staaten nachhaltig verändert und wird heute bei nahezu allen Übertragungen von Grundstücksrechten abgeschlossen. Das Engagement eines Investors oder Kreditgebers ist heute kaum noch ohne den Abschluss einer solchen Versicherung denkbar, sie wird zwingend vorausgesetzt.786 Selbst die Grundstücksregisterämter weisen auf die title insurance als den besten möglichen Schutz gegen innerhalb und außerhalb des Registers bestehende Rechtsmängel hin.787 Ein Rechtsanwalt, der seinen Mandanten nicht auf den Abschluss einer Versicherung hinweist und diesen empfiehlt, kann für hierdurch entstehende Schäden haften.788 Die title insurance wird allgemein als Vertrag beschrieben, der den Versicherten für Verluste, die durch Rechtsmängel am abgesicherten Grundstücksrecht entstehen, bis zu einer bestimmten Höhe entschädigt.789 Die Versicherung sorgt für eine Minimierung der Schutzlücke, der jeder Erwerber eines 784

So Malloy/Klapow, 74 St. John's L. Rev. 407, 439 (2000). So etwa in den südöstlichen und südwestlichen Bundesstaaten, in wenigen Teilen des Mittleren Westens und in Teilen von Neuengland (Palomar, Patton and Palomar on Land Titles, 2003, § 41 Fn. 6) und bei Rechten, die zum Abbau von Bodenschätzen, wie Öl oder Gas, berechtigen. Im letzteren Fall ist auf Grund der Komplexität der Aufspaltung von Rechten der Abschluss einer title insurance nicht möglich. Als einzige Möglichkeit verbleibt so eine (beschränkte) Absicherung durch eine title opinion. Vgl. Shade, 46 Baylor L. Rev. 1007, 1012 (1994). 786 16 Powell on Real Property § 92.01 (1998). 787 Siehe den Hinweis auf der Webseite des Registeramts von Boston, Chelsea, Revere und Winthrop Suffolk Registry of Deeds, About, (besucht am 1.8.2015): „In most cases your best protection against title defects in the Recorded Land section is the purchase of private title insurance.“ 788 Siehe hierzu ausführlich Malloy/Klapow, 74 St. John’s L. Rev. 407 (2000). 789 „A title insurance policy is a contract of indemnity under which the insurer agrees to indemnify the insured in a specified amount against loss through defect of title to real estate.“ Lee v. Duncan, 870 A.2d 1, 5, 88 Conn.App. 319 (Conn. 2005). Siehe auch Palomar, Title Insurance Law, § 1:8 785

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

Grundstücksrechts ausgesetzt ist. Eine absolute Sicherheit in Form einer Garantie gewährt sie jedoch nicht. Sie ersetzt stets nur den entstandenen Schaden in Geld.790 Zudem sind vom Versicherungsschutz regelmäßig zahlreiche Rechtsmängel ausgeschlossen, sodass nicht sämtliche potentielle Schadensfälle abgedeckt werden. aa) Entwicklung der title insurance Die title insurance ist die einzige Versicherungsform, die ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten hat.791 Ende des 19. Jahrhunderts stellte sich immer deutlicher heraus, dass der durch eine title opinion gewährte Schutz oftmals mangelhaft war. Heute wird im Allgemeinen ein Gerichtsverfahren in Pennsylvania von 1868 als Ursprung für die Entwicklung der Rechtsmängelversicherung gesehen.792 In diesem Fall verlor der Erwerber einer Reallast, die ihm eine jährliche Zahlung gewähren sollte (ground rent), jegliche Ansprüche, da bei der title search ein anhängiges Verfahren und die bevorstehende Zwangsversteigerung durch den Sheriff falsch eingeschätzt worden waren. Die Person, die die Grundstücksrechte überprüfen sollte, hatte sich bei der Bewertung des anhängigen Verfahrens auf eine frühere Recherche und Analyse eines Dritten verlassen.793 Das Gericht stellte fest, dass durch die title search keine Garantie hergestellt werde und eine Haftung nur bei einer fahrlässigen Durchführung der Recherche bestehe.794 Im konkreten Fall konnte eine solche Fahrlässigkeit jedoch nicht nachgewiesen werden. Der Erwerber verlor sein Grundstücksrecht und konnte zudem keinerlei Ausgleichsansprüche gegen den Verfasser der title opinion geltend machen. Selbst die Gebühren für die Durchführung der title search wurden als rechtmäßig erachtet, da diese grundsätzlich ordnungsgemäß durchgeführt worden war. Das Gericht hatte mit der Beurteilung der Wirkung der title search und der beschränkten Haftung für Fehler keine neue Rechtsprechung begonnen, sondern lediglich die bisherige Einschätzung bestätigt. Bei der folgenden Diskussion um dieses „harte“ Urteil, welches den Erwerber trotz der Durchführung einer title 790

Siehe auch Limmer, ERCL 2013, 387, 405. Burke, Law of title insurance, § 1.01. 792 So etwa Palomar, Title Insurance Law, § 1:3 und Burke, Law of title insurance, § 1.01[A], die jedoch jeweils auch auf die Gründung eines Rechtsmängelversicherers im Jahre 1853 in Großbritannien hinweisen. Siehe auch 3 California Real Estate § 7:1. 793 Watson v. Muirhead, 57 Pa. 161, 1868 WL 7160 (Pa.) (Penn. 1868). 794 „A conveyancer does not guaranty the titles which he passes – such a liability would not readily be assumed for such a reward as the evidence in this case shows is ordinarily paid to conveyancers for examining titles. What he does undertake is to use due care according to the light which he has, and to have such a reasonable amount of light as a man in his walk of life ought to bring to the discharge of his professional duties?? If walking by that light and with a proper degree of care he makes a slip, it is not negligence.“ Watson v. Muirhead, 57 Pa. 161, 1868 WL 7160 (Pa.) (Penn. 1868). 791

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search schutzlos ließ, kam die Idee einer Versicherung auf. Sie sollte genau solche Fälle abdecken. Im Folgenden wurde 1873 in Pennsylvania ein Gesetz verabschiedet, das die Gründung eines Rechtsmängelversicherers ermöglichte. Im Jahr 1876 schloss die Real Estate Title Insurance Company of Philadelphia ihre ersten Versicherungsverträge ab.795 In den folgenden Jahren wurden von Rechtsanwälten und Personen, die Grundstücksgeschäfte begleiteten, in allen größeren Städten der Vereinigten Staaten solche Versicherungsgesellschaften gegründet.796 Später engagierten sich hauptsächlich Banken und große Kreditgeber in diesem speziellen Versicherungsgeschäft, vor allem um ihre eigenen dinglichen Sicherungsrechte gegen Rechtsmängel abzusichern.797 Die Verbreitung der title insurance nahm nach dem Ersten Weltkrieg mit der Veränderung des Kreditmarkts, vor allem durch das Entstehen von bundesweit operierenden Kreditgebern und institutionellen Investoren, wie Lebensversicherungen, zu. Die neuen Akteure forderten ein standardisiertes Sicherungsmittel gegen Rechtsmängel. Die unterschiedliche Verlässlichkeit der zahlreichen Rechtsanwälte, die eine title opinion anfertigten, reichte ihnen nicht aus. Zudem mussten diese permanent hinsichtlich ihrer Qualität überwacht werden. Die Reichweite des Schutzes einer title insurance war hingegen genau bekannt und machte die landesweite Vergabe von hypothekarisch gesicherten Krediten im großen Stil überhaupt erst möglich.798 Bis zur Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre waren die Rechtsmängelversicherer in der Regel Bestandteil einer Bank oder eines großen Kreditgebers.799 Nach dem Börsencrash von 1929 und in der folgenden Krise endeten zahlreiche Anbieter gemeinsam mit ihren Muttergesellschaften in der Insolvenz.800 Staatliche Regulierung trennte im Folgenden das Versicherungsgeschäft vom Bank- und Kreditgeschäft. Der Aufschwung nach der Wirtschaftskrise förderte die Verbreitung der title insurance durch verschiedene Faktoren. Zunächst führten staatliche Programme zu einer Erhöhung des selbstgenutzten Grundstückeigentums der Mittelschicht und zu einer massiven Ausweitung der Vergabe von Krediten, die jeweils eine title insurance erforderten. Der sich entwickelnde sekundäre Hypothekenmarkt bestand ebenfalls auf einer Absicherung der dinglichen Sicherungsrechte gegen

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Palomar, Title Insurance Law, § 1:3. Burke, Law of title insurance, § 1.01[B]. 797 Roberts, 39 Ind. L. J. 1, 8 (1963). 798 Burke, Law of title insurance, § 1.01[B]; Roberts, 39 Ind. L. J. 1, 8 (1963); Johnstone, 66 Yale L.J. 492, 503 (1957). 799 Ausführlich zur Entwicklung Burke, Law of title insurance, § 1.02. 800 Palomar, Title Insurance Law, § 1:3. Dies hing vor allem damit zusammen, dass man begonnen hatte, nicht nur Rechtsmängel zu versichern, sondern den Ausfall des Kredites an sich (sogenannte mortgage insurance); Roberts, 39 Ind. L. J. 1, 10 (1963). 796

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Rechtsmängel.801 Im Bundesstaat New York verhalfen wesentlich später weitere Faktoren zu einer Ausbreitung der title insurance. Dort war es lange Zeit nicht unüblich, die Kosten der Versicherung zu sparen und alleine auf die Aussage einer title opinion zu vertrauen. Jedoch zeigten die von den Ureinwohnern wirksam geltend gemachten Grundstücksansprüche, dass bei solchen unvorhersehbaren Mängeln der Abschluss einer Rechtsmängelversicherung unerlässlich ist.802 Heute wird die title insurance bei fast allen Grundstücksgeschäften, ob gewerbsmäßig oder nicht, abgeschlossen. Sie hat im Laufe der Zeit die Absicherung gegen Rechtsmängel durch eine title opinion nahezu vollständig verdrängt und ist aus dem angloamerikanischen Grundstücksrecht nicht mehr wegzudenken.803 Weiterhin bieten die meisten Rechtsmängelversicherer heute zahlreiche weitere Dienstleistungen an, die im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften stehen.804 Die Rechtsmängelversicherer sind heute an fast allen Grundstücksgeschäften beteiligt, „von der kleinsten privaten Refinanzierung bis zu dem Erwerb und der Beleihung eines Hochhauses in Manhattan im Wert von mehreren Millionen Dollar“.805 Trotz der weiten Verbreitung in den Vereinigten Staaten konnte sich die title insurance in anderen Ländern kaum etablieren.806 Dies ist vor allem auf die Grundstücksregister zurückzuführen, die in vielen Ländern weitaus weniger fehleranfällig sind und die an einem Grundstück bestehenden Rechte zuverlässig darstellen. In zahlreichen Common-Law-Ländern wurde im letzten Jahrhundert das Torrens-System eingeführt, welches zuverlässig ist und Schutz gegen Verluste gewährt.807 Dennoch kann es bei großen internationalen Grundstückstransaktionen sinnvoll sein, zusätzlich zum Schutz durch das Grundstücksregister eine title insurance abzuschließen.808

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Palomar, Title Insurance Law, § 1:3. Siehe hierzu Rohan, 72-OCT N.Y. St. B.J. 49, 50 f. (2000). 803 Die Mitwirkung von Rechtsmängelversicherern ist heute mindestens ebenso wichtig wie die rechtlichen Rahmenbedingungen des Grundstücksrechts; so 3 California Real Estate § 7:1. 804 Hierzu gehört beispielsweise die komplette Abwicklung des Grundstückserwerbs inklusive der treuhänderischen Abwicklung der Kaufpreiszahlung und der Überwachung des closing. Palomar, Title Insurance Law, § 1:2. 805 „[…] title company representative is present at every closing from the smallest residential re-finance to a multi-million dollar acquisition and mortgaging of a Manhattan skyscraper.“ Bagwell, 30 Pace L. Rev. 180, 181 (2009). 806 Anderes gilt lediglich für Teile Kanadas; Burke, Law of title insurance, § 1.02[B]. 807 Zum Torrens-System siehe oben S. 132. 808 Siehe hierzu Blyth, 16-SPG Int’l L. Practicum 11 (2003); Palomar, Title Insurance Law, §§ 22:1 ff.; sowie zu einer Verwendung der title insurance in Deutschland FirstTitle, Pressemitteilung vom 20.2.2007 (Santa Ana (Cal.) und Frankfurt), Frankfurt Location Offers Geographic Benefit to Europe’s Leading Title Insurer. 802

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bb) Die Rechtsmängelversicherer Der Markt von Rechtsmängelversicherungen fällt heute zu etwa neunzig Prozent auf die fünf größten Versicherer.809 In der Mitte des 20. Jahrhunderts bestanden noch über hundertfünfzig verschiedene Rechtsmängelversicherer, deren Anzahl sich jedoch durch eine Konsolidierung des Markts im Rahmen der zunehmenden bundesweiten Vergabe von Krediten stark reduziert hat.810 Die meisten Rechtsmängelversicherer sind heute landesweit agierende Konzerne. Es existieren weiterhin von Rechtsanwälten oder den Rechtsanwaltskammern gegründete Versicherer.811 Der Abschluss einer Rechtsmängelversicherung kann auf verschiedene Arten erfolgen.812 Zunächst ist der Abschluss einer title insurance direkt über einen Rechtsmängelversicherer oder dessen lokale Vertretung möglich.813 In diesem Fall führt der Versicherer die title search, meist in einem eigenen title plant,814 und die Abschätzung des Risikos selbst durch oder beauftragt hiermit einen Rechtsanwalt.815 Auf dessen Einschätzung basiert die Vertragsgestaltung, vor allem die individuellen Versicherungsausschlüsse.816 Weiterhin ist der Abschluss mit einem zertifizierten Rechtsanwalt oder title abstractor möglich, der jeweils für einen bundesweiten Versicherer handelt. Bei den durch Rechtsanwälte gegründeten Versicherern nehmen die Rechtsanwälte die title search vor und schließen den Versicherungsvertrag ab.817 cc) Grundlagen Die Initiative für den Abschluss einer title insurance kann vom Erwerber, vom Veräußerer oder vom Kreditgeber ausgehen. Jede Partei profitiert von dem durch die Versicherung gewährten Schutz. Der Erwerber sichert sein Eigentumsrecht gegen die bei einer title search unerkannt gebliebenen Rechtsmängel ab. Für den Fall, dass er das Grundstück überhaupt nicht oder nur mit Belastungen erworben hat, begleicht die Versicherung seinen Scha809

Siehe zur Marktaufteilung genauer Burke, Law of title insurance, § 1:01[E]; sowie Dumm/Macpherson/Sirmans, 25 Journal of Insurance Regulation 23 (2007). 810 Burke, Law of title insurance, § 1.01[B]. 811 Siehe Burke, Law of title insurance, § 1.02[C]. 812 Palomar, Title Insurance Law, § 2:1. Siehe auch 3 California Real Estate § 7:3. 813 Palomar, Title Insurance Law, § 2:2. 814 Roberts, 39 Ind. L. J. 1, 9 (1963). 815 In Massachusetts wird fast ausschließlich auf letztere Weise verfahren, Mendler, Massachusetts Conveyancers’ Handbook with Forms, § 9:1. 816 Palomar, Title Insurance Law, §§ 2:3 f. 817 Palomar, Title Insurance Law, §§ 2:6 ff., siehe dort ebenfalls Ausführungen zu möglichen Interessenkonflikten der Rechtsanwälte. Neben der title insurance gewähren die Rechtsmängelversicherer auch eine „Garantie“ hinsichtlich einzelner Tatsachen eines Grundstücks oder Grundstücksrechts. Siehe zu diesen title guarantees 3 California Real Estate §§ 7:164 ff.

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Kapitel 4: Sicherung des Grundstückerwerbs

den. Die Schutzrichtung des Kreditgebers ist ähnlich. Wird dessen dingliches Sicherungsrecht durch ein unerkanntes Recht beeinträchtigt, steht der Rechtsmängelversicherer für den entstandenen Schaden ein. Bei ihm liegt ein Schadenseintritt jedoch erst vor, wenn auf Grund des rechtsmängelbehafteten Sicherungsrechts die Zwangsvollstreckung zumindest teilweise scheitert. Zudem verpflichtet sich der Versicherer, den Erwerber und Kreditgeber vor Gericht gegen Ansprüche Dritter, die sich auf ein unerkannt gebliebenes dingliches Recht berufen, zu verteidigen. Der Veräußerer hat hingegen nur ein indirektes Interesse an dem Abschluss der title insurance. Er will sein Grundstück veräußern und nach dem Geschäft möglichst keinen Ansprüchen des Erwerbers mehr ausgesetzt sein. Zwar ist es in den Vereinigten Staaten nicht üblich, dass der Veräußerer für die Qualität des im Kaufvertrag versprochenen Eigentumsrechts haftet, auf einen solchen Haftungsausschluss lässt sich der Erwerber jedoch nur auf Grund des Schutzes ein, den ihm eine title insurance gewährleistet. Eine Rechtsmängelversicherung kann nicht nur für die Absicherung des vollen Eigentumsrechts (fee simple), sondern grundsätzlich für jedes estates sowie hieran bestehende dingliche Rechte, abgeschlossen werden.818 Die Versicherung deckt im letzteren Fall jeweils Schäden durch Rechtsmängel, die das dem Eigentum untergeordnete Recht (z.B. leasehold), und somit mittelbar auch das übergeordnete Recht (z.B. Eigentum) beeinträchtigen, ab. Gerade beim dinglichen Mietrecht besteht bei Investitionen in das Mietobjekt ein Bedarf für den Abschluss einer title insurance.819 Die Absicherung gegen die Risiken des Erwerbers und des Kreditgebers werden durch zwei voneinander getrennte Versicherungen gewährt. Die Owner’s Policy wird zu Gunsten des Erwerbers abgeschlossen, die Lender’s oder Loan Policy deckt hingegen nur die Schäden des Kreditgebers ab. Es steht in der Regel im Ermessen des Erwerbers, ob er die zusätzlichen Kosten einer Owner’s Policy in Kauf nimmt oder auf deren Schutz verzichtet. Teilweise enthält der Kaufvertrag auch eine Regelung, die vorsieht, dass der Veräußerer eine Versicherung zu Gunsten des Erwerbers abschließt und hierfür auch die Kosten übernimmt.820 Schweigt der Kaufvertrag über die Kostenübernahme für die Versicherung, besteht keine Verpflichtung des Verkäufers, diese teilweise oder komplett zu übernehmen.821 Die Kreditgeber fordern – unabhängig 818

Burke, Law of title insurance, § 3.04; Palomar, Title Insurance Law, § 4:30. So beispielsweise bei umfangreichen Renovierungen von gewerblich genutzten Immobilien; Palomar, Title Insurance Law, § 9:21. 820 Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 9:13:3 (S. 9-98). Siehe auch Johnstone, 66 Yale L.J. 492, 494 (1957). 821 So (im Gegensatz zur vorherigen Instanz) Schreck v. T & C Sanderson Farms, Inc., 37 P.3d 510, 515, 2001 DJCAR 4749 (Colo. 2001). Der Veräußerer kann jedoch im Einzelfall auf Grund der lokalen Sitte verpflichtet sein, die Kosten der title insurance zu tragen; Friedman/Smith, Friedman on Contracts and Conveyances, § 9:13:3 Fn. 415 (S. 9-98). 819

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vom Ergebnis der title search, also auch bei extrem unwahrscheinlichen Rechtsmängeln – den Abschluss einer title insurance.822 Die Kosten hierfür trägt stets der Kreditnehmer.823 Die title insurance erfordert im Gegensatz zu vielen anderen Versicherungen keine wiederkehrenden Zahlungen zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes. Eine einmalige Zahlung gewährt Schutz über den kompletten Zeitraum der Inhaberschaft des versicherten Grundstücksrechts.824 Der vom Versicherten zu zahlende Betrag richtet sich nach der Höhe der Versicherungssumme.825 Die Absicherung des Grundpfandrechts ist in der Regel günstiger.826 Da der Schutz der title insurance grundsätzlich während der kompletten Rechtsinhaberschaft des Versicherten und teilweise auch dessen Rechtsnachfolgern besteht, ist der Beitrag unabhängig von der Dauer des Versicherungsschutzes.827 Der Erwerber wird meist durch einen Rabatt und einen günstigeren Komplettpreis zum Abschluss einer Owner’s Policy und einer Lender’s Policy ermutigt.828 In der Praxis kommt es jedoch auch vor, dass lediglich eine Lender’s Policy abgeschlossen wird. Der Erwerber verlässt sich hingegen auf die vom Rechtsmängelversicherer durchgeführte title search und verbleibt ansonsten ohne Schutz.829 dd) Abschluss der title insurance Der Abschluss einer title insurance vollzieht sich in zwei Schritten. Der Käufer wählt zunächst nach Abschluss des Kaufvertrags einen Rechtsmängelversicherer aus, der das Eigentumsrecht sowie das Grundpfandrecht gegen mög822

Burke, Law of title insurance, § 1.01[B]; 3 California Real Estate § 7:1. Johnstone, 66 Yale L.J. 492, 494 (1957). 824 16 Powell on Real Property § 92.01[3][a] (2004). 825 Siehe hierzu Burke, Law of title insurance, § 1.01[c], der für die Absicherung des Eigentumsrechts etwa 3,5 Dollar je 1000 Dollar Versicherungssumme angibt. Siehe auch 3 California Real Estate § 7:11, mit Verweis auf Stangle/Strombom, Competition and Title Insurance Rates in California,