Sergius (Ps. Cassiodorus): Commentarium de oratione et de octo partibus orationis artis secundae Donati 9783598730238, 3598730233

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Sergius (Ps. Cassiodorus): Commentarium de oratione et de octo partibus orationis artis secundae Donati
 9783598730238, 3598730233

Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
vorwort
inhaltsverzeichnis
1-einleitung
2-textedition
31-de-oratione-15--324
32-de-nomine-41--4722
33-de-pronomine-481--506
34-de-verbo-511--5613
35-de-adverbio-571--6011
36-de-participio-611--6315
37-de-coniunctione-641--658
38-de-praepositione-661--6812
39-de-interiectione-691--11
310-ergebnisse
4-neueinordnung-des-textes
5-literaturverzeichnis
6-indices

Citation preview

SAMMLUNG W I S S E N S C H A F T L I C H E R

SERGIUS

COMMENTARE

(PS.-CASSIODORUS)

C O M M E N T A R I U M DE O R A T I O N E ET DE OCTO P A R T I B U S O R A T I O N I S ARTIS SECUNDAE DONATI Ü B E R L I E F E R U N G , T E X T UND KOMMENTAR

K

G

SAUR M Ü N C H E N

· LEIPZIG

S E R G I U S (PS .-CAS SI ODO R U S ) COMMENTARIUM DE O R A T I O N E E T DE OCTO P A R T I B U S O R A T I O N I S A R T I S S E C U N D A E DONATI ÜBERLIEFERUNG.

T E X T I ND

HERAUSGEGEBEN

CHRISTIAN

K G ·

SAUR

KOMMENTAR

VON

STOCK

MÜNCHEIN

· LEIPZIG

2005

Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen Berichterstatter: Prof. Dr. Ulrich Schindel Mitberichterstatter: Prof. Dr. Fidel Rädle Tag der mündlichen Prüfung: 05. Februar 2003

D7 Göttinger philosophische Dissertation Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese I 'u I ill k .11 "πι in «Irr Deutschen INatinnalhiblingrafic; detaillierte bihlingralisrlii· Daten sind im Internet ither http://clnb.clclb.de altrulbar. © 2005 hy K. C. Saur Verlag GmbH, München und l,ei|izi·; Printed in Germany Alle Kechte vorbehalten. All Kights Strictlv Kesrrved. Jede Art der Vervielfältigung ohne Krlauhnis des Verlages ist unzulässig. Ccdruckt auf altcrungshcstiindigem I'.ι|Mt i Gesamthcrstclluns: Dvuckhaus „Thomas Müntzer" GmbH. ήμα etabliert hat.19 In der Poetik hat er dann zwar noch den σύνδεσμο? als weitere Wortart hinzugefugt20, die Römer scheinen mit 12 13 14

15 16 17 18 19

20

Don. mai. 612,3; Expl. I 487,24. Don. mai. 658,5: cum barbarismo et soloecismo vitia duodecim numerantur hoc modo. Serg. litt. 477,28: y autem et ζ ideo non numerantur in Latinarum numero litterarum; Serg. litt. 482,20: verum lex accentuum ita est, quod syllabae, in quibus isti poni debeant, a fine numerantur. Vgl. 21,12. Don. mai. 613,4; Serv. comm. 428,8; 448,10, Consent, gramm. V 338,6, Isid. orig. 1,6,1. primae partes findet sich zwar auch bei Cled. 34,14, hier aber zur Erörterung des Begriffes principales. Vgl. Serv. comm. 428,11-13; Pomp. 134,4-16; Cled. 34,23f. Arist. Cat. 1; Arist. Int. 1; Arist. Rh. 3,2. Grundsätzlich gilt, dass die aristotelischen Begriffe δι/ομα und ρήμα nicht dasselbe bezeichnen wie die lateinischen nomen und verbum. Aristoteles hat nämlich damit nicht nur die Wortarten Substantiv und Verb bezeichnet, sondern auch die syntaktischen Kategorien Subjekt und Prädikat. Genauso wenig ist das, was Aristoteles unter den μέρη της· λέξ€ως versteht, mit dem identisch, was sich die lateinischen Grammatiker unter den partes orationis vorgestellt haben. Während jener nämlich darunter alle Elemente der Sprache, angefangen vom Buchstaben bis hin zum vollständigen Satz, verstanden hat (vgl. Arist. Poet. 20), meinten diese damit nur die Wortarten an sich. Trotzdem haben die lateinischen Grammatiker ihn wohl so verstanden, dass sie seine Begriffe όνομα und (>ήμα mit ihrem Verständnis von nomen und verbum gleichgesetzt haben. Arist. Poet. 20. Darüber hinaus wird in der Poetik des Aristoteles noch άρθρον als Wortart (Artikel und Demonstrativpronomen) genannt; mit Verweis auf Dionysios von Halikarnass und Quintilian hat man den Begriff aber an der vorliegenden Stelle zumeist als Interpolation betrachtet. Siehe dazu: GUDEMAN, Art. 'Grammatik', in: RE Bd. VII (1912), Sp. 1786f.; Aristotle Poetics, Introduction, Commentary and

122

Kommentar

seinem Namen aber eher die Zweiteilung der Wortarten verbunden zu haben. Verantwortlich dafür dürfte in erster Linie Varro gewesen sein, der Aristoteles nur zwei Wortarten zugeschrieben21 und damit die Tradition begründet hat, auf der auch Donat und seine Kommentatoren beruhen22. Dagegen sind diejenigen, welche für Aristoteles in Anlehnung an die Poetik eine Dreiteilung der Wortarten proklamiert haben, in der Minderheit gewesen; ein berühmter Vertreter dieser Position war etwa Quintilian.23 1,10 appendices: Die Bezeichnung appendices für die Wortarten, welche nicht zu den principales partes Nomen und Verb gehören, ist in der artigraphischen Tradition vor Donat nicht belegt. Donat und die anderen Kommentatoren verwenden in diesem Zusammenhang keinen speziellen Begriff. Eine dem vorliegenden Text nahekommende Verwendung von appendices findet sich lediglich bei Prise, gramm. II 252,12ff.24 Dies unterstreicht die Abhängigkeit Priscians von der Donatkommentierung, die an anderer Stelle in Form einer wörtlich mit Serv. comm. übereinstimmenden Passage noch stärker zu greifen ist.25 1,10 siquidem: Die kausale Bedeutung von siquidem findet sich bereits bei Cicero, breitet sich aber erst im nachklassischen Latein weiter aus, allerdings ungleichmäßig. Die spätere Latinität, vor allem Kirchenschriftsteller wie Laktanz und Hieronymus, zeigen eine Vorliebe für das Wort. Dennoch hängt die Verwendung auch jetzt noch stark vom Stil des Verfassers ab.26 Der vorliegende Text hat siquidem insgesamt viermal und damit relativ häufig.27 In der Donattradition kommen ihm darin nur Servius' Vergilkommentar (26 mal) und Cled. (2 mal) nahe, wo siquidem im Verhältnis ähnlich oft verwendet wird. Dagegen kommt die Konjunktion bei Expl. I nur ein einziges Mal, bei Serv. comm. und Pomp, sogar überhaupt nicht vor 28

21 22 23

24

25

26 27 28

Appendixes by D. W. LUCAS, Oxford 1968, S. 199; Aristotle on the Art of Poetry, A Revised Text with Critical Introduction, Translation and Commentary by I. BYWATER, Oxford 1909, S. 26If. Varro ling. 8,11. Siehe dazu: Aristotelis Ars Rhetorica, ed. R. KASSEL, Berlin 1976, S. 149 App. zu Ζ. 26. Vgl. Quint, inst. 1,4,18. Quintilians Diskussion über die Anzahl der Wortarten ist eng mit Dion. Hal., Comp. 2 verbunden. Die Übereinstimmungen beruhen entweder auf direkter Abhängigkeit Quintilians oder der Benutzung einer gemeinsamen Quelle. Siehe Marcus Fabius Quintiiianus, Institutionis Oratoriae liber I, edited with Introduction and Commentary by F. H. COLSON, Cambridge 1924 (ND Hildesheim, New York 1973), S. 45f. Prise, gramm. II 252,12ff.: multo melius igitur, qui principales et egregias partes nomen dicunt et verbum, alias autem his appendices. Prise, gramm. II 8,15: quod autem ab i incipit eins nomen, ostendit etiam Servius in commento, quod scribit in Donatum: 'semivocales sunt Septem, quae ita proferuntur, ut inchoent ab e littera et desinant in naturalem sonum, ut ef, el, em, en, er, es, ix; sed ix ab i inchoat. Vgl. Serv. comm. 422,15-17. Siehe dazu auch L. HOLTZ, Donat, S. 228. H.-Sz. II,673f. Außer an der hier vorliegenden Stelle noch: 14,20; 27,12; 47,12. Bei der Anzahl der Verwendungen ist der unterschiedliche Umfang der einzelnen Traktate zu berücksichtigen. Unser Text entspricht in seinem überlieferten Wortlaut etwa der Länge von Serv. comm. (43 Seiten bei KEIL) und Expl. I (48 Seiten bei KEIL). Kürzer ist Serg. litt. (10 Seiten), länger Cled. (70 Seiten).

De oratione

l,10f. vice nominis fungitur:

123

Klassische Definition für das Pronomen, die sich oft in

artigraphischen Texten findet. Allerdings ist die Formulierung vice fungitur gegenüber officio fungitur die seltenere29 und auch anspruchsvollere.30 1,15 docuimus: Als RUckverweis ist die vorliegende Stelle der einzige Beleg im Text für docuimus, ansonsten steht immer diximus; generell sind Formen von dicere im präskriptiven Sinne häufiger als Formen von docere, ein Befund, der auch für Servius' Vergilkommentar zutrifft.31 Außer hier findet sich docuimus in der Donattradition nur Serv. georg. 1,488, Serg. litt. 482,29 und Pomp. 116,26.32 Dagegen kommt es in den unter dem Namen des Probus überlieferten Schriften oder bei Priscian weitaus häufiger vor.33 1,15 necessario: Der Text verwendet das Adverb necessario mit 4 Belegen auffallend häufig.34 Vergleichbar damit ist nur der Gebrauch bei Serg. litt. (2 mal), Serv. comm. (2 mal) und in Servius' Vergilkommentar (15 mal). Dagegen ist necessario in den anderen Donatkommentaren nur selten (1 mal bei Pomp.) oder überhaupt nicht (Expl. I, Cled.) belegt. 1,17f. 'ante templum'...

'ambulo': Als Beispiel für eine elocutio plena ist die Formulierung

'ante templum ambulo' ungewöhnlich. Serv. comm. hat an dieser Stelle 'ipse legens dixit', Pomp. 134,28ff. 'Cicero eras faciei'.35 Es liegt daher die Vermutung nahe, dass es sich um ein individuelles Beispiel handelt, das allerdings so trivial ist, dass es kaum Rückschlüsse auf den Verfasser erlaubt. Aufgrund der Singularität des Beispiels ist es wahrscheinlich, dass Mals, hier auf unseren Text zurückgeht.36

29

30

31 32

33

34 35 36

Der mit Abstand umfangreichste Donatkommentar ist Pomp. (217 Seiten). Etwa fünfmal so lang ist die ausführliche Fassung von Servius' Vergilkommentar ('Servius auetus'). Lediglich Pomp. (1 mal), Ps.-Aug. (lmal) und Prise. (5 mal) haben vice fungitur in dem hier vorliegenden Sinn; ansonsten findet sich sowohl bei den genannten als auch bei anderen Grammatikern fast ausschließlich officio bzw. loco fungitur, so etwa auch bei Serv. comm. 406,11 und Pomp. 96,31. Plin. paneg. 80,5 (1./2. Jh.): erga omne hominum genus vice sua fungereris. Die Wendung vice fitngi findet sich auch aberwiegend in alteren artigraphischen Traktaten: Quint, inst. 4,1,75; 4,3,11; 6,2,36 (1. Jh.); Plin. dub. serm. frg. 7,9 (1. Jh.); Scaur, gramm. VII 12,15; VII 14,12 (1./2. Jh.). A. UHL, Servius, S. 116ff. Serv. georg. 1,488: ut docuimus in Aeneide; Serg. litt. 482,29: quae in disyllabis ante docuimus; Pomp. 116,26: iam in litteris docuimus quia liquidae numquam liquescunl. Vgl. etwa Prob. cath. gramm. IV 10,14: sicut docuimus; Prob. cath. gramm. IV 22,17f.: sicut supra docuimus; Prob. inst, gramm. IV 52,38f.: hoc est ut supra iam ingenere communi docuimus; Prise, gramm. II 19,10: ut supra docuimus. Aufler hier noch an folgenden Stellen: 3,18; 31,10; 43,16. Serv. comm. 428,1 Of.; Pomp. 134,28fT. Mals. 173,6.: ut si dicas 'ante templum' et non iungas 'agonon stat loquutio.

Kommentar

124

1,17f. et non iungamus: Die Lesart nec coniungamus in Ρ scheint die elegantere zu sein, für et non iungamus spricht aber neben (M) auch die Formulierung bei Mals, (et non iungas), die wohl auf den vorliegenden Text zurückgeht.37 1.18 pendet oratio: Zu der Wendung oratio pendet finden sich kaum Parallelen in der lateinischen Literatur; daher fallt die Tatsache, dass sie auch bei Aug. belegt ist, umso mehr ins Gewicht.38 Üblicher im Vergleich zu oratio pendet ist die Formulierung sensus pendet, die sowohl bei den Grammatikern als auch in der spätantiken Literatur überhaupt vorkommt.39 1.19 'Cicero scripsit', 'orator docuit': Beide Beispiele für eine elocutio plena entstammen der Donattradition: Serv. comm. hat an entsprechender Stelle jedoch nur 'Cicero scripsit'; Pomp, führt in anderem Zusammenhang das Exempel 'orator venit et docuit' an.40 Mals, stimmt auch hier wieder mit dem zur Rede stehenden Text überein, vermeidet jedoch den Namen

Cicero

und

ersetzt

ihn durch magister41;

hierbei handelt

es sich

aller

Wahrscheinlichkeit nach um den Versuch eines christlichen Verfassers, dem Text eine heidnische Prägung zu nehmen. 1,21 Stoici: Die Behauptung, die Stoiker hätten 5 Wortarten unterschieden, entspricht zwar der in der Donattradition geläufigen Vorstellung42, dennoch ist die Aussage sachlich nicht ganz richtig, weil das summarische Urteil die verschiedenen Epochen der Schule und ihre sprachwissenschaftlichen

Fortschritte

vernachlässigt.

Die

ältere

Stoa

war

nämlich

ursprünglich nur von vier Wortarten ausgegangen (δίτομα, £>ήμα, σύνδεσμο?, άρθρον); diese hat erst Chrysipp vermehrt, indem er das δνομα in nomen proprium und nomen appellativum geteilt hat43. Antipatros von Tarsos fügte schließlich als sechste Wortart noch das Adverb hinzu.44 Die Ansichten darüber, welches nun die 5 Wortarten sind, die von den Stoikern im einzelnen unterschieden worden sind, gehen selbst in den Kommentaren zu Donat auseinander: so waren es nach Pomp. 134,9ff. nomen, verbum, praepositio,

coniunctio,

interiectio-, dagegen nennt der vorliegende Text nomen, pronomen, verbum, adverbium, participium. Dies ist wohl damit zu erklären, dass das Bild, welches man von der stoischen Schule hatte, gar nicht so einheitlich war, wie man es aufgrund der verallgemeinernden 37 38

39 40 41

42 43 44

Siehe vorherige Anm. Aug. dialect. 2: quamuis enim uerba coniuncta sint homo festinans in montem, tarnen adhuc pendet oratio. Vgl. auch Aug. in lob p. 510,3: pendens loquutio. Siehe etwa Aug. gramm. V 510,24; Audax gramm. VII 344,23; Mar. Vict. in Phil. 3,15; Serv. Aen. 2,100. Serv. comm. 428,9; Pomp. 99,22. Mals. 173,4f.: ex his duae sunt principales partes: nomen et verbum, quia coniunctae locutionem faciunt, ut 'magister scripsit', 'orator docuit'. Serv. comm. 428,18; Pomp. 135,25; Cled. 34,23. Diog.Laert. 7,192. H. STEINTHAL, Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern mit besonderer Rücksicht auf die Logik Bd. 1, Berlin 2 1890, S. 297f.

De oratione

125

Bezeichnung Stoici vermuten könnte; verantwortlich für die Abweichungen bei den römischen Rezipienten dürften Diskrepanzen innerhalb der stoischen Schule bezüglich der Lehre von den Wortarten gewesen sein.45 Zur Auflistung im vorliegenden Text ist jedoch kritisch anzumerken, dass die Nennung des Partizips als einer eigenständigen Wortart nur schwer mit dem in Einklang zu bringen ist, was uns sonst von den Stoikern überliefert ist; das Partizip wurde nämlich stets zum Nomen oder Verb gerechnet und erst spät als achte Wortart herausgelöst.46 1,25 sane·, sane wird als bekräftigendes Modaladverb47 im vorliegenden Text mit Vorliebe verwendet (9 mal). Dies entspricht dem häufigen Gebrauch des Wortes in Servius' Vergilkommentar; auch Serg. litt. (3 mal), Serv. comm. (5 mal) und Cled. (17 mal) haben sane relativ oft. Dagegen kommt sane bei Expl. I überhaupt nicht und bei Pomp, nur ein einziges Mal vor. 2,1 sciendum est: Neben scire debemus/debetis oder scimus/sciamus häufig vorkommende Wendung zur Einleitung von „Informationen, die zur korrekten Handhabung der Sprache notwendig sind" 48 Der starke Gebrauch von sciendum est49 fallt vor allem im Vergleich zu Expl. I. auf, wo diese Wendung überhaupt nicht belegt ist. Eher selten kommt sciendum est daneben auch bei Pomp. (5mal) und Cled. (7 mal) vor. Andererseits findet sie sich im Vergilkommentar des Servius (über 200 mal), bei Serv. comm. (12 mal) und Serg. litt. (8mal) ähnlich häufig wie im vorliegenden Text. 2,1 accidunt: Die Handschrift Ρ überliefert hier accidant. Dass in (M) und Ρ der Modus nach Wendungen wie sciendum est, quod nicht übereinstimmt, ist ein häufig anzutreffendes Phänomen.

Es entspricht

der

allgemeinen

Beobachtung,

dass

im

Spätlatein

der

Modusgebrauch bei quod, quia und quoniam nach den Verba dicendi und sentiendi starken Schwankungen unterliegt. Wenn sich überhaupt eine Gesetzmäßigkeit erkennen lässt, dann die, dass in quia-Sälzen der Indikativ bevorzugt wird. Dagegen ist bei quod-Sätzen das Bild zu verworren, um eine Regel aufzustellen. Zumeist ist in diesen Fällen die individuelle Neigung des Verfassers maßgebend.50 Für die Herstellung des authentischen Textes erscheint es daher sinnvoll, ein normalisierendes Eingreifen in das Überlieferte zu vermeiden und sich, wenn sie einheitlich ist, nach der Überlieferung zu richten, wenn diskrepant, nach der im Text 45 46

47 48 49

50

Art. 'Grammatik', Sp. 1787-1789. H. S T E I N T H A L , Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern mit besonderer Rücksicht auf die Logik Bd. 2, Berlin 2 1891 , S . 2 l 6 f . K.-St. I 799,3. A. UHL, Servius, S. I I I . LAW, Insular Latin Grammarians, S. 19 Anm. 37. Im vorliegenden Text findet sich die Wendung sciendum est insgesamt 23 mal. H.-Sz. 11,577 Zusätze ß). GUDEMAN,

126

Kommentar

gebräuchlicheren Verwendung. Im vorliegenden Fall heißt das, dass in quod- und quia-Sätzen der Indikativ steht, es sei denn sowohl (M) als auch Ρ haben übereinstimmend den Konjunktiv. 2,2f. faciunt inflecti: Die ungewöhnliche Konstruktion von facere mit Infinitiv an Stelle des einfachen Verbs zeigt eine deutliche Nähe zum Sprachgebrauch im Mittellateinischen und Romanischen.51 2.8 ne forte nos turbet. Eine entsprechende Formulierung findet sich im Text außer hier noch in 20,5 (verum illud rton nos turbet quod) und 56,12 (ne nos turbet quod). Dies ist im Vergleich zu anderen Grammatiken, in denen die Wendung überhaupt nicht überliefert ist, ungewöhnlich häufig.52 Die einzige verwandte Stelle in einem didaktischen Text ist Quint, inst. 3,6,101 (nec quemquam turbet). Ansonsten wird ne aliquem turbet vor allem in der lateinischen Literatur klassischer Zeit verwendet.53 Darüber hinaus ist sie auch bei einigen christlichen Autoren der Spätantike und des frühen Mittelalters überliefert, angefangen von Cyprian im 3. Jh. bis hin zu Beda (7./8. Jh.); die Mehrzahl der Zeugnisse liegt aber vor dem 6. Jh.54 2.9 dicendo: Der schon in der Volkssprache der Kaiserzeit allgemein verbreitete Ablativ des Gerundiums drängt in der Schriftsprache der Spätantike das Partizip Präsens immer mehr zurück.55 In den Donatkommentaren kommt dicendo häufig vor.56 2.10 'cum mane novum'·. Wie ein Vergleich mit den anderen Donatkommentaren zeigt, gehört das Vergilzitat (Verg. georg. 3,325: dum mane novum) samt der Frage, ob das Adverb mane substantiviert werden kann, ursprünglich nicht in den vorliegenden Abschnitt, sondern erst in den folgenden, in dem es um die Verwandtschaft von Nomen und Adverb geht.57 Warum es in unserem Text bereits hier erscheint und was die Tatsache, dass mane in dem Vergilbeispiel nicht als Adverb, sondern als Substantiv verwendet wird, mit der an dieser Stelle behandelten Flektierbarkeit der Wortarten zu tun hat, ist unklar. Da das Problem der Funktionsverschiebung zwischen Nomen und Adverb in der Donattradition wiederholt 51 32

53

54

55 56 57

H.-Sz. 11,325. Üblich sind Wendungen wie nec nos fallat (im vorliegenden Text 29,10), nec nos moveat (Serv. ecl. 3,34) oder nec nos decipiat (Serv. Aen. 1,546), siehe UHL, Servius, S. 195. Cie. de orat. 3,191: neque vos... conturbet; Cie. ad Q. fr. 3,1,24: ne quid ille turbet, vide; Verg. Aen. 3,407: ne... omina turbet·, Ov. am. 3,2,75: ne turbet toga mota capillos; Tib. 3,9,18: ne... gaudia turbet. Cyprian (non nos turbet)·, Ps.-Cyprian (non nos turbet); Petrus Chrysologus (non te turbet, neminem turbet)·, Amobius (non me turbet)·, Boethius (nec nos turbet)·, Caesarius v. Arles (non te turbet)·, Beda (ne quem turbet). H.-Sz. II,379f. u. a. Serv. comm. 419,12; Expl. 1 489,26; Pomp. 99,28; Pomp. 200,7. Vgl. Serv. comm. 428,22; Pomp. 136,3f.

De oratione

127

diskutiert wird, findet sich das vorliegende Zitat mehrfach, so etwa an zwei Stellen in Servius' Vergilkommentar58 und darüber hinaus bei Serv. comm. und Pomp.59 Die Verwendung des Zitats im vorliegenden Text ist daher keine selbstständige Leistung des Verfassers, sondern beruht auf der Tradition, in der er steht. Außerhalb der Donattradition taucht das Vergilzitat nur ein einziges Mal auf, und zwar in einer unter dem Namen des Probus überlieferten Schrift des 4. Jhs.60 2,12f. quondam inter se habent cognationem·. Die Wendung cognationem habere kommt in der artigraphischen Tradition sonst nur noch bei Scaurus (2. Jh.), Pomp. (5. Jh.) und Priscian (6. Jh.) vor; von diesen weist Pomp, die mit Abstand meisten Belege auf.61 Ansonsten lässt sich ein verstärkter Gebrauch der Formulierung lediglich bei Autoren klassischer Zeit ausmachen.62 2,13f. alterum pro altero positum significare aliud, sed teuere vim suam: Die Frage, ob Nomen und Adverb ihre Eigenschaften behalten, wenn sie die Funktion der jeweils anderen Wortart Ubernehmen, wird in den Donatkommentaren unterschiedlich beantwortet. Unser Text meint hier, dass beide ihre grammatische Gesetzmäßigkeit (vis) bewahren. Nach dieser Auffassung wird das Nomen auch als Adverb weiterhin dekliniert, während das Adverb, selbst wenn es als Substantiv erscheint, in seiner Form unverändert bleibt. Als Beleg für den ersten Fall werden im folgenden drei Beipiele (2,15f.: torvum ciamal, horrendum resonat, dulce sapit) angeführt, die sich dadurch auszeichnen, dass die Substantive eine Kasusendung haben, obwohl sie als Adverb fungieren. Für den umgekehrten Sachverhalt, d. h. dass ein Adverb an die Stelle eines Nomens tritt, ohne dabei seine Form zu verlieren, liefert der Text an dieser Stelle kein Beispiel; man kann sich aber denken, dass an eine Formulierung wie die der Vergil-Stelle cum mane novum gedacht ist, die vom Verfasser, wie oben erörtert63, aus unerfindlichen Gründen aus seinem in der Donattradition angestammten Zusammenhang nämlich dem vorliegenden - herausgelöst und vorgezogen worden ist. Demgegenüber vertritt Serv. comm. die entgegengesetzte Position, dass Adverb und Nomen, wenn sie als die jeweils andere Wortart fungierten, auch deren Regeln unterlägen.64 Um diese These zu stützen, 58

Serv. Aen. 4,341: 'sponte mea': modo nomen est: nam et geitus et casum habet, sie et 'mane', cum ei genus et casus additur, nomen est, ut 'dum mane novum', 'dum gramina canent'; Serv. Aen. 5,19:... nomen et adverbium plerumque in se transeunt: nomen in adverbium, 'torvumque repente clamat', id est torve; item adverbium in nomen, ut 'dum mane novum' aeeepta declinationefactum est nomen. " Serv. comm. 416,20; 428,22; Pomp. 136,4; 255,36. 60 Ult. Syll. gramm. IV 246,7. 61 Scaur, gramm. VII 14,9; Pomp. 251,28: ergo vides omnes partes orationis habere quandam cognationem cum adverbio. Pomp. 251, 32f.; 256,25; 258,35; Prise, gramm. II 24,7f.; III 29,24. 62 Cie. orat. 186; Cie. div. 2,33; Quint, inst. 1,10,36; Plin. nat. 17,104; 36,144. 63 Siehe oben den Kommentar zu 2,10 dum mane novum. 64 Serv. comm. 428,20fF.: frequenter invenimus et nomina pro adverbiis posita, ut 'torvum clamat', et adverbia pro nominibus posita, ut 'mane novum', quare sciendum est, quoniam, si nomen sit pro adverbio constitutum,

128

Kommentar

werden von Serv. comm. mit torvum clamat und mane novum genau diejenigen Vergil-Stellen herangezogen, die auch der vorliegende Text verwendet, allerdings mit einem anderen Ergebnis. Serv. comm. interpretiert nämlich torvum offensichtlich nicht als ein dekliniertes Wort, sondern als eine zum Adverb erstarrte und daher nicht zu deklinierende Wortform. Dagegen hält er mane fur ein Substantiv, das nicht nur in dieser Form, sondern auch in anderen Kasus auftreten könne; als Beleg dafür führt er das Plautus-Zitat a primo mani (Plaut. Amphit. 253) an. Diese Wendung scheint für die unterschiedliche Bewertung des Sachverhalts in den beiden Grammatiken verantwortlich zu sein. Wenn sie nämlich in unserem Text berücksichtigt worden wäre, hätte dieser entweder seine Regel zur Verwandtschaft von Nomen und Adverb ändern oder α primo

mani als Ausnahme anführen müssen.

Wahrscheinlich hat der Verfasser des vorliegenden Textes das Plautus-Zitat aber gar nicht gekannt. Ein Grund dafür könnte sein, dass es auch in seiner Vorlage nicht vorhanden gewesen ist. Dagegen hat Serv. comm. die Plautus-Stelle gekannt und entweder selbst in die Donat-Kommentierung eingefügt oder aus einer Vorlage, in der dies schon geschehen war, übernommen. Ein unmittelbarer Zusammenhang besteht hier jedenfalls mit Servius' Vergilkommentar, in dem ebenfalls auf α primo mani verwiesen und die gleiche Auffassung wie von Serv. comm. vertreten wird.65 Möglicherweise hat erst die Berücksichtigung des Vergilkommentars dazu geführt, die Lehre vom Verhältnis zwischen Nomen und Adverb in den Donatkommentaren zu modifizieren. Die naheliegendste Erklärung für die Diskrepanz zwischen unserem Text und Serv. comm. in diesem Punkt ist jedenfalls, dass jenem eine ältere Erörterung des Sachverhalts zugrunde liegt, während Serv. comm. eine jüngere Position präsentiert, die gegenüber der alten aufgrund der Einbeziehung von zusätzlichem Material verändert worden ist. Zwischen den Extrempositionen des vorliegenden Textes und Serv. comm. nimmt Pomp, eine Art Mittelstellung ein; er vertritt nämlich die Ansicht, dass das Nomen nicht nur die Funktion, sondern auch die Eigenschaften des Adverbs übernehme, das Adverb hingegen nur die Funktion, nicht aber die Eigenschaften des Nomens.66 Pomp, beurteilt daher torvum in dem Vergil-Zitat torvum clamat genauso wie Serv. comm. als eine zum Adverb erstarrte Wortform; dagegen hält er mane in der Wendung mane novum wie

incipit non posse dectinari. ... item adverbium si transeat in significationem nominis, nonnumquam declinatur, quoniam significat earn partem orationis, quae recipit declinationem. unde est illud apud Plautum 'aprimo mani usque ad vesperam'. (vgl. auch Serv. comm. 438,35ff.). 65 Serv. Aen. 5,19: nomen et adverbium plerumque in se transeunt: nomen in adverbium, 'torvumque repente clamat', id est torve: item adverbium in nomen, ut 'dum mane novum' accepta declinatione factum est nomen. ... sed nomen cum adverbium esse coeperit, fit indeclinabile; adverbium cum nomen esse coeperit, declinatur: unde ait Plautus 'a mani ad vesperum'. 66 Pomp. 135,36ff.: plerumque contingit, ut nominibus utamur pro adverbiis et Herum adverbiis utamur pro nominibus. nominibus utimur pro adverbiis, si dicas 'torvum clamat'pro eo, quod est 'torve clamat'... item adverbia ponis pro nominibus econtrario, si dicas eras, mane, dicit Vergilius 'dum mane novum', iam mane non vult esse adverbium, sed nomen. ... ergo nomina, quando sunt adverbia, incipiunt casus non habere. ... adverbium vero, quando transit in nomen, nequaquam potest accipere casum. ... tarnen legimus apud Plautum declinationem ipsam 'a primo mani'.

129

De oratione

unser Text fur ein aus einem Adverb hervorgegangenes und deshalb nicht zu deklinierendes Substantiv. Das Plautus-Zitat a primo mani wird daher von Pomp, auch als Ausnahme von seiner Regel angeführt. Diese Position ist offensichtlich aus den anderen beiden entwickelt worden und setzt deren Existenz voraus. Sprachlich ist an der vorliegenden Stelle auffallig, dass die Konstruktion nach sciendum est von einem quod-Satz mit finitem Verb (quod... habent) in einen Acl übergeht (alterum ... significare aliud, sed tenere vim suam). Es handelt sich offenbar um eine Vermischung der beiden Konstruktionen, welche im Spätlatein nach Verben des Wissens üblich sind.67 Insgesamt bevorzugt unser Text nach sciendum est den quod-Satz (18 mal) gegenüber dem Acl (5 mal). Darin kommt ihm von den Donatkommentaren nur Serg. litt, nahe, wo auf sciendum

est

stets ein quod-Satz

folgt. Die anderen

bevorzugen

entweder

die

Infinitivkonstruktion (Pomp.) oder weisen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen beiden Konstruktionen auf (Serv. comm., Cled.). Die Wendung vim tenere ist bei den lateinischen Grammatikern sonst nur bei Serg. litt. belegt.68 Üblicher sind stattdessen Ausdrücke wie vim retinere69 und ius retinere™. Bei Autoren klassischer Zeit findet sich vim tenere hingegen häufiger.71 2,15 ut 'torvum clamat': Das Vergil-Zitat torvum clamat (Verg. Aen. 7,399) wird in der artigraphischen Tradition seit Donat als Standardbeispiel fur ein Nomen in der Funktion eines Adverbs verwendet. Schon bei Don. mai. taucht es zweimal auf: zunächst im Kapitel De adverbio als Parallele zu facile/difficile,

die man, so Donat, eher als Nomen in

Adverbfunktion denn als Adverbien betrachten solle, und zweitens im Kapitel De soloecismo als Beispiel für einen Solözismus, der auftrete, wenn eine Wortart an die Stelle einer anderen gesetzt werde.72 Von hier aus hat sich torvum clamat in der Donattradition und bei anderen Grammatikern verbreitet; schon Diom. gramm. 1,406,9 hat es als Parallele zu facile/difficile, und in den Vergilkommentaren des Servius erscheint es insgesamt sieben Mal, um ähnlich geartete grammatische Phänomene zu erklären.73 In den Kommentaren zu Donats Artes findet es sich außer in den Don. mai. entsprechenden Kapiteln74 noch, wie im vorliegenden Fall, im Einleitungskapitel, wo die wechselseitigen Beziehungen der Wortarten untereinander, insbesondere die zwischen Nomen und Adverb, behandelt werden.75

67 68 69 70 71 72 73 74 75

H.-Sz. 11,578 γ ) Serg. litt. 477,27: consonans contra litterarum legem duarum consonantium vim tenere desiderat. Quint, decl. 348,2; Serv. Aen. 1,616. Quint, decl. 347,2; Serv. comm. 428,19. Vgl. Cie. Brat. 209; Cie. de orat. 3,76; Cie. fam. 9,16,15; Gell. 2,17,6. Don. mai. 640,15-641,1 und Don. mai. 655,17-656,1. Serv. Aen. 1,251; 2,132; 3,3; 5,19; 7,399; ecl. 3,79; georg. 3,28. Serv. comm. 439,1; Cled. 65,12-14; Pomp. 245,31; Serv. comm. 446,23; Pomp. 290,19. Serv. comm. 428,21; Pomp. 135,38; Pomp. 136,29.

130

Kommentar

2,16 'horrendum resonat': Die Wendung horrendum resonat steht in der Donattradition neben torvum clamat gelegentlich als weiterer Beleg fiir ein Nomen in der Funktion eines Adverbs, erstmals bei Don. mai. 641,1, dann bei Serv. comm. 439,1, Pomp. 136,1 und Cled. 65,12. Während es in diesen Fällen stets im Kapitel De adverbio als Parallele zu facile/difficile genannt wird, erscheint es im vorliegenden Text wie auch bei Pomp. 136,1 bereits im Einleitungskapitel. Es handelt sich wahrscheinlich um ein Zitat von Verg. Aen. 12,700, dort heißt es allerdings horrendumque intonat armis, dagegen haben alle genannten Texte der Donattradition horrendum resonat?6 Möglicherweise ist dieser Fehler damit zu erklären, dass Donat aus einer Vorlage die Lesart resonat übernommen und somit fur ihre Verbreitung gesorgt hat. 2,16 'dulce sapit': Der Ausdruck dulce sapit taucht in keinem anderen Donatkommentar in diesem Zusammenhang als Beispiel auf und lässt sich auch sonst in der artigraphischen Tradition an keiner Stelle belegen. Es scheint sich demnach um eine individuelle Ausprägung des vorliegenden Textes zu handeln. Da dulce sapit hier neben zwei Vergilzitaten steht, ist es wahrscheinlicher, dass es sich um ein weiteres Zitat eines literarischen Textes handelt als um ein Beispiel, das der Verfasser unseres Kommentares lediglich konstruiert hat. Als Vorlage käme Paulinus von Nola in Frage, bei dem allein sich eine entsprechende Formulierung findet.77 Wenn dulce sapit nun tatsächlich auf Paulinus zurückgeht, dann lässt sich die Abfassungszeit des Textes hinsichtlich seines terminus post quem konkretisieren: da carm. 26 zu den natalicia gehört, den Festgedichten, die Paulinus zum Todestag des Hl. Felix verfasst hat, ist eine genaue Datierung des Gedichtes auf das Jahr 402 möglich78; der vorliegende Kommentar könnte demnach erst danach entstanden sein. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass Paulinus kein älteres, nicht erhaltenes Gedicht zitiert hat. 3,1 quaerunt nonnulli: Als Einleitung fur eine Problemstellung, die der Klärung bedarf, ist die Formulierung quaerunt nonnulli selten; häufiger ist sowohl im vorliegenden Text79 als auch bei anderen Grammatikern quaeritur, quaerimus oder quaesitum est. So findet sich

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77

78 79

Dass es sich eher um ein Zitat von Verg. Aen. 12,700 und nicht von Verg. Aen. 9,732 (arma horrendum sonuere) handelt - so HOLTZ, Donat S. 641,1 App. geht meiner Ansicht nach auch daraus hervor, dass (M) im vorliegenden Fall ebenso horrendumque und nicht horrendum überliefert wie auch der Textzeuge η fllr Don. mai. (Siehe HOLTZ, Donat, S. 641,1 App.). Paul. Nol. carm. 26,347f.: iam totus uel solus homo in sua iura reuersus dulce sapit, sanum spiral placidumque profatur. dulce sapit findet sich zwar auch bei Venantius Fortunatus (carm. 9,3,9); von diesem weiß man jedoch, dass er Paulinus gelegentlich zitiert hat (R. HELM, Art. Paulinus (Nr. 9), in: RE Bd. XVIII, 1949, Sp. 2350). P. FABRE, Essai sur la Chronologie de l'oeuvre de Saint Paulin de Nole, Paris 1948, S. 113FF. quaerunt nonnulli findet sich nur noch 29,1.

131

De oratione quaerunt

nonnulli

lediglich

einmal

in der ausführlicheren Fassung

von

Servius'

80

Vergilkommentar , dagegen in keinem anderen Donatkommentar. 3,1-24 cur ita partes orationis Donatus ordinaverii...: Der Text behandelt im folgenden die Frage, warum Donat die Wortarten in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet hat.81 Er verteidigt die Einteilung Donats und bringt die Wortarten in eine hierarchische Abfolge von eins bis acht, indem er jeder einzelnen einen Platz zuweist und diesen begründet. Von den anderen Donatkommentaren hat nur Serv. comm. eine entsprechende Passage in der Einleitung zur Erklärung der Ars minor}2 Dagegen lässt Pompeius eine Einteilung der Wortarten in eine hierarchische Abfolge (ordo) nur dort erkennen, wo er über deren proprietates handelt, einen selbstständigen Abschnitt widmet er dagegen dieser Frage nicht.83 3,2 dicimus: Der Verfasser wählt hier zwar den Indikativ, dennoch will er das Gesagte als eine Anweisung verstanden wissen, wie das Problem - die hierarchische Gliederung der Wortarten - seiner Meinung nach zu lösen ist (präskriptiver Indikativ), dicimus soll also soviel wie debemus dicere bedeuten.84 3,2 quodi Die Handschrift Ρ überliefert hier quia, quod und quia werden nach den verba dicendi und sentiendi ohne erkennbare Regelmäßigkeit in (M) und Ρ gesetzt. Dies entspricht der allgemeinen Beobachtung, dass die beiden Konjunktionen im Spätlatein nahezu gegeneinander austauschbar sind85. Wenn sich überhaupt eine Tendenz feststellen lässt, dann die, dass quia sich seit der Mitte des 3. Jhs. immer mehr verbreitet und quod zusehends zurückdrängt.86 Eine verlässliche Aussage über den Stil des vorliegenden Textes lässt sich anhand des Gebrauchs von quod und quia nicht machen, da Änderungen auch im Prozess der Überlieferung aufgrund spezieller Vorlieben von Bearbeitern entstanden sein können. Für die Herstellung des authentischen Textes gilt das gleiche wie fur den Modusgebrauch nach den verba dicendi und sentiendi7: bei übereinstimmender Überlieferung wird das Bezeugte in jedem Fall gehalten, bei diskrepanter Überlieferung richtet sich die Entscheidung nach der im

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83

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Serv. auct. Aen. 2,733; häufiger als quaerunt nonnulli ist in Servius' Vergilkommentar die Wendung quaerunt multi(siehe etwa Serv. Aen. 1,4; 1,127) Serv. comm. bezeichnet die Reihenfolge der Wortarten als einen naturalis ordo (406,9). Serv. comm. vertauscht gegenüber dem vorliegenden Text und auch gegenüber der tatsächlichen Abfolge bei Don. mai. Präposition und Konjunktion miteinander, obwohl er spater bei der Einzelbehandlung der Wortarten wieder die 'richtige' Anordnung hat. Pomp. 96,27ff. Eine Diskussion über die Ordnung der Wortarten findet sich abgesehen von Serv. comm., Pomp, und dem vorliegenden Text auch noch bei Prise, gramm. III 115,20ff. Siehe dazu A. Uhl, Servius, S. 116. H.-Sz. II, 577 Zusätze α). Ε. LÖFSTEDT, Philologischer Kommentar zur 'Peregrinatio Aetheriae' - Untersuchungen zur Geschichte der lateinischen Sprache, Uppsala / Leipzig 1911, S. 117, H.-Sz. II, 576. Siehe den Kommentar zu 2,1 accidunt.

132

Kommentar

Text gebräuchlicheren Verwendung, d. h. dass nach den verba dicendi und sentiendi eher quod steht als quia. 3,3 tolle enim: Der Imperativ tolle steht hier anstelle eines hypothetischen Nebensatzes. Die Ausdrucksweise, dass statt eines «/-Satzes ein Hauptsatz verwendet wird, ist seit der silbernen Latinität ein häufig anzutreffendes Phänomen. Sie hat sich offenbar als eine natürliche Parataxe aus der Volks- oder Umgangssprache entwickelt und ist dann zum Zweck des größeren Nachdrucks als rhetorische Parataxe bewusst angewendet worden88, so auch im vorliegenden Fall bzw. generell in der Fachsprache. Häufiger noch als hier ist der Gebrauch des Imperativs in der beschriebenen Art und Weise etwa bei Pomp.89 Ähnlich ist auch die Formulierung in Serv. Aen. 1,63: nam tolle hoc, et maior est omnibus diis. 3,3 vocabulum nominis: Ungewöhnlich umständliche Ausdrucksweise im Vergleich zur entsprechenden Formulierung bei Pomp. 134,31: tolle nomen et pronomen nihil est. Der Begriff des Nomens, um den es hier geht, soll offensichtlich durch die Stellung als genitivus appositivus neben vocabulum besonders hervorgehoben werden.90 Eine Parallele dazu findet sich in der lateinischen Literatur bei Martianus Capella (4. Jh.).91 3,4f. quemadmodum voces

non habes: habere in der Bedeutung "können"92 erscheint

erstmalig bei Cicero, bei diesem und auch bei späteren Autoren aber immer mit Infinitiv und fast nur in der Verbindung mit den Verben des Sagens.93 Eine Gebrauchserweiterung erfahrt habere dann seit den ersten lateinischen Bibelübersetzungen und den Kirchenschriftstellern unter dem Einfluss des griechischen βχω. Im vorliegenden Fall ist die Ellipse eines verbum dicendi anzunehmen.94 Auch hier deutet sich bereits ein im Romanischen üblicher Sprachgebrauch an. 3,5 secundum obtinet locum: locum obtinere ist eine in artigraphischen Texten häufige Wendung, bezeichnet aber neben vim obtinere zumeist den Vorgang, dass ein Sprachelement an die Stelle eines anderen tritt. Der hier vorliegende Zusammenhang, in dem die Wendung die Position innerhalb einer Hierarchie von Sprachphänomenen anzeigt, ist dagegen eher 88

89 90 91

92 93 94

K.-St. 11,165; die rhetorische Parataxe zum Zweck des größeren Nachdrucks findet sich auch schon häufig bei Cicero in den Reden. Siehe ζ. B. Pomp. 134,3 Iff. (tolle) oder Pomp. 134,19f. (pone). K.-St. 1,419; vgl. auch Tac. ann. 11,17: Ubertatis vocabulum. Mart. Cap. 9,895: harte igitur sive trigeminam feminam sive tres in unius nominis vocabulum conspirantes, quis in caelum venientes ineximinatas attemptet explodere. Siehe ThLL VI,3 Sp. 2454,12ff. s. v. -habeo'. K.-St. 1,676; H.-Sz. 11,314. Cie. S. Rose. 100; Cie. Balb. 33; Cie. ac. 2,43. Vgl. Sen. contr. 10,3,2: si nihil proficies, habes, quemadmodum cogas; Cie. Caecin. 36: quem ad modum te restituat in aedis tuas, non habebit?; Cie. Verr. II 4,28: nunc de peripetasmatis quem ad modum te expedias, non habes. Siehe ThLL VIII Sp. 1282,28ff. s. v. 'modus (quemadmodum)'.

De oratione

133

selten. Auffallig ist daher die Parallele bei Prise, gramm. II 422,23: praesens tempus ideo aliis praeponitur temporibus etprimum obtinet locum. 3,7 utsuperius diximus: Rückverweis auf l,7ff. 3,10 constituitur.

In diesem Zusammenhang ist constituitur eine eher ungewöhnliche

Wortwahl, zumal sich bei Serv. comm. und Pomp, fast ausschließlich ponitur findet.95 3,12 obnoxium: Die Lesart obnixum in (M) ist auf eine Verwechslung zurückzufuhren, die häufig in Handschriften anzutreffen ist.96 obnoxius ist eigentlich ein Fachterminus der Gerichtssprache, der als solcher auch in artigraphischen Texten vorkommt.97 Die Verwendung als grammatischer Fachbegriff in der Bedeutung „verpflichtet, abhängig" ist selten und abgesehen vom vorliegenden Fall nur bei Consentius und Priscian belegt.98 Der häufige Gebrauch dieses Ausdrucks bei Autoren klassischer Zeit verdeutlicht, dass es sich hier um eine gewählte Formulierung handelt.99 3,17 quibus praeponatur, non habet'. Eine entsprechende Formulierung findet sich bei Serg. litt. 475,9: littera sola non habet, quo solvatur.

95 96 97

Serv. comm. 406,9ff.; Pomp. 96,27ff. Vgl. ThLL IX,2 Sp. 124,33ff. s. v. 'obnoxius'; Sp. 121,52 s. v. 'obnitor1. Prob. nom. gramm. IV 212,1; Prise, gramm. III 475,19.

98

99

Consent, gramm. V 350,35: varietati enuntiationis obnoxius·, Consent, gramm. V 360,11: ita fit ut nort solum singularis, sed et pluralis numeri ratio a genitivo singulari sumat exordium, qui ipse liber neque ulli obnoxius ceteros casus certaratione disponaf, Prise, gramm. Ill 147,2: nulli obnoxia regulae. K.-St. 1,448 A7.

134

Kommentar

3.2 De nomine (4,1 - 47,22) 3.2.1 De definitione (4,1-5,7) Don. mai. 614,2-3; Serv. comm. 406,22-407,8; Expl. I 489,21-490,35; Pomp. 137,2-138,11; Cled. 34,26-35,3 Der Abschnitt setzt sich mit Donats Definition der Wortart des Nomens auseinander und hat damit innerhalb des Kapitels De nomine die Funktion einer Einleitung. Er gliedert sich in zwei Teile: der erste (4,1-18) setzt mit der etymologischen Herleitung des Begriffs nomen ein (dictum est', 4,3-4) und geht dann zu der eigentlichen Definition der Wortart im Sinne einer Wesensbeschreibung über (4,4-6). Diese wird für gut befunden, weil sie das Nomen sinnvoll von den anderen Wortarten abgrenze (4,6-14) und die drei Elemente casus, genus (corporate/ incorporale) und qualitas (proprium/appellativum)

als konstitutiv für diese Wortart ausweise

(4,14-18). Der zweite Teil (4,19-5,7) befasst sich mit dem Wesensmerkmal cum casu, das konkretisiert werden müsse, weil jedes Nomen zwar zumindest einen Kasus besitze, aber nicht unbedingt alle sechs. Der Vergleich mit den anderen Donatkommentaren zeigt, dass der zweite Teil des vorliegenden Textes stark verkürzt ist: er beschränkt sich auf eine Erklärung des Aspektes cum casu, während die Merkmale corpus aut rem und proprie communiterve an dieser Stelle unkommentiert bleiben 1 ; die Frage, wann ein nomen appellativum ein nomen proprium sein kann und umgekehrt, die ursprünglich zu dem Aspekt proprie communiterve gehört2, taucht erst im folgenden Abschnitt De qualitate auf (5,11-23), ebenso wie auch die Erörterung der Begriffe nomen, appellatio

und vocabulum

(6,l-7) 3 . Darüber hinaus fehlt sowohl ein

Kommentar zu den accidentia des Nomens, wie er etwa bei Pomp, vorliegt4, als auch allgemeine Anweisungen zur Formulierung von Definitionen, welche bei Serv. comm., Expl. I und Pomp, gegeben werden. 5 Der Vergleich mit Serv. comm. lässt erkennen, dass der Inhalt des ersten Teiles (4,1-18) ursprünglich

zur Ars

mwor-Kommentierung

gehört hat,

in der

offensichtlich auf

etymologische Erklärungen und die Erörterung von Donats Definitionen besonderes Gewicht gelegt worden ist.6 Gegenüber Pomp, fallt auf, dass dieser zunächst feststellt, dass für ein Nomen drei Dinge konstitutiv sind, und erst danach Donats Definition als brauchbar 1

2 3

4 3 6

Vgl. Expl. I 490,10-13; Cled. 34,26-29 (corpus aut rem). Serv. comm. 406,31-407,8; Expl. I 490,13-35 (proprie communiterve). Vgl. Serv. comm. 406,32-407,8; Expl. 1490,14-35. Dass auch dieser Teil ursprünglich nicht zum Abschnitt De qualitate gehört hat, zeigt schon Don. mai. 614,45, wo die zu kommentierende Passage noch vor dem Stichwort qualitas nominum (614,6) erscheint: vgl. Cled. 34,29-35,3. Pomp. 138,12-139,22; es handelt sich hierbei um einen Kommentar zu Don. mai. 614,3f. Serv. comm. 406,23-25; Expl. 1489,22-29; Pomp. 137,15-18 Vgl. Serv. comm. 406,22-31.

De nomine

135

nachweist7, während der zur Rede stehende Text diese Abfolge genau umkehrt. Dies scheint ein weiteres Indiz dafür zu sein, dass der Passus, der sich mit der Definition des Nomens im engeren Sinn befasst, ursprünglich zu einem Ars mmor-Kommentar gehört hat und von Pomp, und dem vorliegenden Text in unterschiedlicher Anordnung in ihre an Don. mai. ausgerichtete Kommentare eingebunden worden ist. 4,3 nomen dictum est quasi notamen: Auch das Kapitel über das nomen beginnt vor der eigentlichen Definition des zu behandelnden Begriffes mit seiner etymologischen Herleitung8. Dieses Phänomen wurde bereits im Zusammenhang mit dem Begriff oratio als ein typisches Merkmal der Donatkommentare ausgemacht9. Ähnliche Formulierungen finden sich bei Serv. comm. und Expl. I10. Die etymologische Erklärung von nomen ist aber keine Neuschöpfiing der Donatkommentare, sie ist vielmehr bereits in älteren artigraphischen Texten vorhanden, so etwa bei Exc. Bob. oder Diom." Dem Wortlaut des vorliegenden Textes stehen hier von den jüngeren Arbeiten vor allem Isid. und Ambr. nahe.12 4.6 separator: Das Verbum separatur kündigt ein Verfahren an, das ebenfalls als typisch für den vorliegenden Text und die ihm verwandten Donatkommentare bezeichnet werden kann: denn auf die Definition des Begriffes nomen folgt nun die Erklärung dieser Definition, indem gezeigt wird, inwieweit sie geeignet ist, das nomen von den anderen Wortarten abzugrenzen13. 4.7 dicit·. (M) und Ambr. 6,18 überliefern hier zwar dictum est, dennoch ist dicit in Ρ die bessere Lesart, weil der Gedanke in persönlicher Konstruktion fortgeführt wird: separat (sc. Donatus). Die Tatsache, dass Donatus als Subjekt fehlt, ist ein in den Donatkommentaren häufig anzutreffendes Phänomen14, von dem allerdings in unterschiedlicher Intensität Gebrauch gemacht wird: während der vorliegende Text bei dicit oder dixit das Subjekt Donatus in den meisten Fällen nennt15, wird es bei Serv. comm., Expl. I und vor allem bei

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9 10

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13 14 13

Pomp. 137,2-14 (4,15-18); Pomp. 137,15-138,11 (4,3-15). Der Begriff notamen ist eine zur Erklärung des Wortes nomen konstruierte Wortform, siehe Κ. E. GEORGES, Ausführliches lateinisch-deutsches Handwörterbuch Bd. 2, Hannover/Leipzig '1913, Sp. 1192. Siehe den Kommentar zu 1,7 dicta est. Serv. comm. 405,12: nomen dictum est eo, quod res nobis efficit notas-, Expl. I 488,3: nomen dictum quasi notamen: notas enim rerum tenet. Exc. Bob. gramm. I 533,10: nomen dicitur quod unamquamque rem notat, quasi notamen...; Diom. gramm. I 320,26: nomen autem dicitur, quod unam quamque rem monstret ac notet, quasi notamen... Isid. orig. 1,7,1: nomen dictum quasi notamen, quod nobis vocabulo suo res notas efficiat, Ambr. 6,14: nomen autem dictum est quasi notamen, quod notam nobis rem quamque faciat. Vgl. 48,18ff.: separat autem earn partem (sc. pronomen) a ceteris partibus orationis, cum dicit... Vgl. 58,22; Serg. litt. 483,25; Serv. comm. 406,31; Expl. 1489,26. Donatus steht 9 mal bei dicit oder dixit und ist nur in 3 Fällen zu ergänzen: auBer an dieser Stelle noch 58,22 und 62,8.

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Kommentar

Pomp, in der Regel weggelassen16. Serg. litt, neigt hier zwar auch zur Ellipse, kommt dem vorliegenden Text aber von allen anderen Donatkommentaren noch am nächsten.17 4.14 constat·. Der Text bevorzugt bei constat die Infinitivkonstruktion (5 mal), nur 1 mal hat er constat mit quia + Konjunktiv (48,7). Dem entspricht die Verwendung in Servius' Vergilkommentar, bei Serv. comm. sowie Serg. litt., wo constat stets mit Infinitiv konstruiert wird. Dagegen verwendet Expl. I constat ausschließlich mit einem durch quod oder quia eingeleiteten, finiten Nebensatz; bei Pomp, ist das Verhältnis zwischen den beiden Konstruktionen ausgewogen. 4,14f. constat autem auf corpus aut rem esse aut proprie aut communiter: Der Wortlaut dieser Passage ist unterschiedlich überliefert: die vorliegende Fassung ist die durch Ambr. 7,58 bezeugte; sie scheint auf eine der Handschrift Ρ verwandte Überlieferung zurückzugehen, auch wenn dort die Worte aut rem esse aut fehlen, was leicht mit einem Abschreibfehler zu erklären ist. Demgegenüber fugt (M) bei einer Ellipse von esse noch die Worte aut casus hinzu; dies macht aber keinen Sinn, da es hier ganz offensichtlich nur um die Dinge geht, welche die significatio eines Nomens ausmachen und nicht um alles, was nach Donats Definition ein Nomen auszeichnet. Daher handelt es sich bei dem durch Ρ und Ambr. Bezeugten um den ursprünglichen Wortlaut, den ein Bearbeiter offensichtlich missverstanden und aufgrund Donats Definition durch aut casus erweitert hat. Dadurch erklärt sich auch, warum (M) im folgenden Satz mit Bezug auf die vorliegende Passage ista quinque überliefert18, Ρ und Ambr. hingegen kein quinque haben: auch hier ist die originale Version einer Bearbeitung unterzogen worden, ausgelöst durch die Erweiterung des Vordersatzes mit aut casus}9 4.15 necesse est: Der Text verwendet den präskriptiven Ausdruck necesse est20 entweder mit ut + Konjunktiv (12 mal) oder mit Infinitiv (6 mal); Ellipse von ut ist nirgends vorhanden. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wi-Satz und Infinitivkonstruktion zeigen Serg. litt, und Servius' Vergilkommentar, wobei letzterer dazu neigt, die Konjunktion ut wegzulassen.21

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Serv. comm. hat nur 2 mal Donatus bei dicit/dixit, dagegen fehlt es 23 mal; bei Expl. I ist das Verhältnis 1:5. Zu Pomp, siehe KASTER, Guardians, S. 145. 1 mal mit Donatus, 3 mal ohne. Mals. 173,18 (non necesse est autem ut nomen ista V quinque contineat, sed III de istis) ist auf eine nach (M) verdorbene Uberlieferung zurückzuführen. Dass quinque eine spätere Ergänzung ist, wird auch durch eine im Wortlaut nahezu identische Formulierung bei Pomp. 137,31 (ergo omne nomen istas res retinet) gestützt. Siehe dazu: UHL, Servius, S. 110. Serg. litt, hat necesse est 1 mal mit Infinitiv und 1 mal mit ut + Konjunktiv; Der Vergilkommentar des Servius hat 36 mal necesse est mit Infinitiv, 39 mal mit Konjunktiv (20 mal mit ut, 19 mal ohne ut), 4 mal necesse habet mit Infinitiv.

De nomine

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Dagegen hat Serv. comm. häufiger den Infinitiv als einen Nebensatz mit ut.22 Bei Expl. I, Pomp, und Cled. tritt demgegenüber die Infinitivkonstruktion wiederum in den Hintergrund.23 4.16 homo: Das Substantiv homo ist in den Donatkommentaren das Standardbeispiel für ein nomen corporate et appellativum: es findet sich außer hier etwa noch bei Serv. comm. oder Expl. I.24 4.17 pietas: pietas wird als Beispiel für ein nomen incorporate et appellativum noch bei Serv. comm. und Cled. verwendet.25 Wie im Fall von homo handelt es sich um ein Standardbeispiel der Donatkommentare für das in Rede stehende Phänomen. 4,21 sciens, quod: Das Partizip sciens neben einem vorhandenen oder dem Sinn nach zu ergänzenden Donatus findet sich in den Donatkommentaren außer hier nur noch 3 mal bei Pomp.26 In Servius' Vergilkommentar wird sciens in 4 Fällen ähnlich verwendet wie in unserem Text oder bei Pomp., dort aber mit Vergilius statt Donatus?1 5,1 nomina monoptota: Die Wahl des Terminus monoptoton ist auffällig, wenn man die anderen Donatkommentare zum Vergleich heranzieht; denn weder Expl. I noch Pomp, verwenden ihn an der entsprechenden Stelle; sie sprechen vielmehr von (sc. nomina) unius casus (Expl.) oder von nomina ... ubi unus (sc. casus) sit tantum (Pomp.).28 Das gleiche gilt für die weiteren Abstufungen diptota, triptota etc. Statt dessen tauchen diese oder ähnliche Begriffe in den verwandten Traktaten in anderem Zusammenhang auf, und zwar in dem Abschnitt über die formae casuales, wo es um die Frage geht, wieviele varietates ein Nomen in seiner Deklination (im Sg.) aufweist, d. h. wieviele unterschiedliche Flexionsmorpheme es bildet.29 Eine entsprechende Passage hat auch der vorliegende Text (31,12ff.), hier greift er aber auf die Termini monoptota, diptota, triptota etc. nicht zurück.30 Der unterschiedliche Gebrauch fuhrt dazu, dass etwa das Wort doctus im vorliegenden Text als hexaptoton (5,7) eingestuft wird, weil es alle sechs Kasus bildet, bei Serv. comm. 433,28 jedoch als pentaptoton, weil es im Singular fünf verschiedene Morpheme aufweist (-us, -i, -o, -um, -e). 22 23

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Serv. comm. hat 5 mal Formen von necesse mit Infinitiv, 2 mal necesse est, ut + Konjunktiv. Expl. I und Pomp, verwenden jeweils nur ein einziges Mal necesse est mit einer Infinitivkonstruktion, Cled. zweimal. Serv. comm. 406,32; Expl. 1490,14. Serv. comm. 406,31; Cled. 34,29. Pomp. 139,16; 139,20; 162,2. Serv. georg. 2,95; Serv. Aen. 4,696; 6,845; 8,479. Expl. 1490,4; Pomp. 138,9. Serv. comm. 433,26-434,3: inflexionum autem varietates in casibus sex sunt, aliquando enim omnes casus varios exitus sumunt, ut est unus, quae dicitur forma hexaptota: item pentaptota dicitur, ubi quinque sunt varietates, utdoctus,... Siehe auch Pomp.171,34-172,10 Siehe unten den Kommentar zu 31,12-32, Π sunt etiam formae casuales sex ...

138

Kommentar

Es zeigt sich demnach, dass zwischen unserem Text und Serv. comm. unterschiedliche Auffassungen über die Begriffe monoptota, diptota, triptota bestehen: während der Text damit die Nomen klassifiziert, welche nicht in allen, sondern nur in bestimmten Kasus auftreten, gibt Serv. comm. damit die Zahl der unterschiedlichen Suffixe an, die bei der vollständigen Flexion eines Nomens in allen Kasus des Singulars entstehen. Dass Letzteres dem Verständnis Donats entsprochen hat, zeigt nicht nur die Übereinstimmung der meisten seiner Kommentare, sondern auch der Abschnitt zu den formae casuales, wo Donat selbst die Begriffe monoptota, diptota, triptota etc. auf die Anzahl der abweichenden Flexionsmorpheme anwendet.31 Daran gemessen ist also die Verwendung der Termini in unserem Text falsch. Dieses Abweichen von Don. mai. provoziert die Frage, wie andere Grammatiker in diesem Zusammenhang mit der Begrifflichkeit verfahren sind und ob sich Parallelen zum vorliegenden Text finden lassen. Es zeigt sich, dass nur bei Diom. gramm. I 309,12ff. die Begriffe monoptota, diptota, triptota etc. genauso verwendet werden wie in unserem Text. Dagegen kommen diese oder ähnliche Ausdrücke in anderen Grammatiken nicht für die Substantive mit unvollständiger Deklination vor, sondern nur für die formae casuales. Dabei lassen sich folgende Zusammenhänge erkennen: Don. mai. und Serv. comm. haben, wie erwähnt, für die formae casuales konsequent die Begriffe monoptota, diptota, triptota etc. Damit stimmen Consent, gramm. V 351,20ff. (monoptotos etc.) und Prise, gramm. II 187,16ff. überein. Außerdem ist in Servius' Vergilkommentar der Terminus triptota dreimal in diesem Sinne belegt.32 Pomp. 171,34ff. bevorzugt dagegen die ähnlichen Begriffe unita, bipertita, tripertita, die er als lateinische Entsprechungen der griechischen Wörter monoptota, diptota, triptota ausweist. Abweichend davon verwendet Cled. 44,24ff. mit unita, binaria, ternaria, quaternaria etc. Bezeichnungen, die in der älteren artigraphischen Tradition des 3. und 4. Jhs. üblich sind.33 Diese Übersicht verdeutlicht, dass die Terminologie der Donatkommentare uneinheitlich ist. Don. mai., Serv. comm., Pomp, und Cled. haben aber zumindest soviel gemeinsam, dass sie die formae casuales mit den genannten Fachbegriffen benennen, während der vorliegende Text als einziger dies für die Substantive mit unvollständiger Deklination tut. In der Auswahl der Termini an sich gibt es eher Parallelen einzelner Kommentare zu Grammatiken außerhalb der Donattradition als Übereinstimmungen untereinander, wenn man einmal von der zwischen Don. mai. und Serv. comm. absieht.

31

32 33

Don. mai. 625,5: sunt autem formae casuales sex, ex quibus sunt nomina alia monoptota, alia diptota, alia triptota, alia tetraptota, alia pentaptota, alia hexaptota. Serv. Aen. 1,35; Aen. 5,19; Aen. 11,230. Vgl. Sacerd. gramm. VI 483,31-34; Char. 191,16ff.; Prob. inst, gramm. IV 121,9-12; Prob. cath. gramm. IV 32,28ff.; Prob. exc. gramm. IV 214,7-25; Diom. gramm. I 308,6ff. Es fällt auf, dass Expl. II 544,15-35 nicht nur in der Terminologie, sondern auch von der Auswahl der Beispiele bis hin zur einzelnen Formulierung mit Char. 191,16ff. übereinstimmt. Hier liegt offensichtlich eine direkte Abhängigkeit vor, die einmal mehr den Sonderstatus von Expl. II unter den Donatkommentaren verdeutlicht. Dass nämlich ein Text einen Abschnitt aus einer älteren Grammatik wörtlich übernimmt, war bisher in keinem anderen Kommentar zu Donat nachzuweisen.

De nomine

139

Es drängt sich natürlich auch die Frage auf, worauf diese Differenzen zurückzuführen sind. Man muss wohl wie JEEP davon ausgehen, dass bei den spätantiken Grammatikern im vorliegenden

Fall

noch

keine

einheitliche

Auffassung

von

der

Begrifflichkeit

„durchgedrungen zu sein scheint".34 Dass es Überschneidungen gegeben hat, wird deutlich, wenn man den Begriff monoptota einmal für sich betrachtet. Denn bei diesem ist es so, dass selbst Grammatiker, welche eigentlich für die Substantive mit unvollständiger Deklination keine gesonderten Bezeichnungen haben, ihn als Fachterminus für die Gruppe der Nomina sponte, tabo, natu, die es nur im Ablativ Singular gibt, verwenden.35 Dem steht aber mit frugi, nihili, nequam etc. ein anderer Kreis von Substantiven gegenüber, welche durch alle Kasus hindurch bei gleichbleibender Wortform dekliniert werden und entweder als aptota oder auch als monoptota bezeichnet werden.36 Hier waren die Grenzen offensichtlich fließend und Verwechslungen dadurch leicht möglich. Auch unser Text ist in der Scheidung der Begriffe keineswegs konsequent; denn weiter unten verwendet er die Begriffe monoptoton bzw. tetraptoton nicht wie im vorliegenden Zusammenhang, sondern im Sinne Donats.37 5,2 diptota, ut Iuppiter: Iuppiter wird deshalb als ein Nomen genannt, das nur über zwei Kasus verfügt, weil lediglich Nominativ und Vokativ von dem Wortstamm Iuppit- gebildet werden; die übrigen Kasus haben dagegen den Wortstamm Iov- und werden daher von den Grammatikern als die eines eigenen Substantivs betrachtet.38 An diesem Beispiel lässt sich noch einmal die Problematik verdeutlichen, die mit der Verwendung der Begriffe monopota, diptota, triptota etc. zusammenhängt: während für den vorliegenden Text das Wort Iuppiter ein diptoton ist39, weil es nur in den beiden Kasus Nominativ und Vokativ auftritt, bezeichnen die anderen Donatkommentare das Wort cornu als diptoton, weil es in seiner Deklination (im Sg.) lediglich zwei verschiedene Flexionsmorpheme bildet.40 5,2f. triptota, ut fas, nefas: (M) überliefert hier templum als Beispiel für ein Nomen, das nur in drei Kasus auftritt. Dies ist sachlich falsch, weil templum alle sechs Kasus in Singular und Plural bildet; es verdeutlicht aber einmal mehr das bereits ausführlich diskutierte Problem, das mit der Verwendung der Begriffe monoptota, diptota, triptota etc. zusammenhängt. Denn templum ist eigentlich das Standardbeispiel für die Substantive, welche bei der Deklination drei verschiedene Flexionsmorpheme (-«', -o, -um) bilden und von Donat und der Mehrzahl 34 33 36 37 38 39

40

JEEP, Redetheile, S. 141. Serv. comm. 433,32-35; Prob. inst. 118,19ff.; Expl. II 540,11-15. Vgl. 32,12-17; Don. mai. 625,6-8; Serv. comm. 433,32-35; Char. 39,25ff.; Exc. Bob. gramm. I 551,8ff. 32,14; 41,5. Siehe dazu den Kommentar zu 31,12-32,17 sunt etiam formae casuales sex... Vgl. Pomp. 138,9; 172,24; Serv. comm. 433,36; Expl. 1490,5. Siehe auch Diom. gramm. I 309,12ff.; Isid. orig. 1,7,33 fuhrt ebenfalls Iuppiter als Beispiel für ein diptoton an und nicht cornu wie die anderen Donatkommentare. Offensichtlich versteht Isid. hier unter dem Begriff diptoton dasselbe wie unser Text. Pomp. 172,3; Serv. comm. 433,30.

140

Kommentar

seiner Kommentare als triptota bezeichnet werden.41 Dagegen gelten für die Substantive, die überhaupt nur drei Kasus bilden, die Wörter fas und nefas als die üblichen Exempel.42 5,2 tetraptota, ut dicionis, dicioni, dicionem, dicione: Als Beispiel für die Substantive, die nur vier Kasus bilden, wird in den Donatkommentaren neben dicionis, dicioni etc. alternativ lateris, lateri, laterem, latere verwendet.43 Dies ist damit zu erklären, dass beide Wörter bei Don. mai. 625,10 nebeneinander als Beispiele für Nomen genannt werden, die im üblichen Sprachgebrauch keinen Nominativ bilden.

3.2.2 De qualitate (5,9 - 14,2) Don. mai. 614,6-617,9, Serv. comm. 429,2-430,35; Expl. I 490 14-35; Pomp. 139,24-150,31; Cled. 35,3-37,29

Der Abschnitt De qualitate ist bei Don. mai. und in den Donatkommentaren aufgrund der Aufteilung der Nomina in propria und appellativa in zwei Teile gegliedert. Davon weicht unser Text insofern ab, als er einen Aspekt, der eigentlich in den vorherigen Abschnitt De definitione nominis gehört hätte, erst hier behandelt, nämlich die Frage, wann ein nomen appellativum ein nomen proprium sein kann und umgekehrt.44 Daher lassen sich in diesem Abschnitt drei Teile ausmachen: der erste (5,9-6,7) gibt zunächst eine Definition des Begriffes der qualitas nominum, erörtert dann aber das noch ausstehende Problem des vorangegangenen Abschnitts. Erst im Anschluss daran geht der Text zu dem über, was eigentlich Gegenstand der qualitas nominum ist: die nomina propria und ihre species im zweiten (6,8-8,4) sowie die nomina appellativa und ihre species im dritten Teil (8,5-14,2). Der Inhalt des ersten Teiles gehört ursprünglich zu einem Ars mmor-Kommentar, wie sich aus dem Vergleich mit Serv. comm. und Expl. I ergibt 45 Darin scheint auch die Erklärung zu liegen, warum der Teil im vorliegenden Text nicht an der erwarteten Stelle steht. Denn vermutlich hat ihn der Verfasser unseres Textes oder einer seiner Vorgänger bei dem Versuch, den zweiteiligen Kommentar zu einem einteiligen zusammenzufassen, falsch in das Grundgerüst der Don. mai.-Erklärung eingefügt. Im zweiten Teil folgt der Text in seinem

41

42

43 44 45

Serv. comm. 433,30; Pomp. 172,6; auch der vorliegende Text hat templum als Beispiel für ein Nomen mit drei verschiedenen Flexionsmorphemen, er bezeichnet es aber nicht, wie erörtert, mit dem Terminus triptoton (31,21). Serv. comm. 433,37; Pomp. 138,7; 172,29. Die Tatsache, dass Isid. orig. 1,7,33 hier wie (M) das Substantiv templum als Beispiel für ein nomen triptoton anführt, unterstreicht einmal mehr den Befund, dass Isid. die Begriffe monoptota, diptota, triptota etc. einmal so wie unser Text versteht, dann aber auch wie Serv. comm. und Don. mai. Expl. 1490,5; Pomp. 138,3 (lateris, lateri etc.). Pomp. 172,32; Serv. comm. 434,1 (dicionis, dicioni etc.). Siehe oben S. 134. Serv. comm. 406,3Iff.; Expl. I 490,14ff.

De nomine

141

Aufbau dem von Don. mai.; er fügt jedoch noch einen Abschnitt an, in dem es um das Problem geht, ob ein praenomen zu einem cognomen werden kann (7,12-8,4). So vollständig wie der vorliegende Text ist von den Donatkommentaren in diesem Teil nur Pomp.; bei Serv. comm. fehlt hingegen die Partie über die Abkürzung der praenomina (7,4-11) sowie die über die Austauschbarkeit von praenomina und cognomina (7,12-8,4).46 Im dritten Teil hält sich unser Text ebenfalls weitgehend an den Aufbau von Don. mai.; nur an einer Stelle ändert er gemeinsam mit den anderen Donatkommentaren die Reihenfolge der species der nomina appellativa, indem er die nomina synonyma vor die nomina homonyma stellt (10,l-8). 47 Serv. comm. und Pomp, stehen ihm hier in der Vollständigkeit und Anordnung der einzelnen species nahe; dagegen zeigen Expl. I und Cled. starke Abweichungen von dem, worin die anderen übereinstimmen. 5,12 quando: Im Spätlatein und dann vor allem im Romanischen nähert sich die Schriftsprache der Umgangssprache an; ein Beispiel dafür ist, dass quando zusammen mit quomodo die Konjunktion cum verdrängt.48 Unser Text hat quando in dieser Funktion im Vergleich zu den anderen Donatkommentaren eher selten (16 mal); dem entspricht nur der relativ geringe Gebrauch bei Serg. litt. (3 mal) und in Servius' Vergilkommentar (59 mal). Demgegenüber ist quando bei Serv. comm. (49 mal) und Expl. I (42 mal) bereits zumindest gleichwertig mit cum-, bei Pomp, und Cled. überwiegt dagegen quando eindeutig gegenüber cum. Dieser Befund erhärtet sich, wenn man die genannten Texte auf die häufigen Wendungen cum dico/cum dicimus bzw. quando dico/dicimus hin überprüft: der vorliegende Text hat eher cum die- (10 mal) als quando die- (5 mal). Dagegen ist bei Expl. I das Verhältnis genau umgekehrt (7 mal cum die-, 17 mal quando die-). Eine Mittelposition nimmt Serv. comm. mit 20 mal quando die- und 19 mal cum die- ein. Pomp, und Cled. verwenden hingegen fast ausschließlich quando die- an Stelle von cum die-. 5,12f. in personae caduntproprietatem: Die Überlieferung dieser Stelle ist fehlerhaft: weder die Lesart von (M) in personas cadunt proprietatis noch die von Ρ in persona cadunt proprietatis ergibt irgendeinen Sinn. Da hier offensichtlich gesagt werden soll, dass die nomina appellativa ihre Eigenschaft verlieren, sobald sie als Name einer einzelnen Person fungieren, d. h. in den Besitz dieser Person übergehen, erscheint mir die Konjektur in personae cadunt proprietatem am sinnvollsten. Die Wendung in proprietatem cadere ist zwar sonst nicht belegt, wohl aber Formulierungen mit cadere in; dabei kommt Serv. comm. 407,3 der vorliegenden Stelle am nächsten.49

46 47 48 49

Pomp. 140,14-143,9; Serv. comm. 429,2-14. Vgl. Don. mai. 615,10f.; Serv. comm. 429,35-38; Pomp. 146,9-18. H.-Sz. 11,607. Serv. comm. 407,3: neque enim potest res unius in pluralitatem cadere.

142

Kommentar

5.13 ut si: Die hypothetische Vergleichskonjunktion ut si dient zur Einfuhrung konstruierter Beispiele, d. h. wenn zur Erläuterung und Begründung einer Behauptung kein der lateinischen Literatur entlehntes Beispiel verwendet wird, sondern eine ausgedachte Formulierung.50 Ihre Verwendung ist charakteristisch fur Schriften, die fur den Schulunterricht konzipiert sind.51 Der Text zeigt eine Vorliebe für ut si in der beschriebenen Funktion (31 mal), wobei Formulierungen wie ut si quis dicat (19 mal) oder auch ut si velimus (sc. aliquid facere) besonders häufig zu finden sind. Dem kommen nur Serg. litt. (4 mal) und Pomp. (47 mal) nahe. Dagegen ist ut si bei Serv. comm. (5 mal), Expl. I (10 mal) und Cled. (6 mal) vergleichsweise selten belegt. 5.14 Felix: Felix ist in den Donatkommentaren neben Victor das Standardbeispiel für ein nomen appellativum, das auch als nomen proprium verstanden werden kann.52 5,16 econtra: Das Adverb econtra ist nach econtrario gebildet und konkurriert im Spätlatein mit dem vorher üblichen exadversusP Der Text hat 3 mal econtra und 5 mal econtrario und steht in dieser Hinsicht Servius' Vergilkommentar nahe, der ein entsprechendes Verhältnis aufweist.54 Dagegen haben die anderen Kommentare stets econtrario.55 5,17f. ut si aliquos 'Mercurios' vocemus: Die Aussage des Textes ist an dieser Stelle schwer nachzuvollziehen. Er behauptet zunächst, dass die nomina propria nicht gleichzeitig auch appellativa sein könnten (5,15f.). Dann korrigiert er seine Aussage dahingehend, dass es abgesehen von Berg- und Flußnamen nomina propria gebe, die man bisweilen (interdum) zu appellativa machen könne (5,16f.). Als Beispiel dafür fuhrt er den Fall an, dass einige 'Mercurius' genannt werden (5,17f.). Dies kann man so verstehen, dass der Name des Gottes Merkur dazu verwendet worden ist, um die Tätigkeit ('Kaufmann') oder das Wesen ('Schlaumeier') eines Menschen zu bezeichnen. In einem solchen Fall wäre der Eigenname Mercurius tatsächlich zu einem appellativum geworden. Allerdings gibt es für eine derartige Verwendung von Mercurius keinen Beleg in der lateinischen Literatur.56 In diesem Sinne sind sonst nur Wörter in Gebrauch gewesen, die von Mercurius abgeleitet sind, wie das Adjektiv

50

H. MENGE, Repetitorium der lateinischen Syntax und Stilistik, München

I3

1962, §397 Anm. 3, K.-St.

11,453,6. 51 52

53 54 55 56

R. JACOBI, Die Kunst der Exegese im Terenzkommentar des Donat, Berlin/New York 1996, S. 83. Serv. comm. 406,33 (Felix)· Expl. 1490,31 (Victor, Felix)·, Serv. Aen. 2,171 (Victor, Felix); aber abweichend Serv. Aen. 2,610 (Liberalis, Felix, Iuvenalis). H.-Sz. 11,223. 13 mal econtra, 26 mal econtrario. Serv. comm. 10 mal, Expl. 12 mal, Pomp. 74 mal, Cled. 1 mal. Siehe ThLL VIII Sp. 801,33ff. s. v. 'mercurius'.

De nomine

143

mercurialis oder das davon gebildete Substantiv mercuriales, nicht aber der Name Mercurius selbst. Eine andere Erklärung dafür, dass unser Text den Eigennamen Mercurius auch als nomen appellativum in Betracht zieht, ist die, dass er in der Existenz mehrerer Träger dieses Namens einen Verstoß gegen die Definition des nomen proprium sieht. Dessen Merkmal sei nämlich, so ist in den Donatkommentaren zu lesen, dass es sich nur auf eine Person beziehe, das appellativum hingegen auf mehrere.57 Wenn man sich streng an diese Regel hält - und es ist möglich, dass der vorliegende Text dies hier tut - dann kann man nur den Schluss ziehen, dass alle Eigennamen, die von mehreren Personen getragen werden, nicht die Kriterien für ein nomen proprium erfüllen und daher zu den appellativa zu rechnen sind, unabhängig davon, ob diese Zuordnung sachlich sinnvoll ist oder nicht. Für diese Erklärung spricht, dass gleich im Anschluss (5,19ff.) anhand des Eigennamens Alexander ein ähnlicher Fall erörtert wird. Dort unterscheidet der Text allerdings genauer in der Begrifflichkeit, indem er Alexander als nomen specialiter proprium ausschließt und als nomen commune statt appellativum bezeichnet. Das Beispiel Mercurius steht dieser Interpretation nicht im Wege, weil in mehreren Traktaten, die zu dem näheren Umfeld unseres Textes gehören, ausdrücklich hervorgehoben wird, dass es mehrere Mercurii gebe, so etwa an zwei Stellen in Servius' Vergilkommentar oder in einem Scholion der ausführlicheren Fassung von Servius' Vergilkommentar, von der man meint, dass sie in ihrem überwiegenden Gehalt auf die Vergil-Erklärung Donats zurückgeht.58 Mercurius war jedenfalls - das geben die Zeugnisse eindeutig zu erkennen - in der Donattradition als ein Eigenname, der auf mehrere Personen zutrifft, bestens bekannt. Möglicherweise ist er deswegen von unserem Text an der vorliegenden Stelle berücksichtigt worden. 5,18 communia nomina: Der Ausdruck nomen commune wird bei den Grammatikern als Gegensatz zu nomen proprium und damit synonym zu appellativum verwendet. 5 ' An dieser Stelle sind aber wohl mit nomina communia Eigennamen wie Mercurius gemeint, die aufgrund ihrer Häufigkeit auch zu appellativa werden können. Darauf deutet jedenfalls der 57

58

w

Serv. comm. 406,32f.: proprium est, quod unius est, ut Hector, appellativum, quod multorum est, ut homo; Expl. 1490,14: proprium est, quod unius est, commune, quod multorum est. Serv. Aen. 1,297: et Maia genitvm Mercurium. et est periphrasis. Cicero in libris de deorum natura plures dicit esse Mercuries (vgl. Cie. nat. deor. 111,56). Serv. Aen. 4,577: sed sciendum est secundum Tullium in libris de deorum natura tres esse Mercurios: superum, terrenum, inferum. Serv. auet. Aen. 1,297: Maia genitvm demittit ab altoJ quod deo opus erat, ut hostes Poeni auetori Romani nominis placarentur Aeneae. quidam sane quattuor Mercurios dicunt: unum Iovis et Maiae filium, alterum Caeli et Diei, tertium Liberi et Proserpinae, quartum Iovis et Cyllenes, a quo Argus occisus est, quem ipsum ob hanc causam Graecia profugum Aegyptiis litteras demonstrasse perhibent. Dieses Scholion geht wahrscheinlich auf den Vergilkommentar des Carvilius Pictor, eine der Quellen Donats, zuriiek (siehe dazu: H. LUCAS, Der Vergilkommentar des Carvilius Pictor und die Scholia Danielis, in: RhM N. F. 86 (1937), S. 192). Es findet sich außerdem in den Statius-Scholien (vgl. Lact. Plac. in Stat. H e b . IV,482.) ThLL Bd. III Sp.l978,54ff. s. v. 'communis'; Faust. Rei. spir. 2,6 p. 146,10: doctrina grammatica alia nomina communia, id est appellativa, vocat. Expl. I 490,14: proprium est, quod unius est, commune quod multorum est.

144

Kommentar

hier im Kontrast dazu stehende Ausdruck nomina specialiter propria

hin, mit denen

zweifellos Eigennamen gemeint sind, die nur eine Person bezeichnen. 5,20-23 cum audiremus

'Alexander hoc fecit'...: Dass es sich bei Alexander auch in der

Spätantike um einen weitverbreiteten Eigennamen gehandelt hat, der sich daher bestens zur Veranschaulichung des vorliegenden Problems - die Trennung zwischen nomina propria und appellativa - eignet, braucht nicht eigens betont zu werden. Da gerade auf die Vielzahl der Träger des Namens abgehoben wird, dürfte der Verfasser des Textes hier keine konkrete Person im Blick haben. Wie bei Mercurius lassen sich auch im Fall von Alexander zeitgenössische Texte anführen, die durch die Verwendung des Plurals signalisieren, dass es mehrere Personen dieses Namens gegeben hat.60 6,1 sciamus: Der adhortative Konjunktiv sciamus dient wie scire debemus oder sciendum est zur Einleitung von Aussagen zur korrekten Handhabung der Sprache.61 Es fällt auf, dass der Text sciamus in der genannten Funktion im Vergleich zu den anderen Donatkommentaren, wo es lediglich ein einziges Mal bei Expl. I belegt ist, häufig verwendet62. Dagegen findet es sich mehrfach in älteren artigraphischen Texten.63 6,6 confuse: In (M) ist hier confusa überliefert. Für das in Ρ bezeugte con fuse spricht jedoch, dass es auch von Ambr. an der entsprechenden Stelle überliefert ist64 und in der Wendung confuse (ap)ponere bei Cled. 17,35 vorkommt. 6,9 praenomen ... dictum est, quia praecedit nomen: Die Definition und Herleitung von praenomen orientiert sich stärker an der Etymologie des Wortes, als dies etwa bei Serv. comm. 429,3 oder Pomp. 140,15 der Fall ist.65 Damit kommt der Text im Vergleich zu den anderen Donatkommentaren einem Merkmal, welches von der Servius-Forschung als typisch für dessen Vergilkommentar ausgemacht worden ist, am nächsten.66 Überhaupt ist die 60

61 62

63 64 65

66

Vgl. Oros. hist. 3,14,7: nam die nuptiarum cum ad ludos magnifice apparatos inter duos Alexandros filium generumque contenderet, a Pausania nobili Macedonum adulescente in angustiis sine custodibus circumuentus occisus est. Hier, epist. 128,4: nobiles feminae nobiliores habiturae procos uilissimae condicionis hominibus et seruulis copulantur ac sub nomine religionis et umbra continentiae interdum deserunt uiros, Helenae sequuntur Alexandros nec Menelaos pertimescunt. Siehe oben den Kommentar zu 2,1 sciendum est. Expl. I 494,21; unser Text hat sciamus 5 mal mit Infinitiv und 2 mal mit quod-Satz, bei Expl. I steht sciamus mit quod-Satz. Quint, inst. 4,2,92; Char. 32,1; Diom. gramm. I 304,34. Ambr. 10,148. Serv. comm. 429,3: praenomen est, quod in loquendopraeponimus. Pomp. 140,15: praenomen dicitur, quod in loquendo praeponitur. Siehe den Kommentar zu 1,7 dicta est. Bei Serv. Aen. 2,661 findet sich zwar eine wörtliche Übereinstimmung mit der vorliegenden Definition; hier bezieht sich die Aussage allerdings auf das Pronomen isti: (sc. 'isti') pronomen esse non potest, quia non praecedit nomen.

De nomine

145

Definition gegenüber der artigraphischen Tradition relativ selbstständig, da die dort üblichen Formulierungen entweder quod in loquendo praeponimus / praeponitur67 oder quod nomini praeponitur68 lauten. 6,10 Cornelius'. Cornelius ist als Beispiel für ein praenomen ungewöhnlich. Sonst tritt es in der artigraphischen Tradition stets als ein Beleg für die zweite species propriorum nominum, den Familiennamen (nomen), auf.69 Dass es dorthin eigentlich gehört, zeigt auch das von Donat geprägte, typische Beispiel für einen vollständigen Namen: Publius Cornelius Scipio Africanus.10 Vermutlich hat der vorliegende Text Cornelius deshalb an die Seite von Publius zum praenomen gerückt, weil er an seinen ursprünglichen Platz mit Anicius ein eigenes Exempel setzt, das in der Tradition bisher noch nicht bekannt ist.71 6,10 nomen, quod ex familia venit: Der Text definiert das nomen als den Namensbestandteil, der auf die Familie seines Trägers hindeutet (6,10: quod ex familia venit). Dagegen sei das cognomen der individuelle Name einer Person (6,11: quod proprie nostrum est). Diese Unterscheidung wird auch in den meisten anderen Grammatiken, die in das 4. und frühe 5. Jh. datiert werden, so getroffen.72 In jüngeren Traktaten erscheint jedoch das Verhältnis zwischen nomen und cognomen genau umgekehrt: hier ist jetzt das nomen der persönliche Name, das cognomen die Bezeichnung für die Familie. Als Beispiele dafür können etwa Cled. und Prise, angeführt werden.73 Es sieht demnach so aus, als ob ein terminologischer Wandel stattgefunden hat, dessen Prozess sich mit Hilfe von Pomp. 140,23-141,4 nachvollziehen lässt. Pomp, weist ausdrücklich darauf hin, dass zu der Zeit, wo er seine Grammatik zusammenstellt (hodie), in der begrifflichen Unterscheidung von nomen und cognomen eine deutliche Diskrepanz zwischen dem täglichen Gebrauch (usus) und dem, was der Grammatikunterricht lehre (ars), bestehe: man werde ausgelacht, wenn man von jemandem den persönlichen Namen wissen wolle und gemäß dem von der ars vorgeschriebenen Sprachgebrauch nach seinem cognomen frage.74 Trotz dieses Widerspruches zur gängigen Praxis hält Pomp, jedoch an den Regeln der ars fest. Dies ist bei Cled. nicht mehr der Fall.

67 68 69

70 71 72 73

74

Serv. comm. 429,3; Pomp. 140,15. Expl. II 535,35; Prise, gramm. II 57,13; Isid. orig. 1,7,1; Tatu. 6,58; Bon. 15,20. Exc. Bob. gramm. I 533,18; Diom. gramm. I 321,6; Prob. inst, gramm. IV 119,33; Don. mai. 614,8; Serv. comm. 429,4; Expl. II 535,33; Pomp. 140,27; Prise, gramm. II 62,19; Isid. orig. 1,7,2. Don. mai. 614,8. Siehe unten den Kommentar zu 6,11 Anicius. Exc. Bob. gramm. I 533,17f.; Diom. gramm. 1321,5f.; Serv. comm. 429,3f. Cled. 35,6ff.: praenomina sunt, quae ante nomina ponuntur, nomina sunt propria, cognomenta familiae, agnomenta virtutis; Prise. gTamm. II 58,5: nomen est proprie uniuseuiusque suum, ut Paulus. Vgl. auch Isid. diff. 50,14: Proinde nomen a proprietate venit, praenomen a dignitate, cognomen ab origine, agnomen vero a specie vel actione. Pomp. 140,37-141,3: nonpossumus dicere hodie 'quod tibi cognomen est?' ridemur, si hoc dixerimus. tarnen secundum artem hoc dieimus, ut nomina dicamus familiae, cognomina dicamuspropria nomina.

146

Kommentar

Hier hat sich das Verhältnis, wie oben bereits erwähnt, entsprechend dem Sprachgebrauch umgekehrt. Dennoch diskutiert auch Cled. das Problem, indem er darauf hinweist, dass die Begriffe nomen und cognomen bei den Alten (veteres) und insbesondere bei Vergil oft vertauscht worden seien.75 Dies alles zeigt, dass die genannten Texte verschiedene Stufen im Prozess des Begriffswandels von nomen und cognomen repräsentieren. Es liegt daher nahe, sie anhand ihrer Aussagen zu diesem Problem in ein zeitliches Verhältnis zu bringen. Am Anfang stehen Grammatiken des 4. und frühen 5. Jhs., in denen der Begriff nomen noch den Familiennamen und cognomen den Eigennamen bezeichnet. Das Ende bilden im 6. und 7. Jh. Prise, und Isid. diff., wo die Begriffe bereits vertauscht sind. Die Übergangsphase in der zweiten Hälfte des 5. Jhs. wird durch Pomp, und Cled. signalisiert, die beide das Problem diskutieren, wobei ersterer noch dem alten Gebrauch, letzterer aber schon dem neuen folgt. In dieser Hinsicht gehört der vorliegende Text zweifellos zu den älteren Arbeiten, die bis hin zu Pomp, noch in der Tradition der ars stehen. 6,11 Anicius: Anicius ist als Beispiel für einen Familiennamen in der artigraphischen Tradition ungewöhnlich. In der Regel wird hier Cornelius verwendet.76 Auch sonst wird das Geschlecht der Anicier bei den Grammatikern nicht erwähnt. Umso erstaunlicher ist es, dass Anicius an dieser Stelle als Beleg erscheint. Es handelt sich daher ganz offensichtlich um eine selbständige Leistung des vorliegenden Textes.

HOLTZ

hat darin einen Beleg für die

Verfasserschaft Cassiodors sehen wollen, der beabsichtigt habe, dem Anicier Boethius eine indirekte Ehrerweisung zu erteilen.77 Dem ist entgegenzuhalten, dass man einen derartigen Zusammenhang nur herzustellen in der Lage ist, wenn man wie

HOLTZ

von vornherein von

Cassiodor als Verfasser des Textes ausgeht. Da hierzu aber aufgrund der Uberlieferung keinerlei Berechtigung besteht78, ist dieses Verfahren fragwürdig. Wenn man sich dagegen unvoreingenommen die Frage stellt, warum der Text hier Anicius statt Cornelius als Beispiel anfuhrt, ergibt sich ein anderes Bild. Denn nach dem, was wir über die Familie der Anicier wissen, gehörte diese vor allem im 4. und 5. Jh. zu den einflussreichsten Geschlechtern Roms.79 Dies zeigt sich nicht nur darin, dass mehrere Angehörige in diesem Zeitraum die Ämter des praefectus urbis Romae, des proconsul Africae und proconsul

Campaniae

innehatten, sondern auch in der häufigen Erwähnung der Familie in der zeitgenössischen Literatur. So werden die Anicier besonders bei Augustinus, Hieronymus und Prudentius

75

76 77

78

79

Cled. 35,8ff.: sciendum vero quod haec veteres confuse proferant. nam et nomina cognomina vocabant et cognomina nomina dicebant. Siehe oben den Kommentar zu 6,10. HOLTZ, Parisinus, S. 137. Die Sympathie Cassiodors für die Familie der Anicier ist durch Cassiod. var. 10,11 oder 10,12 dokumentiert. Siehe den Kommentar zu 1,1-3 Commentarium Sergii de oratione et de octo partibus orationis artis secundae Donati. K . - L . ELVERS, Art. ' A n i c i u s ' , in: D N P B d . 1 (1996), Sp. 703f.

De nomine

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mehrfach lobend hervorgehoben.80 Dabei ragt heraus, dass nach Prud. c. Symm. l,552f. ein Anicier der erste Angehörige einer römischen Senatorenfamilie gewesen sein soll, der den christlichen Glauben angenommen hat. Überhaupt ist das markante Merkmal, mit dem die Zeitgenossen den Ruhm der Anicier verbanden, die Tatsache, dass sie lange Zeit die christliche Minderheit im Senat angeführt haben.81 Das sind die Fakten, mit denen man aus unvoreingenommener Sicht die Verwendung des Beispiels Anicius im vorliegenden Text verbinden muss. Die konkreten Motive des Verfassers lassen sich daraus zwar nicht ablesen, dennoch kann man zumindest soviel sagen, dass diese wohl am ehesten mit der herausragenden Rolle der Anicier im 4. und 5. Jh. zusammenhängen, die sich in der Literatur dieser Zeit widerspiegelt. Ob darüber hinaus das christliche Element eine Rolle gespielt hat, ist ebenfalls ungewiss und kann nur als ein Verdacht gelten, der durch weitere Merkmale ähnlicher Art erst noch erhärtet werden muss. Ein enger Bezug zur christlichen Literatur des ausgehenden 4. und frühen 5. Jhs., speziell zur christlichen Dichtung, der sich oben bereits in der Verwendung eines Paulinus-Zitates gezeigt hatte82, lässt sich aber nicht leugnen. 6,11 cognomen, quod proprie nostrum est: Siehe den Kommentar zu 6,10 nomen, quod ex familia venit. 6,1 lf. ut Sulla, Catilina: Weder Sulla noch Catilina sind als Beispiele für ein cognomen außer hier bezeugt. Dagegen erscheint in anderen Grammatiken in diesem Zusammenhang gewöhnlich Scipio.83 Wenn beide Namen in einer Grammatik überhaupt nebeneinander auftauchen, dann nicht an dieser Stelle, sondern als Beleg für Eigennamen maskulinen Geschlechts, die zur a-Deklination gehören.84 Trotzdem gibt die Verwendung im vorliegenden Zusammenhang keinen Anlass zur Verwunderung. Denn Sulla und Catilina sind als maßgebliche Repräsentanten der innenpolitischen Auseinandersetzungen Roms im 1. Jh. v. Chr. auch in der Spätantike bestens bekannt. Dies geht jedenfalls aus der häufigen Erwähnung der beiden in der zeitgenössischen Literatur, wie etwa bei Augustinus, Hieronymus oder Orosius, hervor. Außerdem gehört die Lektüre des Geschichtsschreibers Sallust, in dessen Schriften Sulla und Catilina eine herausragende Rolle einnehmen, zum Lehrplan der

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Vgl. Aug. epist. 150 (CSEL 44) p. 381,13ff.; Hier, epist. 130,3; Prud. c. Symm. 1,552. Siehe dazu: T. D. BARNES, R. W. WESTALL, The Conversion of the Roman Aristocracy in Prudentius' contra Symmachum, in: Phoenix 45 (1991), S. 50-61. Siehe oben den Kommentar zu 2,16 dulce sapit. Vielleicht steht der Text sogar in einem engeren Verhältnis zu Paulinus von Nola als bisher genommen. Man vermutet nämlich, dass dieser zur gens Anicia gehört hat. (Siehe dazu: R. HELM, Art. 'Paulinus (9)', Sp. 233Iff.) Wenn dies der Fall ist, dann läge schon ein zweites Indiz vor, aufgrund dessen der Text in das unmittelbare Umfeld dieses Mannes gesetzt werden könnte. Exc. Bob. gramm. I 533,18; Diom. gramm. I 321,6; Serv. comm. 429,4; Expl. II 536,3; Pomp. 141,3; Prise. gramm. II 58,5; Isid. orig. 1,7,2. Siehe unten 22,14f. und 25,1.

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Kommentar

Grammatikerschule, so dass die Einbindung der beiden Namen in eine Grammatik auch schon aus diesem Grund nicht verwunderlich erscheint. 6,12 agnomen: Die Aufteilung der agnomina in die beiden Kategorien ex virtute und ex vitio ist eine Leistung der Donat-Kommentierung.85 Ältere Grammatiken wie Diom. haben statt dessen noch die unscharfe Unterscheidung zwischen ex aliqua ratione und ex virtute getroffen.86 Von den jüngeren Traktaten kommt hier Isid. difF. der Erklärung von agnomen im vorliegenden Text sehr nahe.87 6,14 Naso: Während die Donatkommentare Africanus als Beispiel für ein agnomen ex virtute einheitlich haben88, weisen sie in der Auswahl des Belegs für das agnomen ex vitio Unterschiede auf. Naso findet sich in der leicht abgewandelten Form Nasica bei Pomp. 141,7.89 Dagegen hat Serv. comm. 429,6 das Beispiel Gurges.90 Dass aber beide Belege auch nebeneinander auftreten können, zeigt Frg. Bob. gramm. VII 540,13, wo die zu den agnomina gehörenden Personen Ovidius Naso und Fabius Gurges genannt werden. Vielleicht geht die Stelle daher auf eine ältere Vorlage zurück, in der bereits beide Beispiele vorhanden waren. 6.14 unde dicitur: Die Wendung unde dicitur kommt bei den lateinischen Grammatikern nur äußerst selten vor; in den Donatkommentaren findet sie sich gar nicht, im Vergilkommentar des Servius hingegen nur dreimal.91 Es ist daher auffallig, wenn der vorliegende Text an dieser Stelle gleich zweimal unde dicitur verwendet. Hier scheint sich ein sprachlicher Einfluss der Bibelexegese abzuzeichnen, in der die Formulierung sehr häufig zu finden ist.92 unde dicitur ist außerdem noch bei dem Juristen Gaius belegt.93 6.15 Sura: Publius Lentulus Sura, ein Anhänger Catilinas, findet sich als Beispiel für den Träger eines agnomen ex vitio außer hier nur noch bei Pomp. 141,8 und Isid. diff. 50,19.

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Serv. comm. 429,5; Pomp. 141,4ff. Diom. gramm. I 321,9: agnomen quoque est, quod extrinsecus cognominibus adici solet ex aliqua ratione vel virtute quaesitum, ut est Africanus Numantinus et similia. Isid. diff. 50,19: agnomen, quod ex virtute vel vitio trahitur, ut Scipio Africanus, pro eo quod Africam vicerit, vel Lentulus Sura, pro eo quod maiores habuerat suras. Dagegen steht Isid. orig. 1,7,2 dem Wortlaut von Pomp. 141,4ff. näher. Serv. comm. 429,5; Pomp. 141,6. Das von Pomp. 141,7 als agnomen gewählte Beispiel Nasica dürfte sich auf Scipio Nasica beziehen, der etwa bei Aug. civ. 1,30, Oros. hist. 2,4,21 oder Hier, in Dan. 3,11 1. 1137 erwähnt ist; zur Person siehe M. DEIßMANN-MERTEN, Art. 'Scipio' (Nr. 14), in: K1P 5, München 1975, Sp. 50. Vgl. Serv. auct. Aen. 1,720. Serv. Aen. 2,166; 6,645; 7,678. Aug. in psalm. 4,9 (u. a.); serm. 14,4 (u. a.); Hier, in Is. 2,3,19 1. 21 (u. a.); in Ier. 1,95 (CSEL 59) p. 68,13 (u. a.). Später auch bei zahlreichen anderen Autoren. Gaius inst. 3,94.

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6,16 meminerimus: Das Verb meminerimus hat dieselbe Funktion wie sciendum est oder sciamus: es dient zur Einleitung von Regeln zum korrekten Sprachgebrauch.94 Allerdings ist es bei den spätantiken Grammatikern im Vergleich zu den beiden Formen von scire deutlich seltener belegt. Bei Serv. comm., Pomp., Expl. I und im Vergilkommentar des Servius kommt es in der beschriebenen Funktion überhaupt nicht vor. Char, und Diom. haben es jeweils dreimal, Donat nur einmal.95 Daher ist es auffällig, wenn der Text meminerimus gleich zweimal aufweist.96 Dem entsprechen nur Serg. litt, und Cled., wo es jeweils einmal bezeugt ist.97 In der lateinischen Literatur findet sich meminerimus in der beschriebenen Funktion bereits zu klassischer Zeit, häufiger dann jedoch ab dem 2. Jh. bis in die Spätantike hinein.98 Besonders verbreitet ist das Verb bei christlichen Schriftstellern der Spätantike wie Augustinus (über 40 mal) oder Cassiodor (14 mal). Für die Einordnung des vorliegenden Textes ist wichtig, dass hier erneut eine Übereinstimmung mit Serg. litt, vorliegt, welche die beiden getrennt überlieferten Texte von ihrem unmittelbaren Umfeld abhebt. Darüber hinaus ist sprachlich von Interesse, dass der Text wie auch Serg. litt, nach meminerimus die traditionellere Infinitiv-Konstruktion gegenüber einem quod-Satz. bevorzugt.99

6.18 Romulus: Romulus ist in den Donatkommentaren das Standardbeispiel für eine Person, die von den vier species der Eigennamen nur eine besitzt.100 6.19 Ancus Marcius: Standardbeispiel der Donatkommentare ist an dieser Stelle Numa Pompiliusm

Warum der Text stattdessen Ancus Marcius verwendet, ist nicht ohne weiteres

ersichtlich. Eine Parallele findet sich bei Diom. gramm. I 321,29ff., wo Ancus Marcius neben Numa Pompilius und anderen als Beleg für einen zweiteiligen Namen erscheint. 6,19f. Lucius Sergius Catilina: Erneut steht Catilina an der Stelle eines Beispiels, das durch die anderen Donatkommentare als Standardbeleg ausgewiesen ist.102 Denn Serv. comm. und Pomp, führen hier übereinstimmend Publius Vergilius Maro als Beispiel für einen dreiteiligen Namen an.103

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Siehe oben den Kommentar zu 2,1 sciendum est; 6,1 sciamus. Char. 94,19; 196,27; 239,23; Diom. granun. I 308,3; 468,25; 497,2; Don. mai. 628,8. Außer hier noch 17,1. Serg. litt. 485,2; Cled. 33,24. Cie. orat. 112; Cie. off. 1,13,41; Colum. 2,2,8; 4,4,2; 5,11,15, 7,4,4; Sen. benef. 6,41,1; Petron. 75,8; Tac. dial. 37,6; Quint, inst. 1,6,12; 4,2,62; Hyg. grom. p. 81,12; Frontin. aq. 35,1; Iul. Vict. rhet. p. 19,20; Macr. Sat. 3,2,16; Mart. Cap. 5,451. Cled. 33,24 konstruiert meminerimus mit ui-Satz, Cassiod. orth. sowohl mit Infinitiv als auch mit quod-Satz. Serv. comm. 429,8; Pomp. 142,18. Serv. comm. 429,8; Pomp. 142,18; siehe auch Serv. Aen. 10,655. Siehe oben den Kommentar zu 6,11 ut Sulla, Catilina. Serv. comm. 429,9; Pomp. 142,21.

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Kommentar

6,21 ordo interrogandi: Durch die Formulierung ordo interrogandi und den darauffolgenden Wechsel von Frage und Antwort wird das analytisch-systematische Vorgehen des spätantiken Grammatikunterrichts sichtbar. Darin steht dem vorliegenden Text der entsprechende Abschnitt bei Pomp, nahe.104 7,1 homo: homo ist in der Donattradition das Standardbeispiel für die nomina specialia, eine Untergruppe der nomina appellativa.105 Der vorliegende Text wählt jedoch an der Stelle, wo die nomina specialia behandelt werden, andere Beispiele.106 7,4 sciamus: Wie sciendum est hat sciamus eine präskriptive Funktion und dient zur Einleitung von grammatischen Regeln. Wie an dieser Stelle überliefern die Textzeugen (M) und Ρ häufig uneinheitlich scimus oder sciamus. Dabei hat Ρ stets sciamus, (M) in 5 von 12 Fällen scimus. Es erscheint daher sinnvoll, bei abweichender Überlieferung sciamus als die besser bezeugte Variante zu bevorzugen. 7.4 ternis constare litteris: Bei constare kann, wenn auch meist nur poetisch und nachklassisch, der bloße Ablativ ohne ex oder de stehen, wenn der Stoff, aus dem etwas besteht, als Mittel angesehen wird.107 7.5 Sex. Roscius: Sextus ist das übliche Beispiel für ein praenomen, das mit drei Buchstaben abgekürzt wird.108 Die Verbindung mit Roscius ist allerdings nur hier und bei Consent, gramm. V 339,19 belegt. Zu möglichen Motiven für die Wahl des Beispiels siehe unten den Kommentar zu 48,9f. ut si dicamus 'Cicero defendit Roscium, ipse etiam Sullam'. 7.6 in quaestionem venit: Die Wendung in quaestionem venire dient zur Einleitung einer Problemstellung und ist anspruchsvoller als das gewöhnlichere quaeritur, das für das ζητείται der griechischen Scholienliteratur steht.109 Im vorliegenden Text kommt in quaestionem venire 3 mal und quaeritur 5 mal vor. Dagegen haben Serv. comm., Expl. I und Servius' Vergilkommentar stets quaeritur. Lediglich Pomp, gebraucht die Formulierung ähnlich häufig (5 mal), daneben aber auch se quaestionem facere. Aufgrund dieses Befundes ist es auffällig, dass in quaestionem venire auch bei Serg. litt, belegt ist.110 Hier zeigt sich einmal mehr, wie nah die beiden Texte einander in sprachlicher Hinsicht stehen. In der

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Pomp. 142,37ff.; Pomp, nennt die Methode ordo verus secundum interrogationem. Don. mai. 617,5; Serv. comm. 430,25. 12,3: alia specialia, ut medicina, rhetorica, grammatica. H.-Sz. II,106f.; K.-St. 1,393,11. Don. mai. 614,9; Pomp. 140,23. R. Jakobi, Terenzkommentar, S. 154 Anm. 429. Serg. litt. 478,12: unde in quaestionem venit, quare una vocalis syllaba dicitur.

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klassischer Zeit kommt die Wendung überhaupt nicht vor; dafür haben sie im 1. Jh. die Fachschriftsteller Hyginus und Quintilian sowie im 2./3. Jh. die Juristen Ulpian und Iulius Paulus.111 Besonders häufig verwendet Augustinus in quaestionem venire (4 mal).112 Darüber hinaus ist der Ausdruck bei seinen Zeitgenossen Rufinus, Marius Victorinus, Iulius Victor und Macrobius bezeugt.113 In späterer Zeit taucht er nur noch vereinzelt auf, und zwar im 6. Jh. bei Primasius (1 mal), im 7. Jh. bei Julian von Toledo (2 mal) und im 8. Jh. bei Beda Venerabiiis (2 mal).114 7,6-11 quare, cum Cponimus, dicimus 'Gaius' et non 'Caius'? ·..: Die Frage, weshalb der Vorname Gaius mit C abgekürzt wird und nicht mit G, wird mehrfach in grammatischen Traktaten erörtert. Allerdings ist es auffällig, dass keiner der anderen Donatkommentare dazu Stellung nimmt. Die einzige Parallele in der Donattradition findet sich bei Serv. georg 1,194. Dort wird anhand des Wortes amurca das Problem der Aussprache des Buchstaben c behandelt und auf die Beispiele C. Gaius und Cn. Gnaeus verwiesen.115 Abgesehen von Quint, inst. 1,7,28 finden sich die übrigen Belege überwiegend in Grammatiken des 4. Jhs.116 Von diesen stimmt Prob. nom. gramm. IV 214,37ff. mit dem vorliegenden Text insofern überein, als auch dort die Aussprache von c als g mit einem altertümlichen Sprachgebrauch (apud antiques) erklärt wird." 7 7,7 antiqui: Um auf einen altertümlichen Sprachgebrauch hinzuweisen, führt der Text insgesamt 7 mal die antiqui an. Dies dient dazu, eine sprachliche Erscheinung entweder auf die Sprachpraxis 'alter1 Zeit zurückzuführen oder sie bewusst von ihr abzuheben, wenn im Laufe der Zeit ein Wandel eingetreten ist.118 Terminologisch fallt auf, dass von unserem Text ausschließlich der Begriff antiqui verwendet wird und nicht auch noch maiores und veteres wie etwa in Servius' Vergilkommentar.119 Unter den Donatkommentaren nimmt der Text in dieser Hinsicht eine Sonderstellung ein. Diese bevorzugen nämlich entweder die Bezeichnung

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Hyg. grom. p. 75,8; Quint, inst. 3,5,10; 5,14,16; 7,2,15; Quint, decl. 294,5; Ulp. dig. 25,3,3,3; Paul. dig. 49,14,49. Aug. c. Iulian. op. imperf. 3,32; Aug. persev. (PL 45) c. 1027,35; Aug. epist. 147 (CSEL 44) p. 287,15; Aug. dialect. 2. Rufin. hist. 10,1; Mar. Victorin. rhet. 1,22; Iul. Vict. rhet. p. 37,26; p. 38,3; p. 39,12; Macr. Sat. 3,11,5. Primas, in apoc. 4,16; Iul. Tolet. prognost. (2 mal); Beda temp. rat. 44 (CCSL 123b) p. 418,10; 65 (CCSL 123b) p. 460,28. Serv. georg. 1,194: 'amurca' per 'c' scribitur et per 'g' pronuntiatur, ut 'C.' Gaius, 'Cn.' Gnaeus. et 'perfundere' pro 'vidi perfundentes'. Ein Vorläufer dieser Version ist anscheinend Ter. Maur. gramm. VI 351,893ff. (scribimus praenomen unum et C quidem praeponimus, G tarnen sonabit illic, quando Gnaeum enuntio) gewesen. Char, gramm. I 10,2; Diom. gramm. 1424,8; Prob. nom. gramm. IV,214,37. Prob. nom. gramm. IV 214,37ff.: haec causa est, quoniam apud antiques c littera pro g ponebatur, sie uti nunc g pro c posita est,..., sie uti praenomen nunc Gaius c littera servata veterum consuetudine scribitur. Vgl. 31,3; 41,12; 42,7; 43,7; 46,4; 67,19. UHL, Servius, S.419f.

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Kommentar

maiores oder veteres gegenüber antiqui,120 Der einzige Traktat, der dem vorliegenden Text auch in diesem Punkt gleichkommt, ist Serg. litt., wo ebenfalls nur antiqui als Verweis auf altertümlichen Sprachgebrauch erscheint.121 7,10 cemma: Die Schreibweise cemma ist zumindest inschriftlich bezeugt.122 Als Beispiel für die Aussprache des Buchstabens c ist cemma/gemma sonst nicht bei den Grammatikern üblich. Auch in Servius' Vergilkommentar findet sich keine entsprechende Stelle. Es stellt sich daher die Frage, warum der Verfasser des vorliegenden Textes gerade dieses Beispiel verwendet. Da es sich bei gemma um ein Wort handelt, das häufig in der Literatur vorkommt, ist eine eindeutige Antwort nicht möglich. Denkbar ist, dass die Auswahl des ungewöhnlichen Beispiels auf einem christlichen Hintergrund beruht: denn zum einen wird gemma bei christlichen Autoren des 4. und 5. Jhs. gern in übertragener Form als Begriff für eine dauerhafte Auszeichnung gebraucht123, zum anderen kommt es auch als ein cognomen für Jesus Christus oder Gott selbst vor.124 7,12 solent: Durch das Verb solere [sc. facere aliquid] deutet der Text hier und ein weiteres Mal125 einen gängigen Sprachgebrauch an. Zum gleichen Zweck verwendet er an anderer Stelle die Adverbien frequenter

(2 mal) und saepe (5 mal). Darin besteht eine

Übereinstimmung mit Servius' Vergilkommentar, der dieselbe Terminologie gebraucht, um eine übliche Sprachpraxis anzuzeigen.126 Am gebräuchlichsten ist jedoch bei Servius das Adverb plerumque, welches sich auch in den anderen Donatkommentaren mehrfach findet.127 Es ist daher auffallig, dass der vorliegende Text überhaupt nicht auf plerumque zurückgreift. Da dies auch bei Serg. litt, der Fall ist, liegt hier ein weiteres Indiz für die sprachliche Nähe der beiden Texte vor. 7,12f. ut si quis vocetur: Die Formulierung, die sich weiter oben noch einmal findet128, stimmt wörtlich mit Serg. litt. 477,12 überein129, hat aber keine Entsprechung bei anderen

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Serv. comm. hat 10 mal maiores, 1 mal veteres und 3 mal antiqui, Expl. I 5 mal maiores, 8 mal veteres und keinmal antiqui, Pomp: bevorzugt maiores (43 mal) gegenüber antiqui (20 mal). Serg. litt. 477,17; 477,19. ThLL Bd. VI,2 Sp. 1753,73 s. v. 'gemma': scribitur 'cemma': Corp. XIV 3941,4. ThLL Bd. VI,2 Sp. 1757,2Iff. s. v. 'gemma'. Aug. in psalm. 30,12 istae gemmae laudis dei; Aug. in psalm. 33,15 plenum est tantis gemmis virtutum; Hier, epist. 64,22: absque .. gemmis floribusque virtutum; Amob. iun. ad Greg. 4 p. 389,26: patientia ... quae gemma essepretiosa adseritur. ThLL Bd. VI,2 Sp. 1757,47 s. v. 'gemma'. Salv. gub. 4,51: ille, id est summa et clarissima regnorum caelestium gemma. 9,17. UHL, Servius, S. 268f. Serv. comm. 21 mal, Expl. 117 mal, Cled. 1 mal, Pomp. 42 mal. 5,13: ut si quis 'Felix' vocetur. Serg. litt. 477,12: ni... 'Tiepolemus' si quis vocetur.

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Grammatikern. Auch in der lateinischen Literatur ist nichts Ähnliches überliefert, abgesehen von Aug. dialect. 7: si quis verbi causa vocetur 'Motta'. 7,13 'Lucius': Lucius ist das Standardbeispiel der Donatkommentare für einpraenomen, das bisweilen auch ein cognomen sein kann.130 7,16 ut Lucius Sulla·. Lucius Sulla ist als Beispiel in der vorliegenden Form sonst bei den lateinischen Grammatikern nicht belegt. Möglicherweise besteht hier ein Zusammenhang mit den Scholia Danielis, in denen ebenfalls der Name Lucius Sulla erscheint.131 Gemeint ist damit offensichtlich L. Cornelius Sulla, der, wie im Vergilscholion berichtet, dem griechischen Grammatiker Alexander Polyhistor im Jahr 81 v. Chr. das römische Bürgerrecht verliehen hat.132 7,16 praedictae rationi: ratio wird im vorliegenden Text als ein Begriff verwendet, der für den logischen Aufbau der Sprache steht. Er bezeichnet die Gesetzmäßigkeiten, welche sprachlichen Phänomenen innewohnen. In dieser Funktion hat ratio eine enge Beziehung zu Wörtern wie ars, regula und lex, die ebenfalls für die „Idee der Systematisierbarkeit der Sprache"133 stehen. Im Vergleich zu ars nimmt ratio jedoch eine untergeordnete Stellung ein, weil jener Begriff das gesamte Sprachsystem als Abstraktum meint, dieser hingegen nur einzelne Gesetze, die in ihrer Gesamtheit die ars bilden.134 Daher steht ratio den beiden anderen Wörtern regula und lex näher und wird fast synonym zu ihnen gebraucht.135 Wenn man überhaupt einen Unterschied in der Verwendung erkennen kann, dann den, dass regula und lex noch konkreter als ratio auf die Gesetzmäßigkeit eines einzelnen sprachlichen Phänomens hinweisen. Terminologisch ist dies daran zu erkennen, dass bei regula und lex meist noch durch den Zusatz eines Genitivattributs signalisiert wird, um welche grammatische Erscheinung es sich handelt.136 Dagegen ist der rario-Begriff weiter gefasst, indem er nicht nur eine bestimmte sprachliche Regel, sondern auch allgemein die dem Regelsystem innewohnende Logik bezeichnen kann.137

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Vgl. Pomp. 141,26: servusmeus volo ut vocetur 'Lucius'. Serv. auct. Aen. 10,388: hoc totum Alexander Polyhistor tradit, quem Lucius Sulla civitate donavit; F. MONTANARJ, Art. 'Alexandres' (Nr. 23, Polyhistor), in: DNP 1, Stuttgart 1996, Sp. 478f. UHL, Servius, S. 139. Das Verhältnis von ars und ratio zeigt sich etwa 43,21f.: verum in his nominibus non artis aliqua ratione, sed euphoniae dignitate hos casus excipimus. Siehe 43,14f.: salva quartae declinationis ratione; 43,22f.: quae regula est secundae declinationis. 12,6ff.: ex verbis talia nomina hac lege descendunt, ut... et reliqua ad hanc rationem pertinentia ... Siehe 10,20: quae de patronymicorum regula descendunt; 57,19: regula adverbiorum talis est, ut...; 2,20: adverbia ... non perdunt legem adverbiorum; 45,16: genetivum pluralem non ex ablativi singularis lege suscipiunt. Siehe 46,9f.: igitur in analogia sivepro ratione octo isla requiruntur.

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Kommentar

Wenn man die Verwendung von ratio im Text mit der in Servius' Vergilkommentar vergleicht, dann ergibt sich, dass von den drei verschiedenen Arten, in denen ratio bei Servius auftaucht138, nur eine auf den vorliegenden Text zutrifft. Denn hier wird der Begriff weder in der Bedeutung „Grund" als Hinweis auf die Schlüssigkeit einer Behauptung noch das gesamte System der lateinischen Sprache betreffend gebraucht, sondern nur in Bezug auf Erscheinungen innerhalb des Systems, sei es im weiteren Sinn einen logischen Zusammenhang oder enger gefasst eine konkrete Regel. Gegenüber Servius' Terminologie fallt auf, dass unser Text dort, wo Servius ratio alicuius rei setzt, um ein konkretes sprachliches Phänomen anzuzeigen, den Begriff regula und gelegentlich auch lex bevorzugt.139 Darin stimmen mit ihm auch die anderen Donatkommentare überein, in denen regula ebenfalls häufiger ist als in Servius' Vergilkommentar.140 Dagegen verwenden Expl. I und Pomp, ratio auch in den anderen beiden von Servius im Vergilkommentar berücksichtigten Bedeutungen.141 Hinzu kommt, dass im vorliegenden Text an einigen Stellen, wo man den Begriff ratio erwarten würde, dieser durch ars ersetzt ist.142 Daher ergibt sich alles in allem der Befund, dass der vorliegende Text das Wort ratio im Vergleich zu Servius' Vergilkommentar und jüngeren Donatkommentaren wie Expl. I, Pomp, und Cled. seltener143 und mit einem eingeschränkten Bedeutungsumfang verwendet. Stattdessen bevorzugt er vor allem den Begriff regula. 7,17 ferre praeiudicium: Das Substantiv praeiudicium ist in seiner ursprünglichen Bedeutung ein Fachbegriff der Rechtssprache und bezeichnet einen vorgreifenden Richterspruch, dem zu einem späteren Zeitpunkt ein endgültiges Urteil zu folgen hat. In dieser Bedeutung findet sich praeiudicium mehrfach bei Cicero, Quintilian und in den Digesten Justinians.144 Bei diesen Autoren kommt es am häufigsten in der Wendung praeiudicium facere vor. Semantisch hat sich die Bedeutung des Wortes dahingehend erweitert, dass es ganz allgemein auch jede Art von vorausgehendem Urteil bezeichnen kann, insbesondere ein Vorurteil.145 Die lateinischen 138 139

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UHL, Servius, S. lOOf. Der Text hat ratio alicuius rei in Bezug auf ein einzelnes Gesetz nur 2 mal, regula alicuius rei dagegen 8 mal und lex alicuius rei 3 mal. regula wird in Servius' Vergilkommentar nur 15 mal verwendet, im vorliegenden Text 30 mal, bei Serv. comm. 34 mal, Expl. 120 mal, Pomp. 155 mal, Cled. 44 mal. Expl. I 528,9: Latina iubet ratio; durch das Attribut Latina bezeichnet ratio im Sinne von latinitas das System der lateinischen Sprache insgesamt. Dies entspricht nach UHL, Servius, S. lOOf. der zweiten Verwendungsmöglichkeit von ratio im Vergilkommentar des Servius. Siehe auch Pomp. 147,31: graeca est ratio. Pomp. 139,19: iusta ratione non computavit. Durch iusta ratione wird hier eine Meinung des Grammatikers Probus als gerechtfertigt beurteilt. Dies entspricht nach UHL, Servius, S. 100 der ersten Verwendungsart von ratio. 45,17: sed haec nomina tali arte, quali et illa superiora declinabimus; 45,9: contra hanc artem did potest 'Vulcanaliorum'. Der Text hat ratio im Zusammenhang mit der Sprachunterweisung nur 15 mal, Serv. comm. dagegen 40 mal und Expl. 134 mal. Cie. Cluent. 59; Cie. inv. 2,113; Quint, inst. 6,5,10; Ulp. dig. l,6,10,pr. Liv. 3,40,11.

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Grammatiker, bei denen praeiudicium nur an einigen wenigen Stellen belegt ist, verwenden es, um eine Meinung zu bezeichnen, die von den Gesetzmäßigkeiten der ars abweicht; auch hier ist die Wendung praeiudicium facere am häufigsten.146 In Servius' Vergilkommentar ist praeiudicium auch in diesem Sinn verwendet, es steht dort allerdings nicht mit facere, sondern mit adserere.147 Das praeiudicium ferre des vorliegenden Textes ist hingegen in anderen grammatischen Traktaten nicht überliefert. Da die Wendung aber bei Fulg. myth. 3,2 gegen Ende des 5. Jhs. belegt ist148, besteht kein Grund zu einer Konjektur. 7,17 caviüatio: Das Substantiv cavillatio kann eine scherzhafte Stichelei bezeichnen, ebenso aber auch, wie an dieser Stelle, eine Wortklauberei nach sophistischer Manier.149 In dieser Bedeutung findet es sich auffallend häufig bei Quintilian und Seneca d. Jüngeren.150 Dagegen ist es bei den Grammatikern selten.151 Umso schwerer wiegt deshalb die Tatsache, dass Pomp. 282,33 cavillatio in demselben Sinn verwendet wie der Text an dieser Stelle.152 Abgesehen von den Grammatikern wird das Wort in der spätantiken Literatur zwar wenig verwendet, dennoch taucht es bis in das 6. Jh. hinein immer wieder bei verschiedenen Autoren auf.153 7,19 legimus: Durch legimus wird im vorliegenden Text 6 mal auf Vergil verwiesen.154 Dies geschieht, um durch die Autorität Vergils entweder eine Regel der ars zu stützen oder eine Regelabweichung zu begründen. Letzteres ist an dieser Stelle der Fall, wo das folgende Vergilzitat offensichtlich nicht mit dem zuvor Gesagten übereinstimmt, dass nomina propria keinen Plural bilden, legimus verweist demnach auf auctoritas als ein Kriterium der Sprachrichtigkeit. Das Verhältnis dieses Kriteriums zur ars ist ambivalent, weil es zum einen mit ihr zusammenwirken,

zum anderen ihr aber auch widersprechen kann. Die

Voibildfunktion der auctores, insbesondere Vergils, ist daher eingeschränkt. Man darf dem durch auctoritas Bezeugten nicht unkritisch folgen, sondern muss es erst an den Regeln der ars und vor allem auch an dem Sprachgebrauch (usus) messen. In diesem Sinn entspricht die

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153

154

Siehe ThLL Bd. X,2 s. v. 'praeiudicium', Sp. 676,48ff. Cled. 70,9: (sc. voces ex adverbio et praepositione compositae) praeiudicium non faciunf, Expl. 1499,8: Sallustius fecit nobis praeiudicium, qui tarn crebro dicit 'pro consule '.. Serv. Aen. 6,154: regrta invia, quae contra naturam fiunt, non adseruntpraeiudicium generalitati. Fulg. myth 3,2: delicata consuetudo laborioso fertpraeiudicium operi. Siehe ThLL Bd. III Sp. 648,17ff. s. v. 'cavillatio'. Bei Quintilian 14 mal, u. a. Quint, inst. 1,7,33: ineptas cavillationes; 7,4,37: iuris cavillationes; 10,7,14: infelix ilia verborum cavillatio. Bei Seneca d. J. 9 mal, u. a. Sen. epist. 45,5: verborum cavillatio. Scaur, gramm. VII 22,2; Sacerd. gramm. VI 498,11. Pomp. 282,33: cavillationem vitas. Serv. Aen. hat zwar ebenfalls cavillatio, aber nicht im Sinne einer sophistischen Wortklauberei, sondern als scherzhafte Stichelei; Serv. Aen. 10,20: insultare autem est inimicis irridere per cavillationem, exultare vero gloriari et laetum esse. Scaev. dig. 35,1,85; Iul. Vict. Aet. p. 78,4; Macr. Sat. 2,1,9; Amm. 22,8,33; Rufin. apol. adv. Hier. 1,35; Hier, in Is.. 15,56,4 1.49; Fulg. myth. 2,3. Außer an dieser Stelle noch 20,5; 23,4; 23,10; 23,15; 24,1.

156

Kommentar

Art und Weise,

wie der Text

legimus verwendet,

dem

Gebrauch in

Servius'

155

Vergilkommentar.

7,19 'Curios magnosque Camillos Scipiadas': Das Zitat geht zwar zweifellos auf Verg. georg. 2,169 zurück, es weicht aber insofern davon ab, als Vergil nicht Curios, sondern Marios schreibt.156 Das ist deshalb erstaunlich, weil in den anderen Donatkommentaren das Vergilzitat ebenfalls bei dem hier in Rede stehenden grammatischen Problem verwendet, es dort aber immer richtig mit Marios angeführt wird.157 Auch in Servius' Vergilkommentar wird der Vers behandelt und der Plural Marios damit erklärt, dass es mehrere Menschen dieses Namens gegeben habe.158 Es drängt sich daher die Frage auf, warum der vorliegende Text an dieser Stelle Curios statt Marios schreibt. Einen simplen Abschreibfehler in der Tradierung des Textes anzunehmen, wäre zu einfach, da in den folgenden Sätzen das Zitat aufgegriffen und auch hier in übereinstimmender Überlieferung der Name Curius und nicht Marius verwendet wird. Wenn man sich den Zusammenhang, in dem das Zitat bei Vergil erscheint, näher anschaut, dann wird deutlich, dass der Dichter weder mit Marios noch mit Camillos mehrere Personen gleichen Namens im Blick hat, wie es Servius in seinem Kommentar zur Stelle glaubhaft machen will. Vergil lobt hier seine Heimat Italien und nennt als einen großen Verdienst des Landes, dass es Männer wie Decius, Marius, Camillus und die Scipionen hervorgebracht habe, die sich durch ihre Kriegsleistung ausgezeichnet hätten. Dabei dürfte er konkret etwa an C. Marius, den Bezwinger Jugurthas sowie der Kimbern und Teutonen, und M. Furius Camillus, den Eroberer von Veji und Falerii sowie den Befreier Roms von den Galliern, gedacht haben.159 Dieser Verdacht erhärtet sich, wenn man berücksichtigt, dass auch andere Schriftsteller Formulierungen haben, die dem Vergilzitat sehr ähnlich sind. Auch hier werden geschichtliche Personen, bevorzugt die bei Vergil genannten, daneben aber auch andere, im Plural erwähnt, weil sie für bestimmte Leistungen und Eigenschaften stehen. So wird Marius etwa auch bei Cicero aufgrund seiner militärischen Qualifikation in einer dem Vergilzitat entsprechenden Weise genannt.160 Das gleiche gilt fur M. Curius Dentatus, der bei vielen Schriftstellern wegen seiner Sittenstrenge und Genügsamkeit neben Camillus und Fabricius

155 156

157 158

159 160

Siehe UHL, Servius, S. 287f. Verg. georg. 2,169: extulit haec Decios Marios magnosque Camillos Scipiadas duros hello et te, maxime Caesar. Serv. comm. 407,6; Expl. 1490,18. Serv. georg. 2,169: extvlit haec Decios: 'extulit' est creavit. Decii autem duo fuerunt, quorum unus hello Italico, alter Gallico se pro re publica devovere. Marios: Marii multi juerunt, quorum unus fuit septies consul. Camillos: abusive; nam unus fuit, qui a Gallis sublata signa revocavit. Siehe dazu R. A. B. MYNORS, Virgil, Georgics, edited with a commentary, Oxford 1990, S. 124. Cie. S. Rose. 90: non necesse est omnis commemorare Curtios, Marios, denique Memmios, quos iam aetas a proeliis avocabat. Vgl. auch Cassiod. var. 10,11,14: utinam nobis Marios vel Corvinos annosior vita servasset!

De nomine

157

gepriesen wird.161 Das heißt, dass der Name bestimmter Personen für konkrete Eigenschaften sprichwörtlich geworden ist.162 Was den Verfasser unseres Textes dazu bewogen hat, an dieser Stelle Curios statt Marios zu schreiben, ist damit allerdings noch nicht geklärt. Ungewiss ist auch, ob er selbst für die Änderung verantwortlich ist oder nicht doch einer seiner Vorgänger. Wenn es sich um eine bewusste Abwandlung handeln sollte, dann könnte eine Erklärung die sein, dass der dafür Verantwortliche eher die Namen von berühmten Persönlichkeiten republikanischer Zeit anführen wollte als den eines Mannes wie Marius, welcher in einer Epoche lebte und wirkte, mit der die Römer bereits den Niedergang der res publica verbunden haben. Vorstellbar ist auch, dass die Änderung auf ein Versehen zurückgeht; zahlreiche literarische Zeugnisse belegen nämlich, dass die Erwähnung von Curius neben Camillus in der beschriebenen Funktion die weitaus geläufigere gegenüber der von Marius neben Camillus gewesen ist.163 Vielleicht ist daher an der vorliegenden Stelle unbewusst eine ungewöhnliche Junktur durch eine vertrautere ersetzt worden.

8,1 Alexandri: Siehe den Kommentar zu 5,20 Alexander. 8,6 ut lignum et marmor. Standardbeispiele für die nomina corporalia sind nach Don. mai. 615,If. homo, terra und mare.164 Dagegen finden sich die vom vorliegenden Text gewählten Beispiele lignum und marmor bei keinem anderen Grammatiker an entsprechender Stelle. Lediglich Pomp. 137,11 hat in einem ähnlichen Zusammenhang marmor und Prob. inst, gramm. IV 119,20 lignum.165 In der Literatur stehen lignum und marmor häufig dann nebeneinander, wenn Rohstoffe aufgelistet werden, aus denen irgendetwas gefertigt ist.166 Dass eine entsprechende Stelle dem Text hier als Anregung gedient hat, lässt sich aber nicht nachweisen. Möglich ist, dass die Auswahl der Beispiele, zumindest was lignum anbetrifft, einen christlichen Hintergrund hat. Denn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen lignum und corporate, der bei den Grammatikern nicht hergestellt werden konnte, findet sich bei

161

162

143

164 165

166

Cie. Sest. 143: quare imitemur nostros Brutos, Camillos, Ahalas, Decios, Curios, Fabricios ... innumerabilis alios, qui hanc rem publicam stabiliverunt. Cie. Cael. 39: ex hoc genere illos fuisse arbitror Camillos, Fabricios, Curios omnisque eos, qui haec ex minimis tanta fecerunt. luv. 2,3: quotiens aliquid de moribus audent, qui Curios simulant et Bacchanalia vivunt. Lucan. 6,785: vidi Decios natumque patremque, lustrales bellis animas flentemque Camillum et Curios. Mart. 1,24,3: qui loquitur Curios adsertoresque Camillos? Zur Person des Μ. Curius Dentatus siehe K.-L. ELVERS, Art. 'Curius' (Nr. 4 C. Dentatus, M'), in: DNP 3, Stuttgart 1997, Sp. 242f. Siehe Α. OTTO, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer, Hildesheim 1962, Nr. 485 'Curius'. Siehe oben Anm. 118 und außerdem: Prud. c. Symm. 2,556: frustra igitur currus summo miramur in arcu / quadriiugos stantesque duces in curribus altis /Fabricios Curios hinc Drusos inde Camillos. Serv. comm. 429,16 hat terra, lapis\ Pomp. 143,13 hat terra, humus, ensis. Pomp. 137,11: puta marmor, videtur et tangitur, corporate est. Prob. inst, gramm. IV 119,20: sunt nomina quae rem inanimalem significant, ut puta lapis domus lignum. Colum. 12,20,8; Plin. epist. 10,41,2; Quint, inst. 2,21,9; Hist. Aug. Heliog. 25,9; Serv. auet. Aen. 1,378.

158

Kommentar

christlichen Autoren167, allen voran bei Augustinus. Dieser erörtert nämlich mehrfach den Gegensatz zwischen einem corporate lignum vitae, mit dem er den Obstbaum im Paradies meint, und einem spirituale lignum vitae, mit dem er die sapientia dei und gleichzeitig Christus umschreibt.168 8,7 ut honor, pietas, medicina: Don. mai. 615,2 hat als Beispiele für die nomina incorporalia die Wörter pietas, iustitia und dignitas. Diese finden sich auch bei anderen Grammatikern, wobei pietas und iustitia stets vertreten sind, dignitas hingegen fehlen oder durch einen anderen Begriff ersetzt sein kann.169 Die Beispiele honor und medicina, die der vorliegende Text neben pietas anfuhrt, sind dagegen bei keinem anderen Grammatiker in diesem Zusammenhang überliefert. Auch sonst tauchen sie in der Literatur nicht unter der Kategorie incorporalia auf. Die Frage, warum sie der Verfasser des Textes an diese Stelle setzt, muss daher offen bleiben. 8.9 schola: schola ist bei den Grammatikern neben mons das Standardbeispiel für ein nomen • 170 primae positioms.

8.10 scholasticus: Da die nomina derivativa von den nomina primae positionis abgeleitet werden, entsprechen auch die Beispiele einander, so dass scholasticus als Ableitung von schola neben montanus das Standardbeispiel für ein nomen derivativum bei den Grammatikern ist.171 8,10 scholasticulus: Die nomina diminutiva werden ebenfalls nach den nomina primae positionis gebildet, so dass auch hier sich die Auswahl der Beispiele nach letzteren richtet und

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168

169

170

171

Tert. resurr. 35 p. 77,22f.: edere de ligno vitae corporalis dispositionis fidelissima indicia sunt; Rufin. Orig. princ. 1,1,2: numquidnam putabitur consumere materiam corporalem, ut est lignum velfaenum vet stipula? Aug. gen. ad litt. 8,4 p. 236,2ff.: erat ergo et lignum vitae quemadmodum petra Christus, nec sine mysteriis rerum spiritualium corporaliter praesentatis voluit hominem deus in paradiso vivere. Aug. gen. ad litt. 8,5 p. 237,3ff.: sie et sapientia, idem ipse Christus, lignum vitae est in paradiso spirituali, ... creatum est autem, quod earn significaret, lignum vitae etiam in paradiso corporali. Aug. gen. ad litt. 8,5 p. 238,5ff.: quod sapientia non sit corpus et ideo nec lignum, nec dubito. Aug. gen. ad litt. 8,6 p. 239,16ff.: hoc lignum erat visibile et corporate sicut arbores ceterae. Aug. c. Iulian. op. imperf. 6 (PL 45) c. 1598,57: corporate namque lignum vitae sie vitem subministrabat corporibus animalibus, sicut spirituale lignum vitae, quod est dei sapientia, vitam salutiferae doctrinae sanetis mentibus subministrat. Siehe desweiteren auch Aug. civ. 13,20f. Serv. comm 429,17: ut pietas iustitia; Pomp. 143,14: ut pietas iustitia dignitas; Exc. Bob. gramm. I 533,27: ut est pietas, iustitia; Cled. 34,27: ut pietas iustitia dignitas; Prob. inst, gramm. IV 119,24: ut puta pietas iustitia dolor; Consent, gramm. V 338,12: ut pietas iustitia eloquentia. Char. 196,11; Don. mai. 615,3; Diom. gramm. I 323,18; Serv. comm. 429,18; Pomp. 143,16; Consent, gramm. V 340,15. Don. mai. 615,3; Diom. gramm. 1323,20; Serv. comm. 429,19; Expl. II 536,33; Consent, gramm. V 340,15.

De nomine

159

scholasticulus als Ableitung von schola neben monticulus das Standardbeispiel fiir ein nomen diminutivum bei den Grammatikern ist.172 8,13f. ut scholasticulus, scholasticellus, scholasticellulus: Don. mai. 615,4f. sagt zwar, dass es drei Verkleinerungsstufen für Nomina gibt, es werden jedoch keine Beispiele genannt. Diese werden vom vorliegenden Text in Form von scholasticulus, scholasticellus und scholasticellulus geliefert. Es handelt sich bei ihnen wie schon bei den vorangegangenen Belegen um Ableitungen von schola als dem Standardbeispiel für ein nomen primae positionis. Inhaltlich steht Pomp. 143,30ff. dem Text hier sehr nahe, abgesehen davon dass er die Verkleinerung von mons, dem zweiten Standardbeispiel für ein nomen primae positionis, und nicht von schola ableitet und daher monticulus, monticellus und monticellulus hat.173 8,15f. agnus, agnulus, agnellus, agnicellus, agniculus, agnicellulus: Das Substantiv agnus kommt bei den lateinischen Grammatikern mehrmals im Zusammenhang mit der Bildung von Diminutiven vor. Allerdings finden sich gewöhnlich nur die Verkleinerungsformen agnulus und agnellus.11* Von diesen ist nur agnellus auch literarisch belegt.175 Die anderen drei Formen, die der Text hier darüber hinaus noch präsentiert, finden sich in keiner anderen spätantiken Grammatik, abgesehen von Pomp. 143,26ff., wo zwei von ihnen, nämlich agnicellus und agnicellulus, genannt sind. In der lateinischen Literatur lässt sich weder agnicellus noch agnicellulus nachweisen, wohl aber agniculus, das bevorzugt in christlichen Texten des 4. und frühen 5. Jh. zu finden ist.176 Besonders oft wird es von Ambrosius verwendet, wenn dieser über Vulg. Joh. 21,15-17 handelt, wo Jesus Christus seinem Jünger Simon Petrus den Auftrag pasce agnos meos erteilt. Bei Ambrosius steht an diesen Stellen stets agniculos,177 Auch sonst sind agnus und agniculus wichtige Begriffe in der christlichen Literatur dieser Zeit, weil sie ausgehend von der Heiligen Schrift zum einen Christus selbst, den Johannes der Täufer agnus dei genannt hat178, zum anderen aber auch alle Gläubigen, für die oftmals in der Bibel das Bild von Schafen der Herde Gottes verwendet wird179, bezeichnen. Es scheint daher möglich, dass die Auswahl des Beispiels agniculus auf einem christlichen Hintergrund beruht.

172 173

174 175 176 177 178 179

Char. 196,26; Don. mai. 615,4; Consent, gramm. V 340,22. Pomp. 143,30ff.: sed scire debes, ait, quoniam haec ipsa diminutio hac arte facienda est, ut, quando sensus minuitur, crescat numerus syllabarum, puta mons una syllaba est; monticellus crevit, quattuor sunt syllabae; monticellulus quinque sunt syllabae. Diom. gramm I 325,32: agnus agnulus; Bern. 70,1: agnulus agnellus·, Serv. comm. 429,23: agnus agnellus. Plaut. Asin. 667. Amob. nat. 7,12; Ambr. hex. 6,4,24f.; Ambr. inst. virg. 16,103. Ambr. in psalm. 118,2,15; Ambr. fid. 5 pr.; Ambr. spir. 2,13,146. Ps. Orig. tract. 9,11. Aug. serm. 181 (PL 38) c. 982,13.

160

Kommentar

8,16f. in infinitum ... procederet: Die Wendung in infinitum unterstreicht die sprachliche Verwandtschaft des vorliegenden Textes mit Servius' Vergilkommentar, weil sie dort ebenfalls belegt ist180, während die lateinischen Grammatiker sie nicht verwenden. Ansonsten kommt in infinitum vor allem bei lateinischen Fachschriftstellern des 1. und 2. Jhs. vor.181 Häufig findet sich der Ausdruck aber auch in christlichen Texten, angefangen von Tertullian im ausgehenden 2. Jh. bis hin zu Boethius im frühen 6. Jh. Der Schwerpunkt der Zeugnisse liegt allerdings im späten 4. und frühen 5. Jh. bei Autoren wie Marius Victorinus, Ambrosius und Augustinus.182 8,17 foede: Das Adverb foede ist bei den lateinischen Grammatikern nicht belegt. Dagegen findet es sich 4 mal in Servius' Vergilkommentar183. In der lateinischen Literatur kommt foede bei verschiedenen Autoren immer wieder vor, angefangen vom 3. Jh. v. Chr. bis in die Spätantike hinein.184 Auch bei den christlichen Schriftstellern ist es bis zum Ende des 5. Jh. häufig bezeugt185, für das 6. Jh. lassen sich jedoch keine Belege mehr finden. 8,21f. ut homo, homuncio, homunculus, homulus: Die verschiedenen Diminutive von homo finden sich zwar weder in einem anderen Donat- noch in Servius' Vergilkommentar, dennoch scheinen sie ein fester Bestandteil der spätantiken Grammatik gewesen zu sein, und zwar, wie an dieser Stelle, als Beispiel für ein Nomen, dessen Silbenzahl sich bei der Bildung von Verkleinerungsformen verringert. In dieser Funktion werden bei Char. 119,19ff. homunculus und homuncio sowie bei Bern. 70,4 homuncio, homunculus, homulus und homullulus angeführt. Auch sonst sind die einzelnen Wörter mehrfach in der Literatur bezeugt.186 Besonders häufig sind sie bei christlichen Autoren anzutreffen, die mit der Verkleinerung von homo die Schwäche der menschlichen Natur hervorheben wollen.187 8,23 sunt etiam diminutiva specie·. Der Text weicht hier in der Terminologie von Donat und dessen Kommentatoren ab. Dort wird nämlich die in Rede stehende Gruppe von Substantiven

180

Serv. Aen. 4,231; Serv. georg. 2,479. Plinius d. Ä. 1 mal, Baibus 4 mal; Columella 1 mal; Quintilian 4 mal; Gaius 2 mal; im 6. Jh. ist in infinitum mit 11 Stellen bei Justinian sehr häufig belegt. Im 1. Jh. kommt es abgesehen von der Fachliteratur noch bei Plin. d. J. (1 mal) und Seneca d. J (5 mal) vor. 182 Tertullian 2 mal, Ambrosius 5 mal, Marius Victorinus 2 mal, Augustinus 7 mal, Boethius 4 mal. 183 Serv. Aen. 1,62; auct. Aen. 8,383; Aen. 8,641; auct. Aen. 12,109. 184 foede ist ζ. B. bei folgenden Autoren überliefert: Plautus 2 mal, Sallust 2 mal, Cicero 3 mal, Livius 19 mal, Vergil 2 mal, Seneca d. J. 2 mal, Iuvenal 1 mal, Florus 1 mal, Dictys 2 mal, Aurelius Victor 9 mal, Ammianus Marcellinus 2 mal. 185 Tert. nat. 2,14 p. 68,25; Tert. apol. 14,3; Arnob. nat. 5,43; Ambr. fid. 1,19,124; Rufin. apol. adv. Hier. 2,5; 2,26; Aug. spec. 4 p. 27,17; Sulp. Sev. chron. 2,18; Symph. praef.; Vulg. deut. 25,3. 186 Siehe ThLL Bd. VI,3 Sp. 2894,31fF. s. v. 'homuncio'; Sp. 2894,66ff. s. v. 'homunculus'; Sp. 2894,Iff. s. v. 'homulus'. 187 Aug. conf. 1,16,26; Aug. civ. 2,7; Salv. gub. 3,7,28; Hier, quaest. hebr. in gen. p. 1,13. 181

De nomine

161 1 SR

nicht specie diminutiva, sondern entweder quasi diminutiva

1ÄQ oder sono diminutiva

genannt. 8,24 putata sunt: Die persönliche Konstruktion von putare in einer zusammengesetzten Form mit esse ist sonst bei den spätantiken Grammatikern nicht belegt. Don. mai. wählt lediglich 2 mal die 3. Person Präsens putatur für eine persönliche Konstruktion.190 Servius hat in seinem Vergilkommentar ebenfalls mehrfach putatur, dafür aber auch ein Mal putatus est.m Daneben findet sich bei ihm zweimal die unpersönliche Konstruktion putatum est.192 Unter den lateinischen Schriftstellern ist es Cicero, der putare des Öfteren so konstruiert wie der vorliegende Text an dieser Stelle.193 Ihn übertrifft in dieser Hinsicht nur noch Augustinus, der wie kein anderer Autor von putare in einer zusammengesetzten Form mit esse Gebrauch macht.194 Ganz vereinzelt kommt die Konstruktion dann auch bei späteren Autoren bis zum 6. Jh. vor.195 9,1 speciem gerunt: Die Wendung speciem gerere ist bei den lateinischen Grammatikern nur ein einziges Mal belegt, und zwar bei Mar. Victorin. gramm. VI 5,20. Im Vergilkommentar des Servius kommt sie nicht vor. Auch sonst findet sie sich nur sehr selten in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh.196 Dagegen fallt es auf, wenn speciem gerere vor allem bei christlichen Autoren im 4. und 5. Jh. verwendet wird.197 Im 6. Jh. ist die Formulierung auch in christlichen Texten nicht mehr bezeugt. 9,1 ferula:

Das Substantiv ferula bezeichnet in seiner ursprünglichen Bedeutung eine

Gertenpflanze. In diesem Sinn kommt der Begriff vor allem bei Fachschriftstellern der Landund Gartenwirtschaft sowie der Medizin vor.198 Der Stengel dieser Pflanze diente als Strafinstrument für die Schüler an den niederen Schulen. Aus diesem Grund ist die Vokabel ferula

auch für die Funktion als 'Strafrute' verwendet worden.199 Es ist deshalb

verwunderlich, wenn der Begriff bei den lateinischen Grammatikern nur ein einziges Mal auftaucht.200 Das gleiche gilt auch für Servius1 Vergilkommentar, wo ferula ebenfalls nur 188 189 190 191 192 193 194 195 196 197

198 199 200

Diom. gramm. I 326,25; Don. mai. 615,5f.; Consent, gramm. V 340,27. Serv. comm. 429,23; Pomp. 145,9f.; Pomp. 221,3. Don. mai. 626,13; Don. mai. 673,8. Servius hat 20 mal putatur im Vergilkommentar. Serv. auct. Aen. 6,14: aliquibus Circinus putatus est. Serv. Aen. 6,678; Serv. Aen. 8,681. Cie. inv. 1,61; Cie. orat. 56. Augustinus hat 10 mal putatus est, 13 mal putata est, 8 mal putati sunt, 2 mal putatae sunt, 3 mal putata sunt. Beda tempi, prol. (CCSL 119a) p. 144,68 (putatus est); Iul. Toi. comprob. 3,9 (putata est). Lucr. 4,52; Colum. 3,2,8; Colum. 3,17,2. Ambr. c. Aux. 8; Ambr. Isaac 4,26; Rufin. Orig. in cant. 4 p. 234,7; Sulp. Sev. dial. 2,10,4; Aug. c. Faust. 6,9; Prosp. inpsalm. 134,81. Bei Varro 1 mal, Plinius d. Ä. 40 mal, Columella 18 mal, Celsus 9 mal, Q. Serenus 1 mal. Mart. 10,62,10; luv. 1,15. Char. 453,64.

162

Kommentar

einmal vorkommt und dort auch nicht im Sinne eines Strafinstrumentes.201 Dagegen verwenden christliche und heidnische Schriftsteller in der Zeit von Augustinus bis Beda die Vokabel immer wieder ausdrücklich in diesem Sinn.202 9.4 lectione potius quam arte: lectio ist in der allgemeinen Bedeutung 'Lektüre' bei den lateinischen Grammatikern weit verbreitet. Im vorliegenden Text wird der Begriff jedoch zweimal sogar wie ein Kriterium der Sprachrichtigkeit gebraucht. An dieser Stelle steht er im Kontrast zu ars, und 21,20 erscheint er als eine selbstständige Kategorie neben latinitas. Mit lectio

ist

in

diesen

Fällen

die

Heranziehung

von

Schriftstellern (auctores)

als

Personifikationen des Sprachgebrauchs gemeint. Daher gehört das Wort zum Bereich der auctoritas und wird terminologisch nahezu synonym mit ihr verwendet. In Servius' Vergilkommentar tritt lectio dagegen nicht als ein Kriterium der Sprachrichtigkeit hervor wie im vorliegenden Text. In dieser Hinsicht kommt ihm nur Serv. comm. 437,21 nahe.203 9.5 coltigitur: Das Verb colligere wird in der Bedeutung 'durch Überlegung schließen, folgern' häufig bei den Grammatici Latini verwendet, besonders in der Form colligitur.204 9.6 ad integrum·. Nach Don. mai. 615,7 heißt die hier in Rede stehende Gruppe nomina tota Graecae declinationis. Dem entsprechen Serv. comm. 429,26 und Pomp. 145,11. Da auch sonst bei den Grammatikern und in Servius' Vergilkommentar die Bezeichnung des vorliegenden Textes ad integrum nomina Graeca nicht belegt ist, stellt sich die Frage nach deren Herkunft. Dafür, dass die Wendung ad integrum in der Bedeutung des Adjektivs totus stehen kann, gibt es zahlreiche Belege in der Literatur seit dem 4. Jh. Sie findet sich bei mehreren Autoren bis in das 7. Jh. hinein, besonders in christlichen Texten, aber auch bei heidnischen Schriftstellern.205 9,7f. ut Euterpe, Melpomene: Standardbeispiele für die ad integrum nomina Graeca sind nach Diom. gramm. I 328,29 und Don. mai. 615,7 an dieser Stelle Themisto, Calypso und Pan. In einigen grammatischen Traktaten wird Pan bisweilen durch verschiedene andere

201 202

203

204 205

Serv. auct. ecl. 6,42. Siehe ζ. B. Aug. conf. 1,14,23: a magistrorum ferulis usque ad temptationes martyrum\ Aug. in evang. loh. 2,14: non timeamus ferulas grammaticorum; Hier. adv. Rufin. 1,17: si latina temptaveris, ante audire grammaticum, ferulae manum subtrahere; Beda temp. rat. 8 (CCSL 123b) p. 74f.: nihil veritus grammaticorum ferulas. Vgl. auchMacr. Sat. 3,10,2; Mart. Cap. 3,224. Serv. comm 437,21: sunt alia penitus anomala, de quibus nihil possumus dicere, nisi quod lectione detinentur, id est eas usurpare personas, quae tantum auctoritate flrmantur. Siehe auch Char. 271,70: sed divus Hadrianus 'tametsi' inquit 'Augustus non pereruditus homo fuerit, ut id adverbium ex usu potius quam lectione protulerit'. Siehe etwa Diom. gramm. I 341,3; Serv. comm. 413,24; Cled. 48,20. Siehe ThLL Bd. VII,1 Sp. 2081,39ff. s. v. 'integer'.

De nomine

163

Beispiele ersetzt.206 Von den Exempeln des vorliegenden Textes findet sich lediglich Euterpe in anderem Zusammenhang als ein Beispiel für ein griechisches Nomen, das seine Deklination auch im Lateinischen bewahrt.207 Dagegen kommt Melpomene bei den Grammatikern nur in einem Zitat des Dichters Horaz vor208. In der lateinischen Literatur stehen die beiden Musen Euterpe und Melpomene nur bei Fulg. myth. 1,15 (2. Hälfte 5. Jh.) direkt nebeneinander. Ob diese Stelle jedoch mit dem vorliegenden Text in Zusammenhang steht, ist fraglich. 9.8 in latinitatem cadunt: Das Substantiv latinitas kommt im vorliegenden Text außer an dieser Stelle noch zwei weitere Male vor.209 Es kann wie hier das System der lateinischen Sprache an sich bezeichnen, dem das der griechischen gegenübersteht, es kann aber auch wie in den beiden anderen Fällen als ein normativer Begriff für die korrekte Handhabung der lateinischen Sprache stehen. In diesem Sinn ist es ein Kriterium der Sprachrichtigkeit, dem die Kategorien ars, auctoritas, usus und antiquitas untergeordnet sind. In der Verwendung von latinitas stimmt der vorliegende Text mit der in Servius' Vergilkommentar und der bei Serv. comm. überein.210 Dem entspricht auch, dass das Adjektiv latinus, entweder allein oder mit dem Zusatz eloquium, sowohl in diesem Text als auch bei Servius synonym zu latinitas gebraucht wird.211 9.9 graecitatis totum amittunt: graecitas wird hier und im folgenden (9,11) als Kontrast zu latinitas verwendet. Es steht daher für das System der griechischen Sprache. Der Begriff ist bei den Grammatici Latini nicht belegt, wohl aber in Servius' Vergilkommentar.212 Dies unterstreicht einmal mehr die Übereinstimmung zwischen dem vorliegenden Text und Servius hinsichtlich der Terminologie der Sprachunterweisung.213 9,9f. nam dicit Graecus

Latinus dicit. Diese Stelle stimmt fast wörtlich mit Pomp.

145,17ff. und Cled. 35,21 überein.

206 207 208 209

210 211

212

213

Cled. 35,15ff. {Manto, Dido)\ Serv. comm. 429,26 hat nur Dido und Manto. Prob. cath. gramm. IV 7,21; Don. mai. 622,2; Diom. gramm. I 303,25; Serv. gramm. IV 452,2; Pomp. 165,5. Diom. gramm. 1527,1: 'quem tu Melpomene semel' (Hör. carm. 4,3,1); Serv. gramm. IV 469,18. 21,20: sciendum est, quod huiuscemodi nominibus lectio vel ipsa latinitas imponit articulum. 28,3: simplex nomen est, cum divisum aut nihil dat latinitatis, ut medicina, aut... Siehe UHL, Servius, S. 40ff. und S. 555f. Vgl. 9,9: sunt quaedam (sc. nomina), quae, dum in latinitatem cadunt, graecitatis totum amittunt; 9,10: sunt quaedam (sc. nomina), quae in latinum versa eloquium ex parte aliqua formam Graecitatis amittunt. Vgl. 28,3: simplex nomen est, cum divisum aut nihil dat latinitatis, ut medicina, aut...; 28,14: composita est, cum divisum nomen dat aliquid latinum. Serv. Aen. 1,223: quamvis plerique de translatione graecitatis hoc adserant dictum. Serv. ecl. 6,2: propter euphoniam contempsit ius regulae et ideo in graecitate permansit. Hinzu kommt, dass graecitas in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nicht bezeugt ist. Es kommt erst in einigen christlichen Texten ab dem 4. Jh. vor: 2 mal bei Hilarius v. Poitiers, 1 mal bei Hieronymus, 1 mal bei Verecundus Iuncensis und 1 mal bei Cassiodorus.

164

Kommentar

9,9f. Όδύσσευ? .... Ulixes: Standardbeispiel für einen griechischen Eigennamen, der im Lateinischen von einem Wortstamm gebildet wird, welcher dem griechischen Ursprung des Wortes nicht entspricht.214 9,10f. in latinum versa eloquium: eloquium latinum steht im vorliegenden Text für den Ausdruck sermo latinus, der bei Serv. comm. und in Servius' Vergilkommentar üblicher ist.215 Dagegen ist eloquium latinum weder bei Donat noch bei Serv. comm. belegt.216 In grammatischen Texten findet sich die Wendung lediglich im 4. Jh. bei Exc. Bob. gramm. I 535,1 und Diom. gramm. 1318,14f. Häufig ist sie jedoch bei christlichen Autoren belegt, allen voran bei Augustinus, Hieronymus, Cassiodor und Isidor217. Von diesen hat allerdings nur Augustinus die dem Text entsprechende Formulierung in latinum eloquium vertere 9,16 cum in latinum veniunt: Im Zusammenhang mit den nomina graeca verwendet der Text vier verschiedene Ausdrücke für das Übertragen vom Griechischen in das Lateinische: 9,8: in latinitatem cadere\ 9,10f.: in latinum vertere eloquium', 9,14: in latinum transferrer 9,16: in latinum venire. Davon sind Formulierungen mit den Verben vertere und transferre in der lateinischen Literatur bis zum Ausgang der Spätantike typisch für diesen Vorgang. Dagegen findet sich kein Beleg für in latinum venire, genausowenig wie für in latinitatem cadere. 9,17f. ut Helene, Helena: Die Regel, dass die griechischen Eigennamen auf η im Lateinischen nach der a-Deklination flektiert werden, findet sich in keinem anderen Donatkommentar in dem hier vorliegenden Zusammenhang. Dass sie dennoch zum artigraphischen Inventar gehört, zeigt Prob. cath. gramm. IV 7,20. Hier ist auch mit Helena, Helenae das Beispiel des vorliegenden Textes gewählt.219 Es scheint daher möglich, dass der Verfasser an dieser Stelle das Material der Donattradition durch einen fremden Zusatz erweitert hat. Eine Vorlage dafür könnte die Schrift des Probus oder eine ihr verwandte über die lateinischen Wortendungen gewesen sein. 9,20 transformantur: Das Verb transformare ist weder bei den spätantiken Grammatikern noch in Servius' Vergilkommentar belegt. Es handelt sich generell um ein Wort, das eher

214 213

216 217 218 219

Don. mai. 615,8; Serv. comm. 429,30; Pomp. 145,20ff.; Cled. 35,27ff. Serv. comm. hat sermo latinus 5 mal, ζ. B. Serv. comm. 426,13; in Servius' Vergilkommentar kommt der Ausdruck 7 mal vor, ζ. B. Serv. Aen. 1,232. eloquium latinum ist in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. überhaupt nicht überliefert. Augustinus hat eloquium latinum 12 mal, Hieronymus 3 mal, Cassiodorus 3 mal und Isidoras 5 mal. Aug. civ. 7,27; Aug. civ. 18,43. Prob. cath. 7,20: Graeca e producta terminata ... e in α mutans nominativo declinabitur ratione primae declinationis, ae diphthongo faciens genetivum, Danaa Danaae, Helena Helenae. Dieser Stelle entspricht Sacerd. gramm. VI 472,16ff.

De nomine

165

selten in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. vorkommt.220 Dies ändert sich erst bei den christlichen Autoren der Spätantike. Hier wird transformare vor allem im Zusammenhang mit Vulg. II Cor. 3,18 immer wieder verwendet.221 9.20 asperum resonare: Die Wendling asperum resonare ist weder in der lateinischen Literatur bis zum Beginn der Spätantike noch bei den lateinischen Grammatikern überliefert. Eine Parallele lässt sich erst für das 6./7. Jh. mit Greg. M. in lob praef. 3,23 ausmachen 222 9.21 ut Agave: Wie schon Helene, Helena (9,17f.) geht auch Agave auf eine Vorlage zurück, die mit Prob. cath. gramm. IV 7,21 verwandt ist.223 Als Beispiel für einen griechischen Eigennamen auf η, der im Lateinischen nicht der a-Deklination angepasst wird, findet sich Agave auch bei Serv. Aen. 5,52.224 Man kann daher von einem Standardbeispiel für das in Rede stehende grammatische Phänomen sprechen. Allerdings gehört es nicht zum Repertoire der Donatkommentare. 9,21 propter duritiam: Die Handschrift Ρ überliefert an dieser Stelle propter duritatem, (M) dagegen per duritiam. Das Substantiv duritas ist bei den Grammatikern nicht belegt und kommt auch sonst sehr selten in der lateinischen Literatur vor.225 duritia findet sich in grammatischen Texten als Ableitung von durus nur bei Prise, gramm. II 118,1 und 119,1, in der Literatur ist es dagegen wesentlich häufiger überliefert als duritas.226 Servius hat in seinem Vergjlkommentar 6 mal duritia, aber nirgends als Präpositionalausdruck mit per oder propter. Die Wendung propter duritiam steht schon bei Plin. nat. 13,128, per duritiam bei Porph. Hör. serm. 1,2,20-21. In christlichen Texten ist propter duritiam allerdings häufiger als per duritiam?21 Deshalb erscheint es sinnvoll, an dieser Stelle den Ausdruck propter duritiam als authentisch zu betrachten.

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Vergil hat transformare 2 mal, Ovid 5 mal, Hyginus 2 mal und Quintilian 1 mal. Vulg. II Cor. 3,18: nos vero omnes revelata facie gloriam Domini speculantes in eandem imaginem transformamur a claritate in claritalem. Vgl. etwa Aug. epist. 147 (CSEL 44) p.327,17; Hier, in Is. 1,1,10 1. 30. Bei Augustinus wird auf Vulg. II Cor. 3,18 allein 15 mal Bezug genommen, bei Hieronymus 7 mal. Greg. M. in lob praef. 3,23: quaedam verba illius imperitis lectoribus aspera resonant quia... Prob. cath. gramm. IV 7,21: e ergo nomina terminata Graeca sunt, ut haec Danae, Euterpe, Circe, Agave; et siquis voluerit declinare ... Serv. Aen. 5,52: 'urbe Mycene' Graece dixit... ut sit Mycene Mycenes, ut Agave Agaves. Die einzige Stelle in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh., wo duritas belegt ist, ist Cie. orat. 53. Von den christlichen Autoren hat nur Tert. nat. 1,18p. 17,19 das Wort (ob duritatem). Siehe ThLL Bd. V,1 Sp. 2289,68ff. s. v. 'duritia'. propter duritiam findet sich 2 mal in der Heiligen Schrift: Vulg. exod. 3,7; Vulg. Is. 47,9. Außerdem haben z. B. folgende christliche Schriftsteller den Ausdruck: Tertullian 3 mal, Augustinus 9 mal, Hieronymus 8 mal, Cassiodorus 1 mal, Beda 1 mal. Dagegen kommt per duritiam etwa nur jeweils 1 mal bei Tertullian, Ambrosius, Hieronymus und Beda vor, 4 mal bei Gregor d. Gr.

166

Kommentar

10,2 ut si... velimus: Der Text hat zweimal den Ausdruck ut si velimus (sc. facere aliquid) als Einleitung für ein Beispiel.228 Bei den lateinischen Grammatikern finden sich dazu nur zwei Parallelen bei Consent, gramm. V 394,9 und Prise, gramm. II 370,4.229 Deshalb ist es auffällig, wenn Serg. litt, ebenfalls zweimal ut si velimus verwendet.230 Hier liegt offensichtlich ein erneutes Indiz für die sprachliche Nähe zwischen dem vorliegenden Text und Serg. litt. vor. 10,3f. humus, tellus, solum, terra: Standardbeispiel in der Donattradition für eine Gruppe von Nomen, die synonym gebraucht werden.231 10,5f. ut si dicamus aciem: acies ist bei Donat und seinen Kommentatoren das Standardbeispiel für ein Nomen, das verschiedene Bedeutungen haben kann.232 10,6 incertum est enim: Die Wendung incertum est enim, die sich im vorliegenden Text außer an dieser Stelle noch ein weiteres Mal (47,8f.) findet, ist in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nur bei Celsus und Porphyrio belegt.233 Von den Grammatikern wird sie nicht verwendet; lediglich Servius hat sie ein einziges Mal in seinem Vergilkommentar.234 Dagegen kommt incertum est enim in Traktaten christlicher Autoren im 4. und 5. Jh. mehrfach vor.235 10,9 matribus avisque: Die Handschrift Ρ überliefert an dieser Stelle matribus, avis abavisque. Diese Lesart entspricht zwar nicht Don. mai. 616,1, wo es der Überlieferung von (M) entsprechend ab avis et α matribus heißt. Dennoch kann abavisque durchaus auch schon in der ursprünglichen Fassung des vorliegenden Textes gestanden haben. Parallelen dazu finden sich bei Serv. Aen. 8,268 oder Serv. Aen. 10,619.236 10,1 lf. tres habent regulas: Zur Verwendung des regw/a-Begriffs im vorliegenden Text siehe den Kommentar zu 7,16 praedictae rationi.

228 229

230 231 232 233 234 235 236

Außer hier noch 18,4. Servius hat in seinem Vergilkommentar zwar auch die Formulierung si velimus, allerdings stets ohne ut und deshalb auch nicht als Einleitung für ein Beispiel: ζ. B. Serv. Aen. 1,242; Serv. Aen. 8,603. Serg. litt. 480,18; 481,4. Don. mai. 615,11; Serv. comm. 429,36; Expl. II 537,28; Pomp. 146,11. Don. mai. 615,10; Expl. II 538,10; Cled. 36,1. Cels. 3,12,1; Poiph. Hör. carm. 3,13,2-3. Serv. Aen. 11,528. Augustinus hat incertum est enim 3 mal, Hieronymus und Marius Victorinus jeweils 1 mal. Serv. Aen. 8,268: sicut etiam maiores dieimus postpatris, avi, proavi, abavi atavique vocabulum. Serv. Aen. 10,619: quartus paterabavus.

167

De nomine

10.13 Atrides, Atreius, Atriott: Standardbeispiel für die Bildung und Deklination der patronymica Graeca im Lateinischen.237 10.14 usum non habent: Der Text verwendet das Substantiv usus außer hier noch an drei weiteren Stellen im Sinne von „Sprachgebrauch" als Kriterium der Sprachrichtigkeitslehre, davon zweimal in der Wendung in usu esse2iS sowie einmal in der Junktur in usu ita loqui debeamusP9 Synonym zu usus steht in einem einzigen Fall der Begriff consuetudo.240 Allen Stellen ist gemeinsam, dass usus bzw. consuetudo auf einen bestimmten Sprachzustand verweisen, nämlich auf „das, was in Gebrauch ist", usus wird damit auf die gleiche Art und Weise

gebraucht,

wie

in

Servius'

Vergilkommentar241

und

in

den

anderen

Donatkommentaren. Die Übereinstimmung betrifft vor allem die Wendungen usum habere und in usu esse.2*2 Ein Unterschied lässt sich allerdings insofern festmachen, als Servius in seinem Vergilkommentar das Wort consuetudo nicht im Sinne von „Sprachgebrauch" verwendet, der vorliegende Text hingegen schon.243 Noch häufiger ist consuetudo allerdings bei Expl. I.244 Mit Servius stimmt der Text hingegen auch darin überein, dass er nirgends das Substantiv mos als synonym zu usus und consuetudo hat, wie es etwa bei Expl. I der Fall

10,16 ut Atreis, Atrias, Atrine: Standardbeispiel für die Bildung und Deklination von patronymica Graeca femininen Geschlechts im Lateinischen.246 10,16f. ut apud Virgilium 'Nerine Galatea'·. Nenne ist Beispiel für ein patronymicum Graecum femininen Geschlechts bei Don. mai. 616,5. Das Vergilzitat Nerine Galatea (Verg. ecl. 7,37) findet sich außer hier noch bei Pomp. 147,3 und Cled. 36,8. Erklärt wird Nerine auch von Servius in seinem Kommentar zu Vergils Eklogen.247

237 238 239 240 241 242

243

244 245 244 247

Don. mai. 616,1; Serv. comm. 430,7; Expl. II 539,36f.; Pomp. 146,29; Cled. 36,9; Consent, gramm. V 341,4. 1 2,1; 38,9. 47,21. 26,21: quamvis multa sibi iam vindicaverit consuetudo. Siehe UHL, Servius, S. 312f. Serv. comm. 426,13 (usum non habet); Serg. litt. 482,18 (in usu non sit hodierno); Serv. comm. 441,26; Serv. Aen. 1,73; Serv. Aen. 1,95. Siehe UHL, Servius, S. 309 und S. 312; Servius hat die Formulierung usus vindicavit (Serv. Aen. 1,144), dafür steht im vorliegenden Text vindicaverit consuetudo (26,21). Expl. 1488,33; 502,5; 503,2. UHL, Servius, S. 309. Vgl. Expl. 1525,16. Don. mai. 616,4f.; Serv. comm. 430,1 If.; Pomp. 147,2f. Serv. ecl. 7,37: 'Nerine' autem patronymicon est graecum: nam feminina patronymica aut in ias exeunt, ut Pelias, aut in eis, ut Atreis, aut in ne, ut Nerine, Adrestine.

168

Kommentar

10,17 sane considerandum est: considerandum est ist bei den lateinischen Grammatikern nur zweimal belegt.248 In Servius' Vergilkommentar kommt es lediglich ein einziges Mal vor.249 Dagegen haben christliche Schriftsteller die Wendung sehr häufig.250 In Verbindung mit sane findet es sich aber nur zweimal bei Augustinus und einmal bei Beda.251 10,22 'Euandrius Pallas': Der Name Euandrius kann wie in diesem Fall ein nomen patronymicum

sein, es kann aber auch als nomen possessivum

fungieren, wie das

nachfolgende Beispiel Euandrius gladius (11,1) zeigt. Euandrius ist zwar auch in den anderen Kommentaren zu Donats Ars das Standardbeispiel für ein nomen possessivum, dort heißt es aber nach Verg. Aen. 10,394 Euandrius ensis und nicht wie in unserem Text Euandrius gladius?52 Serv. comm. 430,10 und Pomp. 147,7ff. bilden das Beispiel für das nomen patronymicum nicht mit Euandrius, sondern mit Atreius; dort steht demnach nicht Euandrius Pallas, sondern Atreius Agamemnon bzw. Atreius Orestes. Serv. comm. und Pomp, lassen an dieser Stelle aber auch ahnen, warum im vorliegenden Text Euandrius gladius an die Stelle des wohl authentischeren Euandrius ensis gerückt ist: denn beide Texte haben Atreius auch als Beispiel für ein nomen possessivum, nämlich in der Form Atreius gladius. Darüber hinaus steht bei Serv. comm. 430,10 neben Atreius gladius noch Euandrius ensis als weiteres Beispiel. Es ist daher wahrscheinlich, dass beide Belege bei einem gemeinsamen Vorgänger nebeneinander gestanden haben. Während Serv. comm. die ursprüngliche Version bewahrt hat, zeigt der vorliegende Text eine 'falsche' Kontamination der beiden Beispiele zu einem einzigen. Vermutlich hat der Vorgänger der erhaltenen Donatkommentare auch Euandrius Pallas als Beispiel für ein nomen patronymicum gehabt. Denn dieses fehlt zwar bei Serv. comm. und Pomp, neben Atreius Agamemnon bzw. Atreius Orestes, ist aber dafür bei Cled. 36,15, Consent, gramm. V 341,8 und Prise, gramm. III 218,17 überliefert. 11,3f. quae alii adiecta nominibus, alii epitheta esse voluerunt: Die Uberlieferung ist an dieser Stelle nicht eindeutig: während die Handschrift Ρ den Wortlaut quae alii adiectiva alii epitheta did voluerunt hat, überliefert (M) quae aliis adiecta nominibus alii epitheta esse voluerunt. Nach Ρ gibt es also zwei weitere Bezeichnungen für die in Rede stehenden nomina mediae significationis,

248 249 250

251 252

nämlich adiectiva und epitheta. (M) weist hingegen auf die

Prob. inst, gramm. IV 74,4; Expl. 1488,32. Serv. Aen. 5,685. Ambrosius hat considerandum est 3 mal, Augustinus 47 mal, Hieronymus 7 mal, Boethius 4 mal, Cassiodor 25 mal. Dagegen ist considerandum est bei heidnischen Autoren der Spätantike eher selten belegt; vgl. etwa Iul. Vict. rhet. p. 35,1; p. 93,27; Iul. Sev. rhet. 21 p. 367,13. Aug. cons, evang. 2,75,145; Aug. de serm. dom. 1,12,33; Beda hom. 2,23 (CCSL 122) p. 356,240. Don. mai. 616,6; Diom. gramm. I 323,30; Serv. comm. 430,10; Cled. 36,15; Consent, gramm. V 341,3; Prise, gramm. II 68,16. Servius sagt auch in seinem Kommentar zu Aen. 10,394, dass Euandrius an dieser Stelle ein possessivum und kein patronymicum ist (Serv. Aen. 10,394: Evandrivs: possessivum est modo, non patronymicon).

De nomine

169

syntaktische Funktion dieser Wörter hin - die Tatsache, dass sie als Attribute bei anderen Substantiven stehen (aliis adiecta nominibus) - und nennt epitheta als weiteren Namen. Ρ und (M) stimmen demnach darin überein, dass die nomina mediae signißcationis auch epitheta genannt werden, bezüglich der Definition adiecta nominibus oder der Bezeichnung adiectiva weichen sie jedoch voneinander ab. Zieht man Don. mai. und andere grammatische Texte zum Vergleich heran, so ergibt sich folgendes Bild: Don. mai. 616,7 hat adiecta nominibus als eine zweite Bezeichnung neben nomina mediae significationis\ in einem angefügten Satz heißt es dann: haec etiam epitheta dicuntur.253 Damit stimmt Diom. gramm. I 323,2ff. überein, wo ebenfalls die Begriffe adiecta nominibus und epitheta auftauchen.254 Dagegen verwenden Serv. comm. 430,13 und Pomp. 147,12ff. die Bezeichnung adiectiva neben epitheta. Das heißt, dass die Überlieferung in (M) dem Inhalt nach Don. mai. und Diom. näher steht, die in der Handschrift Ρ hingegen den Donatkommentaren Serv. comm. und Pomp.; (M) präsentiert also eine ältere Terminologie, Ρ eine jüngere. Dieser Befund bestätigt sich, wenn man die Verwendung des Wortes adiectivum generell bei den lateinischen Grammatikern untersucht. Denn als terminus technicus für die nomina mediae signiftcationis findet sich bis zum ausgehenden 4. Jh. ausschließlich epitheton und nirgends adiectivum.2" Der früheste Beleg für diesen Begriff ist Macr. sat. 1,4,9.256 Ab dem 5. Jh. findet sich dann auch adiectivum häufiger in grammatischen Traktaten. Für den Wortlaut des vorliegenden Textes bedeutet dies, dass hier urprünglich wohl adiecta nominibus gestanden hat und dieser Ausdruck im Überlieferungsprozess bei einigen Textzeugen durch das sich verbreitende adiectiva ersetzt worden ist. Die Variante von (M) ist daher zu bevorzugen. Allerdings scheint mir ein korrespondierendes alii ... alii naheliegender als das in (M) überlieferte aliis adiecta nominibus alii epitheta esse voluerunt. Es ergibt sich dann eine doppelte Möglichkeit, die nomina mediae signiftcationis zu benennen, nämlich zum einen adiecta nominibus, zum anderen epitheta. Dies entspricht auch am ehesten der Aussage von Don. mai. 616.7f.

11,7

ut doctus,

pulcher,

felix:

Die Überlieferung von Ρ und (M) weicht an dieser Stelle

voneinander ab. Die Handschrift Ρ hat doctus, pulcher, infelix als Beispiele für die nomina qualitatis, (M) dagegen doctus, magnus, felix, pulcher. Standardbeispiele sind nach Don. mai. 616,9 jedoch bonus und malus. Diese finden sich zwar nicht im vorliegenden Text, wohl aber

253

254

255

256

Don. mai. 616,7f.: sunt alia mediae significationis et adiecta nominibus, ut magnus, fortis: dicimus enim 'magnus vir', 'fortis exercitus'; haec etiam epitheta dicuntur. Vgl. Consent, gramm. V 340,8ff.; Expl. II 539,8ff.; Cled. 36,12ff. Diom. gramm. I 323,2ff.: quaedam mediae potestatis, quae adiecta nominibus significationem a coniunctis sumunt, ut magnus fortis. haec enim per se nullum habent intellectum et ideo a quibusdam adiectiones dicuntur. sunt quae a Graecis epitheta dicuntur... Quintilian hat 4 mal epitheton, Porphyrio 14 mal, Servius in seinem Vergilkommentar über 100 mal. Siehe auch ThLL Bd. 1, Sp. 676,24ff. s. v. 'adiectivus'. Siehe dazu auch: S. DlEDERJCH, Der Horazkommentar des Porphyrio im Rahmen der kaiserzeitlichen Schul- und Bildungstradition, Berlin/New York 1999, S. 149ff. Macr. Sat. 1,4,9: adiectivum, quod Graeci έπίθητον vocant.

170

Kommentar

in einigen anderen Kommentaren zu Donats Ars. Dort wird dann aber noch eine Differenzierung der nomina qualitatis in die drei Kategorien ab animo, α corpore und extrinsecus vorgenommen.257 Eine entsprechende Stelle findet sich im vorliegenden Text weiter unten (16,1 Off.).258 Von den Beispielen, die zu den einzelnen Kategorien angeführt werden, sind durch Übereinstimmung der Kommentare doctus für ab animo, niger fur a corpore und felix, fortunatus für extrinsecus als Standard ausgewiesen. Daher scheint mir felix einen höheren Anspruch auf Authentizität zu haben als infelix, die Lesart in P. Das sonst in diesem Zusammenhang nicht erwähnte pulcher ordnet der Text (16,11) der Kategorie a corpore zu. Dagegen wird das an dieser Stelle von (M) überlieferte magnus in keiner anderen Grammatik als Beispiel für ein nomen qualitatis angeführt. Dass dies auch nicht der richtige Platz für magnus ist, bestätigt Don. mai. 616,9, wo magnus den nomina quantitatis zugeordnet ist. An der Überlieferung von (M) fällt weiterhin auf, dass die Reihenfolge der Beispiele nicht der üblichen Abfolge der Kategorien ab animo, α corpore, extrinsecus entspricht und felix als Exempel für extrinsecus vor pulcher, dem Beispiel für α corpore, erscheint. Warum (M) in der beschriebenen Weise von der Tradition abweicht, ist schwer zu sagen. Der Gedanke, dass der Verfasser des Textes hier die Reihenfolge bewusst vertauscht und magnus hinzugefügt hat, um magnus und felix nebeneinander zu stellen und so in der verdeckten Junktur magnus Felix den Hl. Felix nach Art des Paulinus von Nola hervorzuheben, ist letztlich nicht zu beweisen.259 Wenn dem so wäre, könnte auch die Lesart in (M) dem urprünglichen Wortlaut entsprochen haben, der dann in der Überlieferung zu dem in Ρ tradierten Text durch Streichung von magnus und Berichtigung der Reihenfolge 'normalisiert' worden ist. Ansonsten ist aber der Lesart in Ρ mit der oben erörterten Konjektur felix statt infelix der Vorzug zu geben. 11,8 ut longus, brevis, latus: Don. mai. 616,9 führt hier zwar die Beispiele magnus und parvus an260; dennoch sind durch Serv. comm. 430,16f. zumindest auch longus und latus als Exempel für die nomina quantitatis bezeugt, brevis findet sich zwar in keiner anderen Grammatik in diesem Zusammenhang. Da das Adjektiv aber lediglich der Gegensatz zu longus ist und vom vorliegenden Text auch weiter unten (16,13) als nomen quantitatis genannt wird, besteht kein Grund zum Zweifel an der Authentizität von brevis. 11,8f. ut Graecus, Italus, Gallus: Don. mai. 616,10 und Serv. comm. 430,17 haben als Beispiele für die nomina gentis die Begriffe Graecus und Hispanus. Darüber gehen der 257 258

259

260

Serv. comm. 430,14ff.; Pomp. 147,21ff; Cled. 36,19. 1 6,1 Off.: appellativa, quae aut a qualitate veniunt in trespartes divisa: in animum, utprudens honestus; in corpus, ut niger pulcher; extrinsecus, ut fortunatus felix; aut a quantitate... Vgl. Paul. Nol. caim. 26,395: quamlibet extinctae recalent vestigia flammae mentibus et magni cumulant Felicis amorem. Vgl. auch Pomp. 147,24ff.

171

De nomine

vorliegende Text an dieser Stelle und Pomp. 147,33 hinaus, indem sie beide Italus und Gallus, Pomp, sogar noch Afer als Exempel anführen. Diese Ausweitung der Beispiele kann aufgrund ihrer Trivialität unabhängig voneinander erfolgt sein. Vielleicht beruht sie aber auch auf einem persönlichen Hintergrund; so könnte es sein, dass etwa Pomp, das Beispiel Afer hinzugefügt hat, weil er selbst in Afrika gelebt hat.261 Schließlich ist es auch denkbar, dass die Erweiterung der Beispiele auf einer literarischen Vorlage beruht; als solche käme eine Augustinus-Stelle in Betracht.262 11,9f. ut Alexandrinus, Romanus: Standardbeispiele für die nomina patriae sind nach Don. mai. 616,10 Thebanus und RomanusDagegen

findet

sich Alexandrinus in vergleichbarem

Zusammenhang nur bei Prise, gramm. II 76,10 und 82,1. Wenn man davon ausgeht, dass der Text selbstständig Alexandrinus an die Stelle von Thebanus gesetzt hat, dann stellt sich die Frage nach der Motivation des Verfassers. Natürlich lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen, dass hinter der Auswahl des an dieser Stelle unüblichen Beispiels Alexandrinus ein tieferer Sinn steht. Und selbst wenn dies der Fall ist, dann können die Gründe dafür so vielfaltig sein, dass es schwer fallt, sich mit Bestimmtheit auf einen festzulegen. Eine Möglichkeit jedoch, die sich wie schon an anderer Stelle auch hier aufdrängt, ist die eines christlichen

Hintergrundes.

Zieht

man

diesen

in

Betracht,

kann

sich

folgender

Erklärungsansatz ergeben: Alexandrinus steht in christlichen Texten seit dem 4. Jh. vor allem für die Kirche von Alexandria. Diese nimmt spätestens seit dem Konzil von Nicäa (325 n. Chr.), durch das die Rechte der Metropoliten, d. h. der Bischöfe der politischen Hauptstadt einer Provinz, bestätigt worden sind, eine Sonderstellung neben den Kirchen von Rom, Jerusalem und Antiochien ein.264 Im 4. und 5. Jh. spielt die Kirche von Alexandria, vertreten durch bedeutende Bischöfe wie Athanasius und Cyrill, eine besondere Rolle im Arianismusstreit und in den christologischen Auseinandersetzungen. Sie zeichnet sich in Athanasius' Kampf für die volle Gottheit Jesu Christi und Cyrills Verfechtung der Gottesmutterschaft Marias durch eine dogmatisch strenge Theologie aus.265 Dies spiegelt sich in der zeitgenössischen Literatur wider. Seit Ambrosius werden bei verschiedenen christlichen Autoren die Bischöfe von Alexandria immer wieder als Autoritäten in theologischen Fragen erwähnt.266 Ein Zusammenwirken mit der Kirche von Rom tritt vor allem im Rahmen des

261

262

263 264

265 266

Zu Pompeius' Herkunft siehe etwa: SCHANZ-HOSIUS-KRUGER, Geschichte der römischen Literatur Bd. 4,2, S. 209; KASTER, Guardians, S. 343f. Aug. c. Iulian. op. imperf. 2,33: in his sunt, ut alios taceam, Afer Cyprianus, Gallus Hilarius, Italus Ambrosius, Graecus Gregorius, ... Diom. gramm. I 322,15; Serv. comm. 430,18; Pomp. 149,10. A. DEMANDT, Geschichte der Spätantike, Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian 284-565 η. Chr., München 1998, S. 419f.; J. MARTIN, Spätantike und Völkerwanderung, München 31995, S. 127f. DEMANDT, Spätantike, S. 413f. und 436ff; MARTIN, Spätantike, S. 139f. Siehe etwa Ambr. epist. 9,4; Rufin. apol. ad Anast. 8; Aug. epist. 44,3 (CSEL 34) p. 114,12ff.; Hier. vir. ill. 71.

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Kommentar

Konzils von Ephesus im Jahr 431 hervor.267 Dort beziehen Coelestin, der Bischof von Rom, und Cyrill von Alexandrien gemeinsam Position gegen Nestorius, den Patriarchen von Konstantinopel, und erreichen dessen Verurteilung, weil er im Streit um das Wesen Jesu Christi die Ansicht vertreten hatte, Maria habe nur seine menschliche, nicht seine göttliche Natur geboren und könne darum nur Christusgebärerin, nicht Gottesgebärerin genannt werden. In den Quellen, die dieses Ereignis überliefern, stehen Alexandrinus und Romanus als Herkunftsbezeichnungen der beiden Bischöfe mehrfach nebeneinander.268 Es scheint daher möglich, dass dieses Geschehen, das auf das Bewusstsein der Zeitgenossen massiv eingewirkt hat269, oder ein vergleichbares, das uns nicht so gut überliefert ist, den Verfasser des vorliegenden Textes veranlasst haben, an dieser Stelle das Standardbeispiel Thebanus gegen Alexandrinus und Romanus auszutauschen. Diese Interpretation, nach der die Bedeutung der Kirche von Alexandria in den christologischen Auseinandersetzungen der Grund dafür ist, dass Alexandrinus in einer Schulgrammatik wie der vorliegenden anstelle eines Beispiels steht, das durch die grammatische Tradition als Standard ausgewiesen ist, ist allerdings nur für die Zeit bis zur Mitte des 5. Jhs. wahrscheinlich. Denn nach dem Konzil von Chalcedon im Jahr 451, das den alexandrinischen Patriarchen Dioskur, den Nachfolger Cyrills, wegen seiner rigorosen Thesen zur uneingeschränkten göttlichen Natur Jesu Christi verurteilt hat, entwickelt sich die Kirche von Alexandria zusehends zu einer koptischen Landeskirche und verliert innerhalb der Reichskirche an Bedeutung.270 Dies schlägt sich in der christlichen Literatur darin nieder, dass Alexandria nicht mehr annähernd so häufig erwähnt wird wie noch im 4. und frühen 5. Jh.271

11,14 ut soror, frater: Standardbeispiele für die nomina ad aliquid dicta sind nach Don. mai. 617,3 pater und frater.272 Dagegen findet sich soror in keiner anderen Grammatik in diesem Zusammenhang. Es handelt sich zwar um ein naheliegendes Beispiel, das vom Verfasser ohne tieferen Sinn für das sonst übliche pater gesetzt worden sein kann, dennoch ist auch hier ein christlicher Hintergrund denkbar. Denn die Exempel des vorliegenden Textes soror und frater 267

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Darauf, dass die Kirchen von Alexandria und Rom damals im Bewusstsein der Zeitgenossen eng zusammengehört haben, scheint Rufin. hist. 4 capitula hinzudeuten. Denn die hier aufgelisteten Überschriften fur das folgende Buch zeigen, dass die herausragender Vertreter der beiden Kirchen stets in ein und demselben Kapitel vorgestellt werden, während den Bischöfen von Antiochien und Jerusalem ein separater Abschnitt gewidmet ist. Scytha monachus anonymus, disputatio 4a: Nestorii blasphemiarum capitula, quibus litteris ad se missis a sanctis Caelestino Romanae urbis episcopo et Cyrillo Alexandrine contradicit. Vgl. auch Collectio quae dicitur 'Palatina' primaria 3c; Epist. ad Fulg. Rusp. 16,12. Die Bedeutung des Ereignisses fur die Zeitgenossen zeigt sich auch darin, dass Papst Sixtus III. nach der Verurteilung des Nestorius in Rom zur Verehrung Marias die Kirche Santa Maria Maggiore errichten ließ. MARTIN, Spätantike, S. 140; C. SCHNEIDER, Geistesgeschichte der christlichen Antike, München 1970, S. 346ff. Wenn die Kirche von Alexandria wie etwa bei Fulg. Rusp. praedest. 2,43 zu späterer Zeit noch erwähnt wird, dann zumeist im Rückblick auf die großen Bischöfe von Alexandria im 4. und 5. Jh. Diom. gramm. 1322,27; Serv. comm. 430,21; Pomp. 148,12.

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stehen gerade bei christlichen Autoren sehr häufig nebeneinander. Dies ist besonders dann der Fall, wenn die Worte Jesu quicumque enim fecerit voluntatem Patris mei, qui in caelis est, ipse meus frater et soror et mater est (Vulg. Matth. 12,50) zitiert werden.273 ll,16f. ut dies, lumen, nox, tenebrae, nigrum, album·. Don. mai. 617,3f. hat als Beispiel für die nomina ad aliquid dicta qualiter se habentia das Gegensatzpaar dexter und sinister. In den Kommentaren zu Donats Ars findet sich daneben noch niger und Candidus,214 wofür im vorliegenden Text nigrum und album steht. Darüber hinaus sind hier noch die beiden Gegensatzpaare dies/nox und lumen/tenebrae vorhanden, von denen lediglich dies/nox bei Pomp. 148,26 bezeugt ist. Ansonsten gibt es bei lateinischen Grammatikern keine Parallelstellen, die der Verwendung dieser Beispiele entsprechen. Daher können zumindest tenebrae/lumen und nigrum/album als eine selbständige Erweiterung des von der Tradition vorgegebenen Beispielsrepertoires durch den vorliegenden Text interpretiert werden. Die Auswahl der Beispiele könnte auch hier auf einer christlichen Motivation beruhen. Es handelt sich nämlich bei allen drei Paaren um Begriffe, die in christlichen Texten häufig nebeneinander stehen. Dort bezeichnen sie gewöhnlich in einer metaphorischen Verwendung der Gegensätzlichkeit von Licht und Dunkel die Sündhaftigkeit alles Menschlichen auf der einen Seite sowie das Erlösungswerk Gottes auf der anderen.275 Die Gegensätze nox/dies und tenebrae/lumen sind christlichen Autoren also in besonderer Weise präsent und werden von ihnen bevorzugt als Vergleich verwendet, wenn es um andere konträre Dinge geht.276 Zu der traditionellen Licht-/Dunkel-Metapher gehört auch der Gegensatz nigrum/album, der in dieser Hinsicht mehrfach in christlichen Texten überliefert ist.277 Im Vergleich zur artigraphischen Tradition fällt an nigrum/album im vorliegenden Text zweierlei auf: zum einen dass es für das

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Vulg. Matth. 12,50 und Vulg. Marc. 3,35. Siehe etwa Ambr. in Luc. 10,261; Ruf. Orig. in gen. 5,6; Aug. serm. 10,59 (Augustinus zitiert die Bibelstelle insgesamt 14 mal); Hier, in Gal. 2 p. 412,41; Beda Sam. 1,1 (CCSL 119) p. 20,369ff. Es fällt auf, dass die Zitate der Bibelstelle zeitlich in das 4. und frühe 5. Jh. fallen und dann erst wieder ab der zweiten Hälfte des 6. Jhs. erfolgen. Serv. comm. 430,22; Pomp. 148,26. Vulg. I Thess. 5,5: omnes enim vos filii lucis estis etfilii diet, non sumus noctis neque tenebrarum; Vulg. loh. 8,12: ego sum lux mundi; qui sequitur me, non ambulabit in tenebris, sed habebit lucem vitae; Ambr. hex. 5,24,86: a fide devii perpetuae caecitatis tenebris implicantur habentes in proximo diem Christi et turnen ecclesiae (Ambr. Noe 34,128); Aug. in evang. loh. 35,1: de verbis domini Iesu Christi: ego sum lux mundi; qui me sequitur, non ambulabit in tenebris, sed habebit lumen vitae; Aug. trin. 4,6,10: fiiistis enim aliquando tenebrae, nunc autem lux in domino, insinuat nobis quodam modo quod a nocte dies sumat initium. Hier, in eccles. 2,13 1. 255f.: differentiam inter illam (sc. sapientiam) et stultitiam esse cognovi, quantum potest distare dies α nocte, lumen α tenebris. Symph. 8,1: nox ego sum facie, sed non sum nigra colore / inque die media tenebras tarnen affero mecum / nec mihi dant stellae lucem nec Cynthia lumen; Aug. civ. 21,4: congruit tarnen luci quod album est, sicut nigrum tenebris ... etsi enim lapides et ligna diversa sunt, contraria tarnen non sunt, sicut album et nigrum; Aug. in evang. Ioh. 35,1: tenebrae metuendae sunt morum, non oculorum, et oculorum, non exteriorum, sed interiorum, unde discemitur non album et nigrum, sed iustum et iniustum; Hier, in psalm. 101: scimus, quia corvus niger est et nihil habet in se album, hyperbolice voluit dicere, quod factus sum sicut nycticorax. si ergo in die niger est, quanto magis in nocte? ... dies mei sicut umbra declinaverunt. si dies, quanta magis nodes, hoc est, si lumen, quanto magis tenebrae?

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Kommentar

sonst übliche niger/candidus steht, zum anderen dass beide Begriffe nicht als Adjektive, sondern als Substantive angeführt werden. Dies könnte ebenfalls mit einem christlichen Hintergrund des Beispiels zusammenhängen. Denn bei christlichen Schriftstellern ist nigrum/album deutlich häufiger belegt als niger/candidus278 und mehrfach in substantivierter Form.279 Von den lateinischen Grammatikern weist nur Prob. inst, hier gewisse Parallelen mit unserem Text auf.280 11,18 ad collationem luminis: Der Ausdruck ad collationem ist bei den lateinischen Grammatikern sonst nicht belegt. Diese haben stattdessen nur ex collatione oder in collationem venire.281 In der Literatur bis zum 3. Jh. findet sich ad collationem nur ein einziges Mal bei Sen. nat. 4,11,5, dort aber eingebunden in die Wendung ad collationem venire. In gleicher Weise wird ad collationem auch von Augustinus zweimal verwendet.282 Dagegen ist das einfache ad collationem (alicuius rei) ohne venire in der Bedeutung „im Vergleich zu", wie es der vorliegende Text an dieser Stelle hat, nur einmal bei Beda bezeugt.283 11,20 usurpantur: Das Verb usurpare ist ein grammatischer Fachbegriff· In Servius' Vergilkommentar kann es sowohl im Sinn von contra artem dicere auf einen abweichenden Sprachgebrauch hinweisen als auch synonym zu uti stehen.284 Im vorliegenden Text wird usurpare eher in der neutralen Bedeutung von uti verwendet.285 ll,21f. quid tarn contrarium est quam: Die Formulierung stimmt mit Pomp. 148,29 fast wörtlich überein.286 12,3 sunt alia generalia, ut ars Standardbeispiel für die nomina generalia sind nach Don. mai. 617,5 die Begriffe corpus und animal?*1 Char. 197,15 hat darüber hinaus noch arbor, Prob. inst, gramm. IV 119,27 avis und arbor. Die Auswahl dieser Beispiele hängt eng mit denen der nomina specialia zusammen, 278

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nigrum/album steht häufig im Zusammenhang mit Vulg. Matth. 5,36: neque per caput tuum iuraveris quia non potes unum capillum album facere aut nigrum. Dagegen ist niger/candidus, wie ζ. B. Aug. serm. 146 (PL 38) c. 797,29, deutlich seltener. Siehe ζ. B. Aug. civ. 21,4 (Anm. 277). Prob. inst, gramm. IV 57,21: illa sunt qualitatis materiae nomina quae, quale sit quid, demonstrant, hoc est iustum an iniustum, album an nigrum. Exc. Bob. gramm. I 556,7; Dosith. gramm. 27,6; Pomp. 150,34; Cled. 48,9; 48,19. Aug. c. Iulian. 3 (PL 44) c. 704,8; Aug. c. Iulian. op. imperf. 2,216. Beda Sam. 1,4(CCSL 119)p. 44,1352. UHL, Servius, S. 265f. Außer an dieser Stelle noch 26,2. Pomp. 148,29: quid tarn contrarium vivo quam mortuus? niger Candidus, dies nox. Serv. comm. 430,24 (animal)·, Pomp. 148,32 (animal); Expl. II 536,29 (corpus, animal); Consent, gramm. V 341,24 (corpus, animal).

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weil jene den Oberbegriff, diese die untergeordneten Kategorien bezeichnen. So zählt etwa Pomp. 148,32 homo, caballus und burdo als Bestandteile auf, die zu der allgemeinen Bezeichnung animal gehören. Der vorliegende Text orientiert sich in der Auswahl des Beispiels nicht an der artigraphischen Tradition und fuhrt als nomen generale den Begriff ars und als die dazugehörigen nomina specialia die Disziplinen medicina, rhetorica und grammatica auf (12,4). 12,4 ut medicina, rhetorica, grammatica: Die Beispiele fur die nomina specialia richten sich bei den Grammatikern nach den Beispielen der zuvor genannten nomina generalia, weil diese den Oberbegriff für jene bilden. Daher tauchen gewöhnlich zu animal als dem Standardbeispiel für ein nomen generale verschiedene untergeordnete Begriffe wie homo, canis, equus, taurus oder corvus als Belege auf, oder zu arbor die Wörter laurus, pinus, fi-axinus.m

Da der vorliegende Text aber mit ars ein in der grammatischen Tradition

unübliches Beispiel für ein nomen generale wählt, weicht er auch durch die Begriffe medicina, rhetorica und grammatica, die als Exempel zu dem Oberbegriff ars gehören, von den anderen Grammatikern ab. Dass damit einzelne Disziplinen gemeint sind, die zusammen mit anderen die Wissenschaft an sich (ars) bilden, ist ohne weiteres ersichtlich. Es stellt sich jedoch die Frage, warum der Text gerade medicina, rhetorica und grammatica aus den zahlreichen Fachwissenschaften auswählt und insbesondere warum er medicina neben Rhetorik und Grammatik stellt. Eine Antwort darauf kann sich nur auf dem Hintergrund der allgemeinen Entwicklung der Fachwissenschaften in der griechischen und römischen Antike ergeben. Schon in hellenistischer Zeit hat sich ein Kanon von Wissenschaften entwickelt, die als notwendig für den Erwerb einer allgemeinen Bildung erachtet worden sind.289 Zusammensetzung und Anzahl der einzelnen Fächer waren zu dieser frühen Zeit jedoch noch unterschiedlich. Dennoch kristallisierte sich recht bald eine Siebenzahl (Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musiktheorie) heraus. Klassisch wurde dieser Kanon der artes liberales aber erst in der Spätantike, namentlich bei Boethius (5./6. Jh.), der auch die grundlegende Zweiteilung der Fächer in 'Trivium' (Grammatik, Rhetorik, Dialektik) und 'Quadrivium' (Arithmetik, Geometrie, Astronomie, Musiktheorie) eingeführt hat. Von jetzt an kam es nicht mehr vor, dass einzelne Disziplinen gegen andere Fächer wie Recht, Architektur oder Medizin ausgetauscht worden sind. Wenn man dies berücksichtigt, dann deutet die Tatsache, dass medicina im vorliegenden Text neben rhetorica und grammatica als eine ars aufgeführt wird, auf eine Zeit hin, die vor der Kanonisierung der Siebenzahl durch Boethius liegt. Andernfalls wäre der Text der einzige Beleg nach Boethius, der medicina als 288

289

Don. mai. 617,5 (lapis, homo, lignum); Serv. comm. 430,25 (canis, homo, equus)·, Pomp. 148,33 (homo, corvus); Char. 197,16 (homo, equus, taurus, laurus, pinus, fraxinus); Expl. II 536,29 (homo, lapis); Consent, gramm. V 341,25 (lapis, homo). Siehe dazu und zum Folgenden: U. LINDGREN, Art. 'Artes liberales', in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik Bd. 1 (1992), Sp. 1080ff.

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Kommentar

eine ars neben den klassischen Disziplinen nennt. In der Zeit vor Boethius ist es dagegen durchaus möglich, dass die Medizin neben den anderen Fächern unter der Bezeichnung ars erscheint, obwohl ihre Zugehörigkeit auch hier umstritten ist.290 So wird sie von Varro in seinen Disciplinarum libri zusammen mit der Architektur als eine Wissenschaft behandelt, die gleichberechtigt neben den anderen sieben Fächern steht. Cicero rechnet sie zu den artificia et quaestus, quae liberales habendi sint und bei Seneca d. J. erscheint sie neben Grammatik, Geometrie und Astronomie als eine liberalissima ars.29' Dagegen fehlt sie bei anderen Autoren wie etwa Quintilian.292 Für die Zeit unmittelbar vor Boethius, d. h. das 4./5. Jh. ergibt sich ebenfalls ein widersprüchliches Bild. Denn einerseits wird die medicina explizit aus dem Kanon der artes ausgeschlossen, wie etwa bei dem um 400 schreibenden Martianus Capeila293, andererseits taucht sie weiterhin auch im Zusammenhang mit den anderen Disziplinen auf, wie etwa bei Hieronymus.294 Dass medicina zu dieser Zeit noch unter den artes gefuhrt werden kann, wird auch durch kaiserliche Erlasse des 4. und 5. Jhs. bestätigt, in denen Ärzte hinsichtlich der Befreiung von staatlichen Lasten mit Lehrern der Grammatik, Rhetorik und Philosophie gleichgestellt werden.295 Daher ist zur Auswahl des Beispiels medicina im vorliegenden Text zusammenfassend zu sagen, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass der Verfasser die Medizin, auch wenn er eine besondere Affinität zu ihr haben sollte296, nach Boethius noch als ars neben der Rhetorik und der Grammatik anführt. Dagegen erscheint dies im 4. und 5. Jh. durchaus denkbar. Die Verwendung von medicina ist daher auch ein wichtiges Argument gegen die Verfasserschaft Cassiodors, und zwar nicht nur, weil dieser in die Zeit nach Boethius gehört und deshalb die Medizin in seinen Institutiones nicht als eine selbstständige ars behandelt, sondern auch, weil er ihr gegenüber eine eher skeptische Haltung vertritt297, die dem bevorzugten Gebrauch im vorliegenden Text widerspricht. 290

Siehe dazu F. KÜHNERT, Allgemeinbildung und Fachbildung in der Antike, Berlin 1961, S. 3-41, insbesondere S. 37f. 291 Cie. off. I 150f.; Sen. epist. 95,9f. 292 Quintilian behandelt im ersten Buch seiner Institutio oratoria zunächst die Grammatik und im Anschluss daran die übrigen Fächer der Εγκύκλιο? παι&ί,α, abgesehen von der Rhetorik, der die ganze Schrift gewidmet ist, und der Dialektik, die in Buch 12 behandelt wird. Die Medizin taucht unter den artes jedoch nicht auf. 293 Mart. Cap. 9,891. 294 Hier, epist. 53,6 reiht unter die Vertreter der artes liberales auch die medici ein. Hier. adv. Pelag. 1,22 hat die medicina ebenfalls zusammen mit den anderen sieben artes und darüber hinaus noch mit der scientia iuris. Bei Augustinus fehlt die Medizin zwar, wo er über die von ihm geplante Enzyklopädie der artes liberales spricht (Aug. retract. 1,5,6; Aug. ord. 2,35-42), dennoch bezeichnet er die medicina wiederholt als eine ars und lässt ihr eine gewisse Wertschätzung zukommen (Aug. vera relig. 17; Aug. vera relig. 28; Aug. in psalm. 125,14). Siehe dazu: J. COURTES, Saint Augustin et la medecine, in: Augustinus magister, L' Annee theologique augustinienne Suppl., Paris 1954, 43-51. 295 Cod. Theod. 13,3,1 (321/4 n. Chr.); 13,3,3 (333 n. Chr.); 13,3,16 (414 n. Chr.); 13,3,17 (414 n. Chr.). 296 Eine Vorliebe des Verfassers fur medicina ließe sich damit begründen, dass er außer an dieser Stelle noch zwei weitere Male den Begriff in einem Zusammenhang anfuhrt, in dem ihn die artigraphische Tradition sonst nicht als Beispiel vorsieht (8,7; 28,4). 297 Vgl. Cassiod. inst. 1,31.

De nomine

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12,4f. alia verbialia, quae de verbis fiunt, ut dictor, procurator: doctor und lector sind nach Don. mai. 617,5f. die Standardbeispiele für die nomina verbialia.29* Das Wort dictor haben abgesehen vom vorliegenden Text noch Cled. 37,7 und Consent, gramm. V 340,17. Die Tatsache, dass dictor auch sonst noch belegt ist, lässt vermuten, dass es sich um keine im Überlieferungsprozess entstandene falsche Abschrift von doctor handelt, wie man vielleicht zunächst meinen könnte.299 Das Substantiv dictor kommt in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nicht vor. Dagegen haben es christliche Schriftsteller mehrfach, allen voran Augustinus.300 Dieser beschäftigt sich in seiner Schrift De doctrina christiana unter anderem mit der Frage, was einen christlichen Redner speziell auszeichnen sollte. In diesem Zusammenhang verwendet er häufig dictor neben doctor und orator als Bezeichnung für einen Verkünder der christlichen Botschaft.301 An anderer Stelle nennt er den Heiligen Geist einen laudationis auctor et dictor per prophetam.302 Hier wird deutlich, dass dictor, wenn es bei Augustinus auftaucht, zumeist neben einem anderen Substantiv steht, das ebenfalls von einem Verb gebildet ist, wie etwa doctor, lector oder auctor. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass dictor als Beispiel für ein nomen verbiale aufgrund einer literarischen Vorlage, wie sie etwa die genannten Stellen bei Augustinus darstellen, in die artigraphische Tradition gelangt ist. Der vorliegende Text ist neben Cled. 37,7 und Consent, gramm. V 340,17 der früheste Beleg dafür. Zeitlich beschränkt sich die Möglichkeit einer literarischen Vorlage allerdings auf das 5. Jh., weil Ennodius der letzte christliche Autor ist, bei dem dictor bezeugt ist.303 Dagegen kommt es im 6. Jh. etwa bei Boethius oder Cassiodor nicht mehr vor. Im Gegensatz zu dictor ist procurator sonst in keiner anderen spätantiken Grammatik als Beispiel für ein nomen verbiale belegt.

HOLTZ

sieht deshalb in der Verwendung von

procurator im vorliegenden Text ein Indiz für die Verfasserschaft Cassiodors, der aufgrund seiner Tätigkeit als kaiserlicher Beamter eine besondere Beziehung zu diesem Begriff gehabt und ihn deshalb als Beispiel in seine Grammatik aufgenommen habe.304 Er übersieht dabei aber, dass sich procurator nicht nur hier, sondern auch in anderen grammatischen Traktaten findet, und zwar dort im Zusammenhang mit der Erklärung des Begriffes pronomen, dessen Bedeutung aus dem Präpositionalausdruck pro nomine hergeleitet und durch das Beispiel

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300

301 302 303 304

Serv. comm. 430,26; Expl. 1497,9; Pomp. 149,1. Gegen einen Abschreibfehler spricht auch, dass dictor im folgenden erneut genannt wird und von den beiden Überliefemngsträgem Ρ und (M) übereinstimmend bezeugt ist. Außerdem haben mehrere frühmittelalterliche Grammatiken ebenfalls dictor im vorliegenden Zusammenhang (Anon. ad Cuim. 4,350; Ambr. 25,463; Tatu. 8,110f.). Augustinus hat dictor insgesamt 10 mal; außerdem ist es jeweils 1 mal bei Johannes Cassianus, Hieronymus und Ennodius bezeugt. Aug. doctr. Christ. 4,10; 4,15; 4,19; 4,26. Aug. inpsalm. 104,27. Ennod. epist. 5,7 p. 130,4. HOLTZ, Parisinus, S. 137.

178 curator/procurator

Kommentar gestützt wird.305 Außerdem ist procurator

in der Spätantike als

Amtsbezeichnung für kaiserliche Beamte ein so geläufiger Begriff, dass man ihn nicht nur mit der Person Cassiodors in Verbindung bringen kann. Dies spiegelt sich auch in der Verwendung von procurator in der Literatur wider: Augustinus hat das Wort 29 mal, Hieronymus 8 mal, Cassiodor dagegen nur 2 mal. Alles in allem gibt es daher auf die Frage, warum der Text hier das Beispiel procurator hat, keine konkrete Antwort. 12,6 hac lege: Das Wort lex wird im vorliegenden Text insgesamt 4 mal als Synonym zu regula verwendet.306 Im Vergleich zu Servius' Vergilkommentar ist dies auffällig, weil lex dort nur im juristischen Sinn vorkommt und die grammatische Gesetzmäßigkeit durch regula ausgedrückt wird.307 Dagegen stimmt Serv. comm. 429,29 und Serv. cent. 465,2 mit dem Gebrauch von lex im vorliegenden Text überein.308 Was jedoch die Häufigkeit von lex in diesem Sinn anbetrifft, kommt dem nur Serg. litt. nahe. Dort findet sich auch eine der vorliegenden Stelle entsprechende Formulierung mit hac lege, ut.m 12,6-9 ut gerendi modi Ultimi temporis ultimum litteram in or vertamus ...: Die hier vorgeführte Methode, nach der aus der Verbform des Gerundiums die Form des nomen verbiale gebildet wird, entspricht dem Verfahren von Serv. comm. 430,29 und Pomp. 149,2ff. 12,14 utrum 'cantor' dicatur an 'cantator': Sowohl cantor als auch cantator werden in anderen Grammatiken als Beispiele für nomina verbialia genannt.310 Die Frage, ob beide Substantive jeweils auf ein Verb zurückgehen und daher zurecht unter die nomina verbialia gerechnet werden, wird ebenfalls wiederholt diskutiert.311 Prob. inst. 181,22 einerseits sowie Pomp. 149,13ff. und der vorliegende Text andererseits geben jedoch unterschiedliche Anworten. Während letztere cantor und cantator auf die beiden Verben canere und cantare zurückführen, behauptet Probus, dass zwar cantator sich aus dem Verb cantare herleiten lasse, dass es aber zu cantor keine verbale Grundform gebe und es sich daher um kein nomen verbiale handele.

305

Expl. 1499,4; Pomp. 255,15ff.; Cled. 49,3. 30« 2 20 (lex adverbiorum); 45,16 (ex ablativi singularis lege); 61,4 (duarum partium (sc. nominis et verbi) leges). 307 Siehe oben den Kommentar zu 7,16 praedictae rationi. 308 Serv. comm. 419,29: (sc. in, sub, super et subter) apud maiores nostros indifferenter ponebantur, id est nulla lege servata. 309 Serg. litt. 482,19 (lex accentuum); 476,18 (digammos hanc legem habet)·, 476,31f. (semivocales hanc legem habent); (contra legem duarum litterarum); 483,1 Iff.: circumflexus accentus in disyllabis vel in trisyllabis vel in quantovis numero syllabarum paeneultimum sibi tantum vindicat locum, et hac lege, ut, ubifuerit hic accentus, paeneultima sit naturaliter longa. 310 Pomp. 149,1; Cled. 37,7; Expl. II 539,14. 311 Pomp. 149,13£f.; Prob. inst, gramm. IV 181,22ff.

De nomine

179

12,19 utrum ... aut\ Die disjunktive Partikel aut an Stelle der interrogativen an im zweiten Glied einer Doppelfrage findet sich schon bei Varro ling. 7,32, häufig dann auch im Spätlatein.312 12,19 quaeritur 'auctorDie

Frage, ob das Substantiv auctor auf ein Verb zurückgeht und

daher zu den nomina verbialia gerechnet werden kann, wird wiederholt in artigraphischen Traktaten behandelt.313 Die Antworten weichen allerdings voneinander ab. Der vorliegende Text vertritt die Auffassung, dass auctor seinen Ursprung nicht in einem Verb habe (12,20f.). Dies begründet er damit, dass auctor zum einen nicht mit dem in Betracht kommenden Verb augere semantisch übereinstimme (12,21-13,5) und zum anderen keine Entsprechung in der weiblichen Form auctrix habe (13,5-12). Man gewinnt daher den Eindruck, dass auctor nichts mit dem Verb augere zu tun hat und dass es das Substantiv auctrix nicht gibt. Dem entspricht die Aussage bei Exc. Bob. gramm. I 543,36 und Cled. 37,9, obwohl Cled. durch den einschränkenden Nachsatz licet aliquanta contra regulam auctoritate usurpata sint bereits andeutet, dass es Abweichungen von der hier geäußerten Regel gibt. Bei Char. 53,22ff., Prob, cath. gramm. IV 12,28 und Serv. Aen. 12,159 ist die Antwort auf die Frage, ob auctor von einem Verb kommt, hingegen eine andere. In diesen Texten wird zwischen zwei Erscheinungsformen von auctor differenziert: in der ersten, die dem vorliegenden Text entspricht, geht auctor auf kein Verb zurück, hat die Bedeutung 'Urheber' und bildet nicht die weibliche Entsprechung auctrix; in der zweiten kommt auctor von einem Verb, nämlich augere, heißt daher 'Vermehrer' und bildet die feminine Form auctrix. Diese Darstellung des Sachverhalts ist nicht nur differenzierter als die in unserem Text, sondern, zumindest was das Substantiv auctrix anbetrifft, auch korrekter. Denn das Wort kommt tatsächlich, wenn auch erst seit Tertullian, in der lateinischen Literatur vor.314 12,21 noη nos seducat: Der mit non oder ne verneinte Jussiv von seducere findet sich weder in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. noch bei den Grammatikern. Wenn das Wort seducere in artigraphischen Texten überhaupt vorkommt, dann nur als Beispiel für ein grammatisches Phänomen.315 Bei Donat, in den Kommentaren zu seiner Ars und in Servius' Vergilkommentar ist es überhaupt nicht bezeugt. Dagegen ist seducere bei christlichen Schriftstellern an sich schon häufig, besonders aber in der Form des verneinten Jussivs non/ne seducat. Hier steht der Ausdruck als eine Warnung vor dem Abweichen vom christlichen Glauben.316 Allein Augustinus hat 14 mal eine entsprechende Formulierung, wobei das 312 313 314 313

316

H. Sz. 11,466; H.-Sz. 11,546. Exc. Bob. I 543,36; Prob. cath. gramm. IV 12,28; Serv. Aen. 12,159; Cled. 37,9. Tertullian bat auctrix 8 mal, Chalcidius und Salvianus von Marseille jeweils einmal. Als Beispiel kommt seducere 4 mal bei Charisius, 1 mal bei Diomedes, 2 mal bei Caper und 1 mal bei Priscian vor. Vgl. etwa Paul. Nol. epist. 50,12; Hier, in Ier. 5,64 (CSEL 59) p. 353,4.

180

Kommentar

Pronomen je nach Zusammenhang te, nos oder m s lauten kann. Zeitlich lässt sich die Verwendung von seducere in diesem Sinn vom 4. Jh. bis zum 6. Jh. und darüber hinaus nachweisen.317 Ihre Häufigkeit in der Literatur erklärt sich vor allem dadurch, dass sie in der Vulgata als Übersetzung der griechischen Wendungen μή πλανηθητε und μή ΘροεισΘε auftaucht.318 13,2 ut scriptor: Das Nomen scriptor ist auch sonst als Beispiel für ein nomen verbiale in einzelnen Grammatiken belegt, allerdings kommt es weder bei Don. mai. selbst noch bei Serv. comm. vor, sondern erst in späteren Arbeiten, wie etwa bei Pomp. 149,6 und Expl. II 538,19. 13.6 prohibet: Die Verwendung von prohibet entspricht der in Servius' Vergilkommentar. Das Verb bringt den Anspruch der ars zum Ausdruck und zeigt auf, was falsch ist. Subjekt zu prohibet ist hier das Abstraktum regula', bei Servius steht allerdings neben prohibere stets natura.

319

13.7 ut praecursor:

Das Substantiv praecursor ist als Beispiel in der artigraphischen

Tradition nicht belegt. Auch in der lateinischen Literatur findet es sich bis zum 3. Jh. nur höchst selten.320 Dagegen kommt es in christlichen Texten von Tertullian an sehr häufig vor.321 Es bezeichnet dort gewöhnlich Personen, welche die Ankunft und das Wirken Jesu Christi vorbereitet haben, insbesondere Johannes den Täufer.322 In einem Paulusbrief steht praecursor auch als Beiwort fur Christus selbst, der den an ihn Glaubenden 'vorausgegangen ist'. 323 13,12 Virgilius testatur dicens: Die Wendung testatur dicens, mit der auf einen Schriftsteller, hier Vergil, als Autorität für ein grammatisches Problem verwiesen wird, verbindet den vorliegenden Text auf der einen Seite mit Servius' Vergilkommentar. Denn dort findet sich testatur dicens in der beschriebenen Funktion 17 mal324, während der Ausdruck in den anderen Donatkommentaren sonst nicht vorkommt. Auf der anderen Seite fallt auch hier die 317

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Die frühesten Belege für non/ ne seducat finden sich bei Lucifer v. Cagliari im 4. Jh., am Ende des 6. Jh. ist die Wendung noch bei Gregor dem Großen bezeugt. Vulg. Matth. 24,4: et respondens lesus dixit eis: Videte, ne quis vos seducat (Vgl. Vulg. Marc. 13,5); Vulg. IV reg. 18,29: haec dicit rex: non vos seducat Ezechias, non enim potent eruere vos de manu mea; Vulg. Col. 2,18: nemo vos seducat volens in humilitate et religione angelorum. UHL, Servius, S. 108f. Siehe ThLLBd. X,2 Sp. 520,38ff. s. v. 'praecursor'. Cie. Verr. II 5,108; Liv. 26,17,16; Plin. paneg. 76,7. Tertullian hat praecursor 8 mal, Ambrosius 2 mal, Augustinus 55 mal, Hieronymus 21 mal, Cassiodor 6 mal und Beda 67 mal. Ζ. B. Paul. Nol. carm. 6,20: hic et praecursor domini et baptista Iohannes; Aug. epist. 189,4 (CSEL 57) p. 134,4ff.; Aug. in evang. loh. 113,5; Hier, in Matth. 3,2 1. 221f.; Hier, tract, in Marc. 1 (CCSL 78) p. 453,63f. Vulg. Hebr. 6,20: ubi praecursor pro nobis introit lesus. Ζ. B. Serv. Aen. 3,694: testatur Vergilius dicens; Serv. Aen. 11,659: Sallustius testatur dicens; Serv. georg. 1,24: Horatius testatur dicens.

De nomine

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sprachliche Parallele zu christlichen Autoren auf, die testatur dicens sehr häufig verwenden, und zwar gewöhnlich als Verweis auf eine Autorität in Glaubensfragen.325 13,13f. alia participiis similia, ut sapiens, potens, demens, clemens: Von den Beispielen für die nomina participiis similia sind nach Don. mai. 617,6 und anderen Grammatiken sapiens, potens und demens als Standard ausgewiesen.326 Dagegen ist clemens, das der vorliegende Text als weiteres Beispiel ergänzt, weder bei Donat noch in den Kommentaren zu dessen Ars noch in Servius' Vergilkommentar als Exempel bezeugt. Da es sich um ein weitverbreitetes Adjektiv handelt, lässt sich über die Frage, warum es hier hinzugefügt worden ist, nur spekulieren. Ein christlicher Hintergrund erscheint auch in diesem Fall nicht abwegig, weil clemens bei den Kirchenschriftstellem ein häufig gebrauchtes Wort ist. Als Vorlage für die Auswahl des Beispiels könnte Aug. c. Maximin. 2,761 in Betracht kommen, weil clemens dort genauso wie im vorliegenden Text neben sapiens und potens steht.327 13,14 comparationem recipiunt: Die Wendung comparationem recipere haben in diesem Zusammenhang auch Serv. comm. 430,3If. und Pomp. 149,22f. 13,16 ut 'legens' non facit 'legentior', 'legentissimus': Entsprechendes findet sich in den Kommentaren zu Donats Ars nur bei Pomp. 149,24 und 149,33f. 13,17f. alia verbis similia, ut comedo contemplator: Die Substantive comedo und contemplator werden auch bei Don. mai. 617,6f. und in anderen Grammatiken als Beispiele für die nomina verbis similia verwendet.328 Sie gehören daher an dieser Stelle zum Standard der artigraphischen Tradition. 13,19f. certissimum est'. Der Ausdruck certissimum est findet sich bei den Grammatici Latini nur ein einziges Mal. Bei Donat, den Kommentaren zu seiner Ars und in Servius' Vergilkommentar ist er überhaupt nicht belegt. Dort steht anstatt certissimum est immer

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Ambrosius hat testatur dicens 28 mal, Cassiodor 19 mal, Hieronymus 31 mal und Cassiodor 29 mal. Siehe z. B. Aug. in evang. loh. 96,1: propheta testatur dicens; Aug. serm. 293 (PL 38) c. 1328,21f.: dominus ipse testatur dicens; Aug. divers, quaest. 64,4: Iohannes evangelista testatur dicens', Aug. c. Faust. 5,3: testatur Iesus dicens. Don. mai. 617,6 (demens, sapiens, potens); Serv. comm. 430,30 (demens); Pomp. 149,19 (potens); Expl. II 539,16 (demens); Diom. 322,21 (demens, amens, sapiens, ingens). Aug. c. Maximin. 2 (PL 42) c. 761,38: sed dicis: dominus dominum genuit, deus deum genuit, rex regem genuit, creator creatorem genuit, bonus bonum genuit, sapiens sapientem genuit, clemens dementem, potens potentem. Don. mai. 617,6f. (comedo, palpo, contemplator, speculator); Serv. comm. 430,32f. (contemplator); Pomp. 150,13ff. (contemplator); Expl. II 539,18f. (comedo, palpo. contemplator, perseverator); Cled. 37,19ff. (comedo, palpo, verbero, contemplator, speculator); Diom. gramm. I 322,22 (contemplator, speculator, verbero, erro).

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Kommentar

certum est. Dagegen kommt certissimum est in der spätantiken Literatur häufiger vor.329 Allein Augustinus hat die Wendung 23 mal. 14,1 tinea: Bei den lateinischen Grammatikern ist tinea abgesehen von Prob. app. gramm. IV 198,19 als Beispiel nicht belegt. Das Wort kommt auch sonst in der paganen Literatur bis in die Spätantike hinein nicht besonders häufig vor. Nur wenige Autoren verwenden es mehr als ein einziges Mal.330 Dagegen wird tinea in der Heiligen Schrift vergleichsweise oft gebraucht; im Alten Testament findet es sich allein 10 mal, im Neuen Testament 4 mal.331 Deshalb taucht es dann auch in Texten christlicher Autoren häufiger auf als bei heidnischen Schriftstellern

3.2.3 De comparatione (14,3 - 20,14) Don. mai. 617,10-619,6; Serv. comm. 407,9-38; 430,36-431,25; Expl. 1491,7-492,36; Pomp. 150,32159,21; Cled. 10,29-11,6; 37,30-39,15. Das Kapitel De comparatione gliedert sich in fünf Teile, deren Aufbau sich weitgehend an dem Gerüst von Don. mai. 617,10-619,6 orientiert. Der erste Abschnitt (14,5-15,2) behandelt nach der einleitenden Definition des Begriffs comparatio das Problem der Anzahl der gradus comparationis und erörtert dann, warum es sinnvoll ist, den positivus unter die gradus zu rechnen. Im zweiten Abschnitt (15,3-16,8) geht es um die Formenbildung der einzelnen Steigerungsstufen im Nominativ Singular. Daran anschließend wird im dritten Abschnitt (16,9-17,11) dargelegt, welche Nomina steigerungsfähig sind. Der vierte Abschnitt (17,1219,5) ist eine Sammlung bunt aneinandergereihter Einzelaspekte, die im Zusammenhang mit der comparatio von Bedeutung sind. Hier geht es um die Nomina, die eine unregelmäßige Steigerung bilden (17,12-16), um die alternative Bezeichnung des positivus gradus als absolutus et perfectus (17,17-19), um Überschneidungen zwischen den einzelnen Steigerungsstufen (18,1-11), ferner um Substantive, die zwar äußerlich wie diminutiva aussehen, tatsächlich aber comparativa sind (18,12-14) sowie schließlich um die Steigerung mit Hilfe der Adverbien tarn, minus, minime, magis, maxime (18,14-19,5). Als Abschluss des gesamten Kapitels De comparatione widmet sich dann der fünfte Abschnitt (19,6-20,14) der

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Vgl. etwa Macr. somn. 1,20,8; Mart. Cap. 2,150; 3,152. Caesar hat tinea 2 mal, Cicero 4 mal, Horaz 2 mal, Ovid 2 mal, Plinius d. Ä. 7 mal, Vitruv 3 mal, Columella 3 mal, Quintilian 2 mal, Martial 4 mal, Ausonius 4 mal, Claudian 2 mal, Macrobius 2 mal. Vulg. lob 4,19; lob 13,28 (vestimentum quod comeditur a tinea)·, lob 27,18; psalm. 38,12; eccles. 42,13; Is. 14,11; Is. 50,9 (tinea comedet eos); Is. 51,8; Vet. Lat. Bar. 6,11; Vulg. Os. 5,12; Matth. 6,19 (nolite thesaurizare vobis thesauros in terra, ubi erugo et tinea demolitur)·, Matth. 6,20; Luc. 12,33; lac. 5,2 (vestimenta vestra a tineis comesta sunt). Tertullian hat tinea 3 mal, Ambrosius 22 mal, Augustinus 48 mal, Hieronymus 32 mal, Cassiodorus 4 mal.

De nomine

183

Frage, mit welchen Kasus die Steigerungsstufen von Komparativ und Superlativ verbunden werden, um die Bezugsgröße anzugeben, von der ein Vergleich ausgeht. 14,5 comparationis definitio haec est: elocutio alterum praeferens Die Definition von comparatio als elocutio alterum praeferens ist nur die verkürzte Version einer vollständigeren, die weiter unten erscheint: quod superius est sie definitum: comparatio est elocutio, quae ex alterius collatione alterum praefert (14,11-13). Durch den Rückverweis quod superius est sie definitum steht zu vermuten, dass auch am Anfang des Abschnitts De comparatione ursprünglich die vollständige Definition gestanden hat und dass diese erst im Nachhinein verkürzt worden ist. Dafür spricht auch Pomp. 150,32f., wo die Definition wörtlich mit der vollständigen Version des vorliegenden Textes übereinstimmt.333 Von den Donatkommentaren sind Pomp, und der Text die einzigen, die comparatio in dieser Form erklären.334 Beide signalisieren jedoch, dass es auch andere Definitionen gibt, Pomp. 150,34 durch die Aussage ita definierunt antiqui, der vorliegende Text durch den Nachsatz quamquam aliter definiant alii. Eine andere Version fhdet sich dementsprechend bei Expl. I 491,7f.: comparatio est res quae augmentum facit. Diese entspricht eher der von Prob. inst, gramm. IV 56,32f.335 als der im vorliegenden Text. In jüngeren Traktaten findet sich die Definition, wie sie der Text und Pomp, haben, etwa bei Isid. orig. 1,7,27 und Bon. 76,15ff.336 Pomp, und Expl. I gehen an dieser Stelle über unseren Text hinaus noch auf das Phänomen ein, dass die formale Steigerung eines Nomens inhaltlich dessen Verkleinerung zur Folge haben kann (ζ. B. pauper, pauperior).337 Darüber hinaus behandelt Pomp. 151,5-17 noch Wörter wie perfectus, die von Natur aus (naturaliter) nicht mehr steigerungsfahig sind. Entsprechendes bietet keiner der anderen Donatkommentare; das von Pomp, verarbeitete Material ist mit dem von Serv. Aen. 2,642 und 11,124 verwandt.338

14,7f. qui est doctus: doctus ist das Beispiel aus Don. min. 585,12f.; Don. mai. 617,1 Of. hat dagegen fortis. Serv. comm. 407,9f. und Pomp. 151,19f. verwenden ebenfalls doctus. Es ist

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334

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336

337 338

Pomp. 150,32f.: conparatio nominum ita definita est: conparatio est elocutio, quae ex alterius collatione alterum praefert. Die Definition liegt ganz offensichtlich aber auch Serv. comm. 407,12f. (omnis comparatio id agit, ut alterum praeferat) zugrunde. Prob. inst, gramm. IV 56,32f.: comparatio nominum scilicet appellativorum est, qua per gradus collationis nomina augmenta aut deminutiones aeeipiunt. Isid. orig. 1,7,27: conparatio dicta, quia ex alterius conparatione alterum praefert. Bon. 76,15ff.: sie definitur: conparatio est elocutio, quae ex alterius collatione alterutrum praefert. Expl. 1491,9-11; Pomp. 150,36-151,5. Pomp, sagt ausdrücklich, dass dieses Problem bei Donat nicht behandelt ist (Pomp. 151,5f.: plane quod hic non habes, hoc scire debes, hoc non dixit Donatus, quod verum est), und verweist auf eine „alte Abhandlung" als Vorlage (Pomp. 151,14: habes hoc in antiquo tractatu). Um welche es sich dabei handelt, kann nicht mit letzter Gewissheit rekonstruiert werden. Möglich ist, dass Pomp, an dieser Stelle auf Servius' Vergilkommentar fußt oder beide Texte eine gemeinsame artigraphische Quelle verwenden.

184

Kommentar

daher wahrscheinlich, dass diese Stelle aus dem Ars minor-Teil eines ursprünglich zweiteiligen Kommentars zu den Arles Donats hervorgegangen ist. 14,8praelaüvum, qui est doctior. Nach Don. min. 585,1 lf. und Don. mai. 617,lOf. gibt es die drei Steigerungsstufen positivus, conparativus und superlativus. In den Donatkommentaren wird dazu angemerkt, dass bei anderen Grammatikern (alii) auch eine Unterteilung in vier Grade vorkomme.339 Bestätigt wird dies durch ältere Traktate, die Kritik daran üben, dass doctior als Komparativ bezeichnet wird, weil durch diese Art der Steigerung eher eine Hervorhebung als ein Vergleich erfolge.340 Das Problem hängt also mit dem Verständnis des Begriffes comparare zusammen.341 Diejenigen, die ihn wörtlich nehmen und in dem Komparativ

doctior

einen

Vergleich

vermissen,

unterscheiden,

wie

Donatkommentaren hervorgeht, zwischen einem comparativus und einem

aus

den

praelativus.

Letzterer ist der, welcher bei Donat als Komparativ erscheint {doctior). Dagegen wird als comparativus eine Formulierung wie tarn doctus est hic quam ille bezeichnet, weil hier tatsächlich ein Vergleich zugrunde liege.342 Zu dieser Unterscheidung beziehen die Donatkommentare unterschiedlich Stellung. Während der vorliegende Text sie als Alternative zu Donat ohne eigenen Kommentar anführt, üben Serv. comm. 407,10-14 und Pomp. 151,36152,10 Kritik an ihr und sprechen sich ausdrücklich für die Dreiteilung Donats aus. Dagegen befürwortet Cled. 38,26-31 die offensichtlich ältere Unterscheidung von vier Graden.343 14,10f. quia non tarn comparare quam praeferre videtur: Die Formulierung stimmt fast wörtlich mit Pomp. 151,27 (non videor conparare sed praeferre sensum) und Cled. 38,27f. (non tarn ei videor alterum conparare quam praeferre) überein. 14,16 proprietatem

obtineant: Die Wendung proprietatem

obtinere ist weder in der

lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. belegt noch bei den lateinischen Grammatikern der Spätantike. Dagegen findet sie sich gelegentlich bei christlichen Autoren, vor allem im 5. Jh.:

339

340

341 342 343

14,7: alii quattuor dicunt gradus esse comparationis. Pomp. 151,18f.: quaesitum est de ipsis gradibus, essent gradus; multi dixerunt tres, mulli quattuor. Expl. II 539,31: alii quattuor (sc. dicunt gradus comparationis). Exc. Bob. gramm. I 536,18ff.: doctior non recte dicitur conparativus, cum alioqui non conparet, superponat. Dies entspricht Dosith. gramm. VII 398,1 Iff. Siehe JEEP, Redetheile, S. 152. 14,7-14; Serv. comm. 407,10-12; Pomp. 151,20-36; Cled. 38,26-31. Serv. comm. 407,12-14: sed errant: nam omnis conparatio id agit, ut alterum praeferat. ilia enim aequat similitude est potius quam conparatio. Pomp. 152,19f.: unde apparet quoniam illud falsum remansit ergo ut tres sint gradus, positivus conparativus superlativus. Cled. 38,30f.: ergo quattuor gradus.

quot esse sed

quae est. sunt

De nomine

185

Frühester Zeuge ist Chalcidius am Übergang vom 4. zum 5. Jh.344, spätester Johannes Maxentius am Anfang des 6. Jh.345 Dazwischen liegen zwei Belege aus dem 5. Jh.346 14,16f. respondendum est: In den Kommentaren zu Donats Artes ist respondendum est lediglich zweimal bei Cled. belegt.347 Bei den Grammatikern kommt sie außerdem nur noch einmal bei Marius Victorinus (4. Jh.) und 3 mal bei Priscian (6. Jh.) vor. Dagegen ist der Gebrauch von respondendum est bei christlichen Schriftstellern der Spätantike häufig. Dieser nimmt vom 4. zum 5. Jh. hin deutlich zu und geht dann im 6. Jh. wieder zurück.348 14,20f. casus dicuntur, quia faciunt nomen cadere: Eine vergleichbare Passage zu der Frage, warum auch der nominativus als casus zu bezeichnen ist, hat von den Donatkommentaren nur Pomp.; dort wird das Problem allerdings im Abschnitt De casibus erörtert, und zwar gleich an zwei Stellen.349 Wenn man diese mit dem vorliegenden Text vergleicht, dann fallt auf, dass die etymologische Herleitung des Begriffes casus in beiden fast wörtlich übereinstimmt.350 15,3-9 positivus gradus multas habet formulas... Der Vergleich zeigt, dass der vorliegende Text an dieser Stelle den traditionellen Aufbau verkürzt. Denn Serv. comm., Pomp, und auch Expl. I gehen bei den einzelnen Steigerungsstufen zunächst von den verschiedenen genera aus, die diese im Nominativ Singular bilden.351 Erst dann nennen sie wie der vorliegende Text die auslautenden Buchstaben (formae), die für jede Stufe im Nominativ möglich sind.352 Dies ist die Art und Weise, wie die Komparation in älteren Grammatiken des 4. Jhs. behandelt wurde. So sind bei Prob. inst, etwa zu jedem Steigerungsgrad erst die genera aufgeführt und dann für jedes einzelne genus die in Frage kommenden Endbuchstaben.353 Es ist daher zu schließen, dass aus der Schultradition ein Abschnitt zur formalen Seite der Steigerung in die Donatkommentare eingegangen ist, weil Donat selbst sich dazu nicht äußert. Wie Serv. comm. 407,14-19 zeigt, gehört jener Abschnitt in einem zweiteiligen Kommentar zur Ars minor. Die Vorlage, auf der die erhaltenen Traktate zurückgehen, dürfte im Aufbau dem entsprochen haben, was wir bei 344 345

344

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349 350 351 352 353

Chalc. transl. p. 21: perpetuamque obtinens proprietatem. loh. Maxent. dial. 1,6: neque enim omnia quae vocantur continuo etiam vocationis suae obtinent proprietatem, 2,2: nec ulla resprorsus in eis obtinetproprietatem. Leo M. serai. 38,3 (CCSL 138) p. 206,44ff.: ubi veram videt apparere virtutem, quae utique sine deo nulla est, nec proprietatem obtinet deitatis. Faust. Rei. spir. 2,4 p. 139,5ff.: sie proprietatem personae humanitas divinitate obumbrante vel eminente non obtinet. Cled. 25,31; 25,33. Ambrosius hat 6 mal respondendum est, Augustinus 96 mal, Hieronymus 29 mal, Cassiodorus 14 mal und Boethius 1 mal. Pomp. 170,30-171,7; 181,35-182,15. Pomp. 170,30: ideo ergo dicti sunt casus ab eo, quodfaciant nomen cadere. Serv. comm. 407,14-19; Pomp. 152,21-26; Expl. 1491,13-18. Pomp. 152,26-30; Expl. 1491,18-24. Serv. comm. hat dagegen nichts Entsprechendes zu den formae. Prob. inst, gramm. IV 57,33ff.

186

Kommentar

Pomp, und Expl. I vorfinden. Davon weist unser Text, wie oben erwähnt, nur eine verkürzte Fassung auf. 15,4f. in is correptam, ut fortis, aut in is productam, ut dis: Der vorliegende Text ist von den Donatkommentaren der einzige, der zwischen kurzem und langem -is als Endung des positivus

im Nominativ Singular unterscheidet. Dagegen haben Serv. comm., Pomp, und

Expl. I -is nur einfach und fuhren dafür übereinstimmend als Beispiel docilis an.354 Mit fortis und dis weicht der Text daher von seinem unmittelbaren Umfeld ab. Prob. inst, gramm. IV 66,31 trennt zwar ebenfalls nicht zwischen Nomen mit kurzem und langem -is, dennoch wird dort wie im vorliegenden Text fortis als Exempel verwendet, fortis verweist demnach auf die ältere Schultradition des 4. Jhs., in der es das Standardbeispiel für die Nomen mit der Endung -is gewesen zu sein scheint. Demgegenüber lässt sich zu dis keine Parallele in entsprechendem Zusammenhang ausmachen. Es handelt sich aber um ein Nomen, das bezüglich seiner Komparation häufig in grammatischen Traktaten behandelt wird355 und auf diesem Weg an die vorliegende Stelle gerückt sein kann. 15.6 in ens, ut sapiens: Mit dem Beispiel sapiens stimmt der vorliegende Text gegen Expl. I 491,21, wo prudens genannt wird, erneut mit Prob. inst, gramm. IV 70,7 überein. Auch bei sapiens handelt es sich offensichtlich um das Standardbeispiel der Schultradition des 4. Jhs. für die Nomen auf ens. 15,6f. in ans, ut elegans: Prob. inst, gramm. IV 70,7 und Pomp. 152,28 haben hier statt elegans übereinstimmend amans, das wohl das Standardbeispiel der Schultradition an dieser Stelle ist. Dennoch findet sich auch zu elegans eine Parallele bei Ps. Asper gramm. V 550,2. 356 15.7 in er, ut pulcher:

Das Beispiel pulcher für den positivus mit der Endung -er im

Nominativ Singular hat auch Pomp. 152,28. Dagegen verwenden Prob. inst, gramm. IV 59,7 und Expl. I 491,20 niger. Wenn man wie in den bereits behandelten Fällen davon ausgeht, dass der vorliegende Abschnitt in den Donatkommentaren unter dem Einfluss der älteren Schultradition entstanden ist, dann ist an dieser Stelle zu vermuten, dass niger zum älteren Standardrepertoire gehört hat, das durch pulcher ergänzt bzw. ersetzt worden ist.

354 355 356

Serv. comm. 407,16; Pomp. 152,22; Expl. 1491,14. Pomp. 153,10; Expl. 1491,7ff. Ps. Asper gramm. V 550,2: commune aut duobus generibus, ut hic et haec fortis, aut tribus, ut hic et haec et hoc elegans.

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15,9 poterimus: Formulierungen mit poterimus finden sich in keinem anderen Kommentar zu Donats Aries. Von den Texten der Donattradition hat lediglich Servius in seinem Vergilkommentar zweimal poterimus.151 Ansonsten ist Entsprechendes bei lateinischen Grammatikern nur im 4. Jh. belegt.358 15,llf. excepto uno 'senior', non enim 'senior mulier' did potest·. Dass senior kein genus commune bildet, obwohl es sich um einen comparativus handelt, wird auch in den anderen Donatkommentaren auf ähnliche Weise erörtert.359 Dabei fällt auf, dass die Formulierung excepto uno 'senior' fast wörtlich mit Serv. comm. und Pomp, übereinstimmt.360 Serv. comm. und Pomp, haben gegenüber den anderen Arbeiten gemeinsam, dass sie sich für ihre Aussagen zu senior auf Probus berufen. Als Vorlage kommt von den unter dem Namen des Probus überlieferten Schriften Prob. inst, gramm. IV 61,8ff. in Frage.361 Diese Zuweisung ist zwar keineswegs zwingend, da die Authentizität der unter dem Namen des Probus überlieferten Schriften generell problematisch ist. Für diese Schrift oder eine mit ihr eng verwandte spricht aber, dass sie auch sonst, wie gesehen362, als Vorlage für den Abschnitt über die formae der Steigerungsstufen in Betracht kommt. 15,14 dicimus enim 'doctius mancipium', 'melius templum': Das Problem, dass sich im comparativus die Formen von Adverb und Nominativ Singular Neutrum überschneiden, behandelt der vorliegende Text von den Donatkommentaren als einziger. Gleichwohl finden sich auch hierzu Parallelen bei Prob, inst.363 Das heißt, dass das Material, auf dem die Stelle basiert, durch die ältere Schultradition als in diesen Zusammenhang gehörig ausgewiesen ist. Der Text oder einer seiner Vorläufer hat es aus der Tradition in die Donat-Erklärung eingeflochten. Von den Beispielen ähnelt zumindest doctius mancipium dem, was durch die Tradition vorgegeben ist, während sich zu melius templum nichts Entsprechendes ausmachen lässt. Denn bei Prob, inst., wo das Phänomen an verschiedenen Stellen erörtert wird, werden die Beispiele nigrius officium (IV 59,18), doctius officium (IV 61,37), acrius acetum (IV 63,27f.) und audacius mancipium (IV 69,28) verwendet. Hieraus kann leicht doctius mancipium 357

Serv. auct. Aen. 2,69; Serv. ecl. 1,59. Char. 17,29; 250,11; Exc. Bob. gramm. 1538,7; Sacerd. gramm. VI 493,11; 494,8; 497,5; Prob. cath. gramm. IV 6,26; 40,30; 41,27. 359 Serv. comm. 430,36ff.; Pomp. 152,33ff.; Cled. 38,10ff. 360 Serv. comm. 430,36f.: excepto nomine, quodest 'senior'·, Pomp. 152,33f.: excepto uno... 'senior'. 361 Prob. inst, gramm. IV 61,8ff.: sane hoc monemus, quod haec eiusdem supra dictae formae nomina generis scilicet masculini, si cogantur ex specie sua et generis feminini facere nomina, quod haec eadem generis feminini nomina per immutationem reperiantur esse anomala, ut puta hie senex haec anus facere debeat. 362 Siehe oben den Kommentar zu 15,6 in ens, ut sapiens oder 15,6f. in ans, ut elegans. 363 Prob. inst, gramm. IV 59,14fF.: quicumque comparativi gradus nominativo casu numeri singularis ius litteris definiuntur, hi non tantum generis neutri, sed et adverbiorum esse reperiuntur (Vgl. IV 61,32-35; IV 63,2325; IV,65,30-32; IV 66,35-38; IV 69,23-25). 358

188

Kommentar

abgeleitet worden sein, da sowohl doctius als auch mancipium Bestandteile des in Betracht kommenden Beispielmaterials sind. Dem entspricht auch, dass bei Prob. inst, gramm. IV 52,15 die Wendung doctum mancipium vorliegt. Darüber hinaus ist in den Donatkommentaren bei Cled. 21,1 Of. doctius mancipium sowie bei Expl. I 493,13ff. docta mancipia als Beispiel belegt. Außerdem findet sich doctius mancipium in einem der vorliegenden Stelle entsprechenden Zusammenhang bei Aug. dialect. 10: doctius est aliud cum dicimus 'doctius mancipiumaliud

cum dicimus 'doctius illo iste disputavit'. Allerdings ist die Überlieferung

dieses Satzes umstritten, weil er völlig aus dem Kontext herausfällt.364 Geht man jedoch davon aus, dass er samt der Beispiele authentisch ist, dann dürfte dessen Herkunft auf die Schultradition zurückzufuhren sein, derer sich Augustinus offensichtlich genauso wie der vorliegende Text oder einer seiner Vorläufer hier bedient hat. Eine direkte Abhängigkeit des Textes von Augustinus ist nicht zu beweisen und aufgrund des ähnlichen Beispielmaterials der Schultradition, wie aus Prob. inst, zu ersehen, wenig wahrscheinlich. Dagegen ergibt sich bei dem zweiten Beispiel melius templum ein anderes Bild. Die Schultradition bietet weder ein entsprechendes Exempel noch ein in irgendeiner Form verwandtes,

wie es bei doctius

mancipium

der Fall ist. Dasselbe gilt

für die

Donatkommentare. Umso erstaunlicher ist es daher, dass eine Parallele erneut in einer Schrift auftaucht, die unter dem Namen des Augustinus überliefert ist. Es handelt sich um die sogenannte Ars breviata, eine am Schema Donats orientierte Grammatik, die, wie V. LAW gezeigt hat, von den beiden unter dem Namen des Augustinus erhaltenen Grammatiken am ehesten den Anspruch auf Authentizität erheben kann.365 Dort wird im Kapitel De adverbio (Aug. brev. 5,3) ebenfalls das Problem erörtert, dass sich im Komparativ die Formen von Neutrum Singular und Adverb gleichen: nam 'sanctius templum' nomen est, 'sanctius dixit' adverbium. Die Nähe dieser Formulierung zum vorliegenden Text liegt auf der Hand. LAW hat dies offensichtlich übersehen, wenn sie behauptet, dass es zu Aug. brev. 5,3 und auch Aug. dialect. 10 keine Paralelle in einer anderen Grammatik gebe.366 Ob an dieser Stelle eine direkte Abhängigkeit vorliegt, lässt sich damit zwar noch nicht beweisen. Dennoch ist die Verwandtschaft, die sich hier zwischen dem vorliegenden Text und zwei eventuellen Augustinus-Stellen in Abgrenzung von der übrigen artigraphischen Tradition widerspiegelt, bemerkenswert. Hinzu kommt, dass das zweite Beispiel melius templum christlich gefärbt zu sein scheint. Es ist nämlich als Wendung in zwei Predigten des späten 4. oder frühen 5. Jh.

364

365

366

Siehe dazu: B. DARRELL JACKSON, J. PINBORG (Hg.); Augustine De dialectica, Dordrecht 1975, S. 118 adn. 267: 'haec verba secludenda sunt aut alio loco inserendaputo quippe quae argumentationem interrumpunt'. V. LAW, St. Augustine's 'De grammatica': Lost or Found?, in: Rech. Aug. 19 (1984), S. 155-183. Der vollständige Titel der Ars breviata lautet Ars Augustini pro fratrum mediocritate breviata; sie ist herausgegeben von C. F. WEBER (Hg.), S. Augustini ars grammatica, Marburg 1861; A. MAI (Hg.), Nova patrum bibliotheca 1,2 (Rome 1852), 167-181. Die andere unter dem Namen des Augustinus überlieferte Grammatik sind die Regulae, die bei H. KEIL, GL V 4 9 6 - 5 2 4 gedruckt vorliegen. LAW, St. Augustine's 'De grammatica', S. 172.

De nomine

189

bezeugt, und zwar einmal bei Augustinus und einmal bei Maximus I. von Turin.367 Ebenso könnte sich sanctius templum, das Beispiel von Aug. brev. 5,3, auf einer christliche Vorlage beruhen.368 15,20f. illud sane praetermittendum

non videtur, quod: Die Wendung praetermittendum

(esse) ist bei den lateinischen Grammatikern nur selten belegt. In den Donatkommentaren kommt sie lediglich bei Cled. 14,3 und Consent, gramm. V 346,30 vor. Darüber hinaus ist sie noch einmal im 4. Jh. bei Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 178,14 und dreimal im 6. Jh. bei Prise.369 überliefert. Für die Literatur der Spätantike ergibt sich der Befund, dass praetermittendum (esse) im 4. und 5. Jh. durchaus häufig vorkommt, während es im 6. Jh. eher selten ist.370 16,5 quaeritur enim, utrum 'acris' dicatur an 'acer': Die Regel, dass sich vom superlativus die Form des positivus herleiten lässt, wenn man die Endung -rimus entfernt, hat der vorliegende Text nur mit Expl. I 491,24-32 gemeinsam. Beide Traktate behandeln in diesem Zusammenhang auch ein Einzelproblem, nämlich die Frage, ob es acer oder acris im Nominativ Singular heißt.371 Die Erörterung dieses Problems hat bei den lateinischen Grammatikern eine lange Tradition. Denn Aussagen dazu finden sich in den uns überlieferten Texten bereits im 2. Jh. bei Caper gramm. VII 107,6, dann mehrfach im 4. Jh. bei Char. 103,27ff., Prob. inst, gramm. IV 64,4ff. und Prob. cath. gramm. IV 13,7ff., im 5. Jh. bei Serv. Aen. 6,685 sowie schließlich im 6. Jh. bei Prise, gramm. II 152,18. Ursache dafür ist, dass in der lateinischen Literatur sowohl acer als auch acris im männlichen und weiblichen Geschlecht bezeugt ist.372 Konkret geht es also darum, wie die Form des positivus im Nominativ Singular Maskulinum und im Nominativ Singular Femininum lautet. In den genannten Grammatiken ist die Antwort darauf verschieden. So heißt es nach Prob. inst, und Prob. cath. hic et haec acer, während Char, hic et haec acris als richtige Variante ausgibt.373 Dagegen behauptet Servius im Vergilkommentar, dass nach dem gängigen Sprachgebrauch (nunc) für den Nominativ Maskulinum acer und acris in Frage komme, für den Nominativ 367

368

369 370

371 372

373

Max. Taur. serm. 61b,3 (CCSL 23) p. 255,71: melius plane templum corporis est quam caeli. Aug. serm. 161 (PL 38) c. 878,54: puto quia melius est templum dei quam cubiculum uxoris tuae. Vgl. Vulg. II Macc. 5,15: ausus est intrare templum universa terra sanctius Menelao duetore, qui legum et patriae fuit proditor. Prise, gramm. II 52,12; II 190,2; III 105,6f. Ambrosius hat praetermittendum (esse) 4 mal, Rufinus 1 mal, Macrobius 1 mal, Augustinus 14 mal, Sulpicius Severus 2 mal, Cassiodor 1 mal. Expl. I 491,26: quaeritur, utrum acris dicamus an acer. Verg. georg. 3,7f.: umeroque Pelops insignis eburno, acer equis; Enn. 16,420: post acer hiems it; Naev. fig. 33: fames acer augescit hostibus; Enn. 12,368: vino curatos somnus ... mollissimus perculit acris; Cels. 8,4: acris vomitus; Hör. carm. 1,4,1: solvitur acris hiems. Siehe auch ThLL Bd. 1 Sp. 356,77ff. s. v. 'acer'. Prob. inst, gramm. IV 64,4f.: quaeritur, qua de causa hic vel haec acer et non acris dicatur, Prob. cath. gramm. IV 13,7ff: hic et haec et hoc acer, quamvis Horatius 'solvitur acris hiems'; Char. 103,27ff.: melius communiter hic et haec acris dicemus, ut Horatius 'solvitur acris hiems'.

190

Kommentar

Femininum aber nur acris?1* Im Vergleich dazu ist der vorliegende Text um Eindeutigkeit bemüht, indem er klar festlegt, dass acer die männliche Form und acris die weibliche ist. Dem scheint Expl. I zu entsprechen, wo acer als positivus aus acerrimus hergeleitet, allerdings nichts über das Femininum acris gesagt wird.375 Im Vergleich zu den Donatkommentaren ist Priscian offener, indem er konstatiert, dass acer und acris jeweils im männlichen und weiblichen Geschlechts auftreten, und er deshalb alle Möglichkeiten gelten lässt.376 Wenn man die Behandlung dieser Frage im vorliegenden Text und Expl. I 491,24-32 miteinander

vergleicht,

dann

wird

deutlich,

dass

eine gegenseitige

Abhängigkeit

unwahrscheinlich ist, weil beide Material verarbeiten, welches der jeweils andere nicht hat. So bezieht Expl. I 491,28f. noch alacer/alacris als analogen Fall mit ein, während der vorliegende Text ein Vergil-Zitat (Verg. ecl. 3,7: humeroque Pelops insignis eburno acer equis) anführt, das sich bei Expl. I nicht findet. Da beide Traktate aber unabhängig voneinander dieses Problem in demselben Zusammenhang behandeln, liegt die Vermutung nahe, dass sie auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen, die von ihnen entweder verkürzt wiedergegeben oder durch zusätzliches Material erweitert wird. Insgesamt gibt es zu dem von unserem Text und Expl. I verarbeiteten Material mehrere Parallelen in Donats Terenz- und Servius' Vergilkommentar. So wird die Herleitung von acer aus dem Superlativ acerrimus bei Serv. Aen. 3,671 erwähnt.377 Des Weiteren geht bereits Don. Eu. 304 auf alacer/alacris ein und führt Verg. Aen. 5,380 als Beispiel an.378 In seinem Kommentar zu diesem Vers diskutiert dann auch Servius das Problem, indem er acer/acris mit einbezieht.379 Schließlich behandelt er die Frage zu Aen. 6,685 noch ein weiteres Mal.380 Alles in allem steht aber Expl. I dem Material, welches bei Servius vorliegt, näher als unser Text.

16,6f. ut in Virgilio: 'Humeroque Pelops insignis eburno acer equis'·. Das Vergil-Zitat (Verg. georg. 3,7f.) findet sich außer hier noch bei Char. 104,12f.; dort wird es allerdings als

374

375

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377

378

379

380

Serv. Aen. 6,685: alacris: sciendum antiques et alacris et alacer, et acris et acer tarn de masculino quam de feminine genere dixisse; nunc masculino utrumque damus, de feminino alacer et acer numquam dicimus. Expl. I 491,29f.: quid tarnen verum est, de superlative gradu colligimus: et facit superlativum acerrimus, ergo acer positivus. Prise, gramm. II 152,18ff.: acer et alacer ....quamvis acris et alacris plerumque faciant ... feminina, in utraque ... terminatione communis etiam generis inveniunturprolata; Prise, gramm. II 229,18ff.:... ut alacer alacris, acer acris; et sciendum, quod in utraque terminatione utriusque generis inveniuntur haec. Serv. Aen. 3,671: 'potis' autem nomen est et declinatur ...et nomen esse docet ratio comparationis, nam in superiativo 'potissimus' facit; cui si detraxeris -simus, invenies nominis positionem, ut acerrimus acer, fortissimus fortis. Don. Eu. 304: 'quid tu es alacris?': et alacer et alacris dicitur, apud Vergilium: 'ergo alacris cunctosque p. e. p.'. Vgl. auch Serv. auet. Aen. 9,229: 'alacres concitati': Terentius 'quid tu es tristis? quidve es alacris?'. Serv. Aen. 5,380: 'alacris': cum acer ubique dicat, alacer tarnen non dicit, licet inde nascatur; vitat enim confusionem: unde utrumque non vult dicere, nam alacer nusquam et Herum acris nusquam dixit. Siehe Anm. 374.

De nomine

191

Ausnahme von der zuvor aufgestellten Behauptung, dass es hic et haec acris heiße, vorgebracht.381 16,7f.: ut apud Horatium: 'solvitur acris hiems': Das Horaz-Zitat (Hör. carm. 1,4,1) ist das klassische Beispiel für die Verwendung der Form acris als Nominativ Singular Femininum des positivus. Es findet sich daher auch in mehreren anderen Grammatiken, wo über acer/acris gehandelt wird.382 16,10ff.: quae aut a qualitate veniunt in trespartes divisa: Gegenüber der Formulierung des vorliegenden Textes stimmen hier Serv. comm., Pomp, und Expl. I wörtlich überein.383 Bei ihnen lautet die Antwort auf die Frage, welche Nomina gesteigert werden: ea quae sunt qualitatis et quantitatis. Das subjektlose ait, das bei Pomp, dieser Antwort vorangeht, lässt erkennen, dass es sich offensichtlich um die Zitierung einer Vorlage handelt. Als solche kommt in diesem Fall Don. mai. nicht in Frage, da er anders formuliert.384 Daher ist die wörtliche Übereinstimmung wohl darauf zurückzuführen, dass Serv. comm., Pomp, und Expl. I hier einer anderen gemeinsamen Vorlage als Donat folgen. 16,11 in animum, ut prudens, honestus: Standardbeispiele für die nomina qualitatis der Kategorie in animum bzw. ab animo sind doctus und stultus,385 Von den Beispielen des vorliegenden Textes hat Expl. I prudens statt doctus,386 Dagegen findet sich honestus in keiner anderen Grammatik in diesem Zusammenhang. Warum hier gerade prudens und honestus als Exempel verwendet werden, ist nicht eindeutig zu beantworten. Beide Begriffe stehen für Tugenden, die sowohl in Texten der heidnischen Antike als auch bei christlichen Autoren bisweilen nebeneinander stehen.387 16,11 in corpus, ut niger, pulcher: niger und pulcher sind in den Donatkommentaren als Standardbeispiele für die nomina qualitatis der Kategorie in corpus bzw. α corpore

381

Char. 103,27ff.: ideo quaeri solet, utrum hic acer an acris dici debeat... melius communiter hic et haec acris dicemus, ut Horatius 'solvitur acris hiems'... tarnen et hic acer idem Vergilius: acer equis. 382 Char. 104,3; Prob. cath. gramm. IV 13,7ff.; Expl. 1491,26f. 383 Serv. comm. 407,19f.; Pomp. 153,3f.; Expl. 1491,33f. 384 Don. mai. 617,13: comparantur autem nomina, quae aut qualitatem significant aut quantitatem. 385 Serv. comm. 407,21; 430,15f.; Pomp. 147,23; 153,6; Cled. 37,17; Siehe auch oben im vorliegenden Text (11,7). 386 Expl. 1491,35f.: ab animo, ut prudens prudentior, stultus stultior. 387 Vgl. Cie. Cluent. 144: in hominis honesti prudentique iudicio; Sen. epist 66,15: in utraque enim quod fit aeque rede fit, aeque prudenter, aeque honeste', Sen. epist. 77,6: magnum est honeste mori, prudenter, fortiter, Aug. c. Iulian. op. imperf. 4 (PL 45) c. 1360,35: amictum eiprudentia et honestas comparat, quam dedit deus.

Kommentar

192

ausgewiesen. Alternativ werden in den anderen Traktaten noch die jeweiligen Gegensätze IAA

Candidus und turpis verwendet,

IfiQ

pulcher wird gelegentlich auch durch formosus ersetzt.

16,12 extrinsecus, ut fortunatus, felix: Die Beispiele für die nomina qualitatis der Kategorie extrinsecus bzw. a fortuna sind in den Donatkommentaren den Gegensatzpaaren 'arm' und 'reich' sowie 'glücklich' und 'traurig' entnommen. Dementsprechend finden sich in den einzelnen Texten zumeist zwei Exempel aus den Begriffen dives, pauper (egens), fortunatus (felix), miser. Die Zusammensetzung variiert.390 Mit fortunatus und felix bewegt sich der vorliegende

Text

demnach

im

Rahmen

des

durch

die

Tradition

vorgegebenen

Beispielmaterials. Pomp, behandelt hier über die anderen Donatkommentare hinausgehend noch die Unterscheidung von dives und dis mit Ter. Ad. 770 als Beispiel391 sowie unter Verweis auf Plautus und Afranius die Form ipsissimus.392 16,12f. aut a quantitate, id est a mensura tantum venientia, ut longus, latus, brevis: Standardbeispiel für die nomina quantitatis sind nach Don. mai. 616,9 magnus und parvus.393 In den Donatkommentaren sind dann aber noch longus, latus und brevis hinzugekommen.394 Serv. comm., Expl. I und Pomp, äußern sich im Anschluss noch zu der Frage, ob die Steigerung latinus, latinior, latinissimus möglich ist.395 Ein entsprechender Abschnitt fehlt in unserem Text. 16,13-16 sed non omnia, quae aut qualitatem aut quantitatem significant, comparantur; sed quae comparantur, qualitatis sunt aut quantitatis'. Der Text stimmt an dieser Stelle fast wörtlich mit Serv. comm. 431,1-4 und Pomp. 154,2ff. überein.396

388

Serv. comm. 407,21 (Candidus, niger); 430,16 (niger); Pomp. 147,23 (niger, Candidus); 153,7 (pulcher, Candidus)·, Cled. 37,17 (pulcher, turpis). Siehe auch oben im vorliegenden Text (11,7: pulcher). 389 Expl. 1491,36 (Candidus, formosus). 390 Serv. comm. 407,21f. (miser)· 430,16 (felix); Pomp. 147,23f. (fortunatus, dives); 153,8f. (pauper, dives); Expl. I 492,1 (dives, egens); Cled. 37,18 (dives, fortunatus). Siehe auch oben im vorliegenden Text (11,7: felix). 3,1 Pomp. 153,10-14. Hierzu liegt ein entsprechendes Scholion in Donats Terenzkommentar vor; Don. Ad. 770: 'dis quidem esses Demea': ab eo, quod est dis, ditis dites facit, ab eo, quod est dives, divitis divites. 392 Pomp. 153,15-18 (Plaut. Trin. 988; Afran. 432). 393 Ebenso Pomp. 147,24: sunt quantitatis nomina: magnus parvus. 394 Serv. comm. 407,22 (longus); 430,16f. (longus latus); Pomp. 153,9f. (longus, latus); Expl. I 492,2f. (longus, latus, brevis). Siehe auch oben im vorliegenden Text (11,8: longus, brevis, latus). 395 Serv. comm. 407,22-25; Pomp. 153,19-154,2; Expl. 1491,4-9. 396 Serv. comm. 431,1-4: non omnia, quae sunt qualitatis et quantitatis, recipiunt conparationem, sed omnia, quae recipiunt conparationem, qualitatis sunt et quantitatis. Pomp. 154,2ff.: non omnia nomina, quae sunt qualitatis et quantitatis, recipiunt conparationem; quae autem comparantur, sunt qualitatis et quantitatis.

De nomine

193

16,16f. invenitur enim nomen qualitatis et non comparatur, ut mediocris: mediocris ist bei den lateinischen Grammatikern das Standardbeispiel für ein nomen qualitatis, das sich nur im positivus gradus findet.397 16.19f. ut vicem comparative impleamus: Die Wendung vicem implere ist außer an dieser Stelle bei den lateinischen Grammatikern nur noch dreimal bei Velius Longus (2. Jh.), einmal bei Char. (4. Jh.) und zweimal bei Cled. (6. Jh.) belegt.398 Ähnlich ist die Formulierung vicem complere, die sich bei Don. mai. 631,13 und Prise, gramm. II 176,25f. findet. In der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. kommt vicem implere dreimal bei Plinius d. Ä. sowie jeweils einmal bei Plinius d. J. und Tertullian vor.399 Danach ist die Wendung nur noch jeweils einmal bei Macrobius, Martianus Capella und in der Historia Augusta sowie dreimal bei Augustinus bezeugt.400 Daraus ergibt sich der Befund, dass vicem implere in der lateinischen Literatur eine eher seltene Formulierung ist, die nur vereinzelt bis zum Ende des 4. Jhs. verwendet wird, danach aber nicht mehr, wenn man einmal von Cled. absieht, bei dem die Wendung aber auch auf eine ältere Vorlage zurückgehen kann. 16,20f. ut in hoc nomine 'pius', quia non facit 'pior', sed 'magispius': magis pius ist nach Don. mai. 618,2f. das Standardbeispiel an dieser Stelle.401 17,1-11 meminerimus ita nos respondere, cum interrogamur 'qualis est ille vir?'... Unser Text fügt an dieser Stelle (17,1-11) einen Abschnitt ein, der mit dem Thema des Kapitels, der Komparation von Adjektiven, nichts zu tun hat. Es geht hier vielmehr um die Unterscheidung der nomina qualitatis und quantitatis, d. h. konkret um die Anweisung zur korrekten Beantwortung der Fragen qualis est ille vir? und quantus est ille vir?. Als Ausnahme von einer klaren Trennung wird hier das Vergil-Zitat magnanime Aenea (Verg. Aen. 5,17) angeführt, wo magnus, ein nomen quantitatis, durch die Verknüpfung mit animus gegen die Regel eine qualitas bezeichne. Eine entsprechende Stelle findet sich bei Pomp. 147,26-32, lind zwar dort zu den nomina qualitatis im Kapitel De qualitate. Dies dürfte auch der ursprüngliche Ort des Materials von 17,1-11 gewesen sein, das im vorliegenden Text deplatziert erscheint.

397

398 399 400

401

Char. 198,28ff. (mediocris, sobrius, rudis, grandis); 199,5 (mediocris); Exc. Bob. gramm. I 536,27ff. (rudis, sobrius, mediocris, grandis); Diom. gramm. I 324,25f. (mediocris, rudis, sobrius); Don. mai. 617,14f. (mediocris); Pomp. 154,7ff. (mediocris); Expl. II 539,24f. (mediocris); Consent, gramm. V 342,8f. (mediocris). Vel. gramm. VII47,3f.; 52,14f.; 55,2; Char. 234,8ff;Cled. 10,10; 38,8. Plin. nat. 15,82; 31,87; 31,127; Plin. epist. 6,6,6; Tert. bapt. 12 p. 211,27. Macr. Sat. 7,9,20; Mart. Cap. 4,394; Hist. Aug. Vopisc. Aurelian 11,1; Aug. bapt. 4,22,29; c. Cresc. 2,18,22; c. Iulian. op. imperf. 2,158. Consent, gramm. V 342,10f.; Prise, gramm. II 87,15.

194

Kommentar

17,4 mendicus: mendicus ist sonst bei den lateinischen Grammatikern als Beispiel für ein nomen qualitatis nicht bezeugt. Da es sich um ein Wort handelt, das in der lateinischen Literatur von Ennius an bis zur Spätantike vorkommt402, lässt sich die Frage, warum der vorliegende Text es an dieser Stelle hat, nicht eindeutig beantworten. Ein möglicher Erklärungsansatz wäre der, dass mendicus in dem für die nomina qualitatis klassischen Gegensatzpaar pauper/dives401 an die Stelle von pauper getreten ist. Grundlage dafür könnte die Heilige Schrift gewesen sein, wo mendicus und pauper in dem Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus nebeneinander stehen.404 17.7 nec nos terreat, quod: Von den lateinischen Grammatikern haben Marius Victorinus und Pomp, ähnliche Formulierungen.405 Servius hat im Vergilkommentar einmal ne terreat aliquem.406 In der lateinischen Literatur findet sich ne terreat aliquem bis zum Beginn der Spätantike zweimal bei Cicero und jeweils einmal bei Properz, Ovid und Lukan.407 Von den christlichen Autoren haben Augustinus, Chalcidius (4./5. Jh.), Zeno von Verona, Arnobius iunior (5. Jh.) und Quodvultdeus (5. Jh.) entsprechende Wendungen 408 In der Heiligen Schrift kommt im Buch lob zweimal non me terreat, einmal non te terreat vor.409 Dagegen ist Claudian der einzige heidnische Autor der Spätantike, bei dem ne terreat aliquem belegt ist.410 Daraus ergibt sich, dass die bei den Grammatikern seltenen Formulierungen mit ne/non terreat zunächst in der lateinischen Literatur klassischer Zeit belegt sind und später dann vor allem in der Heiligen Schrift und bei christlichen Autoren. Die untere zeitliche Grenze der Zeugnisse ist die zweite Hälfte des 5. Jhs.; die Schwerpunkte liegen im 1. Jh. v. Chr und am Übergang vom 4. zum 5. Jh. 17.8 'Magnanime AeneaDas

Vergil-Zitat (Verg. Aen. 5,17) dient als Beispiel für die nach

den Regeln der Ars falsche Verknüpfung eines nomen quantitatis (magnus) mit dem ethischen Begriff animus. Entsprechendes findet sich in den Donatkommentaren noch bei Pomp, und Cled., dort aber jeweils im Zusammenhang mit den nomina qualitatis et quantitatis.4U Pomp. 402 403 404

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409 410 411

Siehe ThLL Bd. VIII Sp. 708,18ff. s. v. 'mendicus'. Vgl. Pomp. 153,5ff. (dives pauper)·, Expl. 1491,33ff. (dives egens). Vulg. Luc. 16,19f.: homo quidam erat dives et induebatur purpura et bysso et epulabatur cotidie splendide, et erat quidam mendicus nomine Lazarus, qui iacebat ad ianuam eius ulceribus plenus. Vgl. Aug. quaest. evang. 2,38,1: mendicus autem nomine Lazarus, quod interpretatur adiutus, significat indigentem veluti gentilem aliquam, qui tanto magis adiuvatur, quanto minus de suarum copia facultatum praesumit. Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 46,21: nec te syllabarum adcrescentium in metris terreat numerus-, VI 128,3f.: nec te terreat numerus syllabarum·, Pomp. 205,1: non te terreat nominativus. Serv. Aen. 1,674: ne eius frequenti commemoratione Cupidinem terreat. Cie. Cael. 42; Cie. Luculi. 63; Propert. eleg. 4,6,48; Ovid. met. 8,794; Lucan. 2,560. Aug. in loh. evang. 11,5; Aug. in psalm. 96,17; Aug senn. 198 (PL 38) c. 1025,3; Chalc. comm. 2; Amob. iun. in psalm. 33 1. 50. Vulg. lob 9,34; 13,21; 33,7 (non te terreat). Claud. 15,432 (nec vos ... terreat). Pomp. 147,21ίΤ.; Cled. 36,19.

De nomine

195

qualifiziert den Fehler als Katachrese, d. h. die Verwendung eines Nomens im falschen Sinn.412 Auf gleiche Weise ist magnanimum auch bei Serv. Aen. 1,260 erklärt.413 17,12 nomina in comparatione anomala: Die Donatkommentare weichen an dieser Stelle terminologisch voneinander ab. Denn der vorliegende Text und Pomp. 154,24 bezeichnen die in Rede stehenden Nomina übereinstimmend als anomala, während Serv. comm. 431,5f. sie inaequalia nennt. Von diesen beiden Möglichkeiten ist eine dem Begriff anomala nahekommende Version bereits in einer Grammatik des 4. Jhs. bezeugt, nämlich bei Prob, inst, gramm. IV 62,21f.414 Serv. comm. und Pomp, haben hier im Vergleich zu den anderen Kommentaren gemeinsam, dass sie der Erörterung der nomina in comparatione anomala eine Definition der recta comparatio voranstellen, die im Wortlaut nahezu identisch ist.415 17,12 hoc signo probabimus: Die Wendung signo/signis probare ist in der artigraphischen Tradition außer hier nur bei Serv. georg. 3,95 belegt.416 Eine entfernt verwandte Formulierung hat Quint, inst. 5,9,1.417 Ansonsten lässt sich signo/signis probare in der lateinischen Literatur bis zum Beginn der Spätantike nicht nachweisen. In christlichen Texten ist der Ausdruck zwar auch selten, er findet sich aber zumindest zweimal, nämlich bei Ambrosius (4. Jh.) und Apponius (5. Jh.) 418 Die Wortform probabimus kommt bei den Grammatikern ebenfalls nur ein einziges Mal bei Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 79,26 vor.419 Vor dem 3. Jh. wird sie nur von den Fachschriftstellem Columella (1 mal), Plinius d. Ä. (1 mal) und Quintilian (3 mal) verwendet. Dagegen ist probabimus bei christlichen Autoren bis zur ersten Hälfte des 5. Jh. häufiger bezeugt, danach aber wieder selten 420 Daraus ergibt sich, dass sowohl die Wendung signo/signis probare als auch die Wortform probabimus im Rahmen der spätantiken Literatur eher auf das 4. oder 5. Jh. als Abfassungszeit hindeuten als auf eine spätere Zeit.

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419 420

Don. mai. 668,8ff.: catachresis est usurpatio nominis alieni, utparricidam dicimus, qui occiderit fratrem, et piscinam, quae pisces non habet. Serv. Aen. 1,260: magnanimum: magnus et parvus quoniam mensurae sunt, ad animum nonnisi καταχρηστικώς adhibentur. Prob. inst, gramm. IV 62,21f.: tria nomina reperiuntur, quae per gradus conlationis propter sonos pedum, qui scilicet pertinent ad metra vel structuras, anomale data sunt comparari, id est bonus malus magnus. Serv. comm. 431,4f.: recta conparatio est quae primam syllabam integram per omnes servaf, Pomp. 154,2 If.: recta conparatio est quae primam syllabam non mutat. Serv. georg. 3,95: hunc quoque: licet bonum et tot signisprobatum. Quint, inst. 5,9,1: omnis igiturprobatio artificialis constat aut signis aut argumentis aut exemplis. Ambr. in Luc. 2,43: an mediocribus signis deus probatur?; Apon. 12,94: cum ad omnem veritatem signis fallacibusprobaverit cognoscendo Antichristum vere diabolum Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 79,26: probabimus omnia metra ex his profluere fontibus. Tertullian hat probabimus 5 mal, Firmicius Maternus 1 mal, Rufinus 1 mal, Augustinus 2 mal, Hieronymus 3 mal, Iohannes Cassianus 2 mal, Cassiodoros 1 mal, Beda 1 mal.

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Kommentar

17,17-19 positivus gradus perfectus et absolutus ideo dictus est, quia vis comparationis proprie in comparativo et superlativo gradu ponitur et non in positivo: Die alternative Bezeichnung des positivus gradus als absolutus et perfectus hängt eng mit der vom Text bereits erörterten Frage zusammen, warum der positivus überhaupt zu den gradus gezählt wird, da doch nur comparativus und superlativus die proprietas comparationis innehätten.421 Eine entsprechende Stelle zu perfectus et absolutus findet sich in den Donatkommentaren nur bei Cled. 38,16-19. Von den beiden Begriffen ist zumindest absolutus in zeitgenössischen oder älteren Grammatiken als Name für den positivus belegt.422 18,2f. ut si dicamus 'doctior est iste quovis doctissimo': Don. mai. 618,8f. hat an dieser Stelle die Beispiele stultior stultissimo und maior maximo. Davon findet sich in den Donatkommentaren das erste bei Pomp. 155,8f. und Cled. 38,21f., während maior maximo nirgends verwendet wird, doctior doctissimo ist außer im vorliegenden Text noch bei Serv. comm. 431,8 und Pomp. 155,8f. bezeugt. Im Wortlaut stehen durch die Ergänzung von quovis unser Text und Pomp, einander im Vergleich zu Don. mai. und Serv. comm. näher.423 Eine entsprechende Formulierung, die dem hier im Rahmen des Sprachunterrichts entwickelten Material nahe steht, kommt in der spätantiken Literatur bei Augustinus vor.424 18,3f. saepe comparativus invenitur ita positus, ut minus significet a positivo·. Die Formulierung minus significat α positivo entspricht der bei Don. mai. 618,9. Davon weichen Serv. comm. 431,8ff. und Pomp. 155,1 Of. ab, die ihrerseits einen verwandten Wortlaut präsentieren.425 Hinzu kommt, dass Serv. comm. und Pomp, an dieser Stelle übereinstimmend von der Anordnung des Materials abweichen, wie sie sich bei Don. mai. und auch im vorliegenden Text findet. Während bei letzteren nämlich zuerst der Komparativ, der weniger als der Positiv bezeichnet (dulcius mare), behandelt wird und dann derjenige, welcher mit dem Positiv auf einer Stufe steht {senior), ist dort die Reihenfolge genau umgekehrt.426 18,5 'dulcius est mare Ponticum quam cetera': Das Sallust-Zitat (Sail. hist. frg. 3,65) wird in der artigraphischen Tradition als Standardbeispiel für das grammatische Phänomen eines comparativus, qui minus α positivo significat verwendet. Es findet sich noch bei Don. mai. 618,10, Diom. gramm. I 325,3ff., Serv. comm. 431,1 If. und Pomp. 155,26ff. Darüber hinaus 421 422 423

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Siehe oben 14,15-18; Pomp. 171,1-7; 182,9ff. Char. 144,4f.; Exc. Bob. gramm. I 536,19f.; Prob. inst, gramm. IV 56,34f.; Diom. gramm. I 324,16f. Pomp. 155,8ff.: est econtrario ut conparativus praeponatur superlativo in tali elocutione 'doctior quovis doctissimo', 'stultior quovis stultissimo', si ita dicas. Aug. divers, quaest. 24 1. 17f.: deus enim quovis homine optimo et iustissimo longe atque irtcomparabiliter melior et iustior est. Serv. comm. 431,8ff.: non numquam (sc. comparativus) necpositivum significat; Pomp. 155,10f.: plerumque conparativus... nec positivus est. 1 8,3-11; Don. mai. 618,9-12; Serv. comm. 431,8-14; Pomp. 155,10-35.

De nomine

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ist es zweimal in Servius' Vergilkommentar in entsprechendem Zusammenhang belegt, davon allerdings einmal in dem erweiterten Vergilkommentar des Servius, den Scholia Danielis.427 18,5f. nullum enim mare non modo dulcius est, sei ne dulce quidem: Die Formulierung stimmt mit Serv. comm. 431,13f. und Pomp. 155,31 f. fast wörtlich überein.428 18,8f. 'iam senior, sed cruda Deo viridisque senectus': Auf das Vergil-Zitat (Verg. Aen. 6,304) trifft dasselbe zu wie auf das zuvor erörterte Sallust-Zitat. Es ist ebenfalls das Standardbeispiel für das in Rede stehende grammatische Phänomen, an dieser Stelle für einen Komparativ, der semantisch einem Positiv entspricht. Bei den Grammatikern kommt es außer hier noch Don. mai. 618,12, Diom. gramm. I 325,5ff, Serv. comm. 431,10f., Pomp. 155,14f. und Cled. 39,2ff. vor. Außerdem geht auch Servius in seinem Kommentar zu Verg. Aen. 6,304 auf das Verständnis des Komparativs senior ein. Er schlägt allerdings als alternative Möglichkeit zu der in den Arles vertretenen Ansicht vor, den Komparativ senior nicht zu vernachlässigen und im Sinne von virens senex zu verstehen.429 In diesem Zusammenhang signalisiert Servius, dass er auf die Thematik schon an früherer Stelle in seinem Kommentar eingegangen ist (ut diximus)·, und tatsächlich findet sich eine entsprechende Erklärung zu Verg. Aen. 5,409, wo ebenfalls das Beispiel aus dem 6. Buch angeführt wird.430 Außerdem gibt Servius dadurch, dass er Varro und Plinius als Quelle angibt, zu erkennen, dass das erörterte Phänomen auf eine ältere artigraphische Tradition zurückgeht als diejenige, welche uns heute überliefert ist.

18,12 inveniuntur autem nomina sono diminutiva, intellectu comparativa: Abweichend vom vorliegenden Text verwenden Don. mai. 618,4, Diom. gramm. I 325,8f. und Consent, gramm. V 343,4f. an dieser Stelle gemeinsam den Terminus nomina signification

diminutiva.

Dagegen heißt es bei Pomp. 154,36f. nomina enuntiatione diminutiva; dort wird aber zur Erklärung des Begriffs enuntiatione dem vorliegenden Text entsprechend id est sono

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Serv. Aen. 12,143: cunctis praetulerim: litotes figura per contrarium, plus enim dicit et minus significat... sane tale est et illudSallustianum 'mare dulcius quam cetera', cum nullum dulce sit. Serv. auct. Aen. 1,228: tristior: conparativum pro positive posuit; quando enim tristis est Venus, ut nunc tristior diceretur? sie Sallustius 'utque ipsum mare Ponticum dulcius quam cetera'. Serv. comm. 431,13f.: nam mare non modo dulcius non est, sed ne dulce quidem. Pomp. 155,31 f.: non solum dulcius (sc. nullum mare est), sed ne dulce quidem. Serv. Aen. 6,304: iam senior: aut pro positive posuit, id est senex, aut, ut diximus, senior est virens senex, ut iunior intra iuvenem est; quam rem a Varrone tractatam confirmat et Plinius. Serv. Aen. 5,409: senior: secundum Varronem senior et iunior coparativi sunt per inminutionem. hinc est 'iam senior, sed cruda deo viridisque senectus'; additum enim hoc est ad exprimendum, quid sit senior ...et re vera non convenit hunc satis senem aeeipi, qui et vincere potest et uno ictu taurum necare. ergo senior non satis senex, sicut iunior non satis iuvenis intra iuvenem, sicut pauperior intra pauperem. dicit autem hoc Varro in libris ad Ciceronem.

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Kommentar

diminutiva hinzugefügt.431 Die Bezeichnungen enuntiatione und sono sind demnach als Gegensatz zu intellectu austauschbar. Dennoch weisen die einzelnen Traktate bestimmte Vorlieben für den einen oder anderen Begriff auf. So bevorzugen der vorliegende Text und Don. mai. in der Regel sono422, Serv. comm. und Pomp, dagegen enuntiationem. gilt auch für Servius' Vergilkommentar.

434

Letzteres

Demgegenüber entspricht Aug. brev. 1,5 der bei

Don. mai. und in unserem Text bevorzugten Terminologie.435 18,14ff. comparative et superlativo quinque haec comparationis adverbia non adponemus, ut tarn, minus, minime, magis, maxime: Die Formulierung der Regel, dass die fünf Adverbien tarn, minus, minime, magis, maxime weder mit dem Komparativ noch mit dem Superlativ, sondern nur mit dem Positiv verbunden werden dürfen, stimmt im vorliegenden Text weitgehend mit der bei Don. mai. 618,14f. überein.436 Davon weicht der Wortlaut bei Serv. comm. 431,14ff., Pomp. 156,Iff. und Serv. Aen. 7,787, deutlich ab, zeigt sich aber untereinander verwandt.437 Dies ist umso erstaunlicher, als sowohl Serv. comm. als auch Pomp, durch das einleitende Donatus dicit bzw. Donatus ait den Eindruck erwecken, als zitierten sie hier wörtlich Donat. Das gleiche gilt auch für Servius' Vergilkommentar, wo man geneigt, ist den Verweis legitur in arte ebenfalls auf Donat zu beziehen, zumal der Wortlaut, wie gesehen, dem bei Serv. comm. und Pomp, ähnelt. Nun entspricht aber die Formulierung der letztgenannten Texte keineswegs dem, was Don: mai. an dieser Stelle hat, so dass es sich um kein wörtliches Zitat handeln kann. Es ist auch völlig unwahrscheinlich, dass Serv. comm., Pomp, und Servius im Vergilkommentar die Regel, wie sie bei Don. mai. 618,14f. formuliert ist, völlig unabhängig voneinander in so ähnlicher Weise referieren. Daher ergibt sich hier als Erklärung nur die, dass alle drei Traktate auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen, die den ursprünglichen Wortlaut von Don. mai. 618,14f. verändert und unter dem Namen Donats referiert hat. Auf diese Vorlage kann der vorliegende Text an der in Rede 431

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Pomp. 154,36f.: nomina sunt intellectu conparativa, enuntiatione diminutiva, id est sono diminutiva, intellectu conparativa. Don. mai. hat nur an dieser Stelle significatione als Gegensatz zu intellectu, sonst stets sono; vgl. Don. mai. 620,lff.; siehe im vorliegenden Text 20,8 und 22,17f. Serv. comm. und Pomp, haben jeweil nur einmal sono (Serv. comm. 429,23; Pomp. 145,9f.), sonst stets enuntiatione (Serv. comm. 407,31; 431,24; 431,26; Pomp. 162,6ff.). Expl. I verwendet für enuntiatione den verwandten Begriffpronuntiatione (Expl. 1492,30; 492,35). Serv. Aen. 1,96; Serv. auct. Aen. 2,64. Aug. brev. 1,5: aliquando etiam genetivum singularem sequitur, cum idem genetivus sono quidem singularis, intellectu autem pluralis est. 18,14-17: comparative et superlativo quinque haec comparationis adverbia non adponemus, ut tarn minus minime magis maxime, quae tantum soli positive adiciuntur. Don. mai. 618,14f.: conparativo et superlativo gradui tarn aut minus aut minime aut magis aut maxime adici non oportet; adiciuntur autem positivo tantum. Serv. comm. 431,14ff.: Donatus dicit quinque adverbia positivo tantum esse iungenda, tarn magis maxime minus et minime; Pomp. 156,Iff.: Donatus ait: quinque sunt adverbia quae non debemus iungere nisi positivo tantum, tarn magis maxime minus et minime; Serv. Aen. 7,787: legitur in arte, quod tarn magis maxime minus minime positivo tantum iungantur. Vgl. auch Cled. 39,6 ff.: aut magis: istae omnes particulae nec comparativo nec superlativo iunguntur nisi tantum positivo.

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De nomine

stehenden Stelle nicht zurückgehen, weil er, wie gesehen, eher der originalen Formulierung bei Don. mai. 618,14f. entspricht als der abgewandelten in den anderen Traktaten. Auch die weitere Argumentation zu den Steigerungsadverbien tarn minus minime magis maxime unterscheidet den vorliegenden Text von Serv. comm. und Pomp. Während jener nämlich erörtert, warum es diese Adverbien gibt (18,17ff.: haec ipsa adverbia inventa sunt propter ea nomina ...), behandeln diese die Frage, weshalb sie nicht mit dem Komparativ oder Superlativ verbunden werden dürfen (Pomp. 156,7ff.: quare non iungantur ista adverbia conparativo et superlative, sed tantum positive ...).438 Durch die einleitende Bemerkung reddita est ratio non a Donato, sed ab aliis gibt Pomp, hier zu erkennen, dass seiner Darstellung Material zugrunde liegt, welches durch einen gemeinsamen Vorgänger von Serv. comm. und Pomp, in die Donat-Erklärung integriert wurde. Gleiches gilt auch für die Stellen, als deren Quelle in diesem Zusammenhang sowohl von Serv. comm. als auch von Pomp. Probus angegeben wird.439 Der vorliegende Text stimmt damit, wie gesagt, nicht überein. Er hat entweder die bei Serv. comm. und Pomp, vorhandene Erklärung, warum die Steigerungsadverbien nur mit dem Positiv zu verbinden sind, bewusst fallengelassen, oder sie, was wahrscheinlicher ist, in seiner Vorlage gar nicht vorgefunden. 18,19 ut puta mediocris: mediocris ist bei den Grammatikern das Standardbeispiel für ein Nomen, das selbst keine Steigerungsformen im Komparativ und Superlativ bildet und deshalb mit Hilfe der Adverbien tarn minus minime magis maxime gesteigert werden muss. In den anderen Texten wird es aber weniger im Zusammenhang mit den Steigerungsadverbien erwähnt, sondern eher im Rahmen der unvollständigen Steigerung, die weiter oben (16,13-21; Don. mai. 617,13-618,4) bereits behandelt wurde.440 Dort wird mediocris auch im vorliegenden Text (16,17) als Beispiel herangezogen. 19,7 ablativo, ut 'doctior ab illo', septimo, ut 'doctior illoAbweichend

Don. min. 586,2f.

und Don. mai. 618,17 behauptet der vorliegende Text, dass beim gradus comparativus zur Angabe der Bezugsgröße des Vergleichs nicht zwei, sondern drei Kasus stehen können. Donat gibt in diesem Zusammenhang nur den Ablativ ohne Präposition als Regelfall und den Nominativ mit der Partikel quam als Ausnahme an.441 Unser Text nennt ebenfalls den Nominativ mit quam, unterscheidet dann aber zwischen einem Ablativ mit der Präposition ab und einem septimus casus, der dem ablativus sine praepositione bei Don. min. 586,2f. 438 439

440 441

Serv. comm. 431,16ff.: atque ideo non debent conparativis gradibus iungi, ne ... Serv. comm. 431,19ff.: Probus autem dicit ...; Pomp. 156,27ff.: et hoc Probus sequitur et ait ... Von den unter dem Namen des Probus überlieferten Schriften kommt Prob. inst, gramm. IV 73,9ff. dem bei Serv. comm. und Pomp, erörterten Sachverhalt am nächsten. Don. mai. 617,14-618,1; Pomp. 154,8ff.; Char. 198,28ff.; Exc. Bob. gramm. I 536,27ff. Don. min. 586,2f.: conparativus gradus cui casui servit? ablativo sine praepositione: dicimus enim 'doctior illoDon. mai. 618,18: conparativus gradus ablativo casui adiungitur utriusque numeri; Don. mai. 619,5f.: interdum conparativus gradus nominativo adiungitur ut 'doctior hic quam ille'.

200

Kommentar

entspricht. Er stimmt mit Donat darin überein, dass von den drei genannten Möglichkeiten die letzte, also der septimus casus bzw. der ablativus sine praepositione, dem zeitgenössischen Sprachgebrauch entspricht (19,1 Of.). Die anderen Donatkommentare gehen hier mit dem vorliegenden Text zusammen, indem sie ebenfalls ablativus und septimus voneinander trennen und letzteren zum üblichen Kasus beim Komparativ erklären.442 Dadurch heben sie sich nicht nur von Donat ab, sondern auch von anderen Grammatiken des 4. Jhs., welche nur die auch bei Donat genannten zwei Kasus beim comparativus anführen.443 In dieser Neuerung der Donatkommentare gegenüber älteren Traktaten dokumentiert sich ein Wandel des Sprachgebrauchs. Denn im Spätlatein wird der ablativus comparativus bedingt durch den lautlichen Verfall der Kasusformen zusehends durch präpositionale Wendungen ersetzt 444 Die am frühesten als Ersatz auftretende Präposition ist ab. Entsprechende Konstruktionen finden sich bei den Kirchenschriftstellern seit Tertullian und besonders auch in der Vulgata sowie den exegetischen Schriften des Hieronymus; andere Autoren wie ζ. B. Ambrosius und Augustinus sind zurückhaltender, später bei Ennodius und Cassiodor nehmen die Belege jedoch beträchtlich zu. Auch profane Schriftsteller haben seit Porphyrio beim Komparativ den Ablativ mit ab, besonders die Fachschriftsteller. Selbst bei Donat gehört die Konstruktion, die er, wie gesehen, in den Artes nicht als Regel zum comparativus aufführt, zum Sprachgebrauch.445 Insofern ist es nur konsequent, wenn die Donatkommentare den Ablativ mit Präposition als möglichen Kasus beim Komparativ nennen. Sie müssen dann aber zwangsläufig auch zwischen einem Ablativ mit Präposition und dem ohne unterscheiden. In der artigraphischen Tradition ist letzterem der Name septimus gegeben worden, auch wenn seine Loslösung vom ablativus nicht unumstritten geblieben ist. Der Sinn einer Trennung von ablativus und septimus wird daher in den Grammatiken der Spätantike wiederholt diskutiert, wie im vorliegenden Text in diesem Zusammenhang (19,1 Iff.), in anderen Traktaten zumeist im Kapitel De casibus.446 Die einzelnen Belege ergeben, dass der septimus neben den üblichen sechs Kasus anerkannt ist; erst Prise, gramm. II 190,2ff. lehnt seine Existenz ausdrücklich ab.447

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Serv. comm. 407,25-29; Pomp. 157,15-23; Expl. 1492,9-21; Cled. 11,1-2; 39,8-10; 39,15. Char. 147,5f.; Prob. inst, gramm. IV 73,22f.; Aug. brev. 2,5: in conparatvo autem et superlative non est aequalitas, sed alius alii praeponitur, ita tarnen ut conparativus ablativum casum regat..., ut cum dieimus 'iustior hic illo', et nominativum, ut cum dieimus 'iustior hic quam ille'. H.-Sz. 11,111. Vgl. Don. mai. 618,9: saepe idem (sc. conparativus) minus a positive significat; Don. Phorm. pr. 5: revera autem hoc deterior a Menandro Terentius iudicabatur, quod minus sublimi oratione uteretur. JEEP, Redetheile, S. 137f.; K. BARWICK, Remmius Palaemon und die römische Ars Grammatica, Leipzig 1922, S. 15. Quint, inst. 1,4,26; Sacerd. gramm. VI 447,14ff.; Exc. Bob. gramm. I 534,22ff.; Don. mai. 625,2ff.; Diom. gramm. I 317,23ff.; Aug. brev. 2,7; Serv. comm. 433,16ff.; Pomp. 171,21ff.; 183,1 Iff.

De nomine

201

19.10 dinoscitur: Die persönliche Konstruktion von dinoscere mit Nom. c. inf. ist im Spätlatein üblich.448 Bei den Grammatikern ist sie vor allem in Texten des 4. und frühen 5. Jhs. bezeugt, später hingegen kaum noch.449 19.11 censetur: Bei den lateinischen Grammatikern wird censere außer hier nur noch ein einziges Mal, nämlich bei Prob. inst, gramm IV 117,3ff., mit Nom. c. Inf. konstruiert 450 In der spätantiken Literatur findet sich eine entsprechende Verwendung von censere ebenfalls gelegentlich, ohne dass sie sich zeitlich eingrenzen ließe: so ist sie etwa bei Martianus Capella 4 mal, bei Augustinus 5 mal oder bei Cassiodor 2 mal bezeugt.451 19,11 supervacue: Das Adverb supervacue findet sich in Texten der Donattradition außer an dieser Stelle nur noch bei Serv. auct. Aen. 2,173. In anderen Grammatiken kommt es hingegen häufiger vor, allerdings nur in solchen, die dem 4. Jh. angehören.452 Dafür geht der Gebrauch von supervacue in christlichen Schriften über das 4. Jh. hinaus; er reicht nämlich von Augustinus, über die Vulgata bis hin zu Cassiodor, Gregor d. Gr. und Beda.453 19,1 lf. ne ... quis dicat forte: Eine Formulierung, die der Wendung ne quis forte dicat verwandt ist, findet sich weder bei Serv. comm. noch in Servius' Vergilkommentar; allein Pomp, weist mit forte dicas (5 mal) und ne forte dicas (3 mal) entsprechende Ausdrücke auf. Im Vergleich dazu ist ne quis forte dicat in christlichen Texten des 4. und frühen 5. Jhs. häufig überliefert, allen voran bei Ambrosius und Augustinus.454 Daneben kommt sie auch in einem anonymen juristischen Fachtext des ausgehenden 5. Jhs. vor.455 19,14f. 'illo praesente suscepi'': Das Beispiel illo praesente suscepi/ab illo praesente suscepi wird auch in den anderen Donatkommentaren verwendet, um zu belegen, dass eine Trennung von septimus casus und ablativus sinnvoll ist.456 Dort wird die Frage allerdings nicht im 448

Siehe ThLL Bd. V,1 Sp. 1221 s. v. 'dinosco'. ' Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 41,25; 154,19; 160,29; Prob. inst, gramm. IV 54,7; 54,36; 62,28; Audax gramm. VII 353,21; Serv. Aen. 11,259; Prise, gramm. II 114,23. 450 Prob. inst, gramm. IV 117,3ff.: nunc etiam hoc monemus, quod haec nomina ... in metris vel strueturis una virtute aeeipi censeantur. 451 Mart. Cap. 6,707; 6,683; 7,737; 9,995; Aug. nat. et grat. 45,53; civ. 6,7; epist. 44,5 (CSEL 34) p. 119,22; 89,4 (CSEL 34) p. 421,20; c. Cresc. 3,34,38; Cassiod. in psalm. 51,6 p. 474,108f.; var. 12,5,1. 452 Sacerd. gramm. VI 463,14; Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 33,28; Prob. inst, gramm. IV 50,11; 50,15; 133,12; 137,13; 150,18; 150,23; Audax gramm. VII 351,11. 453 Augustinus hat supervacue 6 mal, die Vulgata 3 mal (Vulg. psalm. 24,4; 30,7; 34,7), Cassiodorus 2 mal; Gregor d. Gr. 2 mal und Beda 2 mal. 454 Ambrosius hat 1 mal ne forte quis dicat (Ambr. hex. 3,16,66) und 12 mal nisi forte quis dicaf, Augustinus hat 6 mal ne forte quis dicat (Aug. in evang. loh. 12,2; 95,1; in epist. loh. 2 (PL 35) c. 1994,5; in psalm. 36,11; 88,3). 455 Consult. 2,5; 6,4. 456 Serv. comm. 433,19-23; Pomp. 171,29-33; 183,21-31; Cled. 44,20 (hier liegt allerdings eine Lücke in der Überlieferung vor). 44

202

Kommentar

Rahmen der Steigerung von Nomen diskutiert, sondern im Kapitel De casibus. Sie beruht auf einer älteren artigraphischen Tradition, wie die beiden einander verwandten Grammatiken Exc. Bob. und Diom. aus dem 4. Jh. zeigen.457 In diesen wird der Unterschied zwischen septimus und ablativus ausführlicher behandelt als in den Donatkommentaren. Dabei gehen sie insbesondere auf die verschiedenen Funktionen ein, die dem septimus zufallen, wenn als reiner Ablativ nur der ablativus separativus mit der Präposition ab gilt.458 Eine davon ist die des ablativus absolutus, für den Exc. Bob. und Diom. die konstruierten Beispiele ducente dea elapsus est Aeneas, incusante Cicerone Catilina victus est und studente Sacerdote differentia inventa est anfuhren.459 Diom. gramm. I 318,1 Of. fugt dann noch unabhängig von Exc. Bob. das den Donatkommentaren verwandte Exempel hoc praesente ab alio accepi hinzu.460 Das zeigt, dass nicht nur die Diskussion über die Trennung von septimus und ablativus schon durch die den Donatkomentaren vorausgehende Tradition geprägt war, sondern auch das Beispiel illo praesente suscepi / ab illo praesente suscepi.

19,20f. 'doctior orator oratoribus' et 'doctior orator grammaticis': Das Phänomen, dass durch den gradus comparativus im Gegensatz zum superlativus auch Dinge verschiedener Art miteinander verglichen werden können, wird in den Donatkommentaren und auch in den älteren Grammatiken des 4. Jhs. mit den Beispielen velocior equus equo / velocior equus cane oder velocior homo hominibus / velocior homo canibus veranschaulicht.461 Lediglich Expl. I 492,23ff. hat mit doctior orator oratoribus / doctior orator grammaticis die Beispiele des vorliegenden Textes. 20,4f. doctissimus

orator oratorum, doctissimus grammaticus

grammaticorum:

Die

Beispiele für die grammatische Erscheinung, dass im gradus superlativus nur Dinge gleicher Art miteinander verglichen werden können, sind analog zu dem vorherigen doctior orator oratoribus / doctior orator grammaticis gebildet. Sie findet sich in der artigraphischen Tradition nur im vorliegenden Text; selbst Expl. I, wo abweichend von den anderen Grammatiken ebenfalls doctior orator oratoribus verwendet worden ist, hat an dieser Stelle nichts Entsprechendes. Standardbeispiel der übrigen Traktate ist dagegen equus velocissimus

4

" Exc. Bob. gramm. 1534,22-535,8; Diom. gramm. 1317,23-318,22. Siehe auch Sacerd. gramm. VI447,14ff. Siehe JEEP, Redetheile, S. 137. 459 Exc. Bob. gramm. I 534,32-37: secundo, cum ablativi copulati genetivo Graeco interpretentur, velut... Vgl. Diom. gramm. I 318,5-11, 440 Diom. gramm. I 318,10f.: item multum interest utrum dicamus ab hoc praesente accepi an hoc praesente ab alio accepi. 461 Char. 199,26fF. (equus velocior equo; equus velocior carte)·, Dosith. gramm. 28,2 (equus velocior equo; equus velocior cane); Aug. brev. 2,5 (velocior homo homine; velocior lepus homine); Serv. comm. 407,35f. (velocior homo hominibus; velocior homo canibus); Pomp. 157,29ff. (velocior equus equo; equus velocior cane). 458

De nomine

203

equorum / equus velocissimus canum, das aus dem zuvor genannten equus velocior equo / equus velocior cane abgeleitet ist.462 20,5 illud non nos turbet, quod: Siehe oben den Kommentar zu 2,8 ne forte nos turbet. 20,7 'ditissimus agriPhoenicum',

'fortissimegentis Tydide': Von den beiden Vergil-Zitaten

(Verg. Aen. 1,343; Aen. 1,96) wird letzteres in fast allen Donatkommentaren und auch in Grammatiken des 4. Jhs. als Beispiel für einen Genitiv Singular beim Superlativ verwendet.463 Es muss daher dem Standardrepertoire der artigraphischen Tradition zugerechnet werden. Dagegen findet sich ditissimus agri nur bei Pomp. 158,18f. Allerdings wird dieses Zitat schon bei Serv. Aen. 1,96 als Parallele herangezogen, um die Erklärung von fortissime gentis zu stützen.464 20,12f. ut si dicamus 'Iuppiter optimus maximus': Iuppiter optimus maximus ist bei den lateinischen Grammatikern das Standardbeispiel fur einen superlativus gradus, der ohne Vergleich verwendet und daher als eine Art positivus erachtet wird.465

3.2.4 De generibus (20,16 - 25,21) Don. mai. 619,7-622,9; Serv. comm. 407,38408,16; 431,26-432,17; Expl. I 492,37494,30; Pomp. 159,23-161,31; Cled. 11,7-9; 39,16-42,12.

Das Kapitel De generibus setzt sich aus drei Abschnitten zusammen. Im ersten (20,16-22,10; Don. mai. 619,7-16) werden zunächst die verschiedenen genera mit Beispielen aufgeführt; anschließend wird das Verhältnis der übrigen Geschlechter zu den beiden natürlichen des Maskulinums und Femininums (genera principalia) geklärt. Der zweite Abschnitt (22,1124,23; Don. mai. 620,1-621,9) erörtert Unregelmäßigkeiten, die im Zusammenhang mit dem Geschlecht lateinischer Substantive zu beachten sind. Im dritten (25,1-25; Don. mai. 621,10-

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464

465

Char. 199,30ff.: velocissimus equus non dicitur nisi equis comparatus; Exc. Bob. gramm. I 537,7-10; Dosith. gramm. 28,3; Aug. brev. 2,5: non enim possumus dicere velocissimus equus nisi equorum aut sapientissimus homo nisi hominum; Serv. comm. 407,36f.: velocissimus homo hominum, nemo enim dicit velocissimus homo equorum', Pomp. 158,lf.: equus velocissimus est equorum, non possum dicere equus velocissimus canum. Char. 199,32ff.; Exc. Bob. gramm. I 537,9ff.; Dosith. gramm. 28,3; Aug. brev. 2,5; Serv. comm. 407,30ff.; 431,22ff.; Pomp. 158,12ff.; Expl. 1492,27ff.; Prise, gramm. Π 94,12ff. Serv. Aen. 1,96: fortissime gentis: atqui in artibus legimus superlativum gradum nonnisi genetivo plurali iungi. constat quidem, sed gens nomen est enuntiatione singulare, intellectu plurale; bene ergo iunxit, in gente enim plures sunt, ut alibi ipse 'ditissimus agri Phoenicum', non enim unus est ager Phoenicum; item Sallustius 'Romani generis disertissimus'. Don. mai. 619,4f.; Diom. gramm. I 325,19-21; Consent, gramm. V 342,25-27; Pomp. 158,27ff.; Cled. 39,1 Iff. Vgl. auch Serv. Aen. 8,127.

204

Kommentar

622,9) geht es schließlich um die Frage, welches Geschlecht für bestimmte Endungen im Nominativ Singular in Frage kommt. Der Vergleich mit den anderen Donatkommentaren zeigt, dass der erste Abschnitt bei diesen anders aufgebaut ist als im vorliegenden Text und bei Don. mai.466; er beginnt nämlich nicht mit der Aufzählung der genera nominum samt Beispielen, sondern er setzt mit einer Definition des Begriffes genus (genera dicta sunt...) ein, als deren Quelle von Pomp, und Expl. I übereinstimmend Varro angegeben wird.467 Davon ausgehend entwickeln die genannten Kommentare zunächst den Unterschied zwischen dem natürlichen Geschlecht (genus α natura) und dem grammatischen {genus ab auctoritate)m,

bevor sie aus diesen

Überlegungen das Maskulinum und Femininum als genera principalia ableiten und das Verhältnis der cetera genera zu diesen klären.469 Erst im Anschluss daran wird der Unterschied zwischen dem genus commune und dem genus epicoenon (inter commune et epicoenon hoc interest) erörtert.470 Diese Entwicklung der Argumentation weicht von der im vorliegenden Text ab, die aber ihrerseits die zu kommentierende Vorlage Don. mai. deutlicher widerspiegelt. Was den Aufbau dieses Abschnitts anbetrifft, stehen also Serv. comm., Pomp, und Expl. I auf der einen Seite sowie der vorliegende Text und Don. mai. auf der anderen zusammen. Serv. comm. 407,38-408,16 zeigt, dass beide Teile dieses Abschnitts in einem zweiteiligen Donatkommentar zur Ars minor gehören. 20,17 genera nominum sunt sex: Der Text gibt die Anzahl der Geschlechter des Substantivs mit sechs an. Dies ist auf den ersten Blick überraschend, werden doch bei den lateinischen Grammatikern

gewöhnlich höchstens fünf Genera unterschieden.471

Der

scheinbare

Widerspruch erklärt sich damit, dass der Text das genus commune aufteilt in commune duorum generum und commune trium generum bzw. genus omne. Diese Unterscheidung ist zwar bereits in älteren lateinischen Grammatiken des 4. Jhs. vorhanden, dennoch wurden dort beide Teile des commune als ein einziges Geschlecht gezählt.472 Ansonsten entsprechen die aufgeführten Teilkategorien des Genus denen, die schon in der griechischen Grammatik des 2. Jhs. v. Chr. entwickelt wurden: masculinum, femininum, neutrum, commune und epicoenon bzw. promiscuum.m

Es muss des Weiteren nicht verwundern, wenn bei Don. min. 586,5 und

Don. mai. 619,7 lediglich von vier Geschlechtern die Rede ist, weil Donat die fehlenden zwei durch est praeterea (Don. min. 586,7f.) bzw. est etiam (Don. mai. 619,14ff.) ergänzt. Die Zahl sechs ist also nicht darauf zurückzuführen, dass der vorliegende Text gegenüber der 466 467 468 469 470 471 472 473

Serv. comm. 407,38^08,16; Pomp. 159,23-161,31; Expl. 1492,37-494,30. Serv. comm. 407,38; Pomp. 159,23f.; Expl. 1492,37f. Serv. comm. 407,38^108,5; Pomp. 159,24-160,24; Expl. 1493,1-10. Serv. comm. 408,5-8; Pomp. 160,25-161,3; Expl. 1493,10-37. Serv. comm. 408,9-16; Pomp. 161,4-31; Expl. 1493,37^94,30. Char. 15,10-20; Char. 194,7-23; Exc. Bob. gramm. I 534,2-10; Dosith. gramm. 17,3ff. Siehe vorherige Anm. Dion. Thr. GGr I (ed. Uhlig) 24,7-25,2. Siehe dazu STEINTHAL, Sprachwissenschaft Bd. 2, S. 244.

De nomine

205

artigraphisehen Tradition eine neue Kategorie des Genus einführt. Sie beruht vielmehr darauf, dass er die von den Vorläufern bereits entwickelten Kategorien an dieser Stelle gleichberechtigt nebeneinander stellt, während bei Donat und den anderen Grammatikern schon hier eine Gewichtung zwischen eigentlichen Geschlechtern und solchen, die man ergänzend hinzunehmen kann, vorliegt. Diese ist unabhängig von der Heraushebung des Maskulinums und Femininums als genera prineipalia, die von Don. mai. und seinen Kommentatoren später vorgenommen wird.474 20.17 mascutinum, uthic Cato: Bei Don. min. 586,5, Don. mai. 619,8f. und Pomp. 160,28f. ist hic magister das Beispiel für ein Substantiv maskulinen Geschlechts, hic Cato ist dagegen in der älteren artigraphischen Tradition des 4. Jhs. an entsprechender Stelle vertreten.475 20.18 neutrum, ut hoc monile·. Don. min. 586,6, Don. mai. 619,1 Of. und Pomp. 160,29f. haben hoc scamnum als Beispiel für ein Substantiv neutralen Geschlechts, hoc monile ist dagegen sonst nicht vertreten. Da es sich aber um ein Nomen handelt, das bei den Grammatikern sehr häufig verwendet wird, vor allem als Beispiel für Substantive neutralen Geschlechts, die im Nominativ Singular mit dem Vokal e enden476, kann nicht die Rede davon sein, dass der Text hier bewusst von der artigraphischen Tradition abweicht. Hinzu kommt, dass weiter unten hoc scamnum auch im vorliegenden Text (21,16) als Beispiel für ein Nomen im Neutrum angeführt wird. 20,22f. verum inter commune et epicoenon hoc interest·. Die Formulierung, mit der die Ausführungen zum Unterschied von genus commune und genus epicoenon eingeleitet werden, stimmt wörtlich zwischen dem Text, Serv. comm. 408,9, Pomp. 161,4 und Cled. 11,7 überein. Im Aufbau des Gedankengangs zeigen sich jedoch Differenzen zwischen den einzelnen Traktaten. So behandeln der vorliegende Text und Pomp, die Frage zunächst unter formalem Gesichtspunkt, indem sie erörtern, dass beim genus commune die "Artikel" hic und haec stehen können, beim genus epicoenon hingegen nur einer von beiden.477 Erst danach gehen sie auf den sachlichen Unterschied ein, indem sie den Begriff epicoenon definieren.478 Diese Argumentation erfolgt bei Serv. comm. und Expl. I in umgekehrter Reihenfolge.479 Andererseits stimmen Serv. comm., Pomp, und Expl. I gegen den vorliegenden Text darin überein, dass sie die Frage aufwerfen, woher man wisse, welcher "Artikel" beim genus 474

475 476

477 478 479

21,12fF.; Don. mai. 619,13f.; Serv. comm. 407,38ff.; Expl. I 493,10ff.; Pomp. 160,25ff.; zur Gewichtung der Genera in der lateinischen Grammatik siehe JEEP, Redetheile, S. 127f. Char. 15,10f.; Diom. gramm. I 301,3f. 25,8; Sacerd. gramm. VI 472,21ff.; Char. 58,Μ; Diom. gramm. I 303,4f.; Prob. cath. gramm. IV 7,27-8,3; Prob. nom. gramm. IV 207,3ff.; Pomp. 165,3-6; Pomp. 199,5ff.; Aug. reg. gramm. V 500,9ff. 20,23 -21,1; Pomp. 161,8-17. 21,1-5; Pomp. 161,26-31. Serv. comm. 408,9-11 und Expl. 1494,3-14; Serv. comm. 408,11-14 und Expl. 1494,14-17.

206

Kommentar

epicoenon zu wählen ist.480 Die Antwort darauf ist bei Pomp, und Expl. I ausführlicher als bei Serv. comm., weil jene nicht nur auf die auctoritas als entscheidendes Kriterium verweisen, sondern noch die mit Beispielen versehene Warnung hinzufügen, dass die auctores das Genus eines Substantivs durchaus variieren können.481 Umgekehrt ist der vorliegende Text in seinem abschließenden Hinweis, dass man bei Nomina im genus commune leicht der Gefahr eines Solözismus unterliege (21,5-11), selbständig gegenüber den anderen Donatkommentaren. 20,23 quod in communi pro sexu articulum variamus: Gegenüber der Formulierung des vorliegenden Textes und der bei Serv. comm. 408,12 zeigen Pomp. 161,8ff. und Expl. I 494,14f. eine engere Verwandtschaft. 482 20,24f. in epicoeno vero idem nomen est et unus articulus: Die Formulierung weicht von der entsprechenden in den anderen Donatkommentaren ab, die ihrerseits Übereinstimmungen zeigen.

483

21,2f. genus, in quo non facile deprehenditur sexus, ut hic piscis: Die Definition des genus epicoenon weicht in ihrem Wortlaut von der in den anderen Kommentaren zu Donats Art es ab; diese sind hier einander enger verwandt.484 Das Beispiel piscis

findet sich in

entsprechendem Zusammenhang außer im vorliegenden Text noch bei Serv. comm. 408,11. Standardbeispiele für das genus epicoenon sind sonst passer und aquila, die der Text aber schon vorher (20,22) genannt hatte. 21,4 non omnium est: Der Ausdruck non omnium est in der Bedeutung 'es ist nicht jedermanns Sache' ist in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nicht bezeugt. Dagegen kommt er bei christlichen Schriftstellern in der Spätantike vor, und zwar in erster Linie als Zitat von Vulg. II Thess. 3,2.485 Abgesehen davon findet sich non omnium est aber auch in andere Formulierungen eingebunden.486

480 481 482

483

484

485

48ί

Serv. comm. 408,14-16; Pomp. 161,17-26; Expl. 1494,17-30. Pomp. 161,22-26; Expl. 1494,20-30. Pomp. 161,8ff.: quod in communi generepro sexus qualitate duos damus articulos; Expl. 1494,14f.: quod in communi pro qualitate sexus articulos damus. Serv. comm. 408,13f.: in epicoeno vero unus articulus sumitur et utrumque sexum intellegimus; Pomp. 161,9ff.: epicoeno unum quidem articulum damus, sed utrumque intellegimus sexum; Expl. I 494,15f.: in epicoeno non possumus hoc facere, sed unum articulum utrique sexui damus. Serv. comm. 408,9-11: commune est, ubi visu secernimus sexum, ut canis; epicoenon est econtrario, ubi visu non secernimus sexum, ut piscis; Pomp. 161,27fF.: epicoenon est, cuius sexus non agnoscitur visu ... ergo specialiter epicoenon ubi visu non agnoscimus sexum; Expl. 1494,3-6: ubi visu discernimus sexum, commune est, ubi visu non discernimus, epicoenon est. Vulg. II Thess. 3,2: ut liberemur ab importunis et malis hominibus, non enim omnium est fides. Davon hängen ab: Aug. in evang. loh. 115,4; in psalm. 87,13; serm. 127 (PL 38) c. 709,54; Greg. M. moral. 27,12. Beda, De tabemaculo 3 (CCSL 119a) p. 94,73f.: non omnium est sacramentafideipraedicare inpopulo.

De nomine

207

21,6 duos Habens passeres·, passer ist zwar neben aquila Standardbeispiel für das genus epicoenon, dennoch ist die Auswahl des Begriffes an dieser Stelle wohl nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick erscheint. Denn zum einen findet sich in keiner anderen lateinischen Grammatik ein vergleichbares Beispiel mit duo passeres, das vor einem Solözismus durch Verwechslung des Geschlechts warnt. Zum anderen kommen duo passeres mehrmals in der Heiligen Schrift vor, und zwar im Buch Levitikus als Opfergaben im Rahmen eines Reinigungsritus (ut ojferat pro se duos passeres vivas)487 und im Matthäus-Evangelium als Beispiel für Lebewesen, die zwar wertlos erscheinen, aber trotzdem der Fürsorge Gottes unterstehen (nonne duo passeres asse veneunt).488 Dass es sich im letzteren Fall um eine besonders prominente Bibelstelle handelt, zeigt die umfangreiche Rezeption des MatthäusVerses in der christlichen Literatur des 4. und 5. Jhs.489 21,6 verbi causa: Die Wendung verbi causa in der Bedeutung 'zum Beispiel' ist in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nur 9 mal bei Cicero und 1 mal bei Lukrez überliefert. Dagegen kommt sie in der Spätantike häufiger vor, allen voran bei christlichen Autoren.490 Bei den lateinischen Grammatikern ist der Ausdruck eher selten, er findet sich nämlich nur zweimal

bei

Aug.

brev.,

einmal

bei

Vellius

Longus

und

einmal

in

Servius'

Vergilkommentar491; eine Ausnahme ist in dieser Hinsicht nur Pomp., wo verbi causa mehrfach verwendet wird.492 21,7f. ne is quidem incurrat per genera soloecismum: Eine ähnliche Formulierung findet sich bei Pomp. 292,38: ergo in Vitium ne incurras, haec teneto. 21,17 autgignit aut creat: Mit den Verben gignere und creare wird das beschrieben, was die natürlichen Genera Maskulinum und Femininum gegenüber den anderen auszeichnet. Sie stehen im vorliegenden Text an Stelle des in den anderen Donatkommentaren üblicheren

487

488

489

490

491 492

Vulg. Lev. 14,4: praecipiet ei, qui purificatur, ut offerat pro se duos passeres vivos, quos vesci licitum est et lignum cedrinum; Vulg. Lev. 14,49: et in purificationem eins sumet duos passeres lignumque cedrinum. Vulg. Matth. 10,29: nonne duo passeres asse veneunt et unus ex Ulis non cadet super terram sine patre vestro; vestri autem capilli capitis omnes numerati sunt, nolite ergo timere, multis passeribus meliores estis\ vgl. Vulg. Luc. 12,6: nonne quinque passeres veneunt dipundio et unus ex Ulis non est in oblivione coram deo; sed et capilli capitis vestri omnes numerati sunt, nolite ergo timere, multis passeribus pluris estis. Ambr. in Luc. 7,114; Rufin. Orig. princ. 2,11,5; 3,2,7; Aug. spec. 25 p. 163,15; in psalm. 145,14; agon. 8,9; c. Adim. 26; Hil. trin. 4,8; Hier, in Matth. 10,29 1. 1725ff. verbi causa ist jeweils einmal bei Censorinus (10,10) und Martianus Capeila (5,492) belegt; in der christlichen Literatur findet sich der Ausdruck allein bei Rufin 62 mal, bei Hieronymus 42 mal und bei Augustinus 19 mal. Aug. brev. 7,4; 10,2; Vel. gramm. VII 61,11; Serv. georg. 1,21. Siehe etwa Pomp. 140,18; 142,24; 144,32; 154,6.

208

Kommentar

generare.493 Expl. I verwendet aber in vergleichbarem Zusammenhang auch gignere und Pomp, ebenfalls creare.494 21,18 ne quis nobis

obiciat:

Bei den lateinischen Grammatikern sind verwandte

Formulierungen nur bei Pomp, überliefert.495 In der lateinischen Literatur sind ähnliche Ausdrücke Augustinus.

ebenfalls selten, Entsprechendes

findet

sich

lediglich bei

Cicero

und

496

21,18 paries: paries findet sich als Beispiel für ein Nomen, dessen Geschlecht nicht natürlich ist, sondern ex auctoritate hergeleitet werden muss, außerdem noch bei Serv. comm. 408,2ff., Expl. I 493,8ff. und Pomp. 159,29f. Es ist demnach in den Donatkommentaren das Standardbeispiel für den vorliegenden Sachverhalt. 21.20 lectio vel ipsa latinitas: Siehe zu lectio den Kommentar zu 9,4 lectione potius quam arte, zu latinitas den Kommentar zu 9,8 in latinitatem cadunt. 21.21 mancipium: Der Einwand, dass mancipium ein neutrales Geschlecht bildet, obwohl der Begriff doch entweder einen Mann oder eine Frau bezeichne, findet sich außer im vorliegenden Text noch bei Expl. I 493,18-20 497 Die Antwort darauf weicht jedoch in den beiden Kommentaren voneinander ab: während unser Text nämlich behauptet, man müsse zur genauen Bezeichnung des Geschlechts puer oder puella ergänzen, vertritt Expl. I die Ansicht, mancipium meine überhaupt keine Person, sondern nur deren sozialen Status. 22,3 puerum puellamve, deum deamve: In der Handschrift Ρ ist nach puerum puellamve noch deum deamve hinzugefügt. Dieser Zusatz scheint neben dem Nomen mancipium auf den ersten Blick keinen Sinn zu machen und wirkt daher wenig authentisch. Ein Erklärungsansatz, der an deum deamve dennoch festhält, könnte sein, dass der Verfasser des Textes den Ausdruck nicht mit Blick auf mancipium ergänzt hat, sondern aufgrund des Sprachgebrauchs, der an drei Textstellen bei Augustinus deutlich wird. Dort geht es jeweils um die Vielzahl der Götter, die bei den Römern verehrt werden. Verschiedene Dinge werden in diesem Zusammenhang aufgezählt und mit dem Zusatz deus oder dea versehen. Dabei richtet sich die Auswahl der maskulinen Form deus oder der femininen dea nach dem Geschlecht des 493 494

495 496

497

Serv. comm. 407,38ff.; Expl. 1493,4f.; Pomp. 159,32; 160,8. Expl. I 493,1: quidquid enim gignit aut gignitur, hoc potest genus dici et genus facere\ Pomp. 159,25f.: nulla enim genera crearepossunt nisi haec duo (sc. masulinum et femininum). Pomp. 228,36: nequi tibi obiciat; 138,22f.: siqui tarnen obiciat ei hoc ipsum. Cie. Att. 7,3,11: ne ... obiciat nobis aliquis; Aug. c. Faust. 22,46: ne quisquam durus et sine adfectu id ipsum pro crimine obiciat saneto viro. Expl. I 493,18-20: nec opponas quod dicitur hoc mancipium, cum non sexus significetur hoc nomine, sed condicio.

De nomine

209

Substantivs, das mit dem Attribut des Göttlichen versehen wird.498 Auf diesem Hintergrund müsste man den Zusatz deum deamve im vorliegenden Text so interpretieren, dass der Verfasser darauf aufmerksam machen will, dass bei Substantiven, deren Genus nicht anhand der Wortform zu erkennen ist, dieses durch Hinzufügen von Appellativen wie deus oder dea angezeigt werden kann. 22,3 tale est ac si: Eine entsprechende Formulierung findet sich in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nicht. Darüber hinaus kommt sie weder in Servius Vergilkommentar noch bei Serv. comm. sowie Expl. I vor. Von den Kommentaren zu Donats Artes ist Pomp, der einzige, der tale est ac si verwendet.499 Dagegen ist die Wendung in christlichen Texten seit dem ausgehenden 4. Jh. üblich. Am häufigsten ist sie bei Augustinus belegt (9 mal)500, im 5. und frühen 6. Jh. dann noch bei Julian von Eclanum (1 mal), Claudianus Mamertus (3 m a l ) und Fulgentius von Rüspe (1 mal). In späterer Zeit tritt tale est ac si dann nur noch bei Gregor d. Gr. (14 mal) und Beda (2 mal) auf. 22,4f. commune est, quod sub uno nomine mutatis articulis marem feninamve significat: Die Definition des genus commune ist im vorliegenden Text genauer als in den anderen Donatkommentaren. Er begnügt sich nämlich nicht damit, commune als Zusammentreffen von Maskulinum und Femininum in einem Nomen zu erklären, sondern er schließt in die Definition mit ein, dass sich bei diesen Substantiven je nach Geschlecht der "Artikel" verändert. Darauf verzichten die anderen Traktate übereinstimmend, was zur Folge hat, dass sie sich hier auch im Wortlaut näher stehen.501 22,11-20 quae masculina sonant, intelliguntur autem feminina ...: In der folgenden Partie (22,11-20) behandelt der Text Substantive, deren Genus nicht dem entspricht, welches man aufgrund der Wortendung annehmen würde. Die Reihenfolge der Einzelfälle orientiert sich an Don. mai. 620,1-5: demgemäß werden als erstes die Nomina femininen Geschlechts, die wie Maskulina aussehen, sowie der umgekehrte Fall erörtert (22,11-15). An zweiter Stelle geht es um die Nomina femininen Geschlechts, die äußerlich wie Neutra wirken, sowie das entgegengesetzte Verhältnis (22,15-19). Schließlich werden die Substantive angeführt, die der Form nach Maskulina, tatsächlich aber Neutra sind (22,19-20). Von diesem Aufbau weicht 498

Aug. in psalm. 104,11: Romarti veteres quosdam deos tales consecrarunt, sicut deam febrem deumque pallorem', Aug. epist. 17,2 (CSEL 34,1) p. 42,6ff: verum tarnen si ridere delectat, habes apud vos magnam materiam facetiarum: deum Stercutium, deam Cluacinam, venerem Caluam, deum Timorem, deum Pallorem, deam Febrem et cetera huiuscemodi, quibus Romani antiqui simutacrorum cultores templa fecerunt et colenda censuerunt; vgl. außerdem Aug. civ. 4,21. 499 Siehe etwa Pomp. 156,16; 157,7; vgl. auch Cled. 73,19. 500 Vgl. etwa Aug. in evang. loh. 22,10; in psalm. 104,1. 501 Serv. comm. 408,7: commune quod et masculinum et femininum; Pomp. 160,27: quid si et masculinum et femininum? iam commune est; Expl. I 493,29f.: commune quod et masculinum et feminininum est tantum.

210

Kommentar

Pomp. 162,3ff. insofern ab, als dort im ersten und zweiten Einzelfall die Abfolge gegenüber dem vorliegenden Text und Don. mai. umgekehrt wird, d. h. für den ersten Einzelfall, dass Pomp, zunächst die Nomina maskulinen Geschlechts behandelt, die wie Feminina aussehen, und dann das umgekehrte Verhältnis, die nomina enuntiatione masculina, intellectu feminina. Serv. comm. 431,26-28 geht hier nur auf die Substantive neutralen Geschlechts ein, die man der Form nach für Maskulina halten könnte. Der Text bemüht sich in dieser Partie im Vergleich zu Don. mai. und den anderen Kommentaren um eine Variation der starren Terminologie sono ... intellectu, indem er die beiden Substantive etwa durch die Verben sonare und intellegere ersetzt oder weiter unten durch die Partizipien sonantia und probantia. Serv. comm. und Pomp, halten dagegen streng an den antithetischen Begriffen enuntiatione und intellectu fest 502 , Don. mai. an sono ... intellectu. 22,12f. ut si dicamus Eunuchum

comoediam: Eunuchus comoedia ist neben Orestes

tragoedia das Standardbeispiel für eine Wendung, in der neben einem Substantiv, welches seiner äußeren Form nach maskulinen Geschlechts sein müsste, ein feminines Attribut steht. Eunuchus comoedia findet sich nicht nur bei Don. mai. 620,10f., sondern auch in allen anderen Donatkommentaren, soweit sie das in Rede stehende grammatische Phänomen erörtern.503 Pomp, und Cled. führen in diesem Zusammenhang ein Terenz-Zitat (Ter. Eu. pr. 32) an, auf dem das Beispiel Eunuchus comoedia zu basieren scheint.504 Dieses wird auch von Servius im Vergilkommentar als Parallele zu einem analogen Sachverhalt herangezogen.505 Umgekehrt verweist Donat in seinem Kommentar zu Ter. Eu. pr. 32 auf die Vergil-Stelle, deren Erklärung Servius mit dem Terenz-Zitat unterstreicht.506 22,13f. quae feminina sonant, sapiunt vero masculina: Der Text ersetzt den von Don. mai. vorgegebenen nominalen Ausdruck (sono ... intellectu) durch eine verbale Formulierung (sonant, sapiunt vero). Die beiden Verben sonare und sapere stehen dadurch in einem antithetischen Verhältnis wie zuvor sonare und intellegere. Ein entsprechender Wortlaut ist weder in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. belegt noch in lateinischen Grammatiken. Dagegen findet sich bei christlichen Autoren mehrmals eine gegensätzliche Position von sonare und sapere, angefangen von Tertullian über Augustinus bis hin zu Gregor d. Gr.507 502

503 504 505

506 507

Serv. comm. 431,26; Pomp. 162,7ff. Vgl. auch oben den Kommentar zu 18,12 inveniuntur autem nomina sono diminutiva, intellectu comparativa. Pomp. 162,9fr.; Cled. 39,19f. Pomp. 162,10f.: nam ita legimus in ipso Terentio 'quam transtulit in Eunuchum suam'. Serv. Aen. 5,122: Centauro magna: feminini est generis, si de navi dicas, ut 'in Eunuchum suam', cum comoediam diceret. Don. Eu. pr. 32: in Eunuchum suam: adfabulam, nonad hominem retulit, ut 'Centauro invehitur magna'. Tert. resurr. 33,6: tanto abest, ut sententiae et definitiones ... aliter, quam sonant, sapiant\ siehe auch Tert. nat. 3,14 p. 14,5; Tert. scorp. 11 p. 170,23; Aug. c. Petil. 2,101,232: legant tarnen Herum etiterum et cogitent

De nomine

211

22,14f. ut Sulla, Catilina: Don. mai. 620,2f. hat an dieser Stelle die Beispiele Fenestella scriptor und Aquila orator. Von den beiden Eigennamen, die der vorliegende Text anführt, ist nur Catilina bei Pomp. 162,6f. und Consent, gramm. V 345,4f. belegt, Sulla hingegen nirgends in entsprechendem Zusammenhang. Somit stehen in unserem Text Sulla und Catilina zum wiederholten Mal als Beispiele nebeneinander, ohne dass es der Vorlage Donat entspräche oder eine Parallele dazu in einem anderen Kommentar gäbe.508 22,16f. ut si dicimus Phronesium mulier, Glycerium meretrix: Die Eigennamen Phronesium und Glycerium sind die Standardbeispiele für Nomina, die äußerlich wie Neutra erscheinen, in Wirklichkeit aber femininen Geschlechts sind. Sie kommen nicht nur bei Don. mai. 620,3f. vor, sondern auch in anderen Kommentaren zu Donats Artes.S09 Cled. 39,20f. gibt zu erkennen, dass Glycerium auf ein Terenz-Zitat (Ter. Andr. 134) zurückgeht.510 Darüber hinaus wird Glycerium bereits in Donats Terenzkommentar als Beispiel für das hier in Rede stehende grammatische Phänomen verwendet.511 22,18f. ut poema, toreuma, emblema, schema: Von den vier Beispielen des vorliegenden Textes sind bei Don. mai. 620,4 lediglich poema und schema vorgegeben. Trotzdem kann man toreuma und emblema nicht als Neuschöpfungen des Textes bezeichnen, da beide Substantive in der artigraphischen Tradition häufig als Beispiele verwendet werden und dann meistens im Zusammenhang mit den anderen hier genannten auftreten.512 22,20 ut vulgus, pelagus: vulgus und pelagus sind Standardbeispiele für die Substantive, deren Geschlecht nicht männlich ist, wie man aufgrund der äußeren Form meinen könnte, sondern neutral. Sie werden nämlich sowohl von Don. mai. 620,5 als auch von den anderen Donatkommentaren an dieser Stelle angeführt.513 Serv. comm. und Pomp, verweisen jedoch gegenüber den anderen Grammatiken übereinstimmend darauf, dass sich das Genus von vulgus nicht eindeutig auf Neutrum festlegen lasse, weil die Verwendung bei den auctores

508 509 510 511 512

513

et sentiant ea non quid sonent, sed quid sapiant; Caes. Arel. serm. 89,1: frequenter ammonui non hoc solum debetis adtendere, quod sonat in verbo, sed quod intellegitur et sapit in spiritu\ Gregor M. moral. 11,6: ut eis in corde sapiat, quod reproborum non mentibus, sed solummodo auribus sonar, vgl. auch Gregor M. moral. 23,17. Siehe dazu oben den Kommentar zu 6,1 lf. ut Sulla, Catilina. Pomp. 162,15f.; Cled. 39,20f.; Consent, gramm. V 345,6. Cled. 39,20f.: femininasunt, ut Terentius 'mea Glycerium'. Don. Ph. 152: Dorcio: Dorcium femininum nomen est, utPlanesium Glycerium. Zu toreuma: Don. mai. 621,1 lf.: nomen in a vocalem desinens nominativo casu singulari aut masculinum est ... aut neulrum, ut toreuma; vgl. Consent, gramm. V 345,7f.; Pomp. 164,32; Cled. 41,17. Zu emblema: Don. mai. 628,4: non veniunt (sc. in hanc regulam) quae a Graecis sumpsimus, ut emblema epigramma stemma poema schema; vgl. Serv. comm. 435,4; Pomp. 162,13. Serv. comm. 431,26-28; Pomp. 162,17-20; Cled. 39,22; Consent, gramm. V 345,8.

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Kommentar

widersprüchlich sei. Dieser Einwand ist berechtigt, weil auch Don. mai. das Nomen vulgus weiter unten (Don. mai. 620,9) zu den nomina incerti generis inter masculinum et neutrum rechnet. Deshalb erörtert auch der vorliegende Text an der entsprechenden Stelle (23,17-19) das mehrdeutige Geschlecht von vulgus mit denselben Vergilbeispielen, die Serv. comm. 431,26-28 schon hier liefert.514 22,21f. in pluralitate: Die Termini pluralitas und singularitas sind in der artigraphischen Tradition selten gegenüber den gewöhnlichen Ausdrücken pluralis numerus und singularis numerus. Sie kommen aber durchaus bei verschiedenen Grammatikern vom 4. Jh. bis zum Ende der Spätantike vor.515 22,Iii. ut hoc balneum hae balneae, hic Tartarus haec Tartara, hoc caelum hi caeli: Der Text nennt hier nur drei Beispiele fur die Substantive, deren Geschlecht im Plural von dem im Singular abweicht, während bei Don. mai. 620,6f. insgesamt acht vorgegeben sind. Die drei genannten gehören für den vorliegenden Sachverhalt zum Standard der artigraphischen Tradition.516 Der Vergleich mit den anderen Donatkommentaren zeigt, dass Serv. comm. und Pomp, in dieser Partie umfangreicheres Material aufweisen als der vorliegende Text. So liefern sie zu den Beispielen balneum, caelum und caepe übereinstimmend Zitate aus Cicero, Horaz, Lukrez und Persius.517 Pomp, zitiert darüber hinaus zu iocus und forum aus Persius und Sallust.518 Auch Cled. ist ausführlicher als unser Text, indem er zum einen ebenfalls mehr Beispiele anführt, zum anderen den Wandel des Genus von forum im Plural mit einem VergilZitat belegt.519 In der Vergilexegese finden sich lediglich Parallelen bei Serv. Aen. 1,306, wo der maskuline Plural von iocus mit dem auch bei Pomp, verwendeten Persius-Zitat erklärt wird, und bei Serv. Aen. 4,605, wo das Geschlecht von forum im Plural so erörtert wird wie bei Cled 39,28ff. Dagegen finden sich zu den Übereinstimmungen von Serv. comm. und Pomp, keine entsprechenden Stellen bei anderen Grammatikern, weder in rein grammatischen Texten noch in exegetischen. Lediglich Sacerd. gramm. VI 450,11 f., wo der maskuline Plural von caelum ebenfalls durch den Verweis auf Lukrez gestützt wird520, lässt erahnen, dass auch das bei Serv. comm. und Pomp, zusammengestellte Material auf eine ältere artigraphische 514

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Siehe dazu unten den Kommentar zu 23,12-14 vulgus masculinum 'hinc spargere voces in vulgum ambiguas et quaerere conscius' et alibi neutrum 'saevitque animis ignobile vulgus'. pluralitas: Char. 83,13; 132,17; Serv. Aen. 1,378; Serv. comm. 407,3; Expl. I 492,34; Expl. II 543,21; Consent, gramm. V 379,11; Aug. reg. gramm. V 508,23. singularitas: Char. 83,12; Expl. II 543,18; Consent, gramm. V 348,23f. Don. mai. 620,6f.; Diom. gramm. I 327,6ff.; Consent, gramm. V 345,10-14; Serv. comm. 431,29ff.; Pomp. 162,23ff.; Cled. 39,23ff. Serv. comm. 431,29ff.; Pomp. 162,23ff. Zu balneum Cie. S. Rose. 7,18 und Hör. ars 298; zu caelum Lucr. 2,1097; zu caepe Pers. 4,30. Pomp. 163,1-7; zu iocus Pers. 6,5; zu forum Sali. hist. frg. 1,124. Cled. 39,23-30; zu forum Verg. Aen. 4,605. Sacerd. gramm. VI 450,11 f.: sidicas hic caeluspro hoc caelum, quamvis Lucretius caelos dicit.

De nomine

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Tradition zurückgeht. Eine gemeinsame Vorlage, der Serv. comm. und Pomp, hier zweifellos folgen, lässt sich unter den erhaltenen Texten jedoch nicht ausmachen. 23,4 ut finis, dies: Der Text bietet zu den Substantiven, deren Geschlecht bei den lateinischen Schriftstellern zwischen männlich und weiblich schwankt, nur eine kleine Auswahl der Beispiele, die bei Don. mai. 620,8f. aufgeführt sind. Dort werden außer finis und dies noch cortex, silex, radix, stirps, penus und pampinus genannt. Davon ist kein Begriff an dieser Stelle ungewöhnlich, wie der Vergleich mit anderen Grammatiken zeigt.521 Bei Cled. 39,30ff. finden sich auch zu stirps, penus und pampinus Zitate aus lateinischen Autoren, die das wechselnde Genus der in Rede stehenden Nomina belegen sollen. Diese lassen sich abgesehen von den Belegen zu pampinus schon in älteren Traktaten grammatischen oder exegetischen Inhalts nachweisen. Sie gehören also offensichtlich zum Repertoire der artigraphischen Tradition. Vor allem die Parallelen zwischen Cled. und Servius' Vergilkommentar stechen in diesem Zusammenhang hervor.522 23,4-6 legimus enim 'quem das finem, rex magne, laborum?' et alibi 'haec finis priami fatorum, hie exitus illum sorte tulit': Mit zwei Vergil-Zitaten (Verg. Aen. 1,241; 2,554) belegt der Text das zwischen männlich und weiblich variierende Geschlecht des Substantivs finis. Von den Kommentaren zu Donats Artes ist Cled. 40,3f. der einzige, der ebenfalls Belege zu finis anfuhrt, allerdings andere als der vorliegende Text (Verg. Aen. 10,116: hie finis', Verg. Aen. 3,145: quam ... finem). Der Vergleich mit älteren Grammatiken zeigt, dass das Genus von finis dort grundsätzlich als maskulin erachtet worden ist, gestützt auf die Regel, dass alle Substantive mit der Endung nis, soweit es sich nicht um Lebewesen handele, männlich 521 522

Diom. gramm. I 327,llf.; Serv. comm. 432,5ff.; Pomp. 163,9ff.; Consent, gramm. V 345,25ff. stirps: Cled. 40,4-8 belegt das zwischen männlich und weiblich wechselnde Geschlecht von stirps mit Verg. Aen. 12,770 (stirpem ... sacrum) und Verg. Aen. 7,293 (stirpem invisam) bzw. Hör. carm. 3,29,37 (stirpesque raptas). Von den älteren Grammatikern verwendet Char. 140,4fF. in diesem Zusammenhang ebenfalls Verg. Aen. 12,770 und Verg. Aen. 7,293, außerdem liefert er noch Verg. Aen. 12,208 (imo de Stirpe) und Pacuv. trag. 421 (stirpem ... meum)\ bei Prob. nom. gramm. IV 210,23ff. finden sich auch Verg. Aen. 12,770 und Verg. Aen. 7,293 sowie darüber hinaus noch Verg. Aen. 7,579 (stirpem ... Phrygiam). Servius behandelt im Vergilkommentar mehrmals das Genus von stirps (Serv. Aen. 3,94; 7,99; 12,208); abgesehen von den Standardbeispielen aus Vergil, die schon bei den älteren Grammatikern vertreten sind, verwendet Servius an allen drei Stellen auch das bei Cled. vorhandene Horaz-Zitat (Hör. carm. 3,29,37). penus: Cled. 40,8-14 zitiert zum schwankenden Geschlecht von penus Plaut. Pseud. 1,2,45 {penus annuus) und Pompon. Atell. 183 (pulchra peno). Das Pomponius-Zitat findet sich ebenfalls bei Char. 177,19f., der Plautus-Beleg bei Serv. Aen. 1,703; das feminine Genus von penus wird bei Char. 94,21ff. außerdem noch durch Verg. Aen. l,703f (longam penum), bei Serv. Aen. 1,703 durch Lucil. 1350 (legata penus) unterstrichen. Abgesehen davon weisen einige Grammatiker (Char. 94,21ff.; 177,19f.; Don. Eu. 310; Serv. Aen. 1,703; siehe dazu auch ThLL Bd. X,1 Sp. 1122,54fF. s. v. 'penus') daraufhin, dass penus in der Literatur auch im Neutrum vorkommt; Serv. Aen. 1,703 fuhrt dafür als Beispiel Hör. ep. 1,6,72 an. pampinus·. Cled. 40,15-20 erklärt das Genus von pampinus mit Acc. trag. 257 und Lucil. 1270; zu diesen Belegen lassen sich keine Parallelen bei anderen Grammatikern wie in den vorherigen Fällen ausmachen. Bei Serv. Aen. 5,380 und Serv. ecl. 7,58 (mit Verweis auf Varro) wird lediglich auf das wechselnde Geschlecht von pampinus hingewiesen, ohne dass dafür Beispiele geliefert werden (vgl. ThLL Bd. X,1 Sp. 184,4ff. s. v. 'pampinus').

214

Kommentar

seien.523 Dagegen wird das Femininum nur für Ausnahmenfälle gelten gelassen. Exc. Bob. gramm. I 555,25ff. unterstreicht dies sowohl mit den beiden Vergil-Zitaten des vorliegenden Textes als auch mit denen von Cled. 40,3f.524 Das heißt, dass die genannten Textstellen aus Vergil bereits in der älteren artigraphischen Tradition zum Geschlecht von finis vorhanden waren und von dort Eingang in die Donatkommentare gefunden haben. In Servius' Vergilkommentar lässt sich dagegen keine direkte Parallele zum vorliegenden Text oder Cled. ausmachen, wo von den genannten Vergil-Stellen wenigstens zwei miteinander konfrontiert wären. Servius äußert sich zwar zu Verg. Aen. 2,554 über das Geschlecht von finis, einen Verweis auf einen der anderen Belege hat er aber nicht.525 23,6-8 et de die 'venit summa dies et ineluctabile tempus' et alibi 'hunc laetum Tyriisque diem Troiaque profectis': Zum Genus des Substantivs dies, das zwischen Maskulinum und Femininum schwankt, führt der Text erneut zwei Vergil-Zitate an (Verg. Aen. 2,324; Verg. Aen. 1,732). In den anderen Donatkommentaren findet sich dazu nichts Entsprechendes. Von den beiden Textstellen wird die eine (Verg. Aen. 2,324) auch bei Char. 141,15ff. das Geschlecht von dies betreffend herangezogen, dagegen wird die andere (Verg. Aen. 1,732), die den maskulinen Gebrauch belegt, sonst in keiner älteren Grammatik verwendet.526 An ihrer Stelle steht bei Char. 141,15ff. der Vergil-Vers Aen. 4,169 (ille dies primus).521 Der vorliegende Text ist überhaupt die einzige erhaltene Grammatik, in der die beiden VergilZitate einander gegenübergestellt sind. Auch Servius hat in seinem Vergilkommentar keine Stelle, wo die beiden Belege vereinigt sind, gleichwohl behandelt er sie separat, d. h. zu Verg. Aen. 2,324 das weibliche Geschlecht von dies und zu Verg. Aen. 1,732 das männliche.528 Allerdings handelt es sich in beiden Fällen um die erweiterte Fassung des servianischen Vergilkommentars, die Scholia Danielis.

523

Caper gramm. VII 101,19ff.; Exc. Bob. gramm. I 555,25ff.; Prob. nom. gramm. IV 209,31ff.; Prob. inst, gramm. IV 124,16ff. Siehe auch H. BAUER, Das Geschlecht von finis, in: Glotta 10 (1920), 122-127. 524 Exc. Bob. gramm. I 555,25ff.: omnia nomina inanimalia Romana simplicia nis syllaba terminata masculini generis sunt, ut amnis finis panis cinis Junis, quamvis Vergilius finem masculino et feminine genere dixit, masculine ut 'hie finis fandi' et 'quem das finem rex magne laborum', feminine ut 'haec finis Priami fatorum' et 'quaefinis standi'. 525 Serv. Aen. 2,554: haec finis: ... omnia latina nomina inanima, simplicia a verbo non venientia nis syllaba terminata masculina sunt: inanima propter canis, simplicia propter bipennis, α verbo non venientia propter finis. 526 Prob. nom. gramm. IV 210,6ff. diskutiert zwar auch das Geschlecht von dies, allerdings mit den Beispielen Verg. Aen. 2,248 (ultimus... ille dies), Verg. Aen. 5,783 (longa dies) und Verg. Aen. 6,745 (longa dies). 527 Char. 141,15ff.: Varro autem distinxit, ut masculino genere unius diei cursum significaret, feminine autem spatium; quod nemo servavit. nam et secundum distinctionem dixit Vergilius 'venit summa dies', id est tempus, et 'ille dies primus leti\ pro uno die. tarnen et feminine genere diei spatium significat, cum ait, cum ait 'exspectata dies aderat'. 528 Serv. auct. Aen. 2,324: dies autem sifeminino genereponatur, tempus significat ut 'quam nec longa dies', si masculino ipsum diem. Serv. auct. Aen. 1,732: Tyriisque diem: ... quidam volunt masculini generis diem bonum significare, feminini malum.

De nomine

215

23,9 ut vulgus, frenum: Außer vulgus und frenum führt Don. mai. 620,9f. noch clipeus und specus als Beispiele für die Substantive an, welche in der lateinischen Literatur im Maskulinum und im Neutrum vorkommen. Alle vier gemeinsam sind durch die entsprechende Verwendung in anderen Grammatiken als Standardbeispiele für den vorliegenden Sachverhalt ausgewiesen.529 Cled. 40,21-25 fuhrt als einziger der Donatkommentatoren sowohl zu clipeus als auch zu specus Zitate klassischer Autoren an. Dabei entspricht die Auswahl der Belege zu specus der von Serv. Aen. 7,568, während sich zu den Beispielen für clipeus keine Parallele findet.530 23,10-12 legimus enim 'et stabulo frenos audire sonantes' et alibi 'frena Pelethronii Lapithae gyrosque dedere': Dass das Geschlecht von frenum zwischen Maskulinum und Neutrum wechselt, belegt der Text mit Verg. georg. 3,184 (frenos) und Verg. georg. 3,115 (frena). Dagegen haben die anderen Donatkommentare keine Beispiele zu frenum. Auch in Servius' Vergilkommentar lässt sich keine Paralelstelle zum vorliegenden Zusammenhang ausmachen. Somit ist der Text innerhalb der Donattradition der einzige Traktat, der sich mit dem Genus von frenum eingehender beschäftigt. Von den lateinischen Grammatikern haben dies bereits Char. 125,1 Iff. und Prob. nom. gramm. IV 211,24ff. vor ihm getan. Da letzterer dieselben Vergil-Beispiele verwendet wie der vorliegende Text, ist zu folgern, dass das Material zu frenum schon durch die artigraphische Tradition vorgegeben ist.531 23,12-14 vulgus mascuünum 'hinc spargere voces in vulgum ambiguas et quaerere conscius' et alibi neutrum 'saevitque animis ignobile vulgus': Die Tatsache, dass vulgus hier zu den Substantiven gezählt wird, deren Geschlecht zwischen männlich und neutral variiert, widerspricht streng genommen der Aussage von 22,19f., wo es neben pelagus als Beispiel für die Nomina genannt worden ist, die zwar wie Maskulina aussehen, tatsächlich aber Neutra sind.532 Diese Unklarheit ist allerdings nicht dem vorliegenden Text anzulasten, da vulgus auch bei Don. mai. für beide Fälle als Exempel angeführt wird. Serv. comm. hat dies offensichtlich erkannt und deshalb schon zu den nomina sono masculina, intellectu neutra angemerkt, dass vulgus eigentlich nicht dazu gehöre, weil es nicht nur im Neutrum

529 530

531

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Diom. gramm. I 327,12f.; Pomp. 163,27ff.; Consent, gramm. V 345,31; Cled. 40,21 ff. clipeus: Cled. 40,21 f. belegt das schwankende Geschlecht von clipeus mit Verg. Aen. 8,447 (ingentem clipeum) und Verg. Aen. 9,707 (clipeum ... ingens). specus: Cled. 40,23ff. erklärt mit Verg. Aen. 7,568 (specus horrendum) und Hör. carm. 3,25,2 (quos ... in specus), dass specus sowohl neutralen als auch männlichen Geschlechts sein kann. Vgl. Serv. Aen. 7,568: hic specus horrendum: hoc nomen apud maiores trium generum fiiit. Ennius feminino posuit, Horatius masculino 'quae nemora aut quos agor in specus', Vergilius neutro, quod hodie in numero singulari tribus tantum utimur casibus... Char. 125,1 Iff. hat zum Genus von frenum die Beispiele Verg. georg. 3,184 (frenos) und Verg. Aen. 12,568 (frenum), Prob. nom. gramm. IV 211,24ff. dagegen wie der vorliegende Text Verg. georg. 3,115 (frena) an Stelle von Verg. Aen. 12,568. Siehe oben den Kommentar zu 22,20 ut vulgus, pelagus.

216

Kommentar

vorkomme.533 Als Beleg dafür zitiert Serv. comm. die beiden Vergil-Stellen (Verg. Aen. 2,98: in vulgum', Verg. Aen. 1,149: ignobile vulgus), die auch unser Text an dieser Stelle präsentiert. Bei Serv. comm. wird der Wortlaut von Verg. Aen. 2,98 jedoch fälschlich mit in vulgum ambiguam wiedergegeben, mit der Folge, dass vulgus dort nicht für ein maskulines Substantiv gehalten wird, sondern für ein feminines. Ansonsten entspricht aber die Auswahl der Belege der des vorliegenden Textes und auch der bei Cled. 40,22f.534 Sie sind demnach in der Donattradition fest verankert. Dieser Befund wird durch Serv. Aen. 1,149 bestätigt, wo die beiden Vergil-Stellen ebenfalls miteinander konfrontiert werden.535 Dass sie in diesen Traktaten so einhellig nebeneinander stehen, hängt offensichtlich damit zusammen, dass schon ältere Grammatiken des 4. Jhs. sie entsprechend verwendet haben, so etwa Char. 94,1 Off. und Prob. nom. gramm. IV 208,7ff.536 Man kann die Vergil-Zitate zum Genus von vulgus daher zweifellos zum Standardrepertoire der artigraphischen Tradition rechnen. 23,15 ut buxus, pirus, prunus, malus: Der Text führt hier als Beispiele für die Substantive, deren Geschlecht zwischen weiblich und neutral schwankt, genau diejenigen an, welche auch Don. mai. 621,lf. und die anderen Donatkommentare haben.537 23,15-17 legimus enim 'tympana vos buxusque vocat Berecynthia matris' et alibi 'aut torno rasile buxum': Das zwischen Femininum und Neutrum wechselnde Geschlecht von buxus wird durch Verg. Aen. 9,619 (buxusque ... Berecyntia) und Verg. georg. 2,449 (torno rasile buxum) belegt. Darin stimmt von den Donatkommentaren Cled. 40,25ff. mit dem vorliegenden Text überein.538 Dass die beiden Vergil-Zitate in der Donattradition etabliert sind, zeigen auch Serv. Aen. 9,616 und Serv. Aen. 12,766, wo sie ebenfalls zum Genus von buxus einander gegenübergestellt sind.539 Es handelt sich also auch in diesem Fall um Belegmaterial, das zumindest für die Donat-Schule als Standard ausgewiesen ist.

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Serv. comm. 431,26-28: quod dicit enuntiatione masculinum, intellectu esse neutrum pelagus, verum est, vulgus falsum est: et feminino et neutro genere legimus apud Vergilium, feminine 'in vulgum ambiguam', neutro 'ignobile vulgus'. Cled. 40,22f.: vulgus neutrigeneris 'saevitque animis ignobile vulgus', masculini 'in vulgum ambiguas'. Vgl. auch Consent, gramm. V 345,15ff. Serv. Aen. 1,149: vulgus: et masculini generis et neutri tectum est, generis neutri hoc loco, alibi masculini, ut 'in vulgum ambiguas'. Siehe darüber hinaus auch Char. 19,13ff.; Exc. Bob. gramm. I 538,35f.; Prob. cath. gramm. IV 21,9. Pomp. 163,29f.; Cled. 40,25ff.; Expl. II 540,9f.; siehe auch Diom. gramm. I 327,14 und Consent, gramm. V 346,lf. Cled. 40,25fF.: ut buxus: buxus feminini 'tympana vos buxusque vocat Berecynthia matris', neutri 'et torno rasile buxum'. Serv. Aen. 9,616: buxusque vocat Berecynthia: ... dicitur autem et haec buxus et hoc buxum, ut 'et torno rasile buxum'·, Serv. Aen. 12,766: ... item 'hoc buxum', licet et 'haec buxus'dicatur: nam superfluam quidam volunt facere discretionem, ut 'haec buxus' de arbore dicamus, 'buxum' vero de ligno conposito: legimus enim in Vergilio de tibiis "buxusque vocat Berecyntia matris Idaeae". item cum de arboribus loqueretur, ait "et torno rasile buxum ".

217

De nomine

23,17f. et cetera,

quae relata poterunt

lectione

cognosci:

Gemeint ist hier

offensichtlich, dass das Genus der übrigen Beispiele (pirns, prunus, malus) „bezogen", d. h. anhand der Kongruenz, bei der Lektüre festgestellt werden kann. Die Version von (M) ceteraque in lectione lata poterunt agnosci (,und das übrige kann bei breiter Lektüre erkannt werden') ist demgegenüber im Sinn dunkel. Außerdem fällt sie aus der Konstruktion des Satzes (legimus enim ...), während der Wortlaut von Ρ in sich kohärent ist. 23,18f. verum haec, ubi de fructibus

loquimur, neutra sunt; cum vero de

arboribus,

feminina: Der Text begnügt sich hier damit, die von Don. mai. 621,2 aufgestellte Regel, dass Substantive, soweit sie eine Frucht bezeichnen, oft (saepe) Neutra sind, soweit aber einen Baum, Feminina, kommentarlos wiederzugeben. Verglichen damit wird bei Pomp. 163,30fT. wenigstens Donats Formulierung saepe dicimus dahingehend erörtert, dass es Abweichungen von der Regel gibt.540 Dagegen wird in Servius' Vergilkommentar sogar zweimal die von Don. mai. getroffene Unterscheidung als überflüssig verworfen.541 Dass aber auch unser Text auf eine Vorlage mit ähnlicher Position zurückgeht, ist deshalb zu vermuten, weil er den folgenden Satz, in dem Ausnahmen von der Regel genannt werden, mit enim (24,1) anschließt. Dies macht nämlich nur dann einen Sinn, wenn zuvor die allgemeine Gültigkeit der Behauptung angezweifelt worden ist. Demgegenüber ist es unlogisch, die Abweichungen durch enim in ein kausales Verhältnis zu der Regel zu setzen. Dies alles deutet darauf hin, dass der Text an dieser Stelle eine Vorlage verkürzt und dabei die Konjunktion enim fälschlicher Weise übernommen hat.542 24,1-3 ut oleaster, nam legimus 'forte sacer Fauno foliis oleaster amaris hic steterat'; aut neutra, ut 'motte siler'·. Als Ausnahmen von der Regel, dass Substantive, die einen Baum bezeichnen, weiblichen Geschlechts sind, fuhrt der Text Verg. Aen. 12,766 (sacer oleaster) und Verg. georg. 2,12 (molle siler) an. Diese Vergil-Stellen liegen wahrscheinlich auch Pomp. 163,33 zugrunde, wo die entsprechenden Verse zwar nicht zitiert, wohl aber die Beispiele oleaster und siler genannt werden. Eine Parallele dazu bietet auch Servius' Vergilkommentar, in dem die beiden Belege ebenfalls in derselben Funktion nebeneinander stehen.543

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Pomp. 163,31ff.: et interposuit 'saepe dicimus'; seit enim esse arborem, et masculini generis quae sit et neutri, ut siler neutri est, oleaster masculini. Serv. Aen. 9,616: superßuo quidam arborem generis feminini esse volunt, cum hoc loco etiam de ligno generis feminino habeamus exemplum\ Serv. Aen. 12,766: superßuam quidam volunt facere discretionem, ut haec buxus de arbore dicamus, buxum vero de ligno composite. Voraussetzung für diese Schlussfolgerung ist allerdings, dass kein Fehler im Überlieferungsprozess des Textes aufgrund der Verwechslung von gekürzten Partikeln (enim statt autem) vorliegt. Serv. Aen. 12,766: sacer oleaster: fere omnia latina arborum nomina generis feminini sunt exceptis paucis ut hic oleaster et hoc siler, Vergilius ut 'molle siler'.

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Kommentar

24.5 ut pater, mater: Standardbeispiele für Substantive, deren Genus von Natur aus feststeht (genera nominum fixa). Außer pater und mater finden sich bei Don. mai. 621,4 und in den Kommentaren zu Donat noch frater und soror.544 24.6 matrus: Die Überlieferungsträger Ρ und (M) haben hier zwar übereinstimmend matra, dennoch scheint die Form matrus einen höheren Anspruch auf Authentizität erheben zu können. Es soll hier nämlich ganz offensichtlich gesagt werden, dass es zu den Substantiven pater und mater aufgrund ihres natürlichen Geschlechts keine Entsprechungen im Femininum bzw. Maskulinum gibt. Daher wird zu pater das fiktive Beispiel patra gebildet, das man aufgrund seiner Endung der überwiegend weiblichen a-Deklination zuordnen würde.545 mater müsste demnach eine Form gegenübergestellt werden, die man äußerlich nur als Maskulinum identifizieren könnte. Dies ist natürlich in erster Linie bei matrus der Fall. 24,6-9 sunt mobilia, quae aut propria sunt et duo tantum genera faciunt, ut Marcius, Marcia, aut appellativa et tria, ut bonus, bona, bonum: Die Substantive, deren Geschlecht durch Umbilden der Endung bei gleichbleibendem Wortstamm wechselt {genera nominum mobilia), sind entweder Eigennamen, die sowohl männlich als auch weiblich sein können, oder Adjektive, die alle drei Genera bilden. Standardbeispiele für die erste Gruppe sind Marcius, Marcia und Gaius Gaia sowie für die zweite bonus, bona, bonum und malus, mala, malum,546 24,9-13 sunt alia, quae ex aliqua sui parte in aliud genus transferuntur, utgallus gallina, draco dracaena, ...: Eine Mittelstellung zwischen den genera nominum fixa und den genera nominum mobilia nehmen die nec in totum fixa nec in totum mobilia ein. Die Substantive, die zu dieser Gruppe gehören, zeichnen sich nämlich dadurch aus, dass sie zwar ihr Genus wechseln, dabei aber auch den Wortstamm verändern. Standardbeispiele dafür sind draco dracaena, leo leaena, gallus gallina und rex regina.541 Davon verzichtet der vorliegende Text auf leo leaena. Ob dies damit zusammenhängt, dass zu leo auch die weibliche Form lea bei den auctores vorkommt, ist denkbar, aber nicht zu beweisen. Serv. comm. 432,1 Off. und Cled. 41,1 Off. merken jedenfalls übereinstimmend an, dass Ovid auch lea verwende und damit das

544

Don. mai. 621,4 (pater, mater)·, Pomp. 163,35ff. (frater); Cled. 41,4 (pater, frater)·, Consent, gramm. V 346,16 (sororfrater)·, Diom. gramm. I 328,25f. (frater, soror). 545 Vgl. Pomp. 163,35ff.: fixa sunt quae non possunt flecti ad aliud genus, ut si dicas frater, numquid facit fratra?; Tatu. 18,458: non enim dicitur patra; Anon. ad Cuim. 50,208f.: neque enim facit patra fratrave. 544 Don. mai. 621,4-6 (Gaius Gaia, Marcius Marcia; bonus bona bonum); Pomp. 164,1-4 (Gaius Gaia, Marcius Marcia; doctus docta doctum); Cled. 41,4-6 (malus mala malum); Consent, gramm. V 346,17-21 (Tullius Tullia, bonus bona bonum); Prob. nom. gramm. IV 211,4-6 (Cornelius Cornelia, probus proba probum); Diom. gramm. I 328,26f. (bonus bona bonum, amicus amica amicum). 547 Don. mai. 621,6; Pomp. 164,4ff.; Cled. 41,6ff; Consent, gramm. V 346,21ff.; Diom. gramm. 1328,27f.

De nomine

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Wort so behandele, als ob es zu der Gruppe mit einem genus mobile gehöre.548 Eine direkte Parallele dazu, die auch auf Ovid verwiese, findet sich in Servius' Vergilkommentar zwar nicht, gleichwohl heißt es bei Serv. Aen. 12,519 allgemeiner: sciendum tarnen... 'leaena', 'lea' usurpata esse a poetis,549 Sicher bezeugt ist jedenfalls, dass die Frage, ob es lea oder leaena heißt, schon in älteren Grammatiken des 4. Jhs. diskutiert wird.550 24,16 similitudinem tenent: Die Wendimg similitudinem tenere ist in der artigraphischen Tradition nur ein einziges Mal bei Cled. 54,29 belegt. Dagegen kommt sie in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nicht vor. Sie findet sich jedoch gelegentlich bei christlichen Autoren, und zwar in erster Linie im 4. und frühen 5. Jh. bei Filastrius v. Brixen, Rufinus sowie Augustinus, später dann nur bei Gregor d. Gr.551 24,16-19 inveniuntur etiam nomina primae positionis, quae, dum ex se diminutiva faciunt, mutant genus, ut 'rana' non facit 'ranuncula', sed 'ranunculus'...:

Als letzte Besonderheit

der Genusbildung werden die Substantive angeführt, welche in der Form des Deminutivs ein anderes Geschlecht haben als im Positiv. Der Text wählt hierfür mit rana, ranunculus und pistrinum, pistrilla zwei Beispiele aus, die durch die artigraphische Tradition neben einer Reihe von anderen als Standard ausgewiesen sind.552 Daraus folgert Pomp. 164,19ff., dass die von Plinius d. Ä. im Rückgriff auf Varro formulierte Regel, das Genus eines Substantivs könne anhand seines Deminutivs ermittelt werden553, unsicher sei. Dies habe Donat mit der Bemerkung ista regula infirma est aussagen wollen.554 Eine Parallele zu dieser Warnung findet sich im vorliegenden Text nicht, dafür aber bei Serv. comm. 432,14ff., wo zunächst die Übereinstimmung von Positiv und Deminutiv im Genus als Normalfall dargestellt wird und dann die Abweichung als Ausnahme.555 548

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Serv. comm. 432,10ff.: nomen nec in totum fixum nec in totum mobile dixit leo, leaena secundum Vergilium 'torva leaena lupum sequitur', secundum Ovidium mobile est, qui dixit 'lea saeva sitim multa compescuit unda'; Cled. 41,1 Off.: sed et haec lea dicitur: Ovidius libro quarto Metamorphoseos 'ut lea saeva sitim multa compescuit unda'. Vgl. Serv. ecl. 2,63: leaena autem dictum est sicut dracaena. Char. 131,28 nennt zwar ebenfalls Ovid als einen Autor, bei dem die Form lea vorkommt, dies wird aber nicht wie bei Serv. comm. 432,10ff. und Cled. 41,10ff. mit Ov. met. 4,102 belegt, sondern mit Ov. ars 2,375: nec lea cum catulis lactentibus ubera praebet. Vgl. Prob. inst, gramm. IV 82,27ff. Filastr. 56,1; Rufin. symb. 7; Rufin. Orig. in cant. 3 p. 208,27; Aug. gen. ad litt, imperf. p. 494,16; Greg. M. in I reg. 3,98; Greg. M. moral. 18,33; Greg. M. moral. 18,47. Don. mai. 621,7ff. (scutum scutula scutella, pistrinum pistrilla, canis canicula, rana ranunculus); Diom. gramm. I 326,26-29 (unguis ungula); Consent, gramm. V 346,26ff.; Char. 196,27ff. (unguis ungula, glandium glandula, beta betaceus, malva malvaceus); Cled. 41,13f. (acus acula); Serv. comm. 432,14ff. (scutra scutrillus, beta betaculus). Plin. dub. serm. frg. 97; Varro ling. 11,10. Eine entsprechende Bemerkung findet sich allerdings weder bei Don. min. noch bei Don. mai. Serv. comm. 432,14ff.: eiusdem generis debent esse diminutiva, cuius generis sunt prineipalia, ut puta ideo haec domuneula generis feminini, quia et haec domus generis feminini est exceptis scilicet paucis istis scutum pistrinum canis rana verna scutra, nam scutra scutrillus facit, beta betaculus. Vgl. auch Cled. 48,12fr.: ex diminutione autem poteris omne genus colligere, ut est acus acula generis feminini; Quint, inst.

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Kommentar

24,19-23 interdum inveniuntur nomina diminutiva, quae plus significant a nominibus primae positionis, ut acus acicula...: Der Gedanke, dass nomina diminutiva bisweilen etwas Größeres bezeichnen können als ihre Entsprechungen im Positiv {plus significant α nominibus primae positionis), kommt in keinem anderen Donatkommentar an dieser Stelle vor. Er erinnert an die Partie im Kapitel De comparatione, wo zum Komparativ gesagt wird, dass es Fälle gibt, in denen dieser weniger bedeutet als der Positiv.556 Auch das vom Text gewählte Beispiel acus, acicula findet sich sonst bei keinem anderen lateinischen Grammatiker in entsprechendem Zusammenhang. Lediglich bei Cled. wird es an zwei anderen Stellen in widersprüchlicher Weise verwendet; denn nach Cled. 41,13f. ist acus acula ein Beleg für den Wechsel des Geschlechts im Deminutiv, nach Cled. 48,12ff. hingegen für dessen Beibehaltung. Die Erklärung von acicula mit den Worten qua mulieres utuntur ad ornatum capitis ist wörtlich in eine Glossensammlung eingegangen, welche in einer Handschrift des 10. Jhs. überliefert ist.557 25.1 aut masculina sunt, ut Sulla, Catilina: Don. mai. 621,11 fuhrt fur die Substantive maskulinen Geschlechts, die in dem Vokal α auslauten, das Beispiel Agrippa an.558 Pomp. 164,31 hat dagegen wie der vorliegende Text Catilina. Beide Eigennamen finden sich wie auch Sulla in anderen Grammatiken an entsprechender Stelle.559 Es handelt sich demnach um Standardbeispiele.560 25.2 aut feminina, ut Musa: In (M) ist hier musca überliefert. Für das von Ρ bezeugte Nomen Musa spricht jedoch, dass es auch bei Pomp. 164,32 als Beispiel fur Substantive femininen Geschlechts, die auf α enden, dient und darüber hinaus bei weiteren Grammatikern in analogem Zusammenhang verwendet wird.561 Für Musa gilt demnach dasselbe wie für die zuvor genannten Beispiele Catilina und Sulla. Dagegen kommt musca in keiner anderen Grammatik als Exempel vor. Es handelt sich daher wahrscheinlich um einen Abschreibfehler der authentischen Form Musa. Gegen den vorliegenden Text und Pomp, haben Don. mai. 621,11 und Cled. 41,17 hier übereinstimmend das Beispiel Marcia.

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1,6,6: deminutio genus modo detegit et, ne ab eodem exemplo recedam, fimem masculinum esse ßiniculus ostendit; Char. 196,27ff.: illud vero meminerimus, quod semper deminutiones generibus suis, unde oriuntur, consonant, pauca dissonant, ut rana raniculus ... 1 8,1-1 1; Don. mai. 618,8-12. Codex Cassiniensis 90 s. X; Gloss. V 560,8: accucula vet cicicuta qua utuntur mulieres ad ornatum capitis. Vgl. ThLL Bd. 1 Sp. 456,1 Iff. s. v. 'acucula'. Ebenso Cled. 41,16. Char. 63,28ff.; Aug. reg. gramm. V 496,16ff.; Phoc. gramm. V 412,18ff.; Consent, gramm. V 347,17; Pomp. 165,lf. Vgl. oben den Kommentar zu 6,1 lf. Mi Sulla, Catilina und den Kommentar zu 22,14f. ut Sulla, Catilina. Pomp. 165,2; Aug. reg. gramm. V 496,18f.

De nomine

221

25,2 aut neutra, ut toreuma, quod graecum est·. Standardbeispiel bei den lateinischen Grammatikern für die Substantive neutralen Geschlechts, die mit dem Vokal α enden.562 25,4 excepto uno 'Turia': Der Hinweis, dass die auf α auslautenden Nomina neutralen Geschlechts nicht ausschließlich griechischen Ursprungs sind, weil zumindest bei Sallust auch ein lateinisches Beispiel, nämlich der Flussname Turia (Sali. hist. frg. 2,54), vorkommt, findet sich in den Donatkommentaren nur noch bei Cled. 41,24f. Im Vergleich dazu wird dieses Phänomen in älteren Grammatiken des 4. Jhs. auffallend häufig behandelt.563 Darunter sticht Prob. cath. gramm. IV 6,36ff. hervor, weil die dortige Formulierung 'Turia' nomen fluminis lectum in secunda historia Sallustii fast wörtlich der des vorliegenden Textes (25,4f.) entspricht. 25,5f. aut communia, ut verna, advena: Von den beiden Beispielen, die der Text für die nomina communis generis mit der Endung α anführt, ist advena das gewöhnlichere, das sich nicht nur bei Don. mai. 621,11 und Pomp. 164,33ff., sondern auch bei zahlreichen anderen lateinischen Grammatikern findet.564 verna ist dagegen seltener, es kommt aber auch gelegentlich an entsprechender Stelle vor, und zwar überwiegend in älteren Traktaten des 4. Jhs.565 Demgegenüber ist das in (M) an Stelle von verna überlieferte rana im vorliegenden Zusammenhang unüblich und auch nicht sinnvoll, da es zu der Kategorie epicoenon gehört. 25,7f. aut feminina sunt, sed tarnen graeca, ut Agave: Agave wird als Beispiel für die auf e auslautenden Substantive weiblichen Geschlechts in der Donattradition nur von Consent, gramm. V 347,20ff. verwendet. Üblicher ist stattdessen in den anderen Traktaten Euterpe.566 Beide Begriffe sind aber durch die artigraphische Tradition des 4. Jhs. vorgegeben, wo sie in mehreren Grammatiken neben zahlreichen weiteren Beispielen für den in Rede stehenden Sachverhalt bezeugt sind.567

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Don. mai. 621,1 lf.; Cled. 41,17; Pomp. 164,32; Pomp. 165,2f.; Prob. cath. gramm. IV 6,29ff. Sacerd. gramm. VI 471,14-16; Prob. cath. gramm. IV 3,12-14; Prob. cath. gramm. IV 6,36-7,2; Aug. reg. gramm. V 496,19f.. Prob. cath. gramm. IV 3,8ff.; Aug. reg. gramm. V 496,21; Phoc. gramm. V 412,26f.; Consent, gramm. V 347,18. Sacerd. gramm. VI 471,14ff.; Char. 66,18ff.; Prob. cath. gramm. IV 3,8ff; Prob. cath. IV 6,36ff. In den genannten Texten werden advena und verna bisweilen auch als nomina omnis generis behandelt (vgl. auch Pomp. 164,33ff.). Dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die beiden Substantive im vorliegenden Fall als Beispiele zusammengehören. Don. mai. 622,2; Pomp. 165,4f.; Consent, gramm. V 347,20ff. Char. 77,27ff.; Prob. cath. gramm. IV 7,15ff.; Aug. reg. gramm. V 497,4f.

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Kommentar

25,8 aut neutra, sed latina, ut monile: Neben sedile ist motiile nicht nur in der Donattradition, sondern bei den lateinischen Grammatikern generell das Standardbeispiel fur die Nomina neutralen Geschlechts, die mit dem Vokal e enden.568 25,10f. aut peregrina duo sunt generis neutri, ut gummi, sinapi: gummi und sinapi sind in der artigraphischen Tradition die Standardbeispiele für die mit dem Vokal i endenden Substantive neutralen Geschlechts, deren Ursprung außerhalb der lateinischen Sprache liegt.569 25,1 lf. aut Romana duo, ut frugi nihili, generum trium communia et aptota: frugi und nihili sind bei den lateinischen Grammatikern die Standardbeispiele für die nomina generum trium communia, die mit dem Vokal i enden und lateinischer Herkunft sind.570 25,11 Romana: (M) überliefert anomala an Stelle von Romana. Dies ist aber kaum authentisch, weil dadurch die gewollte Antithese von aut peregrina duo und aut Romana duo zerstört wäre. Außerdem findet sich Romanus als Bezeichnung für das Lateinische im Gegensatz zu anderen Sprachen des öfteren in der artigraphischen Tradition, v. a. im 4. Jh. bei Char., später dann aber auch gelegentlich in den anderen Donatkommentaren.571 25,13f. aut masculina sunt, ut Cicero·. Don. mai. 622,5 hat Scipio als Beispiel für die Substantive maskulinen Geschlechts mit ο als auslautendem Vokal. Dagegen führt Pomp. 165,11 f. ebenfalls Cicero an. Da beide Eigennamen auch in anderen Grammatiken entsprechend

verwendet werden,

sind

sie für den vorliegenden

Standardrepertoire der artigraphischen Tradition zu rechnen.

Sachverhalt

zum

572

25,14 aut feminina, ut Iuno: (M) überliefert imago an Stelle von Iuno. Beide Substantive sind in lateinischen Grammatiken als Beispiele für Nomina weiblichen Geschlechts, die auf ο enden, belegt.573 Häufiger ist jedoch Iuno in diesem Zusammenhang. Für die Authentizität von Iuno spricht auch, dass es von Don. mai. 622,5f. an entsprechender Stelle verwendet wird.

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Don. mai. 622,2; Pomp. 165,5f.; Cled. 41,28; Consent, gramm. V 347,19f.; Char. 73,13ff.; Prob. cath. gramm. IV 7,27ff.; Aug. reg. gramm. V 497,7f.; Phoc. gramm. V 413,lf. Don. mai. 622,3f. Pomp. 165,8f.; Cled. 41,28ff.; Sacerd. gramm. VI 473,11-14; Char. 78,28; Prob. cath. gramm. IV 8,13ff.; Aug. reg. gramm. V 497,11; Consent, gramm. V 347,24f. Don. mai. 622,4; Pomp. 165,6ff.; Cled. 41,13ff.; Char. 78,8ff.; Aug. reg. gramm. V 497,12; Consent, gramm. V 347,22ff. Vgl. etwa Char. 24,26; Char. 44,6-8; Char. 64,14f.; Exc. Bob. gramm. I 555,25; Prob. inst, gramm. IV 128,24ff.; Prob. nom. gramm. IV 209,31f.; Pomp. 105,13f.; Expl. II 538,34f. Char. 79,Iff.; Aug. reg. gramm. V 497,18ff.; Phoc. gramm. V 412,3ff.; Consent, gramm. V 347,26ff. Char. 79,Iff.; Char. 81,23; Aug. reg. gramm. V 497,20ff; Phoc. gramm. V 413,16f.; Consent, gramm. V 347,27f.

De nomine

223

25,14f. ut pumilio [πίθηκοε]·. pumilio ist in der Donattradition das Standardbeispiel für die nomina communis generis, die mit dem Vokal ο auslauten.574 In der Handschrift Ρ ist hinter pumilio noch das griechische Wort πίθηκοε ergänzt. Dieses ist nach Char. 455,34 eigentlich die Übersetzung für das lateinische Nomen simia ('Affe'). Da πίθηκοε aber auch, wie Suid. 1578 bezeugt575, einen zwergenwüchsigen Menschen bezeichnen kann, entspricht die Bedeutung des Wortes der des lateinischen pumilio, das bei Cled. 42,5 mit den Worten pumilio dicitur brevis staturae umschrieben ist. πίθηκ-os ist daher in Ρ als Übersetzung von pumilio zu erklären. 25,16f. neutra tantum sunt, ut cornu, gelu, tonitru, genu, veru: Standardbeispiele der artigraphischen Tradition für die Substantive neutralen Geschlechts mit u als auslautendem Vokal.576 25,20f. Probi artificis plenior libellus Zur Bestimmung des Genus der Substantive, die nicht mit einem Vokal, sondern mit einem Konsonanten enden, verweist der vorliegende Text auf eine ausführliche Behandlung dieses Themas bei einem gewissen Probus. Eine entsprechende Angabe findet sich auch bei Pomp. 165,16ff.577 Die sich aufdrängende Frage, welche Schrift und welcher Verfasser damit gemeint sind, ist schwer zu beantworten. Sie hängt mit dem ungeklärten Problem zusammen, ob es im 4. Jh. einen lateinischen Grammatiker namens Probus gegeben hat und, wenn ja, ob die unter seinem Namen überlieferten Traktate authentisch sind. Generell ist zu sagen, dass Verweise wie der vorliegende in spätantiken Grammatiken mit Vorsicht zu behandeln sind, da originale Verfassemamen zu dieser Zeit eher nebensächlich waren und deshalb im Rezeptionsprozess aus unterschiedlichen Gründen verändert wurden.578 Unter dem Namen 'Probus' sind insgesamt fünf Texte grammatischen Inhalts überliefert.579 Der ausfuhrlichste von ihnen trägt den Titel Instituta artium (GL IV 47-192) und ist zu Beginn des 4. Jh. abgefasst worden. Es handelt sich um ein grammatisches Handbuch, das von den Grundlagen vox, ars, littera, syllaba ausgeht und den Schwerpunkt auf die Behandlung der acht Wortarten legt. Für 'Probus' als Verfasser spricht, dass sein Name in zwei 574 575

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Don. mai. 622,6; Pomp. 165,11; Cled. 42,5. Suid. 1578: πίθηκος·· ή μιμώ. πίθηξ Se παρά τι σι ν ό βραχνέ άι^θρωπισκθ5. Vgl. ThLGr Bd. VI Sp. 107If. s. ν. πίθηκοε. Char. 82,28ff.; Prob. app. gramm. IV 194,lf.; Aug. reg. gramm. V 497,3Iff.; Phoc. gramm. V 414,1 Iff.; Don. mai. 622,7; Consent, gramm. V 347,29ff.; Pomp. 165,12f.; Cled. 42,9ff.; Expl. II 541,23ff. Pomp. 165,16ff.: scripsit aulem ad hunc locum Probus unum librum. isle institutor iam artem scripsit, non scripsit perfectis, sed ad eos qui volunt se perfectos esse. Zum Problem der überlieferten Verfassernamen artigraphischer Texte vgl.: HERZOG (Hg.), Restauration, S. 105; SCHINDEL, Figurenlehren, S. 20f. Zu der Identität eines Grammatikers Probus im 4. Jh. und den unter diesem Namen überlieferten Traktaten siehe: KASTER, Guardians, S. 348fF.; HERZOG (Hg.), Restauration, S. 113f. und 116ff.; R. HELM. Art. 'Probus' (Nr. 26), in: RE Bd. 23 (1957), Sp. 59ff.; JEEP, Redetheile, S. 73ff.

224

Kommentar

Handschriften des Textes überliefert ist und von Serv. comm., Cled., Pomp, und Prise, angegeben wird, wenn sie die Instituta artium zitieren.580 Gegen ihn ist einzuwenden, dass eine andere, ältere Handschrift seinen Namen nicht nennt und sich bei dem späteren Grammatiker Audax Exzerpte der Schrift unter dem Namen Palladius finden.581 Man hat daher vermutet, dass die Instituta artium nicht das Werk eines Mannes mit Namen Probus sind, sondern dass ihnen nur der Name des Valerius Probus, des berühmten Wissenschaftlers des 1. Jhs. n. Chr., als Pseudepigraphon hinzugefugt worden ist.582 Diese These ist nicht abwegig, allerdings auch nicht endgültig zu beweisen, da der Traktat durchaus von einem Grammatiker Probus - ein verbreiteter Name in der Spätantike583 - verfasst sein kann. Unabhängig davon ist diese Schrift als Vorlage für unseren Text in Betracht zu ziehen, weil sie auch in den anderen Donatkommentaren unter dem Namen 'Probus' zitiert wird. Allerdings kann sich der Verweis an der vorliegenden Stelle nicht auf die Instituta artium beziehen, weil dort keine Systematisierung nach Nominativendungen vorgenommen wird. Eine zweite Schrift, die in der Überlieferung den Namen 'Probus' trägt, sind die Catholica (GL IV 3-43). Dieser Traktat gibt eine systematische Übersicht über die Endungen von Nomen und Verb in alphabetischer Reihenfolge. Er ist in einer Handschrift dem Probus zugewiesen und wird in Servius' Vergilkommentar sowie den Donatkommentaren unter dessen Namen zitiert.584 Dennoch kann die Schrift kaum einen Anspruch auf Authentizität erheben. Sie stimmt nämlich im Wortlaut weitgehend mit dem zweiten Buch der Ars des Sacerdos überein. Vermutlich hat sich dieses Buch im Zuge der Überlieferung verselbstständigt und ist unter dem Titel Catholica an 'Probus' übereignet worden. Man kann diesen Vorgang leicht mit einer bewussten oder unbewussten Verwechslung erklären, die darauf beruht, dass sowohl das erste Buch des Sacerdos als auch die bereits erwähnte Schrift des 'Probus' den Titel Instituta artium tragen und Buch 2 des Sacerdos daher fälschlich mit dem Traktat des 'Probus' in Verbindung

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Paris, lat. 7494 s. IX, Paris, lat. 7519 s. XV (KASTER, Guardians, S. 348). Serv. comm. 430,37 (Prob. inst, gramm. IV 61); Serv. comm. 434,9 (Prob. inst, gramm. IV 82); Serv. comm. 436,29 (Prob. inst, gramm. IV 131); Cled. 50,14 (Prob. inst, gramm. IV 131); Cled. 76,11 (Prob. inst, gramm. IV 147); Pomp. 138,18 (Prob, inst, gramm. IV 51); Pomp. 152,34 (Prob. inst, gramm. IV 61); Pomp. 156,1 (Prob. inst, gramm. IV 73); Pomp. 164,33 (Prob. inst, gramm. IV 52); Pomp. 169,12 (Prob. inst, gramm. IV 53); Pomp. 173,31 (Prob, inst, gramm. IV 82); Pomp. 178,14 (Prob. inst, gramm. IV 53); Pomp. 188,38 (Prob. inst, gramm. IV 82); Pomp. 200,12 (Prob. inst, gramm. IV 131); Pomp. 211,27 (Prob. inst, gramm. IV 131); Pomp. 225,23 (Prob, inst, gramm. IV 180); Pomp. 269,10 (Prob. inst, gramm. IV 144); Pomp. 280,13 (Prob. inst, gramm. IV 147); Prise, gramm. II 283,7 (Prob. inst, gramm. IV 84,23ff.). Vat. urb. lat. 1154 s. V ex. (KASTER, Guardians, S. 349). GL VII349-362 (R. HERZOG (Hg.), Restauration, S. 116£F.) Seit dem späten 4. Jh. sind die Namen der prominenten Grammatiker des 1. Jhs. n. Chr., v. a. Palaemon und Probus, von einer "gezielten Pseudepigraphie" betroffen (R. HERZOG, Restauration, S. 117). Siehe Α. Η. M. JONES U. a., The Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. 1 (A. D. 260-395), Cambridge 1971, S. 736ff.; J. R. MARTINSDALE, The Prosopography of the Later Roman Empire, Bd. 2 (A. D. 395-527), Cambridge 1980, S. 910fF. Neap. lat. 2 s. V (KASTER, Guardians, S. 348); Serv. Aen. 2,15 (Prob. cath. gramm. IV 17,lf.); Cled. 45,18 (Prob. cath. gramm. IV 17); Pomp. 138,5 (Prob. cath. gramm. IV 17; Pomp. 187,5 (Prob. cath. gramm. IV 17); Pomp. 241,1 (Prob. cath. gramm. IV 39).

De nomine

225

gebracht worden sein kann.585 Für den vorliegenden Text ist wichtig, dass auch die anderen Donatkommentare und Servius' Vergilkommentar die Catholica ebenso wie die Instituta artium unter dem Namen 'Probus' zitieren. Da in dieser Schrift Substantive und Verben nach ihren Endungen behandelt werden, ist es durchaus möglich, dass mit dem in Rede stehenden Verweis unseres Textes genau diese Schrift gemeint ist. Von den unter dem Namen des Probus bekannten Traktaten ist dieser jedenfalls der einzige, der dafür in Frage kommt. Bei den drei übrigen erhaltenen Texten, als deren Verfasser ebenfalls 'Probus' gilt, handelt es sich um kürzere Abhandlungen, die in der Donattradition nicht so präsent sind wie die beiden bisher behandelten. Sie können daher hier vernachlässigt werden.586 Die Tatsache, dass der Text an dieser Stelle auf eine Abhandlung des Probus verweist, wirft auch die Frage auf, welche Quellen er generell verwendet und wie er diese einbindet. Abgesehen von dem vorliegenden Fall wird nur noch ein einziges Mal ein Grammatiker namentlich zitiert, und zwar Plinius Secundus im Kapitel De pronomine (49,5)587. Wenn man diese beiden Stellen mit den entsprechenden in den anderen Donatkommentaren vergleicht, so ergibt sich, dass bei Pomp. 165,16ff. wie in unserem Text auf'Probus' und bei Pomp. 201,5ff. sowie Cled. 49,27ff. ebenfalls auf Plinius Secundus hingewiesen wird.588 Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass der Text in den genannten Fällen mit den anderen Kommentaren eher auf eine gemeinsame Vorlage zurückgeht, als dass alle drei unabhängig voneinander dieselben Quellen verarbeitet haben. Plinius und 'Probus' sind demnach dieser Vorlage der Donatkommentare bereits bekannt. Dies gilt auch für die Fachgelehrten Varro und Terentianus, die zwar nicht im vorliegenden Text, dafür aber in mindestens zwei anderen Kommentaren gleichzeitig als Quelle angegeben werden.589 Über diese vier Autoren gehen unser

Text

und

Serv.

comm.

nicht

hinaus.

Dagegen

werden

in

den

anderen

Donatkommentaren noch weitere Grammatiker namentlich zitiert: bei Expl. I Caper und Scaurus, zwei Gelehrte des 2. Jhs.590, bei Cled. die sonst nicht näher bekannten Comificius

585

Zum möglichen Hergang der Verwechslung siehe: P. WESSNER, Art. 'Sacerdos' (Nr. 3), in: RE 2. Reihe Bd. 1, Sp. 1630. Die These der Verwechslung stützt sich in erster Linie auf die fast wörtliche Übereinstimmung des Schlusssatzes von Sacerdos Buch 1 (Sacerd. gramm. VI 470,21 f.: hue usque artium grammaticarum feeimus instituta, de catholicis vero nominum atque verborum latius exponemus) mit dem Einleitungssatz von Probus' Catholica (Prob. cath. gramm. IV 3,2f.: quoniam instituta artium sufficienter tractavimus, nunc de catholicis nominum verborumque rationibus doceamus). 586 Es handelt sich um die Schriften Appendix Probi (GL IV 193-204), De nomine excerpta (GL IV 207-216) und De ultimis syllabis (GL IV 219-264). Siehe dazu KASTER, Guardians, S. 350. 587 49,5ff.: in hac re Plinius Secundus grammaticos reprehendit... (Plin. dub. serm. frg. 105) 588 Zu Pomp. 165,16ff. siehe Anm. 112. Pomp. 201,5ff.: plane Plinius Secundus notavit grammaticos in hac definitione ...; Cled. 49,27ff.: Plinius artigraphos dicentes pronominibus finitis accidere personas reprehendit. 589 Varro: Serv. comm. 432,14 (ohne Namen) entspricht Pomp. 164,13; Expl. 1492,37 entspricht Pomp. 159,23; Pomp. 199,13 entspricht Cled. 48,23. Terentianus: Pomp. 115,15 entspricht Cled. 29,14; Serv. comm. 424,18 (ohne Namen) entspricht Serg. litt. 479,5 (ohne Namen), Pomp. 117,23 (ohne Namen), Cled. 29,26 (ohne Namen). 590 Caper: Expl. 1496,8. Scaurus: Expl. 1486,9; Expl. II 535,6; 560,19; 560,21; 560,26; 562,1.

226

Kommentar

Gallus und Sabinus591 sowie bei Pomp, eine ganze Reihe von weiteren Grammatikern, die zeitlich von Caesar über Verrius Flaccus und Aemilius Asper hin bis zu Sacerdos reicht.592 Daraus ergibt sich, dass die genannten Kommentare offensichtlich umfangreicheres Material verarbeitet haben als der vorliegende Text und Serv. comm., auch wenn sie dazu die aufgeführten Grammatiker kaum direkt, sondern eher aus anderen Vorlagen zitiert haben dürften.593 Darüber hinaus machen etwa Pomp, und Cled. auch von den traditionellen Quellen Varro, Plinius, Terentianus und 'Probus' weitaus mehr Gebrauch als unser Text und Serv. comm. So wird Varro bei Pomp. 6 mal namentlich angeführt, Plinius 14 mal, Terentianus 9 mal und 'Probus' 30 mal. Selbst Serv. comm., wo 'Probus' 6 mal zitiert wird, übertrifft in dieser Hinsicht deutlich den vorliegenden Text, dem im Vergleich zu den anderen Donatkommentaren eine schmalere Quellenbasis zugrunde zu liegen scheint. Hier ist allerdings einschränkend ein weiteres Merkmal anzufügen, das die Quellenbenutzung des vorliegenden Textes kennzeichnet. An einigen Stellen fehlt nämlich der Name eines Autors, obwohl dieser sowohl bei Serv. comm. als auch bei Pomp, zu dem entsprechenden Sachverhalt genannt ist und man daher davon ausgehen kann, dass er auch in der gemeinsamen Vorlage vorhanden war.594 Hier scheint es sich um eine bewusste Vernachlässigung der Quellenangabe zu handeln, für die sich auch bei Serv. comm. Beispiele finden.595 Da man aber allgemein sagen kann, dass sich die namentliche Zitierung eines Gewährsmannes erst allmählich bei den Grammatikern durchsetzt und spätere Gelehrte eher dazu neigen, ihre Vorlagen namentlich anzugeben, als frühere596, scheint das beschriebene Charakteristikum des Textes ein Indiz dafür zu sein, dass er zeitlich unter den Donatkommentaren vor Pomp, und Cled. sowie zumindest auf einer Stufe mit Serv. comm. anzusetzen ist, wenn nicht sogar früher. Trotz des bewussten Verzichts auf Quellenangaben muss die oben getroffene Feststellung, dass der vorliegende Text weniger Vorlagen verarbeitet als die anderen Kommentare, dennoch nicht gänzlich revidiert werden. Denn von dem bei Expl. I, Pomp, und Cled. mit dem Namen 591 592

593

594

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596

Cled. 20,19; 43,2. Caesar: Pomp. 144,19; 197,31; 199,14; Sinnius Capito: Pomp. 110,2; Verrius Flaccus: Pomp. 297,34; Asper: Pomp. 273,12; Caper: Pomp. 154,13; 187,10; 243,21; Melissus: Pomp. 287,11; Iuba: Pomp. 114,1; Sacerdos: Pomp. 190,24. Außerdem die sonst nicht näher zu identifizierenden Sextius (Pomp. 305,11) und Astyagius (Pomp. 209,5; 211,8). Besonders deutlich wird dies bei Pomp. 190,24, wo Sacerdos den Genitiv Plural der e-Deklination betreffend zitiert wird. Es handelt sich hier nämlich offensichtlich um das Buch, das, wie oben erörtert, Pomp, und den anderen Donatkommentaren sonst nur unter dem Namen 'Probus' (Probus Catholica) bekannt ist. Das heißt, dass Pomp, zusätzlich zu seiner mit den anderen Kommentaren gemeinsamen Vorlage, aus der die ProbusZitate entlehnt sind, an der vorliegenden Stelle eine weitere Quelle benutzt hat, die das betreffende Buch korrekter Weise dem Sacerdos zuweist. 1 5,1 lf. entspricht Serv. comm. 430,37 und Pomp. 152,34, wo in beiden Fällen 'Probus' als Gewährsmann angegeben ist. Dasselbe gilt für 38,5ff. mit Serv. comm. 434,9 und Pomp. 188,38ff. Serv. comm. 432,14 verzichtet auf eine Quellenangabe, während Pomp. 164,13 Plinius und Varro als Vorlagen nennt. Vgl. ebenso Pomp. 193,36 (Plinius) mit Serv. comm. 434,22ff. und dem vorliegenden Text 43,16ίΓ., die jeweils keinen Autor nennen. Siehe dazu V. LAW, St. Augustine's 'De grammatical S. 172 mit Anm. 62.

De nomine

227

anderer Grammatiker gekennzeichneten Material, findet sich in unserem Text nichts, was ohne Namen aus einer entsprechenden Vorlage entlehnt worden sein könnte.

3.2.5 De numeris (26,1 - 27,26) Don. mai. 622,10-623,9; Serv. comm. 408,17-19; 432,18-28; Expl. I 494,3If.; Pomp. 165,20-168,31; 174,13-178,8; Cled. 42,15-43,11. Das Kapitel De numeris gliedert sich in zwei Teile. Der erste (26,1-6) nennt Singular und Plural als die beiden wichtigsten Numeri und fügt noch als möglichen dritten den dualis numerus hinzu, welcher sich im Lateinischen auf die Nomina duo und ambo beschränkt. Im zweiten Teil (26,7 - 27,26) geht es dann um Besonderheiten der Numerusbildung, wie etwa Substantive, die nur im Singular oder Plural vorkommen, und anderes mehr. Dieser Aufbau entspricht dem der zu kommentierenden Vorlage Don. mai. 622,10-623,9. Auf ihr beruht auch die stets wiederkehrende Systematik, dass zunächst das grammatische Phänomen an sich und dann seine Besonderheiten behandelt werden.597 Von den Donatkommentaren verdient Pomp, besondere Aufmerksamkeit, weil sich dort zum Numerus der Substantive wie auch zu ihrer Komposition (De figura) jeweils zwei Kapitel finden, von denen die beiden ersten sich dem traditionellen Aufbau der Ars entsprechend an das Kapitel De generibus anschließen, während die beiden anderen ohne ersichtlichen Grund nebeneinander in das Kapitel De casibus eingebettet sind.598 Dies hat inhaltliche Überschneidungen zwischen den parallelen Partien zur Folge, von denen aber jede für sich auch Eigenständiges aufweist. 26,If. numeri nominum duo sunt: singularis et pluraUs; usurpatur etiam tertium dualis numerus: Die Anzahl und Bezeichnung der Numeri wird im vorliegenden Text wie auch in den anderen Donatkommentaren sehr knapp abgehandelt. Eine Ausnahme bildet in dieser Hinsicht lediglich Pomp., wo der Umfang der Ausführungen in den beiden entsprechenden Partien den der anderen Kommentare deutlich übersteigt. So wird etwa im ersten Abschnitt zusätzlich die Deklination von duo und ambo besprochen599 sowie im ersten und zweiten das Wesen des numerus communis, das bei Don. mai. und in den anderen Kommentaren erst im nächsten Abschnitt unter den Eigentümlichkeiten der Numerusbildung zur Sprache kommt.600

597

598

399 600

Vgl. etwa das Kapitel De generibus: 20,16ff. genera nominum sunt... (Allgemeines); 22,1 Iff. sunt praeterea nomina, quae... (Besonderheiten). Pomp. 165,19-168,31 {De numeris)·, 169,1-170,25 (De figura)·, 174,12-178,8 (De numeris quasi retractando)·, 178,9-181,29 (De figura). Pomp. 165,35-166,18. Pomp. 165,21-27; 174,30-175,10. Vgl. 26,7-9; Don. mai. 623,1.

228

Kommentar

Außerdem fugt Pomp, an den zweiten Teil noch allgemeine Bemerkungen zur Deklination der Substantive an, die im Ablativ Singular auf e enden.601 26,2f. qui invenitur in duobus tantum nominibus: Die Formulierung stimmt wörtlich mit Pomp. 165,28f. (et invenitur in duobus tantum) überein. 26,7-9 sunt etiam nomina, quae nominativum singularem et pluralem similes habent, ut nubes, dies, quae propter hoc dicta sunt numero communia: Prob. inst, gramm. IV 74,22ff. behandelt den numerus communis, unter dem die Substantive zusammengefasst werden, die im Nominativ Singular und Nominativ Plural eine identische Wortform aufweisen, als gleichberechtigten Numerus neben Singular und Plural. Dort ist demnach die Zahl der Numeri nicht mit zwei, sondern mit drei angegeben. Dagegen wird er bei Don. mai. 623,1 und in einigen älteren Grammatiken des 4. Jhs. nicht mit dem singularis und pluralis auf eine Stufe gestellt, sondern unter den Besonderheiten der Numerusbildung abgehandelt.602 Davon weicht Pomp, ab, indem er wie Prob. inst, den numerus communis in seinen beiden Kapiteln De numeris jeweils in den einleitenden Abschnitten zur Anzahl und Bezeichnung der Numeri bespricht und ihn nicht zu den Sonderfällen rechnet.603 Außerdem gibt Pomp, eine differenziertere Erklärung dieses Phänomens als die anderen Kommentare, indem er den Kreis der davon betroffenen Substantive auf die der vierten und fünften Deklination eingrenzt. Damit stimmt Cled. 42,15ff. überein.604 26,8 ut nubes, dies: nubes und dies sind mit res und spes die Standardbeispiele der artigraphischen Tradition für die nomina numero communia.605 26,9f. non habentia numerum pluralem nomina masculina, ut pulvis·. Neben sanguis ist pulvis das Standardbeispiel bei den lateinischen Grammatikern für die Substantive maskulinen Geschlechts, die es nach Lehre der Ars nur im Singular gibt.606 26,llf. quamvis apud Horatium legerimus 'novendiales dissipare pulveres': Das HorazZitat (Hör. epod. 17,48) widerspricht der Regel, dass pulvis ein nomen semper singularis ist. 601 602 603

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406

Pomp. 175,11-31. Char. 195,Iff.; Exc. Bob. gramm. 1534,14ff.; Dosith. gramm. 18,Iff. Pomp. 165,20ff.: numerus apud Latinos aut singularis est aut pluralis, singularis ut hic doctus, pluralis et hi docti. est etiam numerus communis, ut est dies ...; Pomp. 174,30ff.: est etiam numerus communis. Vgl. Pomp. 165,26f.: et generaliter omnis quinta declinatio et quarta numeri sunt communis; Cled. 42,15ff.: in tertia, quarta et quinta declinatione communis numerus invenitur. Char. 195,5f.; Exc. Bob. gramm. I 534,16f.; Dosith. gramm. 18,2; Prob. inst, gramm. IV 74,23ff.; Diom. gramm. I 328,5f.; Don. mai. 623,1; Pomp. 165,22; Cled. 42,16; Consent, gramm. V 348,15f. Diom. gramm. I 327,18f.; Don. mai. 623,If.; Serv. comm. 432,18; Pomp. 166,27; Pomp. 176,8ff.; Cled. 42,18ff.

De nomine

229

Die auctoritas des Dichters klassischer Zeit und die ars der lateinischen Grammatiker stehen demnach in diesem Fall einander entgegen. Pomp. 176,6ff. weist in diesem Zusammenhang auf das Spannungsverhältnis von auctoritas und ars hin und spricht der ars den Vorrang zu.607 Das Horaz-Zitat wird in den Donatkommentaren als Beispiel fur die Abweichung von der ars übereinstimmend verwendet.608 26,12f. generis masculini tantum pluralia, ut Quirites: Don. mai. 623,2 hat neben Quirites noch Manes und cancelli als Beispiele fur die nomina semper pluralia im Maskulinum. Auch die anderen Donatkommentare verwenden Quirites.609 26,13f. quamvis legerimus 'hunc Quiritem', ut 'quis te redonavit Quiritem?': Das HorazZitat (Hör. carm. 2,7,3) findet sich auch bei Serv. comm. 432,22f. und Pomp. 176,32f.610 als Gegenbeispiel gegen die Regel, dass Quirites ein nomen semper plurale ist. Bei Serv. comm. 432,24f. und Pomp. 167,1 Of. wird darüber hinaus erwähnt, dass ein gewisser 'Petronius' ebenfalls den Singular hic Quirites verwende. Ob es sich bei diesem um einen sonst nicht näher bekannten Grammatiker handelt oder den berühmten Schriftsteller des 1. Jhs., ist in der Forschung kontrovers diskutiert worden.611 Eine entsprechende Stelle findet sich nämlich bei Petron nicht. Man hat daher versucht, das Problem durch eine Konjektur von Petr. sat. 119 zu lösen.612 Ob dies zwingend notwendig ist oder man nicht doch eher von einem Verlust in der Überlieferung ausgehen sollte, sei dahingestellt. Solange wir keine Informationen über einen anderen Grammatiker oder Schriftsteller namens 'Petronius' haben, macht es jedenfalls keinen Sinn, davon auszugehen, dass hier ein anderer gemeint ist als der Satiriker des 1. Jhs. Dieser wird zwar selten bei den lateinischen Grammatikern zitiert, er ist in der artigraphischen Tradition aber nicht unbekannt. Vor dem 5. Jh. wird auf ihn zweimal bei Terentianus, zweimal bei Victorinus und einmal bei Diomedes verwiesen, und zwar jeweils unter dem Namen Arbiter.613 Dagegen kennt ihn die Donattradition unter Petronius;

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608 609

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6,5

Pomp. 176,6ff.: vide quia, quodcumque tibi dat exemplum, dal secundum artem, ne recurras ad auctoritatem et rumpas hoc ipsum quodproponit. Serv. comm. 432,18ff.; Pomp. 166,27ff.; Pomp. 176,8ff.; Cled. 42,I9f. Serv. comm. 432,22; Pomp. 167,7ff.; Cled. 42,21ff. Vgl. auch Diom. gramm. 1327,25f. und Consent, gramm. V 348,8f. Vermutlich liegt auch Cled. 43,22 ('donavit Quiritemr) das Horaz-Zitat zugrunde, auch wenn dort Juvenal als Verfasser angegeben ist. Eine entsprechende Formulierung findet sich nämlich bei Juvenal nicht. Der Verweis bei Cled. könnte sich hingegen auf luv. 8,47 beziehen: 'tarnen ima plebe Quiritem facundum invenies'. Siehe Serv. comm. 432,24 app. crit. (GL IV ed. Keil); A. REIFFERSCHEID, Zwei litteraihistorische Phantasmas, in: RhM 16 (1861), S. 1. Siehe Petron. 156,4f. (ed. Buecheler) = Petron. 119 vers. 39f.: nec minor in campo furor est, emptique Quirites ad praedam strepitumque lucri suffragia vertunf, app. crit.: 'emptique sic ABFGLR emptusque Quirites Daniel appellans Sergium cuius testimonium fragmentis adscripsi η. XXII'. Vgl. Petr. fragm. 22 (ed. Buecheler). Ter. Maur. 2489; 2852; Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 138,24; VI 153,33; Diom. gramm. I 518,21ff.

230

Kommentar

dort kommt er allerdings nur zweimal in Servius' Vergilkommentar614 und an den beiden in Rede stehenden Stellen bei Serv. comm. und Pomp. vor. Diese Texte sind unter den Donatkommentaren die einzigen, welche Material aus Petron verwenden. 26,14f. generis feminini

tantum singularia, ut pax, lux: pax und lux sind in der

artigraphischen Tradition Standardbeispiele fur die Substantive femininen Geschlechts, die nur Formen im Singular bilden.615 26,15f. quamvis legerimus 'has paces', 'has luces'·. Auch zu pax und lux als nomina tantum singularia gibt es Gegenbeispiele. Der Text verweist durch legerimus auf die auctoritas allgemein, ohne dass er einen oder mehrere Schriftsteller namentlich erwähnt, bei denen die genannten Substantive im Plural verwendet werden. Dagegen hat Serv. comm. 432,2If. bei ähnlicher Formulierung noch die Quellenangabe apud Sallustium.616 Diese findet sich auch bei Pomp. 176,21 f. und Cled. 42,25f., wo über den vorliegenden Text und Serv. comm. hinaus noch die Sallust-Stelle zu paces (Sali. lug. 31,20) wörtlich zitiert wird.617 Hier zeichnet sich ein Unterschied zwischen den Donatkommentaren in der Zitierweise ab, der auch schon bezüglich der Verarbeitung grammatischer Vorlagen beobachtet wurde618: Während der vorliegende Text dazu neigt, auf eine Quellenangabe zu verzichten, und eine wörtliche Zitierung bisweilen unterlässt, legen die anderen Kommentare größeren Wert auf die Benennung ihrer Vorlagen und die Wiedergabe des Wortlautes. 26,16f. semper pluralia, ut Kalendae, nundinae: Kalendae und nundinae sind neben feriae, quadrigae und nuptiae Standardbeispiele bei den lateinischen Grammatikern fiir die nomina semper pluralia weiblichen Geschlechts.619 Ausnahmen wie in den vorangegangenen Fällen werden vom vorliegenden Text an dieser Stelle nicht genannt. Dagegen erklärt Pomp. 167,19ff., dass zu den Substantiven mappae und bigae jeweils Formen im Singular belegt sind. Diese Darstellung ähnelt sehr stark der von Serv. Aen. 2,272.620 6,4 615

616 6,7

618 619

620

Serv. Aen. 3,57; Serv. Aen. 12,159. Diom. gramm. I 327,20f.; Don. mai. 623,2f.; Serv. comm. 432,21; Pomp. 167,5; Pomp. 176,20; Cled. 42,24f.; Consent, gramm. V 348,5f. Serv. comm. 432,2 If.: sed legimus apud Sallustium paces et luces. Das Sallust-Beispiel ist schon in der älteren artigraphischen Tradition des 4. Jhs. bei Exc. Bob. gramm. I 548,1 f. in entsprechendem Zusammenhang vertreten. Vgl. zu luces Sali. hist. frg. inc. 30. Siehe den Kommentar zu 25,20f. Probi artificisplenior libellus. Exc. Bob. gramm. I 548,37ff.; Aug. reg. gramm. V 506,20f.; Diom. gramm. I 327,32ff.; Don. mai. 623,3f.; Serv. comm. 432,25f.; Pomp. 167,13f.; Pomp. 176,35ff.; Cled. 42,26f. Consent, gramm. V 348,9f. Pomp. 167,19ff.: item de numero plurali quae sunt, aliquando usurpantur ad numerum singularem, mappa, item biga habes usurpatum ad numerum singularem, ut est 'rorifera gelidum tenuaverat aera biga' (Stat. Theb. 1,338); Serv. Aen. 2,272: bigis: secundum artem modo dixit, quae exigit, ut quae de pluribus constant plurali tantum numero dicamus ut bigas quadrigas mappas; sed haec plerumque corrumpit auctoritas, ut Horatius 'ne sordida mappa', item Statius 'rorifera gelidum tenuaverat aera biga'. Vgl. auch Serv. Aen. 5,271; Serv. Aen. 12,164; Serv. georg. 1,192.

De nomine

231

26,18f. semper singularia generis neutri, ut pus, virus, aurum, ferrum: Die vier Beispiele gehören zum Standardrepertoire der artigraphischen Tradition fur die nomina semper singularia im Neutrum.621 Don. mai. 623,4f. hat darüber hinaus noch argentum, oleum und triticum. Bei virus geben Serv. comm. 432,26ff. und Cled. 42,27ff. übereinstimmend Auskunft über die Deklination des Wortes. Sie unterscheiden sich allerdings darin, dass nach Serv. comm. virus wie doctus dekliniert wird, dass es nach Cled. hingegen ein nomen indeclinabile ist. Daher verwendet Serv. comm. das Lukrez-Zitat taetri primordia viri (Lucr. 2,476), um seine Behauptung zu stützen (legimus enim ...), während Cled. es als Ausnahme von seiner Regel anführt (tarnen legimus ...).622 Die Deklination von virus wird ebenfalls bei Serv. georg. 1,129 behandelt; dort entspricht die Einstufung des Wortes eher der von Cled., indem ihm nur die Kasus Nominativ, Akkusativ und Vokativ (hoc virus, hoc virus, ο virus) zuerkannt werden und die Verwendung bei Lukrez als altertümliche Diktion (antiqui ... dicebant) beurteilt wird.623 26,22 velut dicimus vina, mella, hordea: Der vorliegende Text und Don. mai. 623,Sf. machen den Sprachgebrauch (consuetudo) dafür verantwortlich, dass es zu vinum, mel und hordeum gegen die Regel der ars Formen im Plural gibt. Dagegen wird die ars bei Pomp. 177,30ff. und Cled. 42,3Iff. durch die auctoritas eingeschränkt, indem Beispiele aus Cicero und Vergil für die Pluralformen vorgebracht werden. Pomp, fuhrt Cie. in Verr. 2 5,146,13 (vina vinalisque Asiatica), Verg. georg. 3,89 (mella fluant illi), Verg. georg. 1,210 (serite hordea campis) sowie Verg. georg. 1,480 (aeraque sudant) an, während Cled. nur Cie. in Verr. 2 1,91,8 (vina Graeca ceteraque quae ex Asia facillime comportantur) hat.624 Parallelen dazu gibt es in Servius' Vergilkommentar, wo sich zu Verg. ecl. 5,36 das Cicero-Zitat von Cled. findet und zu Verg. georg. 1,210 das entsprechende Beispiel von Pomp, (serite hordea campis) erörtert wird. Dabei heben Pomp. 177,30ff. und Serv. ecl. 5,36 übereinstimmend hervor, dass der Plural vina nicht nur in der Dichtung vertreten ist, sondern auch in der Prosa. Bemerkenswert ist eine weitere Parallele zwischen Cled. 43,1 f. und Serv. auet. georg. 1,210 (Scholia Danielis). Cled. zufolge ist Vergil für die Verwendung der Form hordea von einem gewissen Cornificius Gallus mit dem Vers hordea qui dixit, superest ut tritica dicat getadelt

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Diom. gramm. I 327,21ff; Aug. reg. gramm. V 506,24f.; Don. mai. 623,4f; Serv. comm. 432,26ff; Cled. 42,27ff. Serv. comm. 432,26ff.: virus generis neutri est et declinatur quemadmodum doctus, hoc virus huius viri, legimus enim apud Lucretium 'tetri primordia viri'·, Cled. 42,27ff.: singularia generis neutri, ut pus virus: superfluum est in hac re numerum quaerere, quia indeclinabile est, sed tarnen legimus apud Lucretium 'tetri primordia viri'. Serv. georg. 1,129: sane virus hodie tres tantum casus habet: hoc virus, hoc virus, ο virus; antiqui huius viri dicebant, Lucretius 'tetriprimordia viri'. Das Material ist zumindest teilweise schon in älteren Grammatiken des 4. Jhs. bekannt; vgl. Char. 38,22ff. und Aug. reg. gramm. V 506,24ff.

232

Kommentar

worden.625 Mit dieser Aussage stimmt Serv. auct. überein, dort wird der Vers allerdings Bavius und Mevius zugeschrieben.626 Während ein Cornificius Gallus sonst nicht näher bekannt ist, wissen wir durch Verg. ecl. 3,90 über Bavius und Mevius, dass es sich um zwei Dichterkollegen Vergils zur Zeit der ausgehenden Römischen Republik gehandelt hat, zu denen dieser ein gespanntes Verhältnis unterhielt.627 Dies könnte dafür sprechen, dass die Zuweisung des Kritik übenden Verses an Bavius und Mevius bei Serv. auct. authentisch ist, andererseits ist auch denkbar, dass die beiden Dichter dem Vers erst später aufgrund der aus Verg. ecl. 3,90 bekannten Feindschaft durch den Verfasser der Scholia Danielis hinzugefügt worden sind.628 Noch undurchsichtiger ist, warum bei Cled. ein Cornificius Gallus als Verfasser des Verses angegeben ist. Vielleicht ist mit diesem Titus Gallus gemeint, der durch die Scholia Bernensia als Kommentator der Georgica Vergils bekannt ist und bisher nur vage in das 5. oder 6. Jh. datiert werden kann.629 Sollte dies richtig sein, so erscheint es möglich, dass Cled. hier auf dessen Kommentar fußt und den dort vielleicht ohne Quellenangabe zitierten Vers irrtümlich unter dem Namen des Kommentators anstatt dem des Verfassers übernommen hat. 26,22ff. semper pluralia generis neutri, ut arma... moenia... Saturnalia: arma, moenia und Saturnalia sind Standardbeispiele für die nomina semper pluralia generis neutri.630 Don. mai. 623,6f. hat darüber hinaus noch Floralia, Pomp. 177,3 Vulcanalia und Compitalia. 27,2-5 sed si fuerit templum, sic declinatur per utrumque numerum: 'hoc Saturnale templum', 'haec Saturnalia templa' ...: Die Numerusbildung des Substantivs Saturnalis wird in Ansätzen schon von Char. 50,22ff. so erklärt wie vom vorliegenden Text.631 Eine entsprechende Stelle findet sich in den Donatkommentaren nur bei Pomp. 177,4ff., wo als Argument für den Numerus des Wortes Pascha ebenfalls vorgebracht wird, dass der Begriff einen dies festus bezeichne und deshalb nur im Plural stehen könne.632

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Cled. 43,lf.: ut vina mella hordea: Cornificius Gallus inde reprehendit Vergilium 'hordea qui dixit, superest ut tritica dicat'. Serv. auct. georg. 1,210: sane reprehensus Vergilius dicitur a Bavio et Maevio hoc versu 'hordea qui dixit, superest ut tritica dicat'. Vgl. auch Hör. epod. 10; siehe dazu: F. MARX, Art. 'M. Bavius', in: RE Bd. 3 (1897), Sp. 152f.; KROLL, Art. 'Mevius' (Nr. 2), in: RE Bd. 15 (1932), Sp. 1508. Vgl. KROLL, Art. 'Mevius' (Nr. 2), Sp. 1508. KASTER, Guardians, S. 409; M. SCHANZ, C. HOSRJS, Geschichte der römischen Literatur bis zum Gesetzgebungswerk des Kaisers Justinian, Bd. 2: Die römische Literatur in der Zeit der Monarchie bis auf Hadrian, München 41935 (ND München 1980), S. 108f. Don. mai. 623,6f.; Pomp. 177,2ff. Char. 50,20ff: dierum sacrorum et sollemnium appellationes, quas iam suo loco inter neutralia semper pluralia inseruimus ... velut Saturnalia .... dieimus autem et Saturnale et Neptunale donum et templum. Pomp. 177,4ff.: quaerebatur Pascha cuius esset numeri, dies festus est, omnia nomina dierum festorum numeri sunt tantum pluralis, ut Vulcanalia Compitalia. Aufgrund dieser Stelle hat man vermutet, dass der Grammatiker Pompeius ein Christ war; siehe dazu: KASTER, Guardians, S. 154.

De nomine

233

27,7-11 apponimus masculinis 'uni', femininis 'unae', neutris 'una', dicimus enim ...·. Der Hinweis, dass man bei Substantiven, die es der Form nach nur im Plural gibt, durch den Zusatz von uni, unae, una die singuläre Bedeutung hervorheben kann, findet sich in keinem anderen Donatkommentar an entsprechender Stelle. Eine Parallele dazu gibt es nur bei Serv. Aen. 12,164, wo zu dem Substantiv bigae dasselbe ausgesagt und auch das Sallust-Zitat (Sali. Catil. 6,2) des vorliegenden Textes angeführt wird.633 Gleichwohl zeigt Varr. ling. 9,63, dass diese Frage schon in der älteren artigraphischen Tradition behandelt worden ist, wenn auch ohne Belege.634 27,13ff. nomina positione singularia, intellectu pluralia, ut populus, contio: populus und contio sind mit plebs, gens und multitude die Standardbeispiele der Donattradition für die Substantive, die ihrer Form nach im Singular stehen, von der Bedeutung her aber eine Mehrzahl bezeichnen.635 27,22f. positione pluralia, intellectu singularia, utBaiae Puteoli: (M) überliefert hier Papiae statt Baiae. Diese Lesart ist aber kaum authentisch, da der antike Name der Stadt Pavia sonst nur im Singular belegt und die Form Papiae eher als Genitiv bekannt ist.636 Für Baiae spricht dagegen, dass es in der Handschrift Ρ überliefert ist und ein klassisches Beispiel für einen Städtenamen im Plural darstellt.637 Die Auswahl der Beispiele Baiae und Puteoli im vorliegenden Text ist insofern bemerkenswert, als sie von Don. mai. abweichen, dessen Belege in den vorangegangenen Fällen getreu übernommen worden sind. Don. mai. 623,8f. führt nämlich die Städtenamen Athenae, Cumae, Thebae und Mycenae an. Man ist daher geneigt, die Bevorzugung von Baiae und Puteoli als ein selbstständiges Element des vorliegenden Textes zu betrachten und dieses zwecks einer Lokalisierung so zu interpretieren, dass die beiden kampanischen Städte dem Verfasser in besonderer Weise präsent gewesen sind.638 Dagegen lässt sich allerdings einwenden, dass Pomp, an zwei Stellen, die dem in Rede stehenden Zusammenhang

633

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633 636 637 638

Serv. Aen. 12,164: bigis it Turnus: quotiens utimur nominibus tantum pluralis numeri et unum volumus significare, ita dicimus unas bigas, unas quadrigas, unas scalas; Sallustius 'hi postquam in una moenia convenere'. Varr. ling. 9,63: singulare est quod natura unum significat, ut equus, aut quod coniuncta quodam modo ad unum usum, ut bigae, itaque ut dicimus una Musa, sie dicimus unae bigae. Don. mai. 623,7f.; Pomp. 168,26ff.; Pomp. 178,Iff. Siehe dazu: HOLTZ, Parisinus, S. 137 Anm. 161. Vgl. Char. 39,4fT.; Prob. inst, gramm. IV 120,18f.; Diom. gramm. I 328,15ff. Auf gleiche Weise hat man etwa die Grammatik des Consentius (GL V 338-385) wegen ihrer „Vorliebe für die Nennung gallischer Städte" in Gallien lokalisiert; vgl. SCHANZ-HOSIUS-KRÜGER, Geschichte der römischen Literatur Bd. 4,2, S. 211.

234

Kommentar

entsprechen, neben den Beispielen aus Don. mai. zumindest auch Puteoli hat639 und an anderer Stelle sogar Baiae und Puteoli nebeneinander als Exempel für Städtenamen im Plural.640 Die Vorliebe für Baiae und Puteoli müsste dann eher auf die gemeinsame Vorlage des Textes und Pomp, zurückgeführt werden, als auf einen von beiden, es sei denn es ließe sich eine direkte Abhängigkeit der beiden Traktate voneinander hinsichtlich ihrer Beispielauswahl nachweisen. Ein weiteres Argument, das sich gegen eine topographischbiographische Interpretation dieser Stelle im Hinblick auf den Verfasser des Textes vorbringen lässt, ist, dass die beiden Substantive Baiae und Puteoli klassische Beispiele der artigraphischen Tradition für Städtenamen im Plural sind und ihre Verwendung daher nicht zwingend eine tiefergehende Motivation haben muss.541

3.2.6 De figuris (28,1 - 30,24) Don. mai. 624,1-11; Serv. comm. 408,20-27; 432,28-433,11; Expl. I 494,34^95,22; Pomp. 169,1170,25; 178,10-181,28; Cled. 11,9-13; 43,12-44,5 Das Kapitel De figuris lässt sich in drei Abschnitte unterteilen. Der erste (28,1-16) legt die Anzahl der figurae nominum auf zwei fest, benennt diese mit den Begriffen simplex und composita und gibt schließlich zu beiden eine Definition (simplex nomen est cum ...). Im zweiten Abschnitt (28,16-30,12) wird dann die Frage erörtert, wieviele Arten der Komposition von Substantiven es gibt. Dazu werden je nach Übereinstimmung der einzelnen Wortbestandteile mit ihrer Grundform die vier Kategorien ex duobus integris, ex duobus corruptis, ex integro et corrupto sowie ex corrupto et integro unterschieden. Der Text geht in diesem Zusammenhang besonders darauf ein, was Donat mit der Einteilung ex duobus corruptis meint (29,Iff.) und wie die zusätzliche Kategorie ex conpluribus zu verstehen ist angesichts der Behauptung, dass nomina composita nicht nochmals zusamengesetzt werden dürfen (30,Iff.). Der dritte Abschnitt (30,13-24) behandelt die Deklination zusammengesetzter Substantive; darüber hinaus untersagt er am Schluss (30,2Iff.) unabhängig von Donat die Komposition der nomina propria und legt für die nomina appellativa die Kriterien auctoritas und euphonia fest. 639

640

641

Pomp. 168,29ff. (Athenae, Mycenae, Thebae, Puteoli); Pomp. 178,3ff. (Athenae, Mycenae, Cumae, Thebae, Puteoli). Pomp, räumt im Gegensatz zu den anderen Kommentaren an dieser Stelle ein, dass die Stadt Theben durch griechischen Einfluss bisweilen auch mit dem Singular Thebe bezeichnet werde; als Beispiel dafür zitiert er Stat. Theb. 10,594 (7e tarnen, infelix,' inquit, 'perituraque Thebe1). Parallelen dazu finden sich bei Serv. Aen. 5,52 und Serv. Aen. 6,773; dort wird allerdings jeweils auf luv. sat. 15,6 verwiesen. Pomp. 252,28ff.: et in nominibus numeri tantum pluralis ... necesse habes sie loqui, ut ad hanc flectas similitudinem, puta Puteoli Baiae; Pomp. 253,19ff.: et in Ulis nominibus numeri tantum pluralis ut scias eandem esse tantummodo regulam, Puteoli Puteolorum Puteolis, ubifitisti? Puteolis fiii, non possum dicere Puteolorum, sed Puteolis; Baiae Baiarum Baiis, ubifitisti? Baiis fiii. Siehe Arnn. 637; außerdem Exc. Bob. gramm. I 550,33ff. Siehe aber auch unten den Kommentar zu 38,4f. Capuanabus.

De nomine

235

Im zweiten Abschnitt weicht der Text in seinem Aufbau von Don. mai. ab: er zieht nämlich den Schlussteil dieses Abschnitts (30,1-12) gegenüber Don. mai. 624,1 Of. vor und behandelt die Regel, dass nomina composita keine weitere Zusammensetzung erfahren dürfen, schon im Anschluss an die Behauptung, dass Substantive auch aus mehreren Bestandteilen (ex compluribus) bestehen können (Don. mai. 624,5). Mit dieser Anordnung stimmt Serv. comm. 432,28-433,6 überein, während Pomp. 170,3ff., Pomp. 180,32ff. und Cled. 43,28ff. das Problem jeweils erst an der späteren Stelle (zu Don. mai. 624,1 Of.), d. h. im Anschluss an die declinatio compositorum nominum, erörtern. Wie in der Einleitung zum Kapitel De numeris bereits erwähnt642, sind bei Pomp, auch unter der Überschrift De figura zwei Kapitel überliefert.643 28,3-5 simplex nomen est, cum divisum aut nihil dat latinitatis, ut medicina, aut cum dederit, non erit simile signiflcationi eius nominis, unde descendit: Der Text legt als Kriterien für ein nomen simplex fest, dass seine Zerlegung entweder kein sinnvolles lateinisches Wort ergibt (nihil dat latinitatis) oder, sollte dies doch der Fall sein, dass die einzelnen Elemente in ihrer Bedeutung nicht dem zusammengesetzten Substantiv entsprechen (non erit simile signiflcationi). Eine gleichermaßen eindeutige Definition findet sich in keinem anderen Donatkommentar.644 So begnügen sich Serv. comm. und Pomp, damit, die Begriffe simplex und composita lediglich als natürlich (naturalis) bzw. künstlich (ex arte) zu qualifizieren und die im Vergleich zum vorliegenden Text triviale Unterscheidung zu treffen, dass ein nomen simplex aus einem Bestandteil (de una re), ein nomen compositum hingegen aus mehreren bestehe (de duabus rebus).64S 28,3f. ut medicina: Standardbeispiel für ein nomen simplex ist bei Don. mai. und in den Donatkommentaren doctus.6*6 Wenn der Text hier stattdessen medicina verwendet, dann ist das ein eindeutiges individuelles Merkmal, zumal er weiter unten zum nomen compositum gerade nicht von der Tradition abweicht und wie die anderen Texte indoctus als Beispiel anführt.647 Damit bestätigt sich erneut die oben bereits diskutierte Vermutung, dass der Begriff der medicina im vorliegenden Text eine besondere Rolle spielt.648 642 643 644

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646 647 648

Siehe oben S. 227. Pomp. 169,1-170,25; Pomp. 178,9-181,29. Pomp. 178,22ff. fuhrt zwar auch das Kriterium der Etymologie an, allerdings nur beiläufig und nicht annähernd so prägnant wie der vorliegende Text an dieser Stelle. Serv. comm. 408,20-22: simplex, quae unam rem continet atque naturalis est, ut doctus, composita vero, quae ex arte fit et duas res habet, ut indoctus; Pomp. 169,1 f.: figura aut naturalis est aut ex arte descendit, quae est naturalis simplex vocatur, quae ex arte descendit composita; Pomp. 178,10-12: figura in nominibus aut simplex est aut composita, simplex est α natura, id est quae de una re constat, ut doctus, composita quae de duabus constat rebus, quae accipit ornatum, ut indoctus. Don. mai. 624,1; Serv. comm. 408,21; Expl. 1494,34; Pomp. 169,3; Pomp. 178,11. Vgl. Don. mai. 624,2; Serv. comm. 408,22; Expl. 1494,35; Pomp. 169,5; Pomp. 178,12. Siehe oben den Kommentar zu 12,4.

236

Kommentar

28,5-11 ut si dividamus 'magister'... magister ist ein Nomen, das bei den lateinischen Grammatikern häufig als Beispiel für die verschiedensten grammatischen Phänomene verwendet wird. So fuhrt etwa Don. min. 586,19ff. anhand von magister die Deklination eines Substantivs maskulinen Geschlechts vor. Dagegen findet sich zu der vorliegenden Stelle, wo mit dem Beispiel magister die Definition des nomen simplex veranschaulicht wird, keine Parallele in einer anderen Grammatik.649 Es handelt sich also offensichtlich um einen Teil, in dem der Text selbstständig gegenüber der artigraphischen Tradition ist. Auf ihn geht daher wahrscheinlich Tatu. 20,543ff. wie auch Ambr. 52,20ff. zurück.650 28,9 quia nihil dedit simile principalitati: principalitas ist als Fachbegriff bei den lateinischen Grammatikern außer an dieser Stelle nur in Servius' Vergilkommentar (10 mal) und bei Pomp. (6 mal)651 bezeugt. In der lateinischen Literatur findet sich principalitas erstmals bei Tertullian (4 mal) und dann vor allem im 4. Jh. bei Ambrosius (22 mal).652 Für die spätere Zeit gibt es hingegen nur einen einzigen Beleg bei Isidor v. Sevilla. 28,12f. unde apud Graecos άρκτικόν στοιχεΐον vocatur·. Als griechischer Fachbegriff für ein anlautendes s ist in der Handschrift Ρ der Ausdruck άρκτικόν τοίχων tradiert, in (M) άρχικόν σίριον (αρχικοί* στίριον bei

MIGNE).

Da beide Ausdrücke in dieser Form keinen

Sinn ergeben, liegt die Vermutung nahe, dass jeweils eine fehlerhafte Überlieferung vorliegt. Dennoch dürfte Ρ den authentischen Wortlaut getreuer wiedergeben; denn άρκτικόν wird auch bei Ter. Maur. 908ff. als Bezeichnung für das griechische Sigma verwendet653, und bei τοίχι ov scheint nur eine leichte Abwandlung des wohl ursprünglichen στοιχείου vorzuliegen. Der so rekonstruierte Ausdruck άρκτικόν στοιχεΐον

entspricht auch am ehesten der

lateinischen Übersetzung inchoativum elementum, die der Text mit hoc est anfügt.654 Die hier vom Text vertretene Auffassung, dass bei dem Wort magister der Buchstabe s nicht mehr zur ersten Silbe gehört, sondern mit ter zusammen die Silbe ster bildet, scheint auch

649 650

651 652

653

654

Bei Don. min. 586,19 wird magister lediglich als nomen simplex eingestuft, ohne dass dies näher erklärt wird. Tat. 20,543ff: nam magis et ter duo adverbia sunt, quorum intellectus non convenit principalitati nominis. Ambr. 52,20ff.: utputa si dividamus magister: magis adverbium comparandi et ter adverbium numeri... Pomp. 164,19fr. (5 mal, jeweils als Gegensatz zu diminutio)\ 204,8. principalitas kommt außerdem jeweils einmal bei Novatian (3. Jh.), Faustinus (4. Jh.) und Macrobius (4. Jh.) vor. Ter. Maur. 908ff.: ammonet nunc ordo sextam semivocalem loqui, quae sonum nobis ministrat, sigma quem Graecis solet. vivida est haec inter omnes atque densa littera, άρκτικόν Graeci vocarunt adseruntque exordiis. Zur Entsprechung von άρκτικός· und inchoativus vgl. Char. 329,23ff.: sunt quaedam verba, quae inchoativa appellantur, αρκτικά quaeque rem modo inchoatam et futuram significant. Siehe auch ThGrL Bd. 1,2 Sp. 198Sd s. ν. 'άρκτικό?'.

De nomine

237

Prob. cath. gramm. IV 17,9f. zugrunde zu liegen, wo ster als eigenständige Schlusssilbe aufgeführt und anhand des Beispiels magister dekliniert wird.655 28,17-20 figura composita fit quattuor modis: quia aut duo invenimus integra, ut suburbanus, aut corrupta, ut municeps ...: Die Beispiele, die der Text für die vier Möglichkeiten der Komposition von Substantiven anführt (suburbanus, municeps, insulsus, nugigerulus), sind aus Don. mai. 624,5f. übernommen und finden sich daher auch in den anderen Donatkommentaren wieder.656 Sie gehören demnach zum Standardrepertoire der Donattradition. 29,1 f. quaerunt nonnulli quare, cum dicat Donatus 'componuntur nomina', subiciat 'ex duobus corruptis':

Dafür, dass bei den Grammatikern von den Möglichkeiten der

Komposition diejenige ex duobus corruptis umstritten ist, kann Prob. inst, gramm. IV 56,2Iff. als Zeugnis herangezogen werden. Dort wird nämlich den artis latores, die wie Donat und seine Kommentatoren behaupten, es gebe zusammengesetzte Substantive ex duobus corruptis, Unwissenheit (imperitia) vorgeworfen.657 Bei genauerem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass die konträren Positionen auf einem völlig unterschiedlichen Verständnis von Komposition beruhen. Denn während die Kriterien der Donattradition für ein nomen compositum darin bestehen, dass seine Bestandteile zum einen auf sinnvolle lateinische Wörter zurückzuführen sind und zum anderen mit der Bedeutung des zusammengesetzten Substantivs übereinzustimmen haben658, ist für Prob. inst, entscheidend, ob die einzelnen Elemente eine pars orationis darstellen oder nicht.659 So wird von Prob. inst, etwa das Nomen portentum, das in der Donattradition zweifellos ein simplex wäre, als compositum ex corrupto et integro betrachtet.660 Vermutlich handelt es sich dabei um eine Position, die deqenigen verwandt ist, mit der sich Pomp. 169,12fif., Pomp. 178,14ff. und Expl. I 495,1 Iff. unter namentlicher Nennung eines 'Probus' auseinandersetzen, indem sie kritisieren, dass danach nahezu alle Substantive in irgendeiner Form composita wären.

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638 659

660

Prob. cath. gramm. IV 17,9f.: ster secundae sunt declinationis, strifaciunt genitivo, magister magistri, Auster Austri, noster nostri. Expl. 1494,36-495,3; Pomp. 169,9-12; Pomp. 178,28-30. Prob. inst, gramm. IV 56,2Iff.: sane etiam hoc monemus, quod sint aliqui latores, qui ex duobus corruptis dicant fieri posse figuram compositam; sed contra eorundam imperitiam non dignum est, ut nostra respondeat scientia, quandoquidem nulla pars orationis reperiatur, quae ex duobus corruptis sit constituta. Siehe 28,3ff. und 28,14ff. Prob. inst, gramm. IV 53,20ff.: simplex figura nominum intellegitur, quando ex una parte orationis tantum nomina inveniuntur esse constituta; ... composita figura nominum intellegitur, quando non ex una parte orationis tantum inveniuntur nomina esse constituta;... integra sunt, quae solas partes orationis designant; ... corruptum autem est, quod nullam partem orationis demonstrat. Prob. inst, gramm. IV 54,17ff.: figura nominum ex corrupto et integro componitur, quando in prima parte nominis corruptum reperitur et sequens pars orationis invenitur, ut puta portentum: por enim corruptum esse reperitur, tentum vero participium esse probatur.

238

Kommentar

Auch wenn sich diese Vorstellung von Komposition bei Prob. inst, findet, kann man sie nicht als allgemeintypisch fur das 4. Jh. bezeichnen, weil andere Grammatiken dieser Zeit das Verständnis der Donattradition teilen.661 29,5f. corruption ita definiri nomett, quod solutum potest in integrum reverti: Die Definition des nomen corruptum stimmt inhaltlich mit den anderen Donatkommentaren überein, im Wortlaut stehen sich allerdings Serv. comm. (quotiens resoluta possunt esse integra), Expl. I (quae resoluta possunt esse Integra) und Pomp, (quae resoluta possunt fieri integra) gegenüber dem vorliegenden Text näher.662 29,7f. ut si dicamus 'municeps', est enim dictum 'munera capiens': municeps ist bei den lateinischen Grammatikern ein klassisches Beispiel für ein zusammengesetztes Substantiv, in der Donattradition für ein compositum ex duobus corruptis.663 Bei Expl. I und Pomp, wird es daher wie im vorliegenden Text in seine Bestandteile munera bzw. munia (Expl. I) zerlegt.664 Die Handschrift Ρ überliefert hier entsprechend dem Wortlaut von Expl. I munia statt munera. Da beide Substantive aber inhaltlich identisch sind und auch sonst in Handschriften alternativ vorkommen665, entscheidet in diesem Fall die übereinstimmende Überlieferung von (M) und Ambr. 52,38ff. zugunsten von munera. 29,9f. ne nos fallat: (M) überliefert hier non an Stelle von ne. Welche Verneinung authentisch ist, lässt sich nicht entscheiden, weil non im Spätlatein ständig an Ausdehnung gewinnt und sich häufig anstatt des klassischen ne findet.666 So verwendet auch der Text bisweilen beim Prohibitiv non als Negation.667 Die Wendung ne/non fallat aliquem kommt bei den lateinischen Grammatikern einmal bei Char. 238,19 und 6 mal bei Pomp.668 vor. In der Literatur ist sie bis zum Beginn der Spätantike selten belegt669, wird dann aber im 4. und 5. Jh.

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Vgl. Char. 194,24ff.; Exc. Bob. gramm. I 534,10ff.; Dosith. gramm. 17,5f.; Diom. gramm. 1301,24ff. Serv. comm. 408,24f.: tunc intellegamus corrupta esse in compositione, quotiens resoluta possunt esse integra; Expl. I 495,5f.: et hoc teneamus ilia esse corrupta, quae resoluta possunt esse integra; Pomp. 169,21f.: illud autem dicitur ex duobus esse corruptis, quod resolutum potest fieri integrum; Pomp. 178,28f.: illa dicamus corrupta, quae resoluta possunt fieri integra. Don. mai. 624,3; Expl. 1495,1; Pomp. 169,23ff. Expl. I 495,3ff.: municeps, nec muni integra est nec ceps integra, municeps dictus est ab eo quod munia capiat; Pomp. 169,23ff.: opifex videtur ex duobus corruptis esse, nam opera et faciens, utrumque integrum est et fecit unum corruptum opifex, municeps et hoc similiter munera capiens. ThLL Bd. VIII Sp. 1643,77ff. s. v. 'munia'; Sp. 1663,6ff. s. v. 'munus'. Siehe H.-Sz. 11,331; 11,337; 11,456. Vgl. 20,5: illud non nos turbet, quod ... Pomp. 141,25; 163,7f.; 175,11; 179,15; 238,12; 254,14. ne/non fallat aliquem kommt vor dem 3. Jh. 2 mal bei Cicero und jeweils 1 mal bei M. Terentius Varro, Ovid, Manilius, Seneca d. J., Celsus sowie Plinius d. A. vor.

De nomine

239

häufiger gebraucht, vor allem von Augustinus (18 mal).670 Für die spätere Zeit gibt es dann nur noch einen Beleg bei Caesarius v. Arles (5./6. Jh.) und zwei bei Isidor v. Sevilla (6./7. Jh.) 29,11 quod nihil sit 'municeps' quemadmodum 'paries': nihil ist hier ein adverbialisierter Akkusativ und dient der nachdrücklichen Verneinung. Diese Verwendung ist in erster Linie umgangssprachlich, sie findet sich aber auch bei Caesar und Livius sowie auffallend häufig im Spätlatein.671 29,17-20 verum sciamus, quod, cum dicimus figuram esse compositum ex aliquibus integris, ipsam divisionem accipere eundem accentum eundemque pedem, quem ...: Die These, dass der Bestandteil eines nomen compositum nur dann als integrum einzustufen ist, wenn nicht nur seine äußere Form mit dem Nom. Sg. des entsprechenden Substantivs übereinstimmt, sondern auch die Aussprache (tempus, accentus, pes), wird außer hier nur noch bei Expl. 1495,17ff. vertreten.672 29,18 accipere: Die Verbindung von quod mit Acl findet sich oft im Spätlatein (seit dem 3. Jh.), v. a. bei den Kirchen- und Vulgärschriftstellern, und stellt eine Vermischung der Konstruktionen dar.673 29,20 ut puta si quis quaerat 'lucifer, cuius figurae?': lucifer ist bereits in älteren Grammatiken des 4. Jhs. als Beispiel für ein nomen compositum vertreten und wird dort vornehmlich seine Deklination betreffend besprochen.674 Allerdings behandelt weder einer der älteren Texte noch einer der anderen Donatkommentare die Art und Weise der Komposition von lucifer, so wie es der vorliegende Text an dieser Stelle tut. Daher lässt sich die Frage, ob die Auswahl des Beispiels lediglich auf das Repertoire der artigraphischen Tradition zurückzuführen ist oder doch auf einer besonderen Intention des Verfassers beruht, nicht eindeutig beantworten. Unterstellt man jedoch Letzteres, dann eröffnen sich mehrere Erklärungsmöglichkeiten, weil lucifer über ein breites Bedeutungsspektrum verfügt.675 So steht der Begriff in der römischen Mythologie für den Planeten Venus, den Morgenstern, und

670

671 672

673 674

675

Cyprian hat ne/non fallal aliquem 1 mal, Iulius Victor 1 mal, Ambrosius 2 mal, Johannes Cassianus 3 mal und Hieronymus 1 mal. H.-Sz. 11,454. Expl. I 495,17ff.: corruptum non in litteris tantum dicitur, sed etiam in temporibus, ut omnipotens, videtur enim esse ex duobus integris, est autem ex corrupto et integro; nam omni quantum ad locutionem, integrum est, quantum ad rationem temporum, corruptum; nam in compositione omni syllaba brevis est, quae alias, id est in simplicifigura, longa est. H.-Sz. 11,578 y) Char. 22,27; Char. 106,30; Char. 107,4; Char. 153,22; Exc. Bob. gramm. I 540,6f.; Prob. cath. gramm. IV 14,1 If. Vgl. ThLL Bd. VII,2 Sp. 1708,70ff. s. v. 'lucifer'.

240

Kommentar

wird daher häufig metonymisch als Bezeichnung für den Tag verwendet.676 Darüber hinaus ist lucifer ebenfalls als Attribut für die Mondgöttin Diana geläufig.677 Andererseits wird das Wort in der Spätantike auch stark von christlichen Glaubensinhalten geprägt. Danach kann es im positiven Sinn Jesus Christus und seine Lehre von der Erlösung des Menschen charakterisieren678; weit verbreitet ist aber auch die negative Vorstellung von Lucifer als einem Engel, der sich gegen Gott auflehnt, in die Hölle gestürzt und deshalb mit dem Teufel gleichgesetzt wird.679 Für die Auswahl von lucifer als Beispiel ist daher ein christlicher Hintergrund denkbar, aber nicht zwingend. 29,24f. illud maxime itosse debemus, quod: Die Wendung nosse debemus, quod dient wie sciendum est, sciamus oder scire debemus als Einleitung für Angaben zum regelgerechten Sprachgebrauch.680 Der Text verwendet sie außer hier noch zwei weitere Male (45,14f. und 47,1). Dies ist im Vergleich zu den anderen Donatkommentaren, bei denen sich nosse debemus, quod nicht findet, auffallend häufig. Bei den christlichen Autoren der Spätantike kommt die Wendung vor allem zwischen dem 4. und 5. Jh. bei Augustinus (11 mal), Johannes Cassianus (8 mal) und Hieronymus (6 mal) vor.681 In späterer Zeit ist sie dagegen mit 3 Belegen bei Caesarius v. Arles und einem bei Cassiodor eher selten. 30,1 meminisse etiam debemus, quod: Wie die zuvor behandelte Formulierung nosse debemus, quod dient auch meminisse debemus, quod zur Einleitung von Regeln zum korrekten Sprachgebrauch. In lateinischen Grammatiken findet sich diese Wendung bei Char. (2 mal), Aug. brev. (1 mal), Diom. (1 mal), Don. mai. (1 mal) und Cassiod. orth. (1 mal).682 Pomp. 269,22 hat statt debemus die für ihn typische 2. Pers. Sg. debes. Daraus ergibt sich, dass meminisse zusammen mit einer Form von debere bei den Grammatikern zwar nicht besonders häufig verwendet wird, dass sich aber für verschiedene Zeitstufen vereinzelte Zeugnisse finden. In der Donattradition ist die Formulierung durch Don. mai. 669,13f., Serv. Aen. 4,56 und Pomp. 269,22 bezeugt. Auch bei den Schriftstellern der Spätantike ist

676

677 678 679

Ζ. B. Varro r. r. 3,5,17; Cie. nat. deor. 2,53; Vitr. 9,1,7; Vulg. lob. 11,17; Serv. ecl. 8,14; Serv. Aen. 2,801; Serv. Aen. 8,590. Ζ. B. Cie. nat. deor. 2,68; Serv. Aen. 2,116. Ζ. B. Prud. psych. 625; Aug. in lob p. 522,16; Greg. M. moral, praef. 13. Hierauf spielt Vulg. Is. 14,12 (quomodo cecidisti de caelo lucifer, qui mane oriebaris) unter Bezugnahme auf den König von Babel an. Da nach Vulg. Luc. 10,18 (videbam Satanam sicut fulgur de caelo cadentem) auch der Satan wie ein Blitz vom Himmel fällt, wird lucifer mit ihm gleichgesetzt. Vgl. ThLL Bd. VII,2 Sp. 1710,27ff. s. v. 'lucifer'. Siehe dazu auch WEIZSÄCKER, Art. 'Phosphoros', in: W. H. Roscher (Hg.), Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie Bd. 3,2, Leipzig 1902-1909, Sp. 2443ff.; K. HOHEISEL, Art. 'Luzifer', in: Lex. f. Theologie u. Kirche Bd. 6, Freiburg 1997, Sp. 1154.

680

UHL, Servius, S. 108FF.

681

Dem steht nur ein einziger Beleg bei einem heidnischen Schriftsteller gegenüber: Veg. mil. 3,6. Char. 219,26f.; 379,13f.; Diom. gramm. 1326,23; Don. mai. 669,13f.; Cassiod. gramm. VII, 1 209,10.

682

241

De nomine

meminisse mit einer Form von debere kontinuierlich überliefert, am häufigsten kommt der Ausdruck bei Augustinus (22 mal), Cassiodor (12 mal) und Gregor d. Gr. vor (10 mal). 30,If. quod composita nomina ulterius non possint componi: Die Formulierung stimmt fast wörtlich mit Pomp. 170,5 (compone infelix, iam non ulterius potes componere) überein. Abweichend vom vorliegenden Text machen Serv. comm. 432,28, Pomp. 170,3f., Pomp. 180,32f. und

Cled.

43,29f.

die

Regel,

dass

nomina

composita

nicht

nochmals

zusammengesetzt werden dürfen, von einem subjektlosen dicit bzw. ait abhängig und zeigen damit an, dass sie hier auf eine Vorlage, nämlich Don. mai. 624,10, zurückgehen.683 30,2 ut impius: impius ist an dieser Stelle im Vergleich zu Don. mai. und den anderen Donatkommentaren

ein ungewöhnliches

inexpugnabilis oder imperterritus^*

Beispiel.

Üblicher

sind

stattdessen

infelix,

Warum der vorliegende Text hier dennoch impius als

Beispiel anführt, kann nicht gesagt werden, weil es sich um ein Wort handelt, das sowohl in der lateinischen Literatur als auch bei den Grammatikern in anderer Funktion685 verbreitet ist. 30,2 contra se veniens: Pomp. 170,11 f. hat statt contra se venire die Wendung contra se loqui in der Bedeutung 'sich widersprechen'.686 Dagegen ist bei Serv. comm. 438,4 für 'widersprechen' ebenfalls contra venire belegt, dort allerdings mit dem Objekt regulam,687 30,4 ut inexpugnabilis imperterritus: Standardbeispiele bei den lateinischen Grammatikern für die nomina composita, die aus mehr als zwei Bestandteilen (ex compluribus) bestehen.688 30,5f. cum prima compositio sensum in contrarium non vertit: Die Formulierung stimmt fast wörtlich mit Serv. comm. 433,If. (Jta ut prima compositio sensum nominis in contrarium non vertat) überein.

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684

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687 688

Serv. comm. 432,28: dicit nomina iam composita non debere componi', Pomp. 170,3f.: ait sic figura, quae composita est, denuo componi non potest, Pomp. 180,32f.: ait sciendum est nomina composita non posse componi', Cled. 43,29f.: dicit nomina composita non debere componi. infelix: Pomp. 170,20f.; Pomp. 181,14ff.; Cled. 43,28ff.; inexpugnabilis: Pomp. 181,5ff.; imperterritus: Pomp. 170,9ff. Etwa bei Serv. comm. 409,15f. als Beispiel für die Form des Vokativs der Substantive auf ius. Siehe auch Serv. gramm. IV 450,2f.; Mar. Victorin. gramm. 4,66; Albin. gramm. VII 304,8ff.; 304,21ff.; Beda art. metr. 1,6 (CCSL 123a) p. 102,50ff. Pomp. 170,1 lf.: quid ergo contra se locutus est?; vgl. auch Pomp. 170,18f.: unde apparet eum non contra se locutum esse. Serv. comm. 438,4: ideo contra regulam venit, quia Graecum est. Char. 194,29; Exc. Bob. gramm. I 534,14; Diom. gramm. I 301,30; Don. mai. 624,5; Serv. comm. 433,3; Pomp. 170,6ff.; 181,5; 181,19ff.; Cled. 43,14ff.

242

Kommentar

30,6 ut felix infelix: Standardbeispiel der Donatkommentare für ein Nomen, das bereits im ersten Schritt der Komposition (prima compositio) die Bedeutung der Ausgangsform (simplex) ins Gegenteil umkehrt und deshalb nicht mehr durch ein weiteres Element erweitert werden darf.689 30,9-12 cum sit simplex 'pugnabilis' et fiat compositum 'expugnabilis', non mutat, sed confirmat sensum, unde...: Pomp, und Cled. führen wie der vorliegende Text die einzelnen Stufen der Komposition entweder anhand von pugnabilis, expugnabilis, inexpugnabilis oder territus, perterritus, imperterritus vor.690 Eine Parallele dazu findet sich bei Serv. Aen. 10,770, wo die figura von imperterritus besprochen wird.691 Ein Unterschied zwischen Servius' Erklärung und der in den Donatkommentaren besteht jedoch darin, dass jener die Form von imperterritus als prima compositio einstuft, während diese in ihr genauso wie in der von inexpugnabilis eine secunda compositio sehen.692 Das ist damit zu erklären, dass Servius eine compositio erst dann für gegeben hält, wenn die Bedeutung eines Wortes in ihr Gegenteil gewandelt wird (sermonis natura corrumpitur). Dagegen beurteilen die Donatkommentare auch die Bekräftigung eines Wortes (confirmatiö) durch Hinzufügen einer Präposition als compositio. 30,10f. non mutat, sed confirmat sensum: Mit den Ausdrücken sensum mutare und sensum confirmare beschreibt der Text die beiden Möglichkeiten, die durch die Komposition eines Wortes eintreten können. Pomp, stimmt mit diesen Formulierungen überein.693 30,1 lf. unde inexpugnabilis non est tertia compositio, sed secunda·. Die Formulierung stimmt fast wörtlich mit Pomp. 181,22f. (inexpugnabilis non videatur tertia esse compositio, sed secunda) überein. 30,12 sie et cetera'. Der Zusatz sie et cetera scheint darauf hin zu deuten, dass der Text hier etwas auslässt, was er für überflüssig hält. Es liegt nahe anzunehmen, dass es sich um die verkürzte Wiedergabe einer Vorlage handelt. Vielleicht ist in dieser wie etwa bei Pomp. 181,23 ff. noch die Komposition von territus, perterritus, imperterritus behandelt worden.

689

Serv. comm. 433,3ff.; Pomp. 170,4f.; Pomp. 170,20f.; Pomp. 181,14ff.; Pomp. 271,20ff.; Cled. 25,5f.; Cled. 43,28ff. Vgl. auch 66,4f. 690 pugnabilis, expugnabilis, inexpugnabilis: Pomp. 181,19ff.; Cled. 43,14ff.; territus, perterritus, imperterritus·. Pomp. 170,9ff.; Pomp. 181,23ff. 691 Serv. Aen. 10,770: imperterritus: prima est compositio, non secunda; nam hoc est perterritus quod et m 6,3

territus, et tunc est vera compositio, cum sermonis natura corrumpitur.

Serv. comm. 432,29ff.; Pomp. 181,19ff.; Pomp. 181,23ff. Pomp. 170,15: compositio aut confirmat aliquid aut destruit, Pomp. 181,15£: mutasti sensum.

compone illud felix, ecce

De nomine

243

30,13 animadvertendum est·. Das Gerundivum animadvertendum est hat dieselbe präskriptive Funktion wie etwa sciendum est oder Formulierungen mit debemus und Infinitiv. In lateinischen Grammatiken wird dieser Ausdruck vor Donat jeweils zweimal bei Velius Longus und Char, verwendet.694 Nach Donat kommt er einmal bei Serg. litt. 478,5, viermal in Servius' Vergilkommentar und sechsmal bei Consent, vor.695 Das heißt, dass er in den Donatkommentaren nur an dieser Stelle und bei Serg. litt, überliefert ist. Dagegen bevorzugen Serv. comm. und Pomp, wie auch Don. mai. selbst die Wendung animadvertere debemus an Stelle von animadvertendum est.696 In der spätantiken Literatur findet sich die Form vor allem im 4. und 5. Jh., und zwar bei Macrobius (2 mal), Martian us Capella (2 mal), Augustinus (16 mal), Hieronymus (8 mal), Marius Victorinus (4 mal) und Julian von Eclanum (3 mal). Danach ist sie nur noch vereinzelt anzutreffen.697 30,14f. ut homo bonus: Standardbeispiele für feststehende Ausdrücke, die aus einem Substantiv mit Adjektiv im Nom. Sg. bestehen, sind bei Don. mai. und seinen Kommentatoren eques Romanus sowie praetor urbanus.69t In anderen Grammatiken finden sich darüber hinaus noch Liber pater, populus Romanus oder Alba Longa.699 Dagegen kommt homo bonus nirgendwo in entsprechendem Zusammenhang vor, es handelt sich demnach um ein selbständiges Beispiel des vorliegenden Textes. In der antiken Literatur ist der Ausdruck homo bonus bei Plautus, Cicero, Martial und Petron bezeugt, dort aber jeweils in Bezug auf konkrete Einzelpersonen.700 Ob einer dieser Autoren dem Text hier als Vorlage gedient hat, ist daher mehr als fraglich. Wahrscheinlicher ist dagegen, dass ein christlicher Hintergrund vorliegt und das Beispiel auf die Heilige Schrift (Vulg. Matth. 12,35; Vulg. Luc. 6,45) zurückgeht. Denn dort stellt Jesus in einer Verteidigungsrede gegenüber den Pharisäern in abstrakter Form den homo bonus christlicher Vorstellung dem homo malus gegenüber.701 Dass diese Stelle im 4. und 5. Jh. besonders prominent ist, zeigt ihre häufige Rezeption etwa bei Augustinus.702

694 695

0,6 697

698 699 700 701

702

Vel. gramm. VII,1 48,19f.; 65,2f.; Char. 219,34ff.; 236,14f. Serv. Aen. 1,223; 6,660; 12,144; Serv. auct. Aen. 1,305; Consent, gramm. V 345,10f.; 345,24f.; 346,26f.; 350,7f.; 381,35f.; Consent, gramm. p. 32,1. Don. mai. 624,5f.; Serv. comm. 415,17f.; Pomp. 121,24 (debes)\ 177,3f.; 276,2f.; 280,17 (debetis). Primasius hat 2 mal animadvertendum est, Boethius 1 mal, Cassiodor 4 mal, Gregor d. Gr. 1 mal und Beda 1 mal. Don. mai. 624,8f.; Pomp. 169,30f.; Pomp. 179,4. Prob. inst, gramm. IV 121,3ff.; Diom. gramm. 1309,26ff.; Consent, gramm. V 349,28f. Plaut. Poen. 613; 1214; Cie. fam. 16,18,3; Cie. Att. 1,19,11; Mart. 12,51,2; Petron. 42,3. Vulg. Matth. 12,35: bonus homo de bono thesauro profert bona et malus homo de malo thesauro profert mala; Vulg. Luc. 6,45: bonus homo de bono thesauro cordis sui profert bonum et malus homo de malo profert malum. Aug. serm. 15,5; serm. 74 (PL 38) p. 473,24; c. Petil. 2,6,12; 3,44,52; 3,50,61; 3,52,64; c. Cresc. 3,11,14.

244

Kommentar

30,16 ut dominus servorum: Don. mai. und die anderen Donatkommentare verwenden als Beispiele für feste Wortverbindungen, die sich aus einem Substantiv mit nachfolgendem Genitiv-Attribut zusammensetzen, praefectus equitum, praefectus vigilum, tribunus militum oder pater fami lias.103 Dagegen kommt in keiner anderen Grammatik dominus servorum in entsprechendem Zusammenhang vor. Daher scheint es sich wie schon bei homo bonus um ein selbstständig ausgewähltes Beispiel des vorliegenden Textes zu handeln. Und auch hier kommt eine Stelle der Heiligen Schrift als Vorlage in Betracht. Denn im Gleichnis vom reichen Mann, der verreist und sein Geld den Dienern anvertraut, damit sie es gewinnbringend verwalten, findet sich der Ausdruck dominus servorum.104 Dieser wird außerdem bei Hier, in Matth. 41. 839 zitiert. 30,18 ut iuris peritus: Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Fällen, in denen der Text in der Auswahl seiner Beispiele von den anderen Donatkommentaren abgewichen ist und offensichtlich Wendungen aus der Heiligen Schrift bevorzugt hat, folgt er an dieser Stelle nun wieder ganz der Tradition, indem er mit iuris peritus ein Beispiel anführt, das auch in anderen Grammatiken in diesem Zusammenhang vertreten ist.705 Daneben findet sich noch häufig senatus consultum als weiteres Beispiel für zusammengesetzte Ausdrücke, die aus einem Substantiv mit vorangehendem Genitiv-Attribut bestehen.706 30,18f. observanda sunt: observandum est/observanda sunt dient wie die anderen schon behandelten Gerundiva {sciendum est, animadvertendum

est) zur Kennzeichnung des

regelkonformen Sprachgebrauchs.707 In der Donattradition kommt observandum est in Servius' Vergilkommentar (5 mal), bei Serv. fin. (1 mal), Pomp. (1 mal) und Cled. (2 mal) vor.708 Es fallt jedoch auch hier auf, dass Serv. comm. und Pomp, im Gegensatz zum vorliegenden Text und Servius' Vergilkommentar den Infinitiv observare neben einer finiten Form von debere bevorzugen.709 30,19f. ut Iuppiter Optimus Maximus Capitolinus: Siehe oben den Kommentar zu 20,12f. ut si dicamus 'Iuppiter optimus maximus'.

703

704 705 706 707 708

709

Don. mai. 624,9; Serv. comm. 433,6f.; Pomp. 179,13; Pomp. 179,22f. Pomp. 180,21; Cled. 43,21; Cled. 43,24f. Vgl. auch Prob. inst, gramm. IV 120,30ff.; Diom. gramm. I 309,29ff.; Aug. reg. gramm. V 506,30ff.; Consent, gramm. V 349,30f. Vulg. Matth. 25,19: post multum vero temporis venit dominus servorum illorum et posuit rationem cum eis. Prob. inst, gramm. IV 120,38ff.; Serv. comm. 436,31ff.; Pomp. 169,32ff; Pomp. 180,23. Don. mai. 624,9; Pomp. 179,15; Cled. 44,3; Diom. gramm. I 309,33ff. UHL, Servius, S. 11 Of. Serv. Aen. 1,8; 1,417; 2,171; Serv. auct. Aen. 2,324; Serv. georg. 1,205; Serv. gramm. IV 455,6; Pomp. 188,33; Cled. 69,3; 70,3. Siehe den Kommentar zu 30,13 animadvertendum est. Serv. comm. 442,28; Pomp. 194,30; 252,3f.

De nomine

245

30,23f. placidum ad aures vocis sonum emittunt: Der Text legt als Kriterien, nach denen ein nomen appellativum zusammengesetzt werden darf oder nicht, auctoritas und euphonia fest. Er tut dies, indem er den Begriff der auctoritas durch die Formulierung quae ... aut lecta sunt composita umschreibt sowie den der euphonia durch quae ... placidum ad aures sonum emittunt.

Zu dem letztgenannten Ausdruck findet sich weder bei den lateinischen

Grammatikern noch sonst in der römischen Literatur irgendeine Parallele. Lediglich die eingeflochtene Wendung sonum emittere ist anderswo bezeugt. Sie kommt nämlich in zwei Grammatiken des ausgehenden 4. bzw. frühen 5. Jhs. some in Servius' Vergilkommentar vor.710 Darüber hinaus ist sonum emittere bei christlichen Autoren des 4. und 5. Jhs. mehrfach vertreten, und zwar bei Arnobius iunior, Augustinus und Hieronymus.711 Dagegen ist die Formulierung zu späterer Zeit nur noch bei Isidor v. Sevilla belegt.712

3.2.7 De casibus (31,1 - 47,22) Don. mai. 624,12-628,13; Serv. comm. 408,28409,3; 433,12435,23; Expl. I. 495,23496,32; Pomp. 170,27-174,11; 181,30-199,19; Cled. 11,14-12,8; 44,648,27. Das Kapitel De casibus setzt sich aus vier Abschnitten zusammen. Der erste (31,1-33,11) kommentiert Don. mai. 624,12-625,15 und behandelt grundlegende Fragen wie Anzahl und Bezeichnung der Kasus, das Phänomen äußerlich identischer Kasusformen (formae casuales) sowie die Verbindung von Substantiven mit bestimmten Kasus. Der zweite Abschnitt (33,1337,17) steht unter der Überschrift De declinationibus nominum\ hier werden die Substantive anhand ihrer Endung im Genitiv Singular fünf verschiedenen Deklinationen zugeordnet. Eine Entsprechung dazu, die als zu kommentierende Vorlage in Frage käme, findet sich bei Donat nicht. Dagegen ist der dritte Abschnitt (37,20-44,11), in dem die Substantive nach der Form ihres Ablativs Singular in fünf Gruppen eingeteilt werden, wieder eng an Donat (Don. mai. 626,1-628,2) orientiert. Der vierte Abschnitt (44,12-47,22; Don. mai. 628,3-13) behandelt schließlich Substantive, die aus den erörterten Deklinationsschemata herausfallen, er beschäftigt sich außerdem mit dem Prinzip der analogia als Kriterium für zweifelhafte Fälle und gibt am Ende eine Übersicht über die Endungen lateinischer Substantive im Nominativ Singular. Zum ersten Abschnitt hat Pomp, wie schon zu den vorherigen Kapiteln De numeris und De figuris zwei Partien. 710

711

7,2

Macrob. exc. gramm. V 635,18: communem emittentibus sonum; Victorin. gramm. 2,4: confusa (sc. vox) est, quae nihil aliud quam simplicem vocis sonum emittit; Serv. georg. 1,378: cum contra earn emitterent turpem naribus sonum. Arnob. iun. confl. 2,16; Aug. mag. 2; Aug. in evang. loh. 54,7; Hier, in Is. 6,16,11 1. 17; Hier, in psalm. 146. Vgl. auch Vulg. IV Esdr. 10,27: et ecce subito emisit sonum vocis magna timoreplenum. Isid. diff. 60 (79,30); Isid. orig. 3,20,11; 3,20,12; 11,1,56.

246

Kommentar

31,2-33,1 casus sunt sex... Der Text weist im folgenden Abschnitt (31,2-33,1) einige Besonderheiten hinsichtlich Anordnung und Umfang des Materials auf, die durch den Vergleich mit den anderen Kommentaren hervortreten. So verzichtet er darauf, die Fragen zu erörtern, ob der nominativus zu den Kasus zu rechnen ist und worin sich der septimus casus vom ablativus unterscheidet, da er dies schon weiter oben getan hat.713 Im Gegensatz dazu behandeln Serv. comm. und Pomp, die genannten Aspekte übereinstimmend an dieser Stelle.714 Ebenso übergeht der Text hier die Substantive, die nicht in allen Kasus vertreten sind (Don. mai. 625,1 Of.), vermutlich weil er sie schon in der Einleitung zum Kapitel De nomine besprochen hat.715 Dagegen werden sie bei Serv. comm., Pomp, und Cled. in diesem Abschnitt erörtert.716 Außerdem diskutieren die anderen Kommentare abweichend vom vorliegenden Text die Frage, ob es Sinn hat, einen octavus casus von den übrigen zu unterscheiden.717 Und schließlich werden bei Pomp, die Namen der einzelnen Kasus etymologisch hergeleitet und erklärt.718 Abgesehen davon ist Pomp, wie im Vorherigen so auch hier ausführlicher als alle anderen Kommentare, indem er etwa die Verwendung des Genetivs im Griechischen und Lateinischen miteinander vergleicht oder die Deklination von mille bespricht.719 31,3 supertus dictum est: Siehe oben 14,19-15,2. 31,4f. in Virgilio invenimus 'fluvius regnator aquarum': Das Vergil-Zitat (Verg. Aen. 8,77) ist in den Donatkommentaren der Standardbeleg dafür, dass in der Sprache der "Alten" (antiqui) der Nominativ Singular als Vokativ verwendet werden konnte. Es findet sich nämlich außer hier noch bei Serv. comm. 409,17ff., Expl. 1498,17ff. und Cled. 1 l,31fif. Dass der Vers aber auch schon der älteren Grammatik des 4. Jhs. in dieser Funktion bekannt

713

714

715 716

717

718 719

31,lf.: casus sunt sex, ex quibus nominativus quare dicatur casus, superius dictum est; vgl. 14,19-15,2; 31,9ff.: assumunt quidam casum, quem septimum vocant, qui quantum differat ab ablativo et quam necessario sit inventus, praemissa ratione demonstravimus; vgl. 19,1 Off. nominativus: Serv. comm. 433,12-16; Pomp. 170,31-171,7; Pomp. 181,35-182,23. septimus casus: Serv. comm. 433,16-23; Pomp. 171,21-33; Pomp. 183,11-31; Cled. 12,3-5. 14,18-5,7. Serv. comm. 433,35-434,3; Pomp. 172,28-34; Pomp. 186,5-187,11; Cled. 45,7-11; 17-26. Expl. I und Pomp. 137,37ff. haben eine entsprechende Passage wie der vorliegende Text ebenfalls in der Einleitung zum Kapitel De nomine. Serv. comm. 433,23-26; Pomp. 183,32-184,11; Cled. 12,5-7. Der octavus casus entspricht einem Dativ, der an Stelle eines Akkusativs mit Präposition steht. Standardbeispiel ist in den genannten Texten das Vergil-Zitat it clamor caelo (Verg. Aen. 5,451). Das Phänomen, dass der Dativ die Funktion eines Akkusativs mit Präposition übernehmen kann, wird auch in Servius' Vergilkommentar mehrfach besprochen; allerdings wird dort nicht die Bezeichnung octavus casus verwendet. Vgl. Serv. Aen. 1,6; 9,431; 10,322; Serv. ecl. 2,30. Pomp. 171,8-12; Pomp. 182,19-183,10; vgl. auch Expl. II 534,26-535,2; Expl. II 544,8-14. Pomp. 182,27-183,4; Pomp. 185,23-186,4.

De nomine

247

gewesen ist, zeigt Prob. cath. gramm. IV 4,15ff.720 Darüber hinaus wird er in Servius* Vergilkommentar zu Aen. 8,77 im entsprechenden Sinn besprochen und zu Aen. 10,327 als Vergleich herangezogen.721 Im Vergleich zu den anderen Donatkommentaren fällt auf, dass Serv. comm. und Expl. I das Vergil-Zitat nicht wie der vorliegende Text im einleitenden Abschnitt des Kapitels De casibus anführen, sondern erst weiter unten im Zusammenhang mit den declinationes nominum.122 Hier deutet sich bereits eine abweichende Anordnung des Materials an, die im nächsten Abschnitt zu besprechen sein wird.723 31,5f. 'due, ait, et Rutulos. Equitem, Messapus, in armis': Im Gegensatz zu dem zuvor angeführten Vergil-Zitat kann man das vorliegende (Verg. Aen. 11,464) nicht als Standardbeleg für das in Rede stehende grammatische Phänomen bezeichnen. Während jenes nämlich, wie gesehen, in mehreren Grammatiken unterschiedlicher Zeitstufe und Tradition vertreten ist, wird dieses außer hier nur noch bei Cled. 44,13 ff. verwendet, dort allerdings ohne einen Hinweis auf den analogen Fall in Verg. Aen. 8,77.724 Dagegen erklärt Servius im Vergilkommentar (Serv. Aen. 11,464) die Form des Vokativs Messapus nicht nur im Sinne des vorliegenden Textes, sondern er verweist auch auf Verg. Aen. 8,77.725 Damit kommt er dem Text an dieser Stelle am nächsten.

31.11 praemissa ratione demonstravimus: Siehe oben 19,1 Off. 31.12 -32,17 sunt etiam formae casuales sexMit

dem Begriffformae casuales wird das

Phänomen bezeichnet, dass lateinische Substantive in ihrer Deklination äußerlich identische Formen bilden können.726 Je nach Anzahl der übereinstimmenden Kasus werden die Nomina bei den Grammatikern in verschiedene Gruppen eingeteilt, wobei sich die Systematisierung gewöhnlich auf den Singular beschränkt. Im Vergleich zu Don. mai. 625,5f. und Serv. comm. 720

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726

Prob. cath. gramm. IV 4,15ff.: invenies antiquitus et us syllaba terminatum vocativum singularem secundae declinationis, ut Vergilius 'comiger Hesperidum fluvius' pro fluvie. Serv. Aen. 8,77: fluvius vero vocativus antiquus est: qui apud maiores in omni forma similis erat nominativo, sed modo aliter est in secunda tantum forma, namque si proprium fuerit nomen et 'i' ante 'us' habuerit, 'us' perdita facit vocativum, ut 'Terentius Terenti', nullo excepto; si autem appellativum sit, in 'e' mittit vocativum, ut 'pius pie', 'fluvius fluvie', excepto 'fllius', nam 'fili' facit. plerumque tarnen poetae euphoniae causa antiquitatem sequuntur. Darüber hinaus stimmen Serv. comm. und Expl. I an dieser Stelle noch darin überein, dass sie abweichend von den anderen Kommentaren zusätzlich zu dem Vergil-Zitat ein weiteres Beispiel aus Cicero anfügen, nämlich Octavius iudex esto (Cie. in Verr. II 2,31). Expl. I zitiert außerdem Gai. inst. 2,117 (Titius iudex esto). Siehe unten den Kommentar zu 33,13-37,18 De declinationibus nominum.. Cled. 44,13ff.: quamquam antiqui etiam ipsum casum rectum faciebant, ut est illud apud Vergilium 'due ait et Rutulos. Equitem, Messapus, in armis', id est ο Messapus pro eo quod est ο Messape. Serv. Aen. 11,464: ergo Messapus aut antiquus vocativus est ut 'Hesperidum fluvius regnator aquarum', item 'socer arma Latinus habeto' aut certe nominativus est pro vocativo. Siehe dazu JEEP, Redetheile, S. 139-141.

248

Kommentar

433,26ff. fällt auf, dass der vorliegende Text darauf verzichtet, die einzelnen Gruppen mit den Begriffen monoptota, diptota, triptota etc. zu benennen. Diese Termini hatte er nämlich bereits dazu verwendet, um die Substantive, die nur in bestimmten Kasus vorkommen, nach der jeweiligen Anzahl ihrer deklinierten Formen in Kategorien einzuteilen.727 Im Gegensatz zur Terminologie stimmen die Beispiele in den Donatkommentaren hier weitgehend überein. Die vom Text ausgewählten Begriffe nequam, cornu, templum, species, doctus, unus und frugi finden sich nämlich auch bei den anderen Erklärern Donats, abgesehen davon dass Pomp. 171,34ff. dies an Stelle von species hat.728 Dem steht allerdings eine andere Gruppe von Grammatiken gegenüber, die ihrerseits über einen festen Kreis von Beispielen zu den formae casuales verfügen. Es sind dies Char. 191,16ff., Prob. exc. gramm. IV 214,7ff. und Expl. II 544,15ff. mit den Substantiven nequam, genu, scamnum/scrinium, res/spes, doctus/probus, unus/solus. Auch hier liegt daher wie bei den Donatkommentaren eine Verwandtschaft nahe. 31,15f. trahant declinationis colorem: Der Ausdruck color declinationis findet sich außer hier noch bei Expl. I 527,9f.729 Darüber hinaus ist er bei den lateinischen Grammatikern nicht belegt. Die Wendung colorem trahere kommt in der artigraphischen Tradition sonst nur noch zweimal in Servius' Vergilkommentar vor.730 Des Weiteren wird sie in der lateinischen Literatur von den Fachschriftstellem des 1. Jh. Plinius d. Ä., Columella und Quintilian sowie den klassischen Dichtem Vergil und Ovid verwendet.731 32,15f. numerum certum: (M) überliefert hier privatum statt certum und wird darin durch die Nebenüberlieferung bei Ambr. 59,169 unterstützt. Wie die vorliegende Stelle jedoch mit der Bedeutung des Wortes privatus in Einklang gebracht werden kann, ist unklar. Dagegen gibt es bei certus keine Probleme, zumal der Begriff durch das nachfolgende incertum est wieder aufgenommen wird. Ein weiteres Argument gegen privatus ist, dass dieses Wort bei den lateinischen Grammatikern sonst nur als konjugierte Form von privare vorkommt und dann mit dem Ablativ eines anderen Substantivs in der Bedeutung „befreit von" steht.732 32,21-23 excepto uno mille, quod in singulari numero non declinatur, in pluralem vero cum transit, unum l perdit et sie declinatur. Die Deklination von mille wird außerdem noch bei Pomp. 172,13ff., Pomp. 185,16ff. und Cled. 45,13ff. besprochen. Im Unterschied zum vorliegenden Text geben Pomp, und Cled. an allen genannten Stellen Plinius Secundus, d. h. 727 728 729 730 731 732

Siehe oben den Kommentar zu 5,1 nomina monoptota. Serv. comm. 433,26ff.; Pomp. 171,34fr.; Cled. 44,24ff. Expl. I 527,9f.: latina, quae Graecae declinationis colorem duxerunt, Graecum quoque retinent accentum. Serv. Aen. 9,212; Aen. 9,495. Plin. nat. 19,134; nat. 32,96; Colum. 2,20,2; Quint, inst. 12,10,44; Verg. Aen. 4,701; Ov. met. 2,236. Vgl. Don. mai. 645,14ff.; Cled. 70,18; Eutych. gramm. V 451,4f.

De nomine

249

Plinius d. Ä., als Gewährsmann an; Pomp. 185,18 nennt sogar den Titel der Schrift (in libris dubii sermonis) und erweckt den Eindruck, als ob er aus ihr wörtlich zitiert.733 Darüber hinaus belegen Pomp. 185,21 f. und Cled. 45,16f. noch die Regel, dass mille im Plural ein l verliert und in der Form milia dekliniert wird, mit Verg. Aen. 5,806 (milia multa daret leto). Auch dieses Zitat fehlt im vorliegenden Text. Alles in allem präsentiert er hier gegenüber Pomp, und Cled. also deutlich weniger Material. 33,2f. ut ignarus belli sive bellorum: Auch Don. mai. 625,12f. und seine Kommentatoren haben ignarus belli als Beispiel für ein Substantiv, das mit dem Genitiv verbunden wird. Daneben ist bei einigen von ihnen noch securus amorum üblich.734 Wie der vorliegende Text führt auch Cled. 45,26ff. den Plural ignarus bellorum an. 33,3f. ut amicus bono et amicus bonis: Das Standardbeispiel für ein Substantiv mit Dativ ist bei Don. mai. und in den Kommentaren zu Donat inimicus malis; daneben findet sich gelegentlich noch congruus paribus.735 Der vorliegende Text ist die einzige Grammatik, in der die beiden negativ besetzten Substantive inimicus und malis gegen ihre positiven Entsprechungen amicus und bonis ausgetauscht sind. Eine literarische Vorlage für eine der Wendungen amicus bono oder amicus bonis findet sich aber nicht, so dass keine eindeutige Erklärung für die Umwandlung des Beispiels möglich ist. 33,4 Terentius nominative iunxerit dicens 'amicus summ us meus et popularis Getha': Das Terenz-Zitat (Ter. Ph. 35) als Abweichung von der Regel, dass amicus mit dem Dativ zu verbinden ist, wird außer hier nur noch von Pomp. 187,28ff. in entsprechendem Sinn verwendet.736 33,5fT. alia accusativum, sed per figuram, ut 'praescius futura', recte enim dicitur 'praescius futurorum': praescius futura ist neben exosus bella das Standardbeispiel bei den lateinischen Grammatikern für Substantive, die mit dem Akkusativ verbunden werden.737

733

Pomp. 185,18-22: sed

734

Pomp. 172,35ff.; Pomp. 187,22ff.; Cled. 45,26ff.; Consent, gramm. V 353,6f. Don. mai. 625,13; Serv. comm. 434,3ff.; Pomp. 172,37ff.; Pomp. 187,26ff.; vgl. auch Diom. gramm. I 314,8ff. (internus studiis, inimicus malis, dicto audiens, patri invidus, bono malivolus, studenti proximus,

735

736 737

Plinius Secundus in libris dubii sermonis ita expressil 'mille non debemus aliterdicere nisi per geminum /'. et quid facimus de numero plurali? quomodo habemus dicere? dicit: 'in numero plurali unum lponere debemus et dicere milia, ut est 'milia multa daret leto'.

viae habilis, virtuti utilis, scenae aptus, congruus patribus). legimus, et 'amicus tibi est' et 'amicus tuus est'; habemus in Terentio 'amicus summus meus et popularis Geta', amicus meus Geta, non amicus mihi Geta.

Pomp. 187,28ff.: utrumque

Don. mai. 625,13f.; Pomp. 172,2ff.; Pomp. 188,Iff.; Consent, gramm. V 353,8f.; Diom. gramm. I 314,1 lf.

250

Kommentar

33,7fT. alia ablativum, ut 'secundus ab ultimo' vel 'primo', nam non possumus dicere 'secundusprimo' aut 'secundusprimi' vel 'secundusprimorum' aut tale aliquid: Don. mai. 625,14f. verwendet als Beispiele für Substantive mit dem Ablativ die Ausdrücke secundus a Romulo und alter α Sulla. Von den Donatkommentaren folgt ihm darin nur Pomp. 173,5f. und Pomp. 188,4.738 Die anderen beschränken sich auf secundus, verbinden dieses Wort aber nicht mit α Romulo, sondern mit den trivialeren Wendungen ab illo oder a te.m Der vorliegende Text hat als einziger secundus ab ultimo bzw. secundus α primo. 33,10f. alia septimum casum, ut dignus munere, mactus virtute: dignus munere und mactus virtute sind bei Don. mai. und seinen Kommentatoren die Standardbeispiele für die Verbindung eines Nomens mit einem anderen im septimus casus.7*0 Pomp. 173,1 Iff., Pomp. 188,1 Off. und Cled. 45,28f. führen übereinstimmend ein Terenz-Zitat (Ter. Andr. 940) als Gegenbeispiel an, in dem dignus nicht mit dem septimus casus verbunden ist, sondern mit dem Akkusativ.741 Darüber hinaus hat Pomp. 173,14ff. ebenso wie Pomp. 188,13ff. noch einen Statius-Beleg (Stat. Theb. 2,495) für mactus mit dem Genitiv.742 33,13-37,18 De declinationibus nominum: Der Abschnitt De declinationibus nominum, in dem fünf Deklinationen nach den Endungen der Substantive im Genitiv Singular unterschieden werden, hebt sich insofern von allem Vorangegangenen ab, als ihm keine Textstelle von Don. min. oder Don. mai. als zu kommentierende Vorlage zugrunde liegt. Donat behandelt nämlich die Deklination des Nomens nicht anhand des Genitivs Singular, sondern nur ausgehend vom Ablativ Singular.743 Den Kommentar zu diesem Aspekt liefert unser Text erst in seinem nächsten Abschnitt. Von den Donatkommentaren stimmen Pomp, und Cled. mit Donat darin überein, dass sie auf eine Differenzierung von Deklinationen mit Hilfe des Genitivs Singular verzichten. Bei Serv. comm. und Expl. I finden sich dagegen im Kapitel De casibus kurze Abschnitte zu den Deklinationen.744 Diese unterscheiden sich jedoch erheblich vom vorliegenden Text. Zunächst fällt auf, dass Serv. comm. und Expl. I die declinationes erst im Anschluss an den Ablativ

738 739

740

741

742

743 744

Vgl. aber auch Consent, gramm. V 353,9f. (secundus α Romulo, alter α Sulla). Serv. comm. 434,5f. (secundus ab illo est); Cled. 45,27 (secundus a te est). Pomp. 173,5ff. hat ebenfalls secundus a te est und Pomp. 188,4ff. secundus ab ipso est an Stelle von secundus ab illo est. Don. mai. 625,15; Serv. comm. 434,7; Pomp. 173,9ff.; Pomp. 188,9ff.; Cled. 45,28f.; Consent, gramm. V 353,lOf. Pomp. 173,1 Iff.: quamquam legerimus accusative iunctum in Terentio 'dignus es cum tua religione odium, qui nodum in scirpo quaeris'; Pomp. 188,10ff.: ceterum et dignus illam rem legimus in Terentio 'dignus es cum tua religione odium'; Cled. 45,28f.: dignus illam rem Terentius 'dignus cum tua religione odium, nodum in scirpo quaeris'. Pomp. 173,14ff.: Statius mutavit et dixit 'made animi'... macte illius rei, genetivum posuit pro ablativo; Pomp. 188,13ff.: tarnen legimus et macte virtutis in Statio 'macte animi, dignus tantis qui crederis armis'. Don. min. 587,25-30; Don. mai. 626,1-628,2. Serv. comm. 408,36-409,3; Expl. 1496,26-32; vgl. auch Expl. II 540,16ff.

De nomine

251

Singular behandeln und nicht in der Reihenfolge unseres Textes. Beide geben deutlich zu erkennen, dass der Inhalt dieser Passage über Donat hinausgeht, und zwar Serv. comm., indem er betont, dass die folgenden regulae bei Donat um der Knappheit seines Werkes willen (propter conpendium) ausgelassen sind, sowie Expl. I, indem er auf den magister Servius als Quelle dieses Abschnitts verweist.745 Da die Darstellung der declinationes bei Serv. comm. und Expl. I einander sehr nahe steht746, hat man nun gemeint, dass Expl. I hier direkt auf Serv. comm. zurückgeht und dieses durch die Quellenangabe magister Servius zu erkennen gibt.747 Bei Serv. comm. läge demnach der, wenn auch verkürzte, Donatkommentar des Servius vor. Das ist zwar denkbar, aber keineswegs zwingend, da beiden Texten an dieser Stelle mit gleicher Berechtigung auch eine gemeinsame Vorlage zugrunde gelegen haben kann, deren Verfasser von Expl. I durch die Worte magister Servius kenntlich gemacht worden ist, von Serv. comm. hingegen nicht. Unabhängig davon scheint aber durch die Aussagen von Serv. comm. und Expl. I zumindest soviel sicher, dass die Besprechung der declinationes nominum nicht auf Donat basiert, sondern erst durch Servius in die Donat-Erklärung aufgenommen worden ist. Serv. comm. und Expl. I weichen vom vorliegenden Text aber nicht nur dadurch ab, dass sie den Abschnitt über die declinationes nominum erst im Anschluss an die Besprechung des Ablativs Singular einfügen, sondern auch durch den Aufbau dieses Abschnitts an sich. Unser Text gliedert ihn nämlich nach der Anzahl der Deklinationen in fünf Teile, die ihrerseits nach einem dreistufigen Schema aufgebaut sind. Zuerst werden die Genitiv-Endung der jeweiligen Deklination und die Genera der zugehörigen Substantive mit Beispielen genannt. In einem zweiten Schritt geht es dann um die Frage, welche Endungen die Nomina, die zu einer bestimmten Deklination gehören, im Nominativ Singular aufweisen. Und schließlich wird drittens in allen Teilen stereotyp versichert, dass nicht alle Substantive mit den genannten Endungen im Nominativ Singular zwangsläufig zu der jeweiligen Deklination gehören, dass aber alle Substantive dieser Deklination eine der Endungen haben müssen.748 Eine entsprechende Gliederung lassen Serv. comm. und Expl. I nicht im entferntesten erkennen. 745

Serv. comm. 408,36-38: omnia nomina, quae in rerum natura sunt, quinque regulis continentur; quae regulae apud Donatum quidem non sunt propter conpendium, tarnen tenendae sunt. Expl. I 496,26f.: haec sunt, quae Donatus in prima parte artium tractavit; haec magister Servius extrinsecus dictavit. Expl. I ist wohl so zu verstehen, dass der erste Teil der Aussage (haec sunt, quae Donatus ...) sich auf den vorherigen Abschnitt über den Ablativ Singular bezieht (Expl. I 495,28-496,25) und der zweite (haec magister Servius ...) auf den nun folgenden über die anhand des Genitivs Singular gebildeten Deklinationen. 744 Serv. comm. 408,38-409,3: colliguntur autem istae regulae de genitivo singulari, nam is casus quinque finibus terminatur, aut ae diphthongo ut Musa Musae, aut i ut doctus docti, aut is ut pater patris, auf us ut hic fluctus huius fluctus, aut ei ut hic vel haec dies huius diei. Expl. I 496,27-30: omnia nomina Latina genitivo singulari quinque regulis terminantur, aut ae diphthongo ut huius Musae, aut i ut huius docti, aut is ut huius patris, aut us ut huius versus, aut ei ut huius diei. 747 So etwa JEEP, Redetheile, S. 29f. 748 Siehe ζ. B. den Aufbau von De prima declinatione (33,16-34,4): a) prima est, quae genitivum singularem ... (33,17-22); b) et haec prima declinatio nominativum terminal ... (33,22-24); c) verum ne quis nobis ita praemittentibusputet, quod... (33,24-34,4).

252

Kommentar

Dafür stimmen sie aber untereinander überein. Denn beide geben zunächst eine knappe Übersicht über die fünf Deklinationen, indem sie deren Endungen im Genitiv Singular mit jeweils einem Substantiv als Beispiel nennen.749 Das Material des vorliegenden Textes ist dort auf ein Minimum reduziert. Im Anschluss daran behandeln Serv. comm. und Expl. I zwei Kasus, die verschiedene Endungen aufweisen und deshalb besondere Aufmerksamkeit seitens der Grammatiker genießen, nämlich den Vokativ der zweiten Deklination und den Ablativ Singular der dritten.750 Diese beiden Spezialfälle werden natürlich von unserem Text aufgrund der abweichenden Anordnung des Materials an anderer Stelle erörtert: der Vokativ, wie gesehen, schon in den einleitenden Bemerkungen des Kapitels De casibus (31,3-9)751, der Ablativ Singular der dritten Deklination erst im folgenden Abschnitt De ablativo casu und dort zum Ablativ Singular mit der Endung i (40,14ff.). Alles in allem zeigen sich also Don. mai. und seine Kommentatoren, was die Behandlung der Deklination anhand des Genitivs Singular anbetrifft, uneinheitlich. Sie gehen entweder gar nicht auf diese ein (Don. mai., Pomp., Cled.) oder nur sehr knapp (Serv. comm., Expl. I), aber nirgends so ausführlich wie im vorliegenden Text, der in dieser Hinsicht eine Ausnahme bildet. Gemeinsamkeiten, die sonst das Bild der Kommentare prägen, beschränken sich hier auf Serv. comm. und Expl. I. Aufgrund des uneinheitlichen Bildes der Donattradition drängt sich die Frage auf, ob und, wenn ja, wie die auf dem Genitiv Singular basierende Differenzierung von Deklinationen in anderen lateinischen Grammatiken behandelt worden ist. Hier zeigt sich, dass nur noch wenige Traktate erhalten sind, die diese Behandlungsweise bevorzugen. Es sind dies mit Char. 16,Iff., Exc. Bob. gramm. I 537,15ff. und Prob. cath. gramm. IV 3,4ff. (Sacerdos) drei Grammatiken des 3. bzw. 4. Jhs. sowie mit Prise, gramm. II 283,2ff. eine des 6. Jhs.752 Wenn man diese mit dem vorliegenden Text vergleicht, so wird deutlich, dass Prob. cath. ihm am nächsten steht und sogar als direkte Vorlage in Betracht kommt. 753 Der genannte Abschnitt bei Prob. cath. ist dreiteilig aufgebaut: im ersten werden zu allen Deklinationen die Formen des Genitivs Singular und die Genera der zugehörigen Substantive mit Beispielen aufgeführt (Prob. cath. gramm. IV 3,4-4,5), im zweiten geht es dann um die anderen obliquen Kasus im Singular (Prob. cath. gramm. IV 4,6-5,19) und im dritten werden schließlich die Endungen genannt, welche eine jede der Deklinationen im Nominativ Singular aufweisen kann (Prob.

749

750 751 752 753

Serv. comm. 408,36-409,6; Expl. I 496,26-32 (siehe Anm. 746). Expl. II 540,17-24 hat ebenfalls eine kurze Übersicht über die Deklinationen, die der von Serv. comm. und Expl. I im Aufbau ähnelt; die Auswahl der Beispiele (forma statt Musa, officium statt doctus, munus statt paler, etc.) verrät aber schon Unterschiede gegenüber den anderen beiden Traktaten. Außerdem folgt bei Expl. II 541,1-22 eine Passage, die fast wörtlich Exc. Bob. gramm. I 537,15-32 entspricht. Wenn dort aber zum wiederholten Mal ein Textstück aus einer zweifellos älteren Grammatik wörtlich übernommen worden ist, dann zeigt sich darin einmal mehr der kompilatorische Charakter von Expl. II. Dadurch hebt sich dieser Text von den anderen Donatkommentaren ab, in denen eine entsprechende Arbeitsweise nicht festzustellen ist. Serv. comm. 409,7-33; Expl. 1496,34-498,22. Siehe den Kommentar zu 31,4f. in Virgilio invenimus ... Vgl. dazu JEEP, Redetheile, S. 164ff. Zu Prob. cath. siehe oben den Kommentar zu 25,20f. Probi artificisplenior libellus (S. 224f.).

De

253

nomine

cath. gramm. IV 5,20-6,20). Wenn man damit den in Rede stehenden Abschnitt des vorliegenden Textes vergleicht, so ist ohne weiteres ersichtlich, dass dieser den ersten und dritten Teil aus Prob. cath. entnommen und nach Deklinationen geordnet zusammengefügt hat.

Die Gemeinsamkeiten

reichen von der Auswahl

der Beispiele bis hin zu

Übereinstimmungen im Wortlaut, wie etwa eine Synopse der einander entsprechenden Partien zur fünften Deklination zeigt: 37.7-12754

Prob, cath. gramm. IV 3.26-4.5

Quinta declinatio est, quae genitivum singularem

quintae

per e et i separatas profert: et est generis feminini

separatis terminatur et regit genus tantum modo

tantum

excepto

uno

'dies',

quod

declinationis

uno

communi

feminini, Ε gutem,

quae

ante

i est,

singularis

est generis femininum, ut haec species huius speciei.

incerti.

producta

genitivus

tunc in genetivo

duum

generum,

ei

excepto

masculini

et

hic et haec dies huius diei. Ε gutem.

quae gnte i est in genetivo.

est, cum nominativus singularis i et es corripitur:

tunc producitur,

et producitur cum

et

nominativus

fuerit, ut series seriei; et tunc correpta est, cum singulgris es pura producta syllaba terminatur, ut aliquam ante se habuerit consonantem.

ut fides haec series huius seriei; tunc corripitur,

fidei. res rei.

syllaba

habet

ante

se

aliquam

cum es

consonantem

pariter copulatam, ut fides fidei. res rei. spes spei.

37.12-14 Verum

haec

Prob, cath. gramm. IV 6.19-20 quinta

declinatio

nominativum

terminat uno modo: exit enim in es, ut species

quintae declinationis

nominativus

singularis

fit

modo uno. es semper producta, dies diei, res rei.

speciei.

Aufgrund der offensichtlichen Verwandtschaft der beiden Traktate könnte man meinen, dass der vorliegende Text hier Material des Grammatikers Marius Plotius Sacerdos aus dem 3. Jh. bewahrt. Prob. cath. stimmt nämlich, wie oben erörtert, fast wörtlich mit dem zweiten Buch der Ars des Sacerdos überein und gilt als authentisches Werk dieses Artigraphen. Nun gehört aber gerade der Abschnitt aus Prob, cath., der in unserem Text verarbeitet ist, nicht zu dem zwischen Prob. cath. und Sacerdos identischen Teil.755 Es wäre daher denkbar, dass er genauso später hinzugekommen ist wie der Name 'Probus' als Verfasser. Unabhängig davon bleibt aber unbestritten, dass der vorliegende Text an dieser Stelle Material eingefügt hat, das einer älteren Grammatik des 4. Jhs. entlehnt ist und nichts mit der Donattradition zu tun hat.

754

755

Die Übereinstimmungen des vorliegenden Textes mit Prob. cath. sind in der folgenden Synopse durch Unterstreichung markiert. Der identische Teil beginnt erst ab Prob. cath. gramm. IV 6,25ff. Vgl. auch Sacerd. gramm. VI 471,Iff.

254

Kommentar

33,18f. ut hie Aeneas huius Aeneae, haec Musa huius Musae: Die Beispiele, die der vorliegende Text an dieser Stelle und im folgenden zur ersten Deklination anfuhrt (Aeneas, Musa, verna, advena, poeta, Anchises), entsprechen denen von Prob, cath.756 33,21 habeat communionem: Die Wendung communionem habere ist in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nicht belegt. Dagegen wird sie von christlichen Autoren der Spätantike mehrfach verwendet, am häufigsten von Tertullian (4 mal), Augustinus (5 mal) und Hieronymus (2 mal). Die meisten Belege finden sich in Schriften des 4. und 5. Jhs., danach kommt der Ausdruck nur noch vereinzelt vor.757 Bei den lateinischen Grammatikern ist communionem habere eine wenig geläufige Wendung. Von den Donatkommentaren hat sie lediglich noch Serg. litt. 483,21 f.758; darüber hinaus ist sie bei Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 89,26 (4. Jh.) und Prise, gramm. II 158,4f. bezeugt. 33,24f. ne quis... putet: Die Wendung ne quis putet ist sowohl in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. als auch bei den christlichen Schriftstellern der Spätantike gut bezeugt.759 In grammatischen Texten wird sie dagegen auffallend selten verwendet. Sie findet sich nämlich in der Donattradition außer hier nur noch bei Serg. litt. 483,23f.760 Darüber hinaus kommt ne quis putet nur noch in zwei älteren Grammatiken, nämlich bei Char. 237,8ff. und Terentian. gramm. VI 366,1372ff. vor. 34,8f. ut Virgilius Virgilii, fraxinus fraxini, prandium prandii: Von diesen und den folgenden Beispielen, die der vorliegende Text für die Substantive der zweiten Deklination anführt (Virgilius, fraxinus, prandium, Mercurius, convivium, piger, negotium, vir, doctus, Tydeus), werden bei Prob. cath. fraxinus, vir und Tydeus ebenfalls verwendet.761 Virgilius, Mercurius, piger und doctus sind entweder aus anderen Grammatiken in entsprechendem Zusammenhang bekannt oder wenigstens so geläufig, dass man sie in nahezu jedem artigraphischen Traktat als Beispiel für die verschiedensten grammatischen Phänomene

756 757

758

759

760 761

Prob. cath. gramm. IV 3,6-12; 5,26-28. communionem habere ist im 4. und 5. Jh. 4 mal bei Tertullian bezeugt, 1 mal bei Ambrosius, 1 mal bei Chromatius, 5 mal bei Augustinus, 1 mal bei Quodvultdeus, 1 mal bei Chalcidius sowie 2 mal bei Hieronymus. Im 6. und 7. Jh. findet sich die Wendung nur noch jeweils einmal bei Cassiodor, Isidor und Gregor d. Gr. Serg. litt. 483,21f.: sed hic gravis accentus non habet communionem eandem cum ceteris quam cum circumflexo et acuto. Allein Cicero hat 6 mal ne quis putet\ die Wendung wird auffallend häufig von Fachschriftsteilem verwendet (Plin. d. Ä. 4 mal, Quint. 5 mal, Sen. d. Ä. 3 mal). Unter den christlichen Autoren finden sich bei Hieronymus die mit Abstand meisten Belege für ne quis putet (24 mal). Serg. litt. 483,23f.: sed ne quis putet in huius modi sermonibus quattuor esse accentus. Prob. cath. gramm. IV 3,17-19 (Plautus, fraxinus, bellum); Prob. cath. gramm. IV 5,28-30 (regnum, puer, vir, magnus, Tydeus).

De nomine findet.762

Dagegen

lassen

sich

zu

255

prandium,

convivium

und

negotium

keine

Übereinstimmungen mit der Tradition ausmachen. 34,20 sortiuntur: Die Handschrift Ρ überliefert an dieser Stelle patientur statt sortiuntur. Das Verb sortiri ist in der Bedeutung „erlangen, bekommen" bei den lateinischen Grammatikern zwar deutlich seltener vertreten als pati, es finden sich aber durchaus Belege.763 Nach dem Prinzip der lectio difficilior kann man daher die Lesart von (M) als authentisch vertreten. 35,4 ut Cicero Ciceronis, Iuno Iunonis, marmor marmoris: Von den überaus zahlreichen Beispielen, die der vorliegende Text hier und im folgenden zur dritten Deklination anführt, stimmen die meisten mit Prob. cath. überein.764 Einige, die sich dort nicht finden, werden dafür entweder bei Char. 23,28ff. bzw. Exc. Bob. gramm. I 540,27ff. in ihrem jeweiligen Abschnitt über die dritte Deklination verwendet oder in einer anderen Grammatik in entsprechendem Zusammenhang.765 Diese sind demnach allesamt zum Standardrepertoire der Grammatiker zu rechnen. Demgegenüber sind es nur wenige Beispiele, für die sich kein paralleler Gebrauch feststellen lässt (libertas, vulpes, navis, senectus, capax, sapiens, pons). 35,6 ut demens huius dementis: Die Handschrift Ρ überliefert hier hic et haec et hoc Clemens, clementis an Stelle von demens, huius dementis. Welche Lesart die authentische ist, lässt sich nicht entscheiden. Siehe dazu auch den Kommentar zu 13,13f. alia participiis similia, ut sapiens, potens, demens, clemens. 35,8-36,4 terminat modis quadraginta et uno: exit enim in a, in e,...: Die Auflistung der 41 Endungen, die fur den Nominativ Singular der dritten Deklination in Betracht kommen, ist in (M) und Ρ uneinheitlich überliefert. So unterscheidet (M) 43 Endungen und gibt 39 Beispiele, während Ρ nur 37 Endungen hat, dafür aber 45 Belege. Diese erheblichen Abweichungen sind auf Auslassungen und Ergänzungen im Überlieferungsprozess zurückzuführen, für die der vorliegende Textabschnitt aufgrund seines sich wiederholenden Vokabulars und des Aufzählungscharakters

prädestiniert

erscheint.

Aus

diesem

Grund

bereitet

die

Wiederherstellung der authentischen Fassung an dieser Stelle besondere Schwierigkeiten. Es

762

763 764

765

Prob. inst, gramm. IV 105,16ff. (Mercurius); Prob. nom. exc. gramm. IV 207,1 Iff. (Mercurius, Vergilius)·, Char. 22,27ff. (piger)\ Exc. Bob. gramm. I 540,7ff. (piger). Diom. gramm. I 372,22f.; 377,21f.; 378,7f.; Eutych. gramm. V 461,31f.; Serv. Aen. 6,747. toreuma, dulce, ordo, lac, caput, tribunal, Tanaquil, sol, Titan, crimen, lien, Memnon, Sinon, instar, cadaver, ver, os ossis, os oris, nox, vox, lux, infans, insons, Arruns; vgl. Prob. cath. gramm. IV 5,30ff. Cicero (Char. 30,8); Iuno (Exc. Bob. gramm. I 543,5); marmor (Char. 30,15); fei (Char. 28,4; Exc. Bob. gramm. 541,22); consul (Char. 30,21; Exc. Bob. gramm. I 544,5); miles (Char. 29,8; Exc. Bob. gramm. I 541,32); vetus (Exc. Bob. gramm. I 544,9); senex (Char. 29,20; Exc. Bob. gramm. I 542,19); lex (Char. 29,21); pix (Char. 30,5; Exc. Bob. gramm. I 543,3); crux (Char. 31,11; Exc. Bob. gramm. I 544,11); sacerdos (Prob. inst, gramm. IV 21,25f.); ebur (Prob. inst, gramm. IV 13,3ff.).

256

Kommentar

erscheint sinnvoll, sich dabei an den Übereinstimmungen zwischen (M) und Ρ einerseits, sowie denen zwischen einem von beiden und Prob. cath. andererseits zu orientieren. Wenn man diesem Prinzip folgt, dann ergeben sich daraus 40 Endungen mit 41 Beispielen, wobei nur zu on zwei Substantive, nämlich die beiden Eigennamen Memnon und Sinon, als Exempel auftauchen. Es stellt sich daher die Frage, warum ausgerechnet in diesem Fall zwei Beispiele angeführt werden, während sich der Text sonst stets mit einem einzigen begnügt. Das Problem löst sich, wenn man auch hier Prob. cath. zum Vergleich heranzieht. Denn Prob. cath. gramm. IV 6,4 verwendet zwar ebenfalls die Beispiele Memnon und Sinon, zuvor ist aber die Endung on im Gegensatz zum vorliegenden Text in on correpta und on producta differenziert worden.766 Dass diese Unterscheidung auch in der authentischen Fassung unseres Textes vorhanden war, legen die beiden Beispiele Memnon und Sinon nahe.767 Eine Konjektur der entsprechenden Stelle (35,10) erscheint daher sinnvoll, zumal sich dadurch auch die Zahl der aufgelisteten Endungen auf 41 erhöht. 36,6-9 exceptis duobus nominibus, ut frons et lens: nam cum partem capitis significare volumus, dicimus 'fronds', cum vero folium 'frondis', item si animal 'lendis', si legumen 'lentis': Der vorliegende Text stimmt auch hier bis zu einzelnen Formulierungen hin mit Prob. cath. gramm. IV 6,13-16 überein.768 Inhaltlich entsprechende Partien finden sich bei Sacerd. gramm. VI 478,Iff. (Prob. cath. gramm. IV 27,9ff.), Serv. georg. 2,372 und Consent, gramm. V 353,12ff. 36,9-12 verum ne quis putet huius glandis dici putans, quod ita in Virgilio lectum est; sciat, quod ille per nominativum dixerit 'haec glandis': Der Sinn dieser Stelle geht weder aus dem in (M) überlieferten Wortlaut deutlich hervor noch aus dem in P.769 Hilfreich ist daher auch hier der Vergleich mit Prob, cath., wo der Zusammenhang leichter zu verstehen ist.770 Danach soll ausgesagt werden, dass zwar einige Grammatiker zu frons und lens noch das Substantiv glans hinzurechnen, weil es ebenfalls den Genitiv Singular auf -dis und nicht auf -tis bilde, dass aber Vergil zufolge (Verg. georg. 4,81) die korrekte Form des Nominativs Singular nicht haec glans, sondern haec glandis laute.771 Wenn man nun davon 766 767

768

769

770 771

Prob. cath. gramm. IV 5,32. Memnon, Memnonis ist dabei wohl aufgrund der Kürzung von on im Genitiv Singular als Beispiel fur on correpta eingestuft worden. Prob. cath. gramm. IV 6,13-16: hoc tarnen scire debemus, quod omnia nomina η et s terminata tis genetivo faciant necesse est exceptis duobus, quae dis faciunt genetivum et tis, ut frons, pars capitis, frontis, et frons, quod est folium, frondis, et lens, animal, lendis, legumen lens lentis. (M): verum ne quis putet 'huius glandis' dici putans, quod ita in Virgilio lectum est, sciat, quod per nominativum dixerit. P: verum ne quis putet 'huius glandi' dici putans ita in Virgilio lectum, sciat quod ille per nominativum dixerit 'haec glandis'. Prob. cath. gramm. IV 6,16f.: quidam addunt glans glandis, sed haec glandis nominativus posuit Vergilius. Vgl. Verg. georg. 4,81: nec de concussa tantum pluit ilice glandis. Die Form glandis ist hier von den spätantiken Grammatikern sowohl als Nominativ Singular (Prob. cath. gramm. IV 6,16f.; IV 21,22f.) als auch

De nomine

257

ausgeht, dass dem auch die Aussage des vorliegenden Textes entsprechen soll, dann ist eine Konjektur der in (M) und Ρ überlieferten Fassung nicht zu vermeiden. Am sinnvollsten erscheint es mir, vor dem in jedem Fall „richtigen" Genitiv huius glandis den „falschen" Nominativ haec glans zu ergänzen, weil so der Satz verum ne quis putet huius glandis did übereinstimmend mit Prob. cath. erst einen Sinn bekommt. Demzufolge wäre unser Text in der Weise zu verstehen, dass man bei Verg. georg. 4,81 glandis nicht als Form des Genitivs identifizieren und davon analog zu frons und lens den Nominativ haec glans ableiten dürfe, sondern dass man vielmehr das Wort glandis in dem Vergil-Vers als Nominativ verstehen und von dort auf die korrekte Form haec glandis schließen müsse.772 36,12 sed hie lector agnoscat: Der Ausdruck lector agnoscat kommt sonst weder bei den lateinischen Grammatikern noch in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. vor. Dagegen findet er sich gelegentlich bei christlichen Schriftstellern der Spätantike. Unter diesen ist er mit Abstand am häufigsten bei Hieronymus (6 mal) belegt.773 Danach wird lector agnoscat nur noch vereinzelt bei Julian von Eclanum (5. Jh.), Ennodius (5./6. Jh.), Verecundus von Junca (6. Jh.) und Beda (7./8. Jh.) verwendet.774 36,21 ut hic versus huius versus, haec porticus huius porticus: Von den Beispielen des vorliegenden Textes zur vierten Deklination (versus, porticus, cornu, veru, gelu, gradus) findet sich nur cornu auch bei Prob, cath.775 Die übrigen werden aber entweder bei Char. 31,14ff. bzw. Exc. Bob. gramm. I 547,Iff. in entsprechendem Sinne verwendet {porticus, veru, gelu)116 oder sind für Grammatiker so übliche Begriffe (versus, gradus), dass die Abweichung von Prob. cath. nicht allzu schwer wiegt. 37,8f. excepto uno 'diesVon

den Beispielen, die der Text hier und im Folgenden für die

Substantive der fünften Deklination anführt (dies, series, fides, res, species), kommen alle ohne Ausnahme auch bei Prob. cath. vor.777

772 773

774

775 776 777

als Genitiv Singular (Serv. georg. 4,81) aufgefasst worden. Vgl. Prise, gramm. II 282,5ff. Siehe dazu: ThLL Bd. VI,2 Sp. 1030,84ff. s. v. 'glans'. Diese Auffassung widerspricht allerdings Serv. georg. 4,81: tantvm glandis erit nominativus 'haec glans'. Hier, in Is. 3,9,3 1. 15; Hier, in Ezech. 5 praef. (CCSL 75) 185,4; Hier, in Eph. prol. (PL 26) c. 472,29; Hier, adv. Rufin. 1,21; Hier. adv. Rufin. 2,18; Hier, epist. 108,33. Iulian. in Os. praef.; Ennod. epist. 1,6 p. 15,12; Verec. in cant. 6,17; Beda in princ. Gen. 1,1 (CCSL 118a) p. 12,324. Prob. cath. gramm. IV 3,25. porticus (Char. 31,16; Exc. Bob. gramm. I 547,3); veru (Char. 31,21); gelu (Char. 31,21). Prob. cath. gramm. IV 3,26-4,5; Prob. cath. gramm. IV 6,19f.

258

Kommentar

37,20-44,11 De ablativo casu: Im Abschnitt De ablativo casu wird die Deklination lateinischer Substantive ausgehend vom Ablativ Singular besprochen. Genau genommen geht es nur um die Formen des Genitivs, Dativs und Ablativs Plural, die vom Ablativ Singular hergeleitet werden. Der Abschnitt ist nach den Vokalen a e i ο u, die als Endungen für den Ablativ Singular in Frage kommen, in fünf Teile gegliedert. In jedem einzelnen von ihnen wird zuerst die Regel für die Bildung der Pluralfoimen mit Beispiel genannt, dann werden einzelne Substantive behandelt, die von der Regel abweichen.778 In dieser Anordnung des Materials folgt der Text Don. mai. als Vorlage, abgesehen von der Passage über den accusativus pluralis der Substantive, die mit dem Vokal i im Ablativ enden (42,11-17); diesen erörtert der vorliegende Text nämlich erst im Anschluss an den accusativus singularis, während bei Don. mai. wie auch bei Pomp, die Reihenfolge umgekehrt ist.779 Pomp, behandelt den vorliegenden Abschnitt wie schon die vorherigen doppelt.780 Der erste Teil endet jedoch schon bei der Besprechung des Ablativs auf e und damit die seit dem Kapitel De numeris aufgetretenen Doppelungen bei Pomp, überhaupt. Im Vergleich zum vorliegenden Text und Pomp, verzichtet Serv. comm. 434,8-31 darauf, die bereits bei Don. mai. vorhandenen Regeln zur Pluralbildung der verschiedenen Ablative zu wiederholen. Stattdessen bespricht er lediglich die Ausnahmen von der jeweiligen Regel. Darin zeigt sich, dass Serv. comm. hier tatsächlich als ein Kommentar zu Don. mai. konzipiert ist, der nur gemeinsam mit seiner Vorlage zu verstehen ist. Demgegenüber sind unser Text und Pomp, auch ohne Don. mai. verständlich und in dieser Hinsicht selbständiger. Unterschiede zwischen dem vorliegenden Text und den anderen Donatkommentaren liegen in der Behandlung der Ablative auf e und i vor. Zum Ablativ Singular, der mit einem kurzen e endet, erörtert der Text nämlich die Frage, wie die zugehörigen Substantive, die den Genitiv Plural auf rum bilden (mutiere, mulierum), von denen zu unterscheiden sind, die im Ablativ Singular ein langes e haben und im Genitiv Plural ebenfalls die Endsilbe rum (38,13 - 39,11). Dagegen erklärt Pomp, zunächst, wann ein Nomen im Ablativ ein langes oder ein kurzes e hat.781 Anschließend bespricht er schon hier das Problem, dass Substantive mit einem kurzen e im Ablativ Singular den Genitiv Plural nicht nur auf um bilden, sondern auch auf /'um.782 Dies kommt sowohl bei Don. mai. als auch im vorliegenden Text erst zum Ablativ Singular

778

779

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So werden ζ. B. für den Ablativ Singular, der mit dem Vokal α endet, zunächst anhand des Beispiels ab hac Musa die Pluralfoimen Harum Musarum, his et ab his Musis gebildet (37,26-38,2). Dann geht es um Substantive, die zwar im Ablativ Singular ebenfalls auf α enden, den Dativ und Ablativ Plural aber nicht wie Musa mit der Endung is bilden, sondern auf abus, wie etwa his et ab his filiabus (38,2-12). accusativus pluralis: Don. mai. 626,16-18; Pomp. 191,6-12; accusativus singularis: Don. mai. 627,4-6; Pomp. 192,12-26. Pomp. 173,18-174,11 und Pomp. 188,17-195,15. Pomp. 189,21-29. Pomp. 189,29-190,13; vgl. auch Pomp. 174,6-11.

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auf i zur Sprache.783 Partien, die dem Aufbau und Inhalt von Pomp, entsprechen, finden sich auch bei Serv. comm., Expl. I und Cled.784 Der zweite Fall, in dem sich der vorliegende Text von den anderen Donatkommentaren abhebt, betrifft den Ablativ Singular auf i. Dort geht er nämlich auf den Genitiv Plural mit der Endung ium ein und bespricht systematisch, welche Substantive diesen bilden (40,13-42,5). Don. mai. und Pomp, behandeln an entsprechender Stelle zwar auch den Genitiv Plural auf ium, ihre Einteilung der Substantive unterscheidet sich jedoch von der des vorliegenden Textes.785 Sie nennen nämlich nur drei Gruppen von Substantiven mit der Endung ium im Genitiv Plural: erstens die Substantive, die im Nominativ Singular auf ns enden (mons montium), zweitens die Substantive, die im Ablativ Singular ein kurzes e haben und weiblichen Geschlechts sind (clades cladium), sowie drittens die Substantive, deren Ablativ Singular den Vokal / aufweist (restis, restium). Im Vergleich dazu nimmt der vorliegende Text eine detailliertere Einteilung vor. Zunächst unterscheidet er nämlich zwischen dem Ablativ Singular mit der Endung i und dem mit einem kurzen e, aus denen beiden der Genitiv Plural auf ium hervorgehen kann.786 Erst dann nennt er gegliedert nach den beiden Ablativendungen die Merkmale der Substantive mit ium im Genitiv Plural. Es sind dies vom Ablativ Singular auf i die Substantive, welche im Nominativ Singular die Endung is haben und entweder im Genitiv Singular dieselbe Silbenzahl (ignis, ignium) aufweisen oder zum genus commune gehören (agilis, agilium), außerdem diejenigen, deren Endung im Nominativ Singular ein kurzes e ist (nobile, nobilium) und schließlich die Nomina, welche im Nominativ Singular auf ens enden (parens, parentium). Dagegen bilden vom Ablativ Singular mit einem kurzen e die Substantive mit der Endung ons im Nominativ Singular (mons montium) sowie diejenigen weiblichen Geschlechts (clades, cladium) den Genitiv Plural mit der Endung ium™1 Mit dieser Art der Einteilung, die ganz offensichtlich von Don. mai. und Pomp, abweicht, ist, zumindest was die vom Ablativ Singular auf i hergeleiteten Substantive anbetrifft, die Behandlung des ablativus tertiae declinationis verwandt, die sich bei Serv. comm. und Expl. I, wie gesehen, an anderer Stelle findet.788

783 784 783 786 787

788

Don. mai. 627,2f.; 41,17-42,5. Serv. comm. 408,29-32; Expl. 1495,36-496,16; Cled. 11,17-24; 46,24-47,3. Don. mai. 626,19-627,4; Pomp. 191,15-192,12. 40,14-41,17 (ablativus singularis i terminatus)', 41,17-42,5 (ablativus singularis e correpta terminatus). Dass manche Substantive, die im Ablativ Singular ein kurzes e haben, den Genitiv Plural auf ium bilden und nicht auf um, hätte eigentlich schon weiter oben zum ablativus e correpta terminatus angesprochen werden müssen (38,13ff.). Nach der dort bei Don. mai. 626,7ff. und im vorliegenden Text formulierten Regel könnte man meinen, dass alle Substantive mit einem kurzen e im Ablativ den Genitiv Plural auf um bilden. Dem beugen Pomp. 189,29£f. und Expl. 1496,9-16 vor, indem sie schon an dieser Stelle das Problem des Genitivs Plural auf um bzw. ium erörtern. Serv. comm. und Expl. I behandeln, wie oben gezeigt (S. 252 mit Anm. 750), den Ablativ Singular der dritten Deklination im Zusammenhang mit den declinationes nominum, d. h. der Deklination der Substantive ausgehend vom Genitiv Singular.

260

Kommentar

Alles in allem weisen also Donat und seine Kommentatoren Abweichungen in dem Bemühen auf, die Substantive der dritten Deklination, die im Ablativ Singular entweder auf i oder mit einem kurzen e enden sowie im Genitiv Plural auf um oder ium, zu systematisieren. Auch hier scheint sich demnach noch keine einheitliche Vorstellung von einem Ordnungsschema durchgesetzt zu haben. 37,22-25 aut a terminantur ablativo casu singulari, ut ab hac Musa, aut e, ut ab hoc fonte, aut i, ut ab hac puppi, aut o, ut ab hoc docto, aut u, ut ab hoc fluctu: Von den Donatkommentatoren sind es Expl. I und Pomp., die dem Abschnitt über den Ablativ Singular ebenfalls eine Übersicht über die fünf möglichen Endungen (a e i ο u) mit Beispielen voranstellen.789 Gleichwohl zeigt Char. 187,8-12, dass Ähnliches auch schon der älteren artigraphischen Tradition vertraut gewesen ist.790 Die Beispiele stimmen abgesehen von ab hoc fonte und ab hoc fluctu mit Pomp, überein.791 Diese sind aber in anderen Grammatiken in entsprechendem Zusammenhang vertreten und daher nicht als ungewöhnlich zu betrachten.792 38,2f. discernendi sexus gratia: Der Text greift hier gegen Don. mai. 626,5f. auf die Formulierung älterer Grammatiken zurück.793 Damit stimmt Pomp. 189,29ff. überein, abgesehen davon, dass er causa an Stelle von gratia verwendet.794 38,3 istam corrumpimus

regulam:

Die Wendung regulam corrumpere

ist in den

Donatkommentaren sonst noch zweimal bei Serv. comm. und einmal bei Pomp, belegt.795 38,4f. dicturi sumus Romanabus et Capuanabus: Der Text kritisiert die Ausnahmeregelung Donats für die Substantive, die im Ablativ Singular auf -a enden, weil sie zu allgemein ist. Wenn nämlich alle Nomina zur Unterscheidung des Geschlechts die Endung -abus statt -is im Dativ und Ablativ Plural hätten, dann müsste man auch Romanabus an Stelle von Romanis als 789

Expl. I 495,28ff.; Pomp. 188,24-26. Über den vorliegenden Text hinaus betonen Serv. comm. 408,33-35 und Pomp. 188,20-24 an dieser Stelle noch, dass der Ablativ ein eigenständiges Phänomen der lateinischen Sprache gegenüber der griechischen ist und deshalb von den Grammatikern zur Deklination des Nomens ausgewählt wurde. 790 Char. 187,8-12: ablativus singularis, ut ait Cominianus grammaticus, quinque vocalibus terminator, a e i ο u, semivocalibus duabus, m et s, exceptis pronominibus, ut ab eodem et ab hoc, et nominibus appellativis monoptotis, ut nequam nugas. 791 Pomp. 188,24ff. hat die Beispiele Musa, pariete, die, puppi, docto, versu. 792 fonte: Char. 187,18«; fluctu: Don. mai. 627,14ff.; Exc. Bob. gramm. 1555,17ff.; Expl. II 544,4-6. 793 Don. mai. 625,5f.: necesse est autem contra hanc regulam declinentur earn regulam, in quibus genera discernenda sunt; Char. 188,25-27: nam deabus et filiabus et quidquid huiusmodi est discernendi sexus gratia contra rationem receptum est; Diom. gramm. I 304,24f.: nam deabus, filiabus ... et quidquid huiusmodi est discernendi sexus gratia contra rationem receptum est. 794 Obwohl Pomp, hier in der Formulierung dem vorliegenden Text und älteren Grammatiken nähersteht als Don. mai., erscheint die Aussage bei ihm durch die einleitenden Worte ait sie Donatus als ein Donat-Zitat. Zu den Donat-Zitaten von Pomp, siehe: KASTER, Guardians, S. 145f. 795 Serv. comm. 427,7; 439,7; Pomp. 130,30.

De nomine

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Bezeichnung für „Römerinnen" verwenden. Dieser Argumentation entspricht auch die von Pomp, und Cled., wo ebenfalls Romanabus als fiktives Beispiel angeführt wird.796 Nach Pomp. 173,30ff. ist 'Probus' der Gewährsmann für diesen Zusammenhang.797 Im Gegensatz 798

Capuanabus

zu den anderen Donatkommentaren hat der vorliegende Text mit noch ein weiteres Beispiel neben Romanabus. Da Capuanabus sich sonst in

keiner anderen Grammatik in vergleichbarem Zusammenhang findet, ist es als eine individuelle Prägung des vorliegenden Textes zu betrachten. Dieser verwendet hier nach Baiae und Puteoli (27,23) zum dritten Mal den Namen einer kampanischen Stadt als Beispiel. Dadurch erscheint auch die Nennung von Baiae und Puteoli im Kapitel De numeris in einem anderen Licht.799 Denn dort war der Befund, dass sich die beiden Städtenamen zwar von den bei Don. mai. üblichen Beispielen abgehoben haben, dass sie aber in anderen Grammatiken in ähnlichem Zusammenhang zu finden waren. Wenn jetzt aber erneut eine kampanische Stadt als Beispiel angeführt wird und hier zweifellos ohne Parallele bei einem anderen Grammatiker, dann deutet dies darauf hin, dass auch Baiae und Puteoli vom Verfasser des vorliegenden Textes bewusst ausgewählt worden sind. Es liegt daher nahe, diese Vorliebe für kampanische Städtenamen so zu interpretieren, dass der Text in besonderer Weise mit der Region Kampanien verbunden gewesen ist, d. h. dass er vermutlich dort entstanden oder zumindest dort für den Grammatikunterricht verwendet worden ist. 38,5 sed cautum est, ut: Die Wendung cautum est, ut gehört zur Fachsprache der Juristen. Sie findet sich daher vornehmlich bei Gaius und Justinian, daneben aber auch bei anderen Autoren in Zusammenhang mit Gesetzestexten.800 Da an dieser Stelle auf testamentarische Regelungen Bezug genommen wird, ist der Ausdruck offensichtlich vom Verfasser bewusst gewählt worden. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass die anderen Donatkommentare cautum est, ut nicht verwenden, die Formulierung demnach nicht auf eine gemeinsame Vorlage zurückgeführt werden kann.801

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801

Pomp. 173,30fif.; Pomp. 188,33ff.; Cled. 46,5-7. Pomp. 173,30fr.: sed scire debes qoniam Probus istam regulam expressit et dixit, si volueris sequi, ut omnia, ubi genera discemenda sunt, aliter proferantur in ablativo vel in dativo, incipiemus dicere Romanabus; si enim dixerimus Romanis, masculinum sexum intellegimus. Die Überlieferung in (M) casabus ergibt an dieser Stelle keinen Sinn; das in Ρ tradierte Capuabus muss zu der korrekten Form Capuanabus korrigiert werden. Vgl. ThLL Onomast. Bd. II Sp. 176,83ff. s. v. 'Capua'. Vgl. den Kommentar zu 27,22f. positionepluralia, intellectu singularia, ut Baiae, Puteoli. Bei Gaius ist cautum est 14 mal belegt, bei Justinian sogar 32 mal. Weitere Belege: Cie. VerT. II 2,123 (cautum est in Scipionis legibus, ne ...); Liv. 6,20,14 (gentis Manliae decreto cautum est, ne ...); Quint, decl. 380,1 ('testamento' inquit 'cautum estServ. auet. Aen. 2,351 (iure pontificum cautum est, ne ...); Serv. auet. ecl. 4,43 (in Numae legibus cautum est, ut...). Siehe auch ThLL Bd. III Sp. 636,72ff. s. v. 'caveo'. cautum est ist bei den lateinischen Grammatikern überhaupt nur einmal belegt, und zwar bei Terentian. gramm. VI 363,1290: vos sequar, in vestro satis est examine cautum.

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Kommentar

38,6 in testamentis: Testamente sind der einzige Bereich, für den die Donatkommentare die Ausnahme gelten lassen, dass Substantive, die im Abi. Sg. auf α enden, im Dat. und Abi. PI. abus statt -is als Endung haben.802 Serv. comm. und Pomp, drücken dies übereinstimmend mit den Worten necessitas testamentorum aus und geben 'Probus' als Gewährsmann dafür an.803 Gleichwohl findet sich Entsprechendes auch schon bei Char. 164,14f., wo das Gesagte allerdings auf Plinius Secundus zurückgeführt wird.804 38,6 faciunt quaestiones: Die Wendung quaestionem facere ist sonst bei den lateinischen Grammatikern nur noch 4 mal bei Pomp, und 1 mal bei Prise, belegt.805 In der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. kommt sie vor allem in juristischem Zusammenhang bei Seneca d. Ä. und Quintilian vor.806 Demgegenüber ist quaestionem facere in der spätantiken Literatur, häufiger bezeugt, allen voran bei christlichen Autoren. Zeitlich reichen die Belege von Tertullian bis Cassiodor und haben im 4. und 5. Jh. ihren Schwerpunkt.807 38,7f. ut si quis habens utriusque sexus liberos scribat 'dimitto hoc filiis meis' et incertum sit, utrum filios signifieaverit an filias: Ein ähnlich konstruiertes Beispiel hat von den Donatkommentatoren an dieser Stelle nur Pomp. 189,4ff.808 Da dimittere aliquid alicui der lateinische Fachterminus für den Vorgang des Vererbens ist, erscheint das Beispiel wenig originell. Ob es von zwei ähnlichen Formulierungen bei Augustinus inspiriert worden ist, lässt sich daher nicht eindeutig sagen.809 38,10-12 equa equarum equabus, filia filiarum filiabus, dea dearum deabus: equa, mula, filia und dea sind die Substantive, fur welche der Sprachgebrauch (usus) im Dativ und Ablativ Plural die Endung -abus statt -is gegen die Regel der ars vorsieht. Diese Gruppe wird auch von Sacerd., Serv. comm., Pomp, und Expl. II genannt.810 Dagegen lassen andere Grammatiker die Abweichung von der ars für einen größeren Kreis von Substantiven gelten:

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Serv. comm. 434,8f.; Pomp. 188,38ff.; Cled. 46,7-9. Serv. comm. 434,8f.: quod dicit ab his mulabus, filiabus, deabus nos dicere debere, sciendum est propter testamentorum necessitatem; nam haec pauca Probus dicit contra artem esse suseepta nec nos debemus ad istorum similitudinem alia declinare\ Pomp. 188,38ff.: ait sie Probus, quod verum est 'debemus per omnia regulam sequi, sed si quando fiterit necessitas testamenti scribendi, tunc ista servanda sunt, aliter non.' Char. 164,14f.: filiabus in testamentis ob discrimen sexus ait Plinius dici consuesse. Pomp. 138,15; 149,8f.; 149,13f.; 231,34; Prise, gramm. III 274,27. Siehe ζ. B. Sen. contr. 2,5,12; Quint, inst. 7,1,8; vgl. auch Paul. dig. 40,1,10,pr. quaestionem facere ist 1 mal bei Tertullian, 13 mal bei Ambrosius, 1 mal bei Petrus Chrysologus, 12 mal bei Augustinus, 2 mal bei Martianus Capeila, 18 mal bei Hieronymus, 2 mal bei Johannes Maxentius, 2 mal bei Julian v. Eclanum, 1 mal bei Iulius Severianus und 5 mal bei Cassiodor belegt. Pomp. 189,4ff.: nam si diceret 'volo filiis meis dare ilium fundum' quomodo videretur apertum esse, de quibus sensisset? Aug. serm. 77b (coli. Morin p. 655,1): nihil aeeepit, nihil quod filiis suis dimittat, invenit; Aug. serm. 111 (Rev. Bened. 57 p.l 16,117): sed dimittit illam domum filiis suis. Sacerd. gramm. VI 427,4ff.; Serv. comm. 434,8ff.; Pomp. 173,26ff.; Expl. II 545,16ff.

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So führen sie über die vier genannten hinaus etwa noch mima (Cled.), asina (Cled.), nata (Ps. Palaem.), liberta (Ps. Palaem., Char., Exc. Bob., Diom.), sponsa (Prob, inst.) oder amica (Prob, inst.) an.811 38,15f. ideo enim ita cavemus, ne: Wie cautum est, ut (38,5) ist cavemus, ne eine Wendung der Rechtssprache und findet sich daher vor allem bei juristischen Fachschriftstellern.812 Darüber hinaus ist cavemus als Ausdruck der Vorsicht und Warnung bei christlichen Autoren im 4. und frühen 5. Jh. beliebt, allen voran bei Ambrosius und Augustinus.813 Danach finden sich nur noch vereinzelte Belege.814 38,16 ne quis nobis obiciat: Vgl. den Kommentar zu 21,18 ne quis nobis obiciat. 38,19f. ut ab hac mutiere harum mulierum, ab hoc munere horum munerum, ab hoc funere horum funerum:

Der Text behandelt hier, wie einleitend bereits erwähnt, im

Vergleich zu den anderen Donatkommentaren nicht die Frage, welche Substantive im Ablativ Singular ein kurzes e haben, sondern er bespricht den Einwand, dass es auch Nomina mit einem kurzen e im Ablativ gibt, die genauso wie die mit einem langen e im Genitiv Plural auf -rum enden, wie etwa muliere mulierum. Eine Parallele dazu bietet Prob. inst, gramm. IV 88,34-41. Dort wird das Problem mit dem Hinweis gelöst, dass man bei mulierum eine falsche Form des Ablativs Singular erhalte, wenn die vermeintliche Endung -rum entfernt werde. Dagegen fuhrt der vorliegende Text als Erkärung an, dass der Konsonant r bei den Substantiven mit einem kurzen e schon im Ablativ Singular vorhanden sei und daher zum Wortstamm und nicht zur Endung des Genitivs Plural gehöre. 38,21 respondendum est·. Vgl. den Kommentar zu 14,16f. respondendum est. 38,22fr. quod si excluso e iungerem rum syllabam et dicerem 'mulierrum'. Merito quaestio esse videretur: Der Wortlaut des Satzes ist in Ρ und (M) uneinheitlich überliefert.815 Sicher ist, dass hier die Überlegung angestellt werden soll, ob der zuvor geäußerte Einwand berechtigt ist, dass die Regel, Substantive mit einem langen e im Ablativ endeten im Genitiv Plural auf rum, wenig hilfreich sei, da sich auch Nomina mit einem kurzen e im Ablativ 811

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Cled. 1 l,14ff.; Ps. Palaem. gramm. V 533,16ff.; Char. 18,23ff.; Exc. Bob. gramm. I 538,20ff.; Diom. gramm. 1304,24f.; Prob. inst, gramm. IV 82,16ff. Gaius inst. 2,181; Cels. dig. 22,3,9. Ambr. Abr. 1,6,57; off. 3,22,137; Aug. conf. 7,5,7; epist. 38,2 (dum cavemus, ne recipiatur malus)·, 105,5; 129,7; doctr. Christ. 3,10; in Gal. 53,2; catech. nid. 4,4; c. Faust. 1,3; c. Iulian. (PL 44) c. 707,10; Prud. apoth. praef. 2,2. Bened. reg. 7,21. P: quod si excluso e iungerem rum syllabam et dicerem 'mulirum', merito quaestio esse videretur. (M): quod si non excluso e iunxeris rum et dixeris muliere mulierum, merito quaestio videtur.

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Kommentar

fanden, die im Genitiv Plural die Endung rum hätten (mulierum, munerum). Sicher scheint auch, dass der Text dieser Kritik das entgegenstellen will, was er kurz zuvor zur Konkretisierung der Regel angemerkt hat. Dort hieß es nämlich, dass bei den Substantiven mit einem kurzen e im Ablativ zunächst das e zu entfernen und erst dann die Endung rum hinzuzufügen sei. Darin besteht ein Unterschied zu den Substantiven mit langem e im Ablativ, bei denen das e auch im Genitiv erhalten bleibt. Dementsprechend müsste der in Rede stehende Satz sinngemäß lauten, dass der Einwand nur dann berechtigt wäre (merito quaestio esse videretur), wenn auch die Nomina mit einem kurzen e nach Ausschluss des Vokals (excluso e) und Ergänzung von rum (si ... iungerem rum syllabam) die korrekte Form des jeweiligen Wortes im Genitiv Plural ergäben. Der Vergleich der intendierten Aussage mit den Varianten, welche von Ρ und (M) angeboten werden, zeigt, dass der Wortlaut von Ρ sinnvoller ist als der von (M). Allerdings passt dort die fiktive Form mulirum nicht zu dem beschriebenen Vorgang, dass vom Ablativ Singular (muliere) das kurze e entfernt und die Endung rum angehängt werden soll; man müsste nämlich danach mulierrum statt mulirum erwarten. Man kann den Fehler auf eine korrupte Überlieferung zurückführen, die hier leicht zu erklären wäre, weil es um eine lediglich erdachte Form geht. In diesem Fall wäre ein Eingriff in den Wortlaut von Ρ nötig. Möglich ist aber auch, dass der Verfasser nicht nur beim Genitiv Plural (mulirum), sondern auch schon beim nicht genannten Ablativ Singular von einer fiktiven Wortform ausgegangen ist. Diese müsste dann mulie gelautet haben. Alles in allem spricht aber mehr dafür, dass der Wortlaut von Ρ mit mulierrum statt mulirum authentisch ist. 39,1 f. merito quaestio esse videretur·. Eine ähnliche Formulierung liegt bei Mar. Victorin. in Gal. 2 praef. vor (merito quaestio proponitur). 39,8 quaestionem non impensius commoveant: Die Wendung quaestionem commovere ist bei den lateinischen Grammatikern sonst nur noch ein einziges Mal bei Eutych. gramm. V 447,5f. (6. Jh.) belegt.816 Dagegen kommt sie in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. überhaupt nicht vor.817 Lediglich bei den christlichen Autoren des 4. und frühen 5. Jh. wird quaestionem commovere häufiger verwendet, vor allem bei Augustinus.818 Danach findet sich der Ausdruck nur noch einmal bei Cassiodor.819

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Eutych. gramm. V 447,5f.: novas quaestiones doctoribus auditorum acutiora commovere solent ingenia. Bei einigen Autoren findet sich statt dessen der eng verwandte Ausdruck quaestionem movere; vgl. Sen. controv. 1,1,15; 1,2,15; 7,4,3; 9,1,10; Tac. dial. 16,1; Sic. Flacc. De condicionibus agrorum p. 129 1. 16; Macrob. sat. 1,6,5; Script. Hist. Aug. Aelius Spartianus Antonius Geta 1,1. Filastr. 36,4; Ambr. parad. 5,28; Petr. Chiys. serm. 49,3; Aug. c. Adim. 10; adv. Don. 32,55; c. Pelag. 2,1,1. Cassiod. anim. 7 1. 29.

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39,8f. quoniam non dixit artigraphus: Der Verfasser des Textes rechnet sich selbst offensichtlich nicht zu den artigraphi. Er sieht seine Aufgabe vielmehr darin, die sprachlichen Anweisungen des artigraphus zu kommentieren. Dieser ist demnach eher für die theoretischwissenschaftliche Seite der Grammatik zuständig, während der Verfasser für die praktische Anwendung im Sprachunterricht steht. Das heißt, dass er seine Tätigkeit anders einordnet als etwa die Donats: Donat ist Wissenschaftler und gehört daher zu den artigraphi', der Verfasser des Textes ist dagegen Sprachlehrer und beansprucht für sich den Titel grammaticus. Diese Differenzierung zwischen den Begriffen artigraphus und grammaticus ist ein typisches Phänomen, das sich auch in anderen Donatkommentaren findet. So hebt sich etwa Servius sowohl im Donat- als auch im Vergilkommentar in entsprechender Weise von den artigraphi ab.820 Demgegenüber trägt bei ihm neben Donat nur der kaiserzeitliche Gelehrte Iuba (2. Jh.) den Titel artigraphus}21 39.10 cautum est: Siehe den Kommentar zu 38,5 sed cautum est, ut. 39.11 nasci videtur haec quaestio·. Die Wendung quaestio nasci videtur kommt bei den lateinischen Grammatikern in leicht abgewandelter Form nur zweimal in Servius' Vergilkommentar und zweimal bei Velius Longus vor.822 Üblicher sind dagegen vor allem in den anderen Donatkommentaren quaestio est oder quaestio oritur,823 In der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. findet sich quaestio nascitur nur ein einziges Mal bei Quintilian.824 Demgegenüber ist der Ausdruck bei spätantiken Autoren weitaus beliebter. Er wird nämlich vor allem im 4. und 5. Jh. verwendet - allen voran von Augustinus -82S, ist aber auch später noch belegt, wenn auch deutlich seltener.826 39,12ff. contra hanc regulam unum nomen venit: ab hoc vase, horum vasorum, his et ab his vasis: Die Aussage, dass vas trotz eines kurzen e im Ablativ Singular den Genitiv Plural auf orum sowie den Dativ und Ablativ Plural auf is bildet, stimmt zwischen dem vorliegenden

820

Siehe dazu UHL, Servius, S. 108, Anm. 78; S. 569. Vgl. Serv. comm. 440,10f.; Serv. Aen. 1,104; 5,522;

821

Serv. Aen. 5,522. Serv. auct. Aen. 1,170: quidam volunt ... quaestionem nasci; Serv. Aen. 8,373: quaestionem hanc, quae nascitur...; Vel. gramm. VII 73,12: hinc nascuntur etiam quaestiones\ ebenso Vel. gramm. VII 74,10. Serv. comm. 448,3; Cled. 24,8; Sacerd. gramm. VI 506,20; Ps. Palaem. gramm. V 536,37; 536,39 etc.; Char. 245,1; Diom. gramm. I 340,15. Quint, decl. 320,1: ex eo quaestio nascitur. Amob. Iun. in psalm. 91 1. 17; Iul. Vict. rhet. p. 5,1; p. 10,7; p. 16,2; p. 19,11; Mart. Cap. nupt. 4,391; 5,445; Aug. loc. hept. 4,19; 5,15; 7,4; Aug. cons, evang. 2,70,134; Aug. in evang. loh. 43,6; 90,1; 113,3; Aug. civ. 13,3; Aug. grat. (PL 44) c. 892,26; Mar. Victorin. rhet. 1,13 p. 193,40f.; 1,15 p. 195,17; 2,4 p. 260,16f.; Quodv. prom. 2,20; Cassian. conl. 9,23,1; Hier, quaest. hebr. in gen. p. 19,24; Hier, in Is. 14,51,17; 17,63,15. Isid. orig. 3,14,3; Beda in genesim (CCSL 118a) p. 30,907; Beda de templo (CCSL 119a) p. 197,214.

11,76; Pomp. 240,3; 258,23f.; 295,36; Cled. 49,28. 822

823

824 825

826

266

Kommentar

Text, Don. mai. und den anderen Donatkommentaren überein.827 In der Formulierung stehen sich jedoch Serv. comm. und Pomp, am nächsten.828 39,17f. quia dictu asperum est: Der Ausdruck asperum dictu kommt sonst bei keinem lateinischen Grammatiker vor. Don. mai. und Pomp, haben stattdessen jeweils durum dictu}29 In der lateinischen Literatur findet sich bis zum 3. Jh. eine verwandte Formulierung zu asperum dictu nur bei Quintilian (asperiora dictu) und den Disticha vel dicta

CatonisP0

Dagegen ist Augustinus der einzige, bei dem die Wendung in derselben Weise wie im vorliegenden Text belegt ist.831 40,5 excepto uno 'dies': Dass dies sowohl maskulinen als auch femininen Geschlechts sein kann, ist im Text bereits bei der Besprechung der fünften Deklination (37,7-9) angemerkt worden. Hier wird nun zur Erörterung dieser Behauptung ergänzt, dass man die männliche Form vor allem in dem aus hoc die zusammengesetzten hodie wiederfinden könne. Damit geht der Text zwar über Don. mai. 626,13, wonach alle Substantive mit einem langen e im Ablativ Singular weiblich sind, hinaus, stimmt aber mit den anderen Donatkommentaren, die ebenfalls auf das maskuline Genus von dies verweisen, überein.832 40,8 ita esse monstratur: Die persönliche Konstruktion von monstratur mit Infinitiv findet sich im vorliegenden Text noch ein weiteres Mal (43,4).833 Das ist im Vergleich zu anderen lateinischen Grammatiken auffallend häufig. Denn von den Kommentatoren Donats hat lediglich Serg. litt, eine Parallele834, und von den anderen Grammatiken ist es nur Prob, inst., wo die Konstruktion mehrfach vorkommt.835 40,11 permanente i in ablativo casu: Die mit einem Nomen zum absoluten Ablativ verbundene Form permanente ist sonst nur noch in zwei älteren Grammatiken des 4. Jhs. belegt.836 827 828

829

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833 834 835 836

Vgl. Don. mai. 626,10f.; Serv. comm. 434,12ff.; Pomp. 190,13ff.; Cled. 46,9ff. Serv. comm. 434,12f.: vas in numero singulari tertiae est declinationis, in numero plurali secundae; Pomp. 190, 14f.: hoc nomen (sc. vas) in numero singulari tertiae declinationis est, in numero plurali secundae declinationis est. Don. mai. 672,13: charientismos est tropus quo dura dictu gratiusproferuntur (vgl. Diom. gramm. 1462,26); Pomp. 311,19: quasi rem duram dictu mitius dixit. Quint, inst. 12,1,37: asperiora quaedam adhuc dicta; Ps. Cato 64: Vera libens dicas, quamquam sint aspera dictu. Aug. doct. christ. 3,11: quicquid ergo asperum et quasi saevum factu dictuque, in sanctis scripturis legitur. Serv. comm. 434,13-17; Pomp. 190,28-191,2. Cled. 46,17-19 führt dagegen für das männliche Geschlecht von dies das Kriterium der auctoritas an: licet Vergilius utrumque (sc. masculinum et femininum) dixerit. 43,4: sed duo contraria contra hanc regulam inventa esse monstrantur. Serg. litt. 482,2: qui duplices non amplius quam senarum syllabarum esse monstrantur. Vgl. Prob. inst, gramm. IV 54,28ff.; 54,38f.; 55,16; 55,27; 55,38. Char. 86,25; Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 45,25f.

De nomine

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40,12f. ut ab hoc nobili, horum nobilium, his et ab his nobilibus: Anders als bei den zuvor besprochenen Ablativen auf α und e wählt der Text beim Ablativ auf i nicht das Beispiel seiner Vorlage Don. mai. (puppis)}*1 Er verwendet aber stattdessen mit nobilis ein Substantiv, das in anderen Grammatiken in entsprechendem Zusammenhang üblich ist.838 40,17f. ut hie ignis huius ignis, quamvis Lucanus dixerit 'igne viam scandens': Wie oben erwähnt839, behandelt der Text hier zwar wie Don. mai. und Pomp, die Frage, welche Substantive den Genitiv Plural auf ium bilden; die Unterscheidung der Substantive weicht aber von der bei Don. mai. und Pomp, ab und entspricht eher einer Einteilung, die Serv. comm. und Expl. I an anderer Stelle vornehmen.840 Der Unterschied zu Don. mai. und Pomp besteht darin, dass der Text die Nomina auf ium im Genitiv Plural zunächst grundsätzlich in solche gliedert, die im Ablativ Singular ein i haben, und solche mit einem kurzen e. Eine vergleichbare Differenzierung treffen Don. mai. und Pomp, nicht. Als Substantive auf i im Ablativ Singular werden zuerst diejenigen genannt, welche sowohl im Nominativ als auch Genitiv Singular die Endimg is bei gleichbleibender Silbenzahl haben (40,15ff.). Der vorliegende Text verwendet ignis als Beispiel für diese Gruppe, zu der sich Parallelen bei Serv. comm. und Expl. I finden.841 Alle drei Grammatiken schränken ihre Aussage aber insofern ein, als sie an Stelle von igni auch igne als gebräuchliche Form des Ablativs Singular gelten lassen. Serv. comm. tut dies, indem er ignis mit navis und puppis zusammenstellt und diese Substantive als ambigua hinsichtlich ihres Ablativs Singular bezeichnet; welche Form die richtige ist, sei nur mit Hilfe der meliorum auctoritas zu entscheiden.842 Expl. I geht darüber hinaus, indem dort Zitate aus Vergil, Lucan und Statius als Beleg für die unterschiedlichen Ablative von ignis und puppis geliefert werden.843 Demgegenüber wird das Problem im vorliegenden Text nur in einem Nebensatz (quamvis Lucanus dixerit 'igne viam scandens', 40,18) angedeutet; es wirkt daher im Vergleich zu den anderen Texten eher wie eine Randbemerkung. Der quamvis-Satz ist aus mehreren Gründen diskussionswürdig. Zunächst überliefert Ρ das angebliche Lucan-Zitat in einem anderen Wortlaut (igneum scindens) als (M). Da diese Version aber wegen der Form igneum mit dem in Rede stehenden grammatischen Phänomen

837 838 839 840 841 842 843

Vgl. auch Pomp. 191,4f.: ut ab hac puppi. Char. 112,26ff.; Diom. gramm. I 306,27ff. Siehe S. 258. Serv. comm. 409,20-33; Expl. 1497,7-498,11. Serv. comm. 409,21-24; Expl. 1497,19ff. Serv. comm. 409,30-33. Expl. I 497,32ff.: nam et ab hac puppi dicamus et ab hac puppe. Lucanus ait ab hac puppe: 'cuius dum pugnat ab alta puppe Catus', Vergilius ab hac puppi: 'puppique deus consedit ab alta'. item legimus ab hoc igni 'et caeco carpitw igni', et ab hoc igne Statius dixit 'igne diem scindens'; vgl. auch Cled. 47,1.

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Kommentar

(ιigni/igne) nichts zu tun hat, ist die Lesart von (M) zu bevorzugen. Dafür spricht auch Ambr., wo derselbe Wortlaut wie in (M) vorliegt. Des Weiteren fallt auf, dass sich das Zitat igne viam scandens nicht bei Lucan findet. Auch bei anderen lateinischen Dichtern sucht man vergeblich nach einer entsprechenden Stelle. Vergleicht man den Beleg aber mit den Beispielen, die Expl. I zum Ablativ Singular von ignis anfuhrt, so ergibt sich, dass dort zwar ein Zitat mit ähnlichem Wortlaut (igne diem scindens) erscheint, dass dieses aber nicht Lucan, sondern Statius zugeschrieben wird. Allerdings kommt auch in den von Statius überlieferten Gedichten keine vergleichbare Formulierung vor. Die einzige Stelle in den Werken von Statius oder Lucan, welche dem vorliegenden Zusammenhang inhaltlich entsprechen könnte und auch der Überlieferung nahe käme, wäre Stat. Theb. 8,468 (igne viam rumpens). Es ist denkbar, dass dieses Zitat in der Donattradition ursprünglich zur Form des Ablativs von ignis verwendet, dann aber fehlerhaft tradiert worden ist, mit der Folge, dass sich sowohl im vorliegenden Text als auch bei Expl. I eine verdorbene Variante festgesetzt hat. Bei der Abwandlung des Statius-Zitats könnte dessen Nähe zu einer ähnlich lautenden Formulierung bei Verg. Aen. 10,765 (stagna viam scindens) eine Rolle gespielt haben; dafür spricht zumindest die Tatsache, dass der vorliegende Text und Expl. I in ihren Versionen scandens bzw. scindens an Stelle des bei Stat. Theb. 8,468 vorhandenen rumpens haben. Wenn dieser Erklärungsansatz zutrifft, dann bedeutet dies, dass der vorliegende Text das Zitat eines Dichters nicht nur in verdorbenem Wortlaut, sondern auch unter der falschen Angabe des Verfassers - Lucan statt Statius - wiedergäbe. Beides ist aber für die Zitierweise, die der Text sonst zeigt, ungewöhnlich, da sich lediglich in einem anderen Fall vergleichbare Mängel nachweisen lassen.844 Weiterhin ist auffällig, dass hier, unabhängig davon ob es sich um ein Statius- oder ein Lucan-Zitat handelt, ein Autor verwendet wird, der im übrigen Text keine Berücksichtigung findet. Dies alles berechtigt zu Zweifeln an der Authentizität der in Rede stehenden Textstelle und lässt die Annahme eines späteren Zusatzes nicht abwegig erscheinen. Verstärkt wird diese Vermutung durch die Art und Weise, wie der quamvis-Satz in den Textzusammenhang eingebunden ist. Zuerst wird die Regel formuliert, dass zu den Substantiven mit der Endung -i im Ablativ Singular auch diejenigen gehören, welche im Nominativ und Genitiv Singular auf -is enden sowie dieselbe Silbenzahl in beiden Kasus aufweisen (40,15-17). Dann wird dafür das Substantiv ignis als Beispiel angegeben (40,17f.). Darauf folgt nun der quamvis-Satz, der das Gesagte insofern einschränkt, als er auch igne als korrekte Form des Ablativs Singular neben igni ausweist (40,18). Schließlich werden in der Konstruktion eines absoluten Ablativs drei Substantive angefügt, die von der aufgestellten Regel abweichen (exceptis tribus nominibus, ut ..., 41,1). Dies gehört aber inhaltlich und grammatisch nicht zum quamvis-Satz, sondern schließt sich an die vorhergehende Aussage 844

Siehe unten den Kommentar zu 65,1-3: sunt coniunctiones, quae adverbia possunt esse, ut est 'ut te, fortissime Teucrum, accipio', adverbium est; item coniunctio est, ut, ut me malus abstulit error'.

De nomine

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mit Beispielangabe an. Der quamvis-Saüz hat dadurch eher den Charakter eines Einschubs als den eines in das Satzgefüge integrierten Bestandteils. Eine solche Formulierung ist aber für die Sprache des vorliegenden Textes, der sonst zu klaren Perioden neigt und Parenthesen meidet, untypisch. Deshalb erhärtet sich der Verdacht, dass es sich bei dem quamvis-Satz um einen späteren Zusatz handeln könnte. Es spricht daher Vieles dafür, dass der Text in seiner authentischen Fassung darauf verzichtet hat, daran zu erinnern, dass neben igni auch igne als Form des Ablativs Singular üblich ist. Dies könnte dann erst durch einen späteren Bearbeiter des Textes erfolgt sein, dem offensichtlich das ursprüngliche Statius-Zitat igne viam rumpens nur unter dem Namen Lucans sowie in dem entstellten Wortlaut igne viam scandens bekannt war. 41,1 exceptis tribus nominibus, ut hic mensis, iuvenis, canis: Vgl. Expl. I 498,1-11: exceptis scilicet duobus nominibus, in quibus cum possit esse ambiguitas, tarnen Veritas deprehensa est, quod e littera terminentur, ut canis mensis ,..845 41,3 ut hic et haec agilis: Neben docilis ist agilis das Standardbeispiel der Donatkommentare und der lateinischen Grammatiker überhaupt für die nomina communis generis, die im Nominativ und Genitiv Singular auf is enden und deshalb im Ablativ Singular die Endung i haben.846 41,5 ne faciat tetraptoton nomen: Siehe oben den Kommentar zu 5,1 nomina monoptota. 41,5f. ut est hoc nobile: Siehe oben den Kommentar zu 40,12f. ut ab hoc nobili, horum nobilium, his et ab his nobilibus 41,10f. ut ab hoc parenti dicas: parens ist Standardbeispiel für ein Wort mit der Endung ens, das im Ablativ Singular sowohl auf i (parenti) als auch auf e (parente) enden kann, je nach dem ob es als Substantiv oder als Partizip auftritt. In anderen Grammatiken werden darüber hinaus noch amans oder legens in derselben Funktion verwendet.847 Im Gegensatz zum vorliegenden Text behandeln Expl. I, Pomp, und Cled. an dieser Stelle noch die Frage, ob der Genitiv Plural der Substantive auf ns auch die Endung um statt ium haben kann.848 Expl. I lässt beide Formen zum einen für parens mit Verweis auf die auctoritas des Horaz, zum anderen für amans ohne Angabe eines Schriftstellers gelten. Pomp, beruft sich ebenfalls auf die auctores und akzeptiert neben parentum und amantum auch noch 845 846 847 848

Vgl. auch: Prob. inst, gramm. IV 97,1 Off.; Fragm. Bob. gramm. VI 560,20ff. Serv. comm. 409,22ff.; Expl. 1497,19ff.; Diom. gramm. I 306,27ff. Expl. 1497,23ff.; Pomp. 174,9f.; Diom. gramm. 1306,1 lf. Expl. 1496,15f.; Pomp. 192,6ff.; Cled. 46,27ff.

270

Kommentar

morientum. Sein Zitat morientumque ora parentum ist in dieser Form aber bei keinem lateinischen Dichter zu finden. Vermutlich ist es irrtümlich aus den Vergil-Wendungen gemitus morientum (Aen. 11,633) und lacrimantumque ora parentum (Aen. 11,887) entstanden. Dass beide Zitate der Donattradition im vorliegenden Zusammenhang vertraut sind, deutet Cled. 46,27ff. an, wo die Genitive lacrimantum und morientum ebenfalls anerkannt werden. Eine Parallele zu Pomp, und Cled. stellt die erweiterte Fassung des servianischen Vergilkommentars dar (Scholia Danielis). Denn dort wird sowohl zu Aen. 11,633 als auch zu Aen. 11,887 die Form der Genitive morientum bzw. lacrimantum besprochen.849 41,14f. ab hac regula abhorrere: (M) überliefert an dieser Stelle aberrare statt des durch Ρ und Ambr. bezeugten abhorrere. Beide Verben sind als Wendung mit α regula in der lateinischen Literatur bezeugt, abhorrere α regula allerdings deutlich häufiger als aberrare a regula. Abgesehen von einer einzigen Cicero-Stelle850 entstammen alle Belege den Schriften christlicher Autoren der Spätantike. Allein Augustinus verwendet 6 mal abhorrere α regula und 1 mal aberrare a regula*51; daneben findet sich abhorrere α regula noch jeweils einmal bei Ambrosius, Cassiodor und Julian von Toledo.852 41,15-17 veniunt enim contra vis et Tiberis: non enim potest dici 'ab hac ve' vel 'ab hoc Tibere': Die Form des Ablativs Singular von vis und Tiberis wird in den anderen Donatkommentaren nicht wie hier im Zusammenhang mit dem Genitiv Plural auf ium behandelt, sondern zum Akkusativ Singular auf im.853 Die Texte stimmen aber grundsätzlich darin überein, dass beide Substantive den Ablativ Singular mit der Endung i bilden.854 Dabei erinnern die rhetorischen Fragen von Pomp. (numquid possum dicere ab hac ve?, Pomp. 192,22; numquid possum dicere ab hoc Tibere?, Pomp. 192,24f.) an die Formulierung non enim potest dici ab hac ve vel ab hoc Tibere (41,16f.) im vorliegenden Text. 41,19f. utponspontepontium,

mons monte montium: Standardbeispiele in der lateinischen

Grammatik für Substantive, die im Nominativ Singular auf ns enden und im Genitiv Plural ein ium haben.855 849

850

831

852 853 854 855

Serv. auct. Aen. 11,633: gemitus morientum: aliquanti morientum genitivum corruptum pro integro accipiunt, facit enim morientium; Serv. auct. Aen. 11,887: lacrimantum: quidam lacrimantum genitivum corruptum pro integro accipiunt, quia facit lacrimantium. Cie. ac. 2,140: regulam hanc praescriptionem esse naturae, a qua qui aberravisset eum numquam quid in vita sequeretur habiturum. abhorrere α regula: Aug. epist. 147,14 (CSEL 44) p. 308,15; quaest. evang. in Matth. 11,7; serm. 7,3 (CCSL 41) p. 72,2; civ. 11,32; civ. 11,33; c. Iulian. (PL 44) c. 680,7; aberrare α regula: Aug. pecc. mer. 2,27,43. Ambr. off. 1,23,102; Cassiod. gramm. VII 169,2; Iulian. Toi. apol. 18. Serv. comm. 434,18ff.; Expl. 1498,1 Iff.; Pomp. 192,21ff. Vgl. auch Prob. inst, gramm. IV 98,3ff.; Cled. 46,21f. Don. mai. 627,1 f.; Char. 50,15ff.

De nomine

271

41,21 ut ab hac arte artium, clade cladium: Standardbeispiele bei den lateinischen Grammatikern für Substantive weiblichen Geschlechts, die zur dritten Deklination gehören und im Ablativ Singular mit einem kurzen e sowie im Genitiv Plural auf ium enden.856 41,21-42,5 sciendum est autem, quod non omnia nomina ns terminata vel...: Der Text stellt hier klar, dass die soeben aufgestellte Regel, dass von den Substantiven mit einem kurzen e im Ablativ Singular nur diejenigen den Genitiv Plural auf ium bilden, die entweder im Nominativ Singular auf ns enden oder weiblichen Geschlechts sind, nicht in der Weise umzukehren ist, dass alle Substantive, welche die genannten Kriterien erfüllen, automatisch auch den Genitiv Plural auf ium bilden. Eine vergleichbare Warnung spricht von den Donatkommentaren in diesem Zusammenhang nur Pomp. 191,3Iff. aus.857 42,6-10 horum autem nominum, quae ablativum singularem per i proferunt, antiqui accusativum casum singularem per im proferebant, ut hanc navim, hanc puppim, hanc clavim, sed nos hodie dicimus 'hanc navem' teste Virgilio 'navem in conspectu nullum Der Textabschnitt bezieht sich auf Don. mai. 627,4f. Dort wird gesagt, dass diejenigen Substantive, welche im Genitiv Plural die Endung ium hätten, manchmal (interdum) auch den Akkusativ Singular auf im bildeten. Als Beispiel dafür werden hanc restim und hanc puppim angegeben.858 Diese Anmerkung wird von den Donatkommentaren ganz unterschiedlich verarbeitet. Der vorliegende Text erklärt den Akkusativ Singular auf im als einen altertümlichen Sprachgebrauch (antiqui... proferebant) und stellt dem als gegenwärtige Praxis {sed nos hodie dicimus ...) den Akkusativ mit der Endung em gegenüber. Allerdings beschränkt er sich mit dieser Aussage auf die Substantive navis, puppis und c/avw.859 Dagegen unterscheiden Serv. comm. und Expl. I übereinstimmend zwischen den Substantiven, welche im Ablativ Singular zweifelsfrei ein i hätten und daher im Akkusativ auf im endeten (vis, Tiberis), und denjenigen, welche im Ablativ sowohl auf i als auch e ausgingen und deshalb im Akkusativ die Endungen im und em aufwiesen (puppis)}60 Danach ist der Akkusativ Singular auf im im Gegensatz zum vorliegenden Text durchaus für die gängige Sprachpraxis akzeptiert. Zwischen diesen beiden Positionen nimmt Pomp, eine Art

856 857

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860

Don. mai. 627,21; Pomp. 191,23-25; Char. 58,16ff. Pomp. 191,3 IfF.: sed illud te admoneo omnes istas regulas non ex necessitate facere istum genitivum pluralem... Don. mai. 627,4f.: sed haec regula etiam accusativum singularem interdum per i litteram profert, ut hanc restim, hanc puppim. Als Beleg für den Akkusativ Singular hanc navem führt der Text Verg. Aen. 1,184 (navem in conspectu nullam) an; dieser Vers findet sich sonst in keiner anderen lateinischen Grammatik in entsprechendem Zusammenhang und wird auch in Servius' Vergilkommentar nicht unter dem vorliegenden Gesichtspunkt behandelt. Serv. comm. 434,18-22; Expl. 1498,11-15.

272

Kommentar

Mittelstellung ein.861 Denn dort wird einerseits dem vorliegenden Text entsprechend die Endung im für das Substantiv puppis

als altertümlicher Sprachgebrauch verworfen,

andererseits wird sie wie bei Serv. comm. und Expl. I für Substantive, die im Ablativ Singular stets ein i haben (vis, Tiberis), gelten gelassen. Von den frühmittelalterlichen Grammatiken zitieren Mals, und Ambr. zur Form des Akkusativs Singular auf im einen Grammatiker namens 'Seregius' bzw. 'Sergius' und erinnern in ihrer Darstellung des Sachverhalts stark an den vorliegenden Text. 862 Die Annahme einer Abhängigkeit liegt daher nahe. 42,11-14 sane accusativum pluralem horum nominum per is, quae genitivum pluralem per ium mittunt nominativum per es, melius proferemus, ut dicamus 'has clavis' per is accusativum, per es nominativum

'hae claves': Wie einleitend erwähnt863, behandelt der

Text die Endung des Akkusativs Plural der Substantive, welche im Ablativ Singular ein i haben, erst im Anschluss an den Akkusativ Singular und nicht wie Don. mai. und Pomp, vor diesem, bzw. sogar noch vor dem Genitiv Plural auf ium.m Inhaltlich stimmt er aber mit den genannten Texten überein, und zwar darin, dass er bei den betreffenden Substantiven die Endung is gegenüber es befürwortet, um Verwechslungen mit der Form des Nominativs Plural zu vermeiden. 865 Eine entsprechende Stelle findet sich auch bei Serv. Aen. 1,108, wo die Formulierung mit dem Wortlaut von Pomp. 191,7-12 nahezu identisch ist.866 42,14f. ne in confusionem veniat: Die Wendung in confusionem venire kommt bei den lateinischen Grammatikern sonst nur noch ein einziges Mal bei Velius Longus (2. Jh.) vor. 867 Darüber hinaus ist sie in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nicht belegt, dafür aber jeweils einmal bei den christlichen Autoren Ambrosius und Augustinus. 868 861 862

863 864 865 866

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Pomp. 192,12-26. Mals. 181,28ff.: et accusativum singularem in im mittunt ista trea et accusativum pluralem in is iuxta Seregium et alios grammaticos, ut dicit: 'non pupem navem clavem dicimus, sedpupim navim clavim' (vgl. den Wortlaut von (M); siehe dazu oben S. 25f.); Ambr. 67,428ff.: Sed haec usurpatio apud Sergium ueterum est; dicit enim: Antiqui accusatiuos casus singulares per im proferebant, ut harte nauim pupim clauim, sed hos casus hodie dicimus hanc nauem pupem clauem. Siehe oben S. 257. Don. mai. 626,16-18; Pomp. 191,6-12. Vgl. auch Cled. 46,19-21; Expl. II 545,10-18. Serv. Aen. 1,108: genitivus enim pluralis quotiens in ium exit, accusativum pluralem in is mittit, ut puppium puppis, quotiens in um exit, in es mittit, ut patrum patres. Pomp. 191,7-12: quotienscumque genitivus pluralis in ium exit, totiens accusativus in is exit, puta agilium facilium docilium puppium, ecce quoniam in ium exit genetivus, accusativus iam in is exit, hos agilis hos facilis hos docilis. si autem genetivus non exeat in ium, sed in um, in es exit accusativus, pater patrum patres, mater matrum matres. Vel. Long, gramm. VII 60,20f.: abs vero neque nominibus neque his partibus orationis, cum quibus in confusionem non venit, adiungitur. Auf diese Stelle geht offensichtlich auch die ähnlich lautende Formulierung von Cassiod. gramm. VII 162,1 f. zurück. Ambr. parad. 8,41: ... quomodo deus bonus, qui non solumpassus est introire in hunc mundum malitiam, sed etiam in tantam confusionem venire permisit; Aug. epist. 111,4 (CSEL 34,2) p. 650,5: propter enim peccata nostra et iniquitates patrum nostrorum Hierusalem etpopulus tuus in confusionem venit.

De nomine

273

42,15f. ut si quis dicat 'puppes regunt': Als einziger von den Donatkommentaren hat der Text an dieser Stelle ein Beispiel, mit dem er verdeutlicht, warum man bei den Substantiven auf i im Ablativ Singular die Endung is im Akkusativ Plural gegenüber es vorziehen sollte. Die einleitenden Worte ut si quis dicat signalisieren, dass es sich bei puppes regunt eher um ein konstruiertes Exempel handelt als um das Zitat eines klassischen Schriftstellers. Dennoch erweckt die Wendung den Eindruck, als ob sie einem epischen Werk entnommen ist. Wörtliche Parallelen dazu finden sich aber in der lateinischen Literatur nicht; nur Lucan und Valerius Flaccus verwenden ähnliche Ausdrücke, die dem vorliegenden Text als Anregung gedient haben könnten.869 Allerdings werden beide Autoren sonst im Text nicht berücksichtigt. 43,1 ut ab hoc egregio'. Standardbeispiel für die Substantive, die im Ablativ Singular auf ο enden, ist bei den lateinischen Grammatikern nicht egregius, sondern das auch sonst häufig gebrauchte doctus.m

Für egregius gilt dagegen, dass es in grammatischen Traktaten kaum als

Beispiel verwendet wird. So findet es sich in den Donatkommentaren nur ein einziges Mal bei Serv. comm. zum Imperativ der Substantive auf ms.871 Andererseits handelt es sich bei egregius um einen sehr alltäglichen Begriff, der in der Kaiserzeit ebenso wie doctus vor allem als Ehrenbezeichnung (vir egregius / vir doctus) verwendet wurde.872 43.4 inventa esse monstrantur: Siehe den Kommentar zu 40,8 ita esse monstratur. 43.5 ut ab hac domo, harum domorum, his et ab his domibus: Die Frage nach der Deklination von domus beschäftigt die römischen Grammatiker schon seit Quintilian.873 Dabei steht zur Diskussion, welche Kasus der zweiten Deklination und welche der vierten folgen. Don. mai. bildet den Ablativ Singular (ab hac domo) und den Genitiv Plural (harum domorum) nach der zweiten, den Dativ und Ablativ Plural (his et ab his domibus) hingegen nach der vierten Deklination. Er führt diese Abweichung im Sprachgebrauch darauf zurück, dass „die Alten" (veteres) das Substantiv domus „anders" dekliniert hätten, d. h. nach der vierten Deklination.874 Damit stimmt der vorliegende Text an dieser Stelle überein; er betont aber im Vergleich zu Don. mai. noch stärker, dass sich die zeitgenössische Verwendung von 869 870 871

872 873

874

Lucan. 3,592: derigit huepuppem; Lucan. 8,176: ille regit puppes; Val. Fl. 2,71: regunt sua sidera puppem. Don. mai. 627,8f.; Pomp. 192,28f.; Exc. Bob. gramm. 1555,14ff. Serv. comm. 409,13ff.: si autem nominativus us terminatur, ut hic doctus, vocativum facit ο docte, et si appellativum sit, licet ius terminatur, ut hic impius ο impie facit, hic egregius ο egregie. Siehe ThLL Bd. V,2 Sp. 288,64ff. s. v. 'egregius'. Quint, inst. 1,6,5: si veniat in dubium, hac domu dicendum sit an hac domo et domuum an domorum, similia sint domus anus manus. Vgl. auch Char. 55,25ff. Don. mai. 627,1 Of.: sed scire debemus multa quidem veteres aliter declinasse, ut ab hac domu, harum domuum, domibus.

274

Kommentar

domus - mit ab hac domo als Ablativ Singular und Harum domorum als Genitiv Plural - aus der Veränderung der traditionellen Deklination heraus entwickelt habe (43,13-16). Dies wird auch von Serv. comm. und Pomp, hervorgehoben, beide Texte fügen aber gegenüber Don. mai. und dem vorliegenden Text noch den Akkusativ Plural (has domos) als Abweichung von der Sprachpraxis der Vorfahren hinzu.875 Pomp, führt darüber hinaus noch ein Iuvenal-Zitat (luv. 3,72) als Beleg für die Verwendung von domus bei den maiores an.876 Da dieses sich auch bei Cled. 47,7ff. und in den Scholia Danielis zu Verg. Aen. 2,445 findet877, kann man vermuten, dass Pomp, und Cled. die Iuvenal-Stelle der zeitgenössischen Vergil-Erklärung entnommen und in ihre Donatkommentare eingeflochten haben. Allerdings scheint Serv. auct. Aen. 2,445 nicht als direkte Vorlage in Frage zu kommen, weil dort die Begründung dafür, dass domus eine unregelmäßige Deklination aufweist, von der in den Donatkommentaren abweicht: Das Vergil-Scholion gibt nämlich die nach der zweiten Deklination gebildeten Formen als Sprachgebrauch der veteres an, während die Veränderung zur vierten Deklination hin erst später erfolgt sei.878 43,6f. item ab hoc iugero, horum iugerorum, his et ab his iugeribus: Die Deklination des Substantivs iugerum ist von den römischen Grammatikern ähnlich häufig und widersprüchlich behandelt worden wie die von domus (43,5); die Zeugnisse reichen bis zu Plinius d. Ä. zurück.879 Im Unterschied zu domus wechseln die Kasusendungen von iugerum jedoch zwischen der zweiten und dritten Deklination und nicht zwischen der zweiten und vierten. Don. mai. bildet zumindest den Dativ und Ablativ Plural (his et ab his iugeribus) nach der dritten Deklination. Ob er darüber hinaus auch den Genitiv Plural dieser Deklination zuweist (horum iugerum) oder doch eher der zweiten (horum iugerorum), ist aufgrund uneinheitlicher Überlieferung unklar.880 Als Grund für das Schwanken zwischen den Deklinationen wird von 875

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880

Serv. comm. 434,22-26; Pomp. 192,29-193,10. Beide Texte stehen einander auch in ihrer Formulierung nahe: vgl. Serv. comm. 434,24-26: nos autem in hoc nomine, id est domus, tres ... casus usurpamus a secunda declinatione, ablativum α domo, genetivum pluralem harum domorum, accusativum pluralem has domos; Pomp. 193,3-5: posterior aetas usurpavit sibi casus tres, ablativum singularem, genitivum pluralem et accusativum pluralem, hos usurpavit ad secundam declinationem. Pomp. 192,35f.: hoc verum esse etiam Iuvenalis testimonio poterit comprobari, ait 'viscera magnarum domuum'. Cled. 47,7ff.: quia antiqui domum et secundae declinationis declinabant et quartae; dicebant et ab hac domo domorum [et Terentius 'domo me eripuit'] ut Vergilius 'turres ac tecta domorum', et ab hac domu domuum sicut versuum, ut Iuvenalis 'viscera magnarum domuum'. Serv. auct. Aen. 2,445: domorum: veteres 'haec domus', ut erat merito ablativus ο terminatus genetivum in rum mitteret, ut bono bonorum, sed mutata postea declinatio est, ut huius domus faceret, ... nam et Iuvenalis 'viscera magnarum domuum' ait. nos tarnen de antiqua declinatione praesumimus, ut ab hoc domo harum domorum dicamus. Siehe dazu: P. WESSNER, Lucan, Statius und Iuvenal bei den römischen Grammatikern, in: PHW 49 (1929), S. 328f. Vgl. Char. 170,26ff.: 'iugeribus quidam grammatici' inquit Plinius 'ita dicendum putant, quasi sit hoc iuger tamquam hoc tuber ...Pomp. 193,36f.: unde in Plinio Secundo legimus, quoniam nominativus singularis non debet esse iuger... Don. mai. 627,9f.: contra hanc regulam invenimus ... ab hoc iugero, iugerorum, iugeribus. Vgl. den textkritischen Apparat zu Z. 10 iugerorum. Diom. gramm. 1307,17ff: ab hoc iugero iugerum iugeribus.

De nomine

275

Don. mai. wie bei domus der Sprachgebrauch der „Alten" (veteres) angegeben, die iugerum nach der dritten Deklination gebeugt hätten. Damit stimmt der vorliegende Text weitgehend überein; hier ist allerdings horum iugerum eindeutig als Form des Genitivs Plural ausgewiesen.881 Außerdem gibt der Text klar zu erkennen, dass den übrigen Kasus von iugerum die zweite Deklination zugrunde liegt (43,16ff.); dies ist ein wichtiger Unterschied zu domus: Dort wurde nämlich gelehrt, dass die von den Vorfahren favorisierte vierte Deklination die Regel ist und im zeitgenössischen Sprachgebrauch lediglich zwei Kasus zur zweiten Deklination hin (ab hoc domo, horum domorum) abgewandelt worden sind (43,13ff.). Dagegen wird nun bei iugerum die zeitgenössische Verwendung nach der zweiten Deklination als Regel propagiert, während die von den Vorfallren geprägten Formen der dritten Deklination im Genitiv, Dativ und Ablativ Plural (horum iugerum, his et ab his iugeribus) als Ausnahme erscheinen. Dieser Unterschied gewinnt vor allem im Vergleich zu den anderen Donatkommentaren an Gewicht. Dort werden zwar ebenfalls ab hoc iugero, horum iugerum und his et ab his iugeribus als korrekte Formen bestimmt882, Serv. comm. und Pomp, weichen aber insofern vom vorliegenden Text ab, als sie das Substantiv iugerum wie die Vorfahren nach der dritten Deklination beugen und nur den Ablativ Singular (ab hoc iugero) zur Ausnahme erheben.883 Pomp. 193,36fF. befürwortet daher auch hoc iuger als Form des Nominativs Singular statt hoc iugerum. Dagegen entspricht Cled. mit der Einordnung von iugerum als Substantiv der zweiten Deklination eher Don. mai. und dem vorliegenden Text. Diese Position steht auch der älteren grammatischen Tradition näher als die von Serv. comm. und Pomp.884 43,8 quaestione sublata: quaestionem tollere ist eine Wendung der Rechtssprache. Als solche ist sie in der lateinischen Literatur klassischer Zeit mehrfach in Ciceros Reden sowie zweimal bei Seneca d. Ä. belegt.885 Später kommt sie dann auch bei Iulius Victor und in den Digesten Justinians vor.886 Darüber hinaus hat quaestionem tollere auch in christliche Texte Eingang gefunden. So ist der Ausdruck etwa bei Ambrosius (2 mal), Phoebadius von Agen (1 mal),

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882

883

884 885

886

43,6 schwankt die Überlieferung zwar ebenfalls zwischen iugerum und iugerorum, durch 43,17-19 (corruptus est genitivus pluralis, qui, cum facere debuit 'iugerorum', fecit 'iugerum") ist aber iugerum als korrekte Variante eindeutig ausgewiesen. Serv. comm. 434,27f.; Pomp. 193,31-194,9; Cled. 47,3ff.; Cled. befürwortet allerdings iugerorum als Genitiv Plural anstatt iugerum. Serv. comm. 434,27f.: in nomine autem iugeris unum tantum modo casum usurpamus, ablativum ab hoc iugero\ Pomp. 193,3lf.: item de iugero unum casum usurpamus, ablativum singularem ab hoc iugero. Neben der inhaltlichen Übereinstimmung fällt auch hier die Nähe der Formulierung auf. Vgl. Char. 37,5; Char. 170,26ff.; Prob. inst, gramm. IV 111,5fr. Cie. Cluent. 184 (superiore quaestione sublata)·, Cie. Vatin. 34 (quaestionem ... esse sublatam); Cie. Cael. 68 (est... quaestio sublata); Cie. Phil. 1,22 (leges quaestionesque tolluntur); Cie. Phil. 1,23 (quaestionibus de vi et maiestate sublatis); Sen. contr. 7,7,1 (sublata quaestio est); 7,7,12 (quaestionem fiirti sublatam esse). Iul. Vict. rhet. p. 15,15; Iulian. dig. 47,2,57 (videturfurti quaestio sublata).

276

Kommentar

Augustinus (4 mal) und Cassiodor (1 mal) bezeugt.887 Seine Verwendung konzentriert sich demnach abgesehen von der Cassiodor-Stelle auf das späte 4. und frühe 5. Jh. 43,14f. minus salva quartae declinationis ratione: salva ratione ist hier ein absoluter Ablativ, bei dem das Partizip durch ein Prädikatsnomen ersetzt worden ist. Diese Formulierung ist in der lateinischen Literatur vor allem bei Fachschriftstellern wie Baibus oder Quintilian üblich, um das Einhalten von Gesetzmäßigkeiten zu bezeichnen.888 In der römischen Grammatik ist sie bei Char. - allerdings mit dem Partizip manente - und Consent. vertreten.889 Daneben findet sich salva ratione auch außerhalb von Fachtexten, und zwar in der spätantiken Literatur in erster Linie im 4. und frühen 5. Jh. bei Rufin von Aquileia (3 mal), Ammianus Marcellinus (1 mal) und Augustinus (1 mal)890 sowie im 6. Jh. sehr häufig bei Gregor d. Gr. (16 mal). 44,2 ut ab hoc genu, cornu: Don. mai. 627,15f. hat zwar fluctus als Beispiel für die Substantive, die im Ablativ Singular mit dem Vokal u enden, genu und veru werden aber in anderen Grammatiken so häufig in entsprechender Weise verwendet891, dass die Auswahl dieser Beispiele durch den vorliegenden Text keinen Anstoß erregen muss. 44,9 confusionem faciamus: Die Wendling confusionem facere ist in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. nur ein einziges Mal in der Konstruktion eines absoluten Ablativs (confusione facta) bei Frontin bezeugt.892 Im Vergleich dazu kommt der Ausdruck in der Heiligen Schrift mit zwei Belegen relativ häufig vor.893 Dies ist offensichtlich auch der Grund dafür, dass sich confusionem facere dann in weiteren christlichen Texten vom 4. bis zum 6. Jh. findet.894 Es scheint sich demnach um einen christlich geprägten Ausdruck zu handeln,

887

888

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Ambr. in Luc. 10,1 (tolle hinc perfidiae quaestiones); Ambr. fid. 5,18,223 (quaestionem ... esse sublatam), Phoebad. c. Arian. 10 (status sui quaestio tolleretur); Aug. serm. 99 (PL 38) c. 601,54 (ut hanc deus tolleret quaestionem)·, Aug. serm. 128 (PL 38) c. 717,57 (sublata est quaestio)·, Aug. gen. ad litt. 7,5 (quaestio sublata est); Aug. c. Cresc. 4,4,4 (quaestio ... sublata est)·, Cassiod. in psalm. 74,8 1. 152 (quaestio ... sublata est). Balb. grom. p. 100 1. 3 (salva rectorum angulorum ratione); Quint, inst. 4,2,75; vgl. auch Iulian. dig. 29,7,2 (salva ratione legis); Papin. dig. 31,1,77; Paul. dig. 34,2,8. Char. 74,15f.: salva manente ratione supra scripta; Consent, gramm. p. 22,16ff.: salva vel regulae vel prolationis ratione. Rufin. apol. adv. Hier. 1,12 (salva fidei meae ... ratione); Rufin. apol. adv. Hier. 1,13; Rufin. apol. Orig. (CCSL 20) p. 234,52; Amm. 20,3,4; Aug. op. monach. 29,37 (officii nostri salva ratione). Vgl. 25,16f.; Don. mai. 622,7; Pomp. 165,12f.; Cled. 42,9-12; Expl. II 541,23ff.; Consent, gramm. V 347,29ff.; Char. 82,28ff.; Prob. app. gramm. IV 194,lf.; Aug. reg. gramm. V 497,3Iff.; Phoc. gramm. V 414,1 Iff. Frontin. aq. 72,6. Vulg. Ezech. 36,15: auditam faciam in te amplius confusionem gentium; Vulg. Iudith 14,16: una mulier hebraea fecit confusionem. Ambr. in psalm. 43,70,1; Ambr. Noe 23,82; Hier, in Ezech. 11,36 (CCSL 75) p. 498,577; Fulg. Rusp. epist. 17,10; Cassiod. in psalm. 58,18 1. 417; Facund. defens. 8,5,6; Greg. M. moral. 14,26. confusionem facere

277

De nomine dessen

Verwendung

im

vorliegenden

Text

auf einen

entsprechenden

Hintergrund

zurückgeführt werden kann; dabei ist aber zu berücksichtigen, dass confusionem facere in grammatischen Traktaten außer hier noch jeweils zweimal bei Pomp, und Priscian belegt ist.895 44.10 similiter dicendum est arces arcibus, arcus arcubus: Don. mai. 627,16f. akzeptiert die Endung ubus statt ibus im Dativ und Ablativ Plural nur fur das Nomen artus, damit man es in diesen Kasus von denen des Substantivs ars unterscheiden könne. Der vorliegende Text und die anderen Donatkommentare fügen dem noch arcus zwecks Unterscheidung von arx hinzu.896 Darüber hinaus lässt Cled. das Gesagte mit Verweis auf die Sprachpraxis der „Alten" (antiqui) auch noch für die Substantive portus, quercus, partus, specus und tribus gelten.897 Diese Ausweitung lehnen Serv. comm. und Pomp, ab, indem sie ausdrücklich betonen, dass nur diejenigen Substantive auf ubus statt ibus enden dürfen, welche in den betreffenden Kasus mit anderen verwechselt werden könnten.898 Sie bewerten daher übereinstimmend die Formen specubus und tribubus als Abweichungen von der Regel. Pomp. 195,10ff. führt als Beleg für specubus noch Verg. georg. 3,376 {'ipsi in defossis specubus') an und erinnert damit an die entsprechende Stelle in Servius' Vergilkommentar, wo specubus und tribubus ebenfalls als Ausnahmen von der ars beurteilt werden.899 Diese Überlegungen gehen über Don. mai. und den vorliegenden Text hinaus. 44.11 hoc sane catholicum: hoc sane catholicum ist nur in der Handschrift P, nicht aber in (M) überliefert. Man kann den Ausdruck daher entweder als einen späteren Zusatz in Ρ oder als Auslassung von (M) interpretieren. Gegen eine spätere Ergänzung spricht jedoch, dass der Begriff catholicus in lateinischen Grammatiken nur bis zum späten 4. bzw. frühen 5. Jh. (Diom.) belegt ist und der vorliegende Text somit ohnehin ein 'später' Zeugen für dessen Verwendung wäre.900 Inhaltlich stimmt der Gebrauch von catholicus mit dem bei anderen Grammatikern überein. Das Wort kommt nämlich entweder als Substantiv in der Bedeutung „allgemeine Regel" vor oder, wie an dieser Stelle, als Adjektiv im Sinne von „allgemein

895 896 897

898 899

900

findet sich dagegen in der spätantiken Literatur nur ein einziges Mal bei dem paganen Schriftsteller Macrobius (sat. 1,14,3). Pomp. 231,15f.; 256,20; Prise, gramm. III 157,24f.; Prise, gramm. III 425,17. Serv. comm. 434,29-31; Pomp. 194,12-195,15; Cled. 47,18-23. Cled. 47,2Iff.: sic et portubus dieimus et quereubus et partubus; antiqui enim i in u vertebant, ut specus specubus, non speeibus, ita et tribubus, non tribibus. Vgl. Diom. gramm. I 308,1-3. Vgl. Pomp. 194,28: quando autem remanet u, necesse habet remanere causa discretionis. Serv. georg. 3,376: specubus: artis fuerat speeibus, quia quarta declinatio u in i vertit et ita facit dativum pluralem, ut ab hoc fluetu his fluetibus; sed quia pinguius sonat et melius, specubus dieimus; unum tarnen nomen est, quod aliter non dieimus, ut tribubus. Vgl. Ps. Palaem. gramm. V 537,21 f. Vgl. Ps. Palaem. gramm. V 542,27f.; Vel. Long, gramm. VTI 69,15; 72,9; 78,6f.; Fortun. gramm. VI 285,1; 285,15f.; Sacerd. gramm. VI 470,21f.; Char. 63,16ff.; 72,1 lf.; 72,19f.; 141,10f.; 188,1 lf.; Prob. cath. gramm. IV 3,2; 33,8; Prob. inst, gramm. IV 180,31; Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 46,33; 104,30f.; 110,15f.; Diom. gramm. I 303,30; 306,6f.; 306,21; 492,15.

278

Kommentar

gültig"901; außerdem findet es sich häufig im Zusammenhang mit Regeln zum Ablativ Singular.902 Dies alles spricht für die Authentizität von hoc sane catholicum, die aber zur Folge hätte, dass der Text ein sprachliches Merkmal aufwiese, das ihn von den Donatkommentaren unterscheiden und näher an die Grammatiken des 4. Jhs. heranrücken würde. Andererseits gilt für den Begriff catholicus, wenn man einmal die grammatischen Texte außer acht lässt, dass er auch nach dem 4. Jh. noch bei christlichen Schriftstellern in der Bedeutung „wahr, rechtgläubig" geläufig ist.903 Allerdings stammen die meisten Belege auch hier aus dem 4. und frühen 5. Jh.; vor allem Augustinus hat mehrere Formulierungen, welche der des vorliegenden Textes an dieser Stelle ähneln.904 44,12-47,22 Sciendum est, quod non cadunt in has, quas supra diximus, regulas ...: Der vierte Abschnitt des Kapitels De casibus knüpft insofern eng an den vorhergehenden an, als er zumindest in seinem ersten Teil (44,12-47,3) erneut vom Ablativ Singular ausgeht und die Deklination der Substantive behandelt, die nicht in das zuvor angewandte Schema passen. Im zweiten Teil (47,4-22) geht es dann zum Abschluss des Kapitels De casibus um die Frage, welche Buchstaben für lateinische Substantive als Endung im Nominativ Singular in Frage kommen. Auch in diesem Abschnitt folgt der Text dem Aufbau seiner Vorlage Don. mai. Nur an einer Stelle geht er über Don. mai. hinaus, indem er zu den Nomina, deren Pluraldeklination sich nicht vom Ablativ Singular herleiten lässt, neben den nomina aptota, den nomina tantum pluralia und den nomina Graeca auch noch diejenigen ergänzt, welche im Plural ein anderes Genus haben als im Singular (45,14-21). Eine Parallele dazu findet sich in den anderen Donatkommentaren nicht. Darüber hinaus weisen die Donatkommentare gegenüber dem vorliegenden Text und Don. mai. weitere Eigentümlichkeiten in der Auswahl und in der Anordnung ihres Materials auf. So verzichtet Serv. comm. etwa völlig darauf, die nomina aptota im Zusammenhang mit den Substantiven, deren Deklination sich nicht aus dem Ablativ Singular ergibt, zu besprechen. Dies lässt sich für Pomp, zwar nicht sagen, dort folgt die entsprechende Passage aber erst auf die nomina tantum pluralia und geht ihr nicht voran, wie es aufgrund der Gliederung von

901

902 903

904

Siehe ThLL Bd. III, Sp. 617,65 s. v. 'catholicus'. Vgl. besonders Varro ling. 11,12; Plin. nat. 1,2 (catholica siderum errantium, catholica fiilgurum)·, Quint, inst. 8,5,7; Poiph. Hör. ars 128. Varro ling. 11,12; Char. 141,10f.; 188,1 If.; Diora. gramm. I 303,30. Die Wendung catholicum est/esse findet sich 2 mal bei Lucifer von Cagliari, 2 mal bei Rufin von Aquileia, 22 mal bei Augustinus, 1 mal bei Hieronymus, 1 mal bei Vinzenz von Linns, 1 mal bei Johannes Maxentius, 4 mal bei Facundus von Hermiane sowie 3 mal bei Gregor d. Gr. Vgl. ζ. B. Aug. c. Cresc. 2,20,25: die ergo quod dieimus, quia hoc est verum, hoc sanum, hoc catholicum-, Aug. c. Pelag. 1,15,30: hoc verum est et catholicum ... hoc falsum est et hereticum.

De nomine

279

Don. mai. sein müsste.905 Des Weiteren fehlt bei Serv. comm. und Pomp, ein Kommentar zu der Regel, dass die Deklination griechischer Nomina im Lateinischen beibehalten werden sollte.906 Schließlich ist bei Expl. I überhaupt kein Abschnitt vergleichbaren Inhalts überliefert. 44,19f. ιit hic pulvis: pulvis ist neben sanguis das Standardbeispiel bei den lateinischen Grammatikern fur Substantive, die keine Pluralformen bilden.907 Aufgrund der Eigenschaft dieser Substantive ist es eigentlich selbstverständlich, dass sich eine Herleitung ihrer Deklination im Plural vom Ablativ Singular erübrigt. Warum der Text sie hier trotzdem abweichend von Don. mai. und den anderen Donatkommentaren unter den Substantiven anführt, deren Plural sich nicht vom Ablativ Singular ableiten lässt, ist nicht zu erklären. 44,22 ut Vulcanalia: Vulcanalia gehört zu den Standardbeispielen der Donattradition fur Substantive, die nur im Plural auftreten und daher nicht ausgehend vom Ablativ Singular dekliniert werden können.908 Darüber hinaus finden sich in den verschiedenen Texten mit Saturnalia, Compitalia und Minervalia noch weitere Bezeichnungen römischer Feste in derselben Funktion.909 Serv. comm. und Pomp, begnügen sich hier jedoch nicht wie Don. mai. und der vorliegende Text damit, nur die nomina tantum pluralia neutralen Geschlechts anzuführen, sie geben vielmehr auch noch Beispiele fur die beiden anderen Genera (manes, kalendae) an.910 45,4-11 ut puta nescimus, utrum horum Vulcanalium an Vulcanaliorum

facialDie

Donatkommentare stimmen an dieser Stelle darin überein, dass sie für Pluralwörter, deren Deklination sich nicht vom Ablativ Singular herleiten lässt, ein Analogieverfahren vorschlagen.911 Danach sollen die Kasus der Pluralwörter mit Hilfe von ähnlichen Substantiven,

905

die über einen Ablativ

Singular verfügen, ermittelt werden.912

Der

Pomp. 196,31-197,3 (nomina aptota); Pomp. 195,16-196,30 (nomina tantum pluralia)·, Don. mai. 628,3f. 0aptota); Don. mai. 628,4 (tantum pluralia)·, 44,12-18 (aptota); 44,18-45,13 (tantum pluralia). 906 Vgl. Serv. comm. 429,26ff.; Pomp. 145,26ff.; danach gilt für griechische Substantive, dass man im Lateinischen entweder ihre ursprüngliche Deklination beibehalten oder sie in ein lateinisches Deklinationsschema einfügen sollte. Dies weicht ganz offensichtlich von dem ab, was Don. mai. und der vorliegende Text hier zur Regel erheben (Siehe unten den Kommentar zu 47,1-3). 907 Vgl. oben den Kommentar zu 26,9f. non habentia numerum pluralem nomina masculina, ut pulvis; Don. mai. 623,1 f. 908 Don. mai. 628,4; Serv. comm. 434,3Iff. 909 Vgl. den Kommentar zu 26,22ff. semper pluralia generis neutri, ut arma... moenia... Saturnalia. 910 Serv. comm. 434,34-135.2; Pomp. 195,21ff. 911 Serv. comm. 434,34ff.; Pomp. 195,22ff.; vgl. auch Pomp. 167,24ff. 912 Serv. comm. und Pomp, weisen auch hier verwandte Formulierungen auf: vgl. Serv. comm. 434,33ff.: haec nomina ... ad similitudinem nominum declinanda sunt; Pomp. 195,22f.: ita declinamus: finge similitudinem nominis; Pomp. 196,25f.: ergo ex similitudine colligis, quemadmodum illa nomina numeri tantum pluralis faciant; Pomp. 167,26f.: pluralem numerum declinabis ad similitudinem nominativi singularis.

280

Kommentar

Ähnlichkeitsbegriff bezieht sich dabei nicht auf die Bedeutung der Wörter, sondern auf ihre Bauform als Satzteil, d. h. auf ihre Deklination (syntaktische Morphologie).913 Serv. comm. und Pomp, wenden das Verfahren zunächst für manes und kalendae an, indem sie die Deklination dieser Wörter aus deijenigen von agilis bzw. musa erschließen.914 Der vorliegende Text beschränkt sich dagegen auf das Beispiel Vulcanalia, das in den anderen Donatkommentaren ebenfalls behandelt wird und darüber hinaus auch in älteren Grammatiken des 4. Jhs. einen festen Platz hat.915 Die Tradition stimmt darin überein, dass die korrekte Form des Genitivs Plural Vulcanalium lauten müsste. Pomp. 196,23ff. führt dazu die Deklination von agilis als Beweis an, der vorliegende Text die von sedile (45,5ff.). Alle Traktate schränken ihre Behauptung aber insofern ein, als sie eingestehen, dass auch die Form Vulcanaliorum möglich sei. Der vorliegende Text tut dies, indem er auf einen weiteren analogen Fall verweist, das Substantiv ancile, welches sich bei Horaz in der Form anciliorum finde.916 Soweit folgen ihm auch Serv. comm. und Pomp., zusätzlich zum Kriterium der Analogie bringen beide aber noch für die Form Vulcanaliorum die Autorität lateinischer Schriftsteller vor, Serv comm. mit dem bloßen Hinweis, dass sich die Form neben Vulcanalium in der Literatur {apud auctores) fände, sowie Pomp, mit einem Sallust-Zitat (Sail. hist. frg. 3,50).917 Auch wenn dieser Beleg sonst in keinem anderen Donatkommentar vorkommt, kann man nicht sagen, dass er von Pomp, in der grammatischen Tradition der Römer etabliert worden ist, da auch schon von Char. 77,24f. auf die Sallust-Wendung angespielt sein könnte.918 In Pomp, scheint demnach umfangreicheres Material aus älteren Texten verarbeitet zu sein. Dazu gehört wohl auch Serv. Aen. 7,188, wie es die Zitierung des entsprechenden Vergil-Verses (Verg. Aen. 7,188: laevaque ancile gerebat) erahnen lässt und die inhaltliche Übereinstimmung von Pomp. 196,14-19 mit Servius' Vergilscholion bestätigt.919 45,5f. ponamus econtrario sedile nomen: Pomp, verwendet hier zwar agilis statt sedile, um dadurch nach analogischem Prinzip die korrekte Form des Genitivs Plural von Vulcanalia zu

913 914 9,5 916

917

918 919

Siehe dazu unten den Kommentar zu 46,6 analogia est...; Zur Terminologie siehe: UHL, Servius, S. 139ff. Serv. comm. 434,35-435,1; Pomp. 195,21-196,8. Serv. comm. 435,1-3; Pomp. 196,8-30; Char. 77,1 Iff.; Prob. nom. gramm. IV 208,23ff. Als Beleg dafür zitiert der Text Hör. carm. 3,5,10f. wörtlich (anciliorum et nominis et togae oblitus); diese Stelle ist der grammatischen Tradition der Römer in entsprechender Funktion bestens vertraut: vgl. Char. 77,1 Iff.; Serv. Aen. 7,188; Pomp. 168,21ff.; Pomp. 196,14ff.; Cled. 43,8f. Serv. comm. 435,2f.: nam invenimus apud auctores et ancilium et anciliorum, et Vulcanalium et Vulcanaliorum·, Pomp. 196,19ff.: item Vulcanalium dicimus; tarnen Sallustius dixit 'religione Vulcanaliorum impeditus', sed hoc usurpavit, nam debuit dicere Vulcanalium. Vgl. Pomp. 168,17ff. Char. 77,24f.: ut Bacchanaliorum Sallustius et Volcanaliorum et alii Saturnaliorum et Sigillariorum. Serv. Aen. 7,188: ancile: ... dicimus autem hoc ancile et haec ancilia; anciliorum vero usurpavit Horatius dicens 'anciliorum et nominis et togae oblitusPomp. 196,14-19: habes in Horatio 'anciliorum et nominis et togae oblitus', anciliorum facit; tarnen non potes ei contradicere. quare? ancilia enim numeri sunt tantum pluralis secundum rationem, quamquam legerimus in Vergilio 'laevaque ancilia gerebat'.

281

De nomine

ermitteln920; das Substantiv sedile ist aber den lateinischen Grammatikern sonst als Beispiel wort so vertraut921, dass seine Verwendung durch den vorliegenden Text nicht ungewöhnlich erscheinen muss. 45,6f. ad huius collationem: Siehe den Kommentar zu 11,18 ad collationem luminis. 45,10 dicente Horatio·. Ein absoluter Ablativ bestehend aus dicente als Partizip und dem Namen eines

Schriftstellers als Bezugswort

ist in lateinischen

Grammatiken

zur

Verfasserangabe bei einem Zitat ungewöhnlich. Die Konstruktion findet sich in dieser Funktion nur ein weiteres Mal bei Aug. reg. gramm. V 496,20.922 Auch sonst ist die Art und Weise des Ausdrucks in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. unüblich. Im Gegensatz dazu zeigen

christliche Texte der Spätantike geradezu

eine Vorliebe

für dicente

mit

Verfassernamen als Einleitung eines Zitats. Schon in der Heiligen Schrift kommt eine entsprechende Wendung zweimal vor923, danach weitaus häufiger bei verschiedenen christlichen Autoren bis über das Ende der Antike hinaus, und zwar vor allem in den Formen dicente Domino, dicente apostolo und dicente evangelista,924 Es handelt sich demnach um eine eindeutig christlich geprägte Formulierung. 45,10f. 'anciliorum nominis et togae oblitus': Zum Horaz-Zitat (Hör. carm. 3,5,10f.) siehe den Kommentar zu 45,4ff. ut puta nescimus, utrum horum Vulcanalium an Vulcanaliorum faciat. 45,11-13 sciendum est, quod neutra nomina in nominative plurali ia terminata genitivum pluralem per ium , non per rum proferunt, ut agilia agilium, fortia fortium: Trotz der erörteten Abweichungen bei den auctores hinsichtlich der Form des Genitivs Plural von Vulcanalia und ancilia formuliert der Text abschließend die Regel, dass Substantive neutralen Geschlechts mit der Endung ia im Nominativ Plural den Genitiv Plural auf ium bilden. Er stimmt darin mit Pomp, und Cled. überein.925 Die Beispiele agilia und fortia gehören in diesem Zusammenhang zum Standardrepertoire der artigraphischen Tradition.926

920 921

922 923 924

925 926

Pomp. 196,2Iff.; vgl. auch Pomp. 168,14ff. Vgl. 47,4f.; Don. mai. 622,lf.; 628,10ff.; Pomp. 165,5f.; Cled. 41,28; Consent, gramm. V 347,19f.; Aug. reg. gramm. V 497,7f.; Phoc. gramm. V 423,lf. Aug. reg. gramm. V 496,20: dicente Sallustio 'flumen Turia'. Vulg. Dan. 13,53 (dicente Domino); Vulg. Apost. 28,25 (dicente Paulo). Allein Augustinus hat 85 mal dicente Domino, 103 mal dicente apostolo und 2 mal dicente evangelista. Der einzige nichtchristliche Schriftsteller, bei dem dicente in der beschriebenen Funktion verwendet wird, ist Macrobius (Macr. somn. 2,16,22: vel Piatone dicente vel Tullio). Pomp. 168,5ff.; Cled. 43,4ff. Char. 188,Iff.; Char. 189,30ff; Prob. inst, gramm. IV 68,7ff.

282

Kommentar

45,14 illud praeterea nosse debemus: Siehe den Kommentar zu 29,24f. illud maxime nosse debemus, quod 45,17 ut hoc caepe hae caepae: Siehe den Kommentar zu 22,22ff. ut hoc balneum hae balneae, hic Tartarus haec Tartara, hoc caelum hi caeli. 46,1-5 non veniunt ad supradictas regulas, quae a Graecis sumpsimus, ut poema, thema, schema, emblema, ideo quod ablativum Graeci non habent ...: Eine dritte Gruppe von Substantiven, deren Pluraldeklination sich nicht vom Ablativ Singular herleiten lässt, besteht aus denjenigen, welche die lateinische Sprache aus dem Griechischen übernommen hat. Die Beispiele des vorliegenden Textes (poema, thema, schema, emblema) entsprechen weitgehend denen von Don. mai. und der anderen Donatkommentare in diesem Zusammenhang.927 Nur thema ist im Vergleich zu den anderen eher selten vertreten.928 Wie Don. mai. beschränkt sich der Text auf den Hinweis, dass die genannten Substantive von den Vorfahren wie Nomina weiblichen Geschlechts behandelt, d. h. nach der ersten Deklination gebildet worden sind. Belege dafür liefern aber beide nicht. Demgegenüber führen Serv. comm., Pomp, und Cled. übereinstimmend Cicero als Zeugen für eine unregelmäßige Deklination von peripetasma an.929 Pomp, hat darüber hinaus noch ein Plautus-Zitat (Plaut. Amph. 117) mit dem nach der ersten Deklination gebildeten Substantiv schema.930 Diese Stelle ist schon in der älteren artigraphischen Tradition vertreten931, der Cicero-Beleg zu peripetasma hingegen nicht. 46,6-9 analogia est rerum similium collatio, quae nos docet, cum nobis inaequalis velut similium nominum obicitur declinatio, quid quaeramus et probemus, huius comparationis an firma sit quaestioi Die Behandlung von analogia als Kriterium der Sprachrichtigkeit ist an dieser Stelle durch Don. mai. 628,6f. motiviert. Dort wird für die zuvor angeführten Substantive, deren Pluraldeklination sich nicht vom Ablativ Singular herleiten lässt, ein Analogieverfahren vorgeschlagen, um die fraglichen Kasus zu ermitteln. Die Definition von analogia als rerum similium collatio ist mit denen der anderen Donatkommentare verwandt932; Serv. comm. und Pomp, fügen allerdings noch hinzu, dass 927

928 929

930

931 932

Don. mai. 628,4ff.; Serv. comm. 435,4f.; Pomp. 197,3ff.; vgl. auch Don. mai. 620,4; Pomp. 162,13; Cled. 39,21 f.. Aug. reg. gramm. V 496,19; 501,21ff.; Ps. Palaem. gramm. V 535,3f. Serv. comm. 435,12ff.: legimus enim apud Ciceronem ... peripetasmatorum peripetasmatis; Pomp. 197,17ff.: habes et in Cicerone 'tu de peripetasmis' (Cie. Verr. II 4,28); Cled. 47,3 lf.: Cicero dixit peripetasmatis, non peripetasmatibus. Pomp. 197,15: nam ait Plautus 'processit Mercurius cum servili schema' (Plaut. Amph. 117: ego hue Processi sic cum servili schema). Char. 65,28ff.; 183,5ff.; Sacerd. gramm. VI 471,6-14; Prob. cath. gramm. IV 6,29ff. Serv. comm. 435,15f. (ratio declinationis nominum inter se omni parte similium); Pomp. 197,22 (comparatio similium)·, Cled. 47,13f (similium similis declinatio)..

De nomine

283

proportio die lateinische Entsprechung für den griechischen Begriff analogia ist.933 Dies alles ist durch die artigraphische Tradition vorgegeben, in der sich ähnliche Definitionen von analogia zumindest bis auf Quintilian zurückverfolgen lassen.934 Das Verfahren der Analogie zielt naturgemäß darauf ab, Unbekanntes aus Bekanntem zu erschließen.935 Es dient aber, wie der vorliegende Text hier zu erkennen gibt, auch dazu, Unregelmäßigkeiten

in der Deklination zwischen äußerlich ähnlichen

Substantiven

(inaequalis declinatio similium nominum) zu erklären. Voraussetzung für die Anwendung des analogischen Prinzips ist, dass die Sprachrichtigkeit auf „logische Folgerichtigkeit" (ratio) zurückgeführt wird, d. h. dass sie von einer der Sprache zugrundeliegenden „durchgehenden Ähnlichkeitsstruktur" ausgeht.936 Auf dieser Basis hat analogia dann umgekehrt die Aufgabe, der ratio die Argumente für Sprachrichtigkeit bereitzustellen. Der Bereich, für den der Text den Einsatz von analogia vorsieht, betrifft die Bauform einzelner Wörter, d. h. ihre Bildung und ihre Flexion (Morphologie).937 So beziehen sich in dem unten angeführten Beispiel lupus!lepus (46,1 Iff.) sowohl das Argument für Analogie der ähnliche Bau der beiden Wörter - als auch der Bereich, für den Analogie nachgewiesen werden soll - ihre Deklination - auf die Morphologie. Dagegen wird die Wortbedeutung (Semantik) hier und auch sonst nicht für das analogische Verfahren herangezogen. Damit vertritt der Text einen eng gefassten Analogie-Begriff, wie er auch bei Serv. comm. und Pomp,

vorliegt.938

Demgegenüber

ist

das

Spektrum

von

analogia

in

Servius'

Vergilkommentar insofern vielschichtiger, als dort für die Ähnlichkeit zweier Wörter auch mit deren Bedeutung (Semantik) argumentiert wird.939 46,9-11 in analogia sive pro ratione octo ista requiruntur: sex accidentia nominum non solum, sed etiam exitus syllabarum et paenultimae consonantes: Eine vollständige Analogie zwischen zwei zu vergleichenden Wörtern besteht nur dann, wenn Ähnlichkeit in acht Aspekten vorliegt. Beim Substantiv betrifft dies die sechs Akzidentien (sex accidentia nominum), die Endung (exitus syllabarum) sowie die Konsonanten der vorletzten Silbe (paenultimae consonantes). Ein entsprechender Kanon von Ahnlichkeitskriterien findet sich

933 934

933

934 937 m 939

Serv. comm. 435,16: latineproportio vocatur, Pomp. 197,22: latineproportio dicitur. Quint, inst. l,6,3ff.; Mart. Cap. 3,290 (analogia est, quae latine proportio dicitur, observatio similium inter se loquellarum). Vgl. ThLL Bd. II Sp. 15,77ff. s. v. 'analogia'. Vgl. auch Vairo ling. 10,74: analogia est verborum similium declinatio similis. Siehe dazu: N. LAUSBERG, Handbuch der literarischen Rhetorik - Eine Grundlegung der Literaturwissenschaft, Stuttgart31990, S. 254f.; UHL, Servius, S. 130ff. LAUSBERG, Rhetorik, S. 254. Zu den Begriffen 'Morphologie' und 'Semantik' siehe: UHL, Servius, S. 139f. Serv. comm. 435,15-23; Pomp. 197,20-199,4. UHL, Servius, S. 139ff.; die Ähnlichkeit der Wortbedeutung wird etwa in Serv. Aen. 11,859 als Argument für die Deklination von arcus und cornu verwendet, in Serv. auct. Aen. 1,546 für die Kasusrektion von comedere und vesci.

284

Kommentar

auch bei Serv. comm. und Pomp.940; Pomp, fügt allerdings als neuntes Merkmal noch die Quantitäten (tempora) der Wörter hinzu.941 Ob dies aus Caesars Schrift De analogia entlehnt ist, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Pomp, verweist hier jedenfalls auf Caesars Abhandlung als weiterführendes Hilfsmittel.942 Insgesamt wird De analogia viermal bei Pomp, zitiert943, in den anderen Donatkommentaren hingegen nirgends. Die Einführung dieser Schrift in die Donaterklärung scheint demnach eine Leistung von Pomp, zu sein. 46.12 ut si quis nobis obiciat lupus et lepus: Zu si quis nobis obiciat siehe den Kommentar zu 21,18 ne quis nobis obiciat. Der Vergleich von lupus und lepus ist in der artigraphischen Tradition Standardbeispiel dafür, dass zwei ähnlich gebaute Wörter verschieden dekliniert werden und sich das Prinzip der Anomalie gegen das der Analogie durchsetzt. Dennoch kann auch hier das analogische Verfahren, d. h. die Überprüfung der acht Ähnlichkeitskriterien, angewandt werden, nämlich zu dem Zweck, die Anomalie zu erklären. Das Genus von lupus und lepus stimmt nämlich nicht überein und ist für die abweichende Deklination der beiden Substantive verantwortlich. Die Tradition des Vergleichs von lupus und lepus lässt sich bis auf Varro zurückverfolgen und reicht über Quintilian, Gellius, Sacerdos und Charisius bis zu den Donatkommentaren, von denen Serv. comm. und Pomp, lupus und lepus ebenfalls an dieser Stelle einander gegenüberstellen.944 Pomp, vergleicht darüber hinaus noch doctus und aptus als Beispiel für ein analoges Verhältnis miteinander.945 46.13 currendum est: Das Gerundivum currendum est kommt in präskriptiver Funktion weder in lateinischen Grammatiken noch in der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. vor. Bei christlichen Autoren der Spätantike ist die Wendung dagegen gelegentlich vertreten.946 46,13f. scrutandum est: Das Gerundivum scrutandum est kommt in der lateinischen Grammatik sonst nur noch ein einziges Mal in einem unter dem Namen des Marius Victorinus überlieferten Traktat (4. Jh.) vor.947 In der lateinischen Literatur findet es sich bei Autoren des

940 941 942 943 944

945 946

947

Serv. comm. 435,16-19; Pomp. 197,24-28. Pomp. 197,28f.: deinde ut tempora sint similia, si illa brevis est, et ilia brevis sit. Pomp. 197,30-198,2; vgl. Caes. fg. 11 GRF (ed. Funaioli) S. 151. Pomp. 108,9; 144,19; 197,31; 199,14. Varro ling. 8,33f.; Quint, inst. 1,6,12; Gell. 2,25; Sacerd. gramm. VI 477,27ff. (Prob. cath. gramm. IV 26,36ff.; Char. 93,23f.; Char. 171,28ff.; Serv. comm. 435,21-23; Pomp. 198,17-31. Vgl. auch Iulian. Toi. 26,422ff.; Isid. orig. 1,28,1. Pomp. 198,2-17. Filastrius hat 1 mal currendum est, Ambrosius 2 mal, Chromatius von Aquileia 1 mal, Amobius der Jüngere 1 mal, Augustinus 4 mal, Prosper Tiro von Aquitanien 1 mal, Hieronymus 2 mal, Caesarius von Arles 1 mal, Leo d. Gr. 2 mal. Ps. Mar. Victorin. gramm. VI 74,32f.: nihil in eodem scrutandum est.

De nomine

285

1. und 2. Jh., allen voran bei den Fachschriftstellern Quintilian und Siculus Flaccus.948 In christlich geprägten Texten ist die Wendung nur jeweils einmal bei Augustinus und Zeno von Verona vertreten.949 Diese beiden Belege deuten aber zusammen mit dem bei Ps. Marius Victorinus daraufhin, dass scrutandum est vor allem im späten 4. Jh. geläufig gewesen ist. 46,15f. iure vincitur contendentis obiectio'. Die Wendung contendentis obiectio ist sonst weder bei den römischen Grammatikern noch in der lateinischen Literatur nachzuweisen. Das Nomen obiectio ('Vorwurf) selbst wird äußerst selten verwendet und findet sich nur an einigen Stellen in Servius' Vergilkommentar.950 Bei Serv. Aen. 2,646 steht es dem Substantiv responsio ('Antwort') gegenüber951, was insofern von Interesse ist, als bei Marius Victorinus der Ausdruck responsio contendentis belegt ist952, der offensichtlich mit der Formulierung obiectio contendentis im vorliegenden Text verwandt ist. 47,1-3 illud praeterea nosse debemus, quod Graeca nomina sua melius declinatione proferuntur, ut haec Dido huius Didus, huic Dido hanc Didon, ο Dido ab hac Dido: Die Verwendung griechischer Substantive im Lateinischen wurde bereits im Kapitel De qualitate behandelt (9,6ff.). Dort hat der Text in Anlehnung an Don. mai. 615,7flf. drei Kategorien aufgestellt, um die Graeca nomina nach dem Grad ihrer Anpassung an die lateinische Sprache zu systematisieren. Danach bilden diejenigen Substantive eine Gruppe, welche auch im Lateinischen ihre griechische Form behalten (tota Graeca: 'Euterpe"), eine zweite diejenigen, welche sich ganz der lateinischen Sprache anpassen (tota Latina: 'Ulyxes") und eine dritte schließlich diejenigen, welche zwar im Wortstamm griechisch bleiben, dafür aber ein lateinisches Morphem annehmen (notha: 'Agamemno"). An dieser Stelle geht der Text nun erneut auf die Graeca nomina ein, wiederum durch Don. mai. veranlasst.953 Genau genommen geht es allerdings, wenn man die drei Kategorien zugrunde legt, nur um die tota Graeca, d. h. um die griechischen Substantive, welche auch im Lateinischen ganz griechisch bleiben. Wenn der Text an dieser Stelle nun die Regel aufstellt, dass die Nomina ihre griechische Deklination beibehalten, dann wiederholt er damit das, was er oben (9,6ff.) bereits erörtert hat.954 In der Sache stimmt er mit Don. mai. und der Mehrzahl älterer Grammatiken überein.955 948 949 950 951

952 953 954

955

Tac. ann. 3,12,19; Sen. dial. 1,6,9; Quint, inst. 5,10,22; 10,1,20; Apul. apol. 53,30; Sic. Flacc. grom. p. 124,1. Aug. quaest. hept. 2,43 (CCSL 33) p. 86,592; Zeno 1,34,1. Serv. Aen. 2,646; Serv. auct. Aen. 4,569; 9,138; Serv. Aen. 11,298; 11,399; Serv. georg. 4,421. Serv. Aen. 2,646: exuviasque petet: quasi obiectio 'sed spoliatum linguet cadaver' et responsio 'facilis iactura sepulcri'. Mar. Victorin. rhet. 1,32 p. 241,34: rursus debebis responsionem contendentis attendere. Don. mai. 628,7ff. 9,6ff.: sunt quae ad integrum Graeca nomina sunt et per omnes casus Graecae serviunt declinationi, ut Euterpe, Melpomene. Don. mai. 628,7ff.; Cled. 48,15ff.; Serv. Aen. 4,383; Exc. Bob. gramm. I 543,18ff.; Diom. gramm. I 303,23ff; Aug. reg. gramm. V 497,27ff.

286

Kommentar

Hiervon weichen Serv. comm. und Pomp. ab. Zunächst verzichten beide gegen Don. mai. auf eine Anmerkung zur Deklination der Graeca nomina im vorliegenden Zusammenhang. Stattdessen beschränken sie sich auf die Behandlung dieser Frage im Kapitel De qualitate, wo es erstmals um die griechischen Substantive ging.956 Außerdem erheben beide für die tota Graeca nicht wie Don. mai. und der vorliegende Text eine Beibehaltung der griechischen Deklination zur Regel, sondern lassen neben der griechischen auch eine lateinische Deklination gelten. Damit nehmen Serv. comm. und Pomp, in der artigraphischen Tradition eine Sonderposition ein, zu der sich nur bei Char. 79,13 ff. eine Entsprechung findet. Der Eigenname Dido ist in lateinischen Grammatiken ein Standardbeispiel, das immer dann verwendet wird, wenn es um die Frage geht, wie griechische Substantive der lateinischen Sprache angepasst werden.957 Die Antwort darauf fällt jedoch unterschiedlich aus, je nachdem ob die griechische Deklination gewahrt bleiben soll oder nicht. Das Nomen Dido kommt daher entweder wie im vorliegenden Text mit seinen ursprünglichen Kasusendungen vor oder wie bei Serv. comm. oder Pomp, mit seinen latinisierten. 47,4-8 nominativus in Latinis aut a terminator, ut Musa, aut e, ut sedile, aut i, utfrugi, aut o, ut Cicero, aut u, ut cornu, aut l, ut mel, aut m, ut scamnum, aut r, ut puer, aut s, ut doctus, aut x, ut pix, aut t, ut caput, aut c, ut allec: Eine Übersicht über die Endbuchstaben lateinischer Substantive im Nominativ Singular findet sich in der Donattradition bei Don. mai. und Pomp, sowie darüber hinaus auch in anderen spätantiken Grammatiken.958 Von den Beispielen des vorliegenden Textes weichen musa, Cicero, cornu, carmen, puer, doctus und pix von denen bei Don. mai. ab. Abgesehen von puer stimmt Pomp, damit in allen Fällen überein. Dies deutet auf eine von Don. mai. unabhängige, gemeinsame Vorlage der beiden Kommentare zu Donat hin. Darüber hinaus hat Pomp, zweimal ein anderes Beispiel als Don. mai. und der vorliegende Text, und zwar monile statt sedile sowie templum statt scamnum. Alle Abweichungen, auch die zwischen Don. mai. einerseits und dem vorliegenden Text sowie Pomp, andererseits, lassen sich aber durch Parallelen in anderen Grammatiken stützen.959 Daraus ist zu ersehen, dass die Beispiele in diesem Zusammenhang nahezu gegeneinander austauschbar sind und geringfügige Abweichungen keinen Anstoß erregen müssen.960

956 957

958 959

960

Serv. comm. 429,26ff.; Pomp. 145,26ff. Sacerd. gramm. VI 475,4ff. (Prob. cath. gramm. IV 9,3 Iff.); Exc. Bob. gramm. I 543,18ff.; Aug. reg. gramm. V 497,27if.; Serv. Aen. 4,383; Serv. comm. 429,26fF.; Pomp. 145,26ff. Don. mai. 628,10ff.; Pomp. 199,5ff.; Diom. gramm. 1303,3ff.; Audax gramm. VII 327,8ßf. Die vom vorliegenden Text abweichenden Beispiele finden sich in folgenden Traktaten: tabula (Don. mai., Audax); monile (Pomp., Diom., Audax); ratio (Don. mai., Audax); genu (Don. mai., Audax); templum (Pomp., Diom.); flumen (Don. mai., Audax); Caesar (Pomp., Diom.); nox (Don. mai., Audax). Zur Austauschbarkeit von sedile/monile siehe den Kommentar zu 25,8; zu comu/genu siehe 25,16f. und 31,12ff.; zu scamnum/templum siehe 31,12ff.

De nomine

287

47,8 in dubitationem cecidit: Die Wendung in dubitationem cadere ist sonst weder bei den römischen Grammatikern noch in der lateinischen Literatur belegt. Lediglich bei Expl. I findet sich eine ähnliche Formulierung (in dubitationem incidere).961 In christlichen Texten ist eine Parallele (ad dubitationem cadere) erst sehr spät bei Gregor d. Gr. bezeugt.962 47,10f. in maiorem venit dubitationem: Der Ausdruck in dubitationem venire wird in der lateinischen Grammatik sonst nur noch von Pomp. (6 mal) verwendet.963 Abgesehen davon handelt es sich um eine eher seltene Wendung; sie findet sich nämlich in der römischen Literatur bis zum 3. Jh. nur ein einziges Mal bei Quintilian und in der Spätantike nur jeweils einmal bei Martianus Capella und Augustinus.964 47,11-22 lac enim dici nonpotest...:

Eine Diskussion der korrekten Endung des Nominativs

Singular von lac bzw. allec findet sich in den Donatkommentaren außerdem noch bei Pomp, und Cled.965 Darüber hinaus wird die Frage aber auch in mehreren älteren Grammatiken erörtert.966 Die Texte stimmen weitgehend darin überein, dass, wenn man die ars als Kriterium zugrundelegt, die korrekte Form lade heißen müsste, weil gegen lac das -t im Genitiv Singular (lactis) spreche und gegen lact die Regel, dass ein Wort nicht in zwei stimmlosen Konsonanten (mutae litterae) auslauten dürfe. Dies werde zusätzlich durch die auctoritas des Plautus gestützt, der an einer Stelle (Plaut. Bacch. frg. 6,19) lade als Nominativ Singular verwende. Dem stehe aber die Sprachpraxis (usus, consuetudo) entgegen, in der lac üblich sei, wie aus Verg. ecl. 2,22 (lac mihi non aestate novum, non frigore defit) zu ersehen. Pomp, fuhrt über den vorliegenden Text hinaus Varro als Verfechter der Form lact an und Caesar als Kritiker dieser Position.967 Auf eine entsprechende Vorlage scheint auch Cled. zurückzugehen. Diese ist aber offensichtlich fehlerhaft verarbeitet worden; denn Cled. zufolge hat Varro die Form lact gerade abgelehnt und nicht befürwortet, wie von Pomp, behauptet.968 47,20 ex auctoritate firmetur: Der Ausdruck findet sich mehrfach bei Serv. comm., allerdings ohne die Präposition ex.969

961 962 963 964 965 966

967 968

969

Expl. 1491,25f.: incidunt enim aliqua nomina in dubitationem. Greg. M. in evang. 25,8: de cognitione sua ad dubitationem cecidit. Pomp. 153,19f.; 188,18; 189,4; 245,2; 273,2f.; 273,22. Quint, decl. 320,8; Mart. Cap. 3,305; Aug. c. Iulian. op. imperf. 3,6. Pomp. 199,9-19; Cled. 48,22-27. Caper gramm. VII 95,13ff.; Sacerd. gramm. VI 471,23-472,4 (Prob. cath. gramm. IV 7,3ff.); Char. 129,17ff; vgl. auch Mart. Cap. 3,307. Pomp. 199,12-15. Cled. 48,23f.; die Ansicht von Pomp., dass Varro die Form lact bevorzugt hat, wird durch Sacerd. gramm. VI 471,23ff. bestätigt. Serv. comm. 408,16; 409,31; 417,40; 429,20; 434,11; 437,22; 441,14; vgl. auch Serv. Aen. 1,430.

288

Kommentar

47,21 hodie: Das Adverb hodie wird vom vorliegenden Text insgesamt viermal verwendet, um den aktuellen Spachgebrauch anzuzeigen.970 Dieser wird in drei von vier Fällen durch Zitate aus Vergil gestützt. Man ist zwar geneigt, die Verwendung von hodie als Hinweis auf die Gegenwart des Textes zu interpretieren und daraus Schlussfolgerungen für seine Datierung zu ziehen.971 Doch hier ist deshalb Vorsicht geboten, weil der vorliegende Text in die Tradition der servianischen Donatkommentare gehört und hodie ebenso einer Vorlage entstammen kann. So hat

SCHINDEL

gezeigt, dass der Gebrauch von hodie bei Pomp, eher auf Servius zurückgeht, als dass Pomp, selbst das Adverb ausgewählt hat.972 Dass die Stellen mit hodie im vorliegenden Text ebenfalls auf einer älteren Vorlage zu beruhen scheinen, geht daraus hervor, dass sich für alle vier Fälle Parallelen bei Pomp, oder in Servius' Vergilkommentar finden, wo auch durch hodie oder nunc auf die aktuelle Sprachpraxis verwiesen wird. 973 Da diese Texte aber zweifellos verschiedenen Zeiten angehören, ist ersichtlich, dass hodie nur als ein sehr weitgefasster Begriff verstanden werden kann und für eine exakte Datierung der Kommentare ungeeignet ist.

970 971 972 973

Außer hier noch 16,5ff. (acer/acris); 19,10 (septimus casus); 42,9f. (navem/navim). Siehe etwa für Servius' Vergilkommentar U h l , Servius, S. 39. SCHINDEL, Figurenlehren, S. 27f. Zu 16,5ff. vgl. Serv. Aen. 6,685; zu 19,10f. vgl. Pomp. 157,24f.; zu 42,9f. vgl. Pomp. 192,12ff.; zu 47,20ff. vgl. Pomp. 199,18f.

De pronomine

289

3.3 De pronomine (48,1 - 50,6) Don. mai. 629,1-11; Serv. comm. 409,35-410,18; 435,25-31; Expl. 1 498,36-501,24; Pomp. 199,21203,30; Cled. 14,9-15,32; 49,2-50,19. Mit dem Kapitel De pronomine beginnt der Teil, zu welchem in der Handschrift Ρ überhaupt keine Überlieferung mehr vorliegt und in (M) eine nur sehr lückenhafte. Während nämlich im Vorangegangenen noch nahezu jeder Satz von Don. mai. kommentiert wurde, fehlen von jetzt an die Erläuterungen zu größeren Abschnitten des Prätextes. Zum Pronomen ist nur die Einleitung überliefert, in der die neue Wortart definiert und von den anderen, insbesondere vom Nomen abgegrenzt wird (48,1-25), sowie Anmerkungen zum Akzidens De qualitate mit der Unterteilung der Pronomina in finita und infinita (48,27-50,6). Dagegen vermisst man einen Kommentar zu den übrigen Kategorien des Pronomens - genus, numerus, figura, persona, casus -, wie er etwa bei Don. mai. und in den anderen Donatkommentaren vorhanden ist.1 Für den überlieferten Text fällt im Vergleich zu Don. mai. eine Abweichung in der Anordnung des Materials von De qualitate auf. Don. mai. unterteilt nämlich die Pronomina zunächst ganz allgemein in finita und infinita (Don. mai. 629,5-7); er fugt dann aber, eingeleitet durch sunt etiam ..., verschiedene andere Arten von Pronomen an, welche von den minus quam finita über die possessiva bis hin zu den relativa und demonstrativa reichen (Don. mai. 629,8fF.). Insgesamt handelt es sich dabei um 13 Arten, die Don. mai. offensichtlich alle zur Gruppe der infinita rechnet. Der vorliegende Text weicht davon insofern ab, als er neben die pronomina finita und infinita nur die minus quam finita (49,18ff.) und possessiva (50,3ff.) stellt, alle anderen von Don. mai. genannten Arten aber außer Acht lässt. Angesichts des schlechten Überlieferungszustandes im Kapitel De pronomine ist man geneigt, dies als eine Auslassung zu deuten, die erst im Zuge der Tradierung des Textes entstanden sein mag. Gegen diese Deutung spricht aber der Aufbau der anderen Donatkommentare, die hier eher mit dem vorliegenden Text als mit Don. mai. übereinstimmen. So werden die minus quam finita und possessiva von Serv. comm., Expl. I und Pomp, ebenfalls neben den finita und infinita behandelt und nicht wie bei Don. mai. zusammen mit verschiedenen anderen Arten.2 Diese Anordnung erinnert an die von Prob, inst., wo die Pronomina hinsichtlich ihrer qualitas in die vier Kategorien finitum, infinitum, minus quam finitum und possessivum eingeteilt worden sind.3 Auf den ersten Blick scheinen die Donatkommentare diese Systematisierung 1

2

3

Don. mai. 630,3-632,3; Serv. comm. 410,32-411,12; 436,23-34; Expl. I 501,25-502,24; Pomp. 206,17-212,2; Cled. 51,24-53,27. minus quam finita: Serv. comm. 410,11-17; Expl. I 500,19-31; Pomp. 203,3-26. possessiva: Serv. comm. 410,17f.; Expl. I 500,31-501,13; Pomp. 203,27-30. Prob. inst, gramm. IV 131,25f.: qualitas pronominum in quattuor formas dividitur: finita, minus quam finita, infinita, possessiva.

Kommentar

290

gegenüber der von Don. mai. gewählten zu bevorzugen. Allerdings findet sich bei allen auch die Don. mai. entlehnte Aussage, dass die qualitas des Pronomens zweigeteilt sei4; Serv. comm. und Pomp, sprechen sich darüber hinaus sogar ausdrücklich gegen eine Vierteilung, wie von 'Probus' vertreten, aus.5 Dieser Widerspruch löst sich auf, wenn man die Argumentation von Serv. comm. und Pomp, näher betrachtet. Beide folgen Don. mai. darin, dass die Pronomina in finita und infinita zu unterteilen sind. Dann gliedern sie aber die infinita ihrerseits in die generaliter infinita, minus quam finita und possessiva und verzichten dabei auf alle übrigen von Don. mai. genannten Arten.6 Serv. comm. erwähnt zwar noch die articularia und demonstrativa als ebenfalls zu den infinita gehörig, er geht aber nicht näher auf diese Arten ein.7 Das heißt, dass die von Don. mai. vertretene Zweiteilung der Pronomina in finita und infinita grundsätzlich auch von Serv. comm. und Pomp, akzeptiert wird, dass diese aber die umfangreiche Gruppe der infinita so reduzieren, dass die von Prob. inst, aufgestellten Kategorien finitum, infinitum, minus quam finitum und possessivum nebeneinander stehen, wenn auch in abgestufter Hierarchie. Damit erweist sich die Einteilung der Pronomina bei Serv. comm. und Pomp, als eine Kombination aus den Gliederungen von Don. mai. und 'Probus'.

finita Don, mai.:

pronomina infinita (minus quam fin., possessiva, demonstr., relat., etc.)

Serv. comm./

pronomina

Pomp.:

^^

infinita\^

(generaliter) infinita

* minus quam finita possessiva

finita Prob, inst.:

pronomina '

minus quam finita infinita possessiva

4 5 6

7

Serv. comm. 410,If.; Expl. I 500,4f.; Pomp. 200,1 lf. Serv. comm. 435,25ff.; Pomp. 200,1 Iff. Serv. comm. 410,6fr.; Pomp. 200,27ff.; ebenso Expl. I 500,13-18.>ώα: Serv. comm. 410,3-6; Expl. I 500,513; Pomp. 202,18-25; infinita: Serv. comm. 410,6-11; Expl. I 500,13-18; Pomp. 203,1-3. minus quam finita·. Serv. comm. 410,11-17; Expl. 1 500,19-31; Pomp. 203,3-26. possessiva: Serv. comm. 410,17f.; Expl. I 500,31-501,31; Pomp. 203,27-30. Serv. comm. 410,9. Der einzige Donatkommentar, der auch die anderen von Don. mai. aufgeführten Arten der Pronomina erörtert, ist Cled. 15,3fT. und 50,19ff.

De pronomine

291

Die Anordnung des Materials im vorliegenden Text stimmt mit der von Serv. comm. und Pomp, überein. Allerdings bleibt unklar, ob er die minus quam finita und possessiva zu der Gruppe der infinita rechnet. Dies ist auch dadurch bedingt, dass der Text nicht, wie Serv. comm. und Pomp., zwischen infinita als Oberbegriff und generaliter infinita als Bezeichnung fur eine bestimmte Gruppe untergeordneter Pronomina trennt8, sondern letztere ebenso unter dem Namen infinita fuhrt (50,2-4).9 Die Gliederung tritt daher nicht so deutlich hervor wie bei Serv. comm. und Pomp. Trotzdem bestätigt der Text in diesem Fall die Abweichung von Don. mai. als ein übereinstimmendes Merkmal der Donatkommentare, das auf eine gemeinsame Vorlage hindeutet. Die Abweichung der Donatkommentare ist darauf zurückzuführen, dass diese offensichtlich mit der Systematisierung der Pronomina durch Don. mai. nicht einverstanden waren. Don. mai. hat die Zweiteilung bevorzugt, um das Pronomen hinsichtlich seiner qualitas mit dem Nomen gleichzusetzen und auf diese Weise die Verwandtschaft der beiden Wortarten hervorzuheben.10 Denn so wie man die Substantive in nomina propria und nomina appellativa gliedern kann, werden bei ihm auch die Pronomina in die zwei Kategorien finitum und infinitum

unterteilt,

wobei

jeweils

die

Bestimmtheit

bzw.

Unbestimmtheit

als

Unterscheidungskriterium dient. Die gesuchte Parallelität zeigt sich unter anderem darin, dass Don. mai. unter den pronomina infinita so seltene Arten wie die pronomina gentis (629,9; 'cuias, nostras, cuiates, nostrates'1) oder die pronomina numeri (629,10; 'quot, tot') anfuhrt, nur um eine Beziehung zu den gleichnamigen Kategorien der nomina appellativa herzustellen." Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass auch die pronomina minus quam finita und pronomina possessiva, die bei 'Probus' noch zwei gleichberechtigte Kategorien neben den finita und infinita darstellen, in der großen Gruppe der infinita verschwinden12, weil sonst die Parallele zu den nomina appellativa schon an der grundlegenden Zweiteilung scheitern würde. Die Nachteile dieser etwas gezwungenen Gleichsetzung von Nomen und Pronomen bestehen zweifellos darin, dass zum einen die spezifischen Eigenschaften des Pronomens an den Rand gedrängt werden und sich zum anderen die Anzahl der Wörter erhöht, die dem Pronomen als Wortart zugerechnet werden.13 Weil weder eine feste Zahl noch eine eindeutige Zuordnung besteht - das Pronomen hic wird etwa bei Don. mai. sowohl unter den praepositiva als auch

*

Expl. I 500,16-18 verwendet ebenfalls den Begriff generaliter infinitum und stimmt wörtlich mit dessen Definition bei Serv. comm. 410,9-11 Uberein: generaliter infinitum dicitur, quod potest cuicumque aptari personae. ' Vgl. Serv. comm. 410,9-11: generaliter infinita sunt, quae cuicumque personae aptari possunt, ut est quis; et sunt haec Septem tantum, quis qualis talis quantus tantus quotus totus. 10 Siehe dazu: HOLTZ, Donat, S. 128-131. " Vgl. Don. mai. 616,9ff.: (sc. sunt) alia (nomina) gentis, ut Graecus Hispanus... alia numeri, ut unus duo. 12 Don. mai. 629,8ff.: sunt etiam pronomina minus quam finita, ut ipse iste ... alia ad aliquid finita, ut meus tuus suus; haec etiam possessiva dicuntur. Vgl. Don. mai. 616,Sf.: sunt etiam (sc. nomina) ctetica, id est possessiva, quae in ius exeunt, ut 'Euandrius ens is Agamemnoniaeque Mycenae'. 13 HOLTZ, Donat, S. 130.

Kommentar

292 unter den demonstrativa

aufgeführt 14

sind die Verhältnisse des Pronomens nicht so

übersichtlich wie in anderen Grammatiken und daher auch nicht so leicht zu erlernen. Aus diesem Grund hat sich in den Donatkommentaren wohl eine andere Gliederung der Pronomina durchgesetzt, die zwar an der von Don. mai. vertretenen generellen Zweiteilung zwischen finita und infinita festhält, dafür aber, wie oben gezeigt, die große Gruppe der infinita in die drei Kategorien generaliter infinita, minus quam finita und possessiva unterteilt und jeder Gruppe eine feste Anzahl von Pronomen zuweist. So betonen die Kommentare übereinstimmend, dass die Zahl der finita drei (ego, tu, ille), die der generaliter infinita sieben (quis, qualis, talis, quantus, tantus, quotus, totus), die der minus quam finita sechs (is, idem, sui, ipse, iste, hie) und die der possessiva schließlich fünf (metis, tuus, suus, noster, vester) sei.15 Daraus ergibt sich ein eindeutig definierter Bestand von 21 Pronomen. Diese Einteilung entspricht abgesehen von der Anzahl der generaliter infinita deqenigen, welche Prob. inst. vorschlägt.16 Sie ist übersichtlicher als die von Don. mai. und wurde offensichtlich deshalb von den Donatkommentaren für den Schulunterricht ausgewählt. 483-5 ideo dictum est pronomen, quia, cum pro nomine positum fuerit, paene idem quod et nomen significare videtur: Der Text gibt eine Definition des Begriffes Pronomen, die zum einen dessen Etymologie berücksichtigt (cum pro nomine positum fuerit), zum anderen aber auch dessen Verhältnis zur verwandten Wortart des Nomens (paene idem quod et nomen significare videtur). Der Vergleich mit der entsprechenden Definition von Don. mai. offenbart einige wichtige Abweichungen: 48.3-5 Pronomen est pars orationis atque ideo dictum est pronomen, quia, cum pro nomine positum fuerit, paene idem quod et nomen significare videtur.

Don, mai. 629.2f. Pronomen est pars orationis, quae pro nomine posita tantundem paene sisnificat personamque interdum reeipit.

Zunächst fallt auf, dass unser Text den zweiten Teil der Donat-Definition, der eine Beziehung zwischen dem Pronomen und dem Personenbegriff herstellt (personamque interdum reeipit),

14 15

16

Don. mai. 629,9; 629,13. Siehe ζ. B. Pomp. 201,29ff.: sunt autem pronomina finita tria ..., infinita Septem, minus quam finita sex, possessiva quinque. et haec sunt pronomina XXI, in rerum natura plus non invenies. omnia pronomina, quae sunt inventa in Latina lingua, isla sunt, finita sunt tria...; Expl. I 501,16fF. Prob. inst, gramm. IV 131,27f.: finita pronomina sunt, quae notant certum numerum, certam personam, haec tria tantum sunt, ego tu ille. 132,6f.: minus quam finita forma sex haec pronomina continet tantum: ipse iste is idem sibi hic. 136,19f.: possessiva forma quinque haec pronomina continet tantum, meus tuus suus noster vester. Als infinita führt Probus insgesamt 19 Pronomina auf (Prob. inst, gramm. IV 133,14-17); diese hohe Zahl ist dadurch bedingt, dass er Komposita wie qualiscumque als selbständige Pronomina einstuft und nicht als Ableitungen von einem Grundwort. Wenn man aber aus der Reihe der infinita bei Probus die zusammengesetzten Wörter streicht, bleiben genau die sieben Pronomina übrig, welche in den Donatkommentaren als infinita bzw. generaliter infinita gelten.

De pronomine

293

einfach unterschlägt. HOLTZ hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Formulierung von Don. mai. durch das Wort interdum unscharf wirke und daher fur eine Definition, die einen Begriff in seiner Gesamtheit erfassen sollte, im Grunde ungeeignet sei.17 Er meint deshalb, dass der Zusatz personamque interdum recipit nicht mehr zur eigentlichen Definition der Bezeichnung 'Pronomen' gehöre, sondern von Don. mai. aus einem anderen Grund hinzugefugt worden sei. Dieser habe damit nämlich diejenigen kritisieren wollen, welche die Bindung des Pronomens an eine Person fur zwingend notwendig erachtet und den Pronomenbegriff dadurch deutlich enger gefasst hätten.18 Don. mai. vertrete dagegen die Ansicht, dass die Bestimmung durch eine Person keine Voraussetzung für das Pronomen sei. Dass ein Hinweis auf das Verhältnis zwischen Pronomen und Person nicht zu den klassischen Definitionen des Pronomens gehört, zeigt auch ein Vergleich mit anderen Grammatiken des 4. Jhs.19 Unter diesen ist die von Diom. die einzige, in welcher sich die Worte personamque interdum recipit wie bei Don. mai. finden.20 Das heißt, dass der vorliegende Text nichts Ungewöhnliches tut, wenn er besagte Ergänzung - ob bewusst oder unbewusst, lässt sich nicht entscheiden - auslässt. Ein zweiter wichtiger Unterschied der Definition des vorliegenden Textes gegenüber der von Don. mai. besteht in dem Ausdruck paene idem an Stelle von tantundem paene. Zwar ist es für den Inhalt der Aussage unerheblich, ob man idem oder tantundem verwendet, für das Verhältnis der Texte zur grammatischen Tradition ist die Abweichung jedoch von Bedeutung. Die klassische Definition des Pronomens, die mit geringfügigen Modifikationen in nahezu allen Grammatiken des 4. Jhs. verwendet worden ist, lautet: pronomen est pars orationis, quae posita pro nomine minus quidem plene, idem tarnen significat (Char. 200,9f.).21 Char. 200.9f. Pronomen est pars orationis, quae posita pro nomine minus quidem plene, idem tarnen significat.

17 18

19

48.3-5 Pronomen est pars orationis atque ideo dictum est pronomen, quia, cum pro nomine positum fuerit, paene idem quod et nomen signißcare videtur.

Diom. gramm. 1329.2f.

Pronomen est pars orationis, quae pro ipso nomine posita minus quidem, paene idem significat personamque interdum recipit.

Don, mai. 629.2f. Pronomen est pars orationis, quae pro nomine posita tantundem paene significat personamque interdum recipit.

HOLTZ, Donat, S. 125-128. Ebd., S. 128. Die Kritik von Don. mai. könnte sich, wie HOLTZ zeigt, vor allem auf die griechische Schultradition beziehen, die unter dem Begriff pronomen (αντωνυμία) nur die durch Personenbezug bestimmten Wörter (Personal-, Possessivpronomen) zusammengefasst, die anderen in Frage kommenden hingegen zum Nomen oder Artikel gerechnet hat. Eine ähnliche Position hat später Priscian vertreten (vgl. Prise, gramm. III 20,15; JEEP, Redetheile, S. 174). Char. 200,9f.; Exc. Bob. gramm. I 557,4f.; Dosith. gramm. VII 401,9f.; Prob. inst, gramm. IV 131,2f.; Audax gramm. VII 343,9f.; Asper gramm. V 550,25f.

20

Diom. gramm. I 329,2f.: pronomen est pars orationis, quae pro ipso nomine posita minus quidem, paene idem significat personamque interdum recipit.

21

Siehe Anm. 19; dass diese Definition des Pronomens die im 4. Jh. geläufige ist, wird auch durch ihre Verwendung bei Aug. brev. 3,1 und Aug. mag. 1,13 bestätigt.

294

Kommentar

Der Vergleich macht deutlich, dass paene idem sprachlich den Definitionen von Char, und Diom. näher steht als der von Don. mai.; inhaltlich stimmt die Formulierung jedoch eher mit Don. mai. und Diom. überein. Es ist nämlich ein Unterschied, ob man wie Char, sagt, das Pronomen bedeute 'zwar weniger vollständig, dennoch dasselbe' wie das Nomen (minus quidem plene, idem tarnen), oder wie Don. mai. und der vorliegende Text das Pronomen bedeute 'fast dasselbe' wie das Nomen {paene idem/tantundem).

HOLTZ

hat an dieser

Definition von Don. mai. kritisiert, dass sie viel vager als die der anderen Grammatiker sei und das Verhältnis von Pronomen und Nomen nur unzureichend beschreibe.22 Dagegen ist einzuwenden, dass durch die traditionelle Version, die

HOLTZ

fur die prägnantere hält, die

Dinge keineswegs eindeutiger dargelegt sind. Sie enthält vielmehr in der Aussage, das Pronomen bedeute dasselbe wie das Nomen, nur weniger vollständig, einen Widerspruch, der genauso der zusätzlichen Erklärung bedarf wie die Definition von Don. mai. Vielleicht hat gerade dies Don. mai. dazu bewogen, die klassische Fassung zu modifizieren. Unabhängig davon steht fest, dass der vorliegende Text mit seiner Definition des Pronomens Don. mai. zwar weitgehend folgt, dass er aber mit der Auslassung von personamque interdum recipit und der Verwendung von paene idem statt tantundem paene Parallelen zur älteren grammatischen Tradition aufweist.23 Die anderen Donatkommentare unterscheiden sich mit ihren Definitionen erheblich von den bisher besprochenen. Zwar findet sich zumindest bei Serv. comm. und Expl. I noch der etymologische Bezug (quasi pro nomine)·, ansonsten beziehen sich die Definitionen nur auf die Funktion des Pronomens als Stellvertreter des Nomens (pronomen dictum est, quoniam fungitur officio nominis), verzichten aber darauf, das Verhältnis von Nomen und Pronomen im Hinblick auf ihre Bedeutung zu beschreiben.24 Lediglich Pomp. 200,5ff. hat auch die Version der älteren Grammatiker des 4. Jhs., er fuhrt diese aber als Zitat an, eingeleitet durch ideo deßnivit.25 Da Pomp, hier, wie an anderen Stellen auch, auf das Subjekt verzichtet, kann seine

22

HOLTZ, Donat, S. 125.

23

Zu der Ergänzung quod et nomen (48,5) findet sich eine Entsprechung bei Asper gramm. V 550,25f.: pronomen est pars orationis, quae idem quod nomen sed minus plene significat. Serv. comm. 409,35-37: pronomen dictum est, quia ponitur pro nomine ... nec tarnen videntur pronomina, quoniam nominum funguntur officio, esse nomina; Expl. I 498,36f.: pronomen dictum est quasi pro nomine, eo quod fungitur officio nominis; Pomp. 199,21: pronomen dictum est, quoniam fungitur officio nominis. Siehe dazu auch LAW, St. Augustine's 'De grammatica', S. 167f. LAW täuscht sich, wenn sie die Definition des vorliegenden Textes mit denen der anderen Donatkommentare zusammenstellt und sie insgesamt von denen der älteren Tradition abhebt. Es ist vielmehr so, dass der vorliegende Text in diesem Punkt gerade den älteren Grammatiken näher steht als den Donatkommentaren. Pomp. 200,5ff.: ideo deßnivit 'pronomen est pars orationis, quae posita pro nomine minus quidem plene, idem tarnen significat', dicendo 'pro nomine posita' ostendit fungi officio nominis, dicendo 'minus quidem plene' ostendit aliquam differentiam esse inter nomen et pronomen.

24

25

De pronomine

295

Quelle nicht genau bestimmt werden. Sicher ist nur, dass Don. mai. nicht in Frage kommt, weil sein Wortlaut von dem der älteren Tradition abweicht.26 Alles in allem deuten die Donatkommentare darauf hin, dass sich im 5. Jh. eine andere Definition des Pronomens durchgesetzt hat als die im 4. Jh. übliche.27 Wenn sich überhaupt noch ältere Fassungen finden, dann sind diese eindeutig als Zitate auszumachen.28 Der vorliegende Text stimmt damit jedenfalls nicht überein, sondern steht mit seiner Definition Don. mai. und anderen Grammatiken des 4. Jhs. näher. 48,9f. ut si dicamus 'Cicero defendit Roscium, ipse etiam SullamStandardbeispiel

fur die

Funktion des Pronomens ist in den Donatkommentaren der Satz Virgilius scripsit bucolica, ipse scripsit georgica, ipse scripsit Aeneida, der mit leichter Variation von Serv. comm., Expl. I, Pomp, und Cled. in diesem Zusammenhang verwendet wird.29 Expl. I hat darüber hinaus noch als zweites Beispiel Statius scripsit Thebaidos, idem Achilleidos, ipse scripsit s Uvular um}0 Des Weiteren fügt Expl. I an dritter Stelle den Satz Cicero scripsit Verrinas, ipse scripsit Philippicas an.31 Dies ist das einzige Beispiel, welches neben dem des vorliegenden Textes Cicero an die Stelle von dem durch die Tradition vorgegebenen Vergil setzt. Allerdings betont Expl. I wie die anderen Kommentare die Tätigkeit Ciceros als Schriftsteller (Cicero scripsit ...), während der vorliegende Text im Gegensatz zu allen anderen auf Ciceros Wirken als Anwalt abhebt (Cicero defendit ...). Dies ist vielleicht auf ein besonderes Interesse des Verfassers für das Gerichtswesen zurückzuführen, das sich auch in der Vorliebe für juristische Fachbegriffe andeutet.32 Andererseits war der Grammatikunterricht zusammen mit der Ausbildung beim Rhetor so stark auf ein juristisches Berufsfeld ausgerichtet, dass ein Beispiel wie das in Rede stehende auch für einen grammatischen Text nicht als außergewöhnlich erscheinen muss. Hinzu kommt, dass Cicero in der Spätantike sowohl in den Unterricht des grammaticus als auch in den des Rhetors gehörte. Davon zeugen zahlreiche Beispiele aus 26

27

28

29

30

31

32

HOLTZ (Donat, S. 125 Anm. 2) meint, dass Pomp, an dieser Stelle auf Servius zurückgeht. Das ist aber keineswegs sicher, da das Zitat auch aus einer der von Pomp, mehrfach verwendeten älteren Grammatiken entlehnt sein kann, wie etwa aus Prob, inst., wo eine wörtliche Entsprechung vorliegt (vgl. Prob. inst, gramm. IV 131,2f.). HOLTZ, Donat, S. 125 Anm. 1. Vgl. auch Aug. reg. gramm. V 507,7: ideo pronomen dicitur, quia vicem fiingitur nominis. So etwa auch die Definition von Expl. II 545,21 f., die genauso wörtlich aus Char. (200,9f.) entnommen ist, wie andere Stellen in diesem Text. Serv. comm. 405,12flf.; 409,35f.; Expl. I 488,15ff.; 499,I2ff.; Pomp. 96,31ff.; 199,24flf.; 200,2ff; 21l,9f.; Cled. 49,10. Expl. I 499,15f.; hier bestätigt sich, was man schon aufgrund der Anzahl der Statius-Zitate (Expl. I zitiert Statius 3 mal, Expl. II 2 mal, Pomp. 8 mal, Cled. 1 mal) erkennt: dieser Dichter spielt bei Expl. I wie auch bei Pomp, und Cled. eine bedeutendere Rolle als im vorliegenden Text oder bei Serv. comm., wo er nicht berücksichtigt wird. Expl. I 499,33ff.: nam quando dico 'Cicero scripsit Verrinas', et quis scripserit et quid scripserit, plene significo; quando dico 'ipse scripsit Philippicas', quid scripserit, plene significo, quis scripserit, semiplene. Siehe etwa den Kommentar zu 38,5 cautum est, ut; 38,15 cavemus, ne; 46,16 obiectio.

Kommentar

296

seinem Werk in der Grammatikertradition seit Char, sowie Kommentare zu den rhetorischen Schriften, allen voran zu De inventione, und zu den Reden.33 Aus diesem Grund ist auch davon auszugehen, dass die beiden Cicero-Reden, auf die hier vom Text angespielt wird {Pro Sexto Roscio Amerino, Pro Publio Sulla), im Schulunterricht in besonderer Weise präsent waren.34 Ciceros Klienten Sextus Roscius und Publius Cornelius Sulla werden daher neben anderen Personen, die ebenfalls im Mittelpunkt ciceronischer Reden stehen, in Grammatiken wiederholt als Beispiele für Eigennamen verwendet. Allerdings ist die Vorliebe für Personen aus Cicero-Schriften im vorliegenden Text gegenüber den anderen Donatkommentaren besonders ausgeprägt. So werden etwa als Beleg für die Abkürzung des praenomen mit einem, zwei oder drei Buchstaben die Namen C. Ferres, Cn. Pompeius und Sex. Roscius angeführt (7,4ff.).35 48.11 de novo·. Der Ausdruck de novo als synonym zu rursus ist ein Merkmal spätantiker Sprache, das aber nur selten belegt ist. Eine Parallele findet sich etwa bei dem Fachschriftsteller Palladius (4. Jh.).36 48.12 propter fastidium

iterationis:

Eine ähnliche Formulierung, die ebenfalls die

Substantive fastidium und iteratio enthält, findet sich in entsprechendem Zusammenhang bei Pomp.37 Besonders iteratio stellt einen sprachlichen Bezug zu Servius' Vergilkommentar her, wo dieses Wort im Vergleich zu seinem sonstigen Gebrauch in der lateinischen Literatur ungewöhnlich häufig vorkommt.38 48,14f.

quare dicatur pronomen, et 'pro nomine' sciat dictum esse sermonem: Der Text

betont hier nochmals, dass der Begriff Pronomen aus der mit pro nomine angedeuteten Funktion dieser Wortart hervorgegangen ist. Der Sinn dieser Stelle erhellt sich, wenn man andere Donatkommentare zum Vergleich heranzieht. Denn dort wird die Frage diskutiert, ob

33 34

35 36

37

38

C. BECKER, Art. 'Cicero', in: RAC III (1957), Sp. lOlf. Im De inventione-Kommentar des Marius Victorinus gehört etwa Ciceros Rede pro Roscio neben pro Cluentio und pro Milone zu den bevorzugten Schriften; ebd. Sp. 102. Sie wird auch dreimal ausdrücklich in Servius' Vergilkommentar zitiert: Serv. auct. Aen. 1,540 (Cicero in Rosciana), 3,331; Serv. georg. 1,265. Siehe dazu den Kommentar zu 6,1 lf.; 7,5 und 6; 22,14f; 25,1. Siehe H.-Sz. 11,800. Pallad. 10,10,4: quod si sterilis/actus est locus carie, incuria, vetustate, exaretur ac de novo rursus aequetur, nam prata sterilia plerumque arare conveniet. Pomp. 97,2f.: sed ne fastidium crearet nominis iteratio, inventa est ista particula\ Pomp. 199,21-23: maiores nostri, ne iteratione sermonis aliquod fastidium facerent, invenerunt aliam particulam, quae sustineret officium prior is\ Pomp. 199,25: sed ne haec ipsa iteratio proprii nominis possit fastidium create. Servius verwendet im Vergilkommentar 35 mal das Wort iteratio. In der lateinischen Literatur bis zum 3. Jh. ist es dagegen nur 3 mal bei Cicero, 2 mal bei Seneca d. Ä., 6 mal bei Columella, 7 mal bei Quintilian und jeweils einmal bei Gaius, Gellius, Petron und Rutilius Lupus belegt. Von den christlichen Autoren der Spätantike ist Cassiodor der einzige, bei dem iteratio ähnlich häufig vorkommt wie bei Servius (34 mal); bei allen anderen ist es seltener vertreten (ζ. B. 6 mal bei Tertullian, 17 mal bei Augustinus, 6 mal bei Verecundus v. Iunca, 5 mal bei Gregor d. Gr.).

De pronomine

297

die korrekte Form des Nominativs Singular pronomen oder pronomine laute.39 Expl. I verweist dabei auf Sallust, der häufig den Nominativ hic proconsule verwendet habe.40 Die Kommentare befürworten dennoch pronomen als richtige Form, weil die Endung -e fur ein lateinisches Substantiv maskulinen Geschlechts im Nominativ Singular nicht in Frage komme. Eine Parallele dazu findet sich bereits bei Prob. inst, gramm. IV 126,12ff.41 Die vorliegende Textstelle scheint auf einem entsprechenden Gedanken zu beruhen. 48.20 quae fungitur vice nominis: Der Text erweckt hier den Eindruck, als ob es Donat war, der die Funktion des Pronomens mit den Worten fungitur vice nominis beschrieben und es damit als Wortart vom Nomen abgegrenzt hat. Tatsächlich findet sich aber weder bei Don. min. noch Don. mai. eine entsprechende Formulierung. Da diese aber in allen anderen Donatkommentaren als funktionale Definition des Pronomens vertreten ist42, kann man vermuten, dass sie nicht auf Donat, sondern auf die gemeinsame Vorlage der Kommentare zurückgeht.43 Ein wichtiger Unterschied zwischen dem vorliegenden Text und den anderen Donatkommentaren ist, dass diese stets den geläufigeren Ausdruck officio alicuius rei fungi an Stelle von vice alicuius rei fungi verwenden.44 Die einzige Grammatik, die darin mit dem Text übereinstimmt, ist Aug. reg. gramm. V 507,7. 48.21 hoc sustinet officium'. Die Ars Ambrosiana, in welcher der vorliegende Satz wörtlich zitiert ist, überliefert hier sustinet statt dem von (M) bezeugten sustentat (Ambr. 77,55-57). Für sustinet spricht Pomp. 199,2Iff., wo ebenfalls die Wendung officium sustinere verwendet wird, um die Funktion des Pronomens zu beschreiben.45 Die Lesart von (M) ließe sich demnach nur mit dem Argument der lectio difficilior stützen. Andererseits könnte man sustentat auch leicht als fehlerhafte Überlieferung eines authentischen sustinet erklären. Für sustinet ist außerdem anzuführen, dass die Wendung officium sustentare sonst in der lateinischen Literatur nicht belegt ist, während für officium sustinere einige wenige Zeugnisse vorliegen. So kommt der Ausdruck zweimal in den Briefen Ciceros und jeweils einmal bei 39 40 41

42

43

44 45

Expl. I 499,1 ff.; Cled. 12,32ff.; Cled. 49,2f. Expl. I 499,7f.: Salluslius fecit nobis praeiudicium, qui tarn crebro dicit proconsule. Prob. inst, gramm. IV 126,12ff.: quaeritur, qua de causa Salluslius hic proconsule pronuntiaril, cumnomina generis masculini prohibeantur nominativo casu numeri singularis e littera terminari. Vgl. auch Aug. reg. gramm. V 496,23ff. Serv. comm. 405,13; 406,11; Expl. 1 498,36; 499,22f.; Pomp. 97,4; 97,6; 134,32; 135,10; 199,21; 199,29; 211,7; 211,9; 211,19; Cled. 49,22. Siehe oben den Kommentar zu 48,3-5. Pomp. 21 l,6ff. nennt einen gewissen Astyagius als Urheber der Definition. Da aber sonst nichts Näheres Uber einen Grammatiker dieses Namens bekannt ist und er auch nicht in einem der anderen Kommentare erwähnt wird, dürfte es sich kaum um den Verfasser des Textes handeln, auf den alle Donatkommentare zurückgehen. Vielleicht ist es der Name eines Grammatikers, der den authentischen Donatkommentar des Servius mit Zusätzen versehen und Pomp, als Vorlage gedient hat. Siehe dazu KASTER, Guardians, S. 140 Anm. 8; S. 149 Anm. 36; S. 385f. Siehe dazu den Kommentar zu 1,1 Of. Siehe Anm. 38.

298

Kommentar

Valerius Maximus, Ammianus Marcellinus und in der Historia Augusta vor.46 In der christlichen Literatur findet er sich bei Amobius und Hieronymus.47 48,28 qualitas bifarie dividitur: Bei Donat und seinen Kommentatoren wird gewöhnlich das Adverb bipertita statt bifarie verwendet, um die Zweiteilung der qualitas von Nomen und Pronomen zu bezeichnen48 bifarie ist dagegen ein selten bezeugtes Wort, das bei den lateinischen Grammatikern sogar noch hinter der Form bifariam zurücksteht.49 In der lateinischen Literatur findet sich bifarie gelegentlich ab dem 4. Jh.50 Zur Gliederung der qualitas des Pronomens bei Don. mai. und in den Donatkommentaren siehe die Einleitung zu diesem Kapitels (S. 289ff.). 49,2f. infinita dicta sunt, quod significationis certae non habeantflnem: Die Definition der pronomina infinita unterscheidet sich erheblich von der bei Don. mai. und in anderen Donatkommentaren. Während dort nämlich nur der fehlende Personenbezug (infinita sunt, quae non recipiunt personas) als entscheidendes Kriterium angeführt wird51, konzentriert sich der vorliegende Text stärker auf die Etymologie des Begriffes infinitum, indem er nicht die Bestimmung durch eine Person hervorhebt, sondern die Eigenschaft der infinita allgemeiner mit der Wendung significationis certae finem non habere beschreibt. In dem Adjektiv certae hat sich ein Element erhalten, das zu den finita/infinita-Definitionen älterer Grammatiken gehört.52 Aus diesen haben Serv. comm. und Expl. I die Erklärung ihrer generaliter infinita übernommen, die mit den infinita des vorliegenden Textes identisch sind.53 49,3f. et sunt Septem: quis qualis talis quantus tantus quotus totus: Vgl. Serv. comm. 410,6ff.; Expl. I 500,13ff.; Pomp. 200,1-3; Pomp. 201,32ff.

46 47 48 49

50 51

52

53

Cie. fam. 2,6,2; Att. 9,7b,l; Val. Max. 2,1,9; Amm. 25,1,5; Hist. Aug. Alex. 61,3. Amob. nat. 4,9; Hier, in Ier. 1,3,1 Don. min. 585,10; 588,5; Don. mai. 614,6; Serv. comm. 410,If.; Cled. 14,13f. bifariam ist bei den Grammatici Latini 13 mal belegt, bifarie hingegen nur einmal (Consent, gramm. V 382,25f.). Siehe ThLL Bd. II Sp. 1979,20ff. s. v. 'bifarie'. Don. mai. 629,6f.: infinita sunt, quae non recipiunt personas; Serv. comm. 435,28ff: omnia, quae non recipiunt personas, infinita dicenda sunt-, Cled. 49,1 I f f : quando infinitum est, caret persona. Char. 200,12ff.: finita est, quae notat certam personam, ... infinita est, quae cuilibet personae potest aptari (vgl. Dosith. gramm. VII 401,12fF.; Exc. Bob. gramm. I 557,7ff.); Prob. inst, gramm. IV 131,27f.: finita pronomina sunt, quae certum numerum et certam personam. Die Definition der finita/infinita von Diom.. stellt sich dagegen als eine Kompilation aus der älteren grammatischen Tradition und Don. mai. dar; Diom. gramm. I 329 J f f . :finitaest, quae notat certum numerum etgestum dirigit ad certam personam... infinita est, quae certam non reeipit personam, sed cuilibet potest aptari. Serv. comm. 410,9f.: generaliter infinita sunt, quae cuicumque personae aptari possunt; Expl. I 500,16f.: generaliter infinitum dicitur, quod potest cuicumque aptari personae. Zum Begriff der generaliter infinita bei Serv. comm., Pomp, und Expl. I siehe die Einleitung zu diesem Kapitel (S. 290f.).

De pronomine

49,5-15 in hoc re Plinius Secundus grammaticos

299

reprehenditGemeinsam

mit Pomp, und

Cled. verweist der Text hier auf Plinius d. Ä., der die Grammatiker dafür kritisiert habe, dass sie ego zugleich als pronomen finitum und accidens

{persona)

eingestuft hätten.54 Die

Übereinstimmung mit Pomp, und Cled. reicht bis zur wörtlichen Formulierung, so dass man die in Rede stehende Textstelle auf eine gemeinsame Vorlage zurückfuhren kann.55 Diese wäre dann für die Einarbeitung von Plinius-Material in die Erklärung Donate verantwortlich.56 Dafür sprechen auch andere Stellen in den Donatkommentaren, wo Plinius übereinstimmend als Gewährsmann angegeben wird.57 Die vorliegende Textstelle hat darüber hinaus noch eine nahezu wörtliche Entsprechung in zwei frühmittelalterlichen Grammatiken: der Ars Bernensis58,

die dafür 'Sergius' als ihre

Quelle nennt, und der Ars grammatica des Clemens Scottus. 59 49.5-15 (M) In hac re Plinius Secundus grammaticos reprehendit: quare accidens commune dicunt, 5

10

15

20

54

55

56

57 58 59

cum aliud sit accidens et id,, cui accidit? hinc dicunt pronomina finita esse, quae sunt etiam personae. Nam cum quaeramus finitum pronomen, invenimus 'ego', et cum primam personam, invenimus Herum 'ego'; itaquefit, ut unum sit accidens atque illud, cui accidit. sed scire debemus, qitod huius modi definitores non tarn in ratione quam in ordine erravere verborum dicentes personas pronominibus accidere, cum dicere debuissent finita pronomina

Bern. 135.1-8 Clem. 99.1-3 Sed tarnen Plinius Secundus Plinius Secundus reprehendit grammaticus, ut Sergius ostendit, reprehendit eos. qui eos. qui dicunt personas dicunt personas accidere fmitis finitis pronominibus accidere pronominibus. ut ipsud accidens. aliud sit atque. iUud,. cui accidit.

Hinc Plinius ipse dixit: sed scire debemus huius modi definitores non tarn in ratione errare quam in ordine verborum, ut dicerent personas pronominibus accidere, cum dicere debuissent finita pronomina non recipere quasi

ita dicens: scire debemus huius modi definitores non tarn in ratione errare quam in ordine verborum, ut dicerent personas pronominibus accidere, cum dicere debuissent finita pronomina

Pomp. 201,5-28; Cled. 49,27-32. Siehe: Grammaticae Romanae Fragmenta aetatis Caesareae, ed. A. Mazzarino, Turin 1955, S. 322ff. 49,6f.: cum aliud sit accidens et id, cui accidit', Pomp. 201,11: aliud est, quod accidit, aliud, cui accidit; Cled. 49,30: non enim una res potest esse, quae accidit et cui accidit. 49,13f.: finita pronomina esse et easdem personas; Pomp. 201,28: pronomina finita illasunt, quae sunt etiam personae. Cled. 49,31 f.: eadem esse finita pronomina, quae sunt etiam personae. Bei der hier zitierten Schrift des Plinius dürfte es sich um die Dubii sermonis libri gehandelt haben (vgl. Pomp. 185,18); siehe dazu: K. Sallmann, Art. 'Plinius (1)', in: K1P Bd. 4 (1972), Sp. 931. Vgl. Serv. comm. 444,3 und Pomp. 283,18; Pomp. 172,13, Pomp. 185,18 und Cled. 45,13. Zu der Schrift siehe oben S. 29f. Zu der Schrift siehe oben S. 30f.

Kommentar

300 25

esse et easdem personas, quia aliunde personas. [in]finita non recipiunt personas; numquam enim numquam enim inveniuntur inveniuntur absque personis. sine personis.

non recipere quasi aliunde personas, sed ipsa finita pronomina easdem personas esse, numquam enim inveniuntur sine personis.

Der Vergleich der drei Versionen ergibt, dass Bern, und Clem. untereinander mehr Gemeinsamkeiten aufweisen als einer von ihnen mit unserem Text. Sie geben am Anfang den Inhalt der Kritik des Plinius an den Grammatikern genauer wieder (Z. 3f. [sc. PliniusJ reprehendit eos, qui dicunt personas accidere finitis personis), lassen dann aber eine nähere Erörterung des Sachverhalts vermissen (Z. 8-16) und stellen schließlich den zweiten Teil als Plinius-Zitat hin (Z. 17 hinc Plinius ipse dixit / ita dicens [sc. PliniusJ). Abgesehen davon stimmen sie gegenüber dem vorliegenden Text noch in einigen Formulierungen überein (Z. 20 errare\ Z. 21 ut dicerent; Z. 24f. quasi aliunde·, Ζ. 28 sine). Allerdings hat jeder von beiden gegen den anderen auch eine Parallele mit unserem Text; so fehlen bei Clem. die Worte cum aliud sit accidens et id, cui accidit (Z. 6f.), bei Bern, hingegen finita pronomina esse et easdem personas (Z. 24f.). Die inhaltlichen Übereinstimmungen von Bern, und Clem. gegenüber unserem Text sind aber im Vergleich zu ihren Abweichungen untereinander so stark, dass man davon ausgehen muss, dass beide auf eine gemeinsame Vorlage zurückgehen. Denn bei den Unterschieden, die sich, wie erörtert, als Auslassungen darstellen, dürfte es sich um Fehler handeln, die entweder dem jeweiligen Verfasser von Bern, und Clem. bei der Abschrift der Vorlage oder späteren Abschreibern der Grammatiken selbst unterlaufen sind. Der Wortlaut der Vorlage lässt sich demnach leicht aus der Kombination der Fassungen von Bern, und Clem. rekonstruieren. Bei ihr dürfte es sich um eine nicht erhaltene frühmittelalterliche Grammatik gehandelt haben, deren Verwendung für Bern, und Clem. auch aufgrund anderer Parallelen wahrscheinlich gemacht werden kann.60 Es stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis dieser Traktat zu unserem Text gestanden hat. Die Tatsache, dass Bern, mit 'Sergius' eine Quellenbezeichnung aufweist, die sich in fast allen mittelalterlichen Grammatiken auf unseren Text bezieht, könnte nämlich darauf hindeuten, dass die Vorlage von Bern, und Clem. hier auf diesen zurückgeht. Für eine solche Annahme spricht die inhaltliche und sprachliche Parallelität, die zu keiner anderen Grammatik sonst besteht; gegen sie wären die oben angeführten Abweichungen vorzubringen. Man könnte diese allerdings damit erklären, dass derjenige, der die Vorlage von Bern, und Clem. konzipiert hat, unseren Text hier nicht insgesamt zitiert, sondern nach seinem Verständnis bearbeitet und zumindest teilweise referiert hat. Möglich ist aber auch, dass die Quelle von Bern, und Clem. nicht direkt auf unseren Text zurückgeht, sondern mit ihm zusammen auf eine gemeinsame Vorlage, auf die dann die Quellenangabe 'Sergius' zuträfe. Eine definitive Entscheidung lässt sich in diesem Fall nicht treffen. 60

Siehe oben S. 26 mit Anm. 82.

De pronomine

301

49,11 huius modi definitores: Für die Bewertung des Substantivs definitor ist entscheidend, ob man es als Teil des Plinius-Zitates begreift oder nicht. Schließt man sich der gemeinsamen Vorlage von Bern, und Clem. an, dann geht es auf Plinius zurück, folgt man dagegen unserem Text, dann gehört es zu seiner eigenen Formulierung.61 Die Lösung des Problems hängt mit der oben erörterten Frage zusammen, in welchem Verhältnis die Vorlage von Bern, und Clem. einerseits und unser Text andererseits zueinander stehen. Im vorliegenden Fall geht es darum, wer für die Zuweisung der Passage an Plinius verantwortlich ist. Dies könnte zum einen der Verfasser der Vorlage von Bern, und Clem. sein, der möglicherweise unseren Text bearbeitet und falsch wiedergegeben hat, zum anderen eine gemeinsame Vorlage unseres Textes mit der Quelle von Bern, und Clem., die dann von jenem unvollständig referiert worden wäre. Im ersten Fall würde definitor auf unseren Text zurückgehen, im zweiten wohl auf Plinius d. Ä. direkt. Gegen Letzteres spricht die Verwendung von definitor in der lateinischen Literatur. Es finden sich nämlich keine Belege für das Substantiv aus der Zeit des Plinius, stattdessen lässt es sich erst seit Tertullian nachweisen. Von da an kommt es bis zum frühen 5. Jh. ausschließlich bei christlichen Autoren vor.62 Damit entspricht definitor ganz den Merkmalen, die bisher als typisch für die Sprache unseres Textes ausgemacht worden sind. Auf diesen dürften daher das Substantiv und mit ihm der ganze Zusammenhang, in dem es hier steht, zurückgehen und nicht auf Plinius d. Ä., wie Bern, und Clem. es suggerieren. 49,15-18 constat tarnen finita pronomina non esse nisi duo: 'ego' et 'tu'; verum 'ille' tunc finitum est, cum rem praesentem ostendimus; si autem de absente sit relatio, minus quam finitum erit, ut 'hic'i Die Aussage, dass es nur zwei pronomina finita gibt (ego, tu), widerspricht auf den ersten Blick Don. mai. und Serv. comm., wo ausdrücklich von drei bestimmten Pronomina die Rede ist (ego, tu, ille).63 Der einzige, der in diesem Zusammenhang ebenfalls die Zahl zwei nennt, ist Pomp.64 Der Widerspruch löst sich auf, wenn man die Erläuterung dieses Sachverhalts in den Donatkommentaren betrachtet. Diese erklären nämlich übereinstimmend, dass die Zuordnung des Pronomens ille problematisch sei, und zwar insofern, als es nur dann als pronomen finitum gelten könne, wenn es eine anwesende Person bezeichne, in Bezug auf Abwesende hingegen nicht.65 Je nachdem ob man ille nun hinzurechnet oder nicht, ergibt sich für die finita die Zahl zwei oder drei.

61 62

63

64 65

Siehe dazu oben den Kommentar zu 49,5-15 in hac re Plinius Secundus grammaticos reprehendit... Die Zeugnisse reichen bis zum frühen 5. Jh.: Tert. adv. Marc. 5,10 p. 605,21; Mar. Victorin. adv. Arium 4,19; Aug. c. acad. 1,5,15; Aug. mag. 13,43,3. Siehe ThLL Bd. V,1 Sp. 356,69ff. s. v. 'definitor'. Don. mai. 629,6; Serv. comm. 410,3f.: finita sunt, quae recipiunt personas, id est quae definiunt personas, et sunt tantum Iria, ut ego tu ille. Pomp. 202,32f.: ergo isla sunt duo praecipue finita, ego et tu. Serv. comm. 410,4-6; Expl. I 500,7-9; Pomp. 202,22fT.; Cled. 50,1-4.

Kommentar

302

Die Ars Ambrosiana (Ambr.) merkt dazu an, dass 'Sergius' die Einstufung von ille als bestimmtes Pronomen der dritten Person ablehne.66 Dieser Aussage liegt zweifellos unser Text - möglicherweise in einer ausführlicheren Fassung als der vorliegenden - zugrunde, da er zum einen inhaltlich übereinstimmt und zum anderen durch die Quellenangabe 'Sergius', die sich bei Ambr. stets auf ihn bezieht, als Vorlage angezeigt wird. Pomp, und Expl. I fuhren als zusätzlichen Beweis dafür, dass ille unbestimmt sein kann und erst durch den Zusatz eines anderen Pronomens zu einem finitum wird, die in der Dichtung übliche Junktur ille ego an.67 Pomp, belegt dies mit dem allerdings nicht authentischen Anfangsvers von Vergils Aeneis, Expl. I mit einem Martial-Beispiel, das in den Handschriften so entstellt überliefert worden ist, dass es von K E I L in den Grammatici Latini nicht zugeordnet werden konnte.68 Da die ambivalente Stellung von ille in den Donatkommentaren sehr ähnlich beschrieben ist, bietet sich ein Vergleich der Texte an, um Aufschluss über ihr Verhältnis zu gewinnen: 49.16-18

verum ille tunc finitum est, cum rem praesentem ostendimus, si autem de absente sit relatio, minus quam finitum erit.

Serv. comm. 410.4-6

ille plerumque variat: nam si ad praesentis personam referatur. time vere finitum est, si de absente dicatur, minus quam finitum est.

Expl. I 500.7-9

quando dico ille, differentiam habet: si ad praesentem refertur, finitum pronomen est, si ad absentem, incipit esse minus quam finitum.

Pomp. 2 0 2 . 2 2 f f .

ille vero habet aliquam differentiam ... quando depraesente loquimur, tunc finitum sit pronomen, si autem de absente sit relatio. minus quam finitum sit.

Cled. 50.2-4

ille... tunc finitum est, cum ad praesentem dirigitur elocutio, cum vero de absente relatio est. infiniti speciem habere cognoscitur vel minus quam finiti.

Die Übereinstimmungen, die auf gemeinsame Abhängigkeiten hindeuten, betreffen die Formulierungen differentiam habere von Expl. I und Pomp., si ad praesentis

personam

referatur bzw. si ad praesentem refertur von Serv. comm. und Expl. I sowie si autem de absente sit relatio vom vorliegenden Text, Pomp, und Cled. Da aber kaum davon auszugehen ist, dass etwa Expl. I oder Pomp., deren Formulierungen in zwei Fällen mit unterschiedlichen Texten verwandt sind, mehrere, einander sehr ähnliche Vorlagen verarbeitet haben, bleibt nur die Annahme, dass die Entsprechungen auf der Verwendung einer gemeinsamen Vorlage beruhen.69 66

67 68

69

Ambr. 79,133f.: sed Sergius negat 'ille' finitum pronomen esse tertiae personae, quia non facit a se possessivum, ut ego meus, tu tuus. Expl. 1500,9-12; Pomp. 202,26-32. Ps. Verg. Aen. 1,1a: ille ego qui quondam gracili modulatus avena. Mart. 10,53,1: ille ego sum Scorpus, clamosi gloria drei; vgl. Expl. 1 500,11: 'ille ego sum corpus famosi gloria circi'. Siehe dazu: SCHINDEL, Figurenlehren, S. 36f.

De pronomine

303

49,19f. minus quam finita pronomina dicta sunt, quia minus significant quam finita: Auch bei der Definition der minus quam finita bevorzugt der vorliegende Text eine etymologische Herleitung des Begriffs, während die anderen Donatkommentare stärker die Eigenschaften dieser Gruppe hervorheben. Serv. comm., Expl. I und Pomp, haben dafür die fast identische Formulierung minus quam finita dicuntur, quae commemorationem habent notarum personarum (Serv. comm. 410,1 Iff.).70 Zu den minus quam finita erörtern Serv. comm., Expl. I und Pomp, über den vorliegenden Text hinausgehend noch die Frage, welche Pronomina für anwesende Personen und welche für abwesende zu verwenden sind.71 49,20f. ut sunt sex: is idem sui ipse iste hie: In (M) ist für das Reflexivpronomen die Form se überliefert; für sui, den Genitiv von se, spricht dagegen, dass es in allen anderen Donatkommentaren an dieser Stelle verwendet wird.72 Die Abweichung ist wohl dadurch bedingt, dass es keine Form des Reflexivpronomens im Nominativ Singular gibt.73 49,22 de quo iam memoratio est facta sermonum: Die durch die parallele Überlieferung bei Ambr. bezeugte Variante memoratio ist gegenüber dem von (M) tradierten nominatio, das in dem Ausdruck nominatio sermonum keinen Sinn ergibt, zu bevorzugen, memoratio ist außerdem mit dem Substantiv commemoratio verwandt, welches in den Donatkommentaren in ähnlichem Zusammenhang verwendet wird.74 Vielleicht ist auch im vorliegenden Text nicht memoratio, sondern commemoratio die authentische Form.75 Dafür spräche, dass memoratio im Vergleich zu commemoratio das deutlich seltenere Substantiv ist. 49,22f. nam cum audio 'ipse venit'ι ipse venit wirkt auf den ersten Blick wie ein konstruiertes Beispiel, das die Eigenschaften eines pronomen

minus quam finitum

veranschaulichen soll. Eine Parallele dazu findet sich in keinem anderen Donatkommentar. Vielleicht ist die Auswahl von ipse venit aber auch bewusst auf dem Hintergrund einer Bibelstelle erfolgt. Als solche kommen Formulierungen im Hohenlied sowie im Buch Jesaja

70

71 72 73

74 75

Pomp. 203,3f.: est etiam minus quam finitum pronomen, hoc commemorationem facit notae personae\ Expl. I 500,19f.: minus quam finitum dicitur, quod commemorationem facit notae mihi personae. Serv. comm. 410,13-17; Expl. I 500,24-31; Pomp. 203,12ff. Serv. comm. 410,13; Expl. I 501,18f.; Pomp. 201,33f. Das Schwanken der Grammatiker bei der Auswahl des Reflexivpronomens wird auch durch Prob. inst, gramm. IV 132,6fF. bestätigt, wo sich die Form sibi findet. Siehe den Kommentar zu 49,19f. mit Anm. 70. Das bei Ambr. überlieferte iam memoratio könnte durch Abschreibfehler aus einer authentischen Form commemoratio hervorgegangen sein.

Kommentar

304

in Betracht, die später dann auch in den Kommentaren des Apponius und Hieronymus erscheinen.76 49,23 apertissime:

Das Adverb des Superlativs von apertus findet sich in lateinischen

Grammatiken sonst nur noch bei Pomp. (8 mal) und Prise. (1 mal). In der lateinischen Literatur kommt es von Cicero bis zu Cassiodor und Gregor d. Gr. immer wieder bei verschiedenen Autoren vor77, allerdings bei keinem so häufig wie bei Augustinus, bei dem apertissime mehr als 400 mal belegt ist. 50,2 admittere inquisitionem'. Der in (M) überlieferte Wortlaut (admittere in quaestionem) ergibt keinen Sinn und ist daher durch die Wendung admittere inquisitionem zu ersetzen, welche durch die wörtliche Zitierung unseres Textes bei Ambr. bezeugt ist. Das Substantiv inquisitio kann zwar insofern Anstoß erregen, als es bei den lateinischen Grammatikern nur selten vorkommt78, es gehört aber zur juristischen Fachsprache79, die im vorliegenden Text auch an anderer Stelle durchscheint.80 Der Ausdruck inquisitionem admittere ist außerdem in einem anonymen juristischen Fachtext des 4. Jhs. belegt.81

76

77

78 79 80 81

Vulg. cant. 2,8: ecce iste venit saliens in montibus, transiliens colles\ Apon. 4,113: ecce ipse venil saliens in montibus, transiliens colles. Vulg. Is. 21,9: ecce iste venit ascensor vir bigae equitum; Hier, in Is. 7,21,8 1. 9: et ecce ipse venit ascensor bigae. Die Belege zeigen, dass die Überlieferung in beiden Fällen offensichtlich zwischen ipse und iste geschwankt hat; ipse venit ist aber beide Male bezeugt. Cicero hat apertissime 16 mal, Vitruv 5 mal, Quintilian 2 mal, Sueton 1 mal, Ambrosius 3 mal, Amobius 5 mal, die Historia Augusta 1 mal, Zeno v. Verona 1 mal, Hieronymus 18 mal, Cassiodor 3 mal, Gregor d. Gr. 3 mal. Ps. Victorin. gramm. VI 38,9f.; Prise, gramm. III 434,21 f. ThLL Bd. VII,1 Sp. 1819,55ff. s. v. 'inquisitio'; Georges Bd. 2 Sp. 296 s. v. 'inquisitio'. Siehe oben den Kommentar zu 48,9f. mit Anm. 33. Iuris Romani antiiustiniani fragmenta Vaticana 314: Titus Antonius... non admitti scrupulosam inquisitionem statuit.

De verbo

305

3.4 De verbo (51,1 - 56,13) Don. mai. 632,4-639,12; Serv. comm. 411,13-415,5; 437,1-438,5; Expl. I 502,25-509,17; Pomp. 212,3-241,9; Cled. 16,1-20,27; 53,28-62,13. Auch im Kapitel De verbo erweist sich der Text als unvollständig. So findet sich etwa zu dem Akzidens figura überhaupt kein Kommentar1 und zum genus ein nur sehr lückenhafter, der das Wesentliche - die Unterscheidung von activum, passivum, neutrum, deponens und commune - außer Acht lässt.2 Vollständiger sind dagegen die Ausführungen zu den anderen Akzidentien des Verbums, obwohl auch hier Einzelheiten wie etwa der optativus modus oder der coniunctivus modus im Abschnitt De qualitate fehlen.3 Des Weiteren vermisst man beim numerus, beim tempus oder bei der persona die grundlegenden Erklärungen zur Gliederung des jeweiligen Akzidens in singularis und pluralis, in praesens, praeteritum und futurum oder in die prima, secunda und tertia persona4

Stattdessen bespricht der Text nur einzelne

untergeordnete Aspekte wie den dualis numerus oder die Unterteilung des tempus praeteritum. Ob die Lücken erst im Zuge der Überlieferung aufgetreten sind oder doch schon bei der Abfassung des Textes offengelassen wurden, lässt sich zwar nicht in jedem einzelnen Fall mit Sicherheit entscheiden, gegen Letzteres spricht jedoch, dass der Text ähnliche Defekte im Kapitel De nomine nicht aufweist. Man wird daher davon ausgehen können, dass in den meisten Fällen eine mangelhafte Überlieferung des Textes vom Kapitel De pronomine an für die Unvollständigkeit verantwortlich ist. Ein anschauliches Beispiel dafür ist auch die zum modus verborum formulierte Regel, dass kein Partizip mit dem Vokal u ende (54,4).5 Was diese Aussage mit den zuvor behandelten Verben des modus impersonalis zu tun haben soll, ist unklar. Erst der Vergleich mit den anderen Donatkommentaren zeigt, dass die Anmerkung nicht zum modus impersonalis gehört, sondern zu dem bei Don. mai. im Anschluss besprochenen modus gerundi.6 Dieser Zusammenhang bleibt im vorliegenden Text aber ganz im Dunkeln, weil abgesehen von der erwähnten Regel alles Übrige zum modus gerundi bei der Tradierung des Textes verlorengegangen ist. Die Gliederung des Kapitels De verbo entspricht, sofern keine Lücken vorliegen, weitgehend dem von Don. mai. vorgegebenen und auch von den anderen Donatkommentaren berücksichtigten Aufbau. Nur an einer Stelle distanziert sich der Text ausdrücklich von Don. mai.: im Abschnitt De qualitate lehnt er es nämlich ab, in Anlehnung an Don. mai. zuerst die modi und dann die formae zu behandeln, stattdessen befürwortet er die genau umgekehrte

1 2 3 4 5 6

Don. mai. 637,6-11. Vgl. Don. mai. 635,5-636,5; Serv. comm. 437,Iff.; Pomp. 229,21 ff. Vgl. Expl. I 504,3-9; Pomp. 215,18ff.; Cled. 54,14ff. Don. mai. 637,4f.; 637,9f.; 638,4f. 54,4: scire autem debemus, quod nullum participium ab eo in u exit. Vgl. Serv. comm. 412,19ff.: (sc. gerundi modus) est modus, quia in u desinit ultimo tempore suo, in quam litteram nullum desinit participium. Expl. I 504,36ff.; Pomp. 218,13ff.

306

Kommentar

Reihenfolge und ordnet sein Material dementsprechend an (51,23ff.)· Dagegen orientieren sich die anderen Donatkommentare auch hier an Don. mai.7 51,3-5 verbum dictum est, quia verberato aere faciat sonum, et ex illa causa ista pars sibi hoc nomett specialiter sumpsit, quod hac frequenter utimur in oratione: Am Anfang des Kapitels De verbo steht eine Definition, die sich auf das Wort verbum selbst bezieht und nicht auf seine Eigenschaft als Wortart. Durch den Ausdruck verberato aere wird zunächst ein etymologischer Bezug hergestellt. Insoweit stimmt der Text sowohl mit den anderen Donatkommentaren als auch mit der artigraphischen Tradition überein, in der sich die Herleitung von verbum aus verberato aere bis zu Sacerd. hin zurückverfolgen lässt.8 Im Folgenden weicht jedoch der überlieferte Wortlaut von dem der anderen Donatkommentare ab. Zunächst fehlt bei verberato aere die adverbiale Ergänzung motu linguae, die bei Serv. comm., Pomp, und Cled. vorhanden ist.9 Da diese aber zum Verständnis der Definition nicht zwingend erforderlich ist und auch bei Sacerd. nicht vorkommt, scheint eine Korrektur der Überlieferung nicht gerechtfertigt. Man könnte den Ausdruck motu linguae nämlich als einen die ältere Definition präzisierenden Zusatz der genannten Donatkommentare betrachten. Eine weitere Abweichung des vorliegenden Textes betrifft die Wendung faciat sonum. Ist diese authentisch, so lautet die Definition sinngemäß, dass das verbum deshalb so heiße, weil es durch das "Schlagen" der Luft (verberato aere) einen Ton hervorrufe. Dagegen ist nach der Version der anderen Texte das verbum nicht der Verursacher eines Lautes, sondern eher das Produkt der Lauterzeugung (sonus fit). Auf den ersten Blick wirkt diese Variante zwar einleuchtender, angesichts des ohnehin sehr gekünstelten Charakters der Definition erscheint aber auch der Wortlaut des vorliegenden Textes nicht völlig abwegig, so dass man nicht unbedingt von einem Überlieferungsfehler ausgehen muss. Insgesamt kann jedoch weder die eine noch die andere Definition des verbum überzeugen, weil beide auf jedes gesprochene Wort und sogar jeden Laut zutreffen. Daran ändert auch die Erklärung der Donatkommentare wenig, dass das verbum seinen Namen deshalb zu Recht trage, weil es die am häufigsten verwendete Wortart sei.10 Auffällig ist, dass der vorliegende

7

modi: Don. mai. 632,8ff.; Serv. comm. 411,25ff.; Expl. I 503,25ff.; Pomp. 214,1 ff.; formae: Don. mai. 633,5flF.; Serv. comm. 412,27ff.; Expl. I 505,12ff.; Pomp. 219,5ff.

8

Sacerd. gramm. VI 429,19f.: verbum autem dicitur, quod -verberato aere flat, ideoque et vox aer ictus; Diom. gramm. I 334,5f.: verbum autem dictum est ab eo, quod verberato lingua intra palatum aere omnis oratio promatur, Consent, gramm. V 367,5f.: proptereaque verba appellata dicuntur, quoniam scilicet oratio fieri non possit nisi aere verberato. Serv. comm. 405,14f.: verbum dictum est eo, quod verberato aere motu linguae haec pars orationis inventa sit; Pomp. 97,6-8: verbum dictum est hac ratione, quod verberato aere motu linguae fit sonus, unde ipsa particula emergunt; Pomp. 212,6f.: diximus verbum quare dictum saepius ab eo, quod verberato aere ictu linguae sonus exiliat, unde emergunt etiam omnes partes orationis; Cled. 16,2: verberato ore motu linguae locutio firmetur; Cled. 53,29: verbum dictum α verberato aere, quod motu fit linguae.

9

10

Siehe dazu: JEEP, Redetheile, S. 186.

De verbo

307

Text, Serv. comm. und Pomp, an dieser Stelle einen eng verwandten Wortlaut zeigen (hoc nomen specialiter (ad-)sumpsit /frequenter 51,7 ut puta 'Virgilius habet recitareDer

utimur)." Text veranschaulicht die These, das verbum

übertreffe die anderen Wortarten an Häufigkeit, mit dem Beispiel Virgilius habet recitare. Dieser Satz hat weder eine Parallele in der lateinischen Literatur oder der artigraphischen Tradition noch irgendeinen tiefergehenden Sinn12; er scheint vielmehr vom Verfasser des Textes als Beispiel für eine Verbhäufung konstruiert worden zu sein. Auffällig ist die Verwendung von habere mit dem Infinitiv, ein typisches Merkmal des spätantiken Latein, welches sich später in den romanischen Sprachen besonders ausgeprägt hat.13 Pomp, hat an Stelle von Virgilius habet recitare den Satz volo ire et videre meum amicum ad forum, um die häufige Verwendung des verbum im Vergleich zu den anderen Wortarten zu zeigen.14 Dieses Beispiel ist genauso erfunden wie das des vorliegenden Textes. 51,9-14 verbum est pars orationis cum tempore et persona. Scire debemus, quod

Im

Anschluss an die etymologische Herleitung des Begriffs verbum behandelt der Text dessen Eigenschaft als Wortart, indem er Donats Definition verbum est pars orationis cum tempore et persona sine casu aut agere aliquid aut pati aut neutrum significans (Don. mai. 632,5f.) erörtert. Gegenüber den anderen Donatkommentaren fallt auf, dass eine Erklärung zu dem Aspekt sine casu fehlt. Serv. comm., Expl. I und Pomp, merken dazu übereinstimmend an, dass Donat die Unvereinbarkeit des Akzidens casus mit der Wortart des verbum betone, um Redeweisen, in denen das Verb wie ein Nomen verwendet wird, zu verhindern.15 Als Beispiel dafür haben alle drei die Wendung da mihi bibere, in der das Verb bibere die gewöhnlich von einem Nomen ausgefüllte Funktion des Objektsakkusativs innehat. Da sich zu dieser Wendung keine Parallele bei einem der sonst in den Donatkommentaren verwendeten lateinischen Autoren findet, könnte man meinen, dass es sich um ein erfundenes Beispiel handelt. Ob da mihi bibere aus dem bei Expl. I und Pomp, zum gleichen Zweck angeführten TerenzZitat (Ter. Andr. 484: quod iussi dari bibere et quantum imperavi, date) abgeleitet ist,

"

12

13 14

13

Serv. comm. 405,16f.: speciale sibi haec pars hoc nomen efficit eo, quod hac frequenter utamur in elocutione", Pomp. 97,9f.: ergo quare hoc nomen sibi proprium adsumpsit? quod ipsa frequentius utimur in loquendo', Pomp. 212,8f.: quod isla parte frequentius utimur in loquendo, ideo isla generale sibi hoc nomen adsumpsit. Vielleicht macht es mehr Sinn, Virgilius habet recitari oder Virgilium habet recitare mit zu ergänzendem Subjekt zu lesen. Vgl. Aug. anim. 4,7,9: et credidimus eum posse retrorsus recitare Vergilium; de quocumque loco voluimus, petivimus, ut faceret: fecit. Siehe dazu oben den Kommentar zu 3,4. Pomp. 97,1 Off.: nam ecce loquere aliquid et im/enies in ipsa elocutione tria verba, vir unum nomen aut pronomen, ut puta si dicas "volo ire et videre meum amicum ad forum', ecce volo, ire et videre tria verba sunt, forum unum nomen est, ad una praepositio est, et una coniunctio. Serv. comm. 411,18-25; Expl. I 502,32-503,4; Pomp. 212,30-213,20.

308

Kommentar

erscheint sehr fraglich, da die Übereinstimmung sich nur auf die verwendeten Verben dare und bibere beschränkt, die Formulierungen letztlich aber voneinander abweichen.16 Enger ist dagegen der Bezug zu einer Stelle in Servius' Vergilkommentar (Serv. Aen. 1,318), wo derselbe Sachverhalt behandelt und auf die Wendung da bibere als parallelen Fall verwiesen wird.17 Aber auch dort bleibt ein Unterschied zu den genannten Donatkommentaren, bei denen es da mihi bibere und nicht da bibere heißt. Dieser geringen Abweichung müsste man keine Bedeutung beimessen, wenn nicht zu da mihi bibere eine im Wortlaut identische Bibel-Stelle vorläge. Im Johannes-Evangelium richtet Jesus nämlich genau diese Worte an eine Frau aus Samaria.18 Dass es sich dabei um ein in der Spätantike besonders geläufiges Zitat gehandelt hat, zeigt seine häufige Rezeption in der christlichen Literatur.19 Die Übereinstimmung zwischen dem Beispiel der Donatkommentare und der Bibel-Stelle dürfte kaum zufällig sein, zumal Expl. I und Pomp, sogar noch die griechische Übersetzung von da mihi bibere (δός μοι πιείν) hinzufügen, welche dem griechischen Text des Johannes-Evangeliums ebenfalls wörtlich entspricht.20 da mihi bibere muss daher in den Donatkommentaren eher als Bibel-Zitat denn als konstruiertes Beispiel betrachtet werden. Das bedeutet aber auch, dass sich christlicher Einfluss in der Donat-Erklärung schon viel früher nachweisen lässt als bisher angenommen. Wenn nämlich Serv. comm., Expl. I und Pomp, übereinstimmend da mihi bibere als Zitat verwenden, dann ist davon auszugehen, dass dieses auch schon in der gemeinsamen Vorlage der Texte vorhanden war. Als solche käme aber nicht die ursprüngliche Fassung von Servius' Donatkommentar in Frage, wenn diese wie der Vergilkommentar eher heidnisch geprägt gewesen sein soll.21 Demnach müsste man das Eindringen christlicher Elemente zeitlich zwischen dem Donatkommentar des Servius und den jüngeren Traktaten von Serv. comm., Expl. I und Pomp, ansiedeln.

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18 19

20 21

Die Einbindung des Terenz-Zitats in die Donat-Erklärung kann auf Donats Terenzkommentar zurückgehen, wo eine dem vorliegenden Zusammenhang entsprechende Erläuterung des Sachverhalts vorliegt. Don. An. 484: quod iussi dari bibere et quantum imperavi, date: consuetudine quam ratione dixit pro: date ei potionem. Serv. Aen. 1,318: comam diffundere: ut diffunderetur. Graeca autem figura est ... urtde 'da bibere' usus obtinuit, quod facere non debemus, ne duo verba iungamus nisi in poemate. Servius weist diese Wendung dem üblichen Sprachgebrauch (usus) zu, entsprechende Ausdrücke sind aber auch in der lateinischen Literatur bezeugt: Plaut. Pers. 821: bibere da usque plenis cantharis; Porph. Hör. carm. 3,21,4: ut est illud Lucilianum 'da bibere ab summo'. Vulg. loh. 4,7: venit mulier de Samaria haurire aquam, dicit ei Jesus: 'da mihi bibere'. Mar. Victorin. adv. Arium 4,6; Ambr. spir. 1,15,154; Rufin. Orig. in gen. 10,3; Aug. loc. hept. 1,88; Aug. in evang. loh. 15,11; 15,12; 15,31; Aug. in psalm. 34,4; 61,9; 68,14; 108,19; Prosp. in psalm. 108,17; Hier, quaest. hebr. in gen. p. 37,1; p. 37,3; Hier, in Is. 15,55,1 1. 20; Hier, in Ezech. 14,47 1. 902; Cassiod. in psalm. 61,5 1. 117; 68,11 1. 267; Caes. Arel. serm. 85,2; 170,3; 170,4. Expl. I502,2ff.; Pomp. 213,13ff. Siehe dazu: M. SCHANZ, Geschichte der römischen Literatur Bd. 4,1: Die Litteratur des vierten Jahrhunderts, München 21914, S. 174.

De verbo

309

51,15-19 verbum aut agentis aut patientis habet significationem, ut scribo scribor ...: Der Kommentar bezieht sich an dieser Stelle auf den Schlussteil von Donats Verb-Definition: verbum est pars orationis ... aut agere aliquid aut pati aut neutrum significans (Don. mai. 632,5f.). Da es um das Genus des Verbs geht, wird schon hier einiges vorweggenommen, was man eigentlich erst unter dem später zu erörternden Akzidens genus erwarten würde. Bei Serv. comm. liegt daher ein entsprechender Kommentar nicht in diesem Zusammenhang vor, sondern erst in dem Abschnitt, der eigens dem genus gewidmet ist.22 Expl. I und Pomp, äußern sich dagegen zweimal über die significationes der Genera: zunächst an dieser Stelle mit einer kurzen Übersicht, die dem vorliegenden Text nahe kommt, dann zum Akzidens genus in Form einer ausführlicheren Erörterung des Sachverhalts.23 Die Beispiele, die der Text fur die verba activa, passiva, neutra, deponentia, communia je nach ihrer significatio agentis oder significatio patientis anfuhrt, entsprechen denen, die entweder bei Donat, seinen anderen Kommentatoren oder überhaupt in der artigraphisehen Tradition in diesem Sinn verwendet werden.24 51,16 neutrale'. Zu Don. mai. 632,6 aut neutrum significans merkt Ambr. 94,74f. an, dass 'Sergius' den Begriff neutrale bevorzugt habe, um das Genus des Verbs - offensichtlich im Gegensatz zu neutrum als Terminus fur das Genus des Nomens - zu bezeichnen.25 Weiter unten geht Ambr. dann im Zusammenhang mit dem Akzidens genus ausfuhrlicher auf diesen Sachverhalt ein. Mit dieser Passage stimmt ein Abschnitt bei Don. ort. nahezu wörtlich überein, der dort ebenfalls unter der Quellenangabe 'Sergius' zitiert wird: Ambr. 107,540-546: 'Neutrum'autem

male dieimus,

'neutrale' potius

dicendum

est. Nam 'neutrum' in nominibus hoc dieimus, quod neque masculinum neque femininum, sed tertium aliud genus sit. tali modo etiam nunc 'neutrum' dieimus,

id est quod neque activum

neque passivum,

quid verbum

erit?

Significationem aut activi habeat necesse est aut passivi: activi cum dico 'uro', passivi

cum dico

'vapulo'.

Ergo

'neutrale'

potius

dicendum

est

quam

'neutrum'. Don. ort. 151,850-857: ut Sergius die it: 'Neutrum'autem

male dicitur,

'neutrale'

potius dicere debemus. Nam 'neutrum' in nominibus hoc dicitur, quod neque masculinum nec femininum sit, sed tertium aliud genus sit. Si tali modo etiam nunc 'neutrum' dieimus, id est quod neque activum neque passivum,

22 23 24

25

quod

Serv. comm. 413,37-414,6. Expl. I 503,6ff; 507,3ff.; Pomp. 213,21ff.; 227,5ff. scribo: Char. 210,3ff.; scribor: Char. 210,3ff.; curro: Char. 210,3ff.; Don. mai. 635,5ff.; Expl. I 503,6ff.; Pomp. 213,21 fF.; vapulo: Serv. comm. 413,35ff.; Expl. I 503,6fF.; Pomp. 213,21ff.; loquor: Don. min. 592,2Iff.; Serv. comm. 413,35ff.; Pomp. 213,21ff.; luctor: Char. 210,3ff.; Don. min. 592,21ff.; Pomp. 213,2Iff.; osculor: Don. min. 592,2Iff. Ambr. 94,74f.: aut neutrum significans: quod genus Sergius neutrale dici retulit.

310

Kommentar verbum erit? Nam significationem aut activi habere [habere] necesse est aut passivi: activi cum dico 'euro', passivi cum dico 'vapulo'. Ergo 'neutrale' potius quam 'neutrum' dicendum est.16

Da es sich in den meisten Fällen, wo bei Ambr. oder Don. ort. 'Sergius' als Gewährsmann angegeben wird, um ein Zitat des vorliegenden Textes handelt, liegt die Vermutung nahe, dass dieser auch als Quelle für die in Rede stehende Bemerkung zum Terminus neutrale gedient hat. Es findet sich allerdings keine wörtliche Entsprechung in der tradierten Fassung des Textes, so dass man von einer durch die Überlieferung bedingten Lücke ausgehen muss. Da Ambr. und Don. ort. das ausführliche 'Sergius'-Zitat übereinstimmend zum Akzidens genus anführen, dürfte dessen Wortlaut auch in unserem Text eher dorthin gehört haben (vgl. 54,2Iff.) als zur vorliegenden Stelle. Ein weiteres Argument für die These, dass die Zeugnisse bei Ambr. und Don. ort. auf unseren Text zurückgehen, beruht darauf, dass er tatsächlich als einziger der Donatkommentare den Begriff neutrale gebraucht. Die anderen halten dagegen entweder an neutrum fest oder verwenden neutrale nicht als selbstständigen Terminus, sondern nur als Adjektiv zu verbum27 Pomp, spricht sich sogar ausdrücklich gegen eine Unterscheidung von neutrale und neutrum aus.28 Aufgrund seiner Argumentation gewinnt man den Eindruck, dass die begriffliche Trennung ein Produkt älterer Grammatiker ist (voluerunt), zu denen man dann auch den Verfasser des vorliegenden Textes rechnen müsste.29 52,If. formae

inde dictae sunt, quod nos in unamquamque rem informent: Die

etymologische Definition des Begriffs forma findet sich fast wörtlich bei Isid. orig. 1,9,3 wieder.30 Isid. orientiert sich auch sonst in diesem Zusammenhang sehr eng am Wortlaut des vorliegenden Textes31 wie auch an der gegenüber Don. mai. und den anderen Kommentaren vertauschten Reihenfolge der formae und modi?2

26

21 28

29

30 31

32

Vgl. auch Mals. 204,19ff.: neutralia ideo dicuntur, ut in nomine quod nec masculinum nec femininum nec neutrum dicitur, ita in verbo quod nec agit nec patitur. neutrale vocari debet, non neutrum ut in nomine. Serv. comm. 413,38f.; Expl. I 503,8f.; Pomp. 213,30f. Pomp. 229,22ff.: voluerunt enim et in hoc discretionem facere, quando est neutrum, quando neutrale; neutrum nomen volunt dici, neutrale verbum volunt dici. puta si dicas hoc nomen quale est? neutrum; hoc verbum quale est? neutrale, sed adhibuerunt istam differentiam sine causa nulla extante ratione. Vgl. auch Prob. app. gramm. IV 201,15f.: inter neutrum et neutrale hoc interest, quod neutrum nomen aut pronomen aut partieipium significat, neutrale vero verbum esse demonstrat. Isid. orig. 1,9,3: formae verborum inde dictae sunt, quod nos ad unamquamque rem informent. Vgl. Isid. orig. 1,9,3: per has (sc. formas) enim ostendimus, quidagamus (52,2); formae enim sensum tenent, modi declinationem (52,3ff.); nam nescis, quid sit declinatio, nisi prius didiceris, quid sit sensus (52,5f.); meditativa (sc. forma) dicta est a meditantis sensu, ut lecturio, id est legere volo (52,9 f.). Siehe die Einleitung zum Kapitel De verbo S. 305f.

De verbo

311

52.10 , id est legere cupio: In (M) ist wahrscheinlich lecturio ausgefallen, das Standardbeispiel der artigraphischen Tradition fur die verba meditantis sensus.33 Dies lässt sich aus der überlieferten Umschreibung durch id est 'legere cupio' erschließen. Die Formulierung legere cupio ist gegenüber dem sonst üblichen legere volo auffällig; abgesehen von einer Parallele bei Augustinus, deren unmittelbarer Zusammenhang mit der vorliegenden Stelle aber keineswegs zwingend ist34, finden sich dazu keine Entsprechungen in der lateinischen Literatur. 52.11 nunc de singulis formis

tractabimus

Die anderen Donatkommentare haben im Gegensatz zum vorliegenden Text an dieser Stelle einen Abschnitt, in dem die formae verborum kurz definiert und in eine natürliche Reihenfolge - meditativa, inchoativa, perfecta, frequentativa - gebracht werden.35 Die zur technischen Sprache des grammaticus gehörende Form tractabimus kommt sonst fast ausschließlich in älteren Grammatiken des 3. und 4. Jhs. vor, allen voran bei Prob, inst., dagegen nur ein einziges Mal in der Donattradition (Serv. cent.).36 52,13 originem sumant: Die anspruchsvolle Wendung originem sumere an Stelle des bloßen Verbs oriri ist auch bei Serv. comm. und Pomp, im Wechsel mit originem habere oder originem ducere belegt.37 52,17 utfervesco, 'fervesciturus' nemo dicit: fervesco ist Standardbeispiel der Donattradition für die verba inchoativae formae Expl. I diskutiert in diesem Zusammenhang die Frage, ob das Verb fervere zur zweiten oder dritten Konjugation gehört.39 Als Beleg für beide Möglichkeiten wird jeweils ein Beispiel angeführt, eines von Vergil (fervere Leucaten, Verg. Aen. 8,677) und eines von Statius (obsequio fervere domum, Stat. Theb. 1,125). Expl. I hält davon die Verwendung bei Statius für diejenige, welche der ratio artis entspreche, weil sich aus fervere die Form fervesco ableiten lasse, was nur bei Verben der zweiten Konjugation möglich sei. Dagegen wird die Vergil-Stelle, wo fervere als Verb der dritten Konjugation erscheint, als metrisch bedingte 33 34

35

36

37 38 39

Don. mai. 633,7; Serv. comm. 412,32f.; Pomp. 219,16; Cled. 18,1. Aug. epist. 82,5: librum quoque tuum, cuius mentionem fecisti, de optimo genere interpretandi cupio legere et adhuc nosse. Serv. comm. 412,29ff.; Expl. I 505,15ff.; Pomp. 219,6ff.; Cled.l7,31ff. Die Donatkommentare distanzieren sich damit von der bei Don. mai. 633,6f. vorgegebenen Reihenfolge (perfecta, meditativa, frequentativa, inchoativa) der formae verborum. tractabimus findet sich im 3. und 4. Jh. 76 mal bei Prob, inst., 3 mal bei Sacerd. und jeweils einmal bei Char, und Diom.; dagegen ist die Form in Texten, die in das 5. Jh. datiert werden, nur 3 mal bei Aug. reg. und 1 mal bei Serv. cent, belegt. Serv. comm. 435,5; 440,23; Pomp. 217,9; 221,15; 221,24f. Don. mai. 633,8; Pomp. 219,29; Cled. 54,25f. Expl. 1 505,3Iff.

312

Kommentar

Ausnahme erklärt. Eine ähnliche Position vertreten Don. mai. und Prob, inst.40, während in Donats Terenz- und Servius' Vergilkommentar die Zugehörigkeit von fervere zur dritten Konjugation als regulär gilt.41 Pomp. 297,19ff. beschränkt sich demgegenüber darauf, beide Möglichkeiten nebeneinander zu stellen, ohne einer von beiden den Vorzug zu geben. 52,21-23 'consuesco, consuevi' videtur non esse inchoativum, quia praeteritum perfectum habet: quidquid enim inchoatur, praeteritum non habet·. Die Anmerkung, dass das Verb consuesco nicht zu den verba inchoativae formae gerechnet werden dürfe, weil es die Perfektform consuevi bilde, wird vom Text wenig später (53,10ff.) wiederholt. An der vorliegenden Stelle gehört sie als Kommentar zu Don. mai. 633,9f., an der folgenden zu Don. mai. 634,1 f. Eine vergleichbare Doppelung findet sich in den anderen Donatkommentaren in diesem Zusammenhang nicht. Cled. 55,9ff. hat lediglich eine dem vorliegenden Text inhaltlich entsprechende Aussage zur zweiten Stelle.42 52,23-53,1 sunt etiam frequentativa

α nomine venientia. Hic Donatus erravit: nam

'patrissat' idem est ac patri similis est·. Genauso wie Pomp, und Cled. distanziert sich der Text davon, dass Don. mai. 633,lOf. die Verben patrisso und graecisso zu den verba frequentativae formae zählt, da diese keine verstärkte Intensität, sondern eine Ähnlichkeit (patri similis) bezeichneten.43 Bei Serv. comm. und Expl. I fehlt ein entsprechender Kommentar. 53,6f.

quia

nescit

perfectionem

inchoatio:

Die

zunehmende

Verwendung

von

Verbalsubstantiven auf -tio, die im Altlatein bei Plautus oder Ennius noch durchaus üblich waren, in der klassischen Literatur aber gemieden wurden, ist ein typisches Merkmal spätlateinischer Sprache. Besonders häufig findet es sich bei christlichen Autoren seit Tertullian.44 Auch im vorliegenden Text kommt über die grammatischen Fachbegriffe auf -tio hinaus eine Vielzahl von Verbalsubstantiven vor, die in den anderen Donatkommentaren nicht in vergleichbarer Häufigkeit belegt sind. Neben perfectio und inchoatio an dieser Stelle gehören dazu etwa die Abstrakta cognatio (2,13), quaestio (7,6), cavillatio (7,17), intentio (10,7), collatio (11,18), obiectio (46,16), dubitatio (47,8), iteratio (48,12), relatio (49,17), memoratio (49,22) und inquisitio (50,2).

40

41 42

43 44

Prob. inst, gramm. IV 241,20ff.; Don. mai. 654,2f.: (sc. barbarismus fit per inmutationem ) temporis, ut 'fervere Don. Ad. 534; Serv. Aen. 4,409; Serv. auct. Aen. 8,677; Serv. auct. georg. 3,221; Serv. auct. Georg. 4,169. Cled. 55,9ff.: sunt quae originem sui non habent, ut consuesco, quiesco: consuesco facit consuevi, quiesco facit quievi, facit et passivum consuescor ab alio; ideo ergo inchoativa non sunt, quia et praeteritum habent et passivum faciunt. Pomp. 221,12ff.; Cled. 54,27ff. Siehe dazu HOLTZ, Donat, S. 290. H.-Sz. II,742f.

De verbo

313

53,10-13 sunt quae originem non habent, ut consuesco, quiesco; et hic Donatus erravit, quia haec inchoativa verba dixit, cum praeteritum habent 'consuevi', 'quievi', ergo non inchoativa sunt: Im Zusammenhang mit denjenigen verba inchoativae formae, welche von den verba perfectae formae

gebildet werden, behandeln Pomp, und Cled. über den

vorliegenden Text und die anderen Donatkommentare hinaus das Verb aneo, aus dem sich ihrer Meinung nach das Substantiv anas herleiten lasse.45 53,14 modi ipsi: Im Text fehlt eine eindeutige Angabe dazu, welche und damit auch wieviele modi im einzelnen unterschieden werden. Serv. comm. und Pomp, geben dagegen klar zu erkennen, dass sie von acht modi ausgehen.46 Das ist insofern überraschend, als Don. mai. nur sieben aufzählt, von denen er sogar noch einen, den promissivus modus, ausgeschlossen haben will.47 Diese Differenzen sind darauf zurückzuführen, dass auch schon die Grammatiker vor Donat über die Anzahl der modi unterschiedlicher Auffassung waren.48 Das ergibt sich etwa aus Diom. gramm. I 338,6ff., wo es heißt, dass die meisten Grammatiker von fünf modi (indicativus

(finitus),

imperativus,

optativus,

coniunctivus

(subiunctivus),

infinitivus)

ausgegangen seien. Andere hätten dagegen bis zu zehn unterschieden, indem sie zu den fünf feststehenden noch den einen oder anderen, wie etwa den promissivus oder den impersonalis, ergänzt hätten. Diese Einschätzung bestätigt sich, wenn man verschiedene Grammatiken selbst im Hinblick auf die Frage betrachtet, wieviele modi von ihnen aufgezählt werden. Denn von den Texten des 3. und 4. Jhs. hat tatsächlich die Mehrheit fünf modi*9, abgesehen von Prob. inst, und Victorin., wo acht bzw. zehn modi unterschieden werden.50 Donat weicht nun ebenfalls von der Tradition ab, indem er zu den fünf festen modi noch den impersonalis hinzufügt. Seine Kommentatoren stimmen mit ihm darin, wie bereits erwähnt, keineswegs überein. Serv. comm. und Pomp, folgen nämlich Prob, inst., indem sie von acht modi ausgehen (indicativus, imperativus, promissivus, optativus, coniunctivus, 45

44 47

48 49 50

inßnitus,

Pomp. 222,6ff.: unde et aneo, legimus enim 'artet ille', id est quasi anicula contremescit; unde etiam anates dicuntur, quod in frigore semper vivant et tremant, in aqua enim vivunf, Cled. 55,4-6: et aneo, quod est tremo, unde et anates dicimus, quod in aqua sint, hoc est in frigore; si quis tremit, aneo dicat, hoc est tremo. Diese Erklärung des Begriffs anas ist eine andere als die von Varro ling. 5,78 (anas a nando). Serv. comm. 411,26-28; Pomp. 214,If. Don. mai. 632,8ff.: modi autem sunt, ut multi existimant, septem: indicativus ... promissivus, ut legam, sed hunc nos modum non accipimus, ...; vgl. Don. min. 591,9-11. Siehe dazu JEEP, Redetheile, S. 216f. Sacerd. gramm. VI 432,18ff.; Char. 215,31ff.; Aug. brev. 4,6; Consent, gramm. V 374,14ff. Prob. inst, gramm. IV 155,39ff.: modi verborum sunt octo: indicativus, qui est et pronuntiativus, promissivus, quod est et futurum tempus modi indicative, imperativus, infinitus, qui est et perpetuus, optativus, coniunctivus, qui est et iunctivus, inpersonalis, gerundi; Victorin. gramm. VI 199,17ff: modi verborum quot sunt? decern, qui sunt? indicativus, imperativus, promissivus, optativus, coniunctivus, concessivus, infinitivus, impersonalis, gerendi, hortandi.

314

Kommentar

impersonate, gerundi)51. Sie merken zwar einschränkend an, dass die Zugehörigkeit von promissivus, impersonalis und gerundi in anderen Grammatiken nicht die Regel ist, halten aber dennoch an ihr fest.52 Expl. I nennt zwar zunächst nur sechs modi (indicativus, promissivus, imperativus, optativus, coniunctivus, infinitus), ergänzt aber später noch drei weitere (impersonalis, gerundi, concessivus), so dass sich die Zahl in diesem Traktat auf insgesamt neun beläuft.53 Cled. hat mit Expl. I den concessivus gemeinsam, er schließt aber wie Don. mai. den promissivus aus, so dass er wie Serv. comm. und Pomp, auf acht modi kommt.54 Wie der vorliegende Text sich in dieser Frage in die Reihe der Donatkommentare einfugt, ist nur schwer zu beurteilen, weil auch an der in Rede stehenden Stelle die Überlieferung ganz offensichtlich lückenhaft ist. Es steht jedoch fest, dass er wie Don. mai. den Ausschluss des promissivus aus dem Kreis der modi befürwortet (53,17f.), während Serv. comm. und Pomp, dessen Zugehörigkeit gelten lassen.55 Des Weiteren zählt er wie Don. mai. im Gegensatz zur älteren artigraphischen Tradition des 3. und 4. Jhs. den impersonalis zu den modi (53,2If.); eine Unterscheidung von fünf modi erscheint daher ausgeschlossen. Diese Stellen legen die Vermutung nahe, dass sich der Text hinsichtlich der Anzahl der modi sehr eng an Don. mai. orientiert hat, und zwar noch enger als die anderen Donatkommentare. Merkwürdig ist nur, dass die schon in der Einleitung besprochene56, zusammenhanglos wirkende Anmerkung, dass kein Partizip die Endung u habe (54,4), bei Serv. comm., Expl. I und Pomp, im Abschnitt zum modus gerundi vorkommt. Man muss daher annehmen, dass der vorliegende Text in einer vollständigeren Fassung auch den von Don. mai. nicht genannten modus gerundi besprochen hat. Damit wird er aber automatisch gegen den bisherigen Befund näher an die anderen Kommentare herangerückt. Alles in allem erlaubt der überlieferte Wortlaut daher keine

51

Siehe S. 313 Anm. 46. Die gemeinsame Wahl des Begriffs infinitus statt infinitivus deutet ebenfalls auf eine Beziehung zwischen Serv. comm. und Pomp, einerseits sowie Prob. inst, andererseits hin. Siehe dazu auch JEEP, Redetheile, S. 3 1 .

52

53

54

55

56

Serv. comm. 41 l,28ff.: sed ex his (sc. octo modis) quinque volunt esse legitimos; de tribus vero dubitatur, id est de promissivo, inpersonali, gerundi. Pomp. 214,2fF.: ipsi (sc. modi) sunt octo, sed quinque sunt, qui per omnes artes possunt inveniri: indicativus, imperativus, optativus, coniunctivus et infinitivus. Uli tres, promissivus, inpersonalis et gerundi, habent calumniam; aliquotiens ita declinantur, quemadmodum novimus. modos interim octo dixiplenos. Expl. I 503,25f.: modi sunt hi: indicativus, promissivus, imperativus, optativus, coniunctivus, infinitus-,... est etiam inpersonalis modus (504,15ff.) ...; est etiam alter modus, qui appellatur gerundi (504,30ff.) ...; est etiam concessivus modus (505,3ff.) ... Vgl. Cled. 17,18f.: octavus modus quidem dicitur concessivus ...; Cled. 16,17: promissivus modus non est, sed est indicativi modi tempus futurum. Genau genommen ergeben Donat und seine Kommentatoren, was die Akzeptanz des promissivus modus anbetrifft, folgendes Bild: Don. mai. (632,10), Cled. (16,17) und der vorliegende Text (53,17f.) schließen ihn als selbständigen Modus aus; Serv. comm. (412,6ff.) und Expl. 1 (503,29ff.) betrachten seine Zugehörigkeit als dikussionswürdig, führen ihn aber in ihrer Liste der modi auf; Pomp. (214,9ff.) betont ausdrücklich, dass der promissivus aus dem Kreis der modi nicht entfernt werden dürfe (si verum animadvertas, (sc. promissivus modus) non repellendus est). Siehe oben S. 305 mit Anm. 5 und 6.

De verbo

315

genauere Aussage als die, dass der Text bezüglich der modi eine Position vertritt, die zwischen Don. mai. einerseits sowie Serv. comm. und Pomp, andererseits anzusiedeln ist. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die Bemerkung, die sich in einer jüngeren Grammatik findet.57 Dort heißt es zunächst ganz allgemein, dass Donat und Sergius die modi unterschiedlich (dividende) behandelt hätten, dann aber konkreter, dass Sergius zwischen fünf modi (indicativus, imperativus, optativus, coniunctivus, infinitivus) differenziert habe.58 Da in den meisten Fällen, wo in späteren Traktaten 'Sergius' zitiert wird, der vorliegende Text gemeint ist, liegt es nahe, diese Aussagen ebenfalls mit ihm in Verbindung zu bringen. Allerdings scheint eine Unterscheidung von nur fünf modi, wie oben gezeigt, nicht zu dem überlieferten Wortlaut zu passen, weil der Text zumindest noch den

impersonalis

gleichberechtigt neben den anderen erörtert. Der einzige Bezug, der sich überhaupt herstellen lässt, besteht zu Serv. comm. und Pomp., wo eine Gliederung in fünf modi zwar nicht postuliert, aber dennoch als Variante angesprochen wird. Vielleicht ist die Aussage der jüngeren Grammatik als Indiz dafür zu betrachten, dass in der Donat-Erklärung die Zahl der modi anfangs tatsächlich mit nur fünf angegeben und der Ausnahmecharakter der übrigen drei stärker als bei Serv. comm. und Pomp, betont worden ist, und zwar in der Weise, wie es der vorliegende Text beim promissivus tut. Möglicherweise ist ein Abschnitt, der die modi in diesem Sinne einteilt, in unserem Text verlorengegangen. Dagegen würde jedenfalls nicht sprechen, dass auch die umstrittenen, wie der impersonalis oder modus gerundi, zur Sprache kommen. Diese These lässt sich zwar nicht eindeutig beweisen, man kann sie aber durch weitere frühmittelalterliche Grammatiken stützen, welche den vorliegenden Text auch sonst verwenden und in diesem Zusammenhang ebenfalls - allerdings ohne Verweis auf 'Sergius' zwischen fünf feststehenden modi und einzelnen umstrittenen differenzieren.59 Die Position von Serv. comm. und Pomp., die dem Ausnahmecharakter des promissivus, impersonalis und gerundi

57

58

39

offensichtlich

keine

große

Bedeutung

mehr

beimessen,

wäre

dann

als

Der Text ist in der Handschrift 'Bern, Burgerbibliothek 207' unter dem Titel primae expositiones (fort, rectius explanationes) Sergii de prioribus Donali grammatici urbis Romae überliefert und herausgegeben worden von H . HAGEN (Hg.), Anecdota helvetica, Grammatici Latini suppl., Leipzig 1870, S. 143-158. Es handelt sich um einen unvollständigen Kommentar zur Ars minor Donats, als dessen Verfasser der im Titel genannte 'Sergius' schon deshalb nicht in Frage kommt, weil ein Grammatiker gleichen Namens zweimal zitiert wird. Ansonsten zeigt der Text inhaltliche und ζ. Τ auch wörtliche Übereinstimmungen mit anderen unter 'Servius' bzw. 'Sergius' überlieferten Traktaten, v. a. Expl. I. Siehe dazu oben S. 31 f. und HOLTZ, Donat, S. 429; HAGEN (Hg.), Anecdota helvetica, S. LXXXIX ff. Serg. expos, gramm. suppl. 151,24: isti sunt modi, de quibus tractavit dividende Donatus vel Sergius. 151,3235: isti sunt V modi, de quibus tractavit Sergius: indicativus, imperativus, optativus, coniunctivus, infinitivus; de Ulis autem III inpersonali et gerendi et promissivo postea videbimus. Mals. 199,16ff.: modi qui legitimi sunt V: indicativus, imperativus, optativus, coniunctivus, infinitivus; item a Donato additur inpersonalis, ab aliis gerendi modus. Clem. 104,2: quot sunt modi in verbo et quomodo nominantur? modi, qui legitimi vocantur, V sunt: ... item inpersonalis modus ab aliis additur, ut Donatus dicit, ...et alii gerundi modum addunt...

316

Kommentar

Fortentwicklung der ursprünglichen zu interpretieren, in der eine strikte Trennung zwischen fünf regelmäßigen und drei variablen modi vorgenommen worden sein müsste. 53,15f. indicativus, ut lego, ex hoc dictus est, quia per ipsum indico, quid dicam vel faciam: In einigen Grammatiken und bei Don. mai. findet sich neben indicativus auch die Bezeichnung pronuntiativus60·, Diom. verwendet dagegen als einziger den Begriff finitus61. Die Donatkommentare beschränken sich jedoch übereinstimmend auf den Terminus indicativus. Auch in der etymologischen Erklärung des Wortes indicativus (quia per ipsum indico) stehen sie einander nahe.62 53,16 et hoc de ceteris·. An dieser Stelle liegt offensichtlich eine bewusste Abkürzung vor. Ausgefallen sein dürfte die etymologische Definition der anderen modi, wie sie etwa bei Serv. comm. in entsprechendem Zusammenhang vorliegt.63 Fraglich ist aber, ob der Verfasser des Textes selbst seine Vorlage hier verkürzt hat oder ein späterer Bearbeiter einen ursprünglich vollständigeren Text. 53,17f. promissivus modus excludi debet, quare? Quid enim prodest modum dicere, cum habeamus futurum tempus, ut legam?·. Schon Sacerd. spricht sich dafür aus, den promissivus nicht als selbstständigen Modus zu betrachten, weil er lediglich das tempus futurum des Indikativs darstelle.64 Don. mai. folgt ihm darin und von dessen Kommentatoren noch Cled. Dagegen erörtern Serv. comm. und Expl. I auch die Argumente, welche für ein Festhalten am promissivus modus sprechen, ohne dabei jedoch ein eigenes Urteil abzugeben. Demgegenüber unterstützt Pomp, ausdrücklich den promissivus als eigenen Modus.65 54,1-3 a se veniunt haec verba, quae in et exeunt, utpudet; nam 'pudeo' nemo dicit. Alia aliunde veniunt, ut latet; nam 'lateo'facit; ergo quasi aliunde suscipit declinationem: Don. mai. 633,Iff. erörtert die Herkunft der verba Impersonalia und differenziert dabei zwischen denen, die auf -tur und -it enden, einerseits und denen auf -et andererseits, weil jene allesamt von regelmäßig konjugierten Verben abgeleitet sind (ab indicativo oriuntur, ζ. B. legitur), 60

61 62

63

64

65

Sacerd. gramm. VI 432,18; Prob. inst, gramm. IV 155,39f.; Don. mai. 632,9; Consent, gramm. V 374,16; Expl. II 549,1 f. Diom. gramm. 1338,17. Serv. comm. 41 l,29f.: indicativus dicitur modus, quoniam per ipsum, quodgerimus, indicamus, ut est lego. Expl. I 503,27f.: indicativus dictus est, quod per ipsum indicamus id, quod facimus, ut lego. Pomp. 214,6f.: indicativus dictus est ab eo, quod ipso indicamus. Cled. 54,6f.: indicativus: quia quae indicamus pronuntiando dicimus. Serv. comm. 41 l,29ff.: indicativus dicitur modus, quoniam per ipsum quod gerimus indicamus, ut est lego, imperativus, quoniam per ipsum imperamus, ut est lege, optativus, quoniam habet adverbium optantis, ut utinam legam, ....; vgl. auch Cled. 54,6-14. Sacerd. gramm. VI 432,2 Iff.: quidam modum dicunt promissivum, sed errant, nam tempus est futurum specie promissiva. Siehe oben S. 314mitAnm. 55.

De verbo

317

diese aber nur zu einem Teil (ζ. B. miseret)·, der andere Teil kommt lediglich in der Form des verbum Impersonale vor und hat daher seinen Ursprung in sich selbst (a se oriuntur, ζ. B. pudet). Der überlieferte Wortlaut des vorliegenden Textes behandelt davon nur die verba impersonalia mit der Endung -et. Die ungewöhnliche Wortstellung des Satzes mit dem vorgerückten Prädikat a se veniunt, für die keine Rechtfertigung in einer besonderen Verknüpfung mit dem zuvor Gesagten besteht, deutet aber darauf hin, dass auch an dieser Stelle etwas ausgelassen worden ist, sei es dass der Verfasser des Textes eine Vorlage nicht vollständig ausgeschrieben hat oder, was wahrscheinlicher ist, dass der Wortlaut nur lückenhaft überliefert ist. Für die Herkunft von regelmäßigen konjugierten Verben verwendet der Text die Formulierung aliunde veniunt an Stelle von ab indicative veniunt (Don. mai.); eine Parallele dazu findet sich bei Pomp.66 Von den Beispielen des Textes stimmt pudet mit Don. mai. und den anderen Kommentaren überein67; dagegen ist latet in diesem Zusammenhang im Vergleich zu dem geläufigen miseret ungewöhnlich.64 54,4 scire autem debemus, quod nullum participium ab eo in u exit·. Der Bezug der Aussage zu dem vorher Gesagten ist völlig unklar.69 Hinzu kommt, dass sie überhaupt keinen Sinn ergibt, wenn man den von (M) überlieferten Wortlaut zugrundelegt: scire autem debemus, quod nullum participium ab eo in us exit. Wie man ihn zu verstehen hat, wird erst deutlich, wenn man die anderen Donatkommentare zum Vergleich heranzieht. Bei Serv. comm., Expl. I und Pomp, findet sich nämlich im Abschnitt zum modus gerundi die ähnlich formulierte Aussage, dass kein Partizip die Endung -u habe.70 Einem entsprechenden Zusammenhang wird auch der in Rede stehende Satz entstammen. Dass er völlig isoliert erscheint, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Text in diesem Bereich nur sehr lückenhaft überliefert ist. Aufgrund der Parallele zu den genannten Donatkommentaren muss der Worlaut von (M) in der Weise korrigiert werden, dass in u statt in us zu lesen ist. Darüber hinaus möchte man auch den störenden Ausdruck ab eo tilgen. Da der Satz aber ganz offensichtlich aus seinem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen ist, lässt sich nicht völlig ausschließen, dass ab eo in der authentischen Fassung auf etwas Vorhergehendes bezogen war und daher korrekt überliefert ist. 66

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Pomp. 217,8f.: aliquando aliunde originem sumunt, si velis dicere misereor, ecce verbum est et inde facit miseret.

Don. mai. 633,3; Pomp. 217,7. Don. mai. 633,3; Pomp. 217,9f.; Cled. 54,18f. Siehe oben S. 305 mit Anm. 5 und 6. Serv. comm. 412,9ff.: sed est modus, quia in u des in it ultimo tempore suo, in quam litteram nullum desinit participium; Expl. I 504,35ff.: nullum participium per rerum naturam u littera terminatur ablativo casu\ Pomp. 218,13ff.: participia omnia numquam inveniuntur in u exire ... si enim participium esset, in ο exire deberet, non in u.

318

Kommentar

Serv. comm., Expl. I und Pomp, fuhren zum modus gerundi noch aus, dass die Verben in diesem Modus sowohl aktive als auch passive Bedeutung haben können.71 Als Beispiel dafür verwenden sie zwei Vergil-Zitate (Verg. ecl. 3,25: cantando tu illum; 8,71: frigidus in campis cantando rumpitur anguis), welche die Form cantando in beiden Varianten enthalten. Die Auswahl dieser Beispiele und die Argumentation ist eng mit zwei Stellen in Servius' Vergilkommentar (Serv. Aen. 1,713; ecl. 8,71) verwandt.72 54,11 prima et secunda coniugatio habent regulas simplices: Der Text verzichtet im Gegensatz zu den anderen Donatkommentaren darauf, die von Don. mai. aufgestellten Regeln zur ersten und zweiten Konjugation zu wiederholen.73 Daran ist zu erkennen, dass er sich nicht als eine eigenständige Grammatik versteht, sondern als ein echter Kommentar zu Don. mai., der zusammen mit seiner Vorlage zum Erlernen der Grammatik verwendet werden will. Man sieht aber auch, dass der Verfasser darum bemüht ist, Überflüssiges zu vermeiden und nur das zum Verständnis von Don. mai. Notwendige zu erörtern. 54,13f. si productam, in am et in bo, ut nutrio nutriam nutribo facit: Standardbeispiel für die Verben der dritten Konjugation, welche im Futur sowohl auf bo als auch am enden können, ist bei Don. mai. und seinen Kommentatoren servio, serviam, servibo,74 Daneben findet sich aber zumindest in einigen Donatkommentaren auch das vom Text verwendete nutrio nutriam nutribo.15 Die Darstellung des Sachverhalts ist in den anderen Traktaten präziser und materialreicher als im vorliegenden Text. Während sich dieser nämlich damit begnügt, die beiden Endungen bo und am im Futur für alle Verben gelten zu lassen, welche zur dritten Konjugation gehören und in der zweiten Person Singular Präsens ein langes i vor der Personalendung haben, sind Serv. comm., Pomp, und Cled. insofern genauer, als sie die Endung bo für diejenigen Verben festlegen, welche die genannten Kriterien erfüllen und zusätzlich in der ersten Person Singular Präsens auf eo (exeo, exibo) enden, die Endungen bo und am hingegen für die auf io (servio, serviam, servibo).76

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Serv. comm. und Pomp, geben für diese Regeln 'Probus' als

Serv. comm. 412,21ff.; Expl. I 504,37ff.; Pomp. 218,17ff. Serv. Aen. 1,713: tuendo: dum intuetur. et omnis gerundi modus tarn ab agentis quam a patientis significatione similiter profertur, ut 'cantando ilium', id est dum cantas, et 'frigidus in pratis cantando rumpitur anguis', id est dum ei cantatur. Serv. ecl. 8,71: cantando: dum ei incantatur. nam gerundi modus ab omni verbo similiter procreatur, unde cantando a passive ait, cum supra ab activo dixerit, ut 'cantando tu illum'. Vgl. Don. mai. 634,3-12; Serv. comm. 413,18f.; Expl. I 506,25-27; Pomp. 223,I6ff. Don. mai. 634,21; Serv. comm. 413,33f. Expl. 1 506,3Iff.; Pomp. 225,12f.; Cled. 18,26ff. Serv. comm. 413,30ff.: tertia producta duas habet regulas requirendas indicativi modi tempore praesenti: si ante ο ultimam e fuerit correpta, in bo tantum mittit, ut exeo exibo; si autem i habuerit ante o, futurum tempus et in am et in bo mittit, ut servio serviam servibo. Vgl. Pomp. 224,36ff.; Cled. 18,26-34.

De verbo

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Gewährsmann an77; von den unter dessen Namen überlieferten Texten kommt Prob. inst. 180,4ff. als Vorlage in Betracht.78 Expl. I, Pomp, und Cled. führen darüber hinaus als Beleg für die Form servibo ein TerenzZitat (Ter. Hec. 495: matris servibo commodis)79 sowie Pomp, und Cled. für audiam ein Vergilzitat (Verg. Aen. 4,387: audiam et haec manes veniet mihifama sub imosf0 an. 54,15-19 scire autem debemus, quia tunc est correpta, quando i secundae personae activi temporispraesentis transit in e inpassivo;...:

Um die Verben der dritten Konjugation, die in

der zweiten Person Singular Indikativ Präsens Aktiv entweder ein langes oder ein kurzes i vor der Personalendung s haben, zu unterscheiden, erörtern Serv. comm., Expl. I und Pomp, nicht nur eine einzige Methode wie der vorliegende Text, sondern insgesamt drei: zum einen schlagen sie übereinstimmend mit ihm vor, die zweite Person Singular Indikativ Präsens Passiv zu bilden und dadurch das i des Aktivs, je nachdem, ob es auch im Passiv vor der Endung ris geblieben ist oder sich in ein kurzes e gewandelt hat, als lang oder kurz zu identifizieren (audis audiris, legis legeris); zum anderen fügen sie noch als weitere Unterscheidungskriterien die Formen des Imperativs Singular und Infinitivs Präsens hinzu, anhand derer sich ebenfalls erkennen lasse, ob das i der zweiten Person lang oder kurz ist: beim Imperativ abhängig davon, ob er auf / oder mit einem kurzen e ende (nutris nutri, legis lege), beim Infinitiv je nachdem welcher der beiden Vokale vor der Endung re erscheine (nutris nutrire, legis legere)}1 54,25ff. 'Gaudeo' vero, 'fio', 'soleo', quia mutant praeteritum, non sunt recta verba, sed neutropassiva dicenda sunt, quae ideo Donatus ita appellavit, quod inaequalia dicantur: Der Text erweckt den Eindruck, als ob Donat die Verben gaudeo, fio und soleo, die im Perfektstamm das genus wechseln, mit dem Begriff neutropassiva bezeichnet habe. Diese Aussage lässt sich bei Don. mai. allerdings nicht bestätigen. Dort wird vielmehr nur die Bezeichnung inaequalia verwendet, die im vorliegenden Text erst im folgenden erscheint (55,2).82 Der Terminus neutropassivum ist sonst aber in der artigraphischen Tradition für die

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Serv. comm. 413,34: quas regulas Probus artifex tuetur. Pomp. 225,22f.: habes harte regulam scriptam in Probo, sed sie, ut artem plane secutus esset. Prob. inst, gramm. IV 180,4ff.: fitturum tempus modi indicative sive promissivus modus duabus his formis terminatur, am et bo. sed α prima coniugatione et secunda vel tertia producta, quae indicative modo temporis praesentis ex prima persona numeri singularis eo litteris definitur, in bo syllabam exit, ut puta amas amabo, doces docebo, exis exibo; α tertia correpta in am, ut puta scribis scribam, α tertia vero producta, quae indicative modo temporis praesentis ex prima persona numeri singularis io litteris definitur, ex utraque forma declinatur, ut puta nutris nutriam et nutribo.

Expl. I 506,32f.; Pomp. 225,27f.; Cled. 18,33. Pomp. 225,25f.; Cled. 18,30fr. Serv. comm. 413,23ff.; Expl. I 506,33ff.; Pomp. 224,1 Iff. Don. mai. 636,6.

320

Kommentar

genannten Verben durchaus geläufig.83 Dass die Grammatiker verschiedene Begriffe für gaudeo, fio, soleo etc. geprägt haben (neutropassiva, anomala, supinä), gibt Serv. comm. ausdrücklich zu verstehen.84 55,5 ut tondeo tondes, tondeor, et cetera'. In (M) ist das Verb condio an Stelle von tondeo überliefert, condio wird jedoch in keiner anderen Grammatik als Beispiel fur die Verben, welche sowohl im Aktiv als auch Passiv eine aktive Bedeutung haben (verba incertae significationis), verwendet. Es ist auch fraglich, ob condio dazu überhaupt geeignet wäre; für die Form condior in aktiver Bedeutung gibt es nämlich keine Belege.85 Man kann deshalb davon ausgehen, dass es sich bei condio um eine falsche Lesart handelt, wahrscheinlich von dem auch bei Don. mai. in diesem Zusammenhang an erster Stelle genannten Verb tondeo.96 Der Zusatz et cetera zeigt, dass auch hier eine bewusste Abkürzung vorgenommen wurde, sei es von dem Verfasser des Textes, sei es von einem späteren Bearbeiter. Vermutlich sind weitere Beispiele fur die verba incertae significationis, von denen sich bei Don. mai. neben tondeo noch zehn weitere finden, ausgelassen worden. Der Text ist daher auch an dieser Stelle wesentlich knapper als die anderen Donatkommentare, die zum Teil über die bloße Nennung der Beispiele hinaus noch Belege aus der lateinischen Literatur anführen. So verdeutlichen Pomp, und Cled. die identische Verwendung von partio und partior mit Hilfe eines Sallust(Sall. lug. 43: provincias inter se partiverant) und eines Vergil-Zitates (Verg. Aen. 1,194: et socios partitur in omnes).87 Eine Parallele dazu ist die entsprechende Stelle in Servius' Vergilkommentar (Serv. Aen. 1,194), wo nicht nur das Verb partio, sondern der gesamte Sachverhalt der verba incertae significationis in ähnlicher Weise wie bei Pomp, und Cled. besprochen wird.88 Darüber hinaus haben Pomp, und Cled. individuell noch weitere Zitate zu anderen Verben wie etwa populo/populor,89

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Vgl. Prob. inst, gramm. IV 187,16f.; Consent, gramm. V 368,18ff.; Phoc. gramm. V 431,3ff.; Aug. reg. gramm. V 514,40ff.; Serv. comm. 437,13f.; Prise, gramm. II 420,7fF. Serv. comm. 437,13f.: gaudeo et audeo a plerisque neutropassiva, ab aliis anomala, ab aliis supina verba dicuntur. Vgl. ThLL Bd. IV Sp. 142,50ff. s. v. 'condio'. Don. mai. 636,10; vgl. auch Serv. comm. 437,25f.; Pomp. 233,5f.; Cled. 59,7f. Pomp. 233,32ff.; Cled. 59,13f. Serv. Aen. 1,194: partitur: Sallustius ait 'provincias inter se partiverant', nam et partio et partior dieimus; et est verbum de his, quae, cum utramque reeipiant declinationem pro nostra voluntate, activae tarnen sunt significationis, ut punio punior, fabrico fabricor, lavo lavor. quamquam Probus temptaverit facere differentiam inter activam passrvamque significationem, ut dicamus tondeo alterum, tondeor ab altero; sed hoc in aliis verbis dicere non possumus, ut fabrico fabricor, pasco pascor. Vgl. Prob. cath. gramm. IV 36,25ff.: partio partivi, sie Cicero 'partiverant', dieimus et partior sub eodem intellectu activitatis vel verbi communis partior, Vergilius 'et socios partitur in omnes', sie uti obsono obsonor. populo/populor: Pomp. 233,7ff. (Verg. georg. 1,185 (vgl. Serv. auet. georg. 1,185); Cie. div. in Caec. 3,7); Cled. 59,16f. (Verg. georg. 1,185; Verg. Aen. 12,263). lavo/lavor. Cled. 59,10f. (Ter. Eun. 593; Sali. hist, frg. 3,94). lucto/luctor: Cled. 59,1 Iff. (Ter. Hec. 829; Verg. Aen. 3,38). auguro/auguror: Cled. 59,I4ff. (Verg. Aen. 7,273 (Serv. Aen. 7,273); Stat. Theb. 4,592). obsono!obsonor. Pomp. 233,9ff. (Ter. Ad. 117). pasco/pascor: Pomp. 233,14ff. (Verg. georg. 4,181; vgl. Serv. georg. 3,314). adulo/adulor: Pomp. 234,Iff. (Cie. Pis. 41,99; vgl. Arus. gramm. 71,1 f.).

De verbo

321

55,5-7 'adulor' participia etiam recipit omnia: Vgl. Cled. 59,18-20: et his verbis pene accidunt: quia et ab activa veniunt et a passiva, ut adulo adulans adulatus adulaturus et adulandus. 55,10-12 in verbis quidam dualem numerum esse dicunt, id est communem, ut legere, sed /alsum est; nemo enim dicit 'ego lego', 'nos legere': Don. mai. 637,4f. zeigt, dass einige Grammatiker zum numerus des Verbs außer singularis und pluralis als drittes noch den aus dem Griechischen entlehnten dualis gezählt haben, den sie in den archaischen Perfektformen der dritten Person Plural (legere statt legerunt) zu finden glaubten.90 Damit könnte etwa 'Probus' gemeint sein, der tatsächlich drei numeri verborum unterscheidet, allerdings nicht eindeutig zu erkennen gibt, ob er mit dem Begriff communis den dualis numerus von Don. mai. meint.91 Dafür spricht, dass der vorliegende Text an dieser Stelle (55,1 Of.) den Terminus communis numerus als Alternative zu dualis numerus vorschlägt. Während Don. mai. es offen lässt, ob die Annahme eines dualis numerus sinnvoll ist, lehnen der vorliegende Text, Pomp, und Servius im Vergilkommentar ihn ausdrücklich ab.92 Pomp, und Cled. behandeln zusätzlich die Frage, warum die maiores die Form legere als Ersatz für legerunt geprägt haben.93 Sie machen dafür übereinstimmend metrische Gründe (metrorum causa) verantwortlich und führen als Beleg ein Lucan-Zitat (Lucan. 3,44: legere rudentes) an, welches Cled. irrtümlich Vergil zuschreibt. 55,15-18 praeteriti temporis differentiae sunt tres: imperfecta, quam statim dimittimus; perfecta, quam dudum dimisimus, plusquamperfecta, quam iam dudum dimisimus, legebam, legi, legeram: Der Text behandelt zum Akzidens tempus nur das tempus praeteritum mit seinen drei Unterteilungen imperfectum, perfectum und plusquamperfectum; die beiden anderen Tempora praesens und futurum bleiben dagegen unerwähnt. Es fehlt daher auch ein bei Serv. comm., Expl. I und Pomp, vorhandener Abschnitt zum fehlerhaften Gebrauch von Präsens und Futur.94 Die anderen Donatkommentare stehen einander auch näher, was die Definition der Vergangenheitstempora anbetrifft. Während der vorliegende Text dazu nämlich die Form

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Siehe dazu JEEP, Redetheile, S. 215f. Vgl. auch Sacerd. gramm. VI 432,7-9: numerum vero dualem etiam quidam putant esse, cum dicimus dixere scripsere, quod est pro 'scripserunt' dixerunt. Prob. inst, gramm. IV 156,5-7: de numero. numeri verborum sunt tres: singularis pluralis communis, nunc hi, quemadmodum verbis deserviant, in declinatione probantur. Pomp. 234,17ff.; Pomp, täuscht sich, wenn er behauptet, Don. mai. habe den dualis numerus ausdrücklich verworfen; anscheinend ist die Quellenangabe Donatus ait - wie auch an anderer Stelle bei Pomp. - falsch. Serv. Aen. 2,1: conticuere autem pro conticuerunt, quod metri causa fit vel ratione clausularum; nec est, ut quidam dicunt, dualis numerus, qui apud Latinos numquam penitus invenitur. Pomp. 234,27ff.; Cled. 60,5fF. Serv. comm. 414,1 Iff.; Expl. I 508,13ff.; Pomp. 235,15ff.

322

Kommentar

dimittimus/dimisimus zusammen mit den Zeitadverbien statim (Imperfekt), dudum (Perfekt) und iam dudum (Plusquamperfekt) verwendet, umschreiben die anderen Traktate die verschiedenen Zeitstufen übereinstimmend mit den Verben omittere und complere sowie den Adverbien paulo ante (Perfekt) und olim (Plusquamperfekt).95 Die einzigen Stellen, die mit den Formulierungen unseres Textes entfernt verwandt sind, finden sich bei Victorin. (iam dudum) und Cled. (dimisimus).96 55,20-23 Donatus dicit non posse inveniri ante ο in indicative modo primam personam praeter tres litteras vocales: aut e aut i aut u; etiam est ο quarta, sed Graece, ut 'boo, boas, boat', unde est illud 'reboant silvaeque et magnus Olympus'·. Der Text stimmt mit Serv. comm. und Pomp, darin überein, dass Donats Behauptung, in der ersten Person Singular Indikativ Präsens Aktiv könnte vor dem auslautenden ο kein anderer Vokal als e, i oder u stehen, dahingehend korrigiert werden muss, dass es auch Verben gibt, die den Vokal ο vor der Endung ο haben.97 Als Beispiel dafür nennen alle drei Kommentare das dem Griechischen entlehnte Verb boo und belegen dessen Verwendung im Lateinischen mit Verg. georg. 3,223 (reboant silvaeque et magnus Olympus). Die Erörterung dieses Sachverhalts in Servius' Vergilkommentar (Serv. georg. 3,223) entspricht der in den Donatkommentaren.98 55,23f. 'k ο non praeponitur' verum est, sed k a praeponitur, ut Kalendae: Die Regel, dass der Buchstabe k nur vor dem Vokal α stehen kann, ist an dieser Stelle bei Serv. comm. und Pomp, in ähnlicher Weise formuliert.99 Ansonsten findet sich ein entsprechender Hinweis bei Don. mai. und fast allen seiner Kommentatoren im Kapitel De littera.100 Das Substantiv Kalendae ist für diese Regel neben Karthago das Standardbeispiel.

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imperfectum: Serv. comm. 414,7f.: praeteritum inperfectum, quod omissum est et non conpletum. Expl. I 508,5f.: inperfectum tempus est, quod omissum est, antequam conpleretur. Pomp. 235,8f.: inperfectum est, quod omissum est, sed non conpletum. Cled. 61,1: inperfectum est quod totum conpletum non est. perfectum: Serv. comm. 414,8f.: praeteritum perfectum, quod conpletum est paulo ante. Expl. I 508,7f.: perfectum dicitur, quod omissum est cum re ipso paulo ante. Pomp. 235,27f.: perfectum est quod conpletum est, sed paulo ante. Cled. 19,10f.: praeteritum perfectum est, quodfactum nunc complevimus. plusquamperfectum·. Serv. comm. 414,9f.: praeteritum plusquamperfectum, quod conpletum est olim. Pomp. 235,28f.: plusquamperfectum quod conpletum est olim. Cled. 19,11: praeteritum plusquamperfectum est, quod olim res perfecta est. Victorin. gramm. frg. p. 35,10ff.: quid per tempora? ut si quis dicat 'iam dudum fiet' aut 'quandoque factum est', cum iam dudum ad tempus praeteritum spectet, quandoque ad futurum. Cled. 19,9f.: praeteritum inperfectum est, quodfacere videbamur et inperfectum dimisimus.

Serv. comm. 438,2ff.; Pomp. 239,5ff. Serv. georg. 3,223: reboant: resultant, remugiunt. est autem graecum verbum, nam apud Latinos nullum verbum est, quod ante ο finalem ο habeat excepto inchoo, quod tarnen maiores aliter scribebant... Serv. comm. 438,lf.: k ideo non potest praeponi, quia numquam anteponitur nisi a sequente. Pomp. 239,23ff.: legimus enim in litteris quia k non praeponitur nisi sequente a. Don. mai. 604,16f.: supervacuae quibusdam videntur k et q, qui nesciunt, quotiens a sequitur, k litteram

praeponendam esse, non c. Vgl. Serg. litt. 477,14ff.; Pomp. 110,4fF.; Cled. 28,5ff.

De verbo

323

56,2-4 alia per modos, ut cedo, id est 'die', non facit 'cedebam', quamquam tectum sit in plurali numero 'ceditepatri meo', id est 'dicite': Das Zitat cedite patri meo ist lediglich in der Ars Ambrosiana (Ambr.), die dem sonstigen Wortlaut des Textes an dieser Stelle entspricht, vollständig überliefert; (M) hat dagegen nur cedite. Für die Authentizität von cedite patri meo spricht, dass auch Pomp, und Cled. das Zitat im gleichen Zusammenhang verwenden; sie haben allerdings die Form cette an Stelle von cedite und geben außerdem Plautus als Verfasser von cette patri meo an.101 Da sich diese Formulierung aber in keiner der erhaltenen Komödien des Plautus findet, lässt sich nicht überprüfen, ob es im Original cette oder cedite gehießen hat. cette wird zwar in anderen artigraphischen Texten als korrekter Plural von cedo angegeben102, trotzdem soll im vorliegenden Text an cedite festgehalten werden, weil es durch die Überlieferung in (M) und bei Ambr. gestützt wird. 56,4f. alia performas, utfacesso, quodperfectum non habet, nam facio', 'factito'facit: Zu dem Verb facesso, das es nur als forma frequentativa gibt, fuhrt Cled. im Gegensatz zu den anderen Donatkommentaren ein Terenz-Zitat (Ter. Ph. 635: haec hinc facessat) an.103 Dieses wird in Servius' Vergilkommentar (Serv. Aen. 4,295) in entsprechender Weise verwendet.104 56,1 If. alia per tempora, ut fero, 'ferebo' nemo dicit et 'feriturus'i Im Gegensatz zu allen anderen Beispielen, die der Text im Zusammenhang mit den verba defectiva nennt, stimmt das von (M) überlieferte ferveo nicht mit dem von Don. mai. überein; Don. mai. hat nämlich stattdessen fero.m

Außerdem ist die Behauptung, dass ein Futur zu ferveo nicht existiere

{'fervebo' nemo dicit), falsch, da sich Belege dafür in der lateinischen Literatur finden.106 Man gewinnt daher den Eindruck, dass ferveo irrtümlich an die Stelle von fero geraten ist. Ob dieser Fehler erst im Zuge der Überlieferung aufgetreten ist, lässt sich nur schwer sagen. Denn dann müsste auch der Zusatz 'fervebo' nemo dicit et 'ferviturus' aus einer zu fero passenden Formulierung wie etwa ferui nemo dicit (Pomp. 240,34) abgeleitet worden sein ein Vorgang, der sich nicht mehr auf einen bloßen Abschreibfehler zurückfuhren ließe. Der Fehler müsste außerdem sehr früh im Überlieferungsprozess eingetreten sein, weil er auch in

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ιοί

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Pomp. 240,18ff.; Cled. 59,20ff. Sacerd. gramm. VI 490,19-21 (= Prob. cath. gramm. IV 38,15ff.); Don. An. 383; Phoc. gramm. V 436,15f.; Expl. II 551,30fr.; Sacerd. und Phoc. merken zwar an, dass Plautus die Form cette verwendet habe, diese Aussage muss sich aber nicht unbedingt auf das in Rede stehende Zitat cette/cedite patri meo beziehen, sondern kann auch Plaut. Mere. 965 (cette dextras nuntiant) meinen. Cled. 61,32ff.: alia per formas, ut facesso: facesso quasi frequentativum, cum non habeat principale, unde oriatur, et non descendit ab eo quod est facio. nam facessere est abscedere et est prima coniugatio, ut Terentius 'haec hinc facessat'. Serv. Aen. 4,295: facessunt: modo frequentativum est, ut in georgicis 'matris praeeepta facessit'. alias discedit signißeat ut et Terentius 'haec hinc facessat, tu molestus ne sis'. Don. mai. 639,10: alia per tempora, ut fero. Vgl. Pomp. 240,34ff.: per tempora: fero dieimus, ferui nemo dicit, quamquam temptat Probus mutare hoc ipsum, ut dicas fero tuli... Sen. nat. 3,24,4; Sen. Med. 410; Colum. 12,16,1; 12,19,5; Pers. 5,9; Zeno 2,13; Aug. in psalm. 65,17.

324

Kommentar

der Ars Ambrosiana vorliegt, die dem Wortlaut von (M) hier entspricht.107 Eine andere Möglichkeit wäre, dass schon der Verfasser des Textes einem Irrtum unterlegen und für die Verwechslung von ferveo und fero verantwortlich ist. 56,12 ne nos turbet: Siehe den Kommentar zu 2,8 und 20,5. 56,12f. ne nos turbet, quod eadem repetit: Zu repetit ist Donatus als Subjekt zu ergänzen. Gemeint ist wohl, dass der Leser sich nicht daran stören solle, dass Don. mai. im Zusammenhang mit den verba defectiva einige Verben wiederholt, die schon vorher besprochen worden sind, wie etwa cedo, gaudeo oder faxo (vgl. Don. mai. 636,6ff.).

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Ambr. 122,1031 f.

De adverbio

325

3.5 De adverbio (57,1 - 60,11) Don. mai. 640,1-643,15; Serv. comm. 415,6-416,25; 438,6-440,15; Expl. I 509,18-513,7; Pomp. 241,10-256,7; Cled. 20,28-22,26; 62,14-70,10.

Das Kapitel De adverbio weist, was die Qualität der Überlieferung anbetrifft, dieselben Merkmale wie die beiden vorangegangenen auf. Der Text folgt in der Anordnung des Materials dem Aufbau von Don. mai.: einleitend wird der Begriff adverbium etymologisch hergeleitet sowie die äußere Form der Adverbien hinsichtlich ihrer Zusammensetzung aus verschiedenen Wortarten und ihrer Endung erklärt (57,1-58,4). Darauf folgt dann die Besprechung der Akzidentien significatio und comparatio (58,6-22), ehe abschließend Einzelfragen wie die Überschneidung zwischen dem Adverb und anderen Wortarten oder die Verbindung von Adverbien mit Präpositionen behandelt werden (58,24-60, II). 1 Hier zeigt sich schon, dass der Text wiederum nicht vollständig ist: es fehlt nämlich ein Kommentar zum Akzidens figura. Da ein solcher aber auch in den anderen Donatkommentaren entweder ganz fehlt oder nur sehr kurz gefasst ist und kaum über Don. mai. hinausgeht, kann es sich um eine bewusste Auslassung des Verfassers handeln.2 Die Mehrzahl der Lücken gegenüber Don. mai. deutet jedoch darauf hin, dass im Kapitel De adverbio ebenfalls Verluste im Zuge der Überlieferung aufgetreten sind. So werden etwa im überlieferten Wortlaut bei der Herleitung der Adverbien aus verschiedenen Wortarten nur die Möglichkeiten α nomine et verbo sowie a participio

besprochen

(57,5-10),

unberücksichtigt bleiben.

3

während

die

übrigen

von

Don.

mai.

genannten

Ähnlich fragmentarisch ist der Kommentar zum Akzidens

significatio, wo nur auf die Ortsadverbien intus und foris eingegangen wird (58,6-9).4 In diesen Fällen kann man sich kaum vorstellen, dass schon der Originaltext derart lückenhaft gegenüber Don. mai. gewesen sein soll, weil es nicht dem zur Vollständigkeit neigenden Charakter des Textes im Kapitel De nomine entspricht. Gestützt wird diese Vermutung dadurch, dass die Nebenüberlieferung zum Adverb Material unter der Quellenangabe 'Sergius' anführt, das genau in die Lücken passt, welche der überlieferte Wortlaut im Vergleich zu Don. mai. aufweist.5 Als Vorlage dafür kommt eine vollständigere Version des vorliegenden Textes in Betracht.

57,3 adverbium est, quod verbo accedit: Die am häufigsten überlieferte Definition des Adverbs lautet adverbium est pars orationis, quae adiecta verbo significationem eius explanat atque inplet (Don. mai. 640,2f.).6 Sie beschreibt die Bindung dieser Wortart an das ' 2 3 4 5 6

Don. mai. 640,1-641,7; 641,8-643,3; 643,4-15. Vgl. Expl. 1 513,4; Cled. 68,25-27. Don. mai. 640,4-7; vgl. Serv. comm. 438,13-22; Pomp. 241,24ff.; Cled. 62,18-63,2. Don. mai. 641,8-642,9. Don. ort. 162,76ff.; Don. ort. 165,143fF.; Clem. 135,3; Don. ort. 175,400ff. Char. 233,2f.; Don. min. 595,25f.; Diom. gramm. 1 403,17f.; siehe dazu JEEP, Redetheile, S. 268ff.

326

Kommentar

Verb sowohl im Hinblick auf ihre Stellung (adiecta verbo) als auch ihre Funktion (significationem eius explanat atque inplet). Durch die Formulierung adiecta verbo wird dabei der Begriff adverbium zugleich etymologisch erklärt. Die Donatkommentare definieren das Adverb anders als Don. mai.7, sie erweisen sich aber auch untereinander als uneinheitlich. Das einzige Merkmal, in dem ihre Definitionen übereinstimmen, besteht darin, dass sie sich auf die Stellung des Adverbs beim Verb beschränken, seine Funktion aber außer acht lassen. Miteinander verwandt sind nur die Formulierungen von Serv. comm. und Pomp., welche die Eigenschaften des Adverbs mit den Worten adverbium sequitur verbum beschreiben.8 Davon weicht der Wortlaut bei Expl. I ab, wo die Bindung des Adverbs an das Verb mit den Ausdrücken verbo cohaeret und verbo iungitur charakterisiert wird.9 Auch der vorliegende Text verfugt in der Wendung verbo accedit über eine eigene Formulierung.10 Diese ist im Vergleich zu denen der anderen Kommentare stärker an der Etymologie des Wortes adverbium orientiert. Schwierig ist in diesem Zusammenhang die Bewertung der Nebenüberlieferung. Don. ort. gibt nämlich eine Definition des Adverbs, die der von Expl. I fast wörtlich entspricht, und nennt dafür 'Sergius' als seine Quelle. Don. ort. 160,11-13: Sergius: adverbium dictum est, quod verbo cohaereat nec cum altera parte orationis potius iungatur.

Da mit 'Sergius' aber sonst bei Don. ort. gewöhnlich der vorliegende Text und nicht Expl. I gemeint ist, entstehen Zweifel daran, ob Expl. I tatsächlich Don. ort. als Vorlage gedient hat. Hinzu kommt, dass es die einzige Stelle wäre, wo Don. ort. sich dem Wortlaut von Expl. I anschließen würde. Dasselbe gilt fur Ambr., wo die Definition des Adverbs ebenfalls der von Expl. I nahekommt." Ambr. 128,1 Of.: adverbium dictum est, quod verbo cohaereat nec cum altera parte orationis iungatur.

7

Dies gilt nicht für Cled., der - bedingt durch den Charakter seiner Grammatik als Lemma-Kommentar Donats Definition aufgreift (Cled. 20,29ff.; 62,15ff.). 8 Serv. comm. 405, 18ff: adverbium dictum est, quia numquam recedit α verbo: sive enim dicam 'eras facio', 'hodie dico', invenias adverbia verbis eohaerentia. Serv. comm. 415,7f.: adverbium dictum est eo, quod necesse habet hanc partem orationis verbum sequi (vgl. Serv. comm. 438,7). Pomp. 97,20ff.: adverbium bene sequitur verbum, quoniam non potest segregari α verbo, eras quando dico, numquid potest habere intellectum, nisi addas verbum? puta eras faciam, eras dicam, eras veniam. ergo ideo sequitur post verbum, quoniam a verbi non potest separari. Pomp. 241,11 f.: adverbium est, ait, pars orationis dicta, quoniam semper sequitur verbum. Pomp. 241,20f.: ergo ideo dictum est adverbium, quoniam non potest esse sine verbo. 9 Expl. I 509,19f.: adverbium dictum est, quia semper verbo cohaeret, non quod verbum ipsi adverbio cohaereat, sed quod adverbium semper verbo iungatur. Expl. I 488,36f.: adverbium dicitur, quia verbo cohaeret, ita ut separari non possit. 10 In (M) ist accidit statt accedit überliefert. Für accedit spricht jedoch, dass es inhaltlich besser passt und sich auch in der dem vorliegenden Text entsprechenden Formulierung bei Isid. orig. 1,10 (adverbium dictum est eo, quod verbis accedat) findet. " Vgl. auch Clem. 132,1 f.: inde dictum est adverbium eo, quod verbo adhaereat.

De adverbio

327

Ambr. gibt zwar nicht 'Sergius' als Quelle an, dennoch wäre eine Verwendung von Expl. I genauso erstaunlich wie bei Don. ort., weil diese Grammatik nicht zu den sonst von Ambr. bevorzugten Vorlagen gehört. Man kann sogar sagen, dass auf Expl. I generell in frühmittelalterlichen Grammatiken nur äußerst selten zurückgegriffen wird.12 Alles in allem ist es daher unwahrscheinlich, dass die Definition des Adverbs, wie sie sich bei Don. ort. und Ambr. findet, auf Expl. I beruht. Mehr Sinn würde es dagegen machen, sie auf einen Text zurückzuführen, den Don. ort. und Ambr. auch sonst als Quelle verwenden. Von den Donatkommentaren sind dies der vorliegende Text und Pomp., die aber, wie gesehen, das Adverb in einem anderen Wortlaut definieren. Man könnte zwar annehmen, dass in einer vollständigeren Version unseres, in diesem Bereich ohnehin nur sehr lückenhaft überlieferten Textes auch die von Don. ort. und Ambr. bezeugte Definition vorgelegen hat. Offen bliebe dann aber, warum der Text durch verbo accedit ein zweites Mal auf die Bindung des Adverbs an das Verb hingewiesen haben soll. Wie die Expl. I nahestehende Definition des Adverbs in die Grammatiken von Don. ort. und Ambr. gelangt ist, lässt sich daher nicht mehr exakt bestimmen. Dagegen kann man die Formulierung von Isid. orig. 1,10 (adverbium dictum est, quod verbis accedat) problemlos mit dem vorliegenden Text in Verbindung bringen, da dieser von Isid. auch an anderer Stelle verwendet wird. 57,3f. ut puta 'docte fecistV: 'docte' adverbium, 'fecistV verbum: Don. mai. hat als Beispiel für die Verbindung von Adverb und Verb die Ausdrücke iam faciam und non faciam (Don. mai. 640,3). Serv. comm. und Expl. I verwenden stattdessen eras faciam und hodie scribo bzw. hodie lego und hodie facio.13 Dagegen finden sich Parallelen zu dem in unserem Text verwendeten Ausdruck docte fecisti nur bei Victorin. (docte dixit, pulchre fecit) und Diom. (rede dixisti, diligenter fecisti, optime fecisti).14 57,5-7 α nomine et verbo veniunt adverbia, ut pedetemptim, nomen est 'pes', 'tempto' verbum; verum unam partem fecerunt orationis: pedetemptim dient Don. mai. und seinen Kommentatoren als Standardbeispiel fur die Adverbien, die aus einem Nomen und einem Verb zusammengesetzt sind.15 Während unser Text allerdings pes und tempto fur die Bestandteile hält, aus denen pedetemptim gebildet wird, geben Pomp, und Cled. pes und teneo

12 13 14

15

LAW, Insular Latin Grammarians, S. 17 mit Anm. 29. Serv. comm. 415,8 (vgl. Pomp. 241,18ff.); Expl. I 509,24. Victorin. gramm. VI 201,14f.: adverbium quid est? pars orationis quae adiecta verbo manifestior et planior redditur, ut docte dixit, pulchre fecit. Diom. gramm. I 403,22f.: adverbium dicitur ideo, quoniam ad verbi tendit in eadem sententia conspirationem, ut rede dixisti, diligenter fecisti, optime legisti. Don. mai. 640,7; Pomp. 243,17ff.; Cled. 62,24f.

328

Kommentar

an. Die Auffassung des Textes wird aber von Donat im Terenzkommentar und von Aug. reg. geteilt.16 Der Text dürfte in einer vollständigeren Fassung als der in (M) überlieferten auch die anderen von Don. mai. 640,4ff. aufgeführten Möglichkeiten, ein Adverb zu bilden, erörtert haben. Das lässt sich aufgrund eines Hinweises bei Ambr. zu der Kategorie a pronomine (sc. nascuntur adverbiä) vermuten, welcher mit der sich sonst immer auf den vorliegenden Text beziehenden Quellenangabe 'Sergius' versehen ist.17 57,7-10 α participio venit adverbium, ut indulgens indulgenter. Hic erravit Donatus, nam

'indulgens'

non

est participium,

quia

comparatur: facit

enim

'indulgens

indulgentior': Die von Don. mai. 640,7 vorgeschlagene Möglichkeit, Adverbien auch von Partizipien herzuleiten, stößt bei seinen Kommentatoren auf Kritik. So argumentieren Serv. comm. und Pomp, wie auch der vorliegende Text, dass es sich bei dem Beispiel indulgens eher um ein Nomen als um ein Partizip handele, was daran zu erkennen sei, dass es die Steigerungsform indulgentior bilde.18 Bei Don. ort. liegt zu dieser Frage unter der Quellenangabe 'Sergius' eine Passage vor, die dem überlieferten Text zwar inhaltlich, aber nicht wörtlich entspricht. Dieselbe ist auch bei Ambr. vorhanden, allerdings ohne den Namen 'Sergius'. Don. ort. 162,76-79: Sergius: Donatus inquit etiam α participio fieri adverbia, sed mentitur; nam sunt pleraque participia eadem etiam et nomina, quae faciunt adverbia, quae iure nominum potius faciuntur

quam participiorum,

ut amans

amanter et reliqua. Ambr. 131,111-114: Donatus inquit etiam α participio fieri adverbia, sed mentitur. Nam sunt pleraque participia

eadem et nomina, quae faciunt adverbia,

nominum potius quam participiorum,

quae

ut amans amanter.

Da beide den vorliegenden Text mehrfach im Wortlaut zitieren und bevorzugt auch unter dem Namen 'Sergius', kann man vermuten, dass dieser auch fur den in Rede stehenden Abschnitt als Vorlage gedient hat. Es müsste sich dabei jedoch um eine vollständigere Version als die in (M)

überlieferte

gehandelt haben.

Dafür spricht

auch, dass keiner

der

anderen

Donatkommentare eine vergleichbare Stelle aufweist, die sonst als Quelle in Betracht käme.

16

17 18

Don. Ter. Phorm. 552: pedetemptim: caute, a pedibus et temptando\ Aug. reg. gramm. V 518,33f.: deprehenduntur ex utroque, ut pedetemptim, a pede et tempto, id est α nomine simul et verbo. Siehe auch ThLL Bd. X,1 Sp. 972,6ff. s. v. 'pedetemptim'. Ambr. 130,96f.: auxit Sergius meo more. Vgl. Serv. comm. 438,17. Serv. comm. 438,17ff.; Pomp. 243,19ff.; die Formulierung negant omnes (Pomp. 243,20) zeigt, dass Pomp, hier offensichtlich mehrere Texte kennt, die eine Herleitung des Adverbs von Partizipien ablehnen. Dafür kämen ältere Donatkommentare wie etwa Serv. comm. in Frage. Es zeigt sich jedenfalls, dass Pomp, einer späteren Phase der Donat-Erklärung angehört. Vergleichbare Merkmale, die auf die Verwendung älterer Kommentare hindeutet, weist Serv. comm. nicht auf, ebenso wenig der vorliegende Text. Siehe auch 63,13-15 mit dem Kommentar zu 63,13 f. quod impugnavit Donatus.

De adverbio

329

Man könnte jedoch dagegen einwenden, dass die bei Don. ort. und Ambr. überlieferte Aussage sich inhaltlich mit dem in (M) vorhandenen Wortlaut überschneidet, so dass eine Doppelung vorläge, wenn man beides fur authentisch hielte. Ein solcher Einwand ließe sich aber dadurch entkräften, dass Ambr. nicht nur über die zu Don. ort. parallele Passage verfugt, sondern auch über eine, die mit dem vorliegenden Text wörtlich übereinstimmt.19 57,11-13 aliqua in ο productam exeunt, ut /also; nam adverbium esse potest, ut 'falso ad me relatum est' et 'falso locutus est'; item dativus et ablativus casus, huic et ab hoc falso·. Zu den von Substantiven gebildeten Adverbien mit der Endung ο nimmt der Text das vorweg, was er wenig später im Rahmen der dictiones dubiae wiederholt (58,24ff.): dass nämlich in diesem Fall Verwechslungen zwischen der Form des Adverbs und dem Dativ und Ablativ Singular von Substantiven der zweiten Deklination auftreten können. Als Beispiel dafür verwendet er das Wort falso, das in den Wendungen falso ad me relatum est und falso locutus est (vgl. 59,1) als Adverb fungiere, ebenso aber auch in der Form huic et ab hoc falso (vgl.

58,26)

ein

Substantiv

sein könne.

Der

Sachverhalt

wird

in den

anderen

Donatkommentaren im gleichen Sinne behandelt, meistens aber erst an der zweiten Stelle, d. h. zu den dictiones dubiae.20 Lediglich Pomp, wiederholt sich dabei genauso wie der vorliegende Text.21 Von den Beispielen des Textes ist lediglich falso locutus est mit falso loqueris verwandt, das sich in entsprechendem Zusammenhang bei Serv. comm., Pomp, und in Donats Terenzkommentar findet.22 Serv. comm. und Pomp, verwenden daneben als Beispiel fur falso in der Funktion eines TSfomens' den Satz falso homini dedi.2i Außerdem haben Pomp, und Cled. als Beleg für falso als Adverb ein Sallust-Zitat (Sali. lug. 1: falso queritur de natura sua genus humanum) gemeinsam24, welches auch in älteren Grammatiken des 4. Jhs. zu demselben Zweck angeführt wird.25 57,14f. 'facile' et 'difficile' nomina melius dieim us quam adverbia, licet pro adverbiis sint posita: Don. mai. 640,15f. unterstreicht seine Forderung, facile und difficile nicht als Adverbien, sondern als 'Substantive', die an Stelle von Adverbien verwendet werden, zu " 20 21 22 23

24 25

Ambr. 131,120ff.: Ergo hic errauit Donatus; nam 'indulgens' non est partieipium, quia conparatur, nam facit indulgens 'indulgentior'.

Serv. comm. 439,7ff.; Pomp. 246,2Iff.; Cled. 64,2ff. Pomp. 246,2Iff.; 251,6ff. Serv. comm. 439,10; Pomp. 246,21; Don. Ter. Andr. 505: falso: potest et είρωνικώς-falso pronuntiari, potest et 'falso loqueris' dici, ut 'falso queritur de n. s. g. h'.' Serv. comm. 439,9 (falso homini dedi)\ Pomp. 246,22 {falso homini epistolam dedt).

Pomp. 251,7f.; Cled. 64,4. Char. 259,15ff.: falso Naevius in Acontizomeno 'huius autem genus dicitur geminum alterum falso occidisse'. si subauditur iudicio, nomen est. Sallustius tarnen adverbialiter dixit 'falso queritur de natura sua genus humanum'. Prob. ult. syll. gramm. IV 248,34ff.: absolutus gradus ... in adverbio sex litteris terminatur, ... ο semper producta vocali, ut falso queritur de n.'...

330

Kommentar

betrachten, mit den beiden Vergil-Zitaten torvum clamat (Verg. Aen. 7,399) und horrendum resonat (Verg. Aen. 12,700: horrendumque intonat) als analogen Fällen.26 Der vorliegende Text verzichtet an dieser Stelle auf Belege, und zwar vermutlich deshalb, weil er den Sachverhalt mit genannten Beispielen bereits im Einleitungskapitel De oratione (2,12ff.) erörtert hat. Siehe dazu den Kommentar zu 2,15 'torvum clamat' und 2,16 'horrendum resonat'. 57,17f. ut huic sapienti sapienter. Standardbeispiel für die Bildung von Adverbien mit der Endung -ter ist bei Don. mai. und seinen Kommentatoren agiliter11 \ daneben finden sich noch vereinzelt fortiter

oder dociliter,28 Dagegen kommt sapienter (vgl. auch 57,21f.) in

entsprechendem Zusammenhang nur bei Prob. inst, vor.29 57,22 sed hatte inßrmavit regulam auetoritas: Die Wendung regulam infirmare findet sich bei den lateinischen Grammatikern sonst nur noch ein einziges Mal bei Pomp.30 Ähnlich ist der Ausdruck opinionem infirmare bei Char.31 Die Formulierung auetoritas infirmat ist in der lateinischen Literatur außerdem bei Augustinus sowie in einem anonymen juristischen Traktat des späten 5. Jhs. bezeugt.32 57,22f. nam dixit Virgilius 'sanguinei lugubre rubent' pro lugubriter: Das Vergil-Zitat (Verg. Aen. 10,273) wird außerdem von Serv. comm. und Pomp, als Beleg dafür angeführt, dass die Adverbien, welche der ars zufolge auf -ter enden müssten, bei den auetores auch mit der Endung -e verwendet werden.33 Das Problem ist ebenfalls im entsprechenden Scholion in Servius' Vergilkommentar (Serv. Aen. 10,272) angedeutet.34 57,23f. et Terentius 'parce ac duriter agebat' pro dure: Für den Fall, dass ein Adverb, welches nach den Regeln der ars auf -e enden müsste, in der Literatur mit der Endung -ter vorkommt, verweisen auch die anderen Donatkommentare auf Terenz, der die Form duriter verwendet habe. Damit ist sicher die Terenz-Stelle gemeint, welche der vorliegende Text in

26 27 28 29 30 31 32

33 34

Vgl. Serv. comm. 439,If.; Pomp. 245,30f. Don. mai. 641,3f.; Serv. comm. 439,6; Pomp. 245,17ff.; 246,5ff. Serv. comm. 438,32f. (fortiter); Pomp. 246,5ff. (dociliter). Prob. inst, gramm. IV 151,35ff. Pomp. 166,9f.: quotienscumque utraque regula inflrmatur, utraque reeipitur. Char. 99,15f.: Varro enim opinionem de vocativo casu traditam infirmat. Aug. adv. Don. 34,57: prorsus iudex corrumpendus fuit, ut, quod ipsi bene egerant, illius infirmaret auetoritas; Consult. 1,10: cum fraudis studio transactionem interpositam esse dicas, quod inter vos gestum est, infirmat iuris auetoritas. Serv. comm. 439,12; Pomp. 246,27ff. Serv. Aen. 10,272: cometae sanguinei lugubre rubent: pro lugubriter.

De adverbio

331

diesem Zusammenhang als einziger ausfuhrlich zitiert (Ter. Andr. 74).35 duriter wird ebenso in Donats Kommentar zur in Rede stehenden Terenz-Stelle (Don. Ter. Andr. 74) als Verstoß gegen die ratio regulae bewertet.36 Als weiteres Beispiel fuhren Pomp, und Cled. die Form inhumaniter an, die sich bei Cicero an Stelle von inhumane findet (Cie. Verr. II 1,138: respondit illa ut meretrix non inhumaniter)?1 58,6 : Zur significatio adverbiorum ist bei Don. ort. ein 'Sergius'-Zitat überliefert. In der Ars Ambrosiana ist dieses ebenfalls vorhanden, allerdings ohne die Quellenangabe 'Sergius'. Des Weiteren findet sich bei Clem. eine parallele Stelle mit dem Namen 'Sergius'. Don. ort.

165,143-145: Sergius:

significationem

adverbiorum

non est

enumerare, est enim innumerabilis; omnis enim pars orationis quando

opus desinit

esse quod est, adverbium fit. Ambr. 136,286-289: significationem non opus enumerare; est enim propterea

innumerabilis,

quod supra diximus: omnis pars orationis cum desierit esse quod est,

adverbium fit, cernitur in hoc idem esse. Clem. 135,3: Sergius adverbiorum significationem innumerabilem esse dicit.

Da alle drei frühmittelalterlichen Grammatiken den vorliegenden Text mehrfach unter 'Sergius' wörtlich zitieren, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine Passage handelt, die im Zuge der Überlieferung verloren gegangen ist und in der lückenhaften Fassung von (M) nicht mehr vorliegt. Dass sie in diesen Zusammenhang gehört, geht aus inhaltlich entsprechenden Partien bei Serv. comm., Expl. I und Pomp, hervor.38 Diese Texte kommen als Vorlage für Don. ort. und Ambr. deshalb nicht in Frage, weil beide überwiegend zur wörtlichen Zitierung ihrer Quelle neigen, was bei keinem der genannten Donatkommentare hier gegeben ist. 58,7-9 'intus'et 'foris', quoties ad locum significant, non habentpraepositiones; nulli enim adverbio separatim additur praepositio, nemo dicit 'ad intus', 'ad foris': Die Aussage des Textes ist an dieser Stelle überraschend. Die Adverbien intus und foris bezeichnen nämlich, wie Don. mai. lehrt, keine Richtung (ad locum), sondern entweder einen Ort (in loco) oder

35

36 37

38

Serv. comm. 439,1 If.: nam Terentius ait 'duriter', cum dure dicere debuerat. Pomp. 245,2f.: Terentius dicit 'duriter', in aliis omnibus legimus dure. Vgl. Char. 100,5f.: nam et duriter Terentius dixit et Plautus ampliter. Don. Ter. Andr. 74: duriter: contra rationem regulae; dure ab eo, quod est durus, dicere debuit. Pomp. 245,3-5: Cicero dicit in illa tertia oratione 'respondit illa ut meretrix non inhumaniter', inhumane debemus dicere. Cled. 66,2ff.: sunt alia, quae contra hanc regulam veniunt, sed rara et auetoritate usurpata, ut durus duriter, inhumanus inhumaniter, sicut in praetura Tullius dixit [inhumaniter ait Cicero in praetura], Serv. comm. 439,22f.: omnis pars orationis, cum desierit esse quod est nihil aliud est nisi adverbium. Expl. I 513,4-7: hoc autem scire debemus, quod omnis pars orationis aut hoc est quod est aut si non fuerit quodfuit, adverbium est; deiecta de significatione et substantia sua in adverbium transit. Pomp. 235,36ff.: hoc, quod dicit, tenendum nobis est fidel iter: omnis pars orationis, cum desierit esse quod est, adverbium facit.

332

Kommentar

eine Herkunft {de loco).39 Die fiktive Verbindung der Präposition ad mit intus und /oris (58,9) scheint daher überhaupt keinen Sinn zu ergeben. Man müsste vielmehr intus und foris (58,7) durch die Richtungsadverbien intro und foras ersetzen oder de loco statt ad locum (58,7) sowie zweimal de statt ad (58,9) lesen, damit der Inhalt mit Don. mai. in Einklang zu bringen ist. Dass dieser Fehler im Zuge der Überlieferung aufgetreten ist, liegt zwar nahe, beweisen lässt sich die Annahme jedoch nicht. Zusätzlich erschwert wird das Problem noch dadurch, dass zu den adverbia loci ein ähnlicher Fall wie der in der vorherigen Anmerkung beschriebene (58,6 ) vorliegt. Erneut ist bei Don. ort. ein 'Sergius'-Zitat überliefert, zu dem es in der Ars Ambrosiana eine Entsprechung ohne Angabe von 'Sergius' gibt. Don. ort. 175,400-403: Sergius: intus et foris significationem dubiam habent. nam et in loco et de loco significant, ut foris sum, intus sum, foris eo, intus eo. de intus ideo non dicimus, quia non licet praepositionem

adverbio

separatim

adiungere. Ambr. 138,369f.: ergo intus et foris dubiam significationem , nam et in loco et de loco significant.

Parallelen bei Serv. comm., Expl. I und Pomp, zeigen wiederum, dass die Stelle in diesen Zusammenhang gehört, ohne dass die genannten Kommentare selbst als Vorlage in Betracht kämen, weil ihr Wortlaut von dem bei Don. ort. und Ambr., die zum wörtlichen Zitat neigen, abweicht.40 Man möchte die Fragmente daher einer vollständigeren Fassung des vorliegenden Textes zuweisen. Dies wäre aber nur dann sinnvoll, wenn man den oben beschriebenen Fehler so korrigiert, dass die Adverbien intus und foris durch intro und foras ersetzt werden, weil sonst eine inhaltliche Überschneidung mit der bei Don. ort. zitierten Stellen vorläge. Aber selbst wenn man in dem durch (M) überlieferten Wortlaut intro und foras liest, bleiben Zweifel an der Authentizität der durch die Nebenüberlieferung bezeugten Partien, da sich die Aussage, dass keinem Adverb eine Präposition beigefügt werden dürfe, wiederholen würde. Das Verhältnis des überlieferten Textes zum 'Sergius'-Zitat der Nebenüberlieferung, kann daher nicht endgültig geklärt werden.

39

40

Don. mai. 642,4ff.: adverbia loci duas species habent, irt loco et ad locum, in loco, ut intus foris, ad locum, ut intro foras. dicimus enim intus sum, foris sum, intro eo foras eo. Adiciunt quidam de loco, quod sic dicitur quasi in loco, ut intus exeo, foris venio. Es finden sich zwar Stellen in der lateinischen Literatur, wo zumindest intus auch eine Richtung angibt - vgl. etwa Lucr. 6,726 (ruit intus harenam) -, die lateinischen Grammatiker weisen jedoch die Funktion der Richtungsangabe nicht intus und intro, sondern intro allein zu. Serv. comm. 415,15ff.: intus, foris uno modo tarn in loco quam de loco proferuntur, id est sine coniunctione praepositionis. Expl. I 510,20ff.: quod autem diximus intus et foris geminam habere significationem, in loco et de loco, ipse sensus ostendit, dicimus enim in loco intus sum, foris sto, similiter et de loco dicimus intus venio, foris venio, quia non possumus dicere de intus et de foris. nam praepositio separatim adverbio numquam potest adiungi. Pomp. 248,14ff.: intus vero et foris geminam habent significationem, de loco et in loco ... noli iungere praepositiones. non enim possum dicere de intus.

De adverbio

333

Pomp, und Expl. I führen als Beleg für den Gebrauch von isti als Ortsadverb übereinstimmend Verg. Aen. 2,661 {patet isti ianua leto) an.41 Dieses Zitat wird in Servius1 Vergilkommentar (Serv. Aen. 11,422) im gleichen Sinn verwendet.42 58,11-22 : Der Kommentar des Textes zur comparatio des Adverbs geht inhaltlich nicht über das hinaus, was auch bei Don. mai. 642,1 Off. zu lesen ist; er stellt lediglich fest, dass Adverbien in drei Stufen gesteigert werden können (Don. mai. 642,10-12), nennt für diejenigen, welche selbst keine Steigerungsformen bilden können, die Adverbien magis und maxime als Hilfsmittel zur Komparation, bzw. minus und minime für die Diminution

(Don.

mai.

642,12-14)

und

lehrt,

dass

auch

vom

Komparativ

Verkleinerungsformen gebildet werden können, vom Superlativ hingegen keine (Don. mai. 642,14-17). Dabei stimmt er teilweise sogar mit dem Wortlaut von Don. mai. überein (non omnia adverbia per omnes gradus eunt; ad augendam signißcationem; quemadmodum enim comparantur, ita diminuuntur). Im Vergleich dazu sind die anderen Donatkommentare ausführlicher: sie behandeln nämlich darüber hinaus nicht nur die Bildung des Positivs mit den Endungen -e und -ter, sondern auch die Frage, welche Adverbien überhaupt gesteigert werden können und welche nicht.43 58,25 societate coniunctum: Die Wendung societate coniungere bzw. societate iungere (Ambr.) ist in der lateinischen Literatur klassischer Zeit insbesondere bei Cicero häufig belegt44; daneben findet sie sich aber auch vereinzelt bei verschiedenen anderen Autoren bis zum 2. Jh.45 In Texten der Spätantike kommt der Ausdruck vom 3. bis zum 6. Jh. regelmäßig vor, insbesondere bei Augustinus und Cassiodor.46 58,25-59,1 cum nomine, ut falso: 'huic et ab hoc falso' nomen est, at si dicamus 'falso locutus est''. Siehe den Kommentar zu 57,11-13.

41 42

43

44

45 46

Expl. 1510,17; Pomp. 247,34. Serv. Aen. 11,422: sunt Ulis sua funera: id est Troianis; legitur et illi, et aut Aeneae intellegimus aut adverbium loci est pro illic, ut in secundo 'patet isti ianua leto' pro istic. Serv. comm. 415,24ff.; 439,12ff.; Expl. I 512,14ff.; Pomp. 249,12ff.; Cled. 68,10ff.; vgl. insbesondere Serv. comm. 415,24ff.: non omnia adverbia recipiunt conparationem, sed ea tantum, quae ducunt originem a nominibus recipientibus conparationem. Expl. I 512,24ff.: ea autem adverbia recipiunt conparationem, quae α nominibus veniunt recipientibus conparationem. Pomp. 249,13ff.: primum scire debes non omnia adverbia recipere conparationes, sed ea, quae ducunt originem α nominibus recipientibus conparationem. Cled. 68,27-30: tribus regulis adverbia non recte conparantur: si a se oriuntur, mane manius non dicitur, si a nomine, quodnon recipit conparationem ...; si ab aliispartibus, quae conparationem non recipiunt. In den Schriften Ciceros ist societate coniungere/iungere insgesamt 11 mal bezeugt; siehe etwa Cie. Verr. 2,4,72; Cie. Cluent. 35; Cie. Catil. 1,33. Liv. 5,4,4; 7,29,3; Val. Max. 2,9,6; 8,8,1; Plin. paneg. 14,1; Gell. 1,7,2. Lact, ira 14,3; Firm. err. 7,3; Max. Taur. 90,2; Iul. Viet. rhet. p. 55 1. 17; Aug. mor. (PL 32) p. 1336,55; Aug. civ. 3,1 (bei Aug. ist societate coniungere/iungere insgesamt 10 mal belegt); Macrob. comm. 2,15,25; Oros. hist. 2,5,19; Cassiod. var. 9,7; 9,22 (Cassiod. hat societate coniungere/iungere 15 mal).

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Kommentar

59,1-3 item cum pronomine, ut si dicas 'qui viri', pronomen est, si dicas 'qui convenit', adverbium est·. Der Wortlaut des Textes zur Überschneidung von Adverb und Pronomen (Don. mai. 643,4f.) ist in (M) ganz offensichtlich fehlerhaft überliefert.47 Als Beispiel fur ein Pronomen wird dort nämlich das Wort cui in der Wendung cui viro gebraucht, als Beispiel fur ein Adverb hingegen das Wort qui in Form des Ausdrucks qui convenit. Da in diesem Zusammenhang aber aufgezeigt werden soll, dass ein und derselbe Begriff sowohl der Wortart des Adverbs als auch der des Pronomens zugewiesen werden kann, ist es unsinnig, wenn mit cui und qui zwei verschiedene Begriffe als Beispiel angeführt werden. Die Nebenüberlieferung zeigt im Vergleich dazu einen einheitlichen, wenn auch kaum sinnvollen Befund: denn Ambr. und Mals., die dem übrigen Wortlaut des Textes hier folgen, verwenden cui auch in dem Ausdruck cui convenit, so dass es sich tatsächlich um eine Überschneidung mit cui viro handeln könnte.48 Die Frage ist nur, inwiefern cui in dieser Formulierung die vom Text intendierte Funktion eines Adverbs innehaben soll und darüber hinaus ob es überhaupt als Pronominaladverb wie etwa qui oder quo auftreten kann. Für eine entsprechende Einstufung von cui gibt es weder eine vernünftige Erklärung noch irgendeine Parallele in anderen Grammatiken. Besser erscheint es dagegen, an dem von (M) überlieferten Beispiel qui convenit festzuhalten. Dafür spricht erstens, dass qui auch bei Don. mai., Serv. comm., Pomp, und Diom. als Beleg fur Überschneidungen zwischen Adverb und Pronomen verwendet wird49, sowie zweitens, dass der Ausdruck qui convenit in der Literatur durchaus geläufig ist.50 Wenn man allerdings qui convenit für authentisch hält, ist man zugleich gezwungen, das andere Beispiel von (M), cui viro, welches auch durch die Nebenüberlieferung gestützt wird, als Überlieferungsfehler zu deuten und durch eine mit qui gebildete Formulierung zu ersetzen. Als solche kommt etwa die Wendung qui viri in Betracht, die bei anderen Grammatikern zwar nicht in demselben Zusammenhang, wohl aber als Beispiel fur qui in der Funktion eines Pronomens vorkommt.51 Ein auf diese Weise rekonstruierter Wortlaut würde jedenfalls der vom Text beabsichtigten Aussage am ehesten entsprechen, weil er anhand von qui, das in dem einen Fall die Rolle eines Fragepronomens (qui viri), in dem anderen die eines Pronominaladverbs (qui convenit)

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(M): item cum pronomine, ut si dicas 'cui viro', pronomen est, si dicas 'qui convenit', adverbium est. Ambr. 141,463ff.: item cum pronomine, ut quo, si dicas 'aquo', ablativus est, si dicas 'quo vadis'adverbium est, item si dicas 'cui viro'pronomen est, si dicas 'cui convenit', adverbium est. Mals. 193,8f.: item si dicas 'cui vero', pronomen est, si dicas 'cui convenit', adverbium est. Don. mai. 643,3f.; Serv. comm. 439,25ff.; Pomp. 251,8ff.; Diom. gramm. 1405,28f. Cie. Cluent. 128; Cie. Mil. 54; Cie. rep. 1,11; Cie. fin. 2,79; Cie. nat. deor. 2,79; Cie. fam. 2,16,2; Sali. Catil. 51,24; Amob. nat. 6,24. Don. mai. 630,6ff.; numerus pronominibus accidit uterque, singularis, ut iste; pluralis, ut isti. Sunt etiam numero communia, ut qui, quae: dieimus enim 'qui vir' et 'qui viri'. Vgl. Char. 200,19f.; Exe. Bob. gramm. I 557,13; Dos. gramm. VII 402,lf.; Diom. gramm. I 329,15; Pomp. 207,3.

De adverbio

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innehat, die Möglichkeit veranschaulicht, dass ein und dasselbe Wort sowohl Adverb als auch Pronomen sein kann.52 Darüber hinaus ist denkbar, dass der ausfuhrlichere Wortlaut von Ambr.53, der mit quo und den Wendungen a quo sowie quo vadis ein weiteres Beispiel liefert, auf die ursprüngliche Fassung des vorliegenden Textes zurückgeht, weil Ambr. ihm an dieser Stelle auch sonst folgt. Die Auslassung in (M) könnte man mit einem durch die Wiederholung von si dicas bedingten Abschreibfehler erklären. 59,5-8 cum participio, ut profecto: nam adverbium est affirmantis 'profecto', ut 'profecto audit', quanto magis suspicor esseparticipium

'profecto' a verbo 1proßciscor': profecto ist

bei Don. mai. und seinen Kommentatoren das Standardbeispiel für eine dictio dubia zwischen Adverb und Partizip.54 Für die Verwendung von profecto als Partizip führen Serv. comm. und Pomp, übereinstimmend den offenbar auf keine literarische Vorlage zurückgehenden Satz profecto mihi ad villam illud negotium contingit (Pomp.) an.55 59,8-11 cum coniunctione iungitur, ut 'ut vidi': nam coniunctio ita est, ut 'ut illud contigit'; id, nisifallor, adverbium est, ut [at] 'ut veni', hoc dictum est, id est 'statim veni Der in (M) überlieferte Wortlaut zur Überschneidung von Adverb und Konjunktion ist kaum verständlich: cum coniunctione iungitur, ut 'at audi': nam coniunctio ita est, ut 'at illud contigit', id, nisi fallor, adverbium est, ut 'at at veni', hoc dictum est, id est 'statim veni'. Verantwortlich dafür sind in erster Linie die Beispiele at audi, at illud contingit und at at veni, in denen man zwar die Konjunktion at noch erkennen kann; dass at aber zumindest in der Formulierung at at veni auch als Adverb fungieren soll, ist nicht ohne weiteres zu verstehen. Es scheint überhaupt unsinnig zu sein, in at eine andere Wortart zu sehen als eine Konjunktion, zumal es in keiner anderen Grammatik als Adverb wie im vorliegenden Text betrachtet wird. Man würde deshalb gern ut an Stelle von at lesen. Dafür spräche, dass ut auch weiter unten (65,Iff.) und darüber hinaus noch bei Serv. comm. und Pomp, als Beispiel in entsprechendem Zusammenhang verwendet wird.56 Außerdem kann es im Gegensatz zu at tatsächlich sowohl in der Funktion einer Konjunktion als auch in der eines Adverbs auftreten. Vom Ursprung her ist ut nämlich ein indefinites Adverb ('irgendwie'), das vor allem im Altlatein noch häufig direkt beim Verb steht und nicht am Anfang des Satzes.57 52

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Serv. comm. 439,25ff. und Pomp. 251,8ff. haben statt dessen die Wendung qui scis? als Beispiel für qui in der Funktion eines Pronominaladverbs sowie qui est? (Serv. comm.) bzw. qui est, qui tibi fecit iniuriam? (Pomp.) als Beispiel für qui in der Rolle eines Fragepronomens. Siehe Anm. 48. Don. mai. 643,5f.; Serv. comm. 439,29ff.; Pomp. 251,12ff; Cled. 68,34ff. Serv. comm. 439,29ff. (me ad villam profecto contingit)·, Pomp. 251,12ff. Serv. comm. 439,25ff.; Pomp. 251,20ff K.-St. 11,209; H.-Sz. 11,630.

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Kommentar

Aber selbst wenn man at durch ut ersetzt, bleibt die Frage, wie die Beispiele zu deuten sind. Es ist nämlich aufgrund der Wortstellung unklar, ob ut im ersten Beispiel ut audi nun Adverb oder Konjunktion sein soll. Das gleiche gilt auch für das zweite Exempel ut illud contigit. Lediglich im dritten Fall scheint mit Sicherheit von einem Adverb die Rede zu sein. Inwieweit jedoch das in (M) überlieferte at at veni diese Funktion erfüllen soll, lässt sich nicht beantworten. Offensichtlich ist auch hier die Überlieferung defekt.58 Trotzdem erscheint mir eine Rekonstruktion des offensichtlich stark korrupten Textes mit Hilfe von Pomp. 251,20ff. möglich. Dort wird anhand von Verg. ecl. 8,41 (ut vidi, ut perii, ut me malus abstulit error) aufgezeigt, dass ut sowohl Konjunktion (ut vidi, ut perii) als auch Adverb (ut me malus abstulit error) sein kann.59 Bei der Formulierung ut vidi könnte es sich um den ursprünglichen Wortlaut des merkwürdigen Beispiels at audi im vorliegenden Text handeln. Wenn dies zutrifft, muss das in (M) überlieferte at auch in den anderen beiden Beispielen durch ut ersetzt werden (ut illud contigit, ut veni), was, wie oben dargelegt, auch inhaltlich mehr Sinn machen würde. In den ersten beiden Fällen (ut vidi, ut illud contigit) läge dann eine Verwendung von ut als Konjunktion, im letzten eine als Adverb vor (ut veni).60 59,9f. nisifallor: Der Einschub nisi fallor ist ungewöhnlich für eine Grammatik. Es findet sich dazu leglich eine einzige Parallele bei Velius Longus (2. Jh.)61; Char, und Diom. haben darüber hinaus jeweils einmal die ähnliche Formulierung si non fallor.62 In der lateinischen Literatur kommt nisifallor vereinzelt von klassischer Zeit an bis zum Ende der Spätantike bei verschiedenen Autoren vor. Eine besondere Vorliebe für diese Wendung lässt sich aber bei Augustinus feststellen, in dessen Schriften sie um ein Vielfaches häufiger bezeugt ist als bei allen anderen.63 59,11-14 cum praepositione iungitur, ut ante vel propter: ut 'ante omnes homines' praepositio est, ut 'ante fecit' adverbium, 'propter te hoc facio'praepositio est, 'illepropter erat', id est iuxta, adverbium est: Serv. comm. und Pomp, haben statt ante omnes homines den Ausdruck ante templum als erdachtes Beispiel fur ante in der Rolle einer Präposition.64 ante omnes homines lässt sich zwar nicht eindeutig als Zitat eines Schriftstellers nachweisen, 58

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Man könnte meinen, dass sich hinter dem doppelten at die Inteijektion attat verbirgt, welche sich allerdings als Beispiel für eine Überschneidung mit der Konjunktion at kaum eignet, weil es im vorliegenden Zusammenhang nicht um ähnliche, sondern um identische Wörter geht. Pomp. 251,20ff.: ut potest et coniunctio esse, potest et adverbium: 'ut vidi, ut perii, ut me malus abstulit error'; in prioribus locis coniunctio est, in posteriore adverbium est. Bei dem zweiten at von at at veni handelt es sich offensichtlich um einen Abschreibfehler, der aufgrund der Häufung des Wortes ut bzw. at an der vorliegenden Stelle leicht zu erklären ist. Es muss daher getilgt werden. Vel. gramm. VII 81,3. Char. 54,6f.; Diom. gramm. 1517,3. Bei Augustinus findet sich nisifallor insgesamt 64 mal, dagegen etwa bei Cicero nur 2 mal, bei Quintilian 4 mal, bei Tertullian 13 mal, bei Hieronymus 7 mal, bei Cassiodor 3 mal, bei Isidor 2 mal. Serv. comm. 439,32ff.; Pomp. 251,17ff.

De adverbio

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es finden sich aber entsprechende Formulierungen bei Maximus I. von Turin (4./5. Jh.) und Cassiodor (6. Jh.) 65 Zu propter fuhrt Cled. zum einen Verg. ecl. 8,87 (propter aquae rivum) an, zum anderen die konstruierte Wendung propter te veni. Er täuscht sich aber, wenn er propter in jenem Fall als Präposition, in diesem als Adverb deutet.66 Eine richtige Zuordnung müsste genau umgekehrt lauten, wie es auch die Beispiele des vorliegenden Textes, propter te hoc facio (Präposition) und ille propter

erat (Adverb), nahelegen. Das Problem klingt auch in Servius'

Vergilkommentar zu Verg. ecl. 8,87 an.67 59,14-17 cum interiectione iungitur, ut 'heu!': nam si dicas 'heu! quid contingit?', interiectio est dolentis, si dicas 'heu! etiam mensas consumimus', 'heu' adverbium est: Serv. comm. und Pomp, zitieren wie der vorliegende Text an dieser Stelle Verg. Aen. 7,116 (heus etiam mensas consumimus, inquit Iulus).68 Beide fuhren dieses Zitat aber als Beweis für die Verwendung von heu als Interjektion an, während unser Text es als Beleg fur heu als Adverb verstanden wissen will. Stattdessen findet sich bei Serv. comm. und Pomp, für die Funktion von heu als Adverb ein anderes Vergil-Zitat (Verg. Aen. 1,321: heus, inquit, iuvenes monstrate mearum). Diese Zuordnung der Belege stimmt mit Serv. Aen. 1,321 überein.69 Dagegen liegt eine Parallele zu der Erklärung von Verg. Aen. 7,116 im vorliegenden Text bei Prob. ult. syll. vor.70 59,19 ut puta 'Roma venio' et reliqua: Der Zusatz et reliqua zeigt, dass auch hier eine absichtliche Verkürzung entweder vom Verfasser des Textes oder von einem späteren Bearbeiter vorgenommen worden ist. Gegenüber einer Vorlage bzw. einer vollständigeren Fassung des Textes könnten entweder weitere Beispiele neben Roma venio ausgefallen sein (ζ. B. Romae sum, Romam pergo, vgl. Ambr. 142,494-499) oder auch die Formulierung der Regel, dass bei den Namen von Provinzen Präpositionen stehen müssen (vgl. Don. mai. 643,1 Off.).

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Max. Taur. 97,2: ipsi enim primi ortum salvatoris ante omnes homines nuntiantibus angelis cognoverunt; Cassiod. var. 5,2: sed unde veniant, incognitum vos habere dixerunt, quam ante omnes homines patria vestra offerente suscipitis. Cled. 69,9ff.: ut propter, inter adverbium: propter adverbium est, ut 'propter te veni', praepositio, ut 'propter aquae rivum' hoc est iuxta. Verg. ecl. 8,87: propter aquae rivum: iuxta. Serv. comm. 440,2ff.: heus si dolorem significat, interiectio est, ut 'heus etiam mensas consumimus, inquit lulus', si autem verbum sequatur, adverbium est, 'heus inquit iuvenes monstrate mearum'. Pomp. 251,23fF.: heus et interiectio est et adverbium, si dicas 'heus etiam mensas consumimus, inquit lulus', modo interiectio est, 'heus inquit iuvenes monstrate mearum', modo adverbium est inclamantis. Serv. Aen. 1,321: heus: nunc adverbium vocantis est, alias interiectio dolentis, ut 'heus etiam mensas consumimus, inquit lulus'. Prob. ult. syll. gramm. IV 247,33f.: adverbium vocandi heus longam habet, ut 'heus etiam mensas'.

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Kommentar

59,20 sed hoc confundit auctoritas: Die Wendung auctoritas confundit aliquid findet sich sonst in keiner lateinischen Grammatik. Überhaupt gibt es für das Verb confundere in der artigraphisehen Tradition nur sehr wenige Belege.71 Der einzige Text, in dem an mehreren Stellen vergleichbare Formulierungen bezeugt sind, ist Servius' Vergilkommentar.72 59,20f. nam Sallustius dixit 'cum Brutus α Roma abierat': Als Beleg dafür, dass in der lateinischen Literatur (auctoritas) Präpositionen gegen die Regel der ars auch bei Städtenamen vorkommen, fuhrt der Text ein Sallust-Zitat (Sali. Catil. 40,5) an. Dieses findet sich in entsprechendem Zusammenhang auch bei Expl. I.73 Der älteren artigraphischen Tradition ist es gleichermaßen bekannt, wie Prob. inst, zeigt.74 Expl. I verwendet darüber hinaus als zweiten Beleg ein Cicero-Zitat (Cie. Verr. 2,5,160: ad Messanam venit), welches in Servius' Vergilkommentar (Serv. Aen. 1,2) im gleichen Sinn behandelt wird.75 6 0 ^ ut puta Adrumetus 'Adrumeti sum': Der Städtename Adrumetus wird auch von Pomp, und Cled. als Beispiel dafür verwendet, dass der Lokativ der zur ersten und zweiten Deklination gehörenden Substantive nach der Form des Genitivs Singular gebildet wird.76 Daneben finden sich in den Donatkommentaren in diesem Zusammenhang auch noch Beneventum (Serv. comm., Expl. I, Pomp.), Delus (Serv. comm., Pomp.), Mediolanum (Expl. I, Pomp.), Ilium (Pomp., Cled.), Naxus (Pomp.), Aradus (Pomp.) und Antandrus (Cled.).77 Aufgrund der Parallele zu Pomp, und Cled. lässt sich die Auswahl des Beispiels Adrumetus nicht als ein individuelles Merkmal des vorliegenden Textes deuten. Wahrscheinlich ist in diesem Fall die gemeinsame Vorlage oder das Standardrepertoire der artigraphischen Tradition für die Übereinstimmung verantwortlich.

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Ps. Victorin. gramm. VI 89,11: ne te confundal; Consent, gramm. V 341,23: ne nos ea res forte confundat; Serv. comm. 432,7f.: non possumus hoc pro nostra voluntate confundere; Expl. I 509,15f.: vitiosum est cum quolibet tempore tempus praesens velle confundere; Cled. 60,20: sane videndum est, ne tempora confundantur praesentis temporis et futuri. Serv. Aen. 1,334: sed haec licenter confundit auctoritas; Aen. 8,232: quamvis hoc saepe confundat auctoritas; auet. Aen. 9,182: quamvis hoc auetores plerumque confundunt; Aen. 10,32: tarnen auctoritas licenter ista confundit; Serv. georg. 3,49: sciendum, quia plerumque confundit auctoritas. Expl. 1511,28ff.: sedplerique nominibus ervitatum iunxeruntpraepositiones, ut Cicero 'ad Messanam venit'; et de loco ut Sallustius 'nam tum Brutus ab Roma aberat'. Prob. inst, gramm. IV 150,18ff.: nunc hoc monemus, quod etiam hoc praeeeptum supervacue institutum esse inveniatur, siquidem et auetores isdem praepositionibus sine aliqua discretione utantur, ut apud Sallustium 'nam tum Brutus ab Roma aberat' sie et cetera talia. Serv. Aen. 1,2: Italiam: ars quidem hoc exigit, ut nominibus provinciarum praepositiones addamus, civitatum numquam. tarnen plerumque perverso ordine ledum est, nam ecce hoc loco detraxit provinciae praepositionem dicens 'Italiam venit' [pro ad Italiam venit], Tullius in Verrinis 'ea die Verres ad Messanam venit'pro Messanam venit. Siehe dazu auch S. 339 mit Anm. 84 und 85. Pomp. 254,3ff.; Cled. 22,6ff. Serv. comm. 416,7; Expl. I 511,8f.; Pomp. 253,5ff.; Cled. 22,6ff.

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60,4f. ut Karthago 'Karthagini sum'·. Karthago ist zusammen mit Tibur das Standardbeispiel der Donatkommentare dafür, dass der Lokativ der zur dritten Deklination gehörenden Substantive nach der Form des Dativs Singular gebildet wird.78 60,5-7 sed etiam hoc confundit auctoritas, Sallustius: 'Narbone consilia Gallorum' pro Narboni et Virgilius 'Tyria Karthagine, quae nunc exspectat'pro Karthagini: Der Text belegt die Behauptung, dass auctores gegen die Regel zur Bildung des Lokativs der dritten Deklination verstoßen, mit einem Sallust- (Sail. hist. frg. 2,22) und einem Vergil-Zitat (Verg. Aen. 4,224). Von diesen ist das Vergil-Beispiel (Karthagine) auch in den anderen Donatkommentaren vorhanden.79 Dagegen findet sich das Sallust-Zitat (Narbone) nur bei Cled.80; Pomp, deutet zwar an, dass er in diesem Zusammenhang neben einer Vergil- und zwei Cicero-Stellen auch eine bei Sallust kenne, er zitiert aber lediglich Verg. Aen. 4,224.81 Von den beiden Cicero-Beispielen, die Pomp, anspricht, ist eines sicher Cie. Phil. 2,76 (cum tu Narbone mensas hospitum convomeres); das geht daraus hervor, dass es von Serv. comm., Expl. I und Cled. an dieser Stelle angeführt wird.82 Die anderen Donatkommentare behandeln im Gegensatz zum vorliegenden Text auch noch die Regel, dass Präpositionen bei den Namen von Provinzen, Inseln etc. stehen müssen (vgl. Don. mai. 643,1 Off.).83 Dabei verwenden sie - teilweise übereinstimmend - weitere Zitate klassischer Autoren, um Abweichungen aufzuzeigen, wie etwa Verg Aen. 1,2 (ltaliam fato profugus) oder Verg. Aen. 3,162 (Cretae iussit considere Apollo).** Diese beiden Stellen sind in Servius1 Vergilkommentar in entsprechender Weise erklärt.85 60,9 si dicamus 'de mane': Die anderen Donatkommentare stimmen mit dem Text zwar darin überein, dass man die Präposition de nicht mit dem Adverb mane verbinden dürfe; sie relativieren diese Aussage aber sofort wieder, indem sie auf Stellen verweisen, wo mane nicht als Adverb, sondern als Substantiv fungiert.86 Als Belege fuhren sie entweder Verg. georg. 78 79

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Serv. comm. 416,9ff; Expl. I 51 l,9f.; Pomp. 253,15ff.; Cled. 22,10. Serv. comm. 416,13f.; Expl. I 511,12f.; Pomp. 253,28ff.; Cled. 65,2. Vgl. Serv. Aen. 4,224: Tyria Carthagine: quasi homini, ita emtati epitheton patrium dedit. Carthagine autem pro Carthagini, et pro adverbio in loco, de loco posuit; sic Ηor alius 'Roma Tibur amem, ventosus Tibure Romam' pro Tibur e. Cled. 22,11 ff.: ab his regulis pauca auetoritate usurpata sunt, ut 'Narbonefui'pro Narboni; ablativum posuit pro dativo Sallustius 'Narboneper concilium Gallorum'. Pomp. 253,26ff.: habemus unum exemplum apud Vergilium, apud Sallustium semel dictum, apud Ciceronem bis dictum, numquid quoniam semel legisti apud Vergilium, aut semel apud Ciceronem, iam debes hoc uti? ecce Vergilius semel usus est ista re, Tyria Carthagine, qui nunc expectat'. Serv. comm. 416,12f.; Expl. 1511,13; Cled. 22,13f. Serv. comm. 415,37fr.; Expl. 1511,32ff.; Pomp. 254,7ff. Verg. Aen. 1,2: Expl. I 51 l,33f.; Cled. 64,5f. (Italia fato profugus). Verg. Aen. 3,162: Pomp. 254,13ff.; Cled. 64,33ff. (Cretae iussit considere Apollo). Siehe oben Anm. 75. Serv. auet. Aen. 3,162: Cretae: non sie dicitur Cretae quemadmodum Romae; neque enim bene, sicut dictum est, sine praepositione insulae ponuntur, nisi hae tantum, quae eiusdem nominis civitates habent. Serv. comm. 416,18ff.; Expl. I 512,36ff.; Pomp. 255,30ff.

340

Kommentar

3,325 (dum mane novum)*1 oder Plaut. Amph. 253 (a mani ad vesperum; bzw. Plaut. Most. 767)88 an. Obwohl die Vergil-Stelle auch dem vorliegenden Text in dieser Hinsicht bekannt ist - er verwendet sie nämlich im Einleitungskapitel De oratione (2,10), um die Verwandtschaft von Nomen und Adverb aufzuzeigen89 -, verzichtet er hier darauf, seine Beurteilung von de mane als fehlerhaftem Ausdruck ebenso einzuschränken, wie die anderen Kommentare es tun. Expl. I und Cled. haben darüber hinaus noch mehrere Zitate aus Terenz und Vergil als Beleg dafür, dass Präposition und Adverb in einem Wort miteinander verbunden werden können.90 Expl. I verweist zu diesem Zweck auf Verg. Aen. 11,262 (adusque) und Verg. Aen. 7,289 {abusque), Cled. ebenfalls auf Verg. Aen. 7,289 und darüber hinaus auf Ter. Andr. 69 (iabhinc) sowie Verg. georg. 1,106 (deinde). Die Beispiele von Expl. I sind in Servius' Vergilkommentar an den jeweiligen Stellen (Serv. Aen. 7,289; 11,262) in entsprechender Weise erklärt91; die darüber hinausgehenden Belege von Cled. kommen im gleichen Sinn bei Prob. inst, vor.92 60,10 nec nobis praeiudicent: Das Verb praeiudicare ist ein Fachbegriff der Rechtssprache und findet sich daher überwiegend in juristischen Zusammenhängen, etwa bei Cicero oder in den Rechtssammlungen Justinians.93 In lateinischen Grammatiken kommt es dagegen so gut wie nirgends vor.94 Der vorliegende Text bildet in dieser Hinsicht eine Ausnahme, wenn er praeiudicare hier und noch ein weiteres Mal (66,24f. nec nobis praeiudicet) verwendet. Parallelen zu der seltenen Formulierung nec nobis praeiudicent lassen sich vor allem bei Augustinus ausmachen sowie entfernt auch in Servius' Vergilkommentar.95

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Serv. comm. 416,19f.; Pomp. 255,35f. Expl. 1513,lf.; Pomp. 255,32f. Siehe dazu den Kommentar zu 2,10f.; vgl. auch Serv. Aen. 5,19. Expl. I 517,24ff.; Cled. 69,32ff. Serv. Aen. 7,289: abusque: abusque et adusque usurpative dicimus; praepositio enim nec adverbio iungitur nec praepositioni, usque autem aut praepositio est aut adverbium. Serv. Aen. 11,262: adusque autem sie dictum est, quemadmodum 'Siculo prospexit abusque Pachyno'; nam cum praepositio praepositioni numquam cohaereat, abusque et adusque licenter admissum est. Prob. inst, gramm. IV 155,4ff.: adverbiis praepositiones putant aliqui omnino addi non oportere, cum inter dum propter sonos iungi necesse sit, ut apud Terentium 'interea mulier quaedam abhinc triennium ex Andro commigravit' et apud Vergilium 'Siculo prospexit ab usque Pachyno'. Siehe auch den Kommentar zu 7,17 ferrepraeiudicium. Vgl. Cie. inv. 1,60; Cie. Verr. 3,153; Cie. Cluent. 49; Call. dig. 4,1,4; Ulp. dig. 11,1,6,1. Einzige Ausnahme ist Consent, gramm. p. 3,8ff.: metaplasmus autem ille est, qui ex vetere scriptorum auetoritate praeiudicatae consuetudinis ratione profertur. Aug. adv. Don. 4,4: ne vobis praeiudicet Primianus; Aug. adv. Don. 4,5: ut tibi non praeiudicet hodie tecum viventis communio Feliciani; Aug. in psalm. 41,2: commemorandus est iste titulus, ut non nobis quasi praeiudicet, quod iam diximus, ut deineeps non dicamus. Serv. Aen. 11,590: quia a neutro facit felicia, felicum non dicere debemus, ne propter alia genera huicpraeiudicemus.

De participio

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3.6 De participio (61,1 - 63,15) Don. min. 597,5-599,11; Don. mai. 644,1-646,12; Serv. comm. 416,27-418,2; 440,17-441,27; Expl. I 513,9-515,34; Pomp. 256,9-264,15; Cled. 22,28-23,35; 70,12-73,5.

Der überliefere Wortlaut des Kapitels De participio lässt sich in drei Teile gliedern. Im ersten (61,1-20) wird der Begriff des Partizips etymologisch aus particapium hergeleitet und das Wesen dieser Wortart als Kombination der Eigenschaften von Nomen und Verb umrissen. Der zweite Teil (61,22-62,14) hat das Akzidens significatio zum Gegenstand und behandelt die Frage, welche Partizipien von den verba activa und neutralia gebildet werden und welche von den verba inchoativa, defectiva und Impersonalia. Im dritten (62,16-63,15) geht es schließlich um Fälle, in denen Verwechslungen zwischen Partizip und Nomen auftreten können. In diesem Zusammenhang wird auch die bereits im Kapitel De adverbio (57,7ff.) formulierte Regel, dass Partizipien kein Adverb bilden, wiederholt. Der Vergleich mit Don. mai. zeigt, dass der Kommentar wie schon in den vorangegangenen Kapiteln sehr lückenhaft ist. Es fehlen nämlich nicht nur die Akzidentien genus, tempus und casus ganz (Don. mai. 644,6-11), sondern darüber hinaus sind auch die Anmerkungen zur significatio unvollständig, weil sie die verba passiva, deponentia und communia unerwähnt lassen.1 Verantwortlich dafür dürfte wiederum die mangelhafte Überlieferung des Textes sein. Denn in den frühmittelalterlichen Grammatiken, welche den Text bevorzugt wörtlich zitieren, finden sich auch zum Partizip ausführlichere Versionen, die auf ihn zurückzugehen scheinen: dies lassen jedenfalls die Angabe 'Sergius' und die Tatsache, dass die Zitate sich gut in die Lücken der überlieferten Fassung einfügen, vermuten.2 Gegenüber dem Aufbau von Don. mai. fallt noch auf, dass der Text die Akzidentien numerus und figura schon im Zusammenhang mit der einleitenden Definition des Partizips bespricht (61,15-20) und nicht an dem von Don. mai. dafür vorgesehenen Ort in der Reihe der anderen Akzidentien.3 Dies ist wohl darauf zurückzuführen, dass bereits am Anfang des Kapitels die Stichwörter numerus und figura fallen, weil sie gemeinsame Eigenschaften von Nomen und Verb sowie damit auch vom Partizip darstellen. Eine Erörterung dieser Akzidentien direkt im Anschluss an ihre Erwähnung bietet sich daher an.4 Die anderen Donatkommentare stimmen mit dem Text in dieser Hinsicht allerdings nicht überein. Expl. I und Cled. haben nämlich einen Abschnitt über numerus und figura des Partizips an der dafür vorgesehenen Stelle5; Serv. comm. und Pomp, verzichten sogar ganz auf eine Behandlung der beiden Merkmale. 1

Vgl. Don. mai. 644,14f.; 645,1-3. Außerdem fehlt im Text ein Kommentar zu Don. mai. 646,1f., wo es heißt, dass die Partizipien einiger Verben ihren Status verlieren, wenn sie durch Hinzufügen einer Präposition zu

verba composita werden (nocens, innocens); vgl. Pomp. 263,29-35. 2

Ambr. 148,147ff.; 148,155ff.; Don. ort. 178,71f.; Don. ort. 178,82ff.; siehe dazu unten den Kommentar zu

61,22-62,14 . 3 4 5

Vgl. Don. mai. 645,9-12. Vgl. auch Sacerd. gramm. VI 443,24-26. Expl. 1 514,35-37; Cled. 23,18-21; 71,32-34.

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Kommentar

Darüber hinaus fällt auf, dass Pomp, schon im Anschluss an die einleitende Definition des Partizips mögliche Überschneidungen und Verwechslungen zwischen Partizip und Nomen erörtert6, welche bei Don. mai. und seinen Kommentatoren erst am Ende des Kapitels zur Sprache kommen.7 Pomp, begnügt sich dabei jedoch nur mit einem Teil der Fälle (amans, visus/cultus, moribundusf,

während er die übrigen (tunicatus/galeatus, placita/nupta,

innocens, acceptus/incensus) genauso wie die anderen Texte abschließend bespricht.9 Des Weiteren zeigen Serv. comm. und Pomp, darin, dass sie zum Akzidens significatio zuerst die verba Impersonalia und erst danach die verba defectiva behandeln, insofern eine ungewöhnliche Anordung des Materials, als bei Don. mai. und auch im vorliegenden Text die Reihenfolge genau umgekehrt ist.10 613f. participium dictum est quasi particapium, quia duarum partium sibi vindicat leges: Der Text weist mit der etymologischen Herleitung des Begriffs Partizip aus particapium ein Merkmal auf, welches gemeinsam mit der Definition der anderen Donatkommentare gegen Don. mai. und die übrige artigraphische Tradition steht.11 Auffällig ist die anspruchsvolle Formulierung des