Schmuttertal Gymnasium: Architektur – Pädagogik – Ressourcen 9783955533489, 9783955533472

Deutsche Bundestiftung Umwelt Bauband 1 "Vielleicht wird es unausweichlich sein, unsere Gesellschaft und unser Bi

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Schmuttertal Gymnasium: Architektur – Pädagogik – Ressourcen
 9783955533489, 9783955533472

Table of contents :
Inhalt
Auftrag
Entwurf
Ausführung
Nachgang
Anhang

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Martin Sailer, Landrat Sabine Djahanschah, Deutsche Bundesstiftung Umwelt Hanns-Peter Kirchmann, kplan AG Karin Doberer, Korbinian Meitinger, Katharina Bucher, LernLandSchaft

Florian Nagler, Architekt

Konrad Merz, merz kley partner ZT GmbH Hermann Kaufmann, Architekt Klaus Rohlffs, Ip5 Ingenieurpartnerschaft Holger König, Ascona GbR

Jörg Böhler, Wimmer-Ingenieure GmbH Herbert Mayr, Ingenieurbüro Herbert Mayr Robert Busch-Maas, Lumen3 Bernd Grözinger, Müller-BBM GmbH Mandy Peter, bauart Konstruktions GmbH & Co KG Robert Wenk, ver.de landschaftsarchitektur GbR

Andreas Robrecht, ZAE Bayern Andrea Kreil, kplan AG

DBU Bauband 1

Schmuttertal-Gymnasium Architektur – Pädagogik – Ressourcen Herausgegeben von Sabine Djahanschah, Deutsche Bundesstiftung Umwelt ARGE Diedorf – Kaufmann/Nagler Architekten Hermann Kaufmann, Professur für Entwerfen und Holzbau, TU München Florian Nagler, Lehrstuhl für Entwerfen und Konstruieren, TU München

Auftrag 13 Auftrag – Die Perspektive des Bauherrn 15 Baukultur – Planungskultur und Forschung in konkreten Bauprojekten 22 Vergaberecht – Forschung und Entwicklung im Einklang mit den Richtlinien der öffentlichen Hand 26 Nutzer – Offene Lernlandschaft für eine neue pädagogische Architektur Entwurf 37 Entwurf – Die Architektur des Schmuttertal-Gymnasiums 41 Hermann Kaufmann und Florian Nagler – Im Gespräch mit Florian Aicher 44 Grundrisse und Schnitte 64 Statik – Tragkonstruktion und Vorfertigung 68 Baustelle – Vorfertigung und Abwicklung 78 Energie – Das energetische Konzept 82 Baustoffe – Lebenszyklusanalyse als Planungsinstrument 92 Bilder einer Schule Ausführung 113 Haustechnik – Temperierung und Lüftung 1 22 Elektrotechnik – Versorgung und Steuerung 1 28 Licht – Zum richtige Verhältnis von Tages- und Kunstlicht 134 Akustik – Konstruktion und Raumakustik 1 40 Brandschutz – Herausforderung offene Räume 1 46 Freiraum – Integrative Freiflächengestaltung Nachgang 151 Monitoring – Qualitätssicherung der anlagentechnischen Gewerke 156 Wirtschaftlichkeit – Qualität und Kosten 1 64

Anhang

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Schmutter

Übersicht M 1:2500

Schmuttertal-Gymnasium

Bahnhof  Diedorf

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Auftrag

Bauen bedarf zuallererst dies Herrschaft über das Verfahren, Beherrschung, Bauherrschaft. Im Fall des Schmuttertal-Gymnasiums reicht es vom Entschluss des Landkreises, in Bildungssachen Herausragendes anzustreben, über gekonnte Umsetzung bis zur öffentlichen D ­ arstellung eines exzellenten Resultats. Martin Sailer, Landrat

Von der Vision zur Vorzeigeschule Inmitten der traumhaften Landschaft des Naturparks Augsburg – Westliche Wälder mit seinem eindrucks­vol­ len Baumbestand entwickelte sich bei einem Besichtigungstermin im Jahr 2009 die Vision einer ganz besonderen Schule. Einer Schule, die dort – sinnbildlich – im sogenannten schwäbischen Holzwinkel bereits existierte – in Form von Bäumen. Nachhaltig gebaut sollte sie sein, klimafreundlich, energieeffizient und innovativ. Ein Leuchtturmprojekt, das weit über die Landkreisgrenzen hinaus strahlen sollte und es heute auch tut: das Schmuttertal-Gymnasium Diedorf. Der Standort im Schmuttertal, unweit des Flusslaufs, bot dafür ideale ­Bedingungen. Das Schulhaus wurde dort landschafts­ verträglich in die Umgebung eingebettet. Die Geburtsstunde dieser Schule war im Jahr 2009 der Entschluss des Landkreises Augsburg, seine Bildungslandschaft neu zu ordnen. Zu dieser Zeit unterhielt der Landkreis als Sachaufwandsträger insgesamt sechs Realschulen, drei Förderschulzentren, ein Berufliches Schulzentrum mit Fach- und Berufsoberschulen, zwei Landwirtschaftsschulen und vier Gymnasien. Um die be­stehenden Gymnasien im Landkreis, aber auch die der angrenzenden Stadt Augsburg zu entlasten, fiel die Entscheidung für ein fünftes Gymnasium im Landkreis Augsburg. Nach langem Ringen, strategischen Überlegungen und Messungen der Schülerströme fiel im Juli 2009 die Entscheidung für Diedorf und den Standort am Rand des Landschaftsschutzgebiets inmitten des Naturparks.

Parallel dazu entstand die Idee, den Landkreis Augsburg ganz gezielt zu einem Bildungslandkreis auszubauen, in dem das Prinzip des lebenslangen Lernens fest verankert werden sollte. Hierbei galt es, die unzähligen Bildungseinrichtungen im Landkreis, Bildungsträger, Schulen und Kommunen miteinander zu vernetzen und das Angebot zu bündeln, um eine strukturierte Übersicht für alle Bürgerinnen und Bürger zu erhalten. Dies ist mit „BILA – Bildungslandkreis Augsburg“ gelungen. Die vergangenen Jahre waren also geprägt von massiven Investitionen in die Bildungslandschaft – auf struktureller Ebene im Rahmen des Bildungslandkreises, in finanzieller Hinsicht durch die hohen Summen, die in die Schulbauten flossen und bis heute fließen. Insgesamt investiert der Landkreis Augsburg über einen Zeitraum von mehreren Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag in neue und bestehende Bildungseinrichtungen. Unser besonderer Stolz ist natürlich das SchmuttertalGymnasium in Diedorf, das zu Beginn des Schuljahres 2015/16 in Betrieb genommen wurde. Mit dieser Schule gehen wir zum ersten Mal in der Geschichte des Landkreises sowohl baulich als auch pädagogisch einen völlig neuen, innovativen Weg. Es ist das erste und bisher einzige deutsche Gymnasium im Plusenergiestandard und in Holzbauweise und zudem der größte Schulholzbau in Europa. Die herausragende Lage im Landschaftsraum des Schmuttertals rundet den ökologischen Ansatz im Sinne des Klimaschutzes ab und bietet Schülern und Lehrern ein optimales Bildungsumfeld.

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Neben einer großartigen und optimalen Architektur haben wir uns aber noch andere Ziele gesetzt und diese erreicht: Das Gebäude vereint unter pädagogischen, technischen und ökologischen Gesichtspunkten alle Elemente, die eine gute Schule für Kinder und ihre Lehrer braucht. Das Raumkonzept des Gymnasiums beweist zudem, dass klassische Klassenraumkonzepte erfolgreich zu offenen Lernlandschaften transformiert werden können. Zu diesem Erfolg haben die Förderung durch den Freistaat Bayern und die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die den Schulneubau als Forschungsvorhaben gefördert hat, maßgeblich beigetragen. Die Idee, im neuen Gymnasium offene Lernlandschaften zu integrieren, stammt aus der Mitte des damaligen Kreistags und wurde vom Kollegium des Aufbaugym­ nasiums begeistert aufgegriffen und weiterentwickelt. Die Lehrkräfte – vertreten durch den Schulleiter Günter Manhardt – waren vom ersten Gedanken bis zur Umsetzung am Ende in viele Beratungen des Planungsteams eingebunden und waren wertvolle Begleiter und Berater für die handelnden Personen des Landkreises. Die Bauabteilung des Landkreises hat von Anfang an den Ansatz der integralen Planung verfolgt, d. h. Bauherr, Architekten, Fachplaner und die Lehrkräfte als Nutzer saßen immer wieder gemeinsam am Tisch und haben so Schritt für Schritt dieses Leuchtturmprojekt entwickelt. Der E ­ rfolg gibt allen Beteiligten letztlich Recht und rechtfertigt den hohen Kommunikationsaufwand: Im Vergleich zu Schulhäusern in konventioneller Bauweise schneidet das

Schmuttertal-Gymnasium deutlich besser ab. Das liegt z. B. an der installierten Lüftungsanlage, die einen sehr guten Luftaustausch in den Klassenräumen gewährleistet und Sauerstoffmangel vermeidet, was zu dauerhaft höherer Konzentration bei Schülern und Lehrern führt; dazu an der fabelhaften Akustik, die das gleichzeitige Arbeiten mehrerer Schülergruppen in einem Raum ­ ­möglich macht. Die niedrige Nachhallzeit von weniger als 0,4 s vermeidet ein Anschwellen des Geräuschpegels bei vielen Personen im Raum und gibt den Lehrern im Unterricht einen größeren Gestaltungsspielraum für ­offene Unterrichtsformen, in denen nicht immer nur die Lehrkraft spricht. Und auch das Fazit des Schulleiters Günter Manhardt fällt nach dem ersten Schuljahr überaus positiv aus: „Das neue Schulhaus hat meine kühnsten Träume übertroffen.“ Wir sind stolz darauf, dass wir mit der Investition in das neue Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf richtungsweisend sind und einen großen Schritt hin zur pädagogischen und ökologischen Schule der Zukunft getan haben.

Baukultur Steigende Anforderungen und höhere energetische Standards von Gebäuden, die Berücksichtigung des Kontexts sowie die frühe Einbindung von Nutzern und Fachplanern erhöht die Komplexität der Planung. Im Vorfeld, aber auch im Nachgang bedarf es daher einer integralen Erweiterung der Planung, soll dies kompetent bewältigt werden. Sabine Djahanschah, DBU

Nachhaltigkeit heißt Vernetzung Forschung wird oft als vertiefte Betrachtung von Einzelphänomenen betrieben und an Forschungsinstituten, Universitäten oder großen Unternehmen verortet. Trotz unbestritten segensreichen Erfindungen und begrüßenswerten Entwicklungen wird der Schlagschatten vieler Errungenschaften erst im Nachhinein deutlich. Eine singuläre Betrachtung läuft Gefahr, wesentliche Zusammenhänge außer Acht zu lassen. So können sich aus gut gemeinten Innovationen Probleme entwickeln, die es ohne diese Intervention gar nicht gegeben hätte. Der viel zitierte Schmetterlingseffekt zeigt, dass manche physikalischen Systeme wie das Wetter sehr empfindlich gegenüber geringsten Veränderungen reagieren. Der Begriff geht zurück auf den Meteorologen Edward Lorenz, der 1961 völlig andere Wetterprognosen mit nur minimal veränderten Ausgangswerten berechnete. 1 Vernetzte Zusammenhänge zielen auf eine ganzheitliche, transdi­szi­ pli­näre Vorgehensweise, die mit Lorenz Chaostheorie das wissenschaftliche Weltbild revolutionierte. Das Konzept der Überschreitung der planetaren Grenzen zeigt auf, dass im Bereich des Klimawandels, der Artenvielfalt, der Landnutzung und der globalen Phosphor- und Stickstoffkreisläufe bereits für das Fortbestehen der Menschheit kritische Verhältnisse eingetreten sind. Eine nicht nachhaltige Wirtschafts- und Lebensweise verursacht schädliche Emissionen und hat mit knapper werdenden Ressourcen und Biodiversitätsverlust sowie den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Was tun? Der teilweise inflationär genutzte Begriff der Nachhaltigkeit gibt hier einen überzeugenden, aber auch herausfordernden Hinweis: „Alles hängt mit allem zusammen.“ Eine singuläre Verbesserung auf einem Gebiet kann in einem anderen Segment noch unbekannte Schäden hervorrufen. Daher gilt es insbesonders, die immer weiter fortschreitende und unabdingbare Spezialisierung durch vernetzte interdisziplinäre Betrachtung zu ergänzen, um gerade die systemischen Zusammenhänge wieder stärker in den Blick zu nehmen.

Konsequenzen für das Bauwesen Von jeher war die Schaffung von Behausungen ein Grundbedürfnis des Menschen. Dabei waren lediglich herausgehobene Gebäude für die herrschende Oberschicht oder Sakralbauten Arbeitsfelder von Spezialisten. Die einfachen Bauten entstanden mit Materialien vor Ort und reflektierten die Möglichkeiten der normalen Bevölkerung, diese Bauten zu warten, zu pflegen und mit einfachen Mitteln zu temperieren. Das in diesem Kontext entstandene Wissen wird heute ersetzt durch eine weltweite Verfügbarkeit verschiedenster Materialien und Konstruktionen und einer weitgehend technischen Lösung der Gebäudeklimatisierung. Diese Neuerungen sichern ganz andere Komfortbedingungen und sind nicht mit dem begrenzten Leistungsvermögen vernakulärer Bauweisen gleichzusetzen. Sie verbrauchen deutlich mehr Energie und Ressourcen bei Bau, Betrieb und Erneuerung. Die Anforderungen an Gebäude sind wesentlich komplexer geworden. Eine zunehmende Produkt- und Kon­ struktionsvielfalt, zahllose Regelwerke und Normen vor dem Hintergrund steigender Sicherheits- und Rechtsansprüche haben auch hier eine immer größere Anzahl an Disziplinen und Fachplanern neben dem Architekten auf den Plan gerufen. Eine Zunahme an Experten ist beispielsweise in funktionalen, gesellschaftlichen, bauphysikalischen, statischen, haus- und brandtechnischen, wirtschaftlichen und ökologischen Fragestellungen zu beobachten. Das erfordert andere Entwurfs- und Planungsprozesse, die verschiedene Disziplinen bereits zu Beginn des Prozesses einbeziehen, die sogenannte integrale Planung. Theoretische Forschungsergebnisse und umweltrelevante Innovationen in Bezug auf einzelne Bauprodukte und Produktionsprozesse sind wichtige Bausteine nachhaltigen Bauens. Da jedoch Gebäude eine individuelle Antwort auf die spezifische Nutzung und den Kontext, den Genius loci, darstellen und daher neben technischen Daten und Fakten auch sozialen, kulturellen, emotionalen

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und wirtschaftlichen Anforderungen genügen müssen, Die Montag Stiftungen „Jugend und Gesellschaft“ und sind die Lösungswege und -möglichkeiten vielschichtig. „Urbane Räume“ haben über Jahre schwerpunktmäßig Wissenschaftliche Erkenntnisse oder optimierte Fassa- Schulen untersucht, sinnvolle Raumkonzepte analysiert denaufbauten, neue Baustoffe oder Komponenten rege- und deren Entwicklung in beteiligungsorientierten Vornerativer Energietechnik bedingen noch kein nachhalti- planungsphasen systematisch vertieft. Das Buch „Schulen ges Gebäude. Entscheidend bleibt der Entwurfsprozess, planen und bauen – Grundlagen und Prozesse“ gibt Einder all die technischen und sozialen Aspekte in eine gül- blick in neue Lehr- und Lernformen. Zehn Thesen fassen tige Gestalt integriert. die verschiedenen Zugänge und Perspektiven zum LerDas methodische und systemische Wissen des Architek- nen und die daraus resultierenden individualisierten ten ist gefragt, um wissenschaftliche Erkenntnisse und Lernprozesse zusammen. neue Komponenten und Bauteile in konkreten Bauvor- Der bisher überwiegende Anteil an Frontalunterricht reduhaben optimal einzusetzen und so in die Praxis zu über- ziert sich demnach auf 30 % zugunsten von 10 % Kreisgeführen. Theoretische Überlegungen müssen sich hier sprächen, 30 % Lernen in Kleingruppen und 30 % indian der Umsetzbarkeit auf der Baustelle, der Kosten- und viduellem Arbeiten mit Arbeitsaufträgen. 4 Zusätzlich er­ Zeiteffizienz, aber auch der Zufriedenheit der Nutzer fordern Inklusion, Ganztagsschule und neue Medien Antund der erreichten Performance bei Energie-, Betriebs- worten in Form von pädagogischen Konzepten und einer und Wartungskosten sowie Raumklimawerten messen anregenden Lern- und Lebensumgebung. Nicht zuletzt könlassen. Nichts kann Dritte besser überzeugen als das Er- nen sich Schulen dem Stadtteil öffnen und über die Integraleben ­eines konkreten Bauwerks und das Befragen eines tion städtischer Nutzungen wie Bibliothek, Konzerthalle, zufriedenen Nutzers sowie die detaillierte Dokumenta- Sporthalle oder Stadtteilzentrum neue Impulse aufnehmen. tion des Weges und der erreichten Ziele. Durch die Entwicklung profilgeleiteter Schwerpunkte Bei dem hier adressierten Beispiel einer Schule war die kann eine vielfältige regionale Bildungslandschaft entDiskussion über zukünftige Lehr- und Lernformen zent- stehen. Internetrecherchen, Berichte und Bereisung interales Thema, um den spezifischen Bedarf in ein möglichst ressanter Schulstandorte können wichtige Impulse geben, optimiertes Raumprogramm überführen zu können. Denn sich zu informieren und den Horizont zu erweitern. Räume gestalten Möglichkeiten und Atmosphären, die im Diesen Perspektiven entsprechen keine stereotypen Richtbesten Fall selbst pädagogisch wirken. linien. Notwendig ist die Erarbeitung spezifischer Nutzungsanforderungen, die in individuelle Raum- und Pädagogische Architektur Organisationsformen münden. Das erfordert intensive „Der Raum ist der dritte Pädagoge“, sagte der 1994 ver- Auseinandersetzung, braucht Zeit und personelle sowie storbene Begründer der Reggio-Pädagogik, Loris Mala- finanzielle Ressourcen. Die Anwendung größtenteils verguzzi. Er vertrat die Auffassung, dass Mitschüler der ers- alteter Schulbaurichtlinien passt nicht zu neuen pädagote, Lehrer der zweite und Raum der dritte Pädagoge sei. 2 gischen Ansätzen. Sie birgt die Gefahr, neu errichtete ­D amit erhält Architektur von Schulbauten eine neue Di- oder grundsanierte Schulen mittelfristig nicht sinnvoll mension. Nach der Pisa-Studie fragte sich der Journalist nutzen zu können, da sie zukünftigen NutzungsanfordeReinhard Kahl, wie Schule gelingen kann und bereiste rungen nicht mehr gerecht werden. Angesichts der lanviele erfolgreiche Schulstandorte. Sein gleichnamiger gen Standzeiten und hohen Investitionen unserer Bauten Dokumentarfilm zeigt engagierte Lehrer und Kollegien, sind diese Prozesse daher ein wichtiger Aspekt der Zudie neue Lehr- und Lernformen anwenden.3 kunftsfähigkeit von Schulbauten.

Erarbeitet werden diese Konzepte in Teams aus den Akteuren der Planung wie Architekt und kommunal Verantwortliche, Politik, Schulleitung, Schulkollegium, Eltern und Schülern sowie dem Bauherrn, also Kommune oder Landkreis. Neben diesem Fokus, der primär die Art und Qualität der Nutzung adressiert, sind weitere umweltrelevante Weichenstellungen vor Beginn der eigentlichen Objektplanung von Bedeutung, die zukünftig erhöhte Aufmerksamkeit verdienen. Aufgrund der hier verschenkten Potenziale wird in Fachkreisen eine neue Planungsphase diskutiert: Die Leistungsphase 0 Vor Eintritt in die Planung sind zahlreiche Fragen zu klären, die sowohl soziokulturell als auch ökologisch und ökonomisch relevant sind. Diese Überlegungen sind in entsprechenden interdisziplinär besetzten Teams, die je nach Aufgabenstellung aus Architekten, Bauherrn, Fachund Raumplanern bestehen, vor Eintritt in die konventio­ nelle Planung zu bearbeiten, um die Bauaufgabe klarer definieren und umreißen zu können. Fragen an die baulichen Qualitäten aus pädagogischer Sicht können sein: Welcher Art und von welcher Qualität ist die Nutzung? Was muss das Gebäude jetzt und in zukünftigen Zeithorizonten leisten können? Welcher spezifische Raumbedarf resultiert aus dem pädagogischen Konzept? Gibt es bereits Raumangebote, die diese Nutzung mit abdecken können? Gibt es passende Bauten, die umgebaut und saniert werden können oder ist ein Neubau notwendig? Welcher Standort ist der richtige? Raumplanerische Fragen betreffen den Standort und die aus dem Bauwerk resultierenden Verkehrsbelastungen. Ein energieeffizientes Gebäude kann durch einen ungünstigen Standort die wirkungsvoll eingesparte Klimatisierungsenergie durch erhöhtes Verkehrsaufkommen wieder verschenken. Eine sinnvolle Nutzungsmischung kann ebenfalls zur Verkehrsreduktion und zu einer lebendigen Stadt beitragen. Kann das Gebäude statt einer monofunktionalen Nutzung auch weitere Funktionen sinnvoll

beherbergen oder im Quartier eine intelligente Nutzungsmischung entwickelt werden? Wie ist der nachbarschaftliche Kontext zu bewerten? Ist die Grundstruktur des Gebäudes geeignet, Nutzungsvarianten ohne große Umbaumaßnahmen aufzunehmen? Wie flexibel soll die Struktur auf sich wandelnde Nutzungsbedürfnisse reagieren können, um in der Nutzungsdauer möglichst zukunftsfähig zu sein? Welche Erwartungen an die Gestaltung ergeben sich aus all diesen Überlegungen? Dazu kommen ökologische Fragestellungen. Soll der Energiestandard oberhalb gesetzlicher Standards liegen, beispielsweise um nahegelegene Nachbarn als Plusenergiegebäude mit zu versorgen? Sollen ebenfalls Maßnahmen zur Ressourcenschonung betrieben werden und die Umweltrelevanz neben der Betriebsenergie auch über Materialien und Konstruktionen optimiert werden? Welche Ansprüche werden im Bereich Komfort, Gesundheit und Aufenthaltsqualitäten gestellt? Welche Grenzwerte werden angestrebt? Kann eventuell ein Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas und der Energieversorgung durch das Bauwerk und die umgebenden Grünflächen erbracht werden? Welche klimatischen Bedingungen liegen vor, welche Möglichkeiten zur Nutzung regenerativer Energien sind gegeben? Sind möglicherweise Nachbar­ gebäude sinnvoll einzubeziehen? Welche Rolle spielen Lebenszyklusbetrachtungen? Welches Budget steht für Bau und Betrieb zur Verfügung? Steht der Aufwand für Haustechnik in Relation zu ökologischen Zielen und zur Gebäudenutzung? Zusammen mit dem Bauherrn ist aus diesen Diskussionen ein Zielkatalog zu entwickeln, in dem die zukünftigen Anforderungen, Nutzungen und daraus resultierenden Raumprogramme, Bezüge zu Außenanlagen und Stadtteil, aber auch Standards hinsichtlich Flexibilität, Innenraumklima, zulässiger Temperaturbereiche, angestrebtem Energieverbrauch und Betriebskosten, ökologischer und gesundheitsfreundlicher Baustoffwahl, Reparatur, Wartung, Reinigung, Instandhaltung etc. definiert werden. Ohne die fachliche Beratung werden oft wertvolle

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Alternativen nicht gesehen und mögliche Qualitäten nachhaltigen Bauens außer Acht gelassen. Da jedoch die entscheidenden Weichen nachhaltigen Bauens in frühen Planungsphasen gestellt werden, sind hier die Mehraufwendungen in der Planung besonders effizient eingesetzt. Dabei liegt der Wert dieser ganzheitlichen Betrachtung nicht in einer eindimensionalen Fokussierung, sondern in der Optimierung des Ganzen wie seiner Teile. Priorität Klimaschutz Gebäude dienen nicht in erster Linie Energiesparzielen, selbst wenn sie über einen Überschuss an erzeugter Energie sogar zu Kraftwerken werden können. Auch ein zur Plusenergieschule saniertes Gebäude kann letztlich eine Fehlinvestition darstellen, wenn nicht die eigentliche Bestimmung, nämlich eine optimale Lehr- und Lern­ umgebung zu schaffen, erreicht wird. Daher kann ein nachhaltiger Schulbau weder singulär den Klimaschutz noch die pädagogische Architektur in den Vordergrund stellen, sondern soll möglichst ganzheitlich Optimierungs­ potenziale erschließen. In den letzten Jahren hat sich die Diskussion über die Umweltrelevanz unserer gebauten Umwelt stark an dem Energieverbrauch der Gebäude festgemacht. Mit der Erforschung und Umsetzung des Passivhausstandards mit hocheffizient gedämmten Gebäudehüllen wurde insbesondere der Heizenergieverbrauch drastisch reduziert. In Folge wurde auch der Stromverbrauch optimiert, um insgesamt sowohl im Gebäudebestand als auch bei Neubauprojekten einen Niedrigstenergiestandard zu erreichen, dessen geringer Restenergiebedarf kosteneffizient mit regenerativen Energien gedeckt werden kann. Diese Strategie stellt einen wichtigen Baustein dar, um die Klimaschutzziele einer maximalen weltweiten Erwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C zu erreichen, was im Paris-Abkommen im Dezember 2015 international vereinbart wurde. Da der Gebäudesektor fast 40 % des Energieverbrauchs in Deutschland beansprucht 5 , liegen die zu realisierenden Einsparpotenziale auf der Hand. Im

­ ebäudesektor soll bis 2050 der Bestand annähernd klima­ G neutral sein. Trotz der unbestrittenen Bedeutung des Themas Klimaschutz sollte in einer ganzheitlichen Betrachtung der erzielte Komfort nicht aus den Augen verloren werden. Letztlich ist entscheidend, dass mit möglichst wenig Aufwand ein möglichst gutes Raumklima erreicht wird. Fehlende Lüftungsanlagen sparen zwar Kosten und Energie, die schlechte Raumluftqualität und hohe CO2-Werte beeinträchtigen jedoch die Konzentrationsfähigkeit und verringern die Effizienz des Unterrichts. Schlechte Luft wird nicht umsonst mit schlechter Laune gleichgesetzt. Untersuchungen belegen, dass in heutigen Schulen die CO2-Werte oft über die vom Umweltbundesamt empfohlenen Grenzwerte hinausgehen. Ab 2000 ppm CO2Konzentration werden die Werte bereits als hygienisch inakzeptabel bezeichnet.7 Dichte Gebäudehüllen und Ganztagsbetrieb verschärfen dieses Problem, und die Konzentrationsfähigkeit von Lehrern und Schülern bleibt auf der Strecke. Daher sind die Wirtschaftlichkeit und Energieeffizienz von Klimatisierungsmaßnahmen immer im Kontext mit dem erreichten Komfort zu bewerten. Nach einer Zeit ausschließlicher Technikgläubigkeit zeigt sich, dass ­hochtechnisierte Gebäude nicht nur hohe Investitionen, sondern auch hohe Folgekosten bedeuten können. Die Rückbesinnung auf passive Klimatisierungselemente wie intelligente Raumkonfiguration, Wintergärten oder Pufferzonen, Ausgewogenheit von Dämmung und Speicherung, Ausnutzung natürlicher Thermik, Pflanzungen, Baustoffe als Feuchte- und Temperaturpuffer sind zu prüfen. Ressourceneffizienz durch Holzbau Klimaschutz im Hochbau hat eine vielfach übersehene Dimension: die Baustoffe. Je geringer der Energieverbrauch in der Betriebsphase unserer Gebäude, desto ausschlaggebender wird die Klimarelevanz der verwendeten Baustoffe und Konstruktionen. Das Bauwesen gehört zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftszweigen. 85 % der in-

ländischen Entnahme an mineralischen Rohstoffen, nämlich 550 Millionen t sowie 28 Millionen t Z ­ ement fließen pro Jahr allein in Deutschland ins Bauwesen. 8 Hochrechnungen gehen von rund 100 Milliarden t Material im deutschen Gebäudebestand aus. 9 Weiterhin erzeugt der Bausektor 54 % des in Deutschland anfallenden Abfalls (192 Millionen t). 10 Allein diese Zahlen machen die ungeheuren Stoffströme und damit auch Einflussgrößen deutlich, die der Bausektor zur Ressourceneffizienz leisten kann. Berechnungen zur Ausstellung „Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft“11 zeigen auf, dass bis zu 75 % des Treibhauspotenzials und bis zu 50 % des Primärenergieeinsatzes durch Verwendung von Holz in der Primär­kon­struk­ tion eingespart werden können. Holz hat als nachwachsende Ressource mit vergleichsweise geringem Gewicht niedrige Energieaufwendungen bei Herstellung, Transport, Einbau und Entsorgung und punktet über den gesamten Lebenszyklus auch bei den sonstigen Umwel­t­ indikatoren wie Ozonabbau- und Ozonbildungspotenzial, Überdüngungspotenzial und abiotischer Ressour­ cen­bedarf. Dies ist eine Dimension, die hinsichtlich der Umweltrelevanz mit der Betriebsenergie bei einem hoch energieeffizienten Gebäude durchaus vergleichbar sein kann. Bei der heutigen Diskussion um CO2-Speicherung bedeuten mehr Holzbau und Aufforstung eine wichtige und unterschätzte Komponente des Klimaschutzes. Diese besonders umweltfreundliche Form der Baustoffproduktion speichert in der Wachstumsphase CO2 ein. Wird das Holz verbaut, bleibt das eingespeicherte CO2 während der gesamten Nutzungsphase gebunden. Bei hochwertiger Wiederverwendung verlängert sich diese CO2-Speicherung sogar noch. So wird es zunehmend entscheidend sein, auch den Bereich der eingesetzten Ressourcen stärker in den Fokus zu nehmen. Hier sind nicht nur die einzelnen Materialien, sondern ebenfalls die gewählte Gesamtkonstruktion und die Haustechnikkomponenten über Lebenszyklusana-

lysen hinsichtlich ihrer Umweltrelevanz vergleichend zu ­bewerten und zu optimieren. Dies gilt sowohl für die Optimierung der Umweltwirkungen als auch für die Dokumentation der eingesetzten Materialien, deren Lang­ lebigkeit, Reparaturfreundlichkeit, Trennbarkeit und spätere Wiederverwendbarkeit. Nicht zuletzt haben gerade Baustoffe mit Kontakt zur Innenraumluft unter Umständen unerwünschte gesundheitsrelevante Auswirkungen. Das hierzu noch wenig verbreitete Wissen gilt es konkret anzuwenden, um Risikobaustoffe auszuschließen. Ein Aufwand, der sich durch unbelastete Raumluft rechnet und auf Hersteller und Anwender und dadurch letztlich den Markt rückwirkt. Wird bei größeren Bauwerken den anbietenden Gewerken deutlich, dass bestimmte Inhaltsstoffe in ihren verwendeten Produkten unerwünscht sind, erreicht dies auch die entsprechenden Hersteller. Integrale Planung Die Diskussion um moderne Pädagogik führt zu neuen Raumkonzepten. Diese Konzepte haben Auswirkungen auf Brandschutz, Schallschutz, Belichtung und Lüftungstechnik und erfordern kreative und teilweise neuartige Lösungen. In Kombination mit dem Ziel eines Plusenergiehauses, das minimierte Energieverbräuche aller Haustechnikkomponenten mit einem Überschuss an erzeugtem Strom aus Photovoltaik kombiniert, war das für das gesamte Team in Diedorf eine anspruchsvolle Planungsaufgabe. Die Zielsetzung, ein Gebäude dieser Größenordnung als Holzbau zu errichten, bei dem Vorfertigung und sichtbare Holzoberflächen sowie die gestalterische Integration der Haustechnik perfektioniert wurden, verlangte innerhalb der sehr ehrgeizigen Zeitachsen insbesondere von den Architekten ein hohes Engagement. Bereits in einer frühen Planungsphase wurde eine kleinteiligere Gliederung in sechs Baukörper mit entsprechenden Außenraumbezügen und optimierter Tageslichtnutzung zugunsten einer Ressourcen- und vor allem kosteneffizienteren

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Norbert Lossau, Ein Schmetterling kann Städte verwüsten, Die Welt, 18. April 2008 Baltic Sea Academy, Max Hogeforster (Hrsg.), Education Policy Strategies Today and Tomorrow Around the „Mare Balticum”, Book on Demand Reinhard Kahl, Treibhäuser der Zukunft – Wie in Deutschland Schulen gelingen, DVDs und Buch, produziert vom Archiv der Zukunft, Weinheim 2004 Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, Montag Stiftung Urbane Räume (Hrsg.), Schulen planen und bauen – Grundlagen und Prozesse, Berlin 2012, S. 25 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Newsletter Energiewende direkt, 22/2014 Umweltbundesamt (Hrsg.), Der Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand, Hintergrundpapier, 11/2014, S. 5ff.

7 Gesundheitliche Bewertung von Kohlendioxid in der Innenraumluft, in: Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, Heidelberg 2008, S. 1360–1368 8 H. Keßler, Urban Mining – Ressourcenschonungspotentiale einer hochwertigen Nutzung des anthropogenen Lagers im Gebäudebestand, Tagungsband zum 23. Kasseler Abfall- und Bioenergieforum, Witzenhausen 2011, S. 17 9 Burkhard Schulze-Darup (Hrsg.), Energetische Gebäudesanierung mit Faktor 10, hrsg. von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Osnabrück 2010, S. 5 10 Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Deutsches Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess), Berlin 2015, S. 73 11 Hermann Kaufmann, Winfried Nerdinger (Hrsg.), Bauen mit Holz – Wege in die Zukunft, Ausst.-Kat., München 2011, S. 23

Kompaktheit mit vier Baukörpern aufgegeben. Die Inte­ gration der Photovoltaikanlage auf großen, südausgerichteten Satteldächern wurde entwurfsbestimmend. Die Baustoffwahl unter ökologischen Kriterien und gesundheitlichen Betrachtungen stellte ebenso wie das energetische Pflichtenheft umweltrelevante Standards planungsbegleitend sicher. Bei den Baustoffen wurde eine große Bandbreite an Alternativen untersucht, bei den Konstruktionen in Rückkopplung mit den Fachplanern Varianten der Werkplanung durchgespielt. Auch das ist neue Planungskultur und Forschung in konkreten Bauprojekten: Prozesswissen, das sich vor Ort bildet, im Unterschied zur Information aus Labor und Wirtschaft. Das Beispiel Diedorf zeigt eindrücklich, dass der viel strapazierte Nachhaltigkeitsbegriff vor allem eins ist: eine vernetzte Betrachtung und Abwägung sehr vielfältiger Anforderungen, die in einem iterativen Prozess zu einer möglichst optimierten Lösung geführt werden müssen. Für die Zukunftsfähigkeit von Gebäuden haben sich bereits zu Planungsbeginn fachübergreifende Planungsteams bewährt, die unter der Federführung der Architekten das umfassende Wissen aller fachlich Beteiligter zusammenführen. Zertifizierungsinstrumente könnten den Eindruck vermitteln, dass der komplexe Nachhaltigkeitsbegriff, thematisch zerlegt, einfach zu definieren und allein numerisch zu fassen wäre. Doch lebt die Qualität unserer gebauten Umwelt von der individuellen Vielfalt an Einzelbauwerken im oftmals historisch gewachsenen städtischen und baukulturellen Kontext, der für den spezifischen Ort und die spezifische Bauaufgabe eine optimierte Lösung erfordert. In Modellprojekten bedeutet die integrale Planung Forschung mit Bodenhaftung und den Transfer von Wissenschaft in die Praxis. Kreative Lösungen und Variantenbetrachtungen sind gefordert, die in nachvollziehbaren Abwägungsprozessen eine nachhaltige Planungskultur entwickeln und gestalten. Nicht zuletzt dient diese Buchreihe dem Ziel, durch überzeugende Beispiele Dritte zur Nachahmung anzuregen.

Leistungsphase 10 Um den Erfolg dieses iterativen Entwurfsprozesses sicherzustellen, die vielfältigen, teilweise divergierenden Ziele und Ansprüche zu verifizieren, den geplanten Komfort und minimierte Energieverbräuche zu erreichen, bedarf es eines abschließenden Instruments. Optimierte Modellprojekte sind Übungs- und Erprobungsfelder, um als Leuchttürme zukunftsfähige Baustandards zu demonstrieren und zu verbreiten. Doch die Fertigstellung ist nicht das Ende. Gerade anspruchsvolle, optimierte Technik muss fehlerfrei umgesetzt, in Betrieb genommen und gesteuert werden. Daher hat sich eine nachlaufende Evaluation zur Fehlersuche, Mängelbeseitigung und Einregulierung sowie Optimierung komplexer Anlagentechnik bewährt. So mündet die integrale Planung in eine Leistungsphase 10, in der Komfort, Energieverbräuche und Nutzerzufriedenheit erhoben werden. In der Regel ist das erste Jahr nötig, um die Anlagen in eine reibungslose und fehlerfreie Funktionsweise zu überführen, um dann im zweiten Jahr Optimierungen und die nötigen Messungen vornehmen zu können. Diese optimierte Regelung kann danach im Idealfall dem Hausmeister übergeben und von ihm weiter betreut werden. So wird theoretisches Expertenwissen operabel und in den Betriebsalltag von Gebäuden überführt. Nur so kann die geplante Performance eines Gebäudes sicher erreicht, verifiziert und dokumentiert werden. Die Einbindung von Lehrern und Schülern schon während des Baus fördert das Nachhaltigkeitsbewusstsein in der späteren Nutzung. Eine Integration der baulich umgesetzten Themen in verschiedene Unterrichtsfächer wie Kunst, Biologie, Geografie, Sozialkunde, Physik und Chemie kann das Verständnis vertiefen und mit den täglichen Erfahrungen im Schulgebäude verknüpfen. Nicht zuletzt sichert eine zielgruppenspezifische Aufbereitung die Verbreitung der Projektergebnisse, die durch zahl­reiche Führungen, Vorträge und Veranstaltungen eine Vielzahl an Planern, Bauherren, Pädagogen, Eltern und Schüler erreichen und begeistern können.

Vergaberecht Vielschichtige Anforderungsprofile und komplexe Bauaufgaben sind mit eindimensionalen Prozessen nicht zu bewältigen. Insbesondere das Vergaberecht fordert alle Beteiligten heraus. Ressourcen iterativer Verfahren auszuschöpfen, verlangt die Öffnung starrer Regeln, aber auch die Bereitschaft, der Improvisation größere Spielräume einzuräumen. Hanns-Peter Kirchmann, kplan AG

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Ausgangssituation Das Projekt Gymnasium Diedorf zeigt auf exemplarische Weise, wie zeitgemäße Bauaufgaben eine geänderte Planungskultur erfordern. Auch das herkömmliche Baurecht ist überfordert und muss den neuen Bedingungen angepasst werden. Zur Verdeutlichung: _ Neue Produktionsverfahren, eine sich schnell ändernde Technik und eine immer komplexere Organisation unserer Wirtschaftsabläufe zwingen zu neuen Lösungen. Wie in der Wirtschaft bereits weit verbreitet, werden Entwicklung, Planung, Finanzierung, Betrieb und Überwachung oft in einer einzigen Hand zusammengefasst. _ Komplexe Planungsverfahren mit vielen Planern, kombiniert mit Forschung, die immer iterativ strukturiert ist, können mit herkömmlichen Verfahren nicht bewältigt werden. Noch schwieriger ist es, wenn in Planung und Forschung – sinnvollerweise – Nutzer eingebunden werden. Die heterogenen Themen, die unterschiedlichen Verfahren und die Zahl der involvierten Personen zwingen deshalb dazu – und hier liegt das Defizit der derzeitigen Planungslandschaft –, zum frühesten Zeitpunkt alle am Planungsund Bauprozess Beteiligten sorgfältig auszuwählen und an einen Tisch zu bringen. Die sorgfältige Auswahl betrifft zwangsläufig Architekten, Ingenieure, Mess- und Regeltechniker, Monitoring-Spezialisten, Fachleute zur Lebenszyklus- und Kosten-Nutzen-Analyse etc. Die Akteure auf Basis rein ökonomischer, politischer oder taktischer Kriterien auszuwählen, gefährdet das Projekt. Oberstes Ziel jeder Auswahl muss die Qualifikation zur Erfüllung des Projektziels sein. In diesem Zusammenhang ist es sehr wichtig, dass von vornherein auch vertraglich der Mitarbeiter festgelegt wird, dessen Qualifikation den Ausschlag für die Einladung zur Beteiligung gegeben hat. Ebenfalls vertraglich zu vereinbaren ist, dass ein Wechsel dieses Mitarbeiters nur mit Zustimmung des Bauherrn möglich ist.

Vor diesem Hintergrund wurde beim Projekt in Diedorf das Planungsteam schon zu Beginn der Planung festgelegt sowie Aufgabenstellung und Zieldefinition vervollständigt. Vorbildlich war die frühzeitige Einbindung der Nutzer. Dabei ging es nicht nur darum, dass diese sich mit dem Projekt identifizieren, indem ihre Anregungen und Forderungen Bestandteil der Planung wurden. Ebenfalls entscheidend für das Gelingen des Projekts war, den Nutzern die einzelnen Forschungsthemen zu erläutern. Sie sollten verstehen, warum geforscht wird und welchen Vorteil die Forschungsthemen für sie (persönlich) haben. Wie will ich einen Schüler oder Lehrer davon überzeugen, dass auch im Sommer die Fenster der Klassenzimmer geschlossen bleiben müssen, um ein gutes Raumklima zu erzeugen, wenn er nicht versteht, warum das Raumklima bei einem geschlossenen Fenster besser ist als bei einem geöffneten, um nur ein besonders plakatives Motiv für die Einbindung der Nutzer zu erwähnen. Ebenso wichtig wie die frühe Beteiligung der Nutzer ist, unter rechtlichen Gesichtspunkten, die Zusammenarbeit mit den Nachbarn und – vor allem – mit den vom Projekt betroffenen Behörden. Nicht nur die Schulaufsicht zur Genehmigung des Raumprogramms, die Sportfachbehörden, die staatlichen Zuschussgeber und nicht zuletzt die VOB-Stelle mussten rechtzeitig informiert und zu den einzelnen Planungsschritten befragt werden. Raumprogramme, die nicht den Richtlinien entsprechen, weil sie unter neuen pädagogischen Gesichtspunkten geändert wurden, sind nicht ohne Weiteres genehmigungs- und förderfähig, um auch hier nur ein Beispiel zu nennen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die frühe Einsetzung des Planungsteams und die von diesem Planungs­ team formulierten Ziele, sowie die frühe Information von Nutzern, Nachbarn und Behörden dazu beigetragen haben, dem Projekt eine klare Struktur, die von allen verstanden und mitgetragen wurde, zu geben.

Juristische Probleme bei der Vergabe von Planungs­ leistungen bei Forschungsprojekten Die wesentlichen Schwierigkeiten in der Projektkoordination zwischen dem öffentlichen Bauherrn und dem Fördergeber – der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) – lagen in der Auswahl des Planungs- und Forschungsteams. Hier musste den Forschungszielen ebenso Rechnung getragen werden wie den technischen, wirtschaftlichen und politischen Überlegungen des Bauherrn. Aufgabe des Teams war es zunächst, das Projekt zu definieren und anschließend auf Basis der Projektdefinition die Umsetzung darzustellen. In Abstimmung mit dem Bauherrn wurden eine Reihe von Büros ausgesucht und die Aufträge zum Projektstart vergeben. Die Konformität dieser Vergaben mit der VOF (Vergabeverordnung für freiberufliche Leistungen) wurde mit der Regierung von Schwaben abgestimmt. Sie folgte hier der Argumentation des Bauherrn (Landkreis Augsburg), dass mit dieser ersten Vergabe nicht die Vergabe von weiteren Leistungen verbunden war, sondern dass sie zum Ziel hatte, festzustellen, ob die wissenschaftlichen Vorgaben erreicht und die Finanzierung des Forschungsprojekts durch die DBU möglich waren. In einem weiteren Schritt war der Nachweis wissenschaftlicher Forschungsinhalte Voraussetzung, um die bereits vorab eingesetzten Architekten und Ingenieure problemlos – vom Wettbewerbsverfahren befreit – weiter zu beauftragen (§ 100, Abs. 4, Ziff. 2 GWB in der Fassung vom 25. Mai 2009). Auch mit der Neufassung des Gesetzes zur Änderung gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 17. Februar 2016 hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert (siehe § 116, Ziff. 2 GWB – neu). Da die Beurteilung des gesamten Verfahrens und insbesondere der Frage nach dem wissenschaftlichen Forschungsinhalt einem gewissen Ermessensspielraum unterworfen ist, hat der Bauherr von Anfang an die VOB-Stelle der Regierung von Schwaben in den gesamten Entwicklungs- und Entscheidungsprozess des Projekts, auch bei der Formulierung der Forschungs- und Förderziele, mit einbezogen.

Damit konnte die Regierung letztlich von der wissenschaftlichen Werthaltigkeit der Arbeit überzeugt werden. Sie bestätigte mit Schreiben vom 23. April 2012, dass das Projekt als Forschungsprojekt anerkannt wird und damit die Architekten- und Ingenieurleistungen ausschreibungsfrei sind. Nachdem somit auch für die Fachingenieure in Abstimmung mit der Regierung von Schwaben im Wesentlichen eine freihändige Vergabe erfolgen konnte, war dieser juristische Aspekt im Bereich der Dienstleistungsvergaben weitgehend abgeschlossen. Es muss allerdings angemerkt werden, dass im vorliegenden Fall, trotz freihändiger Vergaben, pro Disziplin jeweils drei Büros, die für die Forschungsarbeit infrage kamen, ausgesucht wurden. Sie mussten sowohl einen Befähigungsnachweis erbringen als auch ein Honorarangebot unterbreiten. Die freihändige Vergabe war also in keinem Fall eine Umgehung der wirtschaftlichen Voraussetzungen der Vergabe der Dienstleistung, sondern ausschließlich die Möglichkeit, das für das wissenschaftliche Ziel am besten geeignete Büro auswählen zu können. Juristische Probleme bei der Vergabe von Bauleistun­ gen bei Forschungsprojekten In der Entwurfsphase des Projekts ergab sich ein zweites Problem. Es mussten in einigen Bereichen vor der Ausschreibung Spezialfirmen mit ihrem Wissen herangezogen werden. Das galt insbesondere für den Holzbau und die Frage der Vorfertigung im Holzbau. Diese Firmen wollten und sollten später auch an der Ausschreibung teilnehmen. Vergaberechtlich gilt hier – im Vorgriff auf die neue Gesetzeslage – die Verordnung zur Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergabeverordnung – VgV). Hier ist in der Umsetzung der EG-Richtlinien in den §§ 6ff. VgV die Frage der Lösung von Interessenkonflikten kodifiziert. Im Sinne des Gesetzes ist eine Firma, die an einem Ausschreibungstext mitgearbeitet hat und später auch an der Ausschreibung teilnehmen will, vorbefasst. Es erhebt sich deshalb die

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Frage, ob eine solche Firma an der Ausschreibung teilnehmen kann. Bereits bei der bisherigen Gesetzeslage waren sowohl die Lehre als auch die Rechtsprechung der Meinung, dass vorbefasste Firmen an den unter ihrer Mitwirkung erstellten Ausschreibungen unter der Voraussetzung, dass die von ihnen erarbeiteten Ergebnisse der Voruntersuchung allen Mitbietern der Ausschreibung zugänglich sind, teilnehmen dürfen. Inzwischen ist diese Möglichkeit im neuen Vergaberecht (§ 6 und § 7 VgV – neu) eindeutig geregelt. Auch vorbefasste Firmen sind, sofern die von ihnen erarbeiteten Ergebnisse den Mitbietern zur Verfügung gestellt werden, an der Ausschreibung teilnahmeberechtigt.

klärungsgespräch mit den einzelnen Firmen darüber verhandelt, inwieweit ökologisch einwandfreie und nachhaltige Produkte mit „sauberen Inhaltsstoffen“ angeboten wurden. Es ist naheliegend, dass es in Fällen, in denen die Nachhaltigkeitskriterien nicht bereits in der Ausschreibung eindeutig festgelegt sind, sehr schwer ist, diese nach der Submission noch mit den mindestbietenden Firmen zu verhandeln, die kurz vor einer Auftragsvergabe stehen. Vor allem dann, wenn das Ergebnis der Verhandlung zum Vergabeausschluss der Firma führen könnte. Es ist deshalb dringend zu raten, schon bei der Ausschreibung die Produkte und die Anforderungen an deren Inhaltsstoffe umfänglich zu beschreiben.

Technische­Spezifikationen in der Ausschreibung Bereits im Geltungsrahmen der bisherigen VOB/A-EU konnten technische Spezifikationen und Anforderungen in den Ausschreibungstext mit aufgenommen werden. Auf der Basis der Änderung der Vergabebestimmungen ist die Möglichkeit der Einführung technischer Spezifikationen und Anforderungen jetzt noch sauberer und klarer beschrieben und ausschreibungs-/vergaberechtlich unbedenklich (siehe Richtlinie 2014/24/EU; VOB/A 2016, §  7a EU und Anhang Ts). Die Phase der Ausschreibung und Vergabe – also des Verfahrens, in dem die Planungserkenntnisse in die Ausschreibung einfließen und auf dem Markt angefragt werden – verlief beim Schmuttertal-Gymnasium problemlos. Das mag u. a. darauf zurückzuführen sein, dass ein Teil der beteiligten Firmen bereits die Ausschreibungsverfahren für das Forschungsprojekt Fach- und Berufsoberschule in Erding (ebenfalls ein DBU-Projekt) mitgemacht und aus den damaligen Fehlern gelernt hat. Insbesondere im Bereich Gesundheit und Nachhaltigkeit mussten – ohne gegen die Vergaberegelungen zu verstoßen – öko­logische und nachhaltige Ausschreibungskriterien in die Texte mit aufgenommen werden. Das war außerordentlich wichtig, wie die Erfahrung aus anderen Projekten ­gezeigt hat. Hier wurde erst nach der Ausschreibung im sogenannten Auf-

Forschung und Entwicklung im Vergaberecht – ein Ausblick Mit der Neufassung der VOB/A-EU vom 19. Januar 2016 hat der Gesetzgeber erstmalig, wenn auch nicht zufriedenstellend, darauf reagiert, dass sich Forschung und Entwicklung einerseits und das starre Vergaberecht andererseits behindern und innovationshemmend sind. Um diesem „Übel“ abzuhelfen, hat er mit dem § 3b EU, Abs. 5 VOB/A den Begriff der Innovationspartnerschaft eingeführt. Der öffentliche Bauherr hat bei diesem Verfahren in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen seine Nachfrage nach einer innovativen Leistung zu dokumentieren. Er teilt mit, welche Mindestanforderungen er stellt, welche Eignungskriterien erforderlich sind, um die Fähigkeit des Unternehmens auf dem Gebiet der Forschung sowie der Ausarbeitung und Umsetzung innovativer Lösungen zu dokumentieren. Das Verfahren läuft ähnlich wie beim wettbewerblichen Dialog kaskadenmäßig ab. In der ersten Stufe beschreibt der Auftraggeber in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen die Nachfrage nach der innovativen Leistung. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag stellen. In einer weiteren Stufe werden mindestens drei Firmen dazu aufgefordert, ein Angebot in Form von Forschungs-

und Innovationsprojekten einzureichen. Daraufhin verhandelt der Auftraggeber mit dem Bieter über die von ihm eingereichten Erstangebote und alle Folgeangebote. Am Ende des Verfahrens steht der Zuschlag auf das Angebot eines oder mehrerer Bieter. Die Leistung der Bieter wird jeweils vergütet. Nach Abschluss der Forschungsund Entwicklungsphase, die sich wiederum in eine Entwicklungsphase und in eine Leistungsphase gliedert, ist der öffentliche Auftragsgeber zum anschließenden Erwerb der innovativen Leistung nur dann verpflichtet, wenn das bei Eingehen der Innovationspartnerschaft festge­legte Leistungsniveau und die Kostenobergrenze eingehalten werden. Ähnlich wie beim wettbewerblichen Dialog, der schon seit längerer Zeit eine Möglichkeit des Vergabeverfahrens war (§ 3b EU, Abs. 4 VOB/A), steht jedoch zu befürchten, dass die Komplexität des Verfahrens und der damit verbundene Zeitaufwand die meisten öffentlichen Auftraggeber davon abhalten wird, Innovationspartnerschaften auszuschreiben bzw. anzufragen. Aber auch ohne das Verfahren einer Innovationspartnerschaft lassen sich viele innovative Entwicklungsprojekte bereits mit dem herkömmlichen Verfahren durchführen – immer vorausgesetzt, dass die Beteiligten mit Kreativität, Flexibilität und Offenheit an die Aufgabe herangehen. Warum nicht mit dem Bauherrn und den in der Forschung und Entwicklung erfahrenen Architekten und Ingenieuren gemeinsam das Forschungsthema formulieren und im nicht offenen Verfahren nach § 16 VgV ausschreiben? Maximal drei bis fünf Forschungsteams können aus den Bewerbern ausgesucht werden. Aus­w ahlkriterien sind die Erfahrung mit Forschung und Entwicklung im Allgemeinen, im Besonderen dem speziellen Thema sowie Zusammensetzung und Qualifikation des Teams, um nur einige zu nennen. Die Teams müssen ihre Herangehensweise an das Forschungsthema beschreiben bzw. ihre Vorgehensweise schriftlich umfänglich erläutern. Eine Jury, die aus dem Bauherrn, dem Forschungsgeber, den Spezialisten zum Forschungsthema – also in erster

Linie Architekten und Ingenieure – besteht, wählen aus den eingereichten Angeboten der Teams dasjenige aus, das am ehesten Erfolg verspricht. Dieses Verfahren ist deutlich einfacher als das neue Innovationspartnerschaftsverfahren. In jedem Fall müssten die zum Wettbewerb zugelassenen Forschungsteams eine Grundvergütung für ihre Arbeit erhalten. Diese Vergütung ist aber sicherlich weit niedriger als die mit dem Innovationspartnerschaftsverfahren verbundenen Kosten. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Forschung und Entwicklung sich bislang nicht oder nur selten in einem öffentlich-rechtlichen Vergabeverfahren umset­ zen lassen. Mit Kreativität und Flexibilität der Bauherren und der Aufsichtsbehörden gibt es durchaus Chancen, bereits mit den derzeit kodifizierten Ausschreibungsverfahren auch solche Projekte umzusetzen. Architekten, Ingenieure und der öffentliche Bauherr wären gut beraten, sich mit dem Thema eingehender zu befassen. Es steht sonst zu befürchten, dass öffentliche Bauten nicht oder nur verspätet von den Innovationen auf dem Markt und den damit verbundenen wirtschaftlichen und technischen Vorteilen profitieren. Das heißt im Ergebnis, dass die Haushalte der Kommunen – im Vergleich zum privaten Bau – von deutlich höheren Kosten ihrer Bausubstanz belastet sind und bleiben. Die Baugeschichte des Gymnasiums in Diedorf zeigt allerdings, dass auch die öffentliche Hand bei einem guten Zusammenspiel aller Beteiligten zu guten und nachhaltigen Lösungen kommen kann, die mit der Privatwirtschaft vergleichbar sind.

Nutzer Starre Anordnung ermüdet, Abwechslung belebt. Mit dieser Feststellung lässt sich die in Diedorf verfolgte neue Pädagogik zusammenfassen. Was so einfach klingt, wird im alltäglichen Tun oder wenn es gar in gebaute Umwelt umzusetzen ist, anspruchsvoll und erfordert mitunter einen langen Atem. Karin Doberer, Korbinian Meitinger, Katharina Bucher, LernLandSchaft

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Lange hat sich Schulbau ausschließlich an quantitativen Richtlinien orientiert und wurde als (mono-)funktiona­ ler Zweckbau verstanden. Der Bedarf berechnete sich aus Formeln, wie etwa 2 m2 pro Schüler als Flächenansatz für Klassenräume. Heute kommen bautechnische Richtwerte für die Energieeffizienz von Schulgebäuden dazu, um Umweltbelastungen zu vermeiden und Betriebskosten zu senken. Erwartet wird eine Lernumgebung im Einklang mit der natürlichen Umwelt, etwa in Bezug auf Licht und Materialien. Während unumstritten ist, dass energetische Qualifizierung einen wichtigen Beitrag zu verbesserten Lernbedingungen leistet, finden grundlegende pädagogische Neuerungen erst schwer Eingang in die Planungsprozesse. 1 Einschränkende Brandschutzkonzepte, fehlende akustische Maßnahmen und mangelnde Transparenz zwischen den Räumen führen dazu, dass auch in vielen modernen Neubauten die Klassen traditionell hinter ihren Türen bleiben und nur selten klassenübergreifender Austausch stattfinden kann. Zwar bieten öffentliche Bauvorschriften einen ersten Orientierungsrahmen beispielsweise im Hinblick auf förderungsfähige Flächen, jedoch eröffnet ein solch rationaltechnokratisches Schema keinen Zugang zu dem Profil einer zukunftsfähigen Schule, in der gerne und erfolgreich gearbeitet wird. Anders als ein Wandaufbau, dessen Eigenschaften sich berechnen lassen, folgen Arbeitsatmosphäre und Stimmung in der Schule einer Funktion mit vielen Unbekannten. Diesen „weichen Faktoren“ ist nur durch die Beteiligung der Gebäudenutzer am Planungsprozess und mittels fachpädagogischer Beratung auf die Spur zu kommen. Schulbau heute Moderne Architektur und innovative Technik, selbst wenn sie millionenschwer sind, ergeben daher für sich betrachtet noch keine „gute Schule“. Architektur setzt einen Rahmen, stellt aber kein pädagogisches Konzept. Perfekte Gebäudehüllen müssen – konzeptionell bereits in der „Leistungsphase 0“ – pädagogischen Ideen begegnen. Alle

Beteiligten müssen abstimmen, was eine gute Schule ausmacht und welcher Pädagogik Raum gegeben werden soll. Erst eine integrative Sicht auf Raum-, Lern- und Teamkultur ermöglicht es, den Bedürfnissen von Lernenden und Lehrenden bestmöglich gerecht zu werden. Auch wenn nahezu jede Baubeschreibung mit dem Satz beginnt, der Schüler habe im Mittelpunkt der Planung zu stehen, wird genau besehen noch überwiegend an den tradierten Strukturen einer Belehrungsschule und entsprechend stereotypen Raumzuweisungen festgehalten. Ziel: Lernkulturwandel Im Berufs- und Alltagsleben haben wir uns bereits daran gewöhnt, dass selbstständiges Arbeiten, Problemlösestrategien und Kooperationsfähigkeit zu den modernen Anforderungen einer weltweit expandierenden Wissensgesellschaft gehören. Angesichts der damit verbundenen Technologisierung und Entstandardisierung der Arbeitsmärkte ist lebenslanges Lernen von großer Bedeutung, weshalb insbesondere Schüler und Lehrkräfte großen Leistungserwartungen ausgesetzt sind. Das Festhalten an konventionellen Schulraummodellen steht daher in Widerspruch zu den bildungspolitischen Forderungen nach Inklusion, Integration und erfahrungsorientiertem Unterricht. Zunehmende Pluralisierungstendenzen erfordern eine Pädagogik der Vielfalt, die unterschiedliche Lernwege auf dem Weg zum Abschluss im Rahmen der vorgegebenen Bildungsstandards ermöglicht. Auf Grundlage von Erkenntnissen der systemischen Pädagogik, der Entwicklungspsychologie und neurobiologischer Forschungsansätze galt es daher in Diedorf, ein neues Konzept von Lernen architektonisch und pädagogisch zu realisieren. Von der belehrenden zur lernenden Schule In den Bildungswissenschaften herrscht heute Einigkeit darüber, dass nicht alle Schüler in der gleichen Geschwindigkeit den gleichen Lernstoff mit der gleichen Methode begreifen können. Tatsächlich hat jeder Mensch

seine eigene Lernweise und -geschwindigkeit, unterschiedliche Interessen und Kompetenzen. Dennoch wird der Unterrichtsalltag bis dato von der klassischen Ordnungsstruktur des Frontalunterrichts dominiert. Hier verweist bereits die gleichförmige Sitzordnung auf eine Vorstellung vom Lernen im Gleichschritt und eine Beschränkung auf Erklären und Belehren anstelle von Selbsttätigkeit. Dies birgt das Risiko, dass es für einen Großteil der Kinder und Jugendlichen entweder zu langsam oder zu schnell geht, sie innerlich abschalten oder den Unterricht stören. Zahlreiche Studien zur Lernstilforschung belegen, dass Frontalunterricht vor allem audi­ tive Lerner erreicht und die Mehrheit der Schüler, die sich Neues vorwiegend visuell oder taktil aneignen, nur unzureichend fördert. 2 Ein größerer Lernerfolg wird hingegen erzielt, wenn Sozialformen und Methoden verlässlich variieren, Raum zum Probehandeln gegeben wird und sich Phasen des gemein­sa­men Lernens (Peer Group Learning) mit Vorträgen, In­struk­­tion und Einzelarbeit abwechseln. Diese Erkenntnisse finden bereits seit Langem Eingang in die Lehrplan­an­for­de­­rungen und in die Lehrerbildung. Nichtsdestotrotz gibt es noch große Hürden im Hinblick auf die praktische Umsetzung, denn auch der Wandel der Lehrerrolle weg von der ausschließlich belehrenden „One-Man-Show“ hin zum Moderator und Lernbegleiter bedeutet Neuland. Vertrauen und Zutrauen bilden die Basis für einen lernorientierten Unterricht anstelle von Belehrung. Anknüpfend an reformpädagogische Appelle wie Jean Piagets Grundsatz „Bei allem, was man dem Kind beibringt, hindert man es daran, es selbst zu entdecken“3 , fordern Vertreter einer modernen Pädagogik heute stärker denn je einen Lernkulturwandel und betonen die Bedeutung von Selbstwirksamkeitserfahrungen. So kann Problemlösungskompetenz nur in Auseinandersetzung mit konkreten Herausforderungen erworben werden. Diese Einsichten haben paradigmatische Bedeutung – auch für den Schulbau. Denn: „Jede Vorstellung von Pädagogik hat ihre Entsprechung im idealen Lebens- und Lernraum.“4

Neues Lernen braucht neue Räume Bereits in den 1960er-Jahren wies der italienische Begründer der Reggio-Pädagogik, Loris Malaguzzi, auf den Zusammenhang zwischen Raum und Lernen hin.5 Funktionalität, Form, Design, das Mobiliar und seine Anordnung deuten auf eine jeweils vertretene Geisteshaltung und bestimmen die Lernförderlichkeit von Gebäudeund Raumgestaltungen. Charakteristisch für zukunftsweisende „Schulen des 21. Jahrhunderts“6 sind offene Lernlandschaften, die Raum für eine große Bandbreite an Methoden und individuellen Lernstrategien geben. Welches pädagogische Potenzial offene Lernlandschaften im Vergleich zur konventionellen Flurschule mit ihren voneinander getrennten Klassenzimmern bieten, lässt sich einfach darlegen: In einer „ganz normalen“ Unterrichtsstunde steht die Lehrkraft die meiste Zeit im Mittelpunkt und sendet Informationen durch Sprache oder visuelle Medien an die Schüler. Vielfach werden punktuell Fragen gestellt oder als Mittel eingesetzt, um die Aufmerksamkeit der Lernenden wieder zu gewinnen. Frontale Unterrichtsphasen haben ihren Sinn als effiziente Einweisungszeit, wenn man sie bewusst einsetzt und die Lehrenden nicht nur inhaltlich, sondern auch rhetorisch ihr Handwerk verstehen. Dauert die Instruktionsphase jedoch zu lange, driftet die Aufmerksamkeit vieler Schüler ab, bei den einen aus Langeweile, bei den anderen aus Überforderung oder Resignation. Anstelle von geschlossenen Klassenzimmern und reinem Frontalunterricht hat sich das Lehrerkollegium in Diedorf deshalb für offene Lernräume und Methodenvielfalt entschieden. Eine konstruktive Fehlerkultur unterstützt zudem die Problemlösefähigkeit und das soziale Miteinander. Die Schüler dürfen sich bis zur Hälfte der Unterrichtszeit selbstorganisiert mit Denk- und Gestaltungsaufgaben auseinandersetzen und im naturwissenschaftlichen Unterricht eigenverantwortlich Schüler­ experimente durchführen. Wer Selbstlernkompetenzen stärkt, erlebt Abwechslung, Engagement und persönliche Lernfortschritte.

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Lernlandschaft: vom Frontalunterricht zum offenen Lernen

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Wie entstehen Lernlandschaften? Wie und wo wollen wir in Zukunft (zusammen)arbeiten? – diese Frage hat in Diedorf von Anfang an eine zen­ trale Rolle gespielt und den Ansatz des integralen Planungsprozesses entscheidend mitbegründet. Das gute Zusammenwirken von Architektur und Pädagogik wurde durch die Entscheidung ermöglicht, im Rahmen eines Forschungsvorhabens der Deutschen Bundesstiftung Umwelt offene Lernlandschaften in Plusenergiebauweise umzusetzen – wohlwissend, dass dadurch in einem ersten Schritt Mehrkosten und ein höherer Planungsaufwand auf den Landkreis Augsburg zukommen würden. Anstelle von quantifizierbaren Patentrezepten wurde gemeinsam ein pädagogisch zukunftsorientiertes und wirtschaftlich tragfähiges Gesamtkonzept entwickelt – selbstverständlich unter Einhaltung aller geltenden Schulbaurichtlinien, Unfallverhütungsvorschriften und Normen.

Worin liegt die Chance einer Schulgründung ohne ein bereits fertiggestelltes Gebäude? In Diedorf konnte die Schulgemeinschaft vorab in Workshops und auch während der Planungsphase detailliert an der Gestaltung mit­ wirken, sodass Bedenken, z. B. hinsichtlich der Transparenz und flexiblen Möblierungen, praktisch ausgeräumt werden konnten. Im Vergleich zum „schlüsselfertigen Bauen“ gelingt es im Provisorium wesentlich leichter, Methoden im „kleinen Rahmen“ auszuprobieren und ein innovatives und im positiven Sinne anstiftendes Umfeld zu entwickeln. Das Bauprojekt diente als Anlass, die gesamte Schulorganisation neu auszurichten (u. a. veränderte Rhythmisierung durch Doppelstunden). Denn neue Raumfolgen und Funktionszusammenhänge verändern nicht nur den Planungsprozess und die Ausführungen der beteiligten Gewerke, sondern auch den Alltag der Lehrkräfte und Schüler auf sehr nachhaltige Weise.

Chancen einer Schulgründung 2010 startete das Gymnasium mit zunächst drei Klassen in der Jahrgangsstufe 5 in den leer stehenden Räumlichkeiten einer örtlichen Mittelschule; ein Jahr später zog die wachsende Schulgemeinschaft in einen Behelfsbau aus Containern. Parallel zum Schulalltag wurde mit den Lehrkräften, Planern und Geldgebern intensiv das Konzept der offenen Lernlandschaften für den Schulneubau in Diedorf entwickelt und schrittweise ausdifferenziert. Ziel war es, eine pädagogische Architektur zu planen, die eine neue Lern- und Teamkultur unterstützt. Bereits binnen fünf Jahren etablierte sich die Schule so zu einem attraktiven Gymnasium mit sehr guten Anmeldezahlen und einem breitgefächerten Angebot an Wahlfächern und Veranstaltungen.

Das pädagogische Raumfunktionsbuch Die entscheidungsintensive „Leistungsphase 0“ wurde 2011 mit dem „Pädagogischen Raumfunktionsbuch“ für das Schmuttertal-Gymnasium abgeschlossen, in dem typische Nutzungsszenarien beschrieben, Funktionen erfasst und miteinander in Bezug gesetzt werden. Anhand des gemeinsam definierten Bedarfs konnte ein passgenaues Grundriss- und Ausstattungskonzept entwickelt werden. Das Raumfunktionsbuch wurde allen an der weiteren Planung Beteiligten zur Verfügung gestellt und orientiert sich dabei stets an den realen Bedingungen (d. h. den förderfähigen Flächen und Schulbaurichtlinien). Es zeigt beispielsweise mögliche Lösungen zur Doppelnutzung, ohne dass dadurch gestalterische Details oder technische Aspekte bereits vorweggenommen würden.

Tatsächliche Umsetzung mit Möblierungsvarianten M 1:500

Cluster als Alternative zur konventionellen Flur­ schule Um das raumpädagogische Potenzial eines Schulgebäudes vollumfänglich zu nutzen, empfiehlt sich die Anordnung der Räume in Form von sogenannten Clustern. Allein durch die Bildung von Jahrgangsstufenbereichen wird die Lenkung der Schülerströme innerhalb der Lernbereiche verbessert. Die Erschließungsflächen verlieren ihren sonst typischen „Bahnhofscharakter“ und auch Flure werden als Begegnungsflächen pädagogisch nutzbar. Auf diese Weise können Identifikation und Verantwortlichkeit für die Nutzung der Räume wachsen. Wichtig ist, dass ein intelligentes Fluchtwege- und Brandschutzkonzept die Nutzung und Möblierung innerhalb des Clusters nicht einschränkt. Nicht zuletzt wirkt sich die Clusterbildung auch entscheidend auf die Gestaltungskosten aus. Neben allen funktionalen oder pädagogischen Überlegungen ist es auch unter energetischen Gesichtspunkten fragwürdig, monofunktionale Verkehrsflächen und viele, jeweils einem kleinen Nutzerkreis vorbehaltene Räume zu schaffen. Gelingt es wie in Diedorf, sechs Nutzungseinheiten von unter 400 m2 mit zwei voneinander unabhängigen Fluchtwegen zu bilden, kann aus dem vormals für den Brandschutz notwendigen Flur ein „Marktplatz“ als gemeinsame Mitte geschaffen werden. Innerhalb dieser Lernlandschaft ist die Fläche vielseitig nutzbar und über Sichtachsen (z. B. in Form von „Lesefenstern“ o. Ä.) können räumliche Beziehungen zu den Klassen aufgebaut werden, ohne dass Lehrkräfte ihre Aufsichtspflicht verletzen. Die Marktplätze mit einem breiten Angebot an Sitz-, Versammlungs- oder Rückzugsmöglichkeiten erweitern die

Aktionsräume für den Unterricht. Selbstständiges Arbeiten und das Gestalten der situativ passenden Lernum­ gebung sollten gemeinschaftlich in einem geschützten Setting geübt werden, wobei Pädagogen, aber auch Mitschüler als Ansprechpartner und Experten zur Verfügung stehen. Spätestens an den Universitäten mit ihrem chroni­ schen Platzmangel oder in Großraumbüros kommen diese Art von Selbstorganisation, Teamfähigkeit und spontaner Improvisation den Lernenden umfassend zugute. Pädagogik der Vielfalt Aus pädagogischer Sicht stoßen selbstorganisiertes Arbeiten oder auch Peer-to-Peer Learning Zeitfenster auf, in denen die Lehrkräfte individuelle Förderung leisten können. Der Schlüssel zu Binnendifferenzierung liegt in Gruppenarbeitsformen, die jedoch häufig mehr Variation benötigen, als es statisch eingerichtete Klassenräume bieten können. Ein erster Schritt ist daher, die Möblierung innerhalb des Klassenraums zu flexibilisieren. Der Dreieckstisch mit seinen unterschiedlichen Stellmöglichkeiten und seiner Stapelfähigkeit konnte bereits im Containerbau erfolgreich im Unterrichtsbetrieb getestet und jetzt in den Neubau übernommen werden. Langlebige, miteinander kombinierbare Schulmöbel und mobile Tafelsysteme erlauben rasche Methodenwechsel. Eine hohe Flexibilität erfordert zugleich die Einhaltung einer verbindlichen Grundordnung und Übersichtlichkeit. Durchdachte Garderobenlösungen und Regalsysteme zum platzsparenden Verstauen von Lernmaterialien sind dabei unerlässlich. Vom Einzelkämpfer zum Teamplayer In den offen konzipierten Lernlandschaften gibt es neben

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den Marktplätzen auch dezentrale Lehrerteamräume mit Die auf diese Weise eingesparte Fläche steht für jahr­ qualitativ gut ausgestatteten PC-Arbeitsplätzen, Stauraum gangs­übergreifende Begegnungsräume zur Verfügung. Er­ und einem Besprechungsbereich. Diese ersetzten nicht fahrungsgemäß begreifen sich Schüler innerhalb eines das große Lehrerzimmer als Gemeinschaftsort, sondern Clusters mehr als Jahrgangseinheit und weniger als Klasse. bieten den Pädagogen eine Basis vor Ort zur Unterrichtsvor- und -nachbereitung und minimieren somit lange Raumpädagogisches Potenzial bergen und ZwischenWege mit vollgepackten Taschen. Durch das offene Raum- räume erfinden konzept sinkt gleichzeitig die Zahl ausgefallener Unter- Während der Unterrichtsstunden liegen die Flur- und richtstunden, da sich Lehrende im Team besser vertreten Verkehrsflächen einer konventionellen Flurschule brach, können und ausreichend Lernmaterial in den Lernland- obwohl sie für Arbeitsgruppen, Begegnung oder Indivischaften bereitliegt. Wenn der Mehrwert der beschriebe- dualisierung zusätzlichen Raum bieten könnten. Zur Renen Clusterbildung plausibel dargelegt wird, ergeben duzierung reiner Erschließungsflächen ohne Funktionssich zudem neue Potenziale im Bereich der Teamkultur. verlust wurden in Diedorf jeweils zwei Lernreviere Die (Arbeits-)Situation der Verwaltungs- und Lehrkräfte „Marktplatz an Marktplatz“ angeordnet, sodass Lehrersollte in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden. Auch teamräume gemeinsam genutzt und alle Klassenräume das Sekretariat des Schmuttertal-Gymnasiums, die Schul­ gut mit Tageslicht versorgt werden können. Die innen leitungsbüros und Besprechungsräume vermitteln durch liegenden Plätze bekommen Tageslicht über Atrien und die Verwendung von Glaselementen offene, freundliche Oberlichter. Die sichtbare Holzkonstruktion trägt dazu Raumeindrücke und fördern die Teamarbeit. bei, dass dieser Lichteinfall inszeniert wird und ein angenehmer, sehr klar strukturierter Raumeindruck entsteht. Quadratmeter sind nicht das Maß aller Dinge Das Stützenraster definiert dabei den freizuhaltenden Gerade im Neubau muss man sich die zusätzliche Fläche, Flurbereich als Arkade und spannt Bereiche auf, die als beispielsweise für den Marktplatz, über Kompensation, Couchecke oder Computerarbeitsplatz dienen können. also durch die Einsparung von Abstellräumen oder Differenzierungsräumen, beschaffen. Dieses „Wegnehmen „Wenn Architektur und Pädagogik ‚heiraten‘, kann von Quadratmetern“ ist für viele Lehrerinnen und Lehrer Wunderbares passieren.“7 zu Beginn oftmals ein heikler Punkt, der unbedingt in- Das neue Schulgebäude zeigt, wie pädagogische Zielsetnerhalb der Leistungsphase 0 mit einer gemeinsamen zungen mit technischen Anforderungen in Einklang geDefinition von Prioritäten und Funktionen ehrlich the- bracht werden können. Durch die pädagogisch gewollte Verbindung zwischen Marktplätzen und Lernräumen konnmatisiert werden muss. In Diedorf konnten auf diese Weise u. a. die üblichen drei te in Diedorf z. B. die Lüftungsanlage vereinfacht werden. Computersäle (je 70 m2) aufgelöst und deren Flächen und Quasi als Nebenprodukt entstand für alle Nutzer leicht Funktion den Marktplätzen zugeschlagen werden. Auch erreichbarer Stauraum in den Funktionswänden zwiwurde ein separates Buchlager eingespart, indem lehr- schen den senkrecht verlaufenden Lüftungsrohren. mittelfreie Bücher direkt in den Lernräumen untergebracht sind. Sind zudem die Räume frei zugänglich und Mut zur Veränderung wird belohnt findet – wie im Gymnasium üblich – der Fachunterricht Mithilfe einer variablen Raumnutzung und adaptiven in den Sälen statt, wird es bei guter Stundenplanung Lernumgebungen kann auf die vielfältigen pädagogimöglich, vier Klassen mit drei Lernräumen zu versorgen. schen Erfordernisse flexibel reagiert werden. Moderne

Schulbauten zielen zudem auf eine Reihe von gesundheitlichen Aspekten ab. Gerade im Hinblick auf die Prävention von stressbedingten Krankheiten wird deutlich, dass eine gute Raumkultur Lärm, Konzentrationsstörungen und Ermüdungserscheinungen durch Überforderung vorbeugen kann. Insbesondere der richtige Schallpegel hat entscheidenden Einfluss auf den Lernerfolg. Akustik, natürliches Licht, ergonomisches Mobiliar und Holz wirken leistungsfördernd. Die Diedorfer Variante der Lernlandschaften macht die Vorteile eines integralen Planungsprozesses mit Architekten, Geldgebern, Technikern und Nutzern erlebbar. Eine Exkursion an das Schmuttertal-Gymnasium bietet einen guten ersten Impuls für neue Projektvorhaben im Bereich der pädagogischen Architektur. Auch wenn die Ausgangslage z. B. durch Bestandsbauten schwieriger ist, werden sich passende Lösungen im eigenen, systematisch und gemeinsam betriebenen Planungs- und Bauprozess ergeben. Die Schulgemeinschaft in Diedorf wird in der sogenannten Leistungsphase 10 weiterhin von der Beratungsfirma LernLandSchaft begleitet, um eine nachhaltige Projektakzeptanz zu sichern und Kenntnisse für neue Projekte zu gewinnen. Ergänzende Fortbildungsangebote unterstützen den weiteren Schulentwicklungsprozess.

1 Karl-Heinz Imhäuser, Frauke Burgdorff, Schulen planen und bauen – Grundlagen und Prozesse, hrsg. von der Montag Stiftung, Berlin 2012 2 David A. Kolb, Experiential Learning, Englewood Cliffs, NJ 1984 3 Jean Piaget, Meine Theorie der geistigen Entwicklung, Weinheim u.a. 2003 4 Nicola Unger, Angela Brosch, Didaktik und Raum – Lernformen und Raumstrukturen, in: Günther Opp, Angela Brosch, Lebensraum Schule, Stuttgart 2010 5 Sabine Jobst, Inklusive Reggio-Pädagogik, Bochum 2007 6 Prakash Nair, Randall Fielding, Jeffery Lackney, The Language of School Design – Design Patterns for 21st Century Schools, 3. Aufl., Minneapolis, MN 2013 7 Stephan Lüke, Willkommen in der Schule, in: Erziehung & Wissen schaft, 02/2007, S. 6–9 Weiterführende Literatur _ Otto Herz, Das ABC der guten Schule, Düsseldorf 2009 _ LernLandSchaft, www.lern-landschaft.de _ Prakash Nair, Schools for the 21st Century – Are You Ready?, www.oecd-ilibrary.org/education/schools-for-the-21st-century_ 804472211850 _ Wolfgang Schönig, Christina Schmidtlein-Mauderer (Hrsg.), Gestalten des Schulraums – Neue Kulturen des Lernens und Lebens, Bern 2013 _ Josef Watschinger, Josef Kühebacher (Hrsg.), Schularchitektur und neue Lernkultur. Neues Lernen – Neue Räume, Bern 2007

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Entwurf

Entwurf Architektur heißt seit je, unterschiedliche Belange unter einem Dach zu vereinen. Je komplexer das Bauvorhaben, um so anspruchsvoller wird diese Aufgabe. Moderne Planung greift dabei auf Methoden nach wissenschaftlichem Vorbild zurück. Dennoch bleibt Intuition grundlegend für die geforderte Syntheseleistung. Florian Nagler, Architekt

Mit dem Schulbau des Schmuttertal-Gymnasiums wird in vielfacher Hinsicht – sei es Raumstruktur, Konstruk­tion oder Materialauswahl – Neuland betreten. Der Wunsch des Bauherrn, ein Gymnasium in Holzbauweise als Plusenergiegebäude zu bauen unter Berücksichtigung eines neuen pädagogischen Konzepts, legte für den Entwurf des Hauses bereits sehr früh maßgebliche Parameter fest. Damit ist das Gebäude der erste Schulbau in Holz in dieser Dimension. Das Baugrundstück am Übergang der Siedlungsstruktur in die freie Landschaft des Landschaftsschutzgebiets entlang der Schmutter war eine weitere Herausforderung. Die Anlage vermittelt zwischen der naturbelassenen Auenlandschaft, altem Bauernland und dem im Kern noch erkennbaren Dorf. So nimmt der realisierte Entwurf einerseits besondere Rücksicht auf die Einbindung in den landschaftlichen Kontext und spiegelt andererseits die typologischen Anforderungen des pädagogischen Konzepts der offenen Lernlandschaften wider. Raumstruktur Das pädagogische Konzept erfordert idealerweise die Gruppierung der Klassenzimmer um einen zentralen „Marktplatz“ mit direkten, offenen Verbindungen der Klassenräume zu diesem Herzstück eines Jahrgangsstufenbereichs von vier Klassen. Je zwei Marktplätze sind mit gemeinsamer Garderobe, Sanitäreinheit und einem eigenen kleinen Lehrerraum ausgestattet. Diese Idealanordnung legt – aufgrund der erforderlichen räumlichen Ausdehnung – eine sehr kompakte Form nahe. Die Belichtung erfolgt idealerweise allseitig sowie wegen der erforderlichen Bautiefe zusätzlich über das Dach. Daher sah einer der ersten Entwürfe zunächst sechs ähnliche, ein- bis zweigeschossige Baukörper vor, die in ihrer Höhenlage sanft dem fallenden Gelände angepasst waren. Jeweils zwei zu einer Lernhauseinheit zusammengefasste Jahrgangsgruppen waren immer in den oberen Geschossen unter­gebracht. Die geringe Kompaktheit dieser Gebäudekonfiguration

führte dazu, dass das Budget der Baumaßnahme deutlich überschritten wurde. Also galt es zu verdichten. Im nächsten Schritt wurden die sechs Gebäude zu vier zusammengefasst, indem jeweils zwei Lernhauseinheiten über­ einander gestapelt wurden. Neben den ökonomischen Vorteilen hatte diese Anordnung auch den Vorteil, dass diese vier Baukörper einen zentralen Innenhof umfassen, der das Herzstück der Anlage bildet. Baukörper Von grundlegender Bedeutung wurde nun die Frage nach der Belichtung der zentralen Bereiche dieser kompakten Baukörper. Das hat früh zu der Kontur der Baukörper mit schwach geneigten Satteldächern geführt. Auf diese sind – optimal nach Süden orientiert – „Dachreiter“ aufgesetzt, die es ermöglichen, ausreichend dimensionierte Photovoltaikflächen anzubieten. In die PV-Flächen sind die Oberlichtverglasungen zur Belichtung der zentralen Marktplätze flächenbündig integriert. Auf diese Weise entstanden Baukörper, die wie große Scheunen in der Landschaft stehen. Die beiden zweigeschossigen Baukörper, die sich zum Vorplatz hin orientieren, nehmen einerseits die Sporthalle mit ihren Nebenräumen, andererseits das Eingangsgebäude mit Pausenhalle bzw. zentraler Aula und den zugeordneten Räumen für Bibliothek und Mensa und in den Obergeschossen für Verwaltung und Lehrer auf. Wegen der gewünschten Zuordnung zur Aula sind als einzige Unterrichtsräume die Musiksäle und der als Bühne nutzbare Mehrzweckraum auch in diesem Gebäude untergebracht. Alle anderen Unterrichtsräume verteilen sich auf zwei dreigeschossige Klassenhäuser, wobei die Fachklassen jeweils in den erdgeschossigen Bereichen angeordnet wurden, die um die Marktplätze gruppierten Jahrgangsbereiche in den beiden Obergeschossen. Die im Hinblick auf Belichtung mit Tageslicht weniger anspruchsvollen Sammlungen der Fachklassen konnten im Kernbereich des Erdgeschosses der tiefen Baukörper situiert werden.

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Vorentwurf mit sechs Gebäuden

Ausgeführter Entwurf mit vier Gebäuden

In den Obergeschossen wurde die diffizile Belichtungssituation durch Oberlichter und damit in Verbindung stehende, bis in das erste Obergeschoss reichende eingeschnittene Lichthöfe gelöst. Die notwendigen Treppenhäuser befinden sich jeweils an den Stirnseiten der Gebäudeteile und sind von Baukörper zu Baukörper mit kurzen, über verglaste Stege führende Flure miteinander verbunden. Das Erschließungssystem ist einfach und übersichtlich.

ten beibehalten und ruht im Bereich von Sporthalle und Aula auf entsprechend dimensionierten Leimholzbindern.

Hohe Ansprüche Die Umsetzung des Entwurfs als Holzbau war eine Vorgabe des Bauherrn. Die schließlich ausgeführte Konstruktion ist das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit von Architekten, Tragwerksplanern und Bauphysikern. Neben den Anforderungen, die aus dem Raumprogramm herrührten wie Raumgrößen, Spannweiten etc., wurden hohe Ansprüche an den Schallschutz, die Raumakustik und das Raumklima gestellt. Anzustreben waren des Weiteren eine geringe Konstruktionshöhe der Decken, ein hoher Vorfertigungsgrad und eine hinsichtlich des Transports optimierte Dimensionierung der Bauteile. Zudem sollte das für die Konstruktion verwendete Material im Gebäude sichtbar sein und die Konstruktion damit nachvollziehbar bleiben. Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen wurde eine konstruktive Struktur entwickelt, die auf einem Grundraster von 2,70 m basiert. Allen Räumen liegt dieses Maß zugrunde bzw. dessen Teilung oder Vervielfachung. Beim Tragwerk wurden als vertikale Elemente Stützen in unterschiedlichen Querschnitten verwendet. Auf den Stützen ruhen Unterzüge mit darauf aufgelegten Holzbeton-Verbunddecken, deren Zugzone von kräftigen Deckenbal­ken gebildet wird. Bei den Dächern wurden auf die Stützen Pfetten mit darüberliegenden Sparren aufgesetzt. Die Horizontalaussteifung erfolgt über zwischen die Stützen eingesetzte aussteifende Wände. Dieses zunächst sehr einfache System der Dachtragwerke wurde auch bei großen Spannwei-

Räumliche Qualität Die gewählte, im Hinblick sowohl auf die räumlichen Anforderungen des pädagogischen Konzepts als auch auf die gewünschte Raumwirkung entwickelte Konstruktion prägt alle Räume. Sie erlaubt, trotz einer relativ engen Stützenstellung, einerseits ein Raumkontinuum herzustellen, definiert aber gerade dadurch auch sehr präzise gut lesbare unterschiedliche Räume. Die sichtbare Kon­ struktion und die Dichte der Stützen verleihen den ­G ebäuden einen eigenen, klaren Rhythmus, der Lebendigkeit mit gestalterischer Ruhe und Unaufgeregtheit verbindet. Es ergibt sich der Eindruck eines möblierten Raums anstatt eines neutralen Behälters, was Möbeleinbauten in den Mittelwänden unterstreichen. Das gilt auch für Decken und Dach; die eng geführte, sichtbare Konstruktion ergibt einen Maßstab, der mit den Stützen übereinstimmt und im Fall des Daches mit seinen großen Belichtungsflächen eine feine, lamellenartige Struktur ergibt, die bei geringer Beeinträchtigung des Lichtquerschnitts durch die Lichtstreuung der sichtbaren Holzflächen eine eigene, wohltuende Beleuchtungsatmosphäre schafft. Die Stimmung der Innenräume ist geprägt von den weiß lasierten Hölzern der tragenden Konstruktion und in derselben Farbe gefassten Füllungen und Wandverkleidungen. Zum einen wird so vermieden, dass durch das Nachdunkeln des Holzes in einigen Jahren ein zu düsterer Charakter der Schule entsteht, zum andern wird die Materialität des Holzes etwas neutralisiert, es wirkt damit eher unterschwellig. Die so erzeugte Noblesse des Holzes mag die Schüler zu sorgsamem Umgang mit ihrem Gebäude anhalten. Außerdem sind Pflege und Unterhalt erleichtert. Ein einheitlicher gegossener mineralischer Boden durchzieht alle Räume und unterstreicht das Raumkontinuum. Präzise gefasste Verglasungen ermöglichen im ganzen Gebäude Ein-, Durch- und Ausblicke.

Lehrerteamraum

Funktionsecke

Eingang

Klassenraum

Marktplatz Klassenraum Toiletten Garderobe Klassenraum

Klassenraum

Stufen der Partizipation: erste Ideen des „Schulteams“ und Umsetzung durch die Architekten

Diese Gleichzeitigkeit von offener und geschlossener Raumstruktur verleiht der gesamten Schule eine ganz besondere Raumstimmung, die auf überraschende Weise sowohl großzügig als auch intim ist. Landschaftsgebunden Die Bauten antworten auf ihre Umgebung – sie bilden vier „Scheunen in der Landschaft“, mit grau gestrichenem, sägerauem Holz verkleidet, breit gelagerte, kompakte Volumen mit wenig Dachvorstand und Fenstern, die zu Bändern zusammengefasst sind. Ein besonderes Detail ist die geschossweise Vorrückung der Fassade um ca. 15 cm. Ein altes Holzbauprinzip, bei dem das darüberliegende Geschoss die Fenster des darunterliegenden schützt – hier neu interpretiert. Auf diese Weise erhält das Haus Plastizität, die einem Gebäude dieser Widmung gut ansteht, dem Holzbau gemäß ist und den Bau aus der Menge banaler, glatt verschalter Kisten heraushebt. Stattliche Häuser und doch eingebunden in den Horizont der weiten Landschaft.

Heinrich Tessenow, Wettbewerb Seebad auf Rügen, 1936

Hermann Kaufmann und Florian Nagler im Gespräch mit Florian Aicher Technische Universität München, 18. Mai 2016

Entgegen zeitgeistigem Raunen behauptet der Philosoph Wolfgang Welsch, es gäbe dies: eine universale Schätzung des Schönen. Alle Menschen, unabhängig von Schicht, Klasse oder Epoche, hätten ähnliche ästhetische Präferenzen. Empirisch ermittelt. Ein starkes Stück! Und es kommt noch dicker: Nur wenige Präferenzen sind es, und an erster Stelle steht Landschaft, savannenartige Landschaften; die Einhelligkeit der Savannenpräferenz ist kultur- und sozialschichtenübergreifend. Savannenartige Land­schaf­ ten gewähren Weitblick, lassen Bäume erkennen, die Schatten spenden oder zur Flucht vor Tieren dienen können. 1 Bewege ich mich durch die Räume des neuen Schmuttertal-Gymnasiums, kommt mir ein Hain in den Sinn. Stützen aus Holz, verschieden dicht gestellt, gebrochenes Licht von oben, durch eng gelegte Balken gefiltert. Bergend und offen gleichermaßen. Ob man so die Schule beschreiben kann, frage ich die Architekten. FN_ Das ist schon so – auf eine abstrakte Weise: viele aufgehende Holzstäbe und daraufliegendes Gebälk mit Licht. Maß und Maßstäblichkeit sind da schon wirksam. Natürlich sind wir nicht mit der Idee gestartet, wir bauen einen lichten Wald. Das hat sich entwickelt – dabei können wir gar nicht ausschließen, dass wir so ein Bild in uns tragen. HK _ Prägend ist die Struktur. Und wir haben empfunden, dass der kleine Maßstab der Schule angemessen ist, Halt gibt. Es sind Räume, die durch Struktur und Gliederung eine besondere Atmosphäre haben. Das ist alles ganz sauber konstruktiv begründet und gelöst, aber: Man kann es genauso richtig ganz anders machen – weite Räume, große Spannweiten, gewaltige Dimensionen. Wir sind einen anderen Weg gegangen, haben intuitiv etwas Verfeinertes angestrebt, eine strukturierende Konstruktion.

FN_ Und Konstruktion als Raumbildung. Das waren wegweisende Überlegungen: Wie dicht müssen Stützen stehen, damit sich Räume schließen? Was sind ihre Dimensionen? Wie hängt das mit dem Blickwinkel im Raum zusammen? Was bewirkt seine Veränderung, wenn ich mich bewege? Dimension und Abstände wechseln sich ab, sie haben unterschiedliche Richtungen. Im Gehen entstehen Rhythmen, je nach Richtung ergeben sich unterschiedliche Überlagerungen. Ein Gespür für so eine Raumbildung muss da am Werk gewesen sein, doch wie ist der intuitive Anteil, wie der offensichtlich rationale? HK_ Was ist rational? Üblich wäre doch gewesen: großer Raum, weite Stützenstellung, kräftige Stützen, massive Hauptträger, sonst knappe Balken. Wir haben das umgedreht, die massiven Dimensionen reduziert, ermöglicht durch enger gestellte Stützen, die nun schlank werden – das ist durch und durch rational. Der Gewinn: Die Struktur, das Baugefüge wird erlebbar. Unsere Ansprüche an die Vorfertigung mögen uns da freilich auf die Sprünge geholfen haben. FN_ Gerade in Diedorf waren all die Stimmen, die sich im Entwurf geltend machen, deutlich vernehmbar: Die Bauherrschaft mit ihrem ökologischen Anspruch, die Nutzer mit neuen Ideen zur Pädagogik, die Fachleute mit technischen Innovationen ... Architektur ist Syntheseleistung. Formwille bringt diese auf den Weg. Es sind zahlreiche Parameter, die Architektur bestimmen. Die Moderne ist eine Folge von Lehren, die nur wenige Parameter in den Vordergrund gestellt und so umgehend Kritik auf sich gezogen haben. Es gibt wenige Meister, die von allen Seiten Achtung erfahren; Mies van der Rohe, der Maurer gelernt hat, ist einer; Heinrich Tessenow, gelernter Zimmerer, ein anderer. Eigentlich ist es nicht verwunderlich, dass bei diesem die Raumbildung durch schmale

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Holzstützen eine Rolle spielt – erstaunlich ist eher, wie intensiv dies geschieht, gipfelnd in einem seiner letzten Entwürfe: einer Architektur als Wald, was er mit der ihm eigenen wunderbaren Zeichnung betont. 2 Da drängt sich die Frage an die beiden Architekten der Schule in Diedorf auf: Wie steht es um eure Ausbildung als Zimmerer? FN_ Natürlich prägt es einen, wenn man täglich mit ähnlichen Dimensionen umgeht, ihre Fügung und ihr Gefüge von Grund auf erfährt. HK_ Und den Stoff in den Händen hat, seine Herkunft vor Augen. Das sieht man ja manchmal nicht, man muss raus, den Wald von außen anschauen. Der Übergang wird wichtig. Der große Raum, die Vermittlung durch die feingliedrige Struktur schlanker Stämme hin zu dichten Räumen – das hat Tessenow meisterhaft gesehen. FN_  Bemerkenswert: Die genannten Meister werden beide der klassizistischen Strömung zugerechnet, einer feinen, geistigen Art freilich, der Herrisches fremd ist. Das bringt uns zurück zu Wolfgang Welsch. Als zweites Stichwort universaler Präferenzen nennt er: der betont symmetrische Körperbau, im Besonderen der symmetrischausgewogene Gesichtsschnitt. Symmetrie und Ebenmaß – Begriffe, die den Bezug zum Klassischen rechtfertigen. Der Gang durch die Schule zeigt gerade bei den Haupträumen immer wieder axiale Symmetrie und proportionale Ansichten. Spielen klassische Ideen da eine Rolle? FN_ Wenn man klassisch nicht an Formalitäten festmacht, wenn man den geistigen Kern im Auge hat: durchaus. Die Klarheit von Ordnung beschäftigt uns in unserer Arbeit, wir sind uns der Disziplin, die uns Bauen mit Holz auferlegt, durchaus bewusst, und mit Symmetrie habe ich auch kein Problem. Zur Schule selbst: Da sind wir nicht nur nach diesen Prinzipien verfahren. Die Grundrisse der Haupträume und

ihre Raumbildung zeigen deutliche Anklänge an klassische Raumtypen, Peristyl bzw. Basilika. Die große, offene Mitte, umgeben von intimeren Räumen, in direktem Kontakt mit dem Zentrum. Das Ineinanderspielen beider, abgesetzt durch Kolonaden. Valerio Olgiatti hat diese Raumfigur vor Kurzem den Kern abendländischen Bauens genannt.3 Der Mensch bewegt sich, beansprucht die Mitte. Das ist uns seit Jahrhunderten vertraut und ist würdigen Räumen vorbehalten. Wir fanden, das steht einer Schule heute gut an. HK_ Das setzt sich fort im Querschnitt des Hauses: geneigtes Dach, mittiger First. Aus dieser Mittelachse entwickelt sich die räumliche und konstruktive Komposition. Klassische Raumfigur, Struktur hoher Dichte, geprägt durch den Baustoff Holz – das ist das eine. Doch es kommt etwas hinzu: Die Wände sind als Einbauten ausgebildet und in den Rhythmus der konstruktiven Struktur einbezogen. Das zieht sich durch, bleibt spürbar, vom Fenster über Schrank, Regal bis zur Türe. Eigentlich ist es ein großer Raum mit Möbeln. Bis zum Türsturz sind es Möbel, dann ein Rücksprung, erst jetzt ist es eigentlich Wand. Holz kommt auf zweierlei Art vor: als Stab, wie es der Zimmerer kennt, und als Körper, Kasten, wie es der Schreiner kennt. Die enorme Bandbreite des Werkstoffs wird spürbar ausgespielt – ein Stoff, den die einen Alleskönner nennen, andere einen Mittler. Er ist auf unterschiedliche Weise belastbar, ist der anisotrope Baustoff schlechthin. Seine Spannung, seine Elastizität ist darin begründet. Der Duden nennt als Synonyme: Spannkraft, Geschmeidigkeit, Beweglichkeit, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit. Man könnte fortfahren mit der Leichtigkeit und Verfeinerung des Schreinermöbels bis hin zum Instrumentenbau und im Kontrast dazu der Festigkeit und ­Zähigkeit, die der Konstruktion abverlangt wird. FN_ Das sind Qualitäten des Holzes, die der Schule, ihren Ideen vom Lernen und dem Miteinander von all den Schü-

lern und ihren Lehrern entgegenkommen. Sind da nicht Elastizität, Resonanzvermögen und Stabilität gefragt?

1 Wolfgang Welsch, Zur universalen Schätzung des Schönen, in: der architekt, 05/2015, Berlin 2015 2 Heinrich Tessenow, Festhalle für K.d.F – Seebad auf Rügen,

HK_ Man wird wohl diese Bandbreite von der Konstruktion bis zum beweglichen Möbel mit keinem Baustoff so hinbekommen wie mit dem Holz. Von der Struktur bis zum Möbel: eine Einheit – und dennoch unterschiedliche Charaktere. Das ist das Geheimnis der Wohnlichkeit alter Bauernstuben, davon wollten wir der Schule etwas geben. Bauen mit Holz – ob alt, ob neu – verlangt Sorgfalt vom Rohbau bis zum Kleiderhaken.

Wettbewerb 1936 3 Valerio Olgiati, Idee + Sinngebung = Werk, in: Tom Schoper, Ein Haus. Werk – Ding – Zeug?, Wien 2016 4 Tanizaki Jun’ichiro, Lob des Schattens, Entwurf einer japanischen Ästhetik, Zürich 1993

Wozu der Stoff – kundig ausgesucht – noch in seiner Nahwirkung beiträgt. Die charakteristische Maserung ist durch lasierenden Anstrich gedämpft, jedoch immer präsent. Dessen fast magische Wirkung ist vielfach beschrieben worden, besonders schön von Tanizaki Jun’ichiro, der das typische stille Örtchen seiner Heimat sogar dem Teehaus vorzieht, ist es doch „so konzipiert, dass der Geist Ruhe findet, im Schatten eines Gebüsches, mit dem Haus durch einen gedeckten Gang verbunden [...] Ein Ort, von ruhigen Wänden und feiner Holzmaserung umgeben, [...] ein gewisses Halbdunkel, gründliche Sauberkeit und eine Stille, die selbst das Summen einer Mücke zum Ohr dringen lässt [...] Holz nimmt mit der Zeit eine schöne dunkle Färbung an, lässt die Maserung in reizvoller Weise hervortreten und hat eine seltsam beruhigende Wirkung auf die Nerven.“4 FN_ Nach fast einem Jahr Betrieb ist jedenfalls die Resonanz sehr positiv – von Schülern wie von Lehrern. Einmal ist eine Schmiererei aufgetaucht; das wurde umgehend öffentlich gemacht. Es hat zwei Tage gedauert, und sie war spurlos verschwunden – wie von Geisterhand entfernt. Architektur kann also schon etwas. HK_ Und verschafft sich Respekt, im besten Sinn – etwas Erfreuliches, mit dem man gerne pfleglich um­geht. Sorgfältig gemachte Dinge sind resistent – oder gar: resilient.

Zentraler Marktplatz und klassisches Peristyl

Plan Im Folgenden der Lageplan und die Grundrisse des Schmuttertal-Gymnasiums. Alle Pläne sind genordet. Es wird jeweils die Nutzungsebene der Schulgeschosse gezeigt, sodass mit Ebene 2. OG die Dachaufsichten von Aula und Turnhallle dargestellt sind. Die Dachaufsichten der eigentlichen Schulbauten entsprechen jener der Turnhalle. Auf der rechten Seite die Konstruktion im zeitlichen Ablauf.

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UG M 1:500

Bodenplatte Klassenhaus

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EG M 1:500

Konstruktion Klassenhaus Stützenstellung, aussteifende Wände, Deckenkonstruktion

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1. OG M 1:500

Konstruktion Klassenhaus Stützenstellung, aussteifende Wände, Deckenkonstruktion

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2. OG M 1:500

Konstruktion Klassenhaus Stützenstellung, aussteifende Wände, Dachkonstruktion

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Schnitt B, Ost – West, Ansicht Süden M 1:500

A

B

Schnitt A, Nord – Süd, Ansicht Osten M 1:500

SCHNITT NORD - SÜD / ANSICHT OSTEN KH 2

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Längsschnitte M 1:60

Querschnitte M 1:60

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Statik Dem Wunsch nach einer offenen Raumstruktur kommt der Skelettbau in besonderem Maß entgegen. Dieser wurzelt genuin im Holzbau. Doch Holzbau bietet – gerade in seiner neuesten Entwicklung – eine große Bandbreite konstruktiver Systeme. Welches der ­besonderen Aufgabe angemessen ist, zeigt die Brillanz gekonnter Tragwerksplanung. Konrad Merz, merz kley partner ZT GmbH

Abbildung 1: Isometrie der Tragkonstruktion

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Konzeption Die Umsetzung der Bauaufgabe des Schmuttertal-Gymnasiums in Holzbauweise war durch die projektspezifischen Rahmenbedingungen vorgegeben – aus Gründen der Nachhaltigkeit war Holz der Baustoff erster Wahl. Bei der Wahl des Tragsystems waren neben konstruk­tiven Argumenten formale Erwägungen ausschlaggebend – die atmosphärische Qualität von Holzbauten sollte zum Ausdruck gebracht werden. Die Skelettbauweise betont den stabförmigen Charakter des gewachsenen Holzes. Die tragende Holzkonstruktion sollte sichtbar und erlebbar bleiben und nicht durch flächige Verkleidungen verdeckt werden. Die Festlegung des Stützenrasters war von den Vorgaben aus dem Raumprogramm und auch von statischkonstruktiven Kriterien abhängig. Das Resultat ist ein Stützenraster, das in die eine Richtung, die Spannrichtung der Balken, durch die Breite der Funktionszonen (etwa die Tiefe der Klassenräume) bestimmt ist, und in die andere Richtung durchgehend 2,70 m beträgt. Das Festhalten am einmal gewählten Raster durch das ganze Gebäude und über alle Stockwerke ist entscheidend für eine wirtschaftliche Umsetzung der Tragkonstruktion, erfordert bei der Planung jedoch ein hohes Maß an Disziplin. Eine Recherche über die Deckensysteme vieler gebauten Schulen, die im Rahmen der projektbegleitenden Forschung durchgeführt wurde, ergab als Lösung eine Holzbeton-Verbunddecke, die die an das Projekt gestellten Anforderungen am besten erfüllt. Einerseits sollte die Decke so weit wie möglich vorgefertigt werden, andererseits war die Höhe der stärker belasteten, von Stütze zu Stütze spannenden Querträger der Höhe der Deckenbalken anzugleichen. Holzkonstruktion Klassenhäuser und Aula Die Konstruktion der beiden Klassenhäuser ist, abgesehen von kleinen Abweichungen der Spannweiten, identisch und kann als reine Skelettkonstruktion bezeichnet werden. Das Grundprinzip ist in den Abbildungen 1 – 3 dar-

gestellt. Das Stützenraster in Richtung der Hauptträger ist rechtwinklig zur Spannrichtung der Decken und beträgt immer 2,70 m, in die andere Richtung variiert der Stützenabstand zwischen 2,40 und 8,14 m. Die Anzahl der Einzelstützen über die drei Gebäude gerechnet summiert sich auf ca. 1.000 Stück. Von Stütze zu Stütze spannen Hauptträger unterschiedlicher Dicke mit einer Höhe von 40 cm. Die Innenstützen sind als Gabel-, die Außenstützen als Mantelstützen (die auflagernden Balken beid- oder einseitig flankierend) ausgebildet. Das ermöglicht ein kontinuierliches Ableiten der lotrechten Lasten entlang der Stützen ohne die Hauptträger rechtwinklig zur Faserrichtung zu beanspruchen. Von den ca. 1.000 Stützen mussten nur drei ausgewechselt bzw. abgefangen werden, was für die konstruktive Konsequenz der Architektur spricht. Einmal wurde mit einem in den Holzträger integrierten Stahlprofil, das im Verbund mit dem Überbeton wirkt, ausgewechselt; das andere Mal, indem der Balken zum wandartigen Träger im darüberliegenden Geschoss ausgebildet wurde. Die Distanz zwischen den Haupttragachsen überspannt eine als Plattenbalken ausgebildete Holzbeton-Verbundkonstruktion (Abbildung 5). Da die Balken im Endzustand sichtbar bleiben, haben sie trotz der Unterschiede in den Spannweiten immer die gleichen Abmessungen von je zwei Stück mit 18 x 32 cm bei einem Abstand von 90 cm. Sie sind gegenüber dem Hauptachsraster um 45 cm versetzt, um den Knoten Träger/Stütze geometrisch zu vereinfachen. Die über einer verlorenen Schalung eingebrachte Ortbetonschicht von 10 cm wirkt als integrale, horizontale Scheibe und bildet zusammen mit ausgewählten Innenwänden die Aussteifung der Skelettkonstruktion. Die geneigte Dachkonstruktion folgt dem Konstruktionsprinzip der Decke. Die Betonschicht wird jedoch durch eine Dachschalung aus 50 mm dicken Holzwolle-Leichtbauplatten ersetzt. Diese Dachschicht ist raumakustisch wirksam, hat aber nur eine geringe Tragfähigkeit. Wettgemacht wird das,

+ 11,70 + 9,00 + 7,10

Abbildung 2: Schematischer Querschnitt – Klassenhaus

+ 7,00

Abbildung 3: Schematischer Querschnitt – Aula

indem der Balkenabstand auf 45 cm halbiert ist (Abbildung 6). Die Balkenabmessungen konnten wegen der geringeren Anforderungen an die Dachkonstruktion auf ein durch die Brandbemessung vorgegebenes Maß reduziert werden. Da die gewählte Dachschalung infolge fehlender Tragfähigkeit auch nicht zur Aussteifung herangezogen werden kann, sind einige wenige Flächen durch gleich starke, aussteifende Dreischichtplatten ersetzt. Einige der Innenwände sind als aussteifende Scheiben ausgebildet und sorgen mit den Dach- und Deckenscheiben für die Stabilität der Konstruktion. Es sind Holzrahmenwände mit OSB-Beplankung. Ihre Anzahl und Anordnung je Geschoss richtet sich nach der Größe der Einwirkungen aus Wind und ungewollter Schiefstellung (theoretische Lastannahme aus Verformung der Kon­ struktion). Lediglich die Wände des Liftschachts im Klassenhaus 2 und ein wandartiger Träger in der Aula sind als Brettsperrholzkonstruktion ausgeführt. Alle anderen Innenwände und alle Außenwände sind nicht tragend und als Holzrahmenkonstruktion ausgeführt und nach Raumanforderung beplankt. Holzkonstruktion Turnhalle Die Turnhalle ähnelt in Kubatur und Dachform den Klas­ sen­häusern und der Aula. Da lag es nahe, das Konstruktionsprinzip für das Dach zu übernehmen. Die Dreifachhalle wird mit Brettschichtholzträgern im Achsabstand von 3 m überspannt. Auf der dadurch entstehenden Trägerlage wird ein mit den Klas­ senhäusern identisches Sparrendach aufgeständert (Abbildung 4). Auch hier besteht die Dachschalung aus HolzwolleLeichtbauplatten, die gezielt durch aussteifende Dreischichtplatten ergänzt werden. Die Giebelwände und die der Nebenzonenspange abgewandte Längsseite sind Holzrahmenelemente, die längsseitig ergänzt sind durch integrierte Stützen zur Aufnahme der großen Brettschichtholzträger. Der Bereich der Nebenräume ist ein Hybridbau. Diese Räume mit Decke und Innenwänden aus Stahlbeton wer-

Abbildung 4: Schematischer Querschnitt – Turnhalle

Abb. 5: Deckenaufbau F30 – Decke über 1.OG und EG

5 mm Mineralische Beschichtung Abbildung 5: Deckenaufbau 85 mm Heizestrich F30-Decke über 1. OG und EG Trennlage 20 mm Magnesiaestrich 30 mm Trittschalldämmung 90/80 mm Heizestrich 50 mm Ausgleichsdämmung Trennlage Trennfolie 30 mmin Schubverbund Trittschalldämmung 98 mm Aufbeton mit Balken 30/40 mm Schüttung oder Dämmung 22 mm OSB-Platte 120 mm Beton (22 mm OSB + 98 mm Aufbeton) 320 mm Balkenlage 320 mm Holzbalken 2 x 180/320 GL24h, e = 0,9 m 40 mm Mineralwolleplatte restlicher Aufbau laut Architekten Vorgabe 35 mm Holzwolle-Akustikplatte

Abb. 6: Dachaufbau F0 – Dach mit Begrünung

Abbildung 6: Dachaufbau F0-Dach mit Begrünung 20 mm Vegetationsmatte 80 mm Extensivsubstrat 40 mm Drainagematte gefüllt mit Substrat 10 mm Speichervlies EPDM-Bahn, wurzelfest 80 mm Humusaufbau 20 mm Mineralwolle 40 mm Drainageschicht, EPDM-Bahn, wurzelfest, 60 mm Holzlattung 100/60, dazwischen Mineralwolle druckfestharte Bedachtung 20 mm Sanierungsplatte Mineralwolle RP-TF 160 mm Mineralwolle druckfest 60/160/160 mm Mineralwolle, druckfest, WLG 040 160 mm Holzlattung 100/160, dazwischen Mineralwolle DampfsperreLattung und Verschraubung gem. Regeldetail Dampfsperre Trennlage aus Bitumenbahn 50 mm Heraklith BMund in den Randbereichen d = 51 mm 51 mm Kerto-Q-Platte im RandStützenbereich bzw.Kerto-Q Holzwolle-Leichtbauplatte umlaufend 360 mm Sparren Gl24h 100/360,verschraubt, e=450 mm ohne freie Stösse 360 mm Sparren, 100/360 GL24h, e = 450 m

Gabelstützen

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den umhüllt mit Holzrahmelementen als Außenwände. Hinter dieser Materialwahl standen sowohl betriebliche (viele Nassräume) als auch wirtschaftliche Überlegungen.

Auflager Deckenelemente

20 – 30 Euro beim Einsatz von Schrauben, eingeklebten Blechen oder anderen Systemen. Für ein Aufbringen des Betons vor Ort gegenüber komplett vorgefertigten Elementen sprachen folgende Kriterien:

Holzbeton-Verbunddecken Die Entscheidung für eine Holzbeton-Verbundkonstruk- _ Die gewählte Konstruktionsart mit komplett sichtbarer, tion fiel aufgrund umfangreicher Recherchen im Rah- teilweise feingliedriger Skelettkonstruktion mit ineinanmen der projektbegleitenden Forschung, die von der DBU der greifenden Knoten und Toleranzen im Millimeterbefinanziert und begleitet wurde. Darüber hinaus initiierte reich verträgt sich nicht mit dem Einbau von tonnenund betreute der Tragwerksplaner zwei Masterarbeiten schweren Fertigteilen. von Absolventen der TU Wien bzw. der Hochschule _ Die gewählte Art der Medienverteilung bedingt viele unterschiedliche Aussparungen und damit viele unterKonstanz zu dem Thema. 1 schiedliche Elemente, was der Vorfertigung abträglich ist. Aus statischer Sicht handelt es sich bei den Decken um Einfache Ausbildung von großflächigen aussteifenden Plattenbalken. Die Balkenbündel von 18/32 cm aus Brett- Scheiben ist mit Ortbeton a priori gegeben. schichtholz GL2 4 sind im Abstand von 90 cm angeord- _ Des Weiteren sprachen wirtschaftliche Überlegungen net. Die Balken sind mit gekreuzten Vollgewindeschrau- für Ortbeton. ben an die Querträger in den lastabtragenden Achsen befestigt. Auf den Balken aufgelegt sind 22 mm starke Es hat sich herausgestellt, dass besonders der Einbau des OSB-Platten. Sie überbrücken den Zwischenraum der Bal- Ortbetons hohe Ansprüche an die Kompetenz und Routine ken als verlorene Schalung. Darauf wurde vor Ort eine der ausführenden Firmen stellt. Daher sei hier ausdrück10 cm dicke Schicht aus Beton gegossen. Die Betonschicht lich betont, dass die genannten Kriterien projektspezifisch ist teilweise „konventionell“ und teilweise als ­Faserbeton zu sehen sind und dass bei Projekten mit anderen Randbewehrt. bedingungen vorgefertigte Elemente sinnvoll sein können. Die Holzkomponenten der Decke – das sind die Balken, Der Verbund zwischen Beton und Holz erfolgt über geo- die zu diesem Zweck zweigeteilten Querträger und zwei metrischen Formschluss. In den Holzbalken sind dazu von drei OSB-Platten – wurden im Werk vorgefertigt. Alle Vertiefungen (Taschen) eingefräst. Beim Vergießen bildet Durchbrüche sind dabei mit Blechrahmen als Abschanun der Beton Nocken, die sich mit dem Holz verkeilen lung versehen worden. Der Einbau der fehlenden dritten und die auftretenden Schubkräfte zwischen Holz und Be- OSB-Platte erfolgte aus konstruktiven Gründen vor Ort. ton übertragen. Darüber hinaus sind keine weiteren Ver- Die Planung gab vor, dass nach der kompletten Montage bindungsmittel nötig. der Holzkonstruktion der gesamte Ortbeton unter Dach eingebracht wurde. So waren, trotz sommerlicher TemDiese Art des Verbunds kann mit vorhandenen Normen peraturen, für Verarbeitung und Nachbehandlung des berechnet und nachgewiesen werden. Der Planer muss Betons geeignete Bedingungen gegeben. Das ist wichtig, sich nicht auf ein firmenspezifisches System festlegen um das Frühschwinden und damit einhergehende Verund die Kosten beschränken sich auf das Fräsen der Ta- formungen des Gesamtsystems einzuschränken. Für den schen in den Holzbalken. Damit tendieren sie gegen einen Holzbau war die Vorwegnahme vorteilhaft, weil ungegeringen einstelligen Eurobetrag pro m2 im Vergleich zu stört und schnell montiert werden konnte.

Verlorene Schalung

Direkte Lasteinleitung Stütze/Stütze

Bauablauf Der Bauablauf der Turnhalle war dem Unternehmer freigestellt. Im Gegensatz dazu war er bei den Klassenhäusern in der Ausschreibung genau vorgeschrieben. Um die im Endzustand sichtbar bleibende Holzstruktur so rasch wie möglich vor Einflüssen der Witterung zu schützen, erfolgte die Montage der Klassenhäuser etappenweise. Eine Etappe umfasste rund ein Drittel der Grundfläche von 40 x 40 m (Abbildungen oben). Notdächer zum temporären Schutz für Schlechtwetterperioden mussten zur Abdeckung je einer Etappe vorgehalten werden.

1

Betonverguss vor Ort, witterungsgeschützt

Dominik Dobler, Entwicklung einer praxisorientierten Bemessungshilfe für Holz-Beton-Verbunddecken auf Basis realisierter Objekte, Diplomarbeit, Technische Universität Wien 2014; M. Vogelmann, Optimierung von ausgewählten Aspekten der Holz-Beton-Verbundbauweise, Masterthesis, Hochschule Konstanz 2013

Montage der Fertigwände, im Vordergrund Deckenaufsicht vor Verguss mit eingelegten Installationsdurchbrüchen und Stützenköpfen für direkte Krafteinleitung

Vorfertigung erlaubt einen neuen, besser koordinierten und effizienteren Bauprozess. Wer das vielfach vorherrschende Chaos auf Baustellen kennt, kann das nachvollziehen: Koordinations- und Abstimmungsprobleme unter den Beteiligten, Mehraufwände in Planung und Ausführung, Zeitverluste im gesamten Prozess und Qualitätseinbußen durch kaum zu vermeidende Beschädigungen während der Bauphase prägen das Bild konventionellen Bauens. Hermann Kaufmann, Architekt

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Am Beispiel des Schmuttertal-Gymnasiums sollte exemplarisch der Frage nachgegangen werden, wie für öffentliche Bauten Qualitätsgewinne durch Vorfertigung erzielt werden können. Im Wesentlichen sind dies: _ Verkürzung der Bauzeit _ Minimierung von Schäden infolge Witterungseinflüssen _ Qualitätssteigerung durch Standardisierung _ geordnete und störungsarme Ausführung _ verbesserte Umweltbilanz Besonders infrage stand, wie dies bei den geltenden Vergabebestimmungen zu realisieren ist und inwieweit die Art der Vorfertigung auch tatsächlich zur Ausführung gelangt, denn vielfach geben individuelle Gepflogenheiten der Handwerker Anlass zu langen Diskussionen über den Vorfertigungsgrad und die Detaillösungen. Sind Ausschreibungen und Detailplanung bereits erfolgt, so verur­ sacht dies aufwendige Planänderungen sowie eine Beeinträchtigung des Bauablaufs. Grundsätzlich ist Holz für die Vorfertigung ein idealer Baustoff, denn wegen seines geringen Gewichts im Vergleich zu anderen Konstruktionswerkstoffen können auch große Bauteile leicht gefertigt, gut transportiert und montiert werden. Es wird dabei zwischen Elementfertigung und Raumzellenfertigung unterschieden. Bei der Elementfertigung werden Bauteile wie Decken, Wände oder Dächer bis zu einer sinnvollen Transportgröße von ca. 12 m Länge und 3 m Breite im Werk produziert inklusive integrierter Installationen. Auf der Baustelle werden diese nur noch aneinandergefügt. Im gegebenen Fall war dies der vorgezeichnete Weg. Der Vorfertigungsgrad hängt von verschiedenen Faktoren ab. Transportmittel und der Weg auf öffentlichen Straßen stellen ein Limit dar. Architektur sowie Materialisierung sind für die Gebäudehülle entscheidend, kaum weniger erheblich bei den Decken und Dächern. Zunehmend kommen Hybridkonstruktionen zum Einsatz, etwa Holzbeton-Verbundbauweisen. Diese werden entweder

vorgefertigt oder auf der Baustelle gefügt. Immer ist eine disziplinierte Konstruktionssystematik Voraussetzung für eine rationelle Produktion. Schon in der Entwurfsphase eines Projekts werden die entscheidenden Weichen dafür gestellt, ob eine sogenannte handwerkliche Vorfertigung, wie sie von einem großen Teil der modernen Zimmereien und Holzbaubetriebe umgesetzt werden kann, sinnvoll und möglich ist. Umsetzung Beim Entwurf des Schmuttertal-Gymnasiums wurden die Vorfertigungsmöglichkeiten von Beginn an berücksichtigt. Das konsequente Konstruktionmodul von 2,70 m, das auch vom Transportmaß der Elemente beeinflusst war, ermöglichte eine serielle Fertigung. Die enge Stützenstellung vereinfachte das Auflagern der Rahmenelemente der vorgefertigten Decken und Dächer. Auch die Gestaltung der Fassaden ermöglichte eine leichte Werksfertigung sowie eine rationelle Elementierung. Die ca. 12 m langen Fassadenelemente wurden mit im Werk bereits eingebauten Fenstern inklusive Wärmedämmung montiert, die Außenschalung konnte ebenfalls elementiert vor Ort angebracht werden. Die konsequente kon­ struktive Ordnung des vorgefertigten Holzbau korrespondiert mit dem angewandten Gestaltungsprinzip. Die Planungsleistungen für Architektur, Tragwerk, Bauphysik und Brandschutz wurden direkt an Büros vergeben, die im Holzbau erfahren sind, was bei Forschungsprojekten grundsätzlich vergabekonform ist. Ihre Kom­petenz hatten sie durch vorausgegangene Kooperation unter Beweis gestellt. Zur Vertiefung der Gesetzmäßigkeiten der Vorfertigung wurde ergänzend ein Holzbauunternehmer beauftragt, der die Detailplanung des Architekten begleitete, nicht zuletzt im Hinblick auf Umsetzbarkeit der Vorfertigung und eine wirtschaftliche Fertigung. Mit Blick auf die Ausschreibung war die Werkplanung darauf angelegt, Details so weit auszuarbeiten und zu ­fixieren, dass Varianten ausgeschlossen wurden. Es galt

Deckenelement

sicherzustellen, dass sowohl die gestalterischen Vorstellungen als auch der Vorfertigungsgrad, die Elemente und deren Teilung laut Planvorgaben umgesetzt werden. Diese Vorgaben wurden als verpflichtend ausgeschrieben. Bei den Angeboten der durch ein qualitatives Auswahlverfahren bestimmten Unternehmer zeigte sich ein relativ homogenes Preisgefüge ohne grobe Ausreißer und Spekula­tionsversuche. Auch in der Ausführungsphase wurden die getroffenen Festlegungen nicht hinterfragt, sondern wie geplant umgesetzt. Das belegt, dass eine Ausschreibung auf Grundlage sorgfältig ausgearbeiteter Ausführungsdetails Garant für gut vergleichbare Angebote, plangemäße Umsetzung und vernünftigen Kalkulationsaufwand der Unternehmen ist. Kompetenz und Auftrag Die Planung des innovativen Projekts wurde durch ein begleitendes Forschungsvorhaben der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert. Die Konzentration auf den vorgefertigten Holzbau schränkte die infragekommenden Architekten ein; diese wurden vom öffentlichen Auftraggeber direkt beauftragt. Sie erhielten bei der Bildung des Planungsteams ein Mitspracherecht. Die planungsbegleitende Beratung zur Vorfertigung durch ein Holzbauunternehmen wurde gesondert vergütet. Für die Vergabe der Holzbauleistungen wurde ein Prä­qua­ lifikationsverfahren durchgeführt, bei dem die Bewerber ihre Kompetenz durch Referenzen nachzuweisen hatten. Der Vergabe der Holzbauleistungen wurde eine umfassen-

de Leistungsbeschreibung mit sehr detaillierter Planung zugrunde gelegt. Der Projektumfang legte eine Vergabe in zwei Losen nahe. Die Merk Timber GmbH wurde mit der Ausführung der Turnhalle beauftragt, Kaufmann Bausysteme mit den Klassenhäusern und dem Aulagebäude. Der Leistungsumfang umfasste den gesamten Holzbau mit dichter Hülle, also die vollständige Außenwand inklusive Fenstern und das Dach inklusive Dampfbremse, die gleichzeitig Notdach war. Ergebnis Die Erfahrung mit Planung und Bau des SchmuttertalGymnasiums zeigt: Vorfertigung im Holzbau ist möglich und ein Gewinn für alle Beteiligten. Grund ist die Reduktion baulicher Komplexität durch Elementierung, Standardisierung und Serienfertigung unter zuträglichen Bedingungen einer Werkstattfertigung. Stoffliche und Fertigungsqualitäten – nicht zuletzt: eine handwerkliche Tradition, die weiterentwickelt wird – prädestinieren den Holzbau. Die Zunahme an Kompexität bei modernen Bauten durch Größe und Ausstattungsstandard wirkt diesen Vorteilen entgegen. Zu nennen sind aufwendige haustechnische Anlagen in Übereinstimmung mit der konstruktiven Struktur sowie brandtechnische Anforderungen nach Abschließung von Bauabschnitten. Damit wird der vorgefertigte Holzbau vor neue Herausforderungen gestellt; zugleich erweitert sich das Planungsspektrum. Dem Ge-

70

Elementteilung Turnhalle Stirnwand

71

Elementteilung Längswand Klassenhaus

winn bei der Bauausführung und dem Bauwerk muss ein Mehr an Zeit und Koordination in der Planungsphase zur Seite gestellt werden. Um diesen höheren Aufwand einzugrenzen, muss die Frage nach dem Standard bei der Ausstattung erlaubt sein. Architekten und Bauherr liegen bei der Beurteilung des Erreichten nahe beieinander. So bemerkt Frank Schwindling vom Landrats­amt Augsburg: „Das größte Problem des Prozesses – so die abschließende Rückschau – war, dass man bei diesem großen und komplexen Bauvorhaben im konstruktiven vorgefertigten Holzbau mehr Planungszeit braucht. Eigentlich hätten wir ein Jahr länger planen sollen.“ Und dennoch: „Das Ergebnis ist höchst positiv.“ Hervorgehoben wird: Sowohl Terminplan als auch Kostenrahmen konnten im Wesentlichen eingehalten werden. Und: Die bauliche und gestalterische Qualität des Projekts wird von den Beteiligten – sowie mittlerweile zahlreichen Gästen – als herausragend bewertet.

Konstruktionselement

Fassadenelement

Fassadenmontage

Nächster Montageabschnitt

Elementstoß Fensterbereich

Elementstoß Brüstungsbereich

Montagerichtung

Montagerichtung/Montagebeginn

Durch Vorfertigung kann zwar die Bauzeit wesentlich verkürzt ­werden, nicht jedoch im selben Maß die Gesamtprojektzeit. Ein längerer Planungsvorlauf als bei konventionell ausgeführten Bauten ist unabdingbar.

72 73

Entscheidungen von Bauherr und Architekt sowie die Planungen der Sonderfachleute müssen vor Beginn der Werksplanung des Unternehmers vollständig vorliegen. Das gilt insbesondere für die Integration der komplexen haustechnischen Anlagen, die sorgfältig, vollständig und rechtzeitig in notwendiger Detailtiefe in die Detailpläne eingearbeitet sein müssen.

Dann erst kann die Werkstattplanung des Bauunternehmers sinnvoll beginnen; spätere Änderungen haben erfahrungsgemäß fatale Auswirkungen auf den Gesamtprozess, erhöhen den Planungs- und Änderungsaufwand und beeinträchtigen die Qua­lität der Ausführung.

Vollständigkeit der Angaben und zeitgerechte Entscheidungen sind Voraussetzung für die termingerechte Fertigstellung sowie hohe Ausführungsqualität komplexer Projekte – Qualitäten, die der Nutzer erwartet und berechtigterweise schätzt.

Die Vorfertigung erbrachte einen erheblichen Zeitgewinn bei der Montage vor Ort – angesichts des großen Bauvolumens und der Witterung eine richtige Entscheidung. So konnten auf­wendige Schutzmaßnahmen unterbleiben, ohne Nässeschäden zu ver­ zeichnen.

76 77

Die Qualität der Bauteile sowie der Ausführung der gesamten Konstruktion erreichte durch die Werksfertigung und die präzise vorausgeplante Montage ein sehr hohes Niveau, auch gab es keine nennenswerten Mehraufwände im Gewerk Holzbau infolge unkoordinierter Vorgehensweise auf der Baustelle.

Aufgrund der politischen Rahmenbedingungen war die Gesamt­ planungs- und Bauzeit für das Projekt mit etwa 3,5 Jahren sehr knapp bemessen. Trotz kritischer Einwände zu Beginn der Planung war dieser Umstand nicht verhandelbar.

Energie Die Energieplanung zielt beim Bauen auf einen guten Nutzungskomfort und einen niedrigen Verbrauch an nicht regenerativen Ressourcen ab. Sie entwickelt bei Zielkonflikten tragfähige Kompromisse, so z. B. beim üblichen Wunsch nach einem guten Tageslichtangebot bei gleichzeitig niedrigen sommerlichen Wärmelasten. Hinzu kommt beim vorliegenden Projekt eine umfangreiche Eigenerzeugung aus regenerativen Energien zur Erreichung des Plusenergieziels. Klaus Rohlffs, Ip5 Ingenieurpartnerschaft

78 79

Analysiert man Schulgebäude in Deutschland hinsichtlich ihrer Energieeffizienz und ihres Nutzungskomforts, so muss man für beide Themenbereiche erhebliche Defizite konstatieren: Vor allem Gebäude älteren Datums weisen oft hohe Energiebedarfe und einen unbefriedigenden Nutzungskomfort auf. Der Dämmstandard und die Luftdichtigkeit sind oft mangelhaft; zudem ergeben sich vor allem bei kaltem Außenklima unerfreuliche Zielkonflikte bezüglich des Wunschs nach einer guten Raumluftqualität und einem angenehmen thermischen Komfort. Auch das sommerliche Raumklima ist aufgrund der erheblichen spezifischen Wärmelasten durch Personen und Geräte oft unbefriedigend. Im Fall des neuen Gymnasiums in Diedorf waren gesicherte Kenntnisse hinsichtlich Energieverbrauch und Raum­k lima mit neuen Ansprüchen aus ungewöhnlicher Nutzung – offener Lernlandschaft – und unüblicher Konstruktion – Schulbau in Holzbauweise – in Einklang zu bringen. Energieplanung Die Aufgabe der Energieplanung bestand darin, in Abstimmung mit den übrigen Planungsbeteiligten für alle energierelevanten Aspekte des Gebäudes energieeffiziente Lösungen zu entwickeln, die mit vertretbarem Aufwand realisierbar sind. Dazu wurden für das Gebäude eine zu erzielende Primärenergiebilanz und ein energetisches Pflichtenheft aufgestellt und nachgeführt. Unter Berücksichtigung der Eigenerzeugung konnte so stets ­ermittelt werden, inwieweit das Plusenergieziel erreichbar ist. Die Energieplanung wurde unter Verwendung der folgenden Planungswerkzeuge umgesetzt: _ thermisch-dynamische Simulationsrechnung _ Passivhaus-Projektierungs-Paket (PHPP) _ erzielbare Primärenergiebilanz (Haustechnik und nutzerinduzierte Bedarfe) _ detailliertes energetisches Pflichtenheft

Dabei war vor dem Hintergrund der voranschreitenden Planung zu prüfen, inwiefern sich die komfort- und energiebezogenen Planungsziele erreichen lassen. Die entsprechenden Untersuchungen bzw. Dokumente wurden daher jeweils an neue Planungsstände angepasst. Gegebenenfalls nahm die Energieplanung dies zum Anlass, auf Modifikationen des baulich-technischen Energiekonzepts hinzuwirken. Die sich ergebenden komfort- und energierelevanten Diskussionsthemen mündeten im Planungsteam daraufhin in neue Berechnungen. Für Bauwerk wie Betrieb wurde angestrebt, ein Gebäude mit sehr niedrigem Energiebedarf zu realisieren. Dies ­ge­lang durch einen hervorragenden Dämmstandard, effiziente Sonnenschutzlösungen, strömungsgünstige Lüf­ tungs­anlagen, effiziente Wärmerückge­winnungs­ein­hei­ ten und effiziente Leuchtmittel. Die Systemfindung basierte in der Regel auf der Abstimmung zwischen dem Energieplaner und den übrigen energie- und komfortrelevanten Gewerken. Beispielsweise führte der Wunsch des Energieplaners nach geringen Druckverlusten im Bereich der Lüftungsanlagen zu relativ großen Zentralgeräten und Rohrnetzen mit großen Querschnitten. Zusammen mit dem Planer der Lüftungstechnik und dem Architekten wurde eruiert, ob dies mit vernünftigem Aufwand zu realisieren sei. Falls nicht, wurden tragbare Kompromisslösungen entwickelt, die mit dem Plusenergieziel vereinbar waren. Zudem wurde auf sachgerechte Steuerungs- und Regelungskonzepte Wert gelegt. Von besonderer Wichtigkeit war die Auswahl des Wärme- und Kälteversorgungskonzepts. Dieses wurde auf Basis eines multikriteriellen Rankings mit wählbaren Gewichtungsfaktoren für jährliche Kosten, Primärenergiebedarf und CO2-Emissionen ausgewählt. Unter Zuhilfenahme einer vorläufigen Flächenermittlung des Ingenieurbüros Müller-BBM wurde mittels des Passiv­ haus-Projek­ tierungs-Pakets (PHPP) eine erste Version einer Passiv­ haus-Wärmebedarfsberechnung generiert. Das Passivhaus-Institut in Darmstadt entwickelte das PHPP speziell für die E ­ rmittlung des Heizwärmebedarfs

60 55,3 50

19,3

40 0,5 10,4 2,5 4,2 2,0

36 30

20

0,5 10,4 2,5 4,2 2,0

10

Nutzerindiziert Warmwasser

0

16,5

6.674 kWh/a

Diverse Technik 145.410 kWh/a Kühlung

34.712 kWh/a

Luftförderung

59.477 kWh/a

Heizung 16,5

271.018 kWh/a

Beleuchtung

27.771 kWh/a 231.975 kWh/a

kWh/(m2 NGF a) spezifischer Primärenergiebedarf

Abbildung 1: Darstellung des erzielbaren spezifischen Primärenergiebedarfs mit und ohne nutzerinduzierten Bedarf

von Passivhäusern, da andere Verfahren (etwa die DIN V 18599, die der EnEV zugrunde liegt) hierfür nicht geeignet sind. Die Berechnung gemäß PHPP führt im Jahres­ verfahren und unter Verwendung des Standardklimas für Deutschland zu einem spezifischen Heizwärmebedarf von 13,9 kWh/(m2 a). Das Passivhaus-Ziel eines spezifischen Heizwärmebedarfs von maximal 15,49 kWh/(m2 a) wäre damit erfüllt, auch wenn dieses Ziel beim vorliegenden Projekt nicht explizit angestrebt wird.

Energetisches Pflichtenheft Aus der aufgestellten Primärenergiebilanz kann der Energieplaner ein energetisches Pflichtenheft ableiten, das in für die übrigen Planer transparenter Weise energierelevante Zielwerte zusammenfasst. Das energetische Pflichtenheft wurde im Zuge der Planung vom Energieplaner mit den betroffenen Disziplinen auf Umsetzbarkeit hin geprüft und erforderlichenfalls fortgeschrieben.

Plusenergiestandard Erzielbare Primärenergiebilanz Die projektspezifische Zielsetzung gab vor, das SchmutDer rechnerischen Prognose des erzielbaren Primärener- tertal-Gymnasium solle ein Plusenergiegebäude mit hergiebedarfs des Gebäudes wurde folgende Definition zu- vorragendem Nutzungskomfort darstellen und somit in grunde gelegt: Der Primärenergiebedarf eines Systems den Disziplinen Energie und Komfort zu den besten der umfasst zusätzlich zum eigentlichen Energiebedarf an ei- Welt gehören. Da keine allgemein akzeptierte Definition nem Energieträger die Energiemenge, die durch vorgela- oder Norm für das Plusenergiehaus existiert, bleibt ungerte Prozessketten außerhalb der Systemgrenze bei der klar, ob auch der Elektrizitätsbedarf für Beleuchtung, Gewinnung, Umwandlung und Verteilung des Energie- Haushaltsstrom etc. zu bilanzieren, also auszugleichen trägers benötigt wird – das sind Rohstoff, Wärmeverlus- ist. Es wurde daher eine projektbezogene, anspruchsvolle te, Transport. Außerdem wird heute üblicherweise nur Definition des Plusenergiegebäudes entwickelt. Aspekte der nicht regenerative Anteil bilanziert. des sommerlichen thermischen Komforts werden in den Basierend auf umfangreichen Berechnungen ergaben Ausführungen zur thermisch-dynamischen Simulationssich zum Zeitpunkt des Projektabschlussberichts die in rechnung thematisiert. Abbildung oben dargestellten, spezifischen Primär­ener­gie­ Das Plusenergieziel wurde von der Energieplanung für be­darfe.  1 das vorliegende Projekt in Abstimmung mit dem PlaEs lässt sich festhalten, dass die prognostizierten erziel- nungsteam folgendermaßen spezifiziert: baren spezifischen Primärenergiebedarfe von ca. 36 kWh/ (m²NGF a) bzw. 55 kWh/(m²NGF a) extrem niedrig _ Der gesamte nicht regenerative Primärenergiebedarf ausfallen – ältere Bestandsschulen weisen meist vier- bis des Gebäudes (Haustechnik und nutzerinduzierte Besechsmal so hohe spezifische Primärenergiebedarfe auf, darfe) soll in der Jahresbilanz geringer ausfallen als der oft gehen die Werte aber noch weit darüber hinaus. 2 durch Eigenerzeugung auf dem Schulgelände substituEs ist hervorzuheben, dass dieser sehr niedrige spezifi- ierte Primärenergieeinsatz. sche Primärenergiebedarf mit einem wesentlich verbes- _ Die durch den Betrieb des Gebäudes insgesamt (d. h. serten Nutzungskomfort einhergeht: Es treten keine Zug­ durch Haustechnik und nutzerinduzierte Bedarfe) verur­ erscheinungen auf; die Luftqualität ist immer gut und der sachten CO2-Emissionen sollen in der Jahresbilanz gewinterliche und sommerliche thermische Komfort sind ringer ausfallen als die durch die Eigenerzeugung auf wesentlich besser als in fast allen anderen Schulbauten dem Schulgelände vermiedenen CO2-Emissionen. weltweit.

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Erreichbarkeit des Plusenergiestandards sommerliche Komfortziel (maximal 5 % der NutzungsDie dokumentierten Berechnungen des Primärenergiebe­ zeit über Top = 27 °C) ohne umfangreiche aktive Klimatidarfs können nun der möglichen Eigenerzeugung gegen- sierungsmaßnahmen zu erreichen. Dies hat sich jedoch übergestellt werden. Auf diese Weise lässt sich ermitteln, nicht bewahrheitet, wie die Ergebnisse der thermischob der Plusenergiestandard erreicht werden kann (Abbil- dynamischen Simulationsrechnung zeigen. Demnach dung 2). Es ist ersichtlich, dass der angestrebte Plusener- können die Klassenräume mit folgender Kombination in giestandard realisierbar ist. einem angenehmen Bereich gemäß dem vereinbarten Für die CO2-Emissionen ergibt sich ein ähnliches Bild; Komfortziel gehalten werden: die CO2-Vermeidung durch eine Photovoltaikanlage bei Aus­nutzung aller geeigneten Dachflächen übersteigt die _ eine durch indirekte adiabate Kühlung (Abkühlung der aus dem Gebäudebetrieb resultierenden CO2-Emissionen Abluft durch Verdunstung von Wasser; Vorkühlung der um ca. 27 t/a. Auch dieses Kriterium für den Plusenergie- Außenluft durch Kontakt mit der so abgekühlten ­Abluft mittels Wärmetauscher) unterstützte aktive Zuluftanstandard kann also erfüllt werden (Abbildung 3). kühlung, die für ein definiertes Strömungsbild und damit Thermischer Komfort eine gute Lüftungseffektivität ohnehin erforderlich ist Für den thermischen Komfort wurden als substanzielle _ eine Fußbodenkühlung im Free-Cooling-Modus (EntZiele formuliert: In Klassenzimmern und anderen Haupt­ wärmung über Hybrid-Kühltürme) nutzbereichen ohne erhebliche interne Lasten soll ein ­guter sommerlicher thermischer Komfort ohne aktive Offensichtlich stellt die 10 cm starke, von innen her mitKühlung gewährleistet werden (Ausnahmen: aktive Zu- tels Rohrschlangen entwärmte Estrichschicht eine ausluftankühlung; Nachtauskühlung über Außenluft oder reichende thermische Masse zur Verfügung, um zu große Fußbodenkühlung im Free-Cooling-Modus; Brunnen- Schwankungen der Empfindungstemperatur und damit kühlung). Die operative Raumtemperatur (Empfindungs- zu häufige Überschreitungen der Temperaturgrenze von temperatur) Top soll gemäß Abstimmung im Planungs­ 27 °C zu verhindern. Auch bei anderen Bauvorhaben team bei normalen klimatischen Bedingungen einen Wert konnte gezeigt werden, dass das Vorhandensein bereits von 27 °C während nicht mehr als 5 % der Nutzungszeit einer hinreichend großen thermisch massiven Raumüberschreiten. oberfläche, die an den Raum thermisch gut angekoppelt ist, oft schon einen zufriedenstellenden sommerlichen Maßnahmen zur Sommertauglichkeit thermischen Komfort ermöglicht. Das Gebäude selbst Zur Erzielung einer guten Sommertauglichkeit des Ge- dient damit als Kältesenke – darüber hinausgehende, akbäudes wurden im Zuge der Planung mittels thermisch- tive thermische Kältespeicher erzielen kaum weitergedynamischer Simulationsrechnung die Auswirkungen hende Vorteile und wurden daher nicht vorgesehen. verschiedener baulicher und technischer Ausführungen auf den sommerlichen thermischen Komfort überprüft. Fazit aus Sicht der Energieplanung Dabei wurde selbstverständlich ein effizienter variabler Beim vorliegenden Projekt konnten die angestrebten ZieSonnenschutz vorgesehen. Zwar wurde vermutet, die le in Hinblick auf Energieeffizienz, Ressourcenschonung Holzbauweise führe – insbesondere in Kombination mit und Nutzungskomfort erreicht werden. Insbesondere den umfangreichen raumakustischen Maßnahmen – zu das wichtige Ziel, den Plusenergiestandard gemäß proeiner zu geringen thermisch wirksamen Masse, um das jektspezifischer Definition zu realisieren, erscheint vor

dem Hintergrund der aktuellen Prognosen erreichbar. Aufgrund der Eigenheiten des Holzbaus mussten allerdings in Teilbereichen Kompromisse hingenommen werden. So wurden aufgrund der prinzipbedingten, im Schnitt relativ geringen thermisch wirksamen Masse des Gebäudes – vereinfachend: die Speichermasse – und aufgrund der außerordentlich hohen Anforderungen an die Raumakustik die Zielwerte für den sommerlichen thermischen Komfort zum Teil nur knapp erfüllt. Wegen der mit dem Holzbau einhergehenden vergleichsweise größeren Querschnitte von Bauteilen – so die Sparren und Balken des Dachtragwerks – mussten zudem teilweise Abstriche bei der Tageslichtnutzung in Kauf genommen werden, was sich in verringerten Tageslichtautonomien und damit erhöhten Energiebedarfen für Kunstlicht ­niederschlägt. Die genannten Einschränkungen schmälern das hervorragende Gesamtergebnis jedoch nicht wesentlich.

34.119 Erforderliche Erzeugung aus PV

1 Nutzerinduzierte Bedarfe umfassen sämtliche vom Nutzer verursachten Bedarfe z. B. durch PCs, Kaffeemaschinen, Kühlschränke, Küchengeräte etc. 2 siehe z. B.: www.bine.info/fileadmin/content/Publikationen/Themen-Infos/I_2006/ themen0106internetx.pdf und www.aachen.de/de/stadt_buerger/umwelt/pdf/Energiekennzahlen_Schulen.pdf sowie www.enob.info/fileadmin/media/Publikationen/EnSan/bildungsgebaeude.pdf

500.000

250

400.000

200

300.000

150

200.000

100

100.000

50

0 kWh_el/a

431.355 Mögliche Erzeugung aus PV bei Ausnutzung aller geeigneten Dachflächen (12/2015)

Abbildung 2: Zur Erreichung des Plusenergiestandards erforderliche und mögliche Eigenerzeugung aus Photovoltaik (nur Gebäudedächer; P50-Werte und Leistungsverminderung durch Degradation um 7,5 % angenommen)

210,7 Resultierende CO2-Emissionen aus Gebäudebetrieb

0 t CO2/a

237,8 CO2-Vermeidung durch PV bei Ausnutzung aller geeigneten Dachflächen (12/2015)

Abbildung 3: Zur Erreichung der CO2-Neutralität erforderliche und mögliche Vermeidung von CO2-Emissionen durch Eigenerzeugung aus Photovoltaik (nur Gebäudedächer; P50-Werte und Leistungsverminderung durch Degradation um 7,5 % angenommen)

Baustoffe Der hohe Anspruch an die Energieeffizienz und den Nutzungskomfort von Gebäuden hat zu komplexen Bauteilkonstruktionen und einem hohen Technisierungsgrad geführt. Die dabei verwendeten Bauprodukte müssen in ihren Auswirkungen auf Umwelt und ­Gesundheit kritisch geprüft werden. Hilfsmittel dazu sind die Ökobilanz und die Risikostoffbewertung. Holger König, Ascona GbR

82 83

Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung Bei der integralen Planung des Schmuttertal-Gymna­ siums wurden verschiedenen Lösungsvorschläge unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit analysiert, bewertet und optimiert. Hauptinstrument war die Lebens­zy­ klus­analyse. Drei Themenfelder wurden untersucht: _ Ökonomie, hier Herstellungs- und Nutzungskosten _ Ökologie, hier Umweltbilanz für die Erstellung, den Betrieb und die Beseitigung _ Soziales, hier der Komfort und die Gesundheit während des Gebäudebetriebs

dem jeweiligen Konzept enthaltenen Komponenten fest samt qualitativen (z. B. U-Wert) oder quantitativen Informationen (z. B. Mehrkosten). Drei Modelle wurden untersucht: S, P und R (Erläuterung siehe unten); Standardausführung und Passivhausmodell bestehen weitgehend aus nicht nachwachsenden, d. h. mineralischen, metallischen und synthetischen Roh­ stoffen. Die Bauteile wurden aus dem Elementkatalog der LEGEP-Datenbank entnommen. Die Modellierung dieser Varianten macht die Unterschiede verschiedener Konstruktionsweisen und energetischer Zielkonzepte deutlich.

Die Berechnung der Lebenszykluskosten und die Wirt- Flächenbedarf schaftlichkeitsberechnung, die Berechnung der Öko­bi­lanz Der Flächenbedarf aller drei Varianten ist sehr ähnlich. über den Lebenszyklus des Gebäudes sowie schließlich die Die Flächenwerte bilden die Basis für die Kennwerte: Auswahl von Bauprodukten im Sinne eines schadstoffre- _ Bruttogrundfläche (BGF) ist die Bezugsgröße für den duzierten Konzepts ergaben Kriterien für nachhaltige Kennwert der Lebenszykluskosten (16.112 m2). Entscheidungen in Hinblick auf innovative, umweltfreund- _ Nettogrundfläche (NGF), in Zukunft als Nettoraumfläliche und qualitativ hochwertige Baustandards. Erfahrun- che bezeichnet, ist die Bezugsgröße für die Ökobilanz gen mit verschiedenen Schulbauprojekten zeigen, dass als (14.448 m2). Grundlage für diese Entscheidungsprozesse bei Auftraggeber, Architekten und Fachplanern Berechnungsergeb- Reduktion Risikostoffe nissen des geplanten Projektes allein nicht ausreichen. Die Bauprodukte werden hinsichtlich Luftqualität im InErst der Vergleich mit Projektvarianten ermöglicht es den nenraum und Risikoreduktion bewertet. Die Auswahl Entscheidungsträgern, Argumente zu beurteilen und ab- emissionsarmer Bauprodukte (z.B. geprüft nach AgBB zuwägen. Variantenvergleich ist eine unverzichtbare Me- oder „Blauer Engel“) sichert relativ niedrige Immissionskonzentrationen an flüchtigen organischen Verbindungen thode eines transparenten Planungsprozesses. und Formaldehyd. Die Herstellerangaben der Bauprodukte auf Risikostoffe wurden überprüft, die BaustoffArbeitsansatz Die beteiligten Planer legten für ihr Arbeitsfeld die in und Konstruktionswahl daraufhin abgestimmt.

Variante S Standardschule mit Standardraumprogramm erfüllt in energetischer Sicht die Anforderung der EnEV 2009. Die Bauweise: mineralische Primärkonstruktion in Mauerwerkbauweise mit Betondecken und Holzdachstuhl. Nur Aula und Turnhalle werden mechanisch belüftet.

Variante P Passivhausstandard für eine Schule mit demselben Raumprogramm. Mineralische Primärkonstruktion in Mauerwerkbauweise mit Betondecken und Holzdachstuhl; Hüllflächen mit sehr niedrigen U-Werten. Vollständige mechanische Belüftung. Zusätzlich Photovoltaikanlage auf allen Dächern.

Variante R Realisierte Schule mit verändertem Raumprogramm für pädagogi­ sches Konzept (neue Lernlandschaften). Energiekonzept: Plus­ energiestandard. Primärkonstruktion in Holz inklusive Wände und Dach. Vorwiegend Einsatz nachwachsender Rohstoffe. Weitgehende Vor­fertigung, vollständige mechanische Belüftung inklusive Kühlung, soweit die Speichermasse nicht ausreicht. Reduzierter Stromverbrauch durch innovative Beleuchtung.

Für die Risiken der lokalen Umwelt wird auf Basis eines Gebäudemodells die elementbasierte Dokumentation der Materialien bzw. Bauprodukte nach den Kriterien des Steckbriefs 1.1.6 (BNB) durchgeführt. Mit einem durch den Auftraggeber festgelegten Qualitätsstandard ergab dies Empfehlungen für die Planer bei der Materialwahl.

technischen Vorbemerkungen“ (ZTV) verbindlich wurde. Darauf folgte die Bearbeitung in fünf Schritten:

_ Abstimmung der Detailplanung des Architekten und des Konstruktionsaufbaus auf bestimmte emissionsarme Bauprodukte ohne Risikopotenzial _ Formulierung der Ausschreibung in Hinblick auf die VerArbeitskonzept meidung von bestimmten Bauprodukten, Einforderung der Für die Risikostoffe der Innenraumhygiene wurde durch Bauproduktdokumentation durch die Unternehmer den Auftraggeber eine Qualitätsstufe für die Innenraum- _ Vorlage der Dokumente zu den Bauprodukten durch den lufthygiene festgelegt, orientiert an den Ziel und Grenz- Unternehmer werten des Kriteriums 3.1.3 „Innenraumhygiene“ im Be- _ Bewertung der Bauprodukte und Freigabe wertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) und den _ Überprüfen der Baustelle auf die eingesetzten Bauprodukte viel­fältigen Aspekten des Kriteriums 1.1.6 „Risiken für die lokale Umwelt“ und wie folgt dokumentiert: Je Bauprodukt waren vier bis sechs Dokumente vorzulegen. _ RAL-UZ-Tabelle: Zusammenstellung der für den Bau- Normativ: bereich zutreffenden RAL-UZ, die die Basis für eine qua- _ Zulassungen, Konformitätsdokument oder Prüfzeugnisse litätsbezogene Ausschreibung bilden. Diese RAL-UZ _ Technisches Datenblatt in aktueller Fassung mit Datumswerden auch im Steckbrief 1.1.6 des BNB für Anforderun- angabe gen bei bestimmten Qualitätsstufen herangezogen. _ Sicherheitsdatenblatt in aktueller Fassung mit Datumsan_ Blauer Engel: Produktwegweiser des Umweltbundes- gabe (falls erforderlich) amts (UBA) für die umweltfreundliche Beschaffung mit _ Angabe der Entsorgungswege mit Abfallschlüsselnummer einer Fülle von Beispielen (EAK) _ „Bauprodukte: Schadstoffe und Gerüche vermeiden“: _ Leistungserklärung (DOP) eine Informationsschrift des UBA zu der Arbeit des Aus- _ AgBB-Zeugnis (falls erforderlich) schuss für die gesundheitliche Bewertung von Bauprodukten (AgBB) Freiwillig: _ Glossar Kennzeichnungen: eine Zusammenstellung der _ Umweltproduktdeklaration (EPD) des IBU oder anderer wichtigsten Begriffe und Einteilungen im Themenbereich Institutionen (falls verfügbar) Risikostoffe _ andere Label, z.B. EC, RAL, NaturePlus, Giscode usw. _ Basisinformation Risikostoffe: Einführung für Bauherren und Architekten zu den Zielen und Inhalten bei der Die Unternehmer mussten bereits bei Abgabe des An­ge­ bots die für den Einsatz vorgesehenen Bauprodukte mit Begrenzung von Risikostoffen bei Bauprojekten Dokumenten belegen. Die vorbeschriebene DokumenIn Zusammenarbeit mit dem Kreisbauamt des Landrats­ tensammlung ist für die qualitative Einstufung der Bau­­ amts Augsburg entstand eine Tabelle mit daraus abgeleite- produkte und deren Freigabe für die Baustelle unabdingten Qualitätsanforderungen, die für alle weiteren Arbeiten bare Voraussetzung. Damit werden baukonstruktives ständnis, Kenntnis in Bauchemie und juristisches mit den Architekten für die Detailplanungen, Ausschrei- Ver­ bungen und Vergaben maßgebend und in „Zusätzlichen Fachwissen vorausgesetzt.

RAL-UZ 38 – Blauer Engel

E1 Plus-Richtlinie EU (2015)

BDF-Einkaufsrichtlinien

E1-Richtlinie EU

Tischlerplatten maximal** Spanplatten maximal* E1-Wert (max. zuläss. Wert) Tischlerplatten minimal* Spanplatten minimal* Blauer Engel (Grenzwert) Natura-Platte Natura-Platte (nach 5 Monaten) Formaldehydkonzentration für

Holzeigener Formaldehyd-Anteil

Holzwerkstoffe in ppm = ml/m3 0,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

0,12

0,14

0,16

0,18

Prüfkammer

** Öko-Test in Ökohaus 12/99 * Öko-Test in Ökohaus 01/99

Abbildung 1: Verschiedene Formaldehydgrenzwerte

Fallbeispiel _ Flüchtige organische Stoffe (TVOC) in der InnenraumDie Komplexität der Regulierungen soll am Beispiel der luft: deutliche Unterschreitung von 3000 μg/m3 TVOC bei Messungen, als Zielwert gilt 500 μg/m3 Formaldehydgrenzwerte deutlich gemacht werden. Formaldehyd ist eine krebserregende Substanz, die seit _ Formaldehyd in der Innenraumluft: deutliche Unter1990 besonderer Beschränkung zur Abgabe an die Innen- schreitung des Formaldehyd-Richtwertes von 120 μg/m3 , raumluft unterliegt. Der E1-Wert (1990) liegt bei 0,1 ml/m3 als Zielwert gilt 60 μg/m3 (ppm) bzw. 0,124 μg/m3 , gemessen nach EN 717-1 bei 45 % Luftfeuchte. Die RAL-UZ 76 und RAL-UZ 38 des Blauen Variante R ist als sehr schadstoffarmes Gebäude gemäß Engels liegt bei 0,05 ml/m3 bzw. 0,060 μg/m3 . Diesen DIN EN 15251 einzustufen. Mit der Unterschreitung der Wert verlangt auch die Möbelhausfirma IKEA von den BNB-­Z ielwerte für die Raumluftqualität wird die Höchstpunktzahl erreicht. Lieferanten. Weitere Richtwertempfehlungen (für bewohnte Räume): _ AGÖF (2004): 0,05 ppm (= 60 μg/m3) Probleme bei der Durchführung _ Katalyse-Institut Köln (2003): 0,04 ppm (= 48 μg/m3) Insgesamt haben die einzelnen Unternehmer für 2 4 Ge_ Hamburger Umweltbehörde (2000): 0,04 ppm werke 621 Bauprodukte gemeldet. Davon wurden 581 auf (= 48 μg/m3) der Basis der eingereichten Unterlagen bewertet, bei _ Verein deutscher Ingenieure (VDI; 1992): 0,02 ppm durchschnittlich fünf Dokumenten je Bauprodukt sind (= 2 4 μg/m3) das ca. 2.900 Dokumente. 49 Bauprodukte wurden zurück_ Institut für Baubiologie + Ökologie (IBN; 2003): 0,04 ppm gezogen. Insgesamt wurden 465 Bauprodukte freigege(= 48 μg/m3). ben. Zusätzlich wurden vorab 31 Referenzprodukte in Ab­stimmung mit den anfragenden Architekten geprüft. Abbildung 1 zeigt unterschiedliche Festlegungen durch die Spätestens vor Beginn der Arbeiten mussten alle BauproEuropäische Union, die RAL-UZ 38 bzw. den Blauen Engel dukte freigegeben sein. Die Bauprodukte wurden für jeoder den Verband der Fertighaushersteller (BdF). den Unternehmer in einer speziellen Tabelle zusammengestellt. Vier Wochen nach Fertigstellung des Gebäudes erfolgte Nur 10 % der Unternehmer sind in der Lage, die gewünscheine Messung der Innenraumluft in ausgewählten Räumen. ten Dokumente vollständig vorzulegen. Gründe sind MänDabei wurden die Indikatoren Formaldehyd und TVOC gel bei der Kommunikation, der Vergleichbarkeit, juristischer Verpflichtung und technischem Equipment. bestimmt. Folgende Zielwerte sollten erreicht werden:

84 85

Vorsorgewert Empfindliche Gruppen Zielwert DGNB-BNB 0

500

Vorsorgewert Empfindliche Gruppen

Grenzwert DGNB-BNB

1000

3000

0

40

Zielwert DGNB-BNB 60

Grenzwert DGNB-BNB 83

Übliche Neubauten Normaler Messbereich 1000 – 3000 μg/m3

SchmuttertalGymnasium

116 – 447 μg/m3

Abbildung 2: Ergebnis der TVOC-Messung in Diedorf

Normaler Messbereich 50 – 120 μg/m3 7,4 – 37 μg/m3

Abbildung 3: Ergebnis der Formaldehyd-Messung in Diedorf

120

120

30.000.000

100 25.000.000 7.190.000 20.000.000

15.000.000

8.051500

80 60

4.617.500 17.116.000

Kühlung

40

18.091700

16.492.300

Lüftung

20

Beleuchtung + Nutzung Warmwasser

0 kWh/m2a

10.000.000

KGR 400 KGR 300

5.000.000

Baukosten netto €/m2 BGF

netto 0 € Variante S

Variante P

Variante R

Beheizung

- 20

Solarkollektor Gutschrift

- 40

Photovoltaik Eigenbedarf Photovoltaik Einsparung

- 60 Variante S

Variante P

Variante R

Abbildung 4: Baukostenübersicht KGR 300 + 400 Variante S, P, R netto

Abbildung 5: Endenergiebedarf in kWh/a bezogen auf den m² Energiebezugsfläche

Deutlich wurde: _ Die Unternehmer sind auf die Dokumentation der eingesetzten Bauprodukte kaum vorbereitet. _ Die Herstellerfirmen bedienen die Anfragen der Unternehmer zögerlich, nach mehreren Anfragen sind sie aber in der Lage, alle gewünschten Dokumente zu Verfügung zu stellen. Einige Hersteller werden aktiv und lassen Untersuchungen für die Erfüllung der Agbb-Anforderungen nachträglich erstellen. _ Die Unternehmer haben bisher für die Qualitätseinstufung der Bauprodukte in Hinblick auf Risikostoffe und Emissionsminderung kaum Auswahlkriterien entwickelt. _ Einige Herstellerfirmen sind darauf vorbereit, die Anfragen nach Risikostoffen und Emissionsklassen entsprechend DGNB- oder BNB-Zertifizierung zu erfüllen bzw. bemühen sich aktiv um eine Emissionsminderung ihrer Produkte.

Kostenstand bereit. Zu den verschiedenen Planungsständen wurden die Modellierungen 2012, 2013 und 2014 nachgeführt. Das Ergebnis im Vergleich (Abbildung 4): Die ermittelten Herstellungskosten nach DIN 276 bezogen auf m2 BGF betrugen für die Variante S 1.352 Euro, für die Variante P 1.489 Euro und die ­Variante R 1.623 Euro. Fazit Die Baukosten der Variante R liegen um ca. 23,8 % über den Kosten der Variante S in den Kostengruppen 300 und 400. Ausschlaggebend sind hierbei die deutlich höheren Technikkosten (Komplettlüftung, Photovoltaikanlage), Bedingung für EU-Standard 2019 (Plusenergie) und Lernkomfort. Vergleicht man die Baukosten mit Variante P, steigen sie um ca. 7,5 % an. Davon sind 6 % als forschungsrelevante Mehrkosten einzustufen, die deshalb auch bezuschusst werden. Der hohe Vorfertigungsgrad des Holzbaus und die dadurch ermöglichte schnelle Fertigstellung mit entsprechenden Einsparungen sind in diesem Kostenvergleich nicht berücksichtigt.

Lebenszykluskosten und Barwertberechnung Die Lebenszykluskostenberechnung ist eine Erweiterung der Kostenbetrachtung über den angenommenen Nutzungszeitraum von 50 Jahren. Die Berechnung der Herstellungskosten nach DIN 276 wird erweitert durch Nutzungskosten zusätzliche Phasen mit entsprechenden Kostenstellen Während des Nutzungszeitraums wird in dem Gebäude nach DIN 18960 und die abschließende Wirtschaftlich- eine Fülle an Dienstleistungen ausgeführt, die jeweils mit keit unter Einbezug qualitativer Aspekte. weiteren Kosten verbunden sind. Der Rückbau wird bisher Die Lebenszykluskostenberechnung basiert auf: im Rahmen der Zertifizierung ausdrücklich nicht erfasst _ DIN 276/Herstellungs- oder Baukosten und deshalb auch hier nicht berücksichtigt. Die durchge_ DIN 18960/Nutzungskosten: führten Berechnungen haben folgende externen ParameVer- und Entsorgung ter berücksichtigt: Reinigung _ Kostenabrechnung nach Angabe der Architekten Wartung _ Energieberechnung nach Simulation für drei energetische Instandsetzung Varianten _ Kosten Photovoltaikanlage und Ertragsrechnung Baukosten Die Baukosten wurden für die Varianten S und P durch eine Abbildung 5 zeigt den berechneten Endenergie­bdarf aufbauteilbasierte Modellierung in der integralen Planungs- geteilt auf die verschiedenen Bedarfsquellen. Als negative software auf der Basis der sirAdos-Baudaten­bank ermit- Werte wird die Stromerzeugung der PV-Anlage dargestellt, telt. Für die Variante R stellten die Planer den jeweiligen aufgteilt nach Eigenverbrauch und Netzeinspeisung.

600.000

500.000

158.084 187.003 187.983

400.000

36.861 300.000

125.791

71.090 50.070 125.672

56.844

200.000

17.453 59.765

125.737 100.000 201.781

86.300

41.135

Variante S

Variante P

Variante R

Abbildung 6: Folgekosten statisch in €/a

86 87

0 € / a

81.594

88.856

Instandsetzungskosten

23.700 59.710

26.973

Wartungskosten

139.317

38.112

Variante S

Variante P

59.727

Reinigungskosten

21.100

Ver- und Entsorgungskosten

Variante R

Abbildung 7: Folgekosten dynamisiert und abgezinst in €/a

Die Ver- und Entsorgungskosten ergeben sich aus dem berechneten Endenergiebedarf für die drei Varianten. Auch im Endenergiebedarf zeigt sich noch der Vorteil der Plusenergieschule. Hier wird der Vorteil um die Photovoltaikanlage und den Aspekt des Lebenszyklusgedankens (langfristige Betrachtung) ergänzt. Einen erheblichen Einfluss auf die Medienkosten hat die Abschätzung des Eigenbedarfs an elektrischem Strom aus der PV-Anlage. Die anfangs angesetzte hohe Abnahme wurde auf der Basis einer Simulationsrechnung auf einen Eigenbedarf von ca. 35 % beschränkt. Die Aufteilungsquote ist von besonderer Bedeutung, da der Eigenverbrauch den teuren externen Strombezug einspart. Die Netzeinspeisung wird zum jetzigen Zeitpunkt um 50 % weniger als der Einkaufspreis vergütet. Der Wasserbedarf wurde für alle Varianten gleich angenommen. Die Reinigungskosten wurden für „normale Verschmutzung“ ermittelt. Die Wartungskosten orientieren sich an der technischen Ausstattung der Schule, den Empfehlungen der Hersteller bzw. Verordnungen (z.B. Heizungswartung) und Empfehlungen (AMEV2006, LEGEP). Die Instandsetzungskosten entsprechen angesetzten Zyklen für die Ersatzarbeiten nach dem „Leitfaden für nachhaltiges Bauen“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bauen und Wohnen1 bzw. für technische Anlagen gemäß VDI 2067. Die Kosten über einen bestimmten Betrachtungszeitraum wurden kumuliert. Es fand ein statisches Berechnungsverfahren Anwendung, bei dem alle Kostenarten fortlaufend entsprechend ihres durch den Zyklus festgelegten Auftretens addiert werden (ein stark vereinfachtes Modell ohne Berücksichtigung der Verzinsung des eingesetzten Kapitals). Abbildung 6 zeigt die Folgekosten nach der statischen Berechnung (ohne Preissteigerung). Zu sehen sind bei der Variante S die hohen Energiekosten, die bis auf ein Fünftel

des Werts reduziert werden können. In Variante R wirkt sich der Eigenbedarf an der PV-Stromerzeugung aus. Es werden 35 % an Eigenstromversorgung angesetzt. Die jährlichen Nutzungskosten betragen bei Variante S 513.000 Euro, bei Variante P 440.000 Euro, bei Variante R 402.000 Euro. Die hohen Einsparungen bei den Versorgungskosten werden teilweise durch höhere Wartungsund Instandsetzungskosten kompensiert. Variante R weist um 19 % niedrigere Kosten auf als die Standardvariante. Bezogen auf den m2 BGF weist die Variante R mit 25,56 Euro/m2 den niedrigsten Wert auf. Nutzungskosten dynamisiert und Barwertermittlung Um die wirtschaftliche Dynamik abzubilden, werden Preis­steigerungsfaktoren entsprechend den Erfahrungswerten vergangener wirtschaftlicher Entwicklung an­ gesetzt. Es muss wegen der zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftretenden Mittelabflüsse ein dynamisches Verfahren angewendet werden. Unterschiedliche Mittelzu- oder -abflüsse erschweren einen Vergleich verschiedener Gebäude. Ziel ist die Vergleichbarkeit von Gebäuden unterschiedlicher Ausführung (Herstellungskosten) und mit unterschiedlichem Mittelabfluss (Folgekosten) über einen bestimmten Betrachtungszeitraum. Die hierfür angewandte Methode heißt Kapitalwertmethode oder Barwertmethode. Barwert oder Gegenwartswert ist ein Verfahren, das zukünftige Kosten vergleichbar macht. Er wird durch Abzinsung der zukünftigen Zahlungen und anschließendes Summieren ermittelt. Entscheidend ist die Höhe des Diskontierungszinssatzes. Bei einem Zinssatz höher 1,0 werden zukünftige Kosten umso kleiner, je weiter sie in der Zukunft liegen. Die angesetzten Werte orientieren sich am Steckbrief 2.1.1 des Zertifizierungssystems BNB und betragen für die jährliche Kostensteigerung zwischen +2 % bei Wasser, Wartung, Reinigung u.a. und maximal 4 % bei Energie. Der Diskontierungszins beträgt 3,5 % jährlich. Abbildung 7 zeigt im Vergleich zur statischen Berech-

2.500

1.800 2.228

2.233

1.663

1.640

2.111 1.500

2.000

1.150

1.200 1.500 900 1.000 600 500

300

0 €/m2 BGF Variante S

0 kg/m2 BGF Variante P

Variante R

Variante S

Variante P

Variante R

Abbildung 8: Barwert Lebenszyklus­kosten in €/a m² BGF

Abbildung 9: Gewicht des eingesetzten Materials in kg/m² BGF

nung den Einfluss der Preissteigerung bei den Energiekos­ ten der Variante S und die Reduzierung des Anteils der Instandsetzung durch den Abzinsungseffekt bei Investitionen, die später im Lebenszyklus auftreten. Die dynamisierten und abgezinsten Folgekosten verdeutlichen die Unterschiede zwischen den Varianten. Die Variante R ist um 31 % günstiger als Variante S. Dies liegt an den dauerhaft hohen Energiekosten dieser Variante und der geringeren Wertigkeit der wesentlich später einsetzenden höheren Instandsetzungskosten bei Variante R. Die Instandsetzung- und Wartungskosten sind bei dieser Variante wegen der größeren PV-Anlage und der aufwendigeren technischen Anlagen am höchsten. Betrachtet man sämtliche Folgekosten einer Schule, dynamisiert einzelne Kostenstellen und berücksichtigt die Verzinsung der Kapitalkosten, so zeigt sich ein Vorteil von insgesamt 31 % für Variante R gegenüber Variante S. Gegenüber Variante P ist ebenfalls ein kleiner Vorteil ersichtlich, der aber angesichts des Betrachtungszeitraums von 50 Jahren nicht entscheidungsrelevant ist. Die Lebenszykluskostenrechnung/Barwertermittlung be­rücksichtigt Herstellungskosten und Folgekosten der jewei­ligen Gebäudevariante. Der Barwert wird auf den m2 Brutto­grundfläche bezogen. Abbildung 8 zeigt den erreichten Barwert bezogen auf den m2 BGF bei einem Betrachtungszeitraum von 50 Jahren. Die Variante R gleicht annähernd Variante S und liegt wegen der höheren Herstellungskosten um 6 % erhöht gegenüber der Variante P, bietet aber den höchsten Komfort und die beste pädagogische Qualität.

liche und betriebliche Mehrkosten lang­fristig aus. Der Mehrwert ergibt sich beim Qualitätsstandard, u.a. durch: _ hochwertige Raumatmosphäre mit entsprechenden Lernbedingungen für Schüler und Lehrer _ Flexibilität des Raumkonzepts für neue Lernmethoden, Erhöhung der Lernqualität _ guter sommerlicher thermischer Komfort (keine Überhitzung) _ Reduzierung von Risikostoffen im Hinblick auf Gesundheit und Umweltentlastung

Fazit Die Unterschiede zwischen den Gebäudevarianten sind sehr gering und bei dem langen Betrachtungszeitraum zu vernachlässigen. Dies bedeutet, dass sich das qualitativ hochwertige und nachhaltige Gebäude im L ­ ebenszyklus rechnet bzw. keine monetären Nachteile gegenüber einer Standardschule aufweist. Energieeinsparungen gemäß Variante P und Vorteile der Holzbauweise gleichen bau­

Im Rahmen des geförderten Monitoring werden zudem der laufende Betrieb (Komfort und Kosten) und die ambitionierten Ziele optimiert. Ökobilanz Alle genannten Varianten wurden einer Ökobilanz, der systematische Analyse der Umweltwirkungen von Produkten während des gesamten Lebensweges, unterzogen. Die Berechnung erfolgte entsprechend der Angaben in den Steckbriefen des Bewertungssystems nachhaltiges Bauen (BNB) für Bildungsbauten des Bundesministeriums für Umwelt, Bauen und Reaktorsicherheit (BMUB) auf Basis der oben beschriebenen Gebäudemodelle. Die Ökobilanz wurde 2014 auf Basis der Ökobaudat 2011  –  2013 durchgeführt. Die soeben veröffentlichte Ökobau.dat 2015, die sich an den Festsetzungen der DIN EN 15804 orientiert, konnte noch nicht berücksichtigt werden. Gebäudegewicht, Stoffmasse Das Gewicht der Variante R erreicht mit ca. 1.150 kg/m2 BGF nur zwei Drittel des Gesamtgewichts der Variante S. Das ist höher als übliche Holzgebäude mit Primärkon­ struktion und liegt am Gewicht der betonierten Räumlichkeiten der Lüftungsanlage unter der Bodenplatte und an der Holzbeton-Verbundbauweise. Abbildung 9 zeigt das für die Herstellung erforderliche Gewicht aller Materialien bezogen auf den m2 BGF.

30.000.000

25.000.000

347.910

496.265

20.000.000 1.378.655 15.000.000 23.783.494

10.000.000 23.753.517

15.190.463

5.000.000

Nawaro atro kg Herstellung min./fossil kg

0 kg Variante S

Variante P

Variante R

Abbildung 10: Gewicht des eingesetzten Materials in kg absolut, aufgeteilt in mineralische/fossile Stoffherkunft und nachwachsende Rohstoffe (Nawaro)

88 89

Bei Variante R entfallen 90 % des Gewichts auf mineralische, fossile und metallische Materialien der Bodenplatte mit Fundamentierung und die technischen Versorgungsgänge unter Bodenniveau. Der Gewichtsanteil aller Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen – praktisch das ganze oberirdische Gebäude – erreicht dagegen nur ca. 9 % des Gesamtgewichts. Dass auch die Variante S und P einen erkennbaren Holzanteil aufweisen, liegt an der Holzkonstruktion der großvolumigen geneigten Dächer. Exkurs: Energie und Entropie Jeder Formänderung eines Stoffs ist mit Energieprozessen verbunden. Unter Einsatz von Energie entstehen Stoffe hoher Ordnung, Abgabe von Energie bedeutet niedrigere Ordnung. Energiegehalt verhält sich umgekehrt proportional zur Entropie. Einzige Energiequelle unseres Planetensystems ist die Sonne. In natürlichen Wachstumsvorgängen wird aus dieser Energie mit Wasser, Gasen und Mineralien organische Substanz. Unter enormem Energie- und Zeitaufwand werden diese fossil gebunden und als Kohle oder Erdöl energetisch verfügbar – mit einem hohem Maß an Ordnung gespeicherte Energie, die natürliches Wachstum direkt zur Verfügung stellt. Bei jeder Umwandlung, mit der die Ordnung eines Stoffs reduziert wird, Material auf Sekundärrohstoffe zurückgeführt (z.B. Schreddern von Betonteilen) oder zur Energiegewinnung genutzt wird (z.B. Verheizen von Holzteilen), geht ein Teil der Energie, der für die technische Bearbeitung des Grundmaterials eingesetzt wurde, unwiederbringlich verloren. Dieser Energieaufwand aus dem Herstellungsprozess wird kumulierter Energieverbrauch (KEV) genannt. Bei einem Dämmstoff aus nachwachsenden Rohstoffen, z.B. Flachs, erfolgt die Zunahme an Ordnung beim Wachs­t um der Pflanze mittels Sonnenenergie durch Photosynthese. Die so erreichte Ordnung benötigt im Ver-

gleich mit Dämmstoffen aus Erdöl, die in aufwendigen industriellen Verfahren erzeugt werden, nur einen geringen zusätzlichen Einsatz von Energie und Stoffen, um daraus einen Dämmstoff zu machen. Die Photosynthese beansprucht Sonnenlicht als Energie und Kohlenstoff als Substanz, entnommen aus dem globalen Kohlestoffreservoir. Am Ende des Lebenszyklus ergibt sich keine Zunahme des Kohlenstoffs – und damit kein Beitrag zum Treibhauseffekt. Primärenergiebedarf und CO2-Äquivalent für Gebäude und Versorgung Primärenergiebedarf bezeichnet den Energieinhalt der Energieträger in ihrer Ursprungsform. Die durch die ­G ewinnung, Umwandlung und Bereitstellung der Nutzenergie notwendigen Aufwendungen werden in Öko­ bilanzen auf die dafür notwendige Menge an Primärenergieträgern zurückgerechnet. Beispiele hierzu sind Erdöl, Erdgas, Kohle, Wasserkraft, Windkraft und Uran. Unterschieden wird in erneuerbare Primärenergie (Wind, Wasser, nachwachsende Rohstoffe) und nicht erneuerbare Primärenergie. Primärenergiebedarf nicht erneuerbar (in kWh) Die starke Reduktion des Energiebedarfs ändert bei den Ökobilanzergebnissen das Verhältnis zwischen dem energetischen Anteil in der Nutzungsphase und dem physischen Gebäude. Während bei der Variante S mit EnEV-Erfüllung die Belastung durch den Betrieb dominiert, werden bereits bei der Variante P die Verhältnisse 50:50 ausgeglichen. Die Variante R in Holzbauweise zeigt erstens die negativen Betriebswerte durch die Überschussproduktion der Photovoltaikanlage und zweitens ein fast erreichtes Null-Niveau bei der Primärenergiebilanz. Bei der Auswertung des Energie­ indikators nicht erneuerbare Primärenergie wird deutlich, dass bei Anrechnung dieser Einsparung auch der Aufwand für die Errichtung der Schule nahezu vollständig abgedeckt werden könnte.

Fossile Rohstoffchemie, unterbrochener Kreislauf

Pflanzenchemie, geschlossener Kreislauf Abbauprodukt

Anwendung

Teilabbau

Anwendung

Emissionen, Gift, Müll Fertigprodukt

Halbfabrikate

Grundchemikalien

Hoher Energieaufwand (Kohle, Erdöl, Kernkraft) Tanker

Petrochem. Raffinerie Ölpest

Naturprodukt

persistente Reststoffe

Zwischenchemikalien

Halbfabrikat Sauerstoff

Mikroorganismus

Rohstoff

Sonnenenergie

Biologischer Abbau

Photosynthese

Kohlendioxid, Wasser

Zahlreiche Neben- und Abfallprodukte

geringer Energie einsatz

Pflanzenblatt

Lebende Pflanze

Erdöl

Mineralstoffe

Abbildung 11:Fossile Rohstoffchemie und Pflanzenchemie2

160.000

Primärenergie erneuerbar Die erneuerbare Primärenergie (in kWh) wird ebenfalls für das Gebäude und die Nutzung separat dargestellt. Durch den hohen Anteil an erneuerbarer Primärenergie im Gebäude und bei der Energiebereitstellung für die Wärme durch Holzpellets erreichen die realisierten Gebäude mehr als die doppelte Menge an erneuerbarer Primärenergie als das Standardgebäude. Der Strombedarf bei der Wärmebereitstellung für die Standardlösung ist für drei Viertel der Menge der erneuerbaren PE verantwortlich. Dies beruht auf dem Anteil erneuerbarer Energie im deutschen Strommix von 2012. Dieser Anteil wird in Zukunft noch ansteigen. Da die Wärmebereitstellung bei der Passivhausbeheizung stark reduziert wird, führt dies zu einem geringen Wert. Der Stromanteil wird durch den hohen Eigenanteil gesenkt. Der Stromanteil aus dem Netz sinkt durch den hohen ­E igenbedarfsanteil, die Beheizung erfolgt mit fossilem Energieträger. Bei der realisierten Variante führt der nach­ wachsende Rohstoffanteil zu hohen Werten beim Gebäude. Der Wärmebedarf wird mit Holzpellets gedeckt und bei der Energieerzeugung gibt es einen Überschuss aus der Photovoltaikanlage.

140.288.673

120.000

80.000

20.149.282

40.000

0 kWh

14.071.723

16.824.051

12.582.934 - 11.144.962

Ver- und Entsorgung Gebäude

- 40.000 Variante S

Variante P

Variante R

20.084.535

30.000.000 25.000.000 20.000.000 15.890.042

Abbildung 13: PE erneuerbar in kWh absolut über 50 a, aufgeteilt in den Gebäudeanteil und den Bedarf für die Versorgung

15.000.000 10.000.000 224.146

5.000.000

0 kWh

Ver- und Entsorgung 3.398.509

Variante S

Klimagaspotenzial in kg CO2-Äquivalente Das Klimagaspotenzial zeigt ähnliche Verhältnisse wie die nicht erneuerbare Primärenergie. Variante S weist sehr hohe Werte durch den Versorgungsanteil auf, Variante P investiert mehr in das Gebäude, reduziert aber den Versorgungsaufwand dadurch auf ein Fünftel. Variante R liegt auch beim Umwelteintrag durch die Gebäude um ein Drittel günstiger als Variante P; die Anteile durch die Versorgung sind negativ. Auch hier gleichen die Überschussanteile ca. 50 % der Aufwendungen für das Gebäude aus. Der Strombedarf des Gebäudes wird theoretisch durch die Photovoltaikproduktion abgedeckt, der Überschuss Dritten zu Verfügung gestellt. Bei der Auswertung des

Abbildung 12: PE nicht erneuerbar in kWh absolut über 50 a, aufgeteilt in den Gebäudeanteil und den Bedarf für die Versorgung

60.000.000

4.502.051 Variante P

10.352.089

Gebäude

Variante R

31.872.599

50.000.000 40.000.000 30.000.000

Abbildung 14: Klimagaspotenzial in kg CO2 absolut über 50 a, aufgeteilt in den Gebäudeanteil und den Bedarf für die Versorgung

20.000.000 4.393.472

10.000.000 0 kWh

23.527.297

4.570.629

3.778.432 -2.088.356

Gebäude

-10.000.000 Variante S

Ver- und Entsorgung

Variante P

Variante R

250.000 186.810 200.000

150.000

800.000 15.400

100.000

600.000 34.220

50.000

0 kg Sb-Äquiv.

400.000 22.297

22.511

15.400 200.000 -13.101

Variante S

90 91

Variante P

22.511

Ver- und Entsorgung Gebäude

-50.000

22.297

0 kg C

Variante R

Variante S

Variante P

Variante R

Abbildung 15: Klimagaspotenziale in kg CO2 absolut über 50 a, aufgeteilt in den Gebäudeanteil und den Bedarf für die Versorgung

Abbildung 16: Inkorporierter Kohlenstoffanteil in den Gebäuden in kg C für die Herstellungsphase

Wirkungsindikators Klimagaspotenzial wird deutlich, dass bei Anrechnung dieser Einsparung auch der Aufwand für die Errichtung der Schule für das Klimagaspotenzial in kg CO2-Äquivalente nahezu vollständig abgedeckt werden könnte.

Fazit Die Ökobilanz liefert eindeutige Aussagen. Die Vergleiche zwischen Gebäuden in konventioneller Bauweise, die zahlreiche Bauprodukte aus endlichen Ressourcen enthalten, und Gebäuden mit einem hohen Anteil an Bauprodukten aus nachwachsenden Rohstoffen zeigen erhebliche Entlastungspotenziale für das Ökosystem. Ein Großteil unserer Bauaufgaben vom Wohn- bis zum Gewerbebau lässt sich mit nachwachsenden Rohstoffen umsetzen – von der Tragkonstruktion in Außen- und Innenwänden, Decken, Stützen und Dächern über Fassa­ denverkleidung, Sonnenschutz und Dämmung bis hin zum Innenausbau. Deutlich wird: Gegenüber der Variante S erreicht die Variante P starke Umweltentlastungen durch reduzierten Energiebedarf. Dank vergrößerter PV-Anlage erreicht die Variante R negative Werte im Versorgungsbereich; mit der Holzkonstruktion kann fast eine Nullemission inklusive des Gebäudeaufwands bei den Indikatoren PE nicht erneuerbar und Klimagaspotenzial erreicht werden.

Einsatz von nicht erneuerbaren mineralischen Res­sourcen Der Einsatz von nicht erneuerbaren mineralischen Ressourcen, abiotischer Ressourcenverbrauch genannt, wird mit dem Indikator Antimon in kg gemessen. Abbildung 15 verdeutlicht ebenfalls den Vorteil der Bauweise mit nachwachsenden Rohstoffen (Nawaro) und die Effekte der Photovoltaikproduktion.

Inkorporierter Kohlenstoff C Im Rahmen der Ökobilanz wird die im Gebäude gebundene Menge des Kohlenstoffs nachgewiesen und angerechnet. Bei Beseitigung des Gebäudes oder einzelner Teile des Gebäudes wird der Kohlenstoffspeicher auf null gestellt. Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC; Zwischenstaatlicher Ausschuss über Klimaver- Zusammenfassung änderung), hat entsprechende Listen veröffentlicht, wel- Drei Methoden wurden gewählt, um differenzierte Ausche Mengen an Kohlenstoff (C) in verschiedenen künfte zu drei bauliche Varianten zu erhalten: Holzprodukten gespeichert sind. Auf Basis dieser Bi- _ Die Risikostoffanalyse sichert den gesundheitlichen lanzansätze kann der Kohlenstoffspeicher verschiedener Komfort der Innenräume und den unproblematischen materialspezifischer Lösungsansätze im Gebäudebereich Rückbau. untersucht, berechnet, bewertet und verglichen werden. _ Die Lebenszykluskostenberechnung ermöglicht beim Der Kohlenstoff kann mit einem Faktor auch in CO2 um- Variantenvergleich die Auswahl der wirtschaftlichsten gerechnet werden. Abbildung 16 zeigt für die bilanzier- Lösung. ten Gebäude die absolute Menge des Kohlenstoffs (C). _ Die Ökobilanz zeigt deutliche Unterschiede bei den verDer inkorporierte Kohlenstoff weist für Variante R eine schiedenen Indikatoren. viermal größere Menge auf als Variante S oder eine drei- Die Ergebnisse geben eindeutige Hinweise im Hinblick mal größere Menge als P. auf langfristige Nachhaltigkeit. 1 Bundesministerium für Verkehr Bauen und Städtebau, Leitfaden Nachhaltiges Bauen, Berlin 2001 2 Hermann Fischer, Folienreihe, AURO Pflanzenchemie AG, Braunschweig 1996 3 PE Europe GmbH, Glossar der GABI-Datenbank, Stuttgart 2005 4 ebenda

AgBB Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten AgBB-Schema Vom Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Baustoffen (AgBB) entwickelte Methode, um nicht ermittelbare Restmengen gesundheitsschäd­licher Stoffe einzugrenzen AMEV Arbeitskreis Maschinenund Elektrotechnik Barwert oder Gegenwartswert ist das Ergebnis einer Lebenszykluskostenberechnung nach der Kapitalwertmethode BdF Bund deutscher Fertighaushersteller BGF Bruttogrundfläche BKI Baukosteninformationsdienst Blauer Engel Kennzeichnung von besonders umweltfreundlichen Produkten durch das Umweltbundesamt und BMUB BMUB Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, vormals BMVBS Bauministerium für Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung CO2 Kohlendioxid, Indikator für Treibhausgaspotenzial in kg DGNB Deutsches Gütesiegel nachhaltiges Bauen der ­Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen DIN Deutsches Institut für Normung, die nationale Normungsorganisation in Deutschland DIN EN 15251 Eingangsparameter für das Raumklima zur Auslegung und Bewertung der Energieeffizienz von Gebäuden DIN 276 Kostenplanung im Hochbau DIN EN 15804 Nachhaltigkeit von Bauwerken – Umweltproduktdeklarationen – Grundregeln für die Produktkategorie Bauprodukte

DIN 18960 Nutzungskosten im Hochbau DoP Declaration of Performance, deutsch: Leistungserklärung €/a Euro pro Jahr EAK European Waste Code, deutsch: europäische AbfallKodierung EC Emissionsklasse EnEV Energieeinsparungsverordnung EPD Environmental Product Declaration, deutsch: Umweltprodukterklärung

LEGEP Lebenszyklusgebäudeplanung, integrales Programm zur Gebäudemodellierung und Berechnung von Herstellungskosten, Energiebedarf, Lebens­ zykluskosten, Ökobilanz und Risikostoffen. NaturePlus Umweltorganisa­ tion zur Vergabe von Qualitätszeichen für Bauprodukte Nawaro Nachwachsende Rohstoff NGF Nettogrundfläche, Nettoraumfläche NF Nutzfläche

Giscode Kennzeichnungssystem der Bauberufsgenossenschaften

Ökobaudat Datenbank mit Ökobilanzen des BMUB

IBU Institut Bauen und Umwelt

PE, Primärenergie3 Bezeichnet den Energieinhalt der Energieträger in ihrer Ursprungsform. Die durch die Gewinnung, Umwandlung und Bereitstellung der Nutzenergie notwendigen Aufwendungen werden in Ökobilanzen auf die dafür notwendige Menge an Primärenergieträgern zurückgerechnet. Beispiele hierzu sind Erdöl, Erdgas, Kohle, Wasserkraft, Windkraft und Uran. Unterschieden wird in erneuerbare PE (Wind, Wasser, nachwachsende Rohstoffe) und nicht erneuerbare PE.

IPCC Intergovernmental Panel on Climate Change, deutsch: Zwischenstaatlicher Ausschuss über Klimaveränderung ISO Internationale Organisation für Normung. Es ist die internationale Dachorganisation der nationalen Normungseinrichtungen aus 140 Ländern. Deutschland ist in der ISO durch das Deutsche Institut für Normung (DIN) repräsentiert. ISO 14000 Durch ISO eingeführte internationale Norm zur Implementierung eines systematischen Umweltmanagements. KGR 300 Kostengruppe für Baukonstruktion KGR 400 Kostengruppe für technische Anlagen kWh/a Kilowattstunde pro Jahr LCA, Life Cycle Assessment Lebensweganalyse oder Lebenswegbewertung oder allgemein Ökobilanz. Stellt Stoff- und Energieflüsse, die für ein Produkt entlang seines gesamten Lebensweges verursacht werden (Sachbilanz, Life Cycle Inventory Analysis – LCI), zusammen und bewertet Belastungen nach Wirkungen (Wirkungsanalyse, Life Cycle Impact Assessment – LCIA) und unterschiedlicher Aggregierung.

Produktumweltdeklaration (UBP/EPD)4 Systematische Darstellung von ökobilanzierten Umweltkennzahlen innerhalb eines definierten Rahmens. ISO/ TR 14025 regelt die Anforde­ rungen an ein Umweltdekla­ rationssystem (ISO Typ III). Umweltdeklara­tionen eignen sich in besonderem Maße für Halbfertigprodukte, die in unterschiedlichen Produkt­ systemen eingesetzt werden und für die daher ein Teil des Lebenszyklus noch nicht feststeht. PV Photovoltaik RAL Deutsches Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e.V.

RAL-UZ RAL-Umweltzeichen Sb Antimon, Indikator für abiotisches Ressourcenpotenzial in kg sirAdos Baupreisdatenbank Treibhauseffekt Bestimmte Spurengase der Erdatmosphäre bewirken, dass die einfallende Energie der Sonnenstrahlen die Troposphäre ungehindert passiert, jedoch ein Teil der von der Erde wieder ausgesandten Infrarotstrahlung absorbiert wird. Damit findet eine Wärmespeicherung in der Atmosphäre statt – der Treibhauseffekt. In natürlich ausgeglichenen Verhältnissen sichert dies eine dem Leben zuträgliche Atmosphäre. Nehmen diese Gase – insbesondere CO2 – darüber hinaus zu, so erhöht sich der Treibhauseffekt mit ungewissen, womöglich verheerenden Konsequenzen für das Klima. Treibhausgaspotenzial englisch: Global Warming Potential (GWP), ökologische Bewertungsmethode, die alle treibhausrelevanten Emissionen ihrer Wirkung gemäß summiert. Andere Gase als CO2 (z. B. CH4 und N2O sowie SF6, PFC und HFC) werden so auf CO2 umgerechnet (Äquivalenzfaktoren). U-Wert (W/m2K) Wärmedurchgangskoeffizient, gibt den Wärmestrom an, der durch 1 m2 eines Bauteils bei 1 ° C Temperaturdifferenz hindurchfließt ZtV Zusätzliche technische Vorbemerkungen

Schulhof mit gedecktem Aufenthaltsbereich der Mensa

96 97

Aula mit Galerie

Turnhalle mit Galerie vor den Umkleideräumen

Marktplatz der offenen Lernlandschaften

Tageslicht auf dem Marktplatz

104 105

Klassenzimmer

106 107

108 109

Ausführung

Haustechnik Ein gutes Klima ist wesentlich für gutes Lernen. Klingt banal, doch der Teufel steckt im Detail: Welche Energiequelle passt, wie wird die Wärme im Haus verteilt, wie werden Heizung, Kühlung und Lüftung gesteuert, was geschieht automatisch, wo soll der Nutzer eingreifen? Nur auf neueste Technik zu setzen, würde das Potenzial intelligenter Planung unterschätzten. Jörg Böhler, Wimmer-Ingenieure GmbH

Gutes Klima schaffen – Temperierung und Lüftung des Schmuttertal-Gymnasiums Das Ziel einer Plusenergieschule war neben der pädagogischen Architektur und dem Holzbau die große Herausforderung für das Planungsteam in Diedorf. Besonders betroffen ist davon die technische Gebäudeausrüstung, denn hier gilt es in besonderer Weise den Energieverbrauch, der für die Beheizung und Entlüftung benötigt wird, zu m ­ inimieren. Dabei ist nicht zuletzt der Einsatz von Energieträgern mit einem besonders niedrigen Primärenergiefaktor, wie z. B. Holz, für eine optimale Energiebilanz relevant. Um das zu erreichen, wurde eine Entscheidungsmatrix zur Wärme- und Kälteerzeugung erstellt. Damit wurde der Bauherr an der Entscheidung beteiligt, welche Art der Beheizung bzw. Kühlung sowohl vom Energieeinsatz her als auch vonseiten der Betriebs- und Wartungskosten für ihn am günstigsten ist. Des Weiteren waren die Gesundheit von Lehrern und Schülern sowie die Innenraumhygiene zentrale Themen. Die Installation einer komplett mechanischen Be- und Entlüftung aller Räumlichkeiten wurde darauf hin untersucht und insbesondere geprüft, ob es sinnvoller ist, von einer Lüftungszentrale aus alle Räumlichkeiten mit Luft zu versorgen oder ob ein dezentrales Lüftungssystem die bessere Wahl wäre. All diese Überlegungen standen immer unter der Prämisse der Errichtung einer Plusenergieschule, ohne jedoch den Blick auf die Investitions- und Betriebskosten zu verlieren. Wärmeversorgung Das Ergebnis der Entscheidungsmatrix zur Wärmeversorgung war eindeutig. Die Wärmeversorgung des Gymnasiums in Diedorf, unter Berücksichtigung aller Parameter wie Investitionen, Betriebskosten und Wartung, erfolgt über zwei 100 kW-Pelletkessel mit zwei nachgeschalteten Pufferspeichern mit je 7.500 l Wasser. Die auf dem Dach der Schule installierte Photovoltaikanlage versorgt

die Ventilatoren der Lüftungsanlage und die Pumpen der Heizungsanlage mit Strom; sie trägt jedoch nicht durch Umwandlung von Strom in Wärme zur Beheizung der Gebäude bei. Sämtlicher Strom wird entweder zur Eigenstromversorgung verwendet oder bei Überschuss ins öffentliche Netz geleitet. In diesem Zusammenhang wurde auch der Einsatz einer Wärmepumpe zur Wärme­ erzeugung untersucht. Vor allem aufgrund des besseren Primärenergiefaktors der Pellets fiel die Entscheidung zugunsten der Beheizung der Schule mit Pellets. Rechnerisch wäre eine Kesselleistung von ca. 475 kW für die Lüftung, 142 kW für die Beheizung und 580 kW für die Warmwasserbereitung notwendig gewesen. Das sind insgesamt 1.197 kW (ohne Gleichzeitigkeit) gegenüber 200 kW installierter Leistung. Der innovative Ansatz, die Anlage mit einem Sechstel der errechneten Leistung zu betreiben, besteht in der Unterdimensionierung der Kesselanlage in Zusammenhang mit großzügiger Speicherung. Die in den beiden Pufferspeichern verfügbare Wärme kann kurzfristige Lastspitzen abdecken. Andererseits sind die beiden Kessel stundenlang zur Aufheizung der beiden Pufferspeicher in Betrieb. Das verhindert ein zu häufiges Ein- und Ausschalten der Kessel. Es liegt auf der Hand, dass mäßige Taktung und lange Laufzeit viele mechanische Bauteile schont. Außerdem minimiert dies Schadstoffemissionen beim Anfahren eines Pelletkessels. Schließlich sind die beiden Kessel so nacheinander geschaltet, dass die Kessellaufzeit optimiert, also verlängert wird. Auf diese Weise können die Pelletkessel Temperaturen bis 80°C erzeugen und diese Temperatur auch an die Pufferspeicher abgeben. Die Heizkreise der Lüftungs­ geräte benötigen maximal 50°C, die Heizkreise der Fuß­ bodenheizung maximal 40°C und die Frischwasserstationen maximal 60°C Vorlauftemperatur. Das bedeutet, dass die Pufferspeicher um mindestens 20 K abgekühlt werden können, bevor wieder eine Beladung notwendig wird.

Präsenzmelder

850 m3/h M Abluft 28°C

Marktplatz Türe T

F

CO2

Temperaturfühler Feuchtefühler in Referenzräumen CO2-Messung

M 850 m3/h

114 115

Außenliegender Sonnenschutz

Klassenraum 30 Schüler 850 m3/h

Wärmeverteilung Den beiden Pufferspeichern nachgeschaltet sind Heizungsverteiler, die die Wärmeenergie für die Fußbodenheizung, die Lüftungsgeräte und die Warmwasser­be­rei­ tung der wenigen Frischwasserstationen verteilen. Die Regelung erfolgt über eine Mischregelung. Der Heizkreisverteiler Fußbodenheizung wird im Sommer von der Heizungsanlage getrennt. Dann werden die Leitungen als Kälteverteiler zur Nachtauskühlung der Fußböden in den Klassenräumen genutzt. Die Raumtemperierung erfolgt in der gesamten Schule über Fußbodenheizungen. In den Klassenräumen ist, wie in allen Räumen der Schule, eine Einzelraumregelung vorgesehen, mit der sich die einzelnen Heizkreise absperren lassen. So ist sichergestellt, dass die Heizung nur dann in Betrieb ist, wenn die jeweiligen Räume genutzt werden. In einer Plusenergieschule besteht immer das Problem, dass die inneren Lasten in den Klassenräume im Sommer die Verluste (es geht so gut wie keine Wärme verloren) übersteigen. Das Leitungssystem im Fußboden wird im Winter zur Heizung, im Sommer zur Kühlung genutzt (ca. 20 W/m). Dann wird es nur in der Nacht mit Kaltwasser beschickt. Der Grund dafür ist, dass die Kältemaschine, die neben Strom auch mit freier Kühlung arbeitet, die kühle Nachtluft zur Bereitstellung von kaltem Wasser nutzt. Der Einsatz der strombetriebenen Kältemaschine wird dann nur ganz selten erforderlich. Tagsüber nimmt der gekühlte Fußboden (beschichteter Estrich ohne Fußbodenbelag) die Wärme des Raums wieder auf. Warmwasserversorgung Die Warmwasserbereitung erfolgt mittels sogenannter Frischwasserstationen. Bei einer Frischwasserstation wird das warme Brauchwasser im Durchlaufprinzip mittels Heizungswasser erzeugt. Warmwasser über die Frischwasserstationen steht grundsätzlich nur für die Dusch­ bereiche der Sporthalle sowie für die Küche zur Verfügung.

Zuluft 19 – 20°C

FB-Heizung/Kühlung

Klassenräume Belegung: 8 – 17 Uhr Lüftung freigeschaltet: 7 – 17 Uhr, 19 – 20°C FB-Heizung freigeschaltet (Pumpe ein): 7 – 17 Uhr, 20°C Ab 8 Uhr Freigabe der Lüftung durch den CO2-Fühler, Nachlauf 15 min, Nachtauskühlung über Fußbodenflächen, Luftmengenregelung nach CO2-Fühler

In allen sonstigen Bereichen der Schule wird auf Warmwasser weitgehend verzichtet. Wo es doch notwendig ist, wie z. B. in Teeküchen oder Putzmittelräumen, wird dieses elektrisch mittels Kleinstdurchlauferhitzer erzeugt. So ist sichergestellt, dass so gut wie keine Wärmeverluste entstehen, denn das warme Wasser muss nicht im gesamten Gebäude umgewälzt werden. Als weiterer Nebeneffekt ist von Vorteil, dass praktisch keine Legionellen entstehen können. Fazit Wärmeversorgung Nach einem halben Jahr Betrieb lässt sich festhalten: Die Heizungsanlage war den ganzen Winter über ohne Pro­ bleme in Betrieb. Lediglich Anfang Januar ist ein Pelletkessel eine Woche lang aufgrund fehlender Pelletver­ sorgung außer Betrieb gegangen. Dank der Pufferspeicher haben die Schüler nichts davon mitbekommen, die Temperatur in den Pufferspeichern ist bis auf ca. 25°C abgesunken. Lediglich die Warmwasserversorgung der Küche und der Duschen war beeinträchtigt. Lüftungskonzept Um sowohl die Luftqualität und die Behaglichkeit in den Klassenräumen zu verbessern, als auch die gewünschte Nutzungsflexibilität der Marktplätze entsprechend dem Konzept der neuen Lernlandschaften sicherzustellen, musste dem Lüftungskonzept für das Pilotprojekt besondere Beachtung geschenkt werden. Beim Neubau des Gymnasiums wurde in alle Räumen eine energieeffiziente mechanische Zu- und Abluftanlage installiert. Gemäß DIN/EN 13779 wurde dabei die Luftmenge pro Schüler von 28 m3/h zugrunde gelegt. Mit diesem Wert lässt sich im Klassenraum ein CO2-Gehalt von unter 1.000 ppm halten, für Schulen empfohlen sind CO2-Werte unter 1.200 ppm. Der CO2-Wert 1.000 ppm gibt an, wie viele Teile pro Millionen (parts per million) sich im Luftvolumen befinden. Aus unserer Erfahrung an anderen Schulen haben sich geringere Luftmengen nicht bewährt.

Die Zuluftversorgung erfolgt unterhalb der Fenster der Klassenzimmer über sogenannte Quellauslässe. Prinzipiell ist gemäß dem Konzept der offenen Lernlandschaften der Übergang zu den zentral gelegenen Marktplätzen offen. Aus den Klassenräumen strömt die frische Luft zu den Marktplätzen über, sodass die Schüler, die sich dort aufhalten, auch mit Luft versorgt werden. Steigt der CO2Wert in den Marktplätzen über 1.000 ppm, wird über ­einen eigenen Luftauslass zusätzliche Luft eingebracht. Grundsätzlich aber ist es so, dass zur Minimierung der Luftmenge die Luft nur in den Räumlichkeiten eingeblasen wird, in denen der CO2-Gehalt über 1.200 ppm liegt. Morgens werden alle Räumlichkeiten für eine halbe Stunde mit frischer Luft gespült. Eine natürliche Be- und Entlüftung über Fenster ist eingeschränkt möglich, je ein Fenster pro Klassenraum lässt sich nur mit einem Spezialschlüssel des Lehrers öffnen. Zusätzlich sorgen Fensterkontakte dafür, dass das geöffnete Fenster der Gebäudeleittechnik angezeigt wird und sich die Fußbodenheizung und die Be- und Entlüftung des Klassenraums abschalten. Mit einem Blick kann so der Hausmeister auf der Gebäudeleittechnik erkennen, ob alle Fenster geschlossen sind. Nach über einem halben Jahr Schulbetrieb gab es bisher keine nennenswerten Beschwerden der Schüler oder Lehrer über die geschlossenen Fenster, was für eine gute Raumluftqualität spricht. Funktionsweise Lüftung Die mechanische Be- und Entlüftung erfolgt über zwei zentrale Luftaufbereitungsanlagen für Zu- und Abluft mit einem Auslegungs-Volumenstrom von je 22.500 m3/h. Die Aggregate der Ventilatoren, Filter, Schalldämpfer und der Wärmerückgewinnung sind zentral aufgestellt. Die Lüftungsgeräte sind ca. 2,60 m hoch, 2,30 m breit und ca. 14 m lang. Von den Lüftungsgeräten gibt es jeweils zwei Zuluft- und zwei Abluftgeräte. Die Lüftungsgeräte sind ungewöhnlich groß dimensioniert, um die Luftgeschwindigkeit in den Geräten zu minimieren. Damit ver-

ringert sich die notwendige elektrische Antriebsenergie. Die dafür benötigte Lüftungszentrale wurde damit 34 m lang, 25 m breit und 4 m hoch. Den Lüftungsgeräten nachgeschaltet sind die Nachbehandlungseinheiten mit Erhitzer und Kühler zur Konditionierung der Zuluft in den einzelnen Klassenhäusern bzw. der Aula und der Sporthalle. Über Lüftungskanäle wird die Zu- und Abluft im speziell dafür vorgesehenen Untergeschoss der Schule zu den beiden Klassenhäusern sowie der Sporthalle transportiert. Die Aula und die Verwaltung befinden sich direkt über der Lüftungszentrale. Bei der Dimensionierung der Lüftungskanäle wurde wieder zur Minimierung der Kanalreibungsverluste auf eine niedrige Luftgeschwindigkeit geachtet. Die Lüftungskanäle haben Abmessungen bis zu 2 m x 2 m. Die Luftgeschwindigkeiten in den Lüftungsgeräten bewegen sich bei 1,2 m/s, in den Verteilkanälen unter 3,0 m/s. Von den Kanälen im Untergeschoss wird die Luft über Volumenstromregler und Brandschutzklappen zu den einzelnen Klassenräumen geführt. Aufgrund der Einstufung in die Gebäudeklasse 3 müssen die Lüftungskanäle oberhalb der Kellerdecke in F 30-Qualität verkleidet werden, zusätzliche Brandschutzklappen gibt es oberhalb der Kellerdecke dann aber nicht mehr, weil die Verteilung im UG erfolgt. Sämtliche Wartungsarbeiten können somit im Untergeschoss der Schule, ohne den Unterricht der Schule zu stören, durchgeführt werden. Die Zuluft wird über Quellauslässe im Fensterbereich in die Klassenräume eingebracht. Die Luftmenge wird über variable Volumenstromregler und CO2-Fühler auf maximal 1.200 ppm geregelt. Die offenen Räume der neuen Lernlandschaften wurden dafür genutzt, die in den Klassenräumen eingebrachte Zuluft in Richtung der Marktplätze überströmen zu lassen. In den Marktplätzen wird die Abluft zentral abgesaugt. Dadurch kann zum einen die Luftmenge reduziert, zum anderen jedoch auch sichergestellt werden, dass dort, wo Personen sich aufhalten, immer genügend frische Luft zur Verfügung steht.

116 117

Technische Daten der Lüftungsanlagen Für die Wärmerückgewinnung kommt ein Kreislaufverbundsystem mit einem Wärmerückgewinnungsgrad von 73 % zum Einsatz. Das bedeutet, dass maximal 73 % der Wärme der Fortluft auf die Außenluft übertragen werden kann. Zwar sind höhere Wärmerückgewinnungsgrade möglich, dieser Wert wurde jedoch bewusst gewählt, da ein höherer Wirkungsgrad mit einem höheren Energiebedarf für den Pumpenstrom und der Überwindung des höheren Druckverlusts im Lüftungsrohrnetz verbunden wäre. Insbesondere waren dabei auch primärenerge­ tische Überlegungen maßgeblich: Aufgrund des guten Primärenergiefaktors bei der Wärmeerzeugung (Pellets) hätte eine Erhöhung des Wärmerückgewinnungsgrads netto zu einem erhöhten Primärenergiebedarf geführt, da die zusätzlich aufzuwendende elektrische Energie die geringe Primärenergieeinsparung im Bereich Wärme überkompensiert hätte. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten war weder der Einsatz eines Rotors noch der eines Gegenstromwärmetauschers möglich. Die theoretisch notwendige Außenluftmenge (Gleichzeitigkeit 1,0, das wäre die volle Belegung aller Bereiche) beträgt 93.400 m3/h. In grundsätzlichen Überlegungen des Planungsteams wurde gründlich hinterfragt, wo wird tatsächlich Luft benötigt, wo halten sich die Schüler und Lehrer auf. Anhand dieser Überlegungen konnte die Luftmenge ohne Abstriche bei der Luftqualität auf 45.000 m3/h verringert werden. Das bedeutet, dass die Luftmenge immer nur dorthin gefördert wird, wo sich auch Personen aufhalten. In den Klassenräumen erfassen CO2-Fühler die Luftqualität. Liegt die CO2-Konzentration der Raumluft unter 1.000 ppm, wird dorthin auch keine Luft gefördert. Die Aula erhält nur dann Frischluft, wenn darin eine Veranstaltung stattfindet. In die Sporthalle strömt Luft, wenn die Luftqualität sich in Hinblick auf den CO2-Wert verschlechtert. Das Ziel ist es, nur die hygienisch notwendige Luftmenge zu fördern, um den Energieeinsatz für Luftförderung und -konditionierung möglichst gering zu halten.

Um das große Problem der Aufheizung der Klassenräume im Sommer in den Griff zu bekommen, wird neben der Nachtauskühlung über die Fußbodenheizung die Fortluft der Lüftungsgeräte mittels Befeuchtung heruntergekühlt. Die dabei entstehende Kälte wird über den Wärmetauscher auf die Zuluft übertragen, sodass diese sich bei 32°C Außentemperatur auf ca. 26°C abkühlt. Schließlich sind Kältemaschinen vorgehalten, um die Lufttemperatur zu kühlen, falls die Lufttemperatur in den Klassenräumen trotz der zuvor genannte Kühlmethoden (Nachtauskühlung mit der Fußbodenheizung und die Kühlung der Fortluft durch Befeuchtung) über 26°C ansteigt. Auf eine mechanische Nachtauskühlung mittels Luft wurde aus Gründen der zu hohen elektrischen Verbrauchswerte und des zu geringen Nutzens verzichtet. Im auf Seite 114 dargestellten Regelschema zum Klassenraum erkennt man die über einen Volumenstromregler geregelte Zuluft, die als Quellluft ausströmt, den a­ ußen liegenden Sonnenschutz, die Fußbodenheizung, die auch zur Nachtauskühlung eingesetzt werden kann, sowie die Überströmung der Luft zu den Marktplätzen. Fazit Be- und Entlüftung Seit nunmehr über einem halben Jahr ist die Schule in Betrieb. Die Luft sowohl in den Klassenräumen als auch in den sonstigen Räumlichkeiten der Schule wird als angenehm frisch beurteilt. Weder vonseiten der Lehrerschaft noch der Schüler sind Klagen bekannt. Sämtliche Lüftungsgeräte haben bisher ohne Störung gearbeitet. Zur Zeit findet das Monitoring statt, das die Energieströme seit dem 1. Januar 2016 aufzeichnet. In einigen Monaten wird man mit Gewissheit sagen können, ob auch die benötigte Energiemenge geringer ist, als die durch die Photovoltaikanlage auf dem Dach ­erzeugt Energie.

Fortluft – 45.000 m3/h Abluft, Lüftungsgerät 1 22.500 m3/h

Gebäude Nord

FU

M

M

M5 T

T

Zuluft, Lüftungsgerät 1 22.500 m3/h

T

T

T

T

T

DN32 Kvs12 RTB15 50 65

50

Kühler 75,0 kW 10.760 kg/h 12°C/18°C 22.000 m3/h 30°C/20°C

T

65

30°C 50°C 18°C 12°C

Leerteil für Befeuchtung

Klassenzimmer 22.000 m3/h

480 m3/h 480 m3/h 480 m3/h 480 m3/h 600 m3/h 245 m3/h 130 m3/h

Gebäude West Erhitzer 79,6 kW 3.460 kg/h 50°C/30°C 16.800 m3/h 10°C/24°C

T

T

T

50

DN25 Kvs8 RTB15 50 65

65

30°C 50°C 18°C 12°C

Klassenzimmer 16.800 m3/h 50 m3/h

Gebäude Süd

FU

M

Kühler 57,3 kW 8.220 kg/h 12°C/18°C 16.800 m3/h 30°C/20°C

T

M

Leerteil für Erhitzung zur Befeuchtung

M

Ventilator FU gesteuert 5,5 kW

M

M5 T

Pumpe adiabate Kühlung

DN40 Kvs12 50 M

T

T

T

T

T

50 FU

M

50°C 30°C

T

T

T

DN32 Kvs12 RTB15 50 65

50

65

30°C 50°C 18°C 12°C

Leerteil für Befeuchtung

Gebäude Süd

T

T

T

DN25 Kvs8 RTB15 40 65

40

T

M

Erhitzer 75,1 kW 3.260 kg/h 50°C/30°C 15.850 m3/h 10°C/24°C

M

Leerteil für Erhitzung zur Befeuchtung

Aula 24.000 m3/h

M

F7 Ventilator FU gesteuert 5,5 kW

Kühler 81,8 kW 11.740 kg/h 12°C/18°C 24.000 m3/h 30°C/20°C

T

M

75 kW, 4.299 kg/h, 40°C/25°C

Erhitzer 113,7 kW 4.940 kg/h 50°C/30°C 24.000 m3/h 10°C/24°C

M

Ventilator FU gesteuert 5,5 kW

65

30°C 50°C 18°C 12°C

Kühler 54,0 kW 7.750 kg/h 12°C/18°C 15.850 m3/h 30°C/20°C

Nebenräume 15.850 m3/h

M

T

DN25 Kvs5 RTB15 32

M

Erhitzer 47,4 kW 2.060 kg/h 50°C/30°C 10.000 m3/h 10°C/24°C

T

32

Sporthalle 10.000 m3/h

30°C 50°C

M

T

T

DN15 Kvs3 RTB15 32

M

Erhitzer 31,1 kW 1.350 kg/h 50°C/30°C 5.100 m3/h 10°C/24°C

32

30°C 50°C

Schema Lüftungszentrale, je zwei Primärlüftungsgeräte Zu- und Abluft mit Wärmerückgewinnung, sechs nachgeschaltete Nachbehandlungseinheiten mit Heizen und Kühlen

Sporthalle Nebenräume 5.100 m3/h

M M M M M M M

Batterieraum

M

M

WRG SEW – 181 kW Wi -18°C/16°C Überg. 5°C/17,7°C So 32°C/23,8°C

T

F7

T

Zuluft, Lüftungsgerät 2 22.500 m3/h

T

M

T

WRG SEW – 181 kW Wi 2,6°C/20°C Überg. 9,3°C/22°C So 29,5°C/28°C

50°C 30°C

50 FU

WRG SEW – 181 kW Wi -18°C/16°C Überg. 5°C/17,7°C So 32°C/23,8°C

Abluft, Lüftungsgerät 2 22.500 m3/h

DN40 Kvs12 50 M

T

M

75 kW, 4.299 kg/h, 40°C/25°C

Erhitzer 104,2 kW 4.530 kg/h 50°C/30°C 22.000 m3/h 10°C/24°C

M

Ventilator FU gesteuert 5,5 kW

Pumpe adiabate Kühlung M

WRG SEW – 181 kW Wi 2,6°C/20°C Überg. 10°C/24°C So 29,5°C/28°C

T

Digest. 1 Digest. 2 Digest. 3 Digest. 4 Digest. 5 Giftschr. Lösungsmittel + Gasflaschen

Außenluft – 45.000 m3/h

118 119

Isometrische Darstellung der Lüftungsinstallationen in den Klassenhäusern Nord und West sowie in der Aula und der Sporthalle

Quellauslass Geräte Zuluft Abluft Fortluft Außenluft Spezielle Anlagen wie Digestorien, Brennofen, Kamin

120 121

Lüftungszentrale

Lüftung Aula

Heizung Kälte

Lüftung

Umwälzpumpe

kVA – Leistung je Gewerk

kVA – Gesamtleistung

kW - Nennleistung

Bezeichnung Verbraucher

Anzahl

Gewerk

Ort

123

cos – Leistungsfaktor

122

V – Nennungsspannung

Elektrotechnik Nicht nur infolge thermisch optimierter Bauten rückt Elektrizität in den Vordergrund: Neben Unterstützung des Wärme­haushalts werden Beleuchtung und Medien wichtiger. Integrierte Planung eröffnet neben sparsamen Endverbräuchen ­Ein­sparpotenziale durch gut geplante Verteilung sowie eine durch Abstimmung optimierte Photovoltaikanlage. Herbert Mayr, Ingenieurbüro Herbert Mayr

UG 1 400 0,9 3,0 3,3 3,3

Kältemaschine m. Adiabetik UG 1 400 0,9 30,0 33,3 Kaltwasserumwälzpumpen UG 1 400 0,9 3,0 3,3 Umluftkühler UG 1 400 0,9 5,0 5,6 42,2 Lüftungsgeräte Wärmerückgew. Lüftung

UG 1 400 0,9 33,0 36,7 UG 1 400 0,9 10,0 11,1

47,8

Sanitär

Schmutzwasser Hebeanlage UG 1 400 0,9 2,0 2,2 Zirkulationspumpe UG 1 230 0,9 2,0 1,1 Warmwasserbereiter UG 1 230 1,0 28,0 186,0 Sonstiges UG 1 400 1,0 5,0 5,0 194,3

Elektro

Beleuchtung gesamt PCs (Server, PC + TFT) Medientechnik Atrium Zentralbatterieanlage Sonstiges

Aufzüge

Küche Summe

ges. ges. Aula UG ges.

1 400 1 230 1 400 1 400 1 400

1,0 100,0 100,0 1,0 35,0 35,0 1,0 30,0 30,0 1,0 3,0 3,0 1,0 30,0 30,0 198,0

Personenaufzug (Klassenhaus 1) 1 400 0,9 7,7 8,6 Personenaufzug (Aula) 1 400 0,9 3,8 4,2 Hubbühne (Aula) 1 400 0,9 5,0 5,6 18,3 Installierte Leistung Vollküche

Küche 1 400 0,95 94,9 99,9 99,9

Gesamt ohne Küche 504,0 Gesamt mit Küche 603,9

Die Tabelle zeigt deutlich, dass die Hauptstromverbraucher die Beleuchtung, die Küche und die haustechnischen Gewerke (Kälte, Lüftung, Sanitär) sind.

Ein Forschungsprojekt, bei dem größter Wert auf Nachhaltigkeit gelegt wird, stellt hohe Anforderungen an die Planung der technischen Gewerke. Deren Bedeutung nimmt infolge der Klimaveränderungen stetig zu. Das gilt im Besonderen für die gesamte Elektroinstallation ­eines Gebäudes von der Trafostation über Haupt- und Unterverteilungen, Allgemein- und Sicherheitsbeleuchtungs-, Brandmelde- und elektroakustische Anlage bis zum umfangreichen EDV-Netz und der Photovoltaikanlage. Verbrauch und Einsparpotenzial In Zusammenarbeit mit allen beteiligten Planern wurde die zu erwartende Gesamtanschlussleistung der Schule ermittelt. Diese stellt sich wie nebenstehend dar. Während der Energieverbrauch der Beleuchtung durch intelligente Präsenz- und tageslichtabhängige Steuerung im Gewerk Elektro reduziert wird, obliegt die Senkung des Energieverbrauchs der anderen Großverbraucher den Steuer- und Regelmechanismen der betreffenden Gewerkeanlagen. Für die Grundversorgung des Gymnasiums wurde eine kundeneigene Trafostation mit 630 kVA in Fertigteilbauweise errichtet. Eingespeist wird die Trafostation über das 20 kV-Netz der Lechelektrizitätswerke (LEW). Die Verbrauchsmessung erfolgt mittelspannungseitig in der Trafostation. Das Hauptziel im Sinne des Forschungsprojekts – Nachhaltigkeit beim Bau und Betrieb des Gebäudes – gliedert sich für die Elektroplanung wie folgt: _ geringstmöglicher Energieeigenverbrauch _ größtmögliche Energiegewinnung

Schutz und Sicherheit

Automatisierung und Fernzugriff

Beleuchtungssteuerung KNX Energiemanagement

Sonnenschutz und Jalousiesteuerung Bedienung und Visualisierung

Heizungs-, Lüftungs- und Klimasteuerung

Einsparung beim Energieverbrauch _ LED-Leuchten Die Entwicklung von LED-Leuchten ging in den letzten zwei Jahren, also genau während der Planungsphase, rasant voran. Mittlerweile ist der Anschaffungspreis einer LED-Leuchte nahezu gleich dem einer konventionellen Leuchtstofflampe. Durch die integrative Planung und dem damit verbundenen ständigen Informationsaustausch der Ingenieure und Planer mit dem Bauherrn wurden innovative Neuheiten vorgestellt und diskutiert. So auch die modernen LED-Leuchten. Aufgrund der klaren stofflichen (keine Schwermetalle wie Quecksilber), ökologischen (geringerer Energieverbrauch, höhere Lebensdauer mit bis zu 50.000 h) und finanziell-betrieblichen (wesentlich niedrigere Wartungskosten, die Lampen müssen deutlich weniger getauscht werden) Argumente wurde die ursprüngliche Lichtplanung, soweit es machbar war (in den Klassenzimmern und der Sporthalle), von Leuchtstoffröhren auf LED-Leuchten umgestellt. Lediglich in sehr hohen Klassenräumen und Marktplätzen gab es zum aktuellen Planungszeitraum noch keine LED-Alternative für eine entsprechende optimale Ausleuchtung (zu geringe „Lumenpakete“ der LED-Leuchten). Laut aktueller Studien sollte allein durch den Austausch der neuesten konventionellen Leuchtstoffröhren mit LED-Leuchten eine Energieeinsparung von mindestens 10 % erreicht werden. _ KNX-Technik Intelligente Steuerung ist der Generalschlüssel zur weiteren Energieeinsparung. KNX ist ein dezentral ver­ teiltes Gebilde von Geräten (Schalter, Taster, Licht-, Temperaturfühler, Schaltgeräte (Aktoren), Dimmer etc.) zur Gebäudeautomation, die durch ein vieradriges BusKabel, ähnlich einer Telefonleitung, miteinander verbunden werden. Über zwei Adern dieser ­Bus-Leitung „unterhalten“ sich die Geräte durch sogenannte Telegramme. Auf diese Weise können Informa­tionen aus­ getauscht und Schaltbefehle erteilt werden. Ein großer

Teil der KNX-Geräte befindet sich in den Mediensäulen. Die Intelligenz erhalten die Geräte mithilfe einer standardisierten Programmiersoftware, der Engineering ToolSoftware (ETS). Durch Umprogrammierung kann jeder Bus-Teilnehmer umdefiniert werden. So ließe sich z. B. ein Schalter, der zum Ein-/Ausschalten der Deckenleuchte bestimmt war, innerhalb kürzester Zeit zum Betätigen der Jalousienanlage oder zum Ein-/Ausschalten der Gartenbewässerung umprogrammieren. Über sogenannte Gateways kann KNX auch mit anderen Bus-Systemen der haustechnischen Anlagen gekoppelt werden und kommunizieren (z. B. mit DALI, SMI etc.) Somit können unterschiedliche elektrische Verbraucher verschiedener Gewerke miteinander vernetzt werden und kommunizieren, um optimale Ergebnisse (Energieein­ sparung durch z. B. gezielte tageslichtabhängige Beleuchtungssteuerung oder witterungsabhängige Steuerung der Jalousien etc.) zu erzielen. Bei einer konventionellen Beleuchtungsanlage wird das Licht über einen Schalter ein- bzw. ausgeschaltet. Es brennt entweder in voller Stärke oder gar nicht. Vernetzt man die einzelnen Leuchten einer Anlage untereinander mit DALI (Digital Adressable Lighting Interface, ein standardisiertes Bus-System, das ausschließlich zur Steuerung einer Lichtanlage dient), so wird diese KNX-kompatibel und es eröffnen sich neue Steuerungsund weitere Kosteneinsparmöglichkeiten. Eine KNX-vernetzte Beleuchtungsanlage kommuniziert nonstop über einen Sensor mit der Wetterstation und lässt sich so programmieren, dass bei untergehender Sonne das Kunstlicht im Raum hochgefahren und die nach DIN vorgeschriebene Beleuchtungsstärke von 500 lx im Klassenzimmer erreicht wird. ­Ferner kann bei zu starker Sonneneinstrahlung die elektrische Jalousie automatisch heruntergefahren werden, um Blendwirkung durch grelles Tageslicht zu verhindern und einer Aufheizung des Raums vorzubeugen. Außerdem wird somit das optimale Verhältnis von Kunst- und Tageslicht erreicht, was wiederum zur Energieeinsparung beiträgt.

12 4 125

KNX gekoppelt mit Präsenzmelder – weiteres Einsparpotenzial Ist KNX zusätzlich mit Präsenzmeldern gekoppelt, schaltet sich das Licht bei Bedarf (wenn die Lichtstärke im Raum unter 500 lx beträgt) nur dann automatisch ein, wenn der Sensor eine Person im Raum erkennt. Ist niemand im Raum, brennt auch kein Licht. So wird durch optimale Programmierung bares Geld gespart.

Sparpotenziale Innenbeleuchtung

Fluchtwegbeleuchtung mithilfe von KNX Mithilfe von KNX kann ohne großen Aufwand eine bestimmte Anzahl von Leuchten der Allgemeinbeleuchtung so programmiert werden, dass diese bei Stromausfall als Fluchtwegbeleuchtung dienen. Die Leuchten, die hierfür infrage kommen, werden aus dem Brandschutzkonzept (Fluchtwegpläne) ausgewählt und so programmiert, dass sie bei Stromausfall heruntergedimmt werden und die Fluchtwege nach den Brandschutzrichtlinien ausleuchten. Die Installation und Verkabelung einer zusätzlichen Flucht­wegbeleuchtung kann also entfallen. KNX – vielfältige Funktionen Über KNX wird nicht nur die komplette Beleuchtungsund Beschattungsanlage laufend optimiert, sondern die Funktion jeder einzelnen Leuchte in regelmäßigen Abständen überprüft. Ist eine Leuchte defekt, wird dies auf einem Monitor angezeigt. Und zu guter Letzt sind beim Schmuttertal-Gymnasium auch noch die Verriegelungskontakte der Fenster und Türen mit KNX vernetzt. Dadurch kann der Hausmeister an seinem PC sehen, welche Tür oder welches Fenster nicht geschlossen ist. Somit sorgt die KNX-Steuerung obendrein noch für Schutz und Sicherheit. Haupt- und Unterverteilungen im Keller Durch die Dezentralisierung der Schutz- (Sicherungen), Fehlerstromschutzschalter (FI-Schalter) und Schaltgeräte (KNX-Geräte) in die Mediensäulen konnten die Hauptund Unterverteilungen im Keller verkleinert und kosten-

0 %

Energieverbrauch 50 %

100 %

Altanlage 1970er-Jahre mit Standard-Leuchtstofflampe Ø 38 mm an KVG, Altleuchte mit opaler Wanne Altanlage 1980er-Jahre mit 3-Banden-Leuchtstofflampe Ø 26 mm an VVG, Altleuchte mit weißem Raster

20 %

Neuanlage Moderne Leuchtstofflampen Ø 16 mm*

55 %

Hochmoderne LED-Leuchten

65 %

Mit Tageslichtsteuerung

75 %

Mit Präsenzund Tageslichtsteuerung

80 %

100 %

50 %

0 %

Energieeinsparung * Leuchtstofflampe an EVG mit sehr geringer Verlustleistung, energieeffiziente oder direkt/indirekt strahlende Leuchten mit moderner Lichtlenktechnik Quelle: licht.wissen 20. Nachhaltige Beleuchtung, www.licht.de Die tatsächliche Einsparung pro Jahr wird durch das Monitoring der ZAE Bayern nachgewiesen. Die Daten hierfür werden erst seit Januar 2016 erfasst. Dieser Zeitraum ist noch zu gering, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten.

günstiger gebaut sowie die Verkabelung reduziert werden. Insgesamt wurde durch ein deutlich reduziertes Leitungsnetz und den Einsatz der Mediensäulen eine enorme Kosten­ersparnis erzielt. Dem stehen freilich Kosten für die ­Mediensäulen gegenüber – die jedoch einen Zugewinn an Bedienungskomfort mit sich bringen. Mediensäulen – Unterverteiler mit „Köpfchen“ In den Klassenzimmern und auf den Marktplätzen befinden sich sogenannte Mediensäulen (mit Unterverteiler, Fehlerstromschutzschalter (FI-Schalter), Sicherungen, Schaltaktore etc.), die nicht nur für die Energieversorgung der einzelnen Klassenzimmer/Marktplätze zuständig sind, sondern auch noch für die Verdunkelungsanlage

36 Deckendurchführung 1,8

UK Holzdecke Deckel abnehmbar

Lautsprecher

30

C°/ CO2 3

32,7

105

Hohlwandverteiler vierreihig

9

68,3 Türe

Leitungen LS-Regler 12 Leser

8

12

125

6,8

6 95

Integriert: Waschbecken, Mediensäule, Lüftung und Stauraum

75

Deckel abnehmbar Bügelschelle

105

und die Beleuchtung. Die Leitungen von den jeweiligen Klassenzimmern mussten nicht mehr über lange Wege zu großen Etagenverteilern geführt werden. Die Energieeinspeisung einer Mediensäule erfolgt über nur ein einziges Kabel. Für die Übertragung der Intelligenz (KNX-Tele­ gramme) wurden alle Verteilungen und Mediensäulen mit einem Bus-Kabel, ähnlich einem Telefonkabel, verbunden. So konnten die Leitungswege auf ein Minimum reduziert und somit enorme Kosten für Verkabelung eingespart werden, denn für kürzere Leitungswege gilt: kleinere Spannungs- und Leistungsverluste. Dadurch wird

Steigtrasse Kabelleiter

30 Fertiger Fußboden

Fußbodendurchführung

Ansicht Mediensäule

Schnitt Mediensäule

Gebäude

Dachfläche in m2

Sporthalle Aula Klassenhaus 2 Klassenhaus 1 Gesamt

126 127

Anlagengröße kWp

Jährl. Ertrag MWh

Spezieller Ertrag pro Jahr (gewählt) kWh/kWp

980 774 400 500

162,31 128,93 66,25 82,81

177,104 1.096 147,732 1.096 80,350 1.096 105,449 1096

2.680

440,30

510,635 1.096

der Einsatz von Kabeln mit kleineren Querschnitten möglich. Die Mediensäulen im Schmuttertal-Gymnasium sind somit richtige „Sparfüchse“. Denn kurze Leitungswege bedeutet weniger Kabel mit kleinerem Querschnitt, was wesentlich preisgünstiger ist. Energiegewinnung Neben der Energieeinsparung spielt die Energiegewinnung bei den Planungszielen – einem Plusenergiege­ bäude – eine herausragende Rolle. Lage, Verteilung der Bauten und Gebäudeform gaben den Ausschlag, ausschließlich auf Photovoltaik zu setzen. Das umweltfreundliche Kraftwerk auf dem Dach Der Energieertrag der Photovoltaikanlage ist in erster ­L inie abhängig von:

Anschlussbedarf der Schule Die gesamte Anschlussleistung der Schule beträgt 603 kW (siehe Tabelle Seite 122). Da in der Praxis allerdings nie alle Stromverbraucher (Beleuchtung, Durchlauferhitzer, Küchengeräte, PCs etc.) der Schule gleichzeitig eingeschaltet sind, multipliziert man diese Leistung mit dem für Schulen gewählten Gleichzeitigkeitsfaktor 0,6 und erhält so den Wert, den es in der Praxis zu decken gilt: 603 x 0,6 = 361,8 kWh, also ca. 370 kWh. Somit ergibt sich folgende Energiebilanz: Energieerzeugung durch elektrische Leistung PV-Anlage: 432 kWp Energieverbrauch durch elektrische Leistung Verbraucher: 370 kW Damit wird mehr Energie erzeugt als benötigt.

_ der Qualität der Module (Leistungsfähigkeit) _ der größtmöglichen Stückzahl auf den Dächern _ der Ausrichtung bzw. dem Neigungswinkel des Daches Was bringt die Anlage? Alle Dächer der vier Gebäude des Gymnasiums haben eine optimale Südausrichtung. Die Neigung der Pult­ dächer beträgt ca. 9 °, was für Photovoltaikanlagen leider nicht optimal ist. Eine Dachneigung von 30° würde einen etwas höheren Ertrag erbringen. Weil die PV-Anlage wegen der Integration in die Dächer schon sehr früh ausgeschrieben und errichtet werden musste und auch das Budget begrenzt war, konnten nicht die leistungsfähigsten Module verbaut werden. Schon während der Bauzeit sind leistungsfähigere Module entwickelt und auf den Markt gebracht worden, die einen noch deutlich höheren Ertrag erzielt hätten. Mit den schließlich ausgewählten 1.630 PV-Modulen erzeugt das Sonnenkraftwerk auf dem Dach des Schmuttertal-Gymnasiuims stattliche 432 kWp (kWp = die von Solarmodulen abgegebene maximale elektrische Leistung unter Standard-Testbedingungen)

Dies bedeutet, dass die PV-Anlage nicht nur den durchschnittlichen Leistungsbedarf des Gymnasiums deckt, sondern auch noch einen Überschuss erwirtschaftet, der ins Netz eingespeist und verkauft werden kann. Das Schmuttertal-Gymnasium ist somit ein Plusenergiehaus, das obendrein noch jede Menge CO2-Emissionen vermeidet. Die Daten für zukünftige Auswertungen werden seit ­Januar 2016 erfasst. Für eine aussagekräftige Auswertung benötigt man allerdings die Daten eines ganzen Jahres, denn in den Wintermonaten mit kürzeren Tagen wird weniger Strom erzeugt als im Frühjahr und Sommer. Deshalb liegen noch keine genauen Ergebnisse vor. Die PV-Anlage des Schmuttertal-Gymnasiums ist ein Allrounder. Sie erzeugt nämlich nicht nur Strom, sondern hilft obendrein durch ihre spezielle Unterkonstruktion noch weiter Kosten zu sparen, denn das komplette Tragschienensystem ist blitzstromtragfähig und konnte deshalb in die Blitzschutzanlage als Ableitung mit integriert werden. Die zusätzliche Verlegung von Alu-Rundleitern bzw. hochspannungsisolierten Leitungen auf den Dächern

konnte somit entfallen und hohe Kosten bei den Blitzschutzarbeiten eingespart werden. Die Einsparungsmöglichkeit (weniger Auffangspitzen) hatte obendrein noch den positiven Nebeneffekt, dass sich die realisierte Blitzschutzanlage noch besser in das anspruchsvolle architektonische Gesamtkonzept einfügt.

entsprechend umzeichnen und anpassen müssen, und das kostet sehr viel Zeit und Nerven. Im Rückblick kommt man um die Feststellung nicht herum: Das Zeitfenster für die Planung des SchmuttertalGymnasiums war sehr knapp bemessen. Da wir als Elektroplanungsbüro aus Leidenschaft immer bestmögliche Arbeit liefern wollen und „gut Ding nun Fazit einmal Weile braucht“, hätten wir uns für ein derartiges Das Gebäude ist mit überdurchschnittlich viel Steue- Forschungsprojekt etwas mehr Zeit für alle Planungsberungstechnik ausgestattet und es fragt sich, ob sich die teiligten gewünscht. Gerade bei uns Planern sollte ebenhohe Investition in Steuerungstechnik lohnt. Erwartet falls größter Wert auf „Nachhaltigkeit“ gelegt werden. wird, dass sich die Investiton in ca. 20 Jahren amortisiert. Auch wir haben Energien und Ressourcen, die es zu erNun ist das Gebäude von vielen Menschen auf vielfältige halten gilt, um für weitere spannende Projekte wieder Weise genutzt. Bauherr und Planer waren daher der ein- „energiegeladen“ zur Verfügung zu stehen. heitlichen Meinung, dass die notwendigen Einsparungen zur Realisierung eines Plusenergiehauses nicht durch Übertragung der Verantwortung auf die Nutzer erzielt werden kann. Gerade in einer Schule ist davon auszugehen, dass nicht alle Nutzer gleiches Verständnis für diese Anlage haben und ein weiteres Problem stellt der häufige Personalwechsel der Lehrkräfte dar. Gut Ding will Weile haben Eine integrative Planung ist sehr anspruchsvoll und sicher sinnvoll, aber auch sehr zeitintensiv. Sie funktioniert nur dann, wenn alle Planungsbüros untereinander ständig kommunizieren. Jeder muss immer auf dem neuesten Stand der momentanen Planung sein. Beispielsweise wird der Einsatz von besseren Produkten, die neu auf den Markt gekommen sind, diskutiert sowie gemeinsam nach Lösungen für aktuelle Probleme auf der Baustelle gesucht. Dies geschieht hauptsächlich durch Planerbesprechungen vor Ort, die oft an mehreren Wochentagen nötig sind und über mehrere Stunden gehen. Die Resultate müssen in Form von Planungsprotokollen sofort an die Teilnehmer verschickt werden, damit die nächsten Schritte zur Umsetzung des Besprochenen gleich eingeleitet werden können. Änderungen eines Gewerks führen meist dazu, dass auch alle anderen Büros ihre Pläne

Licht Bildung ins rechte Licht setzen heißt vor allem optimale Bereitstellung von Tageslicht. Konflikte mit dem Raumklima und tiefen Räumen gemäß neuer Pädagogik sind durch intelligente Planung auszubalancieren. Dank neuester Steuerungstechnik gelingt der Übergang von Tages- zu Kunstlicht unmerklich, und das Holz wird Element der Beleuchtungsatmosphäre. Robert Busch-Maas, Lumen3

128 129

Mit dem neuen Schulbau in Diedorf soll ein ambitioniertes Konzept baulich umgesetzt werden. Ein zukunftsfähiges Lernumfeld, aktiver Umweltschutz und nachhaltiger Holzbau sind grundlegende Ziele. Insbesondere das neue Lernumfeld mit unterschiedlichen Raumarten und flexibler Nutzung und die dafür notwendige Versorgung mit Tageslicht sowie die flexible Versorgung mit Kunstlicht sind Herausforderungen für die Lichtplanung. Besondere Anforderungen Im zukunftsfähigen Lernumfeld sollen Leben und Lernen einander ergänzen. Dafür geeignete Lern- und Lebensräume stellen hohe Ansprüche an eine gute Versorgung mit Tageslicht sowie ein darauf angepasstes Kunstlichtkonzept. Das für das Schmuttertal-Gymnasium in Diedorf vom Büro Lumen3 entwickelte Lichtkonzept reagiert auf die unterschiedlichen Anforderungen neuer Lernkonzepte und die besonderen Rahmenbedingungen des Holzbaus. Die Lichtplanung unterstützt die Umsetzung flexibler Unterrichtskonzepte und gewährleistet dabei jederzeit eine hohe Lichtqualität. Die höchste verwendbare Lichtqualität weist das Tageslicht auf. Es ist evolutionsbedingt ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Lebens und daher nicht nur ergonomisch, sondern auch gesundheitlich wertvoll. Deshalb ist eine ausreichende Versorgung mit Tageslicht auch für die Umsetzung des pädagogischen Konzepts und ­einer lebendigen Lernatmosphäre ein unerlässlicher Bestandteil. Ein Ziel des Projekts war, für die unterschiedlichen Raumnutzungen jeweils eine gute Versorgung mit Tageslicht sicherzustellen. Die Erhöhung des Tageslichtein­ trags führt zum einen zu einer Verbesserung der Nutzungsqualität und ermöglicht zum anderen, dass Energie für Kunstlicht durch früheres Ausschalten eingespart werden kann. Dies kommt wiederum dem sehr anspruchsvollen Energiekonzept der Schule zugute. Eine hohe Versorgung an Tageslicht verlangt nach vielen

großen Tageslichtöffnungen im Gebäude. Die Öffnung der Gebäudehülle birgt jedoch die Gefahr, dass zu viel Wärmestrahlung in das Gebäude tritt, die aufgrund der Klimaanforderungen des Plusenergiegebäudes nur äußerst gering sein darf. Generell gab es bei dieser Betrachtung zwei wesentliche Randbedingungen, die zwingend einzuhalten waren. Durch die klimatischen Vorgaben mussten alle Tageslichtsysteme einen g-Wert (Energiedurchlassgrad) von maximal 0,1 besitzen. Vereinfacht gesagt: Es darf nur diejenige Lichteinstrahlung in den Innenraum des Gebäudes gelangen, die „kühl“ ist und das energetische Ziel e­ ines hochwärmegedämmten Gebäudes nicht sprengt. Der Wärmeeintrag ins Gebäude ist unter allen Umständen zu minimieren, ohne dass die Räume zu dunkel werden! Außerdem sollten die verwendeten Tageslichtsysteme formal sehr schlicht sein und optisch in den Hintergrund treten. Tageslichtkonzept Der Zielkonflikt zwischen einem hohen Tageslichteintrag im Kontext der pädagogischen Anforderungen und der Minimierung der thermischen Belastungen in den Sommermonaten prägt die Lösungsansätze der Tageslichtplanung. Ein Teil der Lösung dieses Zielkonflikts besteht darin, die Tageslichtöffnungen auf ihre notwendige Größe zu minimieren. Ein weiterer Teil der Lösung ist die Verwendung geeigneter Tageslichtsysteme, die die Wärmelasten reduzieren, während sie möglichst gleichzeitig das gewünschte diffuse Tageslicht hindurch lassen. Grundsätzlich werden alle zur Fassade orientierten Räume durch vertikale Fensterflächen tagesbelichtet. In jeder Orientierung ist der Holzbau mit großzügigen Glasflächen ausgestattet, sei es in den Klassenräumen oder Treppenhäusern. Im Bereich dieser vertikalen Fensterflächen kommt als Sonnenschutz ein Lamellenraffstore zum Einsatz, der per Wetterstation abhängig von der Wetterlage gesteuert wird. Der Lamellenvorhang wird bei bedecktem Himmel komplett geöffnet, sodass auch die

Fenster für das Tageslicht geöffnet sind. Bei Sonnenschein werden seine Lamellen jeweils in einem dem Sonnenstand angepassten Winkel betrieben, sodass die Lamellen vor der direkten Sonnenstrahlung schützen und dennoch immer so weit geöffnet sind wie möglich, um zu jedem Zeitpunkt den größtmöglichen Tageslichteintrag hindurch zu lassen. Es wurde eine Winkelnachführgenauigkeit von alpha