Schädlingsbekämpfung in Museen: Wirkstoffe und Methoden am Beispiel des Ethnologischen Museums Berlin 1887-1936 [1 ed.] 9783412524623, 9783412524609

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Schädlingsbekämpfung in Museen: Wirkstoffe und Methoden am Beispiel des Ethnologischen Museums Berlin 1887-1936 [1 ed.]
 9783412524623, 9783412524609

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Helene Tello

SC HÄDLI NGSB EKÄMPFU NG I N MUSEEN Wirkstoffe und Methoden am Beispiel des Ethnologischen Museums Berlin 1887–1936

B Ö H L AU V E R L A G

W I E N KÖ L N

Zugl. Dissertation an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) unter dem Titel Schädlingsbekämpfung in Museen am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts – Modifizierung industrieller und Entwicklung eigener Methoden sowie Verbreitung und Einsatz der einzelnen Wirkstoffe, dargestellt am Beispiel des Ethnologischen Museums Berlin, 2020

Umschlagabbildung: Unter Verwendung des Deckblattes der Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Laufzeit 20.07.1887–31.12.1936. SMB-PK EM. I/MV 0075, Vol. 1, Pars II c. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2022 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress.

Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln Korrektorat: Dore Wilken Satz: Bettina Waringer, Wien

ISBN 978-3-412-52462-3



I N HALT

VO R WO RT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

1. EINLEITUNG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1 Definition von Schädlingsbekämpfungsmitteln. . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.2 Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 1.3 Forschungsstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.4 Quellenlage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.5 Methodisches Vorgehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.6 Gesellschaftliche und politische Strömungen vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 1.6.5 1.6.6 1.6.7

Die Bildung Preußens zum Nationalstaat und deren Konsequenzen für die Kulturpolitik. . . . . . . . . . . . . . . . Der Kolonialismus und seine Folgen. . . . . . . . . . . . . . . . Das Zeitalter der Industrialisierung. . . . . . . . . . . . . . . . Der Erste Weltkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Hygienebewegung als indirekte Folge der Industrialisierung und des Ersten Weltkrieges.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Entwicklung des Vorratsschutzes während der Industrialisierung und des Ersten Weltkrieges. . . . . . . . . . . Die Entwicklung des Pflanzenschutzes während der Industrialisierung und des Ersten Weltkrieges. . . . . . . . . . .

. . . .

30 33 38 43

. 47 . 53 . 59

6

Inhaltsverzeichnis

2 . KO N S E RV I E R U N G VO N K U LT U R G U T AU S O R G A N I S C H E N M AT E R I A L I E N Z U R VO R B E U G U N G G E G E N U N D B E K Ä M P F U N G VO N S C H A D I N S E K T E N I N M U S E A L E N S A M M L U N G E N. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 3 2.1 Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten .. . . . . . . . . . . . . . . . . 67 2.2 Bekämpfung von Textilschädlingen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 2.3 Bekämpfung von Schadinsekten an naturkundlichen Objekten. . . . . . . . .

71

2.4 Chemische Wirkstoffe und Mittel zum Schutz von Personen und Gütern auf Expeditionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.5 Humantoxische Wirkungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln. . . . . . . . 76 2.6 Eignungsprüfung von historischen Schädlingsbekämpfungsmitteln. . . . . . 83 2.7 Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln. . . . . . . . . . 87

3 . S A M M E L N U N D B E WA H R E N I N B E R L I N E R M U S E E N I M V E R L AU F D E S 1 9 . B I S Z U M B E G I N N D E S 2 0.  JA H R H U N D E RT S . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 0 3.1 Die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin. . . . . . . . . . . .





3.1.1 Forschungs- und Expeditionsreisen. . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Forscher und Abenteurer.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.3 Händler für Ethnografica. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.4 Klimatische Bedingungen und Schädlingsbefall in den Ursprungsländern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.5 Die Lagerungsbedingungen des Königlichen Museums für Völkerkunde am Standort Königgrätzer Straße und in Berlin-Dahlem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.6 Mitarbeiter des Königlichen Museums für Völkerkunde mit konservatorischen und restauratorischen Aufgaben.. . . . . .

. . . . . .

101 105 108 111

. .

113

. .

115

. .

118

Inhaltsverzeichnis

7

3.2 Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/ Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin und im Chemischen Laboratorium der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin. . . . . . . . .





3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.5

Wissenstransfer und Produktanwendung aus Industrie, Gewerbe und Handel im Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklungen und Experimente zur Schädlingsbekämpfung bei den Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin.. . . . . . . . Wissensaustausch zur Schädlingsbekämpfung von Museen auf nationaler und internationaler Ebene. . . . . . . . . Aufbau von Anlagen zur Massenbegasung gegen Schadinsekten.. Verbreitung des Wissens innerhalb der Museen. . . . . . . . . .

123

124 142 162 166 180

3.3 Anordnungen für den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln am Ethnologischen Museum Berlin vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192

3.4 Konsequenzen des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts am Ethnologischen Museum Berlin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

194

3.5 Durchführung von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen im nationalen und internationalen Kontext vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .



3.5.1 3.5.2 3.5.3

Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung in vergleichbaren deutschen Museen. . . . . . . . . . . . . . . . Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung in vergleichbaren europäischen Museen. . . . . . . . . . . . . . Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung in vergleichbaren Museen und kulturellen Einrichtungen in den USA und in Kanada. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

198 198 204

217

4 . SCH LUSSBETRACHTUNG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

8

Inhaltsverzeichnis

5 . A N H A N G. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 3 5 5.1 Literaturverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235

5.2 Verzeichnis der Tabellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

263

5.3 Verzeichnis und Nachweise der Abbildungen. . . . . . . . . . . . . . . .

264

5.4 Organische Materialien in Museen und die wichtigsten Schadinsekten. . . .

266

5.5 Dekontaminationsverfahren für biozidbelastetes Kulturgut und ihre Bewertung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

269

5.6 Chronologische Übersicht von Mitarbeitern der Generalverwaltung bei den Königlichen und ab 1918 bei den Staatlichen Museen zu Berlin in der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. . . . . . . . . . .

274

5.7 Chronologische Übersicht von Mitarbeitern am Königlichen und ab 1918 am Staatlichen Museum zu Berlin von der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

276

5.8 Glossar .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

280

5.9 Abkürzungen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

319

5.10 Abkürzungen der Archive. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

320

5.11 English Summary. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

321

5.12 Danksagung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5.13 Register. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VO RWO RT

Das Interesse an der Thematik der Schädlingsbekämpfungsmittel in musealen Sammlungen begann mit der Tätigkeit der Verfasserin1 am Ethnologischen Museum bei den Staatlichen Museen zu Berlin Ende der 1990er Jahre. Aus der Holzrestaurierung kommend, betreute sie bis Juni 2020 als Restauratorin in der Studiensammlung der Amerikanischen Ethnologie ca. 70.000 Objekte. Die Gegenstände stammten geografisch betrachtet nördlich aus Alaska bis südlich nach Patagonien und waren auf unterschiedlichen Wegen nach Berlin gelangt. Verstaut in einer Vielzahl von Schränken, teils völlig überfüllt, zeigen diese Objekte aus Nord- und Südamerika eine hohe Diversität von Materialien, deren chemische und physikalische Eigenschaften zunächst studiert und verstanden werden mussten. Zu den vorwiegend organischen Materialien zählen Holz, Pflanzenfasern, Federn, Felle, Häute, Leder, Wolle, Baumwolle sowie Arbeiten auf Papier und historische Archivalien. So ist beispielsweise das Wissen um das Strukturprotein bei Federn für deren Stabilität und Lichtempfindlichkeit oder das spezielle Gerben von Rohhäuten zu Leder sowie deren weitere Verarbeitung stete Voraussetzung für eine sach- und fachgerechte Konservierung von ethnologischen Objekten. Eine weitere Besonderheit stellen Bemalungen auf ethnologischen Sammlungsgegenständen dar, da diese oftmals ungebunden direkt auf Holz, Pflanzenfasern, Häute oder Leder aufgetragen wurden und dadurch sehr empfindlich sind. Alle Objekte aus organischen Materialien sind aufgrund ihrer Materialeigenschaften gegenüber pflanzlichen und tierischen Schädlingen sowie durch Schimmelpilze einer steten Gefährdung ausgesetzt. In der betreuten Sammlung entfaltete sich beim Öffnen der Schränke ein unbekannter Geruch, der zum einen stechend, beißend, aber auch muffig süßlich anmutete. Auf den Einlegeböden der Schränke fanden sich neben den Objekten leere Joghurtbecher sowie Blechdosen von Pfeifentabak. Hin und wieder wurden diese Behältnisse vom damaligen Depotverwalter der Sammlung mit synthetischem Campher gefüllt, der präventiv gegen Schadinsekten eingesetzt wurde. Der Depotverwalter war im April 1998 von seinem bisherigen Arbeitsplatz aus der Sammlung 1

Die Verfasserin ist sich darüber im Klaren, dass die übliche Form von bezeichnenden Substantiven nicht geschlechtsneutral ist, sondern die beschriebenen oder angesprochenen Subjekte damit indirekt immer wieder männlich konnotiert sind. Wenn im folgenden Text trotzdem darauf verzichtet wird, umständliche Geschlechtsmarkierungen vorzunehmen, geschieht dies ausschließlich im Sinne leichterer und flüssigerer Lesbarkeit und soll keineswegs eine Gleichgültigkeit gegenüber notwendiger Geschlechtergerechtigkeit im Berufsfeld ausdrücken.

10

Vorwort

der Amerikanischen Archäologie in die Sammlung der Amerikanischen Ethnologie versetzt worden. Der Arbeitsplatztausch musste erfolgen, da sein Vorgänger in der Sammlung der Amerikanischen Ethnologie aufgrund einer persönlichen Disposition beim Einatmen des beißenden Geruchs von Campher gesundheitliche Beeinträchtigungen erlitt. Nach eingehender betriebsärztlicher Untersuchung betreute er fortan die Studiensammlung der Amerikanischen Archäologie. Es war ein glücklicher Umstand, dass in dieser Zeit der Chemiker Dr. Achim Unger am Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen tätig war. Durch ihn erfuhr die Verfasserin, dass ihre Vorgängerin im Amt immer wieder über diffuse gesundheitliche Probleme geklagt hatte, die sie persönlich ausschließlich auf die vom Ethnologischen Museum betriebene Begasungsanlage zur Entwesung von Sammlungsobjekten zurückführte. Erste Untersuchungen von Materialproben einzelner Objekte führten bald zu der Erkenntnis, dass Sammlungsgegenstände mit diversen Schadstoffen belastet waren und nicht nur giftige Substanzen wie synthetischer Campher oder das Begasungsmittel Illo-Spezial-T in der hauseigenen Entwesungsanlage zur Bekämpfung eingesetzt worden waren. Die naturwissenschaftlichen Untersuchungen im Rathgen-Forschungslabor lieferten ergänzend dazu die ersten Hinweise auf vorhandene Schwermetalle und chlororganische Verbindungen. Am Ende umfangreicher Messungen in den Jahren 2001 bis 2006 von Luft, Stäuben und Materialien der Sammlungsobjekte stand das Museum vor der unabweisbaren Tatsache, dass eine große Anzahl der Sammlungsgegenstände über einen sehr langen Zeitraum mit unterschiedlichen Wirkstoffen behandelt und dadurch kontaminiert worden war. Während eines dreijährigen Forschungsprojektes der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) hatte das Team um Dr. Unger Ende der 1990er Jahre bereits erfolgreich Objekte aus Holz dekontaminiert.2 U. a. wurde der Nachweis erbracht, dass es möglich ist, bestimmte Holzschutzmittel mit Hilfe von Fluiden, in diesem Fall mit superkritischem Kohlenstoffdioxid (SC-CO₂), aus Holzobjekten schonend zu entfernen. In einem Nachfolgeprojekt wurde daraufhin das Ethnologische Museum im Jahre 2003 mit in die Untersuchungen einbezogen.3 Für zwei Experimente in 2

3

Dekontaminierung öliger, chlorkohlenwasserstoffhaltiger Holzschutz- und Holzfestigungsmittel aus musealen und denkmalgeschützten Objekten. Abschlussbericht zum Projekt gefördert unter dem Aktenzeichen 08118 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Projektgruppe unter der Leitung von Dr. Achim Unger, Berlin, August 2000. Detoxifizierung Holzschutzmittel belasteter national wertvoller Kunstobjekte mit Farbfassungen und Oberflächenveredelungsschichten am Beispiel des Epitaphs von Döben und des Heiligen Grabes des Stiftes Neuzelle. Abschlussbericht zum Projekt gefördert unter dem Aktenzeichen 17314 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, Projektgruppe unter der Leitung von Dr. Achim Unger, Berlin, September 2003.

Vorwort

11

mit SC-CO₂ betriebenen Versuchsanlagen wurden ca. sechzig verschiedene Objekte und Materialien, die überwiegend aus dem ethnologischen Bereich stammten, ausgewählt. Die Auswertung der Versuchsergebnisse erfolgte im Jahr 2006 in der Diplomarbeit der Verfasserin.4 In der Folgezeit wurden in zahlreichen Publikationen und Vorträgen die erzielten Forschungsergebnisse vorgestellt und weiterverbreitet. Dabei zeigte sich, dass auch an anderen Stellen auf nationaler und internationaler Ebene nach Wegen gesucht wurde, um Kulturgüter zu entgiften bzw. die von ihnen ausgehenden gesundheitlichen Gefahren zu minimieren. Die Beschäftigung mit musealen Objekten, welche durch ehemals angewandte Biozide kontaminiert worden waren, führte unweigerlich zu der Frage, woher die einstigen Mitarbeiter des Ethnologischen Museums und des Rathgen-Forschungslabors in den Gründungsjahren des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde ihre Wirkstoffe und Mittel zur Vorbeugung und zur Bekämpfung von Schadinsekten bezogen hatten. Sowohl ein Fachpublikum wie auch interessierte Leser erhalten so die Möglichkeit, die Schädlingsbekämpfung in musealen Sammlungen und die damit verbundenen Auswirkungen detaillierter betrachten zu können. Gleichermaßen wird mit den vorliegenden Untersuchungen ein Beitrag zur Sammlungspflege für gegenwärtige und zukünftige Generationen von Kuratoren, Restauratoren und Sammlungsverwaltern geleistet. Diese Berufsgruppen sind oftmals gesundheitsgefährdenden Belastungen, die von musealen Sammlungsgegenständen durch ehemals eingebrachte Wirkstoffe und Mittel zur Schädlingsbekämpfung ausgehen, ausgesetzt. Durch Erweiterung des eigenen Wissens kann fortan ein sorgsamerer Umgang mit den anvertrauten Objekten gepflegt werden. In diesem Zusammenhang wird es als positives Signal verstanden, dass sich die Methode des giftfreien Integrated Pest Management (IPM)5 zum Schutz vor Schadorganismen an musealen Objekten zunehmend in Museen etabliert hat.

4

5

Tello 2006: Tello, Helene, Investigations on Super Fluid Extraction (SFE) with Carbon Dioxide on Ethnological Materials and Objects Contaminated with Pesticides. Diplomarbeit. Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, Berlin. Fachbereich 5, Gestaltung, Studiengang Restaurierung/Grabungstechnik, 1–208. Der englische Begriff Integrated Pest Management (IPM) bezeichnet die ganzheitliche Betrachtung der Schädlingsproblematik in einer Institution. Dabei soll durch vorbeugende Maßnahmen ein Schädlingsbefall verhindert, die Räumlichkeiten hinsichtlich eines weiteren Befalls durch Monitoring überwacht werden und ggf. bekämpft werden (Vgl. hierzu: © 2010 Prev art GmbH, Konzepte für die Kulturgütererhaltung – Museumsplaner, CH-8405 Winterthur, www.prevart.ch, Integrated Pestmanagement (IPM), online verfügbar unter http://www.cwaller.de/didaktik_ipm/prevart.ch_ipm.pdf, 1 (Zugriff: 02.02.2019).



1 . E I N L E ITU N G

In der transdisziplinär angelegten Dissertation wird in einer Langzeitstudie auf der Handlungsebene erstmalig für das ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert die Geschichte des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln am ehemaligen Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin, dem heutigen Ethnologischen Museum zu Berlin, rekonstruiert. Die Gründung des Museums erfolgte im Jahr 1873 und basiert auf einem in der Aufklärung entstandenen Erkenntnisinteresse. Folgt man an dieser Stelle Jürgen Osterhammel, so wurden „die intellektuellen Grundlagen der Moderne“ spätestens in der Aufklärung gelegt.1 Dieser Umstand sowie die Heranbildung von Nationalstaaten bilden deshalb den historischen Ausgangspunkt und die Basis für die Einordnung der Institution Museum auf der theoretischen Ebene. Die prunkvolle Eröffnung des Gebäudes in der Königgrätzer Straße 110 in Berlin-Mitte fand dann im Jahr 1886 statt.2 Weitere Anregungen für die vorliegenden Untersuchungen entfalteten sich durch die Debatten um den Neokolonialismus und die Kolonialität. Sie waren wegweisend für die Einbettung des Museums in den gesamtgesellschaftlichen und politischen Kontext des Untersuchungszeitraums. Die Beschäftigung mit dem deutschen Kolonialismus und mit der europäischen Expansion führte zu Autoren wie Fröhlich (1994) und Pelizaeus (2008), die hier beispielhaft erwähnt werden.3 Sowohl der Kolonialismus wie auch die beginnende Auflösung der Kolonialreiche (Ansprenger 1981)4 waren entscheidende Auslöser für eine fast grenzenlose Sammlungspolitik in Preußen, mit erheblichen Konsequenzen für die Sammlungsgegenstände im damaligen Museum. Ziel dieser systematisch und theoretisch basierten Forschungsarbeit ist es also, Fragen der Konservierung ethnologischer Objekte innerhalb eines erweiterten Kontextes zu betrachten. Dadurch gelingt es, sonst voneinander getrennt agierende wissen1 2 3

4

Osterhammel 2016: Osterhammel, Jürgen. Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts. 2. Aufl. der Sonderausgabe, 2016. München: C. H. Beck (Historische Bibliothek der Gerda-Henkel-Stiftung), 1282. Westphal-Hellbusch 1973: Westphal-Hellbusch, Sigrid. Zur Geschichte des Museums. Hundert Jahre Museum für Völkerkunde. In: Baessler-Archiv, 1973, Neue Folge, XXI, 1; 14. Fröhlich 1994: Fröhlich, Michael. Imperialismus. Deutsche Kolonial- und Weltpolitik 1880–1914. Orig.-Ausg. München: Dt. Taschenbuch-Verl. (dtv, 4509); Pelizaeus 2008: Pelizaeus, Ludolf. Der Kolonialismus. Geschichte der europäischen Expansion. Wiesbaden: Marix-Verlag (Marixwissen). Ansprenger 1981: Ansprenger, Franz. Auflösung der Kolonialreiche. 4., durchges. u. erw. Aufl. München: Dt. Taschenbuchverl. (dtv, 4013).

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Einleitung

schaftliche Fachdisziplinen miteinander zu verbinden. Die theoretische Rahmung erlaubt darüber hinaus eine fundierte Betrachtungsweise. Sie gibt tiefe kultur- und sozialpolitische Einblicke in die Verknüpfung von Staatswesen und kulturellen wie auch naturwissenschaftlichen Einrichtungen. Die sich parallel manifestierende und erstarkende chemische Industrie nährte nicht nur den allgegenwärtig herrschenden Fortschrittsglauben, sondern verzahnte sich mit dem Staat und seinen Einrichtungen. Wir begegnen also den typischen Phänomenen der Moderne in Form von wissenschaftlich-technischem Fortschritt, einer Verwissenschaftlichung von Technik und einem damit einhergehenden Expertentum, einer auf Effizienz und Masse ausgerichteten Forst- und Landwirtschaft sowie einem tiefen sozialen Wandel innerhalb der Bevölkerung als Folge einer Urbanisierung durch das industrielle Zeitalter. Hierin verortet sich die eigene, ausschlaggebende Sichtweise. Sie findet ihren Widerhall bei Stefan Zweig, wenn er kritisch kommentiert: Dieser Glaube an den ununterbrochenen, unaufhaltsamen ‚Fortschritt‘ hatte für jenes Zeitalter wahrhaftig die Kraft einer Religion; man glaubte an diesen ‚Fortschritt‘ schon mehr als an die Bibel, und sein Evangelium schien unumstößlich bewiesen durch die täglich neuen Wunder der Wissenschaft und der Technik.5

Fortschrittsglaube und der Wunsch nach bedingungslosem Wachstum brachten jedoch Kritiker wie Friedrich Nietzsche und in der neueren Geschichte Max Horkheimer, Theodor Adorno sowie Jürgen Habermas hervor.6 Sie sind hier beispielhaft als Protagonisten der modernen Fortschrittskritik angeführt, die ein unbegrenztes Wachstum von Gesellschaften in Frage stellten.7 Auf diesen theoretischen Grundlagen tritt nun die eigene kritische Perspektive hervor, die zu den Leitfragen der vorliegenden Arbeit führt: Wie gelangten die 5 6

7

Zweig 2007: Zweig, Stefan. Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, Frankfurt am Main 2007, 26. Nietzsche 2020: Nietzsche, Friedrich. Der Antichrist. 1. Aufl. Hg. v. Gerald-Hermann Monnheim. Berlin: epubli; Adorno 1995: Adorno, Theodor W. Ästhetische Theorie. 13. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft); Horkheimer und Adorno 2017: Horkheimer, Max; Adorno, Theodor W. Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. 23. Aufl., ungekürzte Ausgabe. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag (Fischer-Taschenbücher Fischer Wissenschaft, 7404); Habermas 1993: Habermas, Jürgen. Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen. 4. Aufl. Frankfurt am Main: Suhrkamp (Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft). Mäder 2014: Mäder, Denis. Wider die Fortschrittskritik. Mit einem Appendix zum Fortschritt als Human Enhancement. In: Momentum Quarterly. Zeitschrift für Sozialen Fortschritt, 2014, (3), 191.

Definition von Schädlingsbekämpfungsmitteln

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damaligen Museumsmitarbeiter zu dem Wissen, welche verfügbaren Schädlingsbekämpfungsmittel auch für Kunst- und Kulturgüter geeignet waren? Gab es die Möglichkeit, eigene Forschung zu betreiben, um gezielt Wirkstoffe zu finden, die den Erfordernissen von musealen Objekten entsprachen? Waren räumlich, zeitlich oder auch finanziell Möglichkeiten gegeben, eigene Methoden und Verfahren zu entwickeln? Letztendlich geht es auch um die Fragen, wer die Anweisungen für den Einsatz der unterschiedlichen Mittel gab und wer die angeordneten Maßnahmen ausführte. Im Folgenden wird versucht, auf diese zentralen Fragen Antworten zu finden. Insbesondere geht es um die praktische Anwendung unterschiedlicher Wirkstoffe und Mittel an ethnologischen und naturkundlichen Sammlungsgegenständen während des Sammelns, der Aufbewahrung, der Präsentation sowie der Konservierung aus restauratorischer Sicht. Zu Beginn werden dazu die unterschiedlichen Substanzen zur Schädlingsbekämpfung hinsichtlich ihrer chemischen und physikalischen Zusammensetzung, ihrer Wirkungsweise sowie ihrer humantoxischen Auswirkungen erläutert.

1.1 Definition von Schädlingsbekämpfungsmitteln An dieser Stelle ergibt sich eine besondere Schwierigkeit, da sich am Ende des 19. Jahrhunderts die verwendete nationale (deutsche) chemische Nomenklatur in Abhängigkeit zur sich entwickelnden Chemie änderte. Bis zum Anfang der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde dann die internationale chemische Nomenklatur übernommen. Irritationen, die beim Leser durch die Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen für ein und dieselbe Substanz entstehen können, werden durch ein umfangreiches Glossar (Kapitel 5.8) aufgefangen. Das Wort ‚Biozide‘ wurde erst in der neueren naturwissenschaftlichen Literatur gebräuchlich, wobei eine genaue zeitliche Einordnung für die Einführung des Wortes nicht nachgewiesen werden konnte. Nach der heute gültigen Biozid-Verordnung der Europäischen Union sind Biozide und Biozidprodukte dort in Artikel 3 Absatz 1 a) definiert in jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch in der Form, in der er/es zum Verwender gelangt, und der/das aus einem oder mehreren Wirkstoffen besteht, diese enthält oder erzeugt, der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen,

16

Einleitung

und in jeglichen Stoff oder jegliches Gemisch, der/das aus Stoffen oder Gemischen erzeugt wird, die selbst nicht unter den ersten Gedankenstrich fallen und der/das dazu bestimmt ist, auf andere Art als durch bloße physikalische oder mechanische Einwirkung Schadorganismen zu zerstören, abzuschrecken, unschädlich zu machen, ihre Wirkung zu verhindern oder sie in anderer Weise zu bekämpfen.8

Biozide oder Schädlingsbekämpfungsmittel sind oftmals wasserunlöslich und können dadurch in der Umwelt, beim Menschen sowie an Objekten und Materialien langanhaltende Schädigungen hervorrufen. Hinsichtlich ihrer Wirkung unterscheidet man, ob ein Wirkstoff oder ein Mittel vorbeugend oder zur Bekämpfung eingesetzt werden kann. Des Weiteren wird unterteilt in Atemgifte, die aus der Luft aufgenommen werden, in Fraßgifte, die über die Nahrung aufgenommen werden, in Kontakt- und Nervengifte, die über die Haut aufgenommen werden und in Vergrämungs- oder Abschreckmittel, die meist über den Geruchssinn wahrgenommen werden. Unter dem Begriff Wirkstoffe versteht man Substanzen, die in einem Organismus eine spezifische Wirkung haben bzw. eine spezifische Reaktion hervorrufen. Sie sind wirksame Bestandteile von allen Pflanzenschutzmitteln, Schädlingsbekämpfungsmitteln sowie von Vergrämungsmitteln und liegen zur Vorbeugung wie auch zur Bekämpfung von Schadinsekten in gasförmigem, flüssigem oder festem Aggregatzustand vor. Die Möglichkeiten ihrer Anwendung sind mannigfaltig. Je nach Wirkstoff oder Mittel kann geräuchert, vernebelt, verdampft, begast, verstäubt, verstreut, eingepinselt, eingerieben sowie komplett getränkt werden. Wichtige Vertreter von Wirkstoffen zur Schädlingsbekämpfung im untersuchten Zeitraum des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts sind Blausäure (heute: Cyanwasserstoff; siehe Glossar), Schwefelkohlenstoff (heute: Kohlenstoffdisulfid; siehe Glossar) und Tetrachlorkohlenstoff (heute: Tetrachlormethan; siehe Glossar). Bei Zimmertemperatur sind diese Wirkstoffe in ihrem Aggregatzustand flüssig. Da sie aber sehr flüchtig sind, konnten sie auch in Dampfform und dadurch zur Begasung eingesetzt werden. Obwohl diese Substanzen keine vorbeugende Wirkung haben, weil sie normalerweise wieder aus organischen Materialien entweichen, ist es durchaus möglich, dass ihre Reste teilweise über Jahre in musealen Objekten 8

Das europäische Parlament und der Rat der europäischen Union 27.06.2012. Biozidproduktarten und ihre Beschreibung vom 22.05.2012 gemäß Artikel 2 Absatz 1; Anhang V der Biozid-Verordnung (EU) Nr. 528/2012, (EU) Nr. 528/2012. In: Amtsblatt der europäischen Union, L 167/1 vom 27. Juni 2012, 6.

Definition von Schädlingsbekämpfungsmitteln

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inkludiert bleiben. Insbesondere bei reaktiven Begasungsmitteln wie Cyanwasserstoff besteht der Verdacht, dass sich infolge chemischer Reaktionen Reste in organischen Materialien befinden ebenso wie die Reste von flüchtigen Feststoffen wie 1,4-Dichlorbenzol (Globol), Campher und Naphthalin, die langsam in die Umgebung sublimieren. Wirkstoffe und Mittel zur Schädlingsbekämpfung können sich des Weiteren in Zubereitungen befinden. Darunter versteht man eine Rezeptur, worin bestimmte Grundstoffe nach einem vorgegebenen Verfahren zu einem Produkt vereinigt werden. Diese Zubereitungen können aus Gemengen, Gemischen oder Lösungen bestehen. Den Gemengen liegen in der Regel granulare Materialien zugrunde, welche sich nicht homogen vermischen lassen, da sie sonst ihre Funktion verlieren würden. Ein Beispiel für ein Gemenge stellt gebeiztes Saatgut dar, welches vermischt mit einem Fungizid eine pilzabtötende Wirkung erlangt. Für Gemische werden mindestens zwei Reinstoffe benötigt, welche sich nach dem Grad der Vermischung in homogene, wo sie auf molekularer Ebene gemischt sind, sowie in heterogene, bei der die Gemische in klar abgegrenzten Phasen vorliegen, unterteilt sind. Die nach unterschiedlichen Rezepturen zusammengesetzte Arsenseife stellt ein Gemisch dar, welches in fester Form verarbeitet wurde. Eulan-Präparate und Petroleum hingegen liegen als Gemische in flüssiger Form vor. Unter einer Lösung versteht man in der Chemie ein homogenes Gemisch von mindestens zwei Stoffen, deren Auflösung physikalisch geschieht. Äußerlich sind Lösungen als solche nicht erkennbar, da sie nur eine homogene Phase bilden. In ihr können Moleküle, Atome oder Ionen homogen und statistisch verteilt sein. Schwermetallhaltige Wirkstoffe wie Kalium- und Natriumarsenat, Arsen(III)-oxid (Arsenik) und Quecksilber(II)-chlorid (Sublimat) wurden als Lösungen verwendet. Nach dem Verdunsten der Lösemittel verbleiben die Wirkstoffe in den zu schützenden Materialien als Feststoffe und stellen dadurch eine dauerhafte Gefährdung für den Menschen dar. Allen Schädlingsbekämpfungsmitteln ist gemein, dass sie physikalisch, chemisch oder mechanisch einwirken. Dadurch schrecken sie tierische oder pflanzliche Schadorganismen sowie Schimmelpilze ab. Sie machen sie unschädlich, verhindern ihre Wirkung, sie zerstören sie oder sie bekämpfen sie in anderer Weise. Je nach dem Zweck ihrer Anwendung werden diese Wirkstoffe unterteilt in Desinfektionsmittel zur Bekämpfung krankmachender Mikroorganismen, in Schädlingsbekämpfungsmittel sowie in sonstige Biozidprodukte.9 Für den untersuchten Zeitraum des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wird im Weiteren der damals geläufige Begriff der Schädlingsbekämpfungsmittel verwendet.

9

Ebd. Anhang V, 142–144.

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Einleitung

Wirkstoffe und Mittel zur Vorbeugung und Bekämpfung von Mikroorganismen wie Bakterien und Schimmelpilze werden in diesem Kontext nur am Rande diskutiert, da ihr Wachstum an eine erhöhte Materialfeuchtigkeit gebunden ist. In Museen hingegen wird ein gleichbleibendes Klima angestrebt, wodurch diesen Kleinstlebewesen die erforderlichen Wachstumsbedingungen in der Regel fehlen. Zweifellos waren Mikroorganismen aber in tropischen Gebieten wie auch auf langandauernden Schiffstransporten von Übersee nach Europa vielfach ein Problem für die heutigen Museumsobjekte in ethnologischen Sammlungen. Anders verhält es sich mit tierischen Schadinsekten. Außereuropäische Schadinsekten wurden von Übersee mit den Objekten nach Europa eingeschleppt. Diese sowie einheimische Spezies konnten sich oftmals den klimatischen Bedingungen in musealen Sammlungen anpassen und dort ungehindert vermehren. Die Frage nach der gegenwärtigen Bedeutung von ehemals eingesetzten Schädlingsbekämpfungs- und Vorbeugungsmitteln in musealen Sammlungen kann nur beantwortet werden, wenn über ihre Verbreitung und Anwendung im Untersuchungszeitraum Klarheit besteht.

1.2 Problemstellung Die Folgen des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln in musealen Sammlungen sind aufgrund ihrer Persistenz mittlerweile unübersehbar und vielerorts belegt. Zahlreiche Objekte sind durch eben diese Wirkstoffe und Mittel kontaminiert und dadurch für die restauratorische und wissenschaftliche Bearbeitung, die Vermittlung im Rahmen von Ausstellungen sowie für den externen Leihverkehr schwer zugänglich. Aus Gründen der Arbeitssicherheit während des Umgangs mit von Schädlingsbekämpfungsmitteln belasteten Objekten ist das Tragen persönlicher Schutzkleidung für internes und externes Personal daher unverzichtbar geworden. Diese Tatsache hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Museen dazu bewegt, für die Entwesung von Sammlungsgegenständen chemiefreie Verfahren wie das Integrated Pest Management (IPM) einzuführen (siehe hierzu Fußnote 5 im Vorwort). Gleichermaßen gewachsen sind zahlreiche Bestrebungen, die von den Objekten ausgehenden Gefahren zu minimieren und geeignete Maßnahmen zur Sanierung und zur Dekontamination des mit Schädlingsbekämpfungsmitteln belasteten Sammlungsgutes zu erforschen und zu entwickeln (siehe hierzu Tabelle 9 in Kapitel 5.5). Bereits in der Einleitung wird darauf hingewiesen, dass die Verbreitung und der Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung in musealen Sammlungen im Untersuchungszeitraum sich erst durch die Betrachtung des Themas in einem erweiterten, geschichtlichen Kontext erschließt. Fundamental und als wegweisend für die Erforschung geeigneter Substanzen werden im Folgenden

Problemstellung

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die Bildung von Nationalstaaten,10 der Kolonialismus,11 die Industrialisierung,12 der Erste Weltkrieg13 sowie die daraus entstandene und breit angelegte Hygienebewegung14 gesehen. So wurden beispielsweise im ausgehenden 19. Jahrhundert aus den Tropen exotische Spezies wie die San-José-Schildlaus nach Deutschland und Europa eingeschleppt, für deren Bekämpfung neue Methoden und Mittel erst entwickelt werden mussten.15 Auch eine immer stärker werdende Industrie zog viele Menschen auf der Suche nach Arbeit in Städte, wo sie mitunter auf engem Raum unter katastrophalen Umständen zusammenleben mussten. Schlechte hygienische Bedingungen ließen in der Folge Krankheiten und Seuchen epidemische Ausmaße annehmen,16 für deren Bekämpfung geeignete Mittel gefunden werden mussten. Auch die Ernährung weiter Teile der Bevölkerung in den Metropolen war als Folge der Industrialisierung nicht sichergestellt, da die Erträge von Land- und Forstwirtschaft durch den Befall von Insekten immer wieder stark gefährdet wurden.17 Probleme hinsichtlich der Gesundheit und Hygiene verstärkten sich während des Ersten Weltkriegs zusätzlich durch die Verlausung von Soldaten und Kriegsgefangenen auf den Kriegsschauplätzen sowie in den Gefangenenlagern.18 Es ist zeitlich mitunter schwer abzugrenzen, wann in diesem Zusammenhang gasförmige Mittel erforscht und entwickelt 10 Anderson 1998: Anderson, Benedict. Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts. Erw. Ausg. Berlin: Ullstein (Ullstein-Buch Propyläen-Taschenbuch, 26529). 11 Vgl. Pelizaeus 2008. 12 Klemm 1989: Klemm, Friedrich. Geschichte der Technik. Der Mensch und seine Erfindungen im Bereich des Abendlandes. Orig.-Ausg. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (rororo, 7714). 13 März 2014: März, Peter. Nach der Urkatastrophe. Deutschland, Europa und der Erste Weltkrieg. Köln, Berlin: Böhlau. 14 Münch 1995: Münch, Ragnhild. Gesundheitswesen im 18. und 19. Jahrhundert. Das Berliner Beispiel. Freie Univ., Diss. u.d.T.: Münch, Ragnhild: Öffentliches Gesundheitswesen und soziale Fürsorge in Berlin zwischen staatlicher Repression und Reformkonzepten (18. und 19. Jahrhundert), Berlin, 1992. Berlin: Akad.-Verl. (Publikationen der Historischen Kommission zu Berlin). Online verfügbar unter http://www.gbv.de/dms/ faz-rez/F19950902ROST1--100.pdf (Zugriff: 27.10.2021). 15 Jansen 2003: Jansen, Sarah. „Schädlinge“. Geschichte eines wissenschaftlichen und politischen Konstrukts 1840–1920. Techn. Univ., Diss. Braunschweig, 1997. Frankfurt am Main: Campus-Verl. (Campus historische Studien, 25) 29–32. Online verfügbar unter http://www.gbv.de/dms/faz-rez/FD1200307281954595.pdf, 191–249 (Zugriff: 27.10.2021). 16 Evans 1991: Evans, Richard John. Tod in Hamburg. Stadt, Gesellschaft und Politik in den Cholera-Jahren 1830–1910. 4.–5. Tsd. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. 17 Vgl. Jansen 2003, 39–90. 18 Rauchensteiner und Broukal 2015: Rauchensteiner, Manfried; Broukal, Josef. Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918. In aller Kürze. Wien, Köln, Weimar: Böhlau Verlag, 191–202.

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Einleitung

wurden. Sie fanden sowohl für zivile Zwecke zur Bekämpfung von Schadinsekten wie auch auf militärischem Gebiet zur Bekämpfung von Feinden im sogenannten „Gaskrieg“ ihre Anwendung.19 Vor diesem Hintergrund und eingebettet in den skizzierten geschichtlichen Kontext werden kulturelle Einrichtungen hinsichtlich ihrer Strategien und Möglichkeiten zum Erhalt von Sammlungsgegenständen aus organischem Material untersucht. Die begriffliche Wandlung vom Insekt zum Schädling erfährt innerhalb dieses theoretischen Rahmens einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert. Sarah Jansen hat in ihrer Dissertation „Schädlinge“. Geschichte eines wissenschaftlichen und politischen Konstrukts 1840–1920 umfassend diskutiert und nachgewiesen, dass Insekten in dem von ihr untersuchten Zeitraum durch „sprachliche und nicht-sprachliche Praktiken“ u.a. zum Feind einer stärker rationalisierten Forst- und Landwirtschaft erklärt wurden.20 Die Begriffe des Schädlings und der Schädlingsbekämpfungsmittel haben sich dabei „untrennbar voneinander entwickelt“21 und sind bis heute in ihrer Bedeutung erhalten geblieben. Für die Erforschung hinsichtlich der für zivile sowie für militärische Zwecke entwickelten Schädlingsbekämpfungsmittel und ihrer Adaption in kulturelle Einrichtungen werden aus den vorhandenen Quellen Informationsgrundlagen ermittelt. Sie bilden das Grundgerüst für eine Rekonstruktion der im Ethnologischen Museum zu Berlin angewandten Wirkstoffe und Mittel.

1.3 Forschungsstand Zu Beginn der Untersuchungen fanden sich nur wenige Hinweise für die Anwendung industriell hergestellter Mittel in musealen Sammlungen. Friedrich Rathgen empfiehlt beispielsweise in seinem Manual über Die Konservierung von Altertumsfunden mit Berücksichtigung ethnographischer und kunstgewerblicher Sammlungsgegenstände die vorbeugende Schädlingsbekämpfung von Fellen mit der „Becouerschen Arsenikseife“ und gibt in einer Fußnote dazu die Bezugsquelle „C. R. Schering, Berlin N., Chausseestr. 24“, an.22 Dass Industrie und Handel an der Erschließung neuer Absatzmärkte für Schädlingsbekämpfungsmittel durchaus interessiert waren, zeigt 19 20 21 22

Vgl. Jansen 2003, 335–365. Ebd., 378. Ebd., 379. Rathgen 1924: Rathgen, Friedrich. Die Konservierung von Altertumsfunden. Mit Berücksichtigung ethnographischer und kunstgewerblicher Sammlungsgegenstände. 2. Aufl. Berlin, Leipzig: Walter de Gruyter & Co. (Handbücher der Staatlichen Museen zu Berlin, II. und III. Teil), 162–163.

Forschungsstand

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sich in einem Beitrag der Zeitschrift Museumskunde aus dem Jahr 1937. Darin wirbt Erich Titschak, der als Zoologe bei der Firma Friedrich Bayer & Co. in Leverkusen gemeinsam mit dem Chemiker Ernst Meckbach das Mottenmittel Eulan BL zur Bekämpfung von Textilmotten entwickelt hatte, gezielt für dessen Einsatz in Museen (siehe hierzu ausführlich Kapitel 2.2).23 Hier werden schon erste Anzeichen sichtbar, die auf wirtschaftliche Abhängigkeiten zwischen Einzelpersonen und kulturellen Einrichtungen gegenüber Industrie und Handel hinweisen. Der historische Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln in musealen Sammlungen am Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts wird bereits seit der Mitte der 1990er Jahre national und international in der konservierungswissenschaftlichen Literatur diskutiert. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Untersuchungen für die Smithsonian Institution, Washington, D. C. (Goldberg 1995),24 die Geschichte der Konservierung und Restaurierung in Russland und in der Sowjetunion (Lehmann 2005)25 sowie die Untersuchungen für das Ethnologische Museum der Staatlichen Museen zu Berlin (Tello 2006),26 für das Museum Jardin des Sciences de Dijon (Pfister 2008),27 für das National Museum of Wales Herbarium (Purewal 2012)28 und für das Muséum d’Histoire Naturelle de Neuchâtel (Dangeon 2014).29 Allen sechs Studien verdanken wir wertvolle Hinweise über den Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln, die in anthropologischen, ethnologischen und naturkundlichen Sammlungen im Untersuchungszeitraum vorbeugend und bekämpfend 23 Titschak 1937: Titschak, Erich. Der Schutz von Museumsgegenständen gegen Mottenfraß. Mit 6 Abbildungen auf Tafel I. In: Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, 1937, Bd. 26 (09), 19–24. 24 Goldberg 1996: Goldberg, Lisa. A History of Pest Control Measures in the Anthropology Collections, National Museum of Natural History, Smithsonian Institution. In: Journal of the American Institute for Conservation/American Institute for Conservation of Historic and Artistic Works Washington, DC, 1996, Vol. 35 (1), 23–43. 25 Lehmann 2005: Lehmann, Jirina. Geschichte der Konservierung und Restaurierung in Russland und in der Sowjetunion im Buch von Professor M. W. Farmakowskij. In: VDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, 2005 (2), 47–62. 26 Vgl. Tello 2006, 1–208. 27 Pfister 2008: Pfister, Aude-Laurence. L’Influence des Biocides sur la Conservation des Naturalis. Diplomarbeit. Haute École Art Appliqués, 2008, La Chaux-De-Fonds. Filière Conservation-Restauration. 28 Purewal 2012: Purewal, Victoria Jane. Novel Detection and Removal of Hazardous Biocide Residues Historically Applied to Herbaria. Dissertation. University of Lincoln, 2012, Lincoln. 29 Dangeon 2013/2014: Dangeon, Marion. Conservation des collections naturalisées traitées aux biocides: étude de la collection Mammifères et Oiseaux du Muséum d’Histoire Naturelle de Neuchâtel. Bachelor of Arts. Haute École HES-So Conservation Restauration Neuchâtel, 21.07.2014, Neuchâtel.

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Einleitung

gegen Schadinsekten angewandt wurden. Sie wurden auf Grundlage empirischer Forschungen in den museumseigenen Archiven und den dort befindlichen Quellen erstellt. Sachdienliche Hinweise in Erwerbungs-, Inventar- und Reisebüchern sowie vereinzelt auf Karteikarten wurden durch themenbezogene Sekundärliteratur ergänzt. Nicht zuletzt tragen mündliche Überlieferungen von Mitarbeitern dazu bei, das mitunter verloren gegangene Wissen in den genannten Institutionen und den darin durchgeführten Studien zu ergänzen. Die dort angewandten Wirkstoffe und Mittel zur Schädlingsbekämpfung fließen summarisch in eine typologische Erfassung in diese Dissertation ein (siehe hierzu Kapitel 2.7). Aufbauend auf diesen Forschungsergebnissen wird nun mit neuen Fragestellungen und Quellen angeknüpft. Diese weiterführenden Untersuchungen beschäftigen sich also mit dem Bezug geeigneter Wirkstoffe und Mittel für Museen zum Erhalt ihrer Sammlungsgegenstände aus organischen Materialien im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Daher ist in diesem Kontext die Frage, welche zweckdienlichen Schädlingsbekämpfungsmittel von der Industrie ursprünglich für andere gesellschaftliche Bereiche entwickelt, hergestellt und über den Handel vertrieben wurden, ausschlaggebend. Richtet man den Blick von der wirtschaftlich-industriellen Seite auf kulturelle Einrichtungen, so erhebt sich die Frage nach den dortigen Möglichkeiten und Grenzen hinsichtlich der Bekämpfung von Schadinsekten. Insbesondere die Entwicklung eigener Mittel sowie frühe Formen von Netzwerken zum Austausch des Wissens werden dabei vertiefend untersucht. Die Forschung widmet sich auch der Frage, ob in Folge eines Wissenstransfers bestimmte Mittel bevorzugt wurden oder diese während des Ausprobierens und Scheiterns sogar im Wortsinn „Karriere“ gemacht haben. Hier schließt sich konsequenterweise die Frage an, ob es im nationalen und internationalen Vergleich Museen gab, die in einem besonderen Maße fortschrittlich waren und dadurch schneller als andere Einrichtungen bestimmte Wirkstoffe, Mittel oder Methoden in ihren Alltag einbezogen haben. Da im Untersuchungszeitraum der Beruf des akademisch geschulten Restaurators nicht wie in der heutigen Form existierte, galt das forschende Interesse auch den Mitarbeitern des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin. Es wird also der Frage nachgegangen, ob professionelle Voraussetzungen zur Ausübung ihrer Berufe im Museum notwendig waren. Die Forschung zur Modifizierung industrieller sowie zur Entwicklung museums­ eigener Methoden und die Verbreitung wie auch der Einsatz einzelner Wirkstoffe werden als Beitrag zur Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung in Museen am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gesehen. Dazu werden Wissensbestände aus den Museen, vornehmlich aus dem ehemaligen Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin untersucht und ins Verhältnis zu Gesellschaft sowie zu Industrie und Handel gesetzt. Das Ethnologi-

Quellenlage

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sche Museum der Staatlichen Museen zu Berlin erweist sich in diesem historischen Kontext als bestmögliches Fallbeispiel, da Berlin im Untersuchungszeitraum eines der größten Zentren für Wissenschaft und Kunst war. Idealerweise können von hier ausgehend weitere Hinweise für Museen im In- und Ausland und deren historischer Umgang mit ehemals angewandten Schädlingsbekämpfungsmitteln in den Sammlungen gegeben werden.

1.4 Quellenlage Der Zweite Weltkrieg hat zum Verlust wichtiger Archivalien bei den Staatlichen Museen zu Berlin geführt, dessen Ausmaß nur vage eingeschätzt werden kann. Die lückenhafte Überlieferung der Geschichte des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin wird deshalb als gesetzt akzeptiert. Die noch vorhandenen, sehr umfangreichen und aussagekräftigen Quellen ermöglichen es dennoch, das Museum in seinem historischen Kontext zu erfassen und einzuordnen. Eingebettet in seinen Zeitkontext und gestützt auf das theoretische Konzept von hierarchischen Strukturen zur Methodik der Menschenführung entsteht so ein vielschichtiges Bild von hoher Aussagekraft. Die ehemaligen Mitarbeiter mit ihren Vorgehensweisen und Arbeitsmethoden zur Konservierung der Sammlungen des Museums in seinen Gründungsjahren treten in gewisser Weise aus den Akten hervor. Als wichtige Informationsträger wurden Legate wie Briefe, Berichte sowie Akten- und Randnotizen zugeordnet, die uns Einblicke in individuelle Gedankenwelten der damaligen Mitarbeiter gewähren. Zuvorderst haben diese Dokumente als Selbstzeugnisse einen hohen Stellenwert. Darüber hinaus lassen die inhaltlichen Aussagen dieser Aufzeichnungen durch ihre Form und den Schreibstil auch Rückschlüsse auf den Urheber eines Textes zu. Gelegentlich wird dabei das Entziffern einzelner Handschriften nicht nur aufgrund des individuellen Charakters erschwert. Vielmehr änderte sich die deutsche Schrift während des Untersuchungszeitraums von Sütterlin über Kurrent bis hin zu der heute gebräuchlichen lateinischen Schrift, so dass gelegentlich alle Schreibweisen von einer Hand ausgeführt wurden. Eine weitere Qualität der Quellen birgt die Zitation aus beispielsweise Notizen in sich, wodurch zeitgenössische Sichtweisen einbezogen werden. Werbebroschüren, Kostenvoranschläge, Rechnungen, Bau- und Konstruktionszeichnungen sowie fotografische Abbildungen wurden ergänzend als sachdienliche Belege gesichtet und ausgewertet. Für die Rekonstruktion historischer Sachverhalte war die Acta betreffend die Restauration von Alterthümern aus dem Ethnologischen Museum in Berlin der Aus-

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gangspunkt der Quellenforschung.30 In dieser Akte finden sich erste Belege für den Kauf von Mitteln, den Austausch mit Kollegen auf nationaler und internationaler Ebene sowie Hinweise für die Durchführung museumseigener Experimente zur Bekämpfung von Schadinsekten. Das Archiv hält darüber hinaus zahlreiche Quellen in Form von Erwerbungsakten, Altakten aus den einzelnen Sammlungen, Reiseberichten und Tagebuchaufzeichnungen bereit. Sie führen zu Personen, die den Aufbau der Sammlungen im damaligen Museum für Völkerkunde geprägt haben. Auch belegen sie eindeutig die den Arbeitsalltag bestimmenden Hierarchien im Museum und ihren unmittelbaren Einfluss auf den Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln zur Bekämpfung von Schadinsekten. Aus dem Archiv des Ethnologischen Museums zu Berlin führte der Weg in weitere Archive, mit deren Hilfe sich der Ansatz einer empirischen Forschung unter Einbindung des historischen Kontextes des Königlichen/Staatlichen Museums zu Berlin vervollständigen ließ. Im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin fanden sich ergänzend Unterlagen von ehemaligen Mitarbeitern, die dort in ihren beruflichen Funktionen sowie mit ihren personenbezogenen Daten erfasst sind. Dadurch konnten einzelne Personen zugeordnet werden und gleichsam aus ihrer Geschichte hervortreten. Durch die Reflektion über die mitunter sehr schwierigen äußeren Umstände während des Ersten Weltkriegs sowie vor dem Zweiten Weltkrieg gewinnen einzelne Schicksale an Profil. Zwangsläufig wird auch deutlich, welche Mitarbeiter sich mit wenig oder mit viel Engagement dem Thema der Schädlingsbekämpfung gewidmet haben. Eine generelle Verbesserung der Recherche durch die fortschreitende Digitalisierung war für die hier vorliegende Forschung von elementarer Bedeutung. Darunter zählen die Sichtung von Quellen im Landesarchiv Berlin und im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz. Das Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Berlin nimmt für die vorliegende Dissertation eine herausragende Stellung ein, da es wichtiges Quellenmaterial zur deutschen Geschichte beherbergt. Der gesamte Nachlass des Chemikers Fritz Haber aus seiner beruflichen Zeit am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem wird im Archiv verwahrt. Haber entwickelte maßgeblich sowohl die militärische Nutzung von Gasen als Waffen im Ersten Weltkrieg wie auch deren zivile Nutzung zur Bekämpfung von Schadinsekten. Die industrielle Erforschung und Verbreitung von Schädlingsbekämpfungsmitteln konnte in den Quellen des Archivs der Bayer AG, Corporate History & Archives, des Archivs des Industrie- und Filmmuseums Wolfen, des Bundesarchivs Berlin-Lichterfelde und des Landesarchivs Sachsen-Anhalt gesichtet und belegt werden. In Letzterem befinden sich umfangreiche Archivalien in Form von 30 SMB-PK EM. I/MV 0075, Vol. 1, Pars II c. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Laufzeit 20.07.1887–31.12.1936.

Quellenlage

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Protokollen, Berichten und Briefen der ehemaligen Actiengesellschaft für AnilinFabrikation (Agfa). Sie geben sehr detailliert Auskunft über die immensen Anstrengungen der Industrie, Absatzmärkte für ihre Produkte zu finden. Obwohl mit dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln im Jahr 2009 viele historische Quellen vernichtet wurden, sind Archivalien erhalten geblieben, die für die vorliegende Dissertation von unschätzbarem Wert sind. Die teils sehr schwer beschädigten Akten wurden auf Bitten sogar in einigen Fällen vorzeitig in die Restaurierung überführt und standen danach als Digitalisate zur Verfügung. So konnten entscheidende Aspekte aus dem Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt (RJM) in Köln zur experimentellen Forschung an Schädlingsbekämpfungsmitteln ermittelt sowie die Verbreitung des Wissens darüber nachgewiesen werden. Ebenso bedeutend in diesem Kontext war das Quellenmaterial aus dem Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt in Hamburg und des Sächsischen Staatsarchivs – Hauptstaatsarchiv Dresden. In den Quellen des Archivs des Nordischen Museums Stockholm fanden sich eindeutige Belege, dass die Erfindung einer Anlage zur massenweisen Bekämpfung von Schadinsekten an Kunst- und Kulturgut zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf Axel Nilsson aus dem Nordischen Museum in Stockholm zurückzuführen ist. Vereinzelt fanden sich wichtige Hinweise für den Wissensaustausch und zur Verbreitung des Wissens in Form von Briefen, Zeichnungen sowie Berichten im Archiv des Landesamtes für Kultur- und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, dem Archiv des Regionalmuseums Jekaterinburg, dem Archive of the American Museum of Natural History (New York City), den Archives of the Finnish Heritage, den National Archives of Finland und dem Archivi della Galleria Nazionale di Roma. Auch wenn die untersuchten Quellen in allen hier aufgeführten Archiven von unterschiedlicher Qualität sind, bilden sie in ihrer Gesamtheit die entscheidende Grundlage für eine typologische Erfassung von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung in musealen Sammlungen. Durch eine Klassifizierung der einzelnen Substanzen konnten wichtige Rückschlüsse darüber gezogen werden, welche Wirkstoffe oder Mittel in der Anwendung bevorzugt bzw. vernachlässigt wurden. Dies erscheint vor dem Hintergrund der Verpflichtung, Sammlungsgegenstände in kulturellen Einrichtungen zu bewahren und zu erhalten als ein bislang eher vernachlässigter Aspekt in den konservierungswissenschaftlichen Beiträgen und Diskussionen des 21. Jahrhunderts. Die Auswahl von Sekundärliteratur folgte thematisch anhand der Quellenschriften. Einbezogen wurden zahlreiche Artikel aus Zeitschriften und Fachjournalen. Von besonderer Qualität waren, um ein Beispiel zu nennen, Beiträge aus dem 1901 gegründeten Museums Journal. Diese zum Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhundert entstandene Fachliteratur ist eine wichtige Informationsquelle, zeigt sie doch die eigentliche Pionierleistung des noch jungen Fachgebietes der Konservie-

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Einleitung

rung in den Museen. Eine Ausnahme in diesem Kontext bildet sicher die Einbindung der Philosophical Transactions of the Royal Society, deren erste Ausgabe bereits im Jahr 1665 erschienen war. Als Fachzeitschrift zählt sie weltweit mit zur ältesten Fachliteratur auf dem Gebiet der Naturwissenschaften.

1.5 Methodisches Vorgehen Die Zusammenhänge zwischen der Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln in musealen Sammlungen und ihren Bezugsquellen stellen ein bislang unbeachtetes Feld in der Konservierungswissenschaft dar. Anhand der Quellenlage werden dazu erstmalig grundlegende Erkenntnisse gewonnen, die dann inhaltlich analysiert und ausgewertet werden. Nach einer ersten Sichtung des Quellenmaterials und seiner Beschaffenheit ergab sich eine Verschiebung der Perspektive, das Königliche/ Staatliche Museum für Völkerkunde zu Berlin als Einzelinstitution zu betrachten. Der Wechsel erfolgt dahingehend, diese Einrichtung als integrativen Bestandteil der Gesellschaft wahrzunehmen. So entfaltete sich vor dem Hintergrund eines sich erweiternden Kontextes die theoretische Rahmung. Sie führte zu der Annahme, dass Museen in äußere gesellschaftliche und politische Strömungen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert eingebunden waren. Durch diese historische Zuordnung dehnt sich der Handlungsraum und erweitert multiple Perspektiven, worin die Thematik der Schädlingsbekämpfungsmittel in musealen Sammlungen und ihre spezifischen Problemstellungen genauer eingeordnet werden können. Es geht demzufolge um die Bezugsquellen von Schädlingsbekämpfungsmitteln im Kontext mit ihren damaligen Akteuren. Die Schnittstellen für die vorliegende interdisziplinäre Arbeit werden in den Geschichtswissenschaften, den Kulturwissenschaften, den Naturwissenschaften sowie den Konservierungswissenschaften gesehen. Daran anlehnend werden methodische Verfahren herangezogen, die den genannten Fachwissenschaften entlehnt und dort gewohnte Praxis sind. Für die historische Rekonstruktion werden Schriftstücke aus Primärquellen und Sekundärliteratur recherchiert, strukturiert, ausgewertet und kontextualisiert. Diese Rekonstruktion stützt sich auf die Erkenntnistheorie, von der entscheidende Impulse auf die Wissenschaft ausgingen. Sie geht auf Platon und Aristoteles zurück und manifestierte sich während der Aufklärung sehr erfolgreich im modernen naturwissenschaftlichen Denken. Genannt seien hier Namen wie Immanuel Kant, John Locke oder auch Jean-Jaques Rousseau.31 Zu diesem Methodenapparat gehört 31 Kant 1794: Kant, Immanuel. Critik der reinen Vernunft. 4. Aufl. Riga: Hartknoch; Locke und Yolton 1794: Locke, John; Yolton, John W. The Works of John Locke. [in

Methodisches Vorgehen

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unweigerlich die historisch-kritische Methode, die hier zur Untersuchung historischer Texte (Quellen) hinzugezogen wurde.32 Sie entwickelte und verfeinerte sich in der Auseinandersetzung mit schriftlichen Quellen im 18. und 19. Jahrhundert. Im Zentrum stehen die jeweiligen Texte mit dem Ziel, sie in ihrem historischen Kontext zu verstehen und auszulegen. Die Rekonstruktion der vermuteten Vor- und Entstehungsgeschichte eines Textes sowie seine Einbindung in das damalige Geschehen spielen dabei eine besondere Rolle. Auf Basis der historisch-kritischen Methode wurden so beispielsweise einschlägige Briefe und Werbebroschüren, die für den Vertrieb von Schädlingsbekämpfungsmitteln verfasst wurden, einer kritischen Analyse unterzogen. Unter der spezifischen Fragestellung des zeitlichen Kontextes wurden sie darüber hinaus sprachlich untersucht und interpretiert.33 Ein prägnantes Beispiel im Rahmen dieser Fallstudie ist durch die Schriftstücke der Firma Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft aus Leipzig für die Vermarktung des Mittels Globol gegeben. Diese Briefe und Werbebroschüren wurden während und nach dem Ersten Weltkrieg verfasst. Ihr sprachlicher Stil ist kämpferisch, die Wortwahl wurde einem militärischen Sprachjargon entlehnt, wodurch assoziativ eine große Nähe zu kriegerischen Auseinandersetzungen entsteht. Die Adaption einer militärischen Sprache suggeriert dem Empfänger, sich mit den zu bekämpfenden Insekten in einem kriegs­ ähnlichen Zustand zu befinden (siehe hierzu Kapitel 3.2.1). In den Kulturwissenschaften wird seit über zwei Jahrzehnten der Begriff des „kulturellen Gedächtnisses“ intensiv diskutiert, dessen Vordenker Aby Warburg und Maurice Halbwachs waren.34 Dazu zählen Jahrestage, Denkmäler, Museen, Bibliotheken und Archive. Innerhalb dieser kulturwissenschaftlichen Gedächtnistheorie35

32 33

34

35

nine volumes]. Repr. of the 1794 ed. London: Routledge/Thoemmes Press; Soëtard 2012: Soëtard, Michel. Jean-Jacques Rousseau. 1. Aufl. München: C. H. Beck (C. H. Beck Wissen). Müller 2010: Müller, Sascha: Die historisch-kritische Methode in den Geistes- und Kulturwissenschaften. Würzburg: Echter. Bochkarev et al. 2014: Bochkarev, Vladimir; Solovyev, Valery, D.; Wichmann, Søren. Universals versus Historical Contingencies in Lexical Evolution. In: Journal of the Royal Society, Interface 11 2014, (101), 20140841. DOI: 10.1098/rsif.2014.0841 (Zugriff: 27.10.2021). Halbwachs 1991: Halbwachs, Maurice. Das kollektive Gedächtnis. Ungekürzte Ausg., 4.–5. Tsd. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verl. ([Fischer-Taschenbücher], 7359: Fischer Wissenschaft); Warburg 2018: Warburg, Aby Moritz. Gesammelte Schriften. [1. Aufl.]. Berlin, Boston, Mass.: De Gruyter. Assmann 2018: Assmann, Jan. Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. 8. Aufl. in C. H. Paperback. München: C. H. Beck (C. H. Beck Paperback, 1307); Assmann 2017: Assmann, Aleida. Das kulturelle Gedächtnis zwischen materiellem Speicher und digitaler Diffusion. In: Die Zukunft des Sammelns an wissenschaftlichen Bibliotheken. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag, 1–18.

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Einleitung

erscheint es interessant, museale Objekte als stumme Zeitzeugen sowie als Träger der ehemals an ihnen eingesetzten Schädlingsbekämpfungsmittel zuzuordnen. Zusammen mit dem Quellenmaterial bilden sie die Basis für wesentliche historische Bezugspunkte in den vorliegenden Untersuchungen. Zudem werden mit Hilfe der hier angewandten empirischen Methodologie die kolonialen Verflechtungen des Deutschen Reichs in den Kontext zu musealen Praktiken im Königlichen/Staatlichen Museum gestellt. Diese ganzheitliche, interdisziplinäre Sichtweise beinhaltet einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn für alle angesprochenen Fachdisziplinen. Dokumente, seien es nun Briefe, Notizen, Zeichnungen, Akten oder auch Fotos, formieren sich als Bausteine innerhalb der beschriebenen methodischen Vorgehensweisen, deren Ergebnisse in wissenschaftlich überprüfbaren Inhalten vorliegen. Basierend auf der Erkenntnistheorie wurden unterschiedliche Methoden angewandt und reflektiert. Darauf stützen sich die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen, die aus Sicht der einzelnen Disziplinen sowie der Quellenlage gewonnen wurden. Auf dieser Grundlage konnte sich ein einheitliches, theoretisches Fundament entfalten.

1.6 Gesellschaftliche und politische Strömungen vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Die gesellschaftlichen und politischen Strömungen im Untersuchungszeitraum können nur dann in ihrer Gesamtheit verstanden und nachvollzogen werden, wenn man sie vor dem Hintergrund der Aufklärung betrachtet. Die Berufung auf die Vernunft sowie der Bruch mit alten Vorstellungen und Ideologien waren Auslöser für ein neues Zeitalter, das sich in einer langen Periode zwischen 1650–1800 entwickelte und ausbreitete.36 Die Aufklärer betrachteten die Lern-, Vernunft- und Gesellschaftsfähigkeit der Menschen als Voraussetzungen und Garanten einer Fortschrittsgeschichte.37 Dieser Zeitgeist mit seinen neuen Strömungen brachte bildungsorientierte, bürgerliche Eliten hervor. Es entstand ein neues Bürgertum, das sich kritisch gegenüber den alten Gewalten und dem Adel absetzte.38 Ein ebenso wesentlicher Aspekt war die Abkehr der Wissenschaften von Staat und Kirche.39 Insbesondere die 36 Schneiders 2014: Schneiders, Werner. Das Zeitalter der Aufklärung. 5. Aufl. München: C. H. Beck (C. H. Beck Wissen). Online verfügbar unter http://elibrary.chbeck. de/10.17104/9783406671265/das-zeitalter-der-aufklaerung (Zugriff: 27.10.2021). 37 Mäder 2014, 191–192. 38 Kocka 1995: Kocka, Jürgen (Hg.). Bürgertum im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich; eine Auswahl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (Kleine Vandenhoeck-Reihe), 48. 39 Faulstich 2011: Faulstich, Peter. Aufklärung, Wissenschaft und lebensentfaltende Bil-

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Naturwissenschaften beeinflussten entscheidend die Erkenntnistheorie und lösten dadurch für alle Wissenschaften eine tiefgreifende Umstrukturierung aus. So wundert es nicht, dass in diese frühe Neuzeit die Gründung zahlreicher naturforschender Gesellschaften fällt. Ausgehend von diesen Fortschrittsgedanken traten in Deutschland nach der Niederlage Preußens durch Napoleon im Jahre 1806 Reformer und geistige Größen wie Freiherr vom Stein, von Hardenberg, von Scharnhorst, von Gneisenau, Hegel sowie Alexander und Wilhelm von Humboldt hervor. Sie prägten mit ihrem Gedankengut maßgeblich das Gefühl einer sich formierenden deutschen Nation, die auch in einer sich ändernden Kulturpolitik ihren Ausdruck fand. Berlin nahm dabei eine wichtige Stellung ein und avancierte rasch zu einem herausragenden Zentrum für Kunst und Kultur.40 Der preußische Staat betonte diese Bedeutsamkeit und errichtete ab 1849 ein Kultusministerium mit festem Sitz in der Leipzigerstraße 4 in Berlin. Dadurch avancierte die Beschäftigung mit kulturellen Angelegenheiten in Preußen zu einer nationalen Aufgabe.41 Die Bildung der Untertanen, bis hin zur Vollalphabetisierung aller Schichten, wurde ebenfalls zur Staatsaufgabe erklärt. Auf dem Gebiet der Kunst wurden Sammlungen gezielt angekauft und eigene Museen dafür geschaffen. Die Förderung und Pflege der Künste wurde kulturpolitisch wesentlich durch Alexander von Humboldt mitgestaltet, seine reformpolitischen Gedanken flossen in das Ausstellungskonzept im Neuen Museum auf der Museumsinsel in Berlin ein.42 Kunst und ihre Betrachtung war von nun an nicht mehr ausschließlich einem höfischen Publikum vorbehalten, sondern wurde einem breiten Publikum zugänglich gemacht. Der preußische Staat subventionierte kulturelle Angelegenheiten in höchstem Maße und verzahnte mit großem Geschick die eigenen Staatsinteressen mit denen des dung. Geschichte und Gegenwart einer großen Hoffnung der Moderne. Bielefeld: Transcript-Verl. (Theorie bilden, 25), 19–20. 40 Werner 1997: Werner, Frank. Berlin: Neue alte Hauptstadt. In: Der Bürger im Staat, Heft 2, 74–75. 41 Neugebauer 2007: Neugebauer, Wolfgang. acta borussia nf. Preußen als Kulturstaat. Unter Mitarbeit von Bärbel Holtz, Rainer Paetau, Christina Rathgeber, Hartwin Spenkuch, Reinhold Zilch, Gaby Huch. Berlin: Berlin-Brandenburgische Wissenschaften (Acta Borussia), 4–5; vgl. Neugebauer und Holtz 2010: Neugebauer, Wolfgang; Holtz, Bärbel (Hg.). Kulturstaat und Bürgergesellschaft. Preußen, Deutschland und Europa im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Tagung. Berlin: Akademie-Verlag, 40–43; Spenkuch. 2015: Spenkuch, Hartwin. „An die Spitze einer neuen Weltgestaltung gestellt“. Zu Grundlinien der Entwicklung des Kulturstaats in Preußen (1807–1870). In: Preußen als Kulturstaat im 19. Jahrhundert, 2015, (Bd. 20), 157–183. 42 Savoy 2015: Savoy, Bénedicte. Tatkräftiges Mitmischen. Alexander von Humboldt und die Museen in Paris und Berlin. In: Mein zweites Vaterland, Bd. 40, 233–259.

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Bürgertums. In der Person Wilhelm von Bodes verschmolzen beide Pole in genialer Weise miteinander. Er gilt als Mitbegründer des modernen Museumswesens und war zunächst ab 1833 Direktor der Skulpturensammlung der Königlichen Museen zu Berlin. Mit dem Aufstieg Preußens zur deutschen Hegemonialmacht erreichte Berlin nicht nur auf kultureller Ebene, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht zunehmend an Bedeutung. Mit einer weitreichenden Verkehrsplanung wurde der Ausbau des Straßen- und Schienennetzes gefördert, wodurch für Berlin ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Weichen zur Entwicklung eines der bedeutendsten Industriestandorte Deutschlands gestellt waren.43

1.6.1 Die Bildung Preußens zum Nationalstaat und deren Konsequenzen für die Kulturpolitik

Die Veränderungen des preußischen Staates von einem feudalistischen zu einem nationalistischen System werden im Folgenden in Bezug auf die kulturpolitischen Auswirkungen für das Ethnologische Museum eingehender betrachtet. Die Entstehung von europäischen Nationalstaaten und deren Entwicklung unter einem permanenten Zwang der wirtschaftlichen und damit letztlich auch wissensbasierten Konkurrenz führte zur Herausbildung von typischen Merkmalen der Moderne, wie z. B. Effizienzorientierung, Verwissenschaftlichung, Expertentum u.v.m. Hier zeigten sich größere deutsche Länder hinsichtlich einer Professionalisierung vieler akademischer Berufe im Vergleich zu anderen europäischen Staaten als wesentlich fortschrittlicher. Ursache dafür war eine staatlich normierte Universitätsbildung, auf die sich beispielsweise preußische Ärzte ab 1851/1852 durch staatliche Ordnungen berufen konnten.44 Für den Gründungsdirektor des Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin, Adolf Bastian, mag dieser Aspekt bei der Auswahl von jungen Wissenschaftlern für sein Museum durchaus bedeutsam gewesen sein (siehe hierzu Kapitel 3.1.1 und 3.1.2). Nach dem gemeinsamen Sieg der deutschen Staaten im Deutsch-Französischen Krieg erfolgte unter maßgeblicher Beteiligung Otto von Bismarcks im Jahr 1871 die Gründung des Deutschen Reiches und die Proklamation Wilhelms I. zum deutschen Kaiser. Während der Kaiserzeit und unter preußischer Regierung manifestierte sich Deutschland zu einer gemeinsamen Nation. Berlin wurde als Hauptstadt des Deutschen Reiches für das mittlere Europa zunehmend

43 Werner 1997, 74–79. 44 Vgl. Kocka 1995, 72.

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bedeutsam und sollte seine Weltgeltung bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges behalten.45 An zahlreichen Aktivitäten ist ablesbar, mit welchen Mitteln nationale Identität geschaffen wurde.46 Darunter zählt beispielsweise die Errichtung zahlreicher, mit nationalen Symbolen behafteter Ehrenmäler und Denkmäler. Im Bereich des Bildungswesens und der Wissenschaften erfolgte flächendeckend die Einrichtung von Bibliotheken, 1884 wurde durch Zusammenlegung der Berliner Bauakademie und der Königlichen Gewerbeakademie die Technische Universität in Berlin-Charlottenburg gegründet. In ihr vereinigten sich die preußischen Staatsideen von Macht, Militär sowie von Kunst, Kultur und Wissenschaft.47 In der Außenwirkung ging es nunmehr um die eigene Größe gegenüber anderen Nationen. Preußen entwickelte sich in einem erheblichen Maße zu einem Kulturstaat und förderte damit die nationalen Gefühle einer geistigen Überlegenheit. Als wesentliche Gründe sind dafür zweifellos die wirtschaftliche und kulturelle Konkurrenz zu sehen, in der man sich mit anderen europäischen Staaten befand.48 So verwundert es nicht, dass gleichzeitig mit der Heranbildung von Nationalstaaten auch zahlreiche Museen gegründet wurden. Ein Museum unterscheidet sich durch einige wichtige Kriterien von den Wunder- bzw. Kunstkammern des 16. Jahrhunderts und wird vom Internationalen Museumsrat als eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt

definiert.49 Hier sei am Rande bemerkt, dass der Öffentlichkeitscharakter von Museen nach Savoy schon im 18. Jahrhundert entstand.50 Bereits mit der Architektur eines musealen Gebäudes sowie mit der Wahl seines Standortes wurde darauf geach45 46 47 48

Vgl. Werner 1997, 74. Vgl. Neugebauer und Holtz 2010, 37–40. Vgl. Neugebauer 2007, 2. Neugebauer und Holtz 2010: Neugebauer, Wolfgang; Holtz, Bärbel (Hg.). Kulturstaat und Bürgergesellschaft. Preußen, Deutschland und Europa im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Tagung. Berlin: Akademie-Verlag, 5–9, 43–47. 49 Vgl. Savoy 2015b: Savoy, Bénédicte (Hg.). Tempel der Kunst. Die Geburt des öffentlichen Museums in Deutschland 1701–1815. Zweite Aufl. Köln, Weimar, Wien: Böhlau Verlag, 17. 50 Vgl. Savoy 2015b, 13–14.

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tet, dass sich Museen an prominenten Stellen im innerstädtischen Bereich, für jedermann sichtbar befanden. Dieser Umstand ist bis in die heutige Zeit ein Merkmal, wodurch die Bedeutung der Institution Museum unterstrichen wird.51 Materielle Zeugnisse der eigenen sowie fremder Kulturen wurden dazu benutzt, die eigene Stärke und Macht symbolhaft zu demonstrieren. Durch die Zurschaustellung und Präsentation von ethnologischen Objekten im öffentlichen Raum zeigte man einer breiten Bevölkerung die Überlegenheit gegenüber anderen. Ein Meilenstein in dem stetigen Wunsch, nationale und kulturelle Identität zu stiften, entsteht im Jahr 1904 mit der Gründung des Kaiser-Friedrich Museums in Berlin, dem heutigen BodeMuseum der Staatlichen Museen zu Berlin. Dieses Museum wurde gänzlich nach den Vorstellungen von Bodes eingerichtet.52 Der preußische Staat mit seiner kulturellen Vielfalt und hohen Integrationskraft agierte als moderner europäischer Staat modellbildend in Wissenschaft und Kultur.53 Schon seit dem 15. Jahrhundert befand man sich auf internationaler Ebene in einem Wettbewerb mit anderen europäischen Kolonialmächten, worin einzelne Länder versuchten, ihre Einflüsse in Übersee geltend zu machen. Dafür wurden große Expeditionen ausgestattet, um Exotisches aus einer fernen Welt in die eigene Heimat zu holen.54 Der Einzelne erfuhr beim Betrachten manch ungewöhnlich und fremd erscheinender Gegenstände eine kollektive Bestätigung für das Erreichte. Gleichzeitig bildete sich ein Gefühl von Überlegenheit sowie der eigenen Macht, worin man sich als Teil einer Nation gemeinschaftlich und kulturell in den Objekten „der Wilden“ spiegeln konnte.55 Ihren Ausdruck fand diese Entwicklung in der sprachlichen Unterscheidung von Kulturvölkern und Naturvölkern. Die noch junge Fachdisziplin der Ethnologie bezog sich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert auf Äußerungen wie die des deutschen Historikers Leopold von Ranke. Er

51 52 53

Ebd., 19. Vgl. Neugebauer 2007, 10–12. Ebd., 2–3. Schlenke 1981: Schlenke, Manfred (Hg.). Preußen. Beiträge zu einer politischen Kultur. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt (Preußen – Versuch einer Bilanz, eine Ausstellung der Berliner Festspiele GmbH. 15. August–15. November 1981, Martin-Gropius-Bau Berlin, ehemaliges Kunstgewerbemuseum. Katalog in fünf Bänden. Gesamtherausgeber: Berliner Festspiele GmbH, Bd. 2, 136–161. 54 Beßler 2012: Beßler, Gabriele. Wunderkammern. Weltmodelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart. 2. erweiterte Aufl. Berlin: Reimer. 55 Zimmermann 2013: Zimmermann, Andrew. Bewegliche Objekte und globales Wissen. Die Kolonialsammlungen des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin. In: Rebekka Habermas; Przyrembel, Alexandra (Hg.). Von Käfern, Märkten und Menschen. Kolonialismus und Wissen in der Moderne. 1. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013, 247–258.

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bezeichnete außereuropäische Völker „als geschichtslos und der wissenschaftlichen Untersuchung als nicht würdig“. Daraus leiteten Ethnologen ihre Berechtigung ab, sich mit den „materiellen Quellen“, sprich den Menschen und ihren Artefakten, auf wissenschaftlicher Basis beschäftigen zu dürfen.56 Die Bildung von Nationalstaaten und ihre Suche nach einer eigenen Identität schlägt sich auch in einer unüberschaubaren Zahl von Publikationen nieder.57 Mit der Selbstdarstellung der eigenen Geschichte wurde eine wichtige Voraussetzung dafür geschaffen, „die Wilden“ und die Zeugnisse ihrer geistigen und materiellen Kulturen zur Herausbildung der eigenen Identität gewissermaßen als Blaupause zu benutzen. Die Unterscheidung von Kultur- und Naturvölkern58 führte schließlich zu einem gesamtnationalen Bewusstsein auf dem Gebiet von Kunst und Kultur.

1.6.2 Der Kolonialismus und seine Folgen

In diesem Kapitel wird nach einer kurzen Einführung vornehmlich die deutsche Kolonialpolitik ab 1880 mit ihrer Hochphase, die für das gesamte Europa auch als Imperialismus bezeichnet wird, skizziert. Dabei ist es bemerkenswert, dass sich bereits durch das Vokabular an manchen Stellen eine eurozentrische Sichtweise verdeutlicht. Die Geschichte der Kolonien ist eine globale Geschichte, die sich über fünf 56 Ebd., 248–249. 57 Funk 2010: Funk, Albert. Kleine Geschichte des Föderalismus. Vom Fürstenbund zur Bundesrepublik. Paderborn: Schöningh; Konrád und Paetzke 2013: Konrád, György; Paetzke, Hans-Henning. Europa und die Nationalstaaten. Essay. Dt. Ausg., 1. Aufl. Berlin: Suhrkamp; Löhr und Wenzlhuemer 2013: Löhr, Isabella; Wenzlhuemer, Roland. The Nation State and Beyond. Governing Globalization Processes in the Nineteenth and Early Twentieth Centuries. Berlin, Heidelberg: Springer (Transcultural Research – Heidelberg Studies on Asia and Europe in a Global Context). Online verfügbar unter http:// dx.doi.org/10.1007/978-3-642-32934-0 (Zugriff: 27.10.2021); Malešević 2013: Malešević, Siniša. Nation-States and Nationalisms. Organization, Ideology and Solidarity. Cambridge: Polity Press (Political Sociology Series); Weisband und Thomas 2015: Weisband, Edward; Thomas, Courtney Irene Powell. Political Culture and the Making of Modern Nation-States. London, New York: Routledge Taylor & Francis Group. 58 Hermannstädter 2002: Hermannstädter, Anita. Symbole kollektiven Denkens. Adolf Bastians Theorie der Dinge. In: Hermannstädter, Anita (Hg.). Deutsche am Amazonas – Forscher oder Abenteurer? Expeditionen in Brasilien 1800 bis 1914. Begleitbuch zur Ausstellung im Ethnologischen Museum, Berlin-Dahlem in Zusammenarbeit mit dem Brasilianischen Kulturinstitut in Deutschland. Ethnologisches Museum Berlin, Ausstellung. 2., unveränd. Aufl. Münster: LIT. Veröffentlichungen des Ethnologischen Museums Berlin Fachreferat Amerikanische Ethnologie, Neue Folge, 2002, (71), 9, 46.

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Jahrhunderte erstreckt.59 Mit dem Ende des 15. Jahrhunderts begannen die großen Entdeckungen Amerikas, Indiens, Zentralasiens, Australiens und Afrikas durch die Europäer. Ab dem 15. Jahrhundert entstanden durch das spanische und das portugiesische Königreich die ersten Kolonien, woraus sich im späteren Verlauf der Kolonialismus entwickelte. Eine gravierende Folgeerscheinung der Entdeckung dieser außereuropäischen Kontinente spiegelt sich in ihrer Abhängigkeit zu den europäischen Mächten wider. Als Raritäten und Kuriositäten gelangten nunmehr Gegenstände an königliche und fürstliche Höfe sowie auch in die Häuser von wohlhabenden Bürgern. Man ließ sich von Übersee in sehr limitierten Stückzahlen exotische Objekte aus größtenteils unbekannten Materialien mitbringen und bewahrte sie für ein erlesenes Publikum in den Wunder- bzw. Kunstkammern auf. Mit dieser Form des Aufbewahrens und Präsentierens entstanden die ersten Formen von Museen, die dann im Laufe des 19. Jahrhunderts von den heutigen Museen mit ihren Spezialisierungen abgelöst wurden. Der moderne Kolonialismus erlebte seinen Höhepunkt im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Das Ende der preußischen Kolonialmacht wurde durch das Ende des Ersten Weltkriegs besiegelt.60 Danach erfolgte eine neue Aufteilung der deutschen Kolonien und des Osmanischen Reichs, der heutigen Türkei. Die Kolonien Englands und Frankreichs erlebten dabei ihre größte Ausdehnung.61 Mit dem Ende des Kolonialismus begannen die Bestrebungen der Kolonien nach Unabhängigkeit. Der Durchbruch der Freiheitsbewegungen in Afrika und Asien sollte allerdings erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gelingen.62 Für diese Ablösungsprozesse der Kolonien von ihren Kolonialmächten führte Moritz Julius Bonn im Jahr 1932 den Begriff der Dekolonisation ein.63 Per Definition werden als Kolonien die Gebiete bezeichnet, die durch landfremde Herrschaftsträger erobert und in eine dauerhafte Abhängigkeit gebracht werden. Die Gründe für diese Inbesitznahme können mannigfaltig sein, weshalb man Kolonien in unterschiedliche Kategorien einteilt. Siedlungskolonien werden als Urtyp von Kolonien beschrieben. In den neu besiedelten Ländern wurden oftmals Jäger, Sammler und Nomaden von sesshaften Ackerbauern verdrängt, wodurch man 59 Vgl. Pelizaeus 2008, 21–26. 60 Authaler 2019: Authaler, Caroline. Das völkerrechtliche Ende des deutschen Kolonialreichs. Globale Neuordnung und transnationale Debatten in den 1920er Jahren und ihre Nachwirkungen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 69, 2019, (40–42), 4–10. 61 Vgl. Reinhard 2008: Reinhard, Wolfgang. Kleine Geschichte des Kolonialismus. 2., vollst. überarb. und erw. Aufl. Stuttgart: Kröner (Kröners Taschenausgabe, 475). Online verfügbar unter http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?id=3040366&prov=M&dok_ var=1&dok_ext=htm, 310. 62 Vgl. Pelizaeus 2008, 231–240. 63 Ebd., 310–311.

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sich Privateigentum an Grund und Boden absicherte. Herrschaftskolonien beziehen sich nicht auf einzelne Stützpunkte, sondern auf die Inbesitznahme eines ganzen Landes. Die Unterwerfung erfolgt dabei nicht mit Hilfe einer Neubesiedlung, sondern allein durch die Ausübung der Herrschaft über die bestehende Bevölkerung durch die eingewanderten Siedler. Ein Musterfall in der Geschichte ist die Kolonisierung Indiens durch die Briten. Ohne die Kollaboration von Einheimischen wäre sie nie realisiert worden.64 Die erstgenannten Kolonietypen fanden ihre Steigerung in den Integrationskolonien, welche zum Ziel hatten, nach einer Eroberung europäische Siedlungen fernab vom Mutterland zu etablieren. Reine Stützpunktkolonien dienten zum einen der kommerziellen Erschließung eines Landes und somit der Erweiterung von Absatzmärkten, zum anderen wurde durch Präsenz von Militär die Vorherrschaft in einer Region gesichert. Beispiele für wirtschaftliche wie auch militärische Verbindungen sind Großbritannien mit seinem weltweiten Netz von Flottenstützpunkten oder auch Portugal mit seinen Kolonien am Indischen Ozean.65 Mit dem Begriff Kolonialismus werden sehr unterschiedliche Phänomene verbunden. Reinhard definiert den Kolonialismus als die Kontrolle eines Volkes über ein fremdes unter wirtschaftlicher, politischer und ideologischer Ausnutzung der Entwicklungseffizienz zwischen beiden.66

Aus politischer Sicht versteht man hierunter die Kolonisation und Dekolonisation, geschichtlich betrachtet spricht man eher von Kolonialismus und Postkolonialismus.67 Ob Kolonisierte ihre Situation gleichmütig hingenommen, sie mit eigener Cleverness unterlaufen oder ob sie mit den Kolonialherren kollaboriert oder gar Widerstand geleistet haben, bedarf einer detaillierten Untersuchung an anderer Stelle. Die Opfer des Kolonialismus sowie auch des Postkolonialismus haben mitunter das Geschehen aktiv mitgestaltet, wodurch eine klare Trennung von Tätern und Opfern nach Reinhard nicht immer klar erkennbar ist.68 Die historischen Folgen des Kolonialismus sind für die Wissenschaftsgeschichte auch mit Individuen eng verflochten, die sich durch einen äußeren Auftrag oder auch getrieben von einer inneren Bestimmung jenseits von Europa mit den Gegebenheiten in einer damals neu zu erforschenden Welt beschäftigten.69 So hat beispielsweise Amalie Dietrich im ausgehenden 19. Jahrhundert als Tochter einer sächsischen Kräutersammlerin 64 65 66 67 68 69

Ebd., 5. Vgl. Pelizaeus 2008, 20–21; Reinhard 2008, 4. Ebd., 1. Ebd., 7. Ebd., 2. Habermas und Przyrembel 2013, 9–10.

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und eines Handschuhmachers in Australien über 20.000 botanische Belegexemplare gesammelt und damit wichtige Beiträge zur Botanik geleistet. Der Togolese Ludwig Adzakko mag ein weiteres Beispiel dafür sein, wie Wissen vom anderen Ende der Welt nach Europa transferiert wurde. Zusammen mit einer nicht näher bezeichneten Person ohne wissenschaftliche Bildung übersetzte er im Jahr 1907 in Tübingen die lutherische Bibel in seine Sprache und erschuf damit die schriftliche Gestalt einer Sprache, die es vorher nur mündlich überliefert gab.70 Im Gegensatz zu Alexander von Humboldt oder auch zu Robert Koch sind solche Personen oftmals in Vergessenheit geraten oder von der Wissenschaftsgeschichte ungenügend gewürdigt worden. Gleichwohl sind ihre Beiträge aus heutiger Sicht von weitreichender Bedeutung.71 Dieser kleine Exkurs in das Leben und Wirken von Einzelpersonen mag verdeutlichen, wie ungewöhnlich der Austausch von Wissen und die Wege des Sammelns während der Kolonialzeit waren. Die spezifischen Auswirkungen für das Königliche/Staatliche Museum zu Berlin werden ausgiebig in Kapitel 3.1 diskutiert. Zu den deutschen Kolonien zählten während der Jahre 1884–1918 Deutsch-Südwestafrika, Togo, Kamerun, Deutsch-Ostafrika, Wituland, Deutsch-Neuguinea, die Marshallinseln, Nauru, Karolinen, die Palauinseln, Marianen, Samoa und Kiautschou.72 Es sei am Rande bemerkt, dass alle aufgezählten Kolonien weitere koloniale Nachfolger hatten und in der Regel nach ihrer Unabhängigkeit ihre Namen änderten.73 Ein herausragendes und für die Zeit äußerst ungewöhnliches Ereignis stellt in diesem Kontext die Gewerbeausstellung in Berlin im Jahr 1896 dar. Neben industriellen Errungenschaften wurden die deutschen Kolonien in einem bis dahin unbekannten Ausmaß zur Schau gestellt. In Form einer geopolitischen Präsentation konnten viele Bürger die deutsche Kolonialpolitik in Hinblick auf deren Akteure erfahren und betrachten. Anders als in völkerkundlichen Museen wurde Besuchern im Rahmen dieser Ausstellung durch detailgetreue Inszenierungen nahegebracht, wie die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in den Kolonien aussahen und miteinander verbunden waren. Mehr als 300 koloniale Firmen zeigten ihre geschäftlichen Aktivitäten während der Ausstellung, die von mehr als zwei Millionen Besuchern aufgesucht wurde. In einem eigens gebauten Tropenhaus ermöglichte man ihnen durch rekonstruierte Büros deutscher Kolonialbediensteter in Ostafrika, Südwestafrika und Ozeanien, einen detailgetreuen Einblick in deren Arbeit zu erhal70 Ebd., 9. 71 Ebd., 14–15. 72 Gottschalk et al. 2016: Gottschalk, Sebastian; Hartmann, Heike; Hilden, Irene. Deutscher Kolonialismus. Fragmente seiner Geschichte und Gegenwart. Berlin, Darmstadt: Stiftung Deutsches Historisches Museum, Theiss Verlag. 73 Gründer und Hiery 2017: Gründer, Horst und Hiery, Hermann (Hg.). Die Deutschen und ihre Kolonien. Ein Überblick. Berlin: be.bra Verlag, 326–327.

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ten.74 Auch eine städtische Kolonie mit klaren räumlichen Trennungen zwischen Europäern und Indigenen konnte bestaunt werden. Der Deutsche Frauenverband für das Gesundheitswesen in den Kolonien präsentierte dort eine tropische Hygieneausstellung mit einem Labor, einer Apotheke, einem Operationsraum und einer exakten Replik eines Tropenkrankenhauses. Derart lebensgetreu nachgebaute und inszenierte Szenarien aus den Kolonien erweckten ein direktes Erlebnis und ließen Besucher selbst zu Kolonialbeamten, Ärzten, Schwestern, Geschäftsleuten oder gar Siedlern werden.75 Am Beispiel dieser Ausstellung wird deutlich, wie wichtig es für das deutsche Kaiserreich gegenüber anderen Staaten war, Kolonien nicht nur zu besitzen und andere Völker zu unterwerfen, sondern dies auch zu demonstrieren. Das internationale Ansehen eines Staates gewann eben auch durch die Größe und Zahl seiner Kolonien.76 Preußen insbesondere erhöhte damit seinen wirtschaftlichen, politischen sowie kulturpolitischen Einfluss. Zwar war aufgrund der eigenen industriell gewonnenen Errungenschaften bereits eine westliche Denkweise der Überlegenheit gegenüber den „schrift- und metalllosen Kulturen“ entstanden. Doch nun begann die Sorge durch den rasant voranschreitenden zivilisatorischen Fortschritt zu wachsen, dass viele dieser Naturvölker mit ihren materiellen Erzeugnissen in den noch bestehenden Kolonien der Vernichtung preisgegeben waren. Dieses Denken befeuerte einen Wettlauf unter den bestehenden europäischen kolonialen Zentren und hatte drastische Auswirkungen auf die Sammlungspolitik völkerkundlicher und naturkundlicher Museen. Umfangreiche Expeditionen und Forschungsreisen führten innerhalb kürzester Zeit in den musealen Sammlungen zu einer noch nie da gewesenen Expansion. Einzelpersonen wie professionelle Händler oder Abenteurer waren ergänzende Akteure in dieser „Sammelwut“. Die Problemlage in den Sammlungen mit ihren Massen an organischen Materialien verschärfte sich durch den Befall mit Schadinsekten gravierend. Einer der bedeutendsten Protagonisten in diesem Zusammenhang war Adolf Bastian, der 1876 zum Direktor des damaligen Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin, dem heutigen Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin, berufen wurde. Bastian hat insgesamt neun große Weltreisen unternommen und besaß dadurch einen detaillierten Blick auf die folgenschweren Veränderungen für außereuropäische Völker.77 Seine Sammelpolitik mündete zusammenfassend in einem seiner markantesten Sätze: 74 Steinmetz 2017: Steinmetz, George. Empire in three Keys. Forging the Imperial Imaginary at the 1896 Berlin Trade Exhibition. In: Thesis Eleven, 2017, 139 (1), DOI: 10.1177/0725513617701958, 50–56 (Zugriff: 27.10.2021). 75 Ebd., 56–57. 76 Hobsbawm 2008: Hobsbawm, Eric Jonas. Das imperiale Zeitalter 1875–1914. Flörsheim am Main: Campus Verlag GmbH, 181–182. 77 Vgl. Westphal-Hellbusch 1973, 3–4.

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Der letzte Augenblick ist gekommen, die zwölfte Stunde ist da! Dokumente von unermesslichem Wert für die Menschheitsgeschichte gehen zugrunde. Rettet! rettet! Ehe es zu spät ist.78

Das zentrale Problem der Sammlungen, ausgelöst durch fieberhaftes Sammeln, Kaufen und Tauschen von Objekten bestand also darin, diese Massen an Gegenständen vor dem Verfall zu schützen. Bereits der Transport aus einem tropischen in ein gemäßigtes mitteleuropäisches Klima rief oft Schäden an Objekten hervor. Der Mangel an räumlichen Kapazitäten sowie geringe personelle Ressourcen für die Lagerhaltung boten Schadinsekten an Gegenständen aus Zellulose, Keratin oder kollagenem Material vielfach Nahrung im Überfluss.

1.6.3 Das Zeitalter der Industrialisierung

Die Darstellung der Wirkstoffe und Mittel, die zum Schutz der Sammlungen vor Insekten im Königlichen/Staatlichen Museum zu Berlin zufällig oder auch gezielt zur Anwendung kamen, erfolgt kontextual mit einem Blick auf das Zeitalter der Industrialisierung, der Hygienebewegung, des Vorrats- und Pflanzenschutzes sowie des alles überspannenden Ersten Weltkrieges. Zahlreiche Erfindungen trugen zu einer raschen Veränderung der Arbeitswelt bei. Mit Hilfe von Dampfschiffen und Dampfeisenbahnen schrumpften Entfernungen, Waren konnten schneller ausgetauscht werden. Im Nachrichtenwesen begann mit der Erfindung des Telegrafen die Überwindung von Raum und Zeit.79 So war beispielsweise die Eröffnung einer modernen Eisenbahnfähre zwischen Trelleborg und Saßnitz am 6. Juli 1909 ein großes Ereignis. Schwedische Unternehmen rückten dadurch näher an das expandierende deutsche Kaiserreich und waren daran interessiert, von Deutschland als herausragender Industrienation innerhalb der europäischen Staaten zu profitieren.80 Zu jener 78 Vgl. Bolz 2005: Bolz, Peter. Ethnologische Sammlungen in Berlin bis zur Eröffnung des „Königlichen Museums für Völkerkunde“. Bastian-Symposium im Ethnologischen Museum Berlin. Unveröffentlichter Beitrag 5; Fischer et al. 2007: Fischer, Manuela; Bolz, Peter; Kamel, Susan (Hg.). Adolf Bastian and his Universal Archive of Humanity. The Origins of German Anthropology. Ethnological Museum Berlin. Hildesheim: Georg Olms, 185. 79 Vgl. Klemm 1989, 141–144. 80 Runeby 1997: Runeby, Nils. Deutschland als technisches Vorbild. Möten och vänskapsband; [Deutsches Historisches Museum, 24.10.–06.01.1997, Nationalmuseum, 26.02.– 24.05.1998, Norsk Folkemuseum …]. In: Skandinavien och Tyskland 1800–1914, 1997, 389–396.

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Zeit war die deutsche Sprache die Wissenschaftssprache und ungefähr ein Drittel aller Nobelpreise im Wissenschaftsbereich wurde an deutsche Forscher verliehen. Die enge Verbindung in Deutschland zwischen Politik, Industrie und Wissenschaft war der eigentliche Motor des Fortschritts und ermöglichte große Investitionen in Laboratorien und Bibliotheken sowie in Versuchsanlagen und -anstalten.81 Einer Initiative Friedrich Althoffs, der seit dem Jahr 1882 als Ministerialdirektor im Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten zuständig für das gesamte Bildungs- und Medizinalwesen war, ist es zu verdanken, dass ab dem Jahr 1900 ein neuer Wissenschaftsstandort in Berlin-Dahlem entstand. Der Gedanke Wilhelm von Humboldts von einem „großen Wissenschaftsplan“ manifestierte sich in der Gründung der Königlichen Domäne Dahlem zu einer einzigartigen Forschungslandschaft.82 Die bauliche Enge im Berliner Stadtgebiet und das „Vorbild englischer Campus-Universitäten“ waren für Althoffs Amtsnachfolger Friedrich Schmitt-Ott und Adolf von Harnack wichtige Impulse, um seinen Traum … von einer durch hervorragende Wissenschaftsstätten bestimmten vornehmen Kolonie, eines deutschen Oxfords

weiterzuverfolgen. Basierend auf diesen Überlegungen gründete daraufhin Kaiser Wilhelm II. für die Wissenschaft und Forschung sowie für gemeinsame Interessen von Industrie und Staat83 die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Ab dem Jahr 1911 entstanden das Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie, das Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie, das Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie, das Kaiser-Wilhelm-Institut für Kohlenforschung sowie das Kaiser-Wilhelm-Institut für Arbeitsphysiologie.84 Nicht zuletzt gingen aus den Einrichtungen dieser Gesell81 Ebd., 390–392. 82 Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 2011: Wissenschaft im „deutschen Oxford“. Stadtrundgang durch das Wissenschaftsquartier Berlin-Dahlem. Hg. v. Max-Planck-Gesellschaft. Online verfügbar unter http://www.mpiwg-berlin. mpg.de/PDF/Flyer_MPG_Spaziergaenge2011.pdf, 8 Seiten (Zugriff: 27.10.2021). 83 Kaltenbach 2011: Kaltenbach, Angelika (Hg.). Bezirk Steglitz-Zehlendorf, Ortsteil Dahlem. Bearb.-Stand: Januar 2011. Petersberg: Imhof. Denkmale in Berlin, hrsg. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz, Bezirk Steglitz-Zehlendorf, 33. 84 Vom Brocke und Vierhaus 1990: Vierhaus, Rudolf; Vom Brocke, Bernhard (Hg.). Forschung im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft. Geschichte und Struktur der Kaiser-Wilhelm-, Max-Planck-Gesellschaft. Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Stuttgart: DVA. Online verfügbar unter http://www.gbv.de/dms/faz-rez/900926_ FAZ_0037_37_0001.pdf (Zugriff: 27.10.2021); Vom Brocke 1996: Vom Brocke, Bernhard (Hg.). Die Kaiser-Wilhelm-, Max-Planck-Gesellschaft und ihre Institute. Studien zu

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schaft ab dem Jahr 1914 zahlreiche Nobelpreisträger hervor, was dem Wissenschaftsstandort seither den Beinamen „Deutsches Oxford“ einbrachte.85 Historisch betrachtet war die Herstellung von chemischen Präparaten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ausnahmslos dem Berufsstand der Apotheker vorbehalten (siehe hierzu Kapitel 1.6.5). Daraus entstanden zunehmend Betriebe, die zunächst pharmazeutisch-chemische Präparate herstellten. Ein namhaftes Beispiel hierfür ist die Firma Merck aus Darmstadt, die aus einer Apotheke hervorging.86 Durch die Entwicklung von einstigen Apotheken hin zu pharmazeutisch-chemischen Fabrikationsstätten erhielt das Deutsche Reich vor dem Ersten Weltkrieg ein herausragendes Alleinstellungsmerkmal hinsichtlich seiner industriellen Produktion. Aus meist kleinen, aber höchst innovativen Familienbetrieben wuchsen große Chemieunternehmen, wie beispielsweise die Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrication (AGFA), die Badische Anilin- & Soda-Fabrik Ludwigshafen (BASF), die Farbwerke Hoechst AG, vorm. Meister, Lucius & Brüning, sowie die Wacker Chemie AG. Deutschland nahm dadurch eindeutig vor England und hinter den USA die Nummer zwei auf dem Weltmarkt ein.87 Grundlegende Erneuerungen sind vor allem der chemischen Industrie zuzuschreiben. Hier begann zunächst auf dem Gebiet der anorganischen Chemie die Erfindung der chemischen Großsynthesen.88 Sie leisteten einen wesentlichen Beitrag zur Ernährung einer stets wachsenden Bevölkerung. Es entstanden Fabriken, in denen Soda, Schwefelsäure, Kalisalze sowie Stickstoff- und Phosphordüngemittel produziert wurden. Diese Mittel, eingesetzt zur künstlichen Düngung, steigerten die Erträge in der Landwirtschaft um ein Vielfaches.89 Ein Pionier auf diesem Gebiet war im 19. Jahrhundert der Kölner Chemiker und Indust-

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ihrer Geschichte. Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften, MaxPlanck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften. Berlin: de Gruyter. Vgl. Kaltenbach 2011, 34. Vgl. Jansen 2003, 6. Vgl. März 2014, 27–29, 112. Die Großsynthese bzw. die chemische Synthese ist die chemische Herstellung hochwertiger Produkte aus einfachen Rohstoffen. Die erste und auch bekannteste industriell hergestellte Synthese gelang Carl Bosch und Fritz Haber im Jahr 1913 in der Badischen Anilin- & Soda-Fabrik Ludwigshafen (BASF). Unter Hochdruck und hohen Temperaturen gelang ihnen mit atmosphärischem Stickstoff und Wasserstoff die Ammoniaksynthese. Damit hatten Bosch und Haber einen wichtigen Grundstoff für die Herstellung von chemischen Düngemitteln entdeckt. In der Folge konnten Düngemittel großindustriell hergestellt werden. Die Ammoniaksynthese ging in die Geschichte mit dem Namen Haber-Bosch-Verfahren ein, wofür Fritz Haber im Jahr 1919 den Nobelpreis für Chemie erhielt (siehe Fußnote 12. Klemm 1989, 182–185). Vgl. Klemm 1989, 182.

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rielle Hermann Julius Grüneberg.90 In der von C. Karmrodt (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) entworfenen und von ihm gestalteten und kolorierten Düngetafel ist präzise dargestellt, in welchem Verhältnis beispielsweise die Kali- und Phosphordüngung zu verwenden ist, um möglichst große Erträge für die unterschiedlichsten Kulturpflanzen im Ackerbau zu erreichen.91 Die sich im weiteren Verlauf nach und nach bildende organisch-chemische Industrie ist in Deutschland geprägt von Namen wie Justus Liebig, August Wilhelm von Hofmann und später Johann Friedrich Wilhelm Adolf von Baeyer. Durch die bereits erwähnten chemischen Synthesen war es erstmalig möglich geworden, aus einfachen Rohstoffen hochwertige Produkte zu erzeugen. Dazu gehört in erster Linie die Erfindung der Ammoniaksynthese durch Fritz Haber sowie die Herstellung von Treibstoffen, Schmierölen und zahlreichen anderen Produkten.92 Katalytische Synthesen ermöglichten auch die Herstellung organisch-synthetischer Farbstoffe. Hier konnte man auf das Abfallprodukt Steinkohlenteer zurückgreifen, welches bei trockener Destillation von Steinkohle gewonnen wird.93 Durch Steinkohlenteer erhielt man farbige Substanzen, die man als synthetische Farbstoffe vermarktete. In der Folge entstanden 1863 die Farbwerke Hoechst AG, vorm. Meister, Lucius & Brüning, und 1865 die Badische Anilin- und Sodafabrik Ludwigshafen (BASF).94 Frühe organisch-synthetische Schädlingsbekämpfungsmittel enthielten ebenfalls Steinkohlenteer, allerdings war dieser Produktionszweig weitaus kleiner als der der Farbenindustrie.95 Durch eine enge Verbindung von theoretischer Chemie und der technischen Nutzung von in chemischen Fabriken entwickelten Substanzen und Mitteln wurde Deutschland auf dem Gebiet der Teerfarbenerzeugung schnell zum Marktführer in Europa. Hinsichtlich der Beleuchtung von Privathaushalten und Industriestätten war die einheimische Förderung von Erdöl am Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland so gering, dass man auf Importe aus 90 Dornheim und Brügelmann 2006: Dornheim, Andreas und Brügelmann, Walther (Hg.). Forschergeist und Unternehmermut. Der Kölner Chemiker und Industrielle Hermann Julius Grüneberg (1827–1894). Köln: Böhlau. 91 Ebd., 131–133, 339. 92 Vgl. Klemm 1989, 182–183. 93 Schreiber 1923: Schreiber, Fritz. Die Industrie der Steinkohlenveredelung. Zusammenfassende Darstellung der Aufbereitung, Brikettierung und Destillation der Steinkohle und des Teers. Wiesbaden, s.l.: Vieweg+Teubner Verlag. Online verfügbar unter http:// dx.doi.org/10.1007/978-3-663-05097-1 (Zugriff: 27.10.2021). 94 Bäumler 1963: Bäumler, Ernst. Ein Jahrhundert Chemie. Unter Mitarbeit von Gustav Ehrhart und Volkmar Muthesius. Düsseldorf: Econ Verl.; Abelshauser 2003: Abelshauser, Werner (Hg.). Die BASF. Eine Unternehmensgeschichte. 2. Aufl. München: Beck. Online verfügbar unter http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2003-3-009 (Zugriff: 27.10.2021). 95 Vgl. Jansen 2003, 66–67.

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dem Ausland angewiesen war. Führend waren hier die USA und England, sowohl in der Förderung von Erdöl wie auch in der Produktion von Petroleum, welches in Lampen gefüllt genügend Leuchtkraft brachte.96 Die herausragende Stellung Deutschlands im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert als aufstrebende Industrienation und Wirtschaftsmacht brachte aber auch negative Begleiterscheinungen hervor. Die mit dem Zeitalter der Industrialisierung verbundenen Umwälzungen zogen weitreichende ökonomische wie auch soziale Erschütterungen nach sich. Sie waren keineswegs national beschränkt, sondern betrafen das gesamte abendländische Europa.97 Explosionsartige Urbanisierungs- und Metropolisierungsprozesse waren auch der Nährboden sozialer Unruhen und einer langanhaltenden Armut weiter Teile der Bevölkerung. Niedrige Löhne der Arbeiterklasse sowie ein hohes Maß an Arbeitslosigkeit, schlechte Wohnverhältnisse und allgemein unzureichende Lebensbedingungen riefen eine Verelendung dieser Massen hervor. Nicht zuletzt beeinträchtigten ungenügende hygienische Bedingungen den Gesundheitszustand weiter Teile der Bevölkerung in den Ballungsgebieten.98 Dadurch war unübersehbar der Erhalt von Arbeitskräften gefährdet. Überdies entstand ein stetig wachsender Bedarf an Lebensmitteln, der in Berlin wie auch in anderen europäischen Metropolen umfangreiche Forschungen zur Steigerung der Erträge in Land- und Forstwirtschaft zur Folge hatte. Die Dimension, mit der Kulturpflanzen zur Sicherung der Ernten geschützt werden mussten, war bis dato unbekannt. Vor diesem Hintergrund erklären sich die großangelegten Forschungen und Entwicklungen zahlreicher Mittel zur Bekämpfung von schädigenden Mikroorganismen und Insekten sowie von Nagetieren.

96 Karlsch und Stokes 2003: Karlsch, Rainer; Stokes, Raymond. Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859–1974. München: Beck. Online verfügbar unter http:// www.gbv.de/dms/faz-rez/FD1200304101799547.pdf, 15–19 (Zugriff: 27.10.2021). 97 Lueger 1904: Lueger, Otto (Hg.). Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften. Im Verein mit Fachgenossen herausgegeben von Otto Lueger. Zweite, vollständig neu bearbeitete Aufl. 8 Bde. Stuttgart und Leipzig: Deutsche Verlags-Anstalt. 98 Geist und Kürvers 1989: Geist, Johann Friedrich; Kürvers, Klaus. Das Berliner Mietshaus. München: Prestel; Kieß 1991: Kieß, Walter. Urbanismus im Industriezeitalter. Von der klassizistischen Stadt zur Garden City. Berlin: Ernst; Zalewski 2007: Zalewski, Przemyslaw Paul. Altstadtsanierungen in Deutschland und in Europa bis zum Zweiten Weltkrieg. Eine Erinnerung an Motive und Methoden. In: Journal of Comparative Cultural Studies in Architecture, 2007, (1), 28–36.

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1.6.4 Der Erste Weltkrieg

In den zeitlichen Kontext ist methodologisch unabdingbar der Erste Weltkrieg mit einzubeziehen. Zwischen 1914–1918 waren innerhalb von vier Jahren rund 10 Millionen Menschen gefallen und 20 Millionen Verwundete zu beklagen.99 Während der Kriegsjahre entstanden äußerst prekäre Lebensumstände, die zu großen gesundheitlichen Problemen beim Militär und der Zivilbevölkerung führten. Auf den Kriegsschauplätzen hatten Soldaten mit den Widrigkeiten einer mangelnden Körperhygiene zu kämpfen. Ganze Heere samt ihrer Kleidung und Uniformen waren von Parasiten wie Krätzemilben (Sarcoptes sp.) und Läusen (Phthiraptera) befallen. Von den Überlebenden wurden Millionen aus ihrer Heimat vertrieben bzw. in Gefangenenlager verschleppt und dort als Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter interniert. Eingepfercht in Barackensiedlungen brachen unter völlig unzureichenden sanitären und hygienischen Bedingungen unkontrolliert Epidemien aus.100 Es war dies auch eine Zeit der Mangelwirtschaft, in deren Verlauf eine starke Warenknappheit entstand. Aus den genannten Gründen wurden auf Hochtouren die Erforschung, die Klassifizierung sowie die Ausrottung von Kleinstlebewesen energisch vorangetrieben. Die chemische Industrie hatte sich bereits etabliert, so dass der Staat auf sie zurückgreifen konnte und begann, sich mit ihr zu verzahnen. In diesem Verbund wurde der Verwissenschaftlichungsprozess in der Herstellung von synthetischen Mitteln zur Bekämpfung von Schadinsekten vorangetrieben. Wie Forschung und Entwicklung von Schädlingsbekämpfungsmitteln für militärische wie auch für zivile Zwecke die Konservierungsmethoden in den Sammlungen des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin beeinflusst haben, ist Gegenstand der Diskussion in Kapitel 3.2. Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges häuften sich in Deutschland zahlreiche Probleme, die sich auf die allgemeine Gesundheit der ganzen Gesellschaft auswirkten. Deshalb war man gezwungen, auf politischer, wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Ebene sowie im Bereich der Sozialhygiene nach Lösungen zu suchen, um sich ausbreitenden Krankheiten entgegenzutreten. In diesem Kontext wird dem Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin-Dahlem eine Schlüsselfunktion zugeschrieben. Das Institut war in neun Abteilungen gegliedert, arbeitete ausschließlich für die Heeresverwaltung und war ab Ende 1916 dem Kriegsministerium unterstellt. Der erste Direktor dieses Instituts war von 1911–1933 der bereits in Kapitel 1.4 erwähnte Chemiker Fritz Haber.101 Seine 99 Vgl. Rauchensteiner und Broukal 2015, 23–29. 100 Ebd., 193–201. 101 Fritz Haber wurde am 09.12.1868 geboren und starb am 29.01.1934; vgl. auch Eb-

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Aufgabe bestand darin, chemische Kampfstoffe zu entwickeln und sie zu erproben. Er entschied sich zunächst für das sogenannte Blasverfahren, wofür man mit Chlor gefüllte Metallzylinder einsetzte.102 Damit begann am 22. April 1915 der erste Gasangriff bei Ypern, den er persönlich überwachte. Die 14. Armee des Deutschen Kaiserreichs brachte bei einem weiteren Angriff in den östlichen Alpen Italiens zunächst das Atemgift Phosgen zum Einsatz, das die Filter der Gasmasken durchdrang. Danach wurde ein weiteres Giftgas angewandt, das die Lungen der ungeschützten Soldaten verätzte.103 Die Verbreitung der eigenen Erfindungen gelang Haber zusammen mit seinen Mitarbeitern, indem er Vertreter der einschlägigen Industrie zu gemeinsamen Sitzungen einlud. Im Einzelnen waren dies die Farbwerke Hoechst, vormals Meister, Lucius & Brüning, die Badische Anilin- und Soda-Fabrik Ludwigshafen (BASF), die IG-Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co. Elberfeld & Leverkusen, sowie die Aktiengesellschaft für Anilin-Fabrikation (AGFA) Berlin.104 Die Gemeinsamkeit der genannten Firmen bestand darin, dass bei der Herstellung ihrer Farben Unmengen an Chlor als Abfallprodukt anfielen, was diesem Industriezweig den Beinamen Chlorchemie eintrug. In den Korrespondenzen zwischen dem Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie und den entsprechenden Firmen werden deren Firmenvertreter direkt aufgefordert, sich bei speziellen Fragen mit den jeweiligen Spezialisten des Instituts in Verbindung zu setzen. Bei all dem wachte die Militärverwaltung streng darüber, die dienstliche Hoheit über die Erfindungen und Entwicklungen von Haber zu behalten.105 Aber auch unter den Wissenschaftlern wurde darum gerungen, wenn es um die Urheberschaft des Gaskrieges ging. Albrecht Schmidt-Ott betont in seinem Brief vom 1. Juli 1917 an Haber deutlich, dass nicht Walther Nernst,106 sondern das Kaiser-Wilhelm-

102 103 104 105 106

binghaus 1998: Ebbinghaus, Angelika. Der Prozeß gegen Tesch & Stabenow. Von der Schädlingsbekämpfung zum Holocaust. In: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, 1999, 13 (2), 39; Stoltzenberg 1994: Stoltzenberg, Dietrich. Fritz Haber. Chemiker, Nobelpreisträger, Deutscher, Jude, eine Biographie. Weinheim: VCH. AMPG Berlin. Haber-Sammlung von Johann Jaedicke. V a ABT, Rep. 0005, Nr. 514. Loseblattsammlung. Niehaus, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Der allererste Anfang des Gaskrieges. Bericht vom März 1958, Blatt 2, 2 Seiten. Vgl. Rauchensteiner und Broukal 2015, 184–185. AMPG Berlin. Haber-Sammlung von Johann Jaedicke. V a ABT, Rep. 0005, Nr. 516. Loseblattsammlung. Haber, Fritz. Brief an die Direktion der Farbwerke Hoechst, vormals Meister, Lucius & Brüning vom 30.06.1916, Blatt 7–8, 2 Seiten. Ebd. Haber, Fritz. Brief an die Farbwerke Hoechst AG, vorm. Meister, Lucius & Brüning vom 30.05.1917, Blatt 12−13, 2 Seiten; ebd. Haber, Fritz. Brief vom 12.06.1917, Blatt 15, 1 Seite; ebd. Anonymus 19.10.1917, Blatt 16, 1 Seite. Walther Nernst wurde am 25.06.1864 geboren und starb am 18.11.1941. Er war ein deutscher Physiker und Chemiker. Im Jahr 1920 erhielt er den Nobelpreis für Chemie für seine Arbeiten in der Thermochemie.

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Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie den Gaskrieg erfunden habe.107 Er reagiert verärgert und bekräftigt in einem weiteren Schreiben vom 24. September 1917 gegenüber Nernst seinen alleinigen Anspruch in Bezug auf die Erfindung und Entwicklung von Kampfgasstoffen sowie von B-Minen.108 Hier wird offenkundig, dass für die damaligen Protagonisten keine ethischen Probleme hinsichtlich des Einsatzes von Kampfgasstoffen existierten. Ungeachtet der zahllosen Menschen, die auf den Kriegsschauplätzen des Ersten Weltkrieges durch den Einsatz von Gas qualvoll ums Leben kamen, zählte nur die Vorrangstellung einzelner Personen sowie die Pionierleistung im Sinne der naturwissenschaftlichen Forschung. Noch bis in das letzte Kriegsjahr wurde an der Technologie der Kampfgasstoffe gearbeitet. Dazu fanden sich in einer weiteren Besprechung am 15. Mai 1918 im Sitzungssaal des Kaiser-Wilhelm-Institutes für Biologie in Berlin-Dahlem namhafte Vertreter der größten Farbenfabriken ein. Die Palette der Kampfstoffe war zu diesem Zeitpunkt bereits enorm angestiegen. Dem Wirkstoff Dichlordiethylsulfid, auch Lost oder Schwefellost genannt, wurde aus der Tabelle der Lostgruppe mit insgesamt 28 chemischen Wirkstoffen der Vorzug gegeben. Diesem Schwefellost fehlte allerdings noch ein geeignetes Mittel zur Geruchsverdeckung.109 Wie eng die politischen Interessen mit wissenschaftlichem Forschen und der industriellen Fertigung zusammenhingen, wird hier noch durch zwei Beispiele verdeutlicht. Die Farbwerke Hoechst AG, vorm. Meister, Lucius & Brüning, überließen dem KaiserWilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie vertrauliche Rezepturen zur Herstellung der wichtigsten Kampfgasstoffe. Darin enthalten waren genaue Angaben zur Füllung von Nebelgranaten (100 %-iges festes Schwefeltrioxid) sowie von Nebelapparaten (flüssige Mischung von 60 % Schwefeltrioxid und 40 % Chlorsulfonsäure).110 Haber selbst verhandelte mit Heinrich Dräger, einem Hersteller für Atemschutzgeräte, über die industrielle Herstellung von Gasmasken, woraufhin die Firma vom preußischen Kriegsministerium beauftragt wurde, eine spezielle Atemschutzausrüstung für deutsche Soldaten an der Front zu entwickeln.111 Die so 107 AMPG Berlin. Haber-Sammlung von Johann Jaedicke. V a ABT, Rep. 0005, Nr. 516. Loseblattsammlung. Nernst, Walther. Brief vom 01.07.1917, Blatt 17, 1 Seite. 108 Ebd. Schmidt-Ott, Albrecht. Brief an Walther Nernst vom 24.09.1917, Blatt 18–22, 5 Seiten sowie Abbildungen Nr. 3, 7, 26, 27, 31, 37g, 37h, 37i, 38b, 47, 59, 61, 67, 67a. 109 AMPG Berlin. Haber-Sammlung von Johann Jaedicke. V a, ABT, Rep 0005, Nr. 522. Loseblattsammlung. Sitzung des Preußichen Kriegsministeriums vom 15.05.1918 mit Anlagen, Blatt 3–23, 23 Seiten. 110 Ebd. Nr. 533. Anonymus. Auszug aus einer Akte der Farbwerke Hoechst AG, vorm. Meister, Lucius & Brüning ohne Jahresangabe. Rezepte zur Herstellung von Gaskampfstoffen sowie zur Füllung von Nebelgranaten und Nebelapparaten. Blatt 1–10, 10 Seiten. 111 Ebd. Nr. 534. Lummitzsch, Otto. Brief an Heinrich Dräger vom 10.10.1955, Blatt 1, 1 Seite.

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ausgerüsteten ersten Gaskompanien wurden zur Tarnung „Desinfektionskompanien“ genannt.112 Wie zu Beginn dieses Kapitels bereits angedeutet, konnten mit Ausbruch des Krieges heimische Produkte nicht mehr im gewohnten Umfang auf den Weltmärkten abgesetzt werden, was schwerwiegende Folgen für die deutsche Wirtschaft hatte. Gleichzeitig benötigte man kriegswichtige Rohstoffe, die aus dem Ausland bezogen werden mussten. So führte das Deutsche Kaiserreich bis 1913 Mineralöl hauptsächlich aus den USA ein, ca. 30 % kamen aus Galizien und Rumänien.113 Auch für Salpeter, welches zur Herstellung von Schießpulver und Sprengstoff benötigt wurde, musste ein Ersatz gefunden werden. Zur Beschaffung aller kriegswichtigen Roh- sowie Ersatzstoffe und auf Initiative von Walter Rathenau und Wichard von Moellendorff wurde am 13. August 1914 im preußischen Kriegsministerium eine Kriegsrohstoffabteilung gegründet.114 Rathenau leitete diese Abteilung bis März 1915 und holte sich unterstützend Haber als Mitarbeiter hinzu.115 Ihm wurde die Aufgabe übertragen, Ersatzstoffe zur Ernährung sowie zur Steigerung der Ernteerträge zu finden und zu entwickeln. Haber war bereits der große Durchbruch mit dem von ihm erfundenen Verfahren der Ammoniaksynthese gelungen (siehe Kapitel 1.6.3). Auf Grundlage dieser Erfindung entwickelte er mit Carl Bosch ein Verfahren zur industriellen Herstellung von Kunstdünger und erhielt dafür im Jahr 1919 den ChemieNobelpreis für das Jahr 1918.116 Habers Entwicklung von Kampfgasen für die deutsche Heeresleitung ging fließend in die Entwicklung von Gasen zur Bekämpfung von Schadinsekten im zivilen Bereich über. Er selbst betrachtete sich als Bindeglied zwischen Wissenschaft, 112 Ebd. Otto Lummitzsch über Fritz Haber. Erinnerungen vom Juli/August 1955, Blatt 4, Seite 3, II. Absatz, 1 Seite. 113 Vgl. Karlsch und Stokes 2003, 93–94, 131–132. 114 Ebd. 19; vgl. auch AMPG Berlin. Haber-Sammlung von Johann Jaedicke. Va ABT, Rep. 5, Nr. 2295. Loseblattsammlung. Frucht, Adolf-Henning. Fritz Haber und die Schädlingsbekämpfung während des I. Weltkrieges und in der Inflationszeit. Vorläufige Mitteilung zur Einzeluntersuchung vom Dezember 1985. Blatt 8–9, 2 Seiten. 115 Schmaltz 2005: Schmaltz, Florian. Kampfstoff-Forschung im Nationalsozialismus. Zur Kooperation von Kaiser-Wilhelm-Instituten, Militär und Industrie. Vollst. zugl.: Bremen, Univ., Dissertation, 2004. Göttingen: Wallstein (Geschichte der Kaiser-WilhelmGesellschaft im Nationalsozialismus, 11). Online verfügbar unter http://www.h-net. org/review/hrev-a0f1o1-aa, 18 (Zugriff: 27.10.2021). 116 Vgl. Kaiser 2002, 1–5; vgl. auch Süddeutsche Zeitung vom 22.04.2015. Schulte von Drach, Markus, C. 2015. Erster Giftgaseinsatz im Ersten Weltkrieg. Die schreckliche Erfindung des Patrioten Fritz Haber, online: http://www.sueddeutsche.de/politik/erster-giftgaseinsatz-im-ersten-weltkrieg-die-schreckliche-erfindung-des-patrioten-fritzhaber-1.2385082 (Zugriff: 03.09.2016).

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Industrie und Militär sowie als Retter der Menschheit und brachte dies in seinem paradigmatischen Ausspruch „Im Frieden der Menschheit, im Krieg dem Vaterland“ zum Ausdruck.117 Das Erbe seiner geistigen Haltung spiegelt sich kurz nach Beendigung des Ersten Weltkrieges in einem Brief des Pharmakologen und Militärarztes Ferdinand Flury an seinen ehemaligen Kollegen Albrecht Hase, worin er diesen zu einem gemeinsamen Beitrag über die Bekämpfung von Insekten mit Kampfgasen auffordert.118 Obwohl durch die Haager Konferenzen vom 29. Juli 1899 sowie vom 1. Oktober 1907 der Einsatz von Giften als Waffen vertraglich untersagt worden war, hatte sich der Erste Weltkrieg zum „Gaskrieg“ und damit zum ersten industriell geführten Krieg entwickelt.119 Es erscheint an manchen Stellen schwierig, die Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung zeitlich abzugrenzen und damit historisch einzuordnen. Seien es nun die Folgeerscheinungen der Industrialisierung oder des beginnenden Ersten Weltkrieges, beide geschichtlichen Ereignisse sind eng miteinander verbunden. Unstrittig ist jedoch die historisch belegte Tatsache, dass der erstmalige Einsatz von giftigen Gasen zur Vernichtung von Menschen während des Ersten Weltkrieges durch deutsche Soldaten erfolgte.120 Die Anwendung von Gasen als Schädlingsbekämpfungsmittel in musealen Sammlungen gleicht einer Sondernutzung im zivilen Bereich und wird in Kapitel 3 ausgiebig erörtert.

1.6.5 Die Hygienebewegung als indirekte Folge der Industrialisierung und des Ersten Weltkrieges

Die Industrialisierung und der Erste Weltkrieg waren historische Ereignisse von unvorstellbaren Dimensionen und zogen schwerwiegende Folgen für die Zivilgesellschaft und das Militär nach sich. Massen von Menschen, sei es in den europäischen Metropolen, auf den Schlachtfeldern oder in den Gefangenenlagern, mussten 117 Vgl. Kaiser 2002: Kaiser, Gerhard. Wie die Kultur einbrach. Giftgas und Wissenschaftsethos im Ersten Weltkrieg In: Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, 1–5. Online verfügbar unter URN: urn: nbn:de: bsz:25-freidok-5065. Originalbeitrag erschienen in: Merkur 56, 2002, Heft 635, 218. 118 AMPG Berlin. Haber-Sammlung von Johann Jaedicke. V a ABT, Rep 0005, Nr. 536. Loseblattsammlung. Reizgase zur Schädlingsbekämpfung. Ferdinand Flury an Albrecht Hase. Brief vom 28.07.1920, 4 Seiten, ohne Paginierung. [Ferdinand Flury und Albrecht Hase waren Mitarbeiter am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und haben unter der Leitung von Fritz Haber das Zyklon A entwickelt (Anm. d. Verf.)]. 119 Vgl. März 2014, 263–264. 120 Kaiser 2002, 210–220.

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auf engstem Raum unter katastrophalen hygienischen Bedingungen zusammenleben.121 Dadurch verbreiteten sich Mikroorganismen (Viren, Bakterien, Hefen) und Parasiten explosionsartig. Insekten oder Rodentien (Nagetiere) übertrugen Infektionskrankheiten und richteten darüber hinaus beträchtliche Schäden an Nahrungsmitteln an. Solche Aspekte haben die Insekten und Kleinstlebewesen schnell im Sprachgebrauch zu (Material- bzw. Vorrats-)„Schädlingen“ und „Ungeziefer“ werden lassen. Dies sind keine zoologischen Begriffe, vielmehr spiegeln sie die Sichtweise der Zeitgenossen wider.122 Um also auftretenden gesundheitlichen Gefahren entgegenzutreten, wurde von staatlicher Stelle intensiv daran gearbeitet, Lösungen für mehr Sauberkeit und Hygiene zu finden. Im Verbund mit der Industrie wurden Wirkstoffe und Mittel entwickelt, hergestellt und vertrieben. Auch eigene Rezepturen von Apothekern kamen zum Einsatz, die hier in einem kurzen Rückblick beleuchtet werden. Der römisch-deutsche Kaiser Friedrich II. (1194–1250) erließ im Jahr 1231 eine Medizinalordnung, die eine Aufgabentrennung von Ärzten und Apothekern zur Folge hatte. Ersteren obliegt seitdem die Behandlung von Patienten und Letzteren die Herstellung von Medikamenten.123 Dadurch konnten Apotheker vermehrt ab dem 18. Jahrhundert eigene Rezepturen auch für Schädlingsbekämpfungsmittel herstellen und frei verkaufen.124 Das wohl berühmteste Beispiel ist von dem französischen Apotheker Jean-Baptiste Bécouer (1718–1777) überliefert. Seine Arsenikseife wurde zur Konservierung bis weit in die Mitte des 20. Jahrhunderts in der Präparationstechnik naturkundlicher Sammlungen angewandt (siehe hierzu Kapitel 2.3 und die Erläuterung zu Arsenikseife im Glossar). Eine Wende in der Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln begann mit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Die chemische Industrie gewann mehr und mehr an Bedeutung und suchte gezielt Absatzmärkte für ihre Produkte zur Bekämpfung von Schadinsekten. Das Interesse, auch außerhalb des Gesundheitswesens einen Kundenkreis aufzubauen, war groß. Als potenzielle Abnehmer kamen auch kulturelle Einrichtungen wie eben das Königliche/Staatliche Museum für Völkerkunde zu Berlin in Frage (siehe Kapitel 3.2.1). Eine Schlüsselfunktion auf dem Gebiet der Hygienebewegung nehmen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert die entstehenden und sich ent-

121 Berghahn 2014: Berghahn, Volker Rolf. Der Erste Weltkrieg. München: C. H. Beck. 122 Vgl. Ebbinghaus 1998, 29–30; vgl. auch Jansen 2003, 94–95. 123 Dann 1957: Dann, Georg Edmund (Hg.). Die Medizinalordnung Friedrichs II. Eine pharmaziehistorische Studie. Unter Mitarbeit von Wolfgang-Hagen Hein und Kurt Sappert. Eutin (Holstein): Internationale Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (Veröffentlichungen der Internationalen Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie, 1957, Neue Folge, Bd. 12). 124 Vgl. Münch 1995, 147.

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wickelnden Hygiene- und Gesundheitsbehörden ein.125 In diesem Kontext ist die Gründung des Kaiserlichen Gesundheitsamtes mit erstem Sitz in der Klopstockstraße in Berlin-Tiergarten als oberster Reichsbehörde für das Medizinalwesen am 28. April 1876 in Berlin von weitreichender Bedeutung. Von 1876–1884 war dort Heinrich Struck Direktor, Robert Koch erhielt nach dessen Amtszeit die kommissarische Leitung in den Folgejahren von 1884–1885.126 Obwohl Struck in dieser Behörde umstritten war, ist es ihm zu verdanken, dass er sich gegen den Willen des Reichskanzleramtes durchsetzen konnte und seine Behörde verstärkt wissenschaftlich ausrichtete. Er installierte ein bakteriologisches Labor und ließ Koch dort seine ersten Versuche durchführen.127 Für ihn wurde dann im Jahr 1891 das KöniglichPreußische Institut für Infektionskrankheiten, das heutige Robert Koch-Institut, gegründet, wo er sich gänzlich der Erforschung von Bakterien widmete.128 So konnte beispielsweise durch das Eingreifen des Kaiserlichen Gesundheitsamtes in Berlin und mit der Entsendung Kochs nach Hamburg die dortige Choleraepidemie erfolgreich bekämpft werden.129 Beim Anblick der katastrophalen Umstände während eines Rundgangs in der Stadt kam es dann am 24. August 1892 zu seinem berühmten Ausspruch: „Meine Herren, ich vergesse, dass ich in Europa bin.“130 Ab 1918 wurde die Behörde in Reichsgesundheitsamt umbenannt. Fortan war es die oberste Gesundheits- und veterinärtechnische Fachbehörde in Deutschland, welche die Gesundheitspolitik bedeutend mitgestaltete. Zwischen den Bereichen Wissenschaft, Medizin und Politik entwickelte das Reichsgesundheitsamt innerhalb der Gesellschaft ein weitreichendes Netzwerk, wo mitunter konträr denkende politische und gesellschaftliche Interessengruppen aufeinandertrafen. Im Wettbewerb mit den damals in Deutschland existierenden Einzelstaaten und Kommunen erlangte das Reichsgesundheitsamt im Bereich der Medizin, der Wissenschaft und der Landwirtschaft immer mehr Bedeutung. Die Gründungen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt im Jahr 1887 sowie der Kaiserlichen Biologischen Anstalt für Landund Forstwirtschaft im Jahr 1905 werden von Hüntelmann als Ergebnis dieser Ent-

125 Hüntelmann 2008: Hüntelmann, Axel Cäsar. Hygiene im Namen des Staates. Das Reichsgesundheitsamt 1876–1933. Diss.-Bremen. Univ., 2005. Göttingen: Wallstein. Online verfügbar unter http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?id=3099685&prov=M&dok_ var=1&dok_ext=htm, 13–14 (Zugriff: 27.10.2021). 126 Ebd., 10. 127 Ebd., 172–173. 128 Vasold 2002: Vasold, Manfred. Robert Koch, der Entdecker von Krankheitserregern. Heidelberg: Spektrum der Wissenschaft. 129 Vgl. Evans 1999, 372. 130 Ebd., 398.

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wicklung gesehen.131 Die Urbanisierung mit ihren schlechten Wohn-, Lebens- und Arbeitsverhältnissen als Folge der Industrialisierung erzwang einen Antrieb in den Naturwissenschaften. Sie führte langfristig und indirekt zu einer „Verwissenschaftlichung des Sozialen“, also zu einer steigenden Relevanz der wissenschaftlichen Expertise hinsichtlich des Alltags großer Bevölkerungskreise.132 Innerhalb von fünf Jahrzehnten entwickelte sich das Reichsgesundheitsamt zu einer „Hochburg der Hygiene“ und erhielt den Status eines Gesundheitsministeriums.133 Dem Kaiserlichen Gesundheitsamt/Reichsgesundheitsamt waren diverse Gesundheitsämter auf kommunaler und Landesebene nachgeschaltet, welche die dort beschlossenen Gesetze und Verordnungen ausführten. Im Jahr 1935 wurde das Reichsgesundheitsamt mit dem Robert Koch-Institut für Infektionskrankheiten und der Preußischen Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene134 zusammengeführt. Diese Institution entwickelte sich zu einem Ministerium, welches „… das Reichsamt des Innern in allen medizinalpolizeilichen und gesundheitspolitischen Angelegenheiten beraten hat, …“.135 Die Hauptaufgaben der Behörde bestanden in der Bekämpfung von weitverbreiteten Seuchen wie Typhus, Tuberkulose, Cholera und Diphtherie; auch sollte eine ausreichende Ernährung der gesamten Bevölkerung sichergestellt werden.136 Die Ergebnisse der Grundlagen- und angewandten Forschung führten dazu, Mikroorganismen, Insekten und Nagetiere in schädigende und nicht schädigende Lebewesen einzuteilen. Das Wissen um die Verbreitung und die Bekämpfung von Gesundheitsschädlingen wurde in Berlin von der Preußischen Landesanstalt für Wasser, Boden- und Lufthygiene in Berlin-Dahlem verbreitet. Dort bot man Lehrgänge an, die sich an die Berufsgruppen der Kammerjäger, der Desinfektoren137 und anderweitig Interessierte richtete. Namhafte Professoren wie der Zoologe Julius 131 132 133 134

Vgl. Hüntelmann 2008, 262. Ebd., 11–12. Ebd., 76. Im Jahr 1901 wurde die Königliche Versuchs- und Prüfanstalt für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung in Berlin gegründet. Im Jahr 1923 erfolgte eine Umbenennung in Preußische Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene. Klaus, Burkhard. Verein für Wasser-, Boden- und Lufthygiene e. V., Berlin. WaBoLu Homepage. Online verfügbar unter https://wabolu.de (Zugriff: 24.02.2021). 135 Vgl. Hüntelmann 2008, 176. 136 Ebd., 190–193. 137 Desinfektoren werden auch heute noch für Krankenhäuser, Rettungsstellen und Gemeinschaftseinrichtungen ausgebildet (siehe hierzu: Hintzenstern und Arens 2007: Hintzenstern, Ulrich von; Arens, Larissa (Hg.). Notarzt-Leitfaden. 5. Aufl. München: Elsevier Urban & Fischer (Klinikleitfaden). Online verfügbar unter http://deposit.d-nb. de/cgi-bin/dokserv?id=2995216&prov=M&dok_var=1&dok_ext=htm).

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Franz Wilhelmi führten in die Grundzüge der Tier- und Insektenkunde ein. Des Weiteren wurden die chemischen Grundlagen der Schädlingsbekämpfung vermittelt sowie die Anwendung unterschiedlicher Verfahren und Methoden in praxi geübt. Schon zur damaligen Zeit war man sich der Gefahren gesundheitlicher Schädigungen, verursacht durch Berufsunfälle während der Ausführung von Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung, bewusst. Auch dieses Wissen sowie Erste-Hilfe-Maßnahmen flossen in den Unterricht ein.138 Zur Regelung der Hygiene in Wohnstätten wurden Aspekte der Lufthygiene, der Trinkwasserversorgung, der Abwasser- sowie der Abfallentsorgung untersucht. Man vertiefte das Wissen um die Krankheiten übertragenden Schädlinge in Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden und arbeitete dabei im heutigen Sinne ganzheitlich auf dem Gebiet der Städtehygiene.139 Zur sozialhygienischen Tätigkeit des Reichsgesundheitsamtes gehörten beispielsweise die „systematische Zahnpflege in den Schulen“, medizinische Untersuchungen sowie die Schulspeisung.140 Die gewonnenen Erkenntnisse mündeten in dem vornehmlich vom Reichsgesundheitsamt entworfenen Reichsseuchengesetz.141 Es wurde nach langer Vorbereitung am 28. August 1905 vom Preußischen Minister der geistlichen, Unterrichtsund Medizinalangelegenheiten im Deutschen Reich erlassen.142 Die Erziehung und Belehrung zur Hygiene weiter Teile der Bevölkerung erreichte man durch das Verteilen zahlreicher Flugblätter, Merkblätter und Broschüren sowie eines Gesundheitsbüchleins. Die im ausgehenden 19. Jahrhundert allgemein gängige Praxis von Schlafgängern förderte die Verbreitung von Insekten und Krankheiten, wenn Betten durch umschichtiges Schlafen von mehreren Personen genutzt wurden.143 In Kleidungsstücken, gefertigt aus grober Wolle, konnten sich Textilmotten (Tineola sp.) problemlos einnisten und vermehren. Die Krätze, hervorgerufen durch Krätzemilben sowie Läuse, Wanzen und Flöhe, gehörten zum Alltag.144 Eine der größten Gefahren ging von der durch Ratten übertragenen Pest aus. Patienten mussten sich in 138 Anonymus 1927: Zweiter Lehrgang zur Bekämpfung der Gesundheitsschädlinge vom 14.–22. Februar 1927. In: Zeitschrift für Desinfektions- und Gesundheitswesen, 1927, (1), 49. 139 Vgl. Hüntelmann 2008, 193–208. 140 Ebd., 209. 141 Ebd., 263. 142 Kirchner 1907: Kirchner, Martin. Die Gesetzlichen Grundlagen der Seuchenbekämpfung im Deutschen Reiche unter besonderer Berücksichtigung Preußens. XIV. Internationaler Kongreß für Hygiene und Demographie. Festschrift dargeboten von dem Preußischen Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. Jena, Vorwort, IV. 143 Vgl. Münch 1995, 204. 144 Ebd., 203.

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Kliniken wie auch in ihrem wohnlichen Umfeld gezielten Begasungsmaßnahmen unterziehen. Hierfür wurden neue Mittel zur Begasung und zur Sterilisation entwickelt, die das gesamte Spektrum der medizinischen sowie der agrotechnischen Schädlings- und Seuchenbekämpfung veränderten. Die Seuchenverbreitung durch Wareneinfuhr versuchte man durch Aus- und Einfuhrverbote zu regeln. Zur Umsetzung schulte man Personen in achttägigen Kursen und stattete diese mit einem Ausweis als staatlich geprüfte Desinfektoren aus. In eigens eingerichteten Desinfektionsanstalten wurde mit Hilfe von Dampf, aber auch mit chemischen Mitteln desinfiziert.145 Die Sorge um die Verbreitung der Pest ging so weit, dass man den Leichenschmaus nach einer Beerdigung unter Strafe stellte.146 Wie gravierend die Verseuchung mit Ungeziefer in städtischen Kliniken gewesen sein muss, zeigen beispielsweise Versuche, die Pharaoameise zu bekämpfen. Als befallen werden im Jahr 1930 einem Bericht der städtischen Heil- und Pflegeanstalt in Berlin-Buch zufolge das Rudolf-Virchow-Krankenhaus, die Kinderheilanstalt Buch, das Hospital Buch-Ost, das Krankenhaus Britz, das Krankenhaus am Friedrichshain, das Kinderkrankenhaus Reinickendorferstraße, die Heil- und Pflegeanstalt Herberge und die Heil- und Pflegeanstalt Buch genannt.147 Ein Mitarbeiter des damaligen Magistrats sah die Verbreitung der Pharaoameise ursächlich in Kisten, worin Eier aufbewahrt wurden sowie in der Kleidung von Patienten, die krankheitsbedingt von einem zum nächsten Hospital verlegt werden mussten.148 Sogar der Abriss des Virchow-Krankenhauses, worin sich die Pharaoameisen eingenistet hatten, wurde in Erwägung gezogen.149 Die durch Bakterien, Mikroorganismen und Rodentien verursachten Beeinträchtigungen ließen bereits Anfang des 19. Jahrhunderts die Erkenntnis reifen, dass das Baden nicht nur medizinischen Zwecken, sondern auch der Sauberkeit und der eigenen Körperhygiene diente.150 Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Badeanstalten Bestandteil von Hygienekampagnen, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Sauberkeit und Gesundheit zwei

145 Ebd., 153–158. 146 Ebd., 166–167. 147 LAB. A Rep. 003-04-01, Nr. 194. Akte Städtische Heil- und Pflegeanstalt Buch. Schädlingsbekämpfung. Loseblattsammlung. Pieper, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Bericht vom 08.07.1930 über die Bekämpfung der Pharaoameise in städtischen Kliniken, Blatt 36, 1 Seite. 148 Ebd. Drigalski, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Magistrat der Stadt Berlin. Deputation für das Gesundheitswesen an die einzelnen Einrichtungen. Schreiben vom 27.02.1931, Blatt 46, 1 Seite. 149 Ebd. Anonymus. Die Morgenpost vom 08.12.1931. Ameisenplage im Virchow-Krankenhaus, Blatt 51, 1 Seite. 150 Vgl. Münch 1995, 205.

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Aspekte ein und derselben Sache sind.151 Bei Ausbruch der ersten Choleraepidemie im Jahr 1866 wurden mit wissenschaftlichen Methoden und unter Androhung polizeilicher Strafen die Kloaken und Senkgruben kontrolliert. Für eine städtische Kanalisation und eine zentrale Trinkwasserversorgung zur Eindämmung der Epidemien sorgten in Berlin u.a. Rudolf Virchow152 zusammen mit James Hobrecht.153 Bei allen Veränderungen im Gesundheitswesen stand die Erhaltung der Arbeitskraft maßgeblich im Vordergrund. Dies also war die Reaktion der deutschen Gesellschaft und ihrer Organe auf rapide ansteigende Bevölkerungszahlen in den Städten und den sich wandelnden Gewohnheiten, Bedürfnissen und Erfordernissen ihrer Einwohner. Eindrücklich sind in diesem Kontext auch die Zahlen für die Geburtenrückgänge. Demnach sank die Geburtenquote in den Jahren 1900 bis 1913 von 35,6 auf 27,5 pro 1000 der Bevölkerung und die Sterbeziffer von 22,1 auf 15,0 pro 1000 der Bevölkerung. Durch diese „medizinisch-hygienische Revolution“ stieg die Lebenserwartung bei gleichzeitigen Verbesserungen, die in den Arbeits- und Produktionsbedingungen eingeführt wurden.154 Wichtige Wirkstoffe und Mittel, die zur Bekämpfung von Bakterien, Kleinstlebewesen und Nagetieren entwickelt und in Umlauf gebracht wurden, waren Autan, Flit und Globol. Diese Mittel wurden ebenso dem Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin angeboten und kamen dort zum Einsatz. Das Begasungsmittel T-Gas wurde auch angeboten, der Nachweis für eine Anwendung konnte im Rahmen dieser Dissertation jedoch nicht erbracht werden (siehe Kapitel 3.2.1).

1.6.6 Die Entwicklung des Vorratsschutzes während der Industrialisierung und des Ersten Weltkrieges

Die ausgiebig diskutierten katastrophalen Zustände, hervorgerufen durch die Industrialisierung und den Ersten Weltkrieg, führten zu Grundlagenforschungen auf dem Gebiet der Botanik und der Entomologie. Im Kontext der vorliegenden Publikation ist dabei die Frage entscheidend, ob und auf welchem Weg Schädlingsbekämpfungsmittel, die zum Schutz von Kulturpflanzen entwickelt wurden, auch dem Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin angeboten wurden und dort 151 Ebd., 214. 152 Ebd., 222–225. 153 Wagner et al. 1972: Wagner, Fritz; Rieckenberg, Hans Jürgen; Glaubrecht, Martin; Jaeger, Hans; Hentig, Hans Wolfram von; Körner, Hans. Neue Deutsche Biographie. HessHüttig. 1–9. Berlin: Duncker & Humblot (9), 280–281. 154 Vgl. März 2014, 118–119.

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zum Einsatz kamen. Neben den Bemühungen, die hygienischen Bedingungen in den Ballungsgebieten zu verbessern, war es auch unabdingbar, die rapide gewachsene Bevölkerung in den neuen Metropolen ausreichend zu ernähren. Getreide und Hauptnahrungsmittel wie Kartoffeln mussten folglich vor Insekten, Nagetieren und Mikroorganismen geschützt werden. Dieser Umstand ließ die land- und forstwirtschaftliche Schädlingsbekämpfung zu einem Teil des industriell-technischen Fortschritts werden. Allen voran fügten die Blutlaus, die Reblaus sowie die Mehlmotte der einheimischen Wirtschaft erhebliche Schäden zu. Durch die Einfuhr von Lebensmitteln und Samen aus Übersee konnten sich bislang nicht heimische Insekten in Deutschland vermehren, da sie mitunter ähnliche klimatische Bedingungen in ihren Herkunftsländern vorfanden. Dabei wurden die Wege von Käfern und Insekten aus Übersee im Reis und im Getreide von Entomologen empirisch nachverfolgt.155 Das Kaiserliche Gesundheitsamt/Reichsgesundheitsamt war in diesem Kontext maßgeblich an der Mitgestaltung von Nahrungsmittelgesetzen beteiligt.156 Am 25. Februar 1898 gründete man in der Behörde eine eigene Biologische Abteilung für Land- und Forstwirtschaft, die innerhalb eines Jahres vier Laboratorien erhielt. Daraus entstand ab dem 1. April 1905 die Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaften.157 Dort beschäftigten sich Spezialisten vornehmlich mit dem Erhalt von Nahrungsmitteln und mit der Bekämpfung von Speicherschädlingen und anderen Schadinsekten.158 Auf Friedrich Zacher, einen deutschen Entomologen und Leiter des Labors ab 1911, geht der Begriff des Vorratsschutzes zurück. Sein Standardwerk, eine systematische Beschreibung von Vorrats-, Speicher- und Materialschädlingen sowie deren Bekämpfung,159 fand in der Wissenschaft sowie in zahlreichen Zeitschriften im In- und Ausland viel Anerkennung.160 Zusammen mit seiner Frau gründete und leitete er die Gesellschaft für Vorratsschutz in Berlin-Steglitz, deren Zentralorgan die Mitteilungen der Gesellschaft für Vorratsschutz e. V. waren. Die Ge155 Zacher 1921: Zacher, Friedrich. Eingeschleppte Vorratsschädlinge. Sitzungsberichte. Sitzung vom 28.11.1921. In: Deutsche Entomologische Zeitschrift, 1921, (4), 288–295. 156 Vgl. Hüntelmann 2008, 263. 157 Aderhold 1906: Aderhold, Rudolf. Die Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft in Dahlem. In: Mitteilungen aus der Kaiserlichen Biologischen Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, 1906, (1), 2–6. 158 Ebd., 12–14. 159 Zacher 1927: Zacher, Friedrich. Die Vorrats-, Speicher- und Materialschädlinge und ihre Bekämpfung. Berlin: P. Parey. 160 BArch R 3602/2461. Akte der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft. Berücksichtigung des Vorratsschutzes. Loseblattsammlung. Entwicklung und Tätigkeiten allgemein, historische Entwicklung, Rezensionen und Empfehlungen. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde 1927–1933, Blatt 305, 1 Seite; Blatt 326–329, 4 Seiten; Blatt 335–337, 3 Seiten; Blatt 380–381, 2 Seiten.

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sellschaft war für Industrie, Handel, Landwirtschaft und Verbraucher eine Plattform, wo die neuesten wissenschaftlichen Ergebnisse sowie deren praktische Verwertbarkeit veröffentlicht und diskutiert wurden. In unmittelbarer Nachbarschaft befanden sich die Mitarbeiter des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin, die diese Fachzeitschrift ebenso lasen (siehe hierzu Kapitel 3.2.3). Zacher betrachtete sich und seine Gesellschaft als wichtiges Bindeglied zwischen Staat und Industrie, zwischen wissenschaftlicher Forschung und den praktischen Fragen des Handels und der Landwirtschaft. Er selbst sah sich als Wegbereiter einer Nation, die sich nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg ihre Rolle auf dem Weltmarkt neu erobern musste, um mit dem Ausland konkurrenzfähig bleiben zu können. Mit dem Import von Kartoffeln aus Nordamerika wurde in Deutschland der amerikanische Colorado-Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) eingeschleppt. Die Landwirte wurden von behördlicher Seite informiert,161 doch auch das Verbot zur Einfuhr amerikanischer Kartoffeln blieb wirkungslos.162 Die Bekämpfung des Colorado-Kartoffelkäfers erfolgte mit Rohbenzol sowie mit arsenhaltigen Aufgüssen. Dennoch halfen weder Aufklärung noch Verbote, dieses Insekt auszurotten. In die Amtszeit des Oberregierungsrates Martin Schwartz, Leiter der wirtschaftlichen Abteilung der Biologischen Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft in BerlinDahlem, fiel eine weitere Verordnung vom 7. März 1923 über die Einfuhr lebender Pflanzen und frischer Pflanzenteile nach Deutschland, die aus Amerika, Japan, Australien, China und Hawaii bezogen wurden. Dabei ging es um die Ausrottung des Colorado-Kartoffelkäfers (Leptinotarsa decemlineata), der Reblaus, der San-JoséSchildlaus sowie des Kartoffelkrebses.163 Diese frühe Form der Globalisierung ließ gar den wirtschaftlichen Zusammenbruch sowie den Ruin von Landwirten befürchten.164 161 Anonymus 1875: Der Kartoffelkäfer, Chrysomela (Doryphora) decemlineata. Im Auftrage des königlich preußischen Ministeriums für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten herausgegeben. Berlin: Ernst Schotte & Voigt. 162 GStA PK. I. HA Rep. 89, Nr. 30186. Acta betreffend die Maßregelung zur Vertilgung der den Feldfluren schädlichen Insecten. Loseblattsammlung. Ernährung der Bevölkerung; landwirtschaftliche Erträge. Wilmowski von, Karl. Brief an den deutschen Kaiser Wilhelm I. vom 24.02.1875, 1 Seite, ohne Paginierung. 163 Schwartz 1925: Schwartz, Martin. Die reichsgesetzlichen Pflanzenschutzbestimmungen für die Einfuhr lebender Pflanzen und frischer Pflanzenteile nach Deutschland. In: Der Deutsche Erwerbsgartenbau, 1925, (45), 653–654. 164 GStA PK. I. HA, Rep. 87, B, Nr. 19127. Akte des Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Abteilung I A. Reichsausschuss für Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung, 1920–1922. Loseblattsammlung. Behrens; Brick; Schultze, (Vornamen unbekannt, Anm. d. Verf.). Sonderausschuss für Pflanzenschutz. Niederschrift der 39. Sitzung vom 17.02.1922. Protokoll, Blatt 39–42, 8 Seiten.

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Sowohl der gewerbliche wie auch der private Gartenbau bildeten im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert eine feste Größe zur Ernährung breiter Bevölkerungsschichten. Im Jahr 1925 erging von dem Gewerbeoberlehrer Theodor Landgraf ein Appell zur grundsätzlichen Bekämpfung von schädigenden Insekten an Berufsgärtner, Schreber- und Kleingärtner. Er inszenierte in den Grundsätzen zur Schädlingsbekämpfung im Gartenbau einen Stellvertreterkrieg gegen Kleinstlebewesen, dessen Schreckensszenarien durch gezielt eingesetzte Redewendungen Gestalt annahmen. Es war ein Kampf gegen Millionen und Abermillionen, ein Feldzug, wo Schuldige und Verursacher von Anbeginn feststanden.165 Er spricht vom „Kampf um den Lebensraum, um das Dasein, um Nahrung, Licht, Luft und Raum …“ und bedient damit ureigene Ängste des Menschen um das eigene Überleben. Es ist von einem „mehr und mehr anwachsenden Unheil“ und großen Epidemien die Rede. Insekten, auch als „Seuchen-Erreger“ bezeichnet, macht er in seinem Pamphlet zu aktiv Handelnden, deren Ziel es ist, auf vernichtende Weise zu wüten. Landgraf sieht es folgerichtig als eine vornehmliche Aufgabe, in den Massenwechsel, also in die Änderung der Bevölkerungsdichte einer Tierart, einzugreifen. Aus heutiger Sicht ist es interessant zu lesen, dass er dabei auch Aspekte der heute in Museen gängigen Methode des Integrated Pest Managements (IPM) anspricht. Er empfiehlt präventiv Mistbeetstätten, Gewächshäuser sowie Werkzeuge und Schuhe zu reinigen. Ebenso sollen befallene Pflanzenteile, Holz und nicht abgeerntete Früchte verbrannt werden. Solche Maßnahmen dienen aus seiner Sicht nur der Vorbereitung, um dann „verseuchte“ Erden mit einer Mischung aus Formalin und viertel- oder halbprozentigem Kupfersulfat oder Schwefelkohlenstoff auszuglühen oder zu verbrennen.166 Zur Bekämpfung von Vorratsschädlingen sieht Zacher gravierende Unterschiede hinsichtlich geeigneter Methoden gegenüber dem Pflanzenschutz. Er sieht dies in der wesentlich überschaubareren Bandbreite ihrer Spezies begründet. Deshalb plädiert er für eine pflegliche Behandlung von Waren und führt den Begriff der „schädlingsbiologischen Hygiene der Warenlagerung“ ein.167 Beim Schutz von Lebensmitteln vor Schadinsekten gibt er eindeutig giftigen Gasen den Vorzug. Sein Anforderungskatalog umfasst deren Billigkeit, ihre Unschädlichkeit für Waren und Einrichtungsgegenstände, ihre ausreichende Wirksamkeit sowie Ungefährlichkeit 165 Landgraf 1925: Landgraf, Theodor. Grundsätze zur Schädlingsbekämpfung im Gartenbau. In: Führer durch die Gartenbau-Ausstellung, Bergedorf, 1925, 37. 166 Ebd., 33–36. 167 Zacher 1924a: Zacher, Friedrich. Der Brotkäfer, ein schlimmer Haushaltsschädling. In: Hof und Garten, 1924, 46, 87–88; Zacher 1924b: Zacher, Friedrich. Methoden der Vorratsschädlingsbekämpfung. Vierte Mitgliederversammlung zu Frankfurt am Main vom 10.–13. Juli 1924. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für angewandte Entomologie, 1924, 45–48.

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für Menschen und Haustiere. Auch dürfen sie nicht explosiv sein. Bis dato waren Kohlenstoffmonoxid, Kohlenstoffdioxid, Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff, Dihydrogensulfit (schweflige Säure), Cyanwasserstoff sowie Zyklon B in der Diskussion. Eigene Versuche deuteten darauf hin, dass jede Substanz für sich nicht in der Lage war, die Anforderungen insgesamt zu erfüllen. Zacher verfolgte mit seinen Beobachtungen eher eine Kombination von leicht flüchtigen Verbindungen mit giftiger Wirkung sowie mit Reizgasen. Mehr oder weniger befriedigend experimentierte er mit „(CO₂ mit Chlorkalk, Chlorwasser, Ammoniak, Cumarin, Isovaleriansäure, Eisessig, Butylalkohol und schließlich auch Elektrizität)“.168 Der Fortschrittsglaube und der Glaube an die Errungenschaften der Technik kommen in einem Beitrag von Walter Heerdt zum Ausdruck. Er sieht in Zyklon B eine Verbesserung des Blausäureverfahrens und richtet seinen Blick auf die Vereinigten Staaten Amerikas, wo man im großen Stil bei der Begasung von Orangenund Zitronenbäumen bereits zum flüssigen Zyklon B übergegangen war. Unter Zyklon B versteht man flüssige Blausäure (Cyanwasserstoff ), die in Blechbüchsen gefüllt und dort von Kieselgur169 aufgesaugt wird. Zusätzlich werden Stabilisierungs- und Reizmittel (organische Halogenverbindungen) zugegeben.170 Werden die Blechbüchsen geöffnet, verdampft die Blausäure. Heerdt betont, dass von Zyklon B geringere Mengen an Blausäure, verglichen mit dem Blausäureverfahren, für eine Begasung benötigt werden. Den Verbrauch für eine Mühle mit 5000 m3 beziffert er mit insgesamt 850 kg Blausäure, aber nur mit 220 kg für Zyklon B.171 Nicht nur die geringeren Mengen an Blausäure sind vorteilhaft, sondern Zyklon B ist in seiner Anwendung auch ungefährlicher als der Cyanwasserstoff im Blausäureverfahren. Dafür wurde in einen Bottich verdünnte Schwefelsäure geschüttet. In einem nächsten Schritt fügte man die nötige Menge an Natriumcyanid dazu, wodurch man Cyanwasserstoff erhielt.172 Der Prozess des Verdampfens erfolgte hier wesentlich unkontrollierter. Im Jahr 1929 hatte man mit Schädlingsbekämpfungsmitteln zum Erhalt von Nahrungsmitteln bereits umfangreiche Erfahrungen gesammelt. Im Rahmen einer 168 Ebd., 49. 169 Kainer 1951: Kainer, Franz. Kieselgur, ihre Gewinnung, Veredlung und Anwendung. 2., umgearb. Aufl. Stuttgart: Enke (Sammlung chemischer und chemisch-technischer Vorträge, N. F. H. 32). 170 Heerdt 1924: Heerdt, Walter. Zyklon B, ein verbessertes Blausäureverfahren. Vierte Mitgliederversammlung zu Frankfurt am Main vom 10. bis 13. Juli 1924. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für angewandte Entomologie, 1924, 81. 171 Ebd., 81–83. 172 Jäckel 1927: Jäckel, R., Schädlingsbekämpfung mit Zyklon B (Blausäure). In: Zeitschrift für Desinfektion und Gesundheitswesen, 1927, 19 (1), 38.

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wissenschaftlich-technischen Sitzung in Eltville am Rhein wurden die Vorzüge von Gasen gegenüber festen Stoffen hinsichtlich des Minimierungsgebotes für Menschen und Tiere diskutiert. Der bereits im Jahr 1850 eingesetzte Schwefelkohlenstoff zur Bekämpfung von Getreideschädlingen wurde dabei aufgrund seiner hohen Giftigkeit, seiner Brennbarkeit, seiner Explosivität sowie seinem lang anhaftenden unangenehmen Geruch als ungeeignet eingestuft. Die insektizide Wirkung von Tetrachlorkohlenstoff war geringer, aber im Vergleich zu Schwefelkohlenstoff hatte es den großen Vorzug, unbrennbar zu sein. Auch seine Giftigkeit wurde niedriger bewertet. Cyanwasserstoff wurde nach dem Ersten Weltkrieg vermehrt eingeführt. Die gefahrenreiche Anwendung des Gases sollte ausschließlich von speziell ausgebildetem Personal durchgeführt werden. Die Erfahrungen mit Areginal und seinem Nachteil der Brennbarkeit wurden ebenso diskutiert. Nach dem damaligen Wissensstand bewertete man das chemische Präparat als gering giftig für den menschlichen Organismus und ohne toxische Wirkung für Pflanzen. Bereits erprobte chemische Substanzen wie Propylen-, Ethylen- und Butylenoxid werden in ihrem Penetrationsvermögen und in ihrer insektiziden Wirkung positiv bewertet, sind aber gegenüber dem Areginal noch feuergefährlicher sowie stark keimschädigend. Dem Butylformiat (n-Butylformiat) und Tetrachlorkohlenstoff im Verhältnis 1 : 1 schrieb man dieselbe insektizide Wirkung wie Areginal zu. Auch in der Keimfähigkeit von Saatgut sah man keine Beeinträchtigung. An dieser Stelle wurde dem Tetrachlorkohlenstoff allerdings eine nicht näher beschriebene Gefährlichkeit zugewiesen.173 Betrachten wir die für den Vorratsschutz empfohlenen Wirkstoffe und Mittel im Kontext zum Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde, so ergibt sich folgendes Bild. Zum Einsatz im Museum kamen Areginal (siehe Kapitel 2.5) und Schwefelkohlenstoff (siehe Kapitel 3.2.1). Darüber hinaus führte Rathgen eine Langzeitstudie zur Verwendung von Tetrachlorkohlenstoff bei empfindlichen Oberflächen von Kunst- und Kulturgütern durch (siehe Kapitel 3.2.2). Das hier erwähnte Formalin wird zwar in einem Fragebogen, den die Königlichen Museen zu Berlin an andere Institutionen versandt haben, erwähnt (siehe Kapitel 3.2.3). Belege für die Anwendung des Mittels im Untersuchungszeitraum konnten im Rahmen der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht erbracht werden. Konservatorische Maßnahmen mit Kupfersulfat sowie mit den Begasungsmitteln Cyanwasserstoff und Zyklon B wurden nach Quellenlage nicht angewandt. 173 LASA. I 532, Nr. 599. Loseblattsammlung. Anonymus. Referat gehalten am 15. Mai 1929 für die 8. wissenschaftlich-technische Austauschsitzung in Eltville, 4 Seiten, ohne Paginierung; Braßler 1925: Braßler, Karl. Areginal, ein neues Mittel gegen Sammlungsund Bücherschädlinge. In: Anzeiger für Schädlingskunde, 1925, 1 (6), DOI: 10.1007/ BF02628433, 1925, 69–70 (Zugriff: 27.10.2021).

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1.6.7 Die Entwicklung des Pflanzenschutzes während der Industrialisierung und des Ersten Weltkrieges

Der Vorratsschutz und der Pflanzenschutz sind eng miteinander verbundene Themenkreise. Geht es bei Ersterem um die Bekämpfung von Nahrungsmittelschädlingen, so zielt Letzterer darauf ab, landwirtschaftliche Produkte auf den Feldern, den Wiesen und in den Forsten vor Schadinsekten zu schützen. Viele Wirkstoffe, Mittel und Methoden des Pflanzen- und Vorratsschutzes waren aber nicht immer für die Belange des Materialschutzes, also ggf. auch für den Schutz von Museumssammlungen aus organischen Materialien geeignet. Die Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft untersuchte beim Pflanzenschutz tierische sowie pflanzliche Schädlinge und entwickelte Methoden zu ihrer Bekämpfung. Dabei erfolgte eine Klassifizierung von nützlichen und schädlichen Mikroorganismen. Auch Beobachtungen und Untersuchungen der Bienenkrankheiten fielen in das Ressort dieser Behörde. Erste Freilandversuche wurden auf der Preußischen Domäne in Berlin-Dahlem auf einem Versuchsfeld durchgeführt. Im Feld studierte man die Ertragssteigerung von Kulturpflanzen und präsentierte anschließend die gewonnenen Erkenntnisse der Öffentlichkeit.174 Einen weiteren Meilenstein bildete der bereits 1905 gegründete „Deutsche Pflanzenschutz zur Beobachtung und Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten“. Er hatte sich aus Vertretern der einzelnen Hauptstellen der Länder sowie aus staatlichen Einrichtungen gebildet, die mit eigenen Experimenten und Versuchen in den Fluren dazu beitrugen, die wirtschaftliche Stellung Deutschlands auf dem Weltmarkt zu stärken.175 Einigkeit herrschte darüber, dass man auf dem Weg der Bekämpfung von Schädlingen und dem damit verbundenen Pflanzenschutz in Deutschland Pionierarbeit leistete, wozu auch erhebliche finanzielle Mittel benötigt wurden. So stellte der Reichsausschuss für Öle und Fette für gemeinsame Versuche 50.000 Mark zur Verfügung. Die Zusammenarbeit von nichtamtlichen Gesellschaften und staatlichen Einrichtungen intensivierte sich, wenn es darum ging, Gelder für wissenschaftliche Zwecke einzuwerben. So bat die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft im Jahr 1922 in einem Brief das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten um dauerhafte und

174 BArch. R 3602. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde 2008: Zusammenfassung der Bestandssignatur. Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft. Schädlingsbekämpfung, Schutzmaßnahmen, Aufklärung von 1897–1920, 2 Seiten, ohne Paginierung. 175 Ebd. Anonymus. Gemeinsame Sitzung von Vertretern der Reichs- und Landesregierungen und des deutschen Pflanzenschutzdienstes und der landwirtschaftlichen Körperschaften. Blatt 35–37, 3 Seiten.

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langjährige finanzielle Unterstützung des Deutschen Pflanzenschutzdienstes.176 Diesem Wunsch wurde von behördlicher Seite mit der Begründung, dass der Pflanzenschutz noch keinen gesetzlichen Bestimmungen unterläge, nicht stattgegeben. Man verwies lediglich auf die für das laufende Jahr bereits zur Verfügung gestellten Mittel und das Bemühen, hierfür mit dem Reichsernährungsministerium eine gemeinsame Grundlage zu schaffen.177 Dennoch wurde mit nichtamtlichen Stellen kooperiert, insbesondere mit der Gesellschaft für angewandte Entomologie und ihrem Vorsitzenden Karl Escherich. Sein Bestreben war es, Entomologen gegenüber Pflanzenphysiologen und Pflanzenpathologen eine größere Bedeutung und vorrangige Stellung einzuräumen. Er begründete dies mit den zahlreichen Insekten und den von ihnen verursachten großen Schäden. Als Verfechter des Spezialistentums unterteilte er die verschiedenen Pflanzenschädigungen sowie deren Behandlung in verschiedene Kategorien. Durch äußere Einwirkungen verursachte Schäden sollten von Pflanzenphysiologen, durch pilzliche Parasiten verursachte Schäden durch Mykologen und durch tierische Schädlinge verursachte Schäden vornehmlich von Zoologen, deren Gebiet die angewandte Entomologie war, behandelt werden.178 Wenn es um die Veröffentlichung von Versuchsergebnissen ging, ließ man sich ungern die Art und Weise der Zusammenarbeit mit der Industrie vorschreiben. Persönliche Eitelkeiten waren also auch hier nicht ausgeschlossen, wobei die Vertreter des Reichsministeriums in den Sitzungen und Versammlungen stets ihre führende Position bekräftigten.179 So gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch viele unklare Verhältnisse und Zuständigkeiten. Einzelpersonen, amtliche Stellen sowie die Industrie befanden sich in einer Phase des Experimentierens, wodurch eine unübersichtliche Zahl von Mitteln und Produkten aus verschiedenen Richtungen in den Verkehr gebracht wurden. Interessanterweise führte ein Mangel an nikotinhaltigen Pflanzenschutzmitteln zu einer Verbreitung von arsenhaltigen Mitteln, obwohl deren Giftigkeit bereits im Jahr 1920 bekannt war.180 176 Ebd. Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (08.05.1922): Brief vom 08.05.1922 an das Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, Blatt 38, 2 Seiten. 177 Ebd. Eggert, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Brief aus dem Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten vom 31.05.1922 an die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft, Blatt 45, 2 Seiten. 178 Escherich 1922: Escherich, Karl. Die Stellung der angewandten Entomologie im Pflanzenschutz. Dritte Mitgliederversammlung zu Eisenach vom 28.–30. September 1921. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für angewandte Entomologie, 1922, 17–21. 179 GStA. I. HA Rep. 87, Nr. 19127. Anonymus. Niederschrift der Beratung vom 15.10.1920 von Vertretern der Hauptstellen für Pflanzenschutz im Deutschen Reich, Blatt 7–8, 2 Seiten. 180 Ebd. Anonymus. Die Überwachung von Pflanzenschutzmitteln. Bericht vom 15.10.1920, Blatt 15–16, 2 Seiten.

Gesellschaftliche und politische Strömungen

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In gemeinsamen Beratungen der Vertreter der Hauptstellen für Pflanzenschutz im Deutschen Reich wurde großer Wert darauf gelegt, Sammler, Gärtner, Erwerbsgärtner, Gartenbaulehrer, Landwirte, Landwirtschaftslehrer sowie Pflanzenpathologen aufzuklären und zu unterrichten. Durch die Verbreitung von Flugblättern, Broschüren sowie einem Angebot von Zusatzausbildungen setzte man eine große Maschinerie in Gang, um das theoretische Wissen um Schädlinge und deren Bekämpfung dauerhaft in den verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen zu verankern. Bei der Bekämpfung von Pflanzenschädlingen wurden auch die Möglichkeiten des Einsatzes von Mikroorganismen diskutiert. Für Forschungen auf diesem Gebiet unterhielt man in Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts die kaiserlich königliche landwirtschaftlich-bakteriologische Pflanzenschutzstation. Kornauth diskutiert in seinem Grundlagenbeitrag Ueber die Bekämpfung tierischer landwirtschaftlicher Schädlinge mit Hilfe von Mikroorganismen, die Schwierigkeit, solche Pilzkulturen zu züchten, um sie dann gewinnbringend einsetzen zu können.181 Während einer Sitzung des Sonderausschusses für Pflanzenschutz wurde die Bekämpfung von Feldmäusen im Rahmen von Feldversuchen diskutiert. Zum Einsatz kamen vergiftetes Getreide sowie Sitzkrücken auf den Feldern für Raubvögel. Aus wirtschaftlichen Gründen gab man arsenhaltigen Mitteln gegenüber Strychnin den Vorrang.182 Der Eingriff in die Natur mit chemischen Mitteln in den Forsten sowie im Obst- und Weinbau hatte sichtbare Folgen. Es gab Vögel, die geschützt werden mussten, und gleichzeitig Stare in den Weinbaugebieten, die sich stark vermehrten und die Weinernten gefährdeten.183 Die Industrie richtete eigene Abteilungen ein, die sich mit dem Pflanzenschutz und mit dem Vertrieb eigener Produkte beschäftigten. Zu Werbezwecken präsentierte sich die I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft im Mai 1933 mit einem eigenen Stand auf der Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in den Ausstellungshallen Berlins. Man sah sich als wichtigen Teil einer gesamtgesellschaftlichen Leistung und betonte den „nationalen Aufbauwillen des deutschen 181 Kornauth 1904: Kornauth, Karl. Über die Bekämpfung tierischer landwirtschaftlicher Schädlinge mit Hilfe von Mikroorganismen. Mitteilung der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-bakteriologischen und Pflanzenschutzstation in Wien. Nach einem Vortrag gehalten am 12. Februar 1904 in den Kursen für praktische Landwirte unter Benutzung von Versuchsergebnissen der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-bakteriologischen und Pflanzenschutzstation in Wien. In: Zeitschrift für das Landwirtschaftliche Versuchswesen in Österreich, 1904, VII. Jahrgang, 365–387. 182 GStA. I. HA, Rep. 87, B, Nr. 19127. Loseblattsammlung. Anonymus. Niederschrift der 39. Sitzung des Sonderausschusses für Pflanzenschutz vom 17. Februar 1922, Blatt 40, 1 Seite. 183 Ebd. Berlepsch, Freiherr von, Hans. Bericht vom 17.02.1922 über den Vogelschutz in der Pfalz, Blatt 40, 1 Seite.

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Einleitung

Volkes“. Die Bedeutung der eigenen Produkte präsentierte man im Dienst der Landwirtschaft als Ergebnisse der Vereinigung von Theorie und Praxis bzw. von „Geist und Arbeit“.184 Vor diesem Hintergrund und aus einer gewissen Distanz entsteht ein Bild von Museen, die als kleine und in sich geschlossene Einrichtungen im Untersuchungszeitraum zur Bekämpfung der in den Sammlungen vorhandenen Schadinsekten sehr auf äußere Unterstützung angewiesen waren.

Abb. 1: Grafische Darstellung der Entwicklung der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft.

184 LASA. I 532, Nr. 600. Loseblattsammlung. Maier-Bode, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Wanderausstellung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft vom 20.–28. Mai 1933. Standardbrief vom Mai 1933 der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, Beratungsstelle für Pflanzenschutz, 1 Seite, ohne Paginierung.

2. KO N S E RVI ER U N G VO N KU LTU RG UT AUS ORGA N ISC H EN M ATER I A L I E N ZU R VO R B E U G U N G G E G E N U N D B E KÄMP FU NG VO N SC H A D I N S E KTE N I N MUS EALE N SA M M LU NG E N

Die Betrachtung gesellschaftlicher und politischer Strömungen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert beantwortet nicht die Frage, ab wann ein historisches Interesse entstand, kulturelle Objekte zu erhalten und zu schützen. Damit eng verknüpft sind auch Überlegungen, welche Bedeutung den gesammelten Gegenständen beigemessen wurde. Mit der vorliegenden Dissertation wird der Versuch unternommen, Wirkstoffe, Mittel und Methoden zur Schädlingsbekämpfung, ausgehend vom Mittelalter bis in das Zeitalter der Industrialisierung, darzustellen. Vorrangig werden jedoch diejenigen Wirkstoffe und Mittel betrachtet, die in musealen Sammlungen zur Anwendung kamen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Substanzen, die aus medizinischen Gründen auf Auslandsreisen mitgenommen wurden, um sich vor Krankheiten in den Tropen sowie vor Parasiten und Schädlingen aller Art zu schützen. Daher stellt sich die Frage, ob diese Mittel auch an den für Museen gesammelten Objekten eingesetzt wurden, um sie auf ihren langen Transportwegen nach Europa gegen Angriffe von Schadinsekten zu schützen. Fragen nach solcherart durchgeführten konservatorischen Maßnahmen an Sammlungsobjekten in den Ursprungsländern werden aufbauend auf die Diplomarbeit der Verfasserin aus dem Jahr 2006 diskutiert.1 Das Kapitel endet mit der Darstellung des damaligen Wissenstands über die humantoxischen Wirkungen ehemals eingesetzter Wirkstoffe und Mittel. Dies geschieht vor dem Hintergrund ihrer Persistenz, die potenziell und direkt Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat. Erkannte man im Untersuchungszeitraum bereits die gesundheitsgefährdenden Risiken für Menschen und zog man daraus ggf. Konsequenzen? Die Prüfung ausgewählter Wirkstoffe und Mittel auf ihre Wirksamkeit wie auch auf ihre humantoxischen Wirkungen kann zumindest belegt werden. Durch die industrielle Herstellung von Schädlingsbekämpfungsmitteln waren die systemischen Voraussetzungen für deren Entwicklung geschaffen. Folglich war die Industrie sehr daran interessiert, neue Absatzmärkte für ihre Produkte zu schaffen. Zahlreiche Werbekampagnen einschlägiger Firmen 1

Vgl. Tello 2006, 36.

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legen darüber beredt Zeugnis ab. Die Folgen dieser Wirtschaftspolitik haben in kulturellen Einrichtungen deutliche Spuren hinterlassen und spiegeln sich im täglichen Umgang mit den Sammlungsobjekten wider. Mit einer Typologie, worin die museal eingesetzten Schädlingsbekämpfungsmittel erfasst und tabellarisch zusammengestellt sind, endet das zweite Kapitel. Diese Einteilung dient einerseits der Unterscheidung von natürlichen sowie von synthetischen Wirkstoffen und Mitteln. Andererseits verdeutlicht sie, welche dieser Substanzen im Verlauf des Experimentierens im Untersuchungszeitraum vernachlässigt oder auch bevorzugt behandelt wurden. Ein genauer Zeitpunkt für den geregelten Umgang mit Kunst- und Kulturgütern lässt sich nicht eindeutig festlegen. Dennoch verweisen einige frühe Beispiele auf den Wunsch, Kulturgüter zu schützen. Papst Urban VI. (ca. 1318–1389) stellt im Jahr 1385 fest, daß der Raub geweihter Dinge schwerwiegender und härter zu bestrafen sei, je ehrwürdiger der Ort und je heiliger die Dinge waren, an denen das Sakrileg begangen wurde.2

Bei Eibner finden sich in seiner Veröffentlichung Entwicklung und Werkstoffe der Tafelmalerei einige Maßnahmen, welche bereits im 14. und 15. Jahrhundert präventiv zum Schutz von Tafelbildern eingesetzt wurden.3 Doch erst wesentlich später spricht man während der Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert von einer Gesetzgebung zum Erhalt kulturellen Erbes unter Papst Leo X. (1475–1521). Ausgelöst durch die Rezeption der Antike wurden immer mehr Gegenstände in Rom ausgegraben und außer Landes gebracht. Für die Bewahrung von Denkmälern, Statuen und anderen mobilen Gegenständen setzte man Beamte ein und begann für diese Kulturgüter Archive, Bibliotheken und Museen einzurichten.4 In Deutschland werden die Grundlagen für eine Denkmalpflege in die Periode der Romantik verortet. Nach dem Sieg über Napoleon fördert Preußen den Aufbau nationaler Identifikation, indem es zunehmend die Pflege des architektonischen Kulturerbes als einen Teil der staatlichen Kulturpolitik integriert. Protagonisten dieser Bewegung wie der Architekt Karl Friedrich Schinkel haben das große Ziel, alle Bürger zu Teilhabern der preußischen „Kulturnation“ werden zu lassen.5 Als Leiter der Oberbaudeputation prägte 2 3 4 5

Ebd., 46–48. Eibner 1928: Eibner, Alexander. Entwicklung und Werkstoffe der Tafelmalerei. München: B. Heller. Ebd., 85–163. Falser 2008: Falser, Michael. Zwischen Identität und Authentizität. Zur politischen Geschichte der Denkmalpflege in Deutschland. Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss.,

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er maßgeblich den preußischen Klassizismus sowie den Historismus und hinterließ zahlreiche Bauwerke in Berlin, seiner näheren Umgebung sowie an vielen anderen Orten.6 Mit seinen patriotischen Schriften verhalf er dem preußischen Staat zu „… jener transzendalen Macht […], die bisher nur der Religion vorbehalten war“. Gleichzeitig waren sie die Grundlage für seine Tätigkeit als „vorinstitutionalisierter Denkmalpfleger“. Die Durchführung dieser nun staatlich geleiteten denkmalpflegerischen Aufgaben wurde in die Hände von Beamten, die als Architekten und Denkmalpfleger eingesetzt wurden, gelegt.7 Auch beim Adel erstarkt ab der Mitte des 19. Jahrhunderts das Interesse, eigene Häuser und Gegenstände zu bewahren. Als Beispiel dient hier das Hausgesetz im Geschlechte der Grafen und Herren von Siech aus dem Jahr 1858. Mit Hilfe einer eigenen Stiftung werden darin u.a. die Unteilbarkeit des herrschaftlichen Vermögens sowie die Erbfolge festgelegt. Der Kanzler der Universität Tübingen versah die Schrift mit einem Vorwort und betonte darin die gesamtgesellschaftliche Stellung der Grafen und Herren von Siech.8 Im vorletzten Paragrafen dieser selbst erschaffenen Gesetzgebung wird darauf verwiesen die schriftlichen und anderen Zeichen und Denkmale des Lebens und Wirkens ihrer Vorfahren zu erforschen, zu sammeln und zu erhalten.9

Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert fing auch das aufstrebende Bürgertum an, durch seinen zunehmenden Reichtum Ansprüche zu erheben. Man war bestrebt, eigene Werte zu schaffen, diese offenzulegen und sie für jedermann sichtbar zu zeigen. Die Kunst, schreibt Thomas Nipperdey, sei eine Art Ersatzreligion geworden, ein gesellschaftliches Vergnügen, dem man sich zumindest am Sonn- und Feiertag gemeinsam hingab.10

2006. Dresden: Thelem. Online verfügbar unter http://deposit.d-nb.de/cgi-bin/ dokserv?id=3024092&prov=M&dok_var=1&dok_ext=htm, 39 (Zugriff: 27.10.2021). 6 Zadow 2003: Zadow, Mario. Karl Friedrich Schinkel. Leben und Werk. 3., verb. Aufl. Stuttgart: Ed. Menges. 7 Vgl. Falser 2008, 40. 8 Siech, Garf und Herr 1858: Siech, Graf; Herr, Franz Friedrich Karl, von. Hausgesetz im Geschlechte der Grafen und Herren von Siech nebst Motiven. Mit einem Vorworte herausgegeben von Karl Friedrich Wilhelm Gerber. Tübingen: Laupp & Siebeck, Vorwort, III–VI. 9 Ebd., 94. 10 Schulz 1995: Schulz, Andreas. Weltbürger und Geldaristokraten. Hanseatisches Bürgertum im 19. Jahrhundert. In: Schriften des Historischen Kollegs, 1995, (Vorträge 40), 25.

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

In den Hansestädten Hamburg und Bremen entwickelte sich aus dem individuellen Sammeln von Kunst „ein gemeinbürgerliches Bedürfnis“, woraus nachfolgend die Kunsthallen entstanden.11 Diese selbstbewussten Bürger und Kaufleute betrachteten ihre wirtschaftliche Überlegenheit „stets als Segnung für das Ganze“ und instrumentalisierten Kunst- und Kulturgegenstände um „des eigenen Macht- und Führungsanspruches willen“.12 Dem Engagement der Institution Kirche, des Adelstandes, des Bürgertums oder der Demonstration nationaler Dominanz durch das Sammeln und Bewahren von kulturellen/ethnologischen Gegenständen lag immer das Streben nach Macht zugrunde. Ausgehend von dieser These richtet sich nunmehr der Blick auf den Erhalt musealer Gegenstände aus organischen Materialien sowie die unterschiedlichen Wirkstoffe und Mittel, diese zu konservieren. Betrachtet man die Materialität von Sammlungsgegenständen, so stellen Objekte aus zellulosehaltigem Material wie Holz und Pflanzenfasern sowie Textilien aus pflanzlichem Material und tierischen Ursprungs die umfangreichsten Objektgruppen in ethnologischen Sammlungen dar. Allein für das Material Holz und dessen Erhalt hat sich die fachspezifische Literatur seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts umfangreich entwickelt. Darunter zählen Autoren, die sich als Konservierungswissenschaftler mit der Geschichte von Wirkstoffen und Mitteln zum Schutz gegen Schadinsekten an Kunstwerken eingängig beschäftigt haben. Der Beitrag Historischer Überblick über die Werkstoffe der schädlingsbekämpfenden und festigkeitserhöhenden Holzkonservierung (Schiessl 1984) gehört zu den grundlegenden Beiträgen auf diesem Gebiet.13 Das Standardwerk Conservation of Wood Artifacts – A Handbook von Unger et al. (2001) gibt einen umfassenden Überblick über sämtliche Wirkstoffe und Mittel zur Holzkonservierung. Ihr Verwendungszweck, die chemischphysikalischen Eigenschaften, die toxikologischen Wirkungsweisen sowie die historische Zuordnung aller aufgeführten Substanzen werden ausführlich behandelt und von den Autoren kommentiert.14 Die Grundlagen zur Konservierung von textilen Sammlungen sind umfangreich dargestellt bei Tímár-Balázsy et al. (2011) in Chemical Principles of Textile Conservation.15 Fachspezifische Literatur zur Konservierung 11 12 13

Ebd., 26–27. Ebd., 34. Schiessl 1984: Schiessl, Ulrich. Historischer Überblick über die Werkstoffe der schädlingsbekämpfenden und festigkeitserhöhenden Holzkonservierung. In: Maltechnik-Restauro, 1984, (2), 9–40. 14 Unger et al. 2001: Unger, Achim; Schniewind, Arno P.; Unger, Wibke. Conservation of Wood Artifacts. A Handbook. Berlin: Springer (Natural Science in Archaeology). Online verfügbar unter http://www.loc.gov/catdir/enhancements/fy0815/2001020310-d. html (Zugriff: 27.10.2021). 15 Tímár-Balázsy et al. 2011: Tímár-Balázsy, Ágnes; Eastop, Dinah; Járó, Márta. Chemical

Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten

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naturkundlicher Gegenstände findet sich bereits ab dem Jahr 1665 in den Philosophical Transactions.16 Diese Objektgruppe wird gesondert behandelt, da sich hier sowohl für pflanzliche wie auch für tierische Präparate spezielle Mittel und Methoden zur Nass- und Trockenpräparation entwickelt haben.

2.1 Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten Die Konservierung von Holz mit Salz wird bereits 50 v. Chr. bei Vitruv erwähnt. Belege für die vollständige Tränkung von Brettern, die man in wässrig gelösten Salzen sieden ließ, wurden im Jahr 1445 für den Bau der Marienkirche zu Königsberg in Franken festgehalten.17 Das vermutlich bekannteste überlieferte Beispiel einer Konservierung von Tafelgemälden gegen holzzerstörende Insekten wird im Jahr 1492 Leonardo da Vinci zugeschrieben. Er bestrich die Rückseiten seiner Holztafeln mit in Branntwein gelöstem Sublimat (Quecksilber(II)-chlorid) oder auch alternativ mit Arsenik (Arsen(III)-oxid).18 Eine Katharinenfigur aus Eiche wurde im Jahr 1494 zur Konservierung „gesotten und gebraten“.19 Salzimprägnierungen wurden bei Kunstwerken aus Holz, wie beispielsweise dem Kefermarkter Altar, eingesetzt. Den eigentlichen Schutz schrieb man eigenen Beobachtungen zufolge dem in den Holzfasern verbliebenen, fein kristallisierten Salz zu, wodurch Holzwürmer ferngehalten werden sollten.20 Substanzen tierischer Herkunft sowie Pflanzenauszüge sind zur Bekämpfung holzzerstörender Insekten bekannt. So empfiehlt Balthasar Schnurr von Lendsiedel, Autor des Kunst-, Hauss- und Wunderbuches, im Jahr 1657, Ochsengalle als Insektizid einzusetzen. Des Weiteren erwähnt Schiessl für das 17. Jahrhundert Auszüge von Nussschalen, Kochbrühen aus Tabakblättern, Schlehdornlaub, Pfeffer-, Lorbeer-, Aloe- und Myrrhensud, Knoblauchsaft und sogar Absinth zur Imprägnierung von Holz. Im Jahr 1705 wird von dem deutschen Naturforscher Wilhelm Homberg Sublimatlösung zum Schutz und zur Bekämpfung gegen holzzerstörende Insekten bei Parkettfußböden empfohlen. Das ebenfalls giftige Arsenik wird etwa ab 1730 zur Behandlung holzzerstörender Insekten erwähnt.21 Tierische Fette wie RindsPrinciples of Textile Conservation. Abingdon: Routledge (Butterworth-Heinemann Series in Conservation and Museology). 16 Philosophical Transactions 1665: Philosophical Transactions. London: The Royal Society. Online verfügbar unter https://royalsocietypublishing.org/journal/rstl. 17 Vgl. Schiessl 1984, 9. 18 Vgl. Eibner 1928, 97. 19 Vgl. Schiessl 1984, 33. 20 Ebd., 10. 21 Ebd., 11.

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

oder Schafstalg sowie Schweinefett wurden bereits im 18. Jahrhundert verwendet und fanden bei der Konservierung von Gebrauchsgegenständen aus Holz Verwendung. Wachse aller Art wurden als Überzüge auf Holzoberflächen zum Schutz vor Insekten eingesetzt.22 Die Destillate Holz- und Steinkohlenteer sind seit 1750 bzw. seit 1812 für die Holzimprägnierung bekannt.23 Mit dem Beginn des 19. Jahrhunderts kam das Schweinfurter Grün (Kupfer(II)-acetatarsenit) zum Schutz vor Schadinsekten für Altäre zum Einsatz.24 Räuchern und Begasen zählen mit zu den frühen Methoden der Holzkonservierung. Das Räuchern von Nutzholz in einer Rauchkammer wird erstmalig im Jahr 1833 als Schutzverfahren erwähnt. Weiterhin wurde in Bibliotheken oder Kunstkabinetten mit dem beim Abbrennen von Schwefel entstehenden Schwefeldioxid, mit stark riechenden Kräutern, Harzen oder auch Arsenik geräuchert.25 Über die Verwendung von Arsenik zur Konservierung von Tafelbildern äußerst sich Suardi in seinem im Jahr 1866 veröffentlichten Schlüsselwerk zur Restaurierung in Italien Il manuale ragionato per la parte meccanica dell’arte del ristauratore dei dipinti sehr kritisch. Er empfiehlt, auf Arsenik wegen seiner Giftigkeit zu verzichten und stattdessen die Dämpfe von Petroleum über einen Zeitraum von drei bis vier Monaten auf Gemälde in einer luftdicht verschlossenen Kiste einwirken zu lassen.26 Obwohl Rathgen selbst um 1900 bereits Farbveränderungen, üble Gerüche sowie eine erhöhte Brandgefahr durch den Einsatz von Petroleum an Holzgegenständen bemängelt, wird dieses Mineralöl nachweislich bis 1924 auch von ihm für die Volltränkung von Holzgegenständen empfohlen (siehe hierzu Kapitel 3.2.1). Den durch mineralische Öle oftmals entstandenen fetten Glanz auf Holzoberflächen versuchte man durch Zusatz von Lösemitteln wie dem Tetrachlorkohlenstoff zu minimieren.27 Ein seltener Beleg für einen vorbeugenden Schutz von Ethnografica durch die Verwendung repellent wirkender Hölzer findet sich bei Scharf & Kayser, einer Im- und Exportfirma aus Hamburg. Sie bot der Generalverwaltung der Königlichen Museen im August 1884 eine Liste mit diversen Objekten der Rapanui von den Osterinseln an (siehe hierzu auch Kapitel 3.1.3). Darunter befanden sich Federhüte und andere Kopfbedeckungen, die in einer aus Campherholz gefertigten 22 23 24 25 26

Ebd., 16. Troschel 1916: Troschel, Ernst. Handbuch der Holzkonservierung. Berlin: Springer, 302. Vgl. Schiessl 1984, 12. Vgl. Troschel 1916, 306. Achsel 2012: Achsel, Bettina. Das Manuale von Giovanni Secco Suardo von 1866/1894. Zugl.: Dresden, Hochsch. für Bildende Kunst, Diss., 2011 u.d.T.: Achsel, Bettina: Kommentierte Übersetzung von Giovanni Secco Suardo, “Il manuale ragionato per la parte meccanica dell’arte del ristauratore dei dipinti” (1866) und “Il Restauratore dei dipinti” (1894). Göttingen: V & R Unipress, 127–128. 27 Vgl. Schiessl 1984, 14–15.

Bekämpfung von Textilschädlingen

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Truhe transportiert wurden. Zwar wird auf eine beabsichtigte Wirkung des Truhenholzes nicht gesondert hingewiesen, es ist jedoch denkbar, dass es sich um eine präventive Maßnahme handelte, um Schadinsekten von den wertvollen Gegenständen während ihrer langanhaltenden Reise fernzuhalten.28 Durch die Weiterverarbeitung von Steinkohlenteer entstanden Karbolsäure, Kresole und Naphthalinverbindungen, deren insektizide Wirkung für zahlreiche Holzschutzmittel genutzt wurde. Ein Gemisch von Steinkohlenteer, Phenolen und Kresol wurde 1888 unter dem Handelsnamen Carbolineum von der Firma Avenarius auf den Markt gebracht. Trotz starker Verbräunungen an Kunstwerken aus Holz wurde es lange Zeit in der konservatorischen Praxis angewandt. So wurde beispielsweise zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Epitaph des ehemaligen Bürgermeisters aus Tönning, Nordfriesland, in der St. Laurentius-Kirche mit Carbolineum sowohl eingestrichen als auch getränkt, wodurch dieses erheblich beschädigt wurde.29 Im Laufe der Entwicklung kamen zum Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts als Begasungsmittel Schwefelkohlenstoff, Blausäure, Brommethan (Methylbromid) und Ethylenoxid zum Einsatz. Da Begasungen aber nicht vorbeugend wirksam sind, können derart behandelte Kunstwerke jederzeit von Schadinsekten neu befallen werden.30 Das Begasen unter Zuhilfenahme von Gaskisten oder auch Gaszelten wurde durch die Erfindung von Begasungsanlagen, die speziell für die massenweise Behandlung von Kunst- und Kulturgut in Museen entwickelt wurden, zu Beginn des 20. Jahrhunderts erweitert (siehe hierzu das Kapitel 3.2.4).

2.2 Bekämpfung von Textilschädlingen Ätherische Öle bieten aufgrund ihrer schnellen Flüchtigkeit keinen dauerhaften Schutz vor Schadinsekten. Als Insektizid gegen Textilmotten (Tineola sp.) werden im 17. Jahrhundert jedoch die ätherischen Dämpfe von Lavendelöl beschrieben.31 Der Kurator Creassy Edward Cecil Tatershall war zu Beginn des 20. Jahrhunderts 28 SMB-PK, EM. I/MV 0611, Pars I B, Bd. 4, E. Nr. 2165/84. Acta betreffend die Erwerbung ethnologischer Gegenstände aus Australien. Loseblattsammlung. Angebot von Ethnografica. Scharf & Kayser. 1 Liste ohne Datum sowie 3 Briefe vom 16.08.1884, 04.09.1884 und vom 20.11.1884, Blatt 1–2, 4 Seiten. 29 Weber und Unger 2018: Weber, Jörg; Unger, Achim. Experimente zur Entfernung alter Holzschutz- und Holzfestigungsmittel mit Methyl-tert-butylether (MTBE) aus ungefassten und gefassten Holzproben. In: VDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut; 2018, (2), 63–64. 30 Vgl. Schiessl 1984, 17–19. 31 Ebd., 13.

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

am Victoria & Albert Museum in London für die Teppichsammlung des Museums zuständig. Seine Empfehlungen aus dem Jahr 1924 zur Konservierung von Teppichen und Objekten aus Wolle beinhalten die Aufbewahrung an kühlen Orten sowie in verschlossenen und versiegelten Behältern. Als Mittel zur Prophylaxe hält er Campher und Insektenpulver für ungeeignet, da sie aus seiner Sicht unwirksam sind. Hingegen rät er zu Naphthalin, wobei der direkte Kontakt zu textilem Gewebe vermieden werden sollte.32 Bereits ein Jahr später erscheint in der Zeitschrift für Desinfektion und Gesundheitswesen von Böttcher (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) aus Berlin-Dahlem ein Beitrag, worin er von Hausmitteln wie Naphthalin und Mottenpulvern abrät. Er zweifelt nicht nur an deren Wirksamkeit, sondern er begründet seine Haltung weiterhin damit, dass durch die starke Geruchsbelästigung dieser Mittel bisweilen so behandelte Gegenstände ganze Räume unbewohnbar machen können.33 Aus seiner Sicht stellt das Zyklon-Verfahren in entsprechenden Anlagen die wirksamste Methode zur Bekämpfung von Textilmotten dar; vorbeugend empfiehlt er Eulan.34 Auf die Entdeckung des Wollschutzmittels Eulan wird an dieser Stelle näher eingegangen, da sie eine wahre Revolution in der Bekämpfung von Textilmotten auslöste. Das Insektizid geht auf den Chemiker Ernst Meckbach zurück, der im Labor der Firma Friedrich Bayer & Co. in Leverkusen beobachtete, dass der Nitrofarbstoff Martiusgelb von Textilmotten verschont blieb.35 Die Nachfrage für dieses Produkt war so groß, dass die Firma daraufhin ab dem Jahr 1920 über 40 Präparate mit der Bezeichnung Eulan mit teils gleichen, teils unterschiedlichen Wirkstoffen entwickelte.36 Da die anfänglich entwickelten Eulane nur in Wasser gelöst werden konnten, war man in den Museen hinsichtlich ihrer Anwendung für Textilien sowie auch für zoologische Präparate zögerlich. Die Gefahr des Ausblutens von mit Pflanzen gefärbten Textilien sowie von Schäden an Präparaten, die nicht gewässert werden konnten, war zu groß. Dies änderte sich durch die interdiszipli32 Tatershall 1924: Tatershall, Creassy Edward Cecil. To Preserve Woolen Textiles from Moth. In: Museum Journal, 1924, (23), 199–200. 33 Böttcher 1927: Böttcher, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Entmottungsanlagen nach dem Zyklonverfahren. In: Zeitschrift für Desinfektion und Gesundheitswesen, 1927, 19 (4), 143–144. 34 Ebd., 144–146. 35 Homolka 2015a: Homolka, Martina. Eulan – ein Biozid gegen Keratin-Schädlinge und seine Relevanz in musealen Sammlungen. 1. Produktgeschichte. Berlin: Stiftung Deutsches Historisches Museum, 8–9. 36 Homolka 2015b: Homolka, Martina. Eulan – ein Biozid gegen Keratin-Schädlinge und seine Relevanz in musealen Sammlungen. 2. Lexikalischer Produktschlüssel. Berlin: Stiftung Deutsches Historisches Museum, 27–194; Unger 2012: Unger, Achim. „Eulanisierte“ Textilien – eine Gefahr für Mensch und Material? In: Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, 2012, (2), 25–39.

Bekämpfung von Schadinsekten an naturkundlichen Objekten

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näre Zusammenarbeit des Zoologen Erich Titschack, der von 1919 bis 1924 bei der Firma Friedrich Bayer & Co. in Leverkusen beschäftigt war. Gemeinsam mit Meckbach entwickelte er ein benzinlösliches Mottenschutzmittel mit der Bezeichnung Eulan BL. Die Markteinführung des Produkts erfolgte im Jahr 1933.37 Eine vier Jahre später erschienene Veröffentlichung von Titschack in der Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen war gezielt darauf ausgerichtet, den musealen Markt zu erobern. Entschieden bemerkt er am Ende, dass die Entwicklung dieses Produktes nur im Kontext von Herstellern und Verbrauchern zum Fortschritt geführt habe. Dieser wesentliche Faktor der Konkurrenz fehle aus seiner Sicht gänzlich in Museen.38 Eulan-Präparate gehörten zu den am häufigsten eingesetzten Mitteln in der Konservierung von Textilien wie auch von zoologischen Präparaten. Sie wurden noch 1964 bei den Staatlichen Museen zu Berlin in der islamischen Abteilung für Teppiche vom damaligen Restaurator Detlev Lehmann eingesetzt und ausgiebig diskutiert.39

2.3 Bekämpfung von Schadinsekten an naturkundlichen Objekten Naturkundliche Sammlungen unterscheiden sich weitgehend in ihren Konservierungsmethoden von anderweitig ausgerichteten Museen. Dies ist der Besonderheit von pflanzlichen und tierischen Primärmaterialien geschuldet, die aufgrund ihrer Beschaffenheit schnell dem Verfall preisgegeben sind. Zum Erhalt dieser prekären Materialien kamen zunächst Rezepturen von Apothekern, Ärzten, Biologen, Zoologen, Präparatoren und Naturforschern zur Anwendung. In der Mitte des 17. Jahrhunderts wird für die Konservierung von Vogeleiern und kleinen Föten von Vögeln die Nasspräparation mit Weingeist (Ethanol) und Salmiak (Ammoniumchlorid) beschrieben.40 Eine Methode, die auch noch rund hundert Jahre später im Jahr 1748 von de Réaumur für zoologische Präparate empfohlen wird, ersatzweise empfiehlt er Brandy mit und ohne Zucker.41 Zur selben Zeit beschäftigt sich Kuckhan im Jahr 37 Vgl. Titschak 1937, 19–20. 38 Ebd., 24. 39 Lehmann 1964: Lehmann, Detlev. Die Eulan-Behandlung von Textilien und zoologischen Präparaten. Staatliche Museen Berlin. Islamische Abteilung. In: Ergänzungsbände des Berliner Jahrbuchs für Vor- und Frühgeschichte, 1964, Bd. I, 69–72. 40 Boyle 1665: Boyle, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). A Way of Preserving Birds Taken out of the Egge, and other Small Faetus’s. Communicated by Mr. Boyle. In: Philosophical Transactions 1665–1666, 1665, (1), 199, 201. 41 Ferchault de Réaumur de 1748: Ferchault de Réaumur, René-Antoine. Divers Means for Preserving from Corruption Dead Birds, Intended to be Sent to Remote Countries,

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

1770 eingehend mit der Konservierung von Vögeln. Neben Weingeist finden Alaun (Kalialaun, Aluminiumkaliumsulfat-Dodecahydrat), Salz und Pfeffer Erwähnung.42 Er empfiehlt die Präparate mit in Terpentin gelöstem Campher zu überziehen, für die Trockenpräparation rät er zu einer Mischung aus Sublimat, Salpeter (Kalisalpeter, Kaliumnitrat), Alaun, Schwefelblume, Moschus, schwarzem Pfeffer und gemahlenem Tabak.43 Das Innere der Vogelköpfe sollte man abschließend mit gut getrocknetem Rainfarn, Wermut, Hopfen und Tabak ausstopfen.44 Das am meisten benutzte Schädlingsbekämpfungsmittel für zoologische Präparate ist jedoch die Arsen- bzw. Arsenikseife. Sie geht auf eine Erfindung des Apothekers Jean-Baptiste Bécoeur zurück und bestand aus Campher, Arsen(III)-oxid, Kaliumcarbonat, Seife und Muschelkalkmehl. Zu seinen Lebzeiten hielt Bécoeur sowohl die Zusammensetzung wie auch das Rezept seiner Seife streng geheim, wodurch er sich ein Alleinstellungsmerkmal in der Herstellung sowie dem Vertrieb dieses Mittels sicherte. Nach seinem Tod wird die Arsenikseife ab dem Jahr 1800 nachgeahmt und bis weit in die 1980er Jahre in vielen naturkundlichen Sammlungen angewandt.45 Eine Mischung aus Arsenik, Sal tartari (Weinsteinsalz, hauptsächlich Kaliumhydrogentartrat), Campher, weißer Seife und pulverisiertem gebranntem Kalk wird im Jahr 1827 von Thon verwendet.46 Ihm war die Giftigkeit von Arsenik bereits bekannt, weshalb er ein alternatives Rezept von Boitard empfiehlt.47 Vor dem Einreiben der Innenseiten

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so that they May Arrive there in a Good Condition. Some of the same Means May be Employed for Preserving Quadrupeds, Reptiles, Fishes, and Insects. In: Philosophical Transactions, 1748, (45), 307–308, 319. Kuckhan 1770: Kuckhan, Tesser Samuel. Four Letters from T. S. Kuckhan, to the President and Members of the Royal Society, on the Preservation of Dead Birds. In: Philosophical Transactions, 1770, (60), 303–304. Ebd., 312. Ebd., 315. Marte et al. 2006: Marte, Fernando; Péquignot, Amandine; von Endt, David W. Arsenic in Taxidermy Collections: History, Detection, and Management. In: Collection Forum, 2006, 21 (1–2), 144–145; Rookmaaker et al. 2006: Rookmaaker, L. C.; Morris, P. A.; Glenn, I. E.; Mundy, P. J. The Ornithological Cabinet of Jean-Baptiste Bécoeur and the Secret of the Arsenical Soap. In: Archives of Natural History, 2006, 33 (1), 146–158. Thon 1827: Thon, Theodor. Handbuch für Naturaliensammler oder gründliche Anweisung die Naturkörper aller drei Reiche zu sammeln, im Naturalienkabinet aufzustellen und aufzubewahren, namentlich Thiere aller Arten, Säugethiere, Vögel, Reptilien, Fische, Conchylien, Crustaceen, Insekten, Zoophyten und Eingeweidewürmer auszustopfen, zuzubereiten, zu versenden, so wie Pflanzen zu trocknen, Herbarien, Fruchtkabinette, Holzbibliotheken und Mineraliensammlungen anzulegen, einzurichten und in vollkommner Schönheit zu erhalten. Frei nach dem Französischen bearbeitet und vervollständigt. Ilmenau: Verlag von Bernhard Friedrich Voigt, 165–166. Das Rezept bestand aus weißer Seife, Pottasche (Kaliumcarbonat), Alaun, Brunnenwasser, Steinöl (vermutl. Tiroler Schieferöl) und Campher (vgl. Thon 1827, 167).

Bekämpfung von Schadinsekten an naturkundlichen Objekten

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von Präparaten mit einer Mischung aus Fett und Sublimat warnt Thon eindrücklich vor der schädigenden Wirkung der Quecksilberverbindung auf den menschlichen Organismus.48 Zur selben Zeit empfiehlt Richter lediglich ein Lüften in großen Vogelsammlungen, um die schlechten Gerüche von Sublimat- oder Arseniklösungen zu vertreiben.49 Zur Bekämpfung der Museumsmilbe (Thyreophagus entomophagus) in naturkundlichen Insektensammlungen empfiehlt Murray im Jahr 1877, Alkohol mit etwas gelöstem Sublimat zu benutzen. Auch Lösemittel wie Ether, Benzin oder auch konzentriertes Naphtha werden von ihm erwähnt. Sie sollten mit Hilfe eines Zerstäubers auf die Insekten aufgebracht werden. Für individuell zu behandelnde Insekten rät er, Dämpfe von Ammoniakwasser für zehn bis fünfzehn Minuten auf das Tier wirken zu lassen und präventiv die Insektenkästen mit Naphthalinkristallen zu bestücken.50 Zur flüssigen Konservierung und Präparation von Tierbälgen sowie von Pflanzen ist aus dem Jahr 1879 die „Wickersheimersche Lösung“ nach einem Rezept von Jean Wickersheimer überliefert.51 Die Objekte bzw. Präparate sollten in die Lösung eingetaucht, danach getrocknet und auf diese Weise imprägniert werden.52 Die geringe Kenntnis Wickersheimers über die immensen gesundheitlichen Gefahren der einzelnen Stoffe zeigt sich in der Verwendung großer Mengen, die in kochendem Wasser aufgelöst wurden. Eine Professionalisierung in der Herstellung von Konservierungsmitteln zeigt sich im Zoologischen Museum der Friedrich-

48 Vgl. Thon 1827, 168–169. 49 Richter 1829: Richter, Christian Gottlieb. Anweisung Vögel auszustopfen, nebst Angabe aller dazu erforderlicher Hülfsmittel. Mit einem Vorwort von Brehm, Pastor in Renthendorf. Mit 2 Kupfertafeln. Jena: August Schmid, 48. 50 Murray 1877: Murray, Andrew. The Museum Mite. In: The American Naturalist, 1877, Bd. 8 (11), 481–482. 51 Jean Wickersheimer (1832–1896) erhielt vom Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten für seine „Wickersheimersche Lösung“ 5000 RM und durfte alsdann als Erster in Preußen den Titel „Präparator“ tragen. Siehe hierzu: Behrhol, Hans; Henckendorrf, Evelyn; Schnalke, Thomas; Wilcke, Günther. Präparierkurse in der Charité. Weiterbildung mit historischem Flair. In: Oralchirurgie Journal, 2018, (1), 32. 52 Die „Wickersheimersche Lösung“ bestand aus 3000 g kochendem Wasser, worin 100 g Alaun, 25 g Salz, 12 g Salpeter, 60 g Kaliumcarbonat und 10 g arsenige Säure aufgelöst wurden. Zu 10 Quart dieser farblosen, neutralen und geruchlosen Flüssigkeit wurden 4 Quart Glycerin und 1 Quart Methylalkohol hinzugegeben. [siehe Keil 1879: Keil, Ernst. Die Gartenlaube. Das Wickersheimers’sche Conservierungsverfahren. Hg. v. Verlag von Ernst Keil. Leipzig. Online verfügbar unter https://de.wikisource.org/w/index. php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_844.jpg&oldid=-(Version vom 21.05.2018), (Zugriff: 11.09.2019). Im Königreich Preußen entsprach 1 Quart = 1,145 Liter (Anm. d. Verf.)].

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

Wilhelms-Universität zu Berlin53/54 im beginnenden 20. Jahrhundert.55 Im Jahr 1907 veröffentlichte Brauer56 eine ausführliche Anleitung zum Sammeln, Konservieren und Verpacken von Tieren für das Zoologische Museum in Berlin.57 Er unterschied zwischen der Trocken- und Nasspräparation und empfiehlt, zum Abbalgen für Säugetiere und Vögel stets „Arsenikseife oder arsenigsaures Kali zum Vergiften der Häute“ mitzuführen.58 Trockene Häute müssen mit Wasser geschmeidig gemacht und alsdann von innen mit Arsenikseife eingestrichen werden. Für Reptilien und Amphibien empfiehlt Brauer Naphthalin oder Insektenpulver gegen Insektenfraß oder das Einlegen in eine Salzlösung mit wenig Alaun.59 Abnorme Zellbildungen an Pflanzen wie Gallen empfiehlt er, vor dem Pressen in eine Sublimatlösung zu tauchen und erkennbar als vergiftet zu beschriften.60 Für trocken konservierte Tiere empfiehlt er, Zigarrenkistchen mit Watteplatten zu füllen und etwas Naphthalin zwischen die Watteschichten zu streuen.61 Für die Nasspräparation taucht als innovativer Wirkstoff Formol auf. Grundsätzlich sollte nach Brauer eine Konservierung in Formol nur in Fällen durchgeführt werden, wo andere Mittel nicht zur Hand sind. Für die Konservierung von Insektenlaich empfiehlt er eine Mischung.62 Abschließend soll man bei einem Fang von Plankton mit kleineren Lebewesen, eine Flasche Formol, Sublimat oder Pikrinsäure (2,4,6-Trinitrophenol) zusetzen.63 Obwohl er schon auf 53 Das Zoologische Museum der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin wurde nach 1945 umbenannt in das Museum für Naturkunde Berlin. Am 01.01.2009 wurde es in eine Stiftung überführt und heißt seitdem Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung. 54 Vanhöffen 1918: Vanhöffen, Ernst. Zur Erinnerung an August Brauer. In: Mitteilungen aus dem Zoologischen Museum in Berlin, 1918, 9. Bd., 1. Heft, 3–6. 55 Giere et al. 2018: Giere, Peter; Bartsch, Peter; Quaisser, Christiane. Berlin: From Humboldt to HVac – The Zoological Collections of the Museum für Naturkunde Leibniz Institute for Evolution and Biodiversity Science in Berlin. In: Lothar A. Beck (Hg.): Zoological Collections of Germany. Cham: Springer International Publishing (Natural History Collections), 89–102. 56 August Bernhard Brauer war von 1906 bis zu seinem Tod im Jahre 1917 Direktor des Zoologischen Museums der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin. 57 Brauer 1907: Brauer, August Bernhard. Anleitung zum Sammeln, Konservieren und Verpacken von Tieren für das Zoologische Museum in Berlin. Dritte vermehrte Aufl. Berlin: A. Hopfer in Burg b. M. I–VI, 1–103. 58 Ebd., 1. 59 Ebd., 14–31. 60 Ebd., 77. 61 Ebd., 46. 62 Die Mischung bestand aus 50 cm3 Glycerin und 70 cm3 destilliertem Wasser, die mit 2–5 Tropfen Sublimatlösung versetzt wurde (vgl. Brauer 1907, 76). 63 Vgl. Brauer 1907, 102–103.

Chemische Wirkstoffe und Mittel zum Schutz von Personen und Gütern auf Expeditionen

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die Giftigkeit von Sublimat hinweist, verfolgt er analog zu seinen Kollegen das für die Gesundheit sehr gefährliche Aufkochen von Wirkstoffen in Lösemitteln, hier speziell in stark konzentriertem Sublimat. Die Aufzählung von Präparaten zur Konservierung in naturkundlichen Sammlungen verdeutlicht an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert eine gewisse Heterogenität der Wirkstoffe und Mittel hinsichtlich ihrer Verwendung sowie in ihrer Verarbeitung. Es wird auch deutlich, dass in der naturkundlichen Präparationstechnik vermehrt Mischungen einzelner Substanzen empfohlen werden. Dies geschah vermutlich vor dem Hintergrund, vorbeugend eine verstärkende Wirkung auf den Innenseiten von Bälgen und präparierten Säugetieren gegen den Befall durch Schadinsekten zu erzielen. Die unterschiedlichen Vorgehensweisen von Thon, Richter und Brauer lassen erkennen, dass die gesundheitlichen Gefahren von Konservierungsmitteln sehr individuell wahrgenommen und bewertet wurden. Im folgenden Kapitel wird untersucht, inwieweit chemische Substanzen, die dem Schutz vor Krankheiten in den Tropen vorbehalten waren, auch zur Konservierung organischer Materialien eingesetzt wurden.

2.4 Chemische Wirkstoffe und Mittel zum Schutz von Personen und Gütern auf Expeditionen Zum Schutz vor diversen Krankheiten, Verletzungen, Fliegen- oder auch Skorpion­ stichen befanden sich in den Reiseapotheken von Auslandsreisenden im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert diverse Wirkstoffe und Medikamente, die bei Bedarf der persönlichen Medikation dienten. Die Forscher waren auf die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel wie Chinin oder Arsenikpillen angewiesen und akzeptierten deren Anwendung. Als Karl von den Steinen64 im Jahr 1887 zu seiner zweiten Schingú-Expedition aufbricht, nimmt er in seiner Reiseapotheke einen großen Vorrat an Arsenikpillen mit.65 Hinzu kamen Ammoniak, Karbolsäure (Phenol), Alkohol, Theïn (Teein), Nikotin, Chinin und Beijú.66 Eine prophylaktische Einnahme von 10–14 Arsenikpillen zu 0,002 g pro Dosis und etwas Chinin waren nicht ungewöhnlich, um sich beispielsweise gegen Malaria zu schützen. Hautkrankheiten 64 Zur Person von Karl von den Steinen siehe die Kapitel 3.1.1 und 3.1.2. 65 Vgl. Steinen 1894: von den Steinen, Karl. Unter den Naturvölkern Zentral-Brasilien. Reiseschilderung und Ergebnisse der zweiten Schingú-Expedition, 1887–1888. Berlin: Geographische Verlagsbuchhandlung von Dietrich Reimer mit 30 Tafeln, 1 Heliogravüre, 11 Lichtdruckbilder, 5 Autotypien und 7 lithogr. Tafeln sowie 160 Text-Abb., 1. 66 Vgl. Tello 2006, 35; Beijú ist ein kleiner Kuchen aus Maniok- oder Tapiokamehl, der zusammen mit Wasser fermentiert.

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wurden gelegentlich mit der „Fowlerschen Arseniklösung“ behandelt.67 Weitere Expeditionen, die von Deutschland und Belgien zwischen 1874 und 1884 nach Afrika führten, werden bei Fabian ausführlich dargestellt. Dort wird die Liste der bereits erwähnten Medikamente wie folgt erweitert: Opium in Form von Laudanum oder Morphium, Zinkoxid (Zink(II)-oxid), Bleisulfat (Blei(II)-sulfat), Tannin, Zitronensäure, Senfpflaster u.v.a. Mittel mehr. Fabian erwähnt sogar den Tod eines Forschers durch eine Überdosis Chinin. Die umständehalber angewandte Selbstmedikation und ihre oft ungewollt drastischen Folgen ließen allerdings einige Forscher auch für eine völlige Abstinenz plädieren.68 Ein seltener Beleg für die Ausrüstung einer Expedition nach Abessinien im Jahr 1905 beinhaltete die Bezahlung eines Drogenkoffers, dessen Inhalt 29 Mark kostete.69 Theodor Koch-Grünberg70 benutzt während seiner Expedition an den Rio Negro Naphthalin, um damit Sandflöhe aus seinen eigenen Zehen zu entfernen.71 Die Einnahme von Wirkstoffen und Mitteln auf außereuropäischen Reisen wurde mitunter bereits kritisch betrachtet. Daraus ergeben sich aus heutiger Sicht zwingende Fragestellungen. Gegenstand der folgenden Untersuchungen ist der Zeitraum, ab wann und in welchen gesellschaftlichen Bereichen akut toxische oder auch chronische Auswirkungen auf den menschlichen Organismus untersucht wurden.

2.5 Humantoxische Wirkungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln Eine Sensibilisierung hinsichtlich einer Gesundheitsgefährdung in musealen Sammlungen, hervorgerufen durch den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln, ist bereits ab dem 18. Jahrhundert in einzelnen Fällen für spezielle Wirkstoffe und Mittel zu beobachten.

67 Steinen 1894, 134–135. 68 Fabian 2000: Fabian, Johannes. Out of our Minds. Reason and Madness in the Exploration of Central Africa. The Ad. E. Jensen Lectures at the Frobenius Institut, University of Frankfurt. Berkeley: University of California Press, 284; 65–66. 69 SMB-ZA. GV 696, Nr. 1–19. Loseblattsammlung. Königliche Museen zu Berlin (1905): Belege für das Etatjahr 1905. Zur Exordinarien Rechnung. Zusammenstellungen aus dem Jahr 1905, Blatt 16, 1 Seite. 70 Zur Person von Theodor Koch-Grünberg siehe die Kapitel 3.1.1 und 3.1.2. 71 Koch-Grünberg 1903–1905: Koch-Grünberg, Theodor. Tagebuch Rio Negro-Expedition 1903–1905. In: Völkerkundliche Sammlung der Philipps-Universität Marburg, Nachlass Theodor Koch-Grünberg. Unveröffentlichte Quelle. VK Mr KG – B–I.2. Heft 2, 146–147.

Humantoxische Wirkungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln

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So konstatierte de la Varenne (1730–1792),72 dass Sublimat (heute: Quecksilber(II)chlorid; siehe Glossar) ein schreckliches Gift sei und leichtsinnig angewandt bereits Verletzungen hervorrufe, die allein durch bloßes Berühren entstehen könnten.73 Für Hauterkrankungen sowie für das Abbrechen von Fingernägeln macht Hough74 im Jahr 1887 ursächlich den Umgang mit giftigen Substanzen wie Sublimat verantwortlich. Ferner führt er Erkrankungen wie Katarrh, also die Entzündung der Schleimhäute, auf arsenhaltige Stäube zurück (siehe hierzu auch Kapitel 3.5.3).75 Ein Zusammenhang zwischen der Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln und humantoxischen Wirkungen kann auch andernorts für einzelne Wirkstoffe und Mittel belegt werden. Die Giftigkeit von Blei, welches z. B. als Bleiarsenat in Pflanzenschutzmitteln Verwendung fand, wurde schon sehr früh erkannt. An dieser Stelle trat das Kaiserliche Gesundheitsamt/Reichsgesundheitsamt in Berlin hervor. Dort verfolgte man das Ziel, gesamtgesellschaftlich die allgemeinen Hygienestandards anzuheben.76 Zum Wohl und zum Schutz von jugendlichen und erwachsenen Arbeitnehmern entwarf man mehrere Gesetzesvorlagen für die Gewerbehygiene. In einem Gutachten wurde dann im Jahr 1898 auf die Gefährlichkeit von Blei, welches Vergiftungen des menschlichen Organismus hervorruft, hingewiesen.77 Eine Vertiefung des Aspekts gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Giftstoffe findet sich ferner in dem Grundsatzartikel Über die idealen und praktischen Aufgaben der ethnographischen Museen. Darin greift Richter die hygienischen Arbeitsplatzbedingungen in Museen während der Konservierung von Museumsobjekten auf.78 Als Museumsbeamter widmete er sich vornehmlich den Inselstaaten Indonesiens sowie Ozeaniens. In dieser Funktion war er sieben Jahre am Dresdner AnthropologischEthnographischen Museum und danach ab 1904 für kurze Zeit am Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin im Dienst.79 Sein früher Tod wurde mit sehr 72 Pierre-Jean-Claude Mauduyt de la Varenne war ein Physiker, Naturkundler und Mitautor der Encyclopédie méthodique, ou par ordre de matières. 73 Farber 1977: Farber, Paul Lawrence. The Development of Taxidermy and the History of Ornithology. In: ISIS, 1977, 68 (244), 556; vgl. Goldberg 1996, 23. 74 Walter Hough war von 1910–1935 leitender Kurator der Anthropologischen Abteilung im Smithsonian Museum of Natural History, Washington D. C. 75 Hough 1889: Hough, Walter. The Preservation of Museum Specimens from Insects and the Effects of Dampness. For the Year Ending June 30, 1887. Report of the National Museum, Washington D. C.: Zoological pamphlets, 1889, (5), 552. 76 Vgl. Hüntelmann 2008, 55–75. 77 Ebd., 211. 78 Richter 1907: Richter, Oswald. Über die idealen und praktischen Aufgaben ethnographischer Museen (Fortsetzung). In: Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, 1907, (Bd. III), 14–25; 99–120. 79 Richter 1908: Richter, Oswald. Über die idealen und praktischen Aufgaben ethnogra-

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großer Wahrscheinlichkeit durch eine schwere Blutvergiftung hervorgerufen, die er sich beim Hantieren mit einem vergifteten Pfeil zugezogen hatte.80 Dies und die Kenntnis der unterschiedlichen Vorgehensweisen zur Bekämpfung von Schadinsekten an beiden Museen mag ihn dazu bewogen haben, sich als einer der wenigen Museumsfachleute zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Thematik der Gesundheitsgefährdung näher zu befassen. Dabei hebt er deutlich hervor, dass sich völkerkundliche Museen noch im Stadium des Experimentierens befänden und fordert seine Fachkollegen explizit dazu auf, ihr Wissen zu teilen und es anderen zugänglich zu machen.81 Für beklagenswert hält er die allgemein herrschenden mangelhaften hygienischen Einrichtungen der Arbeitsplätze von Museumsmitarbeitern und verweist in diesem Zusammenhang auf Krankheitssymptome wie Augenentzündungen und schwere Erkältungen der Kollegen in den Wintermonaten.82 Leider ist seinen Äußerungen nicht eindeutig die Ursache dieser Symptome zu entnehmen. Bei den Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin mögen die berufliche Tätigkeit von Richter sowie behördliche Auflagen zu einer Sensibilisierung für den Gesundheitsschutz beim Hantieren mit chemischen Substanzen geführt haben. Das Königliche Museum für Völkerkunde erhielt am 12. November 1913 vom damaligen Kultusminister Hermann von Chappuis83 eine dienstliche Anordnung, dass aufgrund immer wieder vorkommender Bleierkrankungen von Malern und Anstreichern zum Schutz dieser Berufsgruppen Ersatzmittel für Bleifarben wie Lithopone und Zinkweiß anzuwenden seien. In diesem Kontext wurden Versuche durchgeführt, um auch für Außenanstriche einen Ersatz für Bleiweiß zu finden. Bleifarben und insbesondere Bleiweiß waren nur noch erlaubt, wenn darauf aus technischen oder künstlerischen Gründen nicht verzichtet werden konnte „und die Farben dabei nicht in Pulverform, sondern mit Leinöl verrieben beschafft werden“.84 Das Mittel Globol zur Bekämpfung von Schadinsekten wurde bei den Staatlichen Museen sehr unterschiedlich bewertet. Wilhelm Eduard Julius Krause85 führte

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phischer Museen. In: Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, 1908, (Bd. IV), 92–93. Ebd., 158. Ebd., 159. Ebd., 158. Winter und Grabowski 2014: Winter, Petra; Grabowski, Jörn (Hg.). Zum Kriegsdienst einberufen. Die Königlichen Museen zu Berlin und der Erste Weltkrieg. Staatliche Museen zu Berlin. Köln: Böhlau (Schriften zur Geschichte der Berliner Museen, 3), 44. SMB-PK, EM. I/MfV 0034, Pars Ia, Bd. 9, E. Nr. 1886/13. Acta betreffend Dienstbestimmungen und Instruktionen. Loseblattsammlung. Chappuis von, Hermann. Anordnung über den Einsatz von bleihaltigen Farben für den Innen- und Außenbereich vom 12.11.1913, 1 Seite, ohne Paginierung. Wilhelm Eduard Julius Krause, geb. im Jahr 1847, gest. 30.10.1917, war vom 01.04.1884

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es im Jahr 1913 im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin unter dem ursprünglichen Namen Dichlorbenzol „Agfa“ ein (siehe hierzu Kapitel 3.2.1). Die weitere Beschaffung des Mittels wurde aber wegen seines starken Geruchs im Jahr 1919 durch die Abteilungsleiter des Museums unterbunden (siehe hierzu Kapitel 3.2.1). Zu welchem Zeitpunkt sich diese Haltung wieder änderte, war den Akten nicht zu entnehmen, aber genau zehn Jahre später beschäftigte man sich mit den Gefahren, die durch Globol für den menschlichen Organismus ausgingen. Schwere Krankheitsvorfälle in einem holländischen Museum sowie der frühe Tod von Willy Foy,86 dem Direktor des RJM in Köln, hatten Walter Lehmann,87 den damaligen Direktor der Afrikanischen, Ozeanischen und Amerikanischen Sammlungen im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin, alarmiert. In einem Brief an Kurt Stubenrauch, der zu dieser Zeit Assessor in der Generalverwaltung der Staatlichen Museen zu Berlin war, bittet er diesen, den Generaldirektor Wilhelm Waetzoldt88 auf die sogenannte „Globolkrankheit“ aufmerksam zu machen, da sowohl wissenschaftliche Beamte wie auch der Hilfsrestaurator Erich Zorn umfänglich in den Schränken der Magazine in Berlin-Dahlem mit diesem Schädlingsbekämpfungsmittel hantieren müssten. Da das Einatmen der Substanz allgemeines Unwohlsein und Kopfschmerzen verursache, bittet er des Weiteren darum, dass über Carl Brittner89 einschlägige Toxikologen und Gesundheitsämter zu Rate gezogen werden.90 Eine vielschichtige, wenn auch nicht eindeutige Antwort kam aus dem Chemischen Laboratorium in Vertretung von Brittner von seinem Vorgänger Rathgen. Darin verweist er auf das Hamburger Museum für Völkerkunde, wo seit geraumer Zeit das Mittel Globol verwendet werde. Foy erschien ihm schon lange vor der Anwendung

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bis zu seinem Tod der erste Restaurator am Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin (siehe hierzu Kapitel 3.1.6). Willy Foy, geb. 27.11.1873, gest. 01.03.1929, war von 1901 bis 1925 Gründungsdirektor des RJM in Köln. Walter Lehmann, geb. 1878, gest. 1939, war von 1927 bis 1934 der Direktor der Afrikanischen, Ozeanischen und Amerikanischen Sammlungen im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin. Vgl. hierzu Grabowski et al. 2010: Grabowski, Jörn; Winter, Petra; Ebelt, Beate; Pilgermann, Carolin (Hg.). Kunst recherchieren. 50 Jahre Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin. Staatliche Museen zu Berlin. Berlin: Deutscher Kunstverlag, 155. Wilhelm Waetzold, geb. 1880, gest. 1945, war von 1928 bis 1934 Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin. Vgl. hierzu Grabowski et al. 2010, 151. Carl Brittner, geb. 1883, gest. 1958, war von 1928 bis 1948 Leiter des Chemischen Laboratoriums der Staatlichen Museen zu Berlin. Vgl. hierzu. Grabowski et al. 2010, 165. Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt. Findbuch. 101– 1, Nr. 281. Lehmann, Walter. „Globolkrankheit“. Abschrift des Briefes vom 16.02.1929 an die Generalverwaltung der Staatlichen Museen zu Berlin, 2 Seiten, ohne Paginierung.

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des Mittels im Kölner Museum sehr krank gewesen zu sein, weshalb er sein frühes Ableben nicht mit dem Hantieren von giftigen Substanzen in Verbindung bringt. Dennoch schlägt er alternativ das in Eberswalde91 verwendete Mittel Areginal vor, sieht aber gleichzeitig in jedem chemischen Mittel eine Gefahr. Eher resignierend endet seine Stellungnahme, da er die Begasung mit Areginal in der hauseigenen Anlage in Berlin-Dahlem als einzige Möglichkeit betrachtet. Eine Wärmebehandlung der Sammlungsgegenstände bei ca. 70–80 °C kam nicht in Frage, da die Staatlichen Museen zu Berlin nicht über eine entsprechende Anlage verfügten.92 Aus dem Museum für Völkerkunde in Hamburg erhielt Waetzold eine Stellungnahme des damaligen Direktors Georg Thilenius zu Globol.93 Er bestätigt die Krankheitssymptome seiner Mitarbeiter wie Unbehagen und Kopfschmerzen, wenn diese an mit Globol ausgerüsteten geöffneten Schränken arbeiteten. Auch der bloße Aufenthalt in den Magazinen führe zu diesen Erscheinungen. Dabei sei die persönliche Disposition des Einzelnen entscheidend, dennoch sei er auf der Suche nach einem Ersatzmittel für Globol und zeigte sich sehr interessiert an ärztlichen Untersuchungen aus Berlin, falls man beabsichtige, diese dort durchführen zu lassen.94 Mit großem Nachdruck versuchten die Firma Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft aus Leipzig wie auch deren Vertreter in Hamburg, Hugo Senger, Thilenius schriftlich von der Ungiftigkeit des Globol zu überzeugen. Man verwies auf eine siebzehnjährige Erfahrung im Umgang mit dem Mittel und die Tatsache, dass hunderttausende von Haushalten Globol zum Schutz gegen Motten anwendeten. Allein wissenschaftliche Beweise konnten nicht erbracht werden.95 Zwei Monate später zirkulierte ein vertrauliches Schreiben von Zacher innerhalb der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, worin dieser sich ebenfalls gegen das Mittel 91 Weitere Angaben, die auf eine konkrete Einrichtung in Eberswalde hindeuten würden, sind dem Schreiben von Friedrich Rathgen nicht zu entnehmen (Anm. d. Verf.). 92 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt. Findbuch. 101– 1, Nr. 281. Rathgen, Friedrich. Stellungnahme zu Globol. Abschrift des Briefes vom 18.02.1929 an die Generalverwaltung der Staatlichen Museen zu Berlin, 2 Seiten, ohne Paginierung. 93 Georg Thilenius war von 1904–1935 der erste Direktor des im Jahr 1879 gegründeten Museums für Völkerkunde in Hamburg (siehe hierzu Kapitel 3.5.1). 94 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt. Findbuch. 101– 1, Nr. 281. Thilenius, Georg. Stellungnahme zu Globol. Brief vom 27.02.1929 an den Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, 2 Seiten, ohne Paginierung. 95 Ebd. Weiterleitung einer Stellungnahme zu Globol von der Firma Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft. Senger, Hugo. Brief vom 08.05.1929 an die Direktion des Museums für Völkerkunde Hamburg, 1 Seite, ohne Paginierung; ebd. Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft, Leipzig. Brief vom 03.05.1929 an die Direktion des Museums für Völkerkunde Hamburg, 2 Seiten, ohne Paginierung.

Humantoxische Wirkungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln

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Globol aussprach.96 Ein weiteres Mittel bereitete in den 1930er Jahren im Magazin der Afrika-Abteilung des Hamburger Museums für Völkerkunde Schwierigkeiten. Dort war ein Holzregal mit Xylamon zum Schutz gegen holzzerstörende Insekten eingestrichen worden. Eine Zeichnerin, deren Arbeitsplatz sich in diesem Magazin befand, klagte unmittelbar am Tag darauf über Unbehagen und Kopfschmerzen. Sie unterbrach ihre Arbeit vor Ort, litt aber bei Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit an ihrem Arbeitsplatz an denselben Krankheitssymptomen. Daraufhin ließ man die Räumlichkeiten von einem Baubeamten der Stadt Hamburg sowie einem Beamten aus der Behörde für Arbeit und Technik untersuchen. Im Ergebnis wurde festgehalten, dass Räume für eine Behandlung mit Xylamon über Monate nicht belüftet werden dürfen, damit sich das Holzschutzmittel wirksam entfalten kann. Folglich seien solche Räume als Arbeitsplätze ungeeignet.97 Das am häufigsten eingesetzte Begasungsmittel in musealen Sammlungen im 19. Jahrhundert war der Schwefelkohlenstoff. Die Flüssigkeit wurde in Schalen gegossen und diese auf die unteren Böden von Schränken gestellt. Im Berliner Naturkundemuseum mussten Mitarbeiter zweimal jährlich jeweils 120 kg Schwefelkohlenstoff auf ungefähr 50 große Schränke verteilen. Die Folgen waren akut toxische Reaktionen wie Übelkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen.98 Walther Arndt99 berichtet von insgesamt 16 Präparatoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Hilfsarbeitern, die durch den Einsatz von Schwefelkohlenstoff gesundheitliche Schädigungen davontrugen. Erst durch den Einsatz von Atemschutzmasken minimierten sich die Symptome.100 Schwefelkohlenstoff wurde auch gasförmig in eigens dafür gebauten Begasungsanlagen eingesetzt.101 Hinweise über humantoxische Auswirkungen während des Hantierens von Museumsmitarbeitern an diesen Anlagen konnten zum 96 LASA I 532 Nr. 600. I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, Abteilung Z III, Frankfurt am Main 28.07.1930. Stellungnahme vom 28.07.1930 zu Globol, „Schädlingsnaphthalin“, Areginal und Areginal U, 1 Seite, ohne Paginierung. 97 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt. Findbuch. 101– 1, Nr. 281. Anonymus. Gesundheitliche Beeinträchtigung durch Xylamon. 3 Berichte vom 19.05.1934, vom 24.05.1934 und vom 09.06.1934, 2 Seiten, ohne Paginierung. 98 Arndt 1932a: Arndt, Walther. Die Berufskrankheiten an naturwissenschaftlichen Museen. I. Vergiftungen. In: Museumskunde, Neue Folge IV, 1932a, (2), 54–55. 99 Walther Arndt, geb. 08.01.1891, gest. 26.06.1944, war ein deutscher Zoologe und Mediziner. Er wurde wegen kritischer Äußerungen über den Nationalsozialismus denunziert, am 11.05.1944 vom Volksgerichtshof verurteilt und im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet. Eine Gedenktafel erinnert an ihn am Museum für Naturkunde, Invalidenstraße 43, 10115 Berlin. 100 Vgl. Arndt 1932a, 55–56. 101 Die Verwendung von Schwefelkohlenstoff wird ausführlich in den Kapiteln 3.2.1, 3.2.3 und in 3.2.5 diskutiert.

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

jetzigen Zeitpunkt nicht ermittelt werden. Richters Überlegungen sowie Anfragen von Mitgliedern des Deutschen Museumsbundes102 waren für Arndt der Anlass, zu Beginn der 1930er Jahre eine medizinische Studie über Berufskrankheiten und Schädigungen in naturkundlichen, zoologischen, botanischen und anthropologischen musealen Sammlungen im In- und Ausland durchzuführen. Es ist einem glücklichen Umstand zu verdanken, dass er als akademisch gebildeter Mediziner ab 1921 im Zoologischen Museum der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin angestellt war.103 Seine Studie ist die erste ihrer Art, die für Mitarbeiter in musealen Einrichtungen durchgeführt wurde. Dafür befragte er Wissenschaftler, Präparatoren, Hilfsarbeiter sowie Beamte und Angestellte aus deutschen, österreichischen und anderen europäischen Museen. Seine Ergebnisse gliedert er in drei Teile und geht zunächst auf jene Vergiftungen ein, die durch Arsen, Sublimat, Formalin und Begasungsmittel sowie durch diverse Konservierungsmittel und Chemikalien hervorgerufen werden.104 Des Weiteren beschreibt er Schädigungen, die durch Gifte und Haare tierischen Ursprungs ausgelöst werden.105 Im zweiten Teil seiner Studie beschreibt er Schädigungen, die durch die Übertragung von Krankheitserregern eintreten können.106 Im abschließenden und dritten Teil seiner Untersuchungen werden von ihm Schädigungen dargestellt, die durch das Einatmen von Stäuben entstehen.107 Im Ergebnis zeigt sich deutlich, dass Vergiftungen, hervorgerufen durch Arsen, in den von ihm untersuchten Museen am häufigsten auftreten.108 Zu den akut toxischen Wirkungen gehören Hautentzündungen in Verbindung mit Eiterungen, Erbrechen und Durchfällen sowie Gelbsucht.109 Als chronische Vergiftungen werden Kopfschmerzen, Ermüdung, Braunfärbung der Haut, Augenbindehaut- und Lidrandentzündungen, Magenbeschwerden, Leberkrankheiten, Gallenblasenentzündungen, Nervenleiden und allgemeine Nervosität benannt.110 Für zoologische, botanische und 102 Der Deutsche Museumsbund wurde auf Anregung der Museumsdirektoren Karl Koetschau, Gustav Pauli und Georg Swarzenski zusammen mit 22 weiteren Leitern öffentlicher deutscher kunst- und kulturgeschichtlicher Museen am 23. Mai 1917 im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main gegründet. 103 Komander 2004: Komander, Gerhild H. M. Die Geschichte Berlins. Arndt, Walther. Hg. v. Verein für die Geschichte Berlins e. V., gegr. 1865. Online verfügbar unter https://www. diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/persoenlichkeiten/persoenlichkeiteag/434arndt.html (Zugriff: 11.03.2021). 104 Vgl. Arndt 1932a, 47–61. 105 Ebd., 61–66. 106 Arndt 1932b, 103–105. 107 Ebd., 105–106. 108 Vgl. Arndt 1932a, 49. 109 Ebd., 52–53. 110 Ebd., 53–54.

Eignungsprüfung von historischen Schädlingsbekämpfungsmitteln

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anatomische Zwecke wurde ab dem Jahr 1893 Formalin als Konservierungsmittel in den einschlägigen Museen eingeführt. In der Folge traten Schädigungen der Haut, insbesondere der Hände in Verbindung mit langwierigen Ekzemen sowie Reizungen der Nasenschleimhaut, der Augenbindehaut und der Atemwege als Krankheitsbilder auf.111 Zusammengefasst sind in der Studie von Arndt 41,4 % Präparatoren und Oberpräparatoren, 27,1 % wissenschaftliche Beamte, 25,6 % sonstige Beamte und Angestellte sowie 5,9 % freiwillige Hilfsarbeiter von Berufskrankheiten und Schädigungen, hervorgerufen durch Schädlingsbekämpfungsmittel, betroffen.112 Die Untersuchungen von Arndt sowie die Beobachtungen von Richter hinsichtlich des Umgangs mit gefährlichen Substanzen und Schädlingsbekämpfungsmitteln in musealen Sammlungen waren bahnbrechend zu ihrer Zeit. Beiden Personen wird daher eine bedeutende Pionierleistung zugeschrieben. Aus der heutigen Perspektive bieten sich dadurch zahlreiche Anknüpfungspunkte für weitere Forschungen in Museen auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes im Untersuchungszeitraum an. Dies wird durch die Tatsache unterstrichen, dass in Arndts Studien Informationen aus zahlreichen naturkundlichen Museen auf nationaler und internationaler Ebene einflossen. Eine Gefährdung durch Wirkstoffe und Mittel zur Schädlingsbekämpfung im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts war also bereits bekannt und wurde weitläufig diskutiert. Aufgrund dieses Sachverhalts ist nur schwerlich nachvollziehbar, weshalb chemische Substanzen zur Schädlingsbekämpfung in musealen Sammlungen über viele Jahrzehnte unkritisch eingesetzt wurden. Auch drängt sich unweigerlich die Frage auf, inwieweit sowohl naturwissenschaftliche wie auch kulturelle Einrichtungen Schädlingsbekämpfungsmittel hinsichtlich ihrer gesundheitsschädigenden Wirkung eingehenden Prüfungen unterzogen haben.

2.6 Eignungsprüfung von historischen Schädlingsbekämpfungsmitteln Zunächst zeigt sich, dass primär Prüfungen von Schädlingsbekämpfungsmitteln hinsichtlich ihrer insektiziden Wirkung zum Beginn des 20. Jahrhunderts in staatlich geförderten Einrichtungen stattfanden. Diesbezüglich durchgeführte Experimente in der Kaiserlichen Biologischen Anstalt für Forst- und Landwirtschaft in Berlin waren für die Industrie von großem Interesse, da solche Untersuchungen Voraussetzung für die Zulassung von Produkten auf dem freien Markt waren. Unter anderem wurde in der genannten Einrichtung im Jahr 1916 das Mittel Dichlorbenzol „Agfa“ un111 Ebd., 57–60. 112 Vgl. Arndt 1932b, 109–110.

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

tersucht und nach eingehender Prüfung zur Bekämpfung von Schadinsekten in textilen Stoffen und Pelzen empfohlen.113 Weitere Bewertungen und Einschätzungen von Pflanzenschutzmitteln sind aus der Naumburger Zweigstelle der Biologischen Reichsanstalt aus dem Jahr 1920 belegt. Blunck präsentierte im Rahmen einer Mitgliederversammlung der Gesellschaft für Entomologie Untersuchungsergebnisse, welche mit verschiedenen chemischen Mitteln zur Bekämpfung von Kohlerdflöhen (Phyllotreta sp.), Rapserdflöhen (Psylliodes sp.), Rapsglanzkäfern (Brassicogethes sp.) und Kohlschotenrüsslern (Ceutorhynchus sp.) durchgeführt worden waren.114 Zur Prüfung wurden Raps und Rüben einbezogen, welche als Ölfrüchte und Futterpflanzen dienten. An ihnen wurde die insektizide Wirkung von industriell hergestellten Mitteln der Firmen de Haën und Hoechst, aber auch aus der Literatur entnommene Lösungen sowie eigene Formulierungen von flüssigen und pulverförmigen Präparaten geprüft. Des Weiteren wurden Uraniagrün (Schweinfurter Grün), Bleiarsenat, pulverförmige Arsenpräparate, Nikotinpräparate, Naphthalin und Insektenpulver untersucht. Man kontrollierte dabei das Schwebevermögen, die Benetzungsfähigkeit, die Beständigkeit gegenüber atmosphärischen Gasen, die Wirkung des Mittels auf die Futterpflanzen, den prozentualen Anteil von toten Kohlerdflöhen (Phyllotreta sp.) sowie den „Befraß“ auf den Pflanzen.115 Im Grundsatz hielt Blunck fest, dass keines der flüssigen Arsenpräparate die Mindestanforderung einer tödlichen Wirkung innerhalb von acht Tagen bei völligem Schutz der Futterpflanzen gewährleisten konnte. Von allen schnitt das pulverförmige Sturmsche Mittel116 am besten ab. Analog zu Richter und Walther warnte er insgesamt vor der Anwendung arsenhaltiger Mittel und Präparate, da wegen ihrer hohen Giftigkeit gesundheitliche Gefahren für den Menschen, starke Missbildungen, aber auch Verbrennungen an den Pflanzen bekannt seien.117 Deshalb gibt er bis auf Weiteres dem mechanischen Abfangen von Käfern mit dafür eigens konstruierten Apparaten den Vorrang.118

113 Schwartz (1916): Schwartz, N., (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Versuche zur Bekämpfung tierischer Schädlinge mit Giften. In: Mitteilungen Kaiserliche Biologische Anstalt, 1916, (16), 15–16. 114 Blunck 1922: Blunck, Hans. Über die Wirkung arsenhaltiger Gifte auf Ölfruchtschädlinge nach Beobachtungen an der Naumburger Zweigstelle der Biologischen Reichsanstalt. Dritte Mitgliederversammlung zu Eisenach vom 28.–30. September 1921. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für Entomologie, 1922, 40–41. 115 Ebd., 42–48. 116 siehe im Glossar: Sturmsches Mittel. 117 siehe auch: LASA. I 532, Nr. 399. I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, Höchst a. M. Anonymus. Untersuchungen über Pflanzenverbrennungen durch Schweinfurter Grün. Bericht vom 02.05.1929, Blatt 1–9, 9 Seiten. 118 Vgl. Blunck 1922, 49–55.

Eignungsprüfung von historischen Schädlingsbekämpfungsmitteln

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Untersuchungen auf naturwissenschaftlicher Basis mit dem ausschließlichen Ziel, die insektizide Wirkung von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Museen zu prüfen, konnten in zwei Fällen in der Zusammenarbeit des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin und der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation in Görz (heute Gorizia in Italien) belegt werden. Nachdem Friedrich Rathgen und Johann Bolle119 sich bereits im Jahr 1904 in Wien im Rahmen einer Tagung persönlich kennengelernt hatten (siehe Kapitel 3.2.3), unternahm Bolle im Jahre 1910 eine Studienreise nach Berlin zu den Königlichen Museen und ihrem Chemischen Laboratorium. Felix von Luschan, zu dieser Zeit Direktor der Afrikanisch-Ozeanischen Abteilung im Berliner Museum für Völkerkunde, unterstützte Bolle darin, Insektizide hinsichtlich ihrer Abtötung von Schadinsekten in Sammlungsschränken zu überprüfen. Noch während seines Aufenthaltes in Berlin ließ sich Bolle von einem Mitarbeiter drei verlötete Zinkkästchen mit Insekten in wurmstichigem Holz aus Görz zusenden, die als Versuchsobjekte in drei Sammlungsschränken des Berliner Völkerkundemuseums eingesetzt wurden.120 Die Wirksamkeit von 100 g Terpentin wurde in Schrank 17, von 100 g Campher in Schrank 58 und von Schwefelkohlenstoff (ohne Mengenangabe, Anm. d. Verf.) in Schrank 67 während eines sechsmonatigen Experimentes untersucht. Jeder Schrank hatte ein Volumen von 6 m3.121 In einer Stellungnahme empfahl Bolle, ausschließlich Schwefelkohlenstoff in die Schränke zu geben, da Terpentin nur wirksam war, wenn sich die Insekten nicht zu tief im Holz befanden. Hingegen hatte Campher keine Mortalität bei den Insekten hervorgerufen.122 Auch August Eichhorn, von Luschans Nachfolger, unterstützte weitere Versuche von Bolle in Sammlungsschränken des Museums,123 so dass zu Beginn des Jahres 1911 eine zweite Prüfung mit drei Versuchen in der dritten Etage des Museums durchgeführt wurde. Die Schränke hatten ein Fassungsvermögen von ca. 9 m3 und wurden nacheinander mit 450 cm3 und 225 cm3 Schwefelkohlenstoff sowie 450 cm3 Tetrachlorkohlenstoff bestückt. Die Dämpfe wirkten jeweils 16

119 Zur Person Johann Bolle siehe Kapitel 3.2.2. 120 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 1360/10. Königliches Museum für Völkerkunde zu Berlin und Kaiserlich königliche landwirtschaftlich-chemische Versuchsstation 1910–1911 in Görz, 1910–1911. Luschan von, Felix. 2 Aktennotizen vom 04.07.1910 und vom 07.07.1910 auf Brief vom 02.07.1910 des k. k. Inspektors (Name unbekannt, Anm. d. Verf.) aus Görz, 1 Seite, ohne Paginierung. 121 Ebd. Luschan von, Felix. Brief an Johann Bolle vom 24.01.1911, Blatt 3–4, 2 Seiten. 122 Ebd. Luschan von, Felix. Aktennotiz vom 24.01.1911 auf Brief von Johann Bolle vom 19.01.1911, Blatt 2, 1 Seite. 123 Ebd. Eichhorn, August. Brief an Johann Bolle vom 01.02.1911, Blatt 5, 1 Seite.

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

Abb. 2: Johann (Giovanni) Bolle. Direktor der kaiserlich königlichen landwirtschaftlichchemischen Versuchsstation in Görz, Österreich, (heute Gorizia, Italien) von 1891–1912.

Abb. 3: Felix von Luschan. Direktor der Afrikanisch-Ozeanischen Abteilung im Königlichen Museum für Völkerkunde von 1904–1911.

Tage auf die darin befindlichen Sammlungsgegenstände ein.124 Nach Auswertung dieses Experiments teilte Bolle mit, dass bei den Versuchen mit Schwefelkohlenstoff eine 100-prozentige Mortalität der Insekten eingetreten war. Die eingesetzte Menge an Tetrachlorkohlenstoff hatte keine Insekten abgetötet. Dennoch riet Bolle von einer höheren Dosierung ab, da er befürchtete, dass sich ein unangenehmer Geruch im ganzen Saal verbreiten könnte, welcher besonders für die Besucher unzuträglich war.125 Zur Minimierung einer Geruchsbelästigung hatte man bereits den Schwefelkohlenstoff mit geringen Mengen an Nitrobenzol sowie Rosmarinöl verschnitten.126 Bolle fühlte sich offensichtlich in seiner Bewertung der Experimente ausschließlich den Paradigmen der Naturwissenschaften verpflichtet, indem er auf die Geruchsbe124 Ebd. E. Nr. 298/11. Bolle (09.02.1911): Bolle, Johann. Brief vom 09.02.1911 an die Generaldirektion der Königlichen Museen zu Berlin, 1 Seite, ohne Paginierung; Bolle, Johann. Brief vom 02.03.1911 an den Direktor (Name wird nicht erwähnt, Anm. d. Verf.), Blatt 1, 2 Seiten. 125 Ebd. Bolle (14.04.1911): Bolle, Johann. Brief vom 14.04.1911, 1 Seite, ohne Paginierung. 126 Ebd. E. Nr. 467/12. Versuche zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin mit der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation in Görz. Bolle (04.03.1912): Bolle, Johann. Brief vom 04.03.1912, 2 Seiten, ohne Paginierung.

Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln

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lästigung durch Schwefelkohlenstoff nicht weiter einging. Aus heutiger Sicht gehört Schwefelkohlenstoff zu den sogenannten CMR-Stoffen (Carcinogenic, Mutagenic and toxic to Reproduction), deren gesundheitsschädigende Wirkung auf den Menschen eindeutig belegt ist.127

2.7 Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln Die Bandbreite der eingesetzten Wirkstoffe und Mittel zur Vorbeugung gegen sowie zur Bekämpfung von Schadinsekten ist bis in das 16. Jahrhundert noch relativ überschaubar. Ausgehend von Wachsen und Fetten wurden zunehmend anorganische Verbindungen, insbesondere solche des Arsens und Quecksilbers angewandt. Diese noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts in der Konservierung und Restaurierung eingesetzten Schwermetallverbindungen stellen aus heutiger Sicht ein großes Gesundheitsrisiko für Personen dar, die Umgang mit solcherart behandelten Kunst- und Kulturgütern haben. Zum besseren Verständnis der zahlreichen Schädlingsbekämpfungsmittel, welche im Untersuchungszeitraum existierten und zur Anwendung kamen, werden diese Wirkstoffe und Mittel in fünf Kategorien eingeteilt. Im Einzelnen handelt es sich um natürliche und synthetische Wirkstoffe, wirkstoffhaltige Zubereitungen der Industrie sowie um Rezepturen von Apothekern, Ärzten und Einzelpersonen. Mit Hilfe dieser Kategorien und einer chronologischen Zuordnung sind Tendenzen für die Entwicklung einzelner Wirkstoffe und Mittel hinsichtlich ihres Einsatzes zur Bekämpfung von Schadinsekten im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ablesbar. Zunächst wurden natürliche anorganische oder organische Wirkstoffe angewandt. Die chemische Industrie entwickelte synthetische Mittel mit immer komplexeren Strukturen und brachte diese über den Handel an die Verbraucher.128 Die typologische sowie chronologische Erfassung gibt auch darüber Aufschluss, welche Substanzen in Museen und kulturellen Einrichtungen bevorzugt verwendet wurden. Sie sind deshalb in den folgenden fünf Tabellen grau hinterlegt. Im dritten Kapitel dieser Arbeit kann dadurch nachverfolgt werden, ob einzelne Wirkstoffe oder Mittel in einem gewissen Sinne „Karriere“ gemacht haben oder ob einzelne Substanzen aus bestimmten Gründen in Vergessenheit geraten sind.129 127 Taeger 1941: Taeger, Harald. Die Klinik der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg. 128 Vgl. Jansen 2003, 65–73. 129 Die Ausführungen zur chemischen Konstitution und zu den Eigenschaften der Substanzen beruhen vorwiegend auf Angaben aus: Römpp Lexikon Chemie. Jürgen Falbe und Manfred Regitz (Hg.). 9. und 10. Aufl. Stuttgart, New York: Thieme 1992 und 1996;

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

Tabelle 1: Typologische Erfassung von natürlichen Wirkstoffen

Anorganische Substanzen Chronologie Wirkstoff ca. 484–424 Aluminiumkaliumsulfat v. Chr. – Dodecahydrat (Alaun) 1742 Kaliumcarbonat (Pottasche) 1770 Kaliumnitrat (Salpeter) 1875

1877 ca. 1920

Borsäure Kohlenstoffdioxid (Kohlendioxid) Organische Substanzen Chronologie Wirkstoff 1600 v.Chr.* Koloquinten 200 n. Chr. ca. 1900

15. Jh. 17. Jh.

Aloe

16. Jh.

Laudanum (Opium)

Ende 19. Jh. Mitte 17. Jh.

Ende 19. Jh.



Chinin

Verwendung Quelle Feuerhemmendes Mittel Unger et al. 2001 Beimischung in Arsenikseife Bekämpfung von Schadinsekten in naturkundlichen Sammlungen; Konservierung medizinischer Präparate Holzschutzmittel Vorratsschutz

Verwendung Medizinische Zwecke; Bekämpfung von Nagetieren; Bekämpfung von Schadinsekten in musealen Sammlungen Antimikrobielle Inhaltsstoffe; heilende Wirkung; Holzimprägnierung Arzneimittel; Rauschmittel; Mittel in Reiseapotheken von Forschungsreisenden Medizinische Anwendung; Malariabekämpfung; Lebensmittelindustrie; Mittel in Reiseapotheken von Forschungsreisenden

Rookmaaker et al. 2006 Kuckhan 1770; Keil 1879 Unger et al. 2001 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996 Quelle Ebers 1875; Wink et al. 2008; Königliche Museen zu Berlin 1901 Lehmann und Lehmann 1985; Schiessl 1984 Ball 2014; Fabian 2000 Müller-Jahncke et al. 2005; Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Fabian 2000

Unger et al. 2001. Online verfügbar unter http://www.loc.gov/catdir/enhancements/ fy0815/2001020310-d.html. Odegaard und Sadongei 2005: Odegaard, Nancy; Sadongei, Alyce. Old Poisons, new Problems. A Museum Resource for Managing Contaminated Cultural Materials. Walnut Creek, CA: AltaMira Press. Weitere Ausführungen befinden sich direkt in den Tabellen 1–5 in der Spalte für Quellen.

Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln

1682 1770

Moschus

17. Jh.

Lavendelöl

1770

Rainfarn

1770

Wermutblätter

1909

ca. 1800

1819 1884

1830

Pyrethrum (Dalmatinisches und Persisches Insektenpulver) Teein (Coffein)

Campher

1842

Thymol

1846

Cumarin

ca. 1920

1875

Rosmarinöl

Medizinische Heilkraft; Aphrodisiakum Trockenpräparation von Vögeln Repellent gegen Insekten; Duftstoff, Beruhigungsmittel Trockenpräparation von Vögeln; Repellent gegen Schadinsekten Heilmittel; Präparation von toten Vögeln; Schutz gegen holzzerstörende Insekten Insektizid

Entdeckung durch Friedlieb Ferdinand Runge; Mittel in Reiseapotheken von Forschungsreisenden Für medizinische und kosmetische Präparate; Desinfektion; Präventiv und bekämpfend gegen Schadinsekten in entomologischen und ethnologischen Sammlungen Fungizid; Bekämpfung von Schimmel; antiseptisch Narkotisierende Wirkung; Duftstoff; Medizinische Anwendung; Repellent gegen Nagetiere; Vorratsschutz Konservierung von Tierpräparaten und Pflanzen

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Schröck et al 1682; Kuckhan 1770 Schiessl 1984; Rochussen 1920 Kuckhan 1770; Rochussen 1920 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Kuckhan 1770; Aberle und Koller 1968 Unger et al. 2001

Gossauer 2006; Steinen, von den 1884 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Odegaard et al. 2005

Lüllmann et al. 2010; Burns 1941 Lowe 2017; Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Zacher 1924 Neumayer und Ascherson 1875; Rochussen 1920

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

ca. 1900

Patschuliöl

Ende 19. Jh. ca. 1900

Kienöl

Ende 19. Jh.

Quendelöl

Ende 19. Jh.

Strychnin

Ende 19. Jh.

Tannin

1924 1924

Dammarharz

Tungöl (Chinesisches Holzöl) Anfang 20. Jh. Spiköl

Heilmittel; Repellent gegen Insekten Reinigungsmittel; Lösemittel für Harze; technische Verwendung; Bekämpfung von Schadinsekten in musealen Sammlungen Repellent gegen Schadinsekten in naturkundlichen Sammlungen Bekämpfung von Schadinsekten in anthropologischen Sammlungen; Rattengift Technische Verwendung in der Ledererzeugung; medizinische Verwendung; Mittel in Reiseapotheken von Forschungsreisenden Konservierung von geschädigten Holzobjekten Konservierung von geschädigten Holzobjekten Repellent gegen Textilmotten

Wiesner 1927 Birnbaum und Merck 1884; Wiesner 1927; Königliche Museen zu Berlin 1901 Rochussen 1920; Pfister 2008 Mason 1889

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Fabian 2000 Unger et al. 2001 Unger et al. 2001 Rochussen 1920; Aal 1925

* Bei Mehrfachnennungen eines Wirkstoffs in den Quellen ist die älteste Zeitangabe in der jeweiligen Spalte an erster Stelle fett hervorgehoben.

Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln

91

Tabelle 2: Typologische Erfassung von synthetischen Wirkstoffen

Anorganische Substanzen Chronologie Wirkstoff 1452 Arsen(III)-oxid (Arsenik) 1452 Quecksilber(II)chlorid (Sublimat) 16. Jh.* Schwefelsäure 1720

Kupfer(II)-sulfat

1742

Arsenige Säure [Arsen(III)-säure]

1770

Schwefelblüte (Schwefelblume) Ammoniak

1774

1815 1818

Zink(II)-chlorid (Zinkchlorid) Wasserstoffperoxid

1919 Mitte 19. Jh.

Bleihydrogenarsenat

1861 ca. 1940

Natriumfluorid

1875

Kaliumcyanid

ca. 1900

Verwendung Quelle Holzzerstörende Unger et al. 2001 Insekten Insektizid; Holzschutz- Unger et al. 2001 mittel Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996 Insektizid; Holzschutz- Unger et al. 2001 mittel Komponente in Pflan- Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; zenschutzmitteln; Rookmaaker et al. 2006 Beimischung in Arsenikseife Trockenpräparation von Kuckhan 1770 Vögeln Für techn. Synthesen Gmelin 1827; Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Zacher 1924 Vorratsschutz Holzschutzmittel Unger et al. 2001 Bleich- u. Desinfektionsmittel Fungizid; Restaurierung von gefassten Skulpturen Pflanzenschutzmittel; Fraßgift Holzschutzmittel; Bekämpfung von Schadinsekten; Beimischung in Buchbinderkleister Industrielle Verwendung; Konservierung von Tierpräparaten und Pflanzen; Raumbegasung in Museen

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Bolle 1919 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996 Unger et al. 2001; Burns 1941

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Neumayer und Ascherson 1875; Toothaker 1908

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

1880 1915

Cyanwasserstoff (Blausäure)

1885

Arsensäure [Arsen(V)-säure]

Ende 19. Jh.

Blei(II)-sulfat

Ende 19. Jh.

Zink(II)-oxid (Zinkoxid)

ca. 1900

Bariumhexafluorosilicat Natriumarsenit

ca. 1900 1951

Pflanzenschutz; Vorratsschutz; Begasung gegen holzzerstörende Insekten Pflanzenschutzmittel; Insektizid in musealen Sammlungen Malerfarbe; Mittel in Reiseapotheken von Forschungsreisenden Antiseptisch; Farbpigment; Mittel in Reiseapotheken von Forschungsreisenden Konservierung von Herbarien Trockenpräparation von Tierbälgen; Herbizid; Kontaktgift Verbräunung von organischen und anorganischen Materialien

1914 1919

Schwefelwasserstoff (Wasserstoffsulfid)

ca. 1920

Natriumsilicat

Industrielle Verwendung; Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten

ca. 1920

Peroxodisulfate

ca. 1920 ca. 1920

Schweflige Säure Chlorwasser

Starke Oxidationsmittel; Konservierung von Papier Vorratsschutz Vorratsschutz; Desinfektionsmittel

1934

Ammoniumarsenat(V) Beimischung zu Klebstoffen beim Buchbinden

Unger et al. 2001

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Hough 1889 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Fabian 2000

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Fabian 2000

Purewal 2001 Wray 1908; Odegaard et al. 2005 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Personalakte Wilhelm Eduard Julius Krause 1914; Bolle 1919 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Department of Scientific and Industrial Research 1926 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Scott 1922 Zacher 1924 Zacher 1924; Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996 Plenderleith 1934

Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln

Organische Substanzen Chronologie Wirkstoff 1774 Ammoniak

Verwendung Für technische Synthesen;

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Quelle Gmelin 1827; Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Zacher 1924 Vorratsschutz 1796 Ethanol (synthetisch) Löse- und Extraktions- Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; mittel; Neumayer und Ascher1875 Konservierung von son 1875 Tierpräparaten und Pflanzen Anfang 19. Jh. Benzol (Benzen) Zusatzstoff für Moto- Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; rentreibstoffe, Löseca. 1900 mittel; Königliche Museen zu Bekämpfung von Schadinsekten in muse- Berlin 1901 alen Sammlungen 1830 Nicotin Gegen Schadinsekten Odegaard et al. 2005 in ethnologischen Sammlungen Odegaard et al. 2005; Chlorpikrin Textilmotten, Käfer, 1848 Römpp Lexikon Che(Wirkstoff: Trichlorni- Schaben; tromethan) Chemischer Kampfstoff mie 1992 und 1996; 1916 im Ersten Weltkrieg; Begasen von Objekten Lehmann 2005 1945 aus organischen Materialien Römpp Lexikon CheChloroform Narkosemittel; 1. Hälfte mie 1992 und 1996; 19. Jh. Smith 1884; Gegen Speckkäfer; Hough 1889 Gegen Schadinsekten 1884 in Objekten mit orga1889 nischen Materialien 1875 Methanol (Methylal- Komponente für Keil 1879 kohol) Wickersheimersche Lösung Römpp Lexikon Che1877 Diethylether (Ether) Narkosemittel (nicht mie 1992 und 1996; mehr in Gebrauch); Murray 1877 Gegen Schadinsekten in naturkundlichen Sammlungen 1887 Naphthalin Bekämpfung von Tex- Odegaard et al. 2005 tilmotten

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Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

1887

1888

1890 1893

ca. 1900 ca. 1900

1909 1912

1910

1916

ca. 1920

ca. 1920

Naphthole

Cresol (Kresol); Handelsname Carbolineum Phenol (Carbolsäure, Karbolsäure) Methanal (Formaldehyd)

Herstellung von Farben; antiseptische Wirkung; Bekämpfung von Textilmotten Holzschutzmittel

Desinfektion; Holzkonservierung Fungizid; Begasungsmittel in der Intensivtierhaltung und eingeschränkt von Museumssammlungen Kohlenstoffdisulfid Begasung von holzzer(Schwefelkohlenstoff ) störenden Insekten Tetrachlormethan Begasung gegen holz(Kohlenstofftetrazerstörende Insekten chlorid) Nitrobenzol (Mirba- Desinfektion; gegen nöl) Schadinsekten in naturkundlichen Sammlungen Essigsäurepentylester Lebensmittelindustrie;

Dichlordiethylsulfid (Senfgas, LostGruppe) 1-Butanol

ca. 1920

1,2-Butylenoxid (1,2-Epoxybutan) n-Butylformiat

ca. 1920 ca. 1920

Eisessig Isovaleriansäure

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Odegaard et al. 2005 Unger et al. 2001

Muter 1890; Wray 1908 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996

Unger et al. 2001 Unger et al. 2001

Lueger 1909; Deschka 1987

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Lösemittel für Zapon- Chemische Fabrik Griesheim-Elektron lack 1910 Chemischer Kampfstoff Schnedlitz 2008; im Ersten Weltkrieg

Lösemittel, Bestandteil von Reinigungsmitteln; Vorratsschutz Vorratsschutz Vorratsschutz Vorratsschutz Vorratsschutz; Heilmittel

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Zacher 1924 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996 Zacher 1924 Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996

Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln

ca. 1920

Kohlenstoffmonoxid

1928

Ethylenoxid

1930 1935/1936

Polyvinylacetat

1930

Tetrachlorbenzol

1932

1941

Brommethan (Methylbromid) Dichlordiphenyldichlorethan (DDD) Metabolit von DDT Dichlordiphenyldichlorethen (DDE) Metabolit von DDT Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) 1,2-Dichlorethan

1951

Dichlorvos

Ende 1950er Jahre

Illo-Spezial-T

1939

1939

1939

1960

(Wirkstoff: Tetrachlorethen bzw. veraltet Perchlorethylen) Chlorpyrifos

Synthesegas; industrielle Verwendung; Vorratsschutz Begasung von holzzerstörenden Insekten; tötet Bakterien, Viren, Pilze Holzfestigung; Konservierung von Gemälden Fester Stoff zur Herstellung von Insektiziden, Herbiziden Entdeckung der insektiziden Wirkung Insektizid; Holzschutzmittel

95

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996; Zacher 1924 Unger et al. 2001

Plenderleith 1934; Schiessl 1984 I. G. Farbenindustrie 1930 Unger et al. 2001 Simon 1999; Unger et al. 2001

Insektizid; Holzschutz- Simon 1999; Unger et mittel al. 2001

Insektizid; Holzschutz- Simon 1999; Unger et mittel al. 2001 Begasung von Objekten Burns 1941 aus organischen Materialien Insektizid Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996 Begasung von ethnolo- Scharn (mdl. Mitteilung) 2018 gischen Objekten; Lösemittel in der Tex- GESTIS-Stoffdatenbank 2017 tilindustrie

Insektizid

Römpp Lexikon Chemie 1992 und 1996

* Bei Mehrfachnennungen eines Wirkstoffs in den Quellen ist die älteste Zeitangabe in der jeweiligen Spalte an erster Stelle fett hervorgehoben.

96

Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

Tabelle 3: Typologische Erfassung von wirkstoffhaltigen Zubereitungen der Industrie

Anorganische Substanzen Chronologie Wirkstoff 1805 Schweinfurter Grün (Wirkstoff: Kupfer(II)-arsenitacetat) 1915 Antorgan (Holzwurm-Antorgan) (Wirkstoff: Zinkfluorid) 1924 Chlorkalk

1925

1926

Sturmsches Mittel (Esturmit; Wirkstoff: Calcium(II)-arsenat) Diametan (Wirkstoff: Schwefel)

1928

Calcid (Wirkstoff: Calciumcyanat) 1929 Zyklon B (Wirkstoff: Cyanwasserstoff ) Organische Substanzen Chronologie Wirkstoff ca. 2000 v. Chr. Teer

Anfang 18. bis Anfang 20. Jh. 1781 1850

Verwendung Malfarbe, Insektizid, Holzschutzmittel

Quelle Liebig 1822; Schiessl 1984

Holzkonservierung in Haus, Keller, Garten; Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten Desinfektionsmittel gegen Bakterien und Viren; Vorratsschutz Pflanzenschutzmittel

Unger (mdl. Mitteilung) 2017

Zacher 1924

Stellwaag 1927

Begasung von Räumen gegen häusliche Schadinsekten

Pflanzenschutz Nachrichten Bayer 1979; Römpp Lexikon Chemie 1996–1999 Begasung von Citrusbäu- Kalthoff und Werner men; Rattenbekämpfung 1998 Begasung von holzzerstö- Unger et al. 2001 renden Insekten

Petroleum

Verwendung gegen holzzerstörende Insekten; organische Materialien Holzschutzmittel

Terpentinöl Petrolether

Holzschutzmittel Chemische Reinigung

Quelle Unger et al. 2001

Zinke 1802 Unger et al. 2001 Karlsch und Stokes 2003

Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln

1877

Benzin

1877

Naphtha

1888

Carbolineum (Wirkstoffe: cyclische Kohlenwasserstoffe) Buchenteeröl

Ende 19. Jh.

Ende 19. Jh.

Ende 19. Jh.

ca. 1900 1906

1914

1920

ca. 1920

1923

Bekämpfung von Milben in naturkundlichen Sammlungen; Bekämpfung von Schadinsekten an Objekten mit organischen Materialien Bekämpfung von Milben in naturkundlichen Sammlungen Holzschutzmittel

Bekämpfung von Schadinsekten in naturkundlichen Sammlungen Vorratsschutz; Perthan Textilmotten, (Wirkstoff: chlorierter Kohlenwas- Teppichkäfer serstoff, verwandt mit DDD) Rohbenzol Gegen Pflanzenschädlinge und im Vorratsschutz Leinölfirnis Imprägnierung von Holzobjekten Desinfektionsmittel geAutan gen Bakterien, Kleinstle(Wirkstoffe: bewesen, Nagetiere Paraformaldehyd, Bariumperoxid) Globol Insektizid; Textilmotten (Wirkstoff: 1,4-Dichlorbenzol) Eulan Insektizid; Bekämpfung (versch. Wirkstoffe) von Schadinsekten an Textilien, Teppichen Tillantin R Vorratsschutz (Wirkstoff: Nitrophenolquecksilber) Flit Insektizid; (Wirkstoff: DDT) Bekämpfung von Schadinsekten an Textilien, Fellen, Federn

97

Murray 1877; Rathgen 1908

Murray 1877

Unger et al. 2001

Pfister 2008

Sirois et al. 2010; GESTIS-Stoffdatenbank 2017

Schwartz 1925

Unger et al. 2001 Eichengrün 1906

Agfa Geschäftsbericht 1914; Odegaard et al. 2005 Unger 2012

Taeger 1941

Wilhelmi und Kunike 1927

98

1923

1923

1924 1926

1930

Konservierung von Kulturgut aus organischen Materialien

Xylamon (Wirkstoffe: Chlornaphthaline) Xylamon-LX Hell (Wirkstoffe: Chlornaphthaline) Paraffin Eryl (Wirkstoff: unbekannt) T-Gas (Wirkstoff: Ethylenoxid)

Holzschutzmittel

Unger et al. 2001

Holzschutzmittel

Unger et al. 2001

Konservierung von geUnger et al. 2001 schädigten Holzobjekten Vorratsschutz; Bekämp- Kleine 1926 fung des Kornkäfers Kalthoff und Werner 1998

Wohnraumbegasung; Bekämpfung von Bakterien, Kleinstlebewesen, Nagetieren

Tabelle 4: Typologische Erfassung von Rezepturen von Apothekern und Ärzten

Anorganische und organische Substanzen Chronologie Wirkstoff Verwendung Trockenpräparation von 1742 Arsenikseife (Wirkstoffe: Arsenige Säure, Tierbälgen und ethnoArsen(III)-oxid, Cam- grafischen Objekten pher, Seife, Kaliumcarbonat und Kalkpulver) Konservierung von 1786 Fowlersche Lösung (Wirkstoff: Kaliumar- Tierbälgen senit) ca. 1900 Antisekt (Wirkstoff: Insektizid für Objekte unbekannt) aus organischen Materialien ca. 1900 Natrium arsenicosum Insektizid für Objekte (Natriumarsenat) aus organischen Materialien

Quelle Rookmaaker et al. 2006

Neumüller 1973

Germann 1933

von Luschan 1904; SMB-PK, EM, I/MV 730, Vol. 30, Pars I. B., E. Nr. 578/04.

Typologische Erfassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln

99

Tabelle 5: Typologische Erfassung von Rezepturen von Einzelpersonen

Anorganische und organische Substanzen Chronologie Wirkstoff ca. 1800 Senfpflaster

1840

ca. 1850

ca. 1850

1875

ca. 1900

ca. 1900

Verwendung Quelle Haus- und Heilmittel Pierer 1857–1865 gegen verschiedene Leiden Zacherlin Insektizid Sotriffer 1996; Unger (Wirkstoff: Pyrethrum) et al. 2001; Offenthaler 2013 Phosphorkleister Bekämpfung von Hertwig 1847; Meyers Nagetieren Konversationslexikon, 5. Aufl., 1896 Insektizid Lange 1923 Chinesische Mottentinktur (Wirkstoffe: Schale von rotem Pfeffer, Alkohol, Campher) Nasspräparation von Keil 1879 Wickersheimersche medizinischen PräLösung (Wirkstoffe: paraten, Tierbälgen, Wasser, Alaun, Salz, Pflanzen Salpeter, Kaliumcarbonat, arsenige Säure, Glycerin, Methylalkohol) Insektizid Arends et al. 1927 Mottenäther (Wirkstoffe: Campher, Naphthalin, Nelken- u. Lavendelöl) Arseniger Gelee Präparation pathoDelépine 1914 logischer Proben tierischer Organe

3 . SA M M E LN U N D B EWA H R E N I N B E R LI N E R MU SE E N I M V ER L AU F D E S 1 9. B I S ZUM B E G I N N DE S 2 0.  JA H R H U N DE RTS

Am Fallbeispiel des Ethnologischen Museums Berlin wird in diesem Kapitel dargestellt, wie die Sammlungen des Museums entstanden, unter welchen Bedingungen sie im Verlauf ihrer äußerst wechselvollen Geschichte im Untersuchungszeitraum räumlich und klimatisch aufbewahrt sowie personell betreut wurden. Der Zweite Weltkrieg und die daraus entstandenen Umstände und Schwierigkeiten für das Ethnologische Museum Berlin werden in dieser Untersuchung nicht berücksichtigt. Dieses historische Ereignis trug allerdings wesentlich dazu bei, dass heutige Untersuchungen in den Quellen des Ethnologischen Museums Berlin sowie im Zentralarchiv der Staatlichen Museen Berlins lückenhaft bleiben müssen, da viele originale Akten sowie Archivmaterial aus der Gründungszeit der Königlichen Museen zu Berlin und den Folgejahren in der Zeit zwischen 1939 und 1945 verloren gingen bzw. verbrannt sind. Ein Blick in die Sammlungsgeschichte des Museums zeigt gleich zu Beginn die oft widrigen Umstände und Bedingungen auf, unter denen Ethnografica im Rahmen von Forschungsreisen und Expeditionen in den Ursprungsländern gesammelt wurden. Dabei stellt sich unweigerlich auch die Frage, welche Gründe Forscher, Abenteurer und Händler bewegten, derartige Strapazen während ausgedehnter Reisen in zum Teil noch wenig erkundete Länder auf sich zu nehmen. Das Heranschaffen der vielen Objekte erforderte an seinem Zielstandort Berlin die Bereitstellung ausreichender finanzieller Mittel sowie genügend Personal, um die gesammelten Gegenstände lagern und präsentieren zu können. Ob dies realisiert werden konnte, wird ebenfalls Gegenstand der Untersuchung sein. Dabei treten die ehemaligen Mitarbeiter der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin sowie des ehemaligen Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin in den Vordergrund.1 Wer entschied darüber, welche Schädlingsbekämpfungsmittel zum Erhalt der meist aus organischen Materialien bestehenden Objekte eingesetzt werden sollten? Dies ist aus heutiger Sicht deswegen so interessant, da sich im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert der Berufsstand des Restaurators erst ausbildete. Allgemein wird in den Quellen vom Konservator gesprochen, die 1

Grabowski et al. 2010: Grabowski, Jörn; Winter, Petra; Ebelt, Beate; Pilgermann, Carolin (Hg.). Kunst recherchieren. 50 Jahre Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin. Staatliche Museen zu Berlin. Berlin: Deutscher Kunstverlag.

Die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin

101

damaligen Tätigkeitsmerkmale unterschieden sich aber an einigen Stellen dennoch deutlich von der heutigen Ausübung des Berufs. Konsequenterweise führten diese Untersuchungen auch zu der Frage, ob sich ehemalige Mitarbeiter des Museums für Völkerkunde in Berlin mit Kollegen aus anderen Einrichtungen ausgetauscht und so ihr Wissen auf nationaler und internationaler Ebene verbreitet haben. Dabei zeigte sich, dass für den Wissenstransfer neu aufkommende Fachzeitschriften eine erhebliche Rolle spielten. Inwieweit sich der historische Einsatz unterschiedlicher Wirkstoffe und Mittel auf die Präsentation, die Lagerung sowie die Restaurierung und Handhabung von Sammlungsgegenständen im Ethnologischen Museum ausgewirkt hat, wird abschließend diskutiert. Am Ende dieses Kapitels richtet sich der Blick von Berlin aus auf ausgewählte museale Sammlungen im In- und Ausland. Die damit verbundene Frage beschäftigt sich zunächst mit dem Umstand, ob es länderspezifische Schädlingsbekämpfungsmittel im untersuchten Zeitraum gab. Unweigerlich erhebt sich auch die Frage, ob es zum Erhalt der einzelnen Gegenstände objektive Grundlagen auf nationaler oder internationaler Ebene gab oder ob individuelle Vorgehensweisen ausschlaggebend für oder gegen den Einsatz einzelner Wirkstoffe und Mittel waren.

3.1 Die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin Die Sammlungen des Ethnologischen Museums haben ihren Ursprung in den Kurfürstlichen Wunderkammern des 17. Jahrhunderts, wo sie als einzelne exotische Gegenstände in die Kunstkammer des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm in sein damaliges Berliner Stadtschloss gelangten.2 Im weiteren Verlauf wurden ab 1859 im neu eröffneten Neuen Museum in Berlin erstmals ethnografische Sammlungen öffentlich ausgestellt.3 Bereits am 27. Dezember 1873 erteilte man die Genehmigung 2

3

Vgl. Westphal-Hellbusch, 1973, 6–8; Haas 2002: Haas, Richard. Brasilien an der Spree. Zweihundert Jahre ethnographische Sammlungen in Berlin. In: Deutsche am Amazonas – Forscher oder Abenteurer? Expeditionen in Brasilien 1800–1914, IX; Neue Folge 71, 2002, 16; Bolz 2001: Bolz, Peter. Ethnologisches Museum: Neuer Name mit traditionellen Wurzeln. Die Umbenennung des Berliner Museums für Völkerkunde. In: Baessler-Archiv. Beiträge zur Völkerkunde ausgegeben am 25. Februar 2003. Sonderdruck aus Bd. 49, 2001, 13–14; Bolz 2007: Bolz, Peter. From Ethnographic Curiosities to the Royal Museum of Ethnology. Early Ethnological Collections in Berlin. In: Adolf Bastian and his Universal Archive of Humanity. The Origins of German Anthropology, 174–183. Ledebur, Leopold, Freiherr von 1869: Ledebur, Leopold, Freiherr von. Aus der Ethnologischen Sammlung des Königlichen Museums zu Berlin. In: Zeitschrift für Ethnologie und ihre Hülfswissenschaften als Lehre vom Menschen in seinen Beziehungen zur Natur und zur Geschichte, Erster Jahrgang (III), 1869, 193–204.

102

Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

zum Bau eines eigenen Gebäudes für die völkerkundlichen Sammlungen, da die räumlichen Kapazitäten im Neuen Museum völlig erschöpft waren. Auch andere Magazine, Keller und Räume der Königlichen Museen waren bereits notdürftig mit völkerkundlichen Gegenständen belegt worden. Man drängte bereits 1885, also noch vor der Fertigstellung des Gebäudes in der Königgrätzer Straße darauf, dort Räume zur Aufnahme von ethnologischen Gegenständen freizugeben.4 Daraufhin ließ Adolf Bastian unverzüglich ethnologische Sammlungsgegenstände aus angemieteten Räumlichkeiten in der Dorotheenstraße 5 entfernen.5 Die feierliche Eröffnung des Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin fand ein Jahr später am 18. Dezember 1886 statt.6 Allerdings erstreckte sich die komplette Einrichtung der ethnologischen Ausstellungen über mehrere Jahre.7 Im neu errichteten Gebäude in der ehemaligen Königgrätzer Straße in Berlin-Mitte waren ursprünglich im Erdgeschoss des Gebäudes die Prähistorischen Sammlungen sowie die bedeutende HeinrichSchliemann-Sammlung untergebracht. Im ersten Stockwerk befanden sich die ethnologischen Sammlungen aus Afrika, Ozeanien und Amerika. Das zweite Stockwerk beherbergte die asiatischen Sammlungen.8 Zur Eröffnung des Museums äußert sich der Zeitzeuge Friedrich von Hellwald überschwänglich in einem Beitrag: Seitdem Berlin zur Metropole des Deutschen Reiches emporgestiegen, ist es nicht bloß Weltstadt, sondern auch ein Centrum der Wissenschaftspflege geworden.9

Damit habe Berlin „… einen Schritt, wie ihn unseres Wissens noch keine europäische Hauptstadt zu verzeichnen hat“, gemacht.10 Diese euphorischen Ausrufe Hellwalds entspringen vornehmlich seiner persönlichen Überzeugung. Die Errichtung 4

SMB-PK, EM. I/MV 0053, I c, Vol. 1, E. Nr. 105/85. Acta betreffend den Umzug und die Aufstellung der Sammlungen des Museums. Loseblattsammlung. Anonymus. Bericht vom 21.05.1885 über die Unterbringung von Sammlungsgut des Königlichen Museums für Völkerkunde vor Bezug in das neue Gebäude in der Königgrätzer Straße, 2 Seiten, je 1 Spalte, ohne Paginierung. 5 Ebd. E. Nr. 112/85. Bastian, Adolf. Brief vom 24.05.1885, 1 Seite, ohne Paginierung. 6 Vgl. Haas 2002, 17. 7 Anonymus 1888: Übersicht über die Amerikanischen Sammlungen des Königlichen Museums für Völkerkunde. Zusammengestellt für die 7. Tagung des internationalen Amerikanisten-Kongresses. Berlin. H. S. Hermann, 1. 8 Anonymus 1889: Übersichtlicher Abriß der Sammlungen im Königlichen Museum für Völkerkunde. Den Mitgliedern des Deutschen Geographentages in ihrer 8. Sitzung überreicht. Berlin, 15. 9 Hellwald 1887: Hellwald, Friedrich von. Das Berliner Museum für Völkerkunde. In: Vom Fels zum Meer, 1887, (2), 101. 10 Ebd., 101.

Die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin

103

Abb. 4: Königliches Museum für Völkerkunde Königgrätzer Straße 120, Berlin-Mitte, 1886.

eines eigenen Gebäudes mit Sammlungsgegenständen von außereuropäischen Kulturen und die damit verbundene Eröffnung des damaligen Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin wird von ihm sehr empathisch als großer Meilenstein in der kulturellen Landschaft bewertet. Kaum dreißig Jahre später entstanden durch den Ersten Weltkrieg erhebliche Konsequenzen für die Königlichen Museen zu Berlin. Am 2. August 1914 wurden alle Museen sofort geschlossen. Zu diesem Zeitpunkt befürchtete man weniger die drohende Gefahr eines Luftangriffes, sondern man sah sich durch den Umstand, dass zahlreiche Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen wurden, zu diesem Schritt ad hoc gezwungen. Nur einundeinhalb Wochen später wurden die Museen am 12. August 1914 mit deutlichen Einschränkungen wieder geöffnet. Im Museum für Völkerkunde verteilte man die verbliebenen Aufseher über die Säle und schloss ganze Ausstellungebereiche.11 In dieser Zeit wurde das Museum aufgefordert, Metallgegenstände „zum Zwecke der Landesverteidigung“ abzugeben, so dass zwei kupferne Konservierungskessel, ein weiterer kupferner Kessel und sechs Ofentüren bis Januar

11

Vgl. Winter und Grabowski 2014, 9–10.

104

Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

1916 für einen Gegenwert von 23,08 Mark bei einer Metallsammelstelle abgegeben werden mussten.12 Mit dem Ende der Monarchie in Deutschland im Jahr 1918 änderte sich auch das staatliche Selbstverständnis, was für die Königlichen Museen zu Berlin sowie für zahlreiche andere Institutionen Namensänderungen zur Folge hatte. Das Königliche Museum für Völkerkunde wurde in Staatliches Museum für Völkerkunde13 und später im Jahr 2000 in Ethnologisches Museum umbenannt.14 Der bereits erwähnte herannahende Verlust deutscher Kolonien (siehe hierzu Kapitelabschnitt 1.6.2) beeinflusste ab dem Jahr 1876 mit dem Amtsantritt von Adolf Bastian, des ersten Direktors im Museum für Völkerkunde, die Sammeltätigkeit erheblich, so dass die Sammlungen binnen kurzer Zeit in ungewohnter Weise expandierten.15 Der Erhalt einer umfangreichen Sammlung wie die des Ethnologischen Museums in Berlin brachte zahlreiche Probleme mit sich. Sehr bald nahmen die Bekämpfung von Materialschädlingen und der vorbeugende Schutz gegen sie einen großen Stellenwert ein. Aber man verfügte weder über spezialisierte Einrichtungen zur Erforschung von Mitteln und Methoden des Material- und Objektschutzes noch über eigene Spezialisten auf diesem Gebiet. Ausgehend von den Sammlungsgegenständen, die oft von materialspezifischen Schädlingen befallen wurden, konnten die Objekte nicht mit beliebigen, wenn auch wirksamen Mitteln behandelt werden. Daher lag es nahe, sich ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert auch an den wissenschaftlichen Ergebnissen des Vorrats- und Pflanzenschutzes zu orientieren (siehe hierzu die Kapitel 1.6.6 und 1.6.7). Durch welchen Personenkreis und auf welchen Wegen Objekte nach Berlin gelangten, ist Gegenstand der folgenden Untersuchungen, die sich vornehmlich auf das Ende des 19. und beginnende 20. Jahrhundert beziehen. Dafür wurden beispielhaft solche Personen bzw. Einrichtungen ausgewählt, die entweder im Auftrag des Ethnologischen Museums Berlin oder aus eigenem Interesse insbesondere Material für die Amerikanischen Sammlungen lieferten und es dem Museum anboten. Ebenso werden die Konsequenzen und Schwierigkeiten im Umgang mit den Sammlungsgegenständen während ihrer Lagerung und Betreuung durch Museumsmitarbeiter eingehend diskutiert.

12 13 14 15

Ebd., 30. Ebd., 49–50. Vgl. Bolz 2001, 11–12. Vgl. Bolz 2007, 185–188.

Die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin

105

3.1.1 Forschungs- und Expeditionsreisen

Durch die frühen Forschungsreisen von James Cook zwischen 1768 bis 1780, wobei ihn auf seiner zweiten Reise Georg Forster begleitete, kamen Sammlungsgegenstände aus Nordamerika und Alaska nach Berlin in die Kurfürstlichen Kunstkammern bzw. in die Königlichen Kunstsammlungen.16 Auch gilt es als gesichert, dass die Südamerikareise von Alexander von Humboldt in der Zeit von 1799 bis 1804 den Ausschlag für ein großes wissenschaftliches Interesse an der Erforschung Amerikas sowie weiterer Kontinente geweckt hatte.17 So wurde das königlich preußische Seehandlungsschiff „Prinzess Louise“ auch dafür genutzt, von mehreren Reisen zwischen 1829 bis 1837 Gegenstände aus Alaska sowie aus Nordamerika mitzubringen.18 Als Nebenprodukt naturkundlicher Forschungsreisen erweiterten sich die Berliner ethnologischen Sammlungen schon in den Jahren 1800 bis 1831. Eine zentrale Rolle spielte dabei der Naturforscher Graf Johann Centurius von Hoffmannsegg. Durch seine finanzielle Unabhängigkeit konnte er direkt nach dem Studium der Naturwissenschaften und Geschichte seinen naturkundlichen Interessen nachgehen.19 In seinem Auftrag sammelten in Brasilien sein Kammerdiener Friedrich Wilhelm Sieber, der Botaniker Friedrich Sellow sowie der damalige preußische Diplomat Ignaz Maria von Olfers.20 Im Jahr 1815 lernten sich der Botaniker Friedrich Sellow, der Zoologe Georg Wilhelm Freyreiss und der Prinz Maximilian zu Wied bei dem in russischen Diensten stehenden Freiherrn Georg Heinrich von Langsdorff in Rio de Janeiro kennen. Sie brachen im selben Jahr gemeinsam zu einer Forschungsreise an die bis dahin wenig bekannte Ostküste Brasiliens auf, wodurch weitere Sammlungsgegenstände in das Berliner Museum kamen.21 Mit dem Arzt und Psychiater Adolf Bastian begann eine neue Ära des Sammelns von Ethnografica. Gemeinsam mit Rudolf Virchow griff er ein wachsendes Interesse von Bildungsbürgern an fremden Kulturen auf und gründete mit ihm im Jahr 1869

16 Vgl. von Ledebur, Leopold, Freiherr von 1869, 203–204. 17 Beck 1985: Beck, Hanno. Alexander von Humboldts Amerikanische Reise. Stuttgart: Thienemann Ed. Erdmann (Alte abenteuerliche Reiseberichte) 300–304; vgl. Hermannstädter 2002, 26. 18 Vgl. von Ledebur, Leopold, Freiherr von 1869, 197–198, 202; Meyen 1834: Meyen, Franz Julius Ferdinand. Reise um die Erde. Ausgeführt auf dem königlich preussischen Seehandlungs-Schiffe Prinzess Louise, commandirt von Capitain W. Wendt, in den Jahren 1830, 1831 und 1832. Theil 1: Historischer Bericht. Berlin in der Sanderschen Buchhandlung. C. W. Eichhoff, 1–493. 19 Vgl. Hermannstädter 2002, 27. 20 Ebd., 26–27. 21 Ebd., 31–34.

106

Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte.22 Auf sie wird die Anerkennung der Ethnologie als eigenständiges Fachgebiet innerhalb der Wissenschaften zurückgeführt. Weitere Gründungsmitglieder waren Leopold Freiherr von Ledebur23 und Albert Voß.24 Gemeinsam vertraten sie einen interdisziplinären wissenschaftlichen Ansatz, worin die Ethnologie als Lehre der Menschen betrachtet wurde, die in Beziehung zur Natur und zur Geschichte standen.25 In der Zeit von 1850 bis 1903 unternahm Adolf Bastian insgesamt neun weltumspannende Forschungsreisen, von denen er zahlreiche Gegenstände mitbrachte. Ausgehend von diesen Reisen verbreitete er seine Lehren über außereuropäische Völker, lehrte als Privatdozent sowie ab dem Jahr 1868 als außerordentlicher Professor für Ethnologie in Berlin und etablierte so die Ethnologie als geisteswissenschaftliche Fachdisziplin im universitären Bereich.26 Ein durch den Kronprinzen Friedrich Wilhelm27 großzügig ausgestatteter Erwerbungsetat sowie private Geldzuwendungen ermöglichten Adolf Bastian große Mengen an Ethnografica in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts anzukaufen.28 Als Reisender, Gelehrter und Museumsfachmann war er in seiner Zeit global vernetzt und suchte stetig in seinem Umfeld nach Personen, die er für die Sache begeistern konnte. So brachte ein zufälliges Treffen zwischen ihm und Karl von den Steinen für Letzteren eine Kehrtwende in seiner beruflichen Laufbahn, die er wie folgt beschreibt: Ich wäre einen völlig anderen Lebensweg gegangen, wenn ich nicht eines Tages – es sind nun gerade 25 Jahre – im Fremdenbuch des Hotels von Honolulu den 22 Ebd., 44–45. 23 Leopold Freiherr von Ledebur, geb. 1799, gest. 1877, war Direktor der Ethnografischen Sammlung und Direktor im Museum Vaterländischer Altertümer der Königlichen Museen zu Berlin von 1829–1873. 24 Albert Voß, geb. 1837, gest. 1906, war Mediziner und ein Schüler von Rudolf Virchow. Durch dessen Vermittlung wurde Voß im Jahr 1874 zunächst wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der nordischen Sammlungen und danach von 1886–1906 Leiter der Vorgeschichtlichen Abteilung des Königlichen Museums für Völkerkunde (siehe auch Kapitel 5.7). Der Begriff des wissenschaftlichen Hilfsarbeiters entspricht dem heutigen Terminus des wissenschaftlichen Mitarbeiters (Anm. d. Verf.). 25 Junker 2004/2005: Junker, Horst. Zur Dokumentation archäologischer Sammlungen und Archivierung von Quellenmaterial am Museum für Vor- und Frühgeschichte. In: Das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte. Festschrift zum 175-jährigen Bestehen, 2004/2005, 36/37, 425. 26 Vgl. Fischer et al. 2007, 297. 27 Der Kronprinz Friedrich Wilhelm wurde durch den Tod seines Vaters Wilhelm I. am 9. März bis zu seinem Tod am 15. Juni 1888 deutscher Kaiser und erhielt dadurch den Beinamen „99-Tage-Kaiser“. 28 Vgl. Hermannstädter 2002, 47–48.

Die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin

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Namen „Dr. Bastian-Berlin“ gelesen hätte. – Er eroberte den Menschen sofort, indem er ihm hohe, seltene Aufgaben stellte, und zwar mit einem Vertrauen, einer Zuversicht, daß man sich förmlich selbst wachsen fühlte. Das Geheimnis seiner erstaunlichen, suggestiven Kraft war kein anderes, als daß er immer nur an die besten Instinkte appellierte und selbst keine anderen besaß.29

Als junger Arzt wechselte er fortan in das Fach der Ethnologie und begann für das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin Ethnografica zu sammeln. Insgesamt nahm er in den Jahren von 1882 bis 1888 an drei umfangreichen sowie aufwändig organisierten Expeditionsreisen teil und war dadurch maßgeblich an der Erforschung des Rio Xingú in Zentralbrasilien beteiligt.30 Theodor Koch-Grünberg, ein Lehrer aus dem hessischen Grünberg, interessierte sich bereits während seines Schuldienstes für die wissenschaftliche Literatur über südamerikanische Indianer. Vermutlich wurde über seinen Geografieprofessor Wilhelm Sievers der Kontakt zu Herrmann Meyer aus Leipzig31 hergestellt, der ihn im Jahr 1899 als Fotograf und wissenschaftlichen Begleiter zu einer Forschungsreise an den Rio Xingú mitnahm. Er folgte damit Karl von den Steinen in der sich neu entwickelnden Ethnologie zur Erforschung von indigenen Völkern und unternahm insgesamt drei große Expeditionen am Amazonas. Zurückgekehrt kündigte Theodor Koch-Grünberg im Jahr 1901 seinen Schuldienst und wurde mit Unterstützung von Adolf Bastian und Karl von den Steinen zunächst als Volontär und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin bis in das Jahr 1909 beschäftigt. Von seiner Forschungsreise im Jahr 1903 in das Amazonasgebiet zum Rio Negro brachte er 1300 Gegenstände und ca. 1000 Fotografien für die Amerikanischen Sammlungen des Königlichen Museums für Völkerkunde mit. Diese Reise brachte ihm nicht nur wissenschaftlichen Ruhm, sondern auch den Ruf des Indianerfreundes ein. In den Jahren 1911 bis 1913 bereiste er den Orinoko. Auf seiner letzten Forschungsreise verstarb Theodor Koch-Grünberg am 8. Oktober 1924 in Vista Alegre am Rio Branco an den Folgen der Malaria. Er hinterließ dem Berliner Museum für Völkerkunde eine umfangreiche Sammlung und Fotografien aus dem Tiefland Amazoniens sowie zahl-

29 Steinen von den 1905: von den Steinen, Karl. Gedächtnisfeier für Adolf Bastian. Am 11. März 1905. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, Sonderabdruck, 1905, (3), 168. 30 Ebd., 67–86; Kraus 2004a: Kraus, Michael. Bildungsbürger im Urwald. Die deutsche ethnologische Amazonienforschung (1884–1929). Marburg/Lahn: Curupira (Reihe Curupira, Bd. 19), 30–32. 31 Herrmann August Heinrich Meyer, geb. 11.01.1871, gest. 17.03.1932, war ein deutscher Verleger, Geograf und Forschungsreisender.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

reiche Publikationen.32 Ebenso bedeutend bis in die heutige Zeit ist die im Auftrag des Königlichen Museums für Völkerkunde finanzierte Expedition, durchgeführt von Wilhelm Kissenberth. Der promovierte Literaturwissenschaftler wurde ab dem Jahr 1907 als Volontär in der Amerika-Abteilung des Königlichen Museums für Völkerkunde angestellt und brachte in der Zeit von 1908 bis 1910 vom Rio Araguaya in Brasilien 1164 Objekte und ca. 300 Fotografien mit.33 Die Gründe, sich auf Forschungs- oder Expeditionsreisen zu begeben, mögen individuell betrachtet sehr vielschichtig gewesen sein. Die berufliche Vorbildung sowie die soziale Herkunft spielten dabei sicherlich eine große Rolle. Die hier beschriebenen Personen kamen allesamt aus dem damaligen Bildungsbürgertum und waren hinsichtlich ihrer beruflichen Tätigkeit hoch qualifiziert. Unter ihnen befanden sich Naturforscher, Botaniker, Zoologen, Mediziner, Psychiater, Lehrer oder auch Literaturwissenschaftler. Ihre Sammlungstätigkeit und Erfahrungen im Ausland veranlasste viele dieser Akademiker nach ihrer Ausbildung in das noch junge Gebiet der Ethnologie zu wechseln (siehe Kapitel 5.7). Dieser Kreis erweiterte sich um Personen aus dem Adelsstand, da sie oftmals aufgrund ihrer Herkunft über eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit verfügten. Mitunter waren diese Adligen in diplomatischen Diensten, so dass Begegnungen von forschenden Bürgern und politischen Repräsentanten in Übersee nicht ungewöhnlich waren. Diese sozialen Strukturen waren demnach die Basis für berufliche Karrieren, wobei sich einzelne „Exoten“ eine herausragende Position innerhalb der damals bestehenden akademischen Landschaft erobern konnten.

3.1.2 Forscher und Abenteurer

Groß angelegte Expeditionen bzw. Forschungsreisen sind oftmals eng mit den Namen derjenigen verbunden, die dadurch Neuland betreten haben und in der Folge öffentliche Anerkennung und wissenschaftlichen Ruhm erlangten. Obwohl das Reisen in außereuropäische Länder im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert ungeheuer strapaziös war und sich über sehr lange Zeiträume erstreckte, zogen so bedeutende Namen wie James Cook oder Alexander von Humboldt auch weniger namhafte Personen an, sich als Forscher oder aus Lust am Abenteuer in wenig oder gar unbekannte Gebiete außerhalb Europas zu begeben. Unter ihnen fanden sich 32 Vgl. Hermannstädter 2002, 87–106; vgl. Kraus 2004a, 35–36; Kraus 2004b: Kraus, Michael (Hg.). Koch-Grünberg, Theodor. Die Xingu-Expedition (1898–1900). Ein Forschungstagebuch. Köln: Böhlau. 33 Vgl. Hermannstädter 2002, 106–131; vgl. Kraus 2004a, 40–42.

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beispielsweise Schausteller, Tierpräparatoren, Seeleute, Ärzte, Kaufleute sowie Politiker. Durch ihre ethnologischen, naturwissenschaftlichen oder rein merkantilen Interessen haben sie die Sammlungen des Berliner Völkerkundemuseums ab dem frühen 19. Jahrhundert mit aufgebaut. Der bereits erwähnte Ankaufsetat von Adolf Bastian führte dann zum Ende des 19. Jahrhunderts dazu, dass die Sammlungen des damaligen Königlichen Museums für Völkerkunde sehr umfangreich wurden. Diese These wird nachfolgend für die Amerikanischen Sammlungen beispielhaft an einzelnen Personen belegt. Ein großer Aufschwung begann für die Sammlungen der Königlichen Kunstkammer im Berliner Stadtschloss ab dem Jahr 1829 unter der wissenschaftlichen Leitung von Leopold Freiherr von Ledebur. In dieser Zeit gelangten in die nordamerikanischen Sammlungen Gegenstände des amerikanischen Kapitäns und Schaustellers Samuel Hadlock sowie von Ferdinand Deppe, der zunächst als Gärtner am Königlichen Hof arbeitete und später Tierpräparator wurde.34 Unter den Politikern und Diplomaten befand sich Friedrich Ludwig von Roenne, Preußischer Ministerpräsident und späterer Reichsgesandter bei den Vereinigten Staaten, welcher der Kunstkammer einige ethnografische Objekte schenkte. Der Preußische Konsul Hebenstreit schickte Sammlungsstücke nach Berlin und der in St. Louis tätige Arzt Georg Engelmann verkaufte ebenso Gegenstände aus Nordamerika an die Kunstkammer. Weiterhin ergänzt wurde die Sammlung durch einige Stücke von Frederick Röver, einem Kaufmann aus St. Louis.35 Weit vor seiner Zeit als zweiter Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin brachte Ignaz Maria von Olfers36 von seinen Amerikareisen als Diplomat und Gesandtschaftssekretär einige Ethnografica aus Nord- und Südamerika mit und übergab sie der Kunstkammer.37 Adolf Bastian, der Gründungsdirektor des Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin, verbrachte zwar viele Jahre auf Reisen, konnte sich aber dennoch zwischen 1880 und 1889 intensiv seinen direktoralen Aufgaben widmen.38 Ob Bastian Ethnologe, Forscher, Abenteurer oder gar nur ein beobachtender Reisender war, ist mittlerweile Gegenstand neuerer wissenschaftshistorischer Untersuchungen.39 34 Bolz 1999: Bolz, Peter. Entstehung und Geschichte der Berliner Nordamerika-Sammlung. In: Indianer Nordamerikas. Die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin, 1999, 26. 35 Ebd., 27–28. 36 Ignaz Maria von Olfers war von 1839 bis 1864 zweiter Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin (vgl. hierzu Grabowski et al. 2010, 167.). 37 Vgl. von Ledebur, Leopold, Freiherr von 1869, 194–200, 202–203. 38 Vgl. Hermannstädter 2002, 44–46. 39 Fiedermutz-Laun 2007: Fiedermutz-Laun, Annemarie. The Scientific Legacy of Adolf Bastian (1826–1905). Compilation, Evaluation and Significance of Knowledge about the

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

In dem hier vorliegenden Kontext sind allein sein damaliger, ungewöhnlich hoher Ankaufsetat und die Gelder privater Sponsoren von Bedeutung. Dadurch konnte er Kaufleute, Diplomaten, Reisende und anderweitig im Ausland ansässige Deutsche als Lieferanten für den Aufbau der ethnologischen Sammlungen in Berlin gewinnen. So sandte ein nicht näher benannter Herr Wilhelm Pietzker im Jahr 1880 dem Museum vom Rio Grande do Sul afrobrasilianische Kultgegenstände. Über den deutschen Generalkonsul Hermann Haupt in Rio de Janeiro gelangten im selben Jahr landestypische Fischfanggeräte zur Internationalen Fischerei-Ausstellung nach Berlin. Alle dort ausgestellten Stücke wurden nach Beendigung der Ausstellung dem Museum für Völkerkunde übergeben. Eine gezielte Ankaufspolitik begann bereits ab den 1870er Jahren, weshalb man reisende Laien mit Anleitungen zum Erwerb von Ethnografica ausstattete. Die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte verteilte gar Fragebögen mit Forschungsinstruktionen an deutsche, nach Übersee reisende Offiziere. Systematisch vermittelte der Botschafter in Argentinien, Baron Theodor von Holleben, geeignete Sammler vor Ort an Bastian. Unter ihnen war Richard Rohde, Sohn eines Wachtmeisters des litauischen Dragonerregiments. Von 1882 bis 1884 bereiste er im Auftrag des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin das Grenzgebiet zwischen Paraguay und Brasilien und sammelte dort hunderte von Objekten für das Berliner Museum.40 Zur Kerngruppe von Wissenschaftlern, die das Fach Völkerkunde in Deutschland aufgebaut und die wissenschaftlichen Forschungen in Amazonien begründet haben, zählen u.a. folgende Personen: Karl von den Steinen und Paul Ehrenreich, beide 1885 geboren und studierte Mediziner, haben sich durch Bastian sowie durch Virchow von der Ethnologie begeistern lassen. Paul Ehrenreich wandte sich darüber hinaus der physischen Anthropologie zu. Konrad Theodor Preuss trat als junger Historiker und Ethnologe in die Dienste des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin, wo er bis zu seiner Pensionierung blieb. Beginnend als wissenschaftlicher Assistent bekleidete er bis zum Ende seiner Dienstzeit im Jahr 1934 das Amt des Direktors der Amerikanischen Abteilung. In dieser Zeit brachten ihn insgesamt zwei große Forschungsreisen nach Mexiko und Kolumbien. Der aus einer protestantischen Pfarrersfamilie stammende Theodor Koch-Grünberg wechselte, wie bereits im vorangegangenen Kapitel 3.1.1 beschrieben, aus seinem Schuldienst in das Fach der Ethnologie. Sein Zeitgenosse Max Schmidt interessierte sich nach seiner Promotion als Jurist ebenfalls für die Ethnologie und begann seine Laufbahn als Volontär am Königlichen Museum für Völkerkunde in Berlin. Nach mehreren Forschungsreisen Life and Work of the Scholar. In: Adolf Bastian and his Universal Archive of Humanity. The Origins of German Anthropology, 2007, 55–74. 40 Vgl. Hermannstädter 2002, 47–53.

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quittierte er seinen Dienst am Berliner Museum und ließ sich im Jahr 1929 endgültig in Südamerika nieder.41 Als letzter wird Fritz Krause (1881–1960) zu diesem Personenkreis gezählt. Sein auf das Lehramt ausgerichteter akademischer Werdegang änderte sich bereits an der Leipziger Universität, wo er die Fächer Völkerkunde, Geografie und Geologie belegte. Im Jahr 1908 nahm er an einer Expedition nach Brasilien teil und wurde 1927 Direktor des Leipziger Völkerkundemuseums. Parallel dazu unterrichtete er das Fach Ethnologie an der Universität Leipzig.42 Herrmann Meyer (1871–1932), Wilhelm Kissenberth (1878–1944) und Felix Speiser (1880–1949) sind weitere Personen, die sich um die Amazonien-Forschung verdient gemacht haben. Obwohl alle drei über eine unterschiedliche akademische Ausbildung verfügten, unterscheiden sie sich von der erstgenannten Gruppe dadurch, dass sie entweder nicht für das Museum für Völkerkunde in Berlin gearbeitet haben oder nicht in der Lehre tätig waren. Durch die finanzielle Unabhängigkeit von Herrmann Meyer und Felix Speiser konnten beide ihre Forschungsreisen auf eigene Initiative und mit eigenen Geldmitteln durchführen.43 Mit Bastian begann der Aufbau des wissenschaftlichen Nachwuchses im Königlichen Museum für Völkerkunde. Junge Akademiker aus unterschiedlichen Fachdisziplinen widmeten sich ganz im Sinne Bastians nach ihrer Ausbildung mit viel Enthusiasmus der außereuropäischen Völkerkunde. Sie waren Pioniere in ihrer Zeit und mussten in der Regel als einzige Voraussetzung ein universitäres Studium aus einem anderen Fachgebiet mitbringen. Sie waren Mediziner, Juristen oder auch Historiker. Weitere Auswahlkriterien für eine Anstellung am Museum, die heute gute wissenschaftliche Praxis sind, waren in den Gründungsjahren der Ethnologie noch unbekannt. Anders verhielt es sich mit Personen, die für das Museum als Sammler aktiv waren. Sie waren durch ihre Herkunft sowie ihren gesellschaftlichen Stand sehr unterschiedlich geprägt. Ebenso wie bei den Forschungsreisen finden sich hier Adlige in diplomatischen Diensten, aber auch Verleger, Chemiker, Kapitäne, Kaufmänner und Schausteller. Auch handwerklich orientierte Personen wie Gärtner oder Tierpräparatoren zählten zu dem Kreis der Forscher und Abenteurer.

3.1.3 Händler für Ethnografica

Ebenso war es im untersuchten Zeitraum gängige Praxis, dass sich Reisende zu Händlern von Ethnografica für mehrere Museen und Einrichtungen entwickelten. 41 Vgl. Kraus 2004a, 36–37. 42 Ebd., 37–40. 43 Ebd., 40–46.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

So lieferte Richard Rohde (siehe hierzu auch Kapitel 3.1.2) nicht nur Material an das Berliner Völkerkundemuseum, sondern auch an den Hamburger Tierhändler Carl Hagenbeck.44 In einem weitaus größeren Stil wurden Museen von Im- und Exportfirmen Ethnografica aus fernen Kontinenten angeboten. Die bereits erwähnte Firma Scharf & Kayser aus Hamburg, die aus Übersee Coprah (Kopra),45 Baumwolle, Baumwollsaat, Kokosnüsse, Perlmuttschalen, Schildpatt und Wachs importierte, übersandte der Generalverwaltung der Königlichen Museen im August 1884 eine Liste mit diversen Ethnografica der Rapanui von den Osterinseln. Die angebotenen Gegenstände wie Fischernetze, hölzerne Idole, Nähnadeln aus Knochen oder Kopfbedeckungen stellten so eine zusätzliche Einnahmequelle für die hanseatische Handelsfirma dar.46 Die Wissenschaft der Ethnologie in Deutschland beruht nach Andrew Zimmermann, anders als in anderen Ländern, vornehmlich auf dem Sammeln von Objekten. Demnach bezeichneten Ethnologen die von ihnen zusammengetragenen Artefakte als … natürliche wissenschaftliche Präparate, die über das Grundwesen der menschlichen Natur Aufschluss geben.47

Es reisten weitaus weniger Ethnologen zur Erweiterung der Sammlungen in außereuropäische Länder, als dass Gegenstände von Händlern sowie von Beamten und Soldaten auf dem Postweg den Museen zugestellt wurden. Das Sammeln und Schenken von Ethnografica war unter diesen Berufsgruppen schon allein deshalb beliebt, da man nach Auftragserfüllung auf die Verleihung des Preußischen Roth Adler-Ordens oder den Königlichen Krone-Orden hoffen durfte.48 Der ursprünglich im Jahr 1705 vom Erbprinzen Georg Wilhelm von Brandenburg-Bayreuth ins Leben gerufene Roth Adler-Orden ging im Jahr 1791 an das Königreich Preußen über und war seitdem der zweithöchste Orden im preußischen Staat.49 Mit dem Sammeln von Gegenständen aus dem außereuropäischen Raum leistete man demzufolge einen 44 Vgl. Hermannstädter 2002, 47–55. 45 Coprah (Kopra) ist das Kernfleisch von Kokosnüssen, aus dem Kokosöl gewonnen wird. 46 SMB-PK, EM, I/MV 0611, Pars I B, Bd. 4, E. Nr. 2165/84. Loseblattsammlung. Acta betreffend die Erwerbung ethnologischer Gegenstände aus Australien. Scharf & Kayser. 1 Liste aus dem Jahr 1884, Blatt 1–2, 4 Seiten. 47 Vgl. Zimmermann 2013, 247–258. 48 Ebd., 253. 49 Hoeftmann 1868: Hoeftmann, Friedrich Wilhelm. Der Preußische Ordens-Herold. Zusammenstellung sämmtlicher Urkunden, Statuten und Verordnungen über die Preußischen Orden und Ehrenzeichen. Berlin: Königliche Buchhandlung von Mittler & Sohn, 37–39.

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gesamtgesellschaftlichen Beitrag, den man zusätzlich durch einen Orden öffentlich zeigen durfte.

3.1.4 Klimatische Bedingungen und Schädlingsbefall in den Ursprungsländern

Das extreme tropische Klima in vielen außereuropäischen Ländern stellte Forscher, Abenteurer und Sammler von Ethnografica gleichermaßen vor große Herausforderungen. Die hohen Temperaturen bei gleichzeitig hoher Luftfeuchtigkeit erschwerten das Leben, das Sammeln sowie das Verpacken und das Transportieren der oftmals unter großen Mühen zusammengetragenen Gegenstände um ein Vielfaches. Nicht selten brachten sie den Einzelnen bis an den Rand seiner physischen und psychischen Erschöpfung. Aber auch die Gegenstände selbst, gefertigt aus Holz, Pflanzenfasern, Haut, Leder, Fell und Federn, waren durch extreme klimatische Bedingungen sowie durch zahlreiche Schadinsekten bereits in ihren Ursprungsländern bedroht.

Abb. 5: „Vier meiner Träger“. Koch-Grünberg, Theodor, 1917. Vom Roroima zum Orinoco.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Hier erstellte Georg Neumayer50 mit der von ihm im Jahr 1875 herausgegebenen Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen eine wertvolle Grundlage für Reisende im außereuropäischen Ausland.51 Sein Manual bot damaligen Wissenschaftlern während ihrer Feldforschungen eine solide Grundlage, um sich in unbekannten Gegenden und auf unbekannten Fachgebieten zu orientieren. Nachdem das Wissen über damals erforschte Kontinente wiedergegeben wird, wird in einzelnen Kapiteln der damalige Stand der Technik zur Astronomie, der Geografie, der Meereskunde, der Topografie, der Meteorologie sowie der Geologie dargestellt.52 Am Ende der Monografie widmen sich mehrere Autoren sehr ausführlich dem Sammeln von Pflanzen, Reptilien, Fischen, wirbellosen Seetieren, Gliedertieren, Vögeln und Säugetieren in außereuropäischen Ländern.53 Die Behandlung getrockneter Pflanzen sowie toter Tiere wird detailliert unter Einbeziehung der notwendigen Gerätschaften und Mittel zur Konservierung beschrieben.54 Damit sollte auf der theoretischen Ebene gewährleistet werden, dass gesammelte Gegenstände unversehrt an ihre neuen Standorte transportiert wurden.55 Gleichzeitig wird deutlich, dass es zu Neumayers Zeit bereits ein Bewusstsein dafür gab, dass die Behandlung von Pflanzen und Tieren als Belegexemplare für museale Sammlungen ein Spezialwissen erforderte. Ein weiteres wichtiges Handbuch war das im Jahr 1888 von Albert Voß verfasste Merkbuch, Alterthümer aufzugraben und aufzubewahren.56 Dieses vom Preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten initiierte und herausgegebene Manual wurde zusammen mit einem Fragebogen im Anhang an Museen, 50

Georg Balthasar Neumayer (geb. 21. Juni 1826 in Kirchheimbolanden, gest. 24. Mai 1909 in Neustadt an der Haardt) war ein bayerisch-pfälzischer Geophysiker und Polarforscher. 51 Neumayer und Ascherson 1875: Neumayer, Georg von; Ascherson, Paul. Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen. Mit besonderer Rücksicht auf die Bedürfnisse der kaiserlichen Marine. Berlin: Verlag von Robert Oppenheim. Online verfügbar unter http://data.onb.ac.at/ABO/%2BZ102227706 (Zugriff: 27.10.2021). 52 Ebd., 1–332. 53 Ebd., 384–515. 54 Zur Konservierung wurden vorgeschlagen: Äther (Ether), arsenigsaures Natron (Natriumarsenat), Arsenikseife, Alaun, Carbolsäure (Phenol), Cyankali (Kaliumcyanid), doppeltchromsaures Kalium (Kaliumdichromat), Glycerin (Propan-1,2,3-triol), Naphthalin, Nikotin, Osmiumsäure, Petroleum, Schwefeläther (Diethylether), Sublimat (Quecksilber(II)-chlorid), Spiritus (Ethanol) und Weingeist (Ethanol). Als Repellentien wurden vorgeschlagen: Campher, Cajeputöl, Carbolsäure (Phenol), gestoßener Pfeffer und Rosmarinöl. 55 Vgl. Neumayer und Ascherson 1875, 333–515. 56 Voß 1888: Voß, Albert. Merkbuch, Alterthümer auszugraben und aufzubewahren. Eine Anleitung für das Verfahren bei Ausgrabungen, sowie zum Konservieren vor- und frühgeschichtlicher Alterthümer. Unter Mitarbeit von Gustav von Gossler (Hg.). Berlin: Ernst Siegfried Mittler und Sohn.

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Privatsammler, Bibliotheken, Pfarrer, Lehrer, Bürgermeister und Verwaltungsbehörden versandt.57 Dadurch fand es eine weite Verbreitung und war in aller Munde. Ursprünglich für Ausgrabungen geschrieben, fasste das Handbuch den damaligen Stand der Restaurierungstechnik vorbildlich zusammen. Es war ein praktischer Begleiter während archäologischer Grabungen sowie eine Anleitung für die Konservierung von Funden und gesammelten Gegenständen in außereuropäischen Ländern. Sein taschenhandliches Format entsprach einem Do-it-yourself-Handbuch für den Praktiker vor Ort und fand viel Anerkennung bei Anthropologen, Urgeschichtlern sowie bei Ethnologen.58 Wie oft und ausgiebig Forscher, Sammler und Abenteurer zum Schutz der gesammelten Gegenstände zu Mitteln aus ihren eigenen Reiseapotheken griffen, kann hier nur ansatzweise diskutiert werden. Deshalb wird der verzweifelten Äußerung von Wilhelm Kissenberth (siehe hierzu Kapitel 3.1.2), der sich um den Erhalt künftiger Museumsobjekte aus organischen Materialien Sorgen machte, ein großer Stellenwert zugemessen. In einem Brief an Eduard Seler schreibt er: Es ist eine grässliche Zeit, in der alles schimmelt, die Kisten von Kakerlaken wimmeln, Naphthalin, Pfeffer, Zacherlin ignorierend. Ich hoff nur sehnlichst, dass, was ich mit Fleiss und Sorgfalt gesammelt habe, auch einigermaßen wohlbehalten nach Berlin gelangt. Wie sich der Transport meiner Sammlung in Zukunft gestalten wird, das ist mir vorläufig noch völlig unklar.59

3.1.5 Die Lagerungsbedingungen des Königlichen Museums für Völkerkunde am Standort Königgrätzer Straße und in Berlin-Dahlem

Der massenhafte Transport von Gegenständen aus außereuropäischen Ländern in die Metropole Berlin erscheint aus heutiger Sicht wenig geplant gewesen zu sein. Inhaltlich gab es im Königlichen Museum für Völkerkunde in der Königgrätzer Straße keine Trennung von Schausammlungen und Magazinen, so dass alle Gegenstände in den Sälen in eisernen Schränken ausgestellt bzw. frei präsentiert wurden. Durch den unter Adolf Bastian drastisch angestiegenen Umfang der Sammlungen 57 Born et al. 2004/2005: Born, Hermann; Hausdörfer, Ute; Thieme, Franziska. Die Restaurierungswerkstätten. In: Das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte; Festschrift zum 175-jährigen Bestehen, (36/37), 487. 58 Lissauer 1906: Lissauer 1906, Abraham. Sitzung vom 21. Juli 1906. In: Zeitschrift für Ethnologie und der Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, 1906, (38), (IV und V), 761–762. 59 Vgl. Kraus 2004a, 171–172.

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hatten die Räumlichkeiten sehr bald eine „ins Bizarre gehende Überfüllung“ erlangt.60 So sah sich von Luschan im Jahr 1904 nicht mehr in der Lage, die von dem Hamburger Stabsarzt Fülleborn (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) angebotenen Gegenstände aus Afrika im Königlichen Museum für Völkerkunde unterzubringen. Sogar die Kellerräume waren dort dermaßen überfüllt, dass seitens der Regierung angeboten wurde, einen Schuppen in Berlin-Dahlem bis Jahresende 1904 zur Unterbringung weiterer ethnografischer Gegenstände errichten zu lassen.61 Im Herbst 1905 war der Schuppen dann fertiggestellt, so dass im Jahr 1906 Sammlungsgegenstände aus der Königgrätzer Straße dorthin verlagert werden konnten. Der Schuppen war kostengünstig gebaut, verursachte aber von Anbeginn erhebliche Schäden an den Objekten, was von Luschan dazu veranlasste, Objekte wieder in das Königliche Museum für Völkerkunde zurückzuschaffen. Erst nach einer Sanierung des Schuppens war dieser dann zeitweise als Magazin für Sammlungsgegenstände nutzbringend.62 Dennoch waren die beengten Lagerungsverhältnisse damit nicht behoben. Auch die Medien berichteten noch im Jahr 1909 von einem völlig überfüllten Gebäude, „das mit seinen vollgepfropften Schränken mehr einem Trödelladen als einer wissenschaftlichen Sammlung“ gleichkäme.63 In Berlin-Dahlem sollte im Jahr 1914 mit einem Neubau für die Asiatischen Museen, die asiatischen Abteilungen des Königlichen Museums für Völkerkunde sowie für die Islamische und Ostasiatische Abteilung begonnen werden. Nach einem kurzfristig erreichten Aufschub eines totalen Baustopps durch von Bode64 musste der Bau in Berlin-Dahlem im November 1916 in Ermangelung von Arbeitskräften eingestellt werden. Das Ende des Ersten Weltkrieges und die neuen politischen Verhältnisse führten schließlich zu der Entscheidung, dass der Dahlemer Bau nur notdürftig als Magazinbau fertiggestellt wurde und damit die erste Trennung von Schausammlungen und den zu lagernden Objekten erfolgte.65 Das Magazingebäude am neuen Standort besaß bei Bezug keine Heizung und war als reine Studiensammlung konzipiert und eingerichtet.66 Der Umzug der Sammlungsobjekte, die nicht mehr für die Schausammlungen in der Königgrätzer Straße bestimmt waren, begann im Jahr 1923 und erstreckte sich über einen längeren 60 Vgl. Westphal-Hellbusch, 1973, 15. 61 SMB-PK, EM. I/MV 730, Pars I B 30, zu E. Nr. 203/04. Acta betreffend die Erwerbung ethnologischer Gegenstände aus Afrika. Loseblattsammlung. Luschan von, Felix. Brief an den Stabsarzt Herrn Fülleborn vom 13.02.1904, Blatt 79, 1 Seite. 62 Vgl. Westphal-Hellbusch 1973, 29. 63 Viktor 1909: Viktor, Adolf. Tausend Topfscherben. In: Berliner Tagblatt vom 21.09.1909. 64 siehe zur Person Wilhelm von Bodes Kapitelabschnitt 1.5.1. 65 Vgl. Westphal-Hellbusch 1973, 20–34. 66 Ebd., 17.

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Zeitraum.67 Im Mai 1925 besuchte ein Sachbearbeiter des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung das neu gebaute Magazingebäude in Berlin-Dahlem. Danach erstattete er seinem Vorgesetzten einen Bericht über Kisten und Packmaterial, welches er in unmittelbarer Nähe der Magazinräume vorgefunden hatte. Die Generaldirektion der Staatlichen Museen wurde daraufhin angewiesen, „schleunig dafür Sorge zu tragen“, dass das Packmaterial im Untergeschoss des Gebäudes untergebracht werde, um eine Übertragung von Ungeziefer durch infiziertes Verpackungsmaterial auf Sammlungsgegenstände zu vermeiden.68 August Eichhorn, Leiter der Ozeanischen Abteilung,69 wandte sich verzweifelt an die Generaldirektion, damit diese dafür Sorge trage, einen eisernen Schrank in Berlin-Dahlem aufstellen zu lassen. Dieser befand sich zerlegt seit geraumer Zeit vor Ort und war für mit Motten befallene Textilien vorgesehen. Gleichzeitig lehnte Eichhorn strikt jede weitere Verantwortung für die ihm anvertrauten Sammlungsgegenstände ab, wenn hier nicht umgehend Abhilfe geschaffen würde. Sein Appell zeigte Wirkung und führte dazu, dass der Schrank binnen zehn Tagen von dem Schlosser Kurzhals aufgestellt wurde.70 August Eichhorn wies auch darauf hin, dass eine effiziente Lagerhaltung im neuen Magazin nicht möglich sei, da beispielsweise für das Rangieren mit langen Kisten die Türdurchgänge zu schmal waren, wofür man mehr Arbeitskräfte und in der Folge eine höhere Lohnsumme benötigen würde.71 Das Anwachsen der Sammlungen erfolgte also in einer relativ kurzen Zeitspanne unter meist improvisierten Verhältnissen. Auch die damaligen Mitarbeiter, deren Aufgabe darin bestand, diese Massen an Gegenständen in Empfang zu nehmen und konservatorisch zu betreuen, erscheinen aus heutiger Sicht eher als Pioniere auf dem Gebiet der Konservierung von Ethnografica. Sie brachten zur Ausübung ihrer Tätigkeiten die unterschiedlichsten beruflichen Vorbildungen mit.

67 Ebd., 32. 68 SMB-PK, EM. I/MV 0015, Bd. 1, Pars I 3, E. Nr. 550/25. Akte betreffend Umzug und Aufstellung der Sammlungen im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin. Loseblattsammlung. Besuch im Magazingebäude in Berlin-Dahlem. Nentwig, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Bericht vom Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 20.05.1925, 1 Seite, ohne Paginierung. 69 Vgl. Grabowski et al. 2010, 155. 70 SMB-PK, EM. I/MV 0015, Bd. 1, Pars I 3. E. Nr. 600/25. Aufstellung eines Schrankes in der ozeanischen Abteilung. Eichhorn, August. Bericht vom 02.06.1925, 1 Seite, ohne Paginierung. 71 Ebd. E. Nr. 550/25. Eichhorn, August. Kostensteigerung durch ineffiziente Lagerung in der Ozeanischen Abteilung. Bericht an den Umzugskommissar Schachtzabel vom 28.05.1925, 3 Seiten, ohne Paginierung.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

3.1.6 Mitarbeiter des Königlichen Museums für Völkerkunde mit konservatorischen und restauratorischen Aufgaben

Die Königlichen Museen zu Berlin beschäftigten ab dem 1. April 1884 den technischnaturwissenschaftlich vorgebildeten Architekten und Chemiker Wilhelm Eduard Julius Krause (geb. im Jahr 1847 – gest. 30.10.1917) als ersten Konservator72 am Königlichen Museum für Völkerkunde.73 Schon im Jahr 1873 war er in Berührung mit Virchow und Voß gekommen, auf deren Betreiben er bereits im Jahr 1879 in der ethnologischen und nordischen Abteilung des Neuen Museums der Königlichen Museen zu Berlin eine Anstellung gefunden hatte.74 Mit den folgenden Untersuchungen über seine Person wird diskutiert, welche Rolle er für die Konservierungsund Restaurierungsgeschichte des heutigen Ethnologischen Museums einnahm. Bis zum Ende seiner Dienstzeit widmete er sich Aufgabenfeldern, die mittlerweile dem Arbeitsfeld von Kuratoren oder Sammlungsleitern zugeordnet werden. So wurde er im März 1885 von Bastian nicht nur gebeten, die Sammlung des Rechtsanwalts Gühler (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) zu begutachten, sondern auch die Auswahl relevanter Stücke für das Museum vorzunehmen.75 Als Restaurator war er für den gesamten Bestand des Museums zuständig und befasste sich gleichermaßen mit der Konservierung und Restaurierung von Gegenständen aus anorganischen wie organischen Materialien. 1887 wurde Krause auf eine Dienstreise nach Mainz und Worms geschickt, um dort die Methoden der Konservierung und Restaurierung anderer Museen zu studieren.76 Dafür wurden Mittel aus dem Umzug des neu zu bauenden Königlichen Museums für Völkerkunde bereitgestellt.77 72 Im Untersuchungszeitraum stand der Begriff Konservator für die heutige Berufsbezeichung des Restaurators. Als Konservatoren werden in der heutigen Zeit leitende Denkmalpfleger bezeichnet. Im weiteren Verlauf wird die neuzeitliche Berufsbezeichung Restaurator verwendet (Anm. d. Verf.). 73 Freundliche mündliche Mitteilung des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin, Februar 2017; Born et al. 2004/2005, 488; Peltz 2017: Peltz, Uwe. Das Chemische Laboratorium bis zur Gründung als „Zwillingsinstitute“ im geteilten Berlin. In: Berliner Beiträge zur Archäometrie, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, 2017, (25), 55. 74 Seler 1917: Seler, Eduard. Sitzung vom 17. November 1917. In: Zeitschrift für Ethnologie; Organ der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, 1917, (49), 212–213. 75 SMB-PK, EM I/MV 0611, Pars I B, Bd. 4. zu E. Nr. 66/85. Begutachtung der Sammlung Gühler. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Bericht vom 10.03.1885, Blatt 1–4, 6 Seiten. 76 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 584/1887. Dienstreise zum Studium der Konservierung nach Mainz und Worms. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Bericht vom 06.09.1887, Blatt 1–13, 15 Seiten. 77 SMB-PK, EM. I/MV 0053, I c, Vol. 1. E. Nr. 180b/1885. Acta Umzug und Aufstellung der Sammlungen. Loseblattsammlung. Bastian, Adolf. Antrag auf Renumeration für

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Krauses Publikationen dokumentieren seine weitreichende Beschäftigung mit archäologischen und ethnologischen Gegenständen. Hierzu gehören die Konservierung von archäologischen Gegenständen aus Eisen sowie vergleichende Studien über Feuersteine und Trommeln aus aller Welt. Darüber hinaus beschäftigte er sich mit der Rotfärbung vorgeschichtlicher menschlicher Skelettknochen oder auch mit der Herstellung vorgeschichtlicher Tongefäße. Seine Konservierungsmaßnahmen und das Zusammensetzen des Schädels vom Homo moustériensis Hauseri wurden gleich in mehreren Veröffentlichungen lobend erwähnt. Als ein heute noch aktuelles Standardwerk gilt seine MoAbb. 6: Wilhelm Eduard Julius Krause. Erster Konservator am Königlichen Museum für Völnografie über Fischereigeräte, welche er kerkunde zu Berlin von 1884–1917. aus Anlass der deutschen Fischereiausstellung während der Berliner Gewerbeausstellung 1896 schrieb. Wie sehr sich in seiner Person konservatorische und kuratorische Interessen verbanden, wird in zwei Veröffentlichungen über Wunderliche Heilige, worin er insbesondere die außergewöhnlichen Praktiken indischer Fakire beschreibt, deutlich.78 den Konservator Wilhelm Eduard Julius Krause vom 14.08.1885, 1 Seite, ohne Paginierung; Genehmigung durch den Generaldirektor am 15.08.1885, 1 Seite, ohne Paginierung. 78 Krause 1882: Krause, Wilhelm Eduard Julius. Hr. Ed. Krause berichtet über ein neues Verfahren zur Conservierung der Eisen-Alterthümer. Sitzung am 11. November 1882. In: Verhandlungen der Berliner anthropologischen Gesellschaft, 1882, 533–537; Krause 1883: Krause, Wilhelm Eduard Julius. Mittheilungen über trapezförmige Feuersteinscherben. In: Zeitschrift für Ethnologie; Verhandlungen, 1883, 15, 361; Krause 1899: Krause, Wilhelm Eduard Julius. Die Verwendung von Celluloid-Lack zur Conservirung von Althertümern, sowie von Holz, Stoffresten und Papier, namentlich alten Zeichnungen, Drucken, Acten in Archiven usw. Verhandlungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. In: Zeitschrift für Ethnologie, 1899, Jahrgang 31, 576–579; Krause 1900: Krause, Wilhelm Eduard Julius. Die ältesten Pauken. In: Globus, 1900, Bd. 78, 193–196; Krause 1901: Krause, Wilhelm Eduard Julius. Zur Frage der Rotfärbung vorgeschichtlicher Skelettknochen. In: Globus, 1901, [Sonder-Abdruck aus Bd. 83, (23)], 361–367. Krause 1903: Krause, Wilhelm Eduard Julius. Über die Herstellung vor-

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Nach seinem Tod gab es weitere Personen, welche aus den unterschiedlichsten Berufen kommend mit Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten im Berliner Völkerkundemuseum beschäftigt wurden. Dazu gehörten beispielsweise Hausinspektoren, technische Gehilfen und Museumsaufseher. Die Tatsache, dass diese Berufsgruppen mit der Konservierung von Sammlungsgegenständen betraut wurden, ist aus heutiger Sicht unvorstellbar. Es zeigt allerdings, wie wenig definiert der Berufsstand von Restauratoren im untersuchten Zeitraum noch war. Mit allen Vor- und Nachteilen leistete man auch hier Pionierarbeit. Die erwähnten Berufsgruppen waren in das damalige Beförderungssystem der Wartestandsbeamten des preußischen Staates integriert. So hatten beispielsweise Museumsaufseher die Möglichkeit, eine besser bezahlte Stelle mit konservatorischen Tätigkeiten zu erhalten, wenn sie sich während ihrer Dienstjahre auf eine Wartezeit von 20 bis 25 Jahren einstellten. Nicht die berufliche Qualifikation war demnach für eine Höhergruppierung entscheidend, sondern die persönliche Geduld und Ausdauer des Einzelnen. Gelegentlich kam es sogar zu Unstimmigkeiten zwischen der Generalverwaltung der Staatlichen Museen und dem Preußischen Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Das Ministerium war durchaus daran interessiert, eigene, niedrig eingruppierte Beamte aus seiner Einrichtung in den Museen unterzubringen, worin die Generalverwaltung eine klare Benachteiligung für solche Personen sah, die ihre Laufbahn von Anbeginn bei den Staatlichen Museen begonnen hatten.79 geschichtlicher Tongefässe. In: Zeitschrift für Ethnologie, 1903, 35, Heft II und III, 317– 323; Schuchhardt 1912a: Schuchhardt, Carl. Die neue Zusammensetzung des Schädels vom Homo Mousteriensis Hauseri. In: Praehistorische Zeitschrift, 1912, Bd. IV, 443–446; Schuchhardt 1912b: Schuchhardt, Carl. Die neue Zusammensetzung des Schädels vom Homo Mousteriensis Hauseri. In: Amtliche Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen, 1912, 34 (1), Spalte 4–10; Hoffmann 1997: Hoffmann, Almut. Zur Geschichte des Fundes von Le Moustier. In: Acta Praehistorica et Archaeologica, 1997, Bd. 29, 7–16; Cziesla 2000: Cziesla, Erwin. Spätpaläolithische Widerhakenspitzen aus Brandenburg. Eine Forschungsgeschichte. In: Archäologisches Korrespondenzblatt, 2000, 30, 173–186; Wegner und Hoffmann 2002: Wegner, Dietrich; Hoffmann, Almut. Der Schädel vom Combe Capelle im Museum für Vor- und Frühgeschichte wiederaufgefunden. In: Archäologisches Nachrichtenblatt, 2002, 7, (3), 218–221; Krause 1904: Krause, Wilhelm Eduard Julius. Vorgeschichtliche Fischereigeräte und neuere Vergleichsstücke. Eine vergleichende Studie als Beitrag zur Geschichte des Fischereiwesens. Berlin: Borntraeger, 1904, 1–168; Krause 1897: Krause, Wilhelm Eduard Julius. Wunderliche Heilige. In: Illustrierte Familienzeitschrift „Für alle Welt“, 1897, Heft 1, 8; Heft 2, 37–40. 79 SMB-ZA. I/GV 0043. Kaderleitung der Generalverwaltung bei den Staatlichen Museen zu Berlin vom 04.08.1934–30.07.1936. Das Problem der Wartestandsbeamten im Beförderungssystem der Staatlichen Museen. Personallisten und Korrespondenzen an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, Blatt 67–146, 44 Seiten.

Die Sammlungen des Ethnologischen Museums Berlin

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In erster Linie wurden dem Sammlungsaufseher Strebe (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.), der schon zu Lebzeiten Krauses Hilfsarbeiter war, einige Tätigkeiten übertragen (siehe Kapitel 3.2.2). An vier weiteren Beispielen wird im Folgenden dargestellt, welche Personen nach dem Tod Krauses mit der Konservierung und Restaurierung von Sammlungsgegenständen zum Beginn des 20. Jahrhunderts bei den Staatlichen Museen Berlin und speziell im Staatlichen Museum für Völkerkunde Berlin beschäftigt wurden. Über Herrn Schellin (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) erfahren wir aus den Quellen zwar nicht seinen erlernten Beruf, wohl aber, dass er als Kassenhilfskraft bei den Staatlichen Museen zu Berlin arbeitete. Er wurde vom Generaldirektor als technischer Gehilfe vorgeschlagen und übte ab 1919 als Beamter Tätigkeiten im Museum für Deutsche Volkskunde aus. Dort war er u.a. für die Beseitigung von Holz- und Textilschädlingen, Staub- und Metallpilzen, die eine genaue Kenntnis der einschlägigen Chemikalien erfordert,

zuständig.80 Rudolf Kuhn, geb. am 8. Januar 1892, war ab dem 1. Juni 1925 Museumsaufseher, danach ab dem 1. Juni 1929 technischer Gehilfe im Chemischen Laboratorium der Staatlichen Museen. Die Beschreibung seiner Tätigkeitsmerkmale gewährt auch einen Einblick in den Arbeitsschutz am Ende der 1920er Jahre: Restaurierung und Konservierung von Museumsgegenständen, namentlich Ausgrabungsfunden. Die bei Ausübung dieser Tätigkeit stets vorhandenen Gefahrenmomente erfordern erhöhte Aufmerksamkeit. Es wird von dem Beamten verlangt, daß er genaue Kenntnis der Chemikalien, mit denen er arbeitet, besitzt und sie in ihrer Anwendung und Wirkung vollkommen beherrscht. Umgang mit konzentrierten Säuren und Alkalien, mit feuer- und gesundheitsgefährlichen Lösungsmitteln oder Giften, weiter die Bedienung eines Schamottebrennofens bei einer Temperatur von 600 °C verlangen ein selbständiges, verantwortungsbewußtes Handeln und erschweren die Arbeit, die in Schutzkleidung und unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen ausgeübt werden muß. Die Durchführung der Konservierungen setzt Kenntnisse in chemischen Arbeitsverfahren voraus. Zu nennen sind besonders die umfassenden Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten an der assyrischen und babylonischen Tontafelsammlung. Allein im Jahr 1932 sind von K u h n mehrere Tausend Tontafeln und Bruchstücke behandelt worden. Auch 80 Ebd., 94–95. Der Begriff Metallpilze ist in der Konservierung kein Terminus technicus. Vermutlich sind damit Chlorkorrosionen gemeint (vgl. Rathgen 1924, 1–7.).

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Reduzierungen und Freilegung von Ornamenten an antiken Funden werden von ihm ausgeführt. Die Verschiedenheit des Materials und der Gegenstände machen ein öfteres Einarbeiten in neue Gebiete erforderlich. Beispiele: Metalle, besonders Silber, Bronze, Kupfer, Eisen, ferner Steine, Holz, Elfenbein, Knochen, Mumien, Textilien, usw. Daß die gewöhnlichen technischen Arbeiten, wie Photographieren, Beschriften und Zeichnen von dem Beamten ausgeführt werden, ist selbstverständlich. Seine besondere Eignung zu technischen Arbeiten geht aus seiner früheren Tätigkeit im Maschinenbetrieb hervor. Die im Chemischen Laboratorium auszuführenden Arbeiten dienen dem Schutze des Museumsgutes und somit der Erhaltung großer Kulturwerte.81

Hermann Siebert, geb. am 29. Mai 1884, war ab dem 1. April 1919 Museumsaufseher und ab 1926 vorwiegend und ab 1932 ausschließlich mit technischen Arbeiten in den Abteilungen der Afrikanischen, Ozeanischen und Amerikanischen Sammlungen im Staatlichen Museum für Völkerkunde mit folgenden Aufgaben betraut worden: Hilfe bei den Katalogzetteln der Süd- und Nordamerikanischen Sammlung. Führung des Photographischen Plattenarchivs. Betreuung des Inhalts der Sammlungsschränke und Führung der Kartothek. Neuaufstellung von Schränken und tapeziermäßigen Verrichtungen dabei (als gelernter Tapezierer und Dekorateur). Neuaufstellung der peruanischen Stoffsammlung.82

Der technische Gehilfe Heinrich August Lösekrug wurde vom Ministerialkanzleisekretär des Reichs- und Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung 1936 zum Hilfsrestaurator ernannt. Die Einführung der Berufsbezeichnung Hilfsrestaurator konnte zeitlich nicht eindeutig geklärt werden, aber bereits seit Mai 1922 war Lösekrug in den Abteilungen der Afrikanischen, Ozeanischen und Amerikanischen Sammlungen mit dem „Restaurieren von Büchern, Druckschriften, Karten, Zeichnungen, Plänen, Photographien und Bildern etc.“83 beschäftigt worden. Sechs Museumsaufseher wurden technische Gehilfen.84 Ausschlaggebend für die hier dargestellte Auswahl restauratorischer Hilfskräfte und technischer Gehilfen waren nicht ausschließlich ihre bereits erlernten Fähigkeiten hinsichtlich der Betreuung von Sammlungen. Ab dem Jahr 1933 kamen für eine Beförderung weitere Kriterien, wie beispielsweise die Mitgliedschaft in der NSDAP 81 82 83 84

Ebd., 70–71. Ebd., 94–95; 71–72. Ebd., 85. Ebd., 113.

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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oder die Eignung zum Frontkämpfer im Sinne des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 sowie individuelle Verdienste aus dem Ersten Weltkrieg hinzu. Man sah darin bei jedem ernannten Beamten „… die Gewähr dafür, daß er jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat eintreten wird“.85 Der Aufbau der Sammlungen im Ethnologischen Museum, die Präsentation und Lagerung vor Ort in Berlin sowie die konservatorische Betreuung der Bestände durch die damaligen Mitarbeiter zeichnet sich weniger durch eine systematische Vorgehensweise aus, sondern sie ist oftmals durch den bedauerlichen Umstand rein pragmatischer Entscheidungen geprägt. Gemäß der Quellenlage wurde nach Krauses Tod im Jahr 1917 seine Position als Konservator für einen langen Zeitraum nicht mehr von einer akademisch vorgebildeten Person besetzt. Vor diesem Hintergrund wird im Weiteren untersucht, welche Bemühungen unternommen wurden, eigene Methoden zur Schädlingsbekämpfung zu entwickeln und welche Rolle das Chemische Laboratorium dabei einnahm.

3.2 Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin und im Chemischen Laboratorium der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin Für das Königliche Museum für Völkerkunde zu Berlin und das im weiteren Verlauf der Geschichte umbenannte Staatliche Museum für Völkerkunde zu Berlin boten sich seit seinem Bestehen zur Bekämpfung von Schädlingen in den Sammlungen unterschiedliche Möglichkeiten an. Das Zeitalter der Industrialisierung, der Erste Weltkrieg, ein erstarkendes Bewusstsein für die Notwendigkeit der Verbesserung der hygienischen Verhältnisse sowie der Wunsch nach höheren Erträgen, um ausreichend Nahrung einer stets wachsenden Bevölkerung anbieten zu können, führte zur Entwicklung und Verbreitung zahlreicher Schädlingsbekämpfungsmittel, die dem Museum für Völkerkunde aus Industrie, Gewerbe und Handel bereits seit seinem Bestehen zur Verfügung standen. Wenn Insekten und Mikroorganismen aus Wohnräumen, öffentlichen Einrichtungen oder Krankenhäusern mit unterschiedlichen Wirkstoffen, Mitteln und Methoden entfernt werden konnten, so war es durchaus naheliegend, darauf zum Erhalt der umfangreichen Sammlungen des Berliner Museums für Völkerkunde zurückzugreifen. Aus diesem Grund wurden an Objekten aus organischen Mate85

Ebd., 70–96.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

rialien in den Ausstellungen und Depots bei akutem Befall sowie auch präventiv unterschiedliche Wirkstoffe und Mittel erprobt und angewendet. Für eine effiziente und massenweise Bekämpfung von Schadinsekten suchte man ebenfalls für ganze Objektkonvolute nach Lösungen. In diesem Zusammenhang ist der Aufbau einer Begasungsanlage im geplanten „Asiatischen Museum“ in Berlin-Dahlem, welches im weiteren Verlauf der Geschichte zum Magazingebäude des Berliner Museums für Völkerkunde wurde, ein wichtiger Aspekt innerhalb der folgenden Untersuchungen.86 Im weiteren Verlauf des Kapitels werden auch Möglichkeiten und Grenzen innerhalb der Staatlichen Museen zur Entwicklung und Erforschung eigener Wirkstoffe oder Mittel zur Schädlingsbekämpfung aufgezeigt. Dabei nimmt das ehemalige Chemische Laboratorium der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin, das heutige Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin, eine wichtige Rolle ein. Ebenso wird dargestellt, welche Kontakte für eigene wissenschaftliche Forschungen auf diesem Gebiet zu anderen Personen und Institutionen existierten und genutzt werden konnten. Schließlich geben die Untersuchungen auch darüber Aufschluss, in welchem Umfang das eigene Wissen auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung mit anderen musealen Sammlungen ausgetauscht, geteilt sowie in der Folge weiterverbreitet wurde. Einen wesentlichen Anteil an der medialen Verbreitung von Fachwissen konnte in dem untersuchten Zeitraum einigen wenigen nationalen und internationalen Fachjournalen zugeordnet werden.

3.2.1 Wissenstransfer und Produktanwendung aus Industrie, Gewerbe und Handel im Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin

Für die folgenden Forschungen standen primäre Quellen sowie Sekundärliteratur zur Verfügung. Die Untersuchungen zeigen eine sprunghafte und uneinheitliche Vorgehensweise, wenn es um die Beschaffung von Wirkstoffen und Mitteln zur Bekämpfung von Schadinsekten ging. Einige wenige Kaufbelege konnten ausgewertet werden, bei denen die Anwendung unterschiedlicher Produkte zur Schädlingsbekämpfung zu erkennen ist. So findet sich in einer Verwaltungsrechnung für die Kunstmuseen der Königlichen Museen zu Berlin im Jahre 1905 eine Anweisung an die Firma Avenarius & Co. Für Carbolineum in Höhe von 43,80 Mark. Im selben Jahr wurden zwischen Mai und Oktober mehrere Ankäufe von Chemikalien, leider ohne Angabe eines näheren Verwendungszweckes, bei der Firma Schmaltz getätigt.87 Es ist de facto kein Konzept zu erkennen, worin nach klaren Vorgaben zuvor 86 Vgl. Westphal-Hellbusch 1973, 30–33. 87 SMB-ZA. GV 696, Nr. 1–19. Nr. 1a–257. Zusammenstellungen zu den Belegen für das

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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festgelegte Methoden zur Konservierung der Sammlungsgegenstände angewendet wurden. So erscheinen auch Anweisungen, ganze Objektgruppen wie Bambusspitzen und Federarbeiten im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin „zum Vergiften“ zu geben, als eine eher zufällige Entscheidung.88 Nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Berliner Museums für Völkerkunde erscheint die Anwendung des Produktes Flit mehr dem Prinzip zu folgen, dass hier wiederum ein Mittel zum Einsatz kam, welches auf dem Markt zur Verfügung stand. So beauftragte Walter Krickeberg, Leiter der Abteilung der Amerikanischen Naturvölker seit 1934, seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter Heinrich Emil Snethlage89, am 20. Juni 1938 nach Leipzig zu reisen. Vor Ort sollten für eine Sonderausstellung ausgeliehene Objekte aus der Sammlung Otto Schulz-Kampfhenkel auf ihren Zustand überprüft werden. Snethlage ließ im Rahmen seines Besuches anordnen, die bereits in Dahlem beschädigten und nun frei aufgestellten Fellstreifen ab sofort in Vitrinen aufzubewahren und sie mit Flit90 zu besprühen. Einer allgemeinen Anordnung zufolge sollten alle Exponate dieser Sammlung dann ohne nähere Angaben regelmäßig „geflittet“ werden.91 Einen wichtigen Aspekt der Untersuchungen stellen die Engpässe in der Materialversorgung von Objekten aus organischen Materialien im Kampf gegen den Verfall während des Ersten Weltkrieges dar. Dabei nimmt Petroleum, ein flüssiges Stoffgemisch von Kohlenwasserstoffen, eine besondere Rolle ein, da es im untersuchten Zeitraum hauptsächlich für Beleuchtungszwecke eingesetzt wurde. In einem größeren Ausmaß und über einen sehr langen Zeitraum kam Petroleum im Berliner Völkerkundemuseum auch zur Bekämpfung von Schadinsekten zum Einsatz. Im Folgenden wird dargestellt, mit welchen Schwierigkeiten die Beschaffung dieses Mittels in Zeiten der Mangelwirtschaft für die Museumsmitarbeiter verbunden war.

88

89 90

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Jahr 1905. Loseblattsammlung. Zur Verwaltungsrechnung für die Kunstmuseen. BelegNr. 2017, Bezahlung von „Carbolineum“ ohne Datum, Blatt 38. 1 Seite; ohne Beleg-Nr., Ankäufe von Chemikalien vom 01.05.–12.10.1905, Blatt 219–221, 3 Seiten. SMB-PK, EM. I/MV 0597, I B 44a. Loseblattsammlung. Anweisung zur Schädlingsbekämpfung an Objekten aus der Sammlung Theodor Koch-Grünberg. Preuss, Konrad. Aktennotiz auf einem Brief von Theodor Koch-Grünberg vom 30.04.1913, Blatt 85, 1 Zeile. Vgl. Westphal-Hellbusch 1973, 232. Wilhelmi und Kunike 1927: Wilhelmi, Julius; Kunike, Hugo. Versuche und Untersuchungen über die Wirksamkeit des Petroleum-Raffinates „Flit“ bei der Fliegen- und Stechmückenbekämpfung. In: Zeitschrift für Desinfektions- und Gesundheitswesen, 1927, 19 (3), 98–99. SMB-PK, EM. I/MV 1071, I B 129. Emil, Heinrich. Besichtigung der Ausstellung der Sammlung Schulz-Kampfhenkel in Leipzig. Bericht vom 21.06.1938, 1 Seite, ohne Paginierung.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Während des Deutschen Kaiserreiches musste Petroleum zu neunzig Prozent aus dem Ausland importiert werden (siehe hierzu Kapitel 1.6.3), wobei der Verbrauch von Petroleum in der genannten Zeit als Leuchtöl in Deutschland ungefähr die Hälfte des gesamten Mineralölverbrauchs ausmachte.92 Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurden in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens Dinge für den täglichen Bedarf rationalisiert. Ein großes Defizit bedeutete für die deutsche Wirtschaft das fehlende ausländische Mineralöl, wovon sie von einem Tag zum anderen abgeschnitten war.93 So mussten alle öffentlichen Behörden gemäß einem Erlass des Preußischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten ihren erforderlichen Bedarf für Petroleum anmelden. Dieses allgegenwärtige Mittel für Beleuchtungszwecke wurde darüber hinaus bei den Königlichen Museen zu Berlin von dem Leiter des Chemischen Laboratoriums Friedrich Rathgen94 als Konservierungsmittel gegen holzzerstörende Insekten empfohlen.95 Petroleum wird erstmalig im Jahr 1866 bei Suardi zur Konservierung von Gemälden (siehe Kapitel 2.1) erwähnt. Krause bezifferte im Jahr 1915 den Bedarf für das Museum mit 100 Litern und für die Sammlungen der deutschen Volkskunde mit 150 Litern.96 Obwohl man sich auf direktoraler Ebene nicht sicher war, welche Mengen in den einzelnen Abteilungen zur Abtötung holzschädigender Insekten benötigt wurden, folgte man Krauses Bitte um die Zuteilung von insgesamt 250 Liter Petroleum und war darüber hinaus bereit, von dieser großen Menge einen geringen Teil für andere Zwecke von den Königlichen Museen zu entnehmen.97 Eine erneute Aufforderung des Ministeriums, den tatsächlich benötigten Bedarf an Petroleum zu überprüfen, zeigt, welche materiellen Engpässe der Erste Weltkrieg bereits im zweiten Kriegsjahr verursacht hatte. Man erwog seitens der bereits genannten Sammlungen andere, nicht näher benannte Chemikalien, zum Einsatz zu bringen und reduzierte die ursprünglich 92 Dumont 1914: Dumont, Fritz. Petroleum-Versorgung während des Krieges mit besonderer Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse von Danzig. Danzig: Online verfügbar unter http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0000635C00000000. 12–14 (Zugriff: 27.10.2021); vgl. Karlsch und Stokes 2003, 93. 93 Ebd., 132. 94 Zu Friedrich Rathgen siehe Kapitel 3.2.2: Entwicklungen und Experimente zur Schädlingsbekämpfung bei den Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin. 95 Vgl. Rathgen 1924, 136. 96 SMB-PK, EM. I/MV 0034, Pars Ia, Bd. 9. Runderlass A-883, E. Nr. 599/15. Acta betreffend Dienstbestimmungen und Instruktionen. Loseblattsammlung. Bedarfsanmeldung für Petroleum. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Randnotiz auf Runderlass A–883 vom 16.05.1915, 9 Zeilen, ohne Paginierung. 97 Ebd. E. Nr. 599/15. Grünwedel, Albert; Schmidt, Max. Aktennotiz auf Runderlass A-883. Bedarfsanmeldung für Petroleum vom 17.07.1915 an den Generaldirektor der Königlichen Museen, 2 Seiten, ohne Paginierung.

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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geforderte Menge von 250 Liter auf 190 Liter Petroleum.98 Endgültig wurde das Königliche Museum für Völkerkunde wie viele andere Behörden durch die kriegsbedingt entstandene Mangelwirtschaft am 14. Oktober 1915 vom Preußischen Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten aufgefordert, den Bedarf an Petroleum bei der Zentralstelle für Petroleum-Verteilung m.b.H. in Berlin am Schiffbauerdamm über das Ministerium anzumelden.99 Das Tauziehen um die Bedarfsmengen von Petroleumbestellungen wurde ein halbes Jahr später zwischen der Berliner Zentralstelle für Petroleum-Verteilung und der Generaldirektion der Königlichen Museen fortgesetzt. Wollte man im März 1916 zunächst noch auf insgesamt 90 Liter Petroleum verzichten und stattdessen nur 25 Liter anfordern, so revidierte das Königliche Museum für Völkerkunde gleich einen Monat später seinen Wunsch und bat doch um die Gesamtmenge von 90 Liter Petroleum. Als Grund gab man einen erhöhten Bedarf für konservatorische Zwecke an.100 Trotz der immer enger werdenden Versorgungslage erbat Albert Grünwedel101 ein knappes halbes Jahr später weitere 75 Liter Petroleum für das Königliche Museum für Völkerkunde und verwies darauf, dass die Menge als Ganzes geliefert werden muss, da „… die zu konservierenden Gegenstände ganz in Petroleum zu tauchen“ sind.102 Für das Tränken von Gegenständen aus Holz erbaten Max Junker103 und Albert Grünwedel erneut 40 bis 50 Liter Petroleum, da man bedingt durch die Sommermonate im Jahr 1917 erneut in der Ozeanischen Abteilung Befall durch holzzerstörende Insekten an Sammlungsgegenständen aus Holz entdeckt hatte.104 Auch nach dem Ende des Ersten Weltkrieges war die Versorgung mit Petroleum noch nicht gewährleistet, wie 98 Ebd. E. Nr. 599/15. Erlass Nr. A–1072. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Korrigierte Bedarfsanmeldung vom 07.09.1915, 15 Zeilen, ohne Paginierung. 99 Ebd. E. Nr. E 835/15. Erlass Nr. A–1188. Baumann, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Brief vom 14.10.1915, 1 Seite, ohne Paginierung. 100 SMB-PK, EM. I/MfV 0035, Ia, Bd. 10, E. Nr. 130/16. Akte betreffend Dienstbestimmungen und Instruktionen. Loseblattsammlung. Junker, Max; Stubenrauch, Kurt. Aktennotizen vom 04.02.1916, vom 06.03.1916, vom 19.04.1916, vom 25.04.1916, 4 Seiten, ohne Paginierung. 101 Albert Grünwedel war von 1914 bis 1921 Direktor der Indisch-Asiatischen Abteilung des Königlichen und im weiteren Verlauf des Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin. 102 SMB-PK, EM. I/MfV 0035, Ia, Bd. 10. E. Nr. 754/16. Grünwedel, Albert. Brief an die Zentralstelle für Petroleum-Verwertung vom 12.10.1916, 1 Seite, ohne Paginierung. 103 Max Junker war von 1896 bis 1920 Sekretär in der Generalverwaltung der Königlichen und im weiteren Verlauf der Staatlichen Museen zu Berlin. 104 SMB-PK, EM. I/MfV 0035, Ia, Bd. 10. E. Nr. 537/17. Junker, Max. Beantragung von Petroleum an Albert Grünwedel vom 14.07.1917, 13 Zeilen ohne Paginierung; Grünwedel, Albert. Abschrift eines Briefes an die Zentralstelle für Petroleum-Verwertung, 13 Zeilen, ohne Paginierung.

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einem Schreiben des Ministers für Handel und Gewerbe, welches über den Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung bei den Staatlichen Museen einging, zu entnehmen ist. Als nunmehr staatliche Behörde musste man seinen Bedarf an Petroleum wieder bei der Zentralstelle für Petroleum-Verteilung anfordern.105 Erst einige Jahre später finden sich im Jahr 1925 kritische Anmerkungen zur Verwendung von Petroleum als Konservierungsmittel, wenn es in Mischungen vorliegt (siehe Kapitel 3.5.2). Damit ist der Nachweis dieses Wirkstoffs zu Konservierungszwecken für rund 60 Jahre belegt. Einer chemischen Substanz gelang für einen gewissen Zeitraum sogar ein Siegeszug in zahlreichen musealen Sammlungen als Schädlingsbekämpfungsmittel. Die Rede ist von der Entwicklung und Vermarktung des Dichlorbenzol „Agfa“ durch die Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation (AGFA) mit ihrer Pharmaceutischen Abteilung.106 Die AGFA gehörte in der damaligen Zeit zu den größten Farbenfabriken. An ihrem Ursprungsort in Berlin-Treptow entdeckten Mitarbeiter die insektizide Wirkung der chemischen Substanz 1,4-Dichlorbenzol zur Bekämpfung von Schadinsekten. Dieser Stoff war ein Abfallprodukt, der bei der Herstellung von Anilinfarben entstand. Die Firmenleitung schuf daraus einen neuen Geschäftszweig und ließ sich Dichlorbenzol „Agfa“ mit der Deutschen Reichs-Patentnummer 258405 schützen. Unter diesem Produktnamen wurde reines 1,4-Dichlorbenzol verkauft.107 Zu Beginn lag auch der Vertrieb des Produktes in den Händen des Herstellers und man war neben Kunden in der freien Wirtschaft besonders daran interessiert, wissenschaftliche und museale Sammlungen, die vom Museumskäfer (Anthrenus museorum), dem Gemeinen Speckkäfer (Dermestes lardarius) und ähnlichen Arten aus der Familie der Speckkäfer befallen waren, zu gewinnen. Die Produktion war mittlerweile nach Wolfen in Sachsen-Anhalt verlegt worden. Von der Berliner Zentrale aus wurden Werbebriefe mit ausführlichen Prospekten und kleinen Probetüten des Produktes an zahlreiche Museen verschickt.

105 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 590/19. Verteilung von Petroleum an nachgeordnete Behörden. Neuhaus, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Brief aus dem Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung vom 09.05.1919; Abschrift vom 26.05.1919, 1 Seite, ohne Paginierung. 106 Kadlubek 2004: Kadlubek, Günther. AGFA. Geschichte eines deutschen Weltunternehmens von 1867 bis 1997 Neuss: Hillebrand.; Karlsch und Wagner 2010: Karlsch, Rainer; Wagner, Paul Werner. Die AGFA-ORWO-Story. Geschichte der Filmfabrik Wolfen und ihrer Nachfolger. Berlin: VBB. 107 Anonymus 1913a: Dichlorbenzol „Agfa“. In: Vierteljahresschrift für praktische Pharmazie, 1913, (10) 125. Online verfügbar unter http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00039116 (Zugriff: 03.01.2019).

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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Ein Schreiben dieser Art ging am 15. April 1913 bei den Königlichen Museen ein und wurde umgehend an den Restaurator Krause im Königlichen Museum für Völkerkunde weitergeleitet.108 Hieraus entwickelte sich eine Korrespondenz, in deren Verlauf die AGFA auch die Kopie eines Briefes des damaligen Direktors Georg Thilenius aus dem Museum für Völkerkunde in Hamburg an das Museum für Völkerkunde in Berlin übersandte. Darin verwies er auf erfolgreiche Versuche mit dem Produkt bei der Bekämpfung von Pelzschädlingen in seinem Museum.109 Krause forderte für eigene Versuche ein größeres Quantum des Präparates an und berichtete im Oktober 1913 über seine positiven Erfahrungen mit dem Mittel. Besonders betonte er, dass durch Dichlorbenzol „Agfa“ Metalle wie Gold, Silber, Kupfer, Eisen oder Nickel nicht angegriffen wurden.110 Man bestellte 10 kg des Produktes, da Eichhorn, der damalige Leiter der Ozeanischen Abteilung, beabsichtigte, damit weitere Versuche an Federschilden durchführen zu lassen.111 Ein halbes Jahr später teilte die AGFA dem Museum für Völkerkunde Berlin mit, dass ihr Produkt Dichlorbenzol „Agfa“ nunmehr unter dem Handelsnamen Globol weiterhin von der Firma Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft in Leipzig vertrieben werde.112 Dem Jahresgeschäftsbericht der AGFA von 1914 ist zu entnehmen, dass die Leipziger Firma den Alleinvertrieb des Produktes vertraglich zugesichert bekam, verbunden mit einer jährlich sich steigernden Abnahme. So wurden im Jahr 1914 28.500 kg verkauft. Kriegsbedingt veräußerte die Firma im Jahr 1915 hauptsächlich GlobolBeutel an das Militär zur Entlausung der Truppen und nahm insgesamt 40.641 kg ab. Darauffolgend steigerte sich die Abnahme im Jahr 1916 auf 45.378 kg, im Jahr 1917 auf 91.100 kg und im Jahr 1918 auf 157.164 kg.113 Die Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft wandte sich in den Jahren zwischen 1915 und 1920 mehrfach an das Königliche/Staatliche Museum für Völkerkunde zu Berlin. Die Vorgehensweise zur Erschließung eines neuen Kundenkreises darf m.E. als äußerst energisch bezeichnet werden. In einem Werbeschreiben mit beiliegender 108 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 682/13. Empfehlung des Produktes Dichlorbenzol „Agfa“. Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation. Brief vom 15.04.1913, 2 Seiten, ohne Paginierung. 109 Ebd. zu E. Nr. 682/13. Empfehlung aus dem Museum für Völkerkunde Hamburg. Thilenius, Georg. Kopie des Briefes vom 10.10.1913, 1 Seite, ohne Paginierung. 110 Ebd. Bewertung von Dichlorbenzol „Agfa“. Wilhelm Eduard Julius, Eduard. Bericht vom 29.10.1913, 1 Seite, ohne Paginierung. 111 Ebd. Röddinghaus, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Aktennotiz vom 31.10.1913, 1 Seite, linke Spalte, ohne Paginierung. 112 Ebd. E. Nr. 820/14. Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation. Brief vom 14.05.1914, 1 Seite, ohne Paginierung. 113 AIFM Wolfen. Ohne Signatur. Loseblattsammlung. Jahresberichte von 1912–1918. Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation, 12 Seiten.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Gratisprobe des Mittels Globol wurden die häufig in musealen Sammlungen auftretenden Insekten wie Kleidermotten, Pelz- oder Kabinettkäfer als „Ungebetene Museumsbesucher“ bezeichnet, vor denen die „meist unersetzlichen Museumsbestände“ geschützt werden müssten. Zu dieser Zeit besteht die Referenzliste der Leipziger Firma nur aus zwei Museen, nämlich dem kaiserlich königlichen Naturhistorischen Hof-Museum Wien und dem Bayerischen National-Museum München. Eichhorn stellt daraufhin für einen Versuch Schränke mit Sammlungsgegenständen in der Ozeanischen Abteilung des Berliner Völkerkundemuseums zur Verfügung, lässt die Beutel mit dem Mittel aber umgehend von Krause wegen des starken Geruchs wieder entfernen.114 Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erhält das nunmehr Staatliche Museum für Völkerkunde zu Berlin im Jahr 1919 ein weiteres Schreiben, dessen Inhalt und Wortwahl weitaus kämpferischer abgefasst sind: Die energische Bekämpfung der Motten ist dringend notwendig, wenn Sie ihre wertvollen Lagerbestände schützen und sich selbst vor empfindlichen Verlusten bewahren wollen. E n e r g i s c h b e k ä m p f e n – das heißt: die Motten töten!115

Das Werbezitat lässt sich sprachlich dem Kontext einer Kriegspropaganda zuordnen. Es wurde demnach ebenso wenig wie die nachfolgenden Zitate in irgendeiner beliebigen Zeit verfasst, sondern entspringt deutlich dem kämpferischen Geist des soeben vergangenen Ersten Weltkrieges. Sowohl flehend wie auch drohend heißt es weiter: Ein Versuch wird sie zu einem überzeugten Anhänger unseres Globols und damit zu unserem treuen Kunden machen. In Ihrem Interesse bitten wir Sie: Nützen Sie unser Angebot! S c h i e b e n S i e d e n Ve r s u c h n i c h t a u f !116

Die Referenzliste von Abnehmern reicht nun von wissenschaftlichen Instituten über eine Königliche Naturaliensammlung sowie eine Königlich-landwirtschaftliche Hochschule bis hin zu Museen im In- und Ausland mit persönlichen Zeugnissen

114 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 420/15. Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft, Leipzig, Brief vom 18.05.1915, 2 Seiten, ohne Paginierung; ebd. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Aktennotiz vom 25.05.1915 auf Brief von Fritz Schulz jun. vom 18.05.1915, 6 Zeilen. 115 Ebd. E. Nr. 570/19. Werbeschreiben Nr. 212 von Fritz Schulz jun. vom 11.04.1919, 1. Seite, 2 Seiten, ohne Paginierung. 116 Ebd., 2. Seite.

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und Urteilen aus Industrie, Gewerbe und Handel.117 Die Anwendung von Globol wird im Umlaufverfahren mit den Unterschriften von Albert Grünwedel, Eduard Seler, Bernhard Ankermann, Otto Kümmel und Friedrich Wilhelm Karl Müller am 28. Mai 1919 wegen der starken Geruchsbelästigung erneut verweigert.118 In einem letzten überlieferten Schreiben der Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft an das Staatliche Museum für Völkerkunde zu Berlin werden im Jahr 1920 zunächst leisere Töne verwendet, um das Mittel zu verkaufen. Man nutzte diese gezielt für seine Überzeugungsstrategien und fokussierte eindeutig auf die allgemeine Wirtschaftskrise, indem man fragte: Haben Sie alles getan, um Ihre wertvollen Lagerbestände vor Mottenfraß zu schützen? Schon im Frieden war es sehr ärgerlich für Sie, wenn Sie Schäden durch Mottenfraß auf Ihren Lagern feststellen mussten. Wieviel größer ist der Schaden, den die Motten anrichten, heute, in den Zeiten unglaublicher Teuerung, schärfster Warenknappheit, größter Wertsteigerung Ihrer Bestände?119

Im weiteren Verlauf des Schreibens wechselt dieselbe Person zu einem mehr kämpferischen Stil und fordert: Die energische Bekämpfung der Motten ist daher auch für Sie ein dringendes Gebot, nicht minder wichtig als die Sicherung Ihres Lagers gegen Einbruch, Diebstahl oder andere schädliche Einflüsse. Sie dürfen deshalb nicht rasten, die Motten mit der wirksamsten Waffe zu bekämpfen – S i e m ü s s e n d i e M o t t e n t ö t e n !120

Der Verwaltungsangestellte Max Junker und der Direktor Albert Grünwedel quittierten dieses Werbeschreiben mit der knappen Bemerkung, dass sich das Mittel in der Ozeanischen Abteilung nicht bewährt habe.121

117 Ebd. Fritz Schulz jun. Broschüre vom 05.01.1917 mit Referenzen, 4 Seiten, ohne Paginierung. 118 Ebd. Grünwedel, Albert; Seler, Eduard; Ankermann, Bernhard; Kümmel, Otto; Müller, Friedrich Wilhelm Karl. Aktennotiz auf Werbeschreiben von Fritz Schulz jun. vom 28.05.1919, 4 Zeilen, ohne Paginierung. 119 Ebd. E. Nr. 438/20. Fritz Schulz jun. Werbeschreiben Nr. 270 vom 16.01.1920, 2 Seiten, ohne Paginierung. 120 Ebd. 121 Ebd. Grünwedel, Albert; Junker, Max. Aktennotiz vom 03.05.1920 auf Werbeschreiben Nr. 120 von Fritz Schulz jun. vom 16.01.1920, 3 Zeilen, ohne Paginierung.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Die Geruchsbelästigung durch Globol ist auch ein Hinweis dafür, dass im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert noch weitgehend ungeschützt mit chemischen Substanzen bei den Staatlichen Museen zu Berlin umgegangen wurde. Dies erscheint vor dem Hintergrund, dass der Arbeitsschutz in Deutschland ausgehend vom Preußischen Regulativ bereits im Jahr 1839 per Gesetz zum Schutz von Arbeitern, insbesondere von Kindern existierte, bemerkenswert.122 Mit zunehmender Industrialisierung entwickelte sich zudem die Erkenntnis, „… daß eine systematische, präventive Abwehr von Gefahren prinzipiell als sinnvoll erschien“.123 Sie führte im Jahr 1892 zu einem historischen Wendepunkt und zur Errichtung eines Arbeitsschutzes in Deutschland, der aber weniger mit der giftigen Wirkung von chemischen Substanzen zusammenhing. Vielmehr war er unter dem Druck von zeitgenössischen sozialdemokratischen Forderungen sowie zunehmenden Protesten gegen unmenschliche Bedingungen in der Arbeitswelt entstanden. Ziel war es, schonender mit der Arbeiterschaft und dem Erhalt ihrer Arbeitskraft umzugehen.124 Zur Umsetzung des Arbeitsschutzes erließ die preußische Regierung eine Dienstanweisung, in deren Folge Gewerbeaufsichtsbeamte eingesetzt wurden, die für den Schutz von Arbeitern und deren Arbeitssicherheit laufende Kontrollen in den Fabriken durchführen mussten.125 Diese arbeitsrechtlichen Erneuerungen im industriellen Bereich haben möglicherweise zu einer Übertragung auf kulturelle Einrichtungen beigetragen. Globol, das nach seiner Ablehnung im Museum im Jahr 1919 wieder eingesetzt und alsdann in allen Abteilungen des Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin zur Anwendung kam, wurde nicht ausschließlich als giftiges Mittel eingestuft. Der Umgang mit diesem Mittel bedurfte ab jetzt eines persönlichen Schutzes, so dass im Jahr 1929 in Absprache mit Carl Brittner126 für die Mitarbeiter aller Abteilungen Atemschutzmasken bestellt wurden, um sie vor den Dämpfen von Globol sowie auch vor denen von Areginal zu schützen. Daraufhin erhielten die Ozeanische Abteilung, die Abteilungen Nord- und Südamerikas sowie die Abteilung Afrika am 24. August 1929 insgesamt 13 Atemschutzgeräte der Marke LIX mit 26 122 Simon 1844: Simon, Heinrich. Das Preussische Staatsrecht. Erster Theil. Breslau: Georg Philipp Aderholz, 627–629. 123 Buck-Heilig 1989: Buck-Heilig, Lydia. Die Gewerbeaufsicht. Entstehung und Entwicklung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften (Studien zur Sozialwissenschaft, 87). Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-663-05750-5, 19 (Zugriff: 27.10.2021). 124 Nipperdey 1995: Nipperdey, Thomas. Deutsche Geschichte 1866–1918. Zweiter Band: Machtstaat vor der Demokratie. 3. Aufl. München: Beck; Ayass 1996 Ayass, Wolfgang. Arbeiterschutz. Stuttgart, Jena, New York: Fischer (Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik, 3). 125 Vgl. Buck-Heilig 1989, 86–87. 126 Siehe zu Carl Brittner Kapitel 3.2.2.

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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Kohlekapselfiltern von der Firma Deutsche Gasglühlicht-Auer-Gesellschaft m.b.H. zum Preis von 84,95 Reichsmark.127 Es gab noch weitere Farbenfabriken, die ein starkes Interesse zeigten, eigene Produkte als Schädlingsbekämpfungsmittel auf den Markt zu bringen. Der für die Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen, tätige Chemiker Arthur Eichengrün eröffnete der Firma mit seiner Erfindung des AutanVerfahrens einen bedeutsamen Absatzmarkt. Das Verfahren basierte auf dem sog. Autan-Pulver und bestand mit dem Produktnamen Paraform aus Bariumperoxid und Paraformaldehyd. Schüttete man Wasser auf das Pulver, kam es zu einer starken chemischen Reaktion und es bildeten sich wasserhaltige Formaldehyddämpfe.128 In seiner am 4. August 1905 von den Farbenfabriken patentierten Erfindung129 sah Arthur Eichengrün eine anwenderfreundliche Vereinfachung der bis dato durchgeführten Formaldehyddesinfektion, für die sowohl geschultes Personal wie auch ein hoher apparativer Aufwand notwendig waren.130 Das Verfahren wurde zunächst für die Desinfektion von Wohnungen angewendet und nach Angaben von Arthur Eichengrün hatte es ab dem Jahr 1918 von behördlicher Seite „… wesentliche Beachtung gefunden und ist vielfach schon an Stelle der bisherigen Methoden zur offiziellen Einführung gelangt“.131 Im Rahmen einer Veranstaltung des Deutschen Desinfektoren-Bundes besichtigte August Eichhorn die Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen, wo das Mittel Autan ausgestellt wurde. Anschließend schrieb er im Auftrag von Albert Grünwedel am 19. Juli 1913 an die Firma und bat um nähere In127 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 193/29. Arbeitsschutz. Brittner, Carl; Eichhorn, August; Krickeberg, Walter; Lehmann, Walter; Preuss, Konrad Theodor; Schachtzabel, Albert; Snethlage, Heinrich Emil. Randnotizen und Prüfvermerke zur Beschaffung von Gasmasken sowie Angebot, Rechnung und Gebrauchsanweisung des Atemschützers Lix von der Firma Deutsche Gasglühlicht-Auer-Gesellschaft m. b. H. vom 14.05.–04.09.1929, 16 Seiten, ohne Paginierung. 128 Anonymus 1906: Anonymus. Das „Autan“-Verfahren zur Formaldehyddesinfektion. In: Pharmazeutische Zeitschrift LI. 1906, (77), 769. 129 Eichengrün 1905: Eichengrün, Arthur. Verfahren zur Entwicklung von gasförmigem Formaldehyd aus polymerisiertem Formaldehyd. Angemeldet durch Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. in Elberfeld. Veröffentlichungsnr: 181509; Klasse 12 o; Gruppe 7. Prioritätsdaten: Zusatz zum Patent 177053 vom 13. Juli 1905. 130 Eichengrün 1906: Eichengrün, Arthur. Über das neue „Autan“-Desinfektionsverfahren. In: Pharmazeutische Zeitschrift LI., 1906, (77), 852. 131 Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen 1918 (Hg.) 1918: Unter Mitarbeit von Arthur Eichengrün. Geschichte und Entwicklung der Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. Elberfeld in den ersten 50 Jahren. Pharmazeutisch-wissenschaftliche Abteilung. Das „Autan“-Verfahren. Unveröffentlichte Schrift, München, 1918, 415.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

formationen zu dem Mittel sowie auch zum Verfahren selbst. Er erhielt umgehend Antwort und wurde darauf hingewiesen, dass das Desinfektionsmittel Autan hauptsächlich gegen Bakterien verwendet wurde. Man empfahl aber dem Königlichen Museum für Völkerkunde, eigene Versuche anzustellen, und lieferte dazu kostenfrei ausreichende Mengen an Material und Prospekten sowie den Hinweis, dass das Autan-Verfahren mit ministeriellem Erlass vom 25. April 1908 und vom 17. Mai 1910 „zur Anwendung bei amtlichen Desinfektionen autorisiert“ worden war.132 Dass die Herstellung von Autan und die Erweiterung des Vertriebes ein gewinnbringendes Geschäft waren, belegen die Verkaufszahlen der Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen. Wurden im Jahr 1906 erstmalig 351 kg Autan verkauft, so hatte sich der Verkauf zehn Jahre später um 100 % gesteigert.133 Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Industrie sowohl in der Herstellung wie auch im Verkauf von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung tonangebend war. Hingegen befanden sich die Staatlichen Museen zu Berlin eher in einer defensiven Position und hatten keinerlei Einfluss auf die Geschwindigkeit, mit der Schädlingsbekämpfungsmittel entwickelt und vertrieben wurden. Eine beeindruckende Zusammenarbeit und Verflechtung von wissenschaftlicher Arbeit, behördlichen Interessen sowie einer wirtschaftlichen Verwertung von Produkten zur Schädlingsbekämpfung gelang mit der Entwicklung und Vermarktung von Begasungsmitteln. Mit der Gründung und dem Aufbau der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung m.b.H. (Degesch) Berlin durch Fritz Haber war an dieser Stelle ein maßgeblicher Durchbruch gelungen. Am Ende des Kapitels 1.6.4 wurde bereits dargestellt, dass die Grundlagen für weitere Forschungen auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung zur zivilen Nutzung sowohl im Zeitalter der Industrialisierung wie auch im Rahmen militärischer Entwicklungen während des Ersten Weltkriegs gelegt worden waren. Die Gründung der Degesch Berlin ist ausschließlich auf Fritz Haber zurückzuführen. Sein Bestreben war es, sich mit den Kompetenzen seines Kaiser-Wilhelm-In132 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 1225/13. Eichhorn, August. Brief vom 19.07.1913 an die Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. Elberfeld, 2 Seiten, ohne Paginierung; ebd. Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. Elberfeld. Brief vom 26.07.1913 an das Königliches Museum für Völkerkunde zu Berlin und Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen 1913, darauf Aktennotiz von August Eichhorn vom 31.07.1913, 2 Seiten, ohne Paginierung; 1 Prospekt über Autan, 4 Seiten ohne Paginierung; 1 Merkblatt über Autan, 1 Seite, ohne Paginierung. 133 BAL 15/D.1.1. Akte Statistik über Kiloverkäufe und Geldumsätze Pharmazeutika, Riechstoffe, Pflanzenschutz, Photographika, Farben von 1906–1916. Loseblattsammlung. Tabelle. Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Co. Elberfeld. Kiloverkäufe über pharmazeutische Produkte, 1 Tabelle, Blatt 5–6, 2 Seiten.

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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stituts für physikalische Chemie und Elektrochemie und den engen Verbindungen zu Wirtschaft und Industrie in den Dienst Deutschlands zu stellen. Als Chemiker und Leiter seiner Einrichtung war er dem Preußischen Kriegsministerium unterstellt und gründete für zivile Zwecke am 15. Februar 1917 den Technischen Ausschuss für Schädlingsbekämpfung (TASCH), welcher organisatorisch ebenfalls dem Preußischen Kriegsministerium zugeordnet wurde.134 Unter seinem Vorsitz waren im TASCH neben mehreren Reichs- und preußischen Behörden auch die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt (abgekürzt ab 1928 als Degussa) vertreten. Der Ausschuss erhielt als Alleinstellungsmerkmal die staatliche Konzession zur Anwendung von Cyanwasserstoff und lenkte zunächst die Begasungen von Speichern, Mühlen und militärischen Baracken durch Chemiker und Laboranten der Scheideanstalt.135 Die ersten Forderungen nach einer wirtschaftlichen Verwertung sowie der Gründung einer gemeinnützigen Gesellschaft stellte Fritz Haber bereits im Februar 1918. Die Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt, die Badische Anilin- und Sodafabrik Ludwigshafen (BASF), die Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen, die Farbenwerke Meister, Lucius & Brüning sowie weitere Chemiefirmen hatten bereits während des Krieges in Zusammenarbeit mit dem KaiserWilhelm-Institut Gaswaffen hergestellt. Diese Firmen gründeten dann am 1. April 1919 die Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung m.b.H. (Degesch) Berlin. Im Mai 1920 zog die Gesellschaft von Berlin nach Frankfurt am Main um und ernannte Walter Heerdt, der maßgeblich an der technischen Entwicklung des ZyklonVerfahrens, insbesondere von Zyklon B, beteiligt war, zum Geschäftsführer. Die wirtschaftliche Inflation nach dem Ersten Weltkrieg erforderte eine Privatisierung der Degesch, welche in Folge zu hundert Prozent von der Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt im Oktober 1922 übernommen wurde.136 Von dort erfolgte 1925 auch die Reorganisation der Degesch, wobei man die Produktpalette der Schädlingsbekämpfungsmittel stark einschränkte und sich auf das wachsende Geschäft hochwirksamer Gase konzentrierte.137 Zwei weitere Verfahren führten dann endgültig dazu, dass die Degesch auf dem Gebiet der Großraumbegasung im In- und Ausland Marktführer wurde. Zum einen schloss sie am 10. Februar 1930 mit der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft einen Vertrag, um von der Entwicklungsarbeit in der Abteilung für Pflanzenschutz in Leverkusen besser profitieren sowie auch die von der I .G. Farbenindustrie AG entwickelten Begasungsmittel Calcid und Aethylenoxyd (heute: Ethylenoxid; siehe Glossar) in ihr Angebot mit aufnehmen zu können. 134 135 136 137

Vgl. Ebbinghaus 1998, 39. Ebd., 40. Ebd., 41. Ebd., 43.

136

Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Zum anderen wurde neun Monate später im November 1930 die Th. Goldschmidt A. G. aus Essen in die neue Firmenstruktur integriert, indem die Degesch und die I. G. Farben Gesellschafteranteile an die Th. Goldschmidt A. G. abtraten. Diese hatte das T-Gas, ein Gemisch aus Ethylenoxid und Kohlenstoffdioxid (s. Glossar) entwickelt. Es war besonders für „Kleinraumdurchgasungen“ wie Wohnungen usw. geeignet und dadurch in Konkurrenz zum Zyklon-Verfahren getreten. Die Firmenstruktur der Degesch, bestehend aus der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, der Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt sowie der Th. Goldschmidt A. G., bestand bis 1945.138 Die Gefahr von Epidemien und sich ausbreitenden Seuchen in von Arbeitern bewohnten Unterkünften wurde demnach deutlich erkannt und ernst genommen. Ausgehend von diesen Begleiterscheinungen wird durch die Kontaktaufnahme der Firma Degesch zum Staatlichen Museum für Völkerkunde in der Königgrätzer Straße wiederum deutlich, dass auch hier nach neuen Absatzmärkten für das T-Gas gesucht wurde. Vier Monate nach Gründung wandte sich die Firma im April 1919 von ihrem Berliner Firmensitz in der Wilhelmstraße schriftlich an das Museum, obwohl man in unmittelbarer Nachbarschaft nur zehn Minuten fußläufig voneinander entfernt agierte. Dem Schreiben vom 5. August 1919 fehlen sowohl die Anrede wie auch einleitende Worte, hingegen wird ohne Umschweife ein „Blausäuregasverfahren zur Bekämpfung von Ungeziefer“ mit dem Hinweis angeboten, dass man bereits in Wohnungen und Fabriken damit gute Erfahrungen gemacht habe.139 Bemerkenswert sind die zahlreichen Anhänge zu diesem Schreiben, die zeigen, wie aufdringlich die Firma Degesch ihre Dienstleistungen anbot. Es handelt sich dabei zunächst um Artikel und Merkblätter, die allesamt von der Deutschen Gesellschaft für Entomologie e. V. und ihrem Fachblatt, der Zeitschrift für angewandte Entomologie, herausgegeben wurden. In den von namhaften Naturwissenschaftlern der damaligen Zeit veröffentlichten Publikationen ging es vornehmlich um die Bekämpfung der Kleidermotte, der Mehlmotte und der Bettwanze sowie um die Bekämpfung des sich verbreitenden Fleckfiebers durch die Kleiderlaus mit Cyanwasserstoff.140 Alle 138 Ebd., 44–45. 139 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 800/19. Heerdt, Walter. Werbeschreiben der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung m. b. H. zur Mottenbekämpfung vom 05.08.1919 mit Anhängen. Brief, 1 Seite, ohne Paginierung; Allgemeine Geschäftsbedingungen, 5 Seiten, ohne Paginierung; Antragsformular auf Durchgasung, 1 Seite, ohne Paginierung; Auftragsformular zur Durchgasung, 1 Seite, ohne Paginierung. 140 Andres Ad. ohne Jahresangabe: Andres, Ad. (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Bekämpfung der Kleidermotte (Tineola biselliella) durch Blausäure. In: Zeitschrift für angewandte Entomologie. Sonder-Abdruck, Bd. 4 (3), 1–3; Hase ausgegeben 1916: Hase, Albrecht. Der Verbreiter des Fleckfiebers. Die Kleiderlaus. In: Merkblatt der Deutschen Gesellschaft für angewandte Entomologie e. V., 1916, Nr. 1 (Serie I), 1–8; Frickhinger 1918: Frickhinger, Hans Walter. Blausäure im Kampf gegen die Mehlmotte (Ephestia Kuehni-

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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Publikationen weisen deutlich auf die schlechten Lebensbedingungen in den großen Metropolen hin. Auch die im Anhang befindlichen Allgemeinen Bedingungen für die Durchgasung von Gebäuden mit Blausäuregas zeigen mit ihrer in zwanzig Punkten gegliederten Struktur, dass es sich bei der Degesch Berlin um ein profitorientiertes Unternehmen handelte. Unaufgefordert wurden mit derselben Post gleich ein Auftrag zur Durchgasung wie auch ein Antrag auf Ausführung einer Durchgasung mit Blausäuregas mitgeliefert.141 Anhand der zur Verfügung stehenden Quellen konnte leider nicht geklärt werden, ob demgemäß eine Begasung im Staatlichen Museum für Völkerkunde durch die Firma Degesch zum damaligen Zeitpunkt durchgeführt wurde. In der Vorgehensweise der Firma ist aber gegenüber der Werbekampagne von Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft eine deutlich gesteigerte Vermarktungsstrategie erkennbar. Für den Einsatz von Begasungsmitteln zur Schädlingsbekämpfung werden als Referenzen ausschließlich fachliche Urteile aus Wissenschaft und Forschung herangezogen. Von den Mitarbeitern wurden nachweislich auch seit 1914 Begasungsverfahren in Eigenregie durchgeführt. So füllte man Schwefelkohlenstoff in offene Schalen und stellte diese anschließend in Schränke bzw. in eigens dafür hergestellte Begasungskisten. Durch hermetisches Verschließen einer Kiste oder eines ganzen Raumes konnten in kurzer Zeit sogar größere Objektkonvolute bei akutem Befall oder auch präventiv behandelt werden.142 Experimente und eigene Versuche über die benötigten Mengen und die Verweildauer der Flüssigkeit in den Behältnissen hatten bereits ab dem Jahr 1910 zu Kontakten mit Bolle geführt.143 Erwähnt seien abschließend die Recherchen von Mitarbeitern im Berliner Museum für Völkerkunde zur Erweiterung des eigenen Wissens zur Schädlingsbekämpfung. Dabei erwies sich der Standortvorteil in der preußischen Metropole Berlin als ella Zeller). In: Zeitschrift für angewandte Entomologie, 1918, 4. Bd. (1), mit 4 Textabbildungen, 129–140; Hase ausgegeben 1917: Hase, Albrecht. Die Bettwanze und ihre Bekämpfung. In: Merkblatt der Deutschen Gesellschaft für angewandte Entomologie e.V., 1917, Nr. 4 (Serie I), 1–8. 141 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1. E. Nr. 800/19. Heerdt, Walter. Antragsformular auf Durchgasung und Auftragsformular zur Durchgasung zur Mottenbekämpfung vom 05.08.1919, 2 Seiten, ohne Paginierung. 142 Vgl. Rathgen 1924, 142–143. 143 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1, E. Nr. 1360/10. Experimente und Versuche des Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin mit der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation in Görz. Inspektor der k. k. Versuchsstation (Name unleserlich). Brief vom 02.07.1910, 1 Seite, ohne Paginierung; Luschan von, Felix. Brief vom 07.01.1911, Blatt 1, 1 Seite; Luschan von, Felix. Brief vom 24.01.1911, Blatt 3–4, 2 Seiten; Bolle, Johann. Brief vom 19.01.1911, Blatt 2, 2 Seiten; Eichhorn, August. Brief vom 02.01.1911, Blatt 5, 1 Seite.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

förderlich. So befand sich die Gesellschaft für Vorratsschutz e. V. in Berlin-Steglitz. Sie bildete eine ideale Plattform für den Wissensaustausch zu den neuesten Forschungen auf diesem Gebiet für Wissenschaftler, Praktiker sowie für Mitglieder im In- und Ausland. Ein Exemplar der Mitteilungen der Gesellschaft für Vorratsschutz e. V. ging am 5. Januar 1927 bei den Staatlichen Museen zu Berlin ein und musste im Umlaufverfahren von allen Direktoren der Abteilungen des Museums gelesen und abgezeichnet werden. Flury144 erläutert darin die gesundheitlichen Gefahren im Umgang mit Gasen; Janisch aus Berlin-Dahlem stellt einen einfach zu bauenden Kasten zur Entwesung von Waren in Kleinbetrieben vor; der Vorsitzende der Gesellschaft für Vorratsschutz e. V., Zacher, erklärt das Kälteverfahren zur Konservierung von Pelzen; und schließlich empfiehlt Kleine von der Hauptstelle für Pflanzenschutz in Stettin ein Produkt namens Eryl gegen die Kornkäferplage.145 Weiterhin wirbt Zacher für eine Mitgliedschaft in der Gesellschaft für Vorratsschutz e. V. sowie für die Bestellung eines Abonnements seiner Zeitschrift. In den unterschiedlichen Beiträgen von Fachgelehrten und Praktikern sieht er nicht nur eine ideale Verbindung von Wissenschaft und Praxis im In- und Ausland, sondern er betont auch, dass in seiner Zeitschrift der neueste Stand von Forschung und Technik dargestellt wird. In gewerblichen Anzeigen am Ende dieser Zeitschrift empfehlen die Chemischen Werke in Berlin-Marienfelde diverse Mittel, in denen Schwefeldioxid enthalten ist; die Wilhelm Dönne Blechwarenfabrik aus Berlin bietet den Bau von Begasungskästen an und die mittlerweile wirtschaftlich eng zusammenarbeitenden Firmen Bayer, Agfa und I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft werben gemeinsam für unterschiedliche Mittel. Darunter wird Areginal gegen Vorratsschädlinge und Diametan zur Vergasung von Hausungeziefer aller Art angeboten. Die Degesch empfiehlt sich mit „Zyklon B zur Vernichtung aller Vorratsschädlinge“ und weist auf ihre Vertretungen östlich der Elbe, die Firma Tesch & Stabenow, Internationale Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung m. b. H. sowie die Firma Heerdt-Lingler G. m. b. H. in Frankfurt am Main, westlich der Elbe, hin.146 Aus einer Mischung von wissenschaftlichen Beiträgen und kommerzieller Produktwerbung bezog man auf diese Weise im Berliner Museum für Völkerkunde weitere Informationen aus anderen Fachgebieten und erweiterte damit den eigenen fachlichen Horizont hinsichtlich vorbeugender und bekämpfender Maßnahmen gegen Schadinsekten.

144 Zu Ferdinand Flury siehe Kapitel 1.6.4 Der Erste Weltkrieg, Fußnote 118. 145 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1, E. Nr. 6/27. Anonymus. Mitteilungen der Gesellschaft für Vorratsschutz e. V., November 1926, Heft Nr. 6, 2. Jahrgang, 69–80. Eingang der Zeitschrift bei den Staatlichen Museen zu Berlin am 05.01.1927. Umlauf mit Unterschriften, 1 Seite, ohne Paginierung. 146 Ebd., 78–80.

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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Tabelle 6: Netzwerke/Aktivitäten von Industrie, Handel sowie naturwissenschaftlichen und behördlichen Einrichtungen in der Zeit von 1905 bis 1930 hinsichtlich Autan, Dichlorbenzol „Agfa“/Globol sowie diverser Begasungsmittel.

Chrono- Stadt logie 04.08.1905 Elberfeld & Leverkusen

Einrichtung

1913–1914

Berlin

Suche nach unbeActiengeAbsatzmärk- kannt sellschaft ten für AnilinFabrikation (AGFA) Pharmaceutische Abteilung

10.10.1913

Hamburg

Museum für Völkerkunde

Oktober 1913

Berlin

Königliches Museum für Völkerkunde

1914–1918

Leipzig

Fritz Schulz jun.

Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co. April 1908 Elberfeld Farbenfabri& Lever- ken, vormals kusen Friedrich Bayer & Co. Juli 1913 Berlin Königliches Museum für Völkerkunde

Tätigkeit

Person Wirkstoff/ Vernetzung/Aktivitäten Mittel Arthur AutanDesinfektion von Patent; Suche nach Eichen- Verfahren Wohnungen Absatzmärk- grün ten Anwendung unbe- AutanStaatliche Behörden und kannt Verfahren autorisieren das Mittel Verbreitung für die amtliche Desinfektion Lieferung von ProbeKontaktauf- August Autannahme mit Eich- Verfahren mengen für museumseigene Versuche Farbenfabri- horn ken, vormals Friedrich Bayer & Co. Dichlor- Werbebriefe, Prospekte benzol und Probetütchen wer„Agfa“ den verschickt u.a. an Königliches Museum für Völkerkunde zu Berlin; Museum für Völkerkunde Hamburg; Rautenstrauch-JoestMuseum Köln EmpfehGeorg Dichlor- Weiterleitung des lungsschrei- Thile- benzol Schreibens durch Agfa ben nius „Agfa“ an Königliches Museum für Völkerkunde zu Berlin Dichlor- Fordert große Menge Eigene Wilbenzol des Wirkstoffes an Versuche helm Eduard „Agfa“ Julius Krause Alleinverunbe- Globol Steigerung des Absatzes trieb kannt von Globol

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Actiengesellschaft für AnilinFabrikation (AGFA) Pharmaceutische Abteilung Fritz Schulz jun.

Alleinvertrieb Fritz Schulz jun.

unbekannt

Globol

Mitteilung über Alleinvertrieb an Königliches Museum für Völkerkunde

Alleinvertrieb

unbekannt

Globol

Königliches Museum für Völkerkunde Chemisches Laboratorium der Staatlichen Museen

Stellungnahme

Grünwedel; Junker

Globol

Massive Werbung für das Mittel an das Königliche Museum für Völkerkunde Mittel wird abgelehnt

Stellungnahme

Carl Brittner

Globol

Berlin

Technischer Ausschuss für Schädlingsbekämpfung (Tasch)

Gründung Staatliche Konzession

01.04.1919 Berlin

Deutsche Gesellschaft zur Schädlingsbekämpfung m.b.H. (Degesch)

Gründung

Zusammenschluss von Diverse staatlichen Behörden Begasungsmit- und der Industrie; untergeordnet dem tel Preußischen Kriegsministerium Zusammenschluss von Diverse Fritz KWI, Deutsche GoldHaber Begasungsmit- und Silber-Schei(Gedeanstalt, Badische schäfts- tel Anilin- und Sodafabrik führer) Ludwigshafen (BASF), Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen, Farbenwerke Meister, Lucius & Brüning und weitere Chemiefirmen

14.05.1914

Leipzig

1915–1920

Leipzig

16.01.1920 Berlin

24.08.1929 Berlin

15.02.1917

Fritz Haber

Wiedereinführung des Mittels bei den SMB unter Einhaltung des Arbeitsschutzes (Tragen von Atemschutzgeräten)

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

05.08.1919 Berlin

Deutsche Gesellschaft zur Schädlings-bekämpfung m.b.H. (Degesch)

Mai 1920

Frank­furt/M.

Oktober 1922

Frankfurt/M.

1925

Frankfurt/M.

Deutsche Gesellschaft zur Schädlingsbekämpfung m.b.H. (Degesch) Deutsche Gesellschaft zur Schädlingsbekämpfung m.b.H. (Degesch) Deutsche Gesellschaft zur Schädlingsbekämpfung m.b.H. (Degesch)

10.02. 1930

Frankfurt/M.

November Essen 1930

Vermarktung von Begasungsmitteln; Referenzen aus naturwissenschaftlichen Einrichtungen Umzug

Privatisierung

141

T-Gas; Kontaktaufnahme zum Fritz Haber Cyanwas- Staatlichen Museum für serstoff Völkerkunde zu Berlin (Geschäftsführer)

Walter Heerdt (Geschäftsführer)

Gilt als Erfinder des Zyklon B-Verfah- Zyklon B ren; Zyklon B

unbekannt

Diverse Begasungsmittel

Reorganisa- Walter tion Heerdt (Geschäftsführer) bis Ende 1925 Gemeinsa- unbemer Vertrag kannt

Degesch und I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft unbeTh. GoldIntegraschmidt A.G. tion in die kannt Firmenstruktur der Degesch

Übernahme durch Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt; Firmenname Degesch wird beibehalten

Konzentration auf Diverse hochwirksame Gase Begasungsmittel

Calcid; Ethylenoxid

Aufnahme der beiden Mittel in die Produktpalette der Degesch

T-Gas

Kleinraumdurchgasungen (Wohnungen); Konkurrenz zum Zyklon-Verfahren

142

Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

3.2.2 Entwicklungen und Experimente zur Schädlingsbekämpfung bei den Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin

Für die Frage, inwieweit im Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin eigene Mittel zur Schädlingsbekämpfung entwickelt und Versuche auf naturwissenschaftlicher Basis durchgeführt wurden, standen Quellen über die Zusammenarbeit des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde, des Chemischen Laboratoriums der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin sowie der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation in Görz zur Verfügung. Wilhelm Eduard Julius Krause war als erster Restaurator des Museums für Völkerkunde in die praktische Umsetzung von Versuchen über die Kuratoren des Museums sowie auch direkt über die Generaldirektion der Königlichen Museen zu Berlin eingebunden. In der hierarchischen Struktur der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin bedurfte es allerdings stets einer direktoralen Erlaubnis, wenn er eigene Versuche zur Schädlingsbekämpfung durchführen wollte.147 Dies galt auch für Empfehlungen zur Schädlingsbekämpfung von Friedrich Rathgen aus dem Chemischen Laboratorium. Seine Arbeitsweise in dem 1888 gegründeten naturwissenschaftlichen Labor wird im Folgenden dargestellt und diskutiert. Das Chemische Laboratorium der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin nahm auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung am Museum für Völkerkunde als naturwissenschaftliches Labor eine wichtige Stellung ein. Weltweit war es das erste seiner Art, welches sich ausschließlich der Konservierung von Museumsobjekten auf naturwissenschaftlicher Basis widmete.148 Nach mehrfachen Provisorien bezog das Labor seinen ersten Standort in den Kolonnaden der Nationalgalerie der Königlichen Museen zu Berlin.149/150 Friedrich Rathgen (1862–1942) wurde bereits im Alter von 26 Jahren der erste chemische Leiter des Labors. Zu seinen Mitarbeitern gehörte 147 Ebd. E. Nr. 345/12. Versuche zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin mit der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation in Görz. Krause, Wilhelm Eduard Julius. 2 Aktennotizen von Wilhelm Eduard Julius Krause vom 27.02.1912 und vom 08.03.1913, 1 Seite, ohne Paginierung; Grünwedel, Albert. 2 Randnotizen vom 27.02.1912 und vom 08.03.1912; 1 Seite, ohne Paginierung. 148 Bracchi 2013: Bracchi, Eva. Der erste Chemiker in Sachen Kunst. In: Jahrbuch Preußischer Kulturbesitz, 49 (2013), 258–268; Gilberg 1987: Gilberg, Mark. Friedrich Rathgen: The Father of Modern Archeological Conservation. In: Journal of the American Institute for Conservation, 1987, 2 (26), 105–120. Online verfügbar unter http://cool.conservationus.org/jaic/articles/jaic26-02-004.html (Zugriff: 17.04.2017). 149 Unger et al. 1988: Unger, Achim; Jakob, Georg; Debbert, Lothar. Vor 100 Jahren: Gründung des ersten Museumlabors der Welt. In: Neue Museumskunde, 1988, (2), 132–135. 150 Vgl. Peltz 2017, 55–67.

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Abb. 7: Friedrich Rathgen, Leiter des Chemischen Laboratoriums von 1888–1927.

u.a. Carl Brittner, der nach Rathgens Pensionierung im Jahr 1928 dessen Nachfolger wurde. Die Umbenennung in Rathgen-Forschungslabor fand erst im Jahr 1975 nach dem Zweiten Weltkrieg bei seiner Wiedereröffnung in Berlin-Charlottenburg statt.151 Rathgens vornehmliche Aufgabe bestand zunächst in der Entwicklung von Verfahren und Methoden zur Konservierung von archäologischen Funden und Artefakten aus anorganischen Materialien. Dafür besuchte er im Auftrag der Generalverwaltung der Königlichen Museen zu Berlin zahlreiche Museen im In- und Ausland, um sich hinsichtlich der dort praktizierten Methoden zur Konservierung von Museumsobjekten sachkundig zu machen.152 Im Ergebnis publizierte er im Jahr 1898 sein Standardwerk Die Konservirung von Alterthumsfunden. Die hierin beschriebenen chemischen Substanzen zur Konservierung von musealen Objekten wurden auch nachweislich von ihm bestellt, so dass davon ausgegangen wird, dass sie auch verwendet wurden.153 Er gehörte in seiner Zeit zu den wenigen Spezialisten in musealen Einrichtungen und nahm in diesem Zusammenhang an nationalen und inter151 Maertins 2005: Maertins, Katharina. Rathgen-Forschungslabor. Unveröffentlichte Quelle. Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen Berlin. 11. 152 Rathgen 1896: Rathgen, Friedrich. Vortrag des Herrn Dr. Rathgen: Reiseerinnerungen. Mit 6 Abbildungen. Versammlung am 20.02.1896. In: Polytechnisches Centralblatt. Organ der Polytechnischen Gesellschaft zu Berlin, 57. Jahrgang der Gesamtfolge, 1896, (11), 125–127. 153 Vgl. Bracchi 2013, 261.

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nationalen Tagungen, Konferenzen sowie an einschlägigen Versammlungen teil. Die Präsentation seiner Forschungen vor einem Fachpublikum gehörte mit zu seinen dienstlichen Aufgaben als Direktor des Labors.154 Familiäre Verbindungen innerhalb des europäischen Adels ermöglichten es Friedrich Rathgen sogar, einer Einladung der Herzogin von Mecklenburg auf ihr Schloss Bogensperk nach Slowenien zu folgen und sie dort bei ihren Ausgrabungen fachlich zu begleiten und die Funde konservatorisch zu betreuen.155 Das Chemische Laboratorium zog sowohl bewundernde wie auch neidische Blicke aus dem Ausland auf sich. So berichtete Walter Reid, ein Teilnehmer während der dreizehnten Versammlung der Royal Society of Arts in London im Jahre 1922, über eine Einladung der Staatlichen Museum zu Berlin und seinen Besuch im Chemischen Laboratorium. Von dieser Einrichtung mit ihrer technischen und naturwissenschaftlichen Ausrüstung war er so begeistert, dass er sich öffentlich für die Rückständigkeit seiner Heimat Großbritannien schämte.156 Nicht ohne Grund war die deutsche Sprache zu Beginn des 20. Jahrhunderts die führende Wissenschaftssprache,157 weshalb Rathgens Manual sehr bald nach seinem Erscheinen auch international wahrgenommen werden konnte. Das Interesse an seinem Standardwerk war so hoch, dass es bereits 1905 in die englische Sprache übersetzt wurde.158 Das Aufgabengebiet von Rathgen erweiterte sich sehr bald um das der Schädlingsbekämpfung, vornehmlich für das Museum für Völkerkunde. Ziel war es u.a., die überwiegend aus organischen Materialien bestehenden Sammlungen in Zusammenarbeit mit dem ebenfalls zum 154 Bracchi 2014: Bracchi, Eva. Friedrich Rathgen, Pionier der modernen archäologischen Restaurierung. In: Berliner Beiträge zur Archäometrie, Kunsttechnologie und Konservierungswissenschaft, 2014, (22), 6. 155 Nemecek 2013: Nemecek, Natasa. Friedrich Rathgen and his Impact on Slovenian Conservation in the Beginning of the Twentieth Century. In: CeROArt [En ligne]. Online verfügbar unter http://ceroart.revues.org/3686 (Zugriff: 27.10.2021). 156 Scott 1922: Scott, Alexander. The Restoration and Preservation of Objects at the British Museum. In: Journal of the Royal Society of Arts, 24. März 1922, (LXX; No. 3618), 337. 157 Reinbothe 2011: Reinbothe, Roswitha. Geschichte des Deutschen als Wissenschaftssprache im 19. Jahrhundert. Vortrag bei einem Symposion an der Universität Bamberg am 15./16. Oktober 2009. Hg. v. Wieland Eins, Helmut Glück, Sabine Pretscher. Wissen schaffen – Wissen kommunizieren. Wissenschaftssprachen in Geschichte und Gegenwart. Harrassowitz Verlag. Wiesbaden, 49–52. Online verfügbar unter https://www. observatoireplurilinguisme.eu/images/Education/Enseignement_superieur/reinbothegeschichte_des_deutschen_als_wissenschaftssprache.pdf (Zugriff: 27.10.2021). 158 Rathgen 1898: Rathgen, Friedrich. Die Konservirung von Alterthumsfunden. 1. Aufl. Berlin: W. Spemann (Handbücher der Staatlichen Museen zu Berlin); Rathgen 1905: Rathgen, Friedrich. The Preservation of Antiquities. A Handbook for Curators. Translated by the permission of the authorities of the Royal Museums. Übersetzt von George A. Auden und Harold A. Auden. Cambridge: University Press.

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wissenschaftlichen Stab gehörenden Restaurator Wilhelm Eduard Julius Krause vor Schadinsekten zu schützen und zu konservieren.159 Konsequenterweise publizierte Rathgen einen zweiten und dritten Teil seines Handbuchs sowie eine Ergänzung zu den drei Teilen in den Jahren 1924 und 1926.160 Darin enthalten sind Anleitungen zur Konservierung von Gegenständen aus organischen Stoffen. Die aus Industrie und Handel angebotenen Schädlingsbekämpfungsmittel waren offensichtlich für Rathgen Anlass, industriell eingesetzte Substanzen in seinem Chemischen Laboratorium hinsichtlich ihrer Verwendung in der Konservierung zur Bekämpfung von Schadinsekten zu untersuchen. Dazu experimentierte er u.a. mit Tetrachlorkohlenstoff. Trotz seines höheren Preises gegenüber Benzin sah er in ihm den großen Vorteil, dass diese Substanz weder in flüssigem noch in dampfförmigem Zustand brennbar ist.161 Zur Überprüfung, ob die Dämpfe des Tetrachlorkohlenstoffs eine schädigende Wirkung auf sensible Oberflächen von Kunstwerken haben, führte er eine Studie mit 64 mineralischen Farben durch. Er trug sie mit Leimwasser bzw. mit Leinölfirnis auf Fließpapier und zerschnitt die Proben in einzelne Streifen. Daraufhin wurden sie ein Jahr lang konzentrierter Schwefelsäure (heute: Dihydrogensulfat; siehe Glossar) sowie Tetrachlorkohlenstoff in einer zuvor konditionierten, trockenen Luft ausgesetzt. Parallel wurden Teststreifen mit Tetrachlorkohlenstoff in eine normale atmosphärische Umgebung gelegt. Im Ergebnis stellte Rathgen fest, dass es Veränderungen bei den Bronzefarben Gold162 gab, Cobaltgelb veränderte seine Farbe ins Bräunliche. Auch bei den auf Leinölfirnis aufgetragenen Farben fanden bei vielen Proben Veränderungen durch Tetrachlorkohlenstoff statt. Rathgen führte dies auf eine chemische Reaktion der Dämpfe mit dem ebenfalls verbräunten frischen Leinöl zurück. Im Ergebnis riet er vom Gebrauch des Tetrachlorkohlenstoffs bei Farben, die Harze oder Firnis als Bindemittel enthalten, ab. Für gefärbte Wolle und Baumwolle führte er dasselbe Experiment durch, ohne Farbveränderun159 Otto 1979: Otto, Helmut. Das chemische Laboratorium der Königlichen Museen in Berlin. In: Berliner Beiträge zur Archäometrie, 1979, (4), 48–49. 160 Vgl. Rathgen 1924, 1–174; Rathgen 1926: Rathgen, Friedrich. Die Konservierung von Altertumsfunden/Stein und steinartige Stoffe. 3. umgearb. Aufl. Berlin. Walter de Gruyter & Co. (Handbücher der Staatlichen Museen zu Berlin, Teil 1). 161 Rathgen 1908b: Rathgen, Friedrich. Mitteilungen aus dem Laboratorium der Königlichen Museen zu Berlin. IV. Die Verwendung von Tetrachlorkohlenstoff in der Konservierungspraxis. In: Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, 1908, Bd. IV, 90–91. 162 Nach Rathgen enthielten diese Farben kein Gold, sondern sie bestanden nur aus Bronze. Siehe Rathgen 1911: Rathgen, Friedrich. Mitteilungen aus dem Chemischen Laboratorium der Königlichen Museen zu Berlin. VIII. Über die Verwendung von Tetrachlorkohlenstoff zur Abtötung von tierischen Schädlingen. In: Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, 1911, (Bd. VII), 219.

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gen festzustellen. Er weist abschließend darauf hin, dass gängiger Tetrachlorkohlenstoff immer geringfügige Mengen von Schwefelkohlenstoff enthält, weshalb er dazu rät, nur technisch reinen Tetrachlorkohlenstoff zu benutzen.163 Im Ergebnis zeigte sich, dass Tetrachlorkohlenstoff zur Schädlingsbekämpfung an Kunst- und Kulturgut nur eingeschränkt eingesetzt werden konnte. Auch luftdichte Museumsschränke sowie Vitrinen, die Rathgen gemeinsam mit der Dresdener Firma August Kühnscherf & Söhne entwickelte, empfahl er für die Präsentation von Objekten mit organischen Materialien wie Gewebestücken, Pelzen oder auch Federn. Präventiv sollte für derartige Objekte in die luftdichten Behältnisse zusätzlich eine Schale mit Kohlenstoffdisulifd oder Tetrachlorkohlenstoff gegen Angriffe von Schadinsekten eingestellt werden.164 Die spätere Abkehr von Begasungsmitteln wie Schwefelkohlenstoff oder Tetrachlorkohlenstoff ist durch Rathgens Nachfolger Carl Brittner belegt. Am 1. Februar 1936 bescheinigt er die Richtigkeit einer Lieferung von zehn Liter Areginal zur Verwendung in der „Schädlingsbekämpfungsanstalt in Berlin-Dahlem“.165 Während praktischer Maßnahmen zur Bekämpfung von Schadinsekten an Sammlungsgegenständen entstanden nicht zuletzt unvorhergesehene Schwierigkeiten. Im Fall einer vermutlich unsachgemäß durchgeführten Arbeit mit Quecksilber(II)-chlorid (Sublimat) an Objekten aus der Sammlung der Südsee führten sie zu erheblichen Diskussionen innerhalb der Königlichen Museen zu Berlin. Exemplarisch werden hier die internen, hierarchischen Strukturen zwischen dem Chemischen Laboratorium, dem Königlichen Museum für Völkerkunde sowie der Generaldirektion der Königlichen Museen aufgezeigt. Der Vorfall sowie die daraus resultierenden Folgen für den Restaurator Wilhelm Eduard Julius Krause wurden in einer für ihn angelegten Personalakte festgehalten. Zu Beginn des Jahres 1914 war Krause mit der Konservierung von Federschilden aus der Sammlung Richard Thurnwald von der Kaiserin-Augusta-Fluss-Expedition (1912–1913) beauftragt worden. Im selben Jahr teilte August Eichhorn, zu dieser Zeit wissenschaftlicher Hilfsarbeiter166 der Ozeanischen Abteilung, dem General163 Vgl. Rathgen 1911, 219–220. 164 Rathgen 1908a: Rathgen, Friedrich: Luftdichte Museumsschränke. In: Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, 1908, (Heft V), 97–102. 165 SMB-ZA. I/GV 1399. Beleg zur Verwaltungsrechnung für das Rechnungsjahr 1935, Nr. 461–550. Kap. 154. Tit. 26. Loseblattsammlung. Bayer I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft Rechnungsjahr 1935. Rechnung vom 15.01.1936 an das Chemische Laboratorium der Staatlichen Museen zu Berlin für AREGINAL, 1 Seite, ohne Paginierung. 166 Der Begriff des wissenschaftlichen Hilfsarbeiters entspricht dem heutigen Terminus des wissenschaftlichen Mitarbeiters (Anm. d. Verf.).

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direktor von Bode Ende Februar mit, dass Federschilde, die zur konservatorischen Bearbeitung an den Restaurator Krause und seinen Hilfsarbeiter Strebe (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) übergeben worden waren, nunmehr verfärbt und verunstaltet zurückgebracht worden waren.167 Krause musste hierzu schriftlich Stellung beziehen und teilte mit, dass er zur Bekämpfung holzzerstörender Insekten sowie zur Vorbeugung gegen weiteren Befall die Gegenstände vierzehn Tage lang in einem luftdicht verschließbaren Rohr, welches sich im Raum Nr. 40 des Museums befand, den Dämpfen von Schwefelkohlenstoff ausgesetzt hatte. Präventiv wurde von ihm danach mit Hilfe einer Tropfflasche eine Sublimatlösung, die 20 % Alkohol enthielt, auf die oberen, weißen Federn des Schildes aufgetragen. Die Verbräunung von ehemals weißen Federn führte er nicht auf seine Behandlung, sondern auf Umstände, die sich bereits im Ursprungsland bzw. auf dem Transport nach Berlin ergeben haben mussten, zurück. Des Weiteren erklärte er in seinem Bericht an Albert Grünwedel, dass die teils noch verklebten Federn von ihm nicht mehr nach ihrer Trocknung mit einem Pinsel gebürstet werden konnten, da es in der Werkstatt vorübergehend an Platz mangelte und man zudem in der Ozeanischen Abteilung auf Rückgabe der Stücke drängte, da Besuch von Abgeordneten erwartet wurde.168 Diese Angelegenheit unterzog man einer genauen Prüfung, wofür Rathgen aus dem Museum einen behandelten Federschild (VI Nls 3758, andere Nr. 1102) sowie einen ähnlichen, nicht behandelten Federschild (VI 38599, andere Nr. 1124) und ein bemaltes Stück Baumrinde (andere Nr. 5394 a, b) für Vergleichszwecke erhielt.169 Mit diesen Referenzstücken führte er eine Reihe von Versuchen durch170 und be167 SMB-PK, EM. I/MV 932, E. Nr. 324/14. Königliche Museen zu Berlin 1914. Personalakte Wilhelm Eduard Julius Krause von 1914. Eichhorn, August. Schreiben an Wilhelm Bode vom 24.02.1914, 1 Seite, rechte Spalte, ohne Paginierung. 168 Ebd. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Stellungnahme vom 02.03.1914, 2 Seiten, ohne Paginierung. 169 Ebd. Eichhorn, August. Aktennotiz vom 09.03.1914, Blatt 2, 1 Seite, 5 Zeilen. 170 Rathgen benutzte für seine Experimente den von Krause verwendeten Alkohol, seine Sublimatlösung, flüssigen Schwefelkohlenstoff aus dem Museum sowie gewöhnliche weiße Federn. Weder der Bast noch die Federn färbten sich in Verbindung mit den Flüssigkeiten braun. Daraufhin ließ er parallel drei weiße Hühnerfedern im Raum Nr. 40 des Museums für einige Tage aufhängen. Eine der Federn wurde für dieses Experiment zuvor mit dem von Krause verwendeten Alkohol angefeuchtet. Damit wurde untersucht, ob mit Schwefelkohlenstoff verunreinigte Luft die Verbräunung der Federn hervorgerufen hatte. Trotz einer Wiederholung verlief auch dieser Versuch negativ. Auf diesem Wege konnte kein Beweis geführt werden, und Rathgen vermutete, dass zur Tränkung der Federschilde versehentlich doch eine andere Flüssigkeit verwendet wurde. Auch die Einwirkung von anderen Gasen nach erfolgter Tränkung mit der Sublimatlösung schloss er als Ursache für die nunmehr verbräunten Federn nicht aus. Als Indiz hierfür sah er die weißen Federn am Federschild, deren freiliegende Teile lediglich bräunlich

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tonte nach Abschluss der Experimente, dass die Braunfärbung der Federn nur einen Teil des Schadens darstelle. Sie hätten ferner auch darunter gelitten, dass sie nass geworden seien. Diesen Umstand führte er auf die Behandlung mit der Tropfflasche zurück. Nach seiner Meinung sollte der Auftrag einer Sublimatlösung ausschließlich mit einem Sprühapparat erfolgen und dies auch mehrfach nach der jeweiligen Trocknung des vorangegangenen Auftrages. Da diese Behandlung aber lediglich die oberen Partien der Federn schütze und nicht in die darunterliegenden Federn sowie den Bast oder auch das Holz gelangen könne, riet Rathgen von dieser Form der präventiven Maßnahme gänzlich ab. Krause wurde abschließend von Grünwedel um eine Stellungnahme gebeten. Seinen Ausführungen ist zu entnehmen, dass das Auftragen von Sublimatlösungen mittels einer Sprühflasche wesentlich gefährlicher war, da das giftige Sublimat dadurch intensiver eingeatmet wurde als beim Auftrag mit einer Tropfflasche. Als Folge berichtete Krause von gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Schnupfen und Bronchialkatharr mit blutigem Auswurf.171 Rathgen bestätigte diese gesundheitlichen Symptome und riet zu einer jährlichen, zwei- bis viermaligen präventiven Behandlung mit Schwefelkohlenstoff.172 Obwohl schädigende Symptome bekannt waren, wurde dieser Wirkstoff weiter von Rathgen empfohlen und eingesetzt. Die Generaldirektion erteilte Krause abschließend aufgrund einer mangelhaft ausgeführten Konservierung einen Verweis, der ihm

geworden waren. Rathgen sah hier die Folge einer chemischen Reaktion, in deren Ergebnis sich Sublimat (Quecksilber(II)-chlorid) in Schwefelquecksilber (Quecksilbersulfid) umgewandelt haben könnte. Da Federn inhärent Schwefel enthalten, wäre aber ein zerstörungsfreier Nachweis an dieser Stelle nicht möglich gewesen. Auch wären das Quecksilbersulfid sowie der Schwefel der Feder dabei zerstört worden, so dass letztlich der Beweis, ob der Schwefel aus den Federn oder aus dem Quecksilbersulfid stammte, nicht erbracht werden konnte. In einem letzten Versuch verwendete Rathgen stark verdünnten Schwefelwasserstoff (Wasserstoffsulfid). Er benetzte eine weiße Feder, die er mit einer 2-%igen Sublimatlösung tränkte und setzte sie über Wochen in einer feuchten Umgebung dem Schwefelwasserstoff (Wasserstoffsulfid) aus. Dadurch wurde eine Braunfärbung erzielt, die allerdings schwächer als die der Federn des Schildes war. Vgl. hierzu: SMB-PK, EM. I/MV 932, zu E. Nr. 324/14. Königliche Museen zu Berlin 1914. Personalakte Wilhelm Eduard Julius Krause von 1914. Rathgen, Friedrich. Bericht vom 24.03.1914, 3 Seiten, ohne Paginierung; ebd. Eichhorn, August. Genehmigung vom 27.03.1914 drei weitere Federn an Rathgen zu senden, 1 Seite, ohne Paginierung, 2 Zeilen; ebd. Rathgen, Friedrich. Bericht vom 24.04.1914, Blatt 5, 4 Seiten, Seite 14–17 der Akte. 171 Ebd. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Bericht vom 06.05.1914, Blatt 6, 2 Seiten. 172 Ebd. Rathgen, Friedrich. Aktennotiz vom 16.05.1914, 1 Seite, ohne Paginierung, 10 Zeilen.

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durch Grünwedel am 5. September 1914 übermittelt wurde.173 In einem internen Bürojournal des Königlichen Museums für Völkerkunde aus dem Jahr 1914 hält der damalige wissenschaftliche Mitarbeiter Eichhorn unter der laufenden Nummer 324 eine „Anzeige wegen mangelhafter Konservierung der Gegenstände durch den Konservator“ fest. Eine Löschung des Eintrags erfolgte ebenfalls am 5. September 1914 mit dem Vermerk „Secret“.174 Nach Aktenlage bleibt unbeantwortet, ob das Streben nach einer gewissen Eigenständigkeit in der Konservierung ethnologischer Objekte oder schlicht eine Nachlässigkeit während der durchgeführten Maßnahmen an den Federschilden aus Ozeanien zu einem mangelhaften Ergebnis in der Konservierung geführt haben. Belegt ist jedoch die Tatsache, dass Rathgen nicht in allen fachlichen Fragen mit Krause übereinstimmte. In einem Zeitschriftenbeitrag hatte er sich bereits im Jahr 1903 missbilligend über seinen Kollegen und dessen Konservierungsmethoden zu Eisenfunden geäußert.175 Wie viel Aufmerksamkeit kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges dem hier geschilderten Vorfall gewidmet wurde, erscheint jedoch äußerst bemerkenswert. Externe Unterstützung in der Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung erfuhren die Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin von einer in der heutigen Konservierungswissenschaft gänzlich unbekannten Persönlichkeit. Der Gründungsdirektor der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation in Görz, Johann (Giovanni) Bolle (geb. 16.01.1850, gest. 02.09.1924) war zu seiner Zeit eine schillernde Persönlichkeit und von großer Bedeutung für die Textilindustrie und für die Landwirtschaft. Mit seiner Expertise stellte er sich auch in den Dienst der Museen und entwickelte sich zu einem wichtigen Partner für das Berliner Museum hinsichtlich präventiver und bekämpfender Maßnahmen von Schadinsekten an Sammlungsgegenständen. Landwirtschaftliche Forschungseinrichtungen zur Steigerung von Erträgen für eine stets wachsende Bevölkerung entstanden an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert an vielen Orten in Deutschland und Europa.176 Bolle verfolgte seine Ziele 173 Ebd. Stubenrauch, Kurt. Schreiben ohne Datum, 2 Seiten, ohne Paginierung; Grünwedel, Albert. Aktennotiz vom 05.09.1914, 1 Seite, ohne Paginierung, 2 Zeilen. 174 SMB-PK, EM, Laufende Nummer 324. Bürojournal des Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin. Eichhorn 05.09.1914, August. Anzeige vom 05.09.1914 gegen den Konservator Wilhelm Eduard Julius Krause sowie Löschung des Eintrags. 1 Tabelle mit 2 Einträgen, 1 Spalte. 175 Rathgen 1903: Rathgen, Friedrich. Konservierung von Altertumsfunden aus Eisen und Bronze. In: Chemiker-Zeitung, 1903, (56), 704. 176 Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten 2013: 125 Jahre Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten e. V. Eine Dokumentation. Darmstadt: VDLUFA-Verl. (VDLUFASchriftenreihe, 69), 17–24.

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jedoch mit großem Engagement und war Auslöser für eine Vernetzung von landwirtschaftlichen und kulturellen Einrichtungen auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung. Er war gebürtiger Slowene und absolvierte von 1867 bis 1870 die chemisch-technische Fachschule in Graz. Ab dem Jahr 1871 arbeitete er als Botaniker an der kaiserlich königlichen Seidenbauversuchsstation in Görz, deren Leiter er im Jahr 1880 wurde. Zu seinen besonderen Verdiensten gehören die Bekämpfung von Schadinsekten im Wein- und Obstbau sowie die Erforschung der rationellen Aufzucht von Seidenraupen.177 Er erweiterte unablässig das Aufgabengebiet der Versuchsstation in Hinblick auf die Schädlingsbekämpfung für die Landwirtschaft, wodurch die Einrichtung im Jahre 1891 umstrukturiert und Bolle zum Direktor der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation in Görz ernannt wurde. Während seiner Amtszeit führten ihn zahlreiche Reisen zur Erforschung von Pflanzen- und Baumschädlingen nach Deutschland, Frankreich, in die Schweiz sowie nach Asien und Nordamerika.178 Dabei interessierte sich Bolle nicht nur für den Pflanzenschutz und eine Intensivierung der Landwirtschaft, sondern er besuchte auch zahlreiche Museen und naturwissenschaftliche Sammlungen im gesamten europäischen Raum. Er studierte vor Ort die angewandten Methoden zur Bekämpfung von Schädlingen und sorgte für die Verbreitung seines Wissens. Dass Bolle auch weit über seine Amtszeit hinaus aktiv war, ist seiner ausführlichen Publikation über Die Ermittlung der Wirksamkeit von insektentötenden Mitteln gegen die Nagekäfer des verarbeiteten Werkholzes zu entnehmen. Hier diskutiert er zusammenfassend seine Erfahrungen aus jahrelangen Versuchen.179 Er betont darin, dass Blattmetalle oder Metallfolien in Verbindung mit den Dämpfen von Schwefelkohlenstoff verbräunen, da durch eine chemische Reaktion Schwefelwasserstoff (heute Wasserstoffsulfid; siehe Glossar) entsteht. Damit bestätigt Bolle unabhängig die Expertise von Rathgen. Seine Kompetenz setzte er auch bei der Bewertung von 177 Bolle 1882: Bolle, Johann. Die Mittel zur Bekämpfung der Reblaus (Phylloxera vastatrix). Görz: Verl. der k. k. Seiden- und Weinbau-Versuchsstation; Bolle 1892: Bolle, Johann. Ausführliche Anleitung zur rationellen Aufzucht der Seidenraupe. Berlin: Gramsch; Bolle 1898: Bolle, Johann. Der Seidenbau in Japan. Budapest: Hartleben; Bolle 1899: Bolle, Johann. Der Seidenspinner des Maulbeerbaumes, seine Aufzucht seine Krankheiten und die Mittel zu ihrer Bekämpfung. Vortrag. Wien: Selbstverl. Vorträge des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien. XXXIX. Jahrgang, Heft 4; Bolle und Mewis 1892: Bolle, Johann; Mewis, F. A. Ausführliche Anleitung zur rationellen Aufzucht der Seidenraupe. Berlin: A. Gramsch. 178 Anonymus 1913b: Personalnachrichten. In: Zeitschrift für das Landwirtschaftliche Versuchswesen in Österreich, 1913, (XVI), 39–40. 179 Bolle 1919: Bolle, Johann. Die Ermittlung der Wirksamkeit von insektentötenden Mitteln gegen die Nagekäfer des verarbeiteten Werkholzes. In: Zeitschrift für angewandte Entomologie, 1919, Bd. 5, 105–117.

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Verbräunungen an polychromen Kunstwerken ein, wenn für deren Fassungen beispielsweise Bleiweiß verwendet worden war. In einem Fall betätigte er sich sogar als Restaurator an zwei weiß gefassten Statuen, die nach einer Behandlung verbräunte Gesichter aufwiesen. Er deckte die Gesichter mit Leinwandstreifen ab und träufelte darüber eine Lösung aus Wasserstoffperoxyd, wodurch nach seiner Beschreibung die Gesichtsfarben wieder frisch und rosig wurden.180 Er befürwortet in dieser Publikation unter allen Wirkstoffen und Mitteln den Schwefelkohlenstoff als am besten geeignet. Dabei diskutiert er den großen Vorteil des Stoffs, sobald er mit herabgesetztem Luftdruck eingesetzt wird. Dadurch müsse die Flüssigkeit nur zwei Stunden auf die Sammlungsgegenstände einwirken. Erforderlich seien allerdings kostspielige Begasungsanlagen, die sich nicht jedes Museum leisten könne. Er erwähnt Museen in Dresden, Stockholm und Köln, die bereits über eine derartige Anlage verfügten.181 Durch eine kurze Notiz in der Chemiker Zeitung war die Fachwelt bereits im Jahr 1907 über eine aus Schweden kommende neue Technologie zur Bekämpfung von Schadinsekten mittels einer Begasungsanlage informiert worden.182 Details der Anlage und das Fachwissen darüber wurden aber erst im August 1911 durch Bolle von einer Studienreise aus Schweden kommend verbreitet.183 Diese Erfindung von Axel Nilsson aus dem Nordischen Museum in Stockholm wurde so anderen Museen im deutschsprachigen Raum zugänglich gemacht.184 Im Rahmen der Forschungen ergaben sich keine eindeutigen Hinweise, wann und von welcher Stelle die Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin das erste Mal von dieser neuen Technologie erfahren haben. Eduard Seler, Direktor der Amerikanischen Abteilung, kam aber am 4. November 1911 einer Bitte von Konrad Theodor Preuss, dem Leiter der Amerikanischen Abteilung, zur Beschaffung einer Begasungsanlage nach. Er leitete diese an den Direktor der Afrikanisch-Ozeanischen Abteilung, Felix von Luschan, weiter.185 Vier Monate später erwähnt Albert Grünwedel, Leiter der Ozeanischen Abteilung, 180 Ebd., 107–108. 181 Ebd., 117. 182 Nilsson 1907: Nilsson, Axel Rudolf. Desinfektion fester Gegenstände. In: Chemiker Zeitung/Chemisches Repertorium, 1907, Bd. 31, 299. 183 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1, E. Nr. 1771/11. Bolle, Johann. Brief vom 28.01.1912 an das Königliche Museum für Völkerkunde zu Berlin, 4 Seiten, ohne Paginierung. 184 Nordiska Museet Arkiv Stockholm. A 1 A, No. 14, § 138. Nordisches Museum Stockholm (1905 und 1907). Nämndens protokoll, 1902–1915. Besichtigung der Begasungsanlage im Nordischen Museum Stockholm durch Johann Bolle, protokolliert am 11.08.1911 (Übersetzung aus dem Schwedischen von Karin Björling-Olausson). 185 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1, E. Nr. 1771/11. Königliche Museen zu Berlin 1911–1914. Weiterleitung einer Anfrage von Konrad Theodor Preuss durch Eduard Seler vom 04.11.1911, 1 Spalte, ohne Paginierung.

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dass Konrad Theodor Preuss den „Desinfektionsapparat“ des RJM in Köln kenne und bereit sei, mit seinem Wissen die Errichtung einer ähnlichen Anlage im Berliner Völkerkundemuseum zu unterstützen.186 Die Planungen, der Bau und die bauliche Erweiterung für diese neuartige Technologie am Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin für eine massenweise Entwesung von Sammlungsgegenständen während der Zeit des Ersten Weltkrieges sind Gegenstand der folgenden Untersuchungen. Der Restaurator Krause erhielt unverzüglich den Auftrag, sich über Details des Apparates sowie hinsichtlich des Verfahrens sachkundig zu machen, worauf er sich mit Bolle in Verbindung setzte. Dieser informierte mit Schreiben vom 28. Januar 1912 das Königliche Museum für Völkerkunde zu Berlin zum einen über die im RJM in Köln bereits existierende Begasungsanlage und empfahl dem Museum, sich die Konstruktionspläne der dortigen Begasungsanlage zukommen zu lassen. Zum anderen verwies er auf einen ähnlichen Apparat, der im Nationalmuseum in Helsinki nach Vorlagen des Nordischen Museums in Stockholm installiert und aus seiner Sicht der am besten geeignete war. Er unterstrich die Wichtigkeit einer passenden Pumpe, damit in einer Stunde der Druck von 1–2 atm187 erreicht werden könne. Auch sollte der Kessel absolut dicht verschließbar sein. Darüber hinaus bot Bolle seine weiteren Dienste zur Überprüfung der Kölner Pläne an.188 In einem nächsten Schritt kontaktierte Krause den Direktor des Nationalmuseums in Helsinki, Alfred Hackman, und bat diesen am 2. Februar 1912 um die leihweise Übergabe von Zeichnungen, technischen Beschreibungen und die Bauund Installationskosten der finnischen Anlage. Ausführlich teilt Hackman mit, dass die Begasungsanlage an seinem Museum von Axel Nilsson nach dem Vorbild der schwedischen Anlage aus dem Nordischen Museum Stockholm konstruiert und von einer Stockholmer Firma aufgestellt worden war. Mit den Ergebnissen der Begasung bei herabgesetztem Luftdruck zeigte er sich sehr zufrieden, empfahl aber, wegen der Explosionsgefahr von Schwefelkohlenstoff die Anlage in einem eigens dafür zu errichtenden Gebäude unterzubringen. Aus dem Schwedischen übersetzte er für das Berliner Museum die genauen Angaben der technischen Ausstattung und lieferte 186 Ebd. Grünwedel, Albert. Aktennotiz vom 24.02.1912, Blatt 5, 2 Seiten, ohne Paginierung. 187 Seit 1978 ist eine (physikalische) Atmosphäre keine gesetzliche Druckeinheit mehr in Deutschland. Heute gilt: 1 atm = 101325 Pascal bzw. 1013,25 hPa. Johann Bolle hat hier (wahrscheinlich unbewusst) unrichtige Angaben gemacht, weil der Luftdruck von 1 bis 2 atm dem normalen Luftdruck (1 atm) und doppelt erhöhtem Luftdruck (2 atm) entspricht. In der Begasungsanlage erzeugte man einen Unterduck, d. h., der Luftdruck war kleiner als 1 atm (1013,25 hPa). 188 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1, E. Nr. 1771/11. Bolle, Johann. Brief vom 28.01.1912, 4 Seiten, ohne Paginierung.

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Abb. 8: Begasungsanlage am Nationalmuseum Helsinki, Konstruktionszeichnung.

eine Aufstellung der gesamten Kosten für ein gesondertes Gebäude, die Maschinen, Zoll, Fracht sowie Aufstellung der Anlage, welche sich insgesamt auf 32.716 finnische Mark189 beliefen.190 Krause trat nun an das RJM in Köln heran. Willy Foy, der Direktor des Museums, besaß nach eigenen Angaben keine Zeichnungen, lieferte aber dafür Fotos seiner Anlage. Aus ökonomischen Gründen empfahl er den Bau eines großen und eines kleineren Kessels. In Köln wurde die Anlage nicht in einem eigenen Gebäude, sondern in einem entlegenen Teil des Museums installiert. Eine ortsansässige Firma hatte für den Bau und die Installation nach Foys Angaben 2200 Mark verlangt.191 189 32.716 finnische Mark entsprechen heute ca. 5502 €. 190 FHA. SKMBT_C36015062509560. Hackman, Alfred. Briefentwurf vom 02.02.1912, 4 Seiten, ohne Paginierung; SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1, E. Nr. 1771/11. Bolle, Johann. Brief vom 28.01.1912, 4 Seiten, ohne Paginierung; ebd. Hackman, Alfred. Brief vom 08.02.1912, Blatt 4, 3 Seiten; ebd. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Aktennotiz vom 12.02.1912 auf Brief von Alfred Hackman vom 12.02.1912, Blatt 4, 1 Seite. 191 Ebd. E. Nr. 1771/11. Foy, Willy. Brief vom 09.02.1912, Blatt 2, 1 Seite; 3 Fotos der Begasungsanlage mit zwei Kesseln aus dem RJM, ohne Paginierung; Brief vom 21.02.1912, Blatt 5, 1 Seite.

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Grünwedel befürwortete eine Begasungsanlage für das Königliche Museum für Völkerkunde nach dem Vorbild des Kölner Modells.192 Als zukünftigen Standort plädierte er für den Raum mit der Zimmernummer 40 im Asiatischen Museum in Berlin-Dahlem.193 Von Bode ließ alle Angaben am 27. Februar 1912 durch Architekten prüfen.194 Am 19. März 1912 trafen Zeichnungen und Fotografien von der Begasungsanlage aus Helsinki sowie ein von Krause zeitgleich angeforderter Prospekt der ApparateBauanstalt Gustav Christ & Co. M. b. H. aus Berlin-Weißensee ein.195 Ausgestattet mit allen Informationen aus dem In- und Ausland übergab Grünwedel am 20. März 1912 die Angelegenheit der Bauverwaltung.196 Das Fehlen notwendiger Mittel verhinderte den Bau der Anlage, so dass das Vorhaben weder in den Ausführungsplanungen für den Erweiterungsbau des Museums in Berlin-Dahlem am 6. Mai 1913, noch ein Jahr später nach Wiedervorlage der Angelegenheit am 15. Mai 1914 realisiert werden konnte.197 Die stetig wachsenden Zahlen von Sammlungsgegenständen, welche in Berlin eintrafen, erforderten dennoch ein Handeln. Einem Appell Eichhorns vom 7. Januar 1914 folgend198 bat Grünwedel einen Tag später Rathgen um eine Besichtigung von Objekten, die von der Kaiserin-Augusta-Fluss-Expedition in der Königgrätzer Straße eingetroffen waren.199 Zwei Tage später forderte er den Restaurator Krause auf, sich um die Konservierung dieser Gegenstände zu kümmern.200 Daraufhin ließ 192 Ebd. Grünwedel, Albert. Aktennotiz vom 24.02.1912, 1 Seite, rechte Spalte, ohne Paginierung. 193 Ebd. Grünwedel, Albert. Schriftliche Bitte an die Generalverwaltung der Königlichen Museen zu Berlin vom 24.02.1914, geschrieben auf Brief von Willy Foy vom 21.02.1914, 2 Spalten, ohne Paginierung. 194 Ebd. Bode, Wilhelm. Aktennotiz vom 27.02.1912, 1 Seite, linke Spalte, ohne Paginierung. 195 Ebd. E. Nr. 467/12. Planungen zur Errichtung einer Begasungsanlage in Berlin-Dahlem. Krause, Wilhelm Eduard Julius. 2 Aktennotizen vom 19.03.1912, 1 Seite, rechte Spalte, ohne Paginierung; Firmenprospekt der Apparate-Bauanstalt Christ & Co. (Inh. Gustav Necker, Ingenieur), ohne Datierung, 4 Seiten, ohne Paginierung. 196 Ebd. Staatliches Museum für Völkerkunde zu Berlin. Grünwedel, Albert. Notiz und Stellungnahme vom 20.03.1912, 1 Seite, linke Spalte, ohne Paginierung. 197 Ebd. E. Nr. 1771/11. Stubenrauch, Kurt. Aktennotiz und Stellungnahme vom 15.05.1914, 1 Seite, linke Spalte, ohne Paginierung. 198 Ebd. E. Nr. 25/14. Bau und Aufstellung eines Begasungskastens im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1914. Eichhorn, August. Bericht vom 07.01.1914, 1 Seite, ohne Paginierung. 199 Ebd. Grünwedel, Albert. Aktennotiz vom 08.01.1914, 1 Seite, linke Spalte, ohne Paginierung. 200 Ebd. Grünwedel, Albert. Aktennotiz vom 09.01.1914, 1 Seite, rechte Spalte, ohne Paginierung.

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Krause den Tischlermeister Georg Bruns einen Kasten zur Begasung mit den Maßen 2 x 1,25 x 0,8 m konstruieren und bauen.201 Dieser war mit Zinkblech ausgeschlagen, hatte einen luftdicht schließenden Deckel und erhielt von der Schlosserei Karl Kotte aus Berlin eine Eisenkonstruktion, die es ermöglichte, den schweren Deckel hochziehen und wieder absenken zu können.202 Aufgestellt wurde der Kasten zur Begasung in Raum 13 des Museums, dem sogenannten „Vergiftungsraum“.203 Diese historische Bezeichnung eines funktionalen Raumes, der offensichtlich für die Behandlung von Sammlungsgegenständen präventiv oder auch akut gegen Schädlingsbefall vorgehalten wurde, zeugt von einem bereits vorhandenen Bewusstsein, dass hier im Sinne des seit 1892 existierenden behördlichen Arbeitsschutzes erste Vorkehrungen hinsichtlich der gesundheitlichen Fürsorge gegenüber Mitarbeitern in einem Museum getroffen wurden (siehe hierzu Kapitel 3.2.1). Aus dieser Perspektive betrachtet ist der genannte Raum 13 durchaus als Vorläufer für die Einrichtung von Arbeitsbereichen im Sinne des heute praktizierten Schwarz-Weiß-Prinzips zu verstehen.204 Die nach den Entwürfen des Architekten Bruno Paul im Jahr 1914 begonnenen Arbeiten am „Asiatischen Museum“205 mussten mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges unvollendet eingestellt werden. Nach dem verlorenen Krieg sah man sich in der darauffolgenden Weimarer Republik nicht in der Lage, das Bauvorhaben in der geplanten Form fortzuführen, und beschloss am 23. Juli 1921, das Gebäude in Berlin-Dahlem mit begrenzten Mitteln fertigzustellen. Durch die hier vorgenommene Nutzungsänderung wurde der Bau nunmehr allen Abteilungen des Staatlichen Museums für Völkerkunde als Magazin zur Verfügung gestellt. Im Jahr 1923 begann der Umzug der Sammlungen, welcher weitgehend durch den Verkauf von sogenannten Doubletten aus den einzelnen Abteilungen finanziert werden musste. Die damit erstmalig vollzogene Trennung von Schau- und Studiensammlungen wirkte sich zudem positiv auf den Betrieb in der Königgrätzer Straße aus.206 Die Genehmigung zum Bau einer Begasungsanlage in Berlin-Dahlem wurde am 6. Januar 1923 erteilt.207 201 Ebd. Bruns, Georg. Kostenangebot vom 22.01.1914, 1 Seite, ohne Paginierung. 202 Ebd. Kotte, Karl. Kostenangebot vom 23.02.1914, 1 Seite, ohne Paginierung. 203 Ebd. Schuchhardt, Carl. Aktennotiz vom 24.01.1914, 1 Seite, linke Spalte, 2 Zeilen, ohne Paginierung. 204 Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Februar 2010. Technische Regel für Gefahrstoffe. TRGS 524. Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen, In: Gemeinsames Ministerialblatt, Februar 2010, 419–450. 205 Die Bezeichnung „Asiatisches Museum“ wurde auch nach der Nutzungsänderung in ein Magazingebäude in den Bauakten sowie in diesbezüglichen Korrespondenzen beibehalten. 206 Vgl. Westphal-Hellbusch 1973, 29–32. 207 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1, E. Nr. 1771/11. Genehmigung zur Errichtung einer Begasungsanlage in Berlin-Dahlem. Anonymus. Aktennotiz vom 06.01.1923, Blatt 6, 2 Zeilen.

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Zwischen den ersten Planungen und der nunmehr erteilten Genehmigung zum Bau einer Begasungsanlage waren zwölf Jahre vergangen. Hinter dieser Tatsache verbirgt sich eine gewisse Programmatik, die nicht nur den Umständen des Ersten Weltkriegs geschuldet ist. Das Museum für Völkerkunde in Berlin war – und ist es immer noch – Teil der Staatlichen Museen zu Berlin mit ihrer Generaldirektion. Es bedurfte oftmals langer Wege, um Entscheidungen treffen zu können, weshalb andere völkerkundliche Museen in Deutschland wesentlich früher Begasungsanlagen zur Bekämpfung von Schadinsekten realisieren konnten.208 Mittlerweile war Krause am 30. Oktober 1917 gestorben, woraufhin man aus seinem Dienstzimmer baurelevante Unterlagen für die Begasungsanlage abholte.209 Der Sammlungsaufseher Strebe war beauftragt, gezielt nach Zeichnungen und Fotografien aus dem Nationalmuseum in Helsinki zu suchen, wurde jedoch nicht fündig.210 Dieser Vorgang belegt sowohl die fehlende Transparenz wie auch einen Mangel an Wissenstransfer unter den Mitarbeitern innerhalb der Staatlichen Museen. Für vorbereitende Tätigkeiten zur Errichtung der Begasungsanlage war das Chemische Laboratorium zuständig. Die Firma Friedrich Heckmann, ein Maschinen- und Apparatebauer aus Breslau, lieferte für den Bau und die Installation einer entsprechenden Anlage am 22. Mai 1919 einen Kostenvoranschlag. Drei Jahre später erkundigte sich Heckmann am 19. Juni 1922, ob die Anlage zu einem erhöhten Preis von 200.000 Mark noch gewünscht sei. Ein halbes Jahr später traf dann ein überarbeiteter Kostenvoranschlag mit der Nr. 1889 zum Gesamtpreis von 5.290.000 Mark ein. Die Bauverwaltung der Staatlichen Museen zu Berlin erteilte daraufhin am 18. Januar 1923 den Auftrag zur Lieferung einer „Apparatur“ zur Abtötung von Sammlungsschädlingen mit Schwefelkohlenstoff unter Erzeugung eines Niedrigluftdrucks an die Firma Friedrich Heckmann. Diese bat kurz darauf um eine 50-prozentige Abschlagszahlung in Höhe von 2.645.000 Mark. Am 19. Mai 1923 wurde die Begasungsanlage per Bahn verladen und von Breslau nach Berlin

208 SMB-ZA. I/BV 239. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum 1914; 1922–1923; 1928; ebd. I/BV 286. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum 1915; 1919; 1922–1924; ebd. I/BV 723. Einrichten von Arbeitsräumen für den Konservator und Einbau einer Begasungsanlage. Umbau, Einrichtung, Instandhaltung – Gebäudekomplex Dahlem. 1924–1928. 209 SMB-PK, EM. I/MV 0075, Pars II c, Vol. 1, E. Nr. 467/12. Planungen zur Errichtung einer Begasungsanlage in Berlin-Dahlem. Grünwedel, Albert. Aktennotiz vom 23.11.1917, 1 Seite, linke Spalte, ohne Paginierung. 210 Ebd. Strebe (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Aktennotiz vom 04.03.1918, 1 Seite, linke Spalte, ohne Paginierung.

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Abb. 9: Begasungsanlage am Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin, geschlossener Zustand, 1923.

Abb. 10: Begasungsanlage am Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin, geöffneter Zustand, 1923.

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gesandt. Eine anschließende Restzahlung, inklusive eines inflationären Zuschlages, erbat Heckmann am 9. Juni 1923.211 Eine Woche später erfolgte unter der Aufsicht von Rathgen der erste Probelauf. Da es technische Schwierigkeiten gab, versprach die Firma nachzubessern. Bis zur vollständigen Inbetriebnahme bat Rathgen um sofortige Bestellung von Schwefelkohlenstoff bei der Firma Schering. Für eine Nutzung der Begasungsanlage zweimal pro Woche in den Sommermonaten berechnete er die dafür benötigte Menge von Schwefelkohlenstoff auf rund 40 kg. Zusätzlich beantragte er bei der Verwaltung ein Fass mit 125 oder gar 200 Liter Petroleum, um von Insekten befallene große Holzgegenstände, welche zu groß für die Anlage waren, abtöten zu können.212 In einem Raum, der durch besondere Vorkehrungen vor Einbruch und Diebstahl geschützt wurde, lagerten am 4. Juli 1923 ein Fass Petroleum und zwei größere Flaschen mit Schwefelkohlenstoff.213 Am selben Tag wies Rathgen nach zwei weiteren Probeläufen der Anlage auf weitere Mängel hin. Nach seiner Auffassung war die Dichtigkeit des Kessels zur Einhaltung des Niedrigdrucks nicht gegeben. Trotz Erkundigungen, die er bei den Rütgers Werken hierzu einholte, wurde seine Meinung dort nicht bestätigt. Weiterhin bemängelte er die Dichtungsgummis und sah als Fehlerursache die scharfen Kanten des eisernen Deckelrandes. In seinem Bericht bemängelte er auch das noch nicht angebrachte Schutzblech über dem großen Zahnrad, zusätzlich wünschte er die Anbringung eines Blechkastens über dem Motor. Der Baurat der Bauverwaltung, Herr Körber (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.), wandte sich unverzüglich am 5. Juli 1923 an den Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und meldete, dass mit Heckmann noch über die Dauer der Garantieleistungen verhandelt werde.214 In den Folgemonaten räumte die Bauverwaltung mit der Firma Friedrich Heckmann Unstimmigkeiten über die Funktionstüchtigkeit der Anlage aus dem Weg. Am 6. Februar 1924 bat die Bauverwaltung die Königliche Ministerial-Bau-Kommission, eine ausstehende Restforderung in Höhe von 534,59 Mark für die Schlussrechnung der Anlage im „Asiatischen Museum“ in Berlin-Dahlem zu begleichen.215 Alsdann konnten Neuzugänge, insbesondere solche, an denen Schäd211 SMB-ZA. I/BV 239. Ebenso wurden von der Firma Friedrich Heckmann die Zeichnungen W 772, W 773 und W 775 zur Fundamentierung für die Aufstellung der Vakuumpumpe, für die Anlage mit Maßen und für die Anordnung der Ablassleitung an das Chemische Laboratorium der Staatlichen Museen zu Berlin geliefert. Auf der Zeichnung W 776 war in Raum 231 der Beschickungsraum mit der Aufstellung eines Auffanggefäßes vorgesehen, Blatt 1–40. 212 Vgl. Otto 1979, 248–250. 213 Ebd., 252–253. 214 Ebd., 254–257. 215 SMB-ZA. I/BV 286. Schreiben der Bauverwaltung vom 06.02.1924, 2 Seiten, ohne Paginierung.

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lingsbefall sichtbar war, der Begasungsanlage übergeben und dort behandelt werden.216 In der Zwischenzeit war ein Großteil der Sammlungsgegenstände aus der Königgrätzer Straße in Berlin-Dahlem eingetroffen. Rathgen stellte fünf Monate später fest, dass die Begasungsanlage für viele Objekte aus Holz zu klein und für andere aus Fellen, Federn usw. zu groß war. Neben Schädigungen durch holzzerstörende Insekten und Motten wies er darauf hin, dass auch der Kabinett- oder Museumskäfer (Anthrenus museorum) Schäden bei Textilien, Fellen, Federn usw. hervorrufe. Um hier Abhilfe zu schaffen und, um nicht einzig auf die Tränkung mit Petroleum bei großen Objekten aus Holz zurückgreifen zu müssen, beantragte er deshalb den Ausbau der Begasungsanlage in Berlin-Dahlem. Dazu sollten zwei weitere Kessel von 1 m und 5–6 m Länge installiert werden.217 Seinem Schreiben fügte er einen Kostenvoranschlag der Firma Friedrich Heckmann vom 24. Juli 1924 mit der Nr. 3185 über eine zweiteilige Begasungsanlage mit den dazugehörigen Veränderungen im „Asiatischen Museum“ in Berlin-Dahlem bei.218 Er schätzte die Kosten für einen neuen Apparat, die Installation von Anschlussleitungen sowie die Montage auf 2900 Goldmark. Diese vorab ermittelten Kosten wurden im Rahmen einer Aufstellung des gesamten Umzugsetats auf 3500 Goldmark hinsichtlich des Umbaus und der Erweiterung der bereits vorhandenen Begasungsanlage erhöht. Ebenso wurde in die gesamten Umzugskosten ein Posten von 900 Goldmark für Konservierungsmittel eingerechnet.219 Das „Asiatische Museum“ bzw. das Magazin für das Staatliche Museum für Völkerkunde beinhaltete aber noch weitere Mängel. Eiligst und mit geringen Mitteln war das Gebäude im Jahr 1923 fertiggestellt worden und besaß keine Heizung. Der Umzugskommissar Alfred Schachtzabel hielt es mit Notiz vom 5. März 1925 für unnötig, eine gesonderte Heizungsanlage für die Begasungs- und Arbeitsräume in Berlin-Dahlem für den kommenden Winter 1925/1926 einbauen zu lassen, da für das kommende Etatjahr eine Heizungsanlage für das gesamte Dahlemer Gebäude in Aussicht gestellt worden sei. Falls dadurch die Entwesung der Sammlungsobjekte für die Wintermonate nicht durchführbar sei, sollte aus seiner Sicht in der kalten 216 SMB-PK, EM. I/MV 1071, I B 129, zu E. Nr. 292/37. Snethlage, Heinrich Emil. 3 Aktennotizen vom 03.09.1937, vom 15.11.1937 und vom 15.12.1937, 1 Seite, ohne Paginierung. 217 Vgl. Otto 1979, 258–261. 218 SMB-PK, EM. I/MV 1071, I B 129, I/BV 723. Heckmann, Friedrich. Anschreiben und Kostenvoranschlag vom 24.07.1904 für die Erweiterung der Begasungsanlage in BerlinDahlem, Blatt 1–6, 8 Seiten. 219 SMB-PK, EM. I/MV 0015, Bd. 1, Pars I 3, zu E. Nr. 483/24. Aufstellung des Umzugsetats des Staatlichen Museums für Völkerkunde. Falke 1924, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Kostentabelle aus dem Jahr 1924, 2 Seiten, ohne Paginierung.

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Jahreszeit darauf verzichtet werden. Rathgen erwägt daraufhin, zunächst keine Garantie für aufkommende Schäden an Objekten zu übernehmen, räumt aber gleichzeitig ein, dass die Aktivitäten von Insekten im Winter eher gering seien und stimmt letztlich am 10. März 1925 den Ausführungen Schachtzabels zu. Im Gegensatz dazu halten die Kustoden Max Schmidt, Konrad Theodor Preuss und August Eichhorn am 12. März 1925 in einem gemeinsamen Schriftstück fest, dass die großen klimatischen Schwankungen bereits Verluste an ihren Objekten verursacht hatten. Auch lasse Feuchtigkeit Holzgegenstände und geleimte Keramiken zerfallen, das Abblättern von Farben wurde in einem nächsten Stadium befürchtet. Die Ostasiatischen Sammlungen entschieden sich sogar kategorisch gegen die Verlagerung ihrer Gegenstände nach Berlin-Dahlem, bis dort eine Heizung in der Begasungsanlage installiert worden sei.220 Die bauliche Erweiterung einer Anlage zur Massenbegasung von Sammlungsgegenständen im Staatlichen Museum für Völkerkunde ab dem Jahr 1925 erstreckte sich mühevoll über viele Jahre. Im Januar 1925 präzisierte Rathgen die Angaben für eine neue Begasungsanlage, woraufhin die Bauverwaltung die Firma Friedrich Heckmann aufforderte, einen weiteren Kostenvoranschlag abzugeben. Diesen erhielt Rathgen am 28. Januar 1925, so dass zur weiteren Ausstattung wiederum die Bauverwaltung in Berlin-Dahlem mehrere Firmen für den Einbau eines elektrisch betriebenen Ventilators im Begasungsraum, für eine Heizungsanlage im gesamten Gebäude in Berlin-Dahlem sowie für eine elektrische Beleuchtungsanlage im Untergeschoss des Südflügels heranzog. Die Bauverwaltung erstellte abschließend eine bauliche Berechnung für die Einrichtung eines Begasungsraumes, für die Herstellung von Arbeitsräumen sowie für den Einbau einer Heizungsanlage und übergab alles am 2. März 1925 der Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin. Von dort ging der Antrag am 27. August 1925 an das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung221 und wurde dann am 16. November 1925 bewilligt. Insgesamt wurden am 31. März 1926 dem „Asiatischen Museum“ in Berlin-Dahlem zur Erweiterung der Begasungsanlage 21.700 RM sowie für eine Heizungsanlage 145.000 RM mit allen damit verbundenen Arbeiten bereitgestellt.222 Während der darauffolgenden Monate April und Mai wurde das Angebot von Heckmann einem internen, aufwändigen Prüfverfahren durch das Chemische Laboratorium sowie durch die Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin unterzogen. Im Er220 Vgl. Otto 1979, 262–267. 221 SMB-ZA. I/BV 723. Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum 24.07.1924–12.03.1928, 59 Seiten und 3 Zeichnungen, ohne Paginierung. 222 Ebd. Schreiben des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung. Nentwig (Vorname unbekannt. Anm. d. Verf.). Brief an die Generaldirektion der Staatlichen Museen zu Berlin vom 31. März 1926, 1 Seite, ohne Paginierung.

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gebnis bot die Firma in einem gesonderten Kostenvoranschlag einen zweiten Kessel für die Begasungsanlage an, dessen Kosten am 7. Mai 1926 durch den Regierungsund Baurat Wille (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) bewilligt wurden.223 Die Siemens-Schuckert-Werke lieferten und montierten für die Anlage eine Entlüftung mit Verteilertafel und einem neugelegten Zähler. Als nach diesem langen Verfahren die Begasungsanlage in Berlin-Dahlem am 21. August 1926 angeliefert wurde, war Rathgen mit der Führung des Deckels und dem Fahrgestell der Anlage wiederum nicht zufrieden. Zwei Monate später zeigte sich Heckmann bereit, am Fahrgestell und der Bügelaufhängung der Anlage gegen ein Entgelt nachzubessern. Bis zu einer abschließenden Klärung verging ein weiteres halbes Jahr. Endlich hielt der Obermaschinist Tiedt (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) am 14. Juni 1927 in einer Notiz schriftlich fest, dass Änderungen am Transportwagen und dem Siebkorb der Begasungsanlage nunmehr fertiggestellt seien. Rund zehn Monate später stellte sich heraus, dass für die Erweiterung der Begasungsanlage von den bereitgestellten 21.700 RM noch rund 4900 RM übrig waren. Daraufhin bat der Baurat Wille am 12. März 1928 den Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin darum, beim Minister für Wissenschaft und Volksbildung zu beantragen, dass die gesparten Mittel für das „Asiatische Museum“ verwendet werden dürften, da weitere Gelder für das Museum in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stünden.224 Rathgens Nachfolger Brittner musste sich in den 1930er Jahren mehrfach um die technische Sicherheit der Begasungsanlage sowie um den reibungslosen Ablauf für die dort Beschäftigten kümmern. Unter seiner Leitung wurde in den Jahren 1932 bis 1936 eine Gasleitung verlegt und mit einem Haupthahn versehen. Ebenso wurde eine elektrische Heizvorrichtung am Warmwasserbehälter der Anlage instandgesetzt. Auch bemängelte Brittner den im Kellerraum der Ostasiatischen Kunstsammlungen aufgetretenen Hausschwamm und eine fehlende Feuerversicherung in den Räumlichkeiten der Begasungsanlage sowie in der „Konservierungsanstalt des Völkerkundemuseums“.225 Einer Aktennotiz von Snethlage aus dem Jahr 1937 ist zu entnehmen, dass, einer Anordnung Krickebergs folgend, die Feder- und Fellgegenstände der Sammlung Otto Schulz-Kampfhenkel in der hauseigenen Begasungsanlage in Berlin-Dahlem von der Hilfskraft Zorn „vergiftet“ wurden.226 Die Bekämp223 Ebd. Schreiben des Regierungs- und Baurates Wille (Vorname unbekannt. Anm. d. Verf.) an die Firma Friedrich Heckmann vom 07.05.1926, Blatt 28, 1 Seite 224 Ebd. Schreiben des Regierungs- und Baurates Wille (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) an den Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin vom 12.03.1928, 1 Seite, ohne Paginierung. 225 Vgl. Otto 1979, 268–275. 226 SMB-PK, EM. I/MV 1071, I B 129, zu E. Nr. 292/37. Akten betreffend Expedition

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fung von Schadinsekten in dieser Anlage wurde präventiv und bekämpfend gegen Schadinsekten bis in das Jahr 2003 im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem durchgeführt.

3.2.3 Wissensaustausch zur Schädlingsbekämpfung von Museen auf nationaler und internationaler Ebene

Naturwissenschaftler und Kuratoren gehörten im Untersuchungszeitraum aus einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive betrachtet eher einer kleinen exotischen Gruppe von Spezialisten an. Vielleicht betrachteten sich deshalb diese Museumsfachleute weniger als Konkurrenten denn als Gleichgesinnte, die voneinander lernen konnten. Neugierde und Wissbegierde ließen jedenfalls Querverbindungen zwischen einzelnen Fachdisziplinen entstehen, durch die sich ein beachtliches Netzwerk bildete. Zum einen fand der Wissenstransfers über Fachzeitschriften statt. Sie stellten ein interaktives Medium dar und boten zudem die Möglichkeit, eigene Standpunkte zu Fachfragen mit einem breiteren Publikum zu teilen. Allen voran zählten das Museumsjournal – Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen sowie das Journal of the Royal Society of Arts zu den führenden Organen in der Konservierung von Kunst- und Kulturgut. Nationale und internationale Tagungen, Konferenzen oder einschlägige Versammlungen boten den Museumsfachleuten weitere Gelegenheiten, die eigenen Methoden zur Schädlingsbekämpfung darzustellen und die neuesten Forschungsergebnisse untereinander auszutauschen. Die Auswahl der Beiträge von Museumsfachleuten aus dem In- und Ausland erfolgte hinsichtlich ihrer Funktion, sei es nun als Direktoren oder Kuratoren aus namhaften kulturellen Einrichtungen in Deutschland, Österreich, Großbritannien oder auch aus Schweden. Sicher gab es auch Neider, insbesondere in Hinblick auf die moderne Ausstattung des Chemischen Laboratoriums der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin. Doch der Pioniergeist überwog mit dem Ziel, voneinander zu profitieren und später in der eigenen Institution bis dato unbekannte Wirkstoffe und Mittel ausprobieren zu können. Die Generalverwaltung der Königlichen Museen zu Berlin bediente sich eines weiteren Mediums und entwickelte im Jahr 1901 einen eigenen Fragebogen. Dieser hatte das Ziel, den eigenen Wissenstand zur Bekämpfung von Schadinsekten zu verbreiten sowie gleichzeitig weltweit von wichtigen Einrichtungen und MuSchulz-Kampfhenkel nach Brasilianisch-Guayana. Loseblattsammlung. Snethlage, Heinrich Emil. Aktennotiz vom 03.09.1937 zur Schädlingsbekämpfung der Sammlung Schulz-Kampfhenkel, 1 Seite, ohne Paginierung.

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seen in Erfahrung zu bringen, ob andernorts abweichende Wirkstoffe, Mittel und Methoden angewendet wurden.227 Namentlich wurde nach dem Einsatz von Benzol, Campher, Naphthalin, Petroleum, Kienöl, Patschuliöl, Terpentinöl, Karbol-, Thymol-Naphtol-Lösungen, Extrakten von Aloë, Koloquinten, Insektenpulver, der „Wickersheimer’schen Mottenessenz“, der chinesischen Mottentinktur, Formalin, Sublimat, Arsenikseife und Schwefelkohlenstoff gefragt.228 Von all diesen Wirkstoffen und Mitteln wurden bei den Königlichen Museen zur Bekämpfung und vorbeugend gegen Schadinsekten hauptsächlich Sublimat, gelöst in Alkohol, direkt auf die Objekte aufgetragen, in die Schränke legte man Campher. Doch diese Vorgehensweise brachte keinen dauerhaften Erfolg. Zudem waren die Schränke überfüllt und es mangelte an Personal, um alle Gegenstände ausreichend kontrollieren zu können.229 Der Fragebogen wurde in einem langwierigen Prozess unter den Museumsfachleuten und der Generaldirektion abgestimmt. Von Luschan entwarf dafür eine Vorlage und ließ sie von Rathgen fachlich prüfen. Berücksichtigt wurden auch Stellungnahmen von Karl von den Steinen sowie von Julius Lessing, dem Direktor des Kunstgewerbemuseums bei den Königlichen Museen zu Berlin.230 Bastian und Grünwedel leiteten den Fragebogen danach an die Generalverwaltung der Königlichen Museen zu einer abschließenden Prüfung weiter.231 Mit der Aussendung wurde Anfang Oktober begonnen. Ausgewählt wurden namhafte Institutionen und Museen in Europa, Indonesien, China, Mexiko, Argentinien sowie in den USA. Im Archiv des American Museum of Natural History (New York City) konnte ein Exemplar dieses Fragebogens ausfindig gemacht werden.232 Antworten einzelner Museen sowie eine Auswertung des Fragebogens waren den Quellen nicht zu entnehmen. Bemerkenswert ist jedoch in diesem Kontext die überaus wichtige Tagung der Enquete betreffend die Konservierung von Kunstgegenständen, die von Mit227 SMB-PK, EM. I/MV 0057, Bd. 5, Pars I c. Umzugsakte. Acta betreffend den Umzug und die Aufstellung der Sammlungen des Museums. Königliches Museum für Völkerkunde zu Berlin 01.01.1901 bis 30.04.1903. 228 Ebd. zu E. Nr. 36/1901. Fragebogen in gedruckter Form, 2. Seite, 3-seitig, ohne Paginierung. 229 Ebd. zu E. Nr. 36/1901. Fragebogen in gedruckter Form, 1. Seite, 3-seitig, ohne Paginierung. 230 Julius Lessing war von 1867–1908 Direktor des Königlichen Kunstgewerbemuseums bei den Königlichen Museen zu Berlin. 231 SMB-PK, EM. I/MV 0057, Bd. 5, Pars I c, zu E. Nr. 36/1901. Aktennotiz vom 26.07.1901 von Bastian, Adolf, 1-zeilig und von Luschan von, Felix, 6-zeilig, 1 Seite, ohne Paginierung. 232 AAMNH-DAA. Finding aid, correspondence re: fumigation, Box 13, Folder 2. Fragebogen zur Schädlingsbekämpfung von der Generalverwaltung der Königlichen Museen zu Berlin 1901 aus dem Jahr 1901, 3 Seiten, ohne Paginierung.

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gliedern der k. k. Zentralkommission aus Österreich im Jahr 1904 in Wien veranstaltet wurde.233 Schon die Teilnehmerliste liest sich wie ein „Who is Who“ der damaligen Museumsexperten des deutschsprachigen Raums.234 Bei den Planungen sowie der Einladung zu dieser Tagung wird deutlich, dass man sich in vielen Fragen inhaltlich an dem Fragebogen der Königlichen Museen zu Berlin aus dem Jahr 1901 orientierte.235 Rathgen vertrat auf der Tagung zusammen mit seinem Kollegen Lessing die Königlichen Museen zu Berlin und traf unter zahlreichen Kollegen aus österreichischen kulturellen Einrichtungen u.a. auf Johann Bolle,236 Karl Koetschau237 und Ernst Steinmann.238 Die Ergebnisse der Enquete wurden 1905 publiziert und sollten kleineren Museen, vornehmlich in Österreich, eine Hilfestellung zur Konservierung ihrer musealen Bestände bieten.239 Rathgen nutzte einige Jahre später in einem Beitrag innerhalb des Fachjournals Museumskunde – Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen die Möglichkeit, sich kritisch mit den von der Enquete in Wien diskutierten Wirkstoffen, Mitteln sowie einzelnen Rezepten auseinanderzusetzen.240 Insbesondere sah er in Rezepturen, welche auf wässrigen Lösungen basierten, eine Gefahr für vergoldete sowie für ungefasste

233 K. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale in Wien 1905 betreffend die Konservierung von Kunstgegenständen. Auszug aus dem stenographischen Protokoll. 10., 11. und 12. Oktober 1904. Wien: Rudolf Brzezowsky. 234 Ebd. Verzeichnis der Teilnehmer, 2 Seiten, ohne Paginierung. 235 SMB-PK, EM. I/MV 0058, E. Nr. 1119/04. K. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale in Wien 08.08.1904. Ankündigung einer Enquete zur Bewahrung von organischen Materialien. Schreiben vom 08.08.1904, gedruckt, 2 Seiten, ohne Paginierung; ebd. E. Nr. 1387/1904. K. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale in Wien September 1904. Einladung und Programm zu einer Enquete über die Bewahrung von organischen Materialien. Schreiben vom September 1904, gedruckt, 1 Seite, ohne Paginierung. 236 Siehe zur Person Johann Bolle, Kapitel 3.2.2 237 Karl Theodor Koetschau, geb. 27.03.1868, gest. 27.04.1949, war Kunsthistoriker und Museumsdirektor. Er war Herausgeber der im Jahr 1905 gegründeten Fachzeitschrift Museumskunde – Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen. Am 23. Mai 1917 gründete er mit 22 weiteren Personen aus Kunst und Kultur den Deutschen Museumsbund. 238 Ernst Theodor Karl Steinmann, geb. 04.09.1866, gest. 23.11.1934, war ein deutscher Kunsthistoriker. Von 1903 bis 1911 war er Direktor des Großherzoglichen Museums Schwerin. 239 Vgl. K. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale in Wien 1905 betreffend die Konservierung von Kunstgegenständen, 5–44. 240 Rathgen 1910: Rathgen, Friedrich. Über Mittel gegen Holzwurmfraß. In: Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, 1910, Bd. VI, 23.

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Holzobjekte.241 Hingegen befürwortete er Tränkungen mit Petroleum, Karbolineum oder auch Leinölfirnis, gelöst in Terpentin, Benzin oder Tetrachlorkohlenstoff. Auch die Anwendung von chinesischem Holzöl sowie von Dammarharz gelöst in Tetrachlorkohlenstoff bewertete er zur Bekämpfung holzzerstörender Insekten als wirkungsvoll, da gleichzeitig morsches Holz gefestigt würde.242 Die Tränkung oder auch das Einstreichen von Gegenständen mit auf 100–110 °C erhitztem Paraffin empfahl er vornehmlich für solche Objekte, die unter Glas aufbewahrt werden, da so behandelte Holzobjekte sonst leicht verstauben würden.243 Schwefelkohlenstoff sollte nach Rathgens Urteil nur in mit Zinkblech ausgeschlagenen Kisten, ausgestattet mit einem Abzugsrohr ins Freie, eingesetzt werden. Zusätzlich sollten solche Begasungskisten von einem Behälter mit heißem Wasser umgeben sein, damit die Dämpfe dann leichter im Rohr aufsteigen und in die Atmosphäre entweichen könnten. Auch Petroläther, Benzin sowie Rohbenzol könnten nach seinen Beobachtungen auf diese Weise eingesetzt werden. Zu jener Zeit experimentierte Rathgen noch mit Tetrachlorkohlenstoff, empfahl es aber unabhängig von seinen Forschungsergebnissen wegen seiner Nichtbrennbarkeit.244 Carl Bernhard Salin war von 1905 bis 1913 Leiter des Nordischen Museums sowie von 1905 bis 1912 Leiter des Freilichtmuseums Skansen, beide in Stockholm gelegen. Auf einer Konferenz der Svenska Museimannaförening245 forderte er im Jahr 1916, dass für alle schwedischen Museen ein staatliches Labor am Historischen Museum in Stockholm eingerichtet werden sollte. Vorbildlich in dieser Richtung waren für ihn die Nachbarländer Dänemark und Deutschland. Bis zur Verwirklichung eines solchen Labors ermunterte er alle Mitglieder der schwedischen Museumsvereinigung, sich im Museums Journal der Museums Association über ihre Tätigkeiten und Aktivitäten auszutauschen und zu berichten, mit welchen Konservierungsfragen sie sich im Einzelnen beschäftigten.246 Albert Frank Kendrick von der Abteilung für Textilien des Victoria & Albert Museums in London berichtete im Rahmen der dreizehnten Jahrestagung der Royal Society of Arts,247 dass er Jahre zuvor Johann 241 242 243 244 245 246

Ebd., 23–24. Ebd., 26–27. Ebd., 27. Ebd., 25. Svenska Museimannaförening = Schwedische Museumsvereinigung. Anonymus 1916: The Technical Preservation of Antiquities. In: The Museum Journal, Februar 1916, (15), 268–269. Nähere Angaben zum Tagungsort waren den Quellenangaben nicht zu entnehmen. Es wird davon ausgegangen, dass die Tagung in Stockholm stattgefunden hat. 247 Die Jahrestagungen der Royal Society of Arts fanden ab 1770 in ihrem Stammhaus, 8 John Adam Street, Adelphi, London, statt (siehe hierzu: Wood 1913: Wood, Henry Trueman. A History of the Royal Society of Arts with a Preface by Lord Sanderson. London, 70).

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Bolle persönlich kennengelernt habe. Für einige Direktoren aus europäischen Gemäldegalerien sei dieser eine Schlüsselfigur im Kampf gegen holzschädigende Insekten geworden. Die Fachleute in den Gemäldesammlungen sahen sich offensichtlich außer Stande, eigene Lösungen zur Bekämpfung von Schadinsekten zu entwickeln. Als Berater wurde Bolle in diversen Sammlungen aktiv und nahm so von außen kommend eine überaus wichtige Funktion in der Museumslandschaft ein.248 Auf derselben Versammlung schilderte Sidney Harmer, damals Direktor der naturhistorischen Abteilung am Britischen Museum in London, seine Reise zu einem Museum, gemeint war das Nordische Museum Stockholm (Anm. d. Verf.). Dort bewunderte er eine ihm bis dahin unbekannte Anlage zur Begasung, die mit Schwefelkohlenstoff zur Bekämpfung von Schadinsekten betrieben wurde. Besonders lobend betonte er die Tatsache, dass man jedes neu in das Museum gelangte Objekt dieser Prozedur unterzog.249 Auch für seinen damaligen Kollegen Alexander Scott250 lag der Bau einer vergleichbaren Anlage für das Britische Museum in weiter Ferne.251

3.2.4 Aufbau von Anlagen zur Massenbegasung gegen Schadinsekten

Die Veröffentlichungen sowie die Teilnahme an Fachtagungen von namhaften Direktoren und Kuratoren belegen die stetige Bedrohung völker- oder naturkundlicher Sammlungen durch Schadinsekten. Der Wunsch, rationelle und effektive Arbeitsmethoden hinsichtlich umfangreicher Sammlungen zu entwickeln, war offenkundig groß. Nicht das einzelne Objekt sollte konserviert werden, sondern ganze Sammlungskonvolute. Dies führte auf internationaler Ebene zur Entwicklung von Anlagen für Massenbegasungen. Zunächst findet sich in Deutschland ein Beleg, dass im Jahr 1902 am Königlich Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museum Dresden unter dem deutschen Naturwissenschaftler und Anthropologen Adolph Bernhard Meyer252 die erste Anlage zur Massenbegasung gegen Schadinsekten gebaut und installiert wurde. Allerdings ist einem Brief von Bolle an Foy zu entnehmen, dass nach Aussagen von Mitarbeitern des Dresdner Museums in den Jahren 1904/1905 die dortige Anlage nicht wirksam arbeitete.253 248 Vgl. Scott 1922, 336. 249 Vgl. Scott 1922, 333–334. 250 Alexander Scott, geb. 28.12.1853, gest. 10.03.1947, war Chemiker und widmete sich im Britischen Museum dem Erhalt und der Konservierung von Sammlungsgegenständen, siehe auch Kapitel 3.5.2. 251 Vgl. Scott 1922, 338. 252 Adolph Bernhard Meyer, geb. 11.10.1840, gest. 05.02.1911. 253 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 88, 1907–1914. Loseblattsammlung. Wissenstransfer

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Meyer wurde im Jahr 1874 Direktor des Naturhistorischen Museums in Dresden. Fünf Jahre später erhielt das Museum den Namen Königlich Zoologisches und Anthropologisch-Ethnographisches Museum Dresden. Es war ihm ein großes Anliegen, während seiner 30-jährigen Amtszeit die Verbindung von handwerklichtechnischer und wissenschaftlich-musealer Museumsarbeit herzustellen. Viele seiner Ideen wurden in den von ihm ins Leben gerufenen Publicationen aus dem Königlich Zoologischen Museum zu Dresden, den Publicationen aus dem Königlich Ethnographischen Museum in Dresden sowie den Abhandlungen und Berichten aus dem Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museum zu Dresden veröffentlicht. Sie waren wegweisend in der Museumslandschaft und erlangten internationale Beachtung.254 Ausgedehnte Studienreisen führten ihn durch Europa und Nordamerika. Daraufhin führte er im Dresdner Museum viele technisch-museale Neuerungen ein und entwickelte u.a. gemeinsam mit der Firma Kühnscherf in Dresden staubdichte Sammlungsschränke aus Glas und Stahl.255 Auf welchem Weg Meyer die Erkenntnis gewann, in seinem Museum eine Begasungsanlage gegen Schadinsekten zum Erhalt der musealen Sammlungen bauen und installieren zu lassen, konnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht geklärt werden. Um die Jahrhundertwende gab es üblicherweise für hygienische Zwecke stationäre sowie fahrbare „Desinfektionsapparate“, die mit Wasserdampf, heißer Luft oder auch mit Schwefelkohlenstoff betrieben wurden.256 Er ließ jedenfalls von der Firma für Maschinenbau Herrmann & Ranft aus Dresden die erste stationäre Begasungsanlage zur Schädlingsbekämpfung in seinem Museum installieren. Die Begasungsanlage bestand aus einem Kessel, der an seiner Stirnseite mit einem gasdichten Deckel verschlossen war. Auf dem Kessel befanden sich eine Hochdruckwasserleitung, ein Vakuummeter und ein Belüftungshahn. Eine mit Schwefelkohlenstoff gefüllte Flasche stand daneben in einem Behälter mit kochendem Wasser und war mit dem Kessel verbunden. Auf der anderen Seite sorgte ein Wasserabscheider dafür, verbrauchtes Wasser von der abgesaugten Luft zu trennen. Dieses Wasser wurde in einem gesonderten Rohr abgeführt. Im Innern besaß der Kessel vier eiserne Schienen, auf denen hölzerne Leisten zur Aufnahme von Sammlungsobjekten montiert waren. War der Kessel befüllt und gut verschlossen, wurde

Desinfektionsapparat. Bolle, Johann. Brief an Willy Foy vom 29.03.1910, Blatt 9–10, 4 Seiten. 254 Martin 2005: Petra. Meyer. Adolph Bernhard. Hg. v. Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e. V. (Sächsische Biographie). Ohne Seitenangabe. Online verfügbar unter http://www.isgv.de/saebi (Zugriff: 09.11.2017). 255 Ebd., ohne Seitenangabe. 256 Ernst Keil’s Nachfolger 1892: Eine fahrbare Desinfektionsanlage. Abbildung. In: Die Gartenlaube, 1892, Heft 21, 661.

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Abb. 11: Begasungsanlage am Königlichen Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museum zu Dresden, Bauzeichnung, 1903.

über den Strahlapparat257 die Luft aus dem Innern des Kessels evakuiert und der Luftdruck mittels eines Vakuummeters kontrolliert. War der Luftdruck ausreichend reduziert, goss man kochendes Wasser in den Wasserbehälter, um den Schwefelkohlenstoff im Innern des Kessels rasch zum Verdampfen zu bringen. Danach blieb die Apparatur einige Tage unberührt. Anschließend wurde der dampfförmige Schwefelkohlenstoff mit Hilfe des Strahlapparates aus dem Kessel abgesaugt und über einen Schornstein in die Atmosphäre geleitet. Nach diesem Arbeitsschritt war es möglich, über den Belüftungshahn wieder Luft in den Kessel einzuleiten und den Deckel gefahrlos zu öffnen.258 257 Mit dem Strahlapparat ist wahrscheinlich eine Strahlpumpe, genauer gesagt eine Wasserstrahlpumpe gemeint. Die Erfindung der Wasserstrahlpumpe wird dem Chemiker Robert Bunsen zugeschrieben (siehe hierzu: Wittenberger 1973: Wittenberger, Walter. Chemische Laboratoriumstechnik. 7. Aufl. Springer, Wien 1973, 258–259.). 258 Meyer 1903: Meyer, Adolph Bernhard. Abhandlungen und Berichte des Königlichen Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museums zu Dresden. 3. Bericht über einige neue Einrichtungen des Königlichen Zoologischen und AnthropologischEthnographischen Museums in Dresden. XI. Desinfektionsapparat. 1902/03, Bd. X, (5), 22.

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Abb. 12: Museumsobjekte im Desinfektionsraum des Königlichen Zoologischen und AnthropologischEthnographischen Museum Dresden, um 1920 (?).

Die Begeisterung für neue Technologien sowie Meyers Engagement in musealen Angelegenheiten lockte zahlreiche Museumsfachleute aus dem In- und Ausland an, die sich im Dresdener Museum Anregungen für die Einrichtung und Innenausstattung ihrer eigenen Häuser holten.259 Darunter befanden sich aus Schweden im Jahr 1902 Gunnar Hazelius,260 im Jahr 1903 Hjalmar Stolpe261 sowie im Jahr 1904 Carl Bernhard Salin.262 Diese Studienreisen der schwedischen Museumsfachleute waren, wie sich im Folgenden zeigt, für größere europäische Museen bedeutungsvoll und wegweisend. 259 Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden, 13842, Staatliches Museum für Tierkunde, Nr. 21, 1822–1995. Gebundene Ausgabe. Königlich Zoologisches und Anthropologisch-Ethnographisches Museum Dresden 1902; 1903; 1904, Blatt 68. 260 Gunnar Hazelius war Direktor des Freilichtmuseums Skansen in Stockholm von 1901– 1905. 261 Hjalmar Stolpe war Direktor des Ethnographischen Museums in Stockholm von 1903– 1905. 262 Carl Bernhard Salin war Leiter des Nordischen Museums Stockholm von 1905–1913.

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Obwohl mit Stand zum jetzigen Zeitpunkt der Forschung in Dresden die erste Begasungsanlage für Kunst- und Kulturgut stand, wurde diese Technologie im Nordischen Museum in Stockholm zur Reife gebracht und von seinem Erfinder patentiert. Der Kunsthistoriker Axel Nilsson war von 1904 bis 1912 Kurator und sammelte in ganz Schweden volkskundliche Objekte für das Museum. Die Sorge um den Erhalt der vornehmlich aus organischen Materialien bestehenden Gegenstände brachte ihn auf den Gedanken, die damals weit verbreitete Methode zur Bekämpfung von Schadinsekten mit Schwefelkohlenstoff zu verbessern. Durch die Studienreisen seiner Kollegen nach Dresden hatte er auch Kenntnis über die dortige Anlage. Die Besonderheit seiner Anlage lag aber in ihrer Konstruktion. Seine Erfindung beinhaltete eine Unterdruckkammer mit parallelgeschalteten Vakuumpumpen. Im Gegensatz zur Dresdner Anlage konnte dadurch ein größeres Vakuum erzeugt werden. War die notwendige Herabsetzung des Luftdrucks erreicht, wurde Schwefelkohlenstoff in die Kammer eingeleitet. Dadurch konnten die Dämpfe des Schwefelkohlenstoffs tiefer in massive Holzkonstruktionen eindringen.263 Der Vorstand des Museums griff diese Erfindung unverzüglich auf und engagierte sich mit Hochdruck für den Bau einer solchen Anlage. Die gute Zusammenarbeit des Dresdner und Stockholmer Museums belegen ein Kostenangebot sowie eine Konstruktionszeichnung der Firma Herrmann & Ranft aus Dresden über die von ihnen installierte Begasungsanlage im Königlich Zoologischen und AnthropologischEthnographischen Museum Dresden.264 Realisiert wurde in Stockholm das Angebot der schwedischen Firma Nya Aktiebolaget Atlas. Es sollte nunmehr eine Anlage mit einem 4 Meter langen und 2,8 Meter Durchmesser umfassenden Zylinder inklusive Zubehör gebaut und installiert werden. Wegen der hohen Explosionsneigung von Schwefelkohlenstoff wurde für die Begasungsanlage ein gesondertes Gebäude neben dem Museum entworfen.265 Daraufhin reichte die Museumsleitung ein Gesuch bei der Königlichen Baubehörde in Stockholm ein, um die Genehmigung zum Bau eines Gebäudes zur Bekämpfung von Schadinsekten hinter dem Museumsgebäude 263 Brodin 2011: Brodin Louise. Nordiska Museet, Stockholm. ”Antagen enhälligt, stop, börjar tjugofemte”. In: Axel Nilsson, Museiman och föregangare. Sävedalen, Warne, 2011, 57–73. 264 Nordiska Museets Arkiv, Ämbetsarkiv, Styresmannens valv. Loseblattsammlung. Herrmann & Ranft. Kostenvoranschlag für eine Begasungsanlage. Brief vom 03.03.1903, 3-seitig, ohne Paginierung. 265 Nordiska Museet Arkiv. NMAR.0000273. Clason, Isak Gustaf. Bauzeichnung der Begasungsanlage im Nordischen Museum Stockholm vom 10.06.1903, Digitalisat. https:// digitaltmuseum.se/search/?q=NMAR.0000273, (zuletzt aufgerufen am 16.06.2018). Ebd. NMAR.0000272. Clason, Isak Gustaf. Bauzeichnung der Begasungsanlage im Nordischen Museum Stockholm vom 03.10.1903, Digitalisat. https://digitaltmuseum.se/ search/?q=NMAR.0000272, (zuletzt aufgerufen am 16.06.2018).

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Abb. 13: Gebäude mit Begasungsanlage „Lusknäppen“ am Nordischen Museum in Stockholm, Bauzeichnung vom 03.10.1903.

zu erhalten. Die gesamten Kosten dafür betrugen 6000 schwedische Kronen und die Firma Nya Aktiebolaget Atlas erhielt am 4. Mai 1903 den Zuschlag für den Bau der gesamten Anlage mit allem notwendigen Zubehör auf der Grundlage der Zeichnungen und der kalkulierten Kosten. Zu Beginn des Jahres 1904 wurde der Begasungskessel installiert und man zeigte sich nach längeren Testversuchen am 6. April 1904 mit der Funktionstüchtigkeit der Anlage zufrieden. Der Schwefelkohlenstoff dazu wurde von der Apotheke Vasen in Stockholm zu einem Preis von 46 Öre/kg geliefert.266 Wenig später erhielt Axel Nilsson für seine Erfindung beim königlich schwedischen Patent- und Registrierungsamt am 25. November 1905 das Patent mit der Nummer 25800 der Klasse 26: c.267 Bereits im April 1905 fragte das Historische Museum in Stockholm an, ob die Anlage auch für andere Sammlungen nutzbar sei. Daraufhin beschloss der Vorstand des Museums am 12. April 1907, die Anlage für 25 Kronen pro Füllung zu vermieten, das Be- und Entladen war hierin nicht eingeschlossen. Außerdem behielt sich das Nordische Museum das Recht vor, die Anlage vorrangig bei Eigenbedarf selbst zu 266 Nordiska Museet Arkiv. A 1 A, Nämndens protokoll, Nr. 7, § 54d. Protokollnotiz vom 06.04.1904; Ämbetsarkivet–1963, Verifikationer N M, Bilagor till räkenskaperna 1903, G 7 AA: 40; 1904. G 7 AA: 41, (Übersetzung aus dem Schwedischen von Karin BjörlingOlausson). 267 Kunigl. Patent- och Registreringsamt. Patentschrift. Förfarande för desinfieciering af föremal. Nilsson, Axel Rudolf. Eingereicht von Axel Rudolf Nilsson am 25.11.1905. Veröffentlichungsnr: 25800 vom 07.11.1908.

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Abb. 14: Gebäude mit Begasungsanlage „Lusknäppen“ hinter dem Nordischen Museum in Stockholm. Geöffneter Zustand.

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Abb. 15: Desinfektionsraum mit zwei Kesseln im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, ca. 1909.

nutzen.268 Spätere Engpässe in der Lieferung von Schwefelkohlenstoff führten im Jahr 1915 dazu, dass sich das Museum die Erlaubnis zur Einfuhr des Schwefelkohlenstoffs aus Deutschland einholte.269 Die Sammlungen des Rautenstrauch-Joest-Museums – Kulturen der Welt (RJM) in Köln gehen auf den Nachlass des Kölner Geografen und Völkerkundlers Wilhelm Joest zurück.270 Seine Schwester Adele Rautenstrauch förderte nach seinem Tod den Bau eines eigenen Museums, welches im Jahr 1906 eröffnet wurde. Der Umstand, dass der Gründungsdirektor (1901 bis 1925) Willy Foy271 vor seiner Amtszeit im Königlich Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museum Dresden 268 Nordiska Museet Arkiv. A 1 A, Nämndens protokoll, Nordisches Museum Stockholm 1902–1915. Bau einer Begasungsanlage. Nr. 8, § 62, Protokollnotiz vom 05.04.1905; Nr. 10, Protokollnotiz vom 12.04.1907, (Übersetzung aus dem Schwedischen von Karin Björling-Olausson). 269 Ebd. Nr. 18, … j, Protokollnotiz vom 18.08.1915 (Übersetzung aus dem Schwedischen von Karin Björling-Olausson). 270 Wilhelm Joest, geb. 15.03.1852, gest. 25.11.1897. 271 Willy Foy, geb. 27.11.1873, gest. 01.03.1929.

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als Assistent beschäftigt war, mag dazu beigetragen haben, dass das RJM zu seiner Zeit zu den innovativsten Museen Deutschlands hinsichtlich der Bekämpfung von Schadinsekten gehörte. Nachweislich ist dieses Museum das zweite in Deutschland, welches ab dem Jahr 1909 über eine Anlage zur Massenbegasung gegen Schadinsekten verfügte. Nicht eindeutig ist die Aktenlage, ob die Kenntnis über diese Technologie direkt über das Nordische Museum oder vermittelnd über Bolle nach Köln gelangte. Der Anlagenbauer August Zerres aus Köln wurde mit dem Bau der Begasungsanlage betraut und erhielt dazu im Jahr 1909 vom Museum eine nicht näher bezeichnete Patentabschrift.272 Nachdem der Antrag zur Abnahme der Anlage für die Kölner Elektrizitätswerke von Foy unterzeichnet war, konnte diese zwei Wochen später in Betrieb genommen werden.273 Sie bestand aus einem kleineren und einem größeren Kessel, in denen der Luftdruck herabgesetzt werden konnte. Foy und Bolle begannen gleich nach Inbetriebnahme der Anlage mit den ersten Versuchen. Auf Bolles beratende Funktion zu Konservierungsfragen innerhalb der Museen wurde bereits in Kapitel 3.2.3 hingewiesen. In Foy fand er nun einen idealen Partner, um die Funktionstüchtigkeit der Kölner Anlage sowie die Wirksamkeit unterschiedlicher Substanzen überprüfen zu können. Untersucht wurden Schwefelkohlenstoff und Tetrachlorkohlenstoff, welche bis dato vornehmlich im Vorratsschutz Verwendung fanden (siehe Kapitel 1.6.6). Das Museum konnte diese Substanzen direkt in Köln von dem Grossisten Duwalt, Korndoerfer & Co. Beziehen.274 Für die ersten Versuche bereitete Bolle Prüfkörper aus Seidenraupensamen (gemeint sind Seidenraupeneier, die von den damaligen Landwirten als Samen bezeichnet wurden, Anm. d. Verf.) sowie aus mit holzzerstörenden Insekten befallenem Eichen-, Buchen- und Ahornholz vor. Damit sollte die Widerstandsfähigkeit der weitverbreiteten Holzbohrkäfer (Bostrichidae) auf verschiedene Begasungsmittel sowie das Penetrationsverhalten derselben geprüft werden. Durch die Zugabe von Bleipapier und Metallfolien wurde während der Versuche die korrosive Wirkung von Schwefel-

272 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 404. Loseblattsammlung. 1908–1912. Zerres, August. Brief vom 03.06.1909, Blatt 5, 1 Seite. 273 Ebd. Zerres, August. Brief vom 19.06.1909, Blatt 9, 1 Seite. 274 HAStK. Best. 614, A 70. Loseblattsammlung. Ankauf von Insektenvertilgungsmitteln. Firma E. Merck Darmstadt. Brief vom 22.09.1909, Blatt 11, 1 Seite; Firma Duwalt, Korndoerfer & Co. Köln. Brief vom 25.09.1909, Blatt 12, 1 Seite; Brief vom 08.10.1909, Blatt 13, 1 Seite; Brief vom 03.01.1910, Blatt 15, 1 Seite; Brief vom 07.06.1910, Blatt 16, 1 Seite.

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kohlenstoff und Tetrachlorkohlenstoff geprüft.275 Diese Prüfung wurde nota bene ab 1973 in Museen erweitert und unter dem Namen „Oddy-Test“ bekannt.276 Über die ersten Experimente mit Schwefelkohlenstoff277 berichtete Foy unverzüglich am 12. April 1910 und bedauerte, dass es ihm nicht in Gänze gelungen war, einen konstanten Niederdruck zu erzielen.278 Bolle zeigte schon vor Beendigung der ersten Versuche großes Interesse an der Verbreitung der Ergebnisse auf einem Anthropologenkongress in Köln.279 Im Juni 1911 berichtet Foy nach weiteren Experimenten, dass die Abtötung von Larven mit Schwefelkohlenstoff im Sommer intensiver als im Winter sei. Tetrachlorkohlenstoff wirke im Sommer wie auch am Ende des Winters nicht zuverlässig, weshalb er von diesem Begasungsmittel Abstand nahm. Hingegen wurden nach seiner Beobachtung Motteneier nach dreistündiger Einwirkzeit durch Schwefelkohlenstoff zuverlässig getötet, bei Tetrachlorkohlenstoff waren hingegen selbst nach zwanzigstündiger Einwirkzeit noch lebende Eier zu finden.280 Bolle wertete seinerseits die Prüfkörper im Nachgang in seiner Versuchsstation aus, indem er diese daraufhin untersuchte, ob sich verbliebene Eier weiterentwickelten oder ob alle Lebewesen während der Versuche in Köln abgetötet worden waren.281 Auch versuchte er Foys Interesse für Versuche zu wecken, durch welche das Materialverhalten von Malereien auf Holztafeln, von Gemälden mit Grundierungen und rissigen Oberflächen sowie von verschiedenen Lederarten, Häuten oder von Kleidung der Eskimo unter herabgesetztem Luftdruck überprüft werden sollte.282 275 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 73. Loseblattsammlung. Foy 1909–1912. Beschreibung der Versuche zur Begasung in einer Begasungsanlage „à la Nielsson“ mit der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation Görz im Frühjahr 1910, Blatt 22–24a, 4 Seiten. 276 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 88, 1907–1914. Loseblattsammlung. Bolle und Foy 1907– 1914. Bolle, Johann. Brief vom 30.03.1910, Blatt 8, 1 Seite; Oddy, Andrew 1973: Oddy, Andrew. An Unsuspected Danger in Display. In: Museum Journal, 1973, (73), 27–28. 277 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 73, 1909–1912. Loseblattsammlung. Dokumentation der Versuchsreihen von Willy Foy ohne Datierung, Blatt 11–30, 29 Seiten; Darin enthalten: Bolle, Johann. Postkarte vom 25.03.1912, Blatt 12, 1 Seite. 278 Ebd. Foy, Willy. Brief vom 12.04.1912, Blatt 31, 2 Seiten. 279 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 88, 1907–1914. Loseblattsammlung. Bolle, Johann. Brief vom 29.03.1910, Blatt 10, 1 Seite. 280 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 73, 1909–1912. Loseblattsammlung. Resultate der Versuche zur Begasung. Foy, Willy. Bericht vom 08.06.1911, Blatt 106–107, 3 Seiten; Best. 614, A 88, 1907–1914. Loseblattsammlung. Bolle, Johann. Brief vom 06.06.1911, Blatt 57, 2 Seiten. 281 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 73, 1909–1912. Loseblattsammlung. Bolle, Johann. Brief vom 25.02.1912, Blatt 151–152, 3 Seiten. 282 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 88, 1907–1914. Loseblattsammlung. Bolle, Johann. Brief vom 01.09.1910, Blatt 48, 2 Seiten.

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Aus allen mit Foy durchgeführten Experimenten schlussfolgerte Bolle, dass Schwefelkohlenstoff dem Tetrachlorkohlenstoff vorzuziehen sei. In diesem Zusammenhang korrespondierte das RJM im Jahr 1910 mit der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron in Frankfurt am Main. Es galt in Erfahrung zu bringen, ob Metallanstriche für Sammlungsgegenstände verfügbar waren, die u.U. hitzebeständig gegen Tetrachlorkohlenstoff waren. Griesheim-Elektron verwies einzig auf Zaponlack, gelöst in Essigsäurepentylester o.Ä. und betonte, dass es völlig hitzebeständige Lacke nicht gäbe. Darüber hinaus suchte man im Museum wegen der bestehenden Gefahr der Explosivität von Schwefelkohlenstoff nach einem Schutz für die auf Leinwandetiketten aufgebrachten Identifikationsnummern der Objekte, um diese im Falle eines Brandes schützen zu können. Auch die ChemischeIndustrie-Gesellschaft in Frankfurt am Main teilte mit, dass es keinen hundertprozentigen Schutz gegen Feuer gäbe, empfahl aber, ein von ihr hergestelltes, nicht näher bezeichnetes Imprägniermittel auf die Leinwandetiketten aufzutragen.283 Die über einen Zeitraum von zehn Jahren in dieser Anlage durchgeführten Experimente von Foy und Bolle mit Tetrachlorkohlenstoff und Schwefelkohlenstoff unter verschiedenen Parametern sind ausführlich dokumentiert. Zu unterschiedlichen Jahreszeiten wurden verschiedene Spezies von Insekten in diverse Holzarten eingesetzt sowie die Wechselwirkung der Wirkstoffe auf Blattmetalle und Metallfolien beobachtet. Man feilte an der Dauer von Einwirkzeiten, der Einstellung des Druckes sowie der Erreichung eines niedrigen Luftdruckes hinsichtlich befallener Hölzer, ihrer Stabilität sowie ihrer Volumina. Nach dem jetzigen Forschungsstand wurden in den Jahren 1909 bis 1912 in einer musealen Einrichtung die intensivsten Forschungen auf dem Gebiet der Wirksamkeit der Dämpfe von Tetrachlorkohlenstoff und Schwefelkohlenstoff unter Verwendung einer mit herabgesetztem Luftdruck arbeitenden Begasungsanlage durchgeführt.284 In seinem Ruhestand setzte Bolle seine zahlreichen Versuche zur Abtötung von Schadinsekten unter Einbeziehung von Dichlorbenzol (heute: 1,4-Dichlorbenzol; siehe Glossar) fort und korrespondierte darüber ausgiebig in den Jahren 1913 bis 1917 mit Foy. Auch als Vermittler zwischen Industrie und Museen war er aktiv, wenn er beispielsweise Foy über den preisgünstigsten Anbieter für den Wirkstoff Dichlorbenzol, der in Berlin bei der Actien-Gesellschaft für

283 HAStK. Findbuch. Best. 614, 438, 1910–1913. Loseblattsammlung. Chemische Fabrik Griesheim-Elektron. Stellungnahme zu hitzebeständigen Anstrichen. Brief vom 25.06.1910, Blatt 1, 1 Seite; ebd. Chemische Fabrik Griesheim-Elektron und Chemische Industrie-Gesellschaft. Ankauf von Imprägniermitteln. Brief vom 08.12.1913, Blatt 2, 2 Seiten sowie Brief vom 15.11.1913, Blatt 3, 1 Seite. 284 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 73, 1909–1912. Loseblattsammlung. Blatt 1–280, 392 Seiten.

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Anilin-Fabrikation (Agfa) zu finden war, informierte.285 Von der gemeinsamen Erforschung der Wirksamkeit von Begasungsmitteln am RJM in Köln profitierte Bolle in einem erheblichen Maß. Als Botaniker konnte er die Ergebnisse der Experimente auch land- und frostwirtschaftlich verwerten. Auf einschlägigen Tagungen wie dem Anthropologen-Kongress in Köln agierte er interdisziplinär und steigerte so seinen Bekanntheitsgrad in der Wissenschaftswelt. Darüber hinaus erreichte er mit seinen Veröffentlichungen in der damaligen Museumslandschaft zahlreiche Experten im In- und Ausland. Er durfte im Sommer 1911 sogar eigene Versuche in der Anlage am Nordischen Museum in Stockholm durchführen.286 Unmittelbar danach besichtigte er in Helsinki am Nationalmuseum die bereits erwähnte Begasungsanlage,287 die nach dem schwedischen Vorbild konstruiert und installiert worden war.288 Bolle war überzeugt von dem Verfahren und verbreitete sein Wissen über diese Technologie weiterhin an vielen Orten Deutschlands und Europas.289 Das Hamburger Museum für Völkerkunde erhielt ab 1912 ein eigenes Gebäude an der Rothenbaumchaussee, an dessen Planung und Umsetzung der Gründungsdirektor Georg Thilenius maßgeblich beteiligt war.290 Als Museumsfachmann agierte er weit vorausplanend und erkundigte sich im Vorfeld ausgiebig bei seinen Kollegen auf nationaler und internationaler Ebene während der Planungsphase des Neubaus, um das Hamburger Museum für Völkerkunde nach dem damaligen neuesten Stand der Technik gestalten zu können. Eine gemeinsame Studienreise mit dem Baumeister M. Mayer (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) führte ihn im September 1908 nach Christiana (heute Oslo), Stockholm, Breslau und Dresden. Ergänzt wurden diese Reisen durch Besuche von weiteren Museen in Frankfurt am Main sowie in Köln.291 In Stockholm hatte Thilenius Gelegenheit, das Nordische Museum zu be285 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 88, 1907–1914. Loseblattsammlung. Bolle, Johann. Postkarte vom 23.10.1913, Blatt 118, 2 Seiten. 286 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 88, 1907–1914. Loseblattsammlung. Bolle, Johann. Brief vom 05.07.1911, Blatt 66–67, 3 Seiten; ebd. Bolle, Johann. Postkarte vom 26.09.1911, Blatt 69, 2 Seiten. 287 National Archives of Finland. RakH II Iba 37: 1 a, 56 M 1/11. Helsinki, Kansallismuseon desinfioimislaitos. Digitalisat. 288 HAStK. Findbuch. Best. 614, A 88, 1907–1914. Loseblattsammlung. Bolle, Johann. Postkarte vom 14.08.1911, Blatt 68, 2 Seiten. 289 Nordiska Museet Arkiv. A 1 A. Nordisches Museum Stockholm 1902–1915, nämndens protokoll, No. 14. § 138. Besuch von Johann Bolle, niedergeschrieben am 16.08.1911 (Übersetzung aus dem Schwedischen von Karin Björling-Olausson). 290 Thilenius 1916: Thilenius, Georg. Das Hamburgische Museum für Völkerkunde. In: Museumskunde, Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen, 1916, Vol. 16 (i.e. 12) (Beiheft zu Bd. XIV), I–VIII; 74–78. 291 Ebd., 89.

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sichtigen, wo sich nota bene drei Jahre zuvor Bolle aufhielt. Thilenius nahm die Anlage von Nilsson in Augenschein und forcierte den Bau eines ähnlichen Apparats für sein Museum im engen Wissenschaftsaustausch mit dem Nordischen Museum in Stockholm und dem RJM in Köln. Mit der Errichtung der Begasungsanlage waren erhebliche Kosten verbunden. Deshalb setzte sich Thilenius unmittelbar nach der Reise mit seinen Kollegen im Museum für Kunst und Gewerbe, dem Naturhistorischen sowie dem Historischen Museum in Hamburg in Verbindung mit dem Ziel, den Bedarf an einer gemeinsamen Nutzung einer Begasungsanlage zu erfragen.292 Gebaut wurde die Anlage dann von der Firma August Herrmann in Dresden.293 Aufgrund seiner eigenen Beobachtungen ordnete Thilenius die „Vakuumanlage zur Desinfektion von Sammlungsgegenständen mit Maschinenkammer, Luftpumpe und Ventilator im Laboratorium des Museums“ so an, dass sinnvolle Arbeitsabläufe entstanden.294 Die Anlage bestand aus einem Kessel von 2 m Höhe und 3 m Länge, in dessen Innern sich ein Wagen befand, der zur Aufnahme der Objekte herausgefahren werden konnte. Als er Ende 1911 darauf drängte, die Begasungsanlage endlich zu installieren, wurde ihm seitens der Hamburger Baudirektion mitgeteilt, dass der gesamte Apparat nunmehr am 18. November 1911 versandt und nach Ablauf von vierzehn Tagen im neuen Gebäude des Völkerkundemuseums aufgestellt werden würde.295 Ebenso wie Foy musste sich Thilenius zum Betreiben der Begasungsanlage für eine der beiden Substanzen Tetrachlorkohlenstoff bzw. Schwefelkohlenstoff entscheiden. Für ihren Einsatz lagen in den Museen noch keine weitreichenden Erfahrungen vor. Die Dämpfe dieser Flüssigkeiten wurden bis dato, wie bereits erwähnt, vorwiegend zum Schutz von Vorräten eingesetzt. Thilenius fragte zunächst bei Rathgen nach, wurde von diesem aber sogleich an Foy in Köln verwiesen.296 Dieser blickte zu jenem Zeitpunkt bereits auf eine zweijährige Erfahrung mit bei292 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt. Loseblattsammlung. Findbuch. 101–1, Nr. 1230. Loseblattsammlung. Anfrage zur gemeinsamen Nutzung der Begasungsanlage am Museum für Völkerkunde Hamburg. Thilenius, Georg. Brief vom 09.10.1908, 2 Seiten, ohne Paginierung. 293 Vgl. Thilenius 1916, 152. 294 Ebd., 131. 295 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt. Loseblattsammlung. Findbuch. 101–1, Nr. 1230. Loseblattsammlung. Anlieferung der Begasungsanlage für das Museum für Völkerkunde Hamburg. Thilenius, Georg. Brief vom 28.10.1911, 1 Seite, ohne Paginierung; Elkart, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Brief vom 11.11.1911, 1 Seite, ohne Paginierung. 296 Ebd. Klärung von Fachfragen zum Einsatz von Gasen in der Begasungsanlage des Museums für Völkerkunde in Hamburg. Thilenius, Georg. Brief vom 09.12.1911, 1 Seite, ohne Paginierung; Rathgen, Friedrich. Brief vom 11.12.1911, 1 Seite, ohne Paginierung.

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den Wirkstoffen in seiner eigenen Anlage zurück und beantwortete umgehend alle Fragen.297 Er hielt Tetrachlorkohlenstoff für ein sehr unsicheres Begasungsmittel, da bei Versuchen selbst nach einer achtundvierzigstündigen Einwirkzeit noch lebende Larven im Kessel gefunden worden waren. Deshalb bewertete Foy auch bei längeren Einwirkzeiten den Tetrachlorkohlenstoff gegenüber dem Schwefelkohlenstoff als weniger wirkungsvoll. Bescheiden bezeichnete er seine eigenen Versuche als Einzelversuche, deren wissenschaftliche Aussage er in Zweifel zog. Dennoch hoffte er, in naher Zukunft mehr Zeit in Experimente investieren zu können, um zu aussagekräftigeren Ergebnissen zu gelangen.298 Die nachteilige Feuergefährlichkeit von Schwefelkohlenstoff verglich er mit der Wahrscheinlichkeit eines Blitzschlages und betonte, dass bei geordneter Anwendung die Gefahr für ein Museum eher gering sei. Eine weitere wichtige Angabe war für Thilenius die benötigte Menge Gas pro Kubikmeter Kesselvolumen. Bei einer Temperatur von 16–18 °C benötigte man zur Sättigung für 1 m3 Kesselvolumen ca. 650– 700 cm3 Tetrachlorkohlenstoff. Als Bezugsquelle für Tetrachlorkohlenstoff nannte Foy die Firma Duwald, Korndörfer & Co. aus Köln. Er war allerdings skeptisch hinsichtlich der Bestellung größerer Mengen dieser Substanz, solange deren Wirksamkeit noch nicht befriedigend geklärt war.299 Es galt also zu entscheiden, ob eine weniger wirksame, dafür aber nicht brennbare Substanz wie Tetrachlorkohlenstoff oder ein wirksamerer Wirkstoff wie Schwefelkohlenstoff, dafür aber feuergefährlich, als Begasungsmittel eingesetzt werden sollte. Thilenius verließ sich vollständig auf die Erfahrungen seines Kollegen und betrachtete die Feuergefährlichkeit von Schwefelkohlenstoff analog zu der von Benzin oder auch Ether. Foy riet seinem Hamburger Kollegen, konsequent das Verfahren mit Schwefelkohlenstoff anzuwenden. Seine Versuche, Schadinsekten ohne den Einsatz von Gasen durch Erzeugung eines Unterdruckes abzutöten, betrachtete er als gescheitert, da sich noch nach sechs Tagen lebende Bohrwürmer (gemeint sind holzzerstörende Insekten) im Kessel befanden.300 Sämtliche Auskünfte waren für Thilenius äußerst wertvoll, da er nun die Vorzüge des Schwefelkohlenstoffs gegenüber seiner Baubehörde in Hamburg begründen konnte. In Unkenntnis der Vor- und Nachteile hatte die Behörde nämlich den Versuch unternommen, ihn von diesem Wirkstoff abzubringen.301

297 Ebd. Thilenius, Georg. Brief an Willy Foy vom 09.01.1912, 1 Seite, ohne Paginierung. 298 Ebd. Thilenius, Georg. Brief vom 09.01.1911, 1 Seite, ohne Paginierung; Foy, Willy. Brief vom 11.01.1911, 6 Seiten, ohne Paginierung. 299 Ebd. Foy, Willy. Brief an Georg Thilenius vom 11.01.1912, 6 Seiten, ohne Paginierung. 300 Ebd. Foy, Willy. Brief an Georg Thilenius vom 17.01.1912, 2 Seiten, ohne Paginierung. 301 Ebd. Thilenius, Georg. Brief an Willy Foy vom 13.01.1912, 1 Seite, ohne Paginierung.

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Aus Südafrika (ohne nähere Angabe, Anm. d. Verf.) erreichte Thilenius eine Anfrage zur Verwendung des Mittels Areginal zur Bekämpfung von Holzschädlingen. Da ihm das Mittel unbekannt war, erbat er vom Pharmazeutischen Büro der I. G. Farbenindustrie A. G. Literatur über dieses Holzschutzmittel. Dabei erfuhr er im Januar 1934, dass Areginal zur Begasung in seiner Anlage geeignet war. Die farblose Flüssigkeit hatte im Gegensatz zu Schwefelkohlenstoff auch einen angenehmen Geruch.302 Daraufhin wurde der bereits im Jahr 1933 geplante Umbau der Begasungsanlage durchgeführt und auf das neue Begasungsmittel Areginal umgestellt. Die Firma Bayer-Meister Lucius aus Leverkusen lieferte am 14. Mai 1934 für den weiteren Betrieb der Anlage 5 kg Areginal an das Museum.303 Betrachtet man die einzelnen Museen mit ihren Mitarbeitern aus einem gewissen Abstand, so drängt sich weiterhin die Frage auf, ob bereits im Untersuchungszeitraum für die vorhandenen Wirkstoffe und Mittel, die sowohl vorbeugend wie auch bekämpfend gegen Schadinsekten zur Verfügung standen, gemeinsame Überlegungen getroffen wurden, einheitliche Standards bzw. Richtlinien hinsichtlich ihrer Anwendung festzulegen.

3.2.5 Verbreitung des Wissens innerhalb der Museen

Der Nachweis einer systematischen Arbeitsweise in Hinblick auf den Erhalt musealer Sammlungsbestände aus organischen Materialien konnte mit den vorhandenen Quellen nicht erbracht werden. Einschlägige Anfragen aus kleineren Museen geben allerdings einen wichtigen Einblick in die damaligen Konservierungsmethoden größerer Einrichtungen. Dabei tritt Bolle immer mehr auf seinen zahlreichen Reisen sowie in seiner ausgiebigen Korrespondenz in Erscheinung. Unermüdlich und mit großem Engagement macht er auf die Fortschritte auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung in den unterschiedlichen musealen Einrichtungen europaweit aufmerksam. Das Wissen zur Schädlingsbekämpfung innerhalb der Museen – national und international – verbreiterte sich dadurch stetig. In Konservierungsfragen besaßen die Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin mit dem Chemischen Laboratorium seit seiner Gründung im Jahr 1888 ein Alleinstellungsmerkmal, das sowohl in der fachlichen Kompetenz wie auch in der technischen Ausstattung dieses Labors lag. Davon profitierte innerhalb der Institution in erster Linie das Königliche/Staatli302 Ebd. Thilenius, Georg. Brief vom 17.01.1934, 1 Seite, ohne Paginierung. 303 Ebd. Umstellung der Begasungsanlage im Museum für Völkerkunde Hamburg von Blausäure auf Areginal. Thilenius, Georg. Brief vom 17.04.1934, 1 Seite, ohne Paginierung; Lieferung von 5 kg Areginal. Anonymus. Aktenvermerk vom 14.05.1934, 2 Zeilen, ohne Paginierung.

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che Museum für Völkerkunde zu Berlin. Darüber hinaus waren die Museen und das konservierungswissenschaftliche Labor weit über die Grenzen Berlins bekannt. Insbesondere kleinere bzw. weit abgelegene Museen suchten den Rat der Berliner Kollegen. In ihren schriftlichen Anfragen ging es hauptsächlich um Methoden zur Konservierung von gefasstem und ungefasstem Holz. Aber auch Fragen hinsichtlich des Schutzes von Textilien vor Textilmotten waren darunter. Beispielhaft wird anhand von zehn sehr unterschiedlich ausgerichteten Museen aus dem deutschen sowie dem west- und osteuropäischen Raum aufgezeigt, welche Wege einzelne Personen aus externen Einrichtungen einschlugen, um ihr eigenes Wissen zu erweitern und gleichzeitig vom Know-how anderer zu profitieren. Diese Museen profitierten auch im Nachgang von Fachtagungen, die vornehmlich von Museumsfachleuten aus großen Einrichtungen besucht wurden. Ebenso ist ein Unterschied in der Anwendung von Schädlingsbekämpfungsmitteln am einzelnen Objekt bzw. in der massenweisen Abtötung von Schadinsekten zu beobachten. Auch hier konnten größere Museen die Mittel für den Bau von Begasungsanlagen eher als kleinere Einrichtungen aufbringen. So adressierte der Pfleger304 Bormann (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) des Städtischen Museums für heimatliche Altertümer Herford305 im Jahr 1905 ein Schreiben an die Abteilung der Vorgeschichtlichen Altertümer des Königlichen Museums für Völkerkunde. Er erkundigte sich nach der Konservierung von archäologischem Holz, namentlich die Hälfte eines Baumsarges. Bormann war mit dem Merkbuch306 und einer darin empfohlenen Behandlung mit Petroleum und Firnis vertraut. Er wollte aber sicherstellen, ob Risse in dem mittlerweile getrockneten Holz vor der Behandlung wieder geschlossen werden konnten. Seine Anfrage wurde direkt an den Restaurator Krause am Königlichen Museum für Völkerkunde weitergeleitet.307 Dieser empfahl, den archäologischen Fund über Monate in Wasser zu tauchen, um ihn danach mehrmals mit dem im Merkbuch empfohlenen Gemisch aus Petroleum und Firnis einzustreichen oder alternativ auch ein Gemisch aus Firnis und echtem Avenarius-Carbolineum aufzutragen.308 Er verwies auch auf ein we304 Es wird davon ausgegangen, dass der Begriff „Pfleger“ ein veralteter Begriff ist und synonym zum heutigen Begriff des Sammlungs- oder Depotverwalters verwendet wurde. 305 SMB-PK, EM, I/MV 0075, Bd. 1, Pars IIc, E. Nr. 332/1905. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Konservierung von archäologischem Holz. Bormann, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Brief, 1-seitig, ohne Paginierung. 306 Siehe hierzu Kapitel 3.1.4. 307 SMB-PK, EM, I/MV 0075, Bd. 1, Pars IIc, E. Nr. 332/1905. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Weiterleitung einer Anfrage. Alfred Götze an Wilhelm Eduard Julius Krause. Aktennotiz, 3-zeilig, ohne Paginierung. 308 Es ist fraglich, ob die von Krause empfohlene Vorgehensweise erfolgreich angewendet werden konnte, da sich Wasser und die genannten Mittel nicht mischen (Anm. d. Verf.).

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sentlich dunkleres Aussehen nach der Behandlung, welches aber im Laufe der Jahre wieder zurückgehen würde.309 Das Städtische Museum für heimatliche Altertümer in Herford wandte sich an die Vorgeschichtliche Abteilung des Königlichen Museums für Völkerkunde. Konrad Ribbeck310 bat um Rat für die Konservierung eines Einbaums von fünfeinhalb Meter Länge.311 Ebenso wie Bormann verweist er auf die empfohlene Behandlung im Merkbuch mit Firnis und Petroleum.312 Die Auskunft von Krause wird in diesem Fall von Carl Schuchhardt übermittelt.313 Dabei erfahren wir, dass Krause sich in der Wahl seiner Mittel schon seit geraumer Zeit von dem im Merkbuch empfohlenen Gemisch entfernt hatte. Petroleum und Firnis, wenn sie nicht rasch verbraucht wurden, bildeten nach seiner Erfahrung eine steife Gallertmasse, die auch in verschiedenen Lösemitteln nicht wieder flüssig wurde. Hingegen weist er auf ein Gemisch von Leinölfirnis und Avenarius-Carbolineum im Verhältnis 1 : 1 hin, welches möglichst im heißen Zustand mehrmals aufgetragen werden sollte.314 Ob die von Krause empfohlenen Maßnahmen angewendet wurden, konnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht geklärt werden.315 In einem bedeutenden Fall besichtigte Rathgen im September 1912 die Grabanlage des Herzoglichen Geheimen Rats Graf Samuel von Behr im Doberaner Münster.316 Dort war der Verwaltungsdirektor 309 SMB-PK, EM, I/MV 0075, Bd. 1, Pars IIc, E. Nr. 332/1905. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Konservierung von archäologischem Holz. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Bericht vom 21.02.1905, 2 Seiten, ohne Paginierung. 310 Der Stadtarchivar und Oberlehrer des Burggymnasiums in Essen, Konrad Ribbeck, betreute im Untersuchungszeitraum ehrenamtlich die ortsgeschichtliche Abteilung des Museums der Stadt Essen. 311 Frdl. schriftliche Mitteilung vom 11.12.2014 von Magdalena Drexl, Stiftung Ruhr Museum Essen, Frühe Neuzeit. 312 SMB-PK, EM, I/MV 0075, Bd. 1, Pars IIc, E. Nr. 301/11. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Konservierung eines Einbaums. Ribbeck, Konrad. Brief vom 10.02.1911, 1 Seite, ohne Paginierung; ebd. Schuchhardt, Carl. Aktennotiz vom 11.02.1911 auf Schreiben von Konrad Ribbeck, 2 Zeilen, ohne Paginierung. Ebd. Krause Eduard. Bericht vom 15.02.1911, 1 Seite, ohne Pagnierung. 313 Carl Schuchhardt war Direktor der Vorgeschichtlichen Abteilung des Museums für Völkerkunde von 1908 bis 1925 (siehe hierzu auch Kapitel 5.7). 314 SMB-PK, EM, I/MV 0075, Bd. 1, Pars IIc, E. Nr. 301/11. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Krause, Wilhelm Eduard Julius. Bericht vom 15.02.1911, 1 Seite, ohne Paginierung. 315 Die Unterlagen der ortsgeschichtlichen Abteilung des Museums der Stadt Essen, dem heutigen Ruhrlandmuseum, werden mittlerweile im Archiv des Hauses der Essener Geschichte aufbewahrt und sind dort nur in wenigen Bruchstücken erhalten geblieben. Dies ergab eine schriftliche Anfrage vom 17.12.2014 bei der Leitung des Hauses der Essener Geschichte, Herrn Dr. Klaus Wisotzky. 316 LAKD M-V/LD. Objektakte (Kopie) Bad Doberan, Klosterkirche (Münster). Loseblatt-

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Josephin (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.)317 sichtlich in Aufruhr, da das Grabmal, bestehend aus einem lebensgroßen hölzernen Pferd samt Reiter, nach seiner Restaurierung im Jahr 1886 wieder starken Befall durch holzzerstörende Insekten aufwies.318 Rathgen schlug vor Ort das Ausräuchern mit Benzol und ein Schließen der Ausfluglöcher mit gefärbtem Paraffin vor.319 Nach eingehender Beratung mit Bolle sandte er im November einen ausführlichen Bericht an Josephin. Wegen der Größe des Objektes empfahl er nun das mehrmalige Einstreichen des Pferdes und eine Tränkung des Reiters mit Petroleum. Nach erfolgter Tränkung sollte der Reiter zusätzlich zur Festigung des Holzes mit chinesischem Holzöl behandelt werden.320 Das Großherzogliche Amt in Doberan teilte bereits zu Beginn des Jahres 1913 mit, dass die Behandlung exakt nach den Angaben Rathgens durchgeführt worden war und man beabsichtige, die Tränkung mit Petroleum in den drei kommenden Sommern zu wiederholen.321 Ein erneuter Befall, der zwanzig Jahre später im Herbst 1933 konstatiert wurde, führte zu einer weiteren Behandlung, wofür man diesmal allerdings Terpentin nahm.322 Eine weitere Anfrage ging am 19. Dezember 1913 im Kaiser-Friedrich Museum in Berlin ein.323 Der für die Denkmäler aus dem Regierungsbezirk Kassel zuständige Restaurator Holtmeyer (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) erkundigte sich nach Konservierungsmethoden gegen das holzzerstörende Insekt (Anobium sp.) bei gefassten Skulpturen. Sein Anliegen wurde gleich von meh-

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sammlung. Mappe 01 vom 21.05.1885–27.06.1927, Mappe 02 vom 01.07.1927–14.12.1953, Nr. 1069 und Nr. 4524. Verwaltung des Grossherzoglichen Museums und der Grossherzoglichen Kunstsammlungen Schwerin 13.07.1912–25.10.1933. Erhaltung des Grabdenkmals des Herzoglichen Geheimen Rats Graf Samuel von Behr in der Kirche zu Doberan. Rathgen, Friedrich. Brief vom 19.08.1912, zu Nr. 156, Blatt 33, 4 Seiten. Der Verwaltungsdirektor Josephin (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) aus dem Großherzoglichen Museum und den Großherzoglichen Kunstsammlungen Schwerin war zu dieser Zeit für das Grabmal im Doberaner Münster zuständig. Ebd. Josephin (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Briefentwurf vom 31.07.1912, 1 Seite, ohne Paginierung und Bericht vom 15.08.1912, Blatt 34, 2 Seiten. Ebd. Josephin, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Bericht vom 10.09.1912, Blatt 34, 2 Seiten. Ebd. Rathgen, Friedrich. Bericht zu konservatorischen Maßnahmen zum Erhalt des Grabdenkmals des Herzoglichen Geheimen Rats Graf Samuel von Behr in der Kirche zu Doberan vom 01.11.1912, Blatt 39, 4 Seiten. Ebd. G. Nr. 1770. Barfurth (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Brief an die Kommission zur Erhaltung der Denkmäler zu Schwerin vom 25.04.1913, Blatt 41, 1 Seite. Ebd. G. Nr. 2825. Josephin (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Schreiben an den Regierungsbaurat Neumann (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) vom 30.10.1933, 1 Seite, ohne Paginierung. Das ehemalige Kaiser-Friedrich-Museum wurde während des DDR-Regimes im Jahr 1956 in Bode-Museum umbenannt.

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reren Mitarbeitern beantwortet. Theodor Demmler, kommissarischer Direktor der Sammlung der Skulpturen und Gipsabgüsse des Mittelalters und der Renaissance, Otto von Falke, Direktor des Kunstgewerbemuseums, der Restaurator Hauser324 sowie Rathgen äußerten sich alle in ähnlicher Weise. Allgemeine Aussagen seien nicht zu treffen, sondern der Einzelfall zu prüfen. Die Behandlung von ungefassten Holzskulpturen sei im Allgemeinen einfacher als für gefasste, da man hier nicht auf Farben oder Vergoldungen Rücksicht nehmen müsse. Firmen, die derartige Arbeiten durchführten, seien nicht bekannt. Man empfahl die Tränkung in reinem Terpentin, ggf. zur Stabilisierung des Holzes mit einer Leimlösung gemischt, auch die Begasung mit Schwefelkohlenstoff in einem Blechkasten oder in einer Blechkammer wurde empfohlen. Rathgen fügte allerdings hinzu, dass Terpentin kein sicheres Mittel zur Bekämpfung von Holzschädlingen sei und verwies auf eine im Chemischen Laboratorium selbst hergestellte Harzlösung sowie auf ein Mittel aus der Technischen Hochschule in Dresden, welches sich derzeit im Versuch im Chemischen Laboratorium befinde. Er erachtete es durchaus als unproblematisch, einen geschickten Handwerker mit diesen Konservierungsmaßnahmen zu betrauen. Da kein Mittel vor Neubefall schützen würde, empfahl er zudem, die Objekte regelmäßig zu kontrollieren.325 Der Neubau des Großherzoglichen Kunstgewerbemuseums in Oldenburg sowie der bereits begonnene Erste Weltkrieg waren Anlass für den Oberregierungsrat des Vorstandes des Museums, sich mit der Verpackung und Lagerung hochwertiger alter Textilien zu beschäftigen. Aus Angst vor Insektenfraß und aufgrund mangelnder Kontrollmöglichkeiten der verpackten Objekte durch eine kriegsbedingte Personalknappheit schrieb er an die Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde und bat um Informationen über das von Fritz Schulz jun., Chemische Fabriken in Leipzig, angebotene Mittel Globol.326 Fritz Schulz 324 Vermutlich handelt es sich hier um Aloys Hauser jun., geb. 14.05.1886, gest. nach 1934. Er war leitender Restaurator und Kustos bei den Kunstmuseen. (Freundliche mündliche Mitteilung aus dem Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin, 18.04.2017). 325 SMB-ZA. KFM 37, F. Nr. 3149/1913. Loseblattsammlung. Anfrage des Konservators der Denkmäler im Regierungsbezirk Cassel an das Kaiser-Friedrich-Museum in Berlin zur Bekämpfung holzzerstörender Insekten an gefassten Holzskulpturen. Holtmeyer (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Brief vom 19.12.1913, 2 Seiten, ohne Paginierung; Demmler, Theodor. Brief (Abschrift) vom 08.01.1914, 1 Seite, ohne Paginierung; Hauser, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Aktennotiz (Abschrift) vom 15.01.1914, 1 Seite, 7 Zeilen, ohne Paginierung; Rathgen, Friedrich. Stellungnahme vom 16.01.1914, 1 Seite, ohne Paginierung; Falke von, Otto. Brief vom 19.01.1914, 1 Seite, ohne Paginierung. 326 SMB-PK, EM, I/MV 0075, Bd. 1, Pars IIc, E. Nr. 49/15. Loseblattsammlung. Anfrage zu Globol. Oberregierungsrat (Name unbekannt, Anm. d. Verf.). Brief vom 14.01.1915, 1 Seite, ohne Paginierung (siehe hierzu auch Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation (AGFA), Pharmaceutische Abteilung in Kapitel 3.2.1).

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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jun. (siehe Kapitel 3.2.1) warb bei vielen Museen für das neuartige Produkt mit einem Anschreiben und Gratismustern.327 Nach Quellenlage lag kein Antwortschreiben des Berliner Museums vor. Mitunter war wenig Eigenwerbung durch Hersteller von Schädlingsbekämpfungsmitteln notwendig, was der Brief des Restaurators Paul Hübner der Städtischen Sammlungen in Freiburg i. Br. an die Consolidirten Alkaliwerke, Abteilung Hannover, belegt. Hübner war nicht nur begeistert von der Wirkung des dort hergestellten Produkts zur Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten Xylamon-LX-Hell, sondern er führte auch eigene Versuche in seinem Labor damit durch. Darin stellte er andere Bekämpfungsmittel sowie das Blausäureverfahren dem Xylamon-LX-Hell gegenüber und kam zu dem Schluss, dass Letzteres „… bis jetzt unübertroffen ist in der Wirkung“. Unaufgefordert war er sogar bereit, Xylamon-LX-Hell anderen Museen sowie Bauämtern zu empfehlen und seine Erkenntnisse gleichfalls zu publizieren.328 Analog verbreitete sich das Wissen in den Museen auch auf internationaler Ebene. Sidney Harmer, Entomologe und Direktor des Naturhistorischen Museums in London von 1919–1927, besuchte ebenfalls das Nordische Museum in Stockholm und bewunderte dort die Begasungsanlage „Lusknäppen“ (siehe hierzu Kapitel 3.2.4). Von ihm erfahren wir in einem Beitrag aus dem Jahr 1922, dass sie das Beste sei, was er bislang in der musealen Praxis zur Bekämpfung von Schädlingen gesehen habe. Für den Erhalt entomologischer Sammlungen befürwortet er wie viele seiner Kollegen die Wirkstoffe Schwefelkohlenstoff und Cyanwasserstoff.329 Große räumliche Distanzen wurden auch zu Beginn des 20. Jahrhunderts überwunden, wenn es darum ging, voneinander zu lernen. Eine Korrespondenz des Staatlichen Urallandesmuseum Jekaterinburg (Swerdlowsk)330 und des Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin belegt ein großes Interesse der Museumsfachleute aus dem Ural zu erfahren, welchen Stellenwert die Berliner Kollegen dem Produkt Areginal sowie der Durchtränkung mit dem gegen Textilmotten neu entwickelten Produkt Eulan beimaßen. Es galt, Rentierfelle der Samojaden sowie Objekte aus Filz von 327 Ebd. E. Nr. 420/15. Fritz Schulz jun., Aktiengesellschaft, Leipzig. Werbeschreiben vom 18.05.1915, 2 Seiten, ohne Paginierung. 328 SMB-ZA. I/I M 26. Loseblattsammlung. Empfehlung von Xylamon. Hübner, Paul H. Brief vom 27.03.1933, Blatt 10, 1 Seite; Consolidierte Alkaliwerke Abteilung Hannover und Hübner. Brief vom 31.05.1933, Blatt 8, 1 Seite; Broschüre zu Xylamon, Blatt 9, 2 Seiten; Prospekt Nr. 41, Richtlinien zur Holzwurmbekämpfung durch Xylamon, Blatt 10, 12, 4 Seiten. 329 Harmer 1922: Harmer, Sidney. The Restoration and Preservation of Objects at the British Museum. In: Journal of the Royal Society of Arts 24, März 1922, (Vol. LXX, No. 3618), 333–334. 330 Die Stadt Jekaterinburg trug von 1924–1992 den Namen Swerdlowsk.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

den Kirgisen wirksam gegen Motten zu schützen.331 In Berlin war gerade der giftige und feuergefährliche Schwefelkohlenstoff gegen Areginal ausgetauscht worden. Im Chemischen Laboratorium befand man sich in der Phase des Experimentierens mit Objekten, die man mit Eulan tränkte, weshalb ein Urteil über dieses Mittel erst im Folgejahr abgegeben werden konnte.332 In dieser Wartezeit schrieben die Kollegen aus Swerdlowsk nach Moskau an die Wissenschaftliche Museumsabteilung und erbaten dort generell um Zustimmung, mit den Berliner Museen im Austausch bleiben zu dürfen. Auch die Erlaubnis, u.U. Eulan aus Deutschland bestellen zu dürfen, musste schriftlich eingeholt werden.333 In seinem Antwortschreiben verweist das Chemische Laboratorium lediglich auf Ergebnisse aus Laborversuchen mit Areginal und Eulan. Rathgens Nachfolger Brittner empfahl zwar einerseits das von ihm als mild bezeichnete Eulan M zum Schutz vor Motten, wies aber gleichzeitig darauf hin, dass vor einer Tränkung die Farbstoffe von orientalischen Teppichen sowie von Pflanzenfarben generell untersucht werden müssten. Deshalb mahnte er zur Vorsicht bei der Anwendung. Gleichzeitig ließ er keinen Zweifel darüber, dass die Wirksamkeit von Eulan gegen Textilmotten wissenschaftlich erwiesen sei, wenngleich er keine Angaben über die Länge der Wirksamkeit machen könne. Ähnlich wie die russischen Kollegen durfte auch Brittner vom Chemischen Laboratorium Anfragen nicht direkt beantworten. Er schrieb Vorlagen, die dann von Otto Kümmel, der ab 1928 Direktor der Asiatischen Sammlungen bei den Staatlichen Museen zu Berlin war, in brieflicher Form nach Swerdlowsk gesandt wurden.334 In den Prozess des Wissenstransfers waren auch Hersteller oder Lieferanten von Schädlings331 SMB-PK, EM, I/MV 0075, Bd. 1, Pars IIc, E. Nr. 356/28. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Anfrage des Urallandesmuseum Jekaterinburg (1928) an das Staatliche Museum für Völkerkunde zu Berlin. Brief vom 19.03.1928, 1 Seite, ohne Paginierung. 332 Ebd. E. Nr. 356/28. Brittner, Carl. Stellungnahme zur Schädlingsbekämpfung mit Areginal und mit Eulan vom 21.04.1928, 1 Seite, ohne Paginierung; Archiv des Museums für regionale Überlieferung Jekaterinburg. Serie 1928, Nr. 3026, Brief Nr. 356/28. Kümmel, Otto. Antwortschreiben zur Schädlingsbekämpfung mit Areginal und Eulan vom 28.04.1928, Blatt 13, 1 Seite. 333 Ebd. Bitte an V. K. Klein, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) vom 17.05.1928, ein Gutachten vom Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin über Eulan einholen zu dürfen. Serie 1928, Nr. 3024, Brief Nr. 1063. Blatt 74, 1 Seite; ebd. Schulz, L. (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Antrag zum Kauf von 2 kg Eulan. Archiv des Museums für regionale Überlieferung Jekaterinburg, Akte. Loseblattsammlung. Serie 1928, Nr. 3025, Brief Nr. 1062. Schreiben vom 17.05.1928, Blatt 7, 1 Seite; ebd. Schulz, L. (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Antrag vom 26.08.1929 an die Wissenschaftliche Abteilung in Moskau auf Bestellung von 5 kg Eulan, V 545, Blatt 28, 1 Seite. 334 Ebd. Brief Nr. 356/28, Nr. 67. Kümmel, Otto. Gutachten vom 01.11.1929 für das Urallandesmuseum Jekaterinburg zu Eulan, Blatt 12, 2 Seiten.

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bekämpfungsmitteln integriert. Sie fügten ihren eigenen Werbeschriften positive Erfahrungen anderer musealer Sammlungen über ihre Mittel hinzu. Bei der Verbreitung des Wissens sowie des eigenen Forschungsstandes waren einschlägige Fachzeitschriften von weitreichender Bedeutung. Die älteste Fachzeitschrift ist das 1852 gegründete Journal of the Royal Society of Arts335 der 1754 gegründeten gleichnamigen Gesellschaft. Darin werden Themen zur Förderung der Künste, zu innovativen Erzeugnissen der Industrie sowie des Handels publiziert. Die in Deutschland von Karl Koetschau herausgegebene Fachzeitschrift Museumskunde – Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen ist bis heute die bedeutendste ihrer Art für museale Einrichtungen.336 In der ersten Ausgabe erläuterte von Bode im Jahr 1905 einführend ausgiebig die Aufgaben dieser Fachzeitschrift und ihre inspirierende Wirkung für Repräsentanten europäischer Museen. Die Internationalität des Fachblattes war allein durch die Veröffentlichung zahlreicher Artikel in deutscher und englischer Sprache gewährleistet.337 Heft für Heft ist hier der Austausch von Ideen, Meinungen und Forschungen der Museumsfachleute im beginnenden 20. Jahrhundert nachvollziehbar. Alle wichtigen Themen wie die der Restaurierung, Konservierung, Sicherheitsmaßnahmen gegen Feuer und Diebstahl, Klimatisierung, Beleuchtung, die Wahl von Vitrinen für Ausstellungen und Schausammlungen sowie unterschiedliche verwaltungstechnische Strukturen in großen sowie in kleinen Museen wurden und werden im Museumsjournal umfassend diskutiert.338 Ein weiteres „Fachmedium“ war die erstmalig im Jahr 1901 in Großbritannien erschienene Fachzeitschrift Museums Journal, das Fachorgan der 1889 gegründeten Museums Association. Dieses Fachjournal umfasst sämtliche Themen rund um Museen, Galerien, Kulturdenkmäler und historische Häuser. Museumsfachleute wie Carl Bernhard Salin aus Schweden forderten auf Konferenzen ihre Kollegen auf, das Museums Journal als Plattform zu nutzen und sich dort über Konservierungsfragen intensiv auszutauschen (siehe hierzu Kapitel 3.2.3).339 An den folgenden Beispielen wird die Wichtigkeit dieser Plattform erläutert. Bei L. Wray (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.) finden sich sehr detaillierte Angaben zur Konservierung von Fellen und Häuten. Er bezieht sich auf die Be335 Stansbury et al. 1852: Stansbury, Chas. F.; Barkly, Henry; Campbell, W. H.; J. M. G.; H. S.; Farthing, John J. Journal of the Society of Arts. In: Journal of the Society of Arts, 1852, 1 (1). 336 Meyer 2014: Meyer, Andrea. The Journal Museumskunde – “Another Link between the Museums of the World”. In: The Museum Is Open: Towards a Transnational History of Museums 1750–1940, 2014, DOI: 10.1515/9783110298826. 179 (Zugriff: 27.10.2021). 337 Ebd., 181. 338 Ebd., 179–181. 339 Vgl. Anonymus 1916, 269.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

handlung erlegter Säugetiere vor Ort in den Tropen sowie auf Präparate nach ihrer Ankunft in England. Im Museums Journal teilt er seine Erfahrungen unter Angabe eigener Rezepte und der Darstellung von Methoden einer internationalen Leserschaft mit.340 Er empfiehlt, sowohl die Fleisch- wie auch die Fellseiten mit Mischungen aus Natriumarsenit, Phenol und Wasser einzustreichen. Für die Größe eines Tigerfells benötigte man hiervon 3–4 Gallonen (ca. 13–18 Liter, Anm. d. Verf.). Zum Aushärten der Felle rät er zu einer ebenfalls selbst hergestellten Lösung, bestehend aus Alaun, Karbolsäure (Phenol) und Wasser. Nach seinen Beobachtungen sollte man dieser Lösung in keinem Fall Formalin zugeben, da die Felle davon hart und brüchig werden.341 Da die Herstellung einer solchen Mischung in den Tropen nicht möglich war, empfiehlt Wray, vor Ort das abgezogene Fell auf beiden Seiten mit Salz und Carbolic disinfecting powder einzustreichen und das Fell zu einem Bündel zu rollen. Diese Methode sollte innerhalb von 24 Stunden zweimal wiederholt werden, um dann Alaun in Pulverform dieser Mischung zuzugeben. Im Lager angekommen, empfiehlt er, solcherart behandelte Felle in eine Wanne mit Alaun, Phenol und Salz zu tauchen, um sie dann in einer geeigneten Werkstatt mit ausreichend fließendem Wasser in Vorbereitung einer Präparation zu reinigen.342 Sheridan Delépine vom Public Health Department der University of Manchester hatte ursprünglich im Journal of Pathology and Bacteriology über das von ihm entwickelte arsenige Gelee berichtet, welches er für die Präparation pathologischer Proben von tierischen Organen anwendete. Es bestand aus Gelatine und arseniger Säure, die zuvor in wässrige Lösung gebracht worden war. Er empfiehlt die Einbettung, also eine permanente Konservierung in das von ihm entwickelte Gelee sowohl für Pflanzen wie auch für Wirbeltiere und wirbellose Tiere. Durch die Veröffentlichung dieses Beitrags im Museums Journal im Jahr 1914 verbreitete sich diese Konservierungsmethode auch unter Museumsfachleuten, wobei es ihnen durch die präzisen Angaben der Rezeptur möglich war, das Mittel selbst herzustellen.343 Diese Form des Austausches von Wissen im frühen 20. Jahrhundert einzelner Fachgebiete untereinander erweiterte das Anwendungsgebiet eines Mittels aus dem medizinischen Bereich auf das Gebiet der Konservierung von Kunst- und Kulturgut. Wie intensiv das Museums Journal wahr340 Wray 1908: Wray, L. (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). The Preservation of Mammal Skins. In: Museums Journal, Dezember 1908, (8), 201–209. 341 Ebd., 201–206. 342 Ebd., 207–208. 343 Delépine 1914: Delépine, Sheridan. On the Arsenious Acid-Glycerin-Gelatin (“Arsenious Jelly”) Method of Preserving and Mounting Pathological Specimens with their Natural Colours, and on the Use of New Forms of Receptacles for Keeping Museum Specimens. From the Public Health Department, University of Manchester. In: The Museums Journal, 1914, (13), 322–329.

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

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genommen wurde und inspirierend für eigene Versuche war, zeigt eine Veröffentlichung aus dem 1916 des Royal Albert Museum in Exeter. Frederick Richard Rowley war ein passionierter Museumsmann und experimentierte mit dem arsenigen Gelee nach Delépine für die Nasspräparation von Seealgen. Lobend betonte er mehrere Vorteile einer solchen Aufbewahrung und beobachtete, dass sich in vielen Fällen die Farben bei braunen und roten Seealgen dadurch besser konservieren ließen. Weiterhin seien die so präparierten Objekte besser sichtbar als in den gängigen Flüssigkeiten. Außerdem könne man solcherart konservierte Nasspräparate zwischen anderen Trockenpräparaten in Pultvitrinen problemlos ausstellen. Als besonders vorteilhaft erwähnte Rowley die Tatsache, dass das geleeartige Gemisch im Gegensatz zu Nasspräparaten, die zur Aufbewahrung in Alkohol lagen, nicht verdunsten würde. Einzig seine Versuche, Blumen auf diese Art zu konservieren, waren nicht erfolgreich.344 In dem Bemühen des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin, den umfangreichen Sammlungsbestand zu erhalten, wurden lediglich in zwei Fällen Wirkstoffe und Mittel einer Überprüfung unterzogen. Fehlendes Know-how sowie knappe Ressourcen innerhalb des Museums begünstigten mitunter das hartnäckige Werben von Industrie, Handel und Gewerbe für ihre Produkte zur Schädlingsbekämpfung. Parallel richteten die Mitarbeiter ihr Augenmerk auf die Entwicklungen in anderen Museen mit einer ähnlichen Sammlungsstruktur. Sie konnten sich sowohl direkt auf Tagungen austauschen oder die Schriften ihrer Kollegen in der sich damals herausbildenden Fachliteratur studieren. So begann ein Wissenstransfer mit einem sich ausbreitenden Netzwerk unter den Museumsfachleuten.

344 Rowley 1916: Rowley, Frederick Richard. Demonstration of Objects Preserved in Arsenious Acid Glycerine Jelly. Read at the Ipswich Conference. In: Museums Journal, 1916, Vol. 16 (4), 77–79.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Tabelle 7: Vernetzung von Museumsfachleuten auf nationaler und internationaler Ebene in der Zeit von 1874–1934.

Zeit 1874– 1906

Name Funktion Dienststelle Adolph Direktor Königlich Bernhard Zoologisches Meyer und Anthropologisch-Ethnographisches Museum Museum für 1884–1917 Wilhelm Konservator Völkerkunde Eduard Julius Krause 1888‒1927 Friedrich Direktor Chemisches Rathgen Laboratorium

Stadt Dresden

Land Korrespondenz Deutsch- Johann Bolle land

Berlin

Deutsch- Johann Bolle land Willy Foy Alfred Hackman Georg Thilenius Deutsch- Johann Bolle land Willy Foy Alexander Scott Georg Thilenius

Berlin

Schulz / Klein 1891–1912 Johann Bolle

1894– 1946 1897– 1924

1901– 1924

Direktor

Hans Aall Konservator / Direktor Albert Kurator Frank Kendrick Willy Foy Direktor

1904–1911 Felix von Direktor Luschan

Gorizia Italien kaiserlich königliche landwirtschaftlich-chemische Versuchsstation Nordisches Oslo Volkskundemuseum Abteilung für London Textilien des Victoria & Albert Museums RJM Köln

AfrikanischOzeanische Abteilung Museum für Völkerkunde

Berlin

Norwegen

Willy Foy Felix von Luschan Adolph Bernhard Meyer Axel Nilsson Friedrich Rathgen Georg Thilenius Friedrich Rathgen

Großbri- Johann Bolle tannien

Deutsch- Johann Bolle land Friedrich Rathgen Georg Thilenius Deutsch- Johann Bolle land

Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung im Königlichen/Staatlichen Museum

1904–1935 Georg Direktor Thilenius 1906– 1914

Axel Nilsson

MfV HH

Nordisches Museum Stockholm 1916–1929 August AbteiOzeanische Eichhorn lungsleiter Abteilung im Museum für Völkerkunde 1919–1927 Sidney Direktor NaturhistoriHarmer sche Abteilung am Britischen Museum 1919–1932 Alfred Kurator Prähistorische Hackman Abteilung am Nationalmuseum 1919–1938  Alexander Direkto- Britisches ren natur- Museum 1924–1959 Scott wissenHarold schaftJames Plender- liches Labor leith 1921–1934 Konrad Direktor Amerikanische Theodor Abteilung im Preuss Museum für Völkerkunde 1928– Carl Direktor Chemisches 1948 Brittner Laboratorium 1928–1933 Otto Kümmel

Kurator

Direktor

1928/1929 Schulz / unbekannt Klein Vornamen unbekannt

Asiatische Sammlungen Museum für Völkerkunde Urallandesmuseum

Hamburg Stockholm Berlin

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Deutsch- Johann Bolle land Willy Foy Axel Nilsson Schwe- Johann Bolle den Sidney Harmer Georg Thilenius Deutsch- Johann Bolle land Georg Thilenius

London Großbri- Axel Nilsson tannien

Helsinki

Finnland Wilhelm Eduard Julius Krause Axel Nilsson

London Großbri- Friedrich Rathgen tannien

Berlin

Deutsch- Willy Foy land

Berlin

Deutsch- Schulz / Klein land (Vornamen unbekannt) Deutsch- Schulz / Klein land (Vornamen unbekannt)

Berlin

Jekaterinburg

Carl Brittner Otto Kümmel

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Vernetzung von Museumsfachleuten auf nationaler und internationaler Ebene 1874–1934

außerhalb des Kartenausschnitts:

Jekaterinburg Schulz / Klein

Korrespondenzen Grenzen 1929 Kartografie: Beate Reußner

Bergen

Alfred Hackman Hans Aall

Axel Nilsson

Oslo

Helsinki

Stockholm

Edinburgh Albert Frank Kendrick Sidney Harmer Alexander Scott Harold James Plenderleith

Moskau Wilhelm Eduard Julius Krause Friedrich Rathgen Felix von Luschan August Eichhorn Konrad Theodor Preuss Carl Brittner Otto Kümmel

Georg Thilenius Hamburg

London

Willy Foy

Atlantischer

Berlin Köln

Dresden

Minsk

Warschau

Adolph Bernhard Meyer

Ozean

Kiew

Paris Wien Zürich

Bordeaux

Johann Bolle

Odessa

Gorizia

Porto

Belgrad

Nizza

Madrid Barcelona

Bukarest Schwarzes Meer

Rom

Abb. 16: Vernetzung von Museumsfachleuten auf nationaler und internationaler Ebene in der Zeit von 1874–1934.

Die größte Errungenschaft aus dieser Zeit ist zweifelsfrei in der Errichtung einiger weniger Begasungsanlagen, die speziell für Museen erfunden und gebaut wurden, zu sehen. Durch sie war es technisch möglich geworden, Massenbegasungen an Kunstund Kulturgut auszuführen. Wer nun die Entscheidungen zu einer Begasung von zahlreichen Sammlungsgegenständen bzw. zur Einzelbehandlung von Objekten im Königlichen/Staatlichen Museum zu Berlin traf, wird im folgenden Kapitel diskutiert.

3.3 Anordnungen für den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln am Ethnologischen Museum Berlin vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Das ausgehende 19. und beginnende 20. Jahrhundert waren tief geprägt von klaren hierarchischen Strukturen, die sich im preußisch regierten Deutschland beim Militär, dem Staatswesen, der Politik sowie auch im Kulturbereich und deren Verwal-

Anordnungen für den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln am Ethnologischen Museum

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Abb. 17: Aktennotiz. Felix von Luschan an Wilhelm Eduard Julius Krause.

tungen niederschlugen. So wundert es nicht, dass von Luschan in seiner Funktion als Direktor den Konservator Krause anwies … die gefährdeten Stücke der Sammlungen v. Stein, Busse und Hanstein ehethunlichst mit Natr. arsenicum (nicht arsenicosum) zu vergiften.345

Seinen damaligen Assistenten Bernhard Ankermann wies er schriftlich am 15. August 1906 an, „… alles gleich mit Natr. arsenicum vergiften, jetzt liegen die Haarschnüre usw. in Pfeffer“.346 Bereits erwähnt wurden die Anordnungen Krickebergs im Jahr 1938 (siehe hierzu Kapitel 3.2.1). Er beauftragte seinen wissenschaftlichen Mitarbeiter Snethlage, in 345 SMB-PK, EM, I/MV 730, Vol. 30, Pars I. B., E. Nr. 578/04. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Anweisung für den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln. Luschan von, Felix. Aktennotiz vom 14.06.1904. Blatt 224, 4 Zeilen. 346 SMB-PK, EM. I/MV 0338, Vol. 18, Pars I B, E. Nr. 1234/06. Acta betreffend die Erwerbung ethnologischer Gegenstände aus Australien. Loseblattsammlung. Luschan von, Felix. Anweisung für Bernhard Ankermann vom 15.08.1906 zum Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln, 1 Seite, ohne Paginierung.

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Sammeln und Bewahren in Berliner Museen

Leipzig ausgeliehene Objekte der Sammlung Schulz-Kampfhenkel mit Flit zu besprühen und sie danach regelmäßig „flitten“ zu lassen.347 Auch das Chemische Laboratorium der Staatlichen Museen gab keine unabhängigen Stellungnahmen ab, wenn es um die Bekämpfung von Holzschädlingen innerhalb der einzelnen Museen ging. So bat Brittner in seinem Schreiben vom 12. März 1934 die Generaldirektion der Staatlichen Museen um Bekanntgabe von Maßnahmen, die er zum Schutz der Sammlungen gegen „Holzwürmer und Mottenfraß“ für erforderlich hielt. Seine Empfehlungen beinhalteten, „alljährlich vor Beginn der Flugzeit (Ende März) einen durchgreifenden Reinigungs- und Desinfektions-Feldzug vorzunehmen“. Alsdann sollte die Hilfskraft Zorn befallene Stücke der Schädlingsbekämpfungsanstalt in Dahlem zuführen. Bemerkenswert ist dabei der militärische Sprachgebrauch Brittners.348 Diese einzelnen Hinweise geben Auskunft darüber, dass die Entscheidung über die Wahl der Wirkstoffe und Mittel zur Bekämpfung von Schädlingen von Museumswissenschaftlern bzw. -direktoren, nicht von Naturwissenschaftlern oder Mitarbeitern im Museum getroffen wurden. Auch der Zeitpunkt der Durchführung von Bekämpfungsmaßnahmen wurde den Mitarbeitern nicht überlassen. Anderslautende Belege und Hinweise darüber, ob die Anordnungen auch umgesetzt wurden, konnten im Rahmen dieser Arbeit nicht gefunden werden.

3.4 Konsequenzen des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts am Ethnologischen Museum Berlin Die ausführlich diskutierten Aspekte des Sammelns, der Entwicklung von Methoden zur Schädlingsbekämpfung sowie die angeordneten Bekämpfungsmaßnahmen in den Sammlungen gegen Schadinsekten wirken sich bis in die heutige Zeit auf Ethnografica aus organischen Materialien und die Mitarbeiter des Ethnologischen Museums aus. Dabei sind durch den regelmäßigen Eintrag von Wirkstoffen und 347 SMB-PK, EM. I/MV 1071, I B 129. Emil, Heinrich. Besichtigung der Ausstellung der Sammlung Schulz-Kampfhenkel in Leipzig. Bericht vom 21.06.1938, 1 Seite, ohne Paginierung. 348 SMB-ZA. I/NG 0454, E. Nr. 0514, B. Nr. 107/34. Loseblattsammlung. Restaurierung der Gemälde und Gemälderahmen, 1875–1899, 1915–1935. Schädlingsbekämpfung in allen Abteilungen. Brittner, Carl. Antrag (Abschrift) vom 13.03.1934 aus dem Chemischen Laboratorium der Staatlichen Museen zu Berlin an den stellvertretenden Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, Blatt 365, 1 Seite.

Konsequenzen des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln

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Mitteln zum Erhalt der Sammlungsgegenstände mittlerweile deutliche Schäden an den Objekten sichtbar. Dazu zählen kristalline Ausblühungen auf Oberflächen von Objekten aus Holz und Pflanzenfasern sowie Verfärbungen an Objekten aus Textilien, Leder und Fellen.349 Der entstandene Schaden, der durch Vergilbungen und Verbräunungen der Oberflächen von Sammlungsgegenständen durch den langanhaltenden Einsatz von Campher entstanden ist, kann zum jetzigen Zeitpunkt nur vage eingeschätzt werden. Dieser Wirkstoff geriet nebst seiner materialschädigenden Wirkung bereits im Jahr 1905 im Königlichen Museum für Völkerkunde in den Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. Von Luschan hatte Beeinträchtigungen festgestellt, da der intensive Einsatz von Campher beim Öffnen der Schauschränke … auf der einen Seite ein Entweichen der mit Kampfer gesättigten Schrankluft und auf der anderen Seite eine für das Publikum und für die Beamten gleich lästige Erfüllung des ganzen Saales mit einem unangenehmen Geruch …

zur Folge hatte.350 Ob diese Beobachtungen von Luschans in den Jahren 1910/1911 zu gemeinsamen Experimenten mit Bolle in eben diesen Sammlungsschränken der Afrikanisch-Ozeanischen Abteilung geführt haben, ist den Quellen nicht zu entnehmen. In der schriftlichen Auswertung der Experimente erklärt Bolle, dass sich unter den getesteten Wirkstoffen der Campher als wirkungslos in der Bekämpfung von Schadinsekten erwiesen habe.351 Konsequenterweise wurde im Jahr 1913 der von ei349 Unger et al. 2006: Unger, Achim; Tello, Helene; Lindex, Sörrn; Trommer, Bernhard; Behrendt, Stefanie. „Grüne Chemie“ hält Einzug in die Restaurierung. Versuche zur Reinigung, Entfettung und Dekontamination von Kunst- und Kulturgut mit flüssigem Kohlendioxid. In: Restauro, 2006, (112), 384–394; Tello und Unger 2010: Tello, Helene; Unger, Achim. Liquid and Supercritical Carbon Dioxide as a Cleaning and Decontamination Agent for Ethnographic Materials and Objects. In: Smithsonian Contributions to Museum Conservation, 2010, (1), 35–50; Unger et al. 2011: Unger, Achim; Weidner, Anke Grit; Tello, Helene; Mankiewicz, Johannes. Neues zur Dekontamination von beweglichem Kunst- und Kulturgut mit flüssigem Kohlendioxid. In: VDR-Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, 2011, (2), 85–96; Tello 2016: Handle with Care – Der Einsatz historischer Biozide an Kunst- und Kulturgut und die Folgen für Materialien und Objekte. In: Kontaminiert – Dekontaminiert: Strategien zur Behandlung biozidbelasteter Ausstattungen. Tagung im Rahmen der Werkstattgespräche des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege, 16. und 17. Oktober 2014. München: Volk Verlag München, 2016, 18–24. 350 Luschan von 1905: Luschan von, Felix. Ziele und Wege eines modernen Museums für Völkerkunde. In: Globus; Illustrierte Zeitschrift für Länder- und Völkerkunde, 1905, 88, Bd. 15, 239. 351 SMB-PK, EM, I/MV 0075, Bd. 1, Pars IIc, E. 1360/10. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Loseblattsammlung. Bericht von Johann Bolle an Felix von Luschan vom 19.01.1911, 2 Seiten, ohne Paginierung.

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nem Chemikalienhändler aus Glasgow, Schottland, angebotene synthetische Campher von Krause abgelehnt.352 Gleichzeitig unterzog Rathgen in einer Langzeitstudie den Tetrachlorkohlenstoff einer Prüfung auf mögliche Schäden von Oberflächen auf Kunstwerken (siehe Kapitel 3.2.2). Seine Ergebnisse zur eingeschränkten Nutzung dieser Substanz bei Farben, die Harze oder Firnis als Bindemittel enthalten, haben vermutlich mit dazu beigetragen, dass die Mitarbeiter des Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin dem Schwefelkohlenstoff den Vorzug gaben. Er wurde in Schalen in den Sammlungsschränken aufgestellt, der Einsatz dieser Substanz für ganze Sammlungskonvolute erfolgte erst ab dem Jahr 1923 in der hauseigenen Begasungsanlage in Berlin-Dahlem (siehe hierzu Kapitel 3.2.2). Für die benötigten Mengen des Schwefelkohlenstoffs sowie für die Verweildauer von Sammlungsgegenständen in einer Unterdruckatmosphäre wurden die Erfahrungen und Expertisen von mehreren Institutionen übernommen. Man kontaktierte Direktor Hackman vom Nationalmuseum in Helsinki und konnte ebenso auf die Ergebnisse der gemeinsamen Experimente von Foy und Bolle aus dem RJM in Köln zurückgreifen (siehe Kapitel 3.2.3 und 3.2.4). Ab dem Ende der 1950er Jahre wurde im Ethnologischen Museum in Berlin Schwefelkohlenstoff durch das Präparat Illo-Spezial-T (Tetrachlorethen) substituiert.353 Es gehört mit zu den gasförmigen Wirkstoffen, die mittlerweile als umweltgefährdend und krebserzeugend eingestuft werden.354 Die über viele Jahre gültige Maxime in der Konservierungspraxis „viel hilft viel“ wird als wichtiges Indiz dafür gesehen, dass im Ethnologischen Museum annähernd 500.000 Sammlungsobjekte in ihren oft schwierigen und teilweise auch schwer zugänglichen Lagersystemen ausgiebig und meist unkontrolliert zum Schutz gegen ihren Verfall mit biozidhaltigen Mitteln behandelt wurden. Das hohe Ausmaß dieser Kontamination, hervorgerufen durch den ehemaligen Einsatz von Substanzen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Schadinsekten, ist dabei der großen Zahl an Sammlungsgegenständen geschuldet. Auch die sich seit dem 19. Jahrhundert immer weiter entwickelnde organische Chemie hat den Einsatz von zahlreicher werdenden Mitteln zur Schädlingsbekämpfung am Ethnologischen Museum durchaus begünstigt. Neue Erkenntnisse und Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Bekämpfung von Schadinsekten wurden von Museumsmitarbeitern überwiegend ungeprüft über-

352 Ebd. E. Nr. 1823/13. Angebot von synthetischem Kampfer. Barr, James, C. Brief vom 05.11.1913, 2 Seiten, ohne Paginierung; Krause, Wilhelm Eduard Julius. Randnotizen vom 05.11.1913 auf diesem Brief. 353 Frdl. mündliche Mitteilung vom 1. August 2018 von Klaus Scharn, Restaurator und Chefrestaurator im Ethnologischen Museum von 1966–1999. 354 Vgl. Tello 2006, 45–47.

Konsequenzen des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln

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nommen. Auch Rathgen spricht eher eigene Empfehlungen aus oder übernimmt chemische Wirkstoffe und Mittel zur Bekämpfung von Schadinsekten aus anderen Quellen, die er ausführlich in seinem Handbuch Die Konservierung von Altertumsfunden mit Berücksichtigung ethnographischer und kunstgewerblicher Sammlungsgegenstände diskutiert.355 Außerhalb des Museums konnten naturwissenschaftliche Überprüfungen von Pflanzenschutzmitteln in der Kaiserlichen biologischen Anstalt für Forst- und Landwirtschaft in Berlin und in ihrer Zweigstelle in Naumburg nachgewiesen werden (siehe hierzu Kapitel 2.6). Die Größe der Staatlichen Museen zu Berlin mit ihrer weitverzweigten Verwaltung gab den Mitarbeitern des Ethnologischen Museums in Berlin im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wenig Freiraum, unabhängige Entscheidungen zur Bekämpfung von Schadinsekten zu treffen. Die personellen Weisungsbefugnisse zwischen der Generaldirektion der Museen, dem Chemischen Laboratorium und dem Museum für Völkerkunde waren durchaus komplex gestaltet. Unter dem ständigen Druck, die Sammlungsgegenstände schützen zu müssen, kam es vor, dass im Museum Maßnahmen ergriffen wurden, deren Auswirkungen auf Materialien und Objekte sowie auf den zuständigen Personenkreis im Vorfeld nur unzureichend abgeklärt werden konnten. Eine Berücksichtigung der unterschiedlichen chemischen und physikalischen Eigenschaften der Materialien von gesammelten Gegenständen bei präventiven oder bekämpfenden Maßnahmen gegen Schadinsekten konnte nicht nachgewiesen werden. Hingegen wurden Sammlungsobjekte mehrfach mit verschiedenen Mitteln über längere Zeiträume behandelt, wobei sich eine systematische Vorgehensweise im Untersuchungszeitraum nicht feststellen ließ. Unbeantwortet bleibt auch die Frage, ob ein unsachgemäßer Umgang mit ehemals verwendeten Schädlingsbekämpfungsmitteln möglicherweise in einzelnen Fällen gesundheitliche Schäden verursacht hat, die aus Unkenntnis über die toxische Wirkung der einzelnen Wirkstoffe nicht in einen kausalen Zusammenhang gebracht werden konnten. Die Erforschung und Entwicklung von Schädlingsbekämpfungsmitteln am Ende des 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert sowie der Vertrieb von Mitteln und Wirkstoffen durch den Handel hat angesichts der kaum zu bewältigenden Aufgaben, die Sammlungsgegenstände sachgerecht zu lagern und zu erhalten, im Ethnologischen Museum zu einer breiten Akzeptanz hinsichtlich der Anwendung eben dieser Mittel und Wirkstoffe geführt. Daher ist es bemerkenswert festzustellen, dass die damaligen Mitarbeiter einige Schädlingsbekämpfungsmittel kritisch hinterfragt und in Folge nicht kontinuierlich angewandt haben.

355 Vgl. Rathgen 1924, 119–167.

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3.5 Durchführung von Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen im nationalen und internationalen Kontext vom Ende des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Die Untersuchungen zur Sammlungspflege im Ethnologischen Museum zu Berlin für den Erhalt seiner Objekte führten konsequenterweise zu weiteren Forschungen in musealen Sammlungen auf nationaler und internationaler Ebene. Vergleichend wird dabei untersucht, welche Wirkstoffe und Mittel in Deutschland, in Europa, den Vereinigten Staaten Amerikas und in Kanada angewendet wurden, um Sammlungsobjekte vor einem akuten Befall durch tierische und/oder pflanzliche Schädlinge sowie durch Schimmelpilze präventiv schützen zu können. Osteuropäische Sammlungen konnten dabei aufgrund sprachlicher Barrieren zu slawischen Sprachen nur unzureichend untersucht werden. Ferner steht konservierungswissenschaftliche Literatur aus dem osteuropäischen Raum aus der Zeit vom Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts bislang kaum in westlichen Ländern zur Verfügung. Insbesondere liegt der Fokus auf Fragen, die sich mit der Unterschiedlichkeit oder auch mit der Ähnlichkeit von Wirkstoffen und Mitteln im nationalen sowie im internationalen Vergleich beschäftigen. Darüber hinaus gilt es festzustellen, ob es in anderen kulturellen Einrichtungen ähnliche Muster gab, worin sich Museen mit der Privatwirtschaft und/oder staatlichen Behörden zur Bekämpfung von Schadinsekten verzahnt haben. Hier schließt sich konsequenterweise die Frage an, ob es Museen gab, die in einem besonderen Maße fortschrittlich waren. Haben solche Einrichtungen daraus resultierend bestimmte Wirkstoffe, Mittel oder Methoden dadurch schneller in ihren Alltag einbezogen? Gab es Sammlungen, in denen sogar interne innovative Momente dazu geführt haben, serielle Modernisierungsverfahren einzuführen? Abschließend werden auch hier Aspekte einbezogen, die sich mit den professionellen Voraussetzungen zur Ausübung der Berufe in anderen musealen Einrichtungen beschäftigen. Dieser Blick muss im Rahmen der vorliegenden Dissertation unvollständig bleiben und wird eher am Rande Erwähnung finden.

3.5.1 Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung in vergleichbaren deutschen Museen

Für vergleichende Untersuchungen hinsichtlich des Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf nationaler Ebene wurden Museen hinzugezogen, die in ihrer Ausrichtung und Größe dem Ethnologischen Museum in Berlin ähnlich sind. Ausgewählt wurden in dieser Reihenfolge das Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt (RJM) in Köln, das ehemalige Museum für Völkerkunde Hamburg, das

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heutige Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (MARKK) sowie das Grassimuseum für Völkerkunde zu Leipzig. In den Jahren 1909–1922 wurden im RJM in Köln neben der Massenbegasung von Schadinsekten in einer hauseigenen Begasungsanlage geeignete Schädlingsbekämpfungsmittel, die unterschiedliche Anforderungen erfüllen mussten, angewandt (siehe hierzu Kapitel 3.2.4). Sie sollten an so unterschiedlichen Orten wie in geschlossenen Räumen, Sammlungsschränken und Ausstellungsvitrinen sowie an Objekten direkt eingesetzt werden. Die Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation in Berlin übermittelte in einem Schreiben aus dem Jahr 1913 Rezepte zur flüssigen Verwendung von Dichlorbenzol „Agfa“, die in geschlossenen Räumen zur Anwendung kommen sollten. Man empfahl, die Dichlorbenzol-Kristalle ähnlich wie Mottenether entweder mit 9 Teilen Ethanol oder auch mit 2–3 Teilen Tetrachlorkohlenstoff zu verflüssigen. Sollten größere Räume gereinigt werden, so riet man, 50 g Dichlorbenzol „Agfa“ mit ½ Liter Wasser 5 Minuten zu kochen, um dadurch 30 g des Mittels zum Verdunsten zu bringen. Kaum ein halbes Jahr später teilte die Firma dem Museum mit, dass nunmehr der weitere Bedarf an ihrem Produkt über die Firma Fritz Schulz jun., Aktiengesellschaft in Leipzig, bezogen werden müsse.356 Fritz Schulz jun. Bot für den Einsatz in Sammlungsschränken und Vitrinen wiederholt im November 1914 und im Mai 1915 dem Museum das Insektenvertilgungsmittel mit dem Hinweis an, dass Globol im Gegensatz zu Campher und Naphthalin die Insekten und ihre Brut abtöte. Zusammen mit dem Schreiben wurden Warenmuster in kleinen Tüten mit eigenem Firmenaufdruck verschickt. Den Anschreiben waren weiterhin Produktinformationen mit Preislisten und Referenzen von Dritten beigelegt. Insbesondere legte man Wert auf die wissenschaftliche Anerkennung des Mittels und bekräftigte dies durch Aussagen von Instituten wie der Pflanzenpathologischen Versuchsstation der Königlichen Lehranstalt für Wein-, Obst- und Gartenbau in Geisenheim oder der Königlichen Naturaliensammlung aus Stuttgart.357 Auf Anfrage des Museums wurde im August 1916 von den Chemischen Fabriken Flörsheim am Main das Holzschutzmittel Wurm-Antorgan zur direkten Anwendung an den Objekten geliefert. Ob es durch eine Nachfrage derselben Fabrik im

356 HAStK, Best. Nr. 614; A 432. Akte Schriftwechsel. Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation. Loseblattsammlung. 2 Briefe vom 20.11.1913 und vom 20.05.1914, je 1 Seite, ohne Paginierung. 357 HAStK, Best. Nr. 614, A 70. Akte Ankauf von Insektenmitteln. Angebot von Globol. Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft, Leipzig 1914–1915. Brief vom 13.11.1914, Blatt 5, 1 Seite; Brief vom 21.05.1915, Blatt 7, 2 Seiten; 1 Broschüre ohne Datum, Blatt 2–3, 4 Seiten; 1 Broschüre ohne Datum, Blatt 6, 2 Seiten.

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Jahr 1922 zu einer wiederholten Bestellung kam, konnte zum jetzigen Zeitpunkt nicht geklärt werden.358 Das 1879 gegründete Museum für Völkerkunde in Hamburg erhielt ab 1912 unter seinem ersten Direktor Georg Thilenius (1904–1935) ein eigenes Gebäude.359 Die Sammlungen waren ebenso umfangreich wie die des RJM in Köln und bedurften einer intensiven Bekämpfung gegen Schadinsekten. Zunächst waren sie gemeinsam mit dem Naturhistorischen Museum im Johanneum der Stadt Hamburg untergebracht. Dort führten ein Aufseher, ein Hilfsaufseher mit handwerklicher Vorbildung sowie eine weibliche Hilfskraft konservatorische Arbeiten an den ethnologischen Objekten aus.360 Thilenius war seiner Zeit weit voraus und zeigte ein hohes Maß an logistischem Denken hinsichtlich einer baulichen und räumlichen Verortung der verschiedenen Tätigkeiten in seinem Museum. Um einen wiederholten Befall von neu eingetroffenen und bereits behandelten Stücken zu vermeiden, ließ er die Sichtung, die Quarantäne sowie die weitere Behandlung von Objekten in die Kellerräume des Museums verlegen. Auch war er sich offenbar darüber im Klaren, dass von den angewandten Wirkstoffen und Mitteln eine Gesundheitsgefahr für die damit Beschäftigten ausging, weshalb auch ein Waschraum eingerichtet wurde.361 Im Wesentlichen ließ er Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff und Petroleum präventiv und bekämpfend gegen Schadinsekten einsetzen. Ähnlich wie in anderen Museen dieser Größenordnung sah Thilenius einen gewissen Schutz gegen den Neubefall durch Insekten o.Ä. durch die Lagerung von Sammlungsobjekten in dicht verschließbaren eisernen Schränken. Diese wurden mit Schwefelkohlenstoff ausgestattet und möglichst selten geöffnet.362 Waren konservatorische Arbeiten an Großobjekten mit diesem Wirkstoff notwendig, so wurden die Maßnahmen wegen der Feuergefährlichkeit des Schwefelkohlenstoffs in einem offenen Hofraum durchgeführt.363 Im Ersten Weltkrieg führte der Mangel an Rohstoffen dazu, dass Thilenius Schwefelkohlenstoff aus Berlin beziehen musste. So schrieb er am 27. April 1916 an die Kriegs-Rohstoffabteilung des Kriegsministeriums, dass er 10 kg Schwefelkohlenstoff für die Werkstatt des Museums für Völkerkunde zur Bekämpfung der Schädlinge in den Sammlungen sowie auch zur jährlichen Neubehandlung vor358 Ebd. Anfrage zur Neubestellung von Wurm-Antorgan. Chemische Fabrik Flörsheim Dr. H. Noerdlinger Flörsheim am Main, Brief vom 24.08.1922, Blatt 10, 1 Seite. 359 Vgl. Thilenius 1916, 5–13. 360 Thilenius 1905: Thilenius, Georg. 2. Museum für Völkerkunde. Bericht für das Jahr 1905. In: Jahrbuch der Hamburgischen Wissenschaftlichen Anstalten, 1905, Bd. 23, online verfügbar unter http://www.biodiversitylibrary.org/item/92087, 231 (Zugriff: 27.10.2021). 361 Ebd. 238–239. 362 Ebd. 236. 363 Ebd. 232.

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handener Bestände benötige.364 Den Tetrachlorkohlenstoff zog Thilenius lediglich zum Tränken für kleinere Stücke in Erwägung. Auch hier war sein Amtskollege Foy in Köln skeptisch, da er diese Methode nur für wirksam hielt, wenn Larven sich in oberflächennahen Bereichen eines Objektes befinden. Tiefer gelegenen „Bohrwürmern“ müsste man nach seiner Meinung zum Abtöten auf jeden Fall den Sauerstoff entziehen.365 Kleinere und dünne Gegenstände aus Holz und Federn wurden für ein bis sieben Tage gänzlich in Petroleum getränkt. Ein bis zu 50-prozentiger Zusatz von Firnis diente zudem der Festigung von Holzgegenständen. Große Objekte wurden auf Böcke gelegt und solange mit einem Pinsel eingestrichen, bis eine Sättigung des Petroleums auf der Unterseite sichtbar geworden war. Als nachteilig betrachtete man das Trocknen an der Luft, da die so behandelten Objekte anschließend erneut verstaubten. Auch Verfärbungen von Erdfarben wurden beobachtet, was man hauptsächlich dem Firnis und nicht dem Wirkstoff direkt zuschrieb. Sehr empfindliche Stücke wurden in Alkohol gelegt, welcher eine geringe Menge Sublimat enthielt. Nach dem Trocknungsprozess erhielten die Objekte einen Überzug, indem sie in Paraffin getränkt wurden.366 Es gab offenbar auch Beschwerden hinsichtlich des Einsatzes von Schwefelkohlenstoff in den Räumlichkeiten des Museums, was Thilenius dazu veranlasste, nach Alternativen zu suchen. Um die Gegenstände nach einer Behandlung weiterhin in den Sammlungen insektenfrei zu halten, ging er ebenso wie seine Amtskollegen in Köln und Berlin auf den dauernden Einsatz von Dichlorbenzol mit dem Handelsnamen Dichlorbenzol „Agfa“ bzw. Globol über. Das Mittel sollte neben den Objekten in ausreichenden Mengen in Sammlungsschränken ausgestreut, fortlaufend erneuert werden und dadurch einen dauerhaften Schutz bieten.367 Zwanzig Jahre lang, von 1914 bis 1934, wurde dieses Insektizid vom Museum bezogen und eingesetzt.368 Die jährlichen Ausgaben für Globol fanden 364 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kunst und Kulturen. Loseblattsammlung. Findbuch. 101–1 Nr. 281. Thilenius, Georg. Antrag auf Ankauf von Schwefelkohlenstoff. Brief vom 27.04.1916, 1-seitig, ohne Paginierung. 365 Ebd. Thilenius, Georg. Brief an Willy Foy vom 13.01.1912, 1 Seite, ohne Paginierung. 366 Vgl. Thilenius 1905, 234–235. 367 Vgl. Thilenius 1916, 139. 368 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kunst und Kulturen. Loseblattsammlung. Findbuch. 101–1, Nr. 281. Schreiben der Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation (Agfa) vom 15.05.1914, 1 Seite, ohne Paginierung; ebd. Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft, Leipzig. Brief vom 11.11.1914, 1 Seite, ohne Paginierung; ebd. Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft, Leipzig. Brief vom 03.05.1929, 2 Seiten, ohne Paginierung; ebd. Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft, Leipzig. Brief vom 27.10.1932, 1 Seite, ohne Paginierung; ebd. Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft, Leipzig. Brief vom 29.01.1934, 1 Seite, ohne Paginierung; ebd. Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft, Leipzig. Brief vom 16.04.1934, 1 Seite, ohne Paginierung.

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sogar im Staatshaushaltsplan der Stadt Hamburg Erwähnung, da man zwischen 1914 und 1920 erhebliche Preissteigerungen dieses Mittels in Kauf nehmen musste.369 Ein weiteres Mittel, welches von der Deutsch-Amerikanischen Petroleum Gesellschaft vertrieben wurde, war das Produkt Flit. Thilenius bemerkte nach einer Erprobung des Mittels im Jahr 1929 eine geringere Geruchsbelästigung, weshalb er die Anwendung von Flit in geschlossenen Räumen als vorteilhaft betrachtete.370 Auch an das Museum für Völkerkunde in Hamburg verschickte die Chemische Fabrik aus Flörsheim a. M. Preislisten für Mittel zum Holzschutz sowie zur Schädlingsbekämpfung.371 Ob und welche Mittel von dort bezogen wurden, war den Quellen leider nicht zu entnehmen. Das im Jahr 1869 gegründete Grassimuseum für Völkerkunde zu Leipzig beherbergt ca. 200.000 ethnologische Objekte. Auch hier zählen die Bekämpfung sowie vorbeugende Maßnahmen gegen Schadinsekten zu den konservatorischen Aufgaben in den Sammlungen. Sie wurden seit dem Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführt und sind durch entsprechende Belege in Form von Rechnungen für Ankäufe diverser Substanzen belegt. Angelica Hoffmeister-zur-Nedden fand auch leere Verpackungen des Schädlingsbekämpfungsmittels Globol“ in den Sammlungsschränken.372 In seinem im Jahr 1933 erschienenen Artikel gibt Paul Germann über die im Grassimuseum angewandten Maßnahmen und Mittel zur Abtötung von Insekten einen Gesamtüberblick. Darunter befindet sich das Mittel Antisekt, welches von dem Apotheker M. Wagner & Co. In Leipzig bezogen werden konnte. Auch die Verwendung von Arsenik wird erwähnt, allerdings wurde dieser Wirkstoff wegen seiner Giftigkeit offensichtlich nicht über längere Zeit eingesetzt. Eine Angabe, wann und wie lange diese Substanzen angewandt wurden, ist dem Beitrag leider nicht zu entnehmen. In der Wahl weiterer Wirkstoffe und Mittel ist eine ähnliche Vorgehensweise wie in Köln und Hamburg zu beobachten. Von der Firma Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft in Leipzig erwarb man das Produkt Globol, auch Naphthalin und Schwefelkohlenstoff wurden eingesetzt. Letzterer wurde in offenen Behältern in die Sammlungsschränke gestellt, aber auch im Leipziger Grassimuseum 369 Hansestadt Hamburg 1921: Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg. Entwurf des hamburgischen Staatshaushaltsplanes für das Rechnungsjahr 1921, Artikel 87, 309. 370 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kunst und Kulturen. Loseblattsammlung. Findbuch. 101–1, Nr. 281. Thilenius, Georg. Bewertung von Flit. Brief vom 14.12.1929, 2 Seiten, ohne Paginierung. 371 Archiv des Museums am Rothenbaum – Kunst und Kulturen. Loseblattsammlung. Findbuch. 101–1, Nr. 281. Chemische Fabrik Flörsheim vorm. Dr. H. Noerdlinger Akt. Ges. (Hg.). Anonymus. Preisliste Nr. 274 vom 15.10.1936, 1–8. 372 Freundliche mündliche Mitteilung von Angelica Hoffmeister-zur-Nedden, Leitende Restauratorin am Grassimuseum für Völkerkunde zu Leipzig, 10.11.2016.

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gab es Beschwerden wegen des unangenehmen Geruchs. Paul Germann betont, dass es insbesondere in den Ausstellungsräumen immer wieder zu Komplikationen beim Öffnen der Schränke kam. Als Ersatzstoff wurde deshalb ab dem Jahr 1931 das Produkt Areginal im Museum eingeführt, welches man von der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, Verkaufsabteilung für Pflanzenschutz in Leverkusen am Rhein, bezog. Gleich einem Verbündeten bezeichnet Germann das neue Mittel in seinem Beitrag, wenn er schreibt: Als willkommenste Mittel begrüßen wir Areginal im Kampfe gegen die holzzerstörenden Schadinsekten, …

Da man im Grassimuseum keine eigene Begasungsanlage besaß, wurden präventiv und obligatorisch alle neu in das Museum gelangten Sammlungsgegenstände nach ihrer Reinigung in einer luftdicht abgeschlossenen Kiste 3–4 Tage den AreginalDämpfen ausgesetzt.373 Betrachtet man die Wirkstoffe und Mittel in den hier dargestellten Museen, so ist der Siegeszug des Mittels Globol zu Beginn des 20. Jahrhunderts unschwer zu erkennen, da es in allen drei Einrichtungen gleichermaßen angewandt wurde. Wegen des störenden Geruchs sowie auftretender gesundheitlicher Gefahren wurde es abgelöst durch Wurm-Antorgan, Flit und Areginal, die in den einzelnen Sammlungen unterschiedlich zum Einsatz kamen. Allen Mitteln ist gemein, dass sie wirkstoffhaltige Zubereitungen der Industrie waren. Einzig im Grassimuseum wurde auf Naphthalin (synthetischer Wirkstoff ) und im Jahr 1933 zusätzlich auf Antisekt zurückgegriffen, worunter die Rezeptur einer ortsansässigen Apotheke vermutet wird. Für die Hamburger Sammlungen ist darüber hinaus im Jahr 1905 der Einsatz des synthetischen Wirkstoffes Sublimat und im weiteren Verlauf der Einsatz von Petroleum, einer industriell hergestellten wirkstoffhaltigen Zubereitung, belegt. Mit Ausnahme des Antisekt handelt es sich bei allen Wirkstoffen und Mitteln um chemische Substanzen zur Schädlingsbekämpfung, die in der damaligen Zeit verwendet wurden. Ähnlich verhält es sich mit dem Einsatz von Dämpfen des Tetrachlorkohlenstoffs sowie des Schwefelkohlenstoffs. In Ermangelung einer museumseigenen Anlage zur Massenbegasung von ethnologischen Objekten wurde Schwefelkohlenstoff im Grassimuseum in offene Behältnisse gefüllt und in den Sammlungsschränken verteilt. In Köln und in Hamburg wurden diese beiden Begasungsmittel in museumseigenen Anlagen eingesetzt. Bemerkenswert sind dabei die lokalen Unterschiede. Im Kölner RJM erforschte Foy gemeinsam mit Bolle über 373 Germann 1933: Germann, Paul. Bekämpfung der Museumsschädlinge. In: Museumskunde, Neue Folge V, 1933, Sonderdruck (I), 9–11.

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viele Jahre das Mittel, welches am besten geeignet war. Hingegen berücksichtigte Thilenius durch seine Weitsicht bauphysikalische Aspekte in den Planungen für das neue Museumsgebäude und bezog Aspekte der Arbeitshygiene sowie des damals beginnenden Arbeitsschutzes ein. Alle funktionalen Räume, die mit direkten Arbeiten an den Objekten verbunden waren, befanden sich im Kellergeschoss des Museums und waren so angeordnet, dass sich rationelle und aufeinander abgestimmte Arbeitsabläufe herausbildeten.

3.5.2 Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung in vergleichbaren europäischen Museen

Die Bekämpfung von Schädlingen beschränkte sich am Ende des 19. und dem beginnenden 20. Jahrhunderts nicht nur auf museale Sammlungen und Einrichtungen in Deutschland. Mehrere europäische Museen benutzten ähnliche Wirkstoffe und Mittel wie Arsen(III)-oxid, Quecksilber(II)-chlorid, Schwefelkohlenstoff, Tetrachlorkohlenstoff, Cyanwasserstoff, Campher, Naphthalin, Thymol, Dichlorbenzol (Globol), Petroleum sowie Paraffin. Aber auch eigene landesspezifische Wirkstoffe und Mittel wurden eingesetzt sowie selbst erstellte Rezepturen ausprobiert. Wie bereits zu Beginn des Kapitels erwähnt, konnten bei der Auswahl der Museen osteuropäische Sammlungen nur in einem sehr geringen Maß berücksichtigt werden. In schwedischen Museen finden sich zahlreiche Hinweise, die auf Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung hinweisen. Ein herausragendes Beispiel ist das Präparat des Pferdes „Streiff“ von Gustav Adolf II., welches er in der Schlacht bei Lützen 1632 ritt. Es befindet sich im Zeughaus des Königlichen Schlosses in Stockholm und ist eine der ältesten erhaltenen Hautmontagen. Sie wurde vom Oberpräparator Werner Berg gereinigt und zur Sicherheit im Jahre 1978 mit einer schwachen Lösung aus Arsen(III)-oxid eingepinselt. In den Dauerausstellungen des Naturhistorischen Museums in Göteborg entdeckte der Restaurator Thomas Gütebier, dass der präparierte Malm’sche Blauwal im Jahr 1866 auf der Hautinnenseite mit einer gesättigten Lösung aus Arsen(III)-oxid und auf der Hautaußenseite sowohl mit einer gesättigten Lösung aus Arsen(III)-oxid als auch mit Quecksilber(II)-chlorid konserviert worden war. Im Balgmagazin des Museums fand er neben zahlreichen Vogelhäuten den Balg eines Säbelschnäblers, der um 1900 auf den Schnäbeln und Füßen mit Arsenikseife bestrichen worden war. Zudem stellte Gütebier im Jahr 2012 fest, dass neuaufgestellte Tierpräparate im Museum weiterhin mit Arsen(III)-oxid behandelt wurden, da man diese Methode als sicherer und dauerhafter betrachtete als moderne Insektizide auf der Basis von Chlorkohlenwasserstoffen. Diese Auffassung vertrat

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Abb. 18: Erhitzen von Textilien in einer Anlage bei 50−60 °C am Nordischen Volkskundemuseum in Oslo.

man auch im Naturhistorischen Reichsmuseum in Stockholm.374 Das Balgmagazin der Naturhistorischen Abteilung des Malmöer Museums wurde bereits im Jahr 1988 auf ehemals an den Präparaten angewandte Substanzen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Schadinsekten untersucht. Es erfolgten Messungen der Putz- und Wandfarben, wobei man auf den Wandflächen u.a. Arsenik fand.375 Ein umfangreiches Manual über die Arbeit in kulturhistorischen Museen schrieb Hans Aall vom Nordischen Volkskundemuseum in Oslo für den ländlichen Verbund der norwegischen Museen im Jahr 1925. Ihm war es ein Anliegen, sein Wissen zur Konservierung und Restaurierung in schriftlicher Form den vielen ländlichen 374 Der Einsatz arsenhaltiger Pestizide wurde in Deutschland im Jahr 1974 verboten. Die hier genannten Beispiele aus Schweden zeigen, dass anorganische Verbindungen wie das Arsen(III)-oxid durchaus in musealen Sammlungen noch weiterhin verwendet wurden. 375 Gütebier 2012a: Historische Schädlingsbekämpfungsmittel in Balgsammlungen – ein vielschichtiger Problemkomplex. Vortrag während der 50. Internationalen Arbeitstagung des Verbands Deutscher Präparatoren e. V. München vom 20.–24.03.2012; Gütebier 2012b: Schädlingsbekämpfung in schwedischen Museen. Brief an die Verfasserin vom 26.03.2012, 1 Seite, ohne Paginierung.

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Museen in Norwegen zur Verfügung zu stellen.376 Auf einigen wenigen Seiten beschäftigt sich Hans Aall mit der Thematik der Schädlingsbekämpfung hinsichtlich des Erhalts von textilen Sammlungsgegenständen und Holzobjekten. Dabei hebt er besonders die Gefährlichkeit von Insekten im Stadium der Larven hervor. Von Rathgen inspiriert, wurde am norwegischen Volkskundemuseum ein Verfahren angewandt, welches darauf basierte, Sammlungsgegenstände eine halbe Stunde lang auf 50–60 °C zu erwärmen.377 Die Anlage, worin vornehmlich Textilien behandelt wurden, war so konstruiert, dass auch Schwefelkohlenstoff darin angewendet werden konnte.378 Das Osloer Museum verfügte mit dieser Apparatur über ein Alleinstellungsmerkmal. Da dieses Verfahren aber nicht präventiv wirkte und die Anwendung wegen der Feuergefährlichkeit von Schwefelkohlenstoff nicht ungefährlich war, riet Aall darüber hinaus, präventiv stets für absolute Sauberkeit in Ausstellungsräumen, Magazinen und Vitrinen zu sorgen. Zusätzlich empfahl er das Mittel Globol, welches sich nach seiner Kenntnis bereits seit langer Zeit im Museum für Völkerkunde in Hamburg bewährt hatte. Er empfahl auch eigene Rezepte und verwies auf ein Mottenwasser, welches im Zeughaus in Stockholm hergestellt wurde. Es bestand aus Lavendelöl, Spiköl, Terpentinöl und Campher. Dieses, aus seiner Sicht gänzlich ungefährliche, Mottenmittel sollte dennoch nachrangig eingesetzt werden, da er Globol für wirkungsvoller hielt. Hier ist bereits die Tendenz erkennbar, dass industriell hergestellten Mitteln ein gewisser Vorzug gegeben wurde. Dies mag aus Kostengründen oder auch aus einer schnelleren Verfügbarkeit herrühren, denn selbst zubereitetes Mottenwasser war teurer in der Herstellung. Aall warnte vor Mischungen, die Campher und Petroleum enthalten, da Letzteres schädliche Säuren auf Sammlungsgegenständen hinterlassen könne.379 Gegen die holzzerstörenden Insekten empfahl er, Gebäude aus Holz in Gänze mit Carbolineum, einem weiteren industriell hergestellten Mittel, einzustreichen sowie während der Schwarmzeiten im Innern Tonschalen mit diesem Mittel an unsichtbaren Stellen aufzustellen. Zeigten sich die Larven dennoch resistent, so sollte man nach Aall derartige Gebäude in Gänze abdichten und Schwefelkohlenstoff einsetzen. Für die Ausführung dieser sehr gefährlichen Arbeit bot er eine Anweisung des Norwegischen Völkerkundemuseums an. Auch Cyanwasserstoff wurde von ihm erwähnt, aber er verwies ausdrücklich darauf, dass dieses Verfahren nur von Spezialisten ausgeführt werden könne. Mobiliar 376 Aall 1925: Aall, Hans. Arbeide og ordning i kulturhistoriske Museer. Kort Veiledning. Oslo: Utgitt med Statsbidrag. 1–112 (Übersetzung der Seiten 80–85 aus dem Norwegischen von Thomas Gütebier). 377 Ebd., 80. 378 Ebd., 80–83. 379 Ebd., 81–82.

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und kleinere Gegenstände aus Holz könnten nach Aall unbedenklich in luftdichten Kisten oder in einer Begasungsanlage mit Schwefelkohlenstoff behandelt werden. Auch das Tränken bzw. Einstreichen von Holzobjekten mit purem Petroleum oder auch mit Paraffin wurde von ihm, entgegen seiner Kritik an der Verwendung von Mischungen, empfohlen.380 Zur Konservierung musealer Sammlungen findet man in Großbritannien im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert auch hinsichtlich der Bekämpfung von Schadinsekten umfangreichere Literatur als andernorts in Europa. England besaß im Vergleich zu anderen westlichen Ländern bereits mit dem Beginn des 18. Jahrhunderts eine Weltmachtstellung und demonstrierte ausgiebig koloniale Präsenz. Dadurch konnten enge historische Verbindungen zu außereuropäischen Ländern und Gebieten entwickelt werden, zugleich entstand ein natürliches Interesse an deren Kulturgütern. Insbesondere die umfangreichen Sammlungen des Britischen Museums in London sind vor diesem historischen Hintergrund entstanden. Einerseits profitierten also die Sammlungen britischer Museen von der expansiven Politik des Empires, aber sie waren auch gezwungen, sich mit konservatorischen Fragestellungen zum Erhalt von Objekten und Präparaten sehr intensiv zu beschäftigen. Im Britischen Museum in London arbeitete man ebenso wie andernorts an wissenschaftlichen Grundlagen zur Konservierung von musealen Objekten und verfolgte die Geschehnisse und Entwicklungen ähnlich großer Museen wie beispielsweise in Kopenhagen oder auch in Stockholm mit großem Interesse. Den Neuigkeiten aus dem Chemischen Laboratorium bei den Staatlichen Museen zu Berlin schenkte man besonders viel Aufmerksamkeit, da das Britische Museum ebenfalls ein naturwissenschaftliches Labor errichten wollte. Im Rahmen einer über mehrere Jahre angelegten Kooperation beschäftigte die Abteilung für wissenschaftliche und industrielle Forschung Großbritanniens dafür am Britischen Museum den Chemiker Alexander Scott und unterhielt dort, später als in Berlin, ab dem Jahr 1920 ein chemisches Labor.381 Das Museum seinerseits stellte für die naturwissenschaftlichen Forschungen die Räumlichkeiten zur Verfügung.382 Neben der Erforschung von Konservierungsmethoden für anorganische Materialien gehörte es zu Scotts Aufgaben, Wirkstoffe, Mittel und Methoden gegen eine bakterielle sowie durch Schadinsekten hervorgerufene Zerstörung von organischen Materialien wie Papier und 380 Ebd., 83–85. 381 Die Abteilung für wissenschaftliche und industrielle Forschung war eine von 1915–1965 bestehende Regierungsorganisation. Mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges empfand man eine starke wirtschaftliche Abhängigkeit zu damals feindlichen Ländern und förderte mit dieser Einrichtung die Zusammenarbeit zwischen inländischer Forschung und Industrie. 382 Vgl. Scott 1922, 335.

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Holz zu entwickeln. Er empfahl beispielsweise gegen das Wachstum von Mikroorganismen auf Papier einige Peroxodisulfate, und zwar Ammonium-, Natrium- und Kaliumperoxodisulfat sowie Wasserstoffperoxyd. Nach seiner Beobachtung hinterließen holzschädigende Insekten auf Holzobjekten sowie bei Gemälden auf Holztafeln große Schäden. Inständig hoffte er auf eine deutliche Besserung dieser Situation durch weitere Forschungen im eigens eingerichteten naturwissenschaftlichen Labor des Museums.383 Als Chemiker war ihm seine Pionierarbeit auf dem Gebiet des Kulturgüterschutzes durchaus bewusst. Auch schätzte er die Zusammenarbeit mit Kollegen in den unterschiedlichsten Abteilungen des Museums und war begeistert von der dort vorhandenen Materialvielfalt.384 Das Labor wurde im Jahr 1924 personell um den Chemiker Harold James Plenderleith erweitert, der gemeinsam mit Scott weiter an der Thematik der Schädlingsbekämpfung arbeitete. Bereits zwei Jahre später konnte man die bis dahin durchgeführten Experimente und Forschungen publizieren.385 Hinsichtlich der Bekämpfung von Schadinsekten findet sich in der Schrift The Cleaning and Restoration of Museum Exhibits u.a. ein Kapitel über die Reinigung und Konservierung von Holz. Ein Natriumsilicat mit dem Handelsnamen P. 84. zeigte sich bei der Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten als hilfreich. Es wird darauf hingewiesen, dass damit eingestrichene Hölzer nach der Trocknung hart und stabil werden und kein störender Glanz auf den Oberflächen zurückbleibe. Ebenso sah man es als gesicherte Tatsache, dass dieser als Oberflächenschutz aufgebrachte Überzug den Käfern bzw. Larven von holzzerstörenden Insekten keine Angriffsflächen bieten konnte.386 Diese Insekten wurden auch mit Schwefelkohlenstoff bekämpft. Wegen der extremen Feuergefährlichkeit des Wirkstoffes wurde empfohlen, 20-prozentigen Schwefelkohlenstoff mit Tetrachlorkohlenstoff zu mischen, auch wenn die dadurch herabgesetzte Feuergefährlichkeit zu Lasten der insektiziden Wirkung ging.387 Plenderleith verfasste im Jahr 1934, aufbauend auf Scotts Forschungen, das englische Standardwerk The Preservation of Antiquities für Kuratoren.388 Er beschäftigt sich darin ausgiebig mit Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung bei den organi383 Ebd., 330, 333. 384 Ebd., 338. 385 Department of Scientific and Industrial Research (Hg.) 1926: The Cleaning and Restoration of Museum Exhibits. Third Report upon Investigations conducted at the British Museum. London: Published under the Authority of his Majesty’s Stationery Office. I–V; 1–71. 386 Ebd., 42–43. 387 Ebd., 12–13. 388 Plenderleith 1934: Plenderleith, Harold James. The Preservation of Antiquities. Oxford: University Press (I). I–VIII; 1–71.

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schen Materialien Holz, Textilien, Leder und Federn. Dieses Manual ist aus mehreren Gründen interessant und verdient deshalb ausgiebig diskutiert zu werden. Zuvor hatten zahlreiche Beobachtungen am Britischen Museum dazu geführt, die Lagersysteme zur Aufbewahrung von Sammlungsgegenständen sowie Vitrinen in den Ausstellungsräumen stärker in die präventive Konservierung mit einzubeziehen. Nun werden gleich im ersten Kapitel Wirkstoffe, Mittel und Methoden zur Schädlingsbekämpfung ausgiebig beschrieben. Am Ende der Monografie finden sich zahlreiche Literaturhinweise von Fachkollegen aus dem europäischen Raum. Plenderleith kannte also die Schriften seiner Kollegen und trug auf diesem Wege dazu bei, ihr Fachwissen zu verbreiten.389 Er weist deutlich darauf hin, dass die Behandlung musealer Objekte gegen schädigende Organismen kein Allheilmittel ist, wenn gleichzeitig durch ungünstige klimatische Bedingungen in Ausstellungen z. B. eine Schimmelpilzbildung an Kunstwerken ausgelöst wird. Dafür sollte nach seinen Beobachtungen eine Temperatur von 10–24 °C sowie eine relative Luftfeuchte von 40–60 % eingehalten werden.390 Im Falle einer notwendigen Behandlung gegen Schimmelpilze empfiehlt er die Wirkstoffe Quecksilber(II)-chlorid, Formalin und Thymol. Quecksilber(II)-chlorid sollte aufgrund seiner Giftigkeit stets als ultima ratio angewandt werden. Den Einsatz von Formalin-Dämpfen bei bakteriellem Befall an Büchern bezeichnet er als sehr effektiv, weist aber darauf hin, dass Leder und Klebstoffe brüchig sowie Pigmente beeinträchtigt werden. Thymol beschreibt er als ein starkes Fungizid, welches nach seiner Meinung keine schädigende Wirkung auf Kunstwerke ausübt. Eine weitere Erleichterung sieht er in der Umrüstung eines Schrankes, ausgestattet mit einer elektrischen 40-Watt-Lampe, die unter einen mit Thymolkristallen bestückten Untersetzer platziert und dadurch zum „Begasungsschrank“ wird. Negativ bewertet er lediglich die starke Flüchtigkeit der Substanz, wodurch diese Prozedur öfters wiederholt werden muss.391 Obwohl ein trockeneres Klima präventiv das Wachstum von Schimmelpilzen und Angriffe von Insekten minimiert, weist Plenderleith darauf hin, dass holzzerstörende Insekten davon ausgenommen sind. Vor dem Einsatz chemischer Substanzen sollten Holzobjekte deshalb in einem Ofen eine Stunde bei 60–70 °C erhitzt werden.392 Bei den Begasungsmitteln stuft er Cyanwasserstoff sowohl als den gefährlichsten sowie auch als den effektivsten Wirkstoff ein. Aus Sicherheitsgründen rät er Kuratoren mehr zum Gebrauch von Schwefelkohlenstoff bei der Schädlingsbekämpfung in Ausstellungsräumen. Er bestätigt Scotts Anweisungen, diesen Wirkstoff mit Tetrachlorkohlenstoff zu Lasten 389 390 391 392

Ebd., 64–70. Ebd., 1. Ebd., 2–3. Ebd., 3.

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einer geringeren insektiziden Wirkung zu mischen, um die Feuergefährlichkeit von Schwefelkohlenstoff zu senken. Grundsätzlich rät er von Behandlungen mit chlorierten Verbindungen ab, wenn es sich um Gegenstände mit empfindlichen Farben sowie um wertvolle Kunstwerke handelt. Für größere Holzobjekte empfiehlt Plenderleith, flüssigen Schwefelkohlenstoff in einem Füllfederhalter mit dünner Feder aufzuziehen und den Wirkstoff auf diese Weise in bereits vorhandene Bohrlöcher zu injizieren. Für das Schließen der Löcher verweist er wiederum auf eigene Rezepte und rät, dafür eine Mischung aus Bienenwachs und Harz zu benutzen. Auch berichtet er, dass Tetrachlorkohlenstoff und Paraffin bereits erfolgreich bei Holz und Nutzholz eingesetzt wurden. Beide Substanzen sind geruchsarm bis fast geruchlos, Tetrachlorkohlenstoff hat zudem eine gute insektizide Wirkung. Gegen eine Schimmelbildung und Angriffe von holzzerstörenden Insekten schlägt Plenderleith bei feuchten Hölzern nach deren Trocknung Mittel wie Celluloid, Vinylacetat oder Paraffinwachs vor, auch Bakelit kann zur Festigung angewandt werden.393 Textilien, Federn und Felle sollten stets präventiv sowohl in Ausstellungen wie auch in Sammlungen gegen Schadinsekten behandelt werden. Dafür empfiehlt Plenderleith flüchtige Substanzen wie Naphthalin, Campher und Dichlorbenzol. Zur Senkung der laufenden Kosten können aus seiner Sicht Naphthalin und Campher in einfacher, ungereinigter Form verwendet werden.394 Leder, insbesondere ledergebundene Bücher in den Tropen, benötigen nach seiner Auffassung einen langanhaltenden Schutz gegen bakterielle Angriffe. Deshalb empfiehlt er, dem Kleber Quecksilber(II)-chlorid und Ammoniumarsenat beim Buchbinden beizumischen. Auch Kartonagen und Nähte sollten vor dem Beziehen mit Leder so bestrichen werden. Aus Gründen der Sicherheit empfiehlt er zur Dokumentation ein Etikett mit Datum und Angaben des verwendeten Mittels bei solcher Art behandelter Bücher anzubringen.395 Archäologisches Leder, welches aus Mooren oder feuchtem Grund geborgen wurde, empfiehlt er allerdings nur in Ausnahmefällen, in einer 10-prozentigen Formalin-Lösung zu waschen, denn das so behandelte Leder werde nach 24 Stunden bretthart, brüchig und könne nicht wieder erweicht werden.396 Er erachtete es als wenig sinnvoll, kommerzielle Insektizide zu empfehlen, die durchaus wirkungsvoll sein können. Meist würden sie in öffentlichen Galerien eingesetzt, da ihnen Duftstoffe gegen eine Geruchsbelästigung beigemischt wurden.397 England nahm im Untersuchungszeitraum intensiv an archäologischen Grabungen teil. Daher lag es nahe, sich auch mit der Konservierung von Grabungsfunden 393 394 395 396 397

Ebd., 13–14. Ebd., 6. Ebd., 6. Ebd., 8. Ebd., 4–5.

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zu beschäftigen. Der englische Chemiker Alfred Lucas lieferte in diesem Zusammenhang in den 1930er Jahren ein weiteres Manual.398 Als Assistent erlangte er sein Wissen während der archäologischen Grabungen am Grabmal des ägyptischen Pharaos Tutankhamen.399 Die Tatsache, dass er selbst nur auf einige wenige Monografien und Pamphlete zur Konservierung archäologischer Funde zurückgreifen konnte, mag ihn bewogen haben, das bis dato verfügbare Wissen um seine Erfahrungen und Beobachtungen zu ergänzen und zu erweitern.400 Ebenso wie seine Kollegen am Britischen Museum betrachtete Lucas neben atmosphärischen Einflüssen die Angriffe von Schadinsekten auf organische Materialien als äußerst gravierend und empfahl, grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, Vitrinen für Exponate gut zu verschließen sowie regelmäßige Inspektionen und Reinigungen durchzuführen. Die Wahl seiner Wirkstoffe und Mittel folgt in vielen Fällen den Empfehlungen aus dem Britischen Museum, wenn er schreibt, dass für Objekte aus Federn, Fellen, Haaren, Häuten sowie aus Wollsachen Naphthalin in den Vitrinen vorzuhalten sei. Nach seiner Ansicht wirkt es effektiver als Campher. Bei akutem Befall empfiehlt er eine Begasung mit Schwefelkohlenstoff. Der Wirkstoff sollte dabei offen in Schalen für eine Woche in Vitrinen eingesetzt werden. Er beschreibt die Substanz als brennbar, schnell flüchtig, mit einem unangenehmen Geruch sowie als explosiv, weshalb in der Nähe von Schwefelkohlenstoff offenes Feuer zu vermeiden sei. Tetrachlorkohlenstoff wird ebenfalls von ihm empfohlen, allerdings hält er es für weniger effektiv. Auch Cyanwasserstoff oder Schwefel können nach seiner Meinung eingesetzt werden, dennoch mahnt er bei Cyanwasserstoff aufgrund seiner Giftigkeit zu großer Vorsicht und rät dazu, nur ausgebildetes Personal dafür in Anspruch zu nehmen. Der Einsatz von Schwefel wird von ihm ohne nähere Angaben als schwierig beschrieben. Hingegen empfiehlt er das Besprühen von Objekten mit verschiedenen Wirkstoffen. Dazu gehören Benzin, Quecksilber(II)-chlorid, gelöst in Alkohol, sowie Naphthalin, gelöst in Tetrachlorkohlenstoff. Von Arsen- und Kupferverbindungen rät er trotz ihrer guten insektiziden Wirkung bei antiken Gegenständen sowie generell bei Kunst- und Kulturgütern ab, da diese Wirkstoffe nach seiner Kenntnis nur in Wasser gelöst werden können.401 Im weiteren Verlauf empfiehlt Lucas, Quecksilber(II)-chlorid, gelöst in Alkohol, gegen Angriffe von Insekten bei organischen Materialien wie Horn, Leder und Pergament einzusetzen. Die Hauptfeinde 398 Lucas 1932: Lucas, Alfred. Antiques. Their Restauration and Preservation. Zweite überarbeitete Aufl. London. Edward Arnold & Co., 1–136. 399 Gilberg 1997: Gilberg, Mark. Alfred Lucas. Egypt’s Sherlock Holmes. In: Journal of the American Institute for Conservation, 1997, 36 (1), 31–48. DOI: 10.1179/019713697806113620 (Zugriff: 27.10.2021). 400 Ebd., 133. 401 Ebd., 27–29.

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des Holzes in Gebieten mit tropischem Klima sind aber aus seiner Sicht Termiten und Prachtkäfer. Er stellt fest, dass Termiten aus musealen Sammlungen nur präventiv ferngehalten werden können, da antike Gegenstände den Einsatz von Teer, Teeröl oder Farbe nicht erlauben. Als einzige Maßnahme empfiehlt er zur Termitenbekämpfung, um ein gesäubertes Gebäude Sand, Kies, Backsteine oder Asphalt aufzuschütten. Prachtkäfer müssen nach seiner Ansicht mit Schwefelkohlenstoff begast oder mit Quecksilber(II)-chlorid, gelöst in Alkohol, besprüht werden. Ebenso kann Benzol oder Naphthalin, gelöst in Tetrachlorkohlenstoff, aufgebracht werden.402 Gegen Schimmelpilze sollten Objekte aus Leinen, Papier und Papyrus in luftdichten Kästen mit Thymol behandelt werden.403 Zur Steigerung der Wirkung können so behandelte Objekte von außen zusätzlich leicht von einer elektrischen Lampe erwärmt werden. Mit diesem Vorschlag bezieht sich Lucas eindeutig auf seinen Kollegen Scott und verweist in einer Fußnote auf ihn.404 Pilzbefall kann bei Papier zudem mit Thymol abgebürstet oder in mit Alkohol oder Benzin gelöstes Thymol getaucht werden. Für textile Objekte empfiehlt er bei Befall mit Schimmelpilzen, diese mit Quecksilber(II)-chlorid, gelöst in Alkohol, oder mit Naphthalin, gelöst in Tetrachlorkohlenstoff, zu besprühen. Naphthalin kann zudem in fester Form in Kisten gegeben werden, die der Aufbewahrung von Textilien dienen. Bei akutem Befall empfiehlt er eine Begasung mit Schwefelkohlenstoff. Die Bekämpfung von Schimmelpilzen und Rotfäulepilzen bei Holz sollte nach seinen Empfehlungen mit Quecksilber(II)-chlorid, gelöst in Alkohol, erfolgen.405 Hinsichtlich der Bekämpfung von Schadinsekten in naturkundlichen Sammlungen wurden zwei Beispiele ausgewählt. Für die Konservierung von Vogelhäuten und anderen Objekten des Grosvenor Museums in Chester empfiehlt der Kurator Robert Newstead im Jahr 1893 eigene Rezepte eines Bekämpfungsmittels, welches er als ungiftig einstuft. Es enthielt außer Borsäure (Orthoborsäure), Glycerin (Propan-1,2,3-triol), Ethanol und Wasser. Solcherart behandelte Objekte wurden nach seinen Beobachtungen niemals von Insekten angegriffen, ebenso blieben die Häute zur weiteren Verarbeitung für Montagen geschmeidig und Federn wurden nach seinen Erfahrungen bei dieser Prozedur nicht verunreinigt. Auf diese Weise konservierte er ca. 300 Vogelhäute, kleine Fische sowie entomologische Objekte. Für eine abschließende Bemerkung, weshalb dieses Rezept nicht für große Objekte anwendbar ist, bleibt er leider die Begründung schuldig.406 Das Amgueddfa Cymru402 Ebd., 111–112. 403 Ebd., 89–96. 404 Ebd., 96. 405 Ebd., 109–113. 406 Newstead 1893: Newstead, Robert. The Use of Boric Acid as a Preservative for Birds’ Skins, & c. In: Museums Association, Report of Proceedings, 1893, 104–106.

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National Museum in Cardiff beherbergt seit dem Jahr 1907 das Herbarium des National Museums von Wales. Zum Schutz der zahlreichen Herbarien wurden auch hier Substanzen zur Bekämpfung sowie zur Vorbeugung gegen Schädlinge eingesetzt. Umfangreiche chemische Analysen an den Pflanzenbelegen konnten den früheren Einsatz von Quecksilber(II)-chlorid, Arsen(III)-oxid, Bariumhexafluorosilicat sowie organischer Pestizide, inklusive Lindan, DDT und Naphthalin, auf den Herbarblättern belegen.407 Darüber hinaus wurden vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre Naphthalin-Kügelchen in kleinen Säckchen in die Holzschränke gehängt, in welchen die Herbarien aufbewahrt werden. Ein stechender Geruch blieb dem Inventar dennoch anhaften, auch nachdem man in den 1980er Jahren die Säckchen entfernt hatte.408 Für Untersuchungen in französischen sowie in schweizerischen Museen wurden zwei naturkundliche sowie zwei botanische Sammlungen ausgewählt. Im Rahmen ihrer Diplomarbeit widmete sich Aude-Laurence Pfister der Frage nach dem Einsatz historischer Wirkstoffe zur Vorbeugung und Bekämpfung von Schadinsekten im Museum Jardin des Sciences im Botanischen Garten Arquebuse Dijon. Für ihre Recherchen standen ihr die mündlichen Aussagen von Mitarbeitern sowie Dokumente aus der Restaurierungsabteilung und dem Archiv des Museums zur Verfügung. Die Sammlungen des Museums wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts angelegt und nachweislich seit ca. 1830 mit unterschiedlichen Wirkstoffen und Mitteln behandelt. Sie umfassen naturkundliche Objekte aus dem Gebiet der Zoologie, der Botanik, der Mineralogie, der Geologie, der Paläontologie und der Entomologie.409 Wie in vielen anderen europäischen Sammlungen wurden auch hier Lösungen mit Arsen(III)-oxid und Quecksilber(II)-chlorid bei Tierpräparaten aufgetragen. Herbarien behandelte man mit Schwefelkohlenstoff und Naphthalin, Insekten bekämpfte man mit Thymol, Nitrobenzol und Buchenteeröl. Für die Konservierung von Nasspräparaten kam Alkohol und Formol zum Einsatz. Nicht nachgewiesen an den Sammlungsobjekten, aber generell zum Einsatz kamen im gleichen Zeitraum die Wirkstoffe Schwefel, Campher, Paraformaldehyd, Pyrethrum sowie Quendelöl.410 Am Naturkundemuseum Neuchâtel wurden Proben an Säugetier- und Vogelpräparaten entnommen. Auch hier konnte die Anwendung von Arsen(III)-oxid und 407 Purewal 2001: Purewal, Victoria Jane. Analysis of the Pesticide Residues present on Herbarium Sheets within the National Museums and Galleries of Wales. In: Proceedings of 2001. A Pest Odyssey. Integrated Pest Management for Collections, 144. 408 Vgl. Purewal 2012, 40. 409 Vgl. Pfister 2008, 85–90. 410 Ebd., 91–96; Deschka 1987: Deschka, Gerfried. Die Desinfektion kleiner Insektensammlungen nach neueren Gesichtspunkten. In: Steyrer Entomologenrunde, 1987, 21, 57–61.

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Quecksilber(II)-chlorid bestätigt werden.411 In der Schweiz betreute Walter Rytz ab dem Jahr 1915 als Restaurator die Herbarien des Botanischen Instituts der Universität Bern. In den Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern gibt er Anweisungen über die Wartung und Aufstellung von Herbarkästen. Zum Schutz vor Insektenbefall mussten alle eingegangenen Pflanzen in einem Kasten mit Schwefelkohlenstoff behandelt werden. Rytz scheinen die gesundheitlichen Risiken im Umgang mit dem sonst üblicherweise angewendeten Quecksilber(II)-chlorid bewusst gewesen zu sein, wenn er anstelle dieses Wirkstoffs auf eine eigene Rezeptur aus Zinkchlorid, Terpentinöl und Campher, gelöst in Alkohol, verweist. Interessant ist darüber hinaus das bislang einzig bei ihm beschriebene Verfahren, welches er selbst aus seiner Praxis heraus entwickelt hatte. Er empfiehlt, Pflanzen auf weiße Papierbögen aufzuziehen, die rückseitig stark bedruckt sind, da Druckerschwärze den Befall durch Insekten verhindere. Auch weist er darauf hin, dass die Wirkung der Druckerschwärze mit der Zeit nachlässt und solche Bögen immer wieder erneuert werden müssen. Nicht ohne Stolz schreibt er weiterhin, dass die Räumlichkeiten des Botanischen Instituts dadurch sowie durch den Umstand, dass zur Sommerzeit die Räume möglichst geschlossen gehalten wurden, insektenfrei waren.412 Der Schweizer Naturforscher Jean-Balthazar Schnetzler war ab 1871 Professor an der Akademie Lausanne, der heutigen Universität Lausanne, in der Schweiz. Auch er folgte den allgemein üblichen, europäischen Empfehlungen, wenn er für die Bekämpfung von Insekten empfahl, mehrere Herbarien in eine Holzkiste zu legen und vier Unzen413 Schwefelkohlenstoff darauf zu füllen. Anschließend war die Kiste dicht zu verschließen und ungefähr einen Monat wegen einer möglichen Explosionsgefahr unter einem Schuppendach unterzustellen. Er empfahl, diese Prozedur auch in entomologischen Sammlungen anzuwenden.414 Für den historischen Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln konnten zum jetzigen Zeitpunkt für russische Museen keine einzelnen Quellen ermittelt werden. Wichtige Empfehlungen und Hinweise finden sich dennoch bei M. W. Farmakowskij.415 Seine im Jahr 1947 erschienene Monografie Konservierung und Restaurierung 411 Dangeon 2013/2014, 23–31. 412 Rytz 1922: Rytz, Walter (Hg.). Die Herbarien des Botanischen Instituts der Universität Bern (Schweiz). Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in Bern (V). Bern: K. J. Wyss Erben. 11. Es wird vermutet, dass die von Walter Rytz beobachtete abschreckende Wirkung der Druckerschwärze auf das darin befindliche Blei zurückzuführen ist (Anm. d. Verf.). 413 1 Unze (oz.) = 0,028.349.5 kg. 414 Schnetzler 1916: Schnetzler, Jean Balthasar. Sulphide as an Insecticide. In: The Popular Science Monthly, 1916, (Vol. 9), 767. 415 Die Vornamen von M. W. Farmakowskij konnten nach ausgiebigen Recherchen nicht ermittelt werden (Anm. d. Verf.).

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von Museumssammlungen, ein Handbuch für Mitarbeiter in Museen wurde im Jahr 1955 ins Tschechische übersetzt und war nicht für Restauratoren, sondern für wissenschaftliche Mitarbeiter von Museen zu deren umfassender Information über die Konservierung und Restaurierung von musealen Sammlungsgegenständen vorgesehen. Dank einer Veröffentlichung von Jirina Lehmann war es möglich, die für die vorliegende Dissertation relevanten Inhalte mit in die Untersuchungen einzubeziehen. Das Handbuch basiert auf Vorlesungen, die Farmakowskij 1939 an der Fakultät für Heimat- und Museumskunde des kommunistischen Instituts für Volksaufklärung in Leningrad gehalten hat und war eine Art postgraduales Studium für Museumswissenschaftler.416 In seinem Kapitel über die Bedeutung der Restaurierung fasst er kurz die Geschichte zur Restaurierung in Russland und in Westeuropa zusammen und erwähnt die großen europäischen Museen und ihre Konservierungswissenschaftler. Trotz der erheblichen räumlichen Entfernungen hatte man demzufolge Zugang zu westeuropäischer Restaurierungsliteratur. Allen voran wird Rathgen mit seinem weltweit ersten naturwissenschaftlichen Labor als Urheber einer wahren Revolution auf dem Gebiet der Restaurierung und Konservierung hervorgehoben.417 Hinsichtlich der Bekämpfung von Schädlingen in musealen Sammlungen unterteilt Farmakowskij drei Gruppen von Schädlingen. Es sind Bakterien, Schimmelpilze und Insekten. Vorbeugend und bekämpfend empfiehlt er bei Bakterien für einzelne Objekte die Anwendung von Thymol oder Phenol. Bei mehreren Objekten schlägt er vor, eine Begasung mit Formaldehyddämpfen in abgedichteten Räumen durchzuführen. Dabei soll eine 40-prozentige Formaldehydlösung durch das Schlüsselloch in den Raum geleitet werden und dort für 2–3 Tage verbleiben. Auf 1 m³ Luft werden dabei 25 cm³ Formaldehydlösung verdampft. Auch Schimmelpilze können so behandelt werden, allerdings sieht Farmakowskij eine stärkere Wirkung durch die Anwendung einer 0,1–0,2-prozentigen Sublimatlösung, aufgetragen mit einem Pinsel. Es ist aus heutiger Sicht bemerkenswert, dass er solcherart behandelte Objekte als vergiftet bezeichnet und darauf hinweist, dass viele Museen bereits Behandlungen mit Quecksilber(II)-chlorid aufgrund der hohen Toxizität dieses Wirkstoffes eingestellt haben. Durch Insekten gefährdet sieht er vornehmlich organische Materialien wie Holz, Papier und Textilien. Aus seiner Sicht sollte hier in erster Linie das Begasen von Objekten in Betracht gezogen werden. Er empfiehlt Cyanwasserstoff, Ethylenoxid, Chlorpikrin und organische Lösemittel wie den Tetrachlorkohlenstoff und Dichlorethan. Auch wird eine mögliche negative Wirkung von Chlorpikrin auf Materialien und Farben erwähnt, weshalb er zu großer Vorsicht rät. Dies gilt ebenso für die Verwendung von hochexplosivem Schwefelkohlenstoff. Die Wirksamkeit 416 Lehmann 2005, 47–62. 417 Ebd., 51.

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von Naphthalin zur Bekämpfung von Kleidermotten zweifelt Farmakowskij an und empfiehlt stattdessen Dichlorbenzol. Für die vorangegangenen Untersuchungen zu europäischen Museen gilt es, zwischen Wirkstoffen und Mitteln zu unterscheiden, welche nachweislich angewandt und solchen, die in der ausgewerteten Literatur empfohlen wurden. Frühe Nachweise aus den Jahren 1866 und 1900 belegen die Verwendung von Schwermetallverbindungen in schwedischen Sammlungen für naturkundliche Präparate. Irritierend ist allerdings der Einsatz von Arsen(III)-oxid im Zeughaus des Königlichen Schlosses in Stockholm noch im Jahr 1978, obwohl seine gesundheitsgefährdende Wirkung schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hinlänglich bekannt war. In Großbritannien belegt ein Fund aus dem Jahr 1893, dass im Grosvenor Museum in Chester naturkundliche Präparate mit einer eigenen Rezeptur behandelt wurden. Darin wird einzig die Beimischung von Borsäure abweichend von anderen Sammlungen auf nationaler und internationaler Ebene erwähnt. Dies gilt auch für das National Museum von Wales, wo im Jahr 1907 Bariumhexafluorosilicat zum Schutz der Herbarien angewandt wurde. In den naturkundlichen Sammlungen in Dijon, Frankreich, finden sich abweichend zu anderen musealen Einrichtungen Buchenteeröl und Quendelöl. Ein weiteres Rezept wurde im Jahr 1915 im Botanischen Institut der Universität Bern nachgewiesen. Es handelt sich um eine in Alkohol gelöste Mischung aus Zinkchlorid, Terpentinöl und Campher. Im Ergebnis lässt sich feststellen, dass naturkundliche Sammlungen ausgehend von der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts vornehmlich auf natürliche und synthetische Wirkstoffe zurückgriffen, die oftmals zu eigenen Rezepturen verarbeitet wurden. Handbücher und Leitfäden gewähren fundiert Einblick in theoretische Konzepte für die Anwendung von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung. Die Lektüre dieser Manuale ist auch deshalb so interessant, da sich die Autoren mitunter in ihren Empfehlungen aufeinander beziehen. Gleichzeitig sind dort vorgeschlagene Wirkstoffe und Mittel kein Garant dafür, dass diese auch in der Praxis angewandt wurden. So wird in dem Manual von Hans Aall aus dem Jahr 1925 deutlich, dass er intensiv die naturwissenschaftlichen Forschungen auf dem Gebiet der Konservierung sowie die industriellen Innovationen in Deutschland studierte. Er bezieht sich auf ein thermisches Verfahren für Textilien nach Rathgen, worin Gegenstände auf 50–60 °C für eine halbe Stunde erwärmt werden sollen, um Textilmotten abzutöten. Da eine derartige Apparatur aber bei den Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin nie installiert wurde, erhielt das Nordische Volkskundemuseum in Oslo durch den Einbau dieser Apparatur ein Alleinstellungsmerkmal. Mit Blick auf das Hamburger Völkerkundemuseum empfiehlt Aall für norwegische Museen ebenso Globol und folgt damit dem allgemeinen Trend in deutschsprachigen Museen in der Anwendung des Mittels. Auch die von der deutschen Firma Avenarius hergestellte wirk-

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stoffhaltige Zubereitung Carbolineum empfiehlt er für norwegische Sammlungen. Daneben findet sich ein Mottenwasser, welches nach eigener Rezeptur im Zeughaus in Stockholm hergestellt wurde, sowie eine Warnung, Petroleum nicht gemischt mit Campher anzuwenden, da es schädliche Säuren auf Objektflächen hinterlassen könne. Die herausragende Stellung Großbritanniens und seiner Museen ließ gleich drei Handbücher entstehen. Ähnlich wie in Deutschland entsteht mit der Abteilung für wissenschaftliche und industrielle Forschung eine Zusammenarbeit von Regierung, Wissenschaft und Forschung. In Folge installiert die britische Regierung mit Hilfe der genannten Abteilung im Jahr 1920 das erste konservierungswissenschaftliche Labor am Britischen Museum. Hier veröffentlichten die Chemiker Alexander Scott (1926) und Harold James Plenderleith (1934) in zwei Publiktionen u. a. ihre Empfehlungen zur Schädlingsbekämpfung für Großbritannien. Abweichend von anderen Manualen werden gegen Mikroorganismen an Papier Peroxodisulfate und Wasserstoffperoxyd vorgeschlagen. Bei P.84. (Natriumsilicat) handelt es sich vermutlich um ein britisches Produkt. Plenderleith gibt noch den wichtigen Hinweis, keine kommerziellen Insektizide zu verwenden, da diese Duftstoffe gegen Geruchsbelästigungen enthalten und dadurch für Anwender irreführend sein könnten. In einer Anleitung für Archäologische Grabungen folgt Lucas (1932) den Anweisungen des Britischen Museums. Ähnlich wie Bolle bezeichnet er Campher als wenig effektiv. Die von ihm empfohlenen Mischungen enthalten analog zu den deutschsprachigen Museen organische und synthetische Wirkstoffe. Die Empfehlungen zur Schädlingsbekämpfung in Farmakowskijs (1939) Manual entsprechen allesamt denen in deutschen sowie in europäischen Museen gemachten Angaben.

3.5.3 Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung in vergleichbaren Museen und kulturellen Einrichtungen in den USA und in Kanada

Die ältesten und größten Einrichtungen, die sich seit ihrem Bestehen in den USA dem Erhalt, der Konservierung sowie der Restaurierung von Kunst- und Kulturgut verpflichtet haben, sind die am 10. August 1846 gegründete Smithsonian Institution, Washington, D. C., die im Jahr 1906 gegründete American Association of Museums und der im Jahr 1916 gegründete National Park Service der Vereinigten Staaten von Amerika. Diese Institutionen entwickelten und verbreiteten zum Ende des 19. und dem beginnenden 20. Jahrhundert Standards in der Konservierung und Restaurierung. Die Ergebnisse ihrer Forschungen waren für die theoretische und praktische Arbeit richtungsweisend für zahlreiche Museen des gesamten nordamerikanischen Kontinents. Von dort wurden auch grundlegende Verfahren und Methoden für Museen, deren Sammlungen überwiegend aus organischen Materialien bestehen, zur

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Bekämpfung von Schädlingen verbreitet. Dargestellt werden im Folgenden Wirkstoffe und Mittel, die sowohl präventiv wie auch bekämpfend gegen Schadinsekten in ausgewählten amerikanischen Museen sowie in universitären Sammlungen eingesetzt wurden. In Kanada wurde 1972 das Canadian Conservation Institute (CCI) als eigene Abteilung des Departments for Cultural Heritage gegründet. Es hat seitdem den staatlichen Auftrag, sich der Erhaltung und Konservierung von kanadischem Kunst- und Kulturgut zu widmen. Museumsübergreifend wurde dort seit den 1980er Jahren der Einsatz ehemals eingebrachter Substanzen vom Ende des 19. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert untersucht und publiziert. Die im Jahr 1846 gegründete Smithsonian Institution mit ihren zahlreichen Museen hat ähnlich wie die Staatlichen Museen zu Berlin im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert aufgrund stetig wachsender Sammlungen aus vornehmlich organischen Materialien mit unterschiedlichen Schädlingsbekämpfungsmitteln experimentiert und sie in Folge angewandt. Die für das damalige Fachpublikum veröffentlichten Ergebnisse sind heute wichtige Quellen zur Bestimmung von ehemals eingebrachten Substanzen zur Vorbeugung und Bekämpfung von Schadinsekten an Einzelobjekten, spezifischen Objektgruppen sowie an ganzen Sammlungskonvoluten. Zu der Smithsonian Institution gehört u.a. die im Jahr 1897 gegründete Abteilung für Anthropologie am National Museum für Naturgeschichte in Washington D. C. mit ihren 2,5 Millionen Artefakten. Umfangreiches Quellenmaterial hinsichtlich des dortigen Einsatzes von Schädlingsbekämpfungsmitteln wird im Archiv der Smithsonian Institution verwahrt.418 Dort finden sich u. a. Dokumente über Wirkstoffe, die sowohl von Sammlern für Expeditionen wie auch von Mitarbeitern im musealen Alltag eingesetzt wurden. Die Bekämpfung von Schadinsekten in Öfen durch Erwärmen der befallenen Museumsobjekte wurde bei der Smithsonian Institution bereits im frühen 19. Jahrhundert für entomologische sowie für ornithologische Sammlungen angewandt.419 Ab dem Jahr 1881 findet man im Archiv jährliche Berichte über die Sammlungspflege innerhalb des National Museums für Naturgeschichte, die mitunter sehr detaillierte Hinweise über den Einsatz von verschiedenen Wirkstoffen zur Schädlingsbekämpfung enthalten. Wie auch in deutschen oder europäischen Museen wurden konservatorische Arbeiten an den Sammlungsobjekten oftmals von den Kuratoren unter Mithilfe von Präparatoren, Arbeitern, Bildhauern und Malern selbst vorgenommen. Der Kurator Otis Mason bemerkt im Jahr 1884 418 Austin et al. 2005: Austin, Michele; Firnhaber, Natalie; Goldberg, Lisa; Hansen, Greta; Magee, Catherine. The Legacy of Anthropology Collections Care at the National Museum of Natural History. In: Journal of the American Institute for Conservation/American Institute for Conservation of Historic and Artistic Works Washington, DC, 2005, Vol. 44 (3), 185–202. 419 Ebd., 29.

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enttäuscht, dass Sammlungen bereits vor ihrer Ankunft im Museum von Schadinsekten zerstört werden und rät, die zu schützenden Gegenstände in Benzin zu tauchen und nach eigenem Ermessen mit Arsen(III)-oxid und Alkohol zu behandeln. Ab dem Jahr 1886 werden nach Mason alle Neuzugänge vor Eingang in die jeweiligen Sammlungen in die „Vergiftungsabteilung“ zur weiteren Behandlung geschickt und dort einer genauen Inspektion und Konservierung mit nicht näher bezeichneten Giften unterzogen.420 Im Jahr 1904 weist Mason darauf hin, dass Keramiken der Pueblo, worin sich Überreste von Nahrung, Beeren oder pflanzlichen Stoffen befinden, nach der Restaurierung mit Quecksilber(II)-chlorid oder Arsen(III)-oxid gelöst in Alkohol konserviert werden müssen. Vier Jahre später hält er in einem Bericht fest, dass anthropologisches Material in den Sammlungen der besonderen Pflege und dauernden Betreuung hinsichtlich der Beschädigung u.a. durch Motten bedarf. In Masons Zeit fallen Empfehlungen zur Schädlingsbekämpfung mit Quecksilber(II)-chlorid, pulverigem Arsen(III)-oxid und Arsen(III)-oxid, gemischt mit Alkohol oder Naphthalin. Zur stärkeren Wirkung werden sogar Zugaben von Strychnin empfohlen.421 Ab 1917 finden sich Hinweise in den Jahresberichten, die belegen, dass ein Augenmerk auf besonders dichte Schränke in den Sammlungen gelegt wurde, da diese den Einsatz von gasförmigen Mitteln gegen Schadinsekten ermöglichten. Zusätzlich wurden die Gegenstände vor ihrer Lagerung in den Schränken mit giftigen Wirkstoffen behandelt.422 Im Jahr 1877 erläutert Walter Hough, ein Kopist und damaliger leitender Kurator der Anthropologischen Abteilung am Nationalmuseum in Washington D. C., eine große Bandbreite von Methoden und selbsthergestellten Mischungen zur Schädlingsbekämpfung. Gegen die Zerstörung durch Schadinsekten empfiehlt er, bei Holz, Textilien, botanischen Belegexemplaren und Körben Sublimat zu verwenden. Um Spezies aus den Gattungen Psocidae (Buchläuse) oder auch Tineidae (Motten) unschädlich zu machen, verweist er auf Naphthalin. Zur Bekämpfung von Speckkäfern wie des Gemeinen Speckkäfers (Dermestes lardarius) und holzzerstörenden Insekten sollten die befallenen Gegenstände in abgedichteten Kisten mit Schwefelkohlenstoff behandelt werden. Dabei war darauf zu achten, dass die Kisten gut verschlossen sind, um eine intensive Gaswirkung in deren Innern zu erreichen. Neben einer hermetisch abgeriegelten Atmosphäre in den Kisten weist Hough auf die stetige Wiederholung von Behandlungen hin. Er erwähnt Schwefelkohlenstoff, Chloroform (Trichlormethan), Arsen(III)-oxid in Pulverform oder in unterschiedlichen Rezepturen, gemischt mit Phenol, Strychnin 420 Mason 1889: Mason, Otis Tufton. Report upon the Work in the Department of Ethnology in the U. S. National Museum. For the Year Ending June 30, 1886. Part II. [S. l.]: Government Printing Office, 87–88. 421 Vgl. Austin et al. 2005, 187–188. 422 Ebd., 191.

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oder auch mit Naphthalin. Diese Wirkstoffe und Mittel empfiehlt er gegen fast alle in Museen vorkommenden Schadinsekten. Ein generelles Insektizid für museale Gegenstände besteht aus einer gesättigten Lösung mit Arsensäure, Alkohol, Phenol, Strychnin und Naphthalin. Für die Herstellung von Arsenseife zur Behandlung von naturkundlichen Präparaten veröffentlicht er zwei unterschiedliche Rezepturen, die im Museum verwendet wurden. Als ein weiteres Verfahren empfiehlt Hough für empfindliche Objekte das Besprühen mit einem Vernebler; kleinere Objekte sollten in die jeweilige Lösung eingetaucht und große Objekte eingestrichen werden. Für Begasungen standen abgedichtete Schränke, Vitrinen, dichte Kisten oder eigens hergestellte verzinkte Metallbehälter zur Verfügung.423 Die Empfehlungen von John Smith zur Bekämpfung von Schadinsekten in den entomologischen Sammlungen des National Museum für Naturgeschichte aus dem Jahr 1884 decken sich mit denen von Hough. So beschreibt Smith die fortwährende Anwendung von Naphthalin sowohl zur Bekämpfung als auch vorbeugend als Vergrämungsmittel in den Insektenkästen. Auch die Dämpfe von Chloroform und Schwefelkohlenstoff bezeichnet er als äußerst erfolgreich zur Abtötung von Speckkäfern und Teppichkäfern.424 Für Sammlungsgegenstände, die auf Expeditionen oder Forschungsreisen gesammelt wurden, musste man sich ähnlich wie bei den Staatlichen Museen zu Berlin auf diese spezielle Situation im Feld einstellen (siehe hierzu Kapitel 3.1.1 und 3.1.2). So benutzte Captain Charles Wilkes im 19. Jahrhundert nicht näher bezeichnete Gifte für anthropologische und biologische Belegexemplare während seiner Sammlungsreisen, um sicherzustellen, dass die Objekte unbeschadet in Washington D. C. ankommen. Am 18. Juni 1893 schreibt der Sammler Voth (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.), dass er Tabak zwischen die Gegenstände legt und hofft, damit die Sammlungen zu erhalten, bis sie Washington D. C. erreichen. Die Bandbreite der Wirkstoffe und Mittel, welche für Feldforschungen eingekauft wurden, reichte von Campher, Schwefelmehl, Arsenik über Quecksilber(II)-chlorid bis hin zum Tabak, der zum Räuchern benötigt wurde. Erste Tagebuchaufzeichnungen finden sich bei John Varden, der als Kurator, Präparator, Sammlungspfleger sowie auch für Ausstellungsauf- und abbauten in den Jahren 1857–1864 für die anthropologische Abteilung der Smithsonian Institution tätig war. Für eine Forschungsreise beschaffte er Unmengen an Arsen(III)-oxid, Campher, Tabak sowie auch Quecksilber(II)-chlorid zur weiteren Konservierung und für den Erhalt von Belegexemplaren, die nach Amerika transportiert werden mussten.425 Während umfangreicher konservatorischer Arbei423 Hough 1889, 549–588; vgl. Goldberg 1996, 30–33. 424 Smith 1884: Smith, John. Some Observations on Museum Pests. In: Proceedings of the Entomological Society 1884–1889, 1884, (Vol. 1), 114–116. 425 Vgl. Goldberg 1996, 28–29.

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ten an den Schädeln von Nilpferden, die durch eine groß angelegte Afrikaexpedition der Smithsonian Institution zwischen 1909–1910 in das National Museum für Naturgeschichte gelangten, beschreibt Frederick John Louis Boettcher die insektenvernichtende Wirkung von Paraffin. Herbarien, die man in Paraffin taucht, benötigen nach seinen Beobachtungen keine weiteren Behandlungen mit giftigen Wirkstoffen zur Bekämpfung von Schadinsekten. Auch Benzin, welches als gängiges Mittel in Haushalten eingesetzt wurde, empfiehlt er zur Bekämpfung von Insekten.426 Laurence Vail Coleman war von 1927–1958 Direktor der im Jahr 1906 gegründeten American Association of Museums. Ziel dieser Dachorganisation war es, Richtlinien und allgemein gültige Standards für kleinere Museen zu erstellen. Zusammenfassend sind diese im Manual for Small Museums veröffentlicht.427 Coleman beschreibt darin die Arbeit von Kuratoren, zu der nebst dem Sammeln und Bewahren von Sammlungsgegenständen auch der Schutz vor Schadinsekten zählt. Zu den häufigsten Spezies in musealen Sammlungen zählt er den Moderkäfer (Adistemia sp.), die Textilmotte (Tineola sp.) und das Silberfischchen (Lepisma saccharina). Er rät von Begasungen mit Cyanwasserstoff oder auch mit Schwefelkohlenstoff ab, da hier durch fehlendes Fachwissen bereits Todesfälle bzw. schwere Verletzungen aufgetreten sind. Naphthalin und Mottenkugeln hält er ohne nähere Angaben für wenig wirksam und verweist stattdessen auf Dichlorbenzol, welches nach seiner Einschätzung keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen auslöst. Darüber hinaus empfiehlt er, Tetrachlorkohlenstoff über Objekte zu gießen wie auch zu verschütten. Nach seiner Ansicht hinterlässt es selbst auf empfindlichen Textilien oder gar Flügeln von Schmetterlingen keine Flecken oder gar andere Schäden.428 Der im Jahr 1916 gegründete National Park Service ist eine Bundesbehörde in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dieser Institution obliegt es, zahlreiche Nationalparks und Landschaften, die darin befindliche Tierwelt sowie zahlreiche Denkmäler und Museen zu erhalten und zu betreuen. Für die Mitarbeiter und ehrenamtlichen Helfer erschien im Jahr 1941 das Field Manual for Museums von Ned J. Burns, worin u.a. Empfehlungen zur Konservierung von Sammlungsgegenständen aus organischen Materialien ausgesprochen werden.429 Obwohl dieses Manual erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts erschien, werden darin bis auf wenige Ausnahmen Wirkstoffe und Mittel, die seit dem Ende des 19. Jahrhunderts sowohl in Europa wie 426 Boettcher 1912: Boettcher, Frederick John Louis. Preservation of Osseous and Horny Tissues. In: Proceedings of the United States National Museum, 1912, (Vol. 41), 702–703. 427 Coleman 1927: Coleman, Laurence Vail. Manual for Small Museums, with 32 Plates. New York, London: G. P. Putnam’s Sons. 1–395. 428 Ebd., 196–197. 429 Burns 1941: Burns, Ned J. Field Manual for Museums. Washington, D. C. United States Government Printing Office. 1–426.

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auch in den USA angewandt wurden, empfohlen. Zunächst wird darauf hingewiesen, dass alle Neuzugänge vor dem Eingang in die jeweilige Sammlung begast werden müssen. Dafür sollte jedes Museum eine speziell dafür gebaute Kiste mit Metallbeschlägen vorhalten. Für die Begasung wird eine Mischung aus 1,2-Dichlorethan und Tetrachlorkohlenstoff empfohlen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass für die anschließende Unterbringung der Objekte in den Sammlungen die Schränke dicht schließen sollten und ggf. mit einer in Gift getränkten Filzdichtung auszustatten seien. In jeder Schublade, die mit organischen Materialien bestückt ist, sollte stets eine gewisse Menge an Dichlorbenzol oder Naphthalin vorgehalten werden. Neben dem Einsatz aller chemischer Wirkstoffe und Mittel wird die regelmäßige Inspektion der Sammlungen dringend empfohlen.430 Im weiteren Verlauf geht Burns detailliert auf die Bekämpfung von Insekten, Nagetieren und Schimmelpilzen ein und empfiehlt, Textilmotten mit Cyanwasserstoff zu begasen. Bei einem intensiven Befall sei es möglicherweise auch ratsam, auf diese Weise ganze Räumlichkeiten zu behandeln. Teppichkäfer sollten lokal in einer Begasungskiste mit Dichlorbenzol oder mit Naphthalin abgetötet werden. Bei Polstermöbeln empfiehlt er, diese abgedeckt mit einem Leinen in Tetrachlorkohlenstoff einzuweichen oder sie alternativ mit Pyrethrum zu besprühen. Brotkäfer (Stegobium paniceum) und Tabakkäfer (Lasioderma serricorne) werden als sehr widerstandsfähig beschrieben und sollten entweder mit der schon erwähnten Mischung aus 1,2-Dichlorethan und Tetrachlorkohlenstoff oder mit Cyanwasserstoff begast werden. Ein komplettes Eintauchen von mit holzzerstörenden Insekten befallenen Objekten in Tetrachlorkohlenstoff oder Benzol ist nach Burns unbedingt ratsam. Die Sammlungsgegenstände sollten so lange getränkt werden, bis auch die von den holzzerstörenden Insekten gebohrten Gänge gefüllt sind. Nach abschließender Trocknung der Objekte sind die Gänge mit Paraffin oder mit Nitrocelluloselack zu verschließen. Auch das Erwärmen in einem Trockenschrank wird empfohlen, allerdings durften solche Stücke weder gefasst, gefirnisst noch geleimt sein. Als effektives Lockmittel für Silberfischchen wird eine eigene Mischung aus Haferflocken, Natriumfluorid sowie gekörntem Zucker und Salz, ausgebracht in flachen Kartons, empfohlen. Gegen Kakerlaken rät Burns, Pyrethrumpulver mittels eines Zerstäubers in Risse und Spalten zu blasen, wo diese vorzugsweise ein- und ausschlüpfen, auch Natriumfluorid kann dort verstreut werden. Arsen(III)-oxid, untergemischt in Buchbinderkleister, kann gegen Attacken von Kakerlaken bei Büchern angewandt werden, wird allerdings von Burns wegen seiner hohen Giftigkeit kritisch diskutiert. Hingegen betrachtet er Phosphorkleister431 als 430 Ebd., 198–200. 431 Eine nähere Bezeichung, um welchen Phosphor es sich handelt, wird von Burns nicht erwähnt (Anm. d. Verf.).

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ein gutes Mittel zur Abschreckung. Dafür sollte dieser auf einen schmalen Kartonstreifen aufgetragen und dann aufgerollt werden. Solcherart präparierte Hilfsmittel waren außer Reichweite hinter den Büchern zu platzieren. Ameisen können ähnlich wie Kakerlaken mit Natriumfluorid bekämpft werden. Steht man einem Befall von Termiten gegenüber, müssen Objekte aus Holz mehrfach in Dichlorbenzol getaucht werden. Diese Methode darf allerdings bei Holzobjekten, die gefasst, gefirnisst oder geleimt sind, nicht angewandt werden. In besonders hartnäckigen Fällen verweist Burns auf die Bestellung eines Kammerjägers. Dem Wachstum von Schimmelpilzen ist grundsätzlich präventiv zu begegnen, indem das Raumklima möglichst konstant bei 20 °C und 50 % rF gehalten wird. Ein Ansteigen der relativen Luftfeuchte würde das Schimmelpilzwachstum fördern. Mit Schimmelsporen kontaminierte Sammlungsgegenstände sollten mit Thymol behandelt werden. Diesen Wirkstoff betrachtet Burns als weitaus ungefährlicher als Quecksilber(II)-chlorid.432 Im Rahmen des Save America’s Treasures Programm (SAT) wurden von den Restauratoren des im Jahr 1893 eröffneten Field Museum für Naturkunde, Chicago, ungefähr 40.000 Objekte der nordamerikanischen ethnologischen Sammlungen auf das Vorhandensein von Arsen geprüft. Die Untersuchung begann im Jahr 2003 und wurde mit dem Arsentest Merckoquant durchgeführt. Nach zwei Jahren waren ca. 60 % der Objekte getestet und es zeigte sich, dass 37,5 % der beprobten Objekte mit Arsen belastet waren. Sie waren hauptsächlich in der Zeit von 1890 bis 1899 behandelt worden. Es wird vermutet, dass die Anwendung von Arsen(III)-oxid auf den Objekten größtenteils von Museumsmitarbeitern durchgeführt wurde. Die erhobenen Daten wurden auch mit den Erwerbungsdaten von Sammlern abgeglichen, was zu dem Schluss führte, dass viele Objekte schon vor ihrer Ankunft im Museum mit Arsen(III)-oxid behandelt worden waren. Am meisten davon betroffen waren Objekte aus Fell, Haut und Leder.433 Am Milwaukee Public Museum, eröffnet im Jahr 1882, arbeitete Charles Thomas Brues als Kurator von 1905–1909. Er fasste die Anwendung von Gasen und weiteren Wirkstoffen zur Bekämpfung von Schadinsekten folgendermaßen zusammen: Neuzugänge in Museen sollten mit Schwefelkohlenstoff oder mit Cyanwasserstoff begast 432 Vgl. Burns 1941, 200–207. 433 Klaus et al. 2005a: Klaus, Marianne; Plitnikas, J.; Norton, Ruth; Almazan, T.; Coleman, S. Preliminary Results from a Survey for Residual Arsenic on the North American Ethnographic Collections at the Field Museum. Poster. In: Western Association for Art Conservation Newsletter, 2005, Vol. 27 (1), 24–26; Klaus et al. 2005b: Klaus, Marianne; Plitnikas, J.; Norton, Ruth; Almazan, T.; Coleman, S. Preliminary Results from a Survey for Residual Arsenic on the North American Ethnographic. Poster Submission. In: ICOM-CC Preprints, 14th Triennial Conference, The Hague, 12.–16. September 2005, Vol. I, 127.

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und anschließend mit Arsen(III)-oxid behandelt werden. Dabei diene die Begasung nach seiner Einschätzung der Prophylaxe, wohingegen er dem Arsen(III)-oxid eine langanhaltende Wirkung zuschreibt. Auch eine daran anschließende Quarantäne an einem warmen Ort sollte vor Aufnahme in die Sammlungen stattfinden, um den Erfolg der durchgeführten Maßnahmen beobachten zu können. Da KohlendisulfidDämpfe schwerer als Luft sind, weist Brues darauf hin, dass sie besser in Objekte penetrieren können, wenn sie abwärts ausgerichtet sind. Außerdem ist die Flüssigkeit nach seiner Einschätzung nicht gesundheitsgefährdend und in kleinen Schachteln sowie in Insektenkästen gut einsetzbar. Dennoch warnt er vor der Feuergefährlichkeit der Dämpfe. Die Dämpfe des Cyanwasserstoffes hingegen sind leichter als Luft, so dass man ihnen nach Brues die Gelegenheit geben sollte, in aufwärtsgerichteten Gegenständen nach oben zu entweichen. Weißes Arsen(III)-oxid sollte man dem Quecksilber(II)-chlorid vorziehen, da Letzteres schon bei normalen Temperaturen flüchtig ist. Die Stabilität von Arsen(III)-oxid schätzt Brues ebenso hoch ein wie die von den Proben bzw. von den Objekten selbst, weshalb er diesen Wirkstoff für geeigneter als alle anderen hält. Naphthalin bezeichnet er als vorbeugendes Mittel gegen alle gängigen Schadinsekten und empfiehlt, es kontinuierlich in kleinen Mengen in allen Sammlungen bereitzuhalten. Allerdings wendet er sich gegen kommerzielles Naphthalin, da dieser Wirkstoff in den Mottenkugeln auch Öle enthält. Nach dem Verdunsten des Naphthalins wird es von Materialien wie Holz, Papier sowie auch von pflanzlichen Belegexemplaren absorbiert, wodurch irreparable Schäden an den Objekten entstehen können. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurden am Museum Flocken von Naphthalin eingeschmolzen und in tönerne Gussformen gegossen. Die so gewonnenen Kegel hinterlassen nach Brues keine öligen Rückstände und können ohne Bedenken in den Insektenkästen verbleiben. Mit dem Einsatz von Teeröl folgt er einem Hinweis von George W. Bock. Dabei wird der Wirkstoff auf Baumwolle aufgetragen und alsdann in Fingerhüte gesteckt. Die kleinen Behälter sind in den Kästen zu platzieren und können bei Bedarf leicht ausgewechselt werden. Abschließend erwähnt Brues noch Pyrethrumpulver mit dem Produktnamen Persisches Insekten Pulver. Er erläutert, dass dieses Kontaktgift frisch eingebracht werden muss, da seine Wirkung rasch nachlässt, wenn es der Atmosphäre ausgesetzt wird.434 Die Erfahrungen mit unterschiedlichen Wirkstoffen und Mitteln zur Bekämpfung von Schadinsekten erläutert Charles Robinson Toothaker. Er war von 1904–1952 Kurator am Philadelphia Kunstmuseum, welches 1876 eröffnet wurde. In einem im Jahr 1908 erschienenen Beitrag bezeichnet er Insekten wie die Kleidermotte, den Brotkäfer, die Rüsselkäfer und holzzerstörende Insekten wie den Gewöhnlichen Na434 Brues 1909: Brues, Charles Thomas. The Insect Pests of Museums. In: Proceedings of the American Association of Museums, 1909, 34–36.

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gekäfer als die schlimmsten Feinde musealer Sammlungen. Zur Bekämpfung und vorbeugenden Wirkung wurde während seiner Amtszeit Naphthalin angewandt, Teerpappe als Unterlage von Objekten ausgelegt, Terpentin versprüht sowie gelöstes Arsen(III)-oxid und Quecksilber(II)-chlorid aufgetragen. Begast wurden befallene Objekte eingangs mit Schwefelkohlenstoff entweder in dafür leergeräumten Vitrinen oder in einer eigens gebauten großen Begasungskiste. Auch Toothaker weist darauf hin, dass die Feuergefährlichkeit des Begasungsmittels und dessen Anwendung in geschlossenen Räumen immer mit großen Risiken verbunden ist. Zur Begasung der Räumlichkeiten im Museum beschreibt er eine Mischung aus Schwefelsäure und Wasser im Verhältnis 1 : 2 mit der aus Kaliumcyanid Blausäure zur Begasung freigesetzt wurde. Weitere Versuche führte man mit Formaldehyd durch, welches über einem Spiritusbrenner erhitzt wurde. Nach Toothakers Beobachtungen und den von ihm durchgeführten vergleichenden Experimenten sind Begasungen mit Cyanwasserstoff am effektivsten. Damit würden alle Insekten vernichtet, die Anwendung verlaufe rascher als mit Schwefelkohlenstoff oder Trichlormethan, es sei weder explosions- noch feuergefährlich, der spezifische Geruch werde schnell bemerkt und das Verfahren sei sehr preisgünstig. Schäden durch Cyanwasserstoff sind nach seiner Auffassung nur an lebenden Pflanzen zu erwarten.435 Das Canadian Conservation Institute (CCI) in Ottawa, Kanada, wurde im Jahr 1972 als eigenständige Institution gegründet. Während einer Langzeitstudie wurde die Geschichte der Wirkstoffe und Mittel zur Vorbeugung und Bekämpfung von Schadinsekten in kanadischen Museen, die vom Ende des 19. bis in das beginnende 20. Jahrhundert angewandt wurden, mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht und zusammenfassend im Jahr 2010 veröffentlicht.436 Für die Studie wurden über 2000 Objekte aus unterschiedlichen musealen Sammlungen hinsichtlich einer möglichen Anwesenheit von Wirkstoffen und Mitteln, die ehemals zum Schutz der Sammlungsgegenstände eingesetzt worden waren, bereitgestellt. Es handelte sich um Objekte aus ornithologischen, ethnologischen und anthropologischen Sammlungen. Darüber hinaus wurden auch Präparate aus didaktischen Sammlungen, wie sie etwa für museumspädagogische Zwecke benutzt werden, in die Studie einbezogen. Eine zu Beginn durchgeführte Literaturrecherche ergab, dass im Jahresbericht des National Museum von Kanada im Jahr 1929 eine Mischung aus 1,2-Dichlorethan und Tetrachlorkohlenstoff im Verhältnis 3 : 1 zur Bekämpfung von Schadinsekten empfohlen wurde. Des Weiteren wird bei Leechman die Anwendung von Schwefel435 Toothaker 1908: Toothaker, Charles Robinson. Fumigation. In: Proceedings of the American Association of Museums, 1908, 119–123. 436 Sirois et al. 2010: Sirois, Jane; Poulin, Jennifer; Stone, Tom. Detecting Pesticide Residues on Museum Objects in Canadian Collections. A Summary of Surveys Spanning a twenty-year Period. In: Collection Forum 24, 2010, (1–2), 28–45.

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kohlenstoff, Cyanwasserstoff, Chlorpikrin, Naphthalin und Dichlorbenzol erwähnt. Natriumfluorid diente der Bekämpfung von Kakerlaken und Quecksilber(II)chlorid, gelöst in Alkohol, wird als geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Schimmelpilzen empfohlen.437 Im Archiv des Kanadischen Museums für Geschichte in Québec befinden sich sowohl Dokumente des amerikanischen Nationalmuseums für Naturkunde wie auch der Smithsonian Institution. Es sind Antwortschreiben an kanadische Museen, die um Rat bei der Bekämpfung von Schadinsekten in ihren Sammlungen gebeten hatten. Noch im Jahr 1964 empfahl das amerikanische Naturkundemuseum den Einsatz von Schwefelkohlenstoff, Naphthalin und Dichlorbenzol. Exponate aus Fellen sollten für Ausstellungszwecke mit Lösungen von Arsen(III)-oxid behandelt werden.438 Die Smithsonian Institution schlug das Begasungsmittel Dowfume (Brommethan)439, Paracide crystals (Dichlorbenzol) und Arsenseife zur Mottenbekämpfung vor. Auf dieser Grundlage wurden die Objekte am CCI auf Arsen(III)-oxid, Blei, Brom, Quecksilber(II)-chlorid, 1,4-Dichlorbenzol, Dichlorvos, DDT, DDD, DDE, Naphthalin und Perthan untersucht.440 Es zeigte sich, dass Arsen(III)-oxid abnehmend in der Reihenfolge in ornithologischen, mammalogischen, anthropologischen sowie museumspädagogischen Sammlungen nachzuweisen war. Geringe Werte von Quecksilber wurden in über 75 % einer Sammlung von Decken der Chilkat441 gefunden. Die Bestimmung von organischen Wirkstoffen fiel unterschiedlich aus und deutet darauf hin, dass Sammlungen vormals diversen Behandlungsmethoden unterzogen worden waren. Naphthalin wurde in zwei Museen nachgewiesen. Die Belastung durch Schädlingsbekämpfungsmittel an den untersuchten Objekten wird, gemessen an den in Kanada zulässigen Grenzwerten, eher niedrig eingeschätzt.442 Betrachtet man den Einsatz von Wirkstoffen und Mitteln im Untersuchungszeitraum für kulturelle Einrichtungen in den USA und in Kanada, so sind nur marginale Unterschiede in der Verwendung natürlicher sowie synthetischer Wirkstoffe feststellbar. Lediglich in einem Manual von Burns (1941) findet sich abweichend 437 Leechman 1931: Leechman, Douglas. Technical Methods in the Preservation of Anthropological Museum Specimens. Hg. v. Canada Department of Mines. National Museum of Canada. Ottawa (Annual Report for 1929, Bulletin 67), 1931, 135–137. 438 AAMNH-DMA. SA: ji. Mottenschutz für Felle. Anderson 02.04.1964, Sydney. Brief vom 02.04.1964 an das National Research Council, Ottawa, Canada, 1 Seite, ohne Paginierung. 439 Es gab verschiedene Dowfumes mit unterschiedlichen Wirkstoffen. Hier fehlt die Angabe, um welches Dowfume es sich handelt (Anm. d. Verf.). 440 Vgl. Sirois et al. 2010, 29. 441 Die Chilkat sind eine Untergruppe der Tlingit und gehören zu den First Nations aus Nordamerika und Kanada. 442 Vgl. Sirois et al. 2010, 38–39.

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die Empfehlung von Phosphorkleister als Konservierungsmittel für Bücher. Darüber hinaus gibt das Erscheinungsjahr (1941) dieser Veröffentlichung schon einen dezenten Hinweis darauf, wie lange viele Wirkstoffe und Mittel noch über die Mitte des 20. Jahrhunderts eingesetzt wurden, obwohl deren Giftigkeit Anfang der 1930er Jahre hinlänglich bekannt war. Auch die einzelnen Komponenten in eigenen Mischungen und Rezepturen unterscheiden sich nicht von den in Deutschland bzw. in Europa verwendeten Substanzen. Etwas irritierend erscheint lediglich Colemans Hinweis in seinem Manual aus dem Jahr 1927 für kleinere Museen. Er empfiehlt, Tetrachlorkohlenstoff flächendeckend auf Textilien zu gießen oder zu verschütten. Aus seiner Sicht hinterlässt diese Behandlung weder Schäden noch Flecken. Analog zu den Untersuchungen im Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin, wurde im Rahmen einer Studie am Field Museum für Naturkunde, Chicago, eindeutig festgestellt, dass viele Objekte bereits vor ihrer Ankunft im Museum zwischen 1890–1899 während diverser Forschungsreisen mit Arsen(III)-oxid behandelt worden waren. Als fortschrittlich kann die Smithsonian Institution für sich reklamieren, dass ab dem Jahr 1881 jährliche Berichte zur Sammlungspflege am National Museum für Naturgeschichte erstellt wurden. In diesem dokumentarischen Erbe finden sich oftmals für heutige Museumsmitarbeiter nützliche Hinweise zur Erstellung von Konzepten für die Restaurierung und Konservierung von Sammlungsgegenständen. Als federführend gilt auch die dort ab dem Jahr 1886 eingerichtete „Vergiftungsabteilung“, wo vorbeugend und bekämpfend museale Objekte gegen Schadinsekten behandelt wurden.

4 . S C H LU S S B E TRAC HTU N G

Die am Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhundert eingesetzten Wirkstoffe und Mittel zur Schädlingsbekämpfung in den Sammlungen des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin sind nachweislich mit den damaligen gesellschaftlichen und politischen Umständen sowie mit technischen Innovationen, hervorgerufen durch die Industrialisierung, eng verbunden und verknüpft. Eine wichtige Schnittstelle war die stetig wachsende Industrie mit ihren Ballungszentren, wo eng nebeneinander lebende Menschen versorgt werden mussten. Sowohl die Folgen der Industrialisierung wie auch die schwerwiegenden Auswirkungen des Ersten Weltkriegs hinsichtlich der Hygiene von Militär und Zivilbevölkerung ließen Wissenschaftler und Behörden intensiv nach Wirkstoffen und Mitteln suchen, um Läusen, Krätzemilben, Wanzen und Flöhen, entgegenzutreten. Oberstes Ziel der damaligen Forschungen war es, die gesundheitlichen Beeinträchtigungen für die Bevölkerung zu minimieren und dringend benötigte Arbeitskräfte sowie die militärische Abwehrkraft zu erhalten. Die Suche nach geeigneten Wirkstoffen und Mitteln war ein Wettlauf mit der Zeit. Ferner haben frühe Formen der Globalisierung dazu geführt, dass zum Ende des 19. Jahrhunderts Kartoffeln aus Nordamerika nach Deutschland eingeführt wurden. Mit ihnen kam auch der Colorado-Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata) nach Deutschland. Trotz großer Anstrengungen ihn auszurotten, wurde er bei uns heimisch. Dieses prägnante Beispiel zeigt, dass die damalige Situation durchaus punktuell mit der heutigen Pandemie, hervorgerufen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 und COVID-19, vergleichbar ist. Es war also ein Gebot der Stunde, Kulturpflanzen sowie eingelagerte Vorräte und Nahrungsmittel vor Schadinsekten zu schützen. Deshalb verzahnten sich wissenschaftliche Einrichtungen, Regierungsbehörden und die Privatwirtschaft in ihren Interessen und trieben gemeinsam mit großem Engagement die Forschung nach geeigneten Wirkstoffen und Mitteln gegen Schadinsekten voran. Betrachtet man Museen als Teil des Ganzen und hier speziell unter dem Aspekt des Bewahrens ihrer Objekte, dann wird unmittelbar deutlich, dass auch Museumsfachleute für ihre Sammlungen nach Lösungen gesucht haben, um vorbeugend oder auch bekämpfend Schadinsekten von organischen Materialien fernzuhalten. Aus einer gewissen Distanz erscheinen diese kulturellen Einrichtungen als kleine, in sich geschlossene Institutionen. Sie waren demnach in einem großen Ausmaß auf die Unterstützung von behördlichen und wissenschaftlichen Einrichtungen sowie auf Hilfe von Industrie und Handel angewiesen. Da Schadinsekten keine Landesgrenzen kennen, wurden konsequenterweise ebenso Wirkstoffe und Mittel auf nationaler und internationaler Ebene, insgesamt

Schlussbetrachtung

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in vierzig Museen aus elf Ländern, mit einbezogen. Nach derzeitigem Befund zeigt sich in allen Museen bis auf einige Abweichungen der Einsatz ähnlicher, wenn nicht gar identischer Wirkstoffe und Mittel. Die theoretische und empirische Untersuchung dieser fast 150-jährigen Geschichte zur Sammlungspflege im Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin wird als Desiderat betrachtet. Die bislang gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse bieten idealerweise den Ausgangspunkt für weitere Forschungsfelder zugunsten einer chronologischen, flächendeckenden Untersuchung von Wirkstoffen und Mitteln sowie von Methoden und Verfahren zur Schädlingsbekämpfung in musealen Sammlungen im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Im Ergebnis lassen sich deshalb drei wesentliche Thesen festhalten. Zunächst hat sich herausgestellt, dass die Zulieferer von Wirkstoffen und Mitteln zur Schädlingsbekämpfung für museale Sammlungen aus unterschiedlichen Bereichen kamen. Das Spektrum reichte von Einzelpersonen, Apotheken, dem Einzelhandel, Herstellern von synthetischen Farben bis hin zu chemischen Fabriken. Insbesondere ließ sich nachweisen, dass für die Entwicklung von Schädlingsbekämpfungsmitteln in den Farbenfabriken gezielt Chemiker angestellt wurden. Sie modifizierten die bei der Herstellung von synthetischen Farben anfallenden Abfallprodukte und entwickelten daraus Wirkstoffe und Mittel zur Bekämpfung von Schadinsekten. In enger Zusammenarbeit mit ihren Auftraggebern wandten sich diese Naturwissenschaftler direkt mit ihren Erkenntnissen an Museen und sorgten mit ihren Veröffentlichungen für die Absatzsteigerung der von ihnen entwickelten Mittel. Fabriken wie die Actiengesellschaft für Anilin-Fabrikation (Agfa) oder auch die Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen, suchten im direkten Kontakt potenzielle Abnehmer, um für ihre Mittel neue Absatzmärkte zu erschließen. Dafür nutzte man eigene Vertriebswege oder man verlagerte sie nach außen auf Handelsfirmen, wofür das Beispiel der Firma Fritz Schulz jun. Aktiengesellschaft aus Leipzig charakteristisch ist. Mit dem von ihnen vertriebenen Mottenmittel Globol entstanden nachweislich direkte wirtschaftliche Abhängigkeiten zum Hersteller. Wie stark das Interesse der Industrie am Absatz ihrer Mittel zur Schädlingsbekämpfung war, zeigt sich an den großen Geldsummen, die in wissenschaftliche Versuche sowie in das Marketing von Produkten investiert wurden. So bewarb beispielsweise die I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft im Jahr 1925 ihre Schädlingsbekämpfungsmittel zur weiteren Verbreitung mit Plakaten, Prospekten, Inseraten sowie mit Ausstellungen mit Ausgaben in Höhe von 13.242,85 RM.1 Die Kosten für wissen1

Vergleicht man hierzu das Durchschnittsentgelt eines Arbeitnehmers in Höhe von 1469 Reichsmark für das Jahr 1925, so wird deutlich, dass die I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft große Summen in ihren Marketingbereich investierte (siehe hierzu: Bundes-

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Schlussbetrachtung

schaftliche Untersuchungen sowie für amtliche Prüfungsgebühren beliefen sich auf 9201,24 RM.2 Diese Expansion wurde national sowie auch international vorangetrieben. Einer Aktennotiz aus dem Jahr 1930 ist zu entnehmen, dass man das Mittel Avenarius in Österreich verkaufte, nach Mexiko zur Beizung von Gerste 30.000 kg Tillantin R exportierte und Anstrengungen unternahm, das Tetrachlorbenzol zum Desinfizieren von Böden in den USA anzubieten.3 Die zweite Erkenntnis besteht darin, dass über die Auswahl der Schädlingsbekämpfungsmittel in den sich bildenden Netzwerken der Museumsfachleute diskutiert wurde. Auf Fachtagungen wie der Enquete betreffend die Konservierung von Kunstgegenständen sowie in einschlägigen Fachjournalen wie dem Museumsjournal – Zeitschrift für Verwaltung und Technik öffentlicher und privater Sammlungen tauschte man Erfahrungen im Umgang mit alten oder neuen Wirkstoffen und Mitteln aus und diskutierte die neuesten technischen Fortschritte in der Schädlingsbekämpfung. Hinsichtlich einer Massenbegasung zur Bekämpfung von Schadinsekten in großen Anlagen waren Adolph Bernhard Meyer sowie Willy Foy gemeinsam mit Johann Bolle Vorreiter in Deutschland. Ihre Nachahmer waren Georg Thilenius und Friedrich Rathgen. Bolle war zudem als Direktor der kaiserlich königlichen landwirtschaftlich-chemischen Versuchsstation in Görz eine zentrale Schlüsselfigur für die Museumsbranche. Ausgestattet mit einem hohen Reiseetat war es ihm möglich, europaweit unterwegs zu sein. So machte er sich als Botaniker weit über sein Fachgebiet hinaus einen Namen und verbreitete sein Wissen zur Schädlingsbekämpfung in den Museen. Auf einschlägigen Fachtagungen war er ein gern gesehener Redner, für seine Veröffentlichungen nutzte er auch Fachjournale aus dem Bereich des Museumswesens. Auf diese Weise förderte er in einem hohen Maß den Austausch der Museen untereinander. Zu seiner Zeit verfügten nur wenige Museumsfachleute über geeignete technische und personelle Ausstattungen, um eigene Experimente zur Entwicklung von Schädlingsbekämpfungsmitteln durchführen zu können. Nach dem jetzigen Stand der Forschung waren nebst Bolle an dieser Stelle Foy aus dem RJM in Köln, Rathgen vom Chemischen Laboratorium der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin sowie seine Amtskollegen Scott und Plenderleith vom Britischen Museum in London federführend. Es herrschte auch ein gewisser Pragmatismus, wenn Museumsfachleute mitunter hilflos dem Befall von Insekten in ihren Samm-

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ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Ausgegeben zu Bonn am 26.02.2002: Bundesgesetzblatt Teil I. G 5702, ausgegeben zu Bonn am 26.02.2002, 869). LASA. I 532, Nr. 598. I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, Höchst a. M. Kostenaufstellung vom 19.11.1925, 1 Seite, ohne Paginierung. LASA. I 532, Nr. 600. May, (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Besprechung vom 22.01.1930 mit Dr. Paulmann aus Leverkusen in Sachen Schädlingsbekämpfung, 2 Seiten, ohne Paginierung.

Schlussbetrachtung

231

lungen aus organischen Materialien gegenüberstanden. Wenn das eigene Know-how nicht ausreichte, wurden Wirkstoffe, Mittel und Methoden zur Bekämpfung und vorbeugend gegen Schadinsekten einfach angewandt, wenn sie andernorts empfohlen wurden. Kleinere Museen mit ihren Sammlungen profitierten nachgeordnet von dem Wissen und dem Netzwerk der Museumsfachleute aus größeren musealen Einrichtungen. Dies belegen einzelne Anfragen an die Experten der damaligen Zeit. So standen beispielsweise Kuratoren, Chemiker und Restauratoren Rede und Antwort, wenn Anfragen zur Problematik von Schadinsekten an Einzelobjekten sowie für ganze Sammlungen bei den Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin eintrafen. Es gab auch Wirkstoffe und Mittel, die sich in ihrer Anwendung als zu kompliziert erwiesen. Dies war der Fall, wenn sie in ihrer Herstellung zu aufwändig waren oder sie sich in der Praxis nicht bewährt hatten. So gab es immer wieder Klagen über eine starke Geruchsbelästigung durch den Wirkstoff Campher beim Öffnen von Sammlungsschränken. Auch Beschwerden über gesundheitliche Beeinträchtigungen führten dazu, dass Wirkstoffe oder Mittel wie beispielsweise Globol nicht mehr eingesetzt wurden. Eine Tendenz hinsichtlich der Verwendung von synthetischen Wirkstoffen oder wirkstoffhaltigen Zubereitungen wird einer starken Lobbyarbeit der einschlägigen Industriebetriebe zugeschrieben. Ob sich ein Schädlingsbekämpfungsmittel auf dem Markt behaupten konnte, hing auch davon ab, ob es häufig oder weniger häufig beworben und dadurch weiterempfohlen wurde. Hatte sich ein Mittel auf diese Weise durchgesetzt, so konnte es in einem gewissen Sinn „Karriere“ machen. Zu diesen Wirkstoffen und Mitteln gehören die in den Tabellen 1–5 (siehe hierzu Kapitel 2.7) grau hinterlegten Substanzen. Mit den Untersuchungen konnte auch belegt werden, dass Schädlingsbekämpfungsmittel historisch zugeordnet werden können. Im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wurden zunächst vorzugsweise natürliche Stoffe oder anorganische Wirkstoffe und Mittel, also Schwermetallverbindungen, eingesetzt. Eine sichtbare Veränderung setzte in den 1930er Jahren mit der Herstellung von Wirkstoffen und Mitteln auf der Basis von Chlor ein. Der damit verbundene Industriezweig erhielt dadurch den Beinamen Chlorchemie.4 Das dritte Ergebnis der Forschungen beruht auf der Erkenntnis, dass mit dem Ende des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts der Beginn einer Spezialisierung von Museumsmitarbeitern verschiedener Einrichtungen und Institutionen stattfindet. Das Bemühen um eine wissenschaftlich begründete Konservierung und Restaurierung in den Museen geschah dabei nur teilweise und blieb an manchen Stellen in den Anfängen stecken. Wie bereits im ersten Kapitel dargestellt, waren die damaligen 4

Chlorchemie ist die umgangssprachliche Bezeichnung für den Produktionszweig der chemischen Industrie, dessen Endprodukte auf der Basis von Chlor hergestellt werden.

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Schlussbetrachtung

Museumsmitarbeiter Pioniere ihrer Zeit. Für Adolf Bastian, der selbst Arzt war, mag als gute Voraussetzung für die Arbeit in einem Museum ein medizinisches Studium gewesen sein. Unter den jungen Akademikern befanden sich darüber hinaus auch Juristen oder Historiker. Dies waren also die Auswahlkriterien für eine Anstellung am Museum. Sie mögen die Gründe für eine gewisse Stagnation gewesen sein, wenn es darum ging, das eigene chemische Wissen zur Schädlingsbekämpfung auf- und auszubauen oder gar zu vertiefen. Die heute gute wissenschaftliche Praxis einer naturwissenschaftlich geprägten akademischen Ausbildung als Restaurator oder gar als Museologe war in den Gründungsjahren der Ethnologie noch gänzlich unbekannt. Im Ergebnis der Untersuchungen ist also eine durchgängige Verwissenschaftlichung der Museen nicht zu beobachten. Die Quellenlage zeigt, dass Einzelpersonen von außerhalb durchaus Einfluss auf die Arbeitsmethoden innerhalb des Museums hatten. Ein sehr prägnantes Beispiel ist hierfür der Wirkstoff Campher. Die Unwirksamkeit dieses Stoffes hatte Bolle nach gemeinsamen Versuchen mit von Luschan im Königlichen Museum für Völkerkunde in den Jahren 1911/1912 bereits festgestellt. Dennoch wurde Campher bis in die Jahrtausendwende zum 21. Jahrhundert als präventives Mittel gegen Schadinsekten in den Sammlungsschränken des Ethnologischen Museums am Standort in Berlin-Dahlem eingesetzt. Diese Tatsache wird als Indiz dafür gesehen, dass Personen gebundenes Wissen im Lauf von nunmehr über hundert Jahren verloren ging.5 Es fehlte, anders als am National Museum für Naturgeschichte in Washington D. C. bei der Smithsonian Institution, an einer Dokumentation der Sammlungspflege, wodurch wichtige Informationen an nachfolgende Generationen nicht weitergegeben werden konnten. Ob bei der Massenbegasung von Sammlungsgegenständen die Ergebnisse der Langzeitstudie von Rathgen Beachtung fanden, war den Quellen nicht zu entnehmen. In seiner diesbezüglichen Veröffentlichung (Rathgen 1911) rät er zumindest strikt vom Gebrauch des Tetrachlorkohlenstoffs bei Farben, die Harze oder Firnis als Bindemittel enthalten, ab. Im Ergebnis nehmen die Entwicklungen von Methoden zur Schädlingsbekämpfung am Königlichen/Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin sowie am Chemischen Laboratorium der Königlichen/Staatlichen Museen zu Berlin verglichen mit dem Eintrag von Wirkstoffen und Mitteln, die sowohl über den Handel wie auch durch die Industrie in die Sammlungen gelangten, eine untergeordnete Stellung ein. Es erheben sich abschließend Fragen hinsichtlich einer wissenschaftlich gestützten Konservierung und Restaurierung zur Bekämpfung von Schadinsekten in unserer heutigen Zeit. Auch müssen wir uns damit beschäftigen, wie der Umgang mit kontaminierten Kunst- und Kulturgütern in musealen Sammlungen gestaltet werden kann. Teilweise sind diese Fragen dadurch beantwortet, dass im 21. Jahr5

Vgl. Tello 2006, 45.

Schlussbetrachtung

233

hundert bei vorbeugenden Maßnahmen und zur Bekämpfung von Schadinsekten vermehrt chemiefreie Methoden und Verfahren eingesetzt werden. Dies geschieht in erster Linie durch die Anwendung des Integrated Pest Managements (IPM), welches mittlerweile in vielen Museen etabliert ist.6 Chemiefreie Technologien zur Bekämpfung von Schadinsekten sind heute durch die Anwendung von Anoxia-Atmosphären oder auch durch das Gefrieren von Sammlungsgegenständen in Kühlkammern Stand der Technik. Diese Verfahren entziehen Insekten und Kleinstlebewesen ihre Lebensgrundlagen.7 Als biologische Methode ist auch der Einsatz von Holzwespen vermehrt zu beobachten.8 Es ist kaum anzunehmen, dass die in den Museumsobjekten verbliebenen Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln in Gänze beseitigt werden können. Sie sind hoch toxisch und unterliegen nach heutigen Erkenntnissen einer generellen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zum Schutz seiner Mitarbeiter. Dabei sind die vorhandenen Gefahrensituationen, hervorgerufen durch kontaminierte Ethnografica, stetig zu überprüfen und ein entsprechender Arbeitsschutz einzurichten. Darüber hinaus muss es die Sorge heutiger Museumsmitarbeiter sein, chemiefreie Technologien und Methoden zur Schädlingsbekämpfung zu installieren. Auch gebietet es die Fürsorgepflicht von Arbeitgebern, zum Schutz ihrer Mitarbeiter weiterhin Anstrengungen zur Dekontamination von Kunst- und Kulturgütern zu unternehmen. Dies betrifft zahlreiche Entscheidungen, den Umgang mit eben diesen zum Teil hochbelasteten Sammlungsgegenständen nach heutigen Standards sicher zu gestalten. Im Fokus stehen dabei vor allem Wissenschaftler, Museologen, Restauratoren und Depotverwalter. Vorbeugende Schutz- und Dekontaminierungsmaßnahmen für die genannten Berufsgruppen, aber auch für Besucher sind zwingend notwendig, um potenzielle Gefahrenquellen, hervorgerufen durch kontaminiertes Kunst- und Kulturgut, zu minimieren. Dieses stetig gewachsene Bewusstsein im Bereich der Arbeitshygiene sowie der Arbeitssicherheit hat im Ergebnis dazu geführt, dass seit dem Jahr 2004 das Integrated Pest Management (IPM) im Ethnologischen Museum angewendet wird.9 In Ergänzung dazu werden präventiv, 6 7 8 9

Graven 2019: Graven, Sonja. Giftlos – erfolglos? Vier Jahre integrierte Schädlingsbekämpfung im Museum Mensch und Natur in München. In: Restauro, 2019, (2), 36–41. Vgl. Tello 2006, 48–49. Teibler 2019: Teibler, Claudia. Absolut biologisch. In: Restauro, 2019, (2), 42–43. Vgl. hierzu Pinniger et al. 2016: Pinniger, David; Landsberger, Bill; Meyer, Adrian; Querner, Pascal. Handbuch Integriertes Schädlingsmanagement in Museen, Archiven und historischen Gebäuden. Unter Mitarbeit von Annette Townsend. Berlin: Gebr. Mann Verlag; Rathgen-Forschungslabor Staatliche Museen zu Berlin; Pinniger et al. 2015: Pinniger, David; Meyer, Adrian; Townsend, Annette. Integrated Pest Management in Cultural Heritage. London: Archetype; Pinniger und Townsend 2001: Pinniger, David; Townsend, Annette. Pest Management in Museums, Archives and Historic Houses. London: Archetype; Pinniger und Winsor 1998: Pinniger, David; Winsor, Peter. Integra-

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Schlussbetrachtung

aber auch bekämpfend Behandlungen von Objekten aus organischen Materialien unter Verzicht auf den Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln durchgeführt. Dafür steht eine Anlage zur Verfügung, in der mittels einer sauerstoffarmen Atmosphäre den Imagines,10 den Larven sowie den Eiern der Schadinsekten die Lebensgrundlage entzogen werden. Ergänzt wird diese Behandlung mit einer Gefrierzelle, in der bei Temperaturen von –32 °C die Sammlungsgegenstände gefroren und so den Schadinsekten ihre Lebensgrundlagen entzogen werden.11

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5 . AN H AN G

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262

Anhang

Zacher, Friedrich (1922b): Südamerikanische Kakaoschädlinge. In: Tropenpflanzer, 1922, 25, 119–121. Zacher, Friedrich (1924a): Der Brotkäfer, ein schlimmer Haushaltsschädling. In: Hof und Garten, 1924, 46, 87–88. Zacher, Friedrich (1924b): Methoden der Vorratsschädlingsbekämpfung. Vierte Mitgliederversammlung zu Frankfurt am Main vom 10. bis 13. Juli 1924. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für angewandte Entomologie, 1924, 45–50. Zacher, Friedrich (1924c): Pelz- und Kleidermotten. In: Der Rauchwarenmarkt, 1924 12 (83), 2–3. Zacher, Friedrich (1927): Die Vorrats-, Speicher- und Materialschädlinge und ihre Bekämpfung. Berlin: P. Parey. Zadow, Mario (2003): Karl Friedrich Schinkel. Leben und Werk. 3., verb. Aufl. Stuttgart: Ed. Menges. Zalewski, Przemyslaw Paul (2007): Altstadtsanierungen in Deutschland und in Europa bis zum Zweiten Weltkrieg. Eine Erinnerung an Motive und Methoden. In: Journal of Comparative Cultural Studies in Architecture, 2007 (1), 28–36. Zalewski, Przemyslaw Paul; Tello, Helene; Meyer-Haake, Arne (2014): Biozidbelastete Kulturgüter. Grundsätzliche Hinweise und Texte zur Einführung in die Problematik; Bericht über das EU-/ESF-Projekt „Kleine und Mittlere Unternehmen und Wissenschaft im Dialog. Dekontamination von Kulturgütern. Frankfurt (Oder). Zalewski, Przemyslaw Paul (2014): Einführung in die Voraussetzungen, Ziele und Strategien des Projektes. Arbeitspolitik und Arbeitsmarkt als Ausgangsvoraussetzungen. In: Biozidbelastete Kulturgüter. Grundsätzliche Hinweise und Texte zur Einführung in die Problematik; Bericht über das EU-/ESF-Projekt „Kleine und Mittlere Unternehmen und Wissenschaft im Dialog. Dekontamination von Kulturgütern, 7–17. Zinke, Georg Gottfried (1802): Kunst allerhand natürliche Körper zu sammeln, auf eine leichte Art für das Kabinett aufzubereiten und vor der Zerstörung feindlicher Insecten zu sichern. Jena: Göpferdt, J. C. G. Zuska, Jan (1994): Haus- und Vorratsschädlinge. Hanau: Dausien. Zweig, Stefan (2007): Die Welt von gestern. Erinnerungen eines Europäers. 5. Aufl. Frankfurt am Main: S. Fischer.

Verzeichnis der Tabellen

263

5.2 Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1: Typologische Erfassung von natürlichen Wirkstoffen Tabelle 2: Typologische Erfassung von synthetischen Wirkstoffen Tabelle 3: Typologische Erfassung von wirkstoffhaltigen Zubereitungen der Industrie Tabelle 4: Typologische Erfassung von Rezepturen von Apothekern und Ärzten Tabelle 5: Typologische Erfassung von Rezepturen von Einzelpersonen Tabelle 6: Netzwerke/Aktivitäten von Industrie, Handel sowie naturwissenschaftlichen und behördlichen Einrichtungen in der Zeit von 1905 bis 1930 Tabelle 7: Vernetzung von Museumsfachleuten auf nationaler und internationaler Ebene in der Zeit von 1874–1934 Tabelle 8: Organische Materialien in Museen und die wichtigsten Schadinsekten Tabelle 9: Dekontaminationsverfahren für biozidbelastetes Kulturgut, zusammengestellt nach Unger 2018 Tabelle 10: Mitarbeiter der Generalverwaltung der ehemaligen Königlichen und ab 1918 der Staatlichen Museen zu Berlin in chronologischer Reihenfolge Tabelle 11: Mitarbeiter des Chemischen Laboratoriums der ehemaligen Königlichen und ab 1918 der Staatlichen Museen zu Berlin in chronologischer Reihenfolge Tabelle 12: Zusammenstellung der Mitarbeiter des Königlichen/Staatlichen Museums für Völkerkunde in alphabetischer Reihenfolge

264

Anhang

5.3 Verzeichnis und Nachweise der Abbildungen Abb. 1: Grafische Darstellung der Entwicklung der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft. Aus: Karl Heinz Roth. Die Geschichte der I. G. Farbenindustrie AG von der Gründung bis zum Ende der Weimarer Republik. Norbert Wollheim Memorial, J. W. Goethe-Universität/Fritz Bauer Institut, Frankfurt am Main, 2009. www. wollheim-memorial.de (Zugriff: 27.10.2021). Copyright: Stiftung für Sozialgeschichte des 20. Jahrhunderts, Fritz-Gansberg-Str. 14, 28213 Bremen. Abb. 2: Johann (Giovanni) Bolle. Direktor der kaiserlich königlichen landwirtschaftlichchemischen Versuchsstation in Görz, Österreich, (heute Gorizia, Italien) von 1891– 1912. Copyright: ERSA, Agenzia regionale per lo sviluppo rurale, Bibliothek Luigi Chiozza. Abb. 3: Felix von Luschan. Direktor der Afrikanisch-Ozeanischen Abteilung im Königlichen Museum für Völkerkunde von 1904–1911. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum. Abb. 4: Königliches Museum für Völkerkunde Königgrätzer Straße 120, Berlin-Mitte, 1886. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum. Abb. 5: „Vier meiner Träger“. Koch-Grünberg, Theodor, 1917. Vom Roroima zum Orinoco, Bild Nr. KG-H-III, 47. Copyright: Ethnographische Sammlung der Marburger Philipps-Universität, Nachlass Koch-Grünberg. Abb. 6: Wilhelm Eduard Julius Krause. Erster Konservator am Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin von 1884‒1917. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte. Abb. 7: Friedrich Rathgen. Leiter des Chemischen Laboratoriums von 1888‒1927. Fotograf unbekannt. Aus: Werner Otto (1979). „Das chemische Laboratorium der Königlichen Museen in Berlin“. Berliner Beiträge zur Archäometrie Bd. 4/1979, S. 103. Abb. 8: Begasungsanlage am Nationalmuseum Helsinki, Konstruktionszeichnung. Copyright: National Archives of Finland, RakH II Iba 37: 1 b, 56 M 1/11. Abb. 9: Begasungsanlage am Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin, geschlossener Zustand, 1923. Quelle: Bundesarchiv-Filmarchiv Begasungsanlage. Heilbehandlung von Kunstwerken. Copyright: Filmproduktion Ruth Cürlis, Ehrenbergstr. 3, 14195 Berlin. Abb. 10: Begasungsanlage am Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin, geöffneter Zustand, 1923. Quelle: Bundesarchiv-Filmarchiv Begasungsanlage. Heilbehandlung von Kunstwerken. Copyright: Filmproduktion Ruth Cürlis, Ehrenbergstr. 3, 14195 Berlin. Abb. 11: Begasungsanlage am Königlichen Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museum zu Dresden, Bauzeichnung, 1903. Aus: Meyer, Adolph Bernhard. Abhandlungen und Berichte des Königlichen Zoologischen und Anthropologisch-

Verzeichnis und Nachweise der Abbildungen

265

Ethnographischen Museums zu Dresden. 3. Bericht über einige neue Einrichtungen des Königlichen Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museums in Dresden. XI. Desinfektionsapparat. Bd. X, 1902/03 (5), Tafel XIX, Desinfektionsapparat, 23. Abb. 12: Museumsobjekte im Desinfektionsraum des Königlichen Zoologischen und Anthropologisch-Ethnographischen Museum zu Dresden, um 1920 (?). Fotograf unbekannt. Fotosammlung/Historische Diasammlung, Kat. Nr. F 2016-3/1562. Copyright: Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Museum für Völkerkunde Dresden. Abb. 13: Gebäude mit Begasungsanlage „Lusknäppen“ am Nordischen Museum in Stockholm, Bauzeichnung vom 03.10.1903. Copyright: Nordiska Museet Arkiv. NMAR.0000272. Architekt: Clason, Isak Gustaf, Digitalisat. https://digitaltmuseum. se/search/?q=NMAR.0000272 (Zugriff: 16.06.2018). Abb. 14: Gebäude mit Begasungsanlage „Lusknäppen“ hinter dem Nordischen Museum in Stockholm. Geöffneter Zustand, Foto 291.az.und Foto 291.ay. Copyright: Nordiska Museet Arkiv. Abb. 15: Desinfektionsraum mit 2 Kesseln im Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, 1909. Copyright: Staatliche Museen zu Berlin, Ethnologisches Museum. Abb. 16: Vernetzung von Museumsfachleuten auf nationaler und internationaler Ebene in der Zeit von 1874–1934. Copyright: Böhlau Verlag. Abb. 17: Aktennotiz. Felix von Luschan an Wilhelm Eduard Julius Krause. Quelle: SMB-PK, EM, I/MV 730, Vol. 30, Pars I. B., E. Nr. 578/04. Acta betreffend die Restauration von Alterthümern. Fotografin: Helene Tello. Abb. 18: Erhitzen von Textilien in einer Anlage bei 50−60 °C am Nordischen Volkskundemuseum in Oslo, NF.01272-203. Copyright: Norsk Folkemuseum Oslo.

266

Anhang

5.4 Organische Materialien in Museen und die wichtigsten Schadinsekten Die wichtigsten Materialschädlinge in Museen, die Insekten, werden tabellarisch gelistet. Die Darstellung in Bezug zu den Materialien ist teilweise schematisch, weil manche Insekten fähig sind, ihre Ansprüche an das Material zu ändern, und somit auch Materialien von sehr unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung befallen können. Diese Eigenschaft ist beispielsweise bei Silberfischchen (Lepisma saccharina) und dem Messingkäfer (Niptus hololeucus) gut bekannt. Andererseits sind die Lebensbedingungen mancher Schadinsekten noch nicht im vollen Umfang erforscht. Auch sind manche Insekten von Klimabesonderheiten abhängig, wie z. B. die Silberfischchen von erhöhter Feuchtigkeit, so dass die Schäden nicht immer auftreten können. Für die nachfolgende Tabelle konnte auf umfangreiche Literatur auch aus dem Fachgebiet der Konservierungswissenschaften zurückgegriffen werden.12

12 Florian 1997: Florian, Mary-Lou. Heritage eaters: insects and fungi in heritage collections. London: James and James; Sutter 2003: Sutter, Hans-Peter. Holzschädlinge an Kulturgütern erkennen und bekämpfen. Handbuch für Denkmalpfleger, Restauratoren, Konservatoren, Architekten und Holzfachleute. 4. überarb. und erw. Aufl. Bern: Paul Haupt.; Weidner und Sellenschlo 2003: Weidner, Herbert; Sellenschlo, Udo. Vorratsschädlinge und Hausungeziefer. Bestimmungstabellen für Mitteleuropa. 6. Aufl. Heidelberg: Spektrum Akad. Verl.; Zacher 1916: Zacher, Friedrich. Neue und wenig bekannte Schädlinge aus unseren Kolonien. II. Ein neuer Blattfloh als Gallenbildner an Kickxia. III. Einige Schädlinge des Tabaks an Kamerun. In: Zeitschrift für angewandte Entomologie (III), 1916, 418–425.; Zacher 1921: Zacher, Friedrich. Eingeschleppte Vorratsschädlinge. Sitzungsberichte. Sitzung vom 28.11.1921. In: Deutsche Entomologische Zeitschrift, 1921, (4), 288–295.; Zacher 1922a: Zacher, Friedrich. Eingeschleppte Vorratsschädlinge. In: Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für angewandte Entomologie, 1921, 55–58.; Zacher 1922b: Zacher, Friedrich. Südamerikanische Kakaoschädlinge. In: Tropenpflanzer, 1922, (25), 119–121.; Zacher 1924a: Der Brotkäfer, ein schlimmer Haushaltsschädling. In: Hof und Garten, 1924, (46), 87–88; Zacher 1924c: Zacher, Friedrich. Pelz- und Kleidermotten. In: Der Rauchwarenmarkt, 1924, Jhrg. 12 (83), 2–3; Zacher 1927: Zacher, Friedrich. Die Vorrats-, Speicher- und Materialschädlinge und ihre Bekämpfung. Berlin: P. Parey; Zuska 1994: Zuska, Jan. Haus- und Vorratsschädlinge. Hanau: Dausien.

Organische Materialien in Museen und die wichtigsten Schadinsekten

267

Tabelle 8: Organische Materialien in Museen und die wichtigsten Schadinsekten

Chemische Organische MateStoffgruppe der rialien Materialien

Polysaccharide: Cellulose Hemicellulosen (Holzpolyosen)

Insekten Deutsche nationale Nomenklatur

Insekten Wissenschaftliche (lateinische) Nomenklatur

Nadelholz, Bauholz, Dachbalken, Holzpaletten, bewegliche Holzgegenstände

Gewöhnlicher Nagekäfer

Anobium punctatum

Nadelholz, Bauholz Laubholz, auch Eichenholz, aber nur Splint

Hausbock

Hylotrupes bajulus

Linierter Splintholzkäfer Gewöhnlicher Nagekäfer Gekämmter Nagekäfer Südlicher Nagekäfer Gescheckter Nagekäfer

Lyctus linearis

Eichenholz, auch Kernholz, falls es durch Pilze vorgeschädigt ist Holz mit Baumrinde Brauner Splintholzin Gebäuden käfer Weicher Nagekäfer Holz im Freien, Termiten, mehrere warme Regionen Arten Trockenes Holz, Trockenholztermiten, warme Regionen einige Arten Exotische Holzarten Afrikanischer Splintholzkäfer

Polysaccharide

Pflanzenfasern, Bast, Messingkäfer Stroh und andere Materialien Silberfischchen Textilien: Leinen, Brotkäfer Baumwolle Objekte aus Mehlteig

Anobium punctatum Ptilinus pectinicornis Oligomerus ptilinoides Xestobium rufovillosum

Lyctus brunneus Ernobium mollis Isoptera (mehrere Spezies) Kalotermitidae (einige Spezies) Lyctus africanus

Niptus hololeucus

Lepisma saccharina Stegobium paniceum

268

Anhang

Proteine

Textilien: Seide

Lepisma saccharina

Tineola bisselliella Anthrenus scrophulariae Attagenus pellio Pelzkäfer Gemeiner Speckkäfer Dermestes lardarius Anthrenus museorum Museumskäfer Insektenpräparate (Synonyma: Kabinett- Anthrenus verbasci Darm, Federn, Haare, käfer, WollkrautblüWeichtiere, getrock- tenkäfer) net (Mollusken) Gewöhnlicher Nage- Anobium punctatum Papier käfer Lepisma saccharina Silberfischchen Ggf. mit Leimung, Ctenolepisma longiPapierfischchen mit Stärkekleister caudata (neu in Europa) oder mit Mehlkleister Wolle Felle Rohhaut, Leder

Polysaccharide und Proteine

Silberfischchen Kleidermotte Teppichkäfer

Dekontaminationsverfahren für biozidbelastetes Kulturgut

269

5.5 Dekontaminationsverfahren für biozidbelastetes Kulturgut und ihre Bewertung Die Versuche, Kunst- und Kulturgut zu dekontaminieren, nehmen in Anbetracht des mitunter unkontrollierten Eintrages von Schädlingsbekämpfungsmitteln in musealen Sammlungen seit Mitte der 1990er Jahre einen immer höheren Stellenwert in der Konservierung von Kunst- und Kulturgut ein. Ausgehend vom Minimierungsgebot sollen Menschen, die Umgang mit solcher Art belasteten Sammlungsgegenständen haben, geschützt werden. Aber auch die Objekte selbst müssen durch geeignete Sanierungs- oder Dekontaminationsverfahren vor ihrem weiteren Verfall, hervorgerufen durch den ehemaligen Eintrag von Alt-Bioziden, bewahrt werden.13 Gleichermaßen sollen kontaminierte Bereiche wieder nutzbar und Sekundärkontaminationen reduziert werden.14 Eine Entscheidung, ob mechanische, thermische, präventive oder Lösemittelverfahren angewandt werden können, hängt zunächst davon ab, ob kontaminierte Objekte transportabel oder ortsfest installiert sind.15 In der nachfolgenden Tabelle sind die Methoden und Verfahren mit Ausnahme der Soxhlet-Extraktion im Einzelnen dargestellt. Dieses Lösemittelverfahren stellt das Idealprinzip der Bioziddekontamination dar und dient beispielsweise zur Bestimmung der Konzentration polycyclischer aromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK). Da dieses Verfahren invasiv ist und nur mit einem relativ hohen Kostenaufwand in Laboren durchführbar ist, wurde es nicht tabellarisch erfasst.

13 Tello und Unger 2010: Tello, Helene; Unger, Achim. Liquid and Supercritical Carbon Dioxide as a Cleaning and Decontamination Agent for Ethnographic Materials and Objects. In: Smithsonian Contributions to Museum Conservation, 2010, (1), 35–36. 14 Zalewski, Przemyslaw Paul (2014): Zalewski, Przemyslaw Paul. Einführung in die Voraussetzungen, Ziele und Strategien des Projektes. Arbeitspolitik und Arbeitsmarkt als Ausgangsvoraussetzungen. In: Zalewski et al. 2014: Zalewski, Przemyslaw Paul; Tello, Helene; Meyer-Haake, Arne. Biozidbelastete Kulturgüter. Grundsätzliche Hinweise und Texte zur Einführung in die Problematik. Bericht über das EU-/ESF-Projekt „Kleine und Mittlere Unternehmen und Wissenschaft im Dialog. Dekontamination von Kulturgütern. Frankfurt (Oder), 7–10. 15 Unger 2018: Unger, Achim. Vortrag. Dekontaminations-Verfahren für biozidbelastetes Kulturgut und ihre Bewertung. Tagung Wood Art Conservation vom 27.–29.09.2018. Fachhochschule Bern, Folie 5.

270

Anhang

Tabelle 9: Dekontaminationsverfahren für biozidbelastetes Kulturgut zusammengestellt nach Unger 2018.

Mechanische Verfahren Verfahren Materialien/ Technologie Entstaubung Trockene Reinigung kontaminierter Einzelobjekte unter einem Abzug mittels Druckluft. In Gebäuden Einsatz von Industriestaubsaugern Typ H bzw. H+ VakuumVerfahren zur Entferwaschverfah- nung von biozidren haltigem Staub von Holzoberflächen mit tensidhaltigem Wasser unter Verwendung von Sprühextraktionsgeräten StrahltechAbtrag biozidbelasteter niken mit Oberflächenschichten Trockeneis oder alter Farb- und Wachsschichten unter Verwendung von festem Kohlendioxid („Trockeneis“) in Form von Pellets oder Schnee. Kombination mechanischer und thermischer Effekte Laserablation Anwendung kurzer Pulse hoher Energie, die insbesondere durch dunkel gefärbte Schmutz- und Staubpartikel absorbiert werden Explosionsartiger Abtrag Kombination thermischer und mechanischer Effekte

Pros

Cons

Durch Entfernung des kontaminierten Liegestaubes in Gebäuden deutliche Reduktion der Schadstoffbelastung der Raumluft

Bei rauen, unebenen Oberflächen ist eine effektive Entstaubung oftmals schwierig. Lockere Farbfassungen und Vergoldungen müssen vorgefestigt werden. Das Verfahren ist nur für holzsichtige Oberflächen geeignet. Keine Tiefenwirkung. PCP lässt sich nur in geringem Maße reduzieren.

Die Dekontaminationsrate für DDT und Lindan auf der Oberfläche liegt zwischen 50–70 %.

Zur Behandlung ortsfester Bauteile einschließlich von Rissen und Fugen geeignet

Das Verfahren verursacht eine intensive Lärm- und Staubbelästigung. Erstickungsgefahr und Schädigung ungeschützter Hautpartien durch Trockeneispartikel.

Entfernung biozidbelasteter Oberflächenschichten Minimale Beeinträchtigung des Trägermaterials

Keine Tiefenwirkung Kein thermischer Abbau von Organochlor-Bioziden (DDT, Lindan)

Dekontaminationsverfahren für biozidbelastetes Kulturgut

Thermische Verfahren Verfahren Materialien/ Technologie Mikrowellen- Einsatz transportabler technik Mikrowellengeneratoren in Verbindung mit kabelgespeisten Hornantennen

Vakuumdesorption

Desorption flüchtiger Biozide aus transportablen Holzobjekten durch gleichzeitige Anwendung eines Unterdruckes und erhöhter Temperatur in einem Autoklav Lösemittelverfahren Verfahren Materialien/ Technologie Kompressen- Einsatz mit Lösemethode mitteln befeuchteter Adsorbentien (z. B. Kieselgel, Cellulosefasern, Zeolithe) auf Holzoberflächen mit OrganochlorBioziden Lagerung der kontaAuslaugverminierten Objekte in fahren einem dicht schlieLösemittel: Methyl-tert- ßenden Behälter mit MTBE butylether für ca. 4 Wochen (MTBE) Anschließend Spülvorgang mit frischem Lösemittel

271

Pros

Cons

Beschleunigte Ausgasung flüchtiger Biozide aus ortsfesten Bauteilen wie Holzsäulen, Fußbodenhölzern und Türrahmen

Das Verfahren ist noch nicht anwendungsreif. Metallteile und –auflagen im/am Holz sowie harzreiche Hölzer sind problematisch. Akzeptable Dekontaminationsraten werden erst nach längeren Behandlungszeiten erreicht. Das Verfahren wird gegenwärtig nicht praktiziert.

Schonende Reduzierung leicht flüchtiger Schadstoffe

Pros

Cons

Geringe BiozidDesorption bei langer Behandlungszeit. Gefahr der Bildung neuer Biozid-Ausblühungen auf der Holzoberfläche infolge Lösemittelinklusion Das Lösemittel ist als Keine komplizierten technischen Apparaturen Bestandteil von Superund aufwändigen Tech- benzinen brennbar. Die Arbeiten müssen nologien notwendig unter einer exAlte Festigungs- und Holzschutzmittel lassen geschützten Absauganlage ausgeführt sich stark reduzieren. werden.

Kammerfreies Arbeiten im offenen System möglich. Auf ortsfeste und veränderliche Objekte anwendbar Niedrige Kosten

272

Anhang

Dampfphasenextraktion Lösemittel: 1,3-Dioxolan

Auslaugung von Schadstoffen durch Überführung des flüssigen Lösemittels durch Unterdruck in die Dampfphase im Stickstoffmilieu (Explosionsschutz)

Einsatz einer Anlage Dampfphasenextraktion zur Knochenfettextraktion für anatomische und zoologische Lösemittel: Präparate Dichlormethan (DCM)

Extraktion Einsatz einer Vermit flüssigem suchsanlage zur CO₂ Entfettung von Industriegütern Der Kreisprozess wird in einem Autoklav bei 15–20 °C und 50–60 bar durchgeführt. Hochdruckextraktion mit überkritischem CO₂

In Abhängigkeit vom Holzkonservierungsmittel kann dessen Entfernung Monate oder Jahre dauern Die Eindringtiefe ist bei verstopften Zelllumina gering. Ungeeignet für ölgebundene Farbfassungen Geschlossener Kreispro- DCM ist ein Chlorkohlenwasserstoff und zess gesundheitsschädlich. Das Lösemittel wirkt Hohe Dekontaminaabbeizend. Austausch tionsraten für ölige des Lösemittels bei Holzschutzmittel wie Anwendung der TechCarbolineum nologie auf Kulturgut notwendig Die in einem drehbaren Es können nur kleiMetallkorb fixierten Ob- nere, transportable Objekte mit geringem jekte werden vom CO₂ Querschnitt behandelt umspült. werden (siehe HolzarZusätzliche Reinigungs- tensammlung). mechanismen bewirken Holzarten mit hohem eine hohe Biozid-Redu- Harzgehalt sind problematisch. zierung ohne Schäden am Objekt. Schwierige ProzessGeschlossener Kreisführung prozess mit CO₂Rückgewinnung Schonende Reduzierung von organolöslichen Bioziden, öligen Holzschutz- und Holzfestigungsmitteln

Extraktion bei 40 °C und 250 bis 350 bar nach dem Durchflussoder Batch-(Verweil-) Semiporöse Materialien Prinzip in einem werden rasch und vollAutoklav ständig penetriert. Bildung eines Fluids Dadurch sehr hohe Dekontaminationsraten für DDT u. Lindan (bis zu 90 %)

PCP und anorganische Biozide lassen sich nicht in größeren Mengen extrahieren. Gegenwärtig steht keine Anlage für die Detoxifizierung von Kulturgut zur Verfügung.

Dekontaminationsverfahren für biozidbelastetes Kulturgut

Absperrverfahren Verfahren Materialien/Technologie Versiegelung Beschichtung mit Maskie- (Streichen, Spritzen, rungsmitteln Rollen) von kontaminierten Holzbauteilen mit filmbildenden Präparaten auf der Basis von Acrylaten, Urethanen oder Naturharzen Die alkalischen Grundierungen sollen eine teilweise Umwandlung von DDT, Lindan u. PCP bewirken. Umhüllung Gewebe mit großer mit Aktivkoh- innerer Oberfläche legewebe Aluverbundfolien Umhüllung mit biozidun- Keramische Folien durchlässigen Folien

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Pros

Cons

Wirkungsvolle Verhinderung von Biozidemissionen nach vorheriger Entstaubung und Rissbehandlung

Maskierungen wirken in Abhängigkeit von Klimafaktoren und der Alterungsbeständigkeit der Mittel zeitlich begrenzt und sind irreversibel. Sie verändern die Holzoberfläche hinsichtlich des Farbwertes und des Glanzes teilweise erheblich.

Adsorbiert u.a. Biozide

Keine Herstellerangaben, wann Sättigungsgrad erreicht ist Beide Folien sind dampf- Aluverbundfolien sind und wasserundurchlässig opak und daher nicht einsehbar. Können miteinander Relativ hoher Kostenverschweißt werden aufwand Keramische Folien sind transluzent und daher einsehbar Für Einzelobjekte Hoher Kostenaufwand Vitrinen mit StickAufbewahstoffgenerator, die den geeignet rung in Sauerstoffgehalt auf < speziellen Vitrinen oder 0,3 % halten Räumen

274

Anhang

5.6 Chronologische Übersicht von Mitarbeitern der Generalverwaltung bei den Königlichen und ab 1918 bei den Staatlichen Museen zu Berlin in der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Nachfolgend sind in chronologischer Reihenfolge nur die Mitarbeiter der Generalverwaltung und des Chemischen Laboratoriums tabellarisch erfasst, welche in der vorliegenden Dissertation namentlich erwähnt sind. Anhand der Quellen konnten nicht alle personenbezogenen Daten lückenlos dargestellt werden.16 In diesem gleich einer Pyramide gegliederten System befanden sich an oberster Stelle die direktoralen Beamten mit dem Generaldirektor an ihrer Spitze. Ihm folgten ein Verwaltungsdirektor, ein Justitiar und Verwaltungsrat, zwei Chemiker, ein Architekt, ein Bibliothekar sowie ein Kustos für auswärtige Unternehmungen. Unter ihnen rangierten die Beamten der mittleren und unteren Dienstgrade. Die Basis bildeten die Museen der ehemaligen Königlichen und ab 1918 der Staatlichen Museen zu Berlin.17 Tabelle 10: Mitarbeiter der Generalverwaltung der ehemaligen Königlichen und ab 1918 der Staatlichen Museen zu Berlin in chronologischer Reihenfolge.

Person Ignaz Maria von Olfers (*1793 – †1872)

Zeitraum und Funktion 1839–1869 Generaldirektor der Königlichen Museen zu Berlin

Max Junker (*? – †1925)

1892–1896 Büroassistent in der Generalverwaltung der Königlichen Museen zu Berlin 1896–1920 Sekretär in der Generalverwaltung der Königlichen und ab 1918 der Staatlichen Museen zu Berlin 1920–1924 Bürovorsteher/Verwaltungsobersekretär der Staatlichen Museen zu Berlin Wilhelm von Bode 1905–1920 Generaldirektor der Königlichen und ab 1918 der Staatli(*1845 – †1929) chen Museen zu Berlin Kurt Stubenrauch (*? ‒ †?)

1905– ? Assessor in der Generalverwaltung der Staatlichen Museen zu Berlin

16 Vgl. Grabowski et al. 2010, 151; SMB-ZA. Datenbank der Mitarbeiter. 17 Anonymus 1924: Anonymus. Direktoralbeamte der Staatlichen Museen am 15. Oktober 1924. Berichte aus den Preussischen Kunstsammlungen. Beiblatt zum Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen. In: Berliner Museen, 1924, XLV. Jhrg, Heft 4, 94.

Chronologische Übersicht von Mitarbeitern der Generalverwaltung

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Otto von Falke 1920–1927 Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (*1862 – †1942) Wilhelm Waetzoldt 1928–1934 Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (*1880 – †1945) Otto Kümmel 1934–1945 Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin (*1874 – †1952) Tabelle 11: Mitarbeiter des Chemischen Laboratoriums der ehemaligen Königlichen und ab 1918 der Staatlichen Museen zu Berlin in chronologischer Reihenfolge.

Person Friedrich Rathgen (*1862 – †1942) Carl Brittner (*1883 – †1958)

Zeitraum und Funktion 1888‒1927 Leiter des Chemischen Laboratoriums 1907–1909 1910 1911 Ab 1920 Ab April 1928

Hilfsarbeiter am Chemischen Laboratorium Assistent am Chemischen Laboratorium Direktorialassistent am Chemischen Laboratorium Kustos am Chemischen Laboratorium Professor und Leiter des Chemischen Laboratoriums

276

Anhang

5.7 Chronologische Übersicht von Mitarbeitern am Königlichen und ab 1918 am Staatlichen Museum zu Berlin von der Mitte des 19. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Nachfolgend sind in chronologischer Reihenfolge die in der vorliegenden Dissertation namentlich erwähnten Mitarbeiter des Königlichen und ab 1918 des Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin tabellarisch dargestellt. Nach dem Tod von Adolf Bastian wurde das Museum in vier Abteilungen mit ebenso vielen Direktorenstellen aufgeteilt. Ab dem Jahr 1934 wurde diese Struktur unter Otto Kümmel wieder aufgelöst und zu einer Direktorenstelle zusammengeführt. Analog zur Erfassung der Mitarbeiter der Generalverwaltung konnten auch hier nicht alle personenbezogenen Daten lückenlos ermittelt werden.18 Tabelle 12: Mitarbeiter des ehemaligen Königlichen und ab 1918 Staatlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin in chronologischer Reihenfolge.

Person Leopold Freiherr von Ledebur (*1799–†1877) Adolf Bastian (*1826–†1905)

Albert Voß (*1837–†1906)

Zeitraum und Funktion 1829–1873 Direktor der Ethnographischen Sammlung und Direktor im Museum Vaterländischer Altertümer zu Berlin 1873–1905 Kommissarischer Leiter der Ethnographischen Sammlung 1876–1886 Direktor der Sammlung Nordischer Altertümer im Museum für Vorund Frühgeschichte 1876–1905 Direktor des Königlichen Museums für Völkerkunde zu Berlin 1874–1885 Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der Sammlung nordischer Altertümer 1886–1906 Direktor der Abteilung der Vorgeschichtlichen Altertümer im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin

18 Vgl. Grabowski et al. 2010, 154–156, 163; SMB-ZA. Datenbank der Mitarbeiter; vgl. Hermannstädter 2002, 66–131; Westphal-Hellbusch, Sigrid (1969) 1969: Westphal-Hellbusch, Sigrid. 100 Jahre Ethnologie unter besonderer Berücksichtigung ihrer Entwicklung an der Universität. In: Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 1869–1969, 166; Andree 1969: Andree, Christian. Geschichte der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. In: Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 1869–1969, 106–107; vgl. Peltz 2017, 55–94.

Chronologische Übersicht von Mitarbeitern

Albert Grünwedel (*1856 – †1935)

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1882–1883 Direktorialassistent, kommissarisch, im Königlichen Museum für Völkerkunde 1883–1904 Stellvertretender Direktor der völkerkundlichen Sammlungen 1904–1921 Direktor der Vorderasiatischen und Indischen Abteilung im Königlichen und ab 1918 im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1912–1915 Kommissarischer Leiter der Ozeanischen Abteilung im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Wilhelm Eduard 1884–1917 Erster Konservator im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Julius Krause Berlin (*1847–†1917) Felix von 1885–1904 Direktorialassistent Luschan (*1854– 1904–1911 Direktor der Afrikanisch-Ozeanischen Abteilung im Königlichen †1924) Museum für Völkerkunde zu Berlin 1911–1924 Leiter der Anthropologischen Sammlung im Königlichen und ab 1918 im Staatlichen Museum zu Berlin Karl von den 1893–1900 Mitarbeiter im Königlichen Museum für Völkerkunde Steinen 1900–1903 Direktoralassistent im Königlichen Museum für Völkerkunde zu (*1855–†1929) Berlin 1904–1906 Abteilungsleiter der Amerikanischen Sammlungen im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Bernhard Anker- 1897–1902 Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter in der Afrikanisch-Ozeanischen mann Abteilung im Museum für Völkerkunde zu Berlin (*1859–†1943) 1909–1916 Assistent der Ethnologischen Abteilung im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1916–1921 Kustos mit dem Titel Direktor in der Ethnologischen Abteilung im Königlichen und ab 1918 im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Bemerkung: 1916 wurde die Teilung der Afrikanisch-Ozeanischen Abteilung vorgenommen 1911–1921 Kommissarische Verwaltung der Afrikanischen Sammlung im Königlichen und ab 1918 im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1921–1924 Direktor der Afrikanischen und Ozeanischen Sammlung im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Eduard Seler 1901–1902 Volontär im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin (*1849–†1922) 1902–1909 Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1903–1921 Leiter der Amerikanischen Abteilung im Königlichen und ab 1918 im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1904– ? Direktor der Amerikanischen Abteilung im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1919– ? Direktor der Nord- und Mittelamerikanischen Abteilung im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin (1919 wurde die Amerikanische Abteilung in eine Nord- und Mittelamerikanische Abteilung geteilt)

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Anhang

Albert von Le Coq (*1860– †1930)

1904– ? Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1923–1925 Direktor der Indisch-Asiatischen Abteilung im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Otto Kümmel 1906–1911 Leiter der Ostasiatischen Sammlung im Königlichen Museum für (*1874–†1952) Völkerkunde zu Berlin 1912–1927 Direktor der Ostasiatischen Kunstsammlung im Königlichen und ab 1918 im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1928–1933 Direktor der Asiatischen Sammlungen im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1934–1945 Direktor im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1906–1928 Direktor der Ostasiatischen Abteilung im Königlichen und ab 1918 Friedrich im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Wilhelm Karl 1921–1923 Kommissarischer Direktor der Indisch-Asiatischen Abteilung im Müller Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin (*1863–†1930) Wilhelm Kis1907– ? Volontär am Königlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin senberth (*1878– 1922–1924 Anstellung in der entwicklungsgeschichtlichen Abteilung im Staatli†1944) chen Museum für Völkerkunde zu Berlin Bemerkung: Südamerikanische Sammlung sowie das Forschungs- und Lehrinstitut zur Abteilung der Afrikanischen, Ozeanischen und Amerikanischen Sammlung im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin zusammengeführt Carl Schuch1908–1925 Direktor der Vorgeschichtlichen Abteilung im Königlichen und ab hardt (*1859– 1918 im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin †1943) Alfred 1911–1913 Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Königlichen und ab 1918 im und Schachtzabel Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin (*1887–†1981) 1919–1921 1924–1945 Leiter der Afrikanischen Sammlung im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Belegt für 1925 Umzugskommissar für die Verlagerung der Sammlungen des Staatlichen Museums für Völkerkunde von Berlin-Mitte nach Berlin-Dahlem August Eichhorn 1916–1929 Leiter der Ozeanischen Abteilung im Königlichen und ab 1918 im (*1865 – †nach Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1930) Konrad Theodor 1921–1934 Direktor der Amerikanischen Abteilung und Leiter der Nord- und Preussß (*1869 – Mittelamerikanischen Abteilung im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu †1938) Berlin

Chronologische Übersicht von Mitarbeitern

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Heinrich August 1922–1930 Technische Hilfskraft in der Abteilung der Afrikanischen, OzeaniLösekrug schen und Amerikanischen Sammlungen im Staatlichen Museum für Völker(*1887–†?) kunde zu Berlin 1931–1935 Technischer Gehilfe im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1936 – ? Hilfsrestaurator im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin und 1950–1952 Erich Zorn Juni 1925– ? Technischer und wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Staatlichen (*1880–†?) Museum für Völkerkunde zu Berlin April 1927– ? Hilfsrestaurator im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1940–1943 und 1950– ? Restaurator im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Hermann 1926– ? Technische Hilfskraft in der Abteilung der Afrikanischen, OzeaniSiebert schen und Amerikanischen Sammlungen im Staatlichen Museum für Völker(*1884–†?) kunde zu Berlin 1934– ? Technischer Gehilfe im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1950– ? Einsatzarbeiter im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Walter Lehmann 1927–1934 Direktor der Afrikanischen, Ozeanischen und Amerikanischen (*1878–†1939) Sammlungen im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1921–1933 Direktor des Ethnologischen Forschungs- und Lehrinstituts im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin Bemerkung: 1927 wurden die Afrikanisch-Ozeanische Abteilung, die Nord- und Mittelamerikanische Abteilung, die Südamerikanische Sammlung sowie das Forschungs- und Lehrinstitut zur Abteilung der Afrikanischen, Ozeanischen und Amerikanischen Sammlung im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin zusammengeführt Heinrich Emil 1927–1928 Wissenschaftlicher Hilfsarbeiter im Werkvertrag im Staatlichen Snethlage Museum und für Völkerkunde zu Berlin (*1897–†1939) 1929–1934 Teilzeitbeschäftigt im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin 1934–1935 Vollzeitbeschäftigt in der Afrikanischen, Ozeanischen und Amerikanischen Sammlung im Museum für Völkerkunde zu Berlin Walter Kricke1929–1946 Leiter der Südamerikanischen Sammlung im Staatlichen Museum berg (*1885 – für Völkerkunde zu Berlin †1962) 1934– ? Leiter der Amerikanischen Abteilung im Staatlichen Museum für Völkerkunde zu Berlin (1934 wurde die Teilung der Amerikanischen Abteilung unter der Leitung von Walter Krickeberg wieder aufgehoben)

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Anhang

5.8 Glossar Die Ausführungen zur chemischen Konstitution und zu den Eigenschaften der Substanzen beruhen auf Angaben in: Römpp Lexikon Chemie. Hg. Jürgen Falbe und Manfred Regitz. 9. und 10. Aufl. Stuttgart, New York: Thieme 1992 und 1996. A Äther → Ether Alaun bzw. Kalialaun ist ein Trivialname für das wichtigste Salz aus der Alaune genannten Salzgruppe für das Aluminiumkaliumsulfat-Dodecahydrat. Es handelt sich um einen weißen, kristallinen und wasserlöslichen Feststoff, der vielfach technisch verwendet wird (u.a. in der Gerberei, dem Stoffdruck usw.) und auch in der Medizin als blutstillendes und schweißhemmendes Mittel Verwendung findet. Alkohol ist eine geläufige, in den Naturwissenschaften jedoch veraltete Bezeichnung für → Ethanol Aloë bzw. Aloe ist eine Gattung der Liliengewächse. Die bekannteste Art ist die Pflanze Aloe vera. Den Inhaltsstoffen ihres im Vakuum eingedampften Saftes werden diverse Heilwirkungen zugeschrieben, u.a. eine antimikrobielle Wirkung. Auszüge aus dem Aloe vera-Saft werden vor allem den Hautpflegemitteln zugesetzt, aber auch Trinkkuren werden empfohlen. Eine Überdosierung verursacht eine schwere Vergiftung. (siehe auch Lehmann und Lehmann 1985: Lehmann, Dieter; Lehmann, Andrea. Zwei wundärztliche Rezeptbücher des 15. Jahrhunderts vom Oberrhein. Zugl.: Würzburg, Univ., Diss. 1983. Pattensen/Han.: Wellm. Würzburger medizinhistorische Forschungen, 34)

Ammoniak ist ein Gas mit der Formel NH₃. Es ist farblos, wasserlöslich sowie giftig und besitzt einen typischen, stark zu Tränen reizenden Geruch. In der Natur ist es ein Abbauprodukt stickstoffhaltiger, organischer Verbindungen. Seine Herstellung erfolgt synthetisch. Es ist ein wichtiger Stoff für technische Synthesen organischer Stickstoffverbindungen. Seine wässrige Lösung wirkt stark alkalisch und wird unter der Bezeichnung Ammoniaklösung gehandelt. (siehe auch Gmelin 1827: Gmelin, Leopold. Handbuch der theoretischen Chemie. Frankfurt am Main: Franz Varrentrapp, 1827, 421)

Ammoniakwasser wird auch Salmiakgeist genannt. Es ist die Bezeichnung für wässrige Lösungen von Ammoniak (NH₃) in unterschiedlichen Konzentrationen. Ammoniumarsenat ist ein weißer Feststoff, ein Salz der → Arsensäure und → des Ammoniaks mit der Formel (NH₄)₃AsO₄. Er ist wasserlöslich und wie alle Ar-

Glossar

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senverbindungen giftig. Er wird als gesundheitsgefährdend eingestuft und kann akute und chronische Vergiftungen verursachen. Ammoniumperoxosulfat → Persulfate Antisekt war ein Schädlingsbekämpfungsmittel, welches das Grassi Museum für Völkerkunde zu Leipzig in den 1930er Jahren von der Apotheke M. Wagner & Co. Aus Leipzig bezog. Es handelte sich um eine Flüssigkeit, weitere Einzelheiten sind der Quelle nicht zu entnehmen. (siehe auch Germann 1933: Germann, Paul. Bekämpfung der Museumsschädlinge. In: Museumskunde Neue Folge V, Sonderabdruck, Heft I, 1933, 9)

Antorgan, auch als Wurm-Antorgan oder Holzwurm-Antorgan bezeichnet, ist nach Literaturangaben eine wässrige, etwa 5–20-prozentige Lösung von Ammoniumfluorid und Zinkfluorid (ammoniakalische Zinkfluorid-Lösung). Das Präparat wurde zur Holzkonservierung in Haus, Keller und Garten verwendet. Es diente vorzugsweise zum vorbeugenden Schutz und zur Bekämpfung holzzerstörender Insekten, aber auch zur Hausschwammbekämpfung im Innenbereich. (Freundliche mündliche Mitteilung von Achim Unger, 30.09.2017)

Areginal war ein Produkt der Firma Bayer-Meister Lucius, Pharmazeutische Abteilung der I. G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft, Leverkusen a. Rh., die in Berlin W. 15, Kurfürstendamm 179, eine Beratungsstelle für Pflanzenschutz unterhielt. Bei dem Produkt handelt es sich um Ameisensäuremethylester (Methylformiat), welches als Insektizid zur Begasung im Vorratsschutz von 1925 bis 1960 eingesetzt wurde. Die farblose Flüssigkeit hat einen angenehmen Geruch und ist mit Wasser begrenzt mischbar. Areginal ist hochentzündlich, ein schwach wassergefährdender Stoff und gesundheitsschädlich. Arsenige Säure bzw. Arsen(III)säure H₃AsO₃ (ortho-Form), HasO₂ (meta-Form), ist eine schwache Säure mit dreiwertigem Arsen, die nur als Lösung bekannt ist. Man erhält sie, wenn man → Arsentrioxid in Wasser löst. Vor dem Verbot des Umgangs mit Arsenverbindungen wurde die Arsenige Säure als eine Komponente in manchen Pflanzenschutzmitteln verwendet. Arseniger Gelee bestand nach Sheridan Délepine aus Gelatine und → Arseniger Säure. Die gut gereinigte und trockene Gelatine wurde in die heiße Arsenige Säure eingerührt, worin sie sich binnen einer halben Stunde auflösen sollte. Das so entstandene Gelee wurde mit reiner, ebenso erhitzter Gelatine vermischt und danach auf 20 °C abgekühlt. Danach mussten das Weiße von sechs Eiern sowie deren Schalen untergemischt werden. Um das Eiweiß gerinnen zu lassen, musste die Masse nochmals erhitzt und für zwei Stunden weiter geköchelt werden. Abschließend wurde die gesamte Masse bei einer Temperatur von 50 °C

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Anhang

nacheinander durch Flanell und Papier gefiltert. Delépine preist sein Arseniges Gelee als absolut transparent und nach Aushärtung als stabil gegen sommerliche Temperaturen an. [siehe auch Delépine 1914: Delépine, Sheridan. On the Arsenious Acid-Glycerin-Gelatin (“Arsenious Jelly”) Method of Preserving and Mounting Pathological Specimens with their Natural Colours, and on the Use of New Forms of Receptacles for Keeping Museum Specimens. From the Public Health Department, University of Manchester. In: The Museums Journal, 1914 (13), 322–329]

Arsenigsaures Natron: veraltete Bezeichnung für Natriumarsenat, das Natriumsalz der → Arsensäure mit der Formel Na₃AsO₃. Natriumarsenat ist farb- und geruchlos sowie wasserlöslich. Es ist hochgiftig und wurde früher auf mehreren Gebieten gegen Schädlinge eingesetzt. Arsensäure [Arsen(V)-säure] ist eine Säure mit der Formel H₃AsO₄. Wie alle Arsenverbindungen ist die Arsensäure giftig, krebserregend und umweltgefährdend. Ähnlich wie die → Arsenige Säure wurde die Arsensäure früher in manchen Pflanzenschutzmitteln eingesetzt. Arsenik → Arsentrioxid Arsenikseife geht auf eine Erfindung des französischen Apothekers Jean Bécouer (1718–1777) zurück. Sie wurde aus Campher, → Arsentrioxid, Seife, Kaliumcarbonat und Kalkpulver hergestellt. Arsenikseife war bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts ein weitverbreitetes Konservierungsmittel und kam vornehmlich zur Trockenpräparation in naturkundlichen Sammlungen zum Einsatz. Aber auch völkerkundliche Museen verwendeten Arsenikseife mit unterschiedlichen Rezepturen. Arsensäure [Arsen(V)-säure] ist eine Säure mit der Formel H₃AsO₄. Das Arsen ist in dieser Verbindung fünfwertig. Wie alle Arsenverbindungen ist die Arsensäure giftig, krebserregend und umweltgefährdend. Ähnlich wie die → Arsenige Säure wurde die Arsensäure früher in manchen Pflanzenschutzmitteln eingesetzt. Arsentrioxid bzw. [Arsen(III)-oxid] mit der Formel As₂O₃, genannt Arsenik, ist ein weißer Feststoff, der in Wasser aufgelöst die → Arsenige Säure ergibt. Es ist sehr stark giftig und krebserzeugend. Die tödliche Dosis für Menschen beträgt 10 mg/kg Körpergewicht. Gefährlich sind nicht nur die Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt, sondern auch das Einatmen von arsenikhaltigem Staub und der Kontakt mit der Haut. Historisch wurde es zur Konservierung von Tierpräparaten und zur Herstellung von Insektiziden und Rodentiziden (Mitteln zur Bekämpfung von Nagetieren) verwendet. Arsentrioxid wurde früher auch in der Medizin benutzt.

Glossar

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Autan war ein Produktname der Firma Farbenfabriken, vormals Friedrich Bayer & Co., Elberfeld & Leverkusen, für ein Mittel, bestehend aus polymerisiertem Formaldehyd (genannt Paraformaldehyd) und Bariumperoxid. Beim Kontakt mit Wasser wurde der Paraformaldehyd entpolymerisiert, wobei das gasförmige Formaldehyd entstand. Ursprünglich war es als ein Desinfektionsmittel für Wohnungen gedacht, wurde dann aber auch in Museen verwendet. Avenarius-Carbolineum → Carbolineum B Bakelit ist eine Markenbezeichnung (Warenzeichen) für ein Kunstharz auf der Basis von Phenol und Formaldehyd. Bakelit wurde ab 1909 von der Bakelite GmbH in Deutschland, später auch von der Union Carbide Corporation in den USA hergestellt. Heute ist Bakelit eine eingetragene Marke der Firma Hexion GmbH. Bariumhexafluorosilicat ist eine weiße Festsubstanz mit der Summenformel Ba[SiF₆] und gehört zur Gruppe der Fluorosilicate. Sie ist in Wasser schwer löslich und wurde als Insektizid eingesetzt. Bariumperoxid ist eine Verbindung des Elements Barium mit Sauerstoff, worin der Sauerstoff instabil gebunden ist und somit leicht abgespalten werden kann. Es hat die chemische Formel BaO₂ und wurde u.a. zum Entpolymerisieren von Paraformaldehyd im Bekämpfungsmittel → Autan verwendet. Bariumperoxid ist die erste durch Alexander von Humboldt im Jahr 1799 bekannt gewordene Peroxo-Verbindung. Bariumsuperoxyd → Bariumperoxid Benzin ist ein Gemisch von flüssigen, vorwiegend linearen Kohlenwasserstoffen, hergestellt durch fraktionierte Destillation des Erdöls oder Braunkohlenteeröls. Die Fraktion mit dem Siedebereich 50–200 °C wird weiter zu verschiedenen Benzinsorten verarbeitet (Leichtbenzin, Schwerbenzin, Motorenbenzin usw.). Benzol (in der internationalen Nomenklatur „Benzen“) ist ein zyklischer Kohlenwasserstoff mit der Summenformel C₆H₆. Die Lage seiner doppelten Kohlenstoffbindungen verleiht ihm und seinen Derivaten ein besonderes Verhalten, das bei seiner Entdeckung am Anfang des 19. Jh. als „aromatisch“ bezeichnet wurde. Demnach werden auch seine Abkömmlinge „aromatische Kohlenwasserstoffe“ genannt. Das Benzol ist eine farblose, leicht entzündliche Flüssigkeit. Es mischt sich mit zahlreichen organischen Lösemitteln, jedoch kaum mit Wasser. Benzol wird als Zusatz für Motorentreibstoffe und als Lösemittel verwendet. Es ist giftig und verursacht sowohl akute tödliche als auch chronische Vergiftungen mit Leber-, Nieren- und Knochenmarkschäden. Blausäure mit der Formel HCN ist eine farblose bis leicht gelbliche, nach Bittermandeln riechende, brennbare, sehr flüchtige und wasserlösliche Flüssigkeit.

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Blausäure ist eine instabile Säure. Sie wird aus ihren Salzen (Cyaniden, z. B. Kaliumcyanid KCN) durch Kohlenstoffdioxid aus der Luft verdrängt und in dieser Form auch als → Cyanwasserstoff bezeichnet. Die Flüchtigkeit ermöglicht ihre Verwendung zur Bekämpfung von Schädlingen und Ungeziefer. Um die Handhabung der Blausäure zu vereinfachen, wurde ein Trägermaterial, wie z.B. Kieselgur, mit Blausäure getränkt und unter der Handelsbezeichnung Zyklon B auf den Markt gebracht. Das Zyklon B wurde von den Nationalsozialisten missbraucht und zum Massenmord an Juden in dem Vernichtungslager Auschwitz eingesetzt. Die Blausäure wird technisch hergestellt, aber sie kommt in Form des Glycosids Amygdalin auch in mehreren Naturprodukten vor, wie z. B. in bitteren Mandeln und Kernen von Steinobst. Besonders viel Amygdalin enthalten Aprikosenkerne. Blausäure ist extrem giftig, 1 mg/kg Körpermasse ist tödlich. Deshalb kann auch übermäßiger Genuss von Mandeln und/oder Aprikosenkernen gefährlich sein. Blausäure wird als stark wassergefährdend eingestuft. Der Name Blausäure ist abgeleitet von der früheren Herstellung aus dem Pigment Berliner Blau, einem Eisen(III)-hexacyanidoferrat(II/III). Blausäuregas ist die veraltete Bezeichnung für die Dämpfe der Blausäure → Cyanwasserstoff. Bleiarsenat → Bleihydrogenarsenat Bleihydrogenarsenat mit der Formel PbHAsO₄ ist ein weißes, in Wasser unlösliches giftiges Pulver. Es wurde früher als Pflanzenschutzmittel im Obst- und Ackerbau, insbesondere als Fraßgift, eingesetzt. Seit 1928 ist es in Deutschland verboten, da es krebserzeugend, reproduktions- sowie umweltgefährdend ist. Bleisulfat ist die veraltete Bezeichnung für Blei (II)-sulfat (PbSO₄). Es ist ein weißer Feststoff mit einer relativ hohen Dichte von 6,35 g/cm3. In Wasser ist Bleisulfat nahezu unlöslich. Früher wurde es als eine wenig qualitätsvolle Malerfarbe verwendet. Die Herstellung und Verwendung von Bleisulfat ist heute sehr stark eingeschränkt. Wie alle Bleiverbindungen ist auch diese giftig und umweltgefährdend. Borsäure mit der Formel H₃BO₃ (Orthoform) bildet schuppige, farblos-glänzende Kristalle. Ihre wässrigen Lösungen reagieren schwach sauer, ihre Salze heißen Borate. Die Orthoborsäure zeigt gewisse antimikrobielle Wirkungen. Daher fand sie früher auch breitere Verwendung in der Medizin (vor allem in der Augenheilkunde), die heute jedoch stark eingeschränkt ist. Nach der REACH-Verordnung (Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), No. 1907/2006, wird Borsäure als SVHC (Substance of Very High Concern eingestuft). Brennspiritus → Ethanol

Glossar

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Brommethan, veraltet Methylbromid, ist ein farb- und geruchloses Gas, welches in hohen Konzentrationen ähnlich dem Chloroform riecht. Es ist ein Kontakt- und Atemgift und wird vornehmlich zur Begasung von Containern und zur Bekämpfung von holzzerstörenden Insekten im Bauwesen verwendet. In der Denkmalpflege war Brommethan jahrzehntelang ein führendes Bekämpfungsmittel. In der Atmosphäre wirkt es sich stark schädigend auf die Ozonschicht aus und verstärkt den Treibhauseffekt. Deshalb ist in Deutschland der Einsatz von Brommethan zur Schädlingsbekämpfung seit dem 1. September 2006 verboten. Buchenteeröl ist der weiterverarbeitete Buchenteer. Es besteht aus Paraffinkohlenwasserstoffen, Phenolen (Kreosot) und deren Ester, Fettsäuren und Pech. Es ist schwarzbraun und dünnflüssig. Die keimtötende Wirkung erfolgt über die enthaltenen Phenole. Die flüchtigen Bestandteile entwickeln einen starken Eigengeruch und belasten die Umwelt. 1-Butanol mit der Formel C₄H₉OH, veraltet Butylalkohol genannt, ist ein linearer einwertiger Alkohol. Es ist eine farblose, brennbare Flüssigkeit und eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Alkanole. Der primäre Alkohol leitet sich vom aliphatischen Kohlenwasserstoff n-Butan ab. 1-Butanol dient vor allem als Lösemittel für Harze, als Bestandteil von Reinigungsmitteln, als Extraktionsmittel und für manche chemische Synthesen. Die Substanz ist beim Einatmen und Verschlucken gesundheitsschädlich. Nieren- und Leberschädigungen, Schwindel, Kopfschmerzen, Benommenheit bis hin zur Bewusstlosigkeit und Hirnfunktionsstörungen können auftreten. Weiterhin reizt es die Atemwege und den Verdauungstrakt sowie die Augen und Haut. Daher wird es als stark gesundheitsgefährdend eingestuft. Butylenoxid mit der Summenformel C₄H₈O ist eine leichtentzündliche, farblose Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch. Der Stoff zählt zu den Kontaktgiften und kann oral, inhalativ oder über die Haut aufgenommen werden. Butylenoxid reizt die Haut, die Augen und die Atemorgane, ist stark gesundheitsgefährdend und wird verdächtigt, beim Menschen Krebs zu erzeugen. Butylformiat mit der Summenformel C₅H₁₀O₂ bzw. HCOOC₄H₉ ist ein älterer Name für Ameisensäure-n-butylester oder auch n-Butylformiat. Die leichtentzündliche, farblose Flüssigkeit hat einen alkoholähnlichen Geruch. Butylformiat wird in niedrigen Konzentrationen als ein obstähnlicher Aromastoff verwendet. Das Einatmen oder die orale Aufnahme von Butylformiat in hoher Konzentration führt zu erheblichen Gesundheitsstörungen bis hin zur Bewusstlosigkeit.

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C Calcid wurde von der Firma I. G. Farben Farbenindustrie AG ab 1928 auf den Markt gebracht. Es handelte sich um ein hochprozentiges Calciumcyanat, das bei der chemischen Umsetzung mit Luftfeuchtigkeit Blausäure (→ Cyanwasserstoff ) entwickelte. Das Calcid-Verfahren war ein Exportartikel der Firma Degesch, welches vor allem für die Begasung von Citrusbäumen und der Rattenvernichtung (auch auf Schiffen) eingesetzt wurde. Der Gehalt an Cyancalcium Ca(CN)₂ betrug 88,5 %. Es wird rasch HCN entwickelt (vergleiche langsame Reaktion beim → Cyanogas). Die Reaktionsgeschwindigkeit ist abhängig von feiner Verteilung der Substanz, Feuchte und CO₂-Gehalt der Luft. (siehe auch Kalthoff und Werner 1998: Kalthoff, Jürgen; Werner, Martin. Die Händler des Zyklon B. Tesch & Stabenow; eine Firmengeschichte zwischen Hamburg und Auschwitz. Hamburg: VSA-Verl., 237.; Ebbinghaus 1999: Ebbinghaus, Angelika. Der Prozeß gegen Tesch & Stabenow. Von der Schädlingsbekämpfung zum Holocaust. In: Zeitschrift für Sozialgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts, 1998, 13. Jg., Heft 2, 44, Fußnote 91)

Campher (Kampfer), natürlich und synthetisch, mit der Summenformel C₁0H₁₆O ist ein bicyclisches Monoterpen-Keton. Er ist ein flüchtiger, farbloser Feststoff, enthalten in vielen Pflanzen, vor allem in der Rinde, im Holz und im Harz des Kampferbaumes Cinnamomum camphora. Heute wird Campher vorwiegend synthetisch hergestellt. In niedrigen Konzentrationen wird es in kosmetischen und manchen medizinischen Präparaten (z. B. bei Erkältung) sowie auch zum Räuchern benutzt. In höheren Konzentrationen wirkt es auf das zentrale Nervensystem und die Nieren sowie auf das Atemzentrum. Nach der GHS-Gefahrstoffkennzeichnung ist es leicht- bis hochentzündlich und wirkt reizend. Carbolic disinfecting powder wurde unter dem Handelsnamen Carbolsäure oder kurz Carbol geführt, welches ansonsten eine Bezeichnung für → Phenol ist. [siehe auch Muter 1890: Muter, John. The Analysis of Carbolic and Sulphurous Disinfecting Ppowders. In: The Analyst, Vol. August, 1890, 63.; Wray 1908: Wray, L. (Vorname unbekannt, Anm. D. Verf.). The Preservation of Mammal Skins. In: Museums Journal, Dezember 1908 (8), 207–208]

Carbolsäure → Phenol Carbolineum auch Karbolineum genannt, ist ein Destillat aus Steinkohlenteeröl. Es ist eine ölige, wasserunlösliche, dunkelbraun verfärbte Flüssigkeit. Carbolineum ist brennbar und weist einen Geruch nach Teer auf. Es enthält eine Reihe von cyclischen Kohlenwasserstoffen, insbesondere → Phenol und seine Derivate, sowie Naphthene und das tricyclische Antharacen und seine Derivate. Es wurde 1838 erstmalig als Holzschutzmittel eingesetzt. Die Firma Avenarius brachte das

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chlorierte Destillat mit dem Handelsnamen Carbolineum im Jahr 1888 in den Handel. Wegen seiner fäulnishemmenden und desinfizierenden Wirkung wurde dieses Teeröl zur Konservierung von Holz mit Erdkontakt verwendet, wie z. B. von Bahnschwellen, Telegrafenmasten, Pfählen und Zäunen. Es kann selbst im permanenten Erdkontakt verbautes Holz dauerhaft schützen. Auch wenn die durch Carbolineum behandelten Holzoberflächen dunkelbraun bis schwarz werden, wurde es lange in der Holzkonservierung eingesetzt. Carbolineum ist hautreizend und krebserregend. Die Dämpfe reizen die Atemwege. Trotz dieser gesundheitlichen Nachteile wurde und wird es als Holzschutzmittel eingesetzt, da die Schutzwirkung von Carbolineum besonders hoch ist und nicht annähernd von anderen Holzschutzmitteln erreicht wird. Die deutsche Teerölverordnung regelte ab dem 27. Mai 1991 das Inverkehrbringen, den Umgang und die Entsorgung von Teerölen und Teerölprodukten wie Carbolineum. Demgemäß durften keine Teeröle bzw. mit Teerölen imprägnierte Waren mehr verwendet werden. Teerölreste mussten der Sonderabfallentsorgung zugeführt werden. Bereits vorhandene teerölimprägnierte Gegenstände wie beispielsweise Bahnschwellen durften weiterverwendet werden, solange nicht damit zu rechnen war, dass Gefahren davon ausgingen. Diese Verordnung wurde im Jahr 2002 außer Kraft gesetzt und das Inverkehrbringen, der Umgang und die Entsorgung von Teerölen in der Chemikalien-Verbotsverordnung neu geregelt. Danach dürfen Teere bis auf wenige industrielle und gewerbliche Anwendungen wie Holzschutzmittel für Bahnschwellen oder Strommasten nicht in den Verkehr gebracht werden. Teerölhaltige Holzschutzmittel dürfen nicht in Innenräumen verwendet werden, da sie mittlerweile den Gebäudeschadstoffen zugeordnet werden. Gebrauchte teerölhaltige Erzeugnisse, wie alte Bahnschwellen, dürfen nicht auf Spielplätzen, in Gärten und Parks sowie als Behälter für lebende Pflanzen verwendet werden. Carbolsäure → Carbolic disinfecting powder Celluloid oder Zelluloid ist eine Gruppe von Kunststoffen, die aus Cellulosenitrat mit → Campher als Weichmacher hergestellt werden. Celluloid wird als der erste Thermoplast angesehen. Er ist leicht zu schmelzen und zu formen. Chinesisches Holzöl, auch Tungöl genannt, ist ein trocknendes Öl, gewonnen aus den Samen des in China und Japan wachsenden Tung- oder Abrasinbaums (Vernicia montana) sowie des Tungölbaums (Vernicia fordii). Tungöl enthält giftige Inhaltsstoffe und findet vorwiegend zur Herstellung von Lacken, teilweise auch von Seifen und Linoleum, sowie als Bindemittel in der chinesischen und japanischen Malerei Verwendung. Chinesische Mottentinktur diente zur Bekämpfung von Insekten und Larven. Dazu wurden Bestandteile der Schalen von rotem Pfeffer in Alkohol gelöst und mit Campher gemischt.

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(siehe auch Lange 1923: Lange, Otto. Mottenmittel. In: Chemisch-Technische Vorschriften, III. Band: Harze, Öle, Fette. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg GmbH, 1923, 754)

Chinin ist ein heterocyclischer, stickstoffhaltiger Kohlenwasserstoff, der den Alkaloiden zugeordnet wird. Chinin ist in der Rinde mehrerer Arten der Chinarindenbäume enthalten, die in Südamerika (Bolivien, Venezuela) beheimatet sind. Die fiebersenkende Wirkung der Chinarinde war den dortigen Ureinwohnern seit Langem bekannt. Nach Europa gelangte diese Kenntnis erst im 17. Jh. In Frankreich wurde Chinin im 18. Jh. aus der Chinarinde in reiner Form isoliert und in der Medizin als ein wirksames Mittel gegen Malaria eingesetzt. Es ist ein weißes, sehr schwer wasserlösliches, kristallines Pulver mit bitterem Geschmack, das auch als Bitterstoff verwendet wird. Chininhaltige Erfrischungsgetränke dienten zur Kolonialzeit der Malariaprophylaxe. Das bitter schmeckende Chinin ist in der Lebensmittelindustrie ein beliebter Zusatz für Magenbittergetränke. Nach der GHS-Gefahrstoffkennzeichnung wird es hoch dosiert als stark gesundheitsgefährdend eingestuft. (siehe auch Müller-Jahncke et al. 2005: Müller-Jahncke, Wolf-Dieter; Friedrich, Christoph; Meyer, Ulrich:. Arzneimittelgeschichte. 2., überarb. und erw. Aufl. Stuttgart: Wiss. Verl.-Ges., 62 f.)

Chlorkalk oder auch Bleichkalk ist ein technisches Gemisch aus meist 35 % Calciumhypochlorit, 30 % Calciumchlorid und 13 % Calciumhydroxid. Chlorkalk wurde ursprünglich als Desinfektionsmittel eingesetzt, weil es nicht nur Bakterien, sondern auch Viren bekämpft. Da es auch die menschliche Haut angreift, wird Chlorkalk zur Desinfektion kaum mehr eingesetzt und dient lediglich noch eingeschränkt als Bleichmittel. Chlorkalk wird als brandfördernd, ätzend, gesundheitsschädlich und umweltgefährdend eingestuft. Chloroform ist ein gebräuchlicher Trivialname für Trichlormethan, einem chlorierten Kohlenwasserstoff mit der Summenformel CHCl₃. Seine narkotisierende Wirkung wurde schon in der ersten Hälfte des 19. Jh. erkannt. Es wurde parallel zu dem schon bekannten Narkosemittel Ether (Diethylether) in die ärztliche Praxis eingeführt. Wegen der toxischen Wirkung auf Herz, Leber und andere innere Organe wird Chloroform heute nicht mehr als Narkosemittel angewendet. Es steht außerdem unter dem Verdacht, krebserregend zu sein. Chlorpikrin ist ein Trivialname für Trichlornitromethan. Es ist eine farblose, leicht ölige und flüchtige Flüssigkeit von durchdringendem Geruch und hohem Dampfdruck. Als chemischer Kampfstoff wurde Chlorpikrin im Ersten Weltkrieg eingesetzt und kam 1916 zum ersten Mal zum Einsatz. Die Vergiftung er-

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folgt über die Atemwege und kann bis zum Tod führen. Es wird zur Desinfektion verwendet sowie zur Sterilisation von Böden und Samen. Chlorpyrifos ist der Produktname eines Esters der Thiophosphorsäure. Es wurde von der amerikanischen Firma Dow Chemical in den 1960er Jahren als Insektizid eingeführt. Seit 2009 sind Chlorpyrifoshaltige Produkte in Deutschland verboten, da Vergiftungserscheinungen sowie Schädigungen von Ungeborenen im Mutterleib nachgewiesen werden konnten. Chlorwasser ist die wässrige Lösung von Chlorgas in Wasser. Die oxidierende und bleichende Wirkung des Chlorwassers beruht darauf, dass das Chlorgas mit dem Wasser zum Teil chemisch reagiert, wobei die instabile hypochlorige Säure HClO entsteht. Besonders durch Lichteinwirkung spaltet die hypochlorige Säure die Sauerstoffmoleküle ab, welche die oxidierende und bleichende Wirkung hervorrufen. Chlorgas und Chlorwasser sind umweltschädlich und gesundheitsgefährdend. Ersteres wirkt außerdem brandfördernd. Cobaltgelb ist chemisch betrachtet ein Kobaltkaliumnitrit mit der Formel [Co(NO)₆]K₃ + 3H₂O. Cobaltgelb ist ein sehr feines und leichtes Pulver. Die Farbe ist lichtecht und lässt sich in Maltechniken wie Aquarell, Tempera sowie als Ölfarbe gut anwenden. Sie fand auch in der Glas- und Porzellanmalerei Anwendung. (siehe auch: Kremer Pigmente. 43500 Kobaltgelb, Aureolin. https://www.kremerpigmente. com/elements/resources/products/files/43500.pdf, 2 Seiten, Zugriff: 16.11.2021)

Cajeputöl ist ein ätherisches Öl, gewonnen durch Wasserdampfdestillation der Blätter und kleinerer Zweige verschiedener Cajeputbäume (Familie Myrtaceae), wie Melaleuca leucadendra und Melaleuca cajuputi, die auf den indonesischen Inseln Molukken beheimatet sind. Das in 80-prozentigem Ethanol lösliche Öl enthält vor allem Terpene (Pinen, Cineol, Terpineol). Es hatte vor allem Anwendung in der Parfümerie und Medizin sowie als Desinfektionsmittel, jedoch wurde es von dem ähnlich zusammengesetzten Eukalyptusöl verdrängt. (siehe auch: Rochussen 1920: Rochussen, Frank. Ätherische Öle und Riechstoffe. Sammlung Göschen, Berlin und Leipzig: Vereinigung wissenschaftlicher Verleger, 78)

Cumarin oder Kumarin ist ein heterocyclischer Kohlenwasserstoff mit eigentümlichem, angenehm würzigem Geruch, der in manchen Pflanzen vorkommt. Es gehört zu den sogenannten sekundären Pflanzenstoffen. Cumarin ist u.a. im Zimt enthalten, wird aber auch synthetisch hergestellt. In größeren Mengen eingenommen, ist es gesundheitsschädlich und giftig. Daher wird auch in der Lebensmittelproduktion und in der Küche die Verwendung von Zimtsorten mit höherem Cumaringehalt kritisch gesehen. Bestimmte Derivate des Cumarins

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(Hydroxycumarine) werden als blutgerinnungshemmende Arzneien und Schädlingsbekämpfungsmittel (insbesondere als Repellent gegen Nagetiere) eingesetzt. (siehe auch Lowe 2017: Lowe, Derek B. Das Chemiebuch. Vom Schießpulver bis zum Graphen, 250 Meilensteine in der Geschichte der Chemie. Kerkdriel: Librero IBP, 176)

Cyankali ist der Trivialname für Kaliumcyanid KCN, dem Kaliumsalz der Blausäure. Aus den farblosen Kristallen wird an der Luft durch Kohlendioxid → Cyanwasserstoff bzw. → Blausäure freigesetzt. Cyanwasserstoff ist gasförmige →Blausäure. D Dalmatinisches Insektenpulver → Pyrethrum → Zacherlin Dammarharz ist ein natürliches Harz von mehreren Arten von Laubbäumen, die vornehmlich in Indien und auf der Malaiischen Halbinsel beheimatet sind. Die Farbe variiert je nach Sorte von klar-hell, gelblich bis schwarzgrau. Das Dammarharz wird in hellen Stücken mit muscheligem Bruch, die zerrieben ein weißes Pulver ergeben, importiert. Es ist löslich in mehreren organischen Lösemitteln und als ein triterpenoides Harz ist es lichtstabiler als z. B. Kolophonium oder Sandarakharz. Deshalb wird Dammarharz zur Herstellung heller Lacke und als Zusatz für Künstlermalfarben, den Öl-Harz-Farben, verwendet. In Terpentinöl oder einem anderen Lösemittel gelöst, wird Dammarharz zu Firnis verarbeitet und in der Malerei bzw. in der Restaurierung als Zwischen- und Schlussfirnis eingesetzt. Diametan war ein Raumentwesungsmittel der I. G. Farbenindustrie AG Leverkusen. Es enthält den Wirkstoff Schwefel und als Trägermaterial Sauerstoff. (siehe Pflanzenschutz-Nachrichten Bayer, Heft 32, 1979, (3), 526.] Eine anderslautende Zusammensetzung für Diametan wird in der Literatur wie folgt angegeben: Diametan ist ein von der Firma Bayer hergestelltes Fungizid auf der Basis von Propineb, Triadimefon und Cymoxanil für den Weinbau. (siehe Römpp Lexikon Chemie. Hg. Jürgen Falbe und Manfred Regitz. 10. Aufl. Bd. 2. Stuttgart, New York: Thieme 1996–1999)

1,4-Dichlorbenzol ist die geltende chemische Nomenklatur für (veraltet) Dichlorbenzol, p-Dichlorbenzol oder auch Paradichlorbenzol. Es ist eine aromatische chemische Verbindung, bestehend aus einem Benzolring mit zwei Chloratomen als Substituenten. Die Chloratome können sich in 3 verschiedenen Positionen befinden: 1,2-Dichlorbenzol, 1,3-Dichlorbenzol und 1,4-Dichlorbenzol, den sogenannten Konstitutionsisomeren. Das Dichlorbenzol mit Chloratomen an der Position 1,4 ist ein kristalliner Feststoff, der ähnlich wie Naphthalin

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schon bei Zimmertemperatur sublimiert und einen starken Geruch entwickelt, der schädliche Insekten (vor allem Motten) zurückhalten kann und sie vergrämt. 1,4-Dichlorbenzol entsteht als Nebenprodukt bei der Herstellung von Monochlorbenzol, welches ein Zwischenprodukt bei der Herstellung von Farben ist. Als Dichlorbenzol „Agfa“ wurde diese Erfindung im Jahr 1913 von der Aktiengesellschaft für Anilin-Fabrikation in Berlin auf den Markt gebracht und ab dem Jahr 1914 unter dem Produktnamen Globol durch die Firma Fritz Schulz jun. Aus Leipzig vertrieben. Dichlorbenzol → 1,4-Dichlorbenzol Dichlorbenzol „Agfa“ → 1,4-Dichlorbenzol Dichlorethan bzw. 1,2 Dichlorethan ist eine ölige, farblose, brennbare und flüchtige Flüssigkeit mit Chloroform-ähnlichem Geruch. Es wird als Lösemittel für Harze, Wachse, Öle und Asphalt verwendet und auch bei der Kunststoffherstellung (Vinylchlorid) eingesetzt. Das Dichlorethan verursacht Organschäden und steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Es ist ozonschädlich und wassergefährdend, weshalb seine Verwendung stark eingeschränkt wurde. DDT ist die Abkürzung der chemischen Verbindung Dichlordiphenyltrichlorethan und besteht aus den Isomeren p,p‘-DDT (ca. 77 %) und o,p‘-DDT (ca. 15 %). Seine insektizide Wirkung wurde im Jahr 1939 von dem Schweizer Paul Hermann Müller entdeckt, der hierfür im Jahr 1948 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Es wurde als Kontakt- und Fraßgift eingesetzt und war wegen seiner guten Wirksamkeit gegen Insekten, der geringen Toxizität für Säugetiere und des einfachen Herstellungsverfahrens jahrzehntelang das weltweit meistverwendete Insektizid. In den USA wurde der Export von DDT im Jahr 1981 verboten und die Produktion im Jahr 1982 eingestellt. In der Bundesrepublik Deutschland gilt seit dem 1. Juli 1977 ein Verbot zur Herstellung und zum Vertrieb von DDT. Zur Malariabekämpfung wird DDT auf Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach wie vor eingesetzt. DDT ist stark gesundheitsgefährdend. Akute Vergiftungen äußern sich vor allem in neurotoxischen Wirkungen wie Zungentaubheit, Schwindel, Zuckungen der Gesichtsmuskulatur bis hin zu Krampfanfällen und Lähmungen. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO stufte DDT im Jahr 2015 als „wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“ ein. Eine Studie konnte im Jahr 2014 aufzeigen, dass DDE möglicherweise an der Entstehung von Alzheimer beteiligt ist. DDT gefährdet die Umwelt und ist eine der chemischen Verbindungen, die sich an die Oberfläche des im Ozean treibenden Plastikmülls anlagern. (siehe auch Simon 1999: Simon, Christian. DDT. Kulturgeschichte einer chemischen Verbindung. Basel: Christoph-Merian-Verlag)

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DDD (Dichlordiphenyldichlorethan) und DDE (Dichlordiphenyldichlorethen) sind Abbauprodukte des DDT. Dichlorvos ist der Name für ein Insektizid mit Kontakt- und Fraßgiftwirkung aus der Gruppe der Phosphorsäureester. Es ist eine viskose, flüchtige und farblose bis gelbbraune Flüssigkeit mit einem aromatischen Geruch. Dichlorvos ist brennbar, umweltschädigend und gesundheitsgefährdend. In der EU ist die Verwendung von Biozidprodukten, die den Wirkstoff Dichlorvos enthalten, seit dem 1. November 2012 nicht mehr erlaubt. Dichlorvos stört die Funktion von Nervenzellen. Die Substanz wird durch Einatmen oder über die Haut aufgenommen. Doppeltsaures Kalium ist ein veralteter chemischer Name für Kaliumdichromat K₂Cr₂O₇. Das Kaliumdichromat ist eine rote wasserlösliche Substanz und wie alle Chromverbindungen ist es giftig. Es wird in der chemischen Industrie als ein starkes Oxidationsmittel verwendet, seine Bedeutung ist allerdings gesunken. Dowfume ist der Handelsname für eine Mischung aus den Gasen Ethylendichlorid, Ethylendibromid und Tetrachlorkohlenstoff. Es wurde von dem im Jahr 2017 aufgelösten US-amerikanischen Konzern Dow Chemical Company in unterschiedlichen Formulierungen hergestellt (Dowfume C, G, 75, mc-2, mc-33 und EB-5). Das flüssige Gemisch wurde in offenen Bechern in Lagerräumen platziert. Wegen seiner Toxizität darf es nicht mehr eingesetzt werden. Die orale Einnahme, das Inhalieren sowie die Absorption über die Haut sind giftig. Darüber hinaus ist Dowfume krebserzeugend, Ethylendichlorid ist entzündlich und die Dämpfe sind explosiv. (siehe auch Goldberg 1966: Goldberg, Lisa. A History of Pest Control Measures in the Anthropology Collections, National Museum of Natural History, Smithsonian Institution, JAIC (35):23–43, 1996.; Zycherman und Schrock 1988: Zycherman, Lynda A.; Schrock, J. Richard. A Guide to Museum Pest Control, FAIC and Association of Systematics Collections, Washington DC, 1988)

E Eisessig ist die konzentrierte, wasserfreie Essigsäure, die bei einer Temperatur von 16 °C erstarrt. Die farblose und ätzende Flüssigkeit riecht typisch nach Essig. Eryl war ein Produkt der Firma I. Ehrlich aus München. Es roch stark nach → Carbolineum. [siehe auch Kleine 1926: Kleine, R. (Vorname unbekannt, Anm. d. Verf.). Bekämpfungsversuche von Calandra granaria mit Eryl. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Vorratsschutz e.V., Heft 6, 2. Jahrgang, November 1926, 69–80]

Essigsäurepentylester ist eine Verbindung der Essigsäure und mit Pentylalkohol. Andere Bezeichnungen sind Essigsäureamylester, Amylacetat, Amylessigester,

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Pentanolacetat und Pentylethanoat. Es handelt sich um eine farblose, aromatisch riechende Flüssigkeit mit Birnen- bzw. Bananengeruch. Das Essigsäurepentylester wird in der Lebensmittelindustrie als Birnenaroma eingesetzt. Ethanol oder auch veraltet Ethylalkohol ist ein einwertiger Alkohol mit der Formel C₂H₅OH. Ethanol ist ein Produkt der alkoholischen Gärung von Früchten und Fruchtsäften sowie von Zuckerlösungen oder Stärke aus Mais, Getreide oder Kartoffeln. Aus dem vergorenen Material wird durch Destillation Ethanol gewonnen. Das brachte ihm die mittlerweile historische Bezeichnung „Weingeist“ bzw. „Spiritus“ vom lat. spiritus vini, Geist des Weines, ein. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. wurde die synthetische Herstellung von Ethanol eingeführt. Die Substanz ist ein wichtiges Löse- und Extraktionsmittel sowie ein Zusatz für Kraftstoffe. Reines Ethanol ist eine farblose, leicht entzündliche Flüssigkeit mit einem brennenden Geschmack und einem charakteristischen, würzigen (süßlichen) Geruch. Für technische Zwecke ist ein vollständig vergälltes (denaturiertes) und dadurch steuerbegünstigtes Ethanol, das auch „Brennspiritus“ genannt wird, im Handel. Als Vergällungsmittel werden meist Methylethylketon (MEK) und Denatoniumbenzoat verwendet, das äußerst bitter schmeckt. In größeren Mengen und über längeren Zeitraum eingenommen wirkt Ethanol als Lebergift. Es kann auch akute tödliche Vergiftungen zur Folge haben. Ether, veraltet Äther, sind organische Verbindungen, die funktionelle Gruppen (Symbol R) gebunden über Sauerstoff enthalten. Daraus resultiert die Allgemeinformel R₁–O–R₂. In der Umgangssprache ist „Ether“ die Bezeichnung für den einfachsten Ether, den Diethylether mit der Formel C₅H₂–O–C₂H₅. Diese farblose, schnell verdunstende und brennbare Flüssigkeit wurde früher als Narkosemittel verwendet. Ethylendichlorid → 1,2 Dichlorethan Ethylenoxid oder auch Aethylen- bzw. Äthylenoxyd ist ein farbloses, hochentzündliches Gas mit süßlichem Geruch. Es tötet Bakterien, Viren und Pilze ab. Für Menschen ist es giftig und auch in niederen Konzentrationen krebserregend. Ethylenoxid ist heimtückisch, weil es eine hohe Geruchsschwelle hat und seine narkotisierende und tödliche Dosis nicht gerochen werden kann. Eulan ist ein Kurzwort und setzt sich aus dem griechischen Wort eu „gut“ und dem lateinischen Wort lana „Wolle“ zusammen. Die Farbenfabriken Bayer AG brachten ab 1920 das erste Motteneulan auf den Markt und ließen sich den Produktnamen Eulan gesetzlich schützen. Mittlerweile wurden über 30 Präparate mit sehr unterschiedlichen Zusammensetzungen von der Firma Bayer AG auf den Markt gebracht. Eulane sind Textilausrüstungsmittel, die zum Schutz gegen Motten eingesetzt werden. Analytisch konnte in EULAN SPA Permethrin als Wirkstoff

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nachgewiesen werden. In weiteren Eulan-Präparaten wurden DDT, Lindan, PCP sowie Arsen-, Quecksilber- und Bleiverbindungen nachgewiesen. [siehe auch Unger 2012: Unger, Achim. „Eulanisierte“ Textilien – eine Gefahr für Mensch und Material? In: Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, 2012, (2), 25–39]

F Firnis ist ein nicht pigmentierter Anstrich, der getrocknet klare und durchsichtige, mehr oder weniger glänzende Filme bildet. Der deutsche Begriff „Firnis“ ist abgeleitet aus dem französischen sowie aus dem italienischen vernice = Lack. Die Firnisse bestehen aus trocknendem Öl (→ Leinölfirnis), ggf. vermengt mit gelöstem Harz oder aus einem oder mehreren in Lösemitteln gelösten Bindemitteln, heute vor allem den Kunstharzen. In der Malerei, insbesondere der Ölmalerei, wird Firnis zum Schutz von Gemälden als transparenter Überzug abschließend aufgetragen. Flit ist der Produktname für ein Insektizid, welches von dem Chemiker Franklin C. Nelson erfunden und 1923 zugelassen wurde. Es wurde auf der Basis von Mineralöl hergestellt und enthielt als Wirkstoff Pyrethrum. Unter dem Handelsnamen Flit wurde es im Jahr 1926 von der Hamburger Niederlassung der Deutsch-Amerikanischen Petroleum-Gesellschaft in den Handel gebracht. [siehe auch Wilhelmi und Kunike 1927: Wilhelmi, Julius; Kunike, Hugo. Versuche und Untersuchungen über die Wirksamkeit des Petroleum-Raffinates „Flit“ bei der Fliegenund Stechmückenbekämpfung. In: Zeitschrift für Desinfektions- und Gesundheitswesen, 1927, 19 (3), 98–99] Nach der Entdeckung der insektiziden Wirkung des DDT hat man das Flit zunächst mit Gemischen von Pyrethrum und DDT ausgerüstet und Ende der 1940er Jahre nur DDT als Wirkstoff in einer Konzentration von 5 % eingesetzt. [siehe Roth und Vaupel 2017: Roth, K.; Vaupel, E.: Von Insekten, Chrysanthemen und Menschen. Chemie in unserer Zeit. Heft 3 (2017), 162–184]

Formaldehyd ist der Trivialname für die chemische Verbindung Methanal, das einfachste Aldehyd der Ameisensäure. Es ist ein farbloses, stechend riechendes Gas, welches sich gut in Wasser löst. Ein Polymer von Formaldehyd ist das Paraformaldehyd. Die wässrige (etwa 40-prozentige) Lösung von Formaldehyd bezeichnet man als Formalin. Mit diesem Handelsnamen kam es ab 1893 bei der Firma Schering und als Formol bei der Firma Hoechst in den Handel. Der Zerfall des Paraformaldehyds (Entpolymerisierung) kann auch durch bestimmte Substanzen wie z. B. Bariumperoxid bewirkt werden. Auf diesem Prozess basierte das Begasungsmittel → Autan. Formaldehyd wird u.a. als Fungizid sowie als Begasungsmittel in der Intensivtierhaltung eingesetzt. Für die Begasung von Mu-

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seumssammlungen ist seine Verwendung eingeschränkt, weil das Formaldehyd beim Leder irreversible Veränderungen bewirkt. Die Substanz verursacht akut toxische Reaktionen wie Allergien, Haut-, Atemwegs- oder Augenreizungen und wird seit dem 1. April 2015 als wahrscheinlich karzinogen beim Menschen eingestuft. Formalin → Formaldehyd Formol → Formaldehyd Fowlersche Lösung oder Fowlers Arseniktropfen wurden von dem Arzt Thomas Fowler erstmals 1786 hergestellt und gegen Malaria angewandt. Ebenso wurde diese Arznei innerlich bei Haut- und Nervenkrankheiten sowie zur Konservierung von Tierbälgen eingesetzt. [siehe auch Neumüller 1973: Neumüller, Otto-Albrecht (Hg.). Römpps Chemie-Lexikon. 7. Aufl. Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung, 1973, Bd. 2, D-G, 1185–1186]

Fluid (von lat. Fluidus = fließend), genauer überkritisches Fluid. Zustand, der oberhalb der kritischen Temperatur und des kritischen Druckes mancher Gase und Flüssigkeiten auftritt. Im überkritischen Zustand existieren keine Unterschiede zwischen der Gas- und Flüssigphase. Beispiel: überkritisches (engl.: supercritical) Kohlenstoffdioxid. G Globol → 1,4-Dichlorbenzol Glycerin bzw. Glycerol ist ein Trivialname für Propan-1,2,3-triol. Glycerin ist der einfachste dreiwertige Alkohol, d. h., es besitzt drei –OH-Gruppen im Molekül. Es ist eine farblose, leicht viskose hygroskopische Flüssigkeit mit süßem Geschmack (von gr. Glykós = süß). Glycerin spielt eine wichtige Rolle im Stoffwechselprozess des menschlichen Organismus. Als Feuchthaltemittel hat es eine vielfache Verwendung in kosmetischen Produkten, Arzneimitteln und Tabakerzeugnissen. Nicht zuletzt ist Glycerin wichtig zur Herstellung des Sprengstoffes Nitroglycerin. Glycerin ist gesundheitlich unbedenklich. I Illo-Spezial-T ist der Handelsname für ein Präparat, welches den Wirkstoff → Tetrachlorethen, veraltet auch Tetrachlorethylen oder Perchlorethylen genannt, enthält. Es wurde von der Chemischen Fabrik „Illo“, Hans Haag, Verwaltung in Berlin W 50, Passauerstr. 3, auf den Markt gebracht. Insektenpulver → Zacherlin Isovaleriansäure ist ein Isomer der Valeriansäure, einer kurzkettigen organischen Säure, die wie die Citronen- und Essigsäure zu den Carbonsäuren gehört. Die

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Isovaleriansäure ist in größeren Mengen in den Wurzeln des Baldrians (Valeriana officinalis) enthalten, aus denen sie gewonnen wird. Sie ist eine farblose, ölige, wasser- und alkohollösliche Flüssigkeit mit einem unangenehmen Geruch. Stark verdünnte Valeriansäure und ihre Verbindungen (Ester) werden als Heilmittel, vor allem als Beruhigungs- und mildes Schlafmittel verwendet. K Kaliumcarbonat ist ein Kaliumsalz der Kohlensäure mit der Summenformel K₂CO₃. Das Kaliumcarbonat trägt auch den historischen Namen „Pottasche“, weil dieses hygroskopische Salz in geschlossenen Pötten transportiert wurde. Es ist ein weißes Pulver, gut löslich in Wasser, dessen Lösungen stark alkalisch reagieren. Es wird u.a. als Schmelzmittel bei der Herstellung von Glas (Kaliglas) und Schmierseifen sowie von Wasserglas verwendet. Kaliumperoxosulfat → Persulfate Karbollösung ist eine veraltete Bezeichnung für eine Lösung von → Phenol Karbolsäure → Phenol Kienöl ist ein ätherisches Öl, gewonnen bei der trockenen Destillation des Wurzelholzes von einigen Kiefernarten, vor allem von Pinus sylvestris und Pinus ledebourii. Als Hauptprodukte dieser trockenen Destillation entstehen Holzkohle und Holzteer. Das Kienöl wird gelegentlich mit Kiefernnadelöl (gewonnen aus Kiefernnadeln) oder Terpentinöl (gewonnen durch die Destillation von Terpentin aus Holz verschiedener Nadelbäume) verwechselt. [siehe auch Birnbaum und Merck 1884: Birnbaum, Carl; Merck, Klemens (Hg.). Klemens Merck’s Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe. Beschreibung der im Handel vorkommenden Natur- und Kunsterzeugnisse unter besonderer Berücksichtigung der chemisch-technischen und anderer Fabrikate, der Droguen- und Farbewaren, der Kolonialwaren, der Landesprodukte, der Material- und Mineralwaren. 3., gänzlich umgearb. Aufl., 2., rev. Abdr. Leipzig: Gloeckner, 576 f.; Wiesner 1927: Wiesner, Julius. Die Rohstoffe des Pflanzenreiches, Bd. I, II. 4. Aufl. Leipzig, Wilhelm Engelmann 1927, 97]

Kieselgur veraltet auch Kieselguhr. Andere Namen sind Bergmehl, Celit, Diatomeenerde, Diatomeenpelit, Diatomit, Infusorienerde, Kieselmehl, Novaculit, Tripel oder Tripolit. Es ist eine weißliche, pulverförmige Substanz, die hauptsächlich aus den Schalen fossiler Kieselalgen (Diatomeen) besteht. Die Schalen bestehen zum größten Teil aus amorphem (nicht-kristallinem) Siliciumdioxid (SiO₂) und weisen eine sehr poröse Struktur auf.

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[siehe auch Kainer 1951: Kainer, Franz. Kieselgur, ihre Gewinnung, Veredlung und Anwendung. 2., umgearb. Aufl. Stuttgart: Enke (Sammlung chemischer und chemisch-technischer Vorträge, N.F. H. 32)] Kohlendioxid oder Kohlenstoffdioxid ist eine chemische Verbindung mit der Summenformel CO₂. Es ist ein unbrennbares, farbloses und in Wasser gut lösliches Gas. Seine Lösung in Wasser reagiert durch Bildung der Kohlensäure H₂CO₃ schwach sauer. Bei niedrigen Konzentrationen ist es geruchlos. Es wird komprimiert sowohl in flüssiger Form als auch in fester Form („Trockeneis“) sowie im überkritischen Zustand eingesetzt. In fester Form dient es als Kühlmittel und als überkritisches Fluid wird es als Löse- und Extraktionsmittel verwendet. CO₂ kann giftig wirken, jedoch reichen die üblichen Konzentrationen in der Luft oder in Lebensmitteln zu einer Vergiftung nicht aus. Kohlendioxid greift die Ozonschicht der Erde an und ist eines der Verursacher des Klimawechsels. Deshalb wird eine maximal mögliche Herabsetzung des Ausstoßes von Kohlendioxid durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe in Kohlekraftwerken und in Verbrennungsmotoren nicht nur in Deutschland angestrebt. Kohlenmonoxid oder Kohlenstoffmonoxid ist eine chemische Verbindung von Kohlenstoff mit Sauerstoff mit der Formel CO. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses sowie toxisches Gas. Eingeatmet bindet es sich im Blut an Hämoglobin stärker als an Sauerstoff, so dass im Körper der Sauerstofftransport unterbunden wird. Kohlenmonoxid ist somit ein giftiges und gefährliches Atemgift. Neben akuten tödlichen Vergiftungen zeigen sich Folgeschäden durch eine Langzeitaufnahme von geringen Konzentrationen, welche sich u.a. negativ auf die Entwicklung des Kindes im Mutterleib auswirken können. Eine langanhaltende Einwirkung niedriger Konzentrationen von Kohlenmonoxid kann zu Depressionen führen sowie durch eine Schädigung des Herzens die Lebenserwartung verringern. Kohlenstoffdisulfid, veraltet Schwefelkohlenstoff, besitzt die chemische Formel CS₂. Es handelt sich um eine farblose, brennbare und giftige Flüssigkeit, die in technischer Qualität unangenehm bis widerlich riecht. Die Dämpfe des Kohlenstoffdisulfids bilden mit der Luft hochexplosive Gemische. Früher wurde es zur Bekämpfung von Ratten und Wühlmäusen sowie im Weinanbau gegen die Reblaus eingesetzt und dort 1997 wegen seiner Giftigkeit verboten. In der chemischen Industrie hat es immer noch eine große Bedeutung bei der Herstellung von Kunstfasern aus Cellulose (sog. Viskose, auch Kunstseide genannt). Hinsichtlich der Pflege von Museumssammlungen erhielt es in der Konservierungswissenschaft zum Ende des ausgehenden 19. bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts eine weitreichende Bedeutung in der Bekämpfung von Schadinsekten. Aufgrund

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seiner Fähigkeit, Fette gut aufzulösen, wird Kohlenstoffdisulfid über Lunge und Haut aufgenommen. Die Folge sind akute und chronische Vergiftungen. Kohlenstofftetrachlorid → Tetrachlormethan Koloquinten sind kürbisartige Pflanzen, deren Verbreitungsgebiet u.a. in Südeuropa, in Nordafrika und in Indien liegt. Alle Pflanzenteile enthalten giftige Terpene, so dass der Genuss von Koloquinten-Früchten zu Vergiftungen führen kann. Die Koloquinte ist eine altbekannte Medizinalpflanze, die zahlreiche Anwendungen hatte. [siehe auch Wink et al. 2008: Wink, Michael; van Wyk, Ben-Erik; Wink, Coralie. Handbuch der giftigen und psychoaktiven Pflanzen; mit 13 Tabellen. Stuttgart: Wiss. Verl.-Ges.; Ebers 1875: Ebers, Georg (Hg.). Papyros Ebers. Das Hermetische Buch über die Arzneimittel der alten Ägypter in hieratischer Schrift. Online verfügbar unter http://digi.ub.uniheidelberg.de/diglit/ebers1875bd2 (Zugriff: 27.10.2021)]

Kresole oder auch Cresole können als Hydroxyderivate des Toluols oder Methylderivate des Phenols angesehen werden. Ihre Struktur ist durch einen Benzolring mit einer Hydroxylgruppe –OH und einer Methylgruppe –CH₃ gekennzeichnet, durch deren unterschiedliche Positionen am Benzolring insgesamt 3 Isomere gebildet werden (ortho-, meta- und para-Kresol). Alle drei Kresole haben einen teerartigen Geruch, weil sie aus →Teer unterschiedlicher Herkunft gewonnen werden. Kresole sind stark licht- und luftempfindlich und bilden bei Temperaturen oberhalb von 80 °C mit Luft explosionsfähige Gemische. Sie sind in Wasser schlecht löslich und ätzend. Kresole haben eine breite Wirkung auf Mikroorganismen, aber sie wirken auch als Insektizide und Fungizide und sind deshalb vielfach ein Bestandteil von Desinfektionsmitteln. Ein Langzeitkontakt mit Kresolen kann zu einer chronischen Vergiftung führen, eine akute Vergiftung verursacht Atemlähmung mit ggf. tödlichem Ausgang. Kresole gelten als karzinogen. Kupfersulfat [Kupfer(II)-sulfat] früher auch Kupfervitriol genannt, ist das Kupfersalz der Schwefelsäure mit fünf Molekülen von Kristallwasser und der Formel CuSO₄·5H₂O. Es ist ein blauer wasserlöslicher Feststoff. Durch Erhitzen wird das Kristallwasser entzogen und das Kupfersulfat verwandelt sich in ein weißes Pulver. Kupfersulfat hat antimikrobielle Eigenschaften. Gemischt mit einer Calciumhydroxid-Suspension wurde Kupfersulfat früher als „Bordeauxbrühe“ im Weinanbau zur Bekämpfung von Pilzerkrankungen der Rebstöcke eingesetzt. Auch heute werden kupfersulfathaltige Pflanzenschutzmittel verwendet, allerdings in niedrigerer Konzentration. Mittlerweile werden Alternativen gesucht, um die Bodenbelastung mit Kupfer nicht weiter zu erhöhen, weil Kupfersulfat sowie auch andere Kupfersalze ins Grundwasser und in Gewässer gelangen

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können. Beim Menschen erzeugt Kupfersulfat einen starken Brechreiz und wird daher als Brechmittel eingesetzt. Kupfervitriol → Kupfersulfat L Laudanum → Opium Lavendelöl ist das ätherische Öl aus den Blüten des echten Lavendel (Lavendula vera L.). Es ist farblos oder schwach gelblich, dünnflüssig und hat einen angenehmen, starken Geruch nach Lavendel. Lavendelöl hat eine schwache antimikrobielle Wirkung. Innerlich wird es als mildes Beruhigungsmittel bei Unruhezuständen und Einschlafstörungen angewendet. In der Parfüm- und Seifenindustrie ist Lavendelöl bedeutsam als Duftstoff und wird auch als Repellent gegen Insekten, besonders von Kleidermotten sowie zum Vergrämen von Katzen verwendet. Allerdings dürfte es sich bei den Anwendungen häufiger um das billigere → Spiköl handeln. (siehe auch Rochussen 1920, 82)

Leinölfirnis ist ein → Firnis aus Leinöl. Die Trocknung von Leinöl wird durch spezielle Zusätze (Sikkative) beschleunigt. Gegenwärtig werden hierfür Cobaltverbindungen eingesetzt. Leinölfirnis dient auch als Bindemittel für Ölfarben, heute insbesondere für Künstlerölfarben und als Grundierungsmittel, wie z.B. für Holz. Die ökologische, gesundheitliche und technische Bewertung von Leinölfirnis ist gut. Lost ist ein Name für Dichlordiethylsulfid, der sich aus den ersten Buchstaben der Nachnamen der beiden deutschen Chemiker Wilhelm Lommel und Wilhelm Steinkopf zusammensetzt. Sie waren Mitarbeiter von Fritz Haber am Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie in Berlin-Dahlem. Diesen Wirkstoff, der auch Schwefellost oder Senfgas genannt wird, schlugen die beiden Chemiker zur Verwendung als chemischen Kampfstoff vor. Lost ist eine chemische Substanz aus einer Tabelle von insgesamt 28 chlorierten, organischen, schwefel- oder stickstoffhaltigen Verbindungen, der sogenannten Lostgruppe. In Zusammenarbeit mit dem Chemieunternehmen Bayer in Leverkusen und Elberfeld wurde Schwefellost im Ersten Weltkrieg eingesetzt. (siehe auch Schnedlitz 2008: Schnedlitz, Markus. Chemische Kampfstoffe. Geschichte, Eigenschaften, Wirkung; Studienarbeit. Zugl.: Wiener Neustadt, FH, Seminararbeit, 2008. 1. Aufl. München: Grin-Verl., 2008, 30)

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M Methanol war in der früheren chemischen Nomenklatur unter dem Namen Methylalkohol bekannt. Es handelt sich um eine organische chemische Verbindung und den einfachsten Vertreter der Stoffgruppe der Alkohole mit der Formel CH₃OH. Durch die frühere Herstellung mittels trockener Destillation (Pyrolyse) von Buchenholz erhielt Methanol die mittlerweile historische Bezeichnung „Holzspiritus“. Es handelt sich um eine farblose Flüssigkeit mit angenehmem Geruch. Methylalkohol ist ungenießbar und giftig. Wird eine akute Vergiftung mit Methanol überlebt, erblindet man in Folge. Methoxychlor ist eine Mischung mehrerer strukturisomerer chemischer Verbindungen aus der Gruppe der chlorierten Diphenylmethanderivate mit der Summenformel C₁₆H₁₅Cl₃0₂. Es handelt sich um einen festen, kristallinen Stoff, der farblos bis gelblich ist und einen fruchtigen Geruch hat. Methoxychlor ist brennbar, aber schwer entzündbar und praktisch unlöslich in Wasser. Von dem Stoff gehen akute und chronische Gesundheitsgefahren aus. Methoxychlor ist gewässergefährdend. [siehe auch: Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), GESTIS-Stoffdatenbank https://www.dguv.de/ifa/gestis/gestis-stoffdatenbank/index.jsp (Zugriff: 16.01.2021)]

Methylbromid → Brommethan Mirbanöl → Nitrobenzol Morphium → Opium Moschus ist ein Duftstoff, gewonnen aus den Drüsen der männlichen Moschustiere. Das stark duftende Sekret wird getrocknet und zur Parfümherstellung verwendet sowie als Aroma in Lebensmitteln eingesetzt. Die Herstellung erfolgt auch synthetisch. (siehe auch Schroeck et al. 1682: Schroeck, Lucas; Franz, Anselm; Hafner, Melchior. Historia Moschi. Ad normam Academiae Naturae Curiosorum. Augustae Vindelicorum: Theophilius Göbelius)

Mottenether oder auch Mottenäther besteht aus 7,5 Teilen Naphthalin, 2,5 Teilen Campher, 50 Teilen Benzin, 40 Teilen Terpentinöl, 1 Teil Nitrobenzol und Mottenpapier. Als Trägermaterial tränkt man das Papier mit einer konzentrierten Lösung oder schmilzt die Mischung über dem Dampfbad in einem bedeckten Tiegel. (siehe auch Arends et al. 1927: Naphthalinum. Frerichs; Georg, Arends; Georg, Zörnig; Heinrich (Hg.). In: Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis. Springer, Berlin, Heidelberg, 1927, 200–201)

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N Naphtha oder auch Rohbenzin ist die Bezeichnung für eine Fraktion der Destillation von Erdöl oder von Steinkohlenteeröl. Es ist einer der wichtigsten Rohstoffe und dient hauptsächlich der Herstellung von verschiedenen Sorten von Benzinen sowie als Lösemittel. Naphtha ist entzündbar, gesundheitsschädlich und gewässergefährdend. Naphthalin ist ein bicyclischer aromatischer Kohlenwasserstoff, der aus zwei Benzolringen besteht. Der farblose Feststoff ist in Wasser schwerlöslich, in manchen organischen Lösemitteln gut löslich. Es sublimiert schon bei Zimmertemperatur unter Entwicklung eines charakteristischen Geruchs und wird vor allem aus Steinkohlenteeröl gewonnen. Das im Jahr 1819 entdeckte Naphthalin wurde zu Kugeln geformt und als Insektizid, vor allem gegen Kleidermotten (Tineola sp.), eingesetzt. Nachdem sowohl die umwelt- wie auch die gesundheitsschädigende Wirkung von Naphthalin erkannt worden war, hat man es als stark krebserregend eingestuft. Daraufhin wurde auch das Naphthalin in den Mottenkugeln durch das weniger schädliche → 1,4-Dichlorbenzol ersetzt. Eine wichtige Rolle spielte Naphthalin bei der Herstellung von einigen Insektiziden wie beispielsweise Chlornaphthalinen (→ Xylamon LX hell). Heute wird Naphthalin als Ausgangsstoff für die Herstellung von manchen Farbstoffen und Pharmaka verwendet. Naphthol bzw. Naphthole sind Hydroxyderivate des → Naphthalins, d. h., es sind Moleküle des Naphthalins, bei denen ein oder mehrere Wasserstoffatome durch OH-Gruppen substituiert sind. Die Bezeichnung „Naphthol“ wird für das Monohydroxynaphthalin benutzt, wobei zwei Isomere existieren (1-Naphthol, 2-Naphthol). Beide sind wichtige Ausgangsstoffe für die Farbenherstellung. Außerdem zeigen sie antiseptische Eigenschaften und wurden in Schädlingsbekämpfungsmitteln eingesetzt. Natriumarsenat mit der Summenformel Na₃AsO₄ ist ein kristalliner, farb- und geruchloser Feststoff. Es ist nicht brennbar und gut löslich in Wasser. Dieses sehr gefährliche Kontaktgift wurde als Insektizid in Holz- und Schädlingsbekämpfungsmitteln eingesetzt. Es ist schädlich für die Umwelt, vor allem für Gewässer und Böden. Bereits in geringen Konzentrationen wirkt Natriumarsenat tödlich. Natriumarsenit ist eine anorganisch-chemische Verbindung mit der Summenformel NaAsO₂. Es ist das Natriumsalz der arsenigen Säure (Metaform) und gilt neben Arsenwasserstoff als eine der giftigsten Arsenverbindungen. Es ist ein farbloser, kristalliner Feststoff, der sich in Wasser löst. Natriumarsenit ist ein Kontaktgift, welches Reizungen und Entzündungen von Augen, Lungen und Schleimhäuten verursacht. Es ist erbgutverändernd, kanzerogen und stark wassergefährdend.

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Natr. arsenicum bzw. arsenicosum: Vermutlich handelt es sich bei Natrium arsenicum um ein Natriumsalz aus der Gruppe der Arsenite und bei Natrium arsenicosum um ein Natriumsalz aus der Gruppe der Arsenate. (Freundliche mündliche Mitteilung von Achim Unger, 21.01.2021)

Natriumcyanid oder Cyannatrium ist das Natriumsalz der Blausäure. Es handelt sich um einen festen Stoff, der entweder kristallin oder als weißes Pulver vorliegt. Der Geruch ist schwach bittermandelartig. Natriumcyanid ist leicht löslich in Wasser und entwickelt mit Säure hochgiftigen Cyanwasserstoff. Der Stoff ist akut und chronisch gesundheitsgefährdend sowie gewässergefährdend. (siehe auch Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung: GESTIS-Stoffdatenbank)

Natriumfluorid ist ein Natriumsalz der Fluorwasserstoffsäure mit der Formel NaF. Es ist ein farb- und geruchloser Feststoff, der in Wasser löslich ist. Natriumfluorid wird als Holzschutzmittel verwendet. Es ist giftig, insbesondere das Einatmen von Stäuben ist zu vermeiden. Natriumperoxosulfat → Persulfate Natriumsilicat wurde auch unter dem Handelsnamen P.84. geführt. Es ist ein Natriumsalz der Orthokieselsäure, die in vielfältigen Formen vorkommt und eine Reihe von Salzen und Estern bildet. Das Natriumsilicat ist wasserlöslich und stellt neben dem Kaliumsilicat eine wichtige Sorte von sog. Wasserglas (Natronwasserglas) dar. Es ist vielseitig anwendbar und wird in der Industrie als Bestandteil von Klebstoffen, Zusatz in Wasch- und Reinigungsmitteln, Zementen, Bindemitteln usw. verwendet. Bevor ausreichende Kühlungsmöglichkeiten entwickelt wurden, hatte das Wasserglas in Haushalten eine Bedeutung als Konservierungsmittel für Eier. Wenn große Dosen aufgenommen werden, kann es zu einer Reizung der Schleimhäute kommen, ähnlich der durch Natronlauge verursachten. Nicotin oder Nikotin ist eine in den Blättern der Tabakpflanze enthaltene Substanz. In geringerer Menge kommt es auch in anderen Pflanzen wie Tomaten und Kartoffeln vor. Reines Nicotin ist eine farblose, ölige Flüssigkeit, die sich an der Luft braun färbt. Früher wurde es im Pflanzenschutz gegen Insekten, u.a. Blattläuse, eingesetzt. Für Pflanzen ist der Stoff gut verträglich sowie biologisch gut abbaubar. Aufgrund der hohen Toxizität besteht jedoch für Nicotin seit den 1970er Jahren ein Anwendungsverbot. Nitrobenzol ist auch unter dem Namen „Mirbanöl“ bekannt und stellt die einfachste aromatische Nitroverbindung, ein Benzolderivat mit der Summenformel C₆H₅NO₂, dar. Die ölige Flüssigkeit ist farblos bis blassgelb mit angenehm bittermandelölartigem Geruch. Sie wurde u.a. in Insektensammlungen zum

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vorbeugenden Schutz und zur Desinfektion eingesetzt. Außerdem wurden mit Nitrobenzol auch Seifen parfümiert. Die Verwendung in kosmetischen Mitteln ist mittlerweile verboten. Nitrobenzol kann starke Vergiftungserscheinungen hervorrufen, eine schwere Vergiftung kann innerhalb weniger Stunden zum Tod führen. Alkohol verstärkt die Wirkung des Nitrobenzols. Es wird als krebserregend sowie als umwelt- und fortpflanzungsgefährdend eingestuft. (siehe auch Lueger 1909: Lueger, Otto. Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften. Bd. 7, Stuttgart, Leipzig, 1909, 425–426)

Nitrocelluloselack ist das in Aceton, Essigsäureethylester und anderen Lösemitteln aufgelöste Cellulosenitrat. Nitrocelluloselack weist eine gute mechanische Belastbarkeit auf und wird deswegen in erster Linie zur Veredelung von Hölzern im Innenbereich, insbesondere von Möbeln oder Musikinstrumenten sowie für Metalle im Innenbereich verwendet. Reste oder Abfälle müssen in den Sondermüll gegeben werden und dürfen keinesfalls in das Grundwassergelangen. O Opium ist ein Rausch- und Betäubungsmittel, gewonnen aus dem milchigen Saft unreifer Samenkapseln des Schlafmohns (Papaver somniferum). Früher nannte man es auch Mohnsaft. Der eingetrocknete Saft, das Rohopium, ist eine dunkle Masse. Ihre wirksamen Hauptbestandteile sind Morphium und Codein. Opium aufgelöst in Ethanol ergibt die sog. Opiumtinktur, die als Laudanum bekannt ist. Sie fand eine breite Verwendung in der Medizin bis in das frühe 19. Jahrhundert. Auch heute sind Opium und seine Bestandteile wichtig für medizinische Zwecke, doch die Herstellung sowie Verwendung unterliegen strengen Kontrollen. Der Missbrauch von Opium führt zu verändertem Verhalten und Abhängigkeit, ein Langzeitmissbrauch verursacht schwere psychische und physische Schäden, eine Überdosierung ist tödlich. (siehe auch Ball 2014: Ball, Philip. The Devil’s Doctor. Paracelsus and the World of Renaissance Magic and Science. London: Cornerstone Digital)

P P.84. → Natriumsilicat Paracide crystals ist ein Produktname für → p-Dichlorbenzol Paradichlorbenzol → 1,4-Dichlorbenzol p-Dichlorbenzol → 1,4-Dichlorbenzol Paraffin wird auch als Paraffinwachs bezeichnet. Es ist ein Gemisch von linearen gesättigten Kohlenwasserstoffen mit der Kettenlänge C₁₄–C₃₀. Diese Kohlenwasserstoffe werden durch Destillation aus Erdöl oder aus Braunkohlenteeröl

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nach dem Abdestillieren flüchtigerer Bestandteile (Destillationsfraktionen bis ca. 350 °C) gewonnen. Je nach Molekülmasse handelt es sich um dünn- und dickflüssige Stoffe (Paraffinöle) oder wachsähnliche Substanzen (Paraffinvaseline) bzw. um einen festen Stoff, genannt Paraffin. Paraffin ist geruch- und geschmacklos, löslich in Benzinen, Tetrachlormethan, Chloroform und weiteren Lösemitteln. Es ist wasserabstoßend, brennbar, schmelzbar, elektrisch isolierend und widerstandsfähig gegenüber vielen Chemikalien, sogar starken Säuren. Die Verwendungsmöglichkeiten von Paraffin sind aufgrund seiner Eigenschaften sehr vielfältig. Die Haupteinsatzgebiete sind Versiegelung, Pflege (Kosmetik) und Konservierung. Es ist ungiftig und wird als ungefährlich für Mensch und Natur eingestuft. Paraffinwachs → Paraffin Paraform ist der Handelsname für → Paraformaldehyd (siehe auch → Autan). Paraformaldehyd → Formaldehyd Patschuliöl ist ein gut und intensiv duftendes, ätherisches Öl, gewonnen durch Wasserdampfdestillation von grünen Teilen der Patschulipflanze (Pogostemon cablin), beheimatet in Indien und Malaysia. Dem Patschuliöl werden mehrere Heilwirkungen zugeschrieben. Es soll auch als Repellent gegen Insekten wirksam sein. Hauptsächlich wird es in der Parfümindustrie verwendet. (siehe auch Wiesner 1927, 91)

Perchlorethylen → Tetrachlorethen Persulfate ist die umgangssprachliche Verkürzung für Peroxodisulfate. Es sind Salze der Peroxodischwefelsäure H₂S₂O₈. Die bekanntesten Peroxodisulfate sind Kaliumperoxodisulfat (K₂S₂O₈) und Ammoniumperoxodisulfat [(NH₄)₂S₂O₈]. Sie sind sehr starke Oxidationsmittel, bei deren Anwendung auf Papier Vorsicht geboten ist. Perthan ist der Produktname für ein Insektizid auf der Basis chlorierter Kohlenwasserstoffe mit einem Wirkstoff, der strukturell mit Dichlordiphenyldichlorethan (DDD) verwandt ist. Es ist ein geruchsloser, kristalliner Feststoff, der zur Schädlingsbekämpfung an Früchten und Gemüse entwickelt wurde. Zudem fand Perthan in der Textilindustrie gegen Kleidermotten und Teppichkäfer Verwendung. Es steht analog zu DDT im Verdacht, kanzerogen zu sein und ist deshalb in der Europäischen Union und in der Schweiz als Produkt mit diesem Wirkstoff als Pflanzenschutzmittel nicht zugelassen. Darüber hinaus ist es gewässergefährdend. Petrolether oder veraltet Petroleumäther ist ein farbloses Gemisch verschiedener gesättigter Kohlenwasserstoffe und nicht ein Vertreter der chemischen Stoffgruppe „Ether“. Es handelt sich um niedrig siedendes Leichtbenzin, auch

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„Wundbenzin“ genannt, und hat seinen Siedebereich bei ca. 25–80 °C (siehe auch → Benzin). Petrolether findet Verwendung als Lösemittel, in der Laborarbeit, zum Entfernen von Fettflecken auf Papier, Textilien usw. Er ist brennbar und seine Dämpfe bilden mit der Luft explosionsfähige Gemische. Nach längerer Einwirkung zeigen sich Reizwirkungen auf der Haut. Er kann Schläfrigkeit und Benommenheit verursachen, beim Verschlucken und Eindringen in die Atemwege wirkt er tödlich. Petrolether ist gewässergefährdend. Petroleum ist ein Gemisch von flüssigen Kohlenwasserstoffen mit einem Siedebereich von 150–280 °C, welches bei fraktionierter Destillation von Erdöl entsteht. Petroleum ist wenig flüchtig, schwer entzündlich, jedoch entflammbar. Die Eigenschaften des Petroleums variieren je nach Herkunft des Erdöls. Petroleum aus natürlichen Vorkommen wurde seit der Antike als Brennmaterial und Arzneimittelzutat verwendet. Ab ca. 1870 wurde es hauptsächlich als Brennstoff für Petroleumlampen verwendet und zum Beginn des 20. Jahrhunderts von der Beleuchtung durch elektrischen Strom abgelöst. In der Konservierung von Holz wurde Petroleum vom Anfang des 18. Bis in das beginnende 20. Jahrhundert angewandt. Heute werden verschiedene, gereinigte Sorten mit engeren Siedebereichen als Lösemittel, Reinigungsmittel für Metalloberflächen sowie als Zusatz für manche Motorentreibstoffe eingesetzt. Petroleum ist gesundheitsgefährdend. Petroleumäther → Petrolether Pfeffer(-körner) sind Samen des Pfefferstrauches Piper nigrum und stellen ein bekanntes Gewürz dar. Pfeffersträucher sind heimisch im südöstlichen Asien, angebaut werden sie auch in verschiedenen Gebieten Indiens. Den scharfen Geschmack von Pfeffer verursacht eine organische Base genannt Piperin (Gehalt ca. 7 %). Den Duft von Pfeffer verursacht ein ätherisches Öl (Gehalt ca. 1–2,3 %). (siehe Mercks Warenlexikon für Handel, Industrie und Gewerbe 1996: Siebente völlig neu bearbeitete Aufl. Leipzig: Gloeckner, 1920. Reprint Recklinghausen: Manuscriptum, 1996. 328 u. 344)

Phenol ist der häufig benutzte Trivialname für das wichtigste Benzolderivat, das Hydroxybenzol. Es ist ein farbloser, kristalliner Stoff mit typisch durchdringendem Geruch, der sich an der Luft rot färbt. Seine wässrige Lösung wird Karbolsäure oder auch Karbol genannt. Schwache Phenollösungen wurden früher u.a. zur Desinfektion in Krankenhäusern sowie von Abtrittgruben und zur Konservierung von Holz eingesetzt. Phenol sowie seine Abkömmlinge (Phenolate) sind giftig und stehen in Verdacht, Erbgut zu schädigen. Es ist eine wichtige Chemikalie in der Industrie, die besonders zur Herstellung diverser Kunststoffe dient. Phosphorkleister wurde mit der Bezeichnung Phosphorpaste oder Phosphorlatwerge zur Bekämpfung von Nagetieren eingesetzt.

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[siehe dazu Mayers Konversationslexikon, 5. Aufl., Leipzig und Wien: Bibliographisches Institut, 1896. Bd. XIII, 875: „Phosphorlatwerge (Phosphorpaste), Mischung von Mehl und Phosphor, auch wohl mit etwas Fett, zur Vertilgung von Ratten und Mäusen“] In der pharmazeutischen Literatur des 19. Jahrhunderts findet man Phosphorlatwerge als (Versuchs-)Arznei für Tiere. Ein weiteres Rezept für Phosphorlatwerge lautet: „2 Quentchen Phosphor werden im Mörser in 6 Lot warmen Wassers geschmolzen, hierzu werden schnell 9 Lot Weizenmehl eingerührt. Nach dem Erkalten noch 8 Lot geschmolzene Butter und ¼ Lot pulverisierter Zucker gerührt.“ (siehe dazu Hertwig 1847: Hertwig, Heinrich Carl. Praktische Arzneimittellehre für Thierärzte. 3. Vermehrte Aufl. Berlin: Veith & Comp., 1847, Anmerkung auf 520)

Pikrinsäure ist der Trivialname für 2,4,6-Trinitrophenol (TNP). Ihre Salze werden Pikrate genannt. Die gelben Kristalle der Pikrinsäure schmecken extrem bitter, daher der Name (gr. Pikrós = bitter). Die Pikrinsäure war der erste Sprengstoff, welcher für Granaten im Ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Wegen der schwer kontrollierbaren Explosionen wurde er bald durch Trinitrotoluol (TNT) ersetzt. Pottasche → Kaliumcarbonat Propylen war in der früheren chemischen Nomenklatur der Name für Propen und ist ein farbloses brennbares Gas. Es ist ein ungesättigter, linearer Kohlenwasserstoff mit drei Kohlenstoffatomen im Molekül. Propylen wird durch Umsetzung von Leichtbenzinen, die bei der Erdölverarbeitung anfallen, gewonnen. Es ist brennbar und in Wasser nur begrenzt löslich. Mit Luft bildet es explosionsfähige Gemische. Propylen ist wenig giftig, wirkt aber in hoher Konzentration narkotisierend. Pyrethrine sind Inhaltstoffe von → Pyrethrum Pyrethrum ist ein Insektizid, dessen Wirkung schon den Römern bekannt war. Von dort stammt auch der Beiname „persisches Insektenpulver“. Die insektiziden Wirkstoffe des Pyrethrums sind Pyrethrin I und II, Cinerin I sowie Jasmolin I und II. Pyrethrum wird hauptsächlich aus den Blüten der Dalmatinischen Wucherblume (Tanacetum cinerariifolium) gewonnen. Es handelt sich um ein Kontaktgift, welches bei Insekten neurotoxisch wirkt. Die Pyrethrine reizen Augen und Schleimhäute, sind aber nur in geringem Maß hautreizend. In Deutschland, Österreich und der Schweiz ist Pyrethrum als Wirkstoff in Pflanzenschutzmitteln nicht zugelassen, allerdings bestehen in diesen Ländern Zulassungen für Pyrethrine, also für reine Bestandteile des Pyrethrums. Diese werden auch in Mitteln gegen Flöhe, Kopfläuse, Schaben usw. verwendet.

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Q Quecksilberchlorid → Quecksilber(II)-chlorid Quecksilber(II)-chlorid ist ein farbloser, geruchloser Feststoff von hoher Giftigkeit, der in Wasser schlecht löslich ist. Das Salz trägt auch den Trivialnamen Sublimat, weil es beim Erhitzen leicht sublimiert. Es lässt sich durch Erhitzen von Quecksilber(II)-sulfat mit Natriumchlorid herstellen. Quecksilber(II)-chlorid wirkt pilztötend und wurde früher zur Behandlung von Saatgut sowie zur Druckimprägnierung von Holz verwendet (sog. Kyanisierung nach dem engl. Erfinder John Kyan). Da es auch gegen verschiedene Krankheitserreger wirkt, dienten sehr schwache Lösungen zur Wunddesinfektion sowie als Medikament gegen die Syphilis. Der Staub von Quecksilber(II)-chlorid reizt die Atemwege, die Augen und die Haut. Wird er verschluckt, verursacht Quecksilber(II)-chlorid Bauchschmerzen und Durchfall. Ein wiederholter Kontakt mit Quecksilber(II)-chlorid kann chronische Vergiftungen mit Nierenschäden zur Folge haben. Die tödliche Dosis für Menschen beträgt 1 mg/kg Körpergewicht. In der Giftigkeit kommt es also dem → Arsenik gleich. Quecksilbersulfid wird auch Quecksilber(II)-sulfid oder Zinnober genannt. Es ist eine chemische Verbindung aus Quecksilber und Schwefel mit der Summenformel HgS. Es handelt sich um einen Feststoff. Das kristalline rote Pulver ist geruchlos. Quecksilbersulfid (Cinnabarit) wird als rotes Pigment (Zinnoberrot) verwendet. Der nicht brennbare Stoff ist praktisch unlöslich in Wasser. Im Gegensatz zu anderen Quecksilberverbindungen ist HgS aufgrund seiner schweren Löslichkeit ungiftig. Akute Gesundheitsgefahren sind irritative Wirkungen auf Schleimhäute und Haut sowie chronische allergische Hauterkrankungen. Es besteht der begründete Verdacht auf kanzerogenes Potential. [siehe auch: Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), GESTIS-Stoffdatenbank. https://www.dguv.de/ifa/gestis/gestis-stoffdatenbank/index.jsp (Zugriff: 19.01.2021)]

Quendelöl (Oleum Serphyllii) ist ein ätherisches Öl, gewonnen aus dem blühenden Kraut der Quendel (Thymus serpyllum), einer dem Thymian ähnlichen Pflanze. Das Quendelöl ist farblos oder goldgelb, riecht angenehm nach Melisse und Thymian. Die Hauptbestandteile sind die Terpene Cymol und Thymol mit seinem Isomer Carvacrol. (siehe auch Rochussen 1920, 96)

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R Rainfarn (Tanacetum vulgare), auch Wurmkraut genannt, ist eine in Mitteleuropa häufig vorkommende Pflanzenart aus der Familie der Korbblütler (Asteraceae). Die stark duftenden Blätter sowie die Blüten des Rainfarns enthalten insektenabweisende Wirkstoffe und wurden früher ausgestreut, um Ungeziefer fernzuhalten. Rainfarn wurde in Nordamerika sogar in Särge gelegt, mit Rainfarnextrakt wurden Leichentücher getränkt. Rainfarn wurde auch angepflanzt, um den Kartoffelkäfer zu vertreiben. Getrockneter Rainfarn wird in der Imkerei als Rauchmittel verwendet. Aus Rainfarn wurde auch in Deutschland das ätherische Rainfarnöl gewonnen, welches in der Parfümerie, in der Likörfabrikation und in der Medizin Verwendung fand. (siehe auch Rochussen 1920, 92)

Rohbenzol ist ein aromatischer Kohlenwasserstoff, der bei der trockenen Destillation von Kohle gewonnen wird. Außer Benzol enthält es noch die Derivate Toluol und Xylol, die entfernt werden (Reinbenzol). Rohbenzol ist entzündbar; die Dämpfe bilden mit Luft explosionsfähige Gemische. Es wirkt reizend auf Haut und Augen und steht im Verdacht, karzinogen sowie mutagen zu sein. Auch beeinträchtigt es die Reproduktionsfähigkeit. Beim Verschlucken oder Eindringen in die Atemwege kann Rohbenzol tödlich wirken. Es darf nicht in den Boden, die Kanalisation oder in Gewässer gelangen. Rosmarinöl ist ein angenehm duftendes, ätherisches Öl, gewonnen durch die Destillation aus den Blättern der Rosmarinpflanze (Rosmarinus officinalis). Vornehmlich ist es in den Mittelmeerländern beheimatet. Die Inhaltsstoffe des Rosmarinöls sind u.a. Cineol, Campher, Pinene und zahlreiche weitere Substanzen. Es wird in der Seifen- und Parfümherstellung genutzt und ist darüber hinaus wirksam gegen zahlreiche Bakterien, Hefen und Schimmelpilze. Auf der Haut wirkt es durchblutungsfördernd und wird daher auch in der Medizin verwendet. (siehe auch Rochussen 1920, 94)

S Salpeter ist der Überbegriff für verschiedene Salze der Salpetersäure HNO₃, wie Ammonsalpeter (Ammoniumnitrat), Barytsalpeter (Bariumnitrat), Chilesalpeter/ Natronsalpeter (Natriumnitrat), Kalisalpeter (Kaliumnitrat) sowie Kalksalpeter (Calciumnitrat). Aber der Begriff galt vor allem dem Natriumnitrat NaNO₃ (Chilesalpeter), das früher eine wichtige Rolle als Stickstoffdünger hatte. Durch die Fortschritte in der Landwirtschaft ist der Einsatz von Stickstoffdüngern deutlich gesunken.

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Schwefeläther ist eine veraltete chemische Bezeichnung für Diethylether, das frühere Narkosemittel. Da das Diethylether durch chemische Umsetzung von Ethanol mit Schwefelsäure hergestellt wird, wurde es auch „Schwefeläther“ genannt. Schwefelblume oder auch Schwefelblüte ist eine pulverige Form von Schwefel. Sie entsteht durch Abkühlen von Schwefeldämpfen z. B. in einer Destillationsapparatur. In der Natur findet sich Schwefelblume auf Vulkanen. Schwefeldioxid ist ein gasförmiger Stoff mit der Summenformel SO₂. Das Gas ist nicht brennbar, es ist farblos und hat einen stechenden Geruch. Unter Druck verflüssigt sich das Gas. In Wasser ist es unter Hydrolyse löslich und bildet im Wasser schweflige Säure. Die wässrige Lösung reagiert stark sauer. Schwefeldioxid ist hygroskopisch und bildet Aerosole. Es zeigt oxidierende und reduzierende Wirkung. Von dem Stoff gehen akute oder chronische Gesundheitsgefahren aus. [siehe auch: Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), GESTIS-Stoffdatenbank https://www.dguv.de/ifa/gestis/gestis-stoffdatenbank/index.jsp (Zugriff: 04.02.2021]

Schwefelkohlenstoff → Kohlenstoffdisulfid Schwefelmehl → Schwefelblume Schwefelquecksilber → Quecksilbersulfid Schwefelsäure mit der Formel H₂SO₄ ist in der Technik die wichtigste und generell eine der stärksten Säuren. Es handelt sich um eine farblose, ölige, sehr viskose und hygroskopische Flüssigkeit. Sie wird vornehmlich für die Herstellung von anderen Mineralsäuren, etwa der Salz- oder Phosphorsäure und für Düngemittel verwendet. Auf Haut und Schleimhäute wirkt Schwefelsäure abhängig von der Konzentration von stark reizend sowie ätzend bis zur irreversiblen Zerstörung des Gewebes. Schwefelwasserstoff → Wasserstoffsulfid Schweflige Säure ist eine schwache unbeständige Säure mit der Summenformel H₂SO₃. Sie existiert nur in wässriger Lösung, die beim Lösen von Schwefeldioxid in Wasser entsteht. Schweflige Säure und ihre Salze (Sulfite) sind Reduktionsmittel. Die Säure kann ein Sauerstoffatom aufnehmen, wobei sie zu Schwefelsäure H₂SO₄ oxidiert wird. Schweflige Säure ist an der Entstehung des sauren Regens beteiligt. Da bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohle, Erdöl und seine Produkte) Schwefeldioxid SO₂ entsteht, gelangt dieses in die Luft. Es reagiert mit Regenwasser zu schwefliger Säure, die dann (verdünnt) zur Erde regnet. Schweinfurter Grün ist ein grünes, giftiges Pigment, ein Kupfer(II)-arsenitacetat, das erstmalig 1805 in Wien und seit 1815 in Schweinfurt hergestellt und auf den Markt gebracht wurde. Das Schweinfurter Grün hat viele Synonyma, z. B. Mitisgrün, Parisergrün, Uraniagrün, Neugrün usw. Auch nachdem die Giftigkeit

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bekannt war, wurde das Schweinfurter Grün als Malfarbe verwendet, woraus die Verwendung als Schädlingsbekämpfungsmittel resultierte. In den USA ließ sich im Jahr 1868 J. P. Wilson die Mischung von einem Teil Paris Green mit zwei Teilen Mineralöl für die Anwendung gegen den Kartoffelkäfer patentieren. Schweinfurter Grün wurde auch in anderen Insektizidrezepturen, beispielsweise vermischt mit Holzasche, verwendet. Es war das erste chemische Insektizid, das in großem Umfang angewendet wurde. Im Jahr 1882 wurde es als Farbe in Deutschland verboten, ab 1887 galten Verbote für die Verarbeitung in wässrigen Bindemitteln und in Pastell. Danach wurde es noch als Insektizid und als Schiffsanstrich verwendet. In Deutschland wurde die Verwendung von arsenhaltigen Mitteln im Weinbau durch ein Gesetz vom November 1942 verboten. Schweinfurter Grün ist stark gesundheitsgefährdend und gewässergefährdend. Senfpflaster war bis ins 19. Jahrhundert ein bekanntes Haus- und Heilmittel, das gegen verschiedene Leiden eingesetzt und noch heute in der Hydrotherapie angewandt wird. Pierers Lexikon nennt als Zusammensetzung eine Mischung von Sauerteig und grob gestoßenen schwarzen Senfsamen im Verhältnis 1 : 1 sowie eine weitere Mischung aus schwarzem Senfpulver, Roggenmehl und Essig oder nur aus Senfpulver und lauwarmem Wasser. Der Brei wurde auf die Leinwand gestrichen und auf die Haut aufgelegt bzw. angewickelt. Heutzutage sind auch fertige Senfpflaster erhältlich. Surrogate sind Senfpapier und mit Senfspiritus getränktes Löschpapier. (siehe auch Pierer 1857–1865: Pierer, Heinrich August. Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe. Altenburg, 1857–1865, Bd. 15, 844)

Spiköl ist ein ätherisches Öl und wird aus den Blüten des Speik-Lavendel (Lavendula latifolia) gewonnen. In Frankreich und Spanien wird diese Lavendelart zur Gewinnung des Spiköls kultiviert. Das Spiköl dient vor allem als Ersatz für echtes → Lavendelöl. Diese beiden ätherischen Öle sind altbekannt und ihre Bezeichnungen wurden oft vermischt. (siehe auch Rochussen 1920, 96)

Spiritus → Ethanol Sprit ist die Ableitung von spiritus vini oder auch Geist des Weines → Ethanol Steinöl ist die veraltete Bezeichnung für → Petroleum. (siehe auch Zinke, Georg, Gottfried 1802: Zinke, Georg, Gottfried. Kunst allerhand natürliche Körper zu sammeln, auf eine leichte Art für das Kabinett aufzubereiten und vor der Zerstörung feindlicher Insecten zu sichern. Jena 1802, 148)

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Strychnin ist eine Substanz, die u.a. in der Brechnuss (Strychnos nux vomica) enthalten ist, aus der es isoliert wird. Es ist ein farbloser, kristalliner Feststoff mit hoher Giftigkeit. Im 19. Jahrhundert kam Strychnin als Rattengift zur Anwendung. Es verursacht schon in sehr geringen Dosen eine Muskelstarre. Die Dosis von ca. 1 mg/kg Körpergewicht ist für den Menschen tödlich. Sturmsches Mittel oder auch Esturmit genannt, war ein pulveriges Mittel, das für Anwendung zum Pflanzenschutz geprüft wurde. Es enthielt eine Arsenverbindung, offensichtlich das Calcium(II)-arsenat mit der Formel Ca₃(AsO₄)₂. F. Stellwaag, der über das Sturmsche Mittel publizierte, verwendet für den Arsen-Inhaltsstoff abwechselnd verschiedene irreführende Begriffe wie „Calciumarsen“, „Calciumarsenat“ und sogar „Calciumarseniat“. (siehe auch Stellwaag 1927: Stellwaag, Fritz. Der Gebrauch der Arsenmittel in deutschem Pflanzenschutz. Ein Rückblick und ein Ausblick unter Verwertung der ausländischen Erfahrungen. In: Zeitschrift für angewandte Entomologie, 1927, Bd. 12, Heft 1, 35–36)

Sublimat → Quecksilber(II)-chlorid T Tannin bzw. die Tannine (franz. Tanin = Gerbstoff ) sind pflanzliche Gerbstoffe, die in Pflanzen weitverbreitet sind und zu den pflanzlichen Sekundärstoffen gehören. Besonders tanninreich sind z. B. die Rinde von Eichenbäumen und die sog. Gallen auf Eichenblättern, aber Tannine sind auch in roten Weintrauben und in Quitten enthalten. Sie werden aus dem pflanzlichen Material meist mit warmem bzw. heißem Wasser extrahiert; der Extrakt wird eingedickt, gereinigt und getrocknet. In den Handel kommt Tannin als ein gelbliches Pulver. Chemisch gesehen handelt es sich um ein Gemisch wasserlöslicher polycyklischer Hydroxyderivate des → Phenols (z. B. Resorcin, Chinolin). Tannine bewirken die Bildung von Vernetzungen zwischen Makromolekülen von Proteinen und sorgen somit für die Umwandlung von Häuten zu Leder, welches eine wesentlich höhere Haltbarkeit aufweist. Daher liegt die technische Verwendung der Tannine vor allem in der Ledererzeugung (Gerberei). Tannine reagieren mit Korrosionsprodukten von Eisen unter Bildung von blauschwarzen Eisentannaten. Diese Reaktion wird zum wirksamen Schutz von verrosteten Eisengegenständen benutzt. Tanninlösungen sind auch als Holzbeizen geeignet. In der Tiermedizin werden Tannine als Mittel gegen Durchfall eingesetzt. Teer ist die Bezeichnung von Produkten, die durch thermische Zersetzung (Pyrolyse) verschiedener organischer Naturstoffe entstehen. Mit dem Wort „Teer“ wird auch das Ausgangsmaterial verknüpft, z. B. Holzteer, Steinkohlenteer usw. Es sind dunkelbraune bis schwarze, feste Substanzen. Zusammen mit Braunkohlen-

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teer handelt es sich bei diesen zwei Teeren um die industriell wichtigsten Teere. Je nach Herkunft sind die Teere Gemische verschiedenster Kohlenwasserstoffe. Entsprechend ihrer Herkunft und daraus resultierender Zusammensetzung werden sie beispielsweise weiter zu Benzinen und anderen organischen Lösemitteln verarbeitet. Darunter zählen Paraffin, Mineralöle, Vaselinen und Teerfarbstoffe sowie Fettteere, aus denen Fettsäuren gewonnen werden. Manche Teere haben nach wie vor eine Bedeutung für den industriellen Holzschutz, z. B. für Eisenbahnschwellen oder Freileitungsmasten. Aber die Verwendung von Teer im öffentlichen Bereich ist verboten, da sie sowohl ein Risiko für die Umwelt wie auch für die Gesundheit darstellen. Beim Kontakt mit Wasser können ihre Bestandteile ins Grundwasser gelangen. Deshalb wurde Teer in der BRD seit 1984 und in der ehemaligen DDR seit 1990 für den Einsatz im öffentlichen Straßen- und Wegebau verboten und vollständig durch Bitumen ersetzt. Es wurden auch Mischungen aus Bitumen und Teer verwendet, das sogenannte Carbobitumen oder auch Pechbitumen genannt. Diese Mischform ist ebenso wie der reine Teer als gesundheitsschädlich einzustufen und muss gesondert entsorgt werden. Langzeitiges Einwirken des Teers auf der Haut kann Hautveränderungen hervorrufen, die sich zum Krebs entwickeln können. Allerdings werden Teerpräparate in der Medizin als äußerlich anwendbare Arzneimittel gegen Hautkrankheiten genutzt, da sie juckreizstillend, keimtötend und durchblutungsfördernd wirken. Teeröl ist ein bei der Destillation von Steinkohlenteer gewonnenes Öl, das zum Konservieren von Holz verwendet wird. Die Firma Avenarius brachte es 1888 unter dem Handelsnamen → Carbolineum auf den Markt. Terpentin → Terpentinöl Terpentinöl war ein wichtiges natürliches organisches Lösemittel. Es wird durch die Destillation von Terpentin, einem Balsam, der beim Einritzen der Rinde aus Nadelbäumen herausfließt, gewonnen. Die Restsubstanz nach der Destillation ist ein Harz, genannt Kolophonium. Das Terpentinöl wird auch Balsamterpentinöl, umgangssprachlich fälschlicherweise Terpentin, echtes Terpentinöl oder auch veraltet Terpentingeist genannt. In Deutschland wurde Terpentinöl vornehmlich aus Kiefern gewonnen. Diese Produktion wurde eingestellt, da die Nachfrage vor allem in der Lackindustrie geringer wurde. Ersatzweise wurde dafür Testbenzin (Terpentinersatz) eingeführt. Die chemische Zusammensetzung von Terpentinöl ist nicht einheitlich; sie hängt von der Baumart ab. Alle Terpentinöle können als Gemische von monocyklischen Terpenen charakterisiert werden. Es sind farblose bis gelbliche, flüchtige, stark riechende und brennbare Flüssigkeiten mit dem Siedebereich 155–175 °C, mischbar mit mehreren organischen Lösemitteln, aber nicht mischbar mit Wasser. In der Technik wird es besonders zur Herstellung von Lacken und zum Verdünnen von Ölfarben verwendet. Weiter dient es zur Entfer-

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nung von Fettflecken und zum Bleichen von Stoffen, die Chlor nicht vertragen, wie beispielsweise Elfenbein. Terpentin wirkt reizend und ist gesundheitsschädlich sowie umweltgefährdend. Tetrachlorbenzol bzw. Tetrachlorbenzole sind drei isomere Chlorderivate von Benzol mit jeweils vier Chloratomen als Substituenten von Wasserstoffatomen des Benzols. Es sind feste, schmelzbare Stoffe, unlöslich in Wasser, löslich in organischen Lösemitteln. Sie sind wichtig vor allem für die Herstellung von Insektiziden, Herbiziden und anderen chemischen Produkten. Tetrachlorethen mit den Trivialnamen Perchlorethylen, umgangssprachlich Perchlor, ist eine farblose chloroformartig riechende, nicht brennbare, flüchtige Flüssigkeit. Es ist ein Lösemittel, das in der Textilindustrie Anwendung findet. Dank seines hohen Fettlösevermögens wird es als Entfettungsmittel in der Textilreinigung sowie in der Film-, in der optischen- und in der Metallindustrie eingesetzt. Aufgrund seiner weiten Verwendung in Industrie und Gewerbe gehört es zu den Stoffen, die das Grundwasser am meisten verunreinigen. Die Dämpfe wirken narkotisch; sie reizen Augen und die Atemwege. Langzeitkontakt auch mit niedrigen Konzentrationen führt zu Leber- und Nierenschäden. Tetrachlorethen steht im Verdacht, reproduktionstoxisch und krebserregend zu sein. Tetrachlorethylen → Tetrachlorethen Tetrachlorkohlenstoff → Tetrachlormethan Tetrachlormethan mit der Formel CCL₄ ist eine farblose, süßlich riechende, nicht brennbare Flüssigkeit, die mit Ethanol, Ether oder Benzin gut mischbar ist. Es ist ein gutes Lösemittel für Fette, Wachse sowie für Öle und wurde früher für Feuerlöscher und Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts für die chemische Reinigung von Textilien verwendet. Als Feuerlöschmittel wurde es aufgrund seiner Toxizität sowie den im Brandfall entstehenden Kontakt problematisch. Tetrachlormethan schädigt darüber hinaus die Ozonschicht, wodurch dieser Wirkstoff sehr eingeschränkt eingesetzt werden darf und nur noch zu Forschungszwecken erlaubt ist. Seine narkotisierenden Dämpfe verursachen beim Langzeitkontakt auch in niedrigen Konzentrationen Schädigungen der Leber und der Nieren. Tetrachlormethan steht im begründeten Verdacht, kanzerogen zu sein. T-Gas ist ein nicht blausäurehaltiges Schädlingsbekämpfungsmittel und besteht aus einem Gemisch von 9 Teilen Ethylenoxyd und einem Teil Kohlenstoffdioxid. Es wurde vor allem für die Wohnraumbegasung angewandt. Das T-Gas wurde von der Th. Goldschmidt AG, heute Goldschmidt GmbH in Essen, hergestellt. Die Firma wurde von Theodor Goldschmidt im Jahr 1847 in Berlin gegründet und später nach Essen verlegt. Theodor Goldschmidt wurde ein bedeutender Hersteller chemischer Spezialprodukte und arbeitete auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfungsmittel eng mit der Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung

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(Degesch) und mit der Deutschen Gold- und Silber-Scheideanstalt (Degussa) zusammen. Zur Verwendung des T-Gases hatte die Th. Goldschmidt A.G. Essen eigens die T-Gas-Gesellschaft m.b.H gegründet. (siehe auch Ebbinghaus 1999, 45)

Theïn wird auch Thein, Tein, Teein, Caffein, Koffein oder Coffein genannt und gehört zu einer der pflanzlichen Sekundärstoffe, den Alkaloiden. Der Trivialname Coffein wurde der Substanz gegeben, weil sie im Kaffee enthalten ist. Früher wurde aus Unkenntnis über die identische chemische Zusammensetzung zwischen den Begriffen Thein und Coffein nicht unterschieden. Chemisch handelt es sich um 1,3,7-Trimethylxanthin. Es ist ein weißes geruchloses, kristallines Pulver mit bitterem Geschmack. Coffein regt die Aktivität von Nerven an und ist Bestandteil von Genussmitteln wie Kaffee, Tee, Coca-Cola, Mate, Guaraná, Energy-Drinks und in geringeren Mengen von Kakao. (siehe auch Gossauer 2006: Gossauer, Albert. Struktur und Reaktivität der Biomoleküle. Eine Einführung in die organische Chemie. Zürich: Verl. Helvetica Chimica Acta, 2006, 184)

Thymiankampfer → Thymol Thymol trägt auch die Namen Thymolum PhEur, Thymol INCI, Thymiankampfer oder Thymiansäure. Es ist eine in großen durchsichtigen Würfeln und Oktaedern kristallisierende, zu den Phenolen gehörende, organische Verbindung mit der Summenformel C₁₀H₁₄O, die in Wasser sehr schwer und in 96-prozentigem Ethanol sehr leicht löslich ist. Thymol kann auch in ätherischen oder fetten Ölen leicht gelöst werden. Dieser Wirkstoff befindet sich in einer Anzahl von ätherischen Ölen, vor allem im Thymianöl. Es hat fungizide und antiseptische Eigenschaften und reizt kaum die Haut. Thymol wird hauptsächlich gegen Erkältungskrankheiten, in Zahnpasta sowie als Tierarzneimittel eingesetzt. Tillantin R war ein quecksilberhaltiges Produkt, das als Schädlingsbekämpfungsmittel u.a. zum Beizen von Saatgut eingesetzt wurde. (siehe auch Taeger 1941: Taeger, Harald. Die Klinik der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg)

U Urania-Grün → Schweinfurter Grün V Vinylacetat oder Essigsäurevinylester ist eine farblose, lichtempfindliche, leichtentzündliche Flüssigkeit mit süßlichem Geruch und der Summenformel C₄H₆O₂.

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Es ist ein Monomer, das zu spontaner Polymerisation neigt. Vinylacetat wird überwiegend zur Herstellung von Polyvinylacetat und von Polyvinylalkohol verwendet. Diese Polymere finden als feste Harze, Folien oder Lösungen verschiedene Anwendungen. So werden sie beispielsweise als Bindemittel für Malerfarben, als Rohstoffe für die Klebstoff-, Papier- und Textilindustrie sowie am Bau eingesetzt. Vinylacetat wird als krebserzeugend eingestuft. W Wasserstoffsulfid oder Schwefelwasserstoff ist ein nach faulen Eiern übel riechendes, farbloses, hochgiftiges Gas mit der Formel H₂S. Es ist brennbar und bildet mit Luft explosive Gemische. Wasserstoffsulfid entsteht u.a. bei der Zersetzung von schwefelhaltigen Aminosäuren in den Proteinen von Eiklar und Dotter. Zu den Vergiftungserscheinungen gehören je nach Länge der Einwirkung und Konzentration die Zerstörung des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin, Schäden am Nervensystem, Benommenheit, Schwindel, Krämpfe, Bewusstlosigkeit und ggf. der Tod. Bei einer Langzeiteinwirkung von niedrigen Dosen können sich Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Gereiztheit, Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche einstellen. Wasserstoffperoxid ist in höherer Konzentration eine blassblaue, in verdünnter Form farblose Flüssigkeit H₂O₂. Das Wasserstoffperoxid neigt zur Zersetzung, wobei Sauerstoff frei wird. Deshalb zeigt es eine bleichende und desinfizierende Wirkung. Eine dreiprozentige Lösung wird zur Hautdesinfektion, auch im Haushaltsbereich, eingesetzt. Bei der Innenrenovierung kann damit Schimmelpilzbefall bekämpft werden. Höher konzentriertes Wasserstoffperoxid wirkt gegenüber den meisten Stoffen als ein sehr starkes Oxidationsmittel, welches heftige Reaktionen z. B. mit Metallspänen, Putzlumpen usw. hervorrufen kann. Von dem Stoff gehen akute oder chronische Gesundheitsgefahren aus. Wasserstoffsuperoxid → Wasserstoffperoxid. Weingeist ist eine historische Bezeichnung für → Ethanol. Heute wird unter diesem Namen unvergälltes, reines Ethanol mit einer Konzentration um 95 Vol.-% gehandelt. Wermutblätter sind die Blätter der Wermutpflanze (Artemisia absinthium), die u.a. in Nordafrika, dem Kaukasus sowie in Indien beheimatet ist. Wermutkraut enthält eine hohe Konzentration an Bitterstoffen und ist seit der Antike als Heilpflanze bekannt. Den Wermutblättern wurden zahlreiche Heilwirkungen zugeschrieben, z. B. die Förderung von Appetit und der Verdauung sowie eine Linderung bei Kopfschmerzen. Wermut wurde auch zur Abwehr von Mäusen in Büchereien und gegen Kleidermotten verwendet. Er ist Bestandteil des Absinths,

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eines alkoholischen Getränks mit Extrakten von Wermut, Anis, Melisse und Fenchel, das besonders im 19. Jahrhundert zum Modegetränk wurde. Wurm-Antorgan → Antorgan oder Holzwurm-Antorgan ist nach Literaturangaben eine wässrige, etwa 5–20-prozentige Lösung von Ammoniumfluorid und Zinkfluorid (ammoniakalische Zinkfluoridlösung). Das Präparat wurde zur Holzkonservierung in Haus, Keller und Garten verwendet. Es diente vorzugsweise zum vorbeugenden Schutz und zur Bekämpfung holzzerstörender Insekten, aber auch zur Hausschwammbekämpfung im Innenbereich. (Freundliche mündliche Mitteilung von Achim Unger, 30.09.2017)

X Xylamon ist der Produktname einer Reihe von Holzschutzmitteln. Das erste Produkt mit diesem Namen wurde 1923 von den Vereinigten Alkaliwerken Westeregeln, Deutschland, mit Chlornaphthalinen als Wirkstoffen in den Handel gebracht. Nach 1945 enthielten Xylanmon-Erzeugnisse u.a. auch die Wirkstoffe Pentachlorphenol (PCP) und Lindan (γ-Hexachlorcyclohexan). Die Herstellung von PCP wurde 1989 von der Bundesregierung verboten; der Wirkstoff gilt als stark kanzerogen beim Menschen. Lindan wird seit 1984 nicht mehr in der BRD hergestellt und gilt seit 2015 laut WHO ebenfalls als kanzerogen beim Menschen. Xylamon-LX Hell wurde ab den 1930er Jahren von der Firma DESOWAG BayerHolzschutz GmbH hergestellt. Es enthielt verschiedene Chlornaphthaline mit insektizider und fungizider Wirkung. Wegen des starken Geruchs und Ausblühungen von Chlornaphthalinkristallen wurde ein Teil der Chlornaphthaline im Verlauf der 1950er Jahre durch andere hochchlorierte aromatische Verbindungen ersetzt. Ab Mitte der 1960er Jahre wurden dann die Chlornaphthaline in den Xylamon-Präparaten generell gegen modernere Wirkstoffe ausgetauscht. Anne Obst gibt in ihrer Dissertation an der Universität Greifswald an, dass ab 1963 im Xylamon Hell 5,5 % Pentachlorphenol (PCP) und 1,0 % γ-Hexachlorcyclohexan (Lindan) enthalten waren. (Freundliche schriftliche Mitteilung von Herrn Achim Unger vom 21.06.2018).

Z Zacherlin hatte den Beinamen dalmatinisches oder auch persisches Insektenpulver und war nach seinem Entdecker und Produzenten Johann Zacherl benannt, der dieses Insektenpulver in Wien herstellte und selbst vertrieb. [siehe hierzu Sotriffer 1996: Sotriffer, Kristian. Die Blüte der Chrysantheme. Die Zacherl – Stationen einer anderen Wiener Bürgerfamilie. Wien u.a. Böhlau, 13–31; Offenthaler 2013: Offenthaler, Eva. „Zacherlin wirkt staunenswert!“ – Johann Zacherl und sein Pulver.

Glossar

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Hg. v. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Österreichisches Biographisches Lexikon, Biographie des Monats, 6. Es enthielt Extrakte aus den Wucherblumenarten Tanacetum coccineum (Persische Insektenblume) u. Tanacetum cinerariifolium (Dalmatinische Insektenblume), welche die insektizid wirksamen Substanzen Pyrethrin I u. II, Jasmolin I u. II und Cinerin I u. II. aufweisen. [siehe hierzu Unger et al. 2001: Unger, Achim; Schniewind, Arno P.; Unger, Wibke. Conservation of Wood Artifacts. A Handbook. Berlin: Springer. Natural Science in Archaeology. Online verfügbar unter http://www.loc.gov/catdir/enhancements/fy0815/2001020310d.html, 246–248 (Zugriff: 27.10.2021)]

Zaponlacke sind dünnflüssige, transparente Nitrolacke ( → Nitrocelluloselack) auf der Basis hochviskoser Cellulosenitrate, die in leicht flüchtigen Lösemitteln wie Amyl- und Ethylacetat gelöst sind. Sie sind transparent, können aber auch Pigmente enthalten. Transparente Zaponlacke dienen meist zum Oxidationsschutz von Metallen wie Messing, Bronze oder Silber. Für Eisen und Stahl sind sie nicht geeignet, da sie keine rostschützende Wirkung haben. Sie werden auch als Firnis sowie zum Lackieren von Holz, Glas und Leder verwendet. Beim Verschlucken, Einatmen oder durch Aufnahme über die Haut können beim Menschen akute oder chronische Gesundheitsschäden hervorgerufen werden. Sie reizen Augen sowie Haut und die Lösemitteldämpfe können Benommenheit verursachen. Sie sind leicht entzündlich und wassergefährdend. Zinkchlorid [Zink(II)-chlorid] mit der Summenformel ZnCl₂ ist ein weißes körniges Pulver, das durch Reaktion von Zink mit Chlor oder von Zinksulfat mit Calciumchlorid entsteht. Es ist sehr gut in Wasser sowie in Ethanol und manchen anderen Lösemitteln löslich. Man benutzt es zum Imprägnieren von Holz, zum Raffinieren von Öl, bei der Herstellung von Pergamentpapier, zum Bleichen des Papiers im Gemisch mit Chlorkalk, in der Färberei usw. Es schmeckt brennend und wirkt stark ätzend. Zinkoxid [Zink(II)-oxid] mit der Formel ZnO ist einerseits eine farblose, kristalline Substanz und andererseits aufgrund der Lichtbrechung bei sehr kleinen Kristallen ein lockeres, weißes Pulver. Zinkoxid wird unter der Bezeichnung Zinkweiß als Pigment genutzt. Medizinische Präparate zur Haut- und Wundbehandlung enthalten oft Zinkoxid wegen dessen antiseptischer Wirkung. Zinkoxid ist zwar in Wasser unlöslich, gilt jedoch als gewässergefährdend. Zitronensäure oder auch Citronensäure mit der Summenformel C₆H₈O₇ ist eine farblose, wasserlösliche, organische Säure. Sie ist in zahlreichen Früchten enthalten, aus der sie isoliert werden kann. Heute wird sie biotechnisch durch Vergärung von zuckerhaltigen Rohstoffen mit dem Pilz Aspergillus niger L. hergestellt.

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In geringen Mengen eingenommen, fördert Zitronensäure indirekt das Knochenwachstum, weil sie die Aufnahme von Calcium begünstigt. In größeren Mengen wirkt sie jedoch reizend und toxisch. Zitronensäure findet vielfache Verwendung in der Lebensmittelindustrie, aber auch als schonender Entkalker u.a. für Kaffeeund Waschmaschinen. Zyklon B → Cyanwasserstoff

Abkürzungen

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5.9 Abkürzungen AAM BM BRA CCI E. Nr. EM IPM KBA

American Association of Museums Britisches Museum London Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft Canadian Conservation Institute Eingangsnummer Ethnologisches Museum Integrated Pest Management Kaiserliche Biologische Anstalt für Land- und Forstwirtschaft Berlin KWG Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft KGA Kaiserliches Gesundheitsamt KWI Kaiser-Wilhelm-Institut KWIB Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie KWIpCh Kaiser-Wilhelm-Institut für physikalische Chemie und Elektrochemie KMfV Königliches Museum für Völkerkunde MfV Staatliches Museum für Völkerkunde zu Berlin NPS National Park Service RF Rathgen-Forschungslabor RJM Rautenstrauch-Joest-Museum – Kulturen der Welt rF relative Luftfeuchte RGA Reichsgesundheitsamt Berlin SAT Save America’s Treasures Program SMB Staatliche Museen zu Berlin V & A Victoria & Albert Museum London

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5.10 Abkürzungen der Archive Ohne Abkürzung Ohne Abkürzung

Archivi della Galleria Nazionale di Roma, Fondo Ugo Ojetti Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt Ohne Abkürzung Archiv des Museums für regionale Überlieferung Jekaterinburg Ohne Abkürzung Nordiska Museet Arkiv Stockholm Ohne Abkürzung Sächsisches Staatsarchiv – Hauptstaatsarchiv Dresden AAMNH-DAA Archive of the American Museum of Natural History, Division of Anthropology Archives, New York City AIFM Wolfen Archiv des Industrie- und Filmmuseums Wolfen AMPG Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Berlin BAL Archiv Bayer AG, Corporate History & Archives BArch Bundesarchiv FHA Archives of the Finnish Heritage Acency GStA PK Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz HAStK Historisches Archiv der Stadt Köln LAB Landesarchiv Berlin LASA Landesarchiv Sachsen-Anhalt LAKD M-V/LD Archiv des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern SMB-PK, EM Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum SMB-ZA Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin

English Summary

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5.11 English Summary This dissertation examines the use and impact of pesticides in museum collections from the end of the 19th until the beginning of the 20th century. The Ethnological Museum of the National Museums in Berlin is the largest of its kind in Europe and was therefore predestinated to serve as a case study. Chapter 1 incorporates that in this period of time societal und political circumstances were accompanied by revolutionary changes. Therefore, the dissertation examines whether the forming of nation states, the European colonialism and its aftermath, the industrialization era, the First World War, the hygienic movement as an impact of industrialization and the First World War, the development of “storedfoods protection” as well as the development of “crop protection” were associated with the use of pesticides in museum collections and to what extent. Chapter 2 is devoted to the application of agents, ingredients, and products that were developed and in use since mankind history, until the beginning of the 20th century. In particular, the control of wood-destroying insects as well as textile pests, and those that were common in natural history collections were under investigation. Over the period analyzed, the Ethnological Museum in Berlin was also amongst the leading institutions that commissioned huge expeditions to collect ethnographica from all over the world. In this regard the question in the dissertation arose, as to whether chemical substances, that were part of the travel gear for explorers, for adventurers or even for dealers of ethnographica, were also used as pesticides on-site. Inevitably, this led to the question in this line of inquiry to whether or not there was an impact of those chemicals on humans already reflected at the time, and further whether pesticides were under investigation concerning short- or long-term health hazards. Chapter 3 is extensively devoted to the situation of the Ethnological Museum in Berlin during its early years. The beginning of the collections was located at the Brandenburg-Prussian chambers of art and curiosities. In continuing history, Germany annexed several territories and lands. Between the years 1884 to 1918 these were in particular German South West Africa, Togo, Cameroon, German East Africa, Witu, German New Guinea, the Marshall Islands, Nauru, the Caroline Islands, the Palau Islands, the Mariana Islands, Samoa, and Kiautschou. Colonialism had a strong impact on the destruction of the lands and the people living in them. It led Adolf Bastian, founding director of the Ethnological Museum, to send out huge expeditions as well as individual explorers and adventurers who should collect cultural objects from indigenous peoples from all over the world. Furthermore, dealers of ethnographica were active in offering items from overseas. The climate conditions in the various countries were totally different from those in the countries of origin, which once the items arrived in Berlin, caused consequential in them in many ways.

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Moreover, museum staff was often overstrained with the mass of objects coming in. Spatial and storage capacities were poor and the ethnographic objects, mainly consisting of organic materials such as wood, plant fibers, hide, leather, feathers, and textiles were exposed to attacks by insects. To protect the collections from decimation and avoid their utter loss, the search began for ingredients, chemical substances as well as for products against pests. In a collectively effort of the general administration of the former Royal and the at that time National Museums of Berlin, their chemical laboratory under the direction of Friedrich Rathgen and the Ethnological Museum, methods and procedures were undertaken to avoid pest infestation. However, further research was conducted to gain a deeper understanding: what methods of pest control were developed at the National Museums in Berlin and if so, to which extend. Hence, the specific networks to chemical industry, to dealers, to other museums and to scientific institutions were examined to find answers about which ingredients and products had been supplied. It was of great interest to reflect upon the issue of how the knowledge of pest control spread to other museum collections, and whether the problems caused by pest damages were discussed amongst scientists in other museums and institutions as well as in the media. In addition, Chapter 3 takes a closer look of the structure within the National Museums and their administration itself in order to understand by whom orders were given to apply the pesticides. Conclusively, this doctoral thesis endeavors to answer the question of the impact of pesticides in the Ethnological Museum from the beginning until the present day. Based on the assumption that by the end of the 19th and in the beginning of the 20th century pests in museum collections were a national as well as an international problem, the final section of Chapter 3 is devoted to selected museum collections in Germany, in Europe as well as in the United States of America as well as in Canada. Research at this point has shown that there existed commonly used ingredients and chemical substances as well as country-specific pesticides. The final conclusions in Chapter 4 are followed by an attachment in Chapter 5 with a comprehensively glossary, a table including the most prevalent organic and their pests in museum collections, the current scientifically and field-proven methods and procedures of decontamination for cultural heritage, and an organizational table of the former staff of the administration as well as of the Ethnological Museum in Berlin.

Danksagung

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5.12 Danksagung Mein Dank gilt allen Personen, die meine Arbeit in Archiven und Bibliotheken unterstützt haben. Sie haben mir im Archiv Bayer AG, Corporate History & Archives (Hans-Hermann Pogarell), dem Archiv der Max-Planck-Gesellschaft Berlin (Bernd Hoffmann), dem Archiv des Industrie- und Filmmuseums Wolfen (Mark Gill), dem Archiv des Landesamtes für Kultur- und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (Dirk Handorf ), dem Archiv des Museums am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt (Susanne Walther, Jantje Bruns, Catharina Winzer, Heidelies Wittig), dem Archiv des Regionalmuseums Jekaterinburg (Svetlana Korepanova), dem Archive of the American Museum of Natural History, Division of Anthropology Archives (Kristen Mable), den Archives of the Finnish Heritage Acency (Harri Ahlgrén), den Archivi della Galleria Nazionale di Roma, Fondo Ugo Ojetti (Chiara Maran), dem Bundesarchiv (Carola Okrug), dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, dem Historischen Archiv der Stadt Köln (Iris Kausemann), dem Landesarchiv Berlin (Kerstin Bötticher), dem Landesarchiv Sachsen-Anhalt (Marion Schatz), den National Archives of Finland (Taina Partanen), dem Archiv des Nordiska Museet (Nordisches Museum) Stockholm (Christel Kraft), dem Sächsischen Staatsarchiv-Hauptstaatsarchiv Dresden (Romy Hartmann), den Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum (Jutta Billig, Barbara Hille, Sabine Pöggl, Cordula Treimer, Birgit Wichmann und Anja Zenner) sowie dem Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (Beate Ebelt-Borchert, Detlef Botschek und Carolin Pilgermann) über lange Zeiträume und oftmals auf unbürokratischen Wegen unschätzbare Dienste geleistet. Viele haben daran geglaubt, dass ich diese Arbeit zu Ende bringen werde. Darunter zählen meine KollegInnen im In- und Ausland Karin Björing-Olausson, Belinda Blum, Matthias Farke, Nancy Fonicello, Diana Gabler, Thomas Gütebier, Richard Haas, Greta Hansen, Alan McCright, Boaz Paz, Barbara Reeve, Andrea Scholz und Jörg Weber. Unterstützt wurde ich aus meiner Familie von Lieselotte Kupferstein, mit der ich wunderbare Stunden beim Transkribieren verbracht habe, von Thomas Kupferstein, von Maria Tello mit Anton und Emil Meencke und Johannes Paetzold. Über viele Jahre erhielt ich aus meinem Freundeskreis durch Carolin Bohlmann, Adele Boiger mit Andreas Eis, Sabine Bröck, Angelika Hüffell, Dorothea Ihme, Stephanie Jünemann mit Ralf Schmidt, Christine Petersen und Thomas Petersen mit Jens Dietrich, Emily Schalk und Karl-Heinz Tönges Zuspruch, nicht aufzugeben. Jochen Sprenger half mir, sämtliche technische Hindernisse während des Schreibens zu überwinden. Daniela Liebscher und Sven Arnold haben mich mit ihrer Begeisterung und Geduld für das Schreiben angesteckt. Durch sie entstand der Kontakt zu Carolin Vogel, mit der ich seither wundervolle Schreib-Retreats

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Anhang

verbringe. Ludolf Kuchenbuch hat meine letzten Zweifel ausgeräumt und war der Auslöser, dass ich mich dann endgültig meinem Promotionsthema zugewandt habe. Für die zahlreichen Hinweise und konstruktiven Fragen sowie für die akribische Durchsicht meines Manuskriptes danke ich meinem Doktorvater Przemyslaw Paul Zalewski und meiner Zweitgutachterin Jirina Lehmann sehr herzlich. Mein tiefer Dank geht zuletzt an Achim Unger, der meine Aufmerksamkeit am Ethnologischen Museum auf den ehemaligen Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln an unseren Sammlungsgegenständen lenkte, sein Wissen mit mir teilte, mir von Anfang an Mut zusprach, meine Diplomarbeit in englischer Sprache zu publizieren und mich immer wieder ermunterte, auch in widrigen Situationen den Blick und die Konzentration auf Fachfragen zu richten.

Register

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5.13 Register

A Aall, Hans 192, 207, 209, 218 Ankermann, Bernhard 133, 195, 279 B Bastian, Adolf 104, 106, 107, 108, 109, 111, 112, 113, 117, 120, 165, 234, 278, 323 Bolle, Johann 168, 176, 177, 178, 179, 180, 182, 185, 192, 197, 198, 205, 219, 232, 234 Brittner, Carl 81, 134, 142, 145, 148, 163, 188, 193, 196, 277 E Eichengrün, Arthur 135, 141 Eichhorn, August 141, 148, 151, 156, 162, 193 F Foy, Willy 81, 155, 168, 175, 176, 177, 178, 180, 181, 192, 198, 203, 205, 232 G Grünwedel, Albert 129, 133, 135, 149, 150, 153, 156, 165, 279 H Haber, Fritz 43, 45, 46, 47, 48, 136, 137, 142, 301 Hackman, Alfred 154, 192, 198 Harmer, Sidney 168, 187, 193 Heerdt, Walter 137, 143 J Junker, Max 129, 133, 276

K Kendrick, Albert Frank 167, 192 Kissenberth, Wilhelm 110, 113, 117, 280 Krause, Wilhelm Eduard Julius 80, 94, 120, 121, 123, 125, 128, 131, 132, 141, 144, 147, 148, 149, 150, 151, 154, 155, 156, 158, 183, 184, 192, 195, 198, 279 Krickeberg, Walter 127, 163, 195, 281 Kümmel, Otto 133, 188, 193, 277, 278, 280 L Le Coq, Albert von 280 Ledebur, Leopold Freiherr von 108, 111, 278 Lehmann, Walter 81, 281 Lösekrug, Heinrich August 124, 281 Luschan, Felix von 87, 88, 118, 153, 165, 192, 195, 197, 234, 279 M Meyer, Adolph Bernhard 168, 169, 171, 192, 232 Müller, Friedrich Wilhelm Karl 133, 280 N Nilsson, Axel 27, 153, 154, 172, 173, 180, 192 O Olfers, Ignaz Maria von 107, 111, 276 P Plenderleith, Harold James 193, 211, 212, 219, 232 Preuss, Konrad Theodor 153, 154, 193, 280

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R Rathgen, Friedrich 22, 60, 70, 81, 87, 128, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 156, 160, 161, 162, 163, 165, 166, 167, 180, 184, 185, 186, 192, 198, 199, 208, 217, 218, 232, 234, 277, 324 S Schachtzabel, Alfred 161, 162, 280 Schuchhardt, Carl 184, 280 Scott, Alexander 168, 192, 209, 210, 211, 214, 219, 232 Seler, Eduard 117, 133, 153, 279 Siebert, Hermann 124, 281 Snethlage, Heinrich Emil 127, 163, 195, 281 Steinen, Karl von den 77, 108, 109, 112, 165, 279 T Thilenius, Georg 82, 131, 141, 179, 180, 181, 182, 192, 202, 203, 204, 206, 232 V Voß, Albert 108, 116, 120, 278 W Waetzoldt, Wilhelm 81, 277 Z Zorn, Erich 81, 163, 196, 281