Rousseau, Kant, Goethe 9783787325955, 9783787310265

Die Auseinandersetzung mit Kant, Goethe und Rousseau ist für das Denken Cassirers durchgängig zentral und bestimmend für

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Rousseau, Kant, Goethe
 9783787325955, 9783787310265

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I.

ERNST CASSIRER

Rousseau, Kant, Goethe Herausgegeben, eingeleitet sowie mit Anmerkungen und Registern versehen von Rainer A. Bast

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 440

Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliogra­phi­­sche Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-1026-5 ISBN eBook: 978-3-7873-2595-5

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1991. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck­ papier, hergestellt aus 100 % chlor­frei gebleich­tem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.

INHALT

Einleitung. Von Rainer A. Bast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

Zur Edition und Textgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI

Tabellarischer Lebenslauf Ernst Cassirers . . . . . . . . . . XXIX Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV Ernst Cassirer Rousseau, Karrt, Goethe Kant und Rousseau (1939) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

Goethe und die Karrtische Philosophie (1944) . . . . . . . . . 63 Kant und Goethe (1924) ............................. 101 Rousseau (1939) .................................... 107 Anmerkungen des Herausgebers zu: Karrt und Rousseau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Goethe und die Karrtische Philosophie ............... 161 Kant und Goethe ................................... 183 Rousseau .......................................... 184 Literaturverzeichnis ................................ 185 Sachregister ........................................ 201 Personenregister .................................... 203

EINLEITUNG

Jahrzehntelang war Cassirers Philosophie im deutschsprachigen Raum wenig Beachtung vergönnt. Zwei Hauptgründe, ein äußerer und ein innerer, lassen sich dafür benennen: In Dautschland waren durch Cassirers frühe Emigration 1933 infolge der Herrschaft des Nationalsozialismus die Wirkungen seiner Philosophie in den folgenden 12 Jahren ganz erheblich eingeschränkt. Daß die ersten drei Bände des >Erkenntnisproblems< und die drei Bände der >Philosophie der symbolischen Formen< noch vor seiner Emigration erschienen waren, konnte das Rezeptionsverbot der Schriften des Juden Cassirer im NS-Deutschland nicht brechen. Zur fehlenden Wirkungsbreite mögen weiter beigetragen haben der mehrmalige Wechsel Cassirerscher Wirkungsstätten (1933 Oxford, 1935 Göteborg, 1941 New Haven und seit 1944 New York) und daß seine beiden Spätwerke während bzw. kurz nach dem Kriege und in englischer Sprache 1 erschienen sind. Ein innerer Grund für die geringe Rezeption in Deutschland liegt aber sicher auch in seiner Philosophie selbst. Cassirers Versuch einer kritischen Kulturphilosophie der symbolischen Formen ist sachlich auf die Durcharbeitung von und Illustration durch historisches wie rein problemorientiertes >Material< an Gedanken, Tatsachen, Untersuchungen in Literatur und Wissenschaft (vor allem zu Mythos und Sprache) angewiesen, dem Cassirer durch seine geniale Auffassungsgabe und sein exorbitantes Gedächtnis entsprechen konnte; aber manchesmal verstellt dieses >Material< die Cassirersche Theorie, zu der man sich Lag das 1946 erschienene Buch >The Myth of the State< schon 1949 in einer deutschen Übersetzung vor, so wurde der 1944 erschienene >Essay on Man< erst 1960 ins Deutsche übersetzt, 1990 wurde eine Neuübersetzung vorgelegt. Verkürzt wiedergegebene bibliographische Angaben sind im Literaturverzeichnis nachgewiesen. 1

VIII

Rainer A. Bast

durch die allerdings immer anregenden Sachdarstellungen hindurchgraben muß. 2 Cassirer erarbeitet seine Thesen neben der >Philosophie der symbolischen Formen< vorwiegend in kleineren, ideengeschichtlichen Arbeiten (zu Epochen 3 oder einzelnen Denkern?, von denen die meisten verstreut an abgelegenen Orten publiziert und deshalb schwer greifbar sind, und aus denen man sich seine Theorie- pointiert formuliert- herausdestillieren muß. Und vielleicht wurde Cassirers Philosophie in ihrer radikalen Andersheit gegenüber den großen Systemen der deutschen Philosophie sogar als undeutsch empfunden. Cassirers Programm einer historisch-kritischen Kulturphilosophie der symbolischen Formen fand in einem Nachkriegsdeutschland, das eher existentialistischen, phänomenologischen, hermeneutischen oder anthropologischen Tendenzen gegenüber offen war, wenig Beachtung, was schließlich durch die problematische Einordnung Cassirers in den als obsolet empfundenen Neukantianismus (als wesentlicher Teil der damals abgelehnten akademischen Universitätsphilosophie) noch verstärkt wurde. Daß die zwar in deutscher Sprache verfaßten ersten beiden Aufsätze dieses Bandes zuerst in englischer Übersetzung und nun erst, nach 46 Jahren, in Deutsch erscheinen, ist ein Beleg für die Rezeptionslage bei Cassirer. So gibt es bis heute keine Monographie zu Cassirer in deutscher Sprache (wenn man von einigen Dissertationen zu Spezialthemen absieht) - bei der Breite, dem Ideenreichtum, der gedanklichen Offenheit, der Gelehrtheit und dem Bes. in Bd 1 und 2 der >Philosophie der symbolischen FormenDas Erkenntnisproblern in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit< (4 Bde, 1906-1920, 1950). Weitestgehend rein problembezogen sind z. B. die Arbeiten >Substanzbegriff und Funktions begriff< (1910) und >Zur Logik der Ku!turwissenschaften< (1942). 2

Einleitung

IX

Umfang des Cassirerschen CEuvres (der größer ist als der von Kants CEuvre) ein kaum glaubliches Faktum. 6 Erst in den letzten Jahren hat eine intensivere Rezeption Cassirers in Deutschland eingesetzt.7 Mit dem Dreigestirn Jean-Jacques Rousseau (1712-1778), Immanuel Kant (1724-1804) und Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) sind drei ebenso bedeutende wie charakteristisch unterschiedliche Denker und Menschen genannt, die in dem Halbjahrhundert, das sie in ihren Todesjahren trennt, die gesamte nachfolgende Denk- und Geistesgeschichte tief prägten. Rousseau, ein einsamer, leidenschaftlicher, unruhig lebender Mensch und kompromißloser, zu Extremen neigender und von Idealisierungen hingerissener Denker, der die akademische Philosophie und deren Systeme ebenso ablehnt, wie er einen Naturund ethischen Freiheitsbegriff entwirft und damit (so Kant) zum >Newton der moralischen Welt< wird. Kant, der - sein Leben an einem einzigen Ort verbringend menschlich wie philosophisch streng-disziplinierte System-Philosoph und Aufklärer, der das gesamte Denken - auch und gerade durch eine neue Sprache- auf eine völlig neue Stufe klarer und deutlicher Rationalität hebt und System wie Synthese durch Analyse ohne Widersprüche erzeugt. Goethe, >dieses Ganze von Mensch und Werk< und der >einzige Mensch der Geschichte, der in Vollständigkeit sich verwirklicht hat< Gaspers), der Harmonie und Ganzheit- ohne sie zu verarmen oder in Mystizismus zu verfallen- durch den Widerspruch Dem entspricht, daß in den 1981 von 0. Höffe hrsg. zwei Bänden >Klassiker der Philosophie< Cassirer ebenso fehlt wie in den 1982 von N. Hoerster hrsg. beiden Bänden >Klassiker des philosophischen DenkensSymbol, Technik, SpracheÜber Ernst Cassirers Philosophie der symbolischen FormenCassirer. Symbolic Forms and Historyzurechtbringen< (Kant 8); >>Rousseausche Gedanken sind es, die in Goethe von früh an lebendig gewesen sind« (Cassirer9); und daß Kant auf Goethe in dessen späteren Lebensjahren gewirkt hat, ist für diesen >>Von großer BedeutungBulletin de Ia Societe francaise de Philosophie< 32, 1932, s. 45-85. 17 Z. B. im Kam-BuchS. 90-95, (238f.), 250f., in> Freiheitund Form< S. 174f. (>Goethe und Rousseau>) oder im Aufklärungsbuch S. 204-210, 346-367. 12

1l

XII

Rainer A. Bast

Mit Kant beschäftigt sich Cassirer nicht nur als mit einem der bedeutendsten Philosophen überhaupt; Cassirer ist mit Kant auch in zweifacher Hinsicht verbunden: Cassirers akademischer Lehrer und Doktorvater Hermann Cohen (1842-1918) war als Begründer und Haupt der Marburger Schule einer der wichtigsten Neukantianer und der einzige Mensch, von der Cassirers Frau sagte, er habe >Einfluß< auf Cassirer gehabt. 18 Zudem bekennt sich Cassirer öfters expressis verbis zum Idealismus 19 wie auch zur kritischen bzw. transzendentalen Methode. 20 Das führt dazu, daß Cassirer als zum Neukantianismus gehörig oder gar als Neukantianer gesehen und verstanden wird- eine Etikette, die schon als Ordnungsbegriff in Philosophie-Darstellungen problematisch, in bezug auf das eigentliche Anliegen des späteren Cassirer aber schlicht ungeeignet, ja eher ein Mißverständnis ist21 , wenn man auch zugeben muß, daß der frühe Cassirer noch stark unter Cohens Einfluß stand. 22 Und, nach Leibniz' >HauptT. Cassirer: Mein Leben mit Ernst Cassirer, 1981, S. 89. 19 Die deutlichste Stelle im Bd 1 der >Philos. d. symbol. FormenWas ist Subjektivismus?< (1939, S. 114): »Ich selbst bin oft als >Neu-Kantianer< bezeichnet worden und ich nehme diese Bezeichnung in dem Sinne an, daß meine gesamte Arbeit im Gebiete der theoretischen Philosophie die methodische Grundlegung voraussetzt, die Kant in der >Kritik der reinen Vernunft< gegeben hat. Aber viele der Lehren, die in der philosophischen Literatur der Gegenwart dem Neu-Kantianismus zugeschrieben werden, sind mir nicht nur fremd, sondern meiner eigenen Auffassung diametral-entgegengesetzt.Philosophischen Bibliothek< (1904-1906), gab Cassirer von 1912-1923 im Verlag seines Vetters Bruno Cassirer eine elfbändige Kant-Ausgabe heraus, die weil textkritisch die Erstdrucke stärker berücksichtigend, zuverlässig und mit der lesbareren Typographie - heute noch neben der Akademie-Ausgabe benutzt wird. Als Ergänzungsband der Ausgabe veröffentlicht Cassirer 1918 eine 450seitige Monographie über >Kants Leben und LehreKams Bedeutung für die deutsche Kultur< zu Cassirers Kam-Ausgabe zugesagt, doch gelangte der Band, deren Grundriß und Aufbau Cohen Cassirer noch wenige Tage vor seinem Tod am 4. April 1918 entwickelt hatte, nicht mehr zur Ausführung. Das Manuskript der Cassirerschen Kam-Monographie war schon im Frühjahr 1916 druckfertig gewesen; die Kriegsauswirkungen verhinderten aber die Drucklegung. In Exemplaren, die ein Werketitelblatt zu Cassirers Kant-Ausgabe eingebunden haben, ist dieses Werk als Band 11 und Ergänzungsband bezeichnet. 24 Cassirer war in den 20er Jahren auch viele Jahre sowohl Mitglied des Verwaltungs-Ausschusses als auch (bis zum Geschäftsjahr 1928/29) Leiter der Ortsgruppe Harnburg der Kam-Gesellschaft (siehe die Mitteilungen in den >Kam-StudienKant und das deutsche Geistesleben< (vom 15. und 22. 10. 1919), ein Vortrag über »Das Grundprinzip der Kamsehen Philosophie« (datiert mit: Harburg, 28. 1. 1920), eine Rede zum 200. Geburtstag Kants (vom 22. 4. 1924), eine Kieler Vorlesung >Kant und Goethe< (datiert mit: 28. 1. 1927), ein Lübecker Vortrag >Kants Stellung in der deutschen Geistesgeschichte< (datiert mit: 19. 10. 1929), eine Oxforder Vorlesung zu Kants Moralphilosophie (von 1933/34 ), Vorlesungsnotizen zu Kants Aufsatz >Was heißt Aufklärung?< (datiert mit: Uppsala 1934), >Kant und Rousseau< (datiert mit: Prag, 13. 12. 1936)26 , >Kant und die moderne Biologie< (datiert mit: Stockholm, 3. 2. 1939 und: Göteborg, 27. 10. 1940), ein Yale-Seminar zur Philosophie Kants (datiert mit: 9. 10. 1941), eine Yale-Vorlesung zu Kants Kausalitäts-Theorie (von 1943/44) und einem- von dem hier abgedruckten Vortrag >Goethe und die Kamische Philosophie< verschiedenen - Vortrag >Goethe und Kant< (datiert mit: Yale, 25. 1. 1944 ). Daneben geht Cassirer in zahlreichen anderen seiner Schriften auf Kant ein. Überhaupt gibt es nur wenige Cassirer-Texte, in denen Kant nicht zumindest genannt wird. Dieser Vortrag (im Cassirer-Nachlaß unter Bacon-N r 149) ist nicht identisch mit unserem, hier abgedruckten Text gleichen Titels von 1939. 26

Einleitung

XV

So wichtig für Cassirer Kant war und so nahe er ihm stand: näher noch stand Cassirer Goethe, mit dem ihn eine tiefe Gedanken- und Seelenverwandtschaft verband, ja auch wohl eine äußere Ähnlichkeit.27 Cassirers Witwe schrieb, daß sein »Verhältnis zu Goethe auf einer ganz anderen Grundlage beruhte wie sein Verhältnis zu den anderen großen Erscheinungen, mit denen seine Arbeit ihn verband«; sie spricht sogar von »leidenschaftlicher Liebe«, »liebender Bewunderung und dankbarer Rührung« und davon, daß »die unzähligen Goethe-Zitate [ ... ] allein den Blickpunkt bilden könnten, von dem aus Ernstens Charakter und Handlungsweise fast fehlerlos zu deuten wäre«. Und gewiß gilt diese >>Wesensverwandtschaft« auch in bezugauf Cassirers eigene Philosophie: »alles weist auf Goethe hin«. Bei einer mehrtägigen Reise nach Weimar zum Goethe-Haus im Mai 1905 hatte Cassirer Manuskripte und Bücher von Goethe gesehen und war »aufs tiefste« beeindruckt. 28 Zu Beginn seines Göteborger Goethe-Kurses im Oktober 1940 sagt er: >>Seit fast 50 Jahren habe ich nun wieder und wieder Goethe gelesen; ich habe vieles über ihn gelesen; ich habe Manches über ihn geschrieben und veröffentlicht; bei verschiedenen Gelegenheiten, u. a. auch hier in Göteborg, Goethe-Vorträge gehalten.« 29 Ein lange geplantes Goethe-Buch kam aber nicht zustande. 30 An Cassirerschen Goethe-Schriften sind neben den beiden im vorliegenden Band abgedruckten Texten zu nennen: - Freiheit und Form, 1916, Kap. 4: Goethe. Siehe T. Cassirer: Mein Leben mit Ernst Cassirer, 1981, S. 84, 86 und D. Gawronsky in: Ernst Cassirer, 1966, S. 17. Zum folgenden siehe T. Cassirer, a. a. 0., S. 83-89, 273. 2 8 T. Cassirer, a. a. 0., S. 83-87. 29 Der junge Goethe, TyposkriptS. 1. Cassirer will in diesem GoetheKolleg nicht als Philosoph oder Goethe-Philologe, sondern »rein als Goethe-Liebhaber« sprechen (a. a. 0., S. 7). Zu diesem Goethe-Kurs siehe T. Cassirer, a. a. 0., S. 272-274. 30 T. Cassirer, a. a. 0., S. 274. Als Sensation aber kann man es werten, daß vor kurzem von John Krois ein großes Goethe-Manuskript im Privatbesitz gefunden wurde, das die späteren Goethe-Vorlesungen vom März 1941 enthält. 27

XVI

Rainer A. Bast

- Goethes Pandora, 1918. Erneut in: Idee und Gestalt, 1921. Goethe und die mathematische Physik. Eine erkenntnistheoretische Betrachtung. In: Idee und Gestalt, 1921. Goethes Idee der Bildung und Erziehung, 1932. Goethe und die geschichtliche Welt, 1932. Darin: Goethe und die geschichtliche Welt Goethe und das 18. Jahrhundert, 1932 Goethe und Platon, 1922. - Der Naturforscher Goethe, 1932.31 - Thomas Manns Goethe-Bild. Eine Studie über >Latte in WeimarKant und Goethe< (s.o.), >Goethe und Kant< (s.o.), Goethe-Vorträge u. a. vor dem Londoner Bedford College (vomjan./Febr. 1935), Notizen und Aufzeichnungen zu >Goethe und Spinoza< und zu einem Oxforder Vortrag >Goethes Idee der inneren Form< (vom Febr. 1934) sowie ein 93seitiges Typoskript >Der junge Goethe< (datiert mit: Göteborg, 2. 10. 1940). Neben diesen Texten ist Goethe in wohl jeder Cassirer-Schrift präsent; sein Werk ist übersät mit (nicht selten ungekennzeichneten und meist ohne Fundstelle gegebenen) Goethe-Zitaten, wozu ihm sein phänomenales Gedächtnis, nicht seine so geliebte Weimarer Ausgabe verhalf. Cassirer »war durch das Goethesche Weltbild geformt« 32 und stand »zeitlebens [... ] im Bann der genialen Persönlichkeit Goethes« 33 ; die Übereinstimmung zwischen ihm und Goethe war so groß, daß sein Geist mit Goethe und in seinen Texten und Begriffen lebte. Trotz der oben zitierten Charakterisierungen seiner Witwe war Cassirers Verhältnis zu Goethe aber durchaus nicht von distanz- und kritikloser Blindheit. 34 Dieser angeblich im >Hamburger Fremdenblatt< erschienene Aufsatz ist weder in den USA (siehe die Cassirer-Bibliographie von Eggers/ Mayer, S. 141), noch in Deutschland in der angegebenen Fundstelle greifbar. 32 T. Cassirer, a. a. 0., S. 265. 33 D. Gawronsky in: Ernst Cassirer, 1966, S. 17. 34 Bes. deutlich in: Der junge Goethe, S. 8. 31

Einleitung

XVII

Nicht untypisch für das Weimarer Deutschland ist es wohl, daß Cassirer- als einer der besten Goethe-Kenner überhauptmit keinem Beitrag in den Festschriften und Festgaben zum Goethejahr 1932 vertreten ist. Auch hat er weder in der Hamburger Goethe-Gedächtnisfeier am 22. März 1932, noch in der Weimarer Reichsgedächtniswoche in der letzten Märzwoche 1932, noch vor dem Freien Deutschen Hochstift oder bei der ReichsGoethewoche in Frankfurt am Main vom 25.-28. August 1928 einen Vortrag gehalten 35 : Er wurde nicht einmal eingeladen.36 (Aus dem erweiterten Vorstand der Hamburger Ortsgruppe der Goethe-Gesellschaft war er 1930 oder 1931 ausgeschiedenY) Einen- selbst als Titel bislang unbekannten-Vortrag >Goethe als Befreier< hielt er aber bei der Gedenkfeier der Berliner Ortsgruppe der Goethe-Gesellschaft am 15. März 1932 im Charlottenburger Schiller-SaaP 8 und noch im Februar 1932 zwei Vorträge an der Pariser Sorbonne. 39 Im Goethe-Jahr 1932 publizierte Cassirer den Band >Goethe und die geschichtliche WeltVossische_n ZeitungNeuen Preußischen Kreuz-ZeitungIm Zeichen Goethes< ist mit >Junghans< unterzeichnet). 39 T. Cassirer, a. a. 0., S. 186. Es handelt sich um den Text >Goethe und das 18. Jahrhundert< und vermudich um >Goethe und die geschichtliche Welt>der gründlichste Kenner von Ernstens wissenschaftlicher Leistung« 41 , bewundert »Cassirers Begabung, sich in die individuellen Eigentümlichkeiten und Feinheiten vieler Denksysteme einzufühlen, ihre besonderen Züge nachzuzeichnen und ihre neuartigen und fruchtbaren Gedanken herauszustellen, aber auch ihre Schwächen und inneren Widersprüche aufzudekken«.42 In der Nachfolge Wilhelm Diltheys, der vor allem mit dem erstmals 1906 erschienenen, dann in vielen Auflagen erfolgreichen Band >Das Erlebnis und die Dichtung< die Dichter (in diesem Band waren es Lessing, Goethe, Novalis und Hölderlin) für eine neue, philosophische Deutung fruchtbar machte, stellt auch Cassirer Dichter ins Zentrum seiner ideengeschichtlichen Arbeit. 43 Ist aber Diltheys Methode vor allem durch die Begriffe >Erlebnis< und >Einfühlung< geprägt, so gebührt bei Cassirers geistes- und ideengeschichtlichen Arbeiten dem - wenn auch historisch vermittelten - >objektiven Sachgedanken< der Primat.44 Für bedeutende Figuren der europäischen Denkgeschichte (incl. auch ihrer naturwissenschaftlichen Dimension) gewann Cassirer mit seiner stupenden Gelehrtheit und bewunderungswürdigen Vielseitigkeit neue, originelle Interpretationen aus ihrem jeweiligen zeitgeschichtlichen Ambiente 45 oder im Vergleich 41

296f. 42

43

sing.

T. Cassirer, a. a. 0., S. 7; zu Gawronsky siehe a. a. 0., S. 120f. und In: Ernst Cassirer, S. 9. Vor allem Goethe, Schiller, Herder, Kleist, Hölderlin und Les-

Zu den Voraussetzungen von Cassirers Interpretationsmethode siehe kurz in R. A. Bast: Cassirers Rousseau-Interpretation. 45 Nicht selten schon im Titel deutlich wie z. B. bei: Kants Stellung in der deutschen Geistesgeschichte, 1929 (Nachlaß); Keplers Stellung in der europäischen Geistesgeschichte, 1930; Spinozas Stellung in der allgemei44

Einleitung

XIX

miteinander4 6 , die mit unbestrittener Meisterschaft in der Handhabe der Sache selbst wie ihrer Darstellung47 nicht selten gewichtige, weil neue Perspektiven eröffnende Beiträge oder gar Meilensteine in der Interpretationsgeschichte bilden und selbst Kritikern Respekt abfordern. Das gilt für seine >brillante Rousseau-Darstellung< (Herbert Dieckmann48 ) wie für seine originäre, gleichwohl aber »eigenartige Interpretation Kants« Qames Gutmann49 ) oder seinen »glasklaren Untersuchungen« (Heinz Kindermann 50 ) zu Goethe und seine »meisterliche Auslegung«, von der D. Gawronsky sagt, sie gehöre »ZUm Besten, was je über diese Dinge geschrieben wurde«. 51 Wer über das Verhältnis Kants zu Rousseau oder das Goethes zu Kant arbeitet, wird Cassirers Äußerungen dazu - obgleich er in beiden Fällen Vorgänger hat 52 -nicht umgehen können. nen Geistesgeschichte, 1932; Goethe und das 18. Jh., 1932; Thorilds Stellung in der Geistesgeschichte des 18. Jh.s, 1941. 46 Schon im Titel deutlich bei: Heinrich von Kleist und die Kamische Philosophie, 1919; Goethe und Platon, 1922; Die Kamischen Elemente in Wilhelm von Humboldts Sprachphilosophie, 1923; Kam und Goethe, 1924 und 1927 (Nachlaß); Die Idee der Religion bei Lessing und Mendelssohn, 1929; Leibniz und Jungius, 1929; Schiller and Shaftesbury, 1935; Descartes und Corneille, 1939; Descartes und die Königin von Schweden, 1939; Thorild und Herder, 1941; Newton and Leibniz, 1943; Kam und Rousseau, 1936 (Nachlaß) und 1939; Goethe und die Kautische Philosophie, 1944. 47 James Gutmann meint, »daß Cassirer jener verhältnismäßig kleinen Schar von Philosophen zugezählt werden muß, die zugleich Schriftsteller von Rang waren, und von den wenigen deutschen Philosophen, die diesen Titel verdienen« (in: Ernst Cassirer, 1966, S. 328). Der deutsche Philosoph Rudolf Eucken (1846-1926) hatte 1908 sogar den Nobelpreis für Literatur erhalten, 1927 der französische Philosoph Henry Bergson (1859-1941); Jean-Paul Sartre (1905-1980) lehnte den Preis 1964 ab. 48 An interpretation of the eighteenth century, 1954, S. 307. 49 In: Ernst Cassirer, 1966, S. 327. 50 Das Goethebild des 20. Jahrhunderts, 1966, S. 211. 51 In: Ernst Cassirer, 1966, S. 17. 52 Für das Verhältnis Kants zu Rousseau siehe R. A. Bast: Cassirers Rousseau-Interpretation. Für das Verhältnis Goethes zu Kam legt Kar!

XX

Rainer A. Bast

Großen Dank schulde ich den Herren Prof. Dr. Oswald Schwemmerund Dr. John Krois (beide Düsseldorf), die die Edition von Beginn an mit wichtigen Hilfen unterstützten und begleiteten. Wertvolle Hinweise danke ich den Herren Dr. Michael Albrecht (Newel-Beßlich), Dr. Heinrich P. Delfosse (Lorscheide), Dr. Gerard Dubrulle (Düsseldorf), Dr. Reinhard Finster (Hannover), Dr. Rolf Lachmann (Düsseldorf) sowie Dr. Bernd Ludwig (München). Zu danken habe ich auch der Yale University Press (New Haven, Conn.) für die Erlaubnis, die Cassirer-Texte abdrucken zu dürfen, sowie der Beinecke Rare Book and Manuscript Library an der Yale University (New Haven, Conn.) für die Erstellung von Kopien. Ich widme diese Edition Mirjana.

Vorländer Wert auf die Feststellung, daß er der erste gewesen sei, der dieses Verhältnis historisch wie systematisch in seinen Grundlagen behandelt hat (K. Vorländer: Kant, Schiller, Goethe, 1923, S. VII; ders.: Goethe und Kant, 1928, S. 233 ). Vorländer ergänzend siehe J. Cohn: Das Kantische Element in Goethes Weltanschauung, 1905, und G. Simmel: Kant und Goethe, 1906.

ZUR EDITION UND TEXTGESTALTUNG

1. Die Aufsätze >Kant und Rousseau< sowie >Goethe und die Karrtische Philosophie< erschienen zuerst 1945 in einer englischsprachigen Ausgabe. 1 Die von Cassirer in seinem Vorwort dankend als »excellent« bezeichnete (sie ist es in der Tat) englische Übersetzung aus dem Deutschen besorgten drei PhilosophieProfessoren an der New Yorker Columbia University: James Gutmann (1897-1988), Paul Oskar Kristeller ('; 1905) und John Hermann Randall jr. (1890-1980). Diese Ausgabe enthält auf S. V die Widmung: »To the memory I of my young friend I INGEBORG MÜLLER-RIEMER I February 14, 1908-September 20, 1938«. 2 S. XVII enthält ein Vorwort Cassirers, das hier vom Hrsg. übersetzt und im Auszug wiedergegeben ist: »Die beiden Aufsätze in diesem kleinen Buch handeln von verschiedenen Gegenständen, aber sie haben ein gemeinsames Thema. Sie versuchen, aus unterschiedlichen Perspektiven die Kultur des 18. Jahrhunderts und- um einen Ausdruck Whiteheads zu gebrauchen- das >Meinungsklima< [climate of opinion3], aus dem diese Kultur hervorging, zu veranschaulichen. Ich habe diesen Gegenstand detaillierter in meinem Buch >Die Philosophie der Aufklärung< behandelt. Während ich eine neue Ernst Cassirer: Rousseau, Kant, Goethe. Two Essays. Translated from the German by James Gutmann, Paul Oskar Kristeller, and John Hermann Randall jr. Princeton: Princeton University Press 1945 (=History of Ideas Series; 1). 2 T. Cassirer schreibt in: Mein Leben mit Ernst Cassirer, S. 222: Cassirers Widmung an Ingeborg Müller-Riemer an dieser Ausgabe gehörte »zu den allerletzten Dingen, die Ernst vor seinem Tode aufschrieb«. Das >Preface< Cassirers ist mit >>Üctober 1944« datiert. 3 Alfred North Whitehead gebrauchte diesen Ausdruck in >Science and the Modern World«, Kap. I, Absatz 7. Dort schreibt Whitehead jedoch zu diesem Ausdruck: »to use the happy phrase of a seventeenth century writer«. 1

XXII

Zur Edition und Textgestaltung

und überarbeitete englische Ausgabe dieses Werkes vorbereite, das in naher Zukunft erscheinen wird, habe ich die Hoffnung, diese Aufsätze möchten als eine Art Einleitung zu dem größeren Band gelesen werden. Ich nehme die Gelegenheit wahr, den Herausgebern und Verwaltern von Princeton University Press meine Dankbarkeit auszudrücken, die sich zur Publikation dieser englischen Ausgabe unter den gegenwärtig schwierigen Umständen entschlossen haben ... « Da diese englischsprachige Ausgabe noch unter Cassirers Aufsicht zustandekam, muß sie als autorisierte Ausgabe gelten. Grundlage für die Texte der vorliegenden Edition der Aufsätze •Kam und Rousseau< und •Goethe und die Kamische Philosophie< sind die Typoskripte, die wie die Manuskripte in deutscher Sprache verfaßt sind und im Cassirer-Nachlaß in der Beinecke Rare Book and Manuscript Library von Yale University (New Haven, Connecticut) verwahrt werden. Eine Durchschrift des Typoskripts >Kant und RousseauKant und Rousseau< Das Typoskript\ eineinhalbzeilig auf weißem Papier des amerikanischen Formats 8V2 mal 11 inches, umfaßt 64 einseitig beschriebene Blatt in einer dunkelblauen Mappe, ehemals dreifach mit Heftklammern geheftet. Auf dem Vorderumschlag steht in zwei Zeilen: »CASSIRER I KANT UND ROUSSEAU«. Auf dem 1. Blatt ist auf der Vorderseite zu lesen: »Mrs Toni Cassirer I 839 West End Ave.«. Das Typoskript ist von S. 2 bis 64 paginiert. Bei der Paginierung ist (wohl versehentlich) die Seite 9 ausgelassen worden: Neben Pagina 10 heißt es handschriftlich: Im Cassirer-Nachlaß trägt es nach der Ordnung durch den Logiker John Bacon die Nr 216. 4

Zur Edition und Textgestaltung

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»=Forts. 8«. AufS. [1] lauten die beiden ersten, unterstrichenen Zeilen: >>Kant und Rousseau I Von Ernst Cassirer.« S. 63-64 enthalten die hier mitabgedruckten »Belegstellen und LiteraturHinweise«. Das Typoskript trägt aufS. 62 unten links die geklammerte Datierung: »61V -141V 39«. Das Manuskript 5 umfaßt 46 Blatt und ist (meist spiegelverkehrt) auf die Rückseite des Typoskriptes zum Axel-Hägerström-Aufsatz6 geschrieben/ Die Vorderseite eines Blattes enthält eine mit einem Voltaire-Zitat beginnende »Vorrede«, die im Typoskript fehlt; möglicherweise handelt es sich also bei diesem Text >Kam und Rousseau< um einen Vortrag. Das Manuskript ist aufS. 95 unten links mit >>14N 39.« datiert- offensichtlich das Datum des Manuskript-Abschlusses. >Goethe und die Kamische Philosophie< Bei dem Typoskript in der Beinecke Library handelt es sich um einen Durchschlag von 47 paginierten, einseitig beschriebenen Blättern in amerikanischem Format. 8 Dem Typoskript in derselben Mappe beigelegt ist ein Blatt, das auf einer Seite 20 Zeilen Korrektur- und Überprüfungshinweise von fremder Hand in Tinte enthält; auf derselben Seite unten steht in Bleistift von Cassirers Hand: »27 Anmerkungen kontrollieren«; vor allem die Seitenzahlen zeigen, daß sich dieser Korrektur- bzw. Überprüfungszettel auf das Manuskript bezieht. Dieses befindet sich mit 40 Blatt in einer Mappe, auf dessen vorderem Hartdeckel steht: »Goethe und die Kamische Philosophie I Manuscript and Typescript I Germ. Club. Yale Febr. 1944«. Der Text des Manuskriptes trägt aufS. [1] abweis Im Nachlaß unter Bacon-Nr 84. Im Nachlaß unter Bacon-Nr 85. 7 Bei einigen Seiten handelt es sich um Durchschläge dieses Hägerström-Typoskriptes, zu dem einige Seiten fehlen. Einer der Durchschlagseiten (das unpaginierte Titelblatt des Hägerström-Typoskriptes, das auf der Rückseite dieS. 81 des Manuskriptes >Kant und Rousseau< bildet), trägt rechts oben in Cassirers Hand mit Bleistift die Kennzeichnung: »2ter Durchschlag«. 8 Typoskript und Manuskript tragen die Bacon-Nr 217. 6

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Zur Edition und Textgestaltung

chend vom Typoskript den Titel >Goethe und KantKant hat nie von mir[ ... }.« Die englische Ausgabe hat am Schluß von >Goethe and the Kantian Philosophy< noch einen mit >Sources and Literature< betitelten Abschnitt (wie bei >Kant und Rousseau< auch), der im Nachlaß beim Typoskript zu >Goethe und die Kamische Philosophie< fehlt. Er ist hier- ins Deutsche übersetzt- ebenfalls an den Schluß dieses Textes gestellt. Beide Typoskripte sind in gutem Textzustand 10 ; für Cassirers Verhältnisse enthalten diese Texte auch überdurchschnittlich Bei diesem Herrn Bluhm handelt es sich vielleicht um Heinz Siegfried (Werner) Bluhm, laut dem >Historical Register of Yale University 1937-1951Kant und Goethe< und >RousseauKant und Rousseau< auch doppelte Unterstreichungen, in >Goethe und die Kantische Philosophie< Sperrung. Diese drei Hervorhebungsarten sind einheitlich durch Kursivierung wiedergegeben. Hervorhebungen Cassirers von Namen und fremdsprachlichen Wendungen - ohnehin uneinheitlich - sind nicht übernommen. - Cassirer verwendet in den Typoskripten nur doppelte: » «, nicht (auch) einfache: >< Anführungszeichen, was zu einigen Stellen-Konkordanzen geben für Kant Hinske/Weischedel mit der >Kant-SteinkonkordanzKonkordanz zu Goethes Werken< von A. Märkisch, 1973. 13 Unbedeutende Abweichungen z. B. nur in der Interpunktion oder der Orthographie sind aber in der Regel nicht eigens mitgeteilt, z. B.: giebt/gibt, gesinnet/gesinnt, Wolfarth/Wohlfahrt. 12

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XXVII

Zweifelsfällen führt, in denen es sich um die Kennzeichnung eines (Kurz-)Zitates oder aber um die Kennzeichnung metaphorischer Rede bzw. eine Hervorhebung handeln kann. Werketitel sind bei Cassirer mit Anführungszeichen versehen; wo sie im Typoskript in eindeutigen Fällen fehlen, sind sie hier stillschweigend ergänzt. - In beiden Typoskripten gibt es einige Änderungen von Cassirers Hand (in einem Fall von fremder Hand, vermutlich von Cassirers Frau), bei denen es sich fast ausschließlich um die Korrektur von Tippfehlern oder um unbedeutende stilistische bzw. grammatische Änderungen handelt. Alle Änderungen sind übernommen, im zweitgenannten Fall in Herausgeberanmerkungen vermerkt. Im Typoskript nicht korrigierte, aber offensichtliche Tippfehler sind stillschweigend korrigiert. 14 Sprachliche Eigenarten Cassirers wurden jedoch belassen. 15 - In den Fußnoten Cassirers und in den Anmerkungen des Herausgebers stehen für wiederholt genannte Werkausgaben folgende Abkürzungen (ausführliche bibliographische Angaben s. Literaturverzeichnis): AA Kant, Immanuel: Gesammelte Schriften (Akademie-Ausgabe) CA Kant, Immanuel: Werke (Cassirer-Ausgabe) ROC Rousseau, Jean-Jacques: CEuvres completes WA Goethe, Johann Wolfgang von: Werke (Weimarer Ausgabe) 2. Für die beiden kurzen Stücke >Kant und Goethe< und >Rousseau>Yerwandschaft«, »Wagschale« oder »Eudämonismus«; hin und wieder fehlen bei Zitaten die An- oder Abführungszeichen, etc. 15 Z. B. die Getrenntschreibung von »mit einander«, irgend einer«. 14

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- Rousseau. In: Die Philosophie des XVII. und XVIII. Jahrhunderts [darin: Teil V: Französische Philosophie des 18ten Jahrhunderts, Teil I: Rousseau]. Paris: Hermann 1939. (=Actualites scientifiques et industrielles; 841) (=Philosophie. Cronique annuelle, publiee par !'Institute international de Collaboration philosophique; 5); S. 77-81.

TABELLARISCHER LEBENSLAUF ERNST CASSIRERS

28. Juli 1874. Geburt in Breslau als 4. Kind einer wohlhabenden jüdischen Kaufmannsfamilie. 1892 Nach glänzendem Abitur Beginn des Studiums der Rechtswissenschaft in Berlin. Bei Wechseln an die Universitäten Leipzig und Heidelberg auch Fachwechsel: Philosophie und Dt. Literaturwissenschaft mit weitreichenden Literaturstudien, auch Mathematik, Biologie und Physik. Herbst 1892 bis Oktober 1902 Wohnung in München. 1894 hört er bei Georg Simmel (1858-1918) Vorlesungen über Kant. 1896 Hörer in Marburg bei Hermann Cohen (1842-1918). 1899 Promotion in Marburg bei Cohen mit der Dissertation Descartes' Kritik der mathemat. u. naturwiss. Erkenntnis. Note: opus eximium; 1902 Abdruck in Leibniz' System in seinen Grundlagen. 1901 Er lernt seine Kusine Toni Bondy, Tochter eines wohlhabenden jüdischen Industriellen in Wien, kennen. 1902 Leibniz' System in seinen Grundlagen. 16. 9. 1902 Heirat mit Toni Bondy (1883-1961). Oktober 1902 bis Oktober 1919 Wohnung in Berlin. 1905 Im Mai Reise nach Weimar mit Besichtigung des GoetheHauses. Habilitationsversuche in Berlin und Straßburg scheitern, einen Göttinger Plan gibt er auf. 1906 26. Juli. Der 2. Habilitationsversuch in Berlin gelingt gegen Carl Stumpf (1848-1936) und Alois Riehl (1844-1924) mit Hilfe des emeritierten Wilhelm Dilthey (1833-1911). Das Erkenntnisproblem in der Philosophie und Wissenschaft der neueren Zeit, Bd 1.

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Tabellarischer Lebenslauf

1907 Erkenntnisproblem, Bd 2.

Cassirers Kolleg in Berlin ist das bestbesuchte der gesamten Philos. Fakultät, obwohl er als Privatdozent kein Prüfungsrecht besitzt; aber kein Mitglied der Philos. Fakultät besucht seine Berliner Vorträge. 1910 Substanzbegriff und Funktionsbegriff 1912-1923 Herausgabe einer 11 bändigen Kant-Ausgabe. 1913 Frühjahr. Einladung des Department of Philosophy and Psychology of Harvard University, Cambridge (Mass.) als Gastprofessor für ein Jahr. Cassirer lehnt diese Einladung in Unkenntnis ihrer Bedeutung ab. 1914-1918 Im Ersten Weltkrieg ist Cassirer vom Militärdienst krankheitsbedingt befreit. 1916 Freiheit und Form. Cassirer wird als Ziviler in die Französische Sektion des Kriegspresseamtes berufen. 1918 Kants Leben und Lehre. 1919 Juni. Berufung als Professor an die neugegründete Universität Hamburg. Sommer 1919 entdeckt er für sich die Bibliothek Warburg in Hamburg, eine einzigartige kulturgeschichtliche Sammlung. Oktober 1919 bis März 1933 Wohnung in Hamburg. 1920 Erkenntnisproblem, Bd 3 (Bd 4 erscheint 1950 in Eng1921 Idee und Gestalt. [lisch). Zur Einstein'schen Realitivitätstheorie. 1923 Philosophie der symbolischen Formen, Bd 1: Die Sprache. 1925 Philosophie der symbolischen Formen, Bd 2: Das mythische Denken. 1927-1933

Wende in Cassirers Denken hin zu Fragen der Ethik und Politischen Philosophie. Cassirer gewinnt Anerkennung über philosophische Fachkreise hinaus. 1927 Oktober. Vortragsreihe im King's College, London. 1928 Juni. Berufung nach Frankfurt am Main, die er ablehnt.

Tabellarischer Lebenslauf

1929

1930 1931 1932

1933

XXXI

11. August 1928 Festrede zum Verfassungstag: Die Idee der republikanischen Verfassung. Philosophie der symbolischen Formen, Bd 3: Phänomenologie der Erkenntnis. Cassirer steht auf dem Höhepunkt seiner akademischintellektuellen Laufbahn. 17. März bis 6. April1929 Davoser Hochschulkurse: Disputation mit Martin Heidegger (1889-1976). Frühjahr 1929 wird Cassirer (für 1 Jahr) mit großer Stimmenmehrheit zum Rektor der Universität Harnburg gewählt. 7. November 1929 Übernahme des Rektorats mit dem Vortrag Formen und Wandlungen des philosophischen Wahrheitsbegriffs. Form und Technik. Mythischer, ästhetischer und theoretischer Raum. Goethe und die geschichtliche Welt. Die Philosophie der Aufklärung. Die Platonische Renaissance und die Schule von Cambridge. Das Problem ]ean-]acques Rousseau. Wesen und Werden des Naturrechts. Februar 1932. Zum Goethe-Jahr zwei Goethe-Vorträge an der Sorbonne und ein Rousseau-Vortrag mit Diskussion vor der Societe de Philosophie. Henri Bergsans Ethik und Religionsphilosophie. 12. März 1933 Abreise aus Hamburg: Basel, Zürich, Bellagio am Corner See, Zürich. Nach Zwischenaufenthalt vom 23. April bis 2. Mai in Harnburg am 2. Mai 1933 endgültige Abreise aus Deutschland über Zürich nach Wien. Mitte 1933 erhält Cassirer Einladungen vom All Souls College in Oxford (England), von der Universität Uppsala (Schweden) und der New Yorker University in Exile, von denen er die erste annimmt. September 1933 Ankunft in Oxford nach Abreise aus Wien über die tschechische Grenze, Antwerpen, Ostende.

XXXII

Tabellarischer Lebenslauf

1934 Ferienreise nach Wien, danach 2 Wochen in Stockholm und 6 Wochen Uppsala für eine Vortragsreihe. Von Göteborg aus Rückreise nach Oxford. Die Bibliothek Warburg übersiedelt nach London. Das Bedford College for Women in London macht Cassirer zum Honorary Member. Mai,Juni 1934 wird Cassirers Stelle im letzten Moment um 1 Jahr verlängert. Juli 1934 Festschrift für Cassirer: History and Philosophy. 1935 Im Frühjahr Vorträge in Glasgow, im Juni Reise nach Wien. September 1935 Cassirer übernimmt in Göteborg (Schweden) eine Professur. Er erhält die Ehrendoktorwürde der Juristischen Fakultät der Universität Glasgow und wird Ehrenmitglied der Göteborger Vetenskaps och Vitterhets-Samhälle. 1936 Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik. Ernsthafte Herzerkrankung. 1938 Zur Logik des Symbolbegriffs. 1939 Axel Hägerström. Descartes. Naturalistische und humanistische Begründung der Kulturphilosophie. Was ist Subjektivismus? 2. Juni 1939 Erlangung der schwedischen Staatsbürgerschaft. 1940 Nach seiner Emeritierung hält er an der Hochschule einen Kurs über >den jungen Goethe>melancholischen Temperaments« gegeben, das er seinen »Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen« eingefügt hat. Es leidet kaum einen Zweifel, daß Rousseau zu diesem Bilde des »Melancholikers« wesentliche Züge beigetragen hat. >>Der Mensch von melancholischer Gemütsverfassung bekümmert sich wenig darum, was andere urteilen, was sie für gut oder wahr halten, er stützt sich deshalb blos auf seine eigene Einsicht. Weil die Bewegungsgründe in ihm die Natur der Grundsätze annehmen, so ist er nicht leicht auf andere Gedanken zu bringen; seine Standhaftigkeit artet auch bisweilen in Eigensinn aus. Er sieht den Wechsel der Moden mit Gleichgültigkeit und ihren Schimmer mit Verachtung an ... Er hat ein hohes Gefühl vor der Wurde der menschlichen Natur. Er schätzt sich selbst und hält den Menschen für ein Geschöpf, das da Achtung verdienet. Er erduldet keine verworfene Untertänigkeit und atmet Freiheit in einem edlen Busen. Alle Ketten, von denen vergoldeten an, die man am Hofe trägt, bis zu dem schweren Eisen der Galeerensklaven sind ihm abscheulich. Er ist ein strenger Richter seiner selbst und anderer und nicht selten seiner sowohl als der Welt überdrüssig. «12 All dies ist nicht nur für Kants individuelle Auffassung charakteristisch, und es bietet mehr als ein bloß-biographisches Interesse. Er liefert uns einen wichtigen ideengeschichtlichen Hinweis, denn es zeigt eine Seite von Rousseaus Wirken, die in dem traditionellen Bild, das wir uns von seinem Einfluß auf die moderne Geistesgeschichte zu machen pflegen, mit Unrecht vernachlässigt wird. Dieses traditionelle Bild ist historisch durch die »Genieperiode« und durch die Romantik geformt worden. In 11

12

Reveries [,Spaziergang] VI, S. 280. [ROC, Bd 1, S. 1059]40 [CA, Bd] II, [S.] 261. [AA, Bd 2, S. 221] 42

Kant und Rousseau

15

Deutschland war es die Generation des >>Sturmes und Dranges«43, die in Rousseau ihren Ahnherrn und ihren Schutzherrn sah. Er galt ihr als der Verkünder eines neuen Naturevangeliums und als der Denker, der die Urgewalt des Gefühls und der Leidenschaft wiederentdeckt und sie von jedem Zwange, vom Zwange der Konvention sowohl wie von dem der >>Vernunft«, freigesprochen hatte. Auch die moderne Kritik hat nicht selten diese Auffassung angenommen, und sie hat auf sie alle Anklagen gestützt, die sie wider den Schwärmer und Phantasten Rousseau gerichtet hat. 44 Aber in den sechziger Jahren des achtzehnten Jahrhundertsin jener Epoche, die für die Einwirkung Rousseaus auf Kant entscheidend war- sah man seine Lehre in einem anderen Lichte. Für diese Epoche war Rousseau nicht in erster Linie der Wiederhersteller der Rechte des Gefühls, der Apostel der »Empfindsamkeit«45, sondern er war, wie Kant ihn nennt, der»Wiederhersteller der Rechte der Menschheit«. 46 Nicht nur Kant, sondern auch Lessing47 hat so geurteilt. Er, der besonnenste und männlichste Geist der Zeit, war sicher nicht geneigt, sich vom Taumel des Gefühls fortreißen zu lassen und der »EmpfindsamkeitNewton sah zu allererst Ordnung und Regelmäßigkeit mit großer Einfachheit verbunden, wo vor ihm Unordnung und schlimm gepaarte Mannigfaltigkeit anzutreffen war, und seitdem laufen Kometen in geometrischen Bahnen. Rousseau entdeckte zu allererst unter der Mannigfaltigkeit der menschlichen angenommenen Gestalten die tief verborgene Natur des Menschen und das versteckte Gesetz, nach welchem die Vorsehung durch seine Beobachtungen gerechtfertigt wird. Vordem galt noch der Einwurf des Alphonsus und Manes. Nach Newton und Rousseau ist Gott gerechtfertigt, und nunmehr ist Pope's Lehrsatz wahr.« 21 Es kann, auf den ersten Blick, kaum etwas Seltsameres geben als den Vergleich, den Kant hier durchführen will. Denn wo kann hier das »tertium comparationis« liegen? Rousseau ist niemals als empirischer Forscher aufgetreten, der den Anspruch erhebt, das Dasein und Leben der Menschen auf allgemeine Gesetze zurückzuführen, die sich exakt erkennen und formulieren lassen. Das achtzehnte Jahrhundert lebte in dem Glauben an Vernunft und Wissenschaft, und es sah in beiden >>des Menschen allerhöchste Kraft>wahren« Natur, seiner eigentlichen und ursprünglichen Bestimmung zuwider ist. So faßt Kant den Begriff des »homme nature!« niemals im rein physischen oder historischen Sinn, sondern im ethischen und teleologischen Sinn. Das wahrhaft Bleibende in der menschlichen Natur ist ihm nicht ein Zustand, den sie einmal besessen hat und von dem sie abgefallen ist; sondern es ist das, wofür und wozu sie ist. Es ist eine Konstanz nicht des Seins, sondern des Sollens. Und dem Ethiker Rousseau rühmt Kant es nach, daß er hinter allen Entstellungen und Verhüllungen, hinter allen Masken, die der Mensch sich geschaffen und die er im Lauf seiner Geschichte getragen hat, wieder den >>wahren Menschen>Indem ich in der Tugendlehre jederzeit dasjenige historisch und philosophisch erwäge, was geschieht, ehe ich anzeige, was geschehen sol/« 73 , -so sagt Kant in der Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesungen für das Jahr 1765/66- »SO werde ich die Methode deutlich machen, nach welcher man den Menschen studieren muß, nicht allein denjenigen, der durch die veränderliche Gestalt, welche ihm sein zufälliger Zustand eindrückt, entstellt und als ein solcher selbst von Philosophen fast jederzeit verkannt worden, sondern die Natur des Menschen, die immer bleibt, und deren eigentümliche Stelle in der Schöpfung«.23 Nach Kant haben gerade die Empiriker unter den Philosophen, die ihre Belehrung der Erfahrung entnehmen und das Wissen vom Menschen auf die Geschichte seiner bisherigen Entwicklung gründen wollen, diese Aufgabe verfehlt. Sie sahen nur das Veränderliche und Zufällige, nicht das Wesentliche und Bleibende. Für dieses >>Wesentliche«, das nach Kant in der ethischen, 23

[CA, Bd] II, [S.] 326. [AA, Bd 2, S. 311]

Kant und Rousseau

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nicht in der physischen Natur des Menschen besteht, hat ihm Rousseau den Blick geschärft - und deshalb begrüßt er seine Betrachtungsweise als eine neue Epoche im Denken der Menschheit, als »eine schöne Entdeckung unserer Zeiten«, die den Alten gänzlich unbekannt gewesen.2 4 Aber freilich standen einem Denker wie Kant für die Durchführung seiner Aufgabe ganz andere Begriffsmittel zur Verfügung, als sie Rousseau besaß. Er, der Schüler Newtons, wollte auch die Metaphysik zwar nicht auf Erfahrung gründen, sie aber im Bereich möglicher Erfahrung festhalten; er forderte, daß sie sich überall auf vorhandene und gesicherte Phänomene stütze und eine strenge Analyse dieser Phänomene durchführe. »Es ist noch lange die Zeit nicht« - so erklärt Kant im Jahre 1763 in seiner >>Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral«- >>in der Metaphysik synthetisch zu verfahren; nur wenn die Analysis uns wird zu deutlich und ausführlich verstandenen Begriffen verholfen haben, wird die Synthesis den einfachsten Erkenntnissen die zusammengesetzten, wie in der Mathematik unterordnen können.«~~ Aus dieser methodischen Grundüberzeugung heraus muß Kant Rousseau überall dort dieN achfolge verweigern, wo dieser rein konstruktiv vorgeht - wo er den angeblichen »Naturzustand« als ein gesichertes Faktum behandelt, aus dem er seine Folgerungen zieht. Die Metaphysik darf sich nicht auf ersonnene oder hypothetisch-erdichtete Fakten stützen, sie muß mit dem Gegebenen, mit dem empirisch-Gesicherten beginnen. Und gegeben in diesem Sinne ist uns nur der Mensch der Kultur, nicht der Rousseausche Wilde, der einsam in den Wäldern streift. Hier muß also Kant, auch wenn er den Wert des Problems, das Rousseau aufgeworfen hat, nicht verkennt, die Methode seiner Betrachtung umkehren. >>Rousseau« - so erklärt er - >>verfährt synthetisch und fängt vom natürlichen Menschen an, ich verfahre analytisch und fange vom gesitteten an.« 26 Dieser Anfang 24

2s 26

Ibid. [Bd] li, [5.]326. [AA, Bd 2, 5. 312)7. [CA, Bd] li, [5.]191. [AA, Bd 2, 5. 290] Fragm., [Bd] VIII, [5.]613. [AA, Bd 20, 5. 14]

Kant und Rousseau

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ist geboten, weil im Begriff des Menschen die Gesittung kein bloß nebensächliches oder zufälliges Merkmal ausmacht, sondern sein eigentliches Wesen, seinen spezifischen Charakter, bezeichnet. Wer die Tierheit studieren will, muß vom wilden Zustand ausgehen; wer aber den Menschen erkennen will, muß ihn in seiner schöpferischen Kraft und in seiner schöpferischen Leistung, d. h. in seiner Kultur, betrachtenY Aber wenn in diesem Sinne der Ethiker das »Faktum der Kultur« zugeben und zu Grunde legen muß - ebenso wie Kant in seiner Theorie der Erkenntnis vom »Faktum« der Mathematik77 und der mathematischen Naturwissenschaft ausgegangen warso bedeutet dies nicht, daß er sich die Kritik eben dieses Faktums verbietet. Er will und er muß auch hier das Zufällige vom Notwendigen scheiden - und in dieser Scheidung sieht Kant die wichtigste Aufgabe 78 der Philosophie. »Wenn es irgend eine Wissenschaft gibt«- so erklärt Kant mit dem höchsten Selbstgefühl des kritischen Denkers - »die der Mensch wirklich bedarf, so ist es die, welche ich lehre, die Stelle geziemend zu erfüllen, welche dem Menschen in der Schöpfung angewiesen ist und aus der er lernen kann, was man sein muß, um ein Mensch zu sein. Gesetzt, er hätte über sich oder unter sich täuschende Anlockungen kennen gelernt, die ihn unvermerkt aus seiner eigentümlichen Stellung gebracht haben, so wird ihn diese Unterweisung wiederum zum Stande des Menschen zurückführen, und er mag sich alsdann auch noch so klein oder mangelhaft finden, so wird er doch für seinen angewiesenen Punkt recht gut sein, weil er gerade das ist, was er sein soll.«2s Der >>angewiesene Punkt« für den Menschen liegt nach Kant nicht 80 in der Natur allein; denn er soll sich über sie, über alles bloß vegetative oder tierische Leben erheben. Aber 81 ebensowenig liegt er über die Natur hinaus, in etwas schlechthin-Jenseitigem und Transcendentem. Der Mensch soll die eigentliche Regel seines Daseins und seines Verhaltens weder unter sich, noch über Reflexionen Kants zur kritischen Philosophie. Hg. von Benno Erdmann, Lpz. 1882, No. 648; [Bd] I, [S.] 205. [AA, Bd 15, S. 555h 28 Fragm., [Bd] VIII, [S.] 624f. [AA, Bd 20, S. 45f.}9 27

Kam und Rousseau

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sich suchen; er soll sie sich selbst entnehmen und sich nach seiner eigenen freien Willensbestimmung gestalten. Hierzu bedarf er zugleich des Lebens in der Gesellschaft, wie der inneren Freiheit gegenüber dem, was sie als Norm aufgestellt und der selbständigen Kritik ihrer konventionellen Güter. »Rousseau«- so erklärt Kant noch nach Abschluß seines kritischen Systems in der »Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht« (1784)- »hatte so Unrecht nicht, wenn er den Zustand des Wilden vorzog, sobald man nämlich die letzte Stufe, die unsere Gattung noch zu ersteigen hat, wegläßt. Wir sind in hohem Grade durch Kunst und Wissenschaft kultiviert. Wir sind zivilisiert bis zum Überlästigen zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns schon für moralisiert zu halten, daran fehlt noch sehr viel ... Solange ... Staaten alle ihre Kräfte auf ihre eitlen und gewaltsamen Erweiterungsabsichten verwenden, und so die langsame Bemühung der inneren Bildungsart ihrer Bürger unaufhörlich hemmen, ... ist nichts von dieser Art zu erwarten, weil dazu eine lange innere Bearbeitung jedes gemeinen Wesens zur Bildung seiner Bürger erfordert wird. Alles Gute aber, das nicht auf moralisch-gute Gesinnung gepfropft ist, ist nichts als lauter Schein und schimmerndes Elend.« 29 Durch diese Weiterführung von Rousseaus Grundgedanken hat Kant sie von einer Zweideutigkeit befreit, die ihrem Verständnis seit jeher entgegengestanden hat und die ihm 83 noch heute entgegensteht. Bei Rousseau selbst ist es nie zu völliger Klarheit darüber gekommen, inwieweit sein Begriff des Naturzustandes eine »Idee« und inwieweit er eine »Erfahrung« ist. 84 Er schwankt beständig zwischen einer faktischen und einer reinideellen Auffassung. 85 Im Vorwort zu seinem »Discours sur l'origine et !es fondements de l'inegalite>Ü homme, de quelque contn~e que tu sois«- so erklärt er- »quelles que soient tes opinions, ecoute: voici ton histoire, teile que j'ai cru Ia Iire, non dans !es livres de tes semblables qui sont menteurs, mais dans Ia nature, qui ne ment jamais.Contrat social« - »Menschen zusammenzubringen; es gibt nur eine, um sie wahrhaft zu einen. Deshalb gebe ich in diesem Werk nur eine Methode für die Bildung der politischen Gesellschaften, obwohl es vielleicht in der Fülle der Verbände 144 , die gegenwärtig unter diesem Namen bestehen, nicht zwei gibt, die auf dieselbe Weise entstanden sind, und nicht eine einzige, die sich in der von mir angegebenen Weise gebildet hat. Aber ich suche hier nach dem Recht und dem Grund der Gesellschaft und streite nicht um Tatsachen« (je re42 Vgl. Vaughan in der Vorrede zu seiner Ausgabe der »Political Writings«, Vol. I, p. 22.14o

Kant und Rousseau

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eherehe le droit et la raison et ne dispute pas des faits). 43 Aber dieser Verzicht Rousseaus hat nicht verhindert, daß die historische Rechtsschule 146 den Sozialvertrag als eine geschichtliche Tatsache angesehen und als solche kritisiert und verworfen hat, und noch heute besteht unter seinen Kritikern keine Einigkeit über diesen Punkt. 44 In der Tat fehlt es der Ausdrucksweise Rousseaus, hier wie sonst, an voller Bestimmtheit, und sie gibt für verschiedene Auslegungen Raum. 147 Kant aber konnte seinen Grundgedanken nur in einem Sinne fassen, und er hat diesen Sinn scharf und eindeutig herausgearbeitet. Wie in seiner Erkenntniskritik, so trennt er auch in seiner Rechtsphilosophie die Frage des »quid juris« in aller Strenge von der des »quid facti«. Die Faktizität des Sozialvertrages gilt ihm nicht nur als unerheblich, sondern auch als unmöglich; aber sein Sinn wird dadurch, nach ihm, nicht aufgehoben und nicht fragwürdig gemacht. »Der Akt, wodurch sich das Volk selbst zu einem Staat konstituiert«- so erklärt er in den >>Metaphysischen Anfangsgründen der Rechtslehre«- >>eigentlich aber nur die Idee desselben, nach der die Rechtsmäßigkeit desselben allein gedacht werden kann, ist der ursprüngliche Kontrakt, nach welchem alle (omnes et singuli) im Volk ihre äußere Freiheit aufgeben, um sie als Glieder eines gemeinen Wesens, d. i. des Volks als Staat betrachtet (universi) sofort wieder aufzunehmen.All is right« 154 wendet Voltaire nun alle Waffen seiner Dialektik und seiner Rhetorik. Er erklärt, daß nur eine abstrakte und weltfremde Philosophie, die sich künstlich für die Leiden des Daseins verblende, einen solchen Satz gutheißen könne, und daß er sich nur mit sophistischen Beweisgründen verteidigen lasse: »D'inutiles douleurs eternel entretien! Philosophes trompes qui criez: >Tout est bien< Accourez, contemplez ces ruines affreuses, Ces debris, ces lambeaux, ces candres malheureuses, Ces femmes, ces enfants l'un sur l'autre entasses, Sous ces marbres rompus ces membres disperses; Direz-vous, C'est l'effet des eternelles lois Qui d'un Dieu libre et bon necessitent Je choix? Non, ne presentez plus 46

amon cceur agite

[CA, Bd] VI, [S.]380f. [AA, Bd 8, S. 297] 149

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Kant und Rousseau Ces immuables lois de Ia necessitt!, Cette chaine des corps, des esprits, et des mondes 0 reves de savants! 0 chimeres profondes! Dieu tient en main Ia chaine, et n'est point enchaine Par son choix bienfaisant tout est determine. II est !ihre, el est juste, il n'est point implacable. Pourquoi donc souffrons-nous SOUS un maltre equitable?«tss

Es ist merkwürdig, daß gerade Rousseau, der sich selbst nie zu den »Philosophen« gerechnet hat, diese Herausforderung angenommen hat. Wie Leibniz gegen Bayle 156 , so will er gegen Voltaire zum Verteidiger der Vorsehung werden. Er erwidert, am 18. August 1756, Voltaires Gedicht mit einem Schreiben, in dem er erklärt 157 , es sei nicht Sache des Denkers, die Übel, unter denen die Menschheit leidet, durch ihre abschreckende Schilderung noch zu vermehren und uns damit zu völliger Trostlosigkeit zu verurteilen. »Jener Optimismus, den Sie so grausam finden, tröstet mich in eben den Leiden, die Sie als unerträglich hinstellen. Das Gedicht Popes lindert meine Schmerzen und flößt mir Geduld ein; das Ihrige schärft meine Pein und zwingt mich, gegen die Vorsehung zu murren; es nimmt mir alles und treibt mich zur Verzweiflung. Beruhigen Sie, in diesem seltsamen Gegensatz zwischen dem, was Sie beweisen und was ich empfinde, die Unruhe, in der ich mich befinde und sagen Sie mir, auf wessen Seite die Täuschung ist, auf der Seite der Empfindung oder auf der der Vernunft.« Mit diesen Sätzen gesteht Rousseau ein, daß sein Optimismus kein Produkt des philosophischen Denkens ist, und daß er sich nicht getraut, ihn mit logischen Argumenten zu verteidigen. Aber er erklärt, daß er mit all dem, was er glaube, so notwendig verknüpft und in seinem ganzen Sein so tief verwurzelt sei, daß er ihm niemals entsagen könne, ohne sich selbst aufzugeben. »Alle Subtilitäten der Metaphysik würden mich keinen Augenblick lang an der Unsterblichkeit meiner Seele und an einer geistigen Vorsehung zweifeln lassen; ich fühle sie, ich glaube sie, ich will sie, ich hoffe

Kant und Rousseau

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sie und werde sie bis zu meinem letzten Atemzug verteidigen.«47 Auch Kant hat, wie alle Denker des achtzehnten Jahrhunderts, diesen inneren Widerstreit gegenüber dem Problem der »Theodizee« 159 erlebt; auch er mußte einen langen Weg durchmessen, ehe er in dieser Frage zwischen Voltaire und Rousseau eine sichere Stellung einnehmen konnte. Er erklärte, in seiner Beschreibung des Erdbebens von Lissabon, die er im Jahre 1756 erscheinen ließ, daß »selbst die fürchterlichsten Werkzeuge der Heimsuchung des menschlichen Geschlechts, die Erschütterungen der Länder, die Wut des in seinem Grunde bewegten Meeres, die feuerspeienden Berge den Menschen zur Betrachtung auffordern«, da sie »von Gott als eine richtige Folge aus beständigen Gesetzen in die Natur gepflanzt« seien. 48 Auch der »Versuch einiger Betrachtungen über den OptimismusGlückseligkeit« und >>Glückwürdigkeit« war für Rousseau nicht möglich. Denn hierzu hätte er dem Eudämonismus entsagen müssen, der die Basis seiner ethischen und religiösen Grundanschauungen bildet, und für den er leidenschaftlich [Rousseau:] C[orrespondance] G[enerale, Bd] II, [S.] 308. [ROC, Bd 4, S. 1063]t7o 53 Krt. d. Urteilskr. § 83, [CA, Bd] V, [S.] 514 [Anmerkung]. [AA, Bd 5, S. 434]m 54 Kr. d. Urt. § 86[, CA, Bd] V, [S.] 522ff. [AA, Bd 5, S. 442ff.] 52

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kämpft. Für Kant aber ist, mit der Abweisung des Eudämonismus, ein Moment in Rousseaus Lehre endgültig beseitigt. Das Schattenbild des goldenen Zeitalters und das Idyll eines arkadischen Schäferlebens ist verschwunden. Dem Schmerz kann der Mensch nicht entfliehen, und er soll ihmnicht entfliehen. Denn er ist der Stachel der Tätigkeit, »und in dieser fühlen wir allererst unser Leben, ohne diesen würde Leblosigkeit eintreten«. 55 Auch in allem gesellschaftlichen Leben ist es einzig der Antagonismus der Kräfte, samtalldem Leid, das er über die Menschheit bringt, der auf der anderen Seite das Spiel dieser Kräfte erst möglich macht. »Ohne ihn würden allevortrefflichen Naturanlagen in der Menschheit ewig unentwickelt schlummern. Der Mensch will Eintracht; aber dieNaturweiß besser, was für seine Gattung gut ist; sie will Zwietracht. Er will gemächlich und vergnügt leben; die Natur will aber, er soll aus der Lässigkeit und untätigen Genügsamkeit heraus, sich in Arbeit und Mühe stürzen. «56 Damit ist eine neue charakteristische Lebenshaltung gewonnen, wie sie in dieser Form weder Rousseau noch seine Gegner: Voltaire und die Enzyklopädisten gekannt haben. In Bezug auf das Glück des Lebens kennt Kant nur den Standpunkt der völligen Entsagung. Die Zufriedenheit im Leben ist, wie die Anthropologie erklärt, dem Menschen unerreichbar; und gäbe es sie, so sollten wir sie nicht wünschen, denn sie wäre Stillstand und Abstumpfung der TätigkeitY Aber ebensowenig sieht Kant den Sinn der menschlichen Kultur in dem verfeinerten Lebensgenuß, den sie gewährt. Es gab eine Zeit, wo er einen solchen Lebensgenuß keineswegs gering achtete, und in seinen früheren Schriften, insbesondere in den »Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen« spüren wir einen feinen Sinn für alle Reize einer ästhetischen und geselligen Kultur. Aber der alternde Kant hat auch hierauf mehr und mehr Verzicht getan. Bei ihm hören wir, wenn er vom Wert des Lebens spricht, nur die strengen Töne seines ethischen Rigorismus. »Hält nicht einen rechtschaffenen 55 56 57

Anthropol. § 60, [CA; Bd] VIII, [S.] 120f. [AA, Bd 7, S. 231] 173 [CA, Bd] IV, [S.] 156. [AA, Bd 8, S. 21] 174 [CA, Bd] VIII, [S.] 124. [AA, Bd 7, S. 234f.] 175

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Mann im größten Unglücke des Lebens, das er vermeiden konnte, wenn er sich nur hätte über die Pflicht wegsetzen können, noch das Bewußtsein aufrecht, daß er die Menschheit in seiner Person doch in ihrer Würde erhalten und geehrt habe ... ? Dieser Trost ist nicht Glückseligkeit, auch nicht der mindeste Teil derselben. Denn Niemand wird sich 176 die Gelegenheit dazu, auch vielleicht nicht einmal ein Leben in solchen Umständen wünschen. Aber er lebt und kann es nicht erdulden, ·in seinen eigenen Augen des Lebens unwürdig zu sein ... Er lebt nur noch aus Pflicht, nicht weil er am Leben den mindesten Geschmack findet ... Die Ehrwürdigkeit der Pflicht hat nichts mit Lebensgenuß zu schaffen; sie hat ihr eigentümliches Gesetz, auch ihr eigentümliches Gericht, und wenn man auch beides noch so sehr zusammenschütteln wollte, um sie vermischt, gleichsam als Arzeneimittel, der kranken Seele zuzureichen, so scheiden sie sich doch alsbald von selbst, und tun sie es nicht, so wirkt das erste gar nicht177 ; wenn aber auch das physische Leben hiebei einige Kraft gewönne, so würde doch das moralische ohne Rettung dahin schwinden.«ss Der Synkretismus, den Kant hier tadelt, war das Schicksal Rousseaus. Rousseau stellt ein hohes und strenges Tugendideal auf, aber er forderte, wenn er ihm dienen sollte, zugleich die Erfüllung seines Glücksstrebens. Nur um diesen Preis glaubt er an eine gütige Vorsehung, die die Geschicke der Menschen leitet, und hierfür postuliert er sie: »je Ia sens, je Ia crois, je Ia veux, je l'espere, je Ia defendrai jusqu'au mon dernier soupir«. 179 Kant glaubt nicht länger daran, daß die Kultur, auch in ihrer höchsten Vollendung, das Glück der Menschheit heraufführen könne, und er verlangt dies nicht mehr von ihr. Sie hat für ihn ein anderes, ihr eigentümliches Gesetz. Sie ist nicht die Quelle des Glücks, und ihr Sinn liegt auch nicht in dem, was sie dem Menschen an geistigen Genüssen gewährt. Sie ist vielmehr die Stätte, an der der Mensch seine Freiheit beweisen und erproben soll. Und diese Probe hat er ständig aufs neue zu bestehen. Hier fällt die Altersweisheit Kants und diejenige Goethes zusammen: »nur der verss [CA, Bd] V, [S.] 97f. [recte: 96-98] [AA, Bd 5, S. 88f.] 178

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dient die Freiheit sich und Leben, der täglich sie erobern muß«. 180 In dieser Eroberung empfängt das Leben den Sinn, den nur der Mensch ihm zu geben vermag, und hierin besteht nicht sein Glück, wohl aber seine ihm eigentümliche Würde.

V. »Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft« 1s1 Kein Moment in Rousseaus Philosophie hat so verschiedenartige und widerstreitende Auslegungen erfahren, als seine Religionslehre. Sie ist unter den mannigfachsten Aspekten gesehen, und über ihren Inhalt und Wert sind völlig entgegengesetzte Urteile gefällt worden. Alle Bemühungen der modernen Forschung, alle textkritischen Analysen von Rousseaus Werk haben diesem Gegensatz nichts von seiner Schärfe genommen. Zu seinen Lebzeiten galt Rousseau als der unversöhnliche Widersacher des christlichen Dogmas, als der Deist, der Feind des Glaubens. Als 182 solcher sah er sich der Verfolgung der kirchlichen und staatlichen Mächte ausgesetzt. Nach seinem Tode kehrte sich die Bewertung um: man sah in ihm vor allem den Wiedererwecker des Gefühls, der, gegenüber der herrschenden Verstandeskultur des achtzehnten Jahrhunderts, den eigentümlichen Sinn der Religion wiedererkannt und sie vor Auflösung oder Untergang bewahrt habe. Aber auch hier standen sich die Meinungen über den eigentlichen Inhalt des Rousseauschen Glaubens schroff gegenüber. Auf der einen Seite sah man in ihm den Denker, der nicht nur das Erbe des Protestantismus treu bewahrt, sondern es auch in einem tieferen, rein-geistigen Sinne neubegründet habe. Auf 183 der andem Seite nahm man ihn für den Katholizismus in Anspruch, ja man wollte in ihm den Vorläufer der katholischen >>Restauration« sehen, die im neunzehnten Jahrhundert einsetzt. Die letztere Auffassung ist vor allem in Massons Werk über die Religion Rousseaus vertreten worden - der umfassendsten Darstellung, die Rousseaus Religionslehre erfahren hat. Aber daß Massons Darstellung, so eingehend sie ist und so gründlich sie jede einzelne Quelle von Rousseaus religiöser Entwicklung untersucht hat, in ihrer Grundthese verfehlt ist, hat die moderne

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Kritik, wie mir scheint, mit unwiderleglichen Gründen erwiesen. 59 Auch ist Rousseau ebenso oft als strenger Rationalist wie als mystischeriss Schwärmer bezeichnet worden, während es auf der andern Seite nicht an Kritikern gefehlt hat, die ihm den eigentlich-religiösen Sinn überhaupt absprechen wollten. So sieht Seiliiere in dem, was Rousseau seine Religion nennt, nur die krankhafte Übersteigerung seines Selbstgefühls, und eine pathologische Selbstvergötterung. »Jean Jacques, reflet direct de Dieu, voila Ia religion de Rousseau.« 60 Man sieht: die Bewertung von Rousseaus Religion hat fast die ganze Skala durchlaufen, die zwischen Himmel und Hölle, zwischen Seligsprechung und Verdammung liegt. In welchem Sinne ist Rousseau selbst die Schuld an dieser völligen Divergenz derUrteile zuzuschreiben? Faßt man lediglich das entscheidende Dokument seiner Religionsphilosophie ins Auge, vertieft man sich in das Studium der »Profession de foi du Vicaire savoyard« 187 , so wird man kaum geneigt sein, ihn selbst füralldie Lehren verantwortlich zu machen, die ihm im Laufe der Zeit von seinen Interpreten zugeschrieben worden sind. Denn die »Profession de foi« ist, als Ganzes genommen, von einer großen Einfachheit und Klarheit des gedanklichen Baues. Nirgends finden wir hier jene plötzlichen Übergänge, jene schroffen Paradoxien, jene unvermittelten Gegensätze, wie sie uns in den ersten Werken Rousseaus begegnen. Alles ist von echter Leidenschaft beseelt, aber diese Leidenschaft beherrscht sich und führt eine ruhige und klare Sprache. Rousseau will überzeugen, nicht überreden; und sein Pathos wirkt niemals, wie in der großen Prunkrede des ersten »Discours«, rein rhetorisch. 188 Es spricht ein in sich einheitliches Gefühl und ein in sich geschlossener Gedanke. 189 s• Masson, La Religion deJ.J. Rousseau (3 vols., Paris 1916ff.)- zur Kritik von Massons Werk vgl. Schinz, La Pensee religieuse de Jean Jacques Rousseau et ses recents interpretes, Smith College Studies in modern language vol. X, No. 1, Paris 1927 und G. Beauvalon, La philosophie de ].-]. Rousseau et l'esprit cartesien, Revue de Metaphysique et de Morale, 62e Annee 1937, p. 325-352.184 60 Ernest Seilliere, Jean-Jacques Rousseau, Paris 1921, S. 329. 186

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Nur eins darf man hierbei freilich von 190 Rousseau nicht erwarten und nicht verlangen. Er ist kein strenger Begriffsanalytiker, und er bewegt sich niemals innerhalb der Schranken einer festen philosophischen Terminologie. Eine solche hat er immer als Fessel empfunden, die er unwillig abwehrte. Er legt seine Worte nicht auf die Waagschale; er folgt, auch als Schriftsteller, dem augenblicklichen Impuls und greift nach dem Ausdruck, den ihm dieser Impuls eingibt. Wir dürfen daher keinen der Ausdrücke Rousseaus allzu streng nehmen, und wir dürfen diese Ausdrücke nicht pressen, wenn wir seinen Gedanken gerecht werden wollen. Rousseau will in der »Profession de foi« die Religion bald auf die »Vernunft«, bald auf den »Instinkt« gründen; er spricht von ihr als einer »göttlichen Stimme>physikotheologischen« Beweis die Rechtskraft abgesprochen. 219 Wir können nicht dadurch zu Gott gelangen, daß wir in der Reihe der Ursachen und Wirkungen vom Bedingten zum Unbedingten aufsteigen, daß wir Gott als die erste Ursache und das »primum movens« betrachten. Und ebensowenig gibt uns die Zweckmäßigkeit innerhalb der Natur ein Recht auf eine höchste Intelligenz als Urheber derselben zu schließen. Auch Rousseau hat, mit allen anderen rein metaphysischen Argumenten, dieser Form des Gottesbeweises entsagt. Aber bei ihm muß dieser Verzicht auf den ersten Blück höchst paradox erscheinen; denn er schließt für ihn die Unmöglichkeit ein, von der Natur zu Gott unmittelbar die Brücke zu schlagen. Hier gibt es fortan keinen direkten Übergang mehr: nicht die Natur, sondern die Sittlichkeit, nicht irgend ein Wissen von der gegenständlichen Ordnung der Welt, sondern allein das Gewissen kann uns den Weg zu Gott weisen. 220 Aber wie viel merkwürdiger erscheint diese Folgerung im Munde Rousseaus als im Munde Kants! 221 Denn hatte nicht Rousseau einen neuen Kult der Natur begründet, und beruhte nicht gerade hierauf der entscheidende Einfluß, den er geübt hat? War222 nicht der »Emile«, nach Goethes Wort, zum >>Haupt- und Grundbuch« dieses neuen Natur-Evangeliums geworden? 68 Wenn somit Rousseau sein »Glaubensbekenntnis« diesem Buche anfügte und er zu einem Kernstück desselben machte, so hätte man erwarten dürfen, daß dieses Bekenntnis sich auf naturalistischer Grundlage aufbaut. Aber das Gegenteil ist der Fall. Zwar Goethe, Dichtung und Wahrheit, Vierzehntes Buch, Weim. Ausg. [Abt. I, Bd] XXVIII, [5.]254. 223 68

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hat auch Rousseau in der »Profession de foi>ich stieg durch einen benachbarten Obstgarten auf einem schönen Wege, der sich über dem Weinberg hinzog, auf ... Mitten während meines Spazierganges verrichtete ich mein Gebet, das nicht in einem eitlen Stammeln der Lippen, sondern in einer wahrhaften Erhebung des Herzens zu dem Urheber jener liebreichen Natur bestand, deren Schönheiten vor meinem Auge standen. Ich habe niemals Neigung dazu verspürt, im Zimmer zu beten; es schien mir, daß die Mauern und all das kleine Menschenwerk um mich herum sich zwischen Gott und mich drängten. Ich liebe es, ihn in seinen Werken zu betrachten, während mein Herz sich zu ihm erhebt.>Aeneide« hervorgegangen sei. 233 Aber das eigentliche Wunder, das bei ihm im Mittelpunkt steht, ist das der menschlichen Freiheit und das Gewissen234 als Zeugnis dieser Freiheit. Hier liegt für ihn das 235 wahre Medium zwischen Mensch und Gott. Shaftesbury hat dem Werk, dem er seinen Naturhymnus eingefügt hat, den Titel »The Moralists« gegeben. Aber seine Religion ist nicht in erster Linie auf Moralität gegründet. Sie ist keine ethische, sondern eine ästhetische Religion; sie stammt aus der Anschauung der Schönheit des Alls. 236 Shaftesbury hat, im Aufbau seiner Philosophie, das Gute dem Schönen untergeordnet, und er hat es aus ihm abzuleiten gesucht. Aber dies ist so wenig der Weg Rousseaus, wie es der Weg Shaftesbury, The Moralists, [Teil] 111, deutsche Übersetzung von Karl Wollf, Jena 1910, S. 101 f. 230 71

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Kants ist. Rousseau macht in seiner Religionslehre mit dem »Primat des Praktischen« Ernst. Für ihn ist Gott nicht allein der Schöpfer und Erhalter der Natur, sondern er ist ihm, um den Kantischen Ausdruck zu gebrauchen, das »Überhaupt im Reich der Zwecke«. 237 Denn Rousseaus Religionsphilosophie hängt innerlich mit seiner Rechts- und Staatsphilosophie zusammen und wird durch ihre Grundgedanken bestimmt. Die Religion ist nach ihm in die Herzen der Menschen geschrieben durch die Idee der Gerechtigkeit, die ihm als ein Ewiges, Sichgleichbleibendes gilt, das durch die Mannigfaltigkeit und die Willkür der positiven Satzungen nicht angetastet werden kann. »Niemand«so schreibt Rousseau an Vernes- >>kann das Evangelium aufrichtiger verehren als ich; ich halte es für das erhabenste aller Bücher ... Aber es ist am Ende doch nur ein Buch, ein Buch, von dem drei Viertel der Menschheit nichts wissen. Soll ich glauben, daß eine Scythe und ein Afrikaner unserem gemeinsamen Vater weniger teuer sind, als Sie und ich, daß er sie eher als uns der Mittel beraubt hat, ihn zu kennen? Nein, mein Freund, nicht in wenigen zerstreuten Blätter eines Buches, sondern im Herzen des Menschen muß man das Gesetz Gottes suchen. Hier hat er die Lehre eingeschrieben: >Ü Mensch, wer Du auch sein magst, versenke Dich in Dich selbst, lerne es, Dein Gewissen und Deine natürlichen Fähigkeiten zu befragen, dann wirst Du gut, gerecht, tugendhaft sein, Dich vor Deinem Herrn beugen und an seinem Himmel in ewiger Seligkeit ohne Ende teilnehmen.>Vernunft« zu schaffen, der der Ideenwelt Rousseaus gerecht werden und sie in sich aufnehmen konnte. Belegstellen und Literatur-Hinweise

Die Zitate aus den Schriften Kants beziehen sich auf die von mir herausgegebene Gesamtausgabe von Kants Werken (11 Bände, Bruno Cassirer Verlag, Berlin 1912ff.). Die »Fragmente aus Kants Nachlaß« sind in dieser Ausgabe nicht enthalten; sie sollten nebst andern Aufzeichnungen Kants, in einem eigenen Bande vereinigt werden, dessen Erscheinen jedoch leider durch den Ausbruch des Krieges verhindert wurde. Für diese Fragmente ist daher auf die Hartensteinsehe Ausgabe verwiesen worden. (Immanuel Kants Sämtliche Werke, in chronologischer Reihenfolge herausg. von G. Hartenstein, Bd. VIII, S. 609-645, Lpz. 1868).267 Für die Zitate aus Rousseaus Schriften habe ich, da die Texte in den bekannten Gesamtausgaben268 , besonders in den älteren unter ihnen, nicht immer fehlerfrei sind, die besten kritischen Ausgaben der Einzelschriften zu Grunde zu legen gesucht. Hierbei wurden in den Zitaten die folgenden Abkürzungen gebraucht: P.W. = The Political Writing of Jean Jacques Rousseau. Edited from the original manuscripts and authentic edition. With introduction and notes. By E. E. Vaughan, 2 vols., Cambridge 1915. 269 C.G. = Correspondance generale de Jean-Jacques Rousseau, ed. Th. Dufour, 20 vols., Paris 19241934.

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Nouv. Hel. =La Nouvelle Heloise, ed. Daniel Mornet, Les Grands Ecrivains de la France, 4 vol. Paris (Hachette) 1925. Conf = Les Confessions de J.J. Rousseau, ed. integrale publiee sur !es manuscrits originaux par Ad. von [recte: van] Bever, 3 vols., Paris 1913. Reveries = Les Reveries du Promeneur Solitaire, ed. von [recte: van] Bever, ibid., Vol III, p. 189-338. Prof = La Profession de Foi du Vicaire Savoyard. Edition critique par Pierre Maurice Masson, Fribourg et Paris 1914.

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In Goethes Gesprächen mit Eckermann findet sich eine merkwürdige Äußerung, die, biographisch und geistesgeschichtlich, von größter Bedeutung ist, die aber bisher1 von der GoetheForschung kaum beachtet worden ist oder die zum mindesten noch nicht die rechte Erläuterung gefunden hat. Sie bezieht sich auf Goethes Verhältnis zur Kautischen Philosophie. »Kant>Die echte Methode der Metaphysik«- so erklärt er- »ist mit derjenigen im Grunde einerlei, Gespräche mit Eckermann 11. April 1827 (Gespräche [Bd] III[, Nr 2484, S.] 372). - Goethes Gespräche sind im folgenden nach der Ausgabe von Flodoard Freiherr von Biedermann (5 Bände, [2. Auf!.,] Leipzig 1909 ff.) zitiert. 1

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die Newton in die Naturwissenschaft einführte, und die daselbst von so nutzbaren Folgen war.« Dieses Urteil gehört noch der vorkritischen Zeit Kants an; es findet sich in seiner Antwort auf die Preisfrage der Berliner Akademie über die Klarheit und Deutlichkeit, die Evidenz in den metaphysischen Wissenschaften.2 Aber auch später hat Kant ständig an ihm festgehalten. Naturlehre war und blieb ihm mathematische Naturlehre. »Ich behaupte« - so schrieb er noch 1786 in der Vorrede zu seiner Schrift »Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft«- >>daß in jeder besonderen Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft angetroffen werden könne, als darin Mathematik anzutreffen ist ... Eine reine Naturlehre über bestimmte Naturdinge ist nur vermittelst der Mathematik möglich; und ... so wird Naturlehre nur so viel eigentliche Wissenschaft enthalten, als Mathematik in ihr angewandt werden kann.« 3 Das ist der denkbar schroffste Gegensatz zu Goethes Auffassung der Natur. Goethes Naturlehre war ein einziger fortdauernder Kampf gegen Newton und die Newtonische Physik. Im Laufe von Goethes Leben hat sich dieser Kampf mehr und mehr verschärft, und zuletzt hat er zu einer tragischen Zuspitzung geführt. 8 Überall - bei Philosophen, Physikern, Biologen - sah sich Goethe nach Bundesgenossen in diesem Kampfe um, aber fast keinen vermochte er zu überzeugen. Er stand hier allein, und diese Einsamkeit erfüllte ihn mit wachsender Verbitterung. Aber was konnte ihm Kant in diesem Kampf bedeuten, Kant der Schüler und der philosophische Interpret Newtons, Kant, der es sich zum Ziele gesetzt, die logischen Bedingungen der Newtonischen Naturwissenschaft kritisch zu untersuchen? Kant forderte die völlige Durchdringung der Naturlehre mit Mathematik, Goethe lehnte eine solche Durchdringung energisch ab. »Als getrennt muß sich darstellen« - so sagt er9 - »Physik von Mathematik. Jene muß in einer entschiedenen Unabhängigkeit bestehen und mit allen liebenden, verehrenden, frommen Kräften in die Natur Kants Werke, ed. Cassirer [Bd] li[, S.] 186. [AA, Bd 4, S. 286] 6 Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft, [Kants] Werke[, Bd] IV[, S.] 372 (Ausgabe E. Cassirer). [AA, Bd 4, S. 470] 7 2

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und das heilige Leben derselben einzudringen suchen, ganz unbekümmert, was die Mathematik von ihrer Seite leistet und tut. Diese muß sich dagegen unabhängig von allem Äußeren erklären, ihren eigenen großen Geistesgang gehen und sich selber reiner ausbilden, als es geschehen kann, wenn sie wie bisher sich mit dem Vorhandenen abgibt und diesem etwas abzugewinnen oder anzupassen trachtet.« 4 Es ergibt sich hieraus: von der Physik aus gab es für Goethe keinen Zugang zu Kant. Und auch der Logiker Kam, der Kritiker der reinen Vernunft, vermochte ihm nichts Entscheidendes zu bieten. Wir wissen, daß er, im Gegensatz zu Herder10 , hohe Bewunderung für Kants Grundwerk empfand. An Bemühungen, in dasselbe einzudringen, hat er es nicht fehlen lassen. Sein Handexemplar der »Kritik der reinen VernunftDer Eingang« - so sagt er- »war es, der mir gefiel; ins Labyrinth selbst konnt' ich mich nicht wagen; bald hinderte mich die Dichtungsgabe, bald der Menschenverstand, und ich fühlte mich nirgend gebessert.«s War es also nur ein Kompromiß, der Goethe schließlich dazu führte, die Kautische Philosophie gelten zu lassen - und war es die Freundschaft mit Schiller, der ihm diesen Kompromiß abnötigte? Lange Zeit hat die literarhistorische Forschung so geurteilt, und noch heute scheint dies die herrschende Meinung zu sein. 14 Aber diese Auffassung ist unhaltbar. Nicht Schiller war es, der Goethe die Augen für Kant öffnete. Lange vor dem intimen Verkehr mit Schiller hatte er seinen Weg zu Kant gefunden. Goethe, Maximen und Reflexionen. Nach den Handschriften des Goethe- und Schiller-Archivs herausgegeben von Max Hecker (Schriften der Goethe-Gesellschaft, Band 21), Weimar 1907, Nr. 573, S. 124. 5 Einwirkung der neueren Philosophie, Naturwissenschaftliche Schriften, Weimarer Ausgabe, Zweite Abteilung, Band XI, S. 49. 13 4

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Wir besitzen darüber ein vollgültiges Zeugnis. Schon im Jahre 1790 schreibt Körner an Schiller über einen Besuch Goethes in Dresden. »Goethe ist acht Tage hier gewesen, und ich habe viel mit ihm gelebt; es gelang mir, ihm bald näher zu kommen, und er war mitteilsamer, als ich erwartet hatte. Wo wir die meisten Berührungspunkte fanden, wirst Du schwerlich erraten. Wo sonst als- im Kant. In der Kritik der Urteilskraft hat er Nahrung für seine Philosophie gefunden.« (6. Oktober 1790) 15 Die »Kritik der Urteilskraft« war es, die Goethe das Verständnis für die Kantische Philosophie erschloß. 16 Und es war noch mehr als Philosophie- als rein theoretische Belehrung- was er in ihr fand. Er selbst hat uns diesen ersten Eindruck in seinem Aufsatz »Einwirkung der neueren Philosophie« klar und prägnant beschrieben: »Nun aber kam die Kritik der Urteilskraft mirzuHanden und dieser bin ich eine höchst frohe Lebensepoche schuldig. Hier sah ich meine disparatesten Beschäftigungen neben einander gestellt, Kunst- und Natur-Erzeugnisse eins behandelt wie das andere, ästhetische und teleologische Urteilskraft erleuchteten sich wechselsweise. Wenn auch meine Vorstellungsart nicht eben immer dem Verfasser sich zu fügen möglich werden konnte, wenn ich hie und da etwas zu vermissen schien, so waren doch die großen Hauptgedanken des Werks meinem bisherigen Schaffen, Tun und Denken ganz analog; das innere Leben der Kunst so wie der Natur, ihr beiderseitiges Wirken von innen heraus war im Buche deutlich ausgesprochen. Die Erzeugnisse dieser zwei unendlichen Welten sollten um ihrer selbst willen da sein, und was neben einander stand, wohl für einander, aber nicht absichtlich wegen einander.«6 In diesen letzten Worten erfassen wir, worin das verbindende Glied zwischen Kant und Goethe bestand. Der zweite Teil der »Kritik der Urteilskraft« führt den Titel: Kritik der teleologischen Urteilskraft. Auch hier fordert Kant eine strenge Grenzbestimmung. Er will den Zweckbegriff aus der Betrachtung der Einwirkung der neueren Philosophie, [WA, Abt. 2:] Naturwissenschaftliche Schriften, Band XI, S. 50 f. 6

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organischen Naturwissenschaft keineswegs ausschließen. Er erklärt eine rein mechanische Beschreibung der Lebensvorgänge für unmöglich. »Es ist ganz gewiß« - so sagt er- »daß wir die organisierten Wesen und deren innere Möglichkeit nach bloß mechanischen Prinzipien der Natur nicht einmal zureichend kennen lernen, viel weniger uns erklären können; und zwar so gewiß, daß man dreist sagen kann, es ist für Menschen ungereimt, auch nur einen solchen Anschlag zu fassen oder zu hoffen, daß noch etwa dereinst ein Newton aufstehen könne, der auch nur die Erzeugung eines Grashalms nach Naturgesetzen, die keine Absicht geordnet hat, begreiflich machen werde: sondern man muß diese Einsicht den Menschen schlechterdings absprechen.«7 Aber wenngleich Kant den Zweckbegriff als heuristisches Prinzip der Naturforschung nicht nur gelten läßt, sondern ihn auch als unumgänglich ansieht, wenn er ihn als eine Maxime der reinen Vernunft bezeichnet, so lehnt er doch die bisherige naive und unkritische Form der Zweck-Erklärung aufs schärfste ab. Im 18. Jahrhundert war die Kraft dieser Erklärungsweise noch ungebrochen. Dem Literarhistoriker ist diese Denkweise aus einem Werk wie Brockes' >>Irdisches Vergnügen in Gott« vertraut.18 Alles in der Naturdient der Ehre Gottes-aber alles dient zugleich den Zwecken des Menschen; alles ist für ihn, für seinen Nutzen und Vorteil bestimmt. 19 Aber was wir heute bei der Lektüre des Buches von Brockes belächeln, das steht keineswegs allein. So wie Brockes sprachen auch echte philosophische Denker- so sprach z. B. Christian Wolff20 , den Kant in der Vorrede zur zweiten Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« den »Urheber des bisher noch nicht erloschenen Geistes der Gründlichkeit in Deutschland« genannt hat. 21 Auch Wolff zieht nirgends eine scharfe Grenze zwischen Zweckmäßigkeit und bloßer Nutzbarkeit. Seiner deutschen Metaphysik, seinen»Vernünftigen Gedanken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt« 22 hat 7

Kant, Kritik der Urteilskraft, § 75 (Werke, ed. Cassirer, [Bd] V,

S. 478f.) [AA, Bd 5, S. 400] 17

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Wolff, im Jahre 1726, eine besondere Schrift folgen lassen: »Vernünftige Gedanken von den Absichten der natürlichen Dinge«. Sie ist, wie der Titel sagt, für die »Liebhaber der Wahrheit« bestimmt. Aber im Grunde ist sie etwas anderes. Was wir hier vor uns haben, ist kein Philosophen buch; es ist ein echtes Handbuch für den deutschen Philister des 18. Jahrhunderts. Wenn dieser über die Absicht irgend eines natürlichen Dinges im Zweifel war, brauchte er nur seinen Wolff nachzuschlagen, um sofort die rechte Erklärung zu finden. Über alles in der Welt, über Sonne, Mond und Sterne, über Luft und Winde, über Dünste, Nebel, Wolken, Tau, Reif, Regen, Schnee und Hagel wird er aufgeklärt. 23 Ich begnüge mich hier damit, einige besonders drastische Beispiele herauszugreifen. Wozu ist der Polarstern da?- fragt Wolff. »Der Polarstern« -lautet die Antwort- »und die Gestirne überhaupt dienen uns ... die Gegenden zu erkennen, welches insonderheit den Reisenden stattlich zu statten kommet, wenn sie sich des Abends oder des Nachts etwa verirret, ingleichen denjenigen, welche die Nacht auf dem Felde oder in einem Walde überfället, und die sich nach der Gegend zu richten haben, wenn sie den Weg, der nach Hause gehet, finden wollen.« 24 Wie einfach und wie einleuchtend, wie aufschlußreich und erbaulich! Oder ein zweites Beispiel. Wozu dient das Licht des Tages? »Das Tag-Licht ... schaffet uns großen Nutzen: denn bei demselben können wir unsere Verrichtungen bequem vornehmen, die sich des Abends teils gar nicht, oder doch wenigstens nicht so bequem, und mit einigen Kosten vornehmen lassen, die durch die Kunst es lichte zu machen, erfordert werden.« Hier spricht wahrlich 25 nicht der Mann, den man mit einigem Recht den >>praeceptor Germaniae«, den Lehrer Deutschlands im 18. Jahrhundert, genannt hat. Hier hören wir nur einen Gelehrten vom Schlage des Famulus Wagner26 -den braven und haushälterischen Professor, der, an seinem Arbeitstisch sitzend, sich des Lichtes der Sonne freut, weil es ihm die Kosten der nächtlichen Arbeitslampe erspart. Aber der Professor ist weitsichtig und unparteiisch. Er weiß sehr wohl, daß auch die Nacht ihr Gutes hat. »Erstlich hat sie den augenscheinlichen Nutzen, daß Menschen und Tiere, die den Tag über sind müde worden, sich

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durch den Schlaf wieder erquicken können. Aber sie dienet auch zu einigen Verrichtungen, die sich bei Tage nicht recht vornehmen lassen, dergleichen bei dem Vogelfange und Fischen vorkommen.«8 Nun wissen wir, wozu Sonne, Mond und Sterne, wozu Tag und Nacht da sind! Die Sterne, damit wir unsernWeg nach Hause finden können, der Tag zur Arbeit, die Nacht zum Schlafen, zum Vogel- und Fischfang! An Angriffen gegen diese Philisterweisheit hat es im 18. Jahrhundert nicht gefehlt. Voltaire schrieb seinen >>Candide«, eine seiner beißendsten und köstlichsten Satiren. Wie gut ist es dochso erklärt der Philosoph in diesem Buch - daß Gott uns mit Nasen geschaffen hat; wie sollten wir sonst unsere Brillen aufsetzen können. 28 Kant hat dieses Wort Voltaires in einer Schrift, in der er den sogenannten physiko-theologischen Beweis prüfte, beifällig zitiert. 9 Aber er blieb nicht bei der Satire stehen. Er gab eine kritische Analyse des Zweckbegriffs, die seinen Charakter und seine Grenzen bestimmen sollte. Dieser Analyse stimmt Goethe ohne jeden Rückhalt zu. Denn in seinem Urteil über die naive Teleologie der Popularphilosophen des 18. Jahrhunderts 30 war er mit Kant von Anfang an völlig einig. 31 In einem Gespräch mit Kanzler von Müller10 bemerkt er, die Popularphilosophie sei ihm stets widerlich gewesen; so habe er sich leichter zur Kantischen geneigt, die jene vernichtet habe. In den Goethe-Schillerschen Xenien findet sich ein Distichon, das die Überschrift »Der Teleolog« führt 33 : »Welche Verehrung verdient der Weltenschöpfer, der gnädig, Als er den Korkbaum schuf, gleich auch den Stöpsel erfand!« 8

Christian Wolff, op. cit., 3. Auf!., Frankfurt und Leipzig 1737,

s. 74, 92, 125.27

Kam, Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (1763); Werke[= CA, Bd] Il, [S.] 138. [AA, Bd 2, 9

s. 131b to Goethes s. 50.)2

Gespräche, [ed. Biedermann,] Band III, [Nr 2207,]

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Gegen solche Art von Nützlichkeitsbetrachtung empfand Goethe Zeit seines Lebens eine unüberwindliche Abneigung. »Es ist ein grenzenloses Verdienst unseres alten Kant«- schreibt er in einem Brief an Zelter- »um die Welt, und ich darf sagen auch um mich, daß er, in seiner Kritik der Urteilskraft, Kunst und Natur kräftig nebeneinander stellt und beiden das Recht zugesteht, aus großen Prinzipien zwecklos zu handeln. So hatte mich Spinoza34 früher schon im Haß gegen die absurden Endursachen gegläubiget. Natur und Kunst sind zu groß, um auf Zwecke auszugehen, und haben's auch nicht nötig. Bezüge gibts überall, und Bezüge sind das Leben.« 11 Aber mit alledem stehen wir noch am Eingang und im Vorhof unserer Betrachtung. Denn was wir hier vor uns sehen, ist nur ein negatives Moment. Wir sehen, was Goethe und Kant gemeinsam ablehnten- aber nicht, was sie gemeinsam bejahten, was sie positiv miteinander verband. Diese Verbindung beruhte auf einem anderen und tieferen Zusammenhang in ihrer Grundanschauung. Ich kann diesen Zusammenhang hier nur ganz kurz und im knappsten Umriß zu skizzieren versuchen. Goethe war es, der zuerst das Wort »Morphologie« geprägt hat. 36 Dieses Wort ist uns heut ganz geläufig geworden; es ist in den allgemeinen wissenschaftlichen Sprachgebrauch eingegangen. Aber wir vergessen darüber zu leicht, welche wichtige und entscheidende methodische Wendung es für die Biologie des 18. Jahrhunderts bedeutete. Mit Goethes Idee der »MorphologieBildung und Umbildung organischer Naturen«37 war ein neues Erkenntnisideal geschaffen. Ein moderner Botaniker, Hansen, hat über Goethes Metamorphosenlehre gesagt, daß die mit Goethe beginnende Periode der Botanik sich zur voraufgehenden verhalte wie die Chemie zur Alchymie. 12 Goethe vollzieht, kurz und scharf gesagt, den Übergang von der bisherigen generischen Betrachtung zur modernen genetischen Betrachtung der organischen Natur. Die generische BeAn Zelter, 29. Januar 1830, Briefe, Weimarer Ausgabe, [Abt. 4,] Band 46, [Nr 210,] S. 223. 35 12 Adolf Hansen, Goethes Metamorphose der Pflanzen, 1907. 38 11

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trachtung der Pflanzenwelt hat ihren klassischen Ausdruck im Natursystem Linnes gefunden. 39 Sie glaubt, daß wir die Natur verstanden haben, wenn es uns gelungen ist, sie in das Fachwerk unserer Begriffe zu ordnen, sie in Species und Genera, in Familien, Klassen, Arten einzuteilen. Aber Goethe war ein solches Verfahren nicht genug. Was wir hier erfassen, sind nach ihm nur die Produkte, nicht der Prozeß des Lebens. 40 Und in diesen Prozeß des Lebens wollte er nicht nur als Dichter, sondern auch als Naturforscher einen Einblick gewinnen; in ihm sah er das Größte und Höchste. Hier dachte und urteilte er wie Mephisto in der Schülerszene: »Wer will was Lebendigs erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist heraus zu treiben, Dann hat er die Teile in seiner Hand, Fehlt leider! nur das geistige Band. >Encheiresin naturae< nennts die Chemie, Spottet ihrer selbst, und weiß nicht wie.« 41 Goethe war ein großer Bewunderer Linnes. Es gibt eine Stelle in seinen Werken, in der er ihn, was die Geschichte seiner eigenen inneren Bildung betrifft, neben Shakespeare und Spinoza stellt- gewiß das höchste Lob, das er ihm zollen konnte. 13 »Ich muß bekennen«- so sagt er- »daß nach Shakespeare und Spinoza auf mich die größte Wirkung von Linne ausgegangen- und zwar gerade durch den Widerstreit, zu dem er mich aufforderte.« In dem schönen Aufsatz, in dem Goethe die Geschichte seiner botanischen Studien schildert, hat er den Charakter dieses Widerstreits klar bezeichnet. »Soll ich nun über jene Zustände mit Bewußtsein deutlich werden, so denke man mich als einen gehornen Dichter, der seine Worte, seine Ausdrücke unmittelbar an den jedesmaligen Gegenständen zu bilden trachtet, um ihnen einigermaßen genug zu tun. Ein solcher sollte nun eine fertige ll [WA, Abt. 2:] N[aturwissenschaftliche] W[erke (recte: Schriften), Bd] 6, [S.] 390.42

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Terminologie ins Gedächtnis aufnehmen, eine gewisse Anzahl Wörter und Beiwörter bereit haben, damit er, wenn ihm irgend eine Gestalt vorkäme, eine geschickte Auswahl treffend, sie zu charakteristischer Bezeichnung anzuwenden und zu ordnen wisse. Dergleichen Behandlung erschien mir immer als eine Art von Mosaik, wo man einen fertigen Stift neben den andern setzt, um aus tausend Einzelheiten endlich den Schein eines Bildes hervorzubringen; und so war mir die Forderung in diesem Sinne gewissermaßen widerlich.«1 4 Hier stehen wir an einer Stelle, an der wir den Zusammenhang mit Kant klar erfassen können. Goethe protestierte gegen die »starre Vorstellungsart«, die er in der Philosophie und in der Biologie seiner Zeit vorfand. »Wenn ich meine morphologischen Gedanken vortrug« - so sagt er in seiner »Campagne in Frankreich«- >>mußte ich leider bemerken, daß die starre Vorstellungsart: nichts könne werden, als was schon sei, sich aller Geister bemächtigt habe.« 15 Er lehnte diese Vorstellungsart nicht völlig ab; in seinen morphologischen Schriften sagt er sogar, daß sie die natürlichste und bequemste sei, und daß sie als solche aus dem siebzehnten Jahrhundert ins achtzehnte, aus dem achtzehnten ins neunzehnte übergegangen sei und so fort nach ihrer Weise nützlich wirken werde, um uns das Bestehende klar und deutlich vorzuführen. Aber er forderte eine Ergänzung und Vertiefung, wie sie uns nur die »ideelle Denkweise>das Ewige im Vorübergehenden schauen läßt«. Von dieser ideellen Denkweise sagte er, daß sie allein fähig sei, uns auf den rechten Standpunkt zu erheben, wo Menschenverstand und Philosophie sich vereinigen.16 Der Panzer der »Starren Vorstellungsartdas Jahrhundert ganz benebelt hatte«, hat Kant an zwei Stellen durchbrachen. Er nahm die Newtonische Theorie Geschichte meines botanischen Studiums, [WA, Abt. 2:] Naturwiss. Schriften, Bd VI, S. 116. 15 Campagne in Frankreich 1792, Weimarer Ausgabe, [Abt. 1,] Bd 33, s. 196f.•J 16 Farbenlehre, [WA, Abt. 2:] Naturwiss. Sehr., Bd VII, S. 120. 44 14

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der Natur und ihre Zurückführung auf fernwirkende 45 Kräfte an. Aber er wollte nicht nur das Sein der Materie beschreiben; er wollte ihr Werden verstehen. Und so gab er, als einer der ersten, eine Theorie der Entwicklung der materiellen Welt von dem primären Urnebel bis zu ihrer gegenwärtigen Gestalt. Er wurde zum Schöpfer der Lehre, die wir heute die Kant-Laplacesche Hypothese nennen.46 In der Biologie ging Kant noch einen Schritt weiter. Er sah die Aufgabe und das Ziel einer allgemeinen Entwicklungslehre deutlich vor Augen. >>Die Analogie der Formen, sofern sie bei aller Verschiedenheit einem gemeinschaftlichen Urbilde gemäß erzeugt zu sein scheinen, verstärkt die Vermutung einer wirklichen Verwandtschaft derselben in der Erzeugung von einer gemeinschaftlichen Urmutter, durch die stufenartige Annäherung einer Tiergattung zur andern, von derjenigen an, in welcher das Prinzip der Zwecke am meisten bewährt zu sein scheint, nämlich dem Menschen, bis zum Polyp, von diesem sogar bis zu Moosen und Flechten und endlich zu der niedrigsten uns merklichen Stufe der Natur, zur rohen Materie: aus welcher und ihren Kräften, nach mechanischen Gesetzen (gleich denen, wornach sie in Kristallerzeugungen wirkt), die ganze Technik der Natur, die uns in organisierten Wesen so unbegreiflich ist, daß wir uns dazu ein anderes Prinzip zu denken genötigt glauben, abzustammen scheint. Hier steht es nun dem Archäologen der Natur frei, aus den übriggebliebenen Spuren ihrer ältesten Revolutionen, nach allem ihm bekannten oder gemutmaßten Mechanism derselben, jene große Familie von Geschöpfen (denn so müßte man sie sich vorstellen, wenn die genannte durchgängig zusammenhangende Verwandtschaft einen Grund haben soll) entspringen zu lassen. Er kann den Mutterschoß der Erde, die eben aus ihrem chaotischen Zustande herausging (gleichsam als ein großes Tier), anfänglich Geschöpfe von minder-zweckmäßiger Form, diese wiederum andere, welche angemessener ihrem Zeugungsplatze und ihrem Verhältnisse unter einander sich ausbildeten, gebären lassen; bis diese Gebärmutter selbst, erstarrt, sich verknöchert, ihre Geburten auf bestimmte fernerhin nicht ausartende Spezies ein-

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geschränkt hätte, und die Mannigfaltigkeit so bliebe, wie sie am Ende der Operation jener fruchtbaren Bildungskraft ausgefallen war. Eine Hypothese von solcher Art kann man ein gewagtes Abenteuer der Vernunft nennen; und es mögen wenige, selbst von den scharfsinnigsten Naturforschern, sein, denen es nicht bisweilen durch den Kopf gegangen wäre.« 17 Hier konnte Goethe sich selbst und seine eigenen Grundüberzeugungen wiederfinden. In seinem Aufsatz »Anschauende UrteilskraftHatte ich doch«- so sagt48 er- >>erst unbewußt und aus innerem Trieb auf jenes Urbildliche, Typische rastlos gedrungen, war es mir sogar geglückt, eine naturgemäße Darstellung aufzubauen, so konnte mich nunmehr nichts weiter verhindern das Abenteuer der Vernunft, wie es der Alte vom Königsberge selbst nennt49 , mutig zu bestehen.« 18 Goethes Morphologie gipfelt in seiner Lehre von der Metamorphose.50 Die dichterische Darstellung dieser Lehre hat Goethe in zwei großen Lehrgedichten: »Die Metamorphose der Pflanzen« 51 und »Die Metamorphose der Tiere>Wissenschaftliches GenieGenie< erlitt eine solche Mißdeutung, aus der man die Notwendigkeit ableiten wollte, es gänzlich aus der deutschen Sprache zu verbannen. Und so hätten sich die Deutschen, bei denen überhaupt das Gemeine weit mehr überhand zu nehmen Gelegenheit findet als bei anderen Nationen, um die schönste Blüte der Sprache, um das nur scheinbar fremde, aber allen Völkern gleich angehörige Wort vielleicht gebracht, wenn nicht der durch eine tiefere Philosophie wieder neu gegründete Sinn fürs Höchste und Beste sich wieder glücklich hergestellt hätte.«st Das ist vielleicht die schönste Würdigung von Kants kritischer Philosophie, die sich in Goethes Werken findet. Sie ist umso bedeutsamer, als die Kantische Lehre ihm persönlich weit weniger zu geben vermochte als sie Schiller gegeben hatte. Für Schiller war es das Studium der Kamischen Philosophie gewesen, das die Gärung der Jugendjahre abschloß. Nur durch dieses Studium konnte er die Epoche des »Sturm und Drang« überwinden, konnte er aus dem Dichter der »Räuber« und des »Don Carlos>Dichtung und Wahrheit« über die erste Niederschrift des >>WertherDie Konsequenz der NaturNotwendigkeitPhantasie für die Wahrheit des Realen.«t~ 1 Was wir hier vor uns sehen, ist eine sehr eigentümliche Analogie zu Kants Denkungsart und Philosophie. Kant war und blieb der Philosoph des a priori. Aber für ihn erschließt die apriorische Erkenntnis kein eigenes und selbständiges Gebiet jenseits der Erfahrung. Das Apriori 132 ist vielmehr ein Moment in der Struktur der Erfahrungserkenntnis selbst; es ist, in seiner Bedeutung und in seinem Gebrauch, an die letztere gebunden. Von dieser Fassung des »Ideellen« fühlte sich Goethe lebhaft angezogen; in seinem Handexemplar der »Kritik der reinen Vernunft« hat er sich die Stelle doppelt angestrichen 68 , an der Kant erklärt, daß alles, was der Verstand aus sich selbst schöpft, ohne es von der Erfahrung zu borgen, das habe er dennoch zu keinem anderen Behuf als lediglich zum Erfahrungsgebrauch. 69 Das Ergebnis von Kants transzendentaler Analytik läßt sich in gewissem Sinne in einen Satz zusammenfassen. Es ist der Satz, daß Gedanken ohne Inhalt leer sind . 135 Einen Inhalt aber können Gespräche mit Eckermann, 14. März 1830[, Gespräche, ed. Biedermann, Bd 4, Nr 2797, S. 236] 130 67 Gespräche mit Riemer 1827; und mit Eckermann 25. Dezember 1825 (Gespräche[, ed. Biedermann, Bd 3, Nr 2568, S. 484, und Nr 2378, S. 245]) 68 Eine Beschreibung dieses Handexemplars ist von K. Vorländer gegeben worden; siehe Kant-Studien, Bd. m 6 9 Kritik der reinen Vernunft, 2. Auf!. [1787], S. 295 (Werke[= CA, Bd] III, [S.] 212) [AA, Bd 3, S. 203]1l4 66

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nach Kant unsere Gedanken nur dadurch erhalten, daß sie sich auf die Anschauung - die reine oder empirische Anschauung beziehen. Ohne diese Beziehung hätten wir zwar Denkformen; aber diese Formen besäßen keinerlei objektive Bedeutung, keinen empirischen Erkenntniswert »Anschauung und Begriff machen also die Elemente aller unserer Erkenntnis aus, so daß weder Begriffe, ohne ihnen auf einige Art korrespondierende Anschauung, noch Anschauung ohne Begriffe eine Erkenntnis abgeben können«/ 0 Die reinen Verstandesbegriffe sind an sich nichts anderes als logische Funktionen des Urteilens. Wenn diese Funktionen aus bloßen Gedanken zu Erkenntnissen werden sollen, müssen sie sich mit Anschauung erfüllen. >>Könnte dem Begriffe eine korrespondierende Anschauung gar nicht gegeben werden, so wäre er ein Gedanke der Form nach, aber ohne allen Gegenstand, und durch ihn gar keine Erkenntnis von irgendeinem Dinge möglich; weil es ... nichts gäbe noch geben könnte, worauf mein Gedanke angewandt werden könnte.« 7 I Von dieser Lehre mußte sich Goethe von Anfang an lebhaft angezogen fühlen. Er stand hier zu Kant in einem weit freieren Verhältnis als die deutsche Schulphilosophie. 138 Denn diese sah in Kants These nur die negative, nicht die positive Seite. Für die Schüler Wolffs und die Anhänger der Wolffischen Ontologie war und blieb Kant der »Alleszermalmer«, wie Mendelssohn ihn genannt hat. 139 Hatte er doch erklärt, daß die Grundsätze des reinen Verstandes »bloß Prinzipien der Exposition der Erscheinungen« seien, und daß daher »der stolze Name einer Ontologie, welche sich anmaßt, von Dingen überhaupt synthetische Erkenntnisse a priori in einer systematischen Doktrin zu geben, dem bescheidenen einer bloßen Analytik des reinen Verstandes Platz machen« müsse/2 Goethe hingegen sah in dieser Kanti-

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7 Kritik der reinen Vernunft, 2. Auflage [1787], S. 74 (Werke [=CA, Bd] III, [5.]79) [AA, Bd 3, S. 74] 136 71 Ebenda, S. 146 (Werke [=CA, Bd] III, [S.] 123) [AA, Bd 3, S. 117] 137 72 Ebenda, S. 303 (Werke [=CA, Bd] III, [S.] 217) [AA, Bd 3, s. 207]140

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sehen Kritik der Schulphilosophie nicht ein Werk der Zerstörung, sondern ein Werk der Befreiung. Er fand hier die Grundtendenz seines »gegenständlichen Denkens« wieder, das sich von den Anschauungen nicht trennen, sondern sich mit ihnen innigst durchdringen wollte/3 Und auch die Kantische Bescheidenheit war ganz in seinem Sinne. Er begnügte sich mit dem ,.farbigen Abglanz« und war überzeugt, daß wir an diesem 142 farbigen Abglanz das Leben haben. 143 »Wir leben innerhalb der abgeleiteten Erscheinungen«- so sagt er- »und wissen keineswegs, wie wir zur Urfrage kommen sollen.« 74 Die Negation der »absoluten« Erkenntnis bedeutete ihm daher keinen Verlust, und sie setzte seiner Art zu forschen keine bestimmte Schranke. »Vom Absoluten in theoretischem Sinne« - so erklärt er- »wage ich nicht zu reden; behaupten aber darf ich, daß, wer es in der Erscheinung anerkennt und immer im Auge behalten hat, sehr großen Gewinn davon erfahren wird.«75 War das Bild, das Goethe sich von der Kamischen Lehre machte, zutreffend - können wir ihm objektive historische Wahrheit zugestehen? Diese Frage läßt sich kaum mit einem einfachen »Ja« oder »Nein« beantworten. Ich würde gewiß niemandem raten, Goethes Auffassung und Darstellung der Kamischen Philosophie in ein Lehrbuch der Philosophiegeschichte aufzunehmen. Goethe selbst hat uns erzählt, daß, wenn er bisweilen in Gespräche über die Kantische Philosophie verwickelt wurde und seine eigenen Auffassungen vortrug, die anwesenden Kantianer den Kopf schüttelten. »Mehr als einmal begegnete es mir, daß einer oder der andere mit lächelnder Verwunderung zugestand: es sei freilich ein Analogon Kantischer Vorstellungsart, aber ein seltsames.« 76 Mehr als ein solches Analogon dürfen wir bei Goethe nicht suchen. Er bekannte sich zu keiner philosophischen Schule, und er schwur auf keines Meisters Worte. Hier müssen wir an Goethes Zahmes Xenion denken: 73 Siehe [WA, Abt. 2:] Naturwiss. Sehr., Bd. XI, S. S8 141 74 Goethe, Maximen und Reflexionen, [ed. Hecker,] Nr. 1208, 75 Ebenda, Nr. 261, S. 47 144 [S. 251 76 [WA, Abt. 2:] Naturwiss. Sehr., Bd XI, S. 51 f.

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»Was willst Du, daß von deiner Gesinnung Man dir nach ins Ewige sende? Er gehörte zu keiner Innung, Blieb Liebhaber bis ans Ende.>SO heiß ich's Wahrheit. Und so kann jeder seine eigene Wahrheit haben, und es ist doch immer dieselbige.«78 In diesem Sinne können wir es verstehen und würdigen, daß die großen Künstler der klassischen 147 Epoche verschiedene Bilder von Kant 148 in ihrem Geist geformt haben. In der Schrift »Winckelmann und sein JahrhundertMaximen und Reflexionen< wurden aus den Manuskripten des Goethe- und Schiller-Archivs von Max Hecker herausgegeben (Schriften der Goethe-Gesellschaft, Bd 21; Weimar, 1907).

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Das Problem >> Kant und Goethe« gehört zu jenen Problemen der Geistesgeschichte, die schlechthin unerschöpflich scheinen. So häufig, so gründlich und eingehend es von Philosophen und Literaturhistorikern behandelt worden ist: es fordert immer wieder zur Betrachtung heraus und stellt immer neue Fragen. Zwar nach der literargeschichtlichen Seite hin scheint heute die Frage geklärt. Seit der Erschließung des Weimarer Goethe-Archivs, überblicken wir fast vollständig, fast in dokumentarischer Genauigkeit, die Zeugnisse jener kaum je unterbrochenen, stillen und stetigen Entwicklung, die Goethe immer näher zu Kant hinführt. In der ersten Zeit überwiegt in Goethe noch das Gefühl der Fremdheit, ja das Gefühl der Scheu vor der neuen Lehre, die er seinem eigenen Wesen, wenn nicht als feindlich, so doch als scharf entgegengesetzt empfindet. »Ins Labyrinth selbst« - so hat er später berichtet, »konnt' ich mich nicht wagen; bald hinderte mich die Dichtungsgabe, bald der Menschenverstand und ich fühlte mich nirgend gebessert. «1 Aber schon früh hat er diese Scheu überwunden; hat er sich aus der eigenen Kraft einen durchaus eigentümlichen und ihm allein gemäßen Weg zu Kant gebahnt. Es bedurfte hierzu nicht der geistigen Einwirkung Schillers, sondern er selbst findet und geht diesen Weg. »Goethe ist acht Tage hier gewesen«- so schreibt Körner schon im Oktober 1790 an Schiller- »und ich hatte viel mit ihm gelebt; es gelang mir, ihm bald näherzukommen und er war mitteilender als ich erwartet hatte. Wo wir die meisten Berührungspunkte fanden, wirst du schwerlich erraten. Wo sonst, als - im Kant! In der Kritik der theologischen Urteilskraft hat er Nahrung für eine Philosophie gefunden.« 2 Und wie Denken und Tun sich für Goethe nirgends trennten, wie er überzeugt war, daß man »auch in Wissenschaften eigentlich nichts wissen könne« 3 , sondern daß alles und jedes immer getan sein wolle, so suchte er auch in der »Kritik der Urteilskraft« nicht nur Nahrung für seine Philoso-

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phie, sondern er bekennt, daß er diesem Werk, das »seine disparateste Beschäftigung«, das Dichtkunst und Naturbetrachtung in eins faßte und aus einem gemeinsamen Prinzip entspringen ließ, eine höchst frohe Lebensepoche schuldig geworden sei. 4 Und diese Wirkung hat sich im Laufe der Zeit mehr und mehr vertieft. >>Wenn ich sagen könnte«, so sagt Goethe als 76jähriger zu Eckermann- »Was ich alles großen Vorgängern und Mitlebenden schuldig geworden bin, so bliebe nicht viel übrig. Hierbei aber ist es keineswegs gleichgültig, in welcher Epoche unseres Lebens der Einfluß einer fremden bedeutenden Persönlichkeit stattfindet. Daß Lessing, Winckelmann und Kam älter waren als ich, und die beiden ersteren auf meine Jugend, der letztere auf mein Alter wirkt, war für mich von großer Bedeutung.« 5 Aber worin bestand nun diese Wirkung? Welches war hier das eigentliche geistig-vermittelnde Moment und in welcher Richtung bewegte sie sich? Auf diese Frage ist eine klare und eindeutige Antwort noch keineswegs gegeben. Versucht man diese Antwort zu finden, so muß man hierbei, wie mir scheint, an eine Äußerung anknüpfen, die, soviel ich sehe, in der Literatur über Goethe noch kaum verwertet, geschweige vollständig und befriedigend geklärt worden ist. >>Kam hat nie von mirNotizgenommen «-so hat Goethe einmal im Jahre 1827 gesagt- »wiewohl ich aus eigener Natur einen ähnlichen Weg ging als er. Meine >Metamorphose der Pflanzen< habe ich geschrieben, ehe ich etwas von Kam wußte, und doch ist sie ganz im Sinne seiner Lehre.« 6 Auf den ersten Blick ist diese Äußerung nicht nur dunkel, sondern schlechthin paradox. Denn wie ließe sich zwischen Goethes Naturanschauung, wie sie sich in der »Metamorphose der Pflanzen« darstellt, und der Naturansicht Kants irgend eine Vermittlung oder Versöhnung denken? Für Kam ist dieN atur »Das Dasein der Dinge, sofern es nach allgemeinen Gesetzen bestimmt ist«. 7 Diese allgemeinen Gesetze werden von der exakten Wissenschaft, von der Mathematik und Physik festgestellt. Der Verstand ist daher der »Urheber der Natur« 8 - der Verstand, wie er sich in allgemeinen Begriffen, in den Kategorien und in den synthetischen Grundsätzen expliziert. Und in der Darstellung und systematischen

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Einrichtung dieser Form des Verstandes lehnt sich Kant aufs nächste an Newton an. Die einzelnen Begriffe, die er als Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung, und somit als Bedingungen der Möglichkeit der Natur als des Gegenstandes der Erfahrung, aufstellt, entsprechen Zug für Zug dem System der Newtonischen Physik. Im Substanzbegriff finde der Newtonsehe Trägheitssatz, im Kausalbegriff sein Gesetz von der Proportionalität von Ursache und Wirkung, ein Begriff der Wechselwirkung, der Satz, der Gleichheit von Aktion und Reaktion seine Begründung, seine »apriorische« Rechtfertigung. Aber diese Rückführung der Natur auf die allgemeinen mathematisch faßbaren Gesetze, auf das Prinzip des Mechanismus war das, was Goethes Wesen und seiner Naturanschauung aufs tiefste widerstrebte. Gegen sie hat er sein ganzes Leben lang mit Erbitterung, mit wachsender Leidenschaft gekämpft. Wie konnte somit der Verfasser des polemischen Teiles der »Farbenlehre« sich auf Kant beziehen- wie konnte er in dem Glauben leben, in dem Aufbau seiner Naturansicht und seiner geistigen Welt einen ähnlichen Weg als diesen gegangen zu sein? Erblickte Goethe nicht überall sonst in der begrifflichen Analyse, die die Natur auf Zahlen und Größen, auf Gesetze und Prinzipien zurückführt, nicht sowohl eine Erklärung der Natur, als vielmehr ihre Zerstörung? Und war nicht Kant in der Richtung dieser Analyse noch einen Schritt weiter gegangen als Newton - hatte er nicht erklärt, daß die besonderen Naturgesetze nur Spezifikation allgemeiner Verstandesgesetze seien?9 Es ist somit klar, daß wenn hier eine Beziehung zwischen Kant und Goethe obwaltet, sie nicht im Inhalt der Naturanschauung beider gesucht werden darf. Aber Goethes Gedanke der »Metamorphose« bedeutete auch für ihn selbst mehr als die Feststellung bestimmter inhaltlicher Verhältnisse, bestimmter Einzeltatsachen, die sich ihm in der Betrachtung der Pflanzenwelt aufgedrängt hatten. Je älter Goethe wurde, um so mehr sah er in diesem Gedanken eine Form der Naturbetrachtung, eine ideelle >>Maxime«. »Man darf die Grundmaxime der Metamorphose« - so hat er einmal ausdrücklich betont- »nicht allzu breit erklären wollen: wenn man sagt, sie sei reich und· produktiv wie eine Idee, so ist es das Beste«. 1o Nur auf diese

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Idee, ihren Gehalt und ihre geistige Tendenz kann sich der Vergleich mit Kam beziehen. Und hier läßt sich in der Tat das Grundmoment[,] auf dem der Zusammenhang beider beruht, deutlich aufweisen. Was Goethe dem Prinzip der Metamorphose nachrühmt, ist das, daß durch dasselbe »die starre VorstellungsartGenetischen Blicks« zu erheben.13 Diesen »genetischen Blick« hat Goethe für die Welt der Naturformen, Kam für die Welt der Begriffsformen besessen. Beide faßten den Gedanken der »Genesis« nicht im empirischzeitlichen, sondern im ideellen Sinne auf. Beide wollen mit ihm nicht einfach vorhandene Tatsachen klassifizieren und Daseiendes beschreiben, sondern sie wollen einen neuen Weg des Verständnisses, einem neuen »Sinn« der Welt eröffnen. Goethe verwirft die festen Art- und Klassenbegriffe der Linneschen Botanik: er erklärt das Dasein der Pflanze und ihrer Form aus den Bedingungen ihres Werdens. Kam löst den Seinsbegriff der dogmatischen Metaphysik auf: der echte Gegenstand der Erkenntnis

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ist ihm nicht das >>Ding an sichirrationalistische« Absicht von Rousseaus Lehre, sondern er will sie auch dem allgemeinen Zuge des französischen Denkenseinreihen und in ihr einen echten Sprößling des »Cartesischen Geistes« sehen. Seine Beweisführung gründet sich vor allem auf die Religionsphilosophie Rousseaus. In ihrem wichtigsten Dokument, in der »Profession de foi du Vicaire savoyard>unerbittlichen Rationalismus« (d'un rationalisme intransigeant) und eines höchst aggressiven kritischen Geistes. Wenn Rousseau sich hier gegen jene Form des »raisonnierenden« Denkens wendet, wie er sie im Kreise der Enzyklopädisten vorfand, wenn er ihr gegenüber die Eigenart und das Recht der religiösen Intuition vertritt, so steht doch das, was diese Intuition lehrt, nach ihm nirgends im Gegensatz zu den Lehren der philosophischen Vernunft, sondern bildet die Bestätigung und Rechtfertigung eben dieser Vernunft selbst. »Les plus grandes idees de Ia divinite nous viennent par Ia raison seule.Versuch über die Dichtungen< schreibt Goethe zu Rousseau: »es gibt ein Werk in der Welt: die neue Heloise, deren größtes Verdienst in der Beredsamkeit der Leidenschaften besteht, und obgleich der Gegenstand oft moralisch ist, so gewinnen wir doch eigentlich nur dadurch den Begriff von per Allmacht des Herzens« (WA, Abt. I, Bd 40, S. 239). Siehe auch Cassirer: Freiheit und Form, 1975, S. 176f. 56 Den Begriff gibt es seit Platon (den Ausdruck >schöne Seele< erst später); er wird über Plotin, Cicero, Augustinus in die mittelalterliche und barocke Mystik (bes. der spanischen des 16. Jh.s) tradiert, kommt bei Shaftesbury und Sarnuel Richardson als »beauty of the heart« vor, in Rousseaus >Neuer Heloise< als »belle arne«, die aber anders als bei Shaftesbury oder Schiller, kein Bildungs-, sondern ein Naturprodukt ist und die er mit einem •hohen Geist< (esprit eleve) verbunden sehen möchte (der Begriff ist in diesem Werk ständig präsent, den Ausdruck gibt es aber nicht allzu oft, z. B. ROC, Bd 2, S. 13, 27, 62, 193, 495f., 759; •JulieWoldernar< (1779), und wird von Schiller im Hinblick auf das Ziel einer ästhetischen Erziehung zu Anmut und Würde als Ideal einer harmonischen Verbindung von Affekten und sittlichen Kräften, Sinnlichkeit und Vernunft, Neigung und Pflicht formuliert: eine Seele, bei der die Affekte, der Wille und Trieb selbst zur Sittlichkeit führen; ist Anmut der Ausdruck einer schönen Seele, so ist Würde der Ausdruck einer erhabenen Gesinnung (•Über Anmut und WürdeBekenntnisse einer schönen Seele< (daneben kommt der Ausdruck bei Goethe nur selten vor). G. W. F. Hege! (1770-1831) wendet sich in der >Phänomenologie des Geistes< (ed. Wessels/Clairmont, 1988, S. 429ff., 433) entschieden gegen dieses Ideal. In Bd 2 des >Erkenntnisproblems< (1974, S. 565) spricht Cassirer von der »neuen Auffassung der >Seele2. DiscoursDiscoursKritiken< verfaßte, schrieb 1781: »Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muß.« (CA, Bd 3, S. 7; AA, Bd 4, S. 9) >Kritik< ist ein Grundbegriff Kants. 69 Den folg. Absatz im Text macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 70 Obgleich der Cassirer-Text hier nicht notwendig verderbt ist, kann man vermuten, daß es sich bei »VOr« um einen Tippfehler (statt >VOnErfahrung< siehe auch hier >Goethe und die Kamische PhilosophieSein< und >Sollen< auch dort, wo er dieses auf jenes zu gründen schien. Und um so schärfer und klarer mußte sich ihm diese Sonderung gestalten, je weiter er in der kritischen Zergliederung des reinen Wahrheitsbegriffs fortschritt; je bestimmter er auch im rein theoretischen Gebiet die Frage nach der Herkunft und der Entstehung der Erkenntnis von der nach ihrem Wert und ihrer objektiven Gültigkeit trennte.« Vgl. a.a.O., S. 93f. Siehe auch Cassirer: Freiheit und Form, S. 325, und im Aufklärungsbuch S. 362ff. Ähnlich uneindeutig ist Rousseau beim Sozialvertrag, siehe hier s. 35-37. 86 Rousseau: Schriften zur Kulturkritik, ed. Weigand, S. 66f. Siehe auch a.a.O., S. 78f. (ROC, Bd3, S.123, 132) und hier S. 35 mitte. Cassirer (Versuch über den Menschen, 1990, S. 100): »Rousseaus Schilderung des Naturzustandes war nicht als historische Darstellung der Vergangenheit gedacht. Sie war eine symbolische Konstruktion, dazu geschaffen, eine neue Zukunft für die Menschheit anzuzeigen und wirklich werden zu lassen.« Siehe auch hier S. 11 f. und 21. 87 Dt.: »Ü Mensch, aus welcher Gegend du auch immer stammst, was für Meinungen du auch habest, höre! Dies ist deine Geschichte, wie ich 79

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Anmerkungen des Herausgebers

sie zu lesen glaubte, und zwar nicht in den Büchern von deinesgleichen, die Lügner sind, aber in der Natur, die niemals lügt.Republique< de Platon. Ce n'est point un ouvrage de politique, comme le pensent ceux qui ne jugent des livres que par leurs titres. C'est les plus beau traite d'education qu'on ait jamais fait« (ROC, Bd 4, S. 250). Im 8. Buch der >Bekenntnisse< gesteht Rousseau, daß er sich in bezugauf seine Meinung zur Kindererziehung als Mitglied des platonischen Staates fühle (ROC, Bd 1, S. 357; Bekenntnisse, ed. Hardt/Krauss, S. 502). Rousseau zitiert Platon, vor allem die >PoliteiaInstitutions Politiques< ist der Titel eines von Rousseau geplanten, umfangreichen Werkes, aus dem als Auszug der •Contrat social< entstand (siehe >BekenntnisseSympathie des Gleichen< (siehe auch hier Hrsg.-Anm. 108 f.), andererseits die (bes. stoische) Ansicht, daß alle Menschen durch ihre Teilhabe an der göttlichen Vernunft gleich sind. Behaupten z. B. die Epikureer, daß es gerade bei den vernunftbegabten Lebewesen eine Gemeinschaft nicht durch Natur,

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sondern nur durch menschliche Satzung gebe und baut Epikur (342/ 41-271/70) seine Ethik auf dem durch die Natur bedingten Egoismus und der Lust des Menschen auf, so sieht der röm. Kaiser Mark Aurel (121-180) das Gegeneinanderwirken als gegen die Natur und das Gemeinschaftsgefühl als menschliche Naturanlage (Wege zu sich selbst, Buch 6, § 7; Buch 7, §55; Buch 8, § 12) und Lucius Annaeus Seneca(ca. 4 v. Chr.-65 n. Chr.) wie Marcus Tullius Cicero (106-43) Gemeinschaft bzw. Gesellschaft des Menschen in seiner Natur begründet (z. B. Seneca: De ben. IV 18; Ad Luc. V 48/2; Cicero: De leg. I 10, 16, 34; De fin. III 65; siehe auch SVF Bd 3, 1964, Nrn 262, 314, 346, 686). Eine der wirkungsvollsten Gegenpositionen bezieht Thomas Hobbes (siehe hier Hrsg.-Anm. 124), der dem Menschen nicht bestreitet, ein animal sociale, aber ein animal civile (zoon politikon) von Natur aus zu sein, wie in der »geschwätzigen Philosophie des Aristoteles« (Behemoth, Teil 2. Hobbes: English Works, ed. Molesworth, Bd 6, S. 282). Nach Hobbes ist der Mensch einfach nicht »born fit for society« (De cive. Hobbes: English Works, ed. Molesworth, Bd 2, S. 2; De cive, The English version, 1983, S. 44), ob er Frieden will oder nicht und auch jenseits einer guten oder bösen Natur des Menschen, denn »selbst wenn der Mensch von Natur bestimmt wäre, nach der Gesellschaft zu verlangen, so folgte doch nicht, daß er von Natur zur Eingehung der Gesellschaft auch geeignet sei; denn das Verlangen und die Fähigkeit sind verschiedene Dinge« (Anm. Hobbes' zu § 2 von Kap. 1 von >De civeGlaubensbekenntnis des savoyischen VikarsHomo homini Iupus< (Der Mensch ist für den Menschen ein Wolf), der sich im Widmungsschreiben an den Grafen Wilhelm von Devonshire in >De cive< findet und meist einseitig und aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird; es heißt nämlich bei Hobbes: »Nun sind sicher beideSätze wahr: Der Mensch ist ein Gott für den Menschen [Homo homini Deus], und: Der Mensch ist ein Wolf für den Menschen [Homo homini Iupus ]; jener, wenn man die Bürger untereinander, dieser, wenn man die Staaten untereinander vergleicht.« (Hobbes über die Freiheit, ed. Geismann/Herb, S. 40-43) Siehe auch hier Hrsg.-Anm. 107. 125 Vgl. Cassirer: Der Mythus des Staates, S. 141 f.: Rousseau mußte

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und wollte im >Contrat social< einen Widerspruch lösen und zwei entgegengesetzte Prinzipien versöhnen, ein rein ideelles und ein historischfaktisches: Dem Postulat von der ursprünglichen Gleichheit und Freiheit des Menschen wird von den Tatsachen der Geschichte und der menschlichen Gesellschaft ständig widersprochen, wie es auch der 1. Absatz des 1. Kapitels des >Contrat social< formuliert: »Der Mensch ist frei geboren, und überallliegt er in Ketten. Mancher hält sich für den Herrn der andern und bleibt dennoch mehr Sklave als sie. Wie ist dieser Wandel geschehen? Ich weiß es nicht. Was kann ihn rechtmäßig machen? Ich glaube diese Frage beantworten zu können.« (ROC, Bd 3, S. 351; Sozialphilos. und Polit. Schriften, ed. Koch, S. 270) Cassirer, a. a. 0.: »Um diese Frage zu beantworten, mußte Rousseau eine sehr komplizierte Theorie aufbauen. Er mußte einen langen Weg gehen, der ihn von seiner ersten negativen Haltung gegenüber der menschlichen Gesellschaft zu einem neuen positiven und konstruktiven Prinzip führte. Er mußte von einem Pol zum andern übergehen: von seinem ersten Discours zu seinem Contrat social.« Den folg. Absatz im Text macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 126 Im Typoskript steht (wohl irrtümlich) »ZUr«. 127 Im Typoskript ist vor »im« ein »wir« handschriftlich gestrichen. Das Komma vor »und« sollte wohl vor »im« stehen, um »im gegenseitigen Verkehr« als Parenthese zu kennzeichnen (denn nach »Verkehr« steht auch ein Komma). 128 Den folg. Absatz im Text macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 129 Cassirers Aufklärungsbuch S. 351: »Dieser Enthusiasmus für die Kraft und für die Würde des Gesetzes ist es, was Rousseaus Ethik und was seine Politik kennzeichnet: und hierin ist er zum eigentlichen Vorgänger von Kant und Fichte geworden.« no Es handelt sich um ein durchgehendes Zitat, dessen 1. Teil Cassirer in dt. Übersetzung und dessen 2. Teil er im französ. Original gibt. Der 1. Teil im französ. Original: »Comment se peut-il faire qu'ils obeissent et que personne ne commande, qu'ils servent et n'aient point de maitre; d'autant plus libres en effet que, sous une apparente sujetion, nul ne perd de sa liberte que ce qui peut nuire a celle d'un autre?« Der 2. Teil in dt. Übersetzung: »Diese Wunderdinge sind das Werk des Gesetzes. Einzig dem Gesetz haben die Menschen Gerechtigkeit und Freiheit zu verdanken. Dieses heilsame Organ des gemeinsamen Willens ist es, welches die natürliche Gleichheit zwischen den Menschen im Recht wiederherstellt. Diese himmlische Stimme ist es, welche jedem Bürger die Gebote der

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Anmerkungen des Herausgebers

öffentlichen Vernunft vorschreibt, die ihn lehrt, nach den Grundsätzen seines eigenen Urteils zu handeln und mit sich selbst nicht in Widerspruch zu stehen.« (Rousseau: Sozialphilos. und Polit. Schriften, ed. Koch, S. 235) In Buch 1, Kap. 8, des •Contrat social< heißt es: "J'obeissance a Ia loi qu'on s'est prescritte est liberte«. Dt.: »der Gehorsam gegen das Gesetz, das man sich selbst gegeben hat, ist Freiheit« (ROC, Bd 3, S. 365; Sozialphilos. und Polit. Schriften, ed. Koch, S. 284). Den folg. Absatz im Text macht die engl. Ausg., nicht das Typoskript. 131 Im Typoskript hieß es ursprünglich: »wird, sondern was durch ihn selbst konstituiert und geschaffen wird«. Das 1. »wird« ist mit der Schreibmaschine durchgeixt -wohl um die stilistisch unschöne Doppelung zu vermeiden. Von Cassirers Hand ist dann aber »was« zu »muß« und das 2. »wird« in »werden« geändert. Dann jedoch ist das 1. •wird« grammatisch wieder erforderlich. 132 »II y aura toujours une grande difference entre soumettre une multitude et regir une societe. Que des hommes epars soient successivement asservis a un seul, en quelque nombre qu'ils puissent etre, je ne vois Ia qu'un maitre et des esclaves, je n'y vois point un peuple et son chef. C'est, si l'on veut, une agregation, mais non pas une association; il n'y a Ia ni bien public, ni Corps politique.« Dt. auch in Rousseau: Sozialphilos. und Polit. Schriften, ed. Koch, S. 278. Zur Rousseauschen Vertragstheorie (im Unterschied zu Althusius und Hobbes) siehe Cassirers Aufklärungsbuch S. 343-354, und seinen Artikel >EnlightenmentGrundlegung zur Metaphysik der Sitten< (1785) gibt Kant vier Formulierungen des Kategorischen Imperativs, eine allgemeine und drei spezielle, wobei man die allgemeine und die erste spezielle zusammenfassen kann: I. (formal): »handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, daß sie ein allgemeines Gesetz werde« (für die >Grundlegung ... Kritik der praktischen Vernunft< (1788) bestimmt Kant in§ 7 das »Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft« (Titel des § 7) als: »Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.« (CA, Bd 5, S. 35; AA, Bd 5, S. 30) Cassirer vergleicht also die Formulierung der >Kritik der praktischen Vernunft< mit der hier unter Nr 4 zitierten Formulierung. 136 Der allgemeine Wille (volonte generale) als oberste(s) Voraussetzung und Ziel (»Naturgesetz«) jeder politischen Gesellschaft (corps/ societe politique), d. h. des Gesellschaftsvertrages (contrat social), hat die Erhaltung und das Wohl des Ganzen wie jeden Teils zum Zweck, ist Quelle und Richtschnur für die Gesetze und scharf von der bloß zufälligen Übereinstimmung des auf Privatinteressen gerichteten Willens aller (volonte de tous) unterschieden. 137 Im Typoskript ursprünglich: »wollen wir ihm«. 13 8 Im Typoskript ursprünglich· »auch« statt »sich«. 139 »Der Mensch [ ... ] ist ein zu edles Wesen, als daß er bloß andern als Werkzeug dienen sollte, und man darf ihn nicht zu dem verwenden, was jenen frommt, ohne auch zu bedenken, was ihm selbst frommt; [ ... ] Es ist niemals erlaubt, eine menschliche Seele zum Vorteil anderer zu verderben, [ ... ].« (Rousseau: Julie, ed. Gellius/Wolff, S. 563) 140 »The very tit!e of the work- Du Cantrat social, ou Principes de Droit politique- proclaims that the author has thrown away the scabbard and is ready to do batt!e for the Right. lt is the former part of the tit!e, in truth, which is open to objection; and it is a thousand pities that Rousseau did not replace it, as at one moment he intended to do, by the neutral· phrase, De la societe civile. «

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Anmerkungen des Herausgebers

Siehe hier S. 25 mit Hrsg.-Anm. 86. Den folg. Absatz im Text macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 142 Emile, Buch 5: »Le seul moderne en etat de creer cette grande et inutile science eut ete l'illustre Montesquieu. Mais il n'eut garde de traitter des principes du droit politique; il se contenta de traiter du droit positif des gouvernemens etablis, et rien au monde n'est plus different que ces deux etudes.« (ROC, Bd 4, S. 836) »Der einzig Neuere, der in der Lage gewesen wäre, diese große und nutzlose Wissenschaft aufzubauen, wäre der berühmte Montesquieu gewesen. Aber er hat sich gehütet, über die Grundzüge des politischen Rechts zu schreiben. Er hat sich damit begnügt, das positive Recht bestehender Regierungen abzuhandeln; und nichts in der Welt ist verschiedener als diese beiden Gebiete.« (Emil, ed. Schmidts, S. 504f.) >Principes du droit politique< (Grundzüge des politischen Rechts) lautet der Untertitel von Rousseaus >Contrat sociak 143 1748 erschien von Montesquieu das umfangreiche Werk >De l'esprit des loix< (Vom Geist der Gesetze; in: Geist der Gesetze< eine (von zwei) unfehlbare Richtschnur für die Regierung, um in Fällen zu entscheiden, die nicht durch Gesetz geregelt sind und nicht vorhersehbar waren (ROC, Bd 3, S. 250, 263; Sozialphilos. und Polit. Schriften, ed. Koch, S. 237, 250). 144 Im Typoskript durch Cassirers Hand geändert von »Ansammlungen« zu »Verbände«. 145 »Il y a mille manieres de rassemhier !es hommes, il n'y en a qu'une de !es unir. C'est pour cela que je ne donne dans cet ouvrage qu'une methode pour Ia formationdes societes politiques; quoique, dans Ia multitude d'agregations qui existent actuellement sous ce nom, il n'y en ait peut-etre pas deux qui aient ete formees de Ia meme maniere, et pas une qui l'ait ete selon celle que j'etablis. Mais je eherehe [ ... ].höheren Ganzen< (vor allem dem .Volks geistRomanisten< (bes. mit Bernhard Windscheid [1817-1892] und >Germanisten< (bes. mit Otto von Gierke [1841-1921]). 141

Kant und Rousseau

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Wie auch beim Naturzustand, siehe hier S. 25 mit Hrsg.Anm. 85. Den folg. Absatz im Text macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 148 Bei Kant heißt es »Rechtmäßigkeit«. 149 Bei Kant heißt es: »vereinigten Willen eines ganzen Volkes«, wohl ein Tippfehler im Typoskript. 150 Poeme sur le desastre le Lissabon ou examen de cet axiome: Tout est bien. In Voltaire: CEuvres completes, ed. Moland, Bd 9, S. 470-479. Eine (sehr freie) dt. Übersetzung dieses Gedichtes gibt L. Harig: Rousseau, 1978, S. 181-187. 151 Der philosophische Optimismus ist die mit dem Theodizee-Problem (siehe hier Hrsg.-Anm. 159) auf das engsteverknüpfte Ansicht, daß (geschichtsphilosophisch) die Menschengeschichte eine fortschreitende Verwirklichung des Guten und Vernünftigen bzw. daß die von Gott geschaffene Welt die beste (optimum) unter allen möglichen Welten ist (siehe hier die folg. Hrsg.-Anm. 152). Bei Leibniz ist der philosoph. Optimismus rein rationalistisch auf das Individuum bezogen. Das Wort >OptimismusGoethe und die Kamische PhilosophieMemoires de Trevoux< von französ. Jesuiten in polemischer Absicht gegen Leibniz' >Theodizee< geprägt, 1752 in den >Dictionnaire de TrevouxDictionnaire de l'Academie< aufgenommen. Vollends populär machte das Wort Voltaires 1759 erschienener >Candide ou l'optimisme< (in dem die Leibniz-These von der bestehenden Welt als der bestmöglichen lächerlich gemacht werden sollte), nachdem 1753 die König!. Akademie in Berlin für das Jahr 1755 (das Jahr dann des Erdbebens von Lissabon, siehe unten) die Preisaufgabe ausgeschrieben hatte: »Man verlangt eine Prüfung des Systems von Pope, das in seinem Ausspruch: Alles ist gut, enthalten ist [ ... ]« (siehe dazu hier die Hrsg.-Anm. 153 und 154). Den Preis erhielt eine Arbeit von Adolph Friedrich von Reinhard (1726-1783 ), die- wie von dem gegen Leibniz eingestellten AkademiePräsidenten Pierre Louis Moreau de Maupertuis (1698-1759) gewünscht - gegen den Optimismus Stellung bezog. Leibniz' >Theodizee< von 1710 einerseits, andererseits die Berliner Preisfrage für 1755 und das Lissaboner Erdbeben vom 1. November 1755 mit den Reaktionen der Gelehrten (u.a. von Voltaire und Kant, siehe AA, Bd 1, S. 417-472) 147

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Anmerkungen des Herausgebers

markieren gewissermaßen die Eckpunkte dieses Weltanschauungsstreites um den •OptimismusÜber das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodizee< (CA, Bd 6, S. 119-138; AA, Bd 8, s. 253-271). Einen seiner eloquentesten Gegner hat der Optimismus später in Arthur Schopenhauer (1788-1860); er erklärt, daß ihm der Optimismus, »WO er nicht etwan das gedankenlose Reden solcher ist, unter deren platten Stirnen nichts als Worte herbergen, nicht bloß als eine absurde, sondern auch als eine wahrhaft ruchlose Denkungsart erscheint, als ein bitterer Hohn über die namenlosen Leiden der Menschheit• (Die Welt als Wille und Vorstellung, Bd 1, Buch IV, §59), »nicht nur eine falsche, sondern auch eine verderbliche Lehre« (a. a. 0., Bd 2, Buch IV, Kap. 46). Siehe hier auch die Hrsg.-Anm. 152 und 169 sowie Cassirers Aufklärungsbuch S. 194 ff. 152 Diese Argumente finden sich vor allem in Leibniz' >Theodizee< (siehe hier die Hrsg.-Anm. 159). »Diese überlegene Weisheit konnte in Verbindung mit einer nicht weniger unendlichen Güte einzig und allein das Beste erwählen. [ ... ] gäbe es nicht die beste [optimum] aller möglichen Welten, dann hätte Gott überhaupt keine erschaffen. [ ... ] es bleibt dennoch wahr, daß man sie [jede Zeit und jeden Ort] auf unendlich viele Arten hätte erfüllen können und daß es unendlich viel mögliche Welten gibt, von denen Gott mit Notwendigkeit die beste erwählt hat, da er nichts ohne höchste Vernunft tut [ ... ] Wenn somit das geringste Übel, das in der Welt eintrifft, fehlte, es wäre nicht mehr diese Welt, die, alles in allem, von dem sie auswählenden Schöpfer als die beste befunden worden ist. [ ... ] Zwar kann man sich Welten ohne Sünde und ohne Unglück vorstellen [ ... ]; aber diese Welten würden im übrigen der unsrigen erheblich nachstehen. [ ... ] Aber man muß mir das ab effectu zugeben, da Gott unsere Welt so erwählt hat, wie sie ist. Wir wissen außerdem, daß oft ein Übel ein Gut bewirkt, welches ohne dieses Übel nicht eingetroffen wäre.« (Leibniz: Theodizee, Teilt, §§ 8-10) »Man tut aber gut, zu bedenken, daß Gott nichts außerhalb der Ordnung macht. Daher ist das, was als außerhalb der Ordnung stehend gilt, dies nur in bezug auf eine besondere, im Bereiche der Geschöpfe stehende Ordnung. Denn was die universale Ordnung anbetrifft, so ist ihr alles gemäß. [ ... ] Man kann deshalb sagen, daß die Welt, wie auch immer Gott sie erschaffen hätte, stets regelmäßig und einer bestimmten allgemeinen Ordnung entspre-

Kant und Rousseau

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chend gewesen wäre. Gott hat aber diejenige gewählt, welche die vollkommenste ist, d. h. diejenige, die zugleich die einfachste an Prinzipien und die reichhaltigste an Erscheinungen ist; [ ... ].« (Leibniz: Metaphysische Abhandlung, ed. Herring, 1958, § 6) (Siehe auch >Monadologie< §§ 53ff., und >TheodizeeTheodizeeWhatever is, is rightAlles, was ist, ist gut>daß der Mensch von Natur gut ist,

Kant und Rousseau

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und daß es lediglich von ihren Einrichtungen herrührt, wenn die Menschen böse werden« (ROC, Bd 1, S. 1136; auch in Rousseau: Correspondance complete, ed. Leigh, Bd 10, Nr 1633, S. 26 und ROC, Bd 1, S. 934; Rousseau: Schriften, ed. Ritter, Bd 1, S. 483, Bd 2, S. 569). Daß alles gut sei, spricht Rousseau an zahlreichen Stellen aus, so auch im 2. Discours, im >Emile< oder im Brief an Voltaire vom 18. 8. 1756 (ROC, Bd 3, S. 202, Bd 4, S. 525, 588, 712, 1074; Emil, ed. Schmidts, S. 241, 295, 402; Rousseau: Schriften, ed. Ritter, Bd 1, S. 331; Sozialphilos. und Polit. Schriften, ed. Koch, S. 134). Für das Verständnis des Satzes >Alles ist gut< ist es wichtig, ihn nicht zu lesen als: >Alles einzelne ist gut< oder >Alles ist an ihm selbst gutDas Ganze ist gut< oder >Alles ist gut für das GanzeDictionnaire philosophique< die Artikel >Bien, tout est bien< und >Pope< (= Lettre philosophiques No. 22) (Voltaire: CEuvres completes, ed. Moland, Bd 17, S. 581-586 und Bd 22, S. 168-179; der erstgenannte Artikel aus dem Philosophischen Taschenwörterbuch ist frz.-dt. zugänglich in Voltaire: 20 Articles du Dictionnaire Philosophique Portatif, ed. Müller, 1985, S. 10-25). Auch im Bezug auf denNaturzustandist der Satz, daß der Mensch von Natur aus gut ist, richtig zu verstehen (siehe hier Hrsg.-Anm. 107 am Schluß). Cassirer sieht das Rousseausche >Glaubensbekenntnis des savoyischen Vikars< lückenlos in die Gesamtheit der Kleistschen Weltbetrachtung eingeordnet. »Denn der Satz >Le tout est bien< gilt für Rousseau, wie er für Leibniz gegolten hatte. Auch er glaubt an einen durchgängigen teleologischen Grundplan der >VorsehungErbsünde< befleckte Güte der menschlichen Natur- und dieser doppelte Glaube bildet die Voraussetzung, von der aus er die Enge und Beschränktheit der gesellschaftlichen Kultur, der willkürlichen menschlichen Satzungen bekämpft.« (Idee und Gestalt, 1971, S. 182) Vgl. hier die Hrsg.-Anm. 151, 152, 159. 155 Voltaire: CEuvres completes, ed. Moland, Bd 9, S. 470 und 472f. In wörtlicher deutscher Übersetzung:

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Anmerkungen des Herausgebers

•Ewiges Wachhalten nutzlosen Leidens! Getäuschte Philosophen, Ihr schreit >Alles ist gut< Kommt und seht alle gräßlichen Trümmer, Diesen Schutt, diese Fetzen, diese unglückliche Asche, Diese Frauen, diese Kinder übereinandergehäuft, Unter gebrochenem Marmor verstreute Glieder; Werden Sie sagen, Es ist die Wirkung ewiger Gesetze, Die ein freier und gütiger Gott als Wahl aufnötigt? Nein, mein rastloses Herz zeigt nicht mehr Jene unabänderlichen Gesetze der Notwendigkeit, Jene Kette von Körpern, von Geistern und Welten Oh Träume der Gelehrten, oh tiefe Chimären! Gott hält die Kette in der Hand, und ist selbst nicht gekettet Durch seine wohltuende Wahl ist alles bestimmt. Er ist frei, er ist gerecht, er ist jedoch nicht unerbittlich. Warum leiden wir also unter solch einem rechtschaffenen Herrn?« Pierre Bayle (1647 -1706), franz. Philosoph, 1681-1693 Professor der Philosophie in Amsterdam, wurde durch seine kritische, an Toleranz und historischer Analyse orientierte, denkerische Unabhängigkeit zum Vorbild der Aufklärung und durch seinen skeptischen Rationalismus zum Vorläufer der Enzyklopädisten des 18. Jh.s. Sein berühmter >Dictionnaire historique et critiqueDictionnaire< dann in erweiterter Konzeption größtenteils biographische Artikel, bei denen sich einem meist kurzen, Tatsachen objektiv zusammentragenden Textteil ein umfangreicherer kritischer Anmerkungsteil anschließt, in dem Bayle- teils philologisch- Widersprüche und Irrtümer der mitgeteilten Quellen und Texte und deren Glaubwürdigkeit kritisch prüft und - vor allem religiöse - Dogmen und althergebrachte Meinungen als Vorurteile und in sich widersprüchlich aufzeigt: »Bekanntlich hatte Bayle mit ungeheurer Gelehrsamkeit und mit bewunderungswürdigem Scharfsinne in seinem Dictionaire alle Zweifel angehäuft, welche den Glauben an die Freiheit des Menschen und an die Güte Gottes wankend machen können. Namentlich hatte er dies in den Artikeln Anaxagoras, Charron, Manichäer, 156

Kant und Rousseau

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Melissus, Paulicianer, Perikles und Xenophanes getan.« (Ersch/Gruber, Sek. 3, Teil4, 1833, S. 271) Zu Bayle siehe auch Cassirer: Das Erkenntnisproblem, Bd 1, S. 585-601; Aufklärungsbuch S. 215f., 269ff. Bayle, mit dem Leibniz seit 1687 brieflich verkehrte, hatte in der 1. Auf!. seines >Dictionnaire< im Artikel >Rorarius< scharfe Kritik an Leibniz' (in dessen >Systeme nouveau< geäußerter) Theorie von der prästabilierten Harmonie geübt. Im Juli 1698 entgegnete Leibniz in der Zeitschrift >Histoire des ouvrage des savants< mit dem Aufsatz >Eclaircissement des difficultes que M. Bayle trouvees dans le systeme nouveau de l'union de l'ame et du corps< (Erläuterung zu den Schwierigkeiten, die Herr Bayle in dem neuen System der Vereinigung der Seele und des Körpers gefunden hat; dt. in Leibniz: Philos. Schriften, ed. Gerhardt, Bd 1, S. 252-271). Bayle führte die Diskussion in der 2. Auf!. des >Dictionnaire< fort. Im August 1702 schickte Leibniz über den Leydener Professor für Philosophie, Physik und Mathematik Bureher de Volder (1643-1709) einen Text an Bayle (der 1712 publiziert wird): >Reponse aux reflexions ... de M. Bayle sur le systeme de !'Harmonie preetablie.< Leibniz hat nach eigenen Aussagen das Theodizee-Problem (siehe hier Hrsg.-Anm. 159) seit Beginn seiner wissenschaftlichen Studien beschäftigt, 1674 auch eine >Confessio philosophi< dazu verfaßt. Dies wie auch andere Themen in Bayles >Dictionnaire< hatte er mit der Herzogin und späteren Kurfürstin von Hannover, Sophie von der Pfalz (1630-1714) und ihrer Tochter, der gebildeten Kurfürstin (späteren Königin in Preußen) Sophie Charlotte (1668-1705) intensiv erörtert, als Bayle in der 2. Auf!. des >DictionnaireManicheensTheodizee< (siehe hier Hrsg.-Anm. 159, vgl. dazu die >Vorrede< von Leibniz' >Theodizee< sowie P. Bayle: Historisches und critisches Wörterbuch, Teil 3, 1743, Artikel >ManichäerLeibnitzens AntwortenBrief über den Optimismus bzw. über die Vorsehung< findet sich auch in: Correspondance complete de Jean-Jacques Rousseau, Bd 4, Nr 424, S. 37-41, Zitate aufS. 38 und 50; ROC, Bd 4, S. 1059-1078; dt. u. a. in Rousseau: Schriften, ed. Ritter, Bd 1, S. 315-332; Rousseau: Kulturideale, 1908, S. 292-310. ROC, Bd 4,

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Anmerkungen des Herausgebers

S. 1060: »Cet optimisme, que vous trouvez si cruel, me console pourtant dans !es memes douleurs que vous me peignez comme insupportables. Le poeme de Pope adoucit mes maux et me porte a Ia patience, le vötre aigrit mes peines, m'excite au murmure, et m'ötant tout, hors qne esperance ebranlee, il me reduit au desespoir. Dans cette etrange opposition qui regne entre ce que vous prouvez et ce que j'eprouve, calmez Ia perplexite qui m'agite, et dites-moi, qui s'abuse, du sentiment, ou de Ia raison.« S. 1075: »Toutes !es subtilites de Ia Metaphysique ne me feront pas douter un moment de l'immortalite de l'ame, et d'une Providence bienfaisante. Je Ia sens, je Ia crois, je Ia veux, je l'espere, je Ia defendrai jusqu'a mon dernier soupir.« Cassirer hat eine Textauslassung (»außer einer schwankenden Hoffnung«) nach >>nimmt mir alles« nicht gekennzeichnet. Cassirer übersetzt nicht völlig korrekt. Siehe auch hier S. 43 unten. 159 Bezeichnung für das seit Epikur (342/1-271/0; Epicurea, Frg. 374, ed. Usener, 1887, S. 253) philosophisch gefaßte Problem einer Rechtfertigung Gottes gegen den Vorwurf, daß er trotz seiner Allmacht und Güte das Übel in der Welt zugelassen hat bzw. zuläßt, in allgemeiner Bedeutung auch die metaphysische Gotteserkenntnis überhaupt. Das Wort >Theodizee< hat Leibniz nach dem Neuen Testament (Brief an die Römer 3,5) in den 1710 erschienenen >Essais de theodicee sur Ia honte de Dieu, Ia liberte de l'homme et l'origine du mal< (Abhandlungen zur Rechtfertigung Gottes, über die Güte Gottes, die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Übels) geprägt, in denen das TheodizeeProblem seine klassische und bekannteste Formulierung sowie wirkungsgeschichtlich bedeutsamste >Lösung< findet. (Siehe auch bei Cassirer u. a. in >Leibniz' System in seinen wissenschaftlichen Grundlagentissu< (Gewebe, Gefüge) bezeichnet (siehe dazu Leibniz' Brief an Hugony vom 30. 11. 1710 in Leibniz: Die philos. Schriften, ed. Gerhardt, Bd 3, S. 680f.), wurde zu einem Grundbuch der Gebildeten seiner Zeit. Die Konjunktur von >Theodizeen< in den deistischen Popularphilosophien des 18. Jh.s wird durch die Kritik Kants gebrochen. Hege! hält Leibniz' >Theodizee< "für uns nicht mehr recht genießbar«; ihr Resultat sei »Optimismus, auf den hinkenden Gedanken gestützt, Gott habe, da einmal eine Welt habe werden sollen, aus den vielen möglichen Welten die möglichst beste, - die vollkommenste gewählt« (Hege!: Werke in 20 Bdn, Bd 20, S. 236f.; vgl. dazu Cassirer: Der Mythus des Staates, S. 330ff.). Siehe auch hier die Hrsg.-Anm. 151, 152 und 156 sowie Cassirers Aufklärungsbuch S. 182-214.

Kam und Rousseau

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Bei Kant heißt es »fürchterliche« und »die feuerspeienden Berge fordern den Menschen zur Betrachtung auf und sind nicht weniger von Gott als eine richtige Folge aus beständigen Gesetzen in die Natur gepflanzt, [ ... ]«. 161 Aus »Und der >Versuch einiger Betrachtungen über den Optimismus< aber« machte Cassirers Hand zunächst: »Aber der >Versuch einiger Betrachtungen über den OptimismusProlegomena< schreibt Kam, die Gegner Humes erfanden »ein bequemeres Mittel, ohne alle Einsicht trotzig zu tun, nämlich die Berufung auf den gemeinen Menschenverstand. [ ... ]Wenn Einsicht und Wissenschaft auf die Neige gehen, alsdenn und nicht eher, sich auf den gemeinen Menschenverstand zu berufen, das ist eine von den subtilen Erfindungen neuerer Zeiten, [ ... ]. Solange aber noch ein kleiner Rest von Einsicht da ist, wird man sich wohl hüten, diese Nothilfe zu ergreifen. Und, beim Lichte besehen ist diese Appellation nichts anders, als eine Berufung auf das Urteil der Menge.« 164 Kritik der reinen Vernunft, 1. Auf!. 1781, 2. Auf!. 1787, CA Bd 3, AA, Bd 3 und 4; Kritik der praktischen Vernunft, 1. Auf!. 1788, CA Bd 5, AA, Bd 5; Kritik der Urteilskraft, 1. Auf!. 1790, 2. Auf!. 1793, 3. Auf!. 1799, CA, Bd 5, AA, Bd 5. 165 Siehe oben Hrsg.-Anm. 151. 166 Im Typoskript ist »Vermögenvermöge dieser Sophistik< heißen. 16 7 A. a. 0. schreibt Kam: »daß alle bisherige Theodicee das nicht leiste, was sie verspricht, nämlich die moralische Weisheit in der Weltregierung gegen die Zweifel, die dagegen aus dem, was die Erfahrung an dieser Welt zu erkennen gibt, gemacht werden, zu rechtfertigen; [ ... ] dahin bringen, mit Gewißheit darzutun: daß unsre Vernunft zur Einsicht des Verhältnisses, in welchem eine Welt, so wie wir sie durch Erfahrung immer kennen mögen, zu der höchsten Weisheit stehe, schlechterdings unvermögend sei; [ ... ] von der Einheit in der Zusammenstimmung jener Kunstweisheit mit der moralischen Weisheit in einer Sinnenwelt 160

148

Anmerkungen des Herausgebers

haben wir keinen Begriff und können auch zu demselben nie zu gelangen hoffen. [ ... ]eine Einsicht, zu der kein Sterblicher gelangen kann.« 168 Im Typoskript durch Cassirers Hand geändert von: •daß ein Dasein«. 169 Zu Voltaire siehe vor allem sein >CandideDie Welt als Wille und VorstellungRousseau richtet über Jean-Jacques< (ROC, Bd 1, S. 813; Schriften, ed. Ritter, Bd 2, S. 430). Den folg. Absatz im Text macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 2o2 Im Typoskript ursprünglich: »Verbindet, nicht«.

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Anmerkungen des Herausgebers

Kritik der praktischen Vernunft, Teilt, Buch 1, Hauptstück 3 (CA, Bd 5, S. 95; AA, Bd 5, S. 86): »Pflicht! du erhabener großer Name, der du nichts Beliebtes, was Einschmeichelung bei sich führt, in dir fassest, sondern U merwerfung verlangst, [ ... ] . « 2 04 K. Vorländer z. B. formuliert 1919: »Vielleicht hat Rousseaus begeisterte Apostrophe an das Gewissen der noch berühmteren Kams an die Pflicht zum Vorbild gedient« (Kam und Rousseau, S. 517). 205 Siehe auch hier S. 52 und Cassirer: Das Problem Jean-Jacques Rousseau, S. 68 ff.: »So ist die Idee der Freiheit für Rousseau mit der Idee der Religion unzertrennlich verbunden; aber sie gründet sich nicht auf die Religion, sondern bildet vielmehr deren eigenes Fundament. [Siehe hier S. 46.] Der Schwerpunkt der Religion liegt fortan einzig und allein in der Ethiko-Theologie. [ ... ]Aus dem Gewissen quillt und in ihm besteht alles echte und ursprüngliche religiöse Wissen.« 206 Kant unterscheidet in der >Kritik der UrteilskraftDer einzig mögliche BeweisgrundGrundlegung zur Metaphysik der SittenConclusion< betitelt. Das Typoskript hat hierzu keine Überschrift. 243 Siehe hier S. 4 mit Anm. 2. 244 Im Typoskript ursprünglich: »Sinne zu Eins«. 245 Den folg. Absatz macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 246 Eine bei Francis Bacon (siehe hier Hrsg.-Anm. 99 von >Goethe und die Kamische PhilosophieDescriptio globi intellectualisglobus terrestris< oder >globus materialisnovus orbis scientiarum< meint. Bei Wilhelm Dilthey (1833 -1911) als Oberbegrifffür Natur- und Geisteswissenschaften als »Kosmos der geistigen Tatsache« (Ges. Schriften, Bd 1, S. 21, 25). Cassirer spricht in Bd 3 der >Philos. d. symbol. FormenAltpreussischen Monatsschrift< 41, 1904). Vorbild für Hippels >Mann nach der Uhr< (im Lustspiel Herr Orbil) war wohl Green; als Vorbild für den Magister Blasius vermutet man Kant (vgl. die Einleitung des Hrsg. in: Hippe!, Der Mann nach der Uhr, hrsg. v. Jenisch, 1928, S. 18-23). Hippe!, den Kant »meinen vertrauten Freund« nennt (AA, Bd 12, S. 387; Bd 13, S. 537) und Green - von Kant als »bester Freund« bezeichnet (AA, Bd 11, S. 232)- gehörten zu Kants engeren Freunden und seiner Tischgesellschaft. Zu Kants Leben siehe auch hier S. 4/5 unten und S. 6/7. [skript. Den folg. Absatz im Text macht die eng!. Ausg., nicht das Typo253 Im Typoskript geändert von »glücklichsten«. 254 »Le moment ou renoncant e tout projet de fortune pour vivre au jour Ia journee il se defit de sa montre fut un des plus doux de sa vie. Grace au Ciel, s'ecria-t-il dans un transporte de joye, je n'aurai plus besoin de savoir !'heure qu'il est!« »Der Augenblick, in dem er jedem Glücksprojekt entsagte, um dem Tag zu leben, und seine Uhr wegwarf, war einer der süßesten seines Lebens [ ... ].« (Schriften, ed. Ritter, Bd 2, S. 467) Die Betonung Cassirers liegt wohl auf »äußere Bindung«. Daß auch Rousseaus Leben zeitweise eintönig und nach einem Muster ablief, sagt er selbst z. B. in >Rousseau richtet über Jean-Jacques< (ROC, Bd 1, S. 846f.; Schriften, ed. Ritter, Bd 2, S. 468). Am Ende der Anm. ist im Typoskript nach »2e dialogue« die geklammerte- und unrichtige- Bemerkung »am Anfang« gestrichen.

160 255 256

ven«.

Anmerkungen des Herausgebers Im Typoskript ursprünglich: »Waren, und getrennt«. Im Typoskript durch Cassirers Hand geändert von »subjekti-

Metaphysik der Sitten, Rechtslehre, 2. Teil, 1. Abschnitt: »denn wenn die Gerechtigkeit untergeht, so hat es keinen Wert mehr, daß Menschen auf Erden leben« (CA, Bd 7, S. 139; AA, Bd 6, S. 332). 258 Die eng!. Ausg. hat hier korrekt »homme de Ia nature«. Siehe hier S. 21 mit Hrsg.-Anm. 65. 259 Im Typoskript durch Cassirers Hand geändert von »Negative folgt der rein positive«. 260 Den folg. Absatz macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 261 Die Anm. ist im Typoskript nachträglich von Cassirers Hand an den unteren Rand des Blattes hinzugefügt. 262 Die beiden letzten Sätze sind im Typoskript ursprünglich nur durch Kommata abgetrennt; Cassirers Hand hat das geändert. 263 Das philos. Ideal der Klarheit und Deutlichkeit hat als erster Rene Descartes (1596-1650) formuliert. Es wurde dann von Gottfried Wilhelm Leibniz und der Wolffianischen deutschen Schulphilosophie aufgenommen. Auch Kant fordert Klarheit und Deutlichkeit der Begriffe und der Darstellung (siehe z.B. CA, Bd 3, S. 9ff. bzw. AA, Bd 3, S. !Off.; Reflexion 5561: AA, Bd 18, S. 234; CA, Bd 6, S. 34f. bzw. AA, Bd 8, S. 216f.; Brief an M. Herz vom 20. 8. 1777: CA, Bd 9, S. 161 bzw. AA, Bd 10, S. 213f.) auch im Sinne einer Gewißheit und Sicherheit (siehe z. B.: Versuch, den Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen, 1763; Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral, 1764), aber nicht im Sinne einer philosophischen Theorie des cartesischen >claire et distincte< (siehe z. B. Kritik der reinen Vernunft: CA, Bd 3, S. 71 ff., AA, Bd 3, s. 65ff.). 264 >Pünktlichkeit< hier im Sinne von: Genauigkeit überhaupt, d. h. (noch) nicht auf Zeit bezogen. In den >Prolegomena< (CA, Bd 4, S. 9; AA, Bd 4, S. 261) meint Kant, daß eine »der Menschheit unentbehrliche Erkenntnis [ ... ]nicht anders als nach den strengsten Regeln einer schulgerechten Pünktlichkeit ausgemacht werden kann«. In der >Kritik der praktischen Vernunft< (CA, Bd 5, S. 101; AA, Bd 5, S. 92) heißt es, die Unterscheidung der Glückseligkeitslehre von der Sittenlehre sei »in der Analytik der reinen praktischen Vernunft die erste und wichtigste ihr obliegende Beschäftigung, in der sie so pünktlich, ja, wenn es auch hieße, peinlich, verfahren muß, als je der Geometer in seinem Geschäfte«. In der Rezension des 1. Teils von Herders >Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit< meint Kant, unter dem Namen einer Philoso257

Goethe und die Kamische Philosophie

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phie der Geschichte der Menschheit verstehe man gewöhnlich »logische Pünktlichkeit in Bestimmung der Begriffe« etc. (CA, Bd 4, S. 179; AA, Bd 8, S. 45). 265 Im Typoskript durch Cassirers Hand geändert von: »Zeigt [ ... ] auf ein Problem [ ... ] führt,«. 266 Kant bezeichnet in der Vorrede zur 2. Auf!. seiner >Kritik der reinen Vernunft< den Weg einer Wissenschaft vom »bloßen Herumtappen« zum >sicheren< oder >königlichen Weg< als »Revolution der Denkart« (CA, Bd 3, S. 16ff.; AA, Bd 3, S. !Off.). Siehe auch hier Hrsg.Anm. 191. 267 Bei diesen, in der Hartenstein-Ausg. abgedruckten >Fragmenten< handelt es sich um Kants >Bemerkungen zu den Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen< (siehe a. a. 0., Bd 8, S. X), die sich in krit. Edition in AA, Bd 20, finden. 268 Im Typoskript ursprünglich: »in der bekannten Gesamtausgabe«. 269 Es muß heißen: »Writings«, »editions«, »introductions«, »C. E. Vaughan«.

Goethe und die Kantische Philosophie Im Typoskript ist von Cassirers Hand »leider« durch »bisher« ersetzt. 2 WA, Abt. 1, Bd 14, S. 67, Vers 1237. 3 Siehe hier Hrsg.-Anm. 50. 4 Isaak Newton (1643-1727), eng!. Mathematiker, Physiker und Astronom, Begründer der klassischen theoretischen Physik und damit der exakten Naturwissenschaft u. a. durch die Formulierung der drei Axiome der Mechanik, der Bewegungsgleichung und des Gravitationsgesetzes; Begründer auch der Himmelsmechanik durch den Nachweis der Gültigkeit der irdischen Naturgesetze auch für die Himmelskörper. 5 Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes, nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt (1755): CA, Bd 1, S. 219-370; AA, Bd 1, S. 215-368. 6 Untersuchung über die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und der Moral. Zur Beantwortung der Frage, welche die König!. Akademie der Wissenschaften zu Berlin auf das Jahr 1763 aufgegeben hat (1764): CA, Bd 2, S. 173-202; AA, Bd 2, S. 273-301. 7 Bei Kant heißt es: »Ich behaupte aber« und »bestimmte Naturdinge (Körperlehre und Seelenlehre) ist«. 1

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Anmerkungen des Herausgebers

Siehe dazu Cassirer: Goethe und die mathematische Physik. Eine erkenntnistheoretische Untersuchung. In: Idee und Gestalt, 1971, S. 33-80. Deren 1. Satz lautet: »In Goethes Leben und im Aufbau seiner theoretischen Weltansicht bildet sein Verhältnis zur Mathematik und zur mathematischen Naturwissenschaft den tragischen Einschlag.« 9 Im Typoskript durch Cassirers Hand geändert von: »SO sagte Goethe«. 10 Das Verhältnis Johann Gottfried Herders (1744-1803) zu Kam gehört zu den bekanntesten und bemerkenswertesten des 18. Jh.s. Der junge Herder war als Student Kants in den frühen 60er Jahren enthusiasmiert von dem großen Philosophen, der mit dem genialischen Herder auch verkehrte. Seit 1767 ist eine allmähliche Distanzierung zwischen beiden festzustellen, die durch zwei Rezensionen Kants von Herders >Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit< vom Jan. und Nov. 1785 (CA, Bd 4, S. 177-200; AA, Bd 8, S. 43-66) zum offenen Gegensatz, ja - von Herders Seite aus - zur erklärten Feindschaft wird (Kants durchaus gerechte Besprechung kränkt in den wenigen, wohlmeinenden, aber auch väterlich ermahnenden Ratschlägen den empfindsamen, reizbaren Herder), die sich schon im zweiten Teil der >IdeenGott. Einige Gespräche< (1787), der >Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft< (1799), der >Kalligone< (1800; gegen Kants >Kritik der UrteilskraftKritik der reinen Vernunft< siehe hier Hrsg.-Anm. 133. Cassirer kannte die Kam-Ausgaben Goethes persönlich: Er hatte im Mai 1905 mit seiner Frau Weimar besucht (siehe hier die Einleitung S. XV). Über die >Qualität< dieser Anstreichungen Goethes (falls es eine solche überhaupt gibt), finden sich die entgegengesetztesten Meinungen. Urteilt E. Bergmann, Goethes Bleistiftanstrei8

Goethe und die Kamische Philosophie

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chungen »beweisen keine Art von Verständnis des Inhalts. Es sind die Bleistiftstriche Eines, der sich durch Unterstreichen gewisser Worte rein mechanisch vor dem Einschlafen zu bewahren sucht« (Bergmann: Rezension von Th. Ziegler: Goethes Weltanschauung, 1917, S. 295), so findet G. Rabe! »Goethes Anstreichungen vielfach sinngemäßer als die Sperrungen in der Ausgabe der Phi!. Bibliothek. Oft ist mir eine zuvor dunkle Stelle durch Betonen der von Goethe hervorgehobenen Worte plötzlich licht geworden« (Rabe!: Goethe und Kant, Bd 1, 1927, S. 7). 12 Cassirer: Schiller und Shaftesbury, 1935, S. 46: »Was Schiller die Kamische Philosophie wert, und was sie ihm zuletzt ganz unentbehrlich machte, das war der Umstand, daß er in ihr seine eigenen künstlerischen Erfahrungen bestätigt, und daß er sie zugleich bereichert und vertieft fand; daß durch sie, wie Schiller es selbst ausdrückt, die Empirie auf feste Prinzipien gebracht, und die Prinzipien an der Empirie geprüft und nachgemessen wurden.« 13 A. a. 0., S. 51, schreibt Goethe: »[ ... ] in der Kritik der reinen Vernunft, in welche tiefer einzudringen mir auch zu gelingen schien [ ... ]«. Vgl. dazu ein Zitat aus Goethes Gesprächen vom 18. 12. 1823, hier Hrsg.-Anm. 32. 14 Z. B. bei K. Rosenkranz: Göthe und seine Werke, 1847, S. 83; F.Jodl: Goethe and Kant, 1901, S. 261. Quelle dieses Irrtums, deru. a. in Ueberwegs >Grundriss der Geschichte der Philosophie< (13. Auf!., Teil3, 1953, S. 616) richtiggestellt ist, ist wohl ein Diktum aus Goethes Gesprächen; Goethe soll zu Boisseree am 3. 10. 1815 gesagt haben: »[ ... ] so kam er durch Schiller an die Kamische Philosophie, die er sich von Reinhold in Privatstunden vortragen ließ usw.« (Goethes Gespräche, ed. Biedermann, Bd 2, Nr 1720, S. 349). Aber zu Eckermann soll er am 14. 4. 1827 geäußert haben: »Schiller pflegte mir immer das Studium der Kamischen Philosophie zu widerraten. Er sagte gewöhnlich, Kant könne mir nichts geben. Er selbst studierte ihn dagegen eifrig, und ich habe ihn auch studiert, und zwar nicht ohne Gewinn« (a. a. 0., Bd 3, Nr 2484, s. 373). Der Einfluß Kants auf Goethe wie auch das Verhältnis des Dreigestirns Kant-Schiller-Goethe untereinander ist in zahlreichen Publikationen diskutiert worden, bes. seit Kar! Vorländers Veröffentlichungen dazu. 0. Harnack formuliert, daß Goethe »die völlige Annäherung an Kant vor allem erleichtert [wurde] durch die Brücke, welche sein neugewonnener Freund Schiller ihm über die Kluft baute« (Harnack: Goethe, 1905, S. 26f.). K. Fischer schrieb 1858: »Kant dachte nur moralisch, Goethe nur ästhetisch.« Schiller stelle sich in die »bewegliche Mitte« »Zwischen Beide in seiner Abhandlung über Anmuth und Würde, die

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Anmerkungen des Herausgebers

den moralischen Standpunkt mit dem ästhetischen ausgleichen wollte« (Schiller als Philosph, 1868, S. 8, 76). Ähnlich findet A. Baumgartner: »Theoretisch nimmt Schiller eine Mittelstellung zwischen Kant und Göthe ein« (Göthe, 1886, S. 198). Für J. Cohn gab Schiller »Goethe in der für ihn einzig möglichen Form, was dem Dichter von Kant förderlich werden konnte« (Das Kantische Element in Goethes Weltanschauung, 1905, S. 286). F. Paulsen meint, daß »nicht so sehr Goethe zu Kant hingeführt, als vielmehr Schiller von Kant abgezogen worden ist, vor allem in der Moral« (Goethes ethische Anschauungen, 1902, S. ''"6). Für G. Rabe! wirkt »Sehr erheiternd [ ... ] der Disput, ob Schiller zu Kant hin oder Goethe Schiller von Kant weg gezogen habe. Keiner zog hin, keiner zog her. Sie fanden sich in Kant« (Goethe und Kant, Bd 1, 1927, S. 57f.). Rabe! teilt (a. a. 0., S. 57) Vorländers Meinung, nicht Schiller habe zwischen Goethe und Kant vermittelt, sondern Kant sei der Vermittler zwischen Schiller und Goethe- welche These Vorländer 1928 bestätigt (Goethe und Kant, S. 234). Gleichwohlliest man in Vorländers Buch >Kant, Schiller, Goethe< (2. Auf!., 1923, S. 259): »Schiller aber ist, wie wir gezeigt haben, der Vermittler zwischen beiden Großen [Kant und Goethe] gewesen« und: »Durch den Freundschaftsbund mit Schiller (1794) ist dann auch Goethe, der bis dahin seine philosophische Nahrung namentlich aus Herder und Spinoza gezogen hatte, der Kantischen Philosophie nähergebracht worden. Schon vorher hatte er sich nach seinem eigenen Bekenntnis durch die Grundgedanken der Kritik der Urteilskraft lebendig angeregt, [ ... ]« (Immanuel Kant und sein Einfluß auf das deutsche Denken, 1925, S. 91f.). Cassirer: Freiheit und Form, 1975, S. 170: »Goethe hat, lange vor seiner Verbindung mit Schiller, die Beziehung zur Kantischen Lehre selbständig gesucht und für sich festgestellt. [ ... ] von der Seite des Formproblems her hat Goethe, von der Seite des Freiheitsproblems her hat Schiller seinen Weg zu Kant gefunden.« 15 Dieser Brief Christian Gottfried Körners (1756-1831) an Schiller findet sich in: Schillers Briefwechsel mit Körner, ed. Goedeke, 2. Auf!., Teil 1, S. 380-382, Cassirer-Zitat auf S. 381. Siehe hierzu R. Steiger: Goethes Leben von Tag zu Tag, Bd 3, S. 107. Im Brieftext heißt es: »mittheilender« und »Kritik der teleologischen Urtheilskraft«. 16 Siehe dazu G. v. Molnar: Goethes Studium der Kritik der Urteilskraft, 1984. 17 Bei Kant heißt es: »Es ist nämlich ganz gewiß«. 18 Barthold Hinrieb Brockes (1680-1747), bedeutender deutscher, spätbarocker Dichter, der in seinem Hauptwerk >Irdisches Vergnügen in

Goethe und die Kamische Philosophie

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Gott< (9 Bde, 1721-1748; Nachdruck Bern 1970), einer Gedichtsammlung, der überall zweckmäßigen Einrichtung der Schöpfung durch Gott nachgeht und das Gegenständliche mit bisher nicht gekannter Genauigkeit und sinnlicher Differenziertheit beschreibt, womit er als Vorbild für die Naturlyrik von Albrecht von Haller (1708-1777) bis Friedrich Gottlieb Klopstock (1724-1803) wirkte. 19 Den folg. Absatz macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 2 Christian Wolff (1679-1754), bedeutendster Philosoph der deutschen Frühaufklärung. Schuf das System des dt. Rationalismus, indem er die Philosophie Leibniz' in eine schulmäßig systematische Fassung brachte und maßgeblich zur Ausbildung der deutschen philosophischen Terminologie beitrug. 21 CA, Bd 3, S. 28; AA, Bd 3, S. 22. Vgl. auch a. a. 0. CA, Bd 3, S. 32; AA, Bd 3, S. 25. Auch in seinem Kant-Buch (S. 74) und in >Thorilds Stellung< (S. 38) gibt Cassirer dieses Kam-Zitat. 22 Christian Wolff: Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt [Deutsche Metaphysik]. 2., vermehrte Auf!. 1751. 1983. 23 Den folg. Absatz macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 24 Den folg. Absatz macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 25 Im Typoskript durch Cassirers Hand geändert von: »natürlich«. 26 Eine Figur aus Goethes >Faust< I. 27 Das dritte Zitat findet sich a. a. 0. so nicht; S. 125 heißt es vielmehr: »Man findet über diesesbeyder Abwechslung des Tages und der Nacht den Nutzen, daß Menschen und Thiere, die [ ... ]«; S. 126 liest man: »Unterdessen dienet [ ... ] die Nacht zu einigen Verrichtungen, [ ... ].« Diese Zitate finden sich auch in der 2. Auf!. des Werks (die mit der 3. Auf!. seiten-, aber nicht satzidentisch ist): Vernünfftige Gedankken von den Absichten der natürlichen Dinge, Den Liebhabern der Wahrheit Mitgerheilet [Deutsche Teleologie]. 2. Auf!. 1726. 1980. 28 Die Stelle findet sich im 1. Kapt. des >CandideDictionnaire philosophique< heißt es:

°

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Anmerkungen des Herausgebers

»Keine Ordnung ohne Ziel, keine Wirkung ohne Ursache; darum ist alles gleichermaßen Ergebnis und Frucht eines Endzweckes; darum ist es genauso wahr zu sagen, die Nasen seien zum Brillentragen gemacht und die Finger für diamantenen Zierrat, wie zu sagen wahr ist, die Ohren seien gebildet, Klänge zu vernehmen, und die Augen, das Licht zu empfangen.« (G:uvres completes, ed. Moland, Bd 18, S. 104; in der Edition von Naves/Benda, 1967, S. 200; dt. in Voltaire: Kritische und satirische Schriften, 1984, S. 740f., sowie: Das Lächeln Voltaires, 1921, S. 32f.) 29 »Man hüte sich, daß man die Spötterei eines Voltaire nicht mit Recht auf sich ziehe, der in einem ähnlichen Tone sagt: sehet da, warum wir Nasen haben; ohne Zweifel, damit wir Brillen darauf stecken könnten.Kam und RousseauBetrachtung über Morphologie überhaupt< (um 1798) bestimmt Goethe die Morphologie, die für ihn große Bedeutung hatte, als »die Lehre von der Gestalt der Bildung und Umbildung der organischen Körper« (WA, Abt. 2, Bd 6, S. 293). Im Text >Die Absicht eingeleitet< (1807) versteht Goethe den »Trieb [ ... ], die lebendigen Bildungen als solche zu erkennen, ihre äußern sichtbaren, greifliehen Theile im Zusammenhange zu erfassen, sie als Andeutungen des lnnern aufzunehmen und so das Ganze in der Anschauung gewissermaßen zu beherrschen« als »Versuche, eine Lehre zu gründen und auszubilden, welche wir die Morphologie nennen möchten« (WA, Abt. 2, Bd 6, S. 8f.). »Genese des Individuums, Metamorphose und Typus sind die Inhalte der Morphologie; ihre >besonderen Zwecke< sieht Goethe in der Möglichkeit, die Organismen nach Gestalt und Struktur zu vergleichen« (D. Kuhn in: Goethe, Sämd. Werke, Briefe, Tagebücher und Gespräche [Dt. Klass. Verlag], Abt. 1, Bd 24, S. 854). Probleme der Morphologie werden in sechs, von 1817 bis 1824 36

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Anmerkungen des Herausgebers

von Goethe herausgegebenen Heften der Schriftenreihe ,zur Morphologie< und ,zur Naturwissenschaft überhaupt< behandelt (WA, Abt. 2, Bd6ff.). 38 Vorrede, S. VIII: »Die mit Goethe beginnende Periode der Botanik verhält sich zur voraufgehenden Linneschen, etwa wie die Chemie zur Alchymie.« 39 Carl von Linne (1707 -1778), bedeutender schwedischer Naturforscher, legte durch anschauliche Benennung der Pflanzenteile das Fundament der botanischen Fachsprache und schuf mit der erstmals 1735 publizierten Abhandlung >Systema naturae< die Grundlage der modernen biologischen Systematik, indem er ein auf den Geschlechtsunterschieden der Pflanzen beruhendes, künstliches (Sexual-)System schuf, das er seit seines Lebens durch ein natürliches (nach Habitus-Ähnlichkeiten; anders als Goethe mit dem Gedanken der Urpflanze) zu ersetzen suchte, und (in der 10. Auf!. 1758)- basierend auf Vorgängern- konsequent die binäre Nomenklatur durchführte. In der >Metamorphose der Pflanzen< geht Goethe auf •Linne's Theorie von der Antizipation< ein (WA, Abt. 2, Bd 6, S. 84ff.). 4° Cassirer: Goethe und die geschichtliche Welt, S. 70, 72, 75: Goethes »Grundüberzeugung geht dahin, daß wir die Natur niemals kennen und niemals verstehen lernen, wenn wir sie als bloßes Produkt zu begreifen versuchen; wir müssen uns in den Mittelpunkt ihrer Produktivität versetzen, um aus ihm heraus die Fülle ihrer Gestaltungen und ihren innerlich notwendigen Zusammenhang zu erfassen«. Die Natur ist für Goethe (nach Cassirer) »ein einheitlicher schöpferischer Prozeß« und die Wahrheit der Gegenstände ist »nichts Starres und schlechthin >Feststehendes>Eine Hypothese« ist einer Anmerkung zu einem

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Anmerkungen des Herausgebers

nicht mehr zitierten Satz des Haupttextes entnommen. Zu Beginn heißt es bei Kam »Diese Analogie«. Den folg. Absatz macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. • 8 Im Typoskript geändert von: »sagte«. • 9 Die Kamische Phrase vom »Abenteuer der VernunftKritik der UrteilskraftKritik der reinen Vernunft< spricht Kant von einem »AbenteuerMetamorphose< (griech.; dt.: Umformung, Umgestaltung, Verwandlung) ist (im Gegensatz zu >MorphologieMetamorphosen< auch als Titel- bekanntes, geläufiges und um die Mitte des 18. Jahrhunderts zur Mode avanciertes Wort (Voltaire sagt im >Dictionnaire philosophique< ironisch: »La terre est couverte de metamorphoses«; Urpflanze< entwickelt, der dann aber mehr und mehr vom Begriff des >Typus< und der >Metamorphose< abgelöst wird, wobei in letzterem das »Dynamische, das Wechselhafte organischer Gestalten« (Goethe: Sämtl. Werke nach Epochen seines Schaffens, Bd 12, S. 931)im Gegensatz zum bloß statisch Klassifikatorischen des Linneschen Me-

Goethe und die Kamische Philosophie

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tamorphosenbegriffs z. B. - und die •• Formänderung der Organe bei veränderten Leistungen« (Hansen: Goethes Metamorphose der Pflanzen, 1907, S. 7) im Vordergrund steht: »Die Gestalt ist ein bewegliches, ein werdendes, ein vergehendes. Gestaltenlehre ist Verwandlungslehre. Die Lehre der Metamorphose ist der Schlüssel zu allen Zeichen der Natur.« (WA, Abt. 2, Bd 6, S. 446) Deswegen auch ist »die Idee der Metamorphose [ ... ] eine höchst ehrwürdige, aber zugleich höchst gefährlicheGabevonoben«(WA,Abt. 2,Bd 7,S. 75).1815sagtGoethe: »Alles ist Metamorphose im Leben, bei den Pflanzen und bei den Tieren, bis zum Menschen und bei diesem auch«, und 1830: »Man darf die Grundmaxime der Metamorphose nicht allzu breit erklären wollen; zu sagen: sie sei reich und produktiv wie eine Idee, ist das Beste. Man muß lieber sie in einzelnen Beispielen verfolgen und anschauen.« (Goethes Gespräche, ed. Biedermann, Bd 2, 3. 8. 1815, S. 314; Bd 3, 5. 7. 1830, S. 197). Die Schrift ·Metamorphose der Pflanzen< entstand im Winter 1789/90 und ist die erste naturwissenschaftliche Schrift, die Goethe publiziert hat (Ostern 1790 unter dem Titel .Versuch, die Metamorphose der Pflanzen zu erklären< erstmals bei Ettinger in Gotha, weil sein Verleger Göschen die Publikation ablehnte; 1817/20 in den Morphologischen Heften und nochmals 1831). Zu Goethes Begriff der •Metamorphose< siehe auch Cassirer: Freiheit und Form, S. 219ff., 227ff., und: Goethes Idee der Bildung und Erziehung, 1932,S. 344ff. 51 WA, Abt. 1, S. 85-87, sowie Abt. 2, Bd 6, S. 140-143. Das Gedicht beginnt: »Dich verwirret, Geliebte, die tausendfältige Mischung«. 52 Das Gedicht ·Die Metamorphose der Tiere< war im Erstdruck von 1820 mit ·A8POII:Mm:< betitelt: WA, Abt. 1, Bd 3, S. 89-91 sowie Abt. 2, Bd 8, S. 58-60. Das Gedicht beginnt: »Wagt ihr, also bereitet, die letzte Stufe zu steigen«. 53 Im Typoskript handschriftlich geändert von: »natürlich«. 54 Im Typoskript folgt nach »abgesonderte,« handschriftlich gestrichen: »faktische oder«. 55 Zu Cassirers Verständnis der Platonischen Ideenlehre im Vergleich mit Goethe siehe >Goethe und Platon< in: Goethe und die geschichtliche Welt, 1932, S. 103-148. Den folg. Absatz im Text macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 56 Bei Goethe heißt es: »allein, eh' ich«, »froh und frisch« und »neuen und erneuten Gebildes«. [Typoskript. Den folg Absatz im Cassirer-Text macht die eng!. Ausg., nicht das

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Anmerkungen des Herausgebers

»Der Täuschung, die Urpflanze mit Augen zu sehen, hat Goethe, seit er von Schiller über den Unterschied von Idee und Erfahrung belehrt worden war, ein für allemal entsagt. Jetzt faßt er sie als ein >Modellnatura naturata< I >natura naturans< (hervorgebrachte Natur I hervorbringende Natur): wirkmächtiges Begriffspaar, das in seinen sachlichen Voraussetzungen auf Aristoteles zurückgeht, aber erst bei Michael Scottus (gest. kurz vor 1235) auftaucht, der die Aristoteles-Kommentare des Averroes (1126-1198) aus dem Arabischen ins Lateinische übertrug. 126 Den folg. Absatz macht die eng!. Ausg., nicht das Typoskript. 127 Im Typoskript ist durch Cassirers Hand »deren« zu »diese« geändert. 12 8 Das Gedicht trägt den Titel >ParabaseKritik der reinen Vernunft< spricht Kant (CA, Bd 3, S. 142; AA, Bd 3, S. 135) von den Kategorien »als Bedingungen einer möglichen Erfahrung«, und in den >Prolegomena< heißt es (CA, Bd 4, S. 77; AA, Bd 4, S. 324): »Von einer solchen Einsicht in die Natur der Kategorien, die sie zugleich auf den bloßen Erfahrungsgebrauch einschränkte, [ ... ]. Bibliographischen Index< des Gesamtheftes, dem dieses Cassirersche Textstück zu Rousseau entnommen ist, unter Nr 88 (aufS. 91) aufgeführt. 2 Siehe hier >Kant und RousseauKant und RousseauBibliographischen Index< (S. 94): Emile Brehier: Les lectures malebranchistes de Jean-Jacques Rousseau. In: Revue Internationale de Philosophie 1, 1938, s. 98-120. 7 »Wenn man von einem Einfluß auf Rousseau spricht, so ist es eher in der Art einer Gefühlsverwandtschaft, eines affektiven Gleichklanges als in der einer intellektuellen Zustimmung. Bezieht man letzteren Standpunkt, so läuft man Gefahr, den Einfluß des Malebranchismus' auf Rousseau zu unterschätzen; dieser Einfluß ist eher tiefgründig als oberflächlich zu verstehen, was gewiß schwierig ist.« 1

LITERATURVERZEICHNIS

Die mit;; versehenen Titel zitiert (auch) Cassirer. -y: Goethe als Befreier. Ernst Cassirer in der Goethe-Gesellschaft. In: Vossische Zeitung (Berlin), Nr 129 vom 16. März 1932, Abend-Ausgabe. Aristotelis opera, ex recensione lmmanuelis Bekkeri, edidit academia regia Borussica. Editio altera, quam curavit Olof Gigon. Bd 1-2. Unveränderter photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Berlin 1831. Berlin: de Gruyter 1960. ;; Babitt, Irving: Rousseau and Romanticism. Boston u. a.: Houghton Mifflin 1919. Bast, Rainer A.: Cassirers Rousseau-lnterpretation. Kurzfassung in: Romanistische Zeitschrift für Literaturgeschichte 15, 1991, Heft 3/4 (im Druck). (Die ungekürzte Fassung wird in einer 19?2 erscheinenden Aufsatzsammlung zu Cassirer publiziert werden.) Baumgartner, Alexander: Göthe. Sein Leben und seine Werke. Zweiter Band: Die Revolutionszeit. Göthe und Schiller. (Von 1790 bis 1805). Zweite, vermehrte und verb. Auflage. Freiburg i. Br.: Herder 1886. Bayle, Peter: Historisches und Critisches Wörterbuch. Nach der neuesten Auflage von 1740 ins Deutsche übersetzt. Mit des berühmten Freyherrn von Leibnitz, und Herrn Maturin Ia Veissiere Ia Croze, auch verschiedenen andern Anmerkungen, sonderlich bey anstößigen Stellen versehen von Johann Christoph Gottscheden. Dritter Theil. Leipzig: Bernhard Christoph Breitkopf 1743. ;; Beauvalon, Georges: La philosophie de J.-J. Rousseau et l'esprit cartesien. In: Revue de Metaphysique et deMorale 44, 1937, S. 325-352. Bergmann, Ernst: Rezension von: Theobald Ziegler: Goethes Weltanschauung (1914). In: Kant-Studien 21, 1917, S. 295f. Bonitz, Hermann: Index Aristotelicus. Secunda editio. Photomechanischer Nachdruck der Ausgabe Berlin 1870. Graz: Akademische Druck- und Verlagsanstalt 1955. ;; Brehier, Emile: Les lectures malebranchistes de Jean-Jacques Rousseau. In: Revue Internationale de Philosophie 1, 1938/39, s. 98-120. Brackhaus Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden. Neunzehnte, völlig neu bearbeitete Auflage. Mannheim: F. A. Brackhaus 1986 ff.

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Literaturverzeichnis

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