Rote Bürger: Eine Milieu- und Beziehungsgeschichte linker Dissidenz in Polen (1956-1976) 9783666370328, 9783525370322, 9783647370323

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Rote Bürger: Eine Milieu- und Beziehungsgeschichte linker Dissidenz in Polen (1956-1976)
 9783666370328, 9783525370322, 9783647370323

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© 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft

Herausgegeben von Gunilla Budde, Dieter Gosewinkel, Jürgen Kocka, Paul Nolte, Alexander Nützenadel, Hans-Peter Ullmann

Frühere Herausgeber Helmut Berding und Hans-Ulrich Wehler (1972–2011)

Band 209

Vandenhoeck & Ruprecht © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

Agnes Arndt

Rote Bürger Eine Milieu- und Beziehungsgeschichte linker Dissidenz in Polen (1956–1976)

Vandenhoeck & Ruprecht © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-37032-2 ISBN 978-3-647-37032-3 (E-Book) Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf sowie der FAZIT-STIFTUNG. Umschlagabbildung: Treffen des Klub Poszukiwaczy Sprzeczności im Haus der Kultur, Warschau 1962. © Bildarchiv des Zentrums KARTA, Warschau, Fotografin: Irena Jarosińska © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen / Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U. S. A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. – Printed in Germany. Satz: textformart, Göttingen Druck und Bindung: e Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Für Sven

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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1. »Linke« Dissidenz in Polen – Milieubindung, Sozialisierung und Verhaltensformen . . . . . . . . . 35 1.1 Personenspektrum und Präferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1.1.1 Leben für den Sozialismus. Generationen und politische Vorentscheidungen . . . . . . . 36 1.1.2 Lieben im Sozialismus. Geschlechter und dissidente Arbeitsteilungen . . . . . . . . 46 1.2 Distinktionsmechanismen und Differenzen . . . . . . . . . . . . . 52 1.2.1 Rote Bürger. Zu den Dimensionen der Sozialisierung . . . . 53 1.2.2 Raue Zeiten. Zu den Grenzen jüdischer Assimilierung . . . 60 1.3 Rekrutierungsarten und Referenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 1.3.1 Die Wütenden oder der Klub Krzywego Koła . . . . . . . . . 68 1.3.2 Die Kritischen oder der Polityczny Klub Dyskusyjny . . . . . 78 1.3.3 Die Rebellischen oder der Klub Poszukiwaczy Sprzeczności . 80 2. »Linke« Kritik des Kommunismus – Ansätze und nationale Bezugspunkte im Wandel . . . . . . . . . . . . 87 2.1 Deutungskämpfe und Definitionsprobleme . . . . . . . . . . . . . 87 2.1.1 »Wir, die Linken!« Selbstverständnis und Begriffsverwendung . . . . . . . . . 88 2.1.2 Links wovon? Abgrenzungsversuche und Standortbestimmung . . . . . . 95 2.2 Rückbesinnungen und Reformbemühungen . . . . . . . . . . . . . 106 2.2.1 »In dieser Partei wirst Du nicht mehr lange bleiben!« Von Marxisten und Revisionisten . . . . . . . . . . . . . . . 107 2.2.2 »Und jetzt noch ein Wort von mir persönlich …« Von Trotzkisten und Anarchisten . . . . . . . . . . . . . . . 123 7 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

2.3 Ablösungen und Annäherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 2.3.1 Diktatur der »Zurückgebliebenen«? Vom Internationalismus zum Patriotismus . . . . . . . . . . 138 2.3.2 Dissidenz der »Ungläubigen«? Vom Atheismus zum Katholizismus . . . . . . . . . . . . . . 147 2.3.3 Demokratie der »Unparteiischen«? Von der Klassen- zur Zivilgesellschaft . . . . . . . . . . . . . 159 3. »Linke« Werte- und Solidargemeinschaft? – Austausch und transnationales Beziehungsgeflecht im Wandel . . . . 167 3.1 Reichweite und Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . 167 3.1.1 Umfang politischer Restriktionen und Repressionen . . . . 168 3.1.2 Ausmaß und Auswahl privater Reisemöglichkeiten und -stationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3.2 Zugangswege und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3.2.1 »Russians, go home!« Mechanismen der Medialisierung . . 180 3.2.2 »Our heart beats on the left!« Prozesse der Politisierung . . 188 3.3 Wahrnehmungen und Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . 194 3.3.1 Altes Polen oder neues Polen? Von nationalen Perzeptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3.3.2 Alte Linke oder Neue Linke? Von transnationalen Projektionen . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Zu lange zu links? – Zusammenfassung, vergleichende Einordnung und Ausblick . . . . . 215 4.1 Pluralisierung statt Profilierung: Zu den Charakteristika und zur Relevanz des linken Milieus für den demokratischen Umbruch in Polen . . . . . . . . . . . . . 217 4.2 Renationalisierung statt Transnationalisierung: Zu den Spezifika des linken Milieus in Polen im Vergleich mit anderen Fällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 8 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

Vorwort Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Herbst 2011 vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin angenommen wurde. Die Disputation erfolgte im Frühjahr 2012. Die Drucklegung der Dissertation wurde durch eine großzügige Zuwendung seitens der Gerda Henkel Stiftung sowie der ­Fazit-Stiftung ermöglicht. Beiden Stiftungen danke ich dafür ganz herzlich. Wesentlich für die Entstehung und Fertigstellung der Studie waren aber nicht nur die genannten Förderer, sondern vor allem mein Doktorvater, viele Kol­ leginnen und Kollegen sowie zahlreiche weitere Ansprechpartner. Ohne ihre Unterstützung würde dieses Buch nicht vorliegen. Mein herzlichster Dank gilt Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Jürgen Kocka, der als Erstgutachter die Dissertation viele Jahre lang ermunternd begleitet, kritisch hinterfragt und tatkräftig gefördert hat. Ein ebenso herzlicher Dank gilt Prof. Dr. Paul Nolte, der das Zweitgutachten erstellt und den Abschluss der Studie und des Promotionsverfahrens engagiert und entschlossen unterstützt hat. Darüber hinaus möchte ich Prof. Dr. Michael G. Müller für die langjährige inhaltliche Mitbetreuung danken, von der die Arbeit in hohem Maße profitiert hat. Prof. Dr. Gertrud Pickhan, Prof. Dr. Dieter Gosewinkel und Dr. Alexander C. T. Geppert verdanke ich viele im Verlauf der Disputation geäußerte Anregungen, die die anschließende Über­arbeitung für den Druck bereichert haben. Prof. Dr. Gunilla Budde, Prof. Dr. Dieter Gosewinkel, Prof. Dr. Jürgen Kocka, Prof. Dr. Paul Nolte, Prof. Dr. Alexan­der Nützenadel sowie Prof. Dr. Hans-Peter Ullmann danke ich ganz herzlich für die Aufnahme der Arbeit in die Kritischen Studien zur Geschichtswissenschaft. Dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, insbesondere aber Daniel Sander, danke ich sehr für die jederzeit zugewandte und zupackende Hilfe bei der Drucklegung der Arbeit. Die Dissertation entstand am Berliner Kolleg für Vergleichende Geschichte Europas, einem Umfeld, das sie inhaltlich sehr geprägt und mich persönlich ungemein gestützt hat. Mein Dank gilt den Direktoren, Prof. Dr. Arnd Bauerkämper, Prof. Dr. Étienne François, Prof. Dr. Manfred Hildermeier, Prof. Dr. Jürgen Kocka, Prof. Dr. Hartmut Kaelble und Prof. Dr. Holm Sundhaussen, ebenso wie den Mitarbeitern, Dr. Nicole Münnich, Dr. Nenad Stefanov, Dr. Bernhard Struck, Prof. Dr. Tatjana Tönsmeyer und Nancy Wegner, sowie den Stipendiaten des Kollegs. Die freundschaftlichen Gespräche mit Benno Gammerl, Mateusz J. Hartwich, Jakob Hort, Elise Julien, Martina Krocová, Rudolf Kucera, Soňa Mikulová, Tetyana Pavlush, Christiane Reinecke und Stephanie Schlesier gehören zu den besten Erfahrungen rund um die Entstehung dieser Arbeit. Der Gerda Henkel Stiftung danke ich für die Finanzierung meines Doktoran­ denstipendiums am Berliner Kolleg. Der Fazit-Stiftung, der Max Weber Stiftung 9 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

und dem Deutschen Akademischen Austauschdienst danke ich für die Vergabe weiterer Stipendien, unter anderem einer Gerald D. Feldman-Reisebeihilfe, ohne die die notwendigen Archivrecherchen nicht hätten bewerkstelligt werden können. Für ihre Hilfe bei der Quellensichtung und -beschaffung danke ich den Mitarbeitern des Archivs der Neuen Akten, des Archivs des Instituts des Nationalen Gedenkens, des Oppositionsarchivs im Zentrum KARTA, des Archivs der Polnischen Akademie der Wissenschaften, des Universitätsarchivs in Warschau, des Literarischen Instituts Maisons-Laffitte und der Polnischen Bibliothek in Paris sowie der Polnischen Bibliothek und des Polnischen Instituts und General-Sikorski-Museums in London. Ein großer Dank gilt darüber hinaus den Direktoren und Mitarbeitern der Deutschen Historischen Institute in Warschau, Paris und London, allen voran Prof. Dr. Gudrun Gersman, Prof. Dr. Andreas Gestrich, Dr. hab. Igor Kąkolewski, Dr. Stefan Martens, Prof. Dr. Eduard Mühle, Dr. Maike Sach, Dr. Martina ­Steber, Prof. Dr. Benedikt Stuchtey und Prof. Dr. Klaus Ziemer, für die freundliche Aufnahme und Förderung während meiner Rechercheaufenthalte in ihren Gastländern. Von besonderem Einfluss auf die Fertigstellung der vorliegenden Arbeit waren auch jene Gespräche, die über rein fachliche Fragen hinausgingen, mich in entscheidenden Momenten bestärkten, oder, teilweise viele Jahre vor der Entstehung der Dissertation, meinen weiteren Weg bestimmten. In diesem Zusammenhang möchte ich vor allem Dr. Christoph Bertram und der Stiftung Wissenschaft und Politik, Dr. Winrich Kühne und dem Zentrum für Internationale Friedenseinsätze sowie Prof. Dr. Jürgen Kocka und dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung danken. Von ihnen und den von ihnen geleiteten Instituten habe ich in den vergangenen Jahren wertvolle Impulse erhalten, die ich menschlich wie fachlich nicht missen möchte. Einen ebenso wertvollen, über das Thema dieser Arbeit weit hinausgehenden Einblick in ihr Leben und Wirken gewährten mir die von mir interviewten Zeitzeugen. Für die intensive Zeit, die ich mit ihnen verbringen und den inspirierenden Austausch, den ich mit ihnen führen durfte, danke ich ganz herzlich Prof. Dr. Lord Ralf Dahrendorf, Prof. Dr. Andrzej Friszke, Prof. Dr. Bronisław Geremek, Prof. Dr. Eric Hobsbawm, Anna Leszczyńska-Koenen sowie Dr. Gerd Koenen, Prof. Dr. Leszek Kołakowski, Tadeusz Mazowiecki, Adam Michnik, Prof. Dr. Krzysztof Pomian, Prof. Dr. Gesine Schwan, Aleksander Smolar und Dr. Eugeniusz Smolar. Prof. Dr. Stefan-Ludwig Hoffmann war mir am Ende dieser Arbeit ein wichtiger Gesprächspartner, ebenso wie Dr. Jürgen Schmidt, der Teile der Arbeit kritisch las und kommentierte. Beiden danke ich für sehr für ihre Hilfe. Am meisten jedoch verdanke ich meinem Ehemann, Sven Oliver Arndt, nicht nur in Bezug auf die Fertigstellung dieser Studie. Ihm ist sie in Liebe und tiefer Dankbarkeit gewidmet. Potsdam, im Mai 2013 10 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

Agnes Arndt 

Einleitung Wie konnte es im kommunistisch geprägten Ostmitteleuropa während der Epoche des Kalten Krieges eine linke Dissidenz geben? Woraus entwickelte sie sich, welchen Wertvorstellungen folgte sie und über welche Organisationsmuster verfügte sie? Während zum wirtschaftlichen und politischen Niedergang der kommunistischen Systeme mittlerweile zahlreiche Arbeiten vorliegen und die gesellschaftlichen Entwicklungen seit den 1970er-Jahren vor allem unter dem Signum europaweit ausgreifender Zivilgesellschaftlichkeit analysiert werden, entstehen kaum Studien, die hinsichtlich der unterschiedlich sozialisierten und politisierten Ursprungsmilieus dieser Zivilgesellschaften differenzieren.1 Diese Situation versucht die vorliegende Arbeit zu ändern, indem sie sich einer milieuund beziehungsgeschichtlichen Untersuchung linker Dissidenz in Polen zwischen 1956 und 1976 zuwendet. Wie und warum es zur Entwicklung eines im politischen Spektrum als »links« einzustufenden Flügels der demokratischen Opposition in Polen kam, ist die Hauptfragestellung der Arbeit. Dass diese Dissidenz in gewissen Hinsichten bildungsbürgerlich geprägt war, ist ihre These. Die politische und moralische, auf den Deutungshorizont der nationalen ebenso wie der transnationalen Linken bezogene Selbstverortung dieses Milieus im Spannungsfeld eines fortschreitenden Bedeutungsverlusts des Marxismus einerseits und den Realitäten des »Staatssozialismus«2 andererseits steht im Mittelpunkt der Untersuchung. Welchen Anteil an diesem Bedeutungsverlust hatten  – so soll des Weiteren gefragt werden – diejenigen Akteure, die, ursprünglich aus einer marxistischen Tradition kommend, zu den Trägergruppen einer zunächst noch system­immanenten Dissidenz und schließlich einer demokratischen Opposition avancierten? Welche ökonomischen, welche politischen und welche kulturellen Motive bedingten ihre Kritik am »real existierenden Sozialismus« in Polen? Welche theoretischen und welche organisatorischen Formen nahm diese Kritik an? Wurden Alternativen einer linken Politik und Identität, vielleicht mit langfristigen Auswirkungen auf den gewaltfreien Umbruch des Jahres

1 Genauer zu diesem Befund vgl. den Abschnitt Forschungsstand und Quellen in dieser Arbeit. 2 In Anlehnung an den Sprachgebrauch innerhalb der hier einbezogenen Quellen und Forschungsarbeiten werden die Begriffe »Staatssozialismus«, »real existierender Sozialismus«, »sozialistisches Regime« und »kommunistisches Regime« synonym verwendet. In der politik­w issenschaftlichen Literatur zum Thema wird das Regierungssystem Polens zwischen 1956 und 1989 als autoritär-kommunistisches Parteienregime bezeichnet, vgl. Merkel, Totalitäre Regimes, S. 195.

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1989, entwickelt? Welchen nationalen und welchen transnationalen Bezugspunkten fühlten sich die Kritiker verpflichtet, und welchen Wandel durchliefen sie im Laufe der Zeit? Problemaufriss, Fragestellung und Ansatz Ziel der Arbeit ist es, die Entwicklung einer dissidenten Linken in der Volksrepublik Polen aus einem nationalen und transnationalen Beziehungsgeflecht heraus zu analysieren. Die Studie lässt sich somit von Diskussionen über die »transnationale«3 Erweiterung der Geschichtswissenschaft anregen, wie sie in den vergangenen Jahren, mit jeweils unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, im Hinblick auf »Vergleichende Geschichte«, »Verflechtungsgeschichte« und »Transfergeschichte« geführt wurden.4 In Anlehnung an einen Vorschlag von Hartmut Kaelble, der, neben anderen, den Begriff der »Beziehungsgeschichte«5 als eine Art Oberbegriff für transfer- und verflechtungsgeschichtliche Ansätze in die Diskussion eingebracht hat, wird diese Arbeit beziehungsgeschichtlich vorgehen. In Absetzung vom bisherigen Diskussionsstand subsumiere ich unter dem Terminus der Beziehungsgeschichte einen Ansatz, der Beziehungen zwischen Strukturen, Prozessen, Ideen und Individuen auf nationaler wie transnationaler Ebene zueinander in Bezug setzt. Im konkreten Einzelfall werden transfer- mit verflechtungsgeschichtlichen Fragen kombiniert und die auf diese Weise zu erfassenden Beziehungen der Akteure sowie deren Wandel auf vier Ebenen analysiert: Es geht erstens um die Frage der Beziehungen der Dissidenten zueinander, innerhalb ihres eigenen, nach Generationen und Geschlechtern ausdifferenzierten Milieus also. Es geht zweitens um die Beziehungen dieses Milieus zur polnischen Gesellschaft auf der einen und zur Regierungspartei auf der anderen Seite, mithin um die Verortung der Milieuangehörigen innerhalb der strukturellen Ausgangsbedingungen ihres Denkens und Handelns. In nachgeordneter Hinsicht geht es drittens um das Beziehungsgeflecht zwischen der linken Dissidenz und anderen dissidenten Gruppen in Polen, wobei hier ausschließlich Auseinandersetzungen des Milieus mit Kreisen der katholischen Opposition einbezogen werden. Und viertens schließlich geht es, klassischen 3 Zur Abgrenzung zwischen den Begriffen des »Transnationalen«, »Supranationalen« und »Internationalen« in der Geschichtswissenschaft vgl. Clavin, S.  421–439 sowie Gassert, zuletzt eingesehen am 25.01.2011 unter http://docupedia.de/zg/Transnationale_Geschichte ?oldid=75537. Zum Stand der transnationalen Geschichte in Deutschland vgl. Budde u. a. 4 Diese Debatte hat auch eine Reihe von Begrifflichkeiten hervorgebracht, zu denen unter anderem jene der »entangled«, »shared« und »connected history« gehören, vgl. u. a. Kocka, Comparison and beyond, S.  39–44; Lorenz, S.  25–39; Conrad, S.  145–169; Osterhammel, Transnationale Gesellschaftsgeschichte, S. 464–479; Spiliotis, S. 480–488; Wirz, S. 489–498; Van der Linden, S. 291–304; Paulmann, S. 649–685; Ther, S. 156–181; Middell, Kulturtransfer, S. 7–41; Randeria, Geteilte Geschichte, S. 87–95 sowie Subrahmanyam, S. 735–762. 5 Vgl. Kaelble, Between Comparison, S. 33–38, hier S. 37.

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Ansätzen der Beziehungsgeschichte folgend, um die persönlichen Beziehungen zu intellektuellen Gruppierungen in Ostmittel- und Westeuropa, die, entweder aus eigenem dissidenten Engagement oder aus persönlichem Interesse heraus, in gewissen, zu untersuchenden Grenzen zu einem Austausch mit dem hier untersuchten Milieu fanden.6 Im Anschluss an die Untersuchung dieser vier Ebenen soll mithilfe eines asymmetrischen, auf entsprechender Literatur beruhenden Vergleichs eine Einordnung des hier untersuchten Milieus in eine Geschichte des demokratischen Umbruchs in Ostmitteleuropa vorgenommen werden.7 Warum gelang es gerade diesem Milieu, eine so nachhaltige Rolle im Systemwandel Polens, vielleicht gar eine Vorreiterrolle im Systemwandel Ostmitteleuropas zu spielen? Welche strukturellen Ausgangsbedingungen lassen sich rückblickend als ausschlaggebende, diese Entwicklung fördernde Differenzen im Vergleich zur Entwicklung von Dissens und Opposition in anderen ostmitteleuropäischen Ländern bestimmen? Welche Aussagen lassen sich über die personelle Stärke, die politischen Präferenzen und die intellektuellen Wandlungen dieses Milieus im Vergleich zu anderen oppositionellen Milieus im europäischen Maßstab gewinnen? Dies sind Fragen, die interessieren, und die am Beispiel von Entwicklungen in der DDR, der ehemaligen Tschechoslowakei und Ungarn thesenartig ausgeleuchtet werden sollen.8 Der gewählte Zugang soll somit zwei Funktionen erfüllen. Der wissenschaftliche Vergleich soll der »einordnenden Relativierbarkeit«9 des untersuchten Themas dienen. Er wird im Rahmen dieser Arbeit nur eine untergeord6 Zu den Besonderheiten der Beziehungsgeschichte des hier untersuchten Milieus gehört, dass es sich sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene vordringlich um Beziehungen handelte, die auf persönlicher Ebene zwischen einzelnen Personen, zum Beispiel im familiären oder beruflichen Umfeld, geschlossen und erst dann in das Milieu hinein ausgeweitet wurden. Auch deshalb werden in dieser Arbeit keine geschlossenen Organisationen einer beziehungsgeschichtlichen Analyse unterzogen. Kontakte zwischen solchen Organisationen, etwa auf linker und auf katholischer Seite, hat es aber durchaus gegeben, wie etwa die im Verlauf der 1970er-Jahre zunehmenden Gespräche zwischen den hier untersuchten linken Diskussionsklubs sowie dem Klub der Katholischen Intelligenz (KIK) in Warschau zeigen. Würde man das linke und das katholische Oppositionsmilieu im Rahmen einer weiter­führenden Arbeit einem ausführlichen Vergleich unterziehen und insbesondere das katholische Milieu schärfer konturieren wollen, müsste man man sich daher vor allem den Personen und den Debatten des Warschauer KIK zuwenden, die sowohl in sozial- als auch in diskursgeschichtlicher Hinsicht jenen des hier untersuchten linken Milieus auf vielfältige Weise entsprechen, vgl. Friszke, Oaza na Kopernika. 7 Zur Methode des historischen Vergleichs vgl. u. a. Haupt u. Kocka, Geschichte und Vergleich; Kaelble, Historischer Vergleich; Kaelble u. Schriewer, Vergleich; Cohen u. O’Connor, Comparison sowie zuletzt Arndt u. a., Vergleichen. 8 Versuche, eine Reflektion über das eigene Erkenntnisdispositiv in das Narrativ der Arbeit einzubeziehen, wie dies etwa von Vertretern der »Histoire croisée« gefordert wird, werden hingegen keine Rolle spielen, vgl. hierzu Werner u. Zimmermann, Vergleich, Transfer, Verflechtung, S. 607–636 beziehungsweise dies., Beyond Comparison, S. 30–50. 9 Vgl. Osterhammel, Jenseits des Nationalstaats, S. 7–10, hier S. 9.

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nete Rolle spielen und soll am Ende der Untersuchung ihre Ergebnisse mit anderen, aus der Literatur gewonnen, Befunden kontrastieren, sie anhand dessen profilieren und, wenn nötig, relativieren. Gleichzeitig soll der Vergleich »beziehungsgeschichtlich abgefedert«10 werden. Die Dissertation unterscheidet insofern zwischen dem Vergleich, der eine »kontrollierte Reduktion von Komplexität« erfordert, und der Beziehungsgeschichte, die an »Komplexitätsanreicherung durch feinstrichige Beschreibung« interessiert ist.11 Die Arbeit an polnischen Archivalien wird durch Recherchen in mehreren »Emigrations­ archiven« ergänzt: dem bei Paris liegenden Archiv der Zeitschrift Kultura und den in London ansässigen Archiven der dort entstandenen Emigrationsströmungen.12 Innerhalb Polens liegt der Untersuchungsschwerpunkt in der Hauptstadt, wofür sowohl empirische als auch pragmatische Gesichtspunkte sprechen. Das hier untersuchte Milieu lebte, arbeitete und diskutierte vor allem in Warschau über die zunehmend als untragbar erlebten gesellschaftlichen und politischen Bedingungen. »Die Konflikte der Intellektuellen und Parteifunktionäre spielten sich auf den wenigen Quadratkilometern der Warschauer Innenstadt ab«13, während »weder Diskussionen um die nationale Vergangenheit noch die Forderung nach der Hegemonie der Arbeiterklasse die Mehrheit der Polen sonderlich interessiert haben [dürften].«14 Hinzu kam, dass die Hauptstadt ohnehin als Zufluchtspunkt und Hoffnungsträger junger aufstrebender Intellektueller fungierte: »Landesweit galt [sie] als besonders gut versorgt und beleuchtet, freizügig und großstädtisch, zugleich unhöflich und hektisch. Ob Studenten oder zugezogene Krankenschwester, alle fanden die Hauptstadt exzeptionell«15, so Włodzimierz Borodziej. Sie war bereits nach der Republikgründung für viele eine »rote Hauptstadt«16, und sie blieb auch in der Zeit der Volksrepublik ein Sammelpunkt linker Intelligenz und Dissidenz, die sich vor allem im Umfeld der Warschauer Universität, aber auch der zahlreichen Klubs und Salons zu einem geschlossenen Milieu gruppierten. Dies bedeutet nicht, dass andere Städte, vor allem Universitätsstädte wie Krakau oder Breslau, keine vergleichbaren Milieus ausbildeten. Das zahlenmäßig stärkste, das personell prominenteste und das politisch einflussreichste hat jedoch in Warschau bestanden. Kontakte und Austauschmöglichkeiten mit anderen Milieus in anderen Städten des Landes sind vor allem von hier aus befördert und von hier aus geknüpft worden. 10 Vgl. ders., Sozialgeschichte, S. 46–72, hier S. 57. 11 Vgl. ders., Geschichtswissenschaft, S. 11–45, hier S. 33. 12 Ausführlicher zum einbezogenen Quellenmaterial vgl. den Abschnitt Forschungsstand und Quellen in dieser Arbeit. 13 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 329. 14 Vgl. ebd., S. 329. 15 Vgl. ebd., S. 339. 16 Vgl. ebd., S. 103.

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In ihrer Grundanlage folgt die Arbeit somit einer von Polen ausgehenden Perspektive, wobei die politisch motivierte Emigration polnischer Politiker, Künstler und Intellektueller in empirischer wie methodologischer Hinsicht gewissermaßen eine Scharnierfunktion einnimmt und über den polnischen Fall hinausführt. Ausgehend von der Vermutung, dass es insbesondere das hier untersuchte linke Milieu war, das die Grundlagen des staatsozialistischen Systems infrage stellte, und dass es vor allem die politisch engagierten Emigranten waren, die diesen Prozess beförderten, stützt sich die Arbeit auf folgende drei Leitthesen: 1. In Ergänzung der bisherigen Forschung wird die Entstehung einer demokratischen Opposition in der Volksrepublik Polen erstens als ein politisch und programmatisch ausdifferenzierter Prozess der Gruppen- und Milieubildung gefasst, der keinesfalls als lediglich moralisch-ethisch fundiert und damit – wie vielfach angenommen – als »apolitisch« verstanden werden darf. 2. Vielmehr war es zweitens gerade die spezifische, an konkreten sozial-, wirtschafts- und kulturpolitischen Maßnahmen des kommunistischen Regimes Anstoß nehmende Entfaltung einer dissidenten Linken, die dieses Regime am stärksten erschütterte und, in sozial- und ideengeschichtlicher Perspektive, entscheidend zu seinem Niedergang beitrug. Nicht oder nicht primär das von vornherein antikommunistisch aufgestellte, katholische, national-konservative Milieu hat – so der Kern dieser These – den demokratischen Umbruch in Polen theoretisch vorbereitet und praktisch herbeigeführt. Es war vielmehr das ehemals prokommunistische, linke Milieu polnischer, in Teilen polnischjüdischer Bildungsbürger, das seit den 1950er-Jahren seine eigenen ideologischen Grundlagen korrigierte und diejenigen des kommunistischen Regimes allmählich aushöhlte. 3. Für einen überwiegenden, mit dem Kommunismus anfangs sympathisie­ renden Teil  der hier behandelten Akteure erfolgte diese Ausdifferenzierung drittens vor der Notwendigkeit der persönlichen und politischen Behauptung in einem, die Deutungshoheit über den Begriff des Linken nicht nur bean­ spruchenden, sondern diesen Begriff auch zunehmend diskreditierenden Regime. Der Versuch, dieses Spannungsverhältnis durch intellektuelle oder ideologische Anleihen bei einer über das Regime hinausweisenden transnationalen Linken aufzuheben, spielte jedoch – so das Fazit der letzten These – eine ledig­ lich untergeordnete Rolle. Kontakte und Kooperationen mit ostmittel- wie westeuropäischen Politikern und Intellektuellen dienten zwar der pragmatischen Erweiterung der dissidenten Handlungsspielräume, gewannen aber nur vereinzelt Einfluss auf die politische Entwicklung dissidenter Leit- und Ziel­ dimensionen. Dass es sich bei den hier untersuchten Personen um Mitglieder eines laizis­ tischen, linken und bildungsbürgerlichen Milieus der Dissidenz handelt, wird in den folgenden Kapiteln ausgeführt und begründet. Dabei knüpft die Dissertation an einen Begriff des Bildungsbürgertums an, der auf »eine sozialprivilegierte ständische Vergesellschaftung von Trägern akademisch paten­tierten 15 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

Bildungswissens mit gesamtgesellschaftlicher Sinnstiftungs- und Normsetzungs­ kompe­tenz«17 abzielt. Sie stößt sich somit von spezifischen Begriffsdefinitionen ab, die allerdings nicht einfach übertragen, sondern flexibel angewandt und gleichzeitig auf ihre Anwendbarkeit für die polnische Zeitgeschichte hin überprüft werden sollen.18 Dies gilt für den Begriff des Bildungsbürgers ebenso wie für den der Linken. Während also das hier behandelte Milieu in seiner politischen Präferenz für einen partizipativen Sozialismus an jene Strömungen, Bewegungen und Parteien erinnert, welche die politikwissenschaftliche Forschung als »links-libertäre«19 bezeichnet, soll der historische Gehalt des Begriffes »Linke« und insbesondere die historische Entwicklung des Milieus im Untersuchungszeitraum von einem linken zu einem stärker links-liberalen anhand der Quellen präzisiert werden. Unter einem Milieu verstehe ich, in Anlehnung an M. Rainer Lepsius, eine »soziale Einheit«, die »durch eine Koinzidenz mehrerer Strukturdimensionen wie Religion, regionale Tradition, wirtschaftliche Lage, kulturelle Orientierung, schichtenspezifische Zusammenfassung«20 bestimmt wird. Auf Argumente aus der Widerstandsgeschichte gegen den Nationalsozialismus reagierend, wird der Milieubegriff nicht nur wegen seiner Fähigkeit, die genannten strukturellen Merkmale einer spezifischen sozialen Gruppe zu verknüpfen, in der Untersuchung genutzt. Vielmehr soll er darüber hinaus auch wegen seines Potenzials, die aus diesen Merkmalen resultierenden und für das hier betrachtete Milieu handlungsleitenden Besonderheiten rekonstruieren zu können, analytisch einbezogen werden. Ausgehend davon, dass das Milieukonzept »zu erklären vermag, weshalb es in modernen Diktaturen nicht zu einer völligen weltanschaulichen Gleichschaltung sozialer, kultureller und politischer Gruppen kommt«, und warum gerade diese Gruppen oftmals auf »eine häufig be­eindruckende

17 Vgl. Engelhardt, S.  205 sowie  – ausführlicher zur Genese von Begriff und Phänomen  – Conze und Kocka, Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil 1; Koselleck, Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil 2; Lepsius, Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil 3 und Kocka, Bildungsbürgertum im 19. Jahrhundert, Teil 4. 18 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Begriff der Linken erfolgt in Kapitel 2.1, mit dem des Bildungsbürgers in Kapitel 1.2 der Arbeit. 19 Eine Definition bezeichnet solche Milieus als »links«, »weil sie mit dem traditionellen Sozialismus ein Misstrauen gegenüber dem Markt, gegenüber privaten Investitionen […] und ein Bekenntnis zu egalitären Verteilungsmechanismen teilen« und als »libertär«, »weil sie die Regulierung individuellen und kollektiven Verhaltens durch eine Autorität oder eine private und öffentliche Bürokratie ablehnen« und statt dessen Mechanismen einer »partizi­ pativen Demokratie« bevorzugen, vgl. Kitschelt, S. 179–208, hier S. 180. 20 Vgl. Lepsius, Parteiensystem und Sozialstruktur, S.  68. Der Aufsatz wurde erstmals 1966 veröffentlicht, vgl. ders., Parteiensystem und Sozialstruktur, S.  371–393. Ein Neuabdruck erfolgte 1993, vgl. ders., Parteiensystem und Sozialstruktur, S. 25–50. Zur jüngeren, empirischen Nutzung des Milieukonzepts vgl. Reichardt u. Siegfried, Alternatives Milieu; Bösch sowie die Beiträge von Adam, S. 30–42; Schmiechen-Ackermann, Quartiersmilieus, S. ­43–56 sowie Ziemann, S. 89–101.

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Weise die Kraft zur Dissidenz, zur Nonkonformität und zum abweichenden Verhalten«21 entwickeln, soll der Begriff die sozialisationsbedingten Spezifika und die Stärke des hier untersuchten dissidenten Milieus erklären. In Anbetracht dessen, dass es sich bei diesem Milieu um ein linkes und von seinen Mitgliedern als links bezeichnetes Milieu handelt, soll es dabei auch um die Untersuchung von »politischen oder sozialen Handlungseinheiten«22, die durch Begriffe überhaupt erst konstituiert werden, gehen. Bei der Klassifizierung des widerständigen Verhaltens der von mir untersuchten Akteure unterscheide ich prozessual zwischen dem Begriff des Dis­ sidenten und dem des Oppositionellen.23 In Auseinandersetzung mit der bisherigen Oppositionsforschung, die entweder von sehr breiten24 oder sehr engen25 Definitionen ausging, versuche ich auf diese Weise, unterschiedliche und unterschiedlich starke Abweichungen von der offiziell geltenden politisch-ideologischen Verfasstheit des staatssozialistischen Systems in Polen auf einer Skala von einem systemimmanenten zu einem systemopponenten Verhalten zu situieren. Unter den Begriff des Dissenses fallen für mich jene Verhaltensmuster, die Teile der offiziell geltenden Systemideologie auf einer theoretischen wie praktischen Ebene kritisierten oder  – versuchsweise  – korrigierten, ohne die Legitimität des kommunistischen Regierungssystems im Ganzen infrage oder in Abrede zu stellen. Unter den Begriff der Opposition fasse ich hingegen jene Verhaltensmuster, die auf die Beseitigung des zum jeweiligen Untersuchungs­ zeitpunkt bestehenden Regierungssystems mitsamt seiner ideologischen Vorannahmen hinwirkten. Oppositionell verhielt sich demnach derjenige, der nicht 21 Vgl. Steinbach sowie – mit ähnlicher Stoßrichtung – Schmiechen-Ackermann, Soziale Milieus, S. 8–10, hier S. 9 beziehungsweise S. 13–29, hier S. 24. 22 Vgl. Koselleck, Historisch-politische Semantik, S. 211–259, hier S. 212. 23 Einen alternativen Zugang zur Erforschung des Wandels von politischen Milieus bietet etwa das Konzept der »politischen Konversion«, das hier jedoch bewusst nicht gewählt wurde, da es den Prozesscharakter des hier beschriebenen Wandels nur unzureichend beleuchtet und – jedenfalls für den in dieser Arbeit beschriebenen Fall – zu stark auf eine endgültige und umfassende Abkehr von spezifischen politischen Wertvorstellungen abstellt, vgl. etwa Haupt, Politische Konversion, S. 267–304. 24 Eine sehr breite Definition liefern zum Beispiel Rainer Deppe, Helmut Dubiel und Ulrich Rödel, die schreiben, dass die vorwiegend von Intellektuellen getragene Dissidentenbewegung »im negativen Sinne geeint [sei] durch den Abschied von allen reformkommunistischen Hoffnungen. Positiv definiert sich die Dissidenz als demokratische Opposition, die gegenüber der Diktatur die Gewährleistung der Menschenrechte […] einfordert«, vgl. Deppe u. a., S. 7–25, hier S. 19. Beyrau begnügt sich mit der Feststellung, bei »Dissidenten« habe es sich um »Minderheiten in der Intelligenz« gehandelt, vgl. ders., S. 15. 25 Einen eher engen Definitionsvorschlag macht Andrzej Friszke, der als »oppositionell« die Gesamtheit jener »organisatorischen oder intellektuellen Aktivitäten«, die »bewusst, geplant und basierend auf einem bestimmten Programm für die Beseitigung des politischen Systems oder seine Reform in Richtung auf die Einschränkung des Machtmonopols der Partei und die Rückkehr zur gesellschaftlichen Subjektivität eintraten« bezeichnet, vgl. ­Friszke, Opozycja, S. 5.

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nur die Umsetzung, sondern auch die politische Programmatik des staatssozia­ listischen Systems an sich hinterfragte und bekämpfte. Für die Zeit vor 1968 lässt sich das hier behandelte Milieu einem solchen Strang der Opposition nicht zurechnen. Es gehörte jedoch, wie im weiteren Verlauf der Arbeit zu zeigen sein wird, zur Führungsgruppe derjenigen, die mit der Gründung des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (Komitet Obrony Robotników, KOR) und der Ausformulierung programmatischer Ideen seit Mitte der 1970er-Jahre eine solche Form der Opposition überhaupt erst ermöglichten. Die Dissidenten lassen sich verschiedenen Generationen zuordnen, die das von ihnen konstituierte Milieu entlang spezifischer, durch ihr Alter, ihre Bildungschancen und ihre berufliche sowie familiäre Stellung bedingte Merkmale untergliedern. Unter Generation verstehe ich »ein Ensemble von alters­ spezifischen inhaltlichen Zuschreibungen, mittels derer sich Menschen in ihrer jeweiligen Epoche verorten«.26 In diesem Sinne, also als analytische Kategorie zur Unterscheidung einzelner Strömungen in dem genannten Milieu, nicht aber als ein historische Phänomene erklärender Faktor,27 wird der Begriff im Rahmen dieser Arbeit verwendet.28 Die Auswahl der einbezogenen Dissidenten erfolgte anhand organisationsspezifischer Kriterien. Alle hier behandelten Personen gehörten phasenweise der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP) an, oder aber sie engagierten sich in ihren Jugendorganisationen. Die Ältesten unter ihnen fanden in der Zwischenkriegszeit, die mittlere Generation in der Kriegs- und die jüngste in der Nachkriegszeit zum Parteienspektrum der Linken.29 Neben ihrer Zugehörigkeit zur PVAP verfügten somit die meisten der einbezogenen Personen über eigene oder familiäre Erfahrungen mit der sozialistischen oder kommunis­ tischen Bewegung, die zumeist auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg zurückgingen und in Teilen spezifische Muster der Aneignung, aber auch der Ablehnung der »realsozialistischen« Wirklichkeit nach 1945 generierten. Gleichzeitig politisierten sich diese Personen im Rahmen von Diskussionsklubs, die als zentrale Referenzpunkte der dissidenten Vergemeinschaftung dienten und zu Zentren des Dissenses gegenüber der offiziellen Parteilinie avancierten.30 Schließlich handelt es sich bei ihnen durchgängig um akademisch gebildete und in akademischen Berufen tätige Menschen, die aufgrund dessen, aufgrund ihrer Stellung in der polnischen Gesellschaft und aufgrund ihrer Vorstellung über diese Gesellschaft im Rahmen der Arbeit als bildungsbürgerliche Eliten klassifiziert werden.

26 Vgl. Daniel, S. 331 sowie weiterführend Reulecke. 27 Vgl. zum Beispiel Moses, S. 94–126; Herbert, Generation, S. 234–242 sowie Wildt, Generation, S. 160–179. 28 Vgl. zur Kritik an diesem Ansatz Weisbrod, S. 3–9, insb. S. 4 ff. 29 Ausführlicher zu den untersuchten Generationen siehe Kapitel 1.1 der Arbeit. 30 Ausführlicher zu den genannten Diskussionsklubs siehe Kapitel 1.3 der Arbeit.

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Angaben über die Größe des Milieus werden mithilfe des genutzten Quellenmaterials und unter Hinzuziehung von Berechnungen des Staatssicherheitsdienstes gemacht und im weiteren Verlauf der Arbeit erläutert. Gleiches gilt für die Frage der Verteilung von Frauen und Männern innerhalb des Milieus und seiner Organisationen.31 Forschungsstand und Quellen Wer den Anteil linker Dissidenz am demokratischen Umbruch in Polen untersuchen möchte, wird um eine Stellungnahme zu zwei wiederkehrenden, stereo­t ypen Zuschreibungen nicht umhin kommen. Die eine – vor allem in der internationalen Forschungsliteratur  – vertretene Annahme interpretiert die Aktivitäten der hier behandelten Dissidenten als bewusst »anti- oder apoliti­ sches«32 Engage­ment für die Demokratisierung ihres Landes. Damit einher geht einerseits die Tendenz, verschiedene Milieus der Dissidenz kaum hinsichtlich ihres politischen Programms und Personals zu unterscheiden33, andererseits aber umso leichter unter Hinzunahme eigener politischer Perspektiven und Prä­ferenzen zu beschreiben.34 Die andere  – vor allem, aber nicht ausschließlich, in der national orientierten, also polnischsprachigen Forschungsliteratur  – vertretene Annahme konstruiert hingegen einen Begriff der Dissidenz, dem, auf die eine oder andere Weise, fast alle Polinnen und Polen zuzurechnen seien. Demzufolge habe es sich bei der Installierung und Stabilisierung des kommunistischen Regimes um ein »fremdes« Regime gehandelt, dem das Gros der katholischen Bevölkerung des Landes nicht nur ablehnend gegenüber gestanden sei, sondern gegen das die polnischen Bürger bis zum Finale des Jahres 1989 siegreich vorgegangen seien. Diese Sicht impliziert zum einen die Aufwertung der katholischen Kirche von einer alternativen Sinnstiftungs- zu einer ­a ktiven Widerstandsgemeinschaft und zum anderen die Abwertung der­jenigen dissidenten Kreise, welche die Kraft zur Opposition nicht aus dem katholischen Glauben, sondern aus anderen ideellen oder materiellen Reservoirs bezogen haben.35 Beide – die internationale wie die nationale Interpretationslinie – versucht die folgende Arbeit zu vermeiden. Im Anschluss an eine wachsende Zahl von Studien, welche die Gesellschaftsgeschichte des Kommunismus als einen oft 31 Ausführlicher zu beiden Aspekten siehe Kapitel 1.1 der Arbeit. 32 Aus der Flut jener Studien, die die Entwicklung von Opposition in Ostmitteleuropa als Tendenz zu einem »apolitischen« und »antipolitischen« Verhalten der entsprechenden Oppositionellen beschreiben, vgl. u. a. Falk; Ost sowie – aus Zeitzeugenperspektive – Konrád. 33 Auf diese Weise werden zwar durchaus verschiedene Organisationstypen der Dissidenz unterschieden, deren Einordnung in sozialdemokratische oder nationalkonservative Milieus jedoch meist vermieden, vgl. Hirsch, insb. S. 102 ff. sowie Fehr, insb. S. 32 ff. 34 Zu diesem Aspekt vgl. Brier, S. 381–391. 35 Zur Auseinandersetzung mit diesem Narrativ vgl. Friszke, Anatomia, S. 9 ff.

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fließenden Prozess von Anpassung und Widerstand beschreiben, untersucht sie ein Milieu von Dissidenten, die die Dynamik von Kooperation, Koexistenz und Konflikt, mit oft schwerwiegenden Folgen für die eigene Person und Familie, erfahren und erlebt haben.36 Dabei geht die Arbeit davon aus, dass Dissens im und Dissidenz zum Kommunismus letztlich keine rein ostmitteleuropäischen Phänomene waren. Auch in Westeuropa übte die Idee des Kommunismus insbesondere in den ersten Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine starke Faszination aus, deren Verführungskraft sowohl ein nicht unerheblicher Teil ihrer vordringlich im Arbeitermilieu verorteten Zielgruppe als auch zahlreiche Intellektuelle erlagen. Einen dementsprechend starken Zulauf erfuhren nicht nur die durch ihren Widerstand gegen die deutsche Besatzung prominent gewordenen französischen und italienischen sowie die während der Militärdiktatur ins Abseits gedrängten spanischen, portugiesischen und griechischen, sondern – in weitaus geringerem Maße – auch die etwa in Österreich und Großbritannien ansässigen kommunistischen Parteien. Mit Louis Aragon, Italo Calvino, Eric Hobsbawm und Doris Lessing gesellten sich auch Leszek Kołakowski und Zygmunt Bauman zu einer Gruppe von Künstlern und Intellektuellen, die entweder in der Zwischenkriegszeit, während des Krieges oder im ersten Nachkriegsjahrzehnt den Weg zum Kommunismus hin und in den meisten, aber nicht allen Fällen einen anschließenden Weg vom Kommunismus weg ge­f unden haben.37 Die Lücke, in die die Dissertation hineinstößt, lässt sich somit auf drei Ebenen skizzieren: Erstens untersucht die Arbeit jene, im Vergleich zu den 1970er- und 1980er-Jahren noch nicht erschöpfend erforschten 1950er- und 1960er-Jahre, die ausschlaggebend für das frühe Engagement der linken Dissidenz gegen das »realsozialistische« System waren. Aus dem Einbezug dieser frühen Phase der Dissidenz in Polen versucht die Arbeit zweitens, die politische und eben nicht »apolitische« Entwicklung des ehemals kommunistischen und sozia­listischen Milieus hin zu einem im weitesten Sinne sozial-liberalen Milieu zu erklären. Und drittens schließlich beabsichtigt sie, die bestehende Forschung zum demokratischen Umbruch in Polen um eine neue Einordnung bisheriger Befunde zu bereichern, indem sie eine ideen- mit einer sozial- und einer beziehungsgeschichtlichen Perspektive auf Dissens und Opposition koppelt und, in vergleichender Perspektive, auf die Bedeutung dieses Dissenses für den Umbruch der 1990er-Jahre eingeht. Die einzige Monografie, an die diese Arbeit unmittelbar anknüpfen kann, ist die fast zeitgleich zu dieser Dissertation entstandene und 2010 erschienene Studie über Jacek Kuroń, Karol Modzelewski und den Kreis der Komandosy. Die »Anatomie des Aufstands«38 von Andrzej Friszke behandelt eine, sich mit den hier untersuchten Personen in Teilen überschneidende Gruppe von Warschauer 36 Vgl. Friszke, Od autora, S. 5–8. 37 Vgl. Kroll, Kommunistische Intellektuelle, S. 1. 38 Vgl. Friszke, Anatomia.

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Studenten und Hochschulassistenten im Zeitraum um 1968. Friszkes Verdienst besteht vor allem darin, in ereignisgeschichtlicher Perspektive die dissidenten Handlungsmuster der Akteure offen- und die entsprechende Reaktion des Regimes darzulegen. Insbesondere aufgrund seines äußerst ergiebigen Studiums der Gerichts- und Staatssicherheitsakten ermöglicht der Verfasser instruktive Einblicke in den Umgang des Regimes mit den Kindern einiger ihrer früheren Trägerschichten, die vor allem mithilfe des Arguments ihrer angeblich »antipolnischen«, weil jüdischen Herkunft politisch wie juristisch diskriminiert und marginalisiert wurden. Sie ermöglicht ferner Einblicke in die Verteidigungsstrategien der meist etwa Zwanzig- bis Dreißigjährigen vor Gericht, die wiederum Aufschluss über das Widerstandspotenzial dieser jungen linken Dissidenz im Vergleich zu der, zum damaligen Zeitpunkt, überwiegend »stillen« Mehrheit der polnischen Bevölkerung geben. Die hier vorgelegte Arbeit kann von diesen Erkenntnissen profitieren. Sie versucht allerdings, einem anders gelagerten Erkenntnisinteresse zu folgen. Anders als in Friszkes Arbeit liegt der Schwerpunkt nicht auf einer chronolo­ gischen Zusammenstellung aller seit 1956 stattgefundenen Zusammenstöße zwischen linker Dissidenz und kommunistischem Regime in Polen. Stattdessen geht es um die systematische Analyse derjenigen Wendepunkte, welche die intellektuelle Entwicklung der Dissidenz von einer systemstützenden zu einer system­opponenten Kraft beförderten haben. In diesem Zusammenhang zentral sind Fragen nach der bildungsbürgerlichen, oft jüdischen Herkunft der ­A kteure, nach den politischen Vorentscheidungen ihrer Ursprungsmilieus und -familien, nach dem Wandel ihres Verhältnisses zum kommunistischen Staat, zur polnischen Nation und zur überwiegend katholischen Gesellschaft sowie nach der möglichen Relevanz ihrer nationalen wie transnationalen Beziehungen. Darüber hinaus kann die Dissertation partiell an eine Reihe weiterführender Gesamt- und Einzeldarstellungen anknüpfen.39 Den Kern empirischer Forschungsliteratur bilden auch hier die Arbeiten von Andrzej Friszke, der, neben seinem noch während der kommunistischen Zeit entstandenen Übersichtswerk zur »Politischen Opposition in Polen«, in letzter Zeit vor allem mit Darstellungen zur Nachkriegsgeschichte und zu zahlreichen Einzelaspekten der demokratischen Opposition in Polen hervorgetreten ist.40 Als einer von wenigen Historikern, der nicht nur ausschließlich die 1970er- und 1980er-Jahre und damit die Hochzeit der Opposition analysierte, behandelt er, ebenso wie etwa K ­ rzysztof Pomian und Jerzy Eisler, auch die frühen Wurzeln des politi39 Einen allgemeinen Überblick über den Forschungsstand zur demokratischen Opposition in Polen liefert Krajewski, State of Research, S. 7–14. Im selben Heft finden sich auch überblicksartige Darstellungen zum sowjetischen, tschechischen und ungarischen Dissens, vgl. Kuzovkin, S. 35–56; Glanc, S. 57–64; Vilímek u. Pauer, S. 65–84 sowie Szabó, S. 93–100. 40 Vgl. Friszke, Opozycja; ders., Polska, beziehungsweise ders., Polen sowie – zu bestimmten Einzelaspekten von Dissens und Opposition – ders., Przystosowanie; ders., Opór społeczny und ders. u. Paczkowski, Opozycja, S. 3–18.

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schen Dissenses der 1950er- und 1960er-Jahre.41 Neben wenigen, vor allem auf die katholische Opposition bezogenen, milieugeschichtlichen Studien42, konzentrieren sich die meisten bislang vorliegenden polnisch- wie auch deutschund englischsprachigen Werke jedoch auf die Erforschung der demokratischen Oppositionsbewegung und des demokratischen Wandels im Ganzen, und zwar schwerpunkt­mäßig in den Spätjahren der Volksrepublik Polen.43 Dabei überwiegen einerseits ereignisgeschichtliche44, an die krisenhaften Umbruchsdaten der Jahre 1956, 1968, 1970, 1976 und 1980 konzeptionell angelehnte und andererseits hinsichtlich der Organisationszugehörigkeit der jeweiligen Oppositionellen unterscheidende Studien. So liegen mit Jan Józef Lipskis kürzlich wieder neu aufgelegtem Werk zum KOR, Grzegorz Waligóras Band zu der im politischen Widerspruch zum KOR entstandenen Organisation ROPCIO und Stefan Niesiołowskis Buch über die Bewegung Ruch Standardwerke vor, die mit unterschiedlichen, teilweise, wie im Falle Lipskis, auf die eigene Zeitzeugenschaft rekurrierenden Herangehensweisen grundlegende Fragen nach der Struktur und damit indirekt auch Differenz zwischen verschiedenen Gruppierungen der demokratischen Opposition in Polen beantworten.45 Analysen, welche die sozial- und politikgeschichtlich orientierten Forschungs­ arbeiten um eine ideen- und begriffshistorische Dimension erweitern und damit zu einer stärkeren Kontextualisierung der divergierenden Politik- und Programmvorstellungen innerhalb der oppositionellen Milieus beitragen, sind allerdings nach wie vor selten. Lediglich zwei, die 1980er-Jahre betreffenden Arbeiten von Krzysztof Łabędź – seine Studien über die »Programmatischen Auseinandersetzungen in den Publikationen der politischen Opposition in Polen in den Jahren 1981–1989« und über die »Politischen Konzepte in den Presse­ erzeugnissen der Gewerkschaft Solidarność« – bilden hier zusammen mit Beiträgen von Lech Mażewski eine Ausnahme.46 Hinzu kommt Rafał Chwedoruks Studie über den sogenannten »sozialistischen« Flügel der Solidarność.47 Während der Autor darin die Rolle des personell wie ideell an die Tradition der Sozial­demokratie der Vorkriegszeit anschließenden linken Spektrums der Ge41 Vgl. Pomian, Wymiary; Eisler, Zarys sowie zuletzt Herczyński. 42 Vgl. Jarocki; Żakowski, Pół wieku; Strzelecka, Trudne kompromisy; Letowski; Friszke, Oaza, sowie Kaźmierczak, Klub Inteligencji Katolickiej. 43 Vgl. Touraine; Staniszkis, Poland’s Self-Limiting Revolution; Garton Ash, Polish Revolu­ tion; Holzer, Solidarność 1980–1981 beziehungsweise Holzer, Solidarität; Holzer u. ­Leski, Solidarność w podziemiu; Skórzynski, Ugoda i rewolucja; Kühn; Krajewski, Między współ­ pracą; Dudek, Reglamentowana rewolucja sowie Friszke, Solidarność. 44 Vgl. Karpiński; Machcewicz, Polski rok 1956; Makowski; Eisler, Marzec 1968; ders., Polski rok 1968; ders., Grudzień 1970; ders., Polskie miesiące sowie Friszke u. a., Kierwonictwo PZPR. 45 Vgl. Lipski, KOR; Zuzowski; Waligóra, Ruch Obrony; Ostrolecka (Niesiołowski); Terlecki, Uniwersytet Latający; Zaremba, Młodopolacy sowie Krajewski, Między współpracą. 46 Vgl. Łabędź, Spory; ders., Koncepcje sowie Mażewski, W objęciach. 47 Vgl. Chwedoruk.

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werkschaft analysiert und ihr ein maßgebliches Versagen bei der Konsolidierung einer starken, unabhängigen linken Kraft in der politischen Landschaft Polens nach 1989 attestiert, stecken weiterführende Arbeiten über politische Kategorisierungen wie »links« und »rechts« empirisch und theoretisch noch in ihren Anfängen.48 Gleichzeitig ist jedoch in den vergangenen Jahren eine Reihe von  – vornehmlich auf Akten des Parteiapparats und des Staatssicherheitsdienstes beruhenden  – Quellen- sowie Interviewbänden erschienen, welche die Frage nach politisch-ideellen Gegenentwürfen zum »real existierenden Sozialismus« um wichtige Akzente bereichern. »Die wirtschaftlichen Angelegenheiten der ersten Solidarność«49 gehören ebenso dazu wie die mittlerweile herausgegebenen Aktenbestände über spezifische Kreise50 oder aber die kürzlich erschienenen Gesprächsbände mit ehemaligen Akteuren beziehungsweise ehemaligen Gegnern der Oppositionellen.51 Erste autobiografische ebenso wie erste biografische Arbeiten über prominente Dissidenten ergänzen die Zeitzeugenperspektive in mentalitäts- und milieugeschichtlicher52, eine zunehmende Anzahl an neu editierten Textausgaben auch in diskursgeschichtlicher Perspektive.53 Zu den noch so gut wie unerforschten Aspekten gehört die transfer- und verflechtungsgeschichtliche Dimension des hier vorgestellten Themas. Nur wenige, meist auf die 1980er-Jahre und auf die Kooperation zwischen amerikanischen, französischen, deutschen und polnischen Gewerkschaftern beschränkte Arbeiten beleuchten ansatzweise das Spektrum möglicher Querverbindungen zwischen der demokratischen Opposition in Polen und ausgewählten zivilgesellschaftlichen Organisationen in Westeuropa.54 Arbeiten zur Unterstützung oder Beeinflussung der Dissidenz durch die sogenannte Polonia55, durch die ein-

48 Vgl. Godlewski sowie – für die Zeit nach 1989 – Waniek und Janik. 49 Vgl. Luszniewicz u. Zawistowski; Hemmerling u. Nadolski, Opozycja; Orlof u. Pasternak sowie Jastrzębski, Dokumenty Komitetu. 50 Vgl. Kamiński u. Piotrowski, Opozycja demokratyczna; Kamiński u. Waligóra, Kryptonim »Wasale; dies., Kryptonim »Pegaz«; Instytut Pamięci Narodowej, Kryptonim »Gracze«; dass., Marzec 1968, Bd. 1; dass., Marzec 1968, Bd. 2; dass., »Twórczość obca nam klasowo« sowie Pleskot u. Rutkowski, Spętana Akademia, Bd. 1. 51 Vgl. Eisler, Co nam zostalo; Jankowska; Friszke u. Paczkowski, Niepokorni; Kołakowski u. Mentzel, Czas ciekawy; Geremek u. Żakowski, Geremek opowiada sowie Torańska, Oni und dies., Byli. 52 Vgl. Kuroń, Autobiografia, (Neuveröffentlichung von vier biografischen Arbeiten Kurońs: »Wiara i wina«, »Gwiezdny czas«, »Spoko! Czyli kwadratura koła« und »Moja zupa«) sowie Bouyeure, L’invention beziehungsweise Bouyeure, Michnik. 53 Vgl. Kołakowski, Moje słuszne; Kuroń, Dojrzewanie; ders., Opozycja; ders., Nadzieja; Michnik, Dzieła Wybrane; ders., Wyznania; ders., Wściekłość sowie ders., W poszukiwaniu. 54 Vgl. Goddeeris, Solidarity; ders., Western Trade, S. 305–330; Domber, S. 277–304; Chwalba, Czasy Solidarności; Bégin, S. 293–324; Swider, S. 203–216 sowie Tischler, S. 243–266. 55 Vgl. Zając, S. 232–244 sowie Goddeeris, Exiles’, S. 383–400.

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flussreiche Emigrationszeitschrift Kultura56 sowie durch die in München ausgestrahlte polnische Sektion des Radio Freies Europa57 ergänzen diese Perspektive zwar um wichtige Informationen zum Wirkungsbereich polnischer Medien im Ausland. Eine Verflechtungsgeschichte zwischen der demokratischen Opposition in Polen und Kreisen der politischen Emigration auf der einen sowie den durch diese beiden Gruppierungen erzeugten Medien und der westeuropäischen Öffentlichkeit auf der anderen Seite gehört aber nach wie vor zu einem Desiderat der Forschung.58 Sucht man nach verbindenden Diskursen und Ideen, die die Behauptung eines Wahrnehmungs- oder gar Wirkungszusammenhanges zwischen den Debatten ostmitteleuropäischer Dissidenten und westeuropäischen Intellektuellen empirisch untermauern würden, so stößt man allenfalls auf das Konzept der Zivilgesellschaft und die damit verbundene These, der Begriff habe erst im Zuge des demokratischen Wandels in Ostmitteleuropa seinen ungewöhnlichen und rasanten Aufschwung erfahren.59 In empirischer Hinsicht kann die Dissertation somit an eine Reihe von Untersuchungen – vor allem zur Ereignis- und Organisationsgeschichte der demokratischen Opposition – anschließen. In methodischer Hinsicht betritt sie hin­ gegen Neuland. Bis auf die anfangs erwähnte Studie von Andrzej Friszke gibt es derzeit keine Monografie, welche die sozialgeschichtliche oder aber die ideenund beziehungsgeschichtliche Genese einer linken Dissidenz in Polen untersuchen würde. Die Dissertation versucht, dies durch den Einbezug einer Reihe von innerhalb und außerhalb Polens lagernden Archivalien zu ändern. Dazu gehören Quellenbestände aus dem Archiv der Neuen Akten (AAN), dem Archiv des Instituts des Nationalen Gedenkens (AIPN), dem Oppositionsarchiv im Zentrum KARTA (AO), dem Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften (APAN) und dem Archiv der Warschauer Universität (AUW). Hinzu kommen Archivbestände des Literarischen Instituts Maisons-Laffitte (AIL ML) in Paris, der Polnischen Bibliothek in Paris sowie der Polnischen Bibliothek (POSK) in London. Recherchiert wurde darüber hinaus in den Beständen der polnischen Exil­ regierung im Polnischen Institut und General-Sikorski-Museum (IPMS) sowie in den Beständen der ebenfalls ins Exil abgewanderten Sozialdemokratischen ­Partei Polens (PPS) in London. Einbezogen wurden die Protokolle von Ansprachen, Versammlungen und Besprechungen verschiedener Gremien oder Einzelpersonen der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei, worunter auch Protokolle wichtiger Anhörungen vor dem disziplinarischen Ausschuss der Partei fielen, insoweit sie den Kreis der

56 Vgl. Friszke, Polen und Europa, S. 35–58; ders., Jerzego Giedroycia, S. 11–36 sowie Korek und Kopczyński. 57 Vgl. Mazurkiewicz, S. 146–169. 58 Vgl. Mählert u. a.; Kind-Kovács u. Labov sowie Behrends u. Lindenberger. 59 Bezüglich einer begriffshistorischen Auseinandersetzung mit dieser These vgl. Arndt, Intellektuelle.

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hier untersuchten Dissidenz betrafen. Neben dem Zentralkomitee der Partei, dem Politbüro, den Sekretariaten der Parteivorsitzenden Władysław Gomułka und Edward Gierek sowie den Abteilungen für Kultur und für Wissenschaft wurden auch gesondert angelegte Dossiers zu einzelnen Parteimitgliedern und Dissidenten wie Leszek Kołakowski verwendet. Diese Dokumente geben Aufschluss über das Verhältnis zwischen Dissidenten und Partei. Vor allem aber vermitteln sei einen Einblick in den Umgang der Partei mit der Dissidenz und ermöglichen Einsichten in die Verteidigungsstrategien, welche die von Parteiausschlussverfahren oder anderen Maßnahmen bedrohten Dissidenten ergriffen. Diese Perspektive wird ergänzt durch den Einbezug von Staatssicherheitsakten.60 Zusätzlich zur Einsicht in Originaldokumente, die im Institut des Nationalen Gedenkens lagern, konnte auch auf die bereits erwähnten Druckausgaben der wichtigsten staatspolizeilichen Ermittlungen und Verfahren gegen Dissidenten und Oppositionelle zurückgegriffen werden.61 Sie ermög­lichen ein Verständnis der strukturellen Bedingungen, unter denen das hier untersuchte Milieu agierte und vermitteln darüber hinaus wichtige Informa­ tionen über die Zusammensetzung dissidenter Organisationen. Weitere Quellen aus dem Bestand des AIPN erweitern diese Perspektive, indem sie zum Beispiel Aussagen über die Beeinflussung der Dissidenz auf transnationaler Ebene enthalten. Einen in sozialgeschichtlicher Hinsicht besonders wichtigen Quellen­korpus stellen die persönlichen Hinterlassenschaften einer Reihe von Dissidenten dar, zu denen zum Beispiel die persönlichen Notiz- und Tagebücher von Adam Michnik sowie Jacek und Grażyna Kuroń gehören. Hinzu kommen Briefe, welche die Dissidenten während ihrer Gefängnisaufenthalte untereinander oder mit ihren Angehörigen austauschten oder die sie an das westeuropäische Ausland schrieben, vor allem an die Redaktion der Zeitschrift Kultura in Paris, ebenso wie persönliche Lebensläufe, die sie zur Immatrikulation oder zur Einstellung an der Universität verfassten. Unterlagen der Universitätsverwaltung geben Aufschluss über Beförderungen und Belobigungen, vor allem aber über die seit Mitte der 1960er-Jahre gehäuften Ermahnungen und Entlassungen. Dazu kommen Informationen über die Sprachkenntnisse und Reiseziele der Dissidenten sowie den Umfang ihrer national wie transnational geknüpften Beziehungen, die sowohl anhand des staatspolizeilichen als auch des autobiografischen Materials ermittelt wurden. Punktuelle Recherchen in den Quellensammlungen über das für Teile des Milieus nach 1976 wichtig werdende Komitee zur Verteidigung der Arbeiter wurden einbezogen, um die Aussagen der 60 Zur methodischen Problematik des Umgangs mit diesen Akten vgl. Musiał, Wokół teczek. 61 Es handelt sich um Instytut Pamięci Narodowej, Marzec 1968, Bd. 1. Die Quellen aus diesem Band werden im Fußnotenapparat unter Angabe des Bandherausgebers (Instytut Pamięci Narodowej), des Kurztitels (z. B. Fragment oder Notatka) und der Seitenzahlen im Band zitiert. Die vollständigen Quellenangaben finden sich unter dem Stichwort Instytut Pamięci Narodowej in Teil 4 des Quellen- und Literaturverzeichnisses wieder.

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Dissertation über die transnationale Vernetzung der Akteure vor 1976 zu verifizieren. Gleiches gilt für die auf mehrere Länder, unter anderem die Bundes­ republik Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien, konzentrierten Quellenbestände zur sogenannten »Hilfe aus dem Westen«, die unter diesem Stichwort im Zentrum KARTA gesammelt wurden. Auch sie vermitteln einen Eindruck über das Ausmaß transnationaler Kontakte und beantworten die Frage, welche von ihnen aus den Kooperationsbeziehungen des hier untersuchten Milieus vor 1976 hervorgingen. Darüber hinaus wurden publizierte und unpublizierte Materialien, im Untergrund kursierte Manuskripte sowie teilweise überlieferte Versammlungsprotokolle und Abschriften von Reden und Vorlesungen einbezogen. Hinzu kommen Interviews, welche die hier untersuchten Personen vor allem westeuropäischen Medien gaben. Neben einem kursorischen Blick auf einige europäische Tages- und Wochenzeitungen wurden drei im Exil erscheinende Zeitschriften jahrgangsübergreifend, das heißt für die gesamte Zeit ihres Erscheinens während der Jahre 1956 bis 1976 und teilweise auch darüber hinaus, einbezogen. Es handelt sich einerseits um das in London von der PPS herausgegebene Blatt Robotnik und andererseits um die monatlich erscheinenden Zeitschriften ­Aneks und Kultura, die von emigrierten Intellektuellen in London beziehungsweise in Paris herausgegeben wurden. Während diese drei Medien einen Überblick über das Ausmaß und den Inhalt des intellektuellen Austauschs der hier untersuchten Dissidenten mit anderen, ost- wie westeuropäischen, Intellektuellen liefern, bieten weitere, in Warschau erscheinende Zeitschriften einen Einblick in die intellektuelle Entwicklung und Auseinandersetzung der Dissidenten innerhalb ihres Landes. Da das Erscheinen von Blättern wie Krytyka, Głos und Puls zeitlich mit dem Ende des chronologischen Schwerpunkts der Arbeit und dem Beginn des sogenannten »zweiten Umlaufs«62, zusammenfällt, wurden diese Perio­dika, allen voran die dem hier untersuchten Milieu am nächsten stehende Krytyka, vor allem dann einbezogen, wenn die über das Jahr 1976 hinaus­weisenden Fragen es notwendig machten. Schwerpunktmäßig konzentrierte sich die Recherche auf legal erscheinende und für die Debattenkultur der 1950er- und 1960er-Jahre zentrale Publikationsorgane wie Po Prostu und auf Beiträge der hier untersuchten Dissidenten in offiziellen Parteiorganen wie Nowe Drogi. In milieugeschichtlicher Hinsicht kontrastiert wurden diese Recherchen durch den Einbezug der ebenfalls legal erscheinenden katholischen Zeitschrift Więź. Gespräche mit Zeitzeugen, unter anderem mit Bronisław Geremek, Leszek Kołakowski, Adam Michnik, Krzysztof Pomian, Aleksander und Eugeniusz

62 Publikationsforum, das sich seit dem Ende der 1970er-Jahre im Umkreis von regimekritischen Zeitschriften und Verlagen als Alternative zu den offiziellen Publikationsorganen im Untergrund herausbildete und bis 1989 um die 3.500 Periodika und um die 6.500 Buchtitel hervorbrachte, vgl. Kandziora, S. 10–19.

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Smolar sowie mit Eric Hobsbawm, sind nicht im Sinne von historischen Quellen, aber im Sinne kontrastierender Ergänzungen in die Fragen- und Thesen­ bildung der Arbeit eingegangen.63 Chronologie und Zeitraum Die Arbeit konzentriert sich auf den Zeitraum zwischen 1956 und 1976. Dafür sprechen vor allem zwei Gründe: Zum einen sind die 1950er- und frühen 1960er-Jahre, im Gegensatz zu den 1970er- und 1980er-Jahren, weitaus weniger erforscht. Während insbesondere die Gründung von oppositionellen Organisationen, wie des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter und der Solidarność, große Aufmerksamkeit in der Forschung erfuhr, gibt es nur wenige Studien, welche die Organisationsstrukturen der Dissidenz vor 1968 zusammenhängend untersuchen. Zum anderen handelt es sich bei den ersten beiden Jahrzehnten der Volksrepublik um einen Zeitraum, der für den intellektuellen Wandel des dissidenten Milieus von besonderer Relevanz war. Es waren die Jahre Gomuł­ kas, während derer die Dissidenz ihre politischen und persönlichen Verflechtungen mit dem kommunistischen Regime allmählich entwirrte. Zwei Zäsuren prägten diese Entwicklung. Während das Jahr 1956 den Dissidenten als positive ­Chiffre ihres Engagements für einen »besseren Sozialismus« diente, geriet das Jahr 1968 zum negativen Symbol für ein antiliberales und antisemitisches Regime, das aus Sicht der linken Dissidenz seine Unterstützung nicht länger verdiente. Diese Zäsuren, mitsamt ihren Vor- und Nachentwicklungen, grenzen den Zeitraum ein, auf den sich die Arbeit schwerpunktmäßig konzentriert, auch wenn einzelne Fragen, zum Beispiel nach dem Einfluss der Dissidenten auf den demokratischen Umbruch in Polen, bis in die 1990er-Jahre hinein verfolgt werden sollen. Ein kurzer Überblick soll helfen, den Wandel des Milieus, der in den folgenden Kapiteln systematisch untersucht wird, chronologisch einzuordnen.64 Will man den Zäsurcharakter des Jahres 1956 verstehen, muss man einige Blicke auf die Jahre und Jahrzehnte zuvor richten. Die meisten der hier unter63 Eingehender zu diesem Komplex vgl. Obertreis u. Stephan. 64 Aufgrund der mittlerweile zahlreichen und im Folgenden ausführlich zitierten polnisch-, aber auch deutsch- und englischsprachigen Titel zur Zeitgeschichte Polens nach 1945 konzentriert sich der folgende Überblick ausschließlich auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen, die für den Wandel des hier beschriebenen Milieus zwischen 1956 und 1976 von herausragender Bedeutung waren. Von punktuellen Ausblicken in die 1980er- und 1990er-Jahre abgesehen, fokussiert die Arbeit damit die 1950er- bis 1970erJahre und argumentiert bewusst, dass die politische Entwicklung des hier untersuchten Milieus von einem dissidenten zu einem oppositionellen mit dem Jahr 1976 als abgeschlossen gelten kann. Für das aus diesem Wandel resultierende Engagement des Milieus im Rahmen der 1980 entstehenden Solidarność sei auf die bereits zitierten Studien zur demokratischen Opposition nach 1976 sowie vor allem auf die jüngst erschienene Arbeit von Andrzej ­Friszke verwiesen, vgl. Friszke, Czas KOR-u.

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suchten Dissidenten oder aber ihre Eltern waren schon in der Zwischenkriegszeit in der kommunistischen oder sozialistischen Bewegung aktiv. Viele gehörten der KPP an, die am 16. Dezember 1918 aus dem linken Zweig der Polnischen Sozialdemokratischen Partei (Polska Partia Socjalistyczna, PPS Lewica) und der Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauen (Socjaldemokracja Królestwa Polskiego i Litwy, SDKPiL) zunächst als Kommunistische Partei der Arbeiter Polens (Komunistyczna Partia Robotników Polskich, KPRP) hervorgegangen und 1925 in die Kommunistische Partei Polens (Komunistyczna Partia Polski, KPP) umbenannt worden war.65 Die Partei war in den 1920er- und 1930er-Jahren illegal. Sie ist, unter anderem aufgrund ihrer Ablehnung des parlamentarischen, später des autoritären Regierungssystems, verfolgt worden. Stalin veranlasste zwischen 1933 und 1937 die Ermordung eines Großteils ihrer Führung. 1938 ist die Partei von der Komintern aufgelöst und erst 1942 als Polnische Arbeiterpartei (Polska Partia Robotnicza, PPR) wiederbegründet worden.66 Diese wiederum wurde zwischen dem 15.  und 21.  Dezember 1948, auf einem gemeinsamen Parteitag in Warschau, mit der PPS zur Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Polska Zjednaczona Partia Robotnicza, PZPR) zwangsvereinigt.67 Diejenigen der Dissidenten, die, wie etwa Aniela Steinsbergowa oder Edward Lipiński, in der Zwischenkriegszeit in der PPS engagiert waren, entschieden sich für einen Verbleib in der »vereinigten« Version der Linken. Dies unterschied sie von anderen Mitgliedern der Vorkriegssozialdemokratie, die nach der Zwangsvereinigung ihrer Partei einen Wohnsitz außerhalb Polens, am Sitz der Londoner Exilregierung, wählten. Die meisten der hier untersuchten Personen gehörten somit zu den anfänglichen Unterstützern des kommunistischen Systems in Polen. Ihr dissidentes Engagement begann in der Zeit der Destalinisierung. Es fiel zusammen mit der Haftentlassung von Władysław Gomułka, der im August 1951, auf der Höhe disziplinar- und sicherheitspolizeilicher Maßnahmen gegen hohe Parteifunktionäre, verhaftet wurde. Seine Entlassung im Dezember 1954 und seine Wahl zum Ersten Sekretär der PZPR am 21. Oktober 1956 verdankten sich innen- und außenpolitischen Faktoren. Innenpolitisch kam es 1954 zur Auflösung des Ministeriums für Öffentliche Sicherheit (Ministerstwo Bezpieczeństwa ­Publicznego, MBP, auch bekannt unter dem Namen seiner Abteilungen, Urzędy Bezpieczeństwa Publicznego, UB), das fortan als Sicherheitsdienst (Służba Bezpieczeństwa, SB) dem Innenministerium unterstellt wurde. Außenpolitisch spielten vor allem der Politikwechsel zu Chruschtschow und seine Abrechnung mit dem Regime Stalins eine Rolle, die in seinem Geheimreferat auf dem 65 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 69. 66 Der Autor gibt an, dass von 3.800 in der Sowjetunion lebenden Funktionären der KPP nur etwa 100 überlebt hätten, vgl. ebd., S. 184. 67 Die PPR hatte 1948, im Vorfeld der Zwangsvereinigung, circa 900.000, die PPS circa 500.000 Mitglieder. Zum Zeitpunkt ihrer Gründung hatte die PZPR um die 1,4 Millionen Mitglieder, aufgrund wiederholter Säuberungen fiel diese Zahl bis 1953 auf 1,3 Millionen, um 1970 waren es 2,3 Millionen Mitglieder, vgl. ebd., S. 269, S. 276–277, S. 293 und S. 307.

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XX. Parteitag der KPdSU am 25. Februar 1956 gipfelte. Das Referat, das innerhalb der PZPR vervielfältigt und verteilt wurde, der kurz darauf eintretende Tod Bieruts, die zunehmend kritisch reagierende, sich unter anderem in der Studentenzeitung Po Prostu artikulierende Jugend, vor allem aber der Ausbruch des Arbeiteraufstandes in Posen im Juni 1956 mit 73 Todes­opfern wendeten die Lage in Polen zugunsten Gomułkas und, wie die meisten damals glaubten, des Landes. Um die 9.000 politische Häftlinge, auch der während der Stalinzeit inhaftierte Kardinal Stefan Wyszyński, wurden amnestiert. Trotz der am 23. Oktober 1956 ausbrechenden Ungarnkrise gelang es – gegen den Widerstand der sowjetischen Führung  –, Gomułka als Parteisekretär an die Spitze der PZPR zu wählen. Mit einem hohen Vertrauensvorschuss der Bevölkerung ausgestattet, sollte Władysław Gomułka 14 Jahre lang über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Polens bestimmen und erst 1970, für weitere zehn Jahre, von Edward Gierek abgelöst werden.68 Auch das hier untersuchte Milieu setzte auf Gomułka. Die mit ihm einsetzende Drosselung des Ausbaus der Schwerindustrie, der Verzicht auf die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft sowie die Verbesserung der Lebensmittel- und Konsumgüterversorgung wirkten als integrative Faktoren. Mit Gomułkas Unterstützung, so hofften die Milieuangehörigen, käme es auch zu einer Liberalisierung im öffentlichen Leben Polens. Zahlreiche politische Klubs wurden in der Zeit um 1955/56 gegründet. Drei von ihnen, der Klub Krzywego Koła, der Polityczny Klub Dyskusyjny und der Klub Poszukiwaczy Sprzeczności, werden im Rahmen der Arbeit behandelt. Sie bündelten das Personal und die Themen linker Dissidenz in Polen. Darüber hinaus gelang es dem Milieu, Einfluss auf die Medienlandschaft zu gewinnen und zahlreiche Zeitschriften zu Sprachrohren dissidenter Meinungsbildung umzubilden. Die gekonnt genutzten Möglichkeiten kultureller Teilhabe wurden vom Regime allerdings schon bald zurückgenommen. Und auch in politischer Hinsicht handelte es sich eher um eine Rückabwicklung dissidenter Reformvorstellungen.69 Die Zeit um 1956 war letztlich eine Zeit der Inkubation, aber auch der Illusion für die linke Dissidenz in Polen. Es war die Zeit, in der das Milieu sich zu einer dissidenten Gruppe formierte und maßgebliche Kritik am bisherigen System artikulierte. Gleichzeitig war es aber auch die Zeit, in der es die äußerst begrenzte Bereitschaft des Regimes zu politischer Erneuerung erkennen und sein eigenes Bekenntnis zum »Realsozialismus« erstmals infrage stellen musste. Innerhalb der PZPR wurde die Gruppe der Liberalen (Puławianie), die den Wandel mitgestützt hatte, in die politische Bedeutungslosigkeit abgedrängt. Während die Gruppe der Hardliner (Natolińczycy) an Bedeutung verlor, erlangte die antisemitisch orientierte Gruppierung der Partisanen in den 1960erJahren an Schlagkraft. Die PZPR gewann damit an nationalistisch überspitzter 68 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 297 und S. 294–300; Paczkowski, Pół wieku, S. 198–202 sowie Friszke, Polen, S. 213–220. 69 Vgl. Eisler, Zarys, S. 65 ff.; Friszke, Opozycja, S. 129 ff. sowie Holzer, Solidarität, S. 34 ff.

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Rhetorik, die sich 1967/68 vor allem an dem hier untersuchten, in Teilen jüdischen Milieu entlud.70 Die antisemitische Kampagne, die sich an den studen­ tischen Unruhen in Reaktion auf die Absetzung eines Theaterstücks71 im März 1968 entzündete und die von der antiisraelischen Positionierung Gomułkas im Nachgang zum sogenannten Sechstagekrieg72 sowie dem Einmarsch von Streitkräften des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei flankiert wurde, mündete bis zum Herbst 1968 in der Entlassung von fünf Ministern, 22 stellvertretenden Ministern, 800 Mitarbeitern der Nomenklatura, 2.000 Offizieren und 70 Dozenten und Professoren. Allein in Warschau waren sechs Studiengänge aufgelöst worden. Von den 25.000 bis 30.000 Menschen jüdischer Herkunft, die 1967 überhaupt noch in Polen lebten, entschlossen sich um die 13.000 zur Emigration, die wenigsten von ihnen nach Israel, die meisten in die Vereinigten Staaten, nach Frankreich oder nach Schweden. Nicht deswegen, sondern weil er insgesamt 45 der seit dem 14. Dezember 1970 gegen Preiserhöhungen protestierenden Arbeiter an der Küste hatte erschießen lassen, musste der Parteichef am 19. Dezember 1970 in seinen von den Sowjets verlangten Rücktritt einwilligen.73 Mit Edward Gierek wurde ein jüngerer, in der investitionsstarken Bergbauregion der Wojewodschaft Kattowitz erfolgreich agierender und von etwaigen Verbindungen zur Komintern freier Funktionär am 20.  Dezember 1969 zum Ersten Sekretär der PZPR gewählt: »Er sprach Französisch, trug modische Krawatten und gefiel im Fernsehen sehr viel besser als der greisenhaft wirkende, kreischende, im schlecht sitzenden Anzug auftretende Gomułka […].«74 Das hier untersuchte Milieu konnte Gierek jedoch weder in wirtschafts- noch in sozial- oder kulturpolitischer Hinsicht überzeugen. Schon in den frühen regimekritischen Texten, wie sie etwa Jacek Kuroń und Karol Modzelewski 1964 mit ihrem »Offenen Brief« verfassten, spielten – neben der Nichterfüllung von Versprechen im kulturellen Bereich – vor allem wirtschaftliche Missstände eine Rolle. Diese konnte auch der neue Parteivorsitzende nicht beheben. Einem vorübergehenden, durch Devisenverschuldung finanzierten Anstieg des Lebensstandards, der von Lockerungen der Zensur- und Reisebestimmungen in der ersten Hälfte der Dekade Gierek begleitet wurde, folgte eine unter den Bürgern, vor allem den Bildungsbürgern, massiv kritisierte Verfassungsänderung, im Rahmen derer am 10. Februar 1976 ein Passus über den sozialistischen Charakter des polnischen Staates, über die führende Rolle der Partei und die enge

70 Vgl. Zaremba, Komunizm sowie Stola, Kampania. 71 Es handelte sich um das Stück »Dziady« von Adam Mickiewicz, das, laut Regierungsstellen, vor allem wegen seiner »antirussischen« Stoßrichtung beklatscht und deswegen abgesetzt wurde, vgl. Borodziej, Geschichte, S. 314. 72 Der Krieg zwischen Israel, Ägypten, Syrien und Jordanien begann am 5.6.1967 und wurde am 10.6.1967 durch Vermittlung der Vereinten Nationen beendet. 73 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 315–318 sowie Paczkowski, Pół wieku, S. 250 und S. 264 (der allerdings von 15.000 bis 20.000 Emigrierten ausgeht). 74 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 341.

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Bindung an den Bruderstaat Sowjetunion in die polnische Verfassung auf­ genommen wurden.75 An diesem Punkt kulminierte die intellektuelle Entwicklung linker Dissidenz in Polen. Ausgelöst durch eine seit mehreren Jahren andauernde Auseinandersetzung mit den Schwächen des eigenen Milieus, die vor allem der unzureichenden politischen Integration in die polnische Gesellschaft zugeschrieben wurde, gelang dem Milieu eine Annäherung an bislang gemiedene Themen und Probleme. Seit 1968 von marxistisch-leninistischen Denkmustern abgelöst, rückten Aspekte des Patriotismus und des Katholizismus sowie Fragen des zivilgesellschaftlichen Engagements in den Mittelpunkt dissidenter Diskurse. Gleichzeitig wurden Unterstützungsleistungen, wie sie vor allem polnische Emigranten in London und Paris bereitstellten, offensiv in die strategische Neuausrichtung der Dissidenz übernommen. Am 25. Juni 1976 kam es in den Industriezentren Radom und Płock sowie der Traktorenfabrik Ursus bei Warschau zum Streik wegen Preiserhöhungen, die nach Tausenden von Entlassenen, Hunderten von Verhafteten und Verletzten sowie zwei Toten zurückgenommen wurden.76 Die Gründung des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter77 im selben Jahr, an der mehrere der hier behandelten Dissidenten beteiligt waren, markierte nicht nur eine Wende innerhalb ihres sich zunehmend pluralisierenden Milieus. Sie zog auch einen Wandel des Verhältnisses zwischen Intellektuellen und Arbeitern nach sich, die fortan zusammen gegen den politisch und wirtschaftlich desolaten Zustand des Landes protestierten. National wie international erreichte KOR eine ungeahnte Breiten­ wirkung und avancierte zu einem der wichtigsten Wegbereiter einer zivilgesell­ schaftlichen Protestkultur in Polen.78 Es wurde erst aufgelöst, nachdem es  – nach neuerlichen Preiserhöhungen und Streiks, die zur Gründung einer eigenen Gewerkschaft führten – am 31. August 1980 zur Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung zwischen Lech Wałęsa und Vizepremier Mieczysław ­Jagielski kam. Strategisch beraten wurde die Solidarność von Personen, die aus dem Umfeld des hier untersuchten Milieus linker Dissidenz hervorgingen. Gliederung und Aufbau Die Arbeit ist folgendermaßen gegliedert: Nach der Einführung in Frage­ stellung und Ansatz, in Forschungsstand und Quellen, in den Zeitraum und den Aufbau folgt das erste Kapitel Fragen der Milieubindung, der Sozialisierung 75 Vgl. Pomian, Wymiary sowie Krajewski, Między współpracą, S. 393 ff. 76 Vgl. Eisler, Zarys, S. 134 ff.; Holzer, Solidarität, S. 40 ff.; Friszke, Opozycja, S. 338 ff. sowie ­Borodziej, Geschichte, S. 353 ff. 77 Vgl. Lipski, KOR. A History; Lipski, KOR sowie Jastrzebski, Dokumenty. 78 Vgl. Friszke, Opozycja, S.  338 ff.; Holzer, Solidarität, S.  89 ff. sowie Pomian, Wymiary, S. 12 ff.

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und den Verhaltensformen linker Dissidenz in Polen. Es untersucht das Per­ sonenspektrum und seine politischen Präferenzen (1.1), die für das Milieu spezifischen Distinktionsmechanismen und Differenzen (1.2) sowie seine Rekrutierungsarten und Referenzen (1.3). Dieses Kapitel soll vor allem einen Einblick in den Umfang sowie in die Sozialisierungs- und Organisierungsmuster der linken Dissidenz geben. Neben der Frage nach Bildungs- und Familienstand, nach Herkunft, nach politischer und konfessioneller Zugehörigkeit wird hier auch die Bedeutung dreier Klubs, des Klub Krzywego Koła, des Polityczny Klub Dyskusyjny und des Klub Poszukiwaczy Sprzeczności, für die Vergesellschaftung des Milieus hervorgehoben. Das zweite Kapitel untersucht die aus dem Milieu hervorgehenden Ansätze linker Kritik am Kommunismus, ihre nationalen Bezugspunkte sowie ihren Wandel zwischen 1956 und 1976. Es geht um linke Deutungskämpfe und Definitionsprobleme (2.1), um Rückbesinnungen und Reformbemühungen (2.2) und um Ablösungen und Annäherungen (2.3). Im Zentrum stehen das Selbstverständnis und die Standortbestimmung linker Dissidenz in Polen sowie ihre marxistischen, revisionistischen und in der offiziellen Propaganda als trotz­ kistisch bezeichneten intellektuellen Wandlungen. Drei Themen der Dissidenz, welche die Veränderung des Milieus auf besondere Weise markieren, spielen hierbei eine Rolle. Untersucht wird die Entwicklung der Dissidenz vom Internationalismus zum Patriotismus, ihre Annäherung vom Atheismus an den Katholizismus und ihre Abwendung von der Klassen- hin zu einer Zivilgesellschaft. Das dritte Kapitel folgt der Frage nach einer linken Werte- und Solidargemeinschaft, nach dem transnationalen Beziehungsgeflecht des Milieus und dessen Wandel. Hier geht es um Reichweite und Rahmenbedingungen (3.1), um Zugangswege und Zielsetzungen (3.2) und um Wahrnehmungen und Wechselwirkungen (3.3). Neben einer kurzen Einführung in die grundsätzlichen Bedingungen des transnationalen Austauschs, die anhand eines Überblicks über staatliche Maßnahmen und private Austauschmöglichkeiten ausgeleuchtet werden sollen, wird es vor allem um die Ziele von transnationalen Kontaktaufnahmen gehen. Im Zentrum des Interesses stehen Mechanismen der Media­ lisierung und der Politisierung, die das linke Milieu auf transnationaler Ebene hervorbrachte sowie nationale Perzeptionen und transnationale Projektionen, die es auf diese Weise erzeugte. Vor allem die Frage, ob, wie und mithilfe welcher Mediatoren die strategische Ausrichtung der Dissidenz von anderen linken Kreisen in Ostmittel- und Westeuropa überhaupt beeinflusst werden konnte und beeinflusst wurde, soll in diesem Kapitel geklärt werden. Im vierten Kapitel schließlich sollen die Ergebnisse der vorhergehenden Kapitel analytisch zusammengefasst werden. Neben der milieu- und der beziehungsgeschichtlichen Perspektive wird es hier auch um einen knappen komparativen Ausblick auf Entwicklungen in Ungarn, der Tschechoslowakei und der DDR gehen. Stichpunktartig sollen die wichtigsten Besonderheiten des Milieus und seine Bedeutung für den Demokratisierungsprozess Polens herausgearbeitet werden. Dabei sollen auch die Ausgangsthesen der Arbeit überprüft 32 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

werden. Ausgehend von Prozessen der Pluralisierung (4.1) und der Renationalisierung (4.2), werden auf diese Weise die Befunde der Dissertation belegt, begründet und die Entwicklung einer linken Dissidenz in eine Geschichte Polens im 20. Jahrhundert eingeordnet werden.79

79 Polnische Literaturangaben werden mit deutscher Übersetzung angegeben. Auch Originalzitate im Fließtext werden, sofern nicht anders angegeben, in eigener Übersetzung wiedergegeben. Gleichzeitig werden polnische Bezeichnungen nur im Falle ihrer ersten Nennung im Text zusammen mit ihrer deutschen Übersetzung erwähnt. Insbesondere Eigenna­ rzywego Koła, dessen Übertragung in Klub des Schiefen oder Klub des men, wie etwa Klub K Krummen Kreises zu sperrig erscheint, auch wenn sie sprachlich korrekt wäre, werden im vorliegenden Text in polnischer Sprache verwendet, es sei denn, dass es sich um etablierte Bezeichnungen, wie etwa das Komitee zur Verteidigung der Ar­beiter (KOR), handelt. Städteund Ländernamen werden hingegen sowohl im Text als auch im Fußnoten- und Literaturapparat in der Sprache des vorliegenden Textes, in diesem Fall also in deutscher Sprache, wiedergegeben.

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1. »Linke« Dissidenz in Polen – Milieubindung, Sozialisierung und Verhaltensformen

1.1 Personenspektrum und Präferenzen Dass die hier untersuchten Personen einem spezifisch linken Milieu der Dissidenz zuzurechnen sind, und dass sie selbst sich einem linken Milieu zurechneten, verdankt sich nicht nur einer weitgehenden, an sozialökonomischen, politischen und konfessionellen Faktoren festzumachenden Übereinstimmung zwischen ihren Lebensinhalten und ihren Lebenszielen.1 Auch ihre Kommunikations-, Umgangs- und Beziehungsformen lassen Menschen erkennen, die sich entlang bestimmter, miteinander geteilter Wertvorstellungen und Verhaltenskodizes rekrutierten und zu einem relativ geschlossenen und klar abgrenzbaren Milieu konstituierten. Ihre politischen wie privaten Ideale unterschieden sich in Teilen deutlich von denen anderer Milieus in der Volksrepublik Polen. Gleiches gilt für ihren Bildungsstand, für ihr Freizeit- und ihr Konsumverhalten sowie für die Art und die Orte, in der und an denen das hier untersuchte Milieu aus unterschiedlichen Anlässen zusammen kam oder überhaupt zusammen kommen konnte. Spezifisch waren auch die verschiedenen Formen widerständigen Verhaltens, die das Milieu auf diese Weise erprobte. Bevor in den folgenden Kapiteln auf Sozialisation, auf Religion und auf ausgewählte Formen der Organisation gesondert eingegangen wird, sollen im Folgenden vor allem zwei Aspekte interessieren: Erstens soll das Spektrum der hier behandelten Per­ sonen in Grundzügen vorgestellt und, an konkreten Beispielen, hinsichtlich seiner strukturellen Besonderheiten in eine Gesellschaftsgeschichte Polens nach 1945 eingeordnet werden. Hierbei wird es insbesondere um die generationsspezifischen Erfahrungen und um die parteipolitischen Präferenzen, die für das Milieu kennzeichnend waren, gehen. Zweitens soll es unter einem geschlechtsspezifischen Aspekt um Fragen der Anzahl und der Arbeitsteilung von Frauen und Männern innerhalb des Milieus – vor allem aber der darin eingeübten dissidenten Praxen – gehen. Darüber hinaus wird eine größen- und zahlenmäßige Einschätzung des Milieus im Verhältnis zu anderen dissidenten Milieus in der Volksrepublik Polen vorgenommen werden.

1 Zu diesen und weiteren Aspekten des Milieubegriffs vgl. Hübinger, S. 207–227, hier S. 207 und S. 216. Zur Verwendung in der Parteienforschung vgl. Ritter, Die deutschen Parteien, insb. S. 49 ff. Zur neueren Verwendung in der Sozialgeschichte vgl. Reichardt u. Siegfried, Alter­natives Milieu, S. 9–26; Vester, S. 27–60 sowie Rucht, S. 61–86.

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1.1.1 Leben für den Sozialismus. Generationen und politische Vorentscheidungen Die Größe und Stärke eines dissidenten Milieus in Zahlen auszudrücken, ist grundsätzlich schwierig. Wer Dissident war und wer als solcher bezeichnet wurde, musste nicht immer miteinander übereinstimmen. Wer es tatsächlich war, vermied, aus Sorge vor strafrechtlichen Konsequenzen, die schriftliche Hinterlegung entsprechender Selbstbekenntnisse. Anders als für die 1970erund 1980er-Jahre, während derer eine Reihe von oppositionellen Organisa­ tionen begründet wurde, liegen für die 1950er- und 1960er-Jahre aufgrund des Mangels solcher als oppositionell eingestufter Organisationen keine Schätzungen der Staatssicherheitskräfte vor. Hinzu kommen die bereits erwähnten Schwierigkeiten hinsichtlich der ideologischen Einteilung der Dissidenten. So sprechen zwar einige Zeithistoriker für die Zeit nach 1976 von einem eher linksliberal ausgerichteten KOR im Gegensatz zu einer eher national-konservativ orientierten Gruppe ROPCIO.2 Andere fassen die Gruppe um Leszek Kołakowski, Włodzimierz Brus, Jacek Kuroń, Karol Modzelewski, Adam Michnik und Aleksander Smolar als Sozialisten und das »nach 1968 von ihnen geschaffene ideelle Milieu als sozialistische oder linke Strömung der demokratischen Opposition«3 auf. Wieder andere vermeiden jedoch eine solche Einordnung, die ohnehin in einem bislang unaufgelösten Spannungsverhältnis zu der bereits erwähnten These vom apolitischen Charakter der demokratischen Opposition steht. Versucht man angesichts dieser Schwierigkeiten dennoch, eine ungefähre Größenordnung anzugeben, so wird man sich, unter Vorbehalt, einerseits an den Mitgliedszahlen der für das Milieu wichtigsten Vereinigungen und andererseits an jenen Zahlen, die staatliche Stellen seit Mitte der 1970er-Jahre ermittelten, orientieren müssen. So ging das Innenministerium davon aus, dass die Gesamtzahl der Dissidenten in Polen vor 1976 nicht mehr als 1.500 Personen umfasste. Seit der Entstehung einer demokratischen Opposition, also zwischen 1976 und 1979, habe sich diese Zahl kaum verändert. Auf die Gruppe KOR, so das Ministerium, entfielen landesübergreifend um die 450, auf R ­ OPCIO um die 600 bis 700 Personen.4 Erst im Sommer 1986 schätzte das Innenministerium »den harten Kern der Opposition« auf etwa 3.000 Personen, »das Umfeld« auf über 20.000.5 Bezieht man diese Zahlen, die nur in Teilen vorhandenen Mitgliedslisten der hier untersuchten Klubs sowie die personelle Kontinuität derer mit ein, die aus einer dissidenten Grundhaltung in den 1950er- und 1960er-Jahren 2 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 450, Fußnote 31. 3 Vgl. Skórzynski, Od Solidarności, S. 131. 4 Vgl. Żaryn, Dzieje Kościoła, S. 392 – beruhend auf den Zahlen von Głębocki, S. 134. Dies deckt sich mit Schätzungen des Oppositionshistorikers Andrzej Friszke, der für die Zeit von 1976 bis 1980 von maximal 1.500 systematisch tätigen Widerständigen ausgeht, vgl. Friszke, Opozycja, S. 590. 5 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 376.

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heraus dem 1976 begründeten KOR zuströmten, kann man Rückschlüsse auf das hier untersuchte Milieu ziehen. Für die Zeit zwischen 1956 und 1976 muss man von einem in der Hauptstadt Warschau angesiedelten Kern von circa 300 linken Dissidenten und einem nur schwer zu beziffernden, um 1956 vermutlich über Tausend Personen umfassenden Umfeld von Sympathisanten ausgehen. Dass diese Angaben unter einem gewissen Vorbehalt stehen, liegt nicht nur daran, dass sie sich an Zählungen der Staatssicherheitskräfte anlehnen, die zudem erst Mitte der 1970er-Jahre einsetzten. Auch die noch ausführlicher zu behandelnden Klubs können nur eine ungefähre Einschätzung über die Größe des behandelten Milieus bieten. Nicht alle ihrer – zusammengenommen um die 450 – Mitglieder lassen sich, wie noch zu zeigen sein wird, einer dezidiert linken Dissidenz zuordnen.6 Umgekehrt erschöpfte sich das Engagement linker Dissidenten nicht in den hier punktuell ausgeleuchteten Organisationsformen. Der Einbezug weiterer Organisationen, vor allem auf der Ebene des um 1955/56 liberalisierten Zeitschriftenwesens und der Ebene der zum gleichen Zeitpunkt vermehrt auftretenden Arbeiterselbstverwaltungen, würde vermutlich andere Zahlen liefern. Die oben genannte Größenordnung bezieht sich somit auf das hier behandelte Spektrum linker, bildungsbürgerlicher, dissidenter Eliten zwischen 1956 und 1976. Einfacher als die Frage nach der Größe ist die Frage nach der Generations­ verteilung innerhalb des hier untersuchten Milieus zu beantworten. Vor allem drei Generationen lassen sich die Trägerschichten linker Dissidenz in Polen zwischen 1956 und 1976 zuordnen: einer noch vor dem Ersten, einer zwischen dem Ersten und dem Zweiten und einer nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen Generation. Bezeichnend für diese drei Generationen waren jeweils unterschied­ liche soziale und politische Vorerfahrungen, innerhalb derer das Überleben des Zweiten Weltkriegs und der Verlust von Angehörigen, im Falle polnisch-jüdischer Dissidenten auch ganzer Familien, für die älteste und mittlere Generation eine zentrale Rolle einnahmen. Der Umgang mit diesen Erlebnissen, der zwischen Beschweigen und Betrauern von Fall zu Fall und von Familie zu Familie changierte, prägte vor allem das Leben der um 1968 politisierten jüngsten Generation der Dissidenten. Bezeichnend war aber auch das Ausbleiben eines Genera­tionskonfliktes, wie er beispielsweise für die Achtundsechziger-Bewegung in der Bundesrepublik als charakteristisch hervorgehoben wurde. Die in der Generationenforschung als »Transgenerationalität« bezeichnete »Weitergabe konflikthafter, unbearbeiteter Inhalte an die nächste Generation durch ausbleibende Ent-Identifizierungen«7 prägte zwar auch Teile des hier behandelten studentischen Milieus. Anders als im deutschen Fall ging sie jedoch nicht auf eine Verstrickung der Eltern in den Nationalsozialismus als vielmehr in den Stalinismus zurück, unter dem allerdings eine Reihe von Vätern, seltener Müttern, als ehemalige Angehörige der von Stalin zerschlagenen KPP selbst 6 Vgl. hierzu und zu den jeweiligen Mitgliedszahlen Kapitel 1.3 dieser Arbeit. 7 Vgl. Jureit, Generationen, S. 244–265, hier S. 252.

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gelitten hatten. Andere, wie der Vater von Adam Michnik, waren während des Verbots der KPP im Polen der Zwischenkriegszeit von polnischen Stellen inhaftiert worden. Wieder andere verloren im Zuge der antisemitischen Säuberungswellen 1967/68 ihre Anstellungen im polnischen Staatsdienst. Das Verhältnis der Elterngeneration zur kommunistischen Bewegung war ambivalent. Ihre dennoch vorhandene Loyalität der kommunistischen Ideologie gegenüber wurde von den eigenen Kindern aber durchaus bewundert. Von einem Generationskonflikt als Ursache für die um 1968 explodierenden Proteste der jüngsten Generation gegen das Regime zu sprechen, wäre daher fehl geleitet. Vielmehr scheint es, als hätten die Kinder um 1968 ein letztes Mal die Ideale der Elterngeneration verteidigt, die im Kommunismus einen Weg aus der Bedrohung des Faschismus, aus einem virulenten polnischen Antisemitismus, aber auch aus einem sozial wie ökonomisch rückständigen Polen sahen. Zu den über die Generationen weitergegebenen »konflikthaften Inhalten« zählte somit zum einen die Übernahme einer grundsätzlichen Bejahung des kommunistischen Regimes und der kommunistischen Ideologie in Polen, die zunächst unreflektiert als eine Art Grundsozialisation aus den Elternhäusern übernommen und sukzessive, meist parallel zum allmählichen Herausdrängen der Eltern aus diesem System, abgestreift wurde.8 Zum anderen zählte ein, mit der Zeit zunehmendes, in Teilen mit dem Begriff der Schuld bezeichnetes Gefühl der persönlichen Verantwortung für ein System, das die eigenen Eltern mit aufgebaut und dem sie lange Zeit die Treue gehalten haben, dazu. Diese Übernahme von Schuldgefühlen erinnert zwar nochmals an Prozesse, wie sie vor allem für die bundesrepublikanische Generation der sogenannten Achtundsechziger beschrieben wurden.9 Im hier untersuchten polnischen Fall wurde sie allerdings nicht gegen die eigene Elterngeneration moralisch überhöht oder auf eine Identifizierung mit bestimmten Opfergruppen des Stalinismus hin übertragen, sondern vielmehr als Movens des nach 1976 offen oppositionellen Engagements in eine Reflektion über die tatsächliche, eigene und fami­liäre Verantwortung für das politische System in Polen einbezogen. Dass diese Verantwortung benannt, aber gleichzeitig ein Stück weit beschwichtigt wurde, ist ein weiteres Charakteristikum des ausbleibenden Generationskonfliktes. So schrieb Adam Michnik zwar, dass er auf seine Haltung zur katholischen Kirche in Polen und auf die Übernahme der entsprechenden regimespezifischen Abwertungsmechanismen rückblickend »mit Scham«10 zurückdenke. Zu einem »Instrument« der »totalitären Macht«11 sei er gleichwohl eher unbewusst geworden. Ähnlich äußerte sich auch der um einige Jahre ältere Jacek Kuroń.12 8 Auch wenn einige Organisationen, z. B. der ZMS, etwa von Michnik von vornherein ab­ gelehnt wurden, vgl. Friszke, Anatomia, S. 359. 9 Vgl. hierzu Krejci, S. 80–107, hier S. 104. 10 Vgl. Michnik, Kościół, S. 29. 11 Vgl. ebd. S. 24. 12 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 35.

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Auf vergleichbare Weise rationalisiert wurden die Gründe für die anfäng­ liche Unterstützung des kommunistischen Systems in Polen. »Ein großer Teil der laikalen Intelligenz verband mit den Reformen der Nachkriegszeit Hoffnungen auf die Beseitigung der gesellschaftlichen und kulturellen Rückständigkeit, auf die Verwirklichung einer Vision von einem gerechten und modernen, einem toleranten und demokratischen Polen. Ein wichtiger Bestandteil dieser Vision war die Idee der Trennung der Kirche vom Staat«13, so noch einmal Adam Michnik. Damit einher ging eine Hinwendung zu marxistischen Denkfiguren, die allerdings, wie im Verlauf der Arbeit zu zeigen sein wird, recht flexibel ausgelegt und eher pragmatisch eingesetzt wurden. Dass die jüngste Generation um Michnik bekannte, sich früher einmal auf »die marxistischleninistische Doktrin«14 bezogen zu haben, kann kaum in schriftlichen Erzeugnissen der während der 1960er-Jahre noch Minderjährigen nachgewiesen werden. Es ist andernorts, von polnischen Emigranten in Paris, mit dem Fehlen alternativer Denk- und Sprachmuster in dieser ausschließlich während des »real existierenden Sozialismus« aufgewachsenen Generation erklärt worden.15 Den Marxismus weithin ernster nahmen jene der mittleren Generation zugehörigen Dissidenten, die, wie Karol Modzelewski und Jacek Kuroń, in jungen Jahren der PZPR beigetreten und – aufgrund ihrer entlang des Marxismus vorgenommener Kritik des de facto bestehenden Regimes – Mitte der 1960er-Jahre aus der Partei ausgeschlossen worden waren. Den um einige Jahre älteren Angehörigen dieser Generation, vor allem jenen, die bereits als etablierte und über Polen ­hinaus vernetzte Wissenschaftler tätig waren, konnte der Marxismus aber auch als intellektueller Anreiz dienen. So bekannte Bronisław Geremek, dass der Marxismus für ihn auch nach 1989 noch eine »Inspiration« sein könne, eine »mögliche Richtung des Denkens und des Verstehens, die sinnvoll sein kann, um gesellschaftliche Probleme zu erklären«.16 Zwischen dem »historischen Materialismus« als wissenschaftlicher T ­ heorie und als staatlicher Ideologie wurde demnach unterschieden. Dies konnte in Einzelfällen, wie der Historiker Patryk Pleskot gezeigt hat, dazu führen, dass Wissenschaftler, die nie Mitglied der kommunistischen Partei waren, erfolgreich marxistische Methoden anwandten, während umgekehrt Wissenschaftler, wie etwa Bronisław Geremek, die der Partei angehörten, aus einer Mischung von wissenschaftlichen und ideologischen Interessen zur Erforschung der Armen von Paris stießen und wieder andere, dem Marxismus ursprünglich zugeneigte Wissenschaftler, diesen auch in intellektueller Hinsicht rasch hinter sich zu lassen wussten.17 »Wenn wir Kommunisten werden und über 18 sind, mit unerschütterlichem Vertrauen in die eigene Weisheit und einer Handvoll 13 Vgl. Michnik, Kościół, S. 22. 14 Vgl. ebd., S. 129. 15 Vgl. Mieroszewski, Rozmowy z młodymi, hier zitiert nach Korek, S. 281. 16 Hier zitiert nach Pleskot, Intelektualni sąsiedzi, S. 578. 17 Vgl. ebd., S. 574 und S. 593.

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unreflektierter und überschätzter Erfahrungen aus der Hölle des Krieges«, so beschrieb Leszek Kołakowski 1956 seine Hinwendung zum Marxismus und Kommunismus, »dann denken wir kaum daran, dass wir den Kommunismus brauchen, um die Produktionsverhältnisse und das Niveau der Produktivkräfte aufeinander abzustimmen. Selten kommt uns in den Sinn, dass im Polen des Jahres 1945 das außergewöhnlich hohe technische Niveau unbedingt und unmittelbar die Vergesellschaftung der Produktionsmittel erfordert, da andernfalls die Krisen der Überproduktion wie eine Gewitterwolke über uns hängen. Kurz – wir sind keine guten Marxisten. Der Sozialismus ist für uns […] tatsächlich […] nur der Mythos von einer besseren Welt, die vage Nostalgie nach einem menschlichen Leben, die Negation von Verbrechen und Erniedrigung […], das Königreich der Gleichheit und Freiheit, die Botschaft von der großen Erneuerung […], von einem Ziel, das alles rechtfertigt […], einer gemeinsamen Welt ohne Schranken und Grenzen.«18 Die Annahmen darüber, wie und mit wessen Hilfe diese Welt zu erschaffen sei, differierten innerhalb des Milieus in generationsspezifischer Hinsicht. Um einen Einblick in die unterschiedlichen politischen und privaten Vorerfahrungen der Milieuangehörigen, aber auch in ihre Ausbildungs- und späteren Karriere­wege zu geben, sollen im Folgenden einzelne von ihnen hervorgehoben werden. Exemplarisch ausgewählt wurden vor allem diejenigen Personen, die im Rahmen der Arbeit wiederholt eine Rolle spielen werden. Für die älteste Generation der hier behandelten Dissidenz, für die etwa die Juristin Aniela Steinsbergowa oder der Ökonom Edward Lipiński stellvertretend genannt werden können, begann ihr politisches Engagement in der sozialis­tischen Bewegung in Polen. Aniela Steinsbergowa, am 27. Juni 1896 in Wien geboren, engagierte sich während des Zweiten Weltkriegs in der Untergrundorganisation der Polnischen Sozialdemokratischen Partei (Polska Partia Socjalistyczna Wolność-Równość-Niepodleglość, PPS WRN) und versuchte unter anderem, jüdischen Verfolgten zu helfen. Sie hatte zwischen 1915 und 1920 an der Warschauer Universität studiert und war zwischen 1930 und 1939 sowie zwischen 1954 und 1968 als Anwältin tätig. Auch nach dem Krieg war sie zunächst Mitglied der PPS geblieben, zwischen 1948 und 1955 gehörte sie der PZPR an. Von 1949 bis 1954 arbeitete sie in der Rechtsabteilung des Präsi­diums des Ministerrates. Sie war Mitglied im Klub Krzywego Koła und 1976 Mitbegründerin des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter. Bekannt wurde sie vor allem als Verteidigerin von Oppositionellen in politischen Prozessen der Volksrepublik Polen. 1959 verteidigte sie Hanna Rewska wegen der Verbreitung der Zeitschrift Kultura. 1962 verteidigte sie Hanna Rudzińska und 1965, zusammen mit Jan Olszewski, die beiden Dissidenten Jacek Kuroń und Karol Modzelewski. 1968 wurde sie zwangsweise verrentet. Die Initiative zum Protest gegen die Verfassungsänderung in Polen während der Jahre 1975 bis 1976 ist trotzdem, wie ein Biograf berichtet, in ihrer Wohnung ergriffen worden. Im Frühjahr 1977 18 Vgl. Kołakowski, Śmierć bogów, S. 102–110, Zitat auf S. 102.

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richtete sie – zusammen mit Ludwik Cohn und Antoni Pajdak – einen Brief an den Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale, Willy Brandt, zugunsten inhaftierter Mitglieder des KOR.19 Auch die Juristen Cohn, geboren am 23. Juni 1902 in Warschau, und Pajdak, geboren am 7.  Dezember 1894 in Bis­kupice, waren in der sozialistischen Bewegung der Vorkriegszeit organisiert. Antoni Pajdak wurde 1928 zum Bürgermeister in Radomsk und im Mai 1939 zum Vize­ präsidenten Krakaus gewählt.20 Ludwik Cohn war zwischen 1927 und 1929 für das polnische Arbeitsministerium und nach dem Krieg als Anwalt tätig.21 Er war Mitglied des Klub Krzywego Koła. Beide gehörten ursprünglich der PPS und nach 1976 dem KOR an. Gleiches gilt für Edward Lipiński, der, am 18. Oktober 1888 in Nowe Miasto geboren, von 1907 bis 1918 dem linken Flügel der PPS (PPS-Lewica), von 1946 bis 1948 der PPS und von 1948 bis 1976 der PZPR angehörte. Er hatte zwischen 1909 und 1913 zunächst an der Handelshochschule in Leipzig und anschließend an der Universität Zürich studiert. Seit 1918 war er in der öffentlichen Verwaltung in Warschau angestellt, von 1923 bis 1929 war er als Dozent und von 1929 bis 1939 sowie ab 1945 als Professor an der Hochschule für Planung und Statistik (Szkoła Główna Planowania i Statystiki) in Warschau tätig. Von 1950 bis 1958 war er Professor der Warschauer Universität, 1953 Dekan der Fakultät für Ökonomie und seit 1951 Mitglied der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Neben der Übernahme verschiedener Leitungsfunktionen – unter anderem als Direktor des Instituts zur Erforschung wirtschaftlicher Konjunkturen und Preise (Instytut Badania Koniunktur Gospodarczych i Cen) und als Direktor des Instituts für Nationalökonomie beim Ministerrat (Instytut Gospodarki Naro­ dowej przy Prezydium Rady Ministrów) – war er zwischen 1946 und 1948 auch Präsident der Polnischen Nationalbank (Bank Gospodarstwa Krajowego) und von 1957 bis 1962 sowie 1970 Vizevorsitzender des Ökonomischen Rates beim Ministerrat (Rada Ekonomiczna przy Radzie Ministrów). Lipiński war Mitglied des Klub Krzywego Koła und Gründungsmitglied des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter.22 Anders als die älteste Generation, gehörte die mittlere, zwischen den beiden Weltkriegen geborene, nicht mehr dem linken Flügel der PPS oder der daraus hervorgegangenen KPP, sondern von vornherein der PPR und anschließend der PZPR an. Ein Großteil der hier behandelten Dissidenten ist dieser Generation zuzurechnen. Zu ihr gehörte der am 20. August 1930 in Warschau geborene Jurist Jan Olszewski, der mit Steinsbergowa zu den wichtigsten Verteidigern der demokratischen Opposition zählte.23 Zu ihr gehörten der am 6. März 1932 in Warschau geborene Historiker Bronisław Geremek und der am 25.  Mai 1926 19 Vgl. Sowiński, Art. Aniela Steinsbergowa, S. 328–329 sowie AO III/214. 20 Vgl. ders., Art. Antoni Pajdak, S. 289–290 sowie AO III/206. 21 Vgl. ders., Art. Ludwik Cohn, S. 62–63 sowie AO III/344. 22 Vgl. ders., Art. Edward Lipiński, S. 207–209 sowie AO III/16. 23 Vgl. Kopka, Art. Jan Olszewski, S. 274–276.

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ebenfalls in Warschau geborene Literaturkritiker Jan Józef Lipski. Beide stießen erst während der 1970er-Jahre zu dem hier behandelten Milieu. Geremek, der von 1950 bis 1968 Mitglied der PZPR war, über sein Engagement für die Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse.24 Lipski, der nie Mitglied der Partei war, über sein Engagement für den Klub Krzywego Koła, vor allem aber für das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter. Lange Zeit eher liberal als links orientiert, gehörte Lipski zu den wichtigsten Bindegliedern zwischen der liberalen, vor allem um den Polnischen Schriftstellerverband gruppierten Dissidenz und ihrem hier behandelten linken Spektrum.25 Fünf weitere Personen, Włodzimierz Brus und Leszek Kołakowski sowie die um einige Jahre jüngeren Dissidenten Krzysztof Pomian, Jacek Kuroń und Karol Modzelewski, sollen im Folgenden kurz hervorgehoben werden. Włodzimierz Brus wurde am 23. August 1921 in Płock geboren. Er studierte zwischen 1939 und 1941 Ökonomie in Warschau und Lwów und war zwischen 1941 und 1944 Student und Doktorand an der Universität Leningrad. Den Krieg verbrachte er in der Sowjetunion, seit 1944 bis 1949 war er politischer Offizier der Polnischen Armee. Der PPR gehörte er zwischen 1945 und 1948, der PZPR zwischen 1948 und 1968 an. Zwischen 1947 und 1950 arbeitete er als Redakteur für das Parteiorgan Nowe Drogi. Von 1949 bis 1954 war er Dozent und von 1950 bis 1956 Direktor der Fakultät für Ökonomie an der Hochschule für Planung und Statistik in Warschau. Ferner war er als Dozent am Institut zur Ausbildung von Lehrkräften beim ZK der PZPR (Instytut Kształcenia Kadr N ­ aukowych przy KC PZPR) sowie zwischen 1954 bis 1968 als Dozent am Institut für Ökonomie der Warschauer Universität tätig. Zwischen 1956 und 1962 war er Vizevorsitzender des Ökonomischen Rates beim Ministerrat, 1952 wurde er zum Professor ernannt. Sein Aufstieg zum ordentlichen Professor wurde jedoch aufgrund seines 1961 veröffentlichten Buches über die Probleme der sozialistischen Wirtschaft, in dem er sich für ein dezentralisiertes Modell der Planwirtschaft unter Berücksichtigung von Marktmechanismen aussprach, behindert. 1968 verließ er die PZPR aus Protest gegen Vorhaben, die er als »mit dem Marxismus und den Interessen des Sozialismus« für nicht vereinbar hielt. Im gleichen Jahr wurde er zusammen mit anderen Professoren entlassen. Obwohl er lange Zeit eine Emigration ablehnte, entschloss er sich, wie sein Biograf berichtet, im Herbst 1972 wegen »gesundheitlich-familiärer Gründe« zur Ausreise.26 Leszek Kołakowski wurde am 23. Oktober 1927 in Radom geboren. Er studierte zwischen 1945 und 1950 Philosophie an der Universität Łódź. Auch er gehörte zwischen 1946 und 1948 der PPR und zwischen 1948 und 1966 der PZPR an und redigierte für die Partei zwischen 1949 und 1950 die Zeitschrift Nowe Drogi. Wie Brus war er von 1951 bis 1954 als Dozent am Institut zur Ausbildung von Lehrkräften beim ZK der PZPR und von 1950 bis 1968 an der Warschauer 24 Vgl. Kunicki-Goldfinger, Art. Bronisław Geremek, S. 95–98 sowie AO III/8. 25 Vgl. Friszke, Art. Jan Józef Lipski, S. 200–205 sowie AO III/13. 26 Vgl. Halbersztadt, Art. Włodzimierz Brus, S. 59–61 sowie AO III/400.

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Universität beschäftigt. 1964 wurde er dort sowie am Institut für Soziologie und Philosophie der Polnischen Akademie der Wissenschaften auf eine Professur berufen. Er besuchte Veranstaltungen des Klub Krzywego Koła und engagierte sich für die protestierenden Studenten an der Warschauer Universität. Nachdem er 1966 aus der Partei ausgeschlossen, später von der Universität entlassen und 1968 zur Emigration gezwungen worden war, wurde er im Oktober 1977 auswärtiges Mitglied des KOR. Er half dem Komitee, indem er Proteste und Geldsammlungen westeuropäischer Intellektueller koordinierte.27 Auch Krzysztof Pomian, am 25.  Januar 1934 in Warschau geboren, studierte zwischen 1952 und 1957 Philosophie an der Universität Warschau und war dort bis 1968 als Assistent beschäftigt. Der PZPR gehörte er zwischen 1952 und 1966 an. Sein Vater, Stefan Purman, war in der KPP engagiert, wurde 1937 wegen seiner Kritik an den Moskauer Prozessen aus der Partei ausgeschlossen, vom NKWD verhaftet und in ein Lager verbracht. Sohn und Mutter wurden nach Kasachstan deportiert und kehrten erst 1946 nach Polen zurück. Dennoch trat Pomian, wie sein Biograf schreibt, als »gläubiger Kommunist« in sein Er­ wachsenenleben ein. Er besuchte Veranstaltungen des Klub Krzywego Koła. Von 1958 bis 1960 war er Mitglied in der Redaktion der Zeitschrift Nowa Kultura, 1956 Mitglied im Präsidium des Vorstands des Polnischen Jugendverbandes (Związek Młodzieży Polskiej, ZMP) und – nach dessen Auflösung – des Sozialistischen Jugendverbandes (Związek Młodzieży Socjalistycznej, ZMS). Zusammen mit Leszek Kołakowski und der am 12. Dezember 1928 in Warschau geborenen Juristin Janina Zakrzewska gehörte er zu den Teilnehmern eines seit 1965 stattfindenden regimekritischen Seminars, das vor allem revisionistische Ideen entwickelte.28 Ein ähnliches, 1968 von Włodzimierz Brus reaktiviertes Seminar besuchte er unter anderem zusammen mit Bronisław Geremek. 1966 wegen der Organisation einer regimekritischen Veranstaltung an der Warschauer Universität aus der Partei ausgeschlossen und zwei Jahre später aus seiner bisherigen wissenschaftlichen Tätigkeit entlassen, emigrierte er 1973 nach Frankreich. Er gehörte fortan zu einem wichtigen Bindeglied zwischen den in der Emigration begründeten Zeitschriften Aneks und Kultura.29 Jacek Kuroń, am 3. März 1934 in Lwów geboren, entstammte ebenfalls einer politisch engagierten Familie. Sein Großvater gehörte zur Kampforganisation der PPS (Organizacja Bojowa Polskiej Parti Socjalistycznej), sein Vater zur PPS und zu ihrem Jugendverband in Lwów (Związek Niezależnej Młodzieży Socjalistycznej). Kuroń beendete 1957 ein Studium der Geschichtswissenschaften an der Universität Warschau. Der PZPR gehörte er zwischen 1952 und 1953 und zwischen 1956 und 1964 an, was bedeutet, dass er gleich zweifach wegen kritischer Äußerungen ausgeschlossen wurde. Von 1949 bis 1953 war er Mitglied des Polnischen Jugendverbandes und von 1952 bis 1953 dort angestellt. Ferner ge27 Vgl. Romek, Art. Leszek Kołakowski, S. 168–171 sowie AO III/49. 28 Vgl. Szacka, Art. Janina Zakrzewska, S. 367–369 sowie AO III/327. 29 Vgl. Wolicki, Art. Krzysztof Pomian, S. 259 f. sowie AO III/446.

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hörte er zu den Mitbegründern des Sozialistischen Jugendverbandes an der Universität Warschau. Von 1957 bis 1964 arbeitete er für den Polnischen Pfadfinderverband, dessen Programmabteilung er von 1960 bis 1961 leitete. Er gehörte auch zu den Mitbegründern der sogenannten Roten Pfadfinder (bekannter unter dem Namen Drużyny Walterowskie), innerhalb derer eine Reihe der jüngsten hier behandelten Dissidenten persönlich und politisch geprägt wurde. Nach mehreren  – zunächst durch den »Offenen Brief« an die Partei ausgelösten  – ­Gefängnisaufenthalten gehörte er 1976 zu den Gründungsmitgliedern des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter, seit 1978 zur Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse und zur Redaktion der links orientierten Zeitschrift Krytyka.30 Am äußersten Rand dieser in der Zwischenkriegszeit geborenen Generation ist Karol Modzelewski anzusiedeln, der am 23. November 1937 in Moskau geborene, durch Adoption angenommene Sohn des späteren Außenministers ­Zygmunt Modzelewski. Er schloss 1959 ein Studium der Geschichtswissenschaften an der Warschauer Universität ab, an der er bis 1964 als Assistent ­beschäftigt war. Er war Mitglied des Polnischen Jugendverbandes. Dem Sozialistischen Jugendverband und der PZPR gehörte er zwischen 1957 und 1964 an. 1962 begründete er einen politischen Diskussionsklub an der Warschauer Universität, der 1963 aufgelöst wurde. Nach seiner Entlassung aus der Partei und der Universität und seinem mehrjährigen Gefängnisaufenthalt widmete er sich vor allem seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, die er erst 1972 als Mitarbeiter der Polnischen Akademie der Wissenschaften fortsetzen durfte. Als Verfasser des »Offenen Briefs« galt er, zusammen mit Kuroń, den jüngsten Dissidenten als zentrales Vorbild eines engagierten, regimekritischen linken Intellektuellen und als integrativer Faktor ihrer zunehmenden Politisierung.31 Diese begann auch innerhalb der jüngsten Generation in ihren Ursprungs­ familien. Die Eltern dieser vollständig während des Staatssozialismus sozialisierten, später vor allem im Umfeld der Gruppe der Komandosy politisierten Kinder gehörten in der Zwischenkriegszeit meist der KPP an. Den Krieg hatten sie in der Sowjetunion verbracht. Nach dessen Ende besetzten sie fast durchweg leitende Stellen im polnischen Staats- und Universitätswesen, was, wie noch zu zeigen sein wird, neben ihrer jüdischen und bildungsbürgerlichen Herkunft von zentraler Bedeutung für das regimekritische Engagement ihrer Kinder werden würde. Eine Reihe von ihnen und ihren Familien musste sich nach den antisemitischen Kampagnen der Jahre 1967/68 für oder gegen den weiteren Verbleib in Polen entscheiden. Manche, wie der am 2. Mai 1946 in Breslau geborene Ökonomiestudent Seweryn Blumsztajn, entschieden sich erst 1981 zur Ausreise, obwohl seine Familie bereits 1969 nach Schweden emigriert war.32 Gleiches gilt für die am 26. September 1946 in Warschau geborene und wie Blumsztajn 1980

30 Vgl. Friszke u. Żelichowski, Art. Jacek Kuroń, S. 201–206 sowie AO III/12. 31 Vgl. Friszke, Art. Karol Modzelewski, S. 246–249 sowie AO III/61. 32 Vgl. Modzelewski, Art. Seweryn Blumsztajn, S. 41–43 sowie AO III/180.

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nach Frankreich emigrierte Soziologiestudentin Barbara Toruńczyk.33 Andere, wie der am 10. Dezember 1940 in Białystok geborene Aleksander Smolar und sein am 31. Dezember 1945 in Minsk geborener Bruder, Eugeniusz Smolar, entschlossen sich zwischen 1970 und 1971 zur Ausreise. Als Mitarbeiter der polnischen Sektion der BBC und Herausgeber der Emigrationsschrift Aneks sollten beide fortan eine zentrale Rolle für die Vernetzung der polnischen Opposition mit dem westeuropäischen Ausland spielen.34 Wieder andere, wie Adam Michnik, verweigerten sich der Emigration durchgehend, auch wenn sie ihnen als Gegenoption zu einem weiteren Gefängnisaufenthalt von der polnischen Regierung offen angeboten wurde. Da die Mitglieder der Gruppe der Komandosy noch eingehender behandelt werden, soll abschließend nur noch sein Lebenslauf kurz umrissen werden. Michnik wurde am 27. Oktober 1946 in Warschau geboren. Er entstammte einer kommunistischen Familie. Sein Vater, Ozjasz Szechter, war Mitglied der im Polen der Zwischenkriegszeit verbotenen Kommunistischen Partei der Westlichen Ukraine (Komunistyczna Partia Zachodniej Ukrainy, KPZU). Er war während der Regierung Piłsudski mehrfach festgehalten, gefoltert und für mehrere Jahre inhaftiert worden. Nach dem Krieg war er als Lektor im Warschauer Parteiverlag Książka i Wiedza unter anderem mit der Übersetzung des »­Kapitals« von Karl Marx beschäftigt. Seine Mutter, Helena Michnik, war Historikerin und Verfasserin von Lehrbüchern, die zum Curriculum der Schulbildung ­gehörten. Nachdem sie den Krieg in Usbekistan zugebracht hatten, kehrte die Familie im Herbst 1945 nach Polen zurück. Im Alter von elf Jahren trat ihr Sohn der von Kuroń geführten Gruppe der Roten Pfadfinder bei. Im Alter von 16 Jahren begründete er zusammen mit zwei Schulfreunden den Klub Poszukiwaczy Sprzeczności, der zwar 1963 aufgelöst wurde, aus dem aber die Bewegung der sogenannten Komandosy hervorging.35 Noch als Schüler gelang es ihm, an Vortragsveranstaltungen des Klub Krzywego Koła teilzunehmen. Zwischen 1964 und 1968 widmete sich Michnik einem Studium der Geschichtswissenschaft an der Universität Warschau, das er, nachdem er im Zuge der studentischen Un­ruhen des Jahres 1968 der Universität verwiesen worden war, erst 1975 an der Universität Posen abschließen durfte. In der Zwischenzeit arbeitete er als Schweißer in der Rosa-Luxemburg-Fabrik in Warschau. Ab 1977 im Komitee zur Verteidigung der Arbeiter, ab 1978 in der Gesellschaft für Wissenschaft­ liche Kurse engagiert, gehörte er auch zu den Redakteuren der im Untergrund erscheinenden Zeitschriften Zapis und Krytyka.36 Neben Jacek Kuroń gilt vor allem Adam Michnik als zentrale Figur der demo­k ratischen Opposition in Polen. Beide Dissidenten werden, neben den 33 Vgl. Machcewicz, Art. Barbara Toruńczyk, S. 350–352 sowie AO III/169. 34 Vgl. Bała, Art. Aleksander Smolar und Friszke, Art. Eugeniusz Smolar, S. 245–247 beziehungsweise S. 248–250 sowie AO III/1983. 35 Vgl. Leończuk, Art. Jan Kofman, S. 166 f. sowie AO III/176. 36 Vgl. Skórzyński, Art. Adam Michnik, S. 234–237 sowie AO III/17.

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bereits erwähnten und noch zu erwähnenden Personen, auch in dieser Arbeit eine zentrale Rolle spielen. Stilistisch und charakterlich unterschieden sich die beiden jedoch beträchtlich. Während Kuroń, wie ein Zeitzeuge berichtet, aufgrund seines »eher alternativ anmutenden Lebensstils, seiner ungepflegten Kleidung, seiner heiseren Stimme, seinem Mangel an Distanz gegenüber dem Gesprächspartner«37 von den bildungsbürgerlichen Schichten der Dissidenz eher mit Distanz betrachtet wurde, konnte er vor allem der jungen, aufbegehrenden Jugend schon bald als Gallions- und denjenigen Arbeitern, die mit der Dissidenz sympathisierten, als Integrationsfigur dienen. Er war der Netzwerker innerhalb des Milieus, der Kontakte zu westeuropäischen Journalisten herstellte, vor allem nach 1976 Informationen über laufende Repressionen des Regimes an das Ausland übermittelte und maßgeblich über die strategische Ausrichtung der demokratischen Opposition bestimmte. Hinsichtlich seiner sozialen Beziehungen deutlich wählerischer war Adam Michnik. Auch er war, wie die von ihm erhaltenen Adressbücher zeigen38, ein begabter Netzwerker, dem es rasch gelang, sich auch intellektuell zu profilieren und dementsprechend vor allem in intellektuellen, über das hier behandelte linke Milieu hinausgehenden Kreisen in und außerhalb Polens zu etablieren. Als »Salonlöwe« bezeichnete ihn Andrzej Friszke.39 Sie solle jetzt, da Michnik sie zu Hause besucht und ihr die Hand gegeben habe, diese doch einfach eine Zeitlang nicht waschen, witzelte der Vater einer Warschauer Mitschülerin.40 Glaubt man diesen und ähn­ lichen Überlieferungen, dann war Michnik ein inspirierender, aber auch polarisierender junger Mann, den man entweder bewunderte oder aber entschieden ablehnte. Aufgrund seiner couragierten Haltung verdiente er sich rasch den Status einer Führungsfigur der linken Dissidenz, aber auch die Aufmerksamkeit des kommunistischen Regimes, das bereits in seinen Jugendjahren einen gefährlichen Systemfeind in ihm erblickte. 1.1.2 Lieben im Sozialismus. Geschlechter und dissidente Arbeitsteilungen Bei dem hier behandelten Milieu hat es sich nicht um ein ausschließlich aus Männern bestehendes, aber durchaus um ein von Männern dominiertes Spek­ trum der Dissidenz gehandelt. Das zeigen, soweit vorhanden, die Mitgliedszahlen der einbezogenen Vereinigungen. Legt man beispielsweise die vor kurzem veröffentlichte Mitgliedsliste des Klub Krzywego Koła und seiner Referenten zugrunde, dann hat man es mit 106 Frauen und 261 Männern, das heißt mit einem

37 Vgl. Friszke, Opozycja, S. 420. 38 Vgl. AO III/17.K.8. 39 Vgl. Friszke, Opozycja, S. 421. 40 Vgl. Wiszniewicz, Ewa, S. 57.

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ungefähren Verhältnis von etwas über einem zu zwei Dritteln zu tun.41 Das zeigen aber auch die dissidenten Arbeitsteilungen, innerhalb derer traditionelle Rollenmuster gegenüber gleichberechtigten Aufgabenteilungen deutlich überwogen. Vereinfacht ausgedrückt, war der Anteil der Frauen in jenen Arbeitszusammenhängen besonders hoch, in denen es sich um kommunikatives und soziales Engagement der Dissidenz handelte, also insbesondere im Bereich des Übermittelns bestimmter Inhalte und Dokumente sowie des Bereitstellens oder Abrufens aktiver Hilfe. Deutlich niedriger hingegen war er innerhalb jener Bereiche, die taktisches, politisches oder öffentliches Agieren umfassten. Inwiefern diese Art der geschlechtsspezifischen Rollenzuteilung mit den letztlich unerfüllten Versprechen eines auf volle Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau setzenden Regimes wie des Staatssozialismus korrespondierte, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht thematisiert werden.42 Nur ansatzweise sollen deshalb drei, ausschließlich auf die Hauptfragestellung der Arbeit bezogene, besonders auffällige Probleme der Geschlechterverteilung innerhalb des hier behandelten Milieus angerissen werden. Die erste Auffälligkeit betrifft das Heiratsverhalten der Dissidenten. Neben anderen wurden auch Liebesbeziehungen vor allem innerhalb des eigenen Milieus geschlossen. Diese konnten, wie etwa zwischen Tamara und Leszek Kołakowski oder zwischen Grażyna und Jacek Kuroń, als bürgerliche, also standesamtlich getraute Ehen geführt werden. Sie konnten aber auch, wie etwa zwischen Helena Michnik und Ozjasz Szechter, bereits in den 1950er-Jahren die Form von Patchworkfamilien annehmen, innerhalb derer, in dem hier genannten Fall, eine alleinstehende Mutter und ein verwitweter Vater mit jeweils einem Kind aus einer früheren Beziehung eine neue Familie gründeten, die allerdings nicht in einer Ehe resultierte, weswegen der in dieser Familie ge­ borene dritte Sohn Adam den Namen der Mutter fortführte. Ob, wie Michniks Biograf angibt, der Grund hierfür tatsächlich im durch Krieg bedingten Verlust der für eine Eheschließung notwendigen Dokumente oder aber in der bewussten Vermeidung eines jüdischen Familiennamens für den neugeborenen Sohn liegt, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden.43 Unabhängig von dieser und von der Frage nach dem Rechtsstatus der geschlossenen Beziehungen überwogen in jedem Fall, was Bildungs- und sozialökonomischen Stand anbelangte, auf Augenhöhe geschlossene Bindungen gegenüber solchen, die zwischen unterschiedlich ausgebildeten Frauen und Männern »nach oben« beziehungsweise »nach unten« hin geschlossen wurden. Bei der überwiegenden Zahl der hier behandelten Milieuangehörigen handelte es sich um verheiratete oder, etwas sel41 Vgl. meine Berechnung basierend auf Ceranka, Lista, S. 102–134. Folgt man den Angaben des Staatssicherheitsdienstes, dann hat man es im Falle des Klub Poszukiwaczy Sprzeczności mit 46 Frauen und 63 Männern zu tun, vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Wykaz członków, S.  107–137, hier S.  125–130. Für den Polityczny Klub Dyskusyjny fehlen entsprechende Angaben. 42 Vgl. hierzu etwa die Überlegungen von Kraft, Geschlecht, S. 1–21. 43 Vgl. Bouyeure, Michnik, S. 45.

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tener, in fester Partnerschaft lebende Paare, bei denen beide, Frau wie Mann, eine höhere, teilweise mit Promotion abgeschlossene Schul- und Hochschulbildung genossen hatten. Das trifft in besonderem Maße für jene mittlere und jüngste Generation zu, die nach dem Krieg sozialisiert und professionalisiert wurde und die von der massiven Ausdehnung des Bildungswesens pro­f itierte. Das trifft aber auch für jene, oft einem jüdischen, bildungsbürgerlichen Haushalt entstammenden Dissidenten zu, die bereits in der Vorkriegszeit ein Studium absolvierten. So hatte der Vater von Adam Michnik Chemie studiert und seine Mutter gleich zwei Studiengänge, Geschichte und klassische Philologie, an der Krakauer Universität abgeschlossen.44 Auch er selbst war mit Barbara Toruńczyk eine Beziehung zu einer ebenbürtig ausgebildeten Schul- und späteren Studienkollegin eingegangen.45 Aus der Art der auf diese Weise geschlossenen Beziehungen folgte in den meisten Fällen die zweite Auffälligkeit in Form einer für die Dissidenten besonders wichtigen paarspezifischen Übereinstimmung zwischen ihren politischen wie privaten Einstellungen. Vor allem Jacek Kuroń berichtete immer wieder von der herausragenden Rolle seiner Frau für seine dissidente Entwicklung. Sie habe ihn stets, von eigenen Bedürfnissen und den Bedürfnissen ihrer gemeinsamen Familie absehend, zu einer kritischen und mutigen Haltung gegenüber dem Regime ermuntert. Dies zeigen auch die zahlreichen Briefe, die Jacek und Grażyna Kuroń während seiner Inhaftierungen ausgetauscht haben.46 In der Natur dieser Rollenverteilung lag aber auch, dass seine Frau eher die Funktion einer kritischen Ratgeberin übernahm, als selbst aktiv tätig zu werden. Viele der hier behandelten Paare, die zudem meist ähnlichen Alters waren, hatten die Entwicklung von überzeugten Kommunisten zu demokratisch ausgerichteten Sozialisten gemeinsam erfahren. In den meisten Fällen fiel der Abschluss dieser Entwicklung aber auch mit dem Zeitpunkt des Studienendes, der ersten Berufsanfänge und der Eheschließungen zusammen. Insbesondere nach der Geburt eines Kindes waren es die Frauen, die, trotz der im Staatssozialismus üblichen vollen Berufstätigkeit der Mutter, die Betreuung der Kinder und die Versorgung des Haushaltes übernahmen. Unter Berücksichtigung der oft katastrophalen Versorgungslage und des vor allem für die späten 1970er- und 1980er-Jahre charakteristischen »Schlangestehens«47 für Grundnahrungsmittel und andere Waren, hatten vor allem die Frauen eine zeit- und kraftraubende Doppelbelastung zu ertragen.48 Hinzu kam, dass sie während der Phasen, in denen ihre Lebenspartner inhaftiert waren, aber auch in jenen, während derer sie aufgrund 44 Vgl. ebd., S. 44. 45 Vgl. ebd., S. 65. 46 Die meisten der Briefe aus den Jahren 1965–1969, 1970–1981 und 1981–82 sind im Oppositionsarchiv Zentrum Karta einzusehen, vgl. AO III/12 K. 21, AO III/12 K. 22 und AO III/12 K. 23. Eine geringe Auswahl der Korrespondenz wurde veröffentlicht, vgl. Kapa-Cichocka u. Puchalska, S. 125–151. 47 Vgl. Mazurek. 48 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 323 und S. 335.

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ihres regimekritischen Verhaltens keine Anstellung fanden, oftmals die Rolle der Alleinverdiener und -versorger ihrer Familien und, wie im Falle Grażyna Kurońs, der in der gleichen Wohnung lebenden Schwiegereltern übernahmen. Umgekehrt waren es gerade diese Phasen, in denen Frauen führende Rollen innerhalb des oppositionellen Engagements ihrer Männer zufielen. Schon vor dem ersten Gefängnisaufenthalt war es Grażyna, die die programma­tischen Texte ihres Mannes auf der Schreibmaschine abtippte, redigierte, das ein oder andere auch korrigierte.49 Die gemeinsame Wohnung diente als zentraler Kommunikationsort, als Treffpunkt und damit oft auch als Hotel für Hilfe suchende Oppositionelle. Sie diente als Veranstaltungsort für Vorlesungen der Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse und als Übermittlungsstation für Nachrichten an das westeuropäische Ausland, die seit Mitte der 1970er-Jahre telefonisch an die beiden in der Londoner beziehungsweise Pariser Emigration lebenden Brüder Aleksander und Eugeniusz Smolar zur Übermittlung an westeuropäische Medien übergeben wurden.50 Der Mitbegründer und Chronist des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter, Jan Józef Lipski, würdigte Grażyna daher als »eine der herausragendsten und heroischsten Persönlichkeiten«51 des Komitees. Er bekannte allerdings auch, dass »wie immer in solchen Fällen, die Rolle der Ehefrauen der KOR-Mitglieder sich nicht ausreichend und detailgenau rekonstruieren [ließe]«52, was zur dritten Auffälligkeit innerhalb der geschlechts­ spezifischen Rollenzuteilungen überleitet. Frauen und ihre Leistungen für die zunächst dissidente, später oppositionelle Bewegung wurden zwar durchaus anerkannt. Eine an tatsächlichen, zurechenbaren Taten vorgenommene Würdigung ihrer Rolle wurde jedoch nicht vorgenommen. Auch wenn sie, wie beispielsweise Irena Lasota und Irena Grudzińska, in der, wie sich später herausstellte, fälschlichen Annahme, sie würden aufgrund ihres Geschlechts keinen strafrechtlichen Maßnahmen unterzogen werden, mit der Eröffnung der Märzproteste des Jahres 1968 betraut wurden, hat man sie eher als helfende und stützende, nicht aber als allein und selbstständig agierende Persönlichkeiten wahrgenommen.53 Ihre Rolle wurde derjenigen der Männer zu- und untergeordnet und fast immer im Zusammenhang mit häus­lichen, vermeintlich weiblichen Aufgaben und Attributen gewürdigt. Die Frauen waren eher diejenigen, die Tee kochten und Texte abschrieben, als diejenigen, die sie entwarfen und unter eigenem Namen vertrieben. »Gaja – so sprach Jacek und so sprachen wir alle über sie – besuchte man zu jeder Tagesund Nachtzeit, auf einen Tee, auf ein Abendessen, auf ein Gespräch. […] Man kam, um mit Gaja zusammen zu sitzen, wenn man hungrig war und wenn es einem schlecht ging. […] Mit Gaja erholte man sich von der Politik, zu ihr kam 49 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 245. 50 Vgl. Friszke, Opozycja, S. 397. 51 Vgl. Lipski, Etos, S. 30–46, hier S. 31. 52 Vgl. ebd., S. 31. 53 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 313.

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man, um über Freunde, über Kinder, über persönliche Probleme zu sprechen«54, so beschrieb es Seweryn Blumsztajn. Fester Bestandteil dieser Rollenverteilung war, neben den im Gefängnis zu leistenden Besuchen, den mit Lebensmitteln und mit Kleidung bestückten Paketen und den oft massiven finanziellen Sorgen, auch die Übertragung der Erziehungsarbeit auf die zu Hause verbliebenen Lebenspartnerinnen. »Mak – sei tapfer – wein nicht und hör auf Deine Mutter – bald komme ich nach Hause […]«55, schrieb Jacek Kuroń an seinen damals fünfjährigen Sohn Maciej aus dem Gefängnis und verband dies mit der Bitte, seine Frau möge ihm doch irgendwie erklären, warum er eben nicht nach Hause kommen könne.56 Auf das brieflich vorgebrachte Drängen des Sohnes, er solle ihm doch in diesem Sommer das Schwimmen beibringen, folgte ein knappes »Mak, um schwimmen zu lernen, muss man die Augen unter Wasser öffnen […]«57 des Vaters. Grażyna wiederum fügte sich wie viele andere Ehefrauen, aber auch Kinder, Großväter und Großmütter, in die emotional wie materiell schwierige Situation der Familie. »Jacek, es ist schwer ohne Dich, sehr schwer, aber gut«58, versicherte sie in einem Brief an ihren Mann während seiner ersten, dreijährigen Inhaftierung. »[…] Ich kann warten und ich bevorzuge das Warten gegenüber jeder anderen Art des Lebens.«59 Positions­wechsel, wie jener von Karol Modzelewski, der sich nach Verbüßung seiner dreieinhalbjährigen Haft für den »Offenen Brief« Ende der 1960er-Jahre auch aus Rücksicht auf seine Familie aus der aktiven Oppositionsarbeit zurückzog, dürften im hier beschriebenen Milieu zu einer Seltenheit gehört haben. Stattdessen überwog die Überzeugung, für die eigenen politischen Ansichten auch Repressionen wie Festnahmen, Verhöre und Inhaftierungen auf sich zu nehmen vor allem innerhalb desjenigen Personenkreises, dessen Eltern oder Großeltern bereits Erfahrungen mit dem staatlichen Repressionsapparat gesammelt hatten. Diese Haltung wurde in den meisten Fällen in Übereinstimmung mit den jeweiligen Lebenspartnern gelebt, auf diese Weise aber auch in traditionellen Rollenmustern verfestigt. Auch wenn einzelne Frauen, allen voran die hier zitierte Grażyna Kuroń oder die früher genannte Aniela Steinsbergowa, wichtige integrative Funktionen innerhalb des Milieus einnahmen, andere, wie Hanna Rewska oder Hanna Rudzińska, zu den führenden Vermittlerinnen westlicher Literatur nach Polen gehörten, wieder andere, wie Barbara Toruńczyk, in den späten 1970er-Jahren Redaktionsmitglied zahlreicher regimekritischer Zeitschriften wurden und wieder andere wichtige Rollen im Komitee zur Verteidigung der Arbeiter, der Solidarność und der in den 1980er-Jahren entstehenden 54 Vgl. Blumsztajn, Gajka, S. 233–235, hier S. 233–234. 55 Vgl. Brief von Jacek Kuroń an Grażyna Kuroń vom 28. März 1965, AO III/12 K. 21. 56 Vgl. Brief von Jacek Kuroń an Grażyna Kuroń vom 6. Juni 1965, AO III/12 K. 21. 57 Vgl. Brief von Jacek Kuroń an Grażyna Kuroń vom 20. Juni 1965, AO III/12 K. 21. 58 Vgl. Brief von Grażyna Kuroń an Jacek Kuroń vom 7.  Juni 1965, hier zitiert nach Kapa-­ Cichocka u. Puchalska, S. 125. 59 Vgl. Brief von Grażyna Kuroń an Jacek Kuroń vom 10. April 1965, hier zitiert nach Kapa-­ Cichocka u. Puchalska, S. 124.

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Medien, allen voran der Gazeta Wyborcza einnahmen  – keine der Frauen erlangte eine so wichtige und breit rezipierte strategisch-politische Funktion wie etwa Adam Michnik oder Jacek Kuroń.60 Hinzu kommt, dass im Rahmen der hier untersuchten linken Dissidenz keine feministische Strömung ausgebildet und keine geschlechtsspezifischen, auf einen Wandel der Geschlechterbeziehungen abzielenden Postulate programmatisch ausformuliert wurden. Damit korrespondierten die Probleme der Frauen im linken mit den Pro­ blemen von Frauen in anderen oppositionellen Milieus, wie sie etwa Joanna Szwajcowska am Beispiel eines Vergleichs der Lebensläufe von Frauen, die der Partei, und Frauen, die der katholischen Opposition angehörten, rekonstruiert hat. In beiden Fällen »life stories become expressions of inconsistencies and contradictions present in the social discourses concerning gender identity. […] The propagandist[ic] image of a woman happy to care for her family and fulfilled professionally too drastically contradicted reality.«61 Dennoch überwogen innerhalb der Opposition auf die Überwindung des totalitären Systems ge­richtete Problemlagen gegenüber von Geschlechterfragen. »Even if gender inequalities were recognised the issue of freedom from the totalitarian oppression was given precedence. Resistance and struggle against the system were per­ ceived as the most important social issues.«62 Besonderheiten des hier untersuchten Milieus lassen sich zwar an der anfänglich positiven Haltung zum kommunistischen System und an der Ablehnung gegenüber der katholischen Kirche  – mitsamt der von ihr vertretenen Werte und Institute wie der kirchlich getrauten Ehe oder der Taufe der eigenen Kinder – festmachen. Sie lassen sich auch anhand der relativ geringen Anzahl von Kindern, die im Rahmen der hier untersuchten Bindungen geboren wurden, zeigen. Nur eine der von Szwajcowska befragten, mit der katholischen Opposition assoziierten Frauen hatte keine Kinder, sechs von insgesamt neun dagegen zwei oder mehr Kinder. Bei den der Partei zugehörigen Frauen waren es hingegen nur zwei, die mehr als zwei Kinder hatten.63 Dies deckt sich auch mit dem hier untersuchten Fall, bei dem man überwiegend auf Beziehungen trifft, aus denen nur ein Kind hervorging, wie etwa bei den Familien Kołakowski, Michnik oder Kuroń.64 Auf Ähnlichkeiten trifft man hingegen bei der Frage der Vernetzung. Während die katholischen Frauen, auch aufgrund entsprechender Angebote der Kirche, auf freundschaftliche Unterstützung innerhalb des eigenen Milieus rechnen konnten, waren es im Fall der hier untersuchten Frauen ebenfalls Freunde aus dem gleichen Milieu, die insbesondere in Zeiten der Inhaftierung mit emotionaler, aber auch finanzieller Hilfe für die zurück­ 60 Als eine der wenigen oppositionellen Organisationen wurde die Solidarność einer entsprechenden geschlechtsspezifischen Untersuchung unterzogen, vgl. Penn. 61 Vgl. Szwajcowska, hier S. 201 und S. 204. Für den Hinweis auf diese Arbeit und deren Manuskriptfassung danke ich Prof. Michael G. Müller. 62 Vgl. ebd., S. 202. 63 Vgl. ebd., S. 208–209 und S. 210–211. 64 Vgl. die biografischen Angaben des vorhergehenden Kapitels.

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gebliebenen Familien mitaufkamen. Der kursorische Vergleich zeigt: In ihrer oppositionellen Lebensgestaltung dürften die Frauen und Männer aus dem linken wie auch aus anderen, etwa katholischen Milieus vor ähnlichen Herausforderungen, aber auch einander ähnelnden Lösungsmustern gestanden haben.

1.2 Distinktionsmechanismen und Differenzen »Der Sinn für Distinktion, diese erworbene und doch mit der dumpfen Zwangsläufigkeit eines Instinkts funktionierende Disposition«, schrieb Pierre Bourdieu 1979, »macht sich weniger in den Manifesten und positiven Manifestationen der Selbstsicherheit geltend als in den unzähligen stilistischen und thema­tischen Entscheidungen, denen das Bemühen um Markierung des Unterschieds zugrunde liegt und die alle (zu einem bestimmten Zeitpunkt für solche gehaltenen) minderen Formen intellektueller (oder künstlerischer) Tätigkeit verbannen […].«65 Dass derart markierte Unterschiede auch während des ideologisch auf ihre Überwindung gerichteten Staatssozialismus letztlich nicht überwunden wurden, bemerkte Bourdieu 1989. Es stehe fest, so Bourdieu in einem an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED in Berlin gehaltenen Referat am 26. Oktober des genannten Jahres, »dass die Besitzer des schulischen Kapitals zweifellos am stärksten zur Ungeduld und zur Revolte gegen die Besitzer politischen Kapitals neigen«.66 Ausgestattet mit einem spezi­ fischen Habitus und einem spezifischen Maß an kulturellem und sozialem, seltener ökonomischem Kapital, waren es auch im polnischen Fall vor allem Teile des Bildungsbürgertums, die sich frühzeitig gegen das kommunistische System wandten.67 Ausgehend von Forderungen, die im Rahmen der Geschichte der DDR dafür plädieren, »als heuristische Ausgangsposition nicht ein einseitiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft vorauszusetzen, sondern auch in diesem Fall die relative Autonomie der sozialen Dimension zu unterstellen«, um auf diese Weise »Zugangswege« zur Geschichte der Gesellschaft »zu sondieren«68, gibt dieses Kapitel Aufschluss über die soziokulturellen Grundlagen des Milieus, seine Einstellungen und sein Verhalten. Diese sollen, bevor im darauf folgenden Teil bestimmte Formen der Vergesellschaftung eingehender bearbeitet werden, auf zwei Ebenen beschrieben werden: Erstens sollen der bildungsbürgerliche Hintergrund und Habitus der Dissidenten, ihre so­ziale Herkunft und Stellung untersucht werden. Zweitens sollen Fragen der Kon­ fession, insbesondere mit Bezug auf die jüdische Herkunft eines Teils der Dissidenten sowie daraus entspringende Konflikte erläutert werden. 65 Vgl. Bourdieu, Die feinen Unterschiede, S. 782 (Hervorhebungen im Original). 66 Vgl. ders., Politisches Kapital, S. 33–40, hier S. 38. 67 Vgl. Fröhlich, S. 31–54. 68 Vgl. Jessen, Gesellschaft, S. 96–110, hier S. 98.

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1.2.1 Rote Bürger. Zu den Dimensionen der Sozialisierung Im Hinblick darauf, dass die hier untersuchten Dissidenten in sozialgeschichtlicher Hinsicht einem empirisch abgrenzbaren, durch akademische Bildung, funktionale Stellung und relative Abgesichertheit gekennzeichneten Milieu zugehörten, dass sie in ideengeschichtlicher Hinsicht einen spezifischen Entwurf der »bürgerlichen Gesellschaft« verfolgten und dass sie in kulturgeschichtlicher Hinsicht ein spezifisches Set an »Bürgerlichkeit als Lebensform« konservierten, werden sie in dieser Arbeit nicht unter dem polnischen Begriff der inteligencja, sondern unter dem deutschen Begriff des Bildungsbürgers behandelt.69 Dafür sprechen vor allem zwei Gründe: Zum einen handelt es sich weder bei dem Begriff der Intelligenz noch bei dem Begriff des Bildungsbürgers um Kategorien, die von vornherein neben einer rein deskriptiven auch eine erklärende Kraft entfalten. Beide Begriffe und ihre Nutzung müssen unter analytischen Gesichtspunkten erst legitimiert werden. Bei beiden Begriffen handelt es sich darüber hinaus um Wortschöpfungen, die von denen, die mit ihnen bezeichnet werden, selbst hervorgebracht und von anderen, ebenfalls mit ihnen bezeichneten Eliten, auch heute noch verbreitet werden. »Was immer auch die Intellektuellen sind – sie und sie allein waren es, die ihre jeweiligen Definitionen entwarfen und verwarfen«,70 betonte unter anderem Zygmunt Bauman. Einen »avantgardistischen Spürsinn für Relevanzen«71 wird zwar nicht jeder von ihnen gehabt haben. Dennoch überlagern sich vor allem beim Begriff der Intelligenz aus den Quellen ermittelte Selbst- und Fremdbezeichnungen mit jenen Bedeutungsschichten, die den Begriff aus seinem ursprünglichen historischen Kontext lösen und ihn in einen neuen, entweder erkenntnistheoretisch, persönlich oder politisch motivierten Kontext stellen. Als Beispiel für eine solche Überlagerung kann etwa die Erforschung kommunistischer Intellektueller anhand eines Intellektuellenbegriffs, der selbst von einem kommunistischen Intellektuellen mitgeprägt wurde, dienen.72

69 Vgl. Kocka, Einleitung, S. 7–20; ders., Bürgertum und Bürgerlichkeit, S. 21–63; Lepsius, Soziologie des Bürgertums, S. 79–100 sowie – zur Kritik an den Kategorien der Bürger und der Bürgerlichkeit – Osterhammel, Verwandlung, S. 1080. 70 Vgl. Bauman, Unerwiderte Liebe, S. 172–200, hier S. 172. 71 So aber Habermas, Avantgardistischer Spürsinn, S. 77–87, hier S. 84. 72 So etwa Thomas Kroll, der in Anlehnung an Norberto Bobbio und Stefan Collini als Intellektuelle jene Personen bezeichnet, »denen man in einem bestimmten historischen Kontext die spezifische Funktion zuschreibt, Wissen, Theorien, Ideen oder auch Meinungen zu Problemstellungen von allgemeiner Bedeutung schöpferisch hervorzubringen und/oder öffentlichkeitswirksam zu verbreiten […]«, wobei diese Personen sich »in marginalisierten ­politischen Bewegungen oder randständigen sozialen Milieus engagierten und nur in deren Teilöffentlichkeiten über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügten« und »obwohl [sie] in der bürgerlich-liberalen Öffentlichkeit keine wirksame Stimme hatten und ihre ›kulturel-

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Von daher wird auch der Begriff der inteligencja, so zutreffend er die Rolle von Intellektuellen im Polen des 19.  Jahrhunderts beschreiben möge, für das 20.  Jahrhundert nicht ohne Berücksichtigung seiner propagandistischen Verformung durch die staatssozialistischen Regime in Polen und anderen ostmitteleuropäischen Ländern benutzt werden können. Vor allem wenn man Entwicklungen in Osteuropa mit Entwicklungen in Ostmittel- und Westeuropa vergleichen möchte, erscheint es sinnvoller, vom Terminus der Gebildeten als einer Art Oberbegriff auszugehen und erst danach die Frage der sozialen Herkunft und Stellung der entsprechenden Schichten innerhalb einer empirisch vorfindbaren Varianz von bürgerlich bis hin zu adlig geprägten Funktions­ eliten zu analysieren.73 Von Intellektuellen, im Sinne einer Teilmenge der als Bildungsbürgertum umfassten Gruppierung, ist im weiteren Verlauf der Arbeit deshalb nur dann die Rede, wenn entweder, auf einer deskriptiven Ebene, die Art ihrer Tätigkeiten oder aber, auf einer analytischen Ebene, die Traditionslinien zur polnischen Intelligenz im 19.  Jahrhundert beschrieben werden sollen.74 Der Begriff des Bildungsbürgertums, wie er in dieser Arbeit verwendet wird, soll hingegen einen historischen Wendepunkt markieren.75 Er geht davon aus, dass die polnischen Gebildeten des 19. sich von denen des 20. Jahrhunderts vor allem hinsichtlich ihrer Stellung zwischen Staat und Gesellschaft deutlich unterschieden.76 Und er versucht, diesen Wandel, der durch die Republikgründung zu Beginn und die Gründung der Volksrepublik in der Mitte des 20. Jahrhunderts jeweils unterschiedlich geprägt wurde, als erklärenden Faktor für die Untersuchung linker Dissidenz in Polen mit einzubeziehen. len‹ Qualifikationen dem etablierten Wissenschafts- oder Kulturbetrieb oftmals als fragwürdig galten«, dennoch »in den relativ abgeschlossenen Teilöffentlichkeiten ihrer eigenen Bewegungen oder Milieus die einflussreiche Rolle des Vermittlers und Interpreten sozialer Ideen« einnahmen, vgl. Kroll, Kommunistische Intellektuelle, S. 14–15. 73 Das war auch der Ansatz von Sdvižkov. 74 Damit schließt die Arbeit an eine Forschungspraxis an, wie sie auch Teile der deutschen Bürgertumsforschung praktizieren, indem sie die Begriffe »Intelligenz« und »Bildungsbürgertum« synonym verwenden und wahlweise von einer »akademischen« oder »verstaatlichten Intelligenz« sprechen, vgl. Wehler, Deutsches Bürgertum, S. 617–634, zum Beispiel S. 620, S. 624, S. 626 oder auch Wehler, Wie bürgerlich?, S. 243–280, hier S. 246. 75 Zum Begriff des Bildungsbürgertums in Deutschland vgl. Conze u. Kocka, Einleitung, S. 9–28, insb. S. 11. Die Autoren verstehen darunter eine »seit dem späten 18. Jahrhundert […] von den Zeitgenossen als solche erfahrene und benannte soziokulturelle Gruppierung […], die sich aus sehr verschiedenen Berufen (Anwälte, Richter, Verwaltungsbeamte, evangelische Pfarrer und Journalisten, Lehrer und Professoren verschiedener Fakultäten, dann Ärzte und Apotheker, später auch Architekten, Ingenieure und Chemiker) zusammensetzte und also in vielen Hinsichten – Klassenlage, Beruf, Machtteilhabe, Einkommensart und Einkommenshöhe – sehr heterogen war, aber etwas sozial Auszeichnendes gemeinsam hatte: nämlich anerkannte ›Bildung‹.« 76 Zu diesem Befund vgl. Kapitel 4.1 dieser Arbeit. Zum Stand der Forschung über Intelligenz und Bildungsbürgertum in Polen vgl. Koestler, Intelligenzschicht, S.  186–206 sowie Długoborski.

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Zu einem der wichtigsten Charakteristika dieses Wandels gehörte der Zustrom polnischer Intellektueller in öffentliche Leitungs- und Verwaltungsaufgaben. War – von der Professorenschaft in Galizien mit den Universitäten K ­ rakau und Lemberg einmal abgesehen  – die polnische Intelligenz bis dahin »nicht wie das westliche Bürgertum eine in den Staat und die Gesellschaft integrierte Gesellschaftsschicht«77, so änderte sich dies mit der polnischen Staatsgründung. Im ehemals preußischen Teilgebiet wurde die Beamtenschaft vollständig ausgewechselt. Im ehemals russischen Gebiet geschah dies weitestgehend, während nur Galizien sein vorhergehendes Personal übernehmen konnte.78 56 Prozent derjenigen, die zwischen 1919 bis 1926 die 300 höchsten staatlichen Ämter bekleideten, gehörten den Gebildeten an, schreibt Włodzimierz Borodziej.79 Diese während des 19. Jahrhunderts vor allem in den Städten ausgebildete soziale Gruppierung »umfasste in einer engeren, nichtsdestoweniger weit verbreiteten Auslegung die ›geistigen Führer‹, die ›Aristokratie des Geistes‹, noch anders ausgedrückt: die Vordenker und moralischen Vorbilder der Nation. Sozialgeschichtlich aber waren Bildung und Arbeitsweise entscheidend.«80 Der Schicht »gehörten demnach nicht nur – und zahlenmäßig nicht einmal vor allem – die Sinnstifter, sondern Menschen, die in der Regel zumindest die Mittelschule (optimalerweise mit Abitur) absolviert haben und mit ›geistiger Arbeit‹ ihren Lebensunterhalt verdienten: insbesondere Angestellte und Beamte im öffentlichen Dienst wie in der Wirtschaft, Lehrer, daneben Freiberufler (u. a. Ärzte und Anwälte), die Geistlichkeit und schließlich die sogenannten krea­tiven Professionen [an]«,81 zu denen unter anderem Künstler, Journalisten und Schriftsteller zählten. Nach der gezielten Ermordung einer großen Zahl polnischer und polnischjüdischer Intellektueller während des Zweiten Weltkrieges ist es schließlich vor allem nach 1949 zu einer »Verwandlung der jungen Intelligenz in einen staatstreuen und systemfördernden Akteur«82 gekommen, und in diesen Zusammenhang seien auch die beginnenden Karrieren von Intellektuellen wie Leszek Kołakowski und Zygmunt Bauman einzuordnen. Trotz des Versuchs des kommunistischen Regimes, aus diesen Intellektuellen eine »geistige« und aus anderen eine, noch stärker benötigte, »technische Intelligenz« zu kreieren, die in 77 Vgl. Koestler, Intelligenzschicht, S. 205. 78 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 156. 79 Vgl. ebd., S. 160. 80 Vgl. ebd., S. 16–17. 81 Vgl. ebd., S. 16–17. In Zahlen ausgedrückt, handelte es sich vor dem Ersten Weltkrieg um etwa 2 Prozent der Bevölkerung in Kongresspolen, um weniger als 2 Prozent in Galizien und Preußen sowie um bis zu 15 Prozent der Bewohner von Großstädten wie Lemberg und Krakau. In der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre gehörten circa 5 Prozent der polnischen Gesamtbevölkerung dieser Schicht an. Im Vergleich dazu stellten die Arbeiter über 25 Prozent, die Bauern über 50 Prozent und die Bourgeoisie etwa 1 Prozent der Bevölkerung, vgl. ebd., S. 16–17 und S. 160. 82 Vgl. ebd., S. 291.

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keiner Weise an etwaige bildungsbürgerliche Vorläufer der Zwischenkriegszeit anknüpfen sollte, gelang es allen hier behandelten Generationen, ein gewisses Ausmaß an Autonomie, an Unabhängigkeit und Selbstständigkeit, an kritischer Distanz und Reflektion gegenüber dem Regime zu wahren. Auch hierin spiegeln sich also Werttraditionen, wie sie für den Begriff des Bildungsbürgers oft hervorgehoben wurden.83 Darüber hinaus zeigt sich hierin aber auch eine für den polnischen Fall charakteristische, im 19.  Jahrhundert noch zu erringende und im 20.  Jahrhundert dann tatsächlich errungene Staatsnähe der Intellektuellen. Mit dem Verlust dieser Staatsnähe und ihrer, wie noch zu zeigen sein wird, erfolgreichen Wieder­erringung sollte das hier behandelte Milieu bis 1989 beschäftigt bleiben. Hinweise auf derartige Verlustängste und auf entsprechende Versuche, ein integraler Bestandteil des polnischen Staatswesens zu werden oder zu bleiben, sind wiederum schon sehr früh zu finden. »Wenn wir mit dem Begriff Intelligenz jene Gruppe von Menschen bezeichnen, die gebildet sind und gleichzeitig ihren Lebensunterhalt entweder mit geistiger Arbeit verdienen oder doch eine solche Tätigkeit zumindest als ihre Hauptbeschäftigung ansehen, so kann man leicht erkennen, dass diese Schicht beinah vom Augenblick ihrer Entstehung an ein unerlässlicher Bestandteil des Staates war«,84 schrieb Kołakowski 1956. Dabei verhalte sich der »Umfang, in dem die Intelligenz am Regierungssystem beteiligt ist […] gewissermaßen umgekehrt proportional zum Grad der Unterdrückung«.85 Es sei demzufolge auch »verständlich, dass, obwohl der wirtschaftliche Klassenkampf der Arbeiter ohne Teilnahme der Gebildeten entstehen konnte, die organisierte kommunistische Bewegung ohne Teilnahme von Menschen, die zur bürgerlichen Intelligenz gehörten und die Perspektiven des Proletariats erkennen konnten, undenkbar war«,86 so der Autor. Welche Formen die staatliche Alimentierung annehmen konnte, zeigen nicht nur die im vorherigen Kapitel skizzierten, sondern vor allem die für die Eltern der jüngsten Dissidentengeneration spezifischen Lebens- und Berufsverläufe. Zu den Kindern, die sich zusammen mit Adam Michnik bereits als Jugend­ liche im Klub Poszukiwaczy Sprzeczności gegen das Regime auflehnten, gehörten zum Beispiel die Tochter des damaligen polnischen Botschafters im Iran und Universitätsprofessors Władysław Góralski, die Tochter des Vizeministers für Forstwesen Jan Grudziński, die Tochter des stellvertretenden Leiters der Abteilung für Ökonomie des ZK der PZPR Mieczysław Popiel, der Sohn des Vize­ministers für Finanzen Julian Józef Kole und der Sohn des Vizeministers für Gesundheit Jan Rutkiewicz. Andere Väter, wie der bereits erwähnte Włodzimierz Brus oder Zygmunt Gross, der als Dozent in der Kinder- und

83 Vgl. Hettling, Persönliche Selbständigkeit und Hoffmann, Wertehimmel, S. 57–78. 84 Vgl. Kołakowski, Die Intellektuellen, S. 40–56, hier S. 40. 85 Vgl. ebd., S. 41. 86 Vgl. ebd., S. 41.

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J­ ugendpsychiatrie beschäftigt war, gehörten zum akademischen Establish­ment Polens. Wieder andere, wie Dawid Sfard, der im Vorstand des Jüdischen Historischen Instituts in Warschau und des Gesellschaftlich-Kulturellen Verbandes der Juden in Polen (Towarzystwo Społeczno-Kulturalne Żydów w Polsce, TSKŻ) tätig war, hatten wichtige gesellschaftliche Funktionen inne.87 Nicht nur die dem jüdischen Bildungsbürgertum entstammenden, zu Michniks Gruppe gehörenden oder mit ihr sympathisierenden Kinder berichten von einem – im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen – durchaus privilegierten Leben in der Volksrepublik Polen. Als Töchter und Söhne kommunistischer Spitzenfunktionäre, die, vor allem auf jüdischer Seite, bereits in der Zwischenkriegszeit engagiert gewesen waren, besuchten sie gemeinsam ausgewählte, regierungsnahe Kindergärten und Schulen. In ihrer Klasse seien »im Grunde nur Kinder von Ministern und Vizeministern«88 gewesen, viele der Väter hätten einen »Dienstwagen mit Fahrer«89 besessen, sie hätten in »großen, bequemen Wohnungen«90 gewohnt, die von »Haushälterinnen«91 in Ordnung gehalten wurden. Ihr kommunis­ tischer Vater, der unter anderem Minister und Vorsitzender der Polnischen Akademie der Wissenschaften war, fand, dass alle Menschen gleich seien. Doch sie habe schon als Kind gewusst, dass sie und ihre Familie »privilegiert« waren. »Wir hatten ein wunderschönes Haus mit Garten und darin sowohl eine Haushälterin als auch eine Erzieherin, die mich und meine Schwester bei der Erledigung unserer Hausaufgaben betreute. Darüber hinaus kam von Zeit zu Zeit ein Gärtner und von Zeit zu Zeit ein Heizer, und in der Küche hielt sich ständig der Dienstfahrer meines Vaters auf«,92 berichtet zum Beispiel Marta Petrusewicz. Sie hätten keinerlei finanzielle Sorgen gehabt, sie hätten ins osteuropäische Ausland reisen dürfen. Außer »einem ähnlichen materiellen Status« hätten sie »auch ähnliche, über unsere Eltern vermittelte Vorstellungen über die Welt« verbunden. »Wir akzeptierten das System und gingen nicht zur Kirche«,93 schreibt eine andere Zeitzeugin. Nicht alle der aus diesem Milieu stammenden und der linken Dissidenz zuströmenden Menschen hatten ein so sorgenfreies Leben. Je nach Herkunft und Ausbildungsstand der Eltern, aber auch dem Grad ihrer Regierungsloyalität

87 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Informacja starszego, S. 107–137, hier S. 113–118. 88 Vgl. Wiszniewicz, Petrusewicz, S. 35. Da diese und die im Folgenden zitierten Augenzeugenberichte innerhalb des Bandes gestückelt und einem chronologischen Narrativ zugeordnet wurden, werden fortan, der einfacheren Nachverfolgung halber, nur die Seiten der hier zitierten Stellen, nicht aber die der einzelnen Teilstücke wiedergegeben. Die vollständigen Angaben finden sich im Quellen- und Literaturverzeichnis. 89 Vgl. dies., Brown und Henia, S. 73 und S. 86. 90 Vgl. dies., Włodek, S. 68 91 Vgl. dies., Włodek, Henia und Ewa, S. 345, S. 358 und S. 57. 92 Vgl. dies., Petrusewicz, S. 37. 93 Vgl. dies., Ewa, S. 62–63.

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klagten manche Familien durchaus über Geldsorgen.94 Andere, wie etwa Jacek Kuroń, kannten ein solches, eher groß- denn bildungsbürgerlich anmutendes Leben überhaupt nicht. Seine finanzielle Situation habe sich erst am Ende der 1970er-Jahre – also nach der Gründung der Gruppe KOR – geändert. »Die polnische Frage wurde modisch im Westen und zusammen mit ihr auch mein Nachname. Man begann mich in der westlichen Presse zu publizieren und natürlich in harter Währung zu bezahlen. Ich schreibe selten, für deren Verhältnisse ist es also nicht viel Geld, aber für unsere – reicht es«,95 berichtet Kuroń. Was dieses Milieu jedoch jenseits seiner in Teilen unterschiedlichen materiellen Ausgangslagen auszeichnete, war sein besonderer Bezug zur polnischen, aber auch europäischen Kultur und Bildung. »In der Unordnung seines Zimmers bewegt er sich und redet nervös mit einem chaotischen Beiklang«, schrieb ein Gast über Leszek Kołakowski, nachdem er ihn und den Parteiphilosophen Adam Schaff in Warschau besucht hatte. »Sein Schreibtisch ist bedeckt mit Kartei­karten und offenen Heften, die übersät sind mit dichter Handschrift, an den Wänden hängen merkwürdige avantgardistische Bilder, seine Couch ist bedeckt mit Kissen in allzu grellen Farben.« In der Wohnung von Schaff hingegen dominiere »eine Atmosphäre der Ordnung und des Wohlstands«, sie sei »voll von schönen Accessoires«. Das Türschild, das neben seinem Namen auch seinen vollen akademischen Titel enthalte und an einer breiten, schweren Tür aus Nussholz angebracht wäre, erinnerte den Autor an Türschilder, wie man sie im westlichen Europa wohl nur noch in Wien als Zeichen der »privacy« des Bildungsbürgertums finden würde.96 Beide Intellektuellen verbinde dagegen ihre jeweilige Bibliothek, die Bücher in verschiedenen Sprachen, unter anderem von Dżilas, Trotzki, Kautsky, Deutscher, Kardelj und Bernstein enthalten würde.97 Diese und weitere Autoren, die unter anderem über die Verlagstätigkeit der Pariser Zeitschrift Kultura zu dem hier untersuchten Milieu vordrangen, prägten auch das Leben der jüngsten Dissidentengeneration.98 Es handelte sich um eine Gruppe von Gymnasiasten, »die sich nicht für Fußball, sondern für Philo­ sophie, Soziologie, Ökonomie interessierten […]« und im Klub von Adam ­Michnik mit bekannten Professoren diskutierten. »Die Zahl der teilnehmenden Schüler ging oft auf die Hundert zu, natürlich waren darunter viele Wichtigtuer und oft sprach man über Bücher, die man überhaupt nicht gelesen hatte – doch gleichzeitig zwang einen diese snobistische Atmosphäre dazu, mehr zu lesen und sich besser zu orientieren.«99 Der Klub war »in«, erinnern sich Beob-

94 Vgl. dies., Tal, S. 102. 95 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 362. 96 Vgl. Bettiza, S. 92–95, hier S. 92–93. 97 Vgl. ebd., S. 93–94. 98 Vgl. Wiszniewicz, Tal, S. 107. 99 Vgl. dies., Andrzej, S. 27–28.

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achterinnen. Dorthin seien die schön gekleideten Mädchen aus gutem Hause mit Fremdsprachenkenntnissen gegangen.100 Es habe sich um die Kinder von »Ex-Kommunisten und Ex-Prominenten« gehandelt »und wahrscheinlich war der Großteil [von ihnen] deshalb so stark verbunden mit dem Sozialismus. Aber eines oppositionellen und revisionistischen Sozialismus: mit einer kritischen Einstellung zum Stalinismus und zum Polen Gomułkas […]«,101 erinnern sich andere. Zu einer solch kritischen Einstellung hätten sie sowohl durch ihre Beteiligung an dem genannten Klub von Adam Michnik als auch durch ihre Zughörigkeit zu den von Kuroń geleiteten Roten Pfadfindern gefunden.102 Obwohl es sich um strikt kommunistisch orientierte Pfadfinder gehandelt habe, seien sie und die anderen Kinder vor allem dort in Richtung einer latent oppositionellen Haltung sozialisiert worden. »Denn vor allem Jaceks Ermunterung dazu, alles zu diskutieren und alles zu hinterfragen, bewirkte, dass wir begannen, die Risse im System wahrzunehmen.«103 Als ihre Eltern im Zuge der antisemitischen Kampagnen allmählich ihre politische und gesellschaftliche Stellung und sie selbst aufgrund ihrer Beteiligung an den studentischen Unruhen des Jahres 1968 ihre Studienplätze verloren, mussten viele der Jugendlichen ihr Leben in Polen abrupt beenden. Es verwundert in diesem Zusammenhang nicht, dass sie dies vor allem als einen Prozess der sozialen Deklassierung und Degradierung wahrnahmen. Die erzwungene Abgabe der polnischen Staatsbürgerschaft vor ihrer Emigration ins Ausland, den Verlust von Ansehen, Beziehungen, Geld und Status konnten viele von ihnen nur sehr schwer ertragen.104 »Wenn sie mich hier fragen, woher ich komme und wer ich bin, dann sage ich montags und donnerstags aus Schweden, samstags und sonntags aus Polen und manchmal aus Europa«,105 versuchte später einer der Betroffenen seine Lage in der Emigration zu erklären. »Der Bruch mit unserem attraktiven Leben der Jugend der 1960er-Jahre war für alle ein Schock, diese Jahre waren in Polen sehr interessant, ein Großteil der kulturellen Ereignisse wies Verbindungen zur politischen Situation auf, Kabaretts, Theatervorstellungen, Liederabende, der Mensch begeisterte sich dafür – und dann reist Du plötzlich in ein anderes Land, mit einer anderen Kultur, oft die Sprache nicht kennend – das war ein Schock!«,106 berichtet ein anderer der Betroffenen. »Diese Elite war mehr als eine Elite. Das war so etwas wie eine intellektuelle ›Klasse‹ in Polen, so etwas wie eine gehobene gesellschaftliche Schicht, die in den 1960erJahren – und im Grunde auch später – die stellvertretende Rolle einer Aristokratie oder einer Bourgeoisie ausfüllte (weil diese im Sozialismus aufhörten zu 100 Vgl. dies., Petrusewicz und Tal, S. 44 und S. 107–108. 101 Vgl. dies., Andrzej, S. 28. 102 Vgl. dies., Brown, S. 75. 103 Vgl. dies., Petrusewicz, S. 41. 104 Vgl. dies., Henia und Włodek, S. 357 und S. 542. 105 Vgl. dies., Włodek, S. 550. 106 Vgl. dies., Rozenbaum, S. 587.

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existieren, als man ihnen ihr Geld und ihre Bedeutung abnahm).«107 Es habe sich, so die hier zitierten Zeitzeugen, um die »Kinder der roten Bourgeoisie (dzieci czerwonej burżuazji)«108 gehandelt.109 1.2.2 Raue Zeiten. Zu den Grenzen jüdischer Assimilierung Das Selbstverständnis des Milieus beruhte jedoch nicht nur auf seiner Zugehörigkeit zu einem spezifisch bildungsbürgerlichen Segment der polnischen Gesellschaft, sondern auch auf seiner Überzeugung, innerhalb dieses Segments die polnische Nation und ihre kulturellen Werte zu repräsentieren und sich eben als Polen für Polen zu engagieren. Dies traf insbesondere auf jene Familien zu, die jüdischer Herkunft waren und gerade in der kommunistischen Bewegung einen Ausweg aus Diskriminierung und Antisemitismus sahen. Sie lebten meist in Warschau, denn hier, in den zentralen Institutionen, fanden sie als jüdische Kommunisten eine Anstellung.110 Trotz ihrer kosmopolitischen, den Kommunismus auch aufgrund seiner internationalen Reichweite bejahenden Grund­ haltung, empfanden sie sich selbst als »polnische Patrioten«, die lediglich ihre atheistische Einstellung vom Rest der polnischen Bevölkerung trennte. »Wir waren ungläubige Polen, aber wir glaubten, dass darauf – gerade darauf! – ein moderner Patriotismus beruhe.«111 »Als hätten die Juden versucht, bessere Polen zu sein als die Polen«,112 beinhaltete diese, einen starken Bezug zur polnischen Sprache, Kultur und Literatur aufweisende Einstellung auch den Versuch einer kritischen Distanzie107 Vgl. dies., Andrzej, S. 29. 108 Vgl. dies., Andrzej und Petrusewicz, S. 28 und S. 35. 109 Ähnlich wie die französische, unterscheidet auch die polnische Sprache zwischen den Begriffen des Bürgertums (mieszczaństwo beziehungsweise burżuazja)  und des Staatsbürgertums (obywatelstwo). Seine polemische Stoßrichtung bekam der Begriff der Bour­ geoisie auch in Polen vonseiten marxistischer Kritiker, vgl. etwa Gomułka, W 40 rocznicę, S. 521–526, hier S. 523. Sieht man von dieser Stoßrichtung ab, so ist der polnische Begriff der burżuazja zunächst neutral mit Bürgertum zu übersetzen. In den hier zitierten Quellen wird er als Bezeichnung für links wählende, bildungsbürgerliche Schichten (czerwona burżuazja)  verwendet und damit gegen das, den Begriff ablehnende, staatsozialistische System aufgewertet. In der Literatur wird er, unter marxistischem Einfluss, vor allem als Gruppenbezeichnung für finanz- und wirtschaftsbürgerliche Schichten verwendet, während die bildungsbürgerlichen Schichten, wie oben erläutert wurde, klassischerweise mit dem Begriff der inteligencja umfasst werden. Zur Semantik des Bürgerbegriffs in vergleichender Perspektive vgl. Kocka, Bürgertum und Bürgerlichkeit, S.  28–29; Długoborski, S.  12–13.; Koselleck u. a., Drei bürgerliche Welten?, S.  14–59; Riedel, S.  719–800 sowie Nagórko, S. 104–119 und Kołodziejczyk, S. 19–30. 110 Vgl. Wiszniewicz, Rozenbaum, S. 122. 111 Vgl. dies., Ewa, S. 63. 112 Vgl. dies., Włodek, S. 542.

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rung. Die hier untersuchten kommunistischen Familien versuchten bewusst eine starke Identifikation mit Polen und seiner Kultur und darüber Distanz zu ihrer jüdischen Herkunft aufzubauen.113 Es handelte sich um Familien, die sich atheistisch verorteten oder ihren Glauben nicht praktizierten. »Als Geste der An­näherung an die polnische Kultur«114 ließen sie im Einzelfall ihre Kinder katholisch taufen, oder aber sie versuchten sie an Schulen, die von der laizistischen Organisation Towarzystwo Przyjaciół Dzieci (TPD) geführt wurden, auszubilden, um ihren Kindern etwaige Ausgrenzungen, beispielsweise durch ihre Unkenntnis oder ihr Fehlen beim Unterricht der katholischen Religionslehre, zu ersparen. Dass sie jüdischer Herkunft waren, erfuhren viele ihrer Söhne und Töchter demzufolge erst mit sieben, zehn oder in noch späteren Jahren.115 »Ich will keine Jüdin sein! Und wenn wir das ändern würden?«,116 soll eine Tochter ihre Eltern daraufhin gefragt haben. Damit einher gingen Erfahrungen eines auch in der Nachkriegszeit virulenten Antisemitismus in Polen.117 Umgekehrt lernten diese Kinder von Dissidenten wie Jacek Kuroń, dass, »solange es auf der Welt Antisemiten gäbe, alle anständigen Menschen Juden«118 seien. Mit einer interfamiliären Tendenz zum Beschweigen der eigenen Herkunft, die in den meisten Fällen auch das Beschweigen des Holocaust beinhaltete, selbst wenn große Teile der eigenen Familie darin umgekommen waren, konnten aber auch entgegengesetzte Erfahrungen zusammengehen.119 Ins­besondere über die jugendliche Gruppierung um Adam Michnik wird berichtet, sie sei offensiv mit ihrer jüdischen Herkunft umgegangen. Als einer Art des »Abreagierens« antisemitischer Diskriminierungen hat ein Zeitzeuge dieses Verhalten empfunden. Hier seien ein Stück weit die Rollen vertauscht worden. »Gehandicapped«120 war der, dessen Familie keine jüdischen Wurzeln habe aufzeigen können. Ob bei den betreffenden Familien die bewusste Entscheidung, ihren jü­ dischen Glauben zugunsten der antireligiösen Ideale des Kommunismus abzulegen aus ideologischen oder aus pragmatischen, entsprechende Diskriminierungen scheuenden Gründen getroffen wurde, ist schwer im Nachhinein festzustellen. Vermutlich wird ein sich gegenseitig bedingendes Zusammenspiel beider Faktoren eine Rolle gespielt haben.121 Es handelte sich damit um Familien, die teilweise schon in zweiter oder dritter Generation vollständig assimi-

113 Vgl. dies., Ewa und dies., Rozenbaum, S. 58–59 und S. 114. 114 Vgl. dies., Andrzej, S. 20. 115 Vgl. dies., Włodek, S. 67. 116 Vgl. dies., Brown, S. 76. 117 Vgl., dies., Włodek, S. 543. 118 Vgl. dies., Petrusewicz, S. 39. 119 Vgl., dies., Włodek, Brown, Tal, S. 69–70, S. 73–74 und S. 97. 120 Vgl. dies., Andrzej. Eine solche Lesart bestreitet allerdings Adam Michnik, vgl. Friszke, Anatomia, S. 364. 121 Vgl. dies., Włodek, S. 69.

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liert waren, und die dazu vor allem zwei Zugänge gewählt hatten: erstens, vergleichbar zu anderen europäischen Städten, den einer gehobenen Bildung und zweitens die Zugehörigkeit zur kommunistischen Bewegung.122 »Ich stamme aus einer Familie vollkommen polonisierter Juden, die sich über die Übernahme des Kommunismus polonisiert hatten. Das war so etwas wie eine ›rote Assimilation‹ […]«, so umschrieb es Adam Michnik. »Normalerweise, in einer polnischen Familie, führte man einen kleinen Jungen an die katholische Kirche heran. Ich wurde vollkommen areligiös erzogen.«123 Diese Areligiosität, die sich, wie noch gezeigt werden wird, über viele Jahre als Antireligiosität bekannte, war das zentrale Bindeglied zwischen den polnischen und den polnisch-jüdischen Angehörigen linker Dissidenz in Polen.124 Ob nicht praktizierende, über jüdische Wurzeln verfügende, oder, wie im Falle von Leszek Kołakowski125, aus einer nicht jüdischen Familie stammende, aber nicht getaufte Bildungsbürger – »zu Juden gemacht« oder mit einer »jüdischen Verschwörung« in Verbindung gebracht wurden sie erst durch das kommunistische Regime in Polen.126 Damit einher ging die Wiederbelebung des bereits in der Zwischenkriegszeit häufig bemühten Stereotyps der »Judäo-Kommune« (Żydokomuna), mit dessen Hilfe in der polnischen Bevölkerung die Angst vor einer jüdischkommunistischen »Überfremdung« sowie die Ansicht, dass das kommunistische Regime sowjetischer Prägung von »Judäo-Kommunisten« und »JudäoStalinisten« nach Polen eingeführt worden sei, verbreitet wurde.127 Als berechtigt nachweisen lässt sich eine solche Sicht, trotz des hohen Anteils jüdischer Aktivisten am Aufbau des kommunistischen Systems, nicht. Bei der »Konstituierung der polnischen Nation mithilfe des Feindbildes ›Judäo-Kommune‹« handelte es sich um »ein althergebrachtes Phänomen […], das spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts von Antikommunisten und Kommunisten instrumentalisiert wurde.«128 »The total picture that emerges, is thus one of the very important role Jews played in the Polish Communist movement of the time and, at the same time,  a general Jewish community far from sympathetic to communism.«129 Zwar stellten Menschen jüdischer Abstammung einen »substanziellen An­ teil«130 an der polnischen kommunistischen Bewegung. Ihren Höhepunkt erreichte die Anzahl jüdischer Mitglieder in der KPP um 1930. Zu diesem Zeitpunkt lag sie bei etwa 35 Prozent, in Warschau ist sie bis 1937 von 44 auf über

122 Vgl. Mosse, S. 168–180, hier S. 169. 123 Vgl. Pewien polski etos, S. 393–424, hier S. 393. 124 Vgl. dazu Kapitel 2.3.2 dieser Arbeit. 125 Vgl. Kołakowski u. Mentzel, Czas ciekawy, Bd. 1, S. 19. 126 Vgl. Stola, Kampania. 127 Vgl. Michlic, S. 230. 128 Vgl. Pufalska, S. 150. 129 Vgl. Schatz, Generation, S. 98. 130 Vgl. ebd., S. 95.

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65 Prozent angestiegen. Insgesamt geben die meisten Untersuchungen den Anteil polnisch-jüdischer Parteimitglieder in der KPP während der 1930er-Jahre bei einem Mittel von circa 22 bis 26 Prozent an. Noch höher waren die Zahlen in den kommunistischen Jugendorganisationen, die zu 31 bis 51 Prozent von Jugendlichen jüdischer Herkunft frequentiert wurden.131 Die Gesamtmitgliedszahlen der KPP schwankten hingegen während der 1920er-Jahre zwischen 2.500 und 6.000 und stiegen zwischen 1929 und 1934 auf um die 10.300, bevor sie bis 1937 wieder auf etwa 7.000 Mitglieder fielen. Bezieht man die Zahl derer mit ein, die aufgrund ihres kommunistischen Engagements in der Zwischenkriegszeit inhaftiert worden waren, die Mitglied der Kommunistischen Partei der Westlichen Ukraine (Komunistyczna Partia Zachodniej Ukrainy, KPZU), der Kommunistischen Partei des Westlichen Bialorus (Komunistyczna Partia Zachodniej Białorusi, KPZB) sowie der jeweiligen Jugendorganisationen (KZMP, KZMZB und KZMZU) waren, so muss man etwa für das Jahr 1933 von einer Gesamt­ bewegung von circa 41.000 Menschen ausgehen.132 Davon waren zwischen 6.200 und 10.000, das heißt maximal ein Viertel der Personen, jüdischer Herkunft. Beträchtlich höher fielen die Prozentsätze jener polnisch-jüdischen Mitglieder aus, die in den Führungsriegen der Partei aktiv waren. »Jews accounted for 54 percent of the field leadership of the KPP in 1935 and 75 percent of the party’s technika – those responsible for producing and distributing propaganda materials. […] Given such figures and factors, one might be tempted to agree with the stereotype of żydokomuna. But this leaves out an extremely important piece of the context: the fact that, within the Jewish community, Communists represented a small and not very well-regarded minority. […] Communist ­ideals were supported by no more than approximately 5 percent of all Jewish voters«,133 betonte Jaff Schatz demzufolge. Als nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch etwa 100.000 und – nach einer Emigrationswelle – Mitte 1949 nur noch circa 70 bis 80.000 Juden in Polen verblieben waren, betrug die Zahl derer, die Ende der Vierzigerjahre der PZPR angehörten, circa 10.000.134 Erst diese, zusammen mit ihren Familien um die 20.000 Menschen umfassende Gruppierung lässt einen hohen Anteil kommunistischer Parteimitglieder innerhalb derjenigen polnisch-jüdischen Personen, die überhaupt den Krieg überlebt und in Polen geblieben waren, erkennen. Diese gut ausgebildeten polnisch-jüdischen Kommunisten waren, wie schon in der Zwischenkriegszeit, für den Aufbau des Partei- und jetzt auch des Regierungssystems unentbehrlich. Vor allem deshalb waren sie in ihren Führungsstrukturen überproportional hoch vertreten, während umgekehrt insgesamt nur 8 Prozent der Parteiangestellten im Jahr 1950 und 6,2 Prozent im Jahr 1952

131 Vgl. ebd., S. 96. 132 Vgl. Schatz, Jews, S. 13–37, hier S. 18–19. 133 Vgl. ebd., S. 20–21. 134 Vgl. Schatz, Generation, S. 207–209.

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tatsächlich aus der ehemaligen KPP stammten.135 Mit 10.000 von insgesamt über 1,4 Millionen Mitgliedern zum Zeitpunkt ihrer Gründung muss der Anteil polnisch-jüdischer Mitglieder an der PZPR insgesamt also eher gering veranschlagt werden. Dass die politisch engagierten Menschen jüdischer Herkunft, historisch betrachtet, eher zur Linken, und hier, neben dem Allgemeinen Jüdischen Arbeiter­ bund136 und der PPS, vor allem zur KPP tendierten, lag an einer Reihe von Gründen. Neben der PPS galt nur die Kommunistische Partei als diejenige polnische Partei, von der man erwartete, dass sie »grundsätzlich, energisch und kontinuierlich«137 den Antisemitismus im Land bekämpfen würde. Dieser wiederum galt als »Produkt der kapitalistischen Gesellschaft«,138 als Produkt der Rückständigkeit und der Reaktion und als Gefahr für einen effektiven Klassen­ kampf in Polen. »The movement’s internationalist profile and its opposition to discrimination against the national minorities acted as powerful sources of attraction for the often persecuted Ukrainians, Jews, and Belarusians. […] The Communist reconstruction, the final goal of history, would lead to the universal emancipation of humanity, Jews and non-Jews alike«,139 glaubten viele der­ jenigen, die der Bewegung zuströmten. Aus der Reihe der Faktoren, die in der entsprechenden Literatur diskutiert werden, müssen also vor allem die Erfahrungen der Diskriminierung, aber auch der sozialen Deklassierung als kausal für die Attraktivität des Kommunismus innerhalb der polnisch-jüdischen Bevölkerung betont werden. Obwohl circa 100.000 der polnischen Mitbürger jüdischer Herkunft in der Zwischenkriegszeit dem Wirtschafts- und Finanzbürgertum, circa 300.000 dem Bildungs­ bürgertum und circa zwei Millionen dem Kleinbürgertum angehörten, während etwa 700.000 zur Arbeiterschaft zählten, lebten die meisten von ihnen in Armut, die vor allem durch ökonomische Krisen, aber auch durch eine wachsende Arbeitslosigkeit aufgrund von Entlassungen oder der Boykottierung jüdischer Geschäfte verursacht wurde. Auf diese Weise fanden viele der aus nicht assimilierten Arbeiterfamilien stammenden, aber, ähnlich wie in Westeuropa, auch zahlreiche aus assimilierten, bildungsbürgerlichen Familien kommende Kinder zur kommunistischen Bewegung. Aus dieser Schicht stammte auch ein großer Teil ihrer Führungsfiguren.140 Jaff Schatz schreibt, dass jüdischer Kommunist zu werden, im Polen der Zwischenkriegszeit die »radikalste aller möglichen Rebellionen« gewesen wäre. Es habe »Rebellion gegenüber der traditionellen jüdischen Welt, den Werken der eigenen Eltern und den Werten der 135 Vgl. ebd., S. 218. 136 Vgl. Pickhan, Gegen den Strom. 137 Vgl. Schatz, Generation, S. 98. 138 Vgl. ebd., S. 98 f. 139 Vgl. Schatz, Jews, S. 19 und S. 25. 140 Vgl. ders., Generation, S. 13–15, S. 25 und S. 66–68 sowie – ausführlicher zum Komplex der Armut – Jersch-Wenzel in Verbindung mit Guesnet u. a.

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Gesellschaft«141 bedeutet. Die Zuwendung zum Kommunismus und die oftmals darauf folgende Ablehnung durch die Familie führte nicht selten zu einer Entwicklung, innerhalb derer die Partei zum einzigem Identifikationspunkt wurde. Gleichzeitig zog die Teilnahme an der kommunistischen Bewegung »varying degrees of essentially similar deethnification« nach sich. »Its core was a denial of specifically Jewish self-assertion. As the growth of this deethnification paralleled an increasing commitment to the movement, it formed yet another expression of their estrangement from the hopes, sorrows, and perspectives prevailing in their original milieu«,142 so der Autor. Ungeachtet ihres Versuchs einer vollständigen, wie Michnik es ausdrückte, »roten Assimilierung«, blieb jedoch gerade die kommunistische Bewegung in Polen, aber auch etwa in der Sowjetunion für ihre jüdischen Teilnehmer ein virulenter Ausgangspunkt der Diskriminierung. Seitens eines Großteiles der Bevölkerung, aber auch späterer kommunistischer Regierungen musste die KPP von Beginn an mit dem Urteil, »prosowjetisch, antipatriotisch und ethnisch nicht wirklich polnisch zu sein«,143 zurecht kommen. Gleichzeitig trennte die Gruppe der meist jüdischen Kommunisten, die den Krieg in der Sowjetunion, sowie die Gruppe derjenigen, die ihn in Polen verbracht hatten, nicht nur ihre unterschiedliche Kriegs- und Vorkriegserfahrung. Politische Bedeutung konnten die in der Vorkriegszeit eher unauffällige Positionen bekleidenden, polnischen Mitglieder nunmehr lediglich von Moskaus Gnaden erlangen.144 »Als 1944 in Moskau die ersten Listen künftiger polnischer Amtsträger zusammengestellt wurden, bereitete es den Sowjets erhebliche Schwierigkeiten, aus den überlebenden Mitgliedern der alten KP (keiner zählte zur Führungsspitze der alten Partei) ein Leitungsorgan zusammenzustellen, indem mehr ›Polen‹ als ›Juden‹ tätig waren. […] Obwohl in den Folgejahren die große Mehrheit von ihnen stillschweigend aus den Ämtern entfernt wurde und ›Juden‹ […] nur etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung ausmachten, wurde der Kampf gegen den ›Zio­ nismus‹[…] zum festen Bestandteil der Propaganda.«145 Bereits 1956 wurde der »liberale«, die Reformbemühungen unterstützende Flügel der PZPR von seinen Gegnern als »jüdisch« verunglimpft und gleich­ zeitig die Verantwortung für Verbrechen des Stalinismus den Kommunisten jüdischer Herkunft zugeordnet. Die grundsätzliche Befähigung zur Loyalität gegenüber dem Staat ist polnischen Bürgern jüdischer Herkunft vor allem seit 1967 abgesprochen worden. Es handelte sich um eine von Gomułka persönlich vorgebrachte, über die Medien verbreitete Diskriminierung, die unter anderem dazu diente, das dissidente Milieu als ein »fremdes« vom Rest der noch

141 Vgl. Schatz, Generation, S. 53. 142 Vgl. ebd., S. 115. 143 Vgl. ebd., S. 82. 144 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 215. 145 Vgl. ebd., S. 313 f.

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größtenteils »loyalen« Bevölkerung zu separieren.146 Dass das Gros der Dissidenten sich nicht über das Jüdischsein, sondern vielmehr über die Zugehörigkeit zu einer marxistisch orientierten, linken Elite Polens definierte und das Regime gerade aus diesem Blickwinkel kritisierte, sollte verdeckt werden.147 Die antisemitische Entwicklung, die der Kritik folgte, ist von den Dissidenten aber schon frühzeitig antizipiert worden. So berichtet Jacek Kuroń, dass der Warschauer Universitätsprofessor Bronisław Baczko ihn und Modzelewski bereits 1964 gewarnt habe, sie würden mit der gesellschaftlichen Unruhe, die sie mit ihrer Parteikritik herbeiriefen, möglicherweise auch antisemitische Ausschreitungen heraufbeschwören. 1968, auf der Höhe der diesbezüglichen Kampagne, habe er sich an jene »tief verwurzelte Überzeugung«,148 wonach nur die Volks­ republik Polen vor dem Antisemitismus schützen könne, zurückerinnert. Dass gerade das politische System, das in den Augen seiner Befürworter die einzige Garantie gegen nationalistisch motivierte Ausschlussmechanismen bereitstellte, nunmehr selbst genau diese Topoi bediente, bedeutete für das Milieu den endgültigen Bruch mit dem Ideen- und Wertegut der kommunistischen Partei in Polen. So wie innerhalb der PZPR die älteren, in der Zwischenkriegszeit so­ zialisierten und in der Bevölkerung als »Żydokomuna« diskreditierten Kommunisten im Verlauf der 1950er- und 1960er-Jahre von einer neuen Generation von »Parteikarrieristen«149 zurückgedrängt worden waren, so sollte auch das Beziehungsgeflecht zwischen dem dissidenten Milieu und der Partei auf der einen, aber auch, daraus folgend, zwischen dem Milieu und der polnischen Gesellschaft auf der anderen Seite nach 1968 grundlegend verändert werden. Bevor dieser Wandel detailliert beschrieben wird, sollen am Ende des ersten Hauptkapitels die wichtigsten Zentren dissidenter Kritik am Kommunismus kurz vorgestellt werden.

146 Vgl. Stola, Fighting Shadows, S. 284–300, hier S. 289, S. 298 und S. 299 f. 147 Dass Teile der Dissidenz erst um 1968 zu einer Auseinandersetzung mit ihrer jüdischen Herkunft gezwungen wurden, und dass sie manchmal im Zuge dessen überhaupt erst von ihrer Herkunft erfuhren, spiegelt sich auch in den hier einbezogenen Quellen. Bis 1968 lassen sich so gut wie keine Hinweise auf die Frage des Jüdischseins in den Hinterlassenschaften linker Dissidenten finden. An einer vielversprechenden Analyse dieses Phänomens arbeitet David Kowalski, vgl. hierzu sein Dissertationsprojekt »Polens letzte Juden. Das Jahr 1968 und die habituelle Wiederkehr jüdischer Zugehörigkeit im Nachkriegspolen«, das derzeit am Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur e. V. an der Universität Leipzig entsteht. 148 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 240. 149 So Kuroń, der seit den späten 1940er-Jahren einen Zustrom an jüngeren, strategisch orientierten Parteimitgliedern kritisierte, vgl. Kuroń, Wiara, S. 43.

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1.3 Rekrutierungsarten und Referenzen Zu den am häufigsten mit der Opposition assoziierten Gruppen und Organi­ sationen gehören vor allem jene, die in den 1970er- und 1980er-Jahren entstanden und durch die Prominenz ihrer Begründer wie Beobachter nicht nur nationale, sondern auch internationale Aufmerksamkeit erfuhren. In der Forschung und in der Presse am stärksten erwähnt und seitens des kommunistischen Regimes am nachhaltigsten bekämpft wurden vor allem das 1976 gegründete Komitee zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) und die 1980 aus den massiven Streikbewegungen desselben Jahres hervorgegangene Gewerkschaft Solidarność. Weniger bekannt und erst in Ansätzen erforscht ist hingegen jene Entwicklung, die kurz vor und während der frühen Regierungszeit Władysław Gomułkas einsetzte und eine Reihe von Klubs, politischer oder privater Art, hervorbrachte. Insbesondere im Umkreis größerer Universitätsstädte entstand ein aktives und durch die entsprechenden Parteiinstanzen akzeptiertes oder zumindest toleriertes Netz an Diskussionskreisen, die in Teilen von den 1950erbis in die 1960er-Jahre hinein überdauerten. In Warschau handelte es sich unter anderem um den Klub Krzywego Koła, den Klub Spalony Bezpiecznik, den Klub im. Karola Marksa und den Klub Inteligencji Katolickiej. In Posen engagierten sich der Klub Wyboje und der Klub Zielony Semafor. In Krakau entstand der Klub Czerwony Pomidor und in Lublin der Klub Akcenty.150 Neben einer Vielfalt an kulturellen und politischen Aktivitäten, die diese – in der heutigen Begrifflichkeit  – zivilgesellschaftlichen Initiativen entfalteten, konnten sie auch ein wichtiges Set an Möglichkeiten des freien Meinungsaustausches und der gesellschaftlichen Teilhabe bereitstellen. An diesen Orten konnten jene habituellen und intellektuellen Praxen generiert werden, die das Milieu der hier untersuchten Personen erst zu einem dissidenten konstituierten. Drei für die Entstehung und Entwicklung des linken Milieus besonders wichtige Klubs sollen daher ­exemplarisch vorgestellt werden  – der innerhalb des Warschauer Bildungsbürgertums wirkende Klub Krzywego Koła, der unter Warschauer Studierenden entstandene Polityczny Klub Dyskusyjny und der Warschauer Gymnasias­ ten umfassende Klub Poszukiwaczy Sprzeczności. Das Kapitel fragt nach den Anfängen und der parteipolitisch motivierten Abwicklung dieser drei Organisationen, nach ihren Trägerschichten, ihren Themenschwerpunkten und ihren Leitmotivationen. Es untersucht Personal ebenso wie Praxis und beleuchtet klubübergreifende, für die Rekrutierung und Vergesellschaftung des dissidenten Milieus zentrale Kontinuitätslinien. 150 Vgl. Jedlicki, Klub (Paris 1963) beziehungsweise ders., Klub (Warschau 1989), S. 67. Die folgende Analyse stützt sich auf die zuletzt genannte, in Polen veröffentlichte Neuausgabe. Bis auf diese Arbeit sind derzeit noch keine monografischen Studien zur Zusammensetzung und Wirkung der genannten Klubs erschienen. Eine Ausnahme bildet jedoch die mittler­ riszke, Oaza. weile gut erforschte Arbeit des Klubs der Katholischen Intelligenz in Polen, vgl. F

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1.3.1 Die Wütenden oder der Klub Krzywego Koła Nicht nur hinsichtlich der Zusammensetzung seiner Mitglieder, zu denen unter anderem die schillernde Figur eines Soziologen wie Czesław Czapów151 gehörte, sondern auch aufgrund der Umstände seiner Gründung gehört die Ent­stehung des Klubs Krzywego Koła zu einem der interessantesten Kapitel der pol­nischen Nachkriegsgeschichte.152 Initiiert von dem in Warschau in der ul. Krzywego Koła ansässigen und dem Klub damit seinen Namen gebenden Ehepaar Ewa und Juliusz Garztecki, gehörte er zu einer Initiative, die zwar nicht von der Partei oder den Staatssicherheitskräften ausging, jedoch in enger Abstimmung mit ihnen entwickelt wurde.153 Von den auf diese Weise erlangten Informa­tionen versprachen sich die entsprechenden Regierungsinstanzen eine Möglichkeit der Kontrolle der während des einsetzenden »Tauwetters« im Untergrund entstehenden informellen Kreise und Gruppierungen. Es ging darum, einerseits Einsicht in die Entwicklung bestimmter Strömungen im intellektuellen Leben Warschaus zu erlangen und andererseits diese Strömungen durch einen gewissen Grad an Beeinflussung mit den Leitlinien der Partei zu vereinen.154 In einem Bericht aus dem Jahr 1963 erinnerte sich Ewa Garztecka, dass die Idee, gesellschaftliche Treffen zu organisieren, von ihrem Mann ausgegangen und, im Frühjahr 1955, mit dem Einzug in die dem Paar neu zugeteilte Wohnung zusammengefallen war. »Es ging uns dabei«, so Garztecka, die für den UB unter dem Pseudonym »Tkanina« fungierte, »um die Herstellung der Möglichkeit, 151 Czesław Czapów wurde im September 1953 zusammen mit anderen Kollegen aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Gruppe der sogenannten Personalisten verhaftet und am 10.  Dezember 1953 aufgrund einer überraschenden Einstellung des Verfahrens freigelassen. Czapów, der bis in die 1960er-Jahre hinein erst vom UB, dann vom SB beschattet wurde, täuschte, um der ständigen Verfolgung zu entgehen, im Oktober 1954 seinen eigenen Tod durch Ertrinken vor und versteckte sich anschließend über ein Jahr unter anderem bei Verwandten in Schlesien, vgl. Friszke, Początki, S. 67. 152 Erst seit kurzer Zeit erfährt der Klub erhöhte Aufmerksamkeit in der Forschung, deren wichtigste Ergebnisse zwischen 2004 und 2007 veröffentlicht wurden, vgl. Friszke, Początki, S. 4–45; Ceranka, Ludzie, S. 89–134 und ders., Zamknięcie, S. 72–100. Im Rahmen dieser Publikationen erschienen auch erstmalig Auflistungen aller bislang rekonstruierter Mitgliederdaten (Ceranka) und Treffen sowie Themen des Klubs (Friszke), auf die sich der hier vorliegende Text weitestgehend stützt. Hinzu kommt die bereits zitierte ältere Darstellung von Witold Jedlicki, einem in den 1960er-Jahren nach Paris emigrierten Mitglied des Klubs Krzywego Koła. In Vorbereitung befindet sich darüber hinaus eine Dis­sertationsschrift, die Paweł Ceranka unter dem Titel »Klub Krzywego Koła jako salon polityczny i kulturalny Warszawy 1955–1956« derzeit in Warschau anfertigt. 153 Vgl. Friszke, Początki S. 45 und S. 74. Die gleiche Meinung vertrat bereits in den 1960erJahren Witold Jedlicki, der ebenfalls davon ausgegangen ist, dass es sich bei der Gründung des Klubs nicht um eine etwaige »Provokation« der Staatssicherheit gehandelt habe, vgl. Jedlicki, Klub, S. 161. Eine etwas andere Lesart der Ereignisse versucht Ceranka, mit ­Friszke polemisierend, in Ceranka, Sprawa, S. 86–102 vorzuschlagen. Vgl. hierzu auch die Replik von Friszke auf S. 100–102 desselben Aufsatzes. 154 Vgl. Friszke, Początki, S. 48.

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einer Plattform gewissermaßen, im Rahmen derer verschiedene Menschen sich mit unterschiedlichen Einstellungen, unterschiedlichen Meinungen – selbst solchen, die nicht unseren Ansichten entsprachen  – treffen, aussprechen konnten und im Rahmen derer diese, innerlich frei, weil in einem privaten, freundschaftlichen Bezug geäußerten Ansichten von unserer Seite aus berichtigt und mit dem richtigen ›Parteilicht‹ ausgeleuchtet werden konnten.«155 Mit diesem Argument und mit einem vom 21.  September 1955156 datierten Schreiben, das an das Zentralkomitee der Partei – zu Händen des damaligen Vize­ premiers ­Jakub Berman und des Sekretärs des Zentralkomitees der PZPR Jerzy Morawski  – gerichtet war, ersuchte die Gruppe offiziell um Erlaubnis für ihr Vorhaben. Sie gab das Frühjahr 1955 als den Beginn ihrer Aktivitäten, den Namen Klub Krzywego Koła als ihren Arbeitsnamen, den Kulturbund in der DDR als einen Referenzpunkt und die Zahl 30 als ihre derzeitige Mit­gliederanzahl an. Die Mitglieder würden sich aus »Parteiangehörigen ebenso wie aus Unparteiischen und dabei aus fortschrittlichen bis zu gänzlich reaktionären Kräften zusammensetzen.« Die Gruppe verfolgte darüber hinaus auch weiterführende Ziele: Langfristig sollte mithilfe der zuständigen Stellen auf Staats- und Parteiebene die landesweite Klubarbeit reorganisiert und einem zentralen Verband unterstellt werden, dessen Kern der Klub Krzywego Koła bilden würde. Seine Aufgabe sollte es sein, die regionalen Klubs, ihre Mitgliedschaften, ihren organisatorischen Zusammenhalt und die Form ihrer Arbeit zu koordinieren. Nachdem Berman persönlich über die Einrichtung des Klubs entschieden hatte, konnte er ab Oktober 1955 legal und von allen hierfür als notwendig erachteten Instanzen »abgesegnet« seine Tätigkeit aufnehmen.157 Vergleicht man den Ausbau des Klubs mit dem Aufbau anderer dissidenter Organisationen, so werden vor allem zwei charakteristische Ähnlichkeiten deutlich: Zum einen die ausschließlich über Freundschaften, Bekanntschaften und kollegiale Netzwerke, das heißt über persönliche Referenzen gestaltete Rekrutierung und zum anderen die sich daraus ergebende elitäre, exklusive und – wenn auch nur hinsichtlich des sozialen und kulturellen, weniger hinsichtlich des politischen Standpunkts – homogene Zusammensetzung seiner Mitglieder. Bereits die ersten von ihnen wurden ausschließlich aufgrund ihrer persönlichen Verbundenheit mit dem Ehepaar Garztecki ausgesucht. Es handelte sich dabei vor allem um Parteiangehörige, wie etwa Krystyna Arciuchowa, Mitarbeiterin 155 Vgl. Notatka Tkaniny dotycząca Klubu Krzywego Koła z 23 IX 1963, AIPN 0236/175 t. 1, S. 389, hier zitiert nach Friszke, Początki, S. 74. 156 Die Wiedergabe des Datums des Schreibens weicht in der Literatur voneinander ab. Während Friszke den 21.9.1955 angibt, vgl. ders., Początki, S.  52, verweist Ceranka auf den 4.10.1955, vgl. ders., Ludzie, S. 91, wobei zu vermuten ist, dass es sich bei dem früher datierten Text um das der Partei vorgelegte Original des Briefes und bei dem später datierten um eine Kopie der Staatssicherheitskräfte handelt. Zu den Unterzeichnern des Schreibens zählten Ewa sowie Juliusz Garztecki, Krytstyna Arciuchowa, Stefan Król, Marek Perlman, Zbigniew Sufin und Krystyna Karkowska. 157 Vgl. Friszke, Początki, S. 52 ff. sowie Ceranka, Ludzie, S. 90 ff.

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des Ministeriums für Kunst und Kultur, oder Stefan Król, Mitarbeiter der Abteilung für Parteigeschichte beim ZK der PZPR, und Marek Perlman, Berater des Ministeriums für Kunst und Kultur, später Redaktionsmitglied der Zeitschrift Po Prostu.158 Ihr Ziel war es, Diskussionen über gesellschaftlich relevante Themen anzustoßen, in Form von Referaten aufzubereiten und auf dem Wege der Veröffentlichung von Artikeln einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Für diesen Zweck wurde zu Beginn des Jahres 1956 das Publikationsorgan Nowy Nurt159 gegründet, zur stärkeren Bekanntmachung des Diskussions­ klubs hingegen die persönliche Anwerbung weiterer Mitglieder verabredet. Von April bis Juli 1955 kam es zu zehn, jeweils donnerstags in der Wohnung des Ehepaars Garztecki stattfindenden Treffen, bei denen circa fünf bis 15 Personen anwesend waren, darunter auch Gäste, die später nicht zwingend Mitglieder des Klubs wurden. Im Anschluss an die Treffen, die in der Regel um sechs Uhr abends begannen, traf man sich im Klubcafé, um den Abend bei einem Glas Wein und Gesprächen zu Ende zu bringen.160 Nach dem unter anderem mit der wachsenden Mitgliederzahl begründeten Umzug des Klubs in das Haus der Kultur am Alten Markt in Warschau wurde im Dezember 1955 der erste Vorstand mit Stefan Król als Vorsitzendem, Juliusz Garztecki als Vizevorsitzendem und Stefan Wajcman als Sekretär gewählt. Zum diesem Zeitpunkt zählte der Klub bereits 60, am 1. Januar 1956 78, am 6. März 1958 197, am 19. März 1959 210, am 9. November 1959 219 und im Februar 1962 schließlich 292 feste Mitglieder.161 Die Donnerstagstreffen wurden über den Einbezug der bekannten Mitglieder hinaus durch schriftliche Einladung an jeweils um die 200 bis 300 besonders interessierte, thematisch ausgewiesene und in der Kartei des Sekretariats gelistete Persönlichkeiten beworben. Mit der Schließung des Klubs im Februar 1962 zählte diese ungefähr 1.200 Einträge, so dass neben den 292 festen Mitgliedern162 um die 1.000 weitere Personen wissenschaftlichen, künstlerischen, jour158 Vgl. Ceranka, Ludzie, S. 90. 159 Vgl. Friszke, Początki, S. 47. Zur Redaktion des Nowy Nurt gehörten neben Juliusz Garz­ tecki auch Ewa Brzozowska, Ernest Bryll, Bożena Kowalska, Stefan Król, Sławomir Kryska, Andrzej Lam, Jerzy Mikke, Michał Stalski, Renata Strzewska, Wojciech Wieczorek und Danuta Zabłocka, vgl. ebd. S. 60–61, Fußnote 36. 160 Vgl. Jedlicki, Klub, S. 95. 161 Vgl. Ceranka, Ludzie, S. 90–91 und Friszke, Początki, S. 57–58. Zu den weiteren Mitgliedern des Vorstandes zählten Krystyna Karkowska aus Stettin, Roman Prokulewicz aus Łańcut und Wanda Goebel aus Posen. Bis Mitte März wurde seine Zusammensetzung unter anderem dadurch verändert, dass Ewa Garztecka Sekretärin und der später dem SB zuarbeitende Roman Szczurkowski Schatzmeister wurden, vgl. Friszke, Początki, S. 57. 162 Die Zahlenangaben von Ceranka sind widersprüchlich, da er die Gesamtzahl der Klubmitglieder an einer Stelle mit Witold Jedlicki auf 292 (Ceranka, Ludzie, S. 96), an anderer jedoch (Ceranka, Ludzie, S. 98) mit 298 angibt. In der von ihm angefügten Auflistung der Mitglieder und Referenten des Klubs werden hingegen 389 Personen gelistet. Im Folgenden stütze ich mich auf meine eigenen Berechnungen und auf die von Jedlicki angegebene Zahl von 292 festen Mitgliedern, vgl. Jedlicki, Klub, S. 94 ff.

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nalistischen oder literarischen Ursprungs zu den ständigen Sympathisanten des Klubs gezählt werden dürfen. Neben privaten Adressen erhielt die Kartei auch die Koordinaten zahlreicher Zeitungen und Zeitschriften, die Anschriften verschiedener Verlagshäuser, der wichtigsten wissenschaftlichen und kulturellen Verbände, verschiedener staatlicher Institutionen, wie des Polnischen Radios, sowie die Namen ausgewählter Betriebe, unter anderem einer Automobilfabrik (Fabryka Samochodów Osobowych, FSO) in Żerań. Auch Mitglieder der Partei, unter anderem Mitarbeiter des Zentralkomitees und des Warschauer Komitees der PZPR, wurden eingeladen. Anhand des überlieferten Quellenmaterials konnten die Berufe von 268 Mitgliedern des Klubs rekonstruiert werden: 48 von ihnen waren Soziologen, 40 Journalisten, 22 bildende Künstler, 19 Ökonomen, weitere 19 Schauspieler oder Regisseure, 17 Juristen, 16 Historiker, 15 Schriftsteller und Literaturkritiker, 14 Ingenieure, elf Philosophen und zehn Verwaltungsleute im Staatsdienst.163 Andere Berufe, darunter Ärzte, Architekten, Physiker, Pädagogen und Lehrer, waren seltener, aber ebenfalls vertreten, anders als nicht akademische Berufe, die eher eine Ausnahme bildeten. Eine solche Ausnahme war der dem Klub zwar offiziell nicht angehörende, aber durch den Literaturkritiker Jan Józef Lipski persönlich eingeführte Schüler Adam Michnik. Die Auszeichnung, die die Zugehörigkeit des zum damaligen Zeitpunkt erst 15 Jahre alten Jungen zu einem, wie er selbst sagte, der »modischsten Salons Warschaus«164 bedeutete, kann für die spätere Entwicklung seiner »dissidenten Karriere« nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie eröffnete ihm nicht nur den Zugang zu einer Reihe intellektuell anspruchsvoller und politisch brisanter Diskussionen. Sie ermöglichte ihm auch den Aufbau von persönlichen Kon­takten, die wiederum als Referenz für den Zugang zu weiteren intellektuellen und politischen Netzwerken dienen würden. Die ältesten Mitglieder des Klubs wurden um 1886, die jüngsten um 1941 geboren, wobei vor allem die mittlere, in der Zwischenkriegszeit geborene Alterskohorte für den weiteren Verlauf des Klubs bestimmend werden sollte. Zu den wichtigsten Mitgliedern und Referenten des Klubs zählten der als anar­ chistischer Theoretiker und Freimaurer bekannte Jan Wolski, der Ökonomieprofessor Edward Lipiński, das Soziologen- und Professorenehepaar Maria und Stanisław Ossowski, die Juristin Aniela Steinsbergowa und die Schriftstellerin Maria Dąbrowska, der Dichter Kazimierz Brandys, der Schriftsteller und Komponist Stefan Kisielewski, der Historiker und spätere Warschauer Universitätsrektor Aleksander Gieysztor, der Soziologe Julian Hochfeld, der Ökonom Oskar Lange sowie der zunächst nahe mit Władysław Gomułka zusammen­ arbeitende, ihn später aber scharf kritisierende Politiker Władysław Bieńkowski. Hinzu kamen die Historiker Władysław Bartoszewski, Adam Kersten und Jerzy ­Jedlicki, die Soziologen Anna Rudzińska, Stefan Nowak, Zygmunt Skórzyński,

163 Vgl. Ceranka, Ludzie, S. 95–96 und S. 99. 164 So Michnik, Z defektem, S. 114.

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Jan Strzelecki, die Philosophen Witold Jedlicki und Leszek Kołakowski, der Soziologe und Philosoph Czesław Czapów, der Ökonom Włodzimierz Brus sowie der Literaturkritiker Jan Józef Lipski. Zusammen mit dem Historiker Krzysztof Pomian, der zu den Jüngsten im Klub gehörte, handelte es sich insbesondere bei den zuletzt genannten Personen um jene, die in den folgenden Jahren aufgrund ihrer zunehmend kritischen Einstellung in oppositionelle Netzwerke innerhalb Warschaus Eingang finden würden.165 Seinen stärksten Zulauf, insbesondere aus dem Umfeld jüngerer, nicht mehr zwingend zur PZPR gehörender, kritischer Intellektueller erfuhr der Klub während des Jahres 1956. Begünstigt wurde dies nicht nur durch seine rasch gewachsene Prominenz im gesellschaftlichen und intellektuellen Leben der Hauptstadt, sondern auch durch eine Reihe weiterer Faktoren auf nationaler und internationaler Ebene, zu denen unter anderem die innerparteilichen Konflikte der PZPR zu zählen wären.166 In den Staatssicherheitsakten bald genauestens beschrieben und abwechselnd als »die Jungen« oder »die Wütenden« bezeichnet, gruppierten sich die neuen Mitglieder vor allem um die Person von Jan Józef Lipski, der 1949 sein Studium der Polonistik an der Warschauer Universität abgeschlossen und um 1956 bereits ein beachtliches Renommee als Literaturkritiker vorzuweisen hatte.167 Im Gegensatz zu den frühen Begründern des Klubs hatte Lipski keinerlei Verbindungen zur Partei oder den Staatssicherheitskräften, vielmehr beruhte seine zunehmend erstarkende Rolle im Klub auf seiner allgemeinen Beliebtheit und seinem ausschweifenden Netz an Freunden, Bekannten und Kollegen.168 Viele von ihnen stammten noch aus der Kriegsund unmittelbaren Nachkriegszeit, die er als Angehöriger der Heimatarmee (Armia Krajowa) und als Mitkämpfer im Warschauer Aufstand erlebt hatte. In den Jahren 1951 bis 1953 zählte er zu den Mitgliedern eines von Studenten des Soziologen Stanisław Ossowski gegründeten und von den Staatssicherheitskräften als Personalisten bezeichneten Diskussionsklubs, der sich bis zur Verhaftung und Auflösung der Gruppe mit der Idee eines katholischen, dem Marxismus gegenübergestellten Personalismus beschäftigte. Ein weiteres Umfeld von Lipski bildete die Zeitschrift Po Prostu, für die er in den Jahren 1956 bis 1967 als Leiter des Kulturressorts beschäftigt war. Aus dieser Zeit stammte auch seine Freundschaft zu dem später für die demokratische Opposition arbeitenden Rechtsanwalt Jan Olszewski. Andere Mitarbeiter des Po Prostu, unter anderem die Journalisten Jerzy Urban und Stefan Bratkowski, begannen nach der Liquidierung der Zeitschrift, die als das führende Organ der Reformbestrebungen des Jahres 1956 galt, eine nähere Anbindung an den Klub Krzywego Koła zu suchen.169 165 Vgl. Ceranka, Ludzie, S. 99 sowie Ceranka, Lista, S. 102–134. 166 Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 2.1.2 der Arbeit. 167 Vgl. Friszke, Art. Jan Józef Lipski, S. 200–205. 168 Vgl. Jedlicki, Klub, S. 89. 169 Vgl. Friszke, Początki, S. 66 und Ceranka, Ludzie, S. 93–94.

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Lipski und seinen Mitstreitern gelang es binnen kurzem, über die strate­ gische Neuausrichtung des Klubs zu bestimmen. Den Anfang der Entwicklung machte der Rückzug der beiden bisherigen Führungspersönlichkeiten, Juliusz Garztecki und Stefan Król, die im Mai 1956 ihre Ämter niederlegten, um sich ganz dem Aufbau der landesweiten Klubkoordinationsstelle zu widmen, die mit der Unterzeichnung ihres Gründungsdokumentes am 15. April 1956 als Überregionaler Kooperationsverband der Klubs der Intelligenz (­Krajowy Ośrodek Współpracy Klubów Inteligencji, KOWKI) offiziell ihre Arbeit aufnahm.170 Mit der Aufgabe der bisherigen, aktiven Funktionen seitens der beiden Aktivisten trat innerhalb des Klubs ein Machtvakuum ein, dass die jüngeren, demokratisch orientierten Mitglieder rasch für sich ausnutzten. Nach der Wahl eines neuen Vorstandes am 10. Mai 1956 gewann neben Jan Strzelecki als Vorsitzendem und Ewa Garztecka als Vizevorsitzender vor allem jene Gruppe junger Soziologen an Einfluss, die sich bereits seit Januar 1956, in Teilen an die frühere Arbeit der sogenannten Personalisten anknüpfend, innerhalb einer gesonderten Sektion mit gesellschaftlichen Studien beschäftigte. Ein »antitotalitäres Linkssein, das Verwerfen des Kommunismus, die Suche nach Inspirationen in weiter entfernter und gegenwärtiger demokratischer sozialistischer Tradition«171 bildeten die Identifikationspunkte der um Jan Strzelecki gruppierten Intellektuellen. Sie hatten in den ersten Wochen des Jahres 1956 eine Analyse sozialdemokratischer Totalitarismusideen und -theorien erarbeitet. Die Arbeit unter dem Titel »Eine sozialdemokratische Theorie des Totalitarismus im Spiegel von Fakten, Fragen und Zweifeln« wurde am 14. Juni 1956 nach einem einführenden Referat von Czapów innerhalb, später auch außerhalb des Klubs diskutiert und verbreitet.172 Darüber hinaus beschäftigte man sich in der Sektion für gesellschaftliche Studien, die wie die anderen mittlerweile entstandenen Sektionen – darunter war ein eigener Jazz-Klub, eine zeitgenössische Galerie und ein Theater  – selbstständig und ohne vorherige Konsultation mit dem Vorstand agieren konnten, mit Problemen der Diktatur des Proletariats, mit der Wiedereinführung der Möglichkeit zum Streik und mit der Frage der Arbeiter-

170 Zu den Unterzeichnern zählten neben dem KKK sechs weitere Klubs: das Organisations­ komitee des Klubs der Katholischen Intelligenz in Krakau und die Redaktion der Zeitschrift Szkice, der Gesellschaftliche Diskussionsklub Posen, der Diskussionsklub der Intelligenz und die sogenannte Gruppe 55 in Posen, die Gruppe 14 in Rzeszów, der Diskussionsklub Za­ miast Korytarza, der Warschauer Diskussionsklub Spalony Bezpiecznik sowie stellvertretend für den Warschauer Jazz-Klub Lech Laudański und für die Redaktion des Nowy Nurt Juliusz Garztecki. Die Landesvertretung bekam ihren Sitz im Hotel sejmowy in der ul. Wiejska N. 4. Stefan Król wurde Vorsitzender, Juliusz Garztecki Vizevorsitzender und Roman Szczurkowski Leiter der Organisationsabteilung des KOWKI, vgl. Friszke, Początki, S. 60–61 sowie Ceranka, Ludzie, S. 92. 171 So Friszke, Początki, S. 67, ähnlich Ceranka, Ludzie, S. 92. Zu der Gruppe zählten neben Jan Strzelecki unter anderem Zygmunt Skórzyński, Czesław Czapów und Stefan Nowak. 172 Vgl. Friszke, Początki, S. 68 und ders., Wykaz, S. 78–86, hier S. 79.

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räte.173 Man pflegte Kontakte sowohl zu westlichen Forschungsinstitutionen, wie etwa des Britischen Instituts in Warschau, als auch zu Arbeitern der Automobilfabrik in Żerań, deren Bestrebungen hinsichtlich der Ermöglichung von Arbeiterselbstverwaltungen man förderte. Mit der Wahl eines neuen Vorstands am 10. Februar 1957 war Lipski nicht nur faktisch, sondern auch offiziell Vorsitzender des Klubs geworden. Ewa Garztecka zog sich zurück und nahm dabei, so wird vermutet, alle Dokumente mit sich, die die erste Zeit des Klubs dokumentieren.174 Der Entwicklung der Ereignisse vorausgegangen war eine Diskussion über die weiteren Perspek­ tiven des Klubs, innerhalb derer sich zwei nicht mehr miteinander in Einklang zu bringende Standpunkte herauskristallisierten. Der um Ewa Garztecka gruppierte, gemäßigte Kreis vertrat die Auffassung, dass der Klub zwar eine positive Rolle im bisherigen Prozess der politischen Erneuerungen gespielt, dass er sich aber im weiteren Verlauf aufgrund des Mangels an entsprechendem Spezia­ listenwissen aus diesem Prozess herauszuhalten habe. Dies widersprach der Einstellung der jüngeren Mitglieder. Ihrer Ansicht nach sollte der Klub die Rolle eines Ortes der öffentlichen Meinungsbildung übernehmen und zur offenen Unterstützung anderer, neu entstehender Klubs und Arbeiterräte befähigt werden. »Polemisch, scharf und nicht frei von persönlichen Angriffen«175 wurde, so der Historiker Andrzej Friszke, eine Diskussion geführt, in deren weiteren Verlauf Lipski schließlich ganz offen forderte, dass der Klub Krzywego Koła in »eine legale Form politischer Opposition in Polen«176 überführt werde. Mit der neuen Zusammensetzung der Gruppe änderte sich auch der inhalt­ liche Schwerpunkt ihrer Klubdiskussionen. Während im Verlauf des Jahres 1956 insgesamt 29 Treffen abgehalten wurden, von denen nur 13 politische, ökonomische oder soziologische Fragestellungen und die meisten anderen Probleme der Ethik, Kunst und Religion thematisierten, waren es 1957, mit der Übernahme des Vorstands durch Jan Józef Lipski, bereits 26 von 30 Referaten, die im engeren Sinne politisch relevante Themen betrafen. 1958 kam es zu insgesamt 34 Treffen mit 25, 1959 zu ebenfalls 34 Treffen mit 22 politisch motivierten Vorträgen. Mit der verstärkten Beobachtung des Klubs seitens der Staatssicherheitskräfte nahm diese Tendenz ab 1960 wieder ab, so dass es in diesem Jahr zu nur noch sieben Vorträgen politischen Inhalts bei insgesamt 35 und 1961 zu zehn entsprechenden Referaten bei ebenfalls 35 Diskussionsterminen kam. 173 Die Galerie des Klubs war aus den Aktivitäten der sogenannten Gruppe 55 (Marian ­Bogusz, Zbigniew Dubak, Kajetan Sosnowski) hervorgegangen. Sie stellte zunächst in privaten Wohnungen eigene sowie die Werke anderer polnischer Künstler aus, trat dann dem Klub Krzywego Koła bei und begründete dort die Galerie, der das zweite Stockwerk des Hauses der Kultur in der Altstadt zugewiesen wurde. Der ehemals konspirativ geführte Jazz Club wurde durch Stefan Wysocki zum Klub hinzugeführt, die Theatersektion wurde von Dolly Korewa geleitet, vgl. Ceranka, Ludzie, S. 97 und Friszke, Początki, S. 57–58. 174 Vgl. Ceranka, Ludzie, S. 92; Friszke, Początki, S. 70–73 und Jedlicki, Klub, S. 77 und S. 85 ff. 175 Vgl. Friszke, Początki, S. 73. 176 Vgl. ebd., S. 71.

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1962 wurde der Klub seitens des Parteiapparates geschlossen, nachdem er vorab noch vier letzte Vortragsabende veranstaltet hatte, unter anderem, am 18.  Januar 1962, eine von Tadeusz Kotarbiński geleitete »Zusammenfassung der Diskussion über die Freiheit des Wortes« und, am 25. Januar 1962, einen Vortrag von Paweł Jasienica über »Die polnische Anarchie«.177 Hinzu kamen weitere, von den Mitgliedern des Klubs beschlossene und während ihrer Donnerstagstreffen diskutierte Initiativen, wie zum Beispiel die Idee Lipskis, eine an das Beispiel der Front der Nationalen Einheit (Front Jedności Narodu) anschließende Oktoberfront (Front Październikowy) zu initiieren. Als demokratische Bewegung mit Partnern innerhalb anderer Diskussionsklubs, Zeitschriften und Arbeiterräten sollte diese das Monopol der Front der Nationalen Einheit bei der Ausgestaltung von Wahlen zum polnischen Parlament – unter anderem durch ihr zunächst faktisches, seit 1976 dann legales, alleiniges Recht zur Benennung von Kandidaten  – durchbrechen und so eine größt­ mögliche Demokratisierung des Wahlprozesses garantieren. Das Projekt erfuhr scharfen Widerstand innerhalb der Partei und scheiterte, allerdings nicht ohne vorher zweifach, am 18. Oktober und am 13. Dezember 1956, im Klub Krzywego Koła diskutiert zu werden.178 Für einen belesenen, meist mehrere europäische Sprachen beherrschenden und entweder beruflich oder über familiäre Kontakte vielfach vernetzten bildungsbürgerlichen Kreis wenig überraschend ist auch der Befund der internationalen Ausrichtung seiner Vorträge. So berichteten beispielsweise Leszek Kołakowski und Jan Strzelecki am 3.  Oktober 1957 von ihrer Teilnahme an den Rencontres Internationales de Genève, die zum Thema »L’Europe et le monde d’aujourd’hui« veranstaltet und zu denen neben ihnen auch die Philo­ sophin und Jaspers-Schülerin Jeanne Hersch und der Philosoph und Marxist Henri ­Lefebvre eingeladen worden waren.179 Bei den anderen international orien­tierten Themen fällt vor allem deren starker Fokus auf die Intellektuellen Frankreichs und insbesondere die französische Linke einerseits und auf die USA andererseits auf. Krzysztof Pomian hielt am 5. Januar 1956 einen Vortrag über die »französische Intelligenz« und am 7.  November 1957 über den Existenzialismus bei Sartre. Am 29. November 1956 sprach Jan Strzelecki über die »Situation der französischen Linken« und am 8. Juni 1957 Mieczysław Bibrowski über »Algerien und die französischen Intellektuellen«. Während dieses Interesse mit der starken, bereits aus den Emigrationsbewegungen des 19. Jahrhunderts stammenden Verflechtung polnischer Intellektueller mit Frankreich zu erklären ist, ist die Beschäftigung mit US-amerikanischen Themen vermut177 Meine Berechnungen stützen sich auf die genannte publizierte Fassung der Treffen des KKK, die auf der Grundlage der überlieferten Kartothek von Lipski erstellt worden ist. Die im Folgenden aufgezählten Themen sind alle dieser Auflistung zu entnehmen. 178 Vgl. Friszke, Początki, S. 70 und ders., Wykaz, S. 79. 179 Alle Berichte der bis heute stattfindenden Rencontres Internationales de Genève sind unter http://www.rencontres-int-geneve.ch/bibliotheque.html gelistet und veröffentlicht, zuletzt eingesehen am 29.06.2009.

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lich eher aus der politischen, die Arbeit des Klubs grundsätzlich determinierenden Atmosphäre des Kalten Krieges zu verstehen. Dies wird auch an den besprochenen Themen deutlich, die sich hier weniger auf intellektuelle Werke als auf zeitgenössische, oft in Form von Reiseberichten vorgebrachte Beobachtungen der politischen Lage in den USA konzentrierten. Erst 1961 lassen sich zwei stärker inhaltlich orientierte Vorträge finden. Am 2.  Februar 1961 referierte Włodzimierz Hagemajer über William Whytes Buch »The Organisation Man« und am 23. Februar 1961 Stanisław Ehrlich über den Lobbyismus im amerikanischen Parlament.180 Insbesondere mit seiner Idee der Oktoberfront hatte Lipski die Grenze zwischen passiver, staatlich kontrollierter Diskussion und einem aktiven, als staatsfeindlich empfundenen politischen Engagement überschritten. Erringung von Sphären der »Freiheit für die Aktivität reaktionärer [und] vordringlich klerikaler Elemente«, Durchführung einer »Revolution in der Revolution«, »Ver­tiefung der Demokratisierung«, »Verselbststständigung von der UdSSR«, der »Bruch mit dem Monopol der marxistischen Weltanschauung« und die »Vorbereitung auf eine Wahlaktion«181 wurden dem Klub seitens der Staatssicherheitskräfte zur Last und seine Schließung den entsprechend zuständigen Stellen nahe gelegt. Lipski verlor seine Beschäftigung im staatlichen Verlagsinstitut, der über­ regionale Klubverband seine Subventionen und der Klub Krzywego Koła seine Lega­lität.182 Was die eigentliche Schließung des Klubs auslöste, ist in der entsprechenden Forschung umstritten und vermutlich nur aus dem Einbezug mehrerer, aufeinander bezogener und sich gegenseitig verstärkender Faktoren zu verstehen. Neben der zunehmenden Radikalisierung und Verselbstständigung der politischen Ziele des Klubs werden auch seine unklare rechtliche Situation hinsichtlich der Nutzungsrechte am Haus der Kultur in der Altstadt sowie seine Verflechtung mit sogenannten »staatsfeindlichen« Elementen im Ausland und hier ganz besonders mit der in Paris von Jerzy Giedroyc herausgegebenen Zeitschrift Kultura eine Rolle gespielt haben. Zeitgleich mit der Verschärfung der Maßnahmen der Staatssicherheitskräfte gegen den Klub fand zu Beginn der 1960er-Jahre ein Prozess gegen das Klubmitglied Anna Rudzińska statt, die wegen der Einfuhr der Pariser Zeitschrift Kultura zu einem Jahr Gefängnishaft verurteilt wurde.183 Den unmittelbaren Anlass für die beschleunigte Schließung des Klubs lieferte jedoch ein Kriminaldelikt, dessen Bewertungen in der Literatur bis heute zwischen dem Glauben an eine polizeiliche Provokation und 180 Bei den Reiseberichten handelte es sich um Vorträge von Grzegorz Jaszuński (20.9.1956), Stefan Nowakowski (19.2.1959) und Dominik Morawski (26.2.1959). 181 Vgl. Friszke, Początki, S. 62. 182 Vgl. Ceranka, Zamknięcie, S. 72–100, hier S. 75. 183 Vgl. Ceranka, Zamknięcie, S. 77. Mehrere Mitglieder und Referenten des Klubs hatten persönlichen Kontakt zur Kultura, was aus den Archivbeständen der Pariser Zeitschrift zu ersehen ist, vgl. Korespondencja Jerzego Giedroycia z Janem Józefem Lipskim, AIL ML; Korespondencja Jerzego Giedroycia z Leszekiem Kołakowskim, AIL ML sowie Korespondencja Jerzego Giedroycia z Witoldem Jedlickim, AIL ML.

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eine, von den zuständigen Stellen gekonnt ausgenutzte, »unglückliche Verkettung von Zufällen« schwanken.184 Am 1. Februar 1962 war es im Anschluss an einen Vortrag des parteitreuen Philosophen Adam Schaff mit dem Titel »Konflikte des Humanismus« zu einer Schlägerei im Klub Krzywego Koła gekommen. Bei den Beteiligten handelte es sich um Schaffs Assistenten Jan Matasiak und den angetrunkenen Zuhörer Waldemar Kasprzak. Die handgreifliche Auseinandersetzung wurde durch die herbeigerufene Polizei beendet, von der Partei und dem Innenministerium allerdings als Racheakt an Schaffs Assistenten wegen seines Eintretens für die in der Diskussion angegriffene marxistische Weltsicht seines Chefs gewertet. Die Entscheidung des Warschauer Komitees der PZPR zur Schließung des Klub Krzywego Koła folgte am 5. Februar 1962. Einen Tag später, am 6. Februar 1962, wurde das Haus der Kultur in der Altstadt dem Verband der Sozialistischen Jugend zur eigenen Entscheidung darüber, mit wem dieser die Nutzung des Gebäudes in Zukunft teilen wolle, übergeben. Protestgespräche und -briefe seitens verschiedener Mitglieder des Klubs blieben erfolglos.185 Einen Klub, der sich unter anderem aus ehemaligen Richtern, Professoren und Ministern zusammensetzte und ein hohes gesellschaftliches Prestige genoss, aufgrund seiner Beteiligung an gewaltsamen Ausschreitungen gegen parteitreue Verfechter des Marxismus zu schließen, war ein nur schwer zu begründendes Unterfangen. Der nationalen und internationalen Presse gegenüber wurde die Schließung daher nicht mit diesem, sondern mit dem unbefangeneren Argument von der Selbstauflösung des Klubs begründet. Eine weitere Eskalation der Situation befürchtend, verzichteten die Mitglieder des Klubs auf eine eigene Übermittlung der Ereignisse an die entsprechenden ausländischen Medien – ein zentraler Unterschied zu dem Verfahren, das die Dissidenten der 1970er-und 1980er-Jahre in ihrer ständigen Bemühung um Internationalisierung der ihnen widerfahrenden Repressionen praktizieren würden. Am 16. Februar 1962 informierte Jan Józef Lipski seine Mitglieder telefonisch über die Auflösung des Klub Krzywego Koła und darüber, dass dessen Reaktivierung »in der jetzigen Situation keinerlei Chancen«186 habe. Vor allem Aniela Steinsbergowa und Jan Józef Lipski bemühten sich, meist aus Anlässen ihrer Namens- oder Geburtstage, die Mitglieder des Klubs weiterhin zu kleineren Diskussionskreisen in ihren Wohnungen zu empfangen. Andere Gespräche sind, soweit dies möglich war, im offiziellen Rahmen, beispielsweise im Polnischen Verband der Ökonomen, dessen Vorsitzender Edward Lipiński war, im Verband der Soziologen, in dessen Vorstand 1963 gleich drei ehemalige Klubmitglieder gewählt wurden, im Literatenklub Ognisko, der an den Polnischen Schriftstellerverband angegliedert war, und im Klub der Katho­ 184 Die Provokationsthese wurde vor allem von ehemaligen Mitgliedern des Klubs, die Verkettungsthese wird von Ceranka vertreten, vgl. Ceranka, Zamknięcie, S. 73. 185 Vgl. ebd., S. 79 und S. 82–99. 186 Vgl. Ceranka, Zamknięcie, S. 97–98.

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lischen Intelligenz fortgeführt worden. Vor allem aber fanden sich die Mitglieder des Klub Krzywego Koła in den folgenden Jahren in jenen Kreisen wieder, die ab 1968 nicht mehr lediglich kritische, aber noch immer in Teilen parteikonforme Kritik formulierten, sondern nunmehr unterschiedliche Formen offener Opposition zum kommunistischen Regime bezogen. Maria Ossowska und Paweł Jasienica zählten zu den Mitverfassern des sogenannten Briefes der 34, Jan J­ ózef Lipski und Aniela Steinsbergowa zu den Gründern des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) und Wojciech Ziembiński zu den Mitbegründern der Bewegung zur Verteidigung der Rechte der Arbeiter und der Bürger (ROPCIO) in Polen.187 1.3.2 Die Kritischen oder der Polityczny Klub Dyskusyjny Von der Einrichtung einer neuen, als regimekritisch eingestuften Diskussions­ gruppe erfuhren die Staatssicherheitskräfte im Oktober desselben Jahres. »Am 18.  Oktober 1962«, so die entsprechende Meldung, »kam es zu einem privaten Treffen mehrerer Personen« bei dem »Jacek Kuroń, Karol Modzelewski, Andrzej Krzysztof Wróblewski von der ›Polityka‹, Andrzej Jarecki, Andrzej ­Drawicz, beide vom STS188 und Teresa Monasterska, ebenfalls Publizistin«,189 anwesend waren. Über Andrzej Drawicz, einen informellen Mitarbeiter des SB, der aufgrund seiner Tätigkeit für das Studentische Satiretheater Zugang zu einigen der genannten Personen hatte und unter dem Pseudonym »Kowalski«190 über sie berichtete, erfuhren die zuständigen Stellen auch von der Zielsetzung und weiteren Treffen der Gruppe. Das erste fand am 25. Oktober, das zweite am 22. November und das dritte am 14. Dezember statt. Thema waren zunächst ein Vortrag des Soziologen Bogdan Jankowski über »Moralische Konflikte im Sozialismus«, dann eine Rede des Ökonomen Włodzimierz Brus über »Probleme unserer Wirtschaft« und schließlich ein Referat des Soziologen Zygmunt Bauman über die »Demokratie im Sozialismus«.191 Ein weiteres Treffen folgte im Februar 1963, eine Diskussion über Fragen des Patriotismus mit dem Publizisten Zbigniew Załuski am 15. März 1963 und eine Diskussion über die gesellschaftliche Rechte mit dem Journalisten Wiesław Mysłek am 22. Mai 1963.192 187 Vgl. ders., Ludzie, S. 90 und S. 100–101. 188 Gemeint sind die Zeitschrift Polityka und das Studentische Satiretheater (Studencki Teatr Satyryków, STS). 189 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Notatka kierownika, S. 341–343. 190 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Notatka starszego, S. 359–360. Eine weitere informelle Mitarbeiterin, der es gelang, an einem Treffen der Gruppe teilzunehmen, war Barbara ­Dziwiszek-Kowalik, geführt unter dem Pseudonym »Amatorka«, vgl. Instytut Pamięci ­Narodowej, Notatka starszego, Fußnote 1, S. 345–348, hier S. 345. 191 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Notatka ze spotkania, S.  344 und Notatka starszego, S. 345–348, hier S. 346. 192 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 84–85.

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Die Gruppe, die sich um die Diskussion der genannten Themen konstituiert hatte, war formell dem Sozialistischen Jugendverband zugeordnet. Mit seinem Einverständnis gelang es ihr, sich als Politischer Diskussionsklub (Polityczny Klub Dyskusyjny) an der Warschauer Universität zu etablieren. Das Personal des Klubs bestand aus jungen, meist auf die dreißig zugehenden Hochschulabsolventen und -assistenten. Sie waren, wie beispielsweise Karol Modzelewski, mit der Abfassung ihrer Dissertationen an der Universität, oder, wie Teresa ­Monasterska, Historikerin am Institut für Parteigeschichte des ZK PZPR, außerhalb der Universität beschäftigt. Von der bereits beschriebenen Gruppe der Mitglieder des Klubs Krzywego Koła unterschied sie ihr junges Alter, ihre beginnende, aber noch nicht konsolidierte berufliche Karriere, aber auch ihre in politischer Hinsicht relativ homogene Haltung. Es handelte sich durchweg um prokommunistisch eingestellte Mitglieder, die über den Klub hinaus in der PZPR oder ihrer Jugendorganisation organisiert waren. Zu den Zielen des Klubs gehörte die Aktivierung der studentischen Jugend, die man stärker für gesellschaftsrelevante Themen zu interessieren suchte. Ein zentrales Ziel war aber auch, wie Andrzej Friszke berichtet, der Versuch, das Interesse der Jugendlichen so zu bündeln, dass es keinen »fremden«, das heißt »nationalistischen, klerikalen oder sozialdemokratischen« Ideologien »verfallen« würde.193 Vorsitzender des Klubs war Karol Modzelewski. Wer darüber hinaus Mitglied und wer lediglich Diskutant war, lässt sich aufgrund des Mangels einer Mitgliedsliste weniger eindeutig als für die anderen hier untersuchten Klubs bestimmen, denn der Klub stand grundsätzlich allen Interessierten an der Warschauer Universität offen. In jedem Fall dazu gehört haben unter anderem Jacek Kuroń, Aleksander Smolar, Stanisław Gomułka, Marek Żelazkiewicz, Waldemar Kuczyński, Marek Kordos, Józef Chajn, Stefan Meller, Bożena Mańkowska, Eugeniusz Chyla, Antoni Zambrowski, Bernard Tejkowski und Jerzy Robert.194 Dass einige der Diskutanten im Gespräch mit Wiesław Mysłek glaubten, »rechte« Tendenzen nicht nur in der katholisch geprägten Bevölkerung, sondern auch im Parteiapparat erkennen und offen kritisieren zu können, war einer von mehreren Gründen, die die Staatssicherheitsbeamten dazu veran­ lassten, die Entwicklung des Klubs einer gesonderten »Beobachtung« zu unterziehen. Ein anderer war die deutliche Kritik, die die Mitglieder des Klubs an den Realitäten der Volksrepublik übten. Dies betraf sowohl die politischen als auch die ökonomischen Zustände in Polen. Man kritisierte die mangelnde Effi­zienz des wirtschaftlichen Systems, die unzureichende Versorgung mit wichtigen Konsumgütern, die katastrophale Lage auf dem Wohnungsmarkt. Hinzu kam die Lektüre als kritisch eingestufter Texte, zu denen beispielsweise M ­ ilovan ­Djilas Buch »Die neue Klasse« zählte. Darüber hinaus versuchte der Klub, seine Diskussionen sowohl auf andere Fakultäten der Universität als auch den ZMS selbst und auf Kreise der polnischen Arbeiterschaft, die Jacek Kuroń über 193 Vgl. ebd., S. 82. 194 Vgl. ebd., S. 84 und S. 91.

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Schulungen zu beeinflussen suchte, auszudehnen. Dem Muster des Jahres 1956 folgend, wollte man die linke Jugend zu einer aktiven, das Regime zwar ideologisch stützenden, aber auch praktisch verändernden Kraft mobilisieren.195 Nachdem ein Mitglied des Klubs, Marek Kordos, wegen seiner wiederholt geäußerten Regimekritik verhaftet worden war, gelang es zwar zunächst, für seine Entlassung zu sorgen. Kuroń sprach diesbezüglich mit dem Generaldirektor des Innenministeriums, Wacław Komar. Hilfe versprachen auch der ehemalige Minister Władysław Bieńkowski und der ehemalige Sekretär des ZK PZPR, ­Edward Ochab. Modzelewski hingegen beschwerte sich im Namen des Klubs über dessen Beschattung durch die Staatssicherheitskräfte beim Sekretär des KW PZPR Zdzisław Żandarowski.196 Die Verschärfung der Maßnahmen, die seitens des Innenministeriums bereits zu Beginn des Jahres gegen den Klub beschlossen worden waren, konnte dies jedoch nicht verhindern. Insbesondere Kuroń gelangte in den Fokus der Staatssicherheitsbehörde, infolgedessen er am 30. September 1963 von seiner Tätigkeit für den Verband der Polnischen Pfadfinder entlassen wurde. Zur formellen Schließung des Klubs kam es – vermutlich aufgrund einer Entscheidung des ZMS in Warschau in Absprache mit dem ZK PZPR – im November 1963.197 1.3.3 Die Rebellischen oder der Klub Poszukiwaczy Sprzeczności Kurz zuvor, im April 1963, stellte die zuständige Abteilung III des Innen­ ministeriums fest, dass im Haus der Kultur in der Warschauer Altstadt ein weiterer Klub ansässig sei. Es handelte sich um den Klub der nach Widerspruch Suchenden (Klub Poszukiwaczy Sprzeczności)198. Der Klub setzte sich aus Schülern verschiedener Warschauer Gymnasien zusammen und war im März 1962 unter anderem auf Initiative von Jan Gross, Adam Michnik, Włodzimierz Kofman und Aleksander Perski gegründet worden.199 Er hatte die Unterstützung des marxistischen Philosophen und Mitglieds des ZK der PZPR Adam Schaff erlangt und wurde über dessen Empfehlung auch von der Organisation des ZMS an der Warschauer Universität unter ihrem damaligen Vorsitzenden Aleksander ­Smolar unterstützt. Offiziell an die Philosophische Fakultät assoziiert, trafen sich die Mitglieder des Klubs anfänglich in Räumen der Warschauer Univer­ sität, des Kulturpalastes und in Privatwohnungen, bevor sie mithilfe eines 195 Vgl. ebd., S. 88 ff. 196 Vgl. ebd., S. 93 ff. 197 Andrzej Friszke verweist darauf, dass Dokumente, die den genauen Entscheidungsprozess, der zur Schließung des Klubs führte, beleuchten würden, fehlen, vgl. Friszke, Anatomia, S. 125 und zur Entlassung Kurońs S. 105. 198 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Informacja starszego, S. 107–137, hier S. 107. 199 Erwähnt werden vier Warschauer Oberschulen: Das Liceum Ogólnokształcące Nr.  II im. Stefan Batory, Nr. VII im. Juliusza Słowackiego, Nr. XI im. Mikołaja Reja und Nr. XIV im. Klementa Gottwalda, vgl. ebd., S. 107.

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Schreibens des ZK des ZMS an den Leiter des Hauses der Kultur, Janusz Babiejczuk, die Möglichkeit zur Abhaltung von Treffen in der Warschauer Altstadt bekamen. Laut Innenministerium nahmen bis zu 150 Personen an den in der Regel immer donnerstags stattfindenden Diskussionen teil.200 Zu den externen Vortragenden im Klub zählten Jacek Kuroń mit einem Referat über »Die Perspektiven der engagierten Jugend«, Zygmunt Bauman mit einem Vortrag zum Thema »Was ist eine Gesellschaft«, Włodzimierz Brus mit einem Vortrag über »Die wirtschaftlichen Ideale des Sozialismus«, Bronisław Baczko und Andrzej Walicki mit Vorträgen über »Die Gesellschaft und das Individuum«, Bronisław Minc mit einem Referat über »Schichten und Klassen« sowie Janusz Kuczyński mit einem Referat über den »Sinn des Lebens im Christentum«.201 Was in der Auswahl von Vorträgen und Vortragenden bereits anklingt, spiegelt sich auch in der Selbstdarstellung der jungen Klubmitglieder. Es ginge ihnen, so ließen sie im März 1968 den Direktor des Hauses der Kultur wissen, um »die bessere Vorbereitung auf die Existenz in einer sozialistischen Gesellschaft«.202 Diese sollte durch die Diskussion gesellschaftsrelevanter Themen aus den Bereichen der Ökonomie, Soziologie, Philosophie und der internationalen Politik gewährleistet werden. Darüber hinaus sollte die Warschauer Organisation des ZMS dazu »mobilisiert« werden, sich zusammen mit den Jugendlichen den »Problemen des 20. Jahrhunderts« zu stellen. Dem Klub beitreten könnten »alle«. Die Mitglieder des Klubs seien jedoch zur »regelmäßigen Teilnahme an seinen Veranstaltungen« sowie zur »Entrichtung eines Mitgliedsbeitrags« verpflichtet. Józef Blass, Jan Gross, Irena Grudzińska, Adam Michnik, Włodzimierz Rabinowicz und Andrzej Titkow stellten den Vorstand des Klubs.203 103 weitere Personen zählten zu seinen festen Mitgliedern.204 Der Klub war in vier Sektionen gegliedert: eine allgemeine, eine philoso­ phische, eine soziologische sowie eine Sektion, die sich dem Kontakt zum Klub der Katholischen Intelligenz widmete. Seine Mitglieder planten darüber hinaus die Einrichtung einer pädagogischen Kommission, die sich mit neuen Formen der Lehre und einem neuen pädagogischen Modell befassen sollte, sowie die Einrichtung zweier weiterer Kommissionen, die sich dem Austausch mit sowjetischen Jugendlichen und jungen italienischen Kommunisten zuwenden sollten.205 Langfristig, so die Klubmitglieder, sollte ihre Arbeit aber nicht in einer »Fabrizierung von Autodidakten« aufgehen. Vielmehr planten die Jugendlichen, von der Theorie zur Praxis überzugehen, eine Aktion, die sie selbst­ bewusst einen »Sturm auf die Schulen«206 (szturm na szkoły) nannten. Er sollte der »Herausbildung einer Atmosphäre der intellektuellen Unruhe, des Enga200 Vgl. ebd., S. 111. 201 Vgl. ebd., S. 109 sowie S. 111–113. 202 Vgl. dass., Czym jest, S. 107–137, hier S. 121. 203 Vgl. dass., Klub Poszukiwaczy, S. 107–137, hier S. 120. 204 Vgl. dass., Wykaz członków, S. 107–137, hier S. 125–130. 205 Vgl. dass., Młodzieżowy, S. 107–137, hier S. 131–134. 206 Vgl. dass., Czym jest, S. 121 und S. 132.

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gements in Fragen, die die ganze Gesellschaft etwas angehen« und damit der Durchbrechung der Passivität unter den Jugendlichen dienen. Die Jugendlichen wollten ihre »Isolation vom Rest der Gesellschaft« beenden und einen klaren Standpunkt in Fragen der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklung des Landes beziehen. Neben den von ihnen abgehaltenen Treffen und der Diskussion von Vorträgen sollte auch die Herausgabe einer Zeitschrift diesem Anliegen dienen.207 Vor allem aufgrund seiner Kontakte zum Klub der Katholischen Intelligenz in Warschau wurde der Staatssicherheitsdienst auf den Klub Poszukiwaczy Sprzeczności aufmerksam. In einem Gespräch zwischen dem Sekretär des Warschauer Komitees der PZPR, Józef Kępa, und dem Leiter des Hauses der Kultur, Janusz Babiejczuk, wurde Letzterer aufgefordert, alle Klubs, die nicht formell dem ZMS angehörten, aus dem von ihm geleiteten Haus zu entfernen. Dies geschah binnen eines Jahres. Gomułka persönlich griff den Klub auf dem Plenum des ZK der PZPR im Juli 1963 an. Nicht nur, weil der Klub die offiziellen Kontrollmöglichkeiten über die Jugend, wie sie beispielsweise der ZMS bereit stellte, unterminierte, sondern auch, weil die Eltern zahlreicher Klub­ mitglieder aufgrund ihrer politischen Ämter und ihres Engagements in der KPP besonders starke Stellungen in der PZPR hielten, war der Klub dem Regime suspekt ge­worden. Seine Abwicklung hing von daher auch mit der Schwächung derer, die, wie der Erste Sekretär des KW PZPR, Walenty Titkow, ihre im Klub diskutierenden Töchter und Söhne »nicht im Griff hatten«, zusammen. Vermutlich versuchte die das Innenministerium dominierende Gruppe der Partisanen, auf diese Weise auch Einfluss über das Warschauer Komitee der Partei zu erlangen.208 Auch wenn der Klub, der bei seinen Gegnern unter dem polemischen Namen Klub der Krabbelnden Revisionisten (Klub Raczkujących Rewizjonistów)209 fungierte, formell nicht überdauern konnte, blieben vor allem die darin geknüpften Beziehungen weiterhin erhalten. Nachdem die Jugendlichen an der Warschauer Universität zu studieren begonnen hatten, bemühten sie sich darum, ihre im Klub einstudierten Verhaltensformen auch auf die Universität zu übertragen. Sie versuchten, sich mit den Verfassern des »Offenen Briefes« durch die Anwesenheit im Gerichtsgebäude sowie durch Geldsammlungen für ihre Familien zu solidarisieren. Sie versuchten Diskussionen, vor allem über den »Offenen Brief«, aber auch über brisante politische und historische Themen zu organisieren oder andere Veranstaltungen durch gut vorbereitete, polemische und pointierte Diskussionsbeiträge in Richtung einer kritischeren Auseinandersetzung mit dem kommunistischen Regime zu instrumentalisieren.210 Vor allem aber gelang es ihnen, sich seit Mitte der 1960er-Jahre zu einer in den Staatssicherheitsakten 207 Vgl. dass., Młodzieżowy, S. 132. 208 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 371 sowie – zur Abwicklung des Klubs – S. 367 ff. 209 Vgl. Ceranka, Raczkujący rewizjoniści, S. 102–108. 210 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 375–450 und vor allem S. 469–598 sowie ders., Opozycja, S. 233.

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als Bewegung der Komandosy bezeichneten Gruppierung zu integrieren, die, zusammen mit anderen studentischen Strömungen, zentralen Einfluss auf die Proteste des Jahres 1968 nehmen würde.211 Von den anderen, an der Universität außerhalb des ZMS aktiven Strömungen unterschieden sie vor allem ihre als elitär und exklusiv erlebten Beziehungs- und Verhaltensformen. So warf beispielsweise eine 1964 unter anderem von Irena Lasota, Teresa Bogucka und Józef Dajczgewand in einem Studentenwohnheim gegründete Diskussionsgruppe Michnik und seinen Freunden eine »Salonkultur« vor, aus der andere, aus der Provinz, aus Arbeiter- und Bauernfamilien stammende Jugendliche letztlich ausgeschlossen bleiben würden.212 Eine andere, als Vietnam-Gruppe (Grupa Wietnamska)  bezeichnete Gruppierung um Henryk Szlajfer, die sich vor allem für die Dritte Welt interessierte und entsprechende Aufrufe gegen den Vietnamkrieg publizierte213, näherte sich, wegen anfänglicher Skepsis, erst um 1967 Michnik an.214 Die drei studentischen Gruppierungen verband damit eine grundsätzlich linke Haltung, die sich aber, jenseits der bereits erwähnten unterschiedlichen sozio-ökonomischen Ausgangslagen, vor allem hinsichtlich ihres Umgangs mit dem kommunistischen Regime jeweils unterschiedlich artikulierte. »So paradox es klingt, aber ich gehörte zu den Kommunisten in den 1960er-Jahren«, bekannte noch viele Jahre später Adam Michnik. »Ich fand, dass das kommunistische Polen mein Polen war. Wovor sollte ich mich darin fürchten? […] In normalen polnischen Häusern war eine solche Erziehung nicht möglich. In normalen polnischen Häusern sagte man den Kindern, dass hier eine sowjetische Okkupation herrsche und dass ein Spitzel auf jedes unvorsichtige Wort warte. Daher sollten sie vorsichtig sein, und diese Kinder fürchteten sich, denn sie wussten, wovor sie sich zu fürchten hatten. Ich aber wusste nicht, dass ich mich zu fürchten hatte«,215 so Michnik. War diese Angstfreiheit das zentrale Verbindungsstück zwischen den in diesem Kapitel dargestellten Klubs? Vermutlich. Sowohl der Klub Krzywego Koła, der Polityczny Klub Dyskusyjny als auch der Klub Poszukiwaczy Sprzeczności agierten, was ihr Selbstverständnis und ihre Organisationsstruktur anging, als Teil  einer legalen, das kommunistische System zwar kritisch reflektierenden, es aber im Grunde bejahenden Diskussionskultur der 1950er- bis 1960erJahre. Ihre Mitglieder waren wütend aufgrund der mangelnden Umsetzung der 1956 angekündigten politischen und kulturellen Reformen, sie waren kritisch ­wegen der andauernden ökonomischen und sozialen Probleme und vor allem die Jüngsten unter ihnen rebellierten gegen die verkrusteten Parteistrukturen. Ausgetragen wurde diese Art der Kritik letztlich jedoch immer im Rahmen 211 Vgl. Sonntag, S. 54–65. 212 Vgl. den Artikel von Bochwic, S. 196–199. 213 Vgl. AAN, PZPR 237/XVI-590, k. 147, S. 151. 214 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 417–420 und S. 465–466 sowie ders., Opozycja, S. 232. 215 Vgl. Pewien polski etos, S. 394.

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des bestehenden Systems, dessen ideologische Grundlagen nicht grundsätzlich, sondern nur hinsichtlich ihrer Umsetzung hinterfragt wurden. Dabei einte die jeweils beteiligten Personen ein bestimmter bildungsbürgerlicher Lebensstil, der diese Kritik über Generationen hinweg begünstigte. Zu ihm gehörten Belesenheit und Bildung, aber auch Eloquenz und Exklusivität im Umgang sowie gemeinsame Feiern, Ferien, Freundschaften und Liebesbeziehungen. Das ge­ sellschaftliche Leben aller hier vorgestellten Gruppierungen kreiste nicht um übliche Freizeitaktivitäten wie Tanz- oder andere Massenveranstaltungen, sondern um im privaten Rahmen organisierte Lesungen und Liederabende, um Kunstausstellungen und Theatervorführungen. Dabei zeigt sich, dass auch der Zugang zu diesen Dingen im Grunde exklusiv war, denn bei Weitem nicht jedem Milieu in Polen gelang es, an westliche Literatur, an Exemplare der Pariser Kultura oder aber an interne Bulletins des Zentralkomitees der PZPR und Nachrichtenüberblicke der Polnischen Presseagentur zu gelangen.216 Eine authentische Atmosphäre mit der Möglichkeit zur offenen Rede und zur freien Bewertung von wissenschaftlichen und künstlerischen Erzeug­nissen ohne Rücksicht auf Konsequenzen, ohne Opportunismus und Konformismus sowie die Verknüpfung unterschiedlicher sozialer Milieus und damit die Verhinderung der gesellschaftlichen Desintegration – dies hat ein ehemaliges Mitglied als charakteristische Merkmale des Klub Krzywego Koła bezeichnet.217 Der Klub verfügte über »starke gegenseitige Bindungen« bis in den Partei­apparat hinein. Menschen, die zur intellektuellen Elite Polens gehörten, hätten »der Leitung des Klubs in der Regel weder Hilfe noch Unterstützung [verweigert]«.218 Obwohl der Klub im Gegensatz zu den anderen untersuchten Gruppierungen keine ausschließlich linke Klientel hatte, habe sich »die überwiegende Zahl der Personen aus dem Umfeld des Klubs […] auf die eine oder andere Weise dem Sozialismus [verpflichtet]«.219 Neben ihrem weit ausgreifendem Netz an so­zialen Beziehungen war es daher vor allem dieses, bei vielen durch ihre eigene oder durch die berufliche und politische Position der Eltern auch institutionell ab­ gesicherte Bekenntnis, wegen dessen diese Menschen das Regime weitaus weniger, als man dies vielleicht erwarten würde, fürchteten. Es handelte sich um ihren Staat, um ein System, das sie selbst oder ihre Eltern mit auf­gebaut oder jedenfalls unterstützt hatten. Da die Älteren von ihnen für ihr Engagement im Polen der Zwischenkriegszeit nicht selten mit Gefängnisstrafen bezahlt hatten, konnte auch für die Jüngeren die Überzeugung, dass Kommunist zu sein bedeute, »to have served, to serve, or to be extremely likely to serve  a prison sentence«220 keine echte Hemmschwelle bereithalten. Noch wichtiger aber war, dass die in den hier untersuchten Klubs engagierten Menschen an Gefängnis216 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 405–406 und S. 460. 217 Vgl. Jedlicki, Klub, S. 98–101. 218 Vgl. ebd., S. 3 und S. 11–12. 219 Vgl. ebd., S. 134. 220 Vgl. Schatz, Generation, S. 88.

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strafen in einem System, an dem sie sich aus ihrer Sicht einfach nur aktiv und kritisch beteiligten, vermutlich die längste Zeit über nicht dachten. Gerade der Klub Krzywego Koła war über mehrere Jahre hinweg der wichtigste »Salon der Hauptstadt«, beispiellos in seiner Art »der institutionalisierten Möglichkeit des Treffens und des Unterhaltens breiter, gesellschaft­ licher Kontakte« innerhalb des gesamten wissenschaftlichen und intellektuellen ­Spektrums Warschaus und  – mit seinen Donnerstagstreffen, seinem Theater und seiner Galerie – »ein Zeichen für politische und kulturelle Qualität«.221 Mit seinen Aktivitäten hatte er zwar keinen politischen Wandel herbeigeführt, aber doch, ebenso wie die beiden anderen Klubs, maßgeblich zur Herstellung einer offenen, von Zensur und Repressionen über Jahre freien Atmosphäre des gegenseitigen intellektuellen und politischen Austauschs beigetragen. Entstanden mit dem Einverständnis des Innenministeriums und der Partei, hatten die jeweiligen Klubs die Grenzen ihrer Tätigkeit rasch ausgeweitet und ihre Kontrolle seitens der zuständigen Organe unmöglich gemacht. Es ist in diesem Zusammenhang bezeichnend, dass es beispielsweise den Staatssicherheitskräften, die sich ab 1958 aktiv für die Belange des Klub Krzywego Koła zu interessieren begannen, trotz diverser verdeckter Mitarbeiter zwar gelang, die Inhalte der Donnerstagstreffen, nicht aber jene des Vorstands an die entsprechenden Stellen weiterzugeben.222 Auch war es nicht gelungen, Mitarbeiter für den SB aus dem Kreis der Jungen zu rekrutieren, so dass insbesondere die Aktivitäten der Soziologen und der Gruppe um Lipski über Jahre frei von Eingriffen der Staatssicherheitskräfte voran gebracht wurden, während die Diskussionen des Klub Krzywego Koła ohnehin spontan waren und sich einer direkten Einflussnahme entzogen.223 Es lag jedoch in der Logik des kommunistischen Regimes der Volksrepublik Polen begründet, dass der Klub Krzywego Koła zwar im Zuge des mit der Destalinisierung einsetzenden »Tauwetters« entstehen, mit der Konsolidierung des von Gomułka vertretenen, begrenzten Wandels aber auch wieder geschlossen werden musste. Seine Hoffnungen auf eine andauernde Liberalisierung und Demokratisierung des politischen und kulturellen Lebens in Polen wurden enttäuscht. Seine andauernden Mahnungen, die Versprechen des Oktober 1956 einzuhalten, wurden seitens der gefestigten und  – entgegen ihrer Voraussagen – in zentralen Fragen nach wie vor zu den ideologischen und politischen Forderungen der UdSSR stehenden Parteiführung zunehmend als störend empfunden. Zugespitzt formuliert, hatte Gomułka 1956 von der von dem Klub ausgehenden Atmosphäre des Wandels profitiert und sie für seine politischen Ziele und Inhalte gekonnt instrumentalisiert. Als diese Ziele erfüllt, seine politische Stellung gegen den alten, stalinistischen Flügel durchgesetzt, die Flügelkämpfe in der Partei beendet und die soziale und politische Ordnung nach den Unru221 Vgl. Ceranka, Zamknięcie, S. 74. 222 Vgl. Friszke, Początki, S. 77. 223 Vgl. Ceranka, Zamknięcie, S. 77.

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hen des Jahres 1956 in Polen wiederhergestellt waren, war seitens der zuständigen Parteigremien der aus dem Bestehen des Klubs zu ziehende Profit aufgebraucht. Vom Regime von vornherein eher skeptisch wurden denn auch die etwas später begründeten Klubs der Studierenden beziehungsweise der Schüler beobachtet. Sowohl der Klub Poszukiwaczy Sprzeczności als auch der Polityczny Klub Dyskusyjny, die zudem einen Teil  der Referenten und Themen des Klub Krzywego Koła übernahmen, entwickelten sich rasch zu zentralen Referenzpunkten der dissidenten linken Jugend, weshalb sie ebenfalls schleunigst zu schließen waren. Mit dieser Schließung ging auch jenes Kapitel der polnischen Zeitgeschichte zu Ende, das sich durch den Glauben an einen »besseren, menschlichen Sozialismus« und durch die Reformbewegung einiger seiner wichtigsten, bildungsbürgerlichen Trägergruppen ausgezeichnet hatte. Die Inhalte dieser Reformbewegung und ihr Wandel werden im Zentrum der folgenden Abschnitte stehen.

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2. »Linke« Kritik des Kommunismus – Ansätze und nationale Bezugspunkte im Wandel

2.1 Deutungskämpfe und Definitionsprobleme »Die Kommunistische Partei braucht die Intellektuellen nicht, damit sie sich für die Klugheit ihrer Beschlüsse begeistern, sondern damit ihre Beschlüsse klug werden«,1 schrieb Leszek Kołakowski 1956 im theoretischen Organ der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei Nowe Drogi. Um die Frage, ob und wie diese Rollenzuweisung von den angesprochenen Intellektuellen auszufüllen und von der entsprechenden Parteileitung hinzunehmen sei, drehte sich in den 1950erund 1960er-Jahren denn auch ein Großteil der zwischen ihnen stattfindenden Deutungskämpfe und Debatten. In ihrem Zentrum stand nicht nur die differierende Bewertung des aufseiten der Intellektuellen beanspruchten Rechtes auf zunächst noch innerparteiliche, dissidente und später außerparteiliche, offen oppositionelle Kritik. Vor allem der Anspruch des bildungsbürgerlichen Milieus, seine ablehnende Haltung gegenüber einer zunehmenden Anzahl von Entscheidungen seitens des Parteiapparats aus einer dezidiert »linken« Position verstanden zu wissen, geriet insbesondere während der krisenhaften Umbrüche der Jahre 1956 und 1968 in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Die Frage, wer im kommunistischen Polen überhaupt als »Linker« zu bezeichnen war und wer eigentlich ein »linkes« Zukunftsprojekt vertrat, wurde zu einem Ringen zwischen der Parteileitung und den der Partei angehörenden Bildungsbürgern. Die Art der semantischen und politischen Identifikation mit dem Terminus des »Linksseins«, das damit verbundene Selbstverständnis, die daraus abgeleiteten Wertesysteme und Handlungsmotivationen, aber auch die daraus resultierenden Abgrenzungsmechanismen stehen im Zentrum der folgenden Ausführungen. Sie konzentrieren sich vor allem auf drei Aspekte. Erstens geht es um die positive wie negative Definition des Begriffes im Verständnisund Verwendungskontext der sich auf ihn beziehenden und mit ihm bezeichnenden Akteure. Zweitens geht es um die von ihnen mithilfe des Begriffs vorgenommenen, normativ begründeten Inklusions- und Exklusionsstrategien. Und drittens schließlich untersucht das Kapitel sowohl die Funktion als auch den Wandel des Begriffes der »Linken« in den dissidenten Selbstverständigungsdebatten der 1950er- bis 1970er-Jahre.

1 Vgl. Kołakowski, Intelektualiści, S. 22–31 beziehungsweise ders., Die Intellektuellen, S. ­40–56, hier S. 55 f. Die im Folgenden angeführten Zitate folgen der deutschen Übersetzung des ­Textes.

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2.1.1 »Wir, die Linken!« Selbstverständnis und Begriffsverwendung Sich selbst als Linken zu bezeichnen und als Teil  einer linken Wertegemeinschaft auf nationaler und internationaler Ebene zu begreifen, war eines der wichtigsten Identifikationsmomente jener Intellektueller, die sich um 1956 zum reformorientierten Flügel des polnischen Kommunismus zählten. Im Begriff der »lewica październikowa«2 (die Oktoberlinke) verzahnen sich daher bis heute die normativ aufgeladenen Selbstbezeichnungen der dissidenten Akteure mit den Fremdzuschreibungen der zeitgenössischen Forschung.3 Wer allerdings warum »links« war im »Oktober 1956« bleibt dabei meist ungeklärt und wird auch aus der heute zugänglichen Quellenlage nicht unbedingt ersichtlich. In auffälliger Weise moralische Kategorien mit politischen Inhalten ver­mischend, changieren die Selbstbezeichnungen der hier behandelten Dissidenten zwischen durchaus divergierenden, in Teilen auch miteinander konkurrierenden Begriffszuweisungen und -verwendungen. So bezeichnete Jacek Kuroń sich selbst sowohl als Sozialisten als auch als Kommunisten, als Marxisten und als Revisionisten.4 Ohne zwischen dem unterschiedlichen Bedeutungsgehalt der gewählten Bezeichnungen eindeutig zu differenzieren, rechnete er sich zu jener »revolutionären Linken«5, die mit der Destalinisierung in Ostmitteleuropa große Hoffnungen auf einen grundlegend reformierten Sozialismus verbunden hatte. Anders als diejenigen, die sich kurz nach der Rehabilitierung Gomułkas mit einem Sozialismus zufriedengaben, der, in Kurońs Worten, gerade einmal »dał się lubić«6 (sich mögen ließ), verband Kuroń die Idee des »Linksseins« vor allem mit dem Kampf der Arbeiterklasse um politische Partizipation und authentische Selbstbestimmung. Seine gesamte Lebensgeschichte und die Geschichte seiner Verbindung mit der Linken habe schließlich, so der Autor, damit angefangen, dass sein Vater ihn als kleinen Jungen auf seinen Armen hin- und hertrug und ihm Lieder polnischer Aufständischer aus dem 19. Jahrhundert vorsang.7 Und auch seine kind­lichen Fragen nach 2 Vgl. unter anderem die Staatssicherheitsberichte des Innenministeriums, die sich ebenfalls des Begriffes »lewica październikowa« zur Beschreibung des Selbstverständnisses der hier behandelten Dissidenten während der 1960er-Jahre bedienten, zum Beispiel Instytut Pamięci Narodowej, Notatka MSW, S. 341–343, hier S. 342; dass., Notatka MSW, S. 344 und dass., Kronika sprawy, S. 411–427, hier S. 413–415. 3 Vgl. zum Beispiel die entsprechenden autobiografischen Stellen bei Kuroń, Wiara, S. 7–398, hier S. 117, 153, 159, 194, 204, 205 und Michnik, Kościół, S. 28, 29, 69, 72, 83, 92, 94, 98, 99, 102, 122, 124, 136, 140, 146, 148–149, 164 sowie die historiografischen Zuordnungen bei Persak, Sprawa, S. 28 ff.; Friszke, Anatomia, S. 20; Friszke, Polen, S. 226 ff. und Paczkowski, Pół wieku, S. 222. 4 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 33, 107, 137, 147, 151, 153, 159, 194, 205, 231 (Sozialist) und S. 113, 114, 116, 121, 174, 191 (Marxist). 5 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 147 und S. 151 und Paczkowski, Pół wieku, S. 222. 6 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 156. 7 Vgl. ebd., S. 119.

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dem Sinn des Lebens habe er sich immer nur in der Ideenwelt seiner Familie, die mit der Idee der Linken eng verknüpft war, stellen und beantworten können.8 »Mein Vater«, so ist in Kurońs Autobiografie zu lesen, »vertrat die absolute, umfassende Überzeugung, dass der Kampf die elementare Pflicht eines jeden Menschen sei. [..] Sie – mein Großvater und mein Vater – sprachen von der Sache der Arbeiter oder ganz einfach von ›der Sache‹. Und das hieß: Sozialismus, auch wenn sie diesen Begriff nicht nutzten. Und das hieß: Verfolgung des Ausbeuter. Und dass hieß auch: Polen, die Mutter Gottes aus Jasna Góra und die Gräber, an denen man seinen Stahl wetzte, und die Asiaten, die man von hier vertreiben müsste, und dass man auch für ihre Freiheit kämpfte. [Es war] alles durcheinander gemischt«,9 so Kuroń. Dass in den Augen des späteren Oppositionellen »Gitter, Gefängniszellen, Galgen und Handschellen« mit den stärksten Symbolen einer linken Geisteshaltung assoziiert wurden, mag angesichts seiner familiären Grundprägung wenig überraschen. Er sei ergriffen gewesen, als ihm das erste Mal Handschellen an­gelegt wurden, und bis heute sei dies, so berichtet Kuroń, der einzige »Schmuck«, den er zu tragen pflege.10 Bemerkenswerter als der in dieser Anmerkung durchscheinende, durch seine väterlichen Vorbilder noch beförderte Hang zum Heroismus ist jedoch der ideelle Hintergrund, auf dem Kurońs »linke« Wertehaltung basierte. Im Nachhinein sei für ihn offensichtlich, dass diese Haltung deshalb einen so starken Hang zur persönlichen Aufopferung für über­ geordnete Ziele enthalte, weil sie im Kern »christlichen Charakters«11 sei, so der Autor. Das Ziel des in seiner Familie vertretenen Verständnisses von Sozialismus sei im Grunde »die Verwirklichung des Königreichs Gottes auf Erden«, und das heißt vor allem die Verwirklichung einer Gesellschaftsordnung, innerhalb derer allen Menschen die »volle Freiheit und Gerechtigkeit« garantiert würden. Sowohl innerhalb seiner Familie als auch insgesamt innerhalb der Linken, der er sich zurechnete, habe dieses Ethos die Zielrichtung und Erwartungshaltung markiert, deren Erfüllung allerdings in entfernter Zukunft liege. »Für den Augenblick galt es, dieser Zukunft zu dienen, und das heißt vor allem, jeglichem menschlichen Unrecht entgegenzutreten«,12 so Kuroń. Der Begriff des Linken, auf den er und eine Reihe weiterer Dissidenten sich positiv bezogen, enthielt damit nicht nur einen normativ-ethischen, sondern auch idealistisch-utopischen Kern. Für Jacek Kuroń beruhte diese Utopie auf der »Entwicklung einer Gesellschaftsordnung, die übergeordnete Werte realisiere«.13 Für Karol Modzelewski bedeutete sie »das Ausfüllen einer in der Gesellschaft bestehenden ideologischen Leerstelle«, die man »von links«14 mit 8 Vgl. ebd., S. 33. 9 Vgl. ebd., S. 16. 10 Vgl. ebd., S. 34. 11 Vgl. hierzu vor allem Kapitel 2.3.2 dieser Arbeit. 12 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 35. 13 Vgl. ebd., S. 230 und – mit ähnlicher Stoßrichtung – S. 228. 14 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Notatka MSW, S. 341–343, hier S. 342.

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neuen politischen Initiativen und Reformen füllen würde. Und da es in den Augen der beiden bislang keine Ordnung gäbe, die den Menschen nicht unter­ drücken würde, war das Bestreben danach, die gesellschaftlich verursachte Unterdrückung zu überwinden, für sie eines der dringendsten Gebote. Utopie bedeute Hoffnung, so Kuroń, die allerdings auch zur Quelle von Verbrechen werden könne, und zwar dann, wenn sie mit revolutionärer oder staatlicher Gewalt realisiert würde. Wenn aber die Utopie selbst auf einem gewaltlosen Ideal beruhe, wenn sie also »mithilfe sozialer Bewegungen verwirklicht und sowohl diesen als auch allen anderen, die sie von diesem Programm überzeugt und zu ihm erzieht«, dienen würde, dann sei sie für die Gesellschaft so wichtig wie »die Luft zum Atmen«,15 so Kuroń. Auch für Kołakowski war Linkssein in den 1950er-Jahren eng mit uto­ pischem Denken verbunden und die Gewaltlosigkeit dieses Denkens noch keinesfalls selbstverständlich. Zwar hat keiner der hier behandelten Dissidenten jemals mit dem Gedanken der Anwendung von Gewalt zur Durchführung oppositioneller Politik gespielt. Die Gewalt sei demnach, so Kołakowski, auch keine Erfindung der Linken, sondern eine »Antinomie« und eine »unvermeid­ liche soziale Lebensform«. Doch schließe eine »linke Einstellung die Anwendung von Gewalt nicht aus«, und die Linke, so der Autor 1957 in der Reformzeitschrift Po Prostu, schäme sich dessen nicht«. Allerdings nenne sie »die Gewalt auch nicht ›Erziehung‹, ›Wohltätigkeit‹ oder ›Sorge um die Kinder‹«.16 Unter Utopie verstand Kołakowski »jenen Zustand des sozialen Bewusstseins, der einer sozialen Bewegung entspricht, die auf radikale Veränderungen der menschlichen Gesellschaft hinzielt, diesen Veränderungen aber nicht genau entspricht, sondern sie in idealisierter und mystifizierter Weise versinnbildlicht und so der wirklichen Bewegung den Sinn einer Realisierung eines Ideals verleiht, das in der reinen Sphäre des Geistes entsteht und nicht aus der gegen­ wärtigen geschichtlichen Erfahrung.«17 Die Utopie sei demnach »das mystifizierte Bewusstsein der tatsächlichen geschichtlichen Tendenz«. Solange »diese Tendenz nur ein geheimes Leben« führe und »keinen Ausdruck in den gesellschaftlichen Massenbewegungen« finde, würde sie »Utopien im engeren Sinne, das heißt individuell konstruierte Modelle einer Welt, wie sie sein sollte«, erzeugen. Im Laufe der Zeit jedoch würde »die Utopie« »in das Bewusstsein der Massenbewegungen« eintreten und damit »zum sozial aktualisierten Bewusstsein« und »zu ihren wesentlichen Triebkräften« werden: Sie würde vom Gebiet des theoretischen und moralischen Denkens in das Gebiet des praktischen Denkens übergehen und zur Maxime zukünftiger Handlungen werden. So wie soziale Revolutionen stets »ein Kompromiss zwischen Utopie und historischer Wirk15 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 230. 16 Vgl. Kołakowski, Sens ideowy, S.  1–2 und S.  4 beziehungsweise ders., Sinn des Begriffes, S.  142–162, hier S.  152–154. Die im Folgenden angeführten Zitate folgen der deutschen Übersetzung des Textes. 17 Vgl. ebd., S. 145.

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lichkeit« seien, so könne die Linke auch nicht ohne Utopien bestehen. Damit sei die Utopie das »Werkzeug zur Einwirkung auf die Wirklichkeit und zur Vorausplanung gesellschaftlichen Handelns«.18 Doch gerade weil die Utopie nach Veränderungen strebe, »die sich in Wirklichkeit nicht durch sofortiges Handeln realisieren lassen, außerhalb der sichtbaren Zukunft stehen und keiner Planung unterliegen« beinhalte sie die Gefahr, zu entarten und zu »Veränderungen, die gesellschaftlich schädlich sind und die Freiheit des Menschen bedrohen«, zu führen. Eine Linke, der solche Veränderungen gelängen, würde sich in den Augen von Kołakowski »in ihr Gegenteil verwandeln, zur Rechten werden« und ihren Bezug auf die Utopie zugunsten einer »Utopie als Phrase« verlieren.19 Sie würde damit zur Rechten werden, die keine Utopie mehr brauche, weil sie die »die Bejahung der Gegenwart« oder die Rückkehr »zu einem Zustand, der schon verwirklicht war«,20 anstrebe. Ganz anders »die Linke«, ohne deren utopischen Glauben keine fortschrittlichen, sozialen Veränderungen möglich gewesen wären. Für die hier behandelten Dissidenten war dies zunächst die Gruppe der extremen Linken und das heißt die Gruppe der revolutionären Bewegung verstanden als »Summe aller endgültigen Forderungen an die bestehende Gesellschaft« und vollständige »Negierung des vorgefundenen Systems«.21 Kennzeichen der Linken sei damit ihr utopischer, den aktuellen gesellschaftlichen Zustand negierender und auf seine Überwindung ausgerichteter Ansatz. Dieser sei nicht nur das genaue Gegenteil einer bejahenden, auf das Bewahren ausgerichteten und damit konservativen Haltung. Vielmehr beruhe er in seiner Negation der Welt gegenüber, so glaubten die hier untersuchten Dissidenten, immer auch auf einem positiven Programm und einem konstruktiven Kern. Erst der Mangel an einem Programm und der gleichzeitige Mangel an Negierung würden das Gegenteil von links sein und Konservatismus heißen.22 »Wir glaubten an den Sozialismus wie an ein Königreich der Freiheit«,23 bewertete Jacek Kuroń diese utopisch aufgeladene Auffassung der Linken später. Zentrales Charakteristikum dieses Glaubens war auch die Überzeugung von der Universalität des linken Ziel- und Wertehorizonts, dem sich sowohl die Generation der älteren als auch der jüngeren studentischen Dissidenz verpflichtet fühlte. Diesen Werthorizont schon bald gegen die in seinen Augen den Begriff der Linken zunehmend diskreditierende Parteipolitik verteidigend, versuchte Kołakowski, »die Frage nach den Eigenschaften der linken Geisteshaltung in den verschiedenen Gesellschaftsordnungen« denn auch nicht in nationaler, sondern in internationaler Hinsicht zu beantworten: Sowohl in den kapitalis­ 18 Vgl. ebd., S. 142 und S. 145. 19 Vgl. ebd., S. 145–146. 20 Vgl. ebd., S. 148. 21 Vgl. ebd., S. 145–147 und S. 152. 22 Vgl. ebd., S. 143–144. 23 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 107.

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tischen als auch den nicht kapitalistischen Ländern sei »der Kampf um die Abschaffung sozialer Privilegien, »der Kampf gegen die Beschränkung der Gleichheit, das Eintreten für die Freiheit der Meinungsäußerung«, »der Kampf um die Abschaffung aller Formen kolonialer Unterdrückung« und damit »die Vernichtung des Rassenhasses« sowie »die Abschaffung der Ungleichheit, der Diskriminierung und Ausbeutung der eigenen Länder durch die anderen«24 eine Forderung der Linken. Eine deutliche Verschiebung sowohl in Bezug auf die international umfassende als auch national wertende Konnotation des Begriffes erfolgte zwanzig Jahre später. Die Formation der »laikalen Linken«, die »zu den »tragenden Kräften des Kommunismus in Polen« gezählt habe, schrieb Adam Michnik in seinen »Reflexionen über die Märzereignisse«, habe de facto, »auch wenn sie im kulturellen Bereich stark war«, keinerlei »Reflexion über soziale und politische Probleme angestellt«. Diese »1968 auf dem Höhepunkt angelangte Bewegung verfügte nur über sehr allgemeine Umrisse einer Ideologie«. Ihr »Zusammenhang mit 1956« sei zwar offenkundig, die Märzbewegung des Jahres 1968 sei gar »der letzte Bastard des Polnischen Oktober« gewesen, »handelte es sich doch um einen aus moralischem Katzenjammer geborenen politischen Protest, nicht aber um ein politisches Programm«, so der Autor. Dass jedoch weder 1968 noch unmittelbar danach »politische Texte zur Analyse der Situation« entstanden seien, läge seiner Meinung nach an einer »gewissen Zweideutigkeit«, die dem »kritischen Sozialismus« gegenüber fortbestanden hatte: »Die Nabelschnur, die an das totalitäre System band, war [noch] nicht völlig durchschnitten«,25 so Michnik. Erst das Jahr 1968 zerstörte aus seiner Sicht radikal die Illusionen des Jahres 1956. Bis dahin aber bezeichnete auch die jüngste Generation der Dissidenz aus dem Umfeld der studentischen Klubs und Vereinigungen sich als Linke im Traditionshorizont des Jahres 1956. So betonte Barbara Toruńczyk als Angeklagte während der sogenannten »Märzprozesse«26 sowohl ihre in einer kommunis­tischen Tradition stehende familiäre Herkunft als auch die Zu­ gehörigkeit zu einer »universitären Linken«, zu der sie, neben der Gruppe der Komandosy, auch die Professoren Maria Ossowska, Tadeusz Kotarbiński, Leszek Kołakowski, Bronisław Baczko, Włodzimierz Brus und Witold Kula rechnete.27 Henryk ­Szlajfer bezeichnete sich, auf das damalige Verfahren rück­blickend, als linken »aufgebrachten Kommunisten«.28 Und Adam Michnik schrieb anlässlich des durch seine Inhaftierung mitausgelösten Parteiausschlussverfahrens gegen seinen Vater, dass er »stolz sei, Sohn eines Menschen zu sein, der 24 Vgl. Kołakowski, Sinn, S. 152–154. 25 Vgl. Michnik, Reflexionen, S. 32–39, hier S. 36–37. 26 Zu den entsprechenden Strafprozessen vgl. den Abschnitt Chronologie und Zeitraum in dieser Arbeit. 27 Vgl. Protokół przesłuchania B. Toruńczyk z 24 marca i 26 marca 1968, AIPN 0330/327, t. 50, k. 35–37 und k. 39–43, hier zitiert nach Friszke, Anatomia, S. 673–675. 28 Vgl. Szlajfer, S. 30–36 und Protokół przesłuchania Henryka Szlajfera z dn. 2. lipca 1968, AO III/2414, Nr. 1, k. 1 ff.

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immer ein Kommunist gewesen ist  – unabhängig davon, ob er dadurch mit einer Gefängnisstrafe oder mit einem Parteiausschluss bedroht war«, und dass er hoffe, dass auch seine Eltern sich seinetwegen niemals würden »schämen müssen«: »Auch Ihr sollt […] später einmal sagen können, »dass Euer Sohn in jeder Situation ein Kommunist war«,29 so Michnik. Gleichwohl differierte der Begriff der Linken, wie er in dieser Generation benutzt wurde, von dem Begriffsverständnis der Älteren beträchtlich. Zwar bezog auch Michnik sich noch auf die Unterscheidung zwischen »links« und »rechts«. Vom ideologischen Zuschnitt eines »linken« Sozialismus, wie ihn noch in den 1950er-Jahren Kuroń, Modzelewski oder Kołakowski vertreten hatten, löste er sich jedoch deutlich. Da mittlerweile sowohl die Partei als auch die Opposition zweigeteilt seien, falle es ihm schwer, eindeutig zu beantworten, »was es heißt, ein Linker zu sein«, so Michnik 1976. Innerhalb der Opposition beruhe das Oppositionelle der einen auf ihrer Überzeugung von der absoluten »Höher­ wertigkeit des kapitalistischen Systems«, während die anderen sich programmatisch an der Idee des »demokratischen Sozialismus« orientierten. Er persönlich würde zwar diese zweite Gruppe mit der Linken gleichsetzen. Eine so verstandene Linke verkünde »die Idee der Freiheit und der Toleranz, die Idee der Menschenwürde und der Befreiung der Arbeit, die Idee der gerechten Aufteilung des Nationaleinkommens und des gleichen Starts für alle«. Sie bekämpfe dagegen »Chauvinismus und nationale Unterdrückung, Obskurantismus und Xenophobie, Rechtlosigkeit und soziale Ungerechtigkeit.« Das Programm der Linken sei damit jedoch weniger eine fest umrissene politische Ideologie als »das Programm des antitotalitären Sozialismus«,30 so Michnik. Eben jener Antitotalitarismus müsse »das zentrale Element des linken Gedankenguts in einem totalitären Staat«31 sein. Für Michnik bedeutete dies, dass an die Stelle der »alten, unter den Bedingungen der bürgerlichen Demo­ kratie geformten und damit unwirksam gewordenen Unterteilungen« der politische Kampf um linke Ideen als »Kampf um Freiheit und Bürgerrechte«32 treten müsse. So sei er zwar ein »Sozialist« und damit »ein Gegner des Kapitalismus«. Als Sozialist halte er aber nicht den Kapitalismus für den größten »Alptraum« und für »den größten Feind des Fortschritts, der Demokratie und des Sozialismus«, sondern vielmehr die totalitären Regime. Damit sei er sowohl gegen die kapitalistischen als auch die kommunistischen und damit gegen »alle Länder, in denen elementare Menschenrechte verletzt und in denen – im Namen übergeordneter, religiöser oder säkularer Ideale – Menschen unrechtmäßig behandelt und erniedrigt werden«.33 29 Vgl. Brief Adam Michniks an seine Eltern vom 28. April 1968, IPN 443/16, k. 78, hier zitiert nach Friszke, Anatomia, S. 645. 30 Vgl. Michnik, Kościół, S. 13. 31 Vgl. ebd., S. 148. 32 Vgl. ebd., S. 149. 33 Vgl. ebd., S. 152.

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Im Begriff des »laikalen Linken« nahm Michnik somit jene stärker als milieu­spezifische Eigenbezeichnung denn als politische Zuschreibung zu verstehende Semantik auf, die schon in den späten 1950er-Jahren als Impuls zur Integration des hier skizzierten Dissidentenmilieus diente. Schon damals hatte der Begriff zwar eine auf die offizielle Linie der PZPR bezogene, sie aber gleichsam konterkarierende Wirkung, indem er große Teile der Intellektuellen gewissermaßen quer zu den ideologisch geltenden Unterteilungen in orthodoxe Marxisten und Nichtmarxisten gruppierte. Nicht ihre Mitgliedschaft in der Partei, sondern vielmehr ihr Eintreten für einen reformorientierten Sozialismus war das wichtigste Definitionsmerkmal der linken Haltung zahlreicher polnischer Intellektueller. Auch für Michnik umfasste dieser Begriff keine politische, sondern vielmehr eine ideelle Strömung, der sowohl unter dem Stalinismus verfolgte als auch einstmals in das stalinistische System verstrickte Intellektuelle in seinen Augen angehörten. Neben dieser nach innen gerichteten Wirkung enthielt der Begriff aber auch eine nach außen gewendete Stoßrichtung: »Sollten wir – Leute der laikalen Linken – nicht endlich begreifen, dass im Angesicht einer totalitären Diktatur das traditionelle Verständnis von »Fortschritt« und »Rückständigkeit« oder auch die Unterteilung zwischen einer »Rechten« und einer »Linken« sehr viel weniger bedeutend ist als die grundlegende Differenz zwischen den Befürwortern und den Gegnern des Totalitarismus? Und sollten wir nicht – unsere Schlüsse aus dieser Feststellung ziehend – unseren tradi­ tionellen Blick auf die Situation und die Rolle der katholischen Kirche im Nachkriegspolen revidieren?«, fragte Michnik. Sein Plädoyer für einen »antitotalitären Sozialismus« ist als ein solcher Versuch der Annäherung an vormals »reaktionäre«, als »rechts« eingestufte Kreise der polnischen Bevölkerung zu werten. Wie noch zu zeigen sein wird, beschritt Michnik diese Annäherung gedanklich vor allem über die Auseinandersetzung mit der christlichen und humanistischen Ethik und des – in seinen Augen – daraus resultierenden gemeinsamen Werteverständnisses der universal zu verteidigenden Menschenrechte.34 Bis dahin jedoch bedeutete links zu sein vordringlich, »die Haltung des permanenten Revisionismus gegenüber der Wirklichkeit« einzunehmen, während für die Rechte, so Kołakowski, »der Opportunismus gegenüber der bestehenden Welt charakteristisch«35 sei. Und auch für Kuroń bestand der zentrale Unterschied zwischen einer linken und einer rechten Welt­ anschauung darin, dass die erste ihren Schwerpunkt »auf die Auflehnung gegen« und die zweite »auf die Akzeptanz von«36 bestehenden sozialen Ordnungen legte. Damit beruhte das »linke« Selbstverständnis der hier behandelten Akteure auf einer von ihnen als progressiv, egalitär, säkular und universal verstandenen Haltung, deren Schwerpunkt vor allem auf der Forderung der Überwindung politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Unterdrückung 34 Zu den Einzelheiten dieses Prozesses vgl. Kapitel 3.3.2 und 3.3.3 dieser Arbeit. 35 Vgl. Kołakowski, Sinn, S. 152–154. 36 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 35.

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gelegt wurde. Diese Haltung wurde phasenweise mit »revolutionären« und durchweg internationalistischen Ansätzen begründet, während zum Beispiel pazifistische Denkmuster keine Rolle darin spielten. Die spezifischen Inhalte einer aus diesem Selbstverständnis abgeleiteten »linken Politik« im wirtschaftlichen und sozialen Bereich wurden von den Akteuren aber nur selten behandelt. Es ging ihnen zwar im weitesten Sinne um rechtliche Gleichheit und soziale Gerechtigkeit. Die Frage, wie diese Ziele politisch umgesetzt werden sollten, konnte jedoch, wie am Beispiel reformkommunistischer Ansätze der Dissidenz zu zeigen sein wird, im Einzelfall sehr unterschiedlich beantwortet werden. Damit überwogen in der linken Selbstverortung und Selbstbezeichnung der hier behandelten Akteure normativ begründete Merkmale gegenüber politisch ausgeformten Kategorien. Die Idee eines toleranten, laizistischen, kosmopolitischen und für Anreize sowohl aus kommunistischen, sozialistischen, aber auch sozialdemokratischen Strömungen offenen Milieus kontrastierte also in den Augen seiner Mitglieder mit einem als reaktionär und rückständig begriffenen Bevölkerungsanteil. Während die erste Gruppe sich über ihr Selbstverständnis hinsichtlich der Schaffung einer nach Möglichkeit »klassenlosen« Gesellschaft definierte und zunehmend quer zu den, diese Ideologie eigentlich vertretenden, offiziellen Parteistrukturen integrierte, warf sie der zweiten Gruppe die hierarchische und traditionalistische Bewahrung jener Prinzipien vor, die die Privilegierung einzelner und die Diskriminierung andere Bürger begünstigten. Wer aber ließ sich, diesem vereinfachten, schematischen Grundgedanken folgend, innerhalb der konflikthaften Nachkriegsgeschichte Polens einem so verstandenen linken und rechten Flügel zuordnen? Wo genau verlief die gesellschaftliche und politische Scheidelinie zwischen einem idealistisch aufgeladenen, progressiven »linken« und einem normativ abgewerteten, reaktionären »rechten« Lager? Wie konzise und kontinuierlich waren die von den hier behandelten Akteuren auf diese Weise vorgenommenen Abgrenzungsmechanismen? Und welchem Deutungswandel beziehungsweise welchen Brüchen wurden im Verlauf der 1950er- und 1960er-Jahre die daran vorgenommenen Einordnungen unterzogen? 2.1.2 Links wovon? Abgrenzungsversuche und Standortbestimmung Links sei man schließlich »nur im Verhältnis zu etwas und nicht absolut«, schrieb Leszek Kołakowski 1957 im Po Prostu.37 Man könne im Verhältnis zu einer Bewegung links und gleichzeitig im Verhältnis zu einer anderen rechts stehen. Nur in einer solch relativen Bedeutung sei die Begrifflichkeit von »links« und »rechts« sinnvollerweise zu verwenden. Die Linke sei damit eher als »eine geistige und moralische Haltung« oder als eine bestimmte »Eigenschaft«, denn 37 Vgl. Kołakowski, Sinn, S. 146–147.

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als politische Bewegung oder Partei zu klassifizieren. Und gerade weil es leichter sei, festzustellen, »welche Bewegungen, Programme, Einstellungen im Verhältnis zu anderen links« seien, als zu bestimmen, »wo die Grenze zwischen der Linken und der Rechten im politischen Kräfteverhältnis der Gesellschaft« verlaufe, sei der Begriff des Linken letztlich äußerst »nebelhaft«. Im Grunde müsse er »mehr herausgefühlt als verstanden werden«.38 Zu den wichtigsten, die Fragilität dieser Begriffsverwendung aufgreifenden Versuchen, die politische und intellektuelle Nachkriegsordnung Polens entlang der Kategorien von »links« und »rechts« einzuordnen, gehört Adam Michniks während der 1970er-Jahre geprägter Terminus des »laikalen Linken«. In Absetzung von, aber auch dem zunehmenden Bewusstsein einer Affinität zu ausgewählten Kreisen der katholischen Linken geschrieben, diagnostizierte Michnik in seinem Buch »die Kirche, die Linke und der Dialog« zwei zentrale Bruchstellen in der Entwicklung der Linken in Polen. Der erste Bruch erfolgte 1946. Während für die Identifikation eines Linken in der Zwischenkriegszeit europaweit sein »Antifaschismus, seine planwirtschaftliche Ausrichtung, seine Fürsprache für eine Bodenreform sowie sein Eintreten für die Trennung von Staat und Kirche« konstitutiv waren, galt als Linker nach 1946 in Polen vor allem derjenige, der »zu den Befürwortern der neuen Ordnung« zählte. Allen voran die Mitglieder und ideologischen Vordenker der Polska Partia Robtnicza wie Jerzy Borejsza, Władysław Bieńkowski und Stefan Żółkiewski, aber auch die auf Zusammenarbeit mit der kommunistischen Partei bedachten Führungsfiguren der Polska Partia Socjalistyczna, wie Julian Hochfeld, Oskar Lange und Adam Rapacki, gehörten, aus Michniks Sicht, zu den Trägerschichten der Linken im Nachkriegspolen. Zeitgleich dazu formierte sich aber auch eine neue, unabhängige linke Strömung im Land, der neben ausgewählten Vertretern der VorkriegsPPS, wie Adam Ciołkosz und Zygmunt Zaremba, auch zahlreiche Intellektuelle – unter anderem Maria Dąbrowska, Maria und Stanisław Ossowski sowie Jan Nepomucen Miller – zuzurechnen seien. Gegen die »neue Ordnung« eingestellt, lehnten sie nicht unbedingt die Inhalte, wohl aber die totalitäre Umsetzung der kommunistischen Politik ab. Der zweite Bruch innerhalb dieser entlang der Zustimmungsbereitschaft zum kommunistischen System in Polen fragmentierten Strömung erfolgte 1956. Trotz aller Unterschiede bislang durch ihre Ablehnung gegenüber einem als rückständig, reaktionär, nationalistisch und klerikal erlebten Polen geeint, wandten sich die Polemiken der Linken nun zunehmend gegen konservative Kräfte außerhalb, aber erstmalig auch innerhalb der Partei. N ­ eben die traditionelle »Rechte«, die vor allem mit der katholischen Kirche gleichgesetzt wurde, trat eine »neue Rechte«, die in der Partei selbst vermutet wurde. Auf dem Höhepunkt der Entstalinisierung in Polen wurden nicht nur katholische Priester, sondern auch stalinistische Parteidogmatiker Ziel von Polemiken, die

38 Vgl. ebd., S. 149 und S. 154–155 sowie – mit ähnlicher Stoßrichtung – Kołakowski, Gestrandete Linke, S. 611–622, hier S. 616.

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vor allem in reformorientierten Zeitschriften wie Nowa Kultura und Po Prostu publiziert wurden.39 Die Frage, wer innerhalb der Polska Zjednaczona Partia Robotnicza einem linken und wer einem rechten Lager zugeordnet wurde, ergab sich für die hier behandelten Dissidenten aus der Haltung, die die jeweiligen Parteimitglieder angesichts der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Situation Polens in den 1950er-Jahren einnahmen. »Die Linke in der Partei«, so Leszek Kołakowski, »das waren jene, die den Kampf um die Abschaffung verschiedener Privilegien im sozialen Leben aufnahmen, den Kampf um die Anerkennung des Grundsatzes der Gleichberechtigung in den Beziehungen zwischen den Ländern, um die Überwindung des eigenen und des fremden Nationalismus und darum, diesen Nationalismus beim Namen zu nennen. Es waren jene schließlich, die den Kampf für eine Entlarvung aller Formen des Antisemitismus in Polen führten, den Kampf um Presse- und Diskussionsfreiheit, den Kampf um die Überwindung der Dogmen der stumpfen Doktrinen und des magischen Denkens im politischen Leben, um Recht und Gesetz in den öffentlichen Beziehungen, um die maximale Erweiterung der Teilnahme der Arbeiterklasse an dem Regierungssystem, den Kampf um die Beseitigung der polizeilichen Willkür und darum, dass man Verbrechen nicht ›Kommunismus‹ und Gangster nicht ›Kommunisten‹ nennt«,40 so Kołakowski. Damit war die Parteilinke diejenige, die »die Richtung der Änderungen« inspirierte, die »grundsätzlich zum Sieg der sozialistischen Demokratie führen sollten«, während der Parteirechten allein schon »die utopische Zielrichtung solcher Veränderungen« fehlte, was auch durch eine »Aneinander­reihung von Reformen« nicht verdeckt werden könne. Die »Rechten« waren gemäß dieser Zuschreibung jene, das bisherige politische System stabilisierende Parteiangehörige, die den »Stalinismus«, den »Verzicht auf die polnische Souveränität« und die »Unterstützung eines fremden Nationalismus« befürworteten und mit der »Diktatur des doktrinären Schemas im geistigen, […] der Polizei im öffentlichen [… und der] militärische[n] Diktatur im Wirtschaftsleben« gleichzusetzen wären. Auf ihnen, den Stalinisten, so Kołakowski 1957, »konzentrierten und konzentrieren [sich] in der Partei alle Eigenschaften, die zur Bestimmung der Begriffe Rechte, Konservatismus, Rückschritt beitragen.«41 In den Augen der späteren Oppositionellen befand sich die Linke damit, ideologisch betrachtet, in einer »doppelt gefährlichen Stellung«, die sie zwischen den beiden Formen der »politischen Rechten« einnähme. Sie müsse darum »besonders bedacht darauf sein, sich beiden Kräften immer gleichzeitig entgegen­ zustellen« sowie »ständig und eindeutig ihre doppelt negative Haltung gegenüber den beiden rechten Strömungen« zu bekunden, »von denen eine der

39 Vgl. Michnik, Kościół, S. 13. 40 Vgl. Kołakowski, Sinn, S. 156–157. 41 Vgl. ebd., S. 147 und S. 157.

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Ausdruck des stalinistischen und die andere des kapitalistischen Beharrungsvermögens in seiner rückständigsten und obskursten Form« seien. Die Haltung der Linken müsse damit »in einer Negierung nach zwei Seiten hin zum Ausdruck kommen. Die Linke muss ihre Absage an den polnischen Nationalismus ebenso deutlich formulieren wie ihre Absage an den fremden Nationalismus, der Polen bedroht; sie muss eine ebenso eindeutige, klare, rationale Haltung gegenüber der verkalkten Frömmelei der stalinistischen Version des Marxismus einnehmen wie gegenüber der Gefahr des klerikalen Philistertums; sie muss gleichzeitig die sozialistische Phraseologie ablehnen, die dem Polizeiregime, und die demokratische Phraseologie, die der Herrschaft der Bourgeoisie als Tarnung dient. Nur auf diese Weise kann die Linke ihre besondere Stellung behaupten.«42 Auf die innere Zerrissenheit der PZPR rekurrierend und ihr bereits Mitte der 1950er-Jahre die Qualität einer linken Partei aberkennend, spiegeln die publizistisch ausgetragenen Deutungskämpfe damit jene internen Probleme wider, die in der diesbezüglichen Forschung meist verkürzt als Fraktionskämpfe zwischen der sogenannten Gruppe der Puławianie und der sogenannten Natolin-Gruppe beschrieben wurden.43 Beide Strömungen waren in die stalinistische Regierungspolitik unter Bolesław Bierut verstrickt, sie unterschieden sich jedoch maßgeblich in ihrem Umgang mit der politischen und ideologischen Aufarbeitung der frühen 1950er-Jahre. Die Puławianie, nach dem Ort ihrer gemeinsamen Treffen in der Ulica Puławska in Warschau benannt, strebten die Liberalisierung des politischen Systems in Polen und die Vergrößerung bürgerlicher Freiheiten an. Sie kritisierten die bis dahin angewandten politischen Repressionen, die stalinistischen Verbrechen der 1940er- und 1950er-Jahre und die immer noch in Polen anwesenden sowjetischen »Berater«. Aufgrund ihres starken Engagements für die kulturelle Öffnung Polens, vor allem im Bereich des Presse- und Publikationswesens, und aufgrund ihrer Unterstützung für den im Oktober 1956 mit seiner Vision eines »polnischen Wegs zum Sozialismus« aus sowjetischem Gewahrsam zurückgekehrten Władysław Gomułka, gelang es ihnen nicht nur, eine bis zum Ende der 1950er-Jahre andauernde, gefestigte Position innerhalb der Partei einzunehmen, sondern auch, einen Großteil des in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre etablierten, liberalen Zeitschriftenwesens zu dominieren. Mit der zweiten Gruppe verband sie lediglich die Begründung für den ihr zugeschriebenen Namen, der auch in diesem Fall aus dem gewählten Treffpunkt der Gruppe in Natolin bei Warschau resultierte. Die Ziele der Natolin-Gruppe waren denjenigen der Puławian jedoch deutlich entgegenge42 Vgl. ebd., S. 160. 43 Zu einem der ersten zeitgenössischen Texte, der die diesbezüglichen Fraktionskämpfe beschrieb, gehört Witold Jedlickis Aufsatz »Chamy i Żydy«, vgl. Jedlicki, Chamy i Żydy, S.  3–41; ders., Głosa autorska, S.  107–119 sowie ders., Chamy i Żydy, AO III/17, Nr.  27, S. 1–28. Zur Genese und Einordnung des Textes vgl. Machcewicz, Polski rok, S. 215 f. sowie zuletzt Ceranka, Historia, S. 93–114.

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setzt und definierten sich vor allem über antisemitische und antiintellektuelle Elemente, die auch in der direkten Auseinandersetzung mit den oftmals über jüdische Wurzeln verfügenden Anhängern der Gruppe Puławian vorgebracht wurden. Zwar trat auch die Natolin-Gruppe dafür ein, diejenigen Personen, die für die stalinistischen »Verfehlungen« ursächlich verantwortlich waren, persönlich haftbar zu machen. Gleichwohl war sie an einer etwaigen Liberalisierung des Systems nicht interessiert. Vielmehr sprach sie sich gegen Lockerungen der Pressefreiheit, gegen systemische Veränderungen und für eine starke Bindung an die Sowjetunion aus. Zu den Köpfen dieser vor allem durch das Militär und den Parteiapparat gestützten Gruppe zählten Aleksander Zawadzki, Kazimierz Witaszewski, Franciszek Jóźwiak und Zenon Nowak; zu den Wortführern der ersten, in der Forschung in Teilen auch als liberal bezeichneten Gruppe vor allem Stefan Staszewski, Jerzy Morawski, Władysław Matwin und Roman Zambrowski. Während die erste Fraktion vor allem innerhalb des Parteiapparats eine starke Position einnahm, verfügte die zweite über einen starken Rückhalt in den Medien sowie innerhalb der Parteiintelligenz und der protestierenden Jugend.44 Die hier aufgegriffenen Selbstverständigungsdebatten der linken Dissidenz in Polen fielen somit in eine Zeit des Umbruchs nicht nur innerhalb des Partei- und Staatsapparates, sondern auch innerhalb der polnischen Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft.45 Mit der fortschreitenden, durch das »Geheimreferat« Chruschtschows in Gang gesetzten Destalinisierung, die schließlich in der Rehabilitierung Gomułkas mündete, wurden innerhalb der Bevölkerung und ihrer Eliten Hoffnungen auf eine andauernde und nachhaltige Demokratisierung des politischen Systems geweckt, die sich in der hier untersuchten Gegenüber­ stellung der begrifflichen Selbst- und Fremdzuschreibungen spiegeln. Auch wenn die zentralen Entscheidungsstellen in der Partei – unter anderem das Amt des Premiers  – von sogenannten, quer zu den beschriebenen Flügelkämpfen stehenden »Zentristen« besetzt waren, und einige der wichtigsten stalinistisch belasteten Parteimitglieder, wie etwa Jakub Berman und Hillary Minc, 1956 entweder ihre Ämter verloren oder bereits vorher in die politische Bedeutungslosigkeit abgedrängt worden waren – ebenso wie die linken Dissidenten sich vor die Aufgabe gestellt sahen, ihre politischen und ideellen Orientierungen angesichts der eigenen Verstrickung in die stalinistische Regierungspolitik neu zu hinterfragen, stand Gomułka vor der Herausforderung, die Konsolidierung seiner und der politischen Situation des Landes vor dem Hintergrund einer innerlich zerrissenen PZPR, einer in Massenprotesten politisierten Bevölkerung

44 Vgl. Paczkowski, Pół wieku, S. 201 ff.; Persak, Sprawa, S. 50 ff.; Friszke, Polski Październik, S. 107–123, hier S. 109; ders., 50 Years after, S. 95–114, hier S. 100 ff.; ders., Polen, S. 217 ff.; ders., Anatomia, S. 62 ff. 45 Vgl. Eisler, Zarys, S.  50 ff.; Eisler u. a., Polska, S.  165 ff.; Friszke, Polska, S.  260 ff.; ders., ­Opozycja, S. 80  ff.

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und eines außer Kontrolle geratenen Presse- und Zeitschriftenwesens voran­ zutreiben.46 Neben der hier besprochenen, im Po Prostu, in der Nowa Kultura und selbst im Parteiorgan Nowe Drogi geäußerten Kritik an der Degeneration der Parteilinie in Richtung rechter Inhalte und Ideen plädierten auch Zeitschriften und Zeitungen wie Przegląd Kulturalny, Sztandar Młodych, Świat, Życie ­Gospodarcze und Życie Warszawy für die Demokratisierung des öffentlichen Lebens und für die Erneuerung des Sozialismus in Polen. Selbst die ansonsten parteitreu agierende Trybuna Ludu wehrte sich auf dem Höhepunkt der Reformbewegung gegen Angriffe der Moskauer Prawda, das polnische Presse­wesen wäre »anti­sozialistisch« aufgefallen.47 Und auch die an das Zentral­komitee der PZPR angebundene Pressekommission rief, wie der Historiker ­Krzysztof Persak berichtet, öffentlich zu einem »offenen ideologischen Kampf« der linken gegen die konservativen Kräfte in der Partei auf, damit Letztere unter gar keinen Umständen irgendeinen Einfluss auf das Pressewesen im Land erlangen.48 Im Spannungsfeld dieser Auseinandersetzungen entschied sich Władysław Gomułka für ein nach zwei Seiten hin abgesichertes Verfahren: Während er auf dem VIII. Plenum des ZK PZPR im Oktober 1956 einerseits bekannte, die fortan von ihm geführte Partei habe mit dem stalinistischen System endgültig »abgeschlossen«, verkündete er andererseits auch, dass er niemandem erlauben werde, »den Demokratisierungsprozess gegen den Sozialismus auszuspielen. An der vordersten Stelle dieses Prozesses steht unsere Partei und sonst niemand […]«,49 so der neu gewählte Erste Sekretär der PZPR wörtlich. Hinsichtlich der Fraktionskämpfe innerhalb der Partei bedeutete diese Haltung, dass Gomułka zwar mit Unterstützung der Puławianie und der mit ihnen sympathisierenden, linken Bildungsbürger an die Macht gelangte, sich ihren weitgehenden Reformwünschen aber gleichwohl nicht verpflichtet fühlte. In seiner Überzeugung von der Notwendigkeit einer starken politischen Führung in Polen und seiner latent antiintellektuellen Haltung war der Parteivorsitzende der Gruppe N ­ atolin ideell vermutlich sogar näher.50 Ihre institutionell starke

46 Der Historiker Andrzej Paczkowski zählt neben dem von 1947 bis 1952 und von 1956 bis 1970 amtierenden Premier Józef Cyrankiewicz unter anderem Edward Ochab und Jerzy Albrecht zu dieser, gegenüber der Natolin-Gruppe wie dem Flügel der Puławianie gleichermaßen kritisch eingestellten Gruppierung, vgl. Paczkowski, Pół wieku, S. 201. Im Gegensatz dazu betont Friszke jedoch eher die den Puławianie nahestehende Orientierung der ge­ nannten Personen, vgl. Friszke, Polen, S. 217. 47 Vgl. Zofia Artymowska, W imię prawdziwiej przyjaźni (w odpowiedzi korespondentowi »Prawdy«), in: Trybuna Ludu, 21. Oktober 1956, hier zitiert nach Persak, Sprawa, S. 29. 48 Vgl. AAN KC PZPR, 237/XIX-367, Protokół posiedzenia Komisji Prasowej, 6. Februar 1957, S. 18, hier zitiert nach Persak, Sprawa, S. 33. 49 Vgl. Gomułka, VIII Plenum, S. 7–52, hier S. 43 und S. 45. 50 Vgl. Werblan, Władysław Gomułka, S. 82 f. sowie ders., Gomułka i Październik, S. 60–62.

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Verankerung innerhalb der PZPR und seine daraus resultierende Abhängigkeit einbeziehend, entschloss er sich zu einer taktischen Kooperation mit beiden Flügeln. Sowohl der eine maßgebliche Rolle während der Unruhen des Jahres 1956 spielende Warschauer Wojewodschaftssekretär Stefan Staszewski als auch der als Führer der Puławian geltende Roman Zambrowski wurden in den Jahren 1957 bis 1963 entlassen. Auch zahlreiche Sympathisanten der Natolin-Gruppe, wie etwa das Politbüromitglied Franciszek Jóźwiak sowie der von der Sowjetunion eingesetzte Verteidigungsminister Konstanty Rokossowski, verloren ihre Posten. Andere »Konservative«, wie beispielsweise Vizepremier Zenon Nowak, behielten sie und blieben damit, in der Hoffnung, sie durch ihre Regierungsbeteiligung politisch zu neutralisieren, in die neuen Machtverhältnisse der Partei eingebunden.51 Die Gruppenbezeichnungen Puławska und Natolińska müssten hingegen, so Gomułka, »aus dem Wortschatz der Partei gestrichen […] werden«.52 Es verwundert in diesem Zusammenhang nicht, dass die hier beschriebenen Deutungskämpfe auch vor dem Parteivorsitzenden keinen Halt machten. Selbst der einer späteren Kooperation mit oppositionellen Kräften gänzlich unverdächtige Parteiideologe Adam Schaff beklagte, dass Gomułka, »ein Aufständischer zwar, aber ein überzeugter Kommunist«, sich »vor seinen Augen« und zu seinem »Entsetzen unter dem Druck sogenannter fortschrittlicher Idio­ ten, die keine Ahnung davon hatten, was sie tun, und in welche Richtung sie mit ihrem Blabla schritten, nach rechts zu entwickeln begann.«53 In Schaffs Augen hatten vor allem der Klub Krzywego Koła sowie die Zeitschrift Po Prostu mit der »politischen Unreife der Aktivität der sogenannten Dissidenten« diese Entwicklung beeinflusst und damit letztlich zu einer Annäherung Gomułkas und mit ihm der gesamten Partei- und Staatspolitik an den harten Flügel aufgerufen. Selbst in den 1970er-Jahren, als der Großteil der Dissidenten längst aus der PZPR ausgetreten, ausgeschlossen oder zur offenen Opposition übergegangen war, verwendete die Partei die Attribute der vermeintlich »reaktionären«, »antisozialistischen« und »antikommunistischen« Haltung des hier beschriebenen Oppositionsmilieus zu dessen öffentlicher Diskreditierung.54 Normative Einordnungen in einen rechten oder linken Flügel verloren, gemessen an den entsprechenden Debatten der 1950er- und frühen 1960er-Jahre, sowohl im Schrifttum der Dissidenz als auch in den Stellungnahmen der Partei zwar ein Stück weit, aber nie gänzlich an Bedeutung. So wusste Kołakowski zwar schon 1956 auf die Frage, was die Idee des Sozialismus eigentlich bedeute, insgesamt 81 Merkmale, die den Begriff negativ und nur ein einziges, das ihn positiv 51 Vgl. Persak, Sprawa, S. 52 ff. sowie Friszke, Polen, S. 217 ff. 52 Vgl. Gomułka, Krajowa Narada, S. 63–89, hier S. 73. 53 Vgl. Schaff, Moje spotkania, S. 136. 54 Vgl. Instytut Historyczny, Informacja dot. Listu, S.  28–29; dass., Kim są, S.  36–40; dass., Anonimowe opracowanie, S. 89–93.

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abgrenzte, zu benennen. Der Sozialismus sei eben »eine feine Sache!«,55 antwortete er ironisch. Mit den anfangs dargestellten Idealen der Linken, so die Botschaft seines von der Zensur einbehaltenen Textes, sei das sozialistische System jedoch kaum in Deckung zu bringen. Dennoch schrieb der Philosoph auch 1971 noch, dass das »Konzept der Linken« keinesfalls seinen Sinn verloren habe. Es sei eben nur kein »allgemeines politisches Programm« möglich, das »allen Konflikten auf der Welt einen gemeinsamen Sinn verleihen« würde. Damit könne die Linke keine »internationale politische Massenbewegung« mehr sein, sondern nur noch als das weiterleben, »was sie schon immer gewesen ist: die Haltung derjenigen, die sich der ihrer Rede- und Handlungsfreiheit beraubten ebenso annehmen wie der Hungernden und Arbeitslosen«.56 Auf die Frage, was von dem linken Flügel der studentischen Opposition übrig geblieben sei, antwortete Michnik 1976: »Es blieb das Vertrauen, das eine gewisse Gruppe […] nach wie vor dem Pluralismus und der Arbeiterselbstverwaltung entgegenbringt.«57 Und während Modzelewski die Existenz einer Linken und einer Rechten in Polen zunehmend infrage stellte, versuchte Kuroń auch 1986 noch, den Sinn einer solchen Einteilung nicht nur zu begründen, sondern auch zu analysieren.58 Dass die PZPR auch um 1980 noch einen »radikalen«, »laikal-linken« Flügel der Opposition von einem »katholischen« und einem »national-demokratischen« abzugrenzen versuchte, zeigt wiederum, dass idealtypische Kategorisie­ rungen, wie sie auch in westlichen Industrieländern der damaligen Zeit zur Charakterisierung politischer Gegner oder Befürworter dienten, auch in einem »realsozialistischen« System durchaus benutzt werden konnten und wurden. Den von den Dissidenten artikulierten Vorbehalten gegenüber einer Übertragung ihrer linken Programmatik auf ganze Oppositionsgruppen oder -­strömungen zum Trotz, rechnete die PZPR dementsprechend die Gruppe KOR und den radikalen Flügel der Solidarność-Bewegung in Warschau, Breslau und Krakau zum linken und die Gruppen KPN und ROPCIO zum national-demokratischen Flügel.59 Ihren Sekretären und Mitgliedern empfahl die für Fragen der Kultur zuständige Abteilung des Zentralkomitees 1981 gar die Vorbereitung eines Kongresses für die »linke Intelligenz«, um den »Platz der Kultur in der Wertehierarchie der polnischen Gesellschaft« neu zu bestimmen. »Die Zusam55 Der Text, der 1956 in Nr. 47 der Zeitschrift Po Prostu publiziert werden sollte, wurde angesichts seines das sozialistische System in den genannten 81 Punkten demaskierenden Inhalts nicht zum Druck zugelassen, vgl. Kołakowski, Czym jest socjalizm, AAN, KC PZPR, IX/135, k. 4–9, S. 1–7 sowie den späteren Abdruck des Textes, in: Ders., Pochwała ­niekonsekwencji, Bd. 2, S. 111–113. 56 Vgl. Kołakowski, Gestrandete Linke, S. 622. 57 Vgl. Przekład wywiadu Barbary Spinelli z Adamem Michnikem dla Czasopisma »La Repubblica« z dn. 16 listopada 1976, AO III/17, Nr. 19, S. 1–2, hier S. 1. 58 Vgl. Kuroń, O podziale, S. 131–141, insb. S. 137 ff. 59 Vgl. Informacja o działalności Niezależnego Zrzesienia Studentów z dn. 25. listopada 1981, AAN, KC PZPR, XI/990, k. 198–201, S. 1 ff., hier k. 201, S. 4.

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menkunft wird erfolgreich sein«, so das entsprechende Parteidokument, »wenn sie die Kulturschaffenden davon überzeugt, dass die Partei über ein Konzept der sozialistischen Kultur und ein Programm ihrer Entwicklung verfügt«.60 Angesichts der anstehenden Probleme des Landes sei vor allem eine zunehmende »Zerstreuung« der intellektuellen Linken, verstanden als »Gruppe von Menschen, die sich »einer breit gefassten Plattform des Marxismus und der sozialistischen Ideologie zurechnen ließen« bemerkbar. »In dieser Situation« sah sich die Kulturabteilung des ZK PZPR vor die »dringende Notwendigkeit der Aufbringung von Kräften mit dem Ziel der Belebung einer linken intellektuellen Strömung auf dem weit gefassten Gebiet der Kultur« gestellt. Das Treffen sollte einer Zusammenkunft von Menschen dienen, die nicht unter organisatorischen, also über die Mitgliedschaft in der Partei, sondern unter ideellen Gesichtspunkten, das heißt anhand »ihrer Verbindung mit einer marxistischen Konzeption der Geschichte und der Kultur«, auszuwählen wären. Die Veranstaltung sollte damit auch dem Umstand begegnen, dass die Kulturpolitik der Partei selbst zur »Zerstreuung« der intellektuellen Linken beigetragen habe, und dass »viele Menschen mit eigenständigen, in die sozialistische Ideologie passenden, aber nicht immer und nicht alles affirmierenden Meinungen, keine Möglichkeit zu einem Dialog mit der Partei und der Gesellschaft hatten«. Gleichzeitig sollte sie der »traurigen Wahrheit« Rechnung tragen, dass »die derzeitige enorme Arbeiterbewegung zum überwiegenden Teil von intellektuellen Inhalten gespeist sei, die durch katholische Kreise oder die gesellschaftliche ›Rechte‹« und nicht durch sozialistische Kräfte produziert würden.61 Es ginge um die »Neudefinition des Begriffs der ›Linken‹ in der Kultur und in der Wissenschaft« und um die »Konfrontation dieses Begriffs mit der aktuellen geistigen und gesellschaftlichen Situation«62 des Landes, so die Autoren. Zwar wäre es fehlgeleitet, anzunehmen, dass die Partei während des 1981 ausgerufenen Kriegszustandes gerade jene Strömung der Linken zu einer neuen, von selbstkritischen Eingeständnissen begleiteten Zusammenarbeit bewegen wollte, die sie spätestens seit den 1960er-Jahren als »antisozialistische Oppositionelle« schon längst politisch und juristisch bekämpfte. Vielmehr zeigt der Quellenauszug, mit welcher Verspätung auch die PZPR schließlich zur ideologischen Öffnung gegenüber einer im weitesten Sinne als links verstandenen, wenn auch nicht weiter definierten Strömung im polnischen Bildungsbürgertum überleitete und damit einer  – in ihren Augen  – von »reaktionären Kräften« dominierten Solidarność begegnete. Auch hier spiegeln sich wieder die der 60 Das Treffen sollte im Februar 1981 stattfinden und als Gegenveranstaltung zu einem von der Solidarność geplanten »Kongress der Polnischen Kultur« konzipiert werden, vgl. Notatka w sprawie zgromadzenia twórców i działaczy kultury oraz spotkania intelektualistów z dn. 15. grundia 1980, AAN, KC PZPR, XIB/50, k. 239–244, S. 1–6, hier k. 240, S. 2. 61 Vgl. Notatka w sprawie zgromadzenia twórców i działaczy kultury oraz spotkania intelektualistów z dn. 15. grundia 1980, AAN, KC PZPR, XIB/50, k. 239–244, k. 244, S. 6 sowie zu den oben beschriebenen Zielen der Initiative, k. 240–242, S. 2–4. 62 Vgl. ebd.

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gegen­seitigen Stigmatisierung dienenden Schlagworte der »Linken« und der »Rechten«, die sowohl von den Dissidenten  – zur gleichzeitigen Abgrenzung gegenüber der Partei und gegenüber bestimmten Teilen der Bevölkerung – als auch von der Partei – und zwar ebenfalls zur zeitgleichen Abgrenzung gegenüber der Dissidenz und gegenüber bestimmten Teilen der Bevölkerung – benutzt wurden. Als die PZPR sich 1981 dieser Abstoßungsmechanismen bediente, hatte die dissidente Linke sie allerdings bereits weitestgehend überwunden. Eine zentrale Rolle bei diesem Prozess spielte sowohl die Auseinandersetzung mit den politischen und ideellen Schwächen des eigenen Milieus als auch das verstärkte Auftreten einer jüngeren, nicht mehr zwingend an die Partei gebundenen Generation von Oppositionellen. Bereits durch die Erfahrung der gescheiterten ­Reformhoffnungen des Jahres 1956 nachhaltig geprägt, führte das Scheitern der von der studentischen Generation vorangetriebenen Proteste des Jahres 1968 zur endgültigen Desintegration des dissidenten Milieus in der Partei und der Gesellschaft.63 An seine Stelle trat eine demokratisch und pluralistisch ausgeformte Oppositionsbewegung, die sich, im Spektrum ihrer hier behandelten Strömung, anstelle des ideologisch aufgeladenen Begriffs der »Oktoberlinken« vor allem über den von Michnik pragmatisch ausformulierten Begriff der »laikalen Linken« definierte und hinsichtlich ihrer Öffnung gegenüber vormals »rechten«, katholischen Oppositionsströmungen auch in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung des- und anschließend neu integrierte. Damit einher ging auch eine zunehmende Differenzierung und weit­reichende Modifizierung des Begriffes »Linke«. Die Bezeichnung verlor nicht nur endgültig ihre auch schon in den 1950er- und 1960er-Jahren nicht mehr allzu fest umrissene Trennschärfe. Sie verlor auch ihre utopische, revolutionäre Stoßrichtung und ihren normativen Abgrenzungscharakter. Nicht weil jemand links sei, müsse er politisch als Partner anerkannt werden, sondern weil er, unabhängig davon, ob er aus einem linken oder rechten Traditionshorizont stammte, gemeinsame Ziele in Bezug auf die Überwindung eines als »totalitär« eingestuften Systems verfolge. So wie der Begriff der Linken in den Frühjahren Gomułkas zur allmählichen Ablösung aus einer rein unter parteiideologischen Gesichtspunkten getroffenen Orientierung diente und damit die Annäherung zwischen reformierten Kreisen in der PZPR mit reformorientierten Gruppen außerhalb der Partei begünstigte, so wurde er bei Michnik nochmals weiter und offener auch für diejenigen Kreise, die sich einer linken Strömung bislang nicht zurechnen ließen. Verglichen mit dem zu Beginn dargestellten Verständnis des Begriffes bei Kuroń, Modzelewski, Kołakowski und anderen Dissidenten der 1950erund 1960er-Jahre, behielten Michnik und die Oppositionellen der 1970er-Jahre die integrative Wirkung des Terminus bei, ließen aber gleichzeitig ihre exklusivelitäre Funktion hinter sich. Der Begriff wurde damit nicht nur äußerst dehnbar, sondern in Teilen auch beliebig, könnte man kritisch anführen. 63 Zur Charakteristik der Unruhen des Jahres 1956 und 1968 vgl. den Abschnitt Chronologie und Zeitraum in dieser Arbeit.

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Gleichwohl ist der bislang vertretenen These, es habe sich bei den demo­ kratischen Oppositionsbewegungen in Ostmitteleuropa vor allem um apoli­ tische, lediglich ethisch begründete Denk- und Handlungszusammenhänge gehalten, jedenfalls für den polnischen Fall nicht zuzustimmen. Wenn man den hier umrissenen Begriff der Linken als einen Terminus begreift, auf den »alle konfligierenden Schichten und Parteien gemeinsam […] angewiesen bleiben, um ihre unterschiedlichen Erfahrungen, ihre schichtenspezifischen Interessen, ihre parteipolitischen Programme miteinander zu vermitteln«, dann handelte es sich bei dem Begriff der Linken im Verwendungskontext der dissidenten Akteure um einen »Grundbegriff«64 im Sinne Reinhart Kosellecks. Bis in die 1970er-Jahre hinein – so lassen sich die Ergebnisse dieses Kapitels zusammenfassen  – diente er als gemeinsamer Zufluchtspunkt einer ideell wie per­ sonell äußerst heterogen zusammengesetzten Gruppe von Wissenschaftlern, Politikern und Intellektuellen, bis er schließlich durch die pragmatische Einsicht der jüngsten Oppositionsgeneration in die nicht zu umgehende Öffnung des eigenen Milieus für darüber hinaus reichende Verbindungen zunehmend unbrauchbar wurde. Dabei unterlag er einem bemerkenswerten Wandel, der vor allem durch die als Niederlage erlebten politischen Krisenjahre 1956 und 1968 bestimmt wurde. Diente er noch um 1955 zur Abgrenzung gegenüber einer stalinistischen Parteielite, übernahm er ab 1956 vor allem die integrative Funktion einer milieuinternen Bindungs- und Verständigungsebene zwischen parteiinternen und -externen Intellektuellen, bevor er während der Unruhen und anschließenden Strafprozesse des Jahres 1968 zunehmend infrage gestellt und 1976 schließlich aus seinem spezifischen Milieuzusammenhang gelöst wurde. Damit spiegelt die Begriffsgeschichte65 der Linken in der Volksrepublik Polen auch einen charakteristischen Wandel des Politischen im 20. Jahrhundert, mit dem eine zunehmende Entideologisierung und Pragmatisierung politischer Aushandlungsprozesse einherging. Nicht als lediglich ethische, sondern zunächst als bewusst politische Entscheidungsprozesse sind die Selbstverständigungsdebatten der Dissidenz in Polen zu werten, innerhalb derer ein spezifisch linker Milieu- und Handlungszusammenhang erst konstruiert und anschließend dekonstruiert wurde. Ihre auf dieser Milieubindung und den entsprechenden politischen Haltungen resultierenden Reformansätze im Rahmen einer frühen linken Kritik am Kommunismus sollen im Folgenden dargestellt werden.

64 Vgl. Koselleck, Einleitung, S. XIII–XXVII, hier S. VII. 65 Weiterführend zur Begriffsgeschichte sind vor allem die Arbeiten Kosellecks, vgl. ders., Vergangene Zukunft und ders., The Practice sowie Reichardt, Aufklärung und Konersmann; Bödeker; Landwehr.

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2.2 Rückbesinnungen und Reformbemühungen War die Semantik der Linken für die hier behandelten Dissidenten ihr positives, auf ihre Integration abzielendes, so wurde die Auseinandersetzung mit dem Marxismus bald ihr negatives, auf die zunehmende Isolation des Milieus hinweisendes Charakteristikum. Wer im Polen der 1950er- und 1960er-Jahre noch immer Affinitäten zur »größten Phantasie des 20. Jahrhunderts«66 hegte, formulierte seine Kritik am kommunistischen Regierungssystem nicht in der Sprache der national-konservativen, liberalen oder katholischen Oppositionsströmungen, sondern vor allem in der Sprache des innerparteilich geltenden Marxismus-Leninismus. Der Rekurs auf Marx, Engels und Lenin zog jedoch weitreichende Konsequenzen nach sich. Seitens der PZPR als »revisionistische«, mit einer Tuberkulose gleichgesetzte »Krankheit«67 diffamiert, waren die auf die »Revision« des Marxismus bezogenen Intellektuellen auch innerhalb der Bevölkerung weitgehend isoliert. Ihre frühen Reformversuche, die Inhalt des folgenden Teilkapitels sind, wurden außerhalb der eigenen Partei nur begrenzt re­ zipiert, innerhalb der PZPR aber umso schärfer bekämpft. Auf dem Vorwurf des »Revisionismus«, »Trotzkismus« und »Anarchismus« beruhte dementsprechend bis in die späten 1980er-Jahre hinein nicht nur die verbale, sondern auch die strafrechtliche Verfolgung der demokratischen Opposition in Polen, wie unter anderem die mittlerweile einsehbaren Partei-, Staatssicherheits- und Strafprozessakten zeigen.68 Nicht im Sinne von Eigen-, sondern im Sinne pejorativ genutzter, durch den Parteiapparat geprägter Fremdbezeichnungen bedient sich das folgende Kapitel daher der erwähnten Zuschreibungen. Chronologisch vorgehend, strukturieren sie die Kritik des hier behandelten Dissidentenmilieus am kommunistischen System in Polen. Dabei konzentriert sich das Kapitel auf drei zentrale Fragestellungen: erstens auf die spezifischen Ansätze und Anlässe »linker« Kritik am Kommunismus aus »revisionistisch« inspirierten Traditionen; zweitens auf die damit einhergehende, in ihrer Bedeutung zunehmend verlierende Bezugnahme auf marxistische Deutungsmuster und -positionen und drittens auf die Frage nach der Relevanz und Konsequenz der frühen, dissidenten Reformversuche für die Konzeption und Formation einer demokratischen Opposition in Polen.

66 So Kołakowski in Bezug auf die intellektuelle Faszination des Marxismus, vgl. ders., Główne nurty, S. 611–620, hier S. 611 sowie ders., Epilog, AO III/49, Nr. 23, S. 1–5, hier S. 1. 67 Vgl. Gomułka, X Plenum, S. 29–98, hier S. 36 sowie – aus der Perspektive dessen, der als »größter Ansteckungsherd« der diesbezüglichen Krankheit diffamiert wurde – Kołakowski, Główne nurty, S. 611. 68 Vgl. Instytut Historyczny, Opozycja demokratyczna sowie Instytut Pamięci Narodowej, ­Marzec 1968, Bd. 1.

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2.2.1 »In dieser Partei wirst Du nicht mehr lange bleiben!« Von Marxisten und Revisionisten »Eine Definition des Revisionismus sollte eigentlich keine Schwierigkeiten be­ reiten«,69 schrieb Leopold Łabędz 1962 in einem Sammelband über den Revisionismus. De facto ist eine klare Definition des Begriffes aber kaum möglich. Aus dem lateinischen »revidere« (wieder hinsehen) abgeleitet, changiert das Verständnis dessen, was als »revisionistisch« bezeichnet wird, zwischen so unterschiedlichen historischen Kontexten wie der sogenannten »Revisionis­ musdebatte«70 der deutschen Sozialdemokratie nach 1896 und der zum außenpolitischen Ziel erklärten »Revision der Versailler Verträge«71 nach 1919. Auch im Fall des hier behandelten »Revisionismus« sind zwei diametral entgegengesetzte Begriffsdefinitionen möglich. Für Leszek Kołakowski, einen der Hauptvertreter des Revisionismus in Polen, wurde »der Terminus […] ab der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre von Parteimitgliedern oder -ideologen zur Verfolgung jener benutzt, die im Rahmen der Partei oder im Rahmen des Marxismus verschiedene kommunistische Dogmen attackierten, wobei der Begriff selbst keinerlei definierten Inhalt hatte.«72 In der offiziellen Sprache der KPdSU hingegen galt als Revisionismus »diejenige Tendenz in der Arbeiterbewegung, die den Marxismus – zum Vorteil der Bourgeoisie – verfälschen, schwächen und vernichten will, und zwar durch eine Revision, d. h. Überprüfung, Entstellung und Negierung seiner grundlegenden Lehren.«73 Mit dem frühen sozialistischen Revisionismus vor dem Ersten Weltkrieg hat der hier untersuchte, kommunistische Revisionismus nach dem Zweiten Weltkrieg kaum Gemeinsamkeiten.74 Im polnischen Fall bezog er sich nicht auf ­Eduard Bernstein und nur selten auf andere, als »revisionistisch« bezeichnete Vorboten.75 69 Vgl. Łabędz, Einleitung, S. 9–36, hier S. 9. 70 Als »Revisionismusdebatte« wird die in den 1890er-Jahren von Eduard Bernstein innerhalb der deutschen Sozialdemokratie ausgelöste Kontroverse um die marxistische Theorie von einem bevorstehenden Zusammenbruch der kapitalistischen Gesellschaftsordnung bezeichnet, die Bernstein grundsätzlich infrage stellte und zwischen 1896 und 1899 im Rahmen mehrerer Artikel in der »Neuen Zeit« veröffentlichte, vgl. Bernstein, Geschichte und Theorie; ders., Voraussetzungen des Sozialismus sowie weiterführend Carsten; Gustafsson; Lemke; Gneuss, S. 37–50. 71 Von einem »Revisionssyndrom« sprach in diesem Zusammenhang Michael Salewski, vgl. Salewski, S. 14–25 sowie weiterführend Winkler, Der lange Weg, S. 403. 72 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 534 f. 73 So die Definition eines sowjetischen Wörterbuchs, hier zitiert nach Łabędz, Einleitung, S. 22 sowie – mit ähnlicher Stoßrichtung – Gomułka, IX Plenum, S. 259–353, hier S. 324 f. 74 Meine Ausführungen konzentrieren sich im Folgenden ausschließlich auf die polnische Spielart des Revisionismus, der in Kapitel 4.2 der Arbeit aber noch einmal in vergleichender Perspektive bewertet werden wird. Zum internationalen Vergleich seien darüber hinaus Grebing sowie vor allem die zuletzt erschienene Studie von Kopeček erwähnt. 75 Zu den »klassischen« Revisionisten vgl. Baron, S. 51–67; Carsten, S. 68–82; Schurer, S. 83–95 und Heitman, S. 96–114.

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Vielmehr speiste er sich vor allem aus der persönlichen Erfahrung des Stalinismus, einer daran entzündeten Kritik des praktizierten Kommunismus und einem damit zusammenhängenden intellektuellen Rationalismus. Damit ging es den Revisionisten der 1950er-Jahre von vornherein weniger um die theoretische Weiterentwicklung des Marxismus als vielmehr um die praktische Auseinandersetzung mit dem in ihren jeweiligen Ländern gelebten Kommunismus. Von Leszek Kołakowski rückblickend als »politische Bewegung« bezeichnet, hat der »neue«, osteuropäische Revisionismus dennoch maßgeblich zum endgül­ tigen »Ruin der kommunistischen Doktrin«76 beigetragen. Ungefähr zeitgleich mit den bereits beschriebenen Flügelkämpfen innerhalb der PZPR aufgekommen, verdankt die intellektuelle Strömung des Revisionismus in der Volksrepublik Polen vor allem vier Faktoren ihre bis in die späten 1960er-Jahre hineinreichende Dauer und Bedeutung: Bei den sogenannten Revisionisten handelte es sich erstens um kommunistische Intellektuelle, die – eng mit dem politischen Establishment verflochten – zu den aktivsten und effektivsten Kritikern eines Systems gehörten, dessen ideologische, aus dem Marxismus abgeleitete Grundlagen sie ebenso gut kannten wie seine Regierungsmechanismen. Daraus ergab sich zweitens ihr besonderer Zugang zu unveröffentlichten Informationen, aber auch zu den wichtigsten Massenmedien. Aus ihrer Verflechtung mit dem kommunistischen Parteiapparat und ihrer Mitarbeit in einigen der wichtigsten Zeitschriftenredaktionen resultierte drittens ihr Selbstverständnis von der Verpflichtung zur aktiven Gestaltung des kommunistischen Systems in Polen. Daraus wiederum speiste sich viertens ihre marxistische Sprache, die ihnen im Gegensatz zu anderen Oppositionsströmungen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit innerhalb der Regierungselite zusicherte. Auf die offi­ziell geltende Parteilinie und ihre – in den Grenzen der politischen Zensur auszuhandelnde – »Revision« bezogen, wurde der Rekurs auf marxistische »Klassiker«, Autoritäten und Stereotype teils »aus taktischen Effektivitätsüberlegungen« und teils »aus Überzeugung« vorgenommen.77 Das zentrale Element dieser Überlegungen war die Überzeugung von der Möglichkeit einer »Ausnutzung« der Originalquellen des Marxismus für eine ausgewogene Kritik des Kommunismus. Abgesehen von einer nur kurz andauernden Auseinandersetzung mit Lenin, der »mit wenig intellektuellem Erfolg«78 Stalin entgegengesetzt und hinsichtlich der Notwendigkeit innerparteilicher Demokratie neu gelesen wurde, kamen die sogenannten Revisionisten jedoch recht schnell zu der Erkenntnis, dass der Stalinismus vom Leninismus nicht abzulösen sei. Zentraler Ansatzpunkt ihrer Kritik war dabei nicht nur die 76 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S.  535 sowie Reyman u. Singer, S.  323–334 und Griffith, S. 335–356. 77 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 535 f. 78 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 539 f. sowie ders., Aktualne i nieaktualne pojęcie, S. 2 und S. 7 beziehungsweise ders., Aktuelle und nichtaktuelle Begriffe, S. 7–39, hier S. 22. Die im Folgenden angeführten Zitate folgen der deutschen Übersetzung des Textes.

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grundsätzliche Ablehnung des Stalinismus, sondern vor allem die Art des »offiziellen« Umgangs mit dieser Ablehnung. Eine »Destalinisierung«, deren Schwerpunkt vor allem auf der Bewertung des Stalinismus als singuläre »Verfehlung« innerhalb eines ansonsten politisch und moralisch zu rechtfertigenden Systems gelegt wurde, lehnten sie ab: »Mit Verspätung« vergegenwärtigten sie sich, dass »all das, was im stalinistischen System ungerecht, terroristisch und kultur­vernichtend war, eben nicht Vorbote eines weiterzuentwickelnden Sozialismus war, der auf dem Weg der dialektischen Negation mit der Zeit in ihr Gegenteil verkehrt würde, sondern dass Ungerechtigkeit schlicht Ungerechtigkeit und Terror schlicht Terror«79 seien. Nicht in der Persönlichkeit Stalins, sondern in der geschlossenen politischen Ideologie des Kommunismus suchten sie daher die Gründe für die nach 1953 bekannt gewordenen Verbrechen. Aufgeteilt in einen eher »gemäßigten« und einen »radikalen«, die Abschaffung des Ein­parteienstaates fordernden Flügel, glaubten die Revisionisten, dass eine Reform dieses Systems ohne Revision seiner ideologischen Grundlagen nicht möglich beziehungsweise nicht vermittelbar wäre. Daher basierten ihre Reformbemühungen noch bis in die 1960er-Jahre hinein auf den ideologischen Grundlagen des Marxismus-Leninismus, dessen humanistische und demo­ kratische Anteile sie »wiederzuentdecken« und gegen das System zu verwenden suchten.80 Der wichtigste Ansatzpunkt ihres Vorgehens war die mit ihrer zumeist intellektuellen Berufstätigkeit eng verknüpfte Forderung, dass der Marxismus den üblichen wissenschaftlichen Standards genügen und der empirischen und theoretischen Überprüfung Stand zu halten habe. Ein Marxismus, der jegliche »Kultur auf Klassenkämpfe«, jegliche Philosophie »auf den Kampf des Materialismus mit dem Idealismus« und jegliche Moral auf »ein Instrument zum Aufbau des Sozialismus«81 reduziere, könne nur im »Primitivismus« beharren. Insbesondere die intellektuelle Linke müsse daher zwar einerseits die »Werte, die Marx durch sein Werk in das wissenschaftliche Denken getragen hat«, bewahren, gleichzeitig aber auch »verschiedene nicht mehr aktuelle Thesen« und »alte Verallgemeinerungen seiner Doktrin«, die »besonders im Bereich seiner Voraussagen über den weiteren Geschichtsverlauf« den tatsächlichen Bedingungen »nicht standgehalten« und mehr den Charakter »eines moralischen Impulses als einer wissenschaftlichen Theorie« angenommen haben, transparent machen. Man könne darüber hinaus davon ausgehen, so Kołakowski 1957 in der Nowa Kultura, »dass in dem Maße, wie sich die Technik der Geisteswissenschaften vervollkommnet, der Begriff des Marxismus als einer gesonderten Richtung« verschwinden würde. Ebenso wie es »keinen ›Newtonismus‹ in der Physik, keinen ›Linnéismus‹ in der Botanik, keinen ›Harveyismus‹ in der Physik

79 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Stenogramm, S. 687–693, hier S. 687. 80 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 539–540. 81 Vgl. ebd., S. 540.

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und keinen ›Gaußismus‹ in der Mathematik gibt« würde das Marx’sche Werk langfristig ein »untrennbarer Bestandteil des wissenschaftlichen Lebens« werden, was im Übrigen ohnehin der »größte Triumph für einen großen Gelehrten« wäre.82 Insbesondere das »Vertrauen in die Selbsterkenntnis der Wissenschaftler und in das sozialistische Bewusstsein der Intelligenz« sollte diesen Weg idealer­ weise auch parteiintern ebnen und gleichzeitig »den Primitivismus« sowie »jede Art von Rückschritt«83 aus der Kultur und der Politik verbannen. Dabei verstand sich die intellektuelle Linke als eine Haltung, die »durch radikalen Ra­ tionalismus des Denkens« gekennzeichnet sei, »durch entschiedene Ablehnung jeder Mythologie in der wissenschaftlichen Arbeit, durch rücksichtslose Säkularisation der Weltanschauung, durch konsequenten Kritizismus, durch Misstrauen gegen geschlossene Systeme und Doktrinen, durch den Willen nach Offenheit im Denken, das heißt durch die Bereitschaft, anerkannte Thesen, Theorien und Methoden zu revidieren und wissenschaftliche Neuerungen zu respektieren.« Diese Haltung verbinde die »Toleranz gegenüber anderen wissenschaftlichen Standpunkten« mit der Bereitschaft, »dem Irrationalismus« abzuschwören, sie verbinde »die Überzeugung vom hohen Wert wissenschaftlicher Erkenntnis mit der Überzeugung von der Möglichkeit eines sozialen Fortschritts.«84 Eine dementsprechend offene Atmosphäre des intellektuellen Austauschs spiegelte sich auch im Veranstaltungskalender des bereits erwähnten Klub ­Krzywego Koła, der, neben dem Redaktionskomitee der Zeitschrift Po Prostu, in der diesbezüglichen Forschung meist als wichtigste reform- und revisionismusorientierte Kraft während der kurzen Liberalisierungsphase Polens in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre genannt wird. Politisch motivierte Themenabende zu aktuellen Problemen des Marxismus waren in diesem Klub eher selten.85 Aus der Auflistung der Klubtreffen zwischen 1956 und 1962 lassen sich lediglich acht entsprechende Vorträge rekonstruieren, darunter Leszek Kołakowskis Vortrag »Über das Thema des Marxismus« (vom 14.2.1957), Danuta Malewskas »Lenin’sche Konzeptionen der Diktatur des Proletariats zwischen 1917–1918« (vom 12.12.1957), Stanisław Ossowskis »Ideen und Programme. Probleme einer zeitgenössischen sozialistischen Kultur« (vom 9.1.1958), Maria Ossowskas »Versuch einer Systematisierung der marxistischen Ethik« (vom 11.6.1959), Andrzej Malewskis Rede über den »empirischen Sinn des historischen Materialismus« (gehalten am 17.4.1958), Maria Dąbrowskas Vortrag aus Anlass des 30. Todestags des polnischen Sozialisten und Anarchisten Edward Abramowski (gehalten 82 Vgl. Kołakowski, Aktuelle und nichtaktuelle Begriffe, S. 22–23. 83 Vgl. ders., Die Intellektuellen, S. 56. 84 Vgl. ders., Aktuelle und nichtaktuelle Begriffe, S. 22. 85 Vgl. Kapitel 2.2.1 dieser Arbeit sowie – allgemein zu Zielsetzung und Zusammensetzung des Klubs – Friszke, Początki, S. 4–45; Ceranka, Ludzie, S. 89–134; ders., Zamknięcie, S. 72–100 sowie Jedlicki, Klub.

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am 26.6.1958) und schließlich der »Versuch einer Bewertung des Austromarxismus« von Tadeusz Kowalik (vom 10.11.1960).86 Weitaus stärker überwogen jedoch jene der politischen Praxis gewidmete Referate, die die konkret anstehenden Probleme des Landes zu beleuchten und aus der Perspektive möglicher, langfristiger Reformmöglichkeiten zu lösen suchten. Allein für die Diskussion des im Umfeld des 20. Parteitags der KPdSU vom 14.–26. Februar 1956 von Nikita Chruschtschow gehaltenen Geheimreferats wurden drei Termine anberaumt.87 Zu den fortan am stärksten bearbeiteten Themen im Klub zählten Fragen der Pressefreiheit sowie der Arbeiterselbstverwaltung. Darüber hinaus befasste man sich vor allem mit Problemen der internationalen Politik, wie der Situation in »Israel und Ägypten zu Beginn des Jahres 1957« und »Chinas 1958«. Am meisten diskutiert wurde jedoch über das Thema der politischen Ökonomie. Über Probleme der sozialistischen und der kapitalistischen Wirtschaft sprachen Czesław Bobrowski, Włodziemierz Brus, Andrzej Brzeski, Stefan Kurowski, Oskar Lange und Jerzy Zdanowicz. Zur Zukunft des Kapitalismus äußerte sich Edward Lipiński und zum Problem der »wirtschaftlichen Rückständigkeit in der modernen Welt« Zdzisław Zadowski.88 Seine stärkste Revision erlebte der Marxismus somit auf einer wissenschaft­ lichen Ebene, auf der Philosophen, Soziologen und Ökonomen sich vor allem um die Wiedereinführung des »Subjekts« in den historischen Erkenntnis­ prozess und um die Kritik bürokratischer Regierungsformen verdient machten. Damit einher ging eine grundsätzliche Infragestellung des Marx’schen »Wahrheitsbegriffs«, des »historischen Determinismus«, aber auch der »Krisen­ theorie«, der »Verelendungstheorie«, der »Revolutionstheorie« und der Theorie von der »Entfremdung«.89 Dergestalt abgelehnt wurde auch die Legitimität des 86 Die im Folgenden aufgezählten Vortragsveranstaltungen des Klubs sind einer Auflistung zu entnehmen, die auf der Grundlage der überlieferten Kartothek des führenden Klub­ mitglieds Jan Józef Lipski erstellt und vor kurzem publiziert wurde, vgl. Friszke, Wykaz, S. 78–86. 87 Und zwar am 15.3.1956 (wieder abgesagt), am 22.3.1956 und am 5.4.1956. Am 25.10.1956 folgte ein Vortrag von Andrzej Brzeski über die aus der sowjetischen Entwicklung mit­ resultierenden »Ereignisse des VIII Plenums der PZPR«, vgl. Friszke, Wykaz, S. 79. 88 Vgl. die Vorträge von Kazimierz Koniewski und Jerzy Sawicki über das »Projekt eines Gesetzes zur Garantierung des Rechtes der Presse auf Kritik« (vom 23.10.1958), von ­ Czesław Czapów über das »Projekt einer Arbeiterselbstverwaltung in der Automobilfabrik FSO in Żerań« (vom 11.10.1956) und von Jan Wolski über die »Struktur der Arbeiter­ selbstverwaltung« (vom 28.2.1957) sowie die auf wirtschaftliche Fragen konzentrierten Vorträge von Stefan Kurowski (am 17.5.1956), Andrzej Brzeski und Stefan Kurowski (am 21.2.1957), Włodziemierz Brus (am 5.12.1957), Oskar Lange (am 17.9.1959 sowie 14.5.1959), Czesław Bobrowski (am 10.10.1957 und 27.11.1958), Jerzy Zdanowicz (am 13.11.1958), Edward Lipiński (am 26.11.1959) und Zdzisław Zadowski (am 5.5.1960), siehe Friszke, Wykaz, S. 78–86. 89 Vgl. Kołakowski, Die Intellektuellen, S.  43 f.; ders., Karol Marks, S.  43–67 beziehungsweise ders., Karl Marx, S. 51–80 und Łabędz, Revisionismus, S. 240–272; Schaff, Studien, S. ­273–294 und Bell, Diskussion, S. 295–323.

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Kommunismus als einer »historischen Notwendigkeit«, die keiner weiteren moralischen Begründung bedürfe.90 Man las kommunismuskritische Literatur von Albert Camus, Maurice Merleau-Ponty, Arthur Koestler und George Orwell, man rezipierte den Freiheitsbegriff und den Existenzialismus Jean-Paul Sartres, man ging zurück zum »jungen« Marx, zu Engels und zu Hegel. Georg Lukács spielte eine gewisse Rolle ebenso wie Antonio Gramsci, in dessen Werken man Ansätze für eine Kritik der kommunistischen Bürokratie und des Determinismus entdeckte. Rückverweise auf Leo Trotzki hingegen waren kaum vorhanden und auch Rosa Luxemburg wurde nur hinsichtlich ihrer Kritik an Lenin neu gelesen.91 Eine »Bewegung, die sich politische Ziele setzt und danach strebt, […] grundlegende Veränderungen auf allen Gebieten des menschlichen Lebens zu schaffen« könne »nicht ohne eine Theorie auskommen, die beständig der Kritik unterliegen, modernisiert und revidiert werden muss«, las man 1956 im Parteiorgan Nowe Drogi.92 Dies betreffe auch »die Theorie der Partei selbst«. Insbesondere müsse geprüft werden, »ob es wirklich zu den grundlegenden Aufgaben der Parteiorganisation gehört, sich um das gute Funktionieren des Produktionssystems im Staat zu kümmern und in den Betrieben die Funktion einer Inspektionsbehörde auszuüben«, denn ökonomische Gesetze seien nun einmal nicht »durch ideologische Einwirkung« und die »Verwaltung von Dingen« nicht durch die »Administration von Menschen«93 zu ersetzen. Ins­besondere in den Wirtschaftswissenschaften entwickelte der Revisionismus demzufolge eine Reihe von Reformansätzen, die unter anderem auf die partielle Einführung von Marktmechanismen abzielten. Vor allem Włodzimierz Brus und Edward Lipiński verwiesen auf die hemmende Wirkung des repressiven politischen Systems auf die Wirtschaftslage in Polen.94 Solange das Entscheidungsmonopol in ökonomischen Fragen der politischen Bürokratie vorbehalten bliebe, werde eine tatsächliche Vergesellschaftung der Produktionsmittel nur unzureichend vollzogen. Ein Sozialismus im Sinne einer vergesellschafteten Wirtschaft sei, so ihre Konsequenz, unter den Bedingungen politischer Diktatur nicht möglich. Ohne den Planungscharakter des sozialistischen Wirtschaftssystems hinter sich zu lassen, sprachen sich die meisten Ökonomen dafür aus, das bestehende System schrittweise zu reformieren. Wirtschaftswissenschaftler wie Aleksy Wakar, Stefan Kurowski, Michał Kalecki und Czesław Bobrowski plädierten dafür, die Produktion auf 90 Vgl. Kołakowski, Odpowiedzialność, S. 1 f. und S. 11; Nr. 36, S. 4 f.; Nr. 37, S. 4 f. und Nr. 38, S. 4 f. beziehungsweise Kołakowski, Verantwortung, S. 57–141, hier S. 61. Die im Folgenden angeführten Zitate folgen der deutschen Übersetzung des Textes. Vgl. auch ders., Główne nurty, S. 540. 91 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 542 f. sowie Kuroń, Wiara, S. 108. 92 Vgl. Kołakowski, Die Intellektuellen, S. 42. 93 Vgl. ebd., S. 43 f. 94 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Notatka dotycząca, S.  586 f., hier S.  587 sowie Lipiński, Centralne Planowanie, S. 3; ders., Model gospodarki, S. 31–37 und ders., Ekonomia, ekonomia!, S. 1 f. und S. 5.

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die Befriedigung der Bedürfnisse der Konsumenten anzupassen, was zu einer stärkeren Balance zwischen Angebot und Nachfrage und einer strukturellen Veränderung der Produktion führen würde. Sie sahen es zwar als notwendig an, die zentrale Planung, das staatliche Eigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln, die Handels-, die Transport- sowie die Politik der Vollbeschäftigung beizubehalten. Jedoch strebten sie Änderungen in Bezug auf das System der Planung an und plädierten in diesem Zusammenhang für eine offene Diskussion über verschiedene Wirtschaftspläne und für eine Veränderung der Investitionsstruktur.95 Oskar Lange bemühte sich um die stärkere Einführung mathematischer Verfahren in den Wirtschaftswissenschaften und sprach sich gleichzeitig für das Prinzip der wirtschaftlichen Selbstverwaltung aus, das einen Mittelweg zwischen zentralistisch-bürokratischen und anarcho-syndikalistischen Konzeptionen darstellen sollte.96 Und Włodzimierz Brus forderte, bestimmte Entscheidungen bezüglich des Einkommens, der Produktionsziele und der Investitionen in die Unternehmen hinein zu verlegen, um diese stärker an Kriterien der wirtschaftlichen Rentabilität anzulehnen.97 Wie die diesbezügliche Forschung zu Recht anmerkt, hätten so weit­reichende wirtschaftliche Reformen, wie die revisionistischen Ökonomen sie vertraten, trotz ihres einmütigen Bekenntnisses zum sozialistischen Wirtschaftsdenken langfristig zu einer Auflösung nicht nur der wirtschaftlichen, sondern auch der politischen Zentralisierung und damit zu einer grundlegenden Demokratisierung des kommunistischen Systems geführt. Es verwundert daher nicht, dass die Regierung trotz der vorsichtigen Argumentation der Ökonomen und trotz der immer offensichtlicher werdenden Wirtschaftsprobleme jegliche Ver­ suche dezentralisierender Reformen ablehnend beschied oder schlicht ignorierte. Zwar kam es noch 1956 zur Gründung eines – als beratendes Organ der Regierung gedachten  – ökonomischen Rates, zu dessen Vorsitzenden Oskar Lange bestimmt wurde. Seine Vorschläge hinsichtlich einer Ausweitung der Selbstständigkeit der Unternehmen durch Beteiligung der Arbeiterräte an der Wirtschaftsplanung fanden jedoch bis zur Auflösung des Rates 1963 keine Be­ achtung.98 Dennoch blieben die frühen Reformversuche der Ökonomen nicht ohne Einfluss auf das Spektrum der linken Opposition in Polen, das sich ebenfalls aus einer zunächst noch marxistisch inspirierten, diese Perspektive aber zunehmend hinter sich lassenden Haltung, einer grundsätzlichen Kritik des kommunistischen Systems und seiner Ideologie in Polen annäherte. Von noch größerem Einfluss auf diese Gruppe waren die in den Gesellschafts- und Geisteswissenschaften entstandenen revisionistischen Arbeiten, 95 Vgl. Friszke, Opozycja, S. 143 und Kołakowski, Główne nurty, S. 548. 96 Vgl. Lange, Budowa nowego sowie ders., What Socialism, APAN III-309, Nr. 27, S. 1–6, insb. S. 4 f. 97 Vgl. Brus, Ogólne problemy, S. 244 ff., insb. S. 260–278 und S. 343 f. 98 Vgl. Friszke, Opozycja, S.  140–147; ders., Polen, S.  229 und S.  283 sowie Paczkowski, Pół wieku, S. 222.

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wie sie vor allem von Bronisław Baczko, Stefan Morawski, Jerzy Szacki, Andrzej Walicki und Leszek Kołakowski verfasst wurden.99 Neben der Revision der dogmatischen Grundlagen des Marxismus und der Öffnung für moralphilosophische Fragen gehörte auch die konsequente Infragestellung einer grundsätzlichen Differenz zwischen einer »sozialistischen« und einer »bürgerlichen« Wissenschaft zu ihren Merkmalen. Damit einher ging eine theoretische und methodische Öffnung für über den Marxismus hinausreichende Ideen und Fragestellungen sowie ein ausgeprägtes Interesse für wissenschaftlichen Austausch mit dem westeuropäischen und amerikanischen Ausland. 1956 wiederbegründet, konzentrierte sich vor allem die Soziologie auf zeitgenössische, westliche Literatur und brachte neben wichtigen Werken von Zygmunt Bauman und Julian Hochfeld unter anderem eine Reihe von Arbeiten hervor, die sich zwar marxistischer Methoden bedienten, letztlich aber aus einer unabhängigen, linken Position geschrieben wurden.100 Die ideologischen Beschränkungen der Geschichtswissenschaft versuchten Historiker wie Witold Kula, Aleksander Gieysztor sowie Adam und Krystyna Kersten dadurch zu umgehen, dass sie »eine möglichst genaue und kleinteilige Beschreibung der Fakten bei gleichzeitig so wenig wie möglich eigener Wertung«101 abgaben. In der Literatur wiederum spiegelte sich der revisionistische »Zeitgeist« vor allem in jenen Werken und Stücken wider, die, wie Adam Ważyks »Poemat dla Dorosłych« (Gedicht für Erwachsene), in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre mit dem Stalinismus und der eigenen biografischen Verantwortung für ihn abrechneten.102 Den für die Fragestellung dieser Arbeit wichtigsten Anteil machen jedoch jene »revisionistischen« Thesen und Texte aus, die  – in direkter Konfrontation zur offiziellen Parteilinie geschrieben  – auf deren grundsätzliche Kritik und mögliche praktische Veränderung abzielten. Zwar hat der Revisionismus in Polen zu keinem Zeitpunkt so etwas wie eine einheitliche politische Ideologie oder ein klares politisches Programm ausgebildet.103 Dennoch lassen sich ins­ besondere aus den polemisch geführten Debatten innerhalb des bereits erwähnten liberalisierten Zeitschriften- und Pressewesens und aus den weiter oben 99 Zu den wichtigsten Arbeiten in diesem Zusammenhang zählen: Kolakowski, Świadomość; ders., Filozofia; Baczko, Człowiek; ders., Filozofia; Szacki, Durkheim; Morawski, Studia sowie Walicki, W kręgu. 100 Vgl. Hochfeld; Bauman, Socjalizm; ders., Klasa; ders., Zarys. Aus der Gruppe der unabhängigen, »nicht marxistischen« Soziologen, die zwar nicht als »Revisionisten« bezeichnet werden können, die jedoch einen gewissen Einfluss auf die »revisionistische« Strömung in den Geisteswissenschaften ausgeübt haben, seien vor allem die Arbeiten von Ossowski und Ossowska genannt. 101 Vgl. Friszke, Opozycja, S. 150 sowie Friszke, Polen, S. 276 und S. 282 ff.; Paczkowski, Pół wieku, S. 213 ff. 102 Vgl. Ważyk; Brandys, Obrona; ders., Matka królów; Hłasko; Andrzejewski; Bocheński sowie – allgemein zur schriftstellerischen Verstrickung und Auseinandersetzung mit Marxismus und Kommunismus in Polen – Bikont u. Szczęsna, Lawina. 103 Vgl. Friszke, Opozycja, S. 135.

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zitierten Werken einzelner kommunistischer Intellektueller die zentralen Ansätze ihrer dissidenten Kritik herauslesen. Zu einem der diesbezüglich bedeutendsten Texte zählt der 1957 veröffentlichte Aufsatz »Tendenzen, Perspektiven und Aufgaben«,104 in dem Leszek Kołakowski die »sozialistische« von der »bürokratischen« Tendenz in der Partei abzugrenzen suchte. Diese müsse nach demokratischen Lebensformen, nach der gesellschaftlichen Kontrolle über den Parteiapparat, nach wirtschaftlicher und politischer Demokratisierung, nach Meinungs- und Diskussionsfreiheit für alle Ideen, die sich auf den Sozialismus berufen, sowie nach politischer Souve­ ränität streben. Sie müsse sich gleichzeitig gegen »den schädlichen Nonsens« der Gegenüberstellung der sozialistischen gegenüber der bürgerlichen Demokratie wehren, da es nicht um die Liquidierung der Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie, sondern vielmehr um ihre Ausweitung innerhalb eines von »Elementen der gesellschaftlichen Ungleichheit« befreiten Systems ginge. In ­ihrer Forderung nach einer Demokratisierung des politischen Lebens, nach der Transparenz politischer Entscheidungen, nach freien, öffentlichen Diskus­ sionen, nach dem Verzicht auf politische Repressionen, nach der Abschaffung der Zensur, nach Pressefreiheit und der Freiheit des wissenschaftlichen und künstlerischen Schaffens hatte die Kritik der Revisionisten damit einen universellen, für weite Teile der Bevölkerung anschlussfähigen Charakter.105 Hinzu kamen Forderungen nach innerparteilicher Demokratie, die in Teilen sogar als Forderung des Rechts auf Bildung von Fraktionen oder gar Abschaffung des Einparteienstaats artikuliert wurden.106 Man forderte die Abschaffung von Privilegien im Parteiapparat, was nicht nur die Gleichheit der Löhne, sondern insbesondere auch den privilegierten Zugang zu Luxusgütern und Wohnungen anbetraf. Man plädierte für die bereits erwähnte Vergrößerung des Ausmaßes an marktwirtschaftlichen Mechanismen und eine Dezentralisierung der Wirtschaftsplanung, für die Gewinnbeteiligung von Arbeitern, die Unabhängigkeit der Gewerkschaften und die Einrichtung von Arbeiter­ räten, die, vor allem nach dem Willen des Redaktionskomitees der Zeitschrift Po Prostu, nach jugoslawischem Beispiel zur Dezentralisierung der Planwirtschaft beitragen sollten.107 Und man kritisierte  – trotz des Bewusstseins der engen geo­ politischen Spielräume Polens  – die Einschränkungen der staat­ lichen Souveränität und die mangelnde Gleichberechtigung zwischen den Partnern des Warschauer Paktes.108 Von antirussischen Ressentiments, wie sie im Rest der Bevölkerung in Bezug auf die als Fremdherrschaft empfundene sowjetische Einflussnahme gepflegt wurden, waren die Revisionisten allerdings weit 104 Vgl. Kołakowski, Tendencja sowie – zur Rezeption des Artikels im Parteiapparat – Friszke, Opozycja, S. 135 ff. 105 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 536. 106 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 537 und Persak, Sprawa, S. 53 f. 107 Vgl. Chełstowski u. Godek. 108 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Stenogramm, S. 687–693, hier S. 688.

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entfernt. Ihre Kritik bewegte sich in den Grenzen traditioneller, internationalistisch orientierter, sozialistischer Forderungen und vermied nationalistische Tendenzen. Ein weiterer wichtiger Unterschied zu anderen latenten Oppositionsströmungen im Land war die Einstellung der Revisionisten gegenüber der katholischen Kirche, die von ihnen weiterhin scharf angegriffen und deren zentrale Rolle in der polnischen Gesellschaft von ihnen nicht erkannt beziehungsweise als »traditioneller, reaktionärer Dogmatismus« abgewertet wurde.109 So wenig die Revisionisten für die Institution der katholischen Kirche übrig hatten, so wenig verband sie auch mit etwaigen national-patriotischen Gefühlen.110 Ihre politische Haltung korrespondierte demzufolge nach wie vor eher mit den Einstellungen orthodoxer Parteiangehöriger oder allenfalls liberal-atheistischer, nicht kommunistischer Bildungsbürger. Über diese Kreise hinaus konnten die revisionistischen Intellektuellen weder über einen besonderen Bekanntheits- noch Wirkungsgrad verfügen. Verantwortlich dafür war nicht zuletzt die von ihnen gewählte Sprache, die  – in der Bevölkerung als ­nowomowa abgetan – sich ideologisch und semantisch nach wie vor eng an die marxistisch-leninistische Doktrin der Nomenklatura anlehnte. Mit der sprachlichen ging auch eine starke politische Einbindung in die Parteistrukturen einher. Als Revisionisten waren die hier behandelten Intellektuellen fast ausnahmslos davon überzeugt, dass etwaige Veränderungen nur von der Partei selbst ausgehen könnten. Aus diesem Standpunkt bezogen sie auch die Überzeugung – trotz des Einmarsches der sowjetischen Streitkräfte in Ungarn und trotz der mangelnden Reformbereitschaft Gomułkas  –, auch weiterhin in der PZPR zu bleiben. Sieht man von den großflächigen, von der Partei selbst vorgenommenen »Bereinigungen«111 einmal ab, so entschlossen sich nur die wenigsten Intellektuellen im Verlauf der 1950er-Jahre aus der Partei auszu­treten. Die Redakteure der Monatsschrift Europa, darunter Paweł Hertz, Jan Kott, Mieczysław Jastrun und Jerzy Andrzejewski, sind mit ihrer Reaktion auf die Unterbindung der von ihnen geplanten, westlich orientierten Publikation eine wichtige Ausnahme.112 Die meisten Revisionisten jedoch verließen die PZPR nicht freiwillig, sondern wurden, so wie Leszek Kołakowski im Oktober 1966, zur Rückgabe ihrer Parteilegitimation gezwungen. Den Anlass für die Eröffnung des Parteiausschlussverfahrens gegen den Warschauer Hochschullehrer lieferte sein Redebeitrag für eine vom Sozialistischen Jugendverband an der Historischen Fakultät Warschau organisierte Veranstaltung in Erinnerung an das zehnjährige Jubiläum des Oktober 1956.113 Dass man das zehnjährige Bestehen dieses für die Men109 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 537–538 und Friszke, Opozycja, S. 147–152. 110 Vgl. ebd., S. 150. 111 Vgl. Persak, Sprawa, S. 56 ff. 112 Vgl. Friszke, Polen, S. 228; Paczkowski, Pół wieku, S. 214 und Persak, Sprawa, S. 42. 113 Die Veranstaltung wurde von Adam Michnik und Krzysztof Pomian – der auch die zweite Rede neben Kołakowski hielt – mitorganisiert. Sie fand auf Initiative des Fakultätsrats des ZMS (Zarząd Wydziałowy Związku Młodzieży Socjalistycznej Wydziału Historycznego

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schen in Polen symbolträchtigen Datums im Grunde gar nicht feiern könne, ließ Kołakowski in seinem Vortrag ebenso wissen, wie die Gründe für den in seinen Augen begangenen »Rückfall« in die politischen Zustände des Landes vor der Destalinisierung.114 Mit dem Oktober 1956 sei ein Prozess zu Ende gegangen, dessen wichtigste Errungenschaften, vor allem im Bereich der Meinungs- und Pressefreiheit, im Grunde eher vorher, das heißt unmittelbar in den Jahren nach Stalins Tod erkämpft worden waren. Was nach der Rückkehr Gomułkas auf den Posten des Ersten Sekretärs der PZPR im Oktober 1956 begann, war die schrittweise Rücknahme dieser Errungenschaften, die mit der Stabilisierung seiner politischen Macht eng korrespondiert habe. Vor allem im Bereich der Rechtsprechung und der Kulturpolitik sprach der Philosoph dem sozialistischen System in seinem Land jeglichen »Fortschritt« ab. Vielmehr bescheinigte er der Volksrepublik einen Rückfall in einen rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft setzenden Zustand, wie er auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit praktiziert wurde. Das Schlimmste jedoch, was die Bevölkerung umtreibe, sei nicht die fehlende Rechtssicherheit und der mangelnde Fortschritt im politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich, den Kołakowski unter anderem an der höchsten Säuglingssterblichkeit in ganz Europa ausmachte. Das Schlimmste sei »die Perspektivlosigkeit« und »die Hoffnungslosigkeit« sowie das Gefühl einer nicht enden wollenden »Stagnation« im privaten wie im öffentlichen Leben. »Genau diese Atmosphäre der geistigen Verarmung, der gesellschaftlichen Entmutigung, des Misstrauens und der Hoffnungslosigkeit ist mit der Nichterfüllung jener Erwartungen verbunden, die ein Großteil der Bevölkerung an den Oktober geknüpft hatte. Das Postulat der Haftung der Regierung gegenüber der Gesellschaft und das Postulat eines tatsächlichen Einflusses der Gesellschaft auf die Art und Weise des Regierens sind nicht erfüllt worden«,115 so der Vortragende. Vor rund 300 Zuhörern vorgebracht, gehört der Auftritt von Leszek Koła­ kowski zu einer der deutlichsten, öffentlich ausgesprochenen Kritiken des kommunistischen Systems nach 1956. Begründet durch den Vorwurf, »Genosse Leszek Kołakowski« habe einen »der politischen Linie der Partei wider­ sprechenden« Standpunkt eingenommen, »revisionistische« sowie die »führende Rolle der Partei negierende« Konzeptionen propagiert und »das Wesen Uniwersytetu Warszawskiego) statt und trug den Titel »Die Entwicklung der polnischen Kultur in den vergangenen zehn Jahren« (»Rozwój kultury polskiej w ostatnim 10-­leciu«). Im Anschluss an die Veranstaltung kam es zu einer Diskussion, an der sich vor allem die Studenten Adam Michnik, Henryk Szlajfer, Andrzej Duracz, Marec Hagmajer, Mirosław Sawicki, Anatol Lawina und Seweryn Blumsztajn beteiligten und unter anderem um die Verabschiedung einer Resolution bemühten, innerhalb derer die Freilassung Jacek Kurońs und Karol Modzelewskis gefordert wurde, vgl. AIPN, 0398/26, k. 13–14, S. 693. 114 Zu den Folgen der Destalinisierung in Polen vgl. unter anderem Engelmann u. a. 115 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Stenogramm, S. 1–12 beziehungsweise AIPN, 0204/503, t.1, k. 200–211, mps., Nr. 185, S. 687–693, hier S. 691.

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der sozialistischen Demokratie aus liberal-bürgerlichen Positionen«116 infrage gestellt, wurde er sechs Tage später aus der PZPR ausgeschlossen. Was sein Parteikollege Adam Schaff ihm mit den Worten »in dieser Partei wirst Du nicht mehr lange bleiben!«117 schon 1962 vorausgesagt hatte, mochte Kołakowski allerdings, so scheint es, auch 1966 kaum glauben. Seinem Parteiausschluss vorangegangen waren zwei Einberufungen vor die Zentrale Kontrollkommission der PZPR am 27. Oktober und zuvor am 15. Februar 1966.118 Während beider Sitzungen und im Rahmen einer von ihm schriftlichen abgefassten Stellungnahme vom 23. Februar 1966 ist auf der einen Seite keinerlei Unrechtsbewusstsein oder Selbstkritik aus den protokollarisch überlieferten Antworten herauszulesen.119 Im Gegenteil, berief sich der Philosoph auf das in seinen Augen jedem Parteimitglied zustehende Recht, die Initiative zu ergreifen und zwar auch »Initia­tiven solcher Art, die ihre kritische Haltung gegenüber einzelnen Vorgängen zum Ausdruck bringen«.120 Demzufolge erscheine auch ihm »einiges« – die mehrfach gestellte Frage, was genau er meine, umging Kołakowski – falsch, schwierig und kritikwürdig.121 Auf der anderen Seite jedoch wehrte sich der Befragte deutlich gegen den Vorwurf des »antiparteiischen« Verhaltens und gegen das drohende Parteiausschlussverfahren. Wenn er glauben würde, dass er »in ihren Reihen keinen Platz hätte, dann würde [er] aus der Partei austreten«,122 so Kołakowski. Seine Stellungnahmen seien denn auch keinesfalls gegen die Partei oder gegen den Sozialismus gerichtet. Die Ent­ scheidung, ihn aus der PZPR auszuschließen, empfinde er als »unberechtigt«

116 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Uchwała, S. 1–2 und AIPN, 0204/503, t. 2, k. 50–51, mps., Nr. 186, S. 694 f., hier S. 694. Der Parteiausschluss wurde begleitet von Ermittlungen der Staatssicherheitsbehörden, die, aufgrund eines Treffens zwischen Leszek Kołakowski und Zbigniew Brzeziński, Ersterem die Übergabe eines Dokuments nachzuweisen suchten. Die entsprechenden Ermittlungen, im Zuge derer Kołakowski im Innenministerium verhört wurde, blieben jedoch ohne Ergebnis, vgl. AAN, XI/961, k. 82–84, S. 1–3, hier S. 3; AIPN 0204/503, t. 2, k. 3–5, Nr. 196, S. 713–715; AIPN 0204/503, t. 2, k. 80–83, Nr. 198, S. ­718–720. 117 Die diesbezügliche Auseinandersetzung zwischen Adam Schaff und Leszek Kołakowski, die sich an ihrer unterschiedlichen Bewertung des »jungen Marx« entzündete, ist dokumentiert bei Król, Czego nas uczy, S. 52. 118 Vgl. Protokół z posiedzenia Zespołu Orzekającego CKKP w dniu 27 października 1966, AAN IX/135, k. 114–121 und Protokół z rozmowy przeprwadzonej w CKKP w dniu 15 lutego 1966 z tow. L. Kołakowskim, AAN IX/135, k. 62–93, S. 1–32. 119 List Leszka Kołakowskiego do Centralnej Komisji Kontroli Partyjnej z dnia 23.  lutego 1966, AAN IX/135, k. 96–98, S. 1–3 beziehungsweise AIPN 0204/503, t. 1, k. 183–185, mps., Nr. 166, S. 645 f. 120 Vgl. Protokół z dn. 15 lutego 1966, AAN IX/135, k. 63, S. 31 und – mit ähnlicher Stoßrichtung – Protokół z dn. 27 października 1966, AAN IX/135, k. 121, S. 1. 121 Vgl. Protokół z dn. 15 lutego 1966, AAN IX/135, k. 63, S. 31 und k. 66, S. 28 sowie Protokół z dn. 27 października 1966, AAN IX/135, k. 121, S. 1. 122 Vgl. Protokół z dn. 15 lutego 1966, AAN IX/135, k. 62, S. 32.

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und »kränkend«.123 Er finde, dass es »sein Recht aber auch seine Pflicht als Parteimitglied« sei, alle Vorgänge zu kritisieren, die »auf offensichtliche Weise« den Grundlagen der sozialistischen Idee und der sozialistischen Gesellschaft entgegenstehen würden. In einem diesbezüglichen Brief an das Politbüro vom 23. November 1966 bat er daher um Rücknahme der Entscheidung der Kontrollkommission und um Rückerlangung seiner Parteimitgliedschaft.124 Es überrascht in diesem Zusammenhang nicht, dass die Reaktion auf den Ausschluss ihres Kollegen im wissenschaftlichen und literarischen Milieu Warschaus zwischen Unglauben und Entrüstung schwankte und zunächst ebenfalls auf die Rücknahme der Parteientscheidung plädierte.125 15 Mitglieder des Polnischen Schriftstellerverbandes, unter ihnen Marian Brandys, Jacek Bocheński, Tadeusz Konwicki, Igor Newerly, Julian Stryjkowski, Seweryn Pollack, Witold Wirpsza und Wiktor Woroszylski, wandten sich am 19. November 1966 an das Politbüro der PZPR, um »ihrer tiefen Beunruhigung« Ausdruck zu verleihen und um Revision des Beschlusses zu ersuchen. Wie kein anderer Intellektueller stünde Kołakowski für einen Sozialismus, der »mit voller Freiheit des künstlerischen und wissenschaftlichen Schaffens identifiziert« würde. Eine solche Vision des Sozialismus würden mit ihm viele kommunistische Intellektuelle, sowohl in Polen als auch in anderen sozialistischen, aber auch kapitalistischen Ländern teilen. Der Ausschluss Kołakowskis würde damit über den individuellen Fall weit hinausreichen und zu einem »ernsten und beunruhigenden Er­ eignis« von öffentlicher Tragweite werden. Ein besonders trauriges Symbol sei darüber hinaus der Umstand, dass er im Zusammenhang mit dem zehnjährigen Jubiläum des Oktobers 1956 erfolge, der von der Hoffnung auf eine »freie und authentische Entwicklung der sozialistischen Demokratie und Kultur«126 geprägt gewesen wäre. Am 25.  November selbst vor eine spontan einberufene Parteikommission einbestellt, zog das Plädoyer der Warschauer Schriftsteller weitere Partei­ ausschlüsse von Paweł Beylin, Jacek Bocheński, Tadeusz Konwicki und Wacław Zawadzki und aus Solidarität vorgenommene Parteiaustritte von Igor Neverly, Roman Karst, Julian Stryjkowski, Seweryn Pollak, Wiktor Woroszylski, Ar123 Vgl. List Leszka Kołakowskiego do Centralnej Komisji Kontroli Partyjnej z dnia 23. lutego 1966, AAN IX/135, k. 96–98, S.  1–3, hier S.  3 beziehungsweise AIPN, 0204/503, t. 1, k. ­183–185, mps., Nr. 166, S. 645 f. und Protokół z dn. 27 października 1966, AAN IX/135, k. 114, S. 8. 124 Vgl. List Leszka Kołakowskiego do Biura Politycznego KC PZPR z dnia 23. listopada 1966, AAN, XI/961, k. 82–84, S. 1–3, hier S. 3. 125 Siehe die besondere Beobachtung des Milieus nach dem Auftritt Kołakowskis durch die Staatssicherheitskräfte und die von diesen vorgenommenen Lageeinschätzungen in AAN, XI/961, k. 131–137, S. 1–7; AIPN, 0204/503, t. 1, k. 260–261, mps., Nr. 187, S. 696; AIPN, 0204/503, t. 1, k. 262–264, mps., Nr. 192, S. 705 f. und AIPN, 0204/503, t. 2, k. 80–83, mps., Nr. 198, S. 718–720. 126 Vgl. List Członków Organizacji Partyjnej przy Związku Literatów Polskich do Biura Politycznego Komitetu Centralnego Polskiej Zjednaczonej Partii Robotniczej z dnia 19. listopada 1966, AAN, XI/961, k. 13–14, S. 1 f.

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nold Słucki, Flora Bieńkowska, Wisława Szymborska sowie Marian, Kazimierz und Anna Brandys nach sich.127 Doch auch die diesen Austritten zuvorgehenden, mündlich und schriftlich erhobenen Stellungnahmen lassen sich keineswegs als eindeutige Parteinahmen gegen die PZPR oder den polnischen Sozialismus lesen. Vielmehr überwiegt auch in ihnen der Versuch eines schwierigen Balanceakts, dem persönlichen Freund und Kollegen auf der einen und der politischen und ideologischen Loyalität zur Partei auf der anderen Seite gerecht zu werden. So verweigerten Wiktor Woroszylski und Jacek Bocheński eine bewertende Aussage bezüglich des Auftritts von Kołakowski aufgrund der in ihren Augen katastrophalen, seinen intellektuellen Fähigkeiten nicht entsprechenden Abschrift des Vortrags und verlangten eine von ihm persönliche autorisierte Redefassung.128 Witold Wirpsza erklärte sich die »weitreichenden Widersprüche« der äußerst schlecht verfassten Abschrift mit dem »geistigen Zustand« eines an »Tuberkulose« erkrankten Menschen, der in seinem Zustand eher »Mit­ gefühl« als eine dermaßen »harte« Behandlung seitens des Parteiapparats verdiene.129 Andere Befragte wiederum teilten die von Kołakowski im Rahmen seines Universitätsvortrags getroffenen Urteile in »großen«, manche aber auch nur in »sehr geringen« Teilen.130 Die Erinnerung der Beteiligten an die bis fünf Uhr morgens dauernden Anhörungen reicht denn auch von Gefühlen der »Erleichterung« bis zur »Niedergedrücktheit« und tiefer »Verstimmung«,131 die Kazimierz Brandys in einer seiner Arbeiten später drastisch verdeutlichte: Die einzige Möglichkeit einen noch nicht genesenen Kommunisten zu kurieren, bestünde darin, ihn zu animieren, sich ein Messer tief in die Brust zu stoßen und lange hin und her zu drehen. »Erst wenn man endlich ausruft, dass der sowjetische Kommunismus eine totalitäre Form des russischen Imperialismus ist, wäre die Genesung abgeschlos­ sen«132, so der Autor. Marian Brandys beteuerte in seiner am 14. Januar 1967 verfassten Erklärung, dass er angesichts des Ausschlusses von Kołakowski und des Austritts seines Bruders Kazimierz in der Partei nicht länger bleiben könne, weil er sich in der Rolle eines »Parteioppositionellen« schier unerträglich fühlen würde. Schließlich habe er sich »seit 24 Jahren an den Glauben gewöhnt, dass die Partei die einzige Kraft sei, die imstande wäre, das Land, in dem [er] lebe, in ein besseres zu verwandeln.« Es sei für ihn »die schwerste Entscheidung 127 Vgl. Protokół z przeprowadzonych indiwidualnych rozmów z pisarzami, ­sygnaturiaszami listu do Biura Politycznego KC PZPR w sprawie przywrócenia praw członka PZPR L. Kołakowskiemu, odbytch w dn. 25. X. 1966 (de facto: 25.11.1966!), AAN, XI/961, k. 15 ff., S. 1 ff. sowie Notatka o aktualnej sytuacji politycznej w podstawowej organizacji partyjnej Odziału Warszawskiego ZLP z dn. 18.II. 1967, AAN, XI/961, k. 131–137, S. 1–7, hier k. 137, S. 7. 128 Vgl. Protokół z dn. 25.11.1966, AAN, XI/961, k. 20 und k. 26. 129 Vgl. Protokół z dn. 25.11.1966, AAN, XI/961, k. 40. 130 Vgl. Protokół z dn. 25.11.1966, AAN, XI/961, k. 35, 50, 55. 131 Vgl. Bikont u. Szczęsna, W szeregach, S. 341–350, hier S. 346 ff. 132 So Brandys, Zapamiętane, hier zitiert nach Bikont u. Szczęsna, Lawina, S. 347.

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seines Lebens«, um »Streichung aus den Reihen der Partei« zu bitten. Dabei wisse er nicht, ob er »objektiv betrachtet« einen Fehler begehe, den er einmal »bitter bereuen« werde.133 Und Seweryn Pollack schrieb am 21.  Januar 1967, dass er nach »22 Jahren seiner Mitgliedschaft in der Partei« und »43 Jahren seiner Verbindung mit der sozialistischen Bewegung« nicht aufhöre, »ein Kommunist zu sein«. »Ich habe nicht aufgehört, und ich werde nicht aufhören«, so ­Pollack weiter, »in meiner schriftstellerischen Arbeit an die Idee des Sozialismus zu glauben, doch in der Situation, die augenblicklich entstanden ist, ist es mir unmöglich, in der Partei zu verbleiben.«134 Ihr endgültiges Ende erreichte die revisionistische Strömung jedoch mit den antisemitischen Ausschreitungen des Jahres 1968. Erst in diesem Jahr habe man, so erinnert sich Kołakowski, den »seit 1955 latent vorhandenen, wenn auch immer schwächer werdenden« Glauben an die Möglichkeit der Re­ formierbarkeit des kommunistischen Systems »im Rahmen seiner eigenen ideologischen Grundlagen«135 aufgegeben. Verantwortlich dafür waren nicht nur die verschärften Repressionen, denen sich die dissidenten Intellektuellen bereits seit den ausgehenden 1950er-Jahren in ihrer Tätigkeit als Hochschullehrer und Publizisten zunehmend ausgesetzt sahen. Man könne schließlich nicht ungestraft den Grundsatz der Demokratie übernehmen und den anderen Teil der Parteiideologie, den Zentralismus, ablehnen, hatte Władysław Gomułka schon zu Beginn seiner Amtszeit wissen lassen.136 Die Revisionisten würden dementsprechend lediglich ein negatives und destruktives Programm vertreten. Die eigentlichen Ziele ihrer Kritik entsprächen jedoch sozialdemokratischen Inhalten, die sie wohlweislich zu verstecken wüssten. Dabei handele es sich, so mutmaßte Gomułka weiter, in der Mehrheit um bürgerliche Intellektuelle, die im Grunde ohnehin wenig Affinität zum sozialistischen Ideengut aufweisen würden. Er bedauere, dass die Partei über so wenig »begabtes« Personal verfüge, das den Kampf mit diesen Intellektuellen aufnehmen, das die anstehenden Probleme »ausleuchten« und die Lehre Marx’ sowie Lenins »weiterentwickeln« würde. Und es erfülle ihn in diesem Zusammenhang »mit großem Schmerz«, dass insbesondere ein so talentierter Mensch wie Kołakowski vom richtigen Weg »abgekommen« wäre und »fremde Positionen« beziehen würde.137 133 Vgl. List Mariana Brandysa do Podstawowej Organizacji Partyjnej Związku Literatów Polskich z dnia 21. stycznia 1967, AAN, XI/961, k. 125, S. 1. 134 Vgl. List Seweryna Pollacka do Egzekutywy Podstawowej Organizacji Partyjnej Związku Literatów Polskich w Warszawie z dnia 14. stycznia 1967, AAN, XI/961, k. 126, S. 1. 135 Vgl. Kołakowski, Cien marca – po dziesięciu latach, AO III 17/K. 1, S. 1. 136 Vgl. Gomułka, IX Plenum, S. 259–353, hier S. 318. 137 Vgl. Wyciąg z podsumowania tow. Władysława na X Plenum PZPR w dn. 26. października 1957, AAN, KC PZPR, IX/135, k. 16–17, S. 1–2. Eine ähnlich geartete »Sozialdemokratisierung« warf mehrere Jahre später auch Zenon Kliszko den Revisionisten vor, vgl. Protokół z przeprowadzonych indiwidualnych rozmów z pisarzami, sygnaturiaszami listu do Biura Politycznego KC PZPR w sprawie przywrócenia praw członka PZPR L. Kołakowskiemu, odbytch w dn. 25. X. 1966 (de facto: 25.11.1966!), AAN, XI/961, k. 28, S. 2.

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Was Gomułka noch in den 1950er-Jahren zu einer engagierten Rede und direkten Ansprache der darin kritisierten Intellektuellen motivierte, ist jedoch nur für den Beginn der »revisionistisch« motivierten Auseinandersetzungen in der Volksrepublik nachzuweisen. Nach einer nur kurz dauernden ersten Phase der ideologischen Argumentationen folgte bald eine zweite, von etwaigen Überzeugungsversuchen freie Phase, die sich fast ausschließlich auf die Bekämpfung des Revisionismus mit Mitteln der politischen Repression stützte, bevor auch diese von einer dritten, das revisionistische Milieu vollständig isolierenden Phase abgelöst wurde. Nicht nur mit der am 2. September 1957 vom ZK PZPR beschlossenen und von massiven öffentlichen Protesten begleiteten Schließung der Zeitschrift Po Prostu, sondern auch mit den personellen Umbesetzungen in allen anderen reformorientierten Zeitschriftenredaktionen, mit der zunehmenden Verschärfung der Zensur und der Rücknahme von Reisemöglichkeiten ins westeuropäische Ausland hatte die PZPR den Kampf gegen den Revisionismus also schon frühzeitig beschließen und für sich gewinnen können.138 Vor allem die antisemitische Hetzkampagne der in der Forschung als »Erbin« der NatolinFraktion bezeichneten Gruppe der Partisanen sorgte jedoch für die endgültige Desillusion der hier behandelten Intellektuellen.139 Selbst größtenteils aus jüdischen Familien stammend und aus der Erfahrung des Antifaschismus heraus auf das Ideengut des sogenannten Marxismus bauend, sahen die kommunistischen Dissidenten der 1950er- und 1960er-Jahre keine Möglichkeit mehr, in der zunehmend von einer jüngeren Generation von sozialen Aufsteigern um Innenminister Mieczysław Moczar geprägten Partei zu bleiben.140 Mit den Umwälzungen innerhalb der PZPR, die in einer massiven Aufwertung nationalistischer und rassistischer Topoi mündeten, schloss sich nicht nur der Zugang jüdischer Intellektueller zum Marxismus und Kommunismus, sondern auch ein wichtiges Kapitel der Geistes- und Kulturgeschichte Polens. Von ihren Universitätsposten entlassen und einer existenziellen Grundlage beraubt, mussten die meisten der ehemaligen Revisionisten die Ausreise ins westeuropäische Ausland einem weiteren Verbleib in Polen vorziehen.141 Von dort aus nahmen sie nur noch indirekt über Publikationen, vor allem aber über die Bereitstellung von internationalen Kontakten und finanziellen Hilfen, Anteil an der Entwicklung der demokratischen Opposition des Landes. Diese wiederum hatte sich in ihrer Kritik am kommunistischen System von ihren ehemaligen Universitätsprofessoren und -assistenten nicht nur ideologisch abzusetzen, sondern auch deren – im Nachhinein als »Fehler« eingestufte – dissidente Ansätze zu überwinden. Bevor der damit einhergehende Wandel, der genera­ 138 Vgl. Persak, Sprawa, S. 38–40. 139 Zu den detaillierten Ereignissen des Jahres 1968 vgl. den Abschnitt Chronologie und Zeitraum in dieser Arbeit. 140 In diesem Zusammenhang hatten auch Zygmunt Bauman und Włodzimierz Brus die Partei bereits vor 1968 verlassen, vgl. Friszke, Polen, S. 283; ders., Opozycja, S. 164 f. 141 Zu den Folgen der Ereignisse des Jahres 1968 aus Sicht der Betroffenen vgl. vor allem Torańska, Jesteśmy und Wiszniewicz, Życie przecięte.

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tionelle Umbruch und die inhaltlichen Verschiebungen linker Kritik am Kommunismus analysiert werden, soll im Folgenden eine letzte, in der Forschung teils als »radikal« und teils als »trotzkistisch« bezeichnete Strömung des Reformkommunismus dargestellt und auf die Frage nach der Überwindung »revisionistischer« Dissidenz bezogen werden. 2.2.2 »Und jetzt noch ein Wort von mir persönlich …« Von Trotzkisten und Anarchisten Hatte die Kritik der älteren Generation der Intellektuellen einen eher dissiden­ ten, den Rahmen der offiziellen Parteilinie kaum oder nur sehr vorsichtig überschreitenden Charakter, so war die Haltung der jüngsten Generation der Systemkritiker auf die offene Opposition gegen diese Linie und den entsprechenden Partei- und Regierungsapparat ausgerichtet. Am deutlichsten überschritten wurde diese Grenze von denjenigen jungen Aktivisten, die sich generationell genau zwischen der älteren, universitären und der jüngsten, meist gerade das Gymnasium abschließenden, bildungsbügerlichen Linken befanden. Zu den zentralen Ansätzen dieser Gruppe gehörte ihr nach wie vor ungebrochener Glaube an die Möglichkeiten politischer und gesellschaftlicher Einflussnahme. Die Umsetzung dieses Glaubens konnte bisweilen fast komische Züge annehmen: Über die Bitte zu einer persönlichen Stellungnahme während einer offiziellen Veranstaltung der Staatlichen Hochschule für Pädagogik erfreut, gleichzeitig jedoch über die Vorgabe des genauen Wortlauts dieser »spontanen« Äußerung verwundert, behalf sich Jacek Kuroń einmal mit dem originellen Einfall, erst die entsprechend vorbereitete Notiz abzulesen und anschließend mit dem Nachsatz »und jetzt noch ein Wort von mir persönlich«142 unbeirrt zu seiner eigenen Wertung überzugehen. Einem ähnlichen, einige Monate vorher stattgefundenen Auftritt verdankte Kuroń den Verlust seiner Tätigkeit als Leiter der Propagandaabteilung im Polnischen Jugendverband und seinen Rauswurf aus der PZPR. Bereits drei Jahre später, im Oktober 1956, war er auf eigenen Wunsch wieder in die Partei eingetreten.143 Mit weitaus größerer Konsequenz wurde die Arbeit Kurońs an einer ursprünglich als eine Art Programmschrift geplanten und für die Diskussion mit Studienfreunden und Arbeitern gedachten Analyse der Situation in der polnischen Arbeiterbewegung geahndet. Durch ihre Enttäuschung über die in ihren Augen gescheiterten Reformbemühungen des »Oktober 1956« angetrieben, war die an dem Programm arbeitende Gruppe vor allem über ihre zunehmende Kritik des kommunistischen Systems, über ihr Engagement in verschiedenen, an die Partei angebundenen Jugendorganisationen, wie z. B. dem ZMS, über ihre daraus und aus ihrer familiären Herkunft resultierende Vernetzung mit 142 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 73. 143 Vgl. ebd., S. 69.

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führenden Vertretern des Parteiapparats und über ihr Bekenntnis zu einer marxistischen, von ihnen als »wahrhaftig links« bezeichneten Weltsicht mitein­ ander verbunden. Die Mitglieder der Gruppe kannten sich unter anderem aus dem Umfeld der Warschauer Universität, innerhalb derer sie zu den kurz vor dem Abschluss stehenden oder bereits graduierten Studenten zählten. Die meisten von ihnen waren als wissenschaftliche Assistenten derjenigen »revisionistisch« inspirierten Professoren, die im vorherigen Kapitel behandelt wurden, angestellt oder mit der Vorbereitung ihrer Dissertationen als Stipendiaten verschiedener Universitätsfakultäten beschäftigt.144 Im Rahmen des bereits erwähnten Diskussionsklubs an der Warschauer Universität politisiert, beschlossen Karol Modzelewski, Marek Żelazkiewicz, Bernard Tejkowski, Mieczysław Krajewski, Andrzej Klimowicz, Andrzej Mazur sowie Jacek und seine Frau Grażyna Kuroń am 14.  März 1964 in der Wohnung des Studenten Henryk ­Wujec, eine vertiefte Diskussion über die politische und ökonomische Situation des Landes zu führen. Kurze Zeit später stießen Eugeniusz Chyla und Szymon Firer, seit Mai 1964 auch Stanisław Gomułka und seine Frau Joanna MajerczykGomułka zu ihnen.145 Die von nun an mit Sorge vor einer möglichen Beobachtung durch die Staatssicherheitskräfte in wechselnden Privatwohnungen konspirativ abgehaltenen Treffen sollten einer »marxistischen Analyse« der historischen und aktuellen Situation Polens dienen und ein »Programm zu ihrer zukünftigen Überwindung« entwickeln.146 Dass die Geheimhaltung nicht gelang, war vor allem auf die Unwissenheit, vielleicht auch Unachtsamkeit eines ihrer führenden Köpfe zurückzuführen. Mit Andrzej Mazur hatte Kuroń einen Kollegen aus dem Verband der Polnischen Pfadfinder in die Gruppe eingeführt, der unter dem Pseudonym »Wacław« bereits seit 1959 mit dem Innen­ ministerium zusammenarbeitete. Zusammen mit den Informanten »Kowalski«, »­K linowski« und »Ryś« sowie der 1963 einsetzenden, operativen »Beobachtung« Kurońs sorgte Mazur in den nächsten Monaten für die strafrechtliche Verfolgung und anschließende Zerschlagung der Gruppe.147 Folgt man den Informationen von »Wacław«, dann fiel der Beschluss zur schriftlichen Abfassung eines als »neues kommunistisches Manifest« ambi­ tioniert konzipierten Textes auf dem übernächsten Treffen der jungen Akti­ visten am 19.  April 1964.148 Die Initiative fügte sich in eine von Jacek Kuroń bereits seit mehreren Monaten konkretisierte Vision eines neu zu definierenden Sozialismus in Polen. Weil die bisherigen Regierungen des Landes auf einer Verschränkung zwischen »der konservativen mit der sozialistischen Ideologie« beruht hätten, sei eine Situation entstanden, die nur durch eine »Revolution« 144 Vgl. ebd., S. 221 ff. sowie Friszke, Anatomia, insb. S. 109 und S. 133. 145 Vgl. ebd., S.  134 und S.  146 sowie Instytut Pamięci Narodowej, Notatka z donosienia, S. 400–404, insb. S. 402 ff. 146 Vgl. dass., Informacja MSW, S. 428–437, hier S. 430 f. 147 Vgl. dass., Charakterystyka TW, S. 349 f.; dass., Informacja MSW, S. 428–437, hier S. 428 sowie dass., Plan czynności, S. 374–376. 148 Vgl. dass., Doniesienie TW, S. 393–397, hier S. 395.

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verändert werden könne. Zu ihrer Durchführung und Vorbereitung zählte Kuroń zum einen auf die Arbeiter in Polen und zum anderen auf die Intellektuellen. Es sei daher wichtig, sowohl im Geheimen vorbereitete Analysen von Soziologen, Ökonomen und Juristen einzuholen als auch den offenen Kontakt mit der breiten Studenten- und anschließend auch der Arbeiterschaft zu suchen, so Kuroń.149 Die Gruppe einigte sich auf eine nach einzelnen Kapiteln geteilte Arbeits­ teilung. Innerhalb der nächsten Treffen sollten die Textteile diskutiert, zu einem Gesamtdokument zusammengefügt, stilistisch überarbeitet und anschließend vervielfältigt und verteilt werden.150 Durch den Mitschnitt der Gruppendiskussion vom 3. Juni 1964 begünstigt und durch den Verdacht »der antisozialis­ tischen Aktivität aus revisionistisch-trotzkistischen Positionen« begründet, gelang dem Innenministerium währenddessen eine detaillierte Beobachtung und Beschreibung dieses Vorgehens.151 Fünf Monate später, und damit zwar noch vor der Vervielfältigung des Papiers, aber nach der Zusammenstellung weitreichender Dossiers über dessen Inhalt und seine Autoren, erfolgte die Festnahme der Gruppe. »Um 21.  Uhr des 14.  November 1964«, so ist in der entsprechenden Meldung des Innenministeriums zu lesen, »drangen Funktionäre der Staatssicherheitskräfte des MSW152 während eines dort abgehaltenen Treffens in die Wohnung von Stanisław Gomułka ein, in der Modzelewski, Kuroń und Gomułka (in Anwesenheit ihrer Ehefrauen: Joanna Gomułka […] und Grażyna Kuroń) das sogenannte Programm besprachen.« Als Ergebnis der anschließenden Wohnungsdurchsuchung wurden einbehalten: »1. ein 122 [Seiten] umfassendes Exemplar des ›Programms‹« und »2. ein handschriftlicher Teil des ›Programms‹, bearbeitet von Gomułka (37 Seiten) sowie ein handschriftlicher Teil des ›Programms‹, bearbeitet von Bernard Tejkowski (18 Seiten). K[arol] Modzelewski, J[acek] Kuroń und St[anisław] Gomułka wurden festgenommen.«153 Während die zuständigen Stellen des Innenministeriums in den folgenden Wochen mit intensiv geführten Auseinandersetzungen darüber befasst waren, nach welchem Artikel des Strafgesetzbuches die jungen Erwachsenen zur Verantwortung zu ziehen wären, entschieden sich die führenden Parteigremien für ein anderes Verfahren.154 Bereits am 10.  Juni 1964 waren Karol 149 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 101 f. und S. 133. 150 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Notatka z doniesienia, S. 405–410, insb. S. 408 f. 151 Vgl. dass, Kronika sprawy, S. 411–427, hier S. 421 sowie dass., Informacja MSW, S. ­428–437, hier S. 428. 152 Ministerium Spraw Wewnętrznych (MSW) – Innenministerium, dessen Abteilung III sich mit der »Bekämpfung antistaatlicher Aktivitäten im Inland« befasste, vgl. Dominiczak; Musiał. 153 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Informacja MSW, S. 428–437, hier S. 428. 154 Diskutiert wurden Art. 155 § 1 und 2 mkk. (Haftstrafe bis zu drei Jahren), Art. 23 § 1 mkk. (Haftstrafe ab drei Jahren) und Art. 24 § 1 mkk. (Haftstrafe bis zu fünf Jahren). Zu den Details dieser Diskussionen und der jeweils unterschiedlichen juristischen Auslegung des Straftatbestandes vgl. Friszke, Anatomia, vor allem S. 181 und S. 195 ff.

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­Modzelewski und Marek Żelazkiewicz aus dem Universitätsvorstand des Sozialistischen Jugendverbandes ausgeschlossen worden. Am 14.  Dezember beschloss der ZMS den Ausschluss von Karol Modzelewski, Stanisław Gomułka und ­Eugeniusz Chyla aus seiner Verbandorganisation. Am 27. November 1964 wurden Jacek Kuroń, Karol Modzelewski, Stanisław Gomułka und Joanna Majerczyk-Gomułka aus der PZPR sowie Eugeniusz Chyla aus der Anwartschaft auf Mitgliedschaft in der PZPR ausgeschlossen. Darüber hinaus verloren aufgrund eines Beschlusses der Disziplinarischen Kommission des Ministeriums für Hochschulwesen Jacek Kuroń seine Dozenten- und Karol Modzelewski seine Doktorandenstelle, Stanisław Gomułka und Grażyna Kuroń ihre Stipendien sowie Bernard Tejkowski und Joanna Majerczyk-Gomułka ihre Assistentenstellen.155 Gemessen an den mit einem hohen Strafmaß drohenden Überlegungen des Innenministeriums, verlief die tatsächliche »Bestrafung« also überraschend glimpflich und beschränkte sich vor allem auf disziplinarische anstelle von juristischen Folgen, die allerdings – in Anbetracht des jungen Alters und der beruflichen Ambitionen der Dissidenten – dennoch erhebliche Konsequenzen für ihre Zukunft nach sich zogen. Wie ist dieser erstaunliche Befund zu erklären? Schon in den 1980er-Jahren mutmaßte ein Beteiligter, dass die Gruppe während ihres Engagements von den nach wie vor schwelenden Konflikten innerhalb der PZPR profitierte. Insbesondere in den Universitätsgremien der PZPR und in der Abteilung für Wissenschaft und Aufklärung des ZK PZPR dominierte nach wie vor eine eher liberale Strömung, der an einer strafrechtlichen Verfolgung der dissidenten Gruppe nicht gelegen sein konnte. Zwar lehnten diese Parteimitglieder den revolutionären Impetus der programmatischen Streitschrift ab und distanzierten sich von ihr auch in der Öffentlichkeit sehr deutlich. In seinen Erinnerungen lässt Kuroń jedoch durchblicken, dass manch einer von ihnen »im privaten Gespräch« sehr viel weniger Antipathie gegenüber dem Engagement der jungen Leute hegte, als er dies in öffentlichen Auftritten bekennen durfte.156 »Unsere Bekanntschaft mit Menschen aus dem Staatsapparat gab uns die Illusion einer gefühlten Sicherheit«,157 schrieb Stanisław Gomułka später. Ohne dass irgendeines der Gruppenmitglieder jemals offene Affini­täten zu einer bestimmten Parteifraktion gehegt hätte, überwogen also noch immer die auf gegenseitigem Respekt aufgebauten persönlichen Bekanntschaften und Netzwerke innerhalb jener Parteistrukturen, die noch nicht vollständig vom Ideal eines argumentativen Umgangs mit unterschiedlichen ideologischen Standpunkten entfernt waren. Dies kam den jungen Aktivisten zugute, wenn es auch nicht aktiv von ihnen genutzt wurde, und sie die Möglichkeit, die entsprechenden Parteimitglieder zu ihrem Schutz zu mobilisieren oder aber in ihren eigenen Haltungen öffentlich zu diskreditieren, konsequent ausschlossen. 155 Vgl. ebd., S. 131, S. 185 f. und S. 193 sowie ders., Opozycja, S. 155. 156 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 205 f. 157 Hier zitiert nach Friszke, Opozycja, S. 154.

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Inhalte aus Gesprächen der Art, wie Kuroń es beispielsweise im Winter 1964 aufgrund seiner zunehmend »antiparteiischen« Äußerungen mit dem Sekretär für Propaganda des Warschauer Komitees der PZPR zu führen hatte, sollten nach Möglichkeit nicht nach außen dringen. Dass Jósef Kępa ihn im damaligen Fall mit der knappen Ermahnung, er solle sich von »politischen Dingen« fernhalten, auf einen Kaffee und einen Cognac einlud, zeigt, wie vergleichsweise liberal das System noch 1964 mit bestimmten, auf den Marxismus-Leninismus rekurrierenden Dissidenten umgehen konnte.158 Auch Andrzej Friszke teilt daher die Einschätzung Kurońs, dass die liberale Gruppe in der Partei vor allem deshalb die Eröffnung eines Strafverfahrens zu vermeiden suchte, weil sie den Missbrauch des Verfahrens für parteiinterne Machtkämpfe scheute. Daraus resultierende personelle Umbesetzungen zugunsten des zunehmend erstarkenden Flügels der Partisanen galt es zu vermeiden. Der Erste Sekretär der PZPR, Władysław Gomułka, soll daher persönlich für die vorläufige Beendigung des Skandals durch disziplinarische Maßnahmen gesorgt haben.159 Stattdessen initiierte das ZK PZPR eine Reihe von Vorträgen, um den Studenten, wissenschaftlichen Mitarbeitern und Professoren der Universität Warschau jene sozialen und wirtschaftlichen Probleme aus einer ideologisch unbedenklichen Parteisicht nahe zu bringen, die von der dissidenten Gruppe auf eine vermeintlich »demagogische Art« in ihrem »Elaborat« angesprochen worden waren. Von den zuständigen Stellen in der Partei eigens angefertigt, wurden »Zusammenfassungen« der Programmschrift verlesen, innerhalb derer ihr »revisionistischer«, »anarchischer« und »liberal-bürgerlicher« Charakter betont wurde. Entsprechende Versammlungen fanden während der Monate Dezember und Januar an allen Fakultäten der Warschauer Universität statt. Dabei kam es wiederholt zu lauten Unmutsäußerungen über den Verlauf dieser Diskussionen und über die – in den Augen der studentischen Zuhörer – unmögliche Beurteilung der Programmschrift auf der Grundlage einer von Dritten verfassten »Zusammen­fassung«. Insbesondere der damalige Dozent und spätere Universitätsrektor Henryk Samsonowicz nahm bei einer diesbezüglichen Versammlung in der historischen Fakultät am 4. Dezember 1964 die Verfasser des Programms in Schutz, indem er ihnen ein ausführliches, auf eigenen Forschungen basierendes Studium als Grundlage ihrer Analyse bescheinigte. Ihr Engagement in Dingen, die für die Belange der Volksrepublik von besonderer Wichtigkeit seien, sowie ihre daraus gezogenen Schlussfolgerungen verdienten es, ausführlich diskutiert zu werden. Zu den genauen Inhalten ihres Textes und ihrer revolutionären Sprache zwar auf Distanz gehend, stellten sich auch die Professoren Zygmunt Bauman, Włodzimierz Brus und Maria Ossowska schützend vor ihre ehemaligen Studenten.160 158 Instytut Pamięci Narodowej, Notatka ze spotkania, S. 391–392, hier S. 391 sowie die Darstellung des Vorfalls bei Kuroń, Wiara, S. 205–206. 159 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 110, S. 118–120, S. 136 und S. 186–188. 160 Vgl. ebd., S. 150 sowie S. 189–194.

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Gerade das Zurückhalten der vollständigen Version und die daraus resultierende Verzerrung ihres Textes bewogen Jacek Kuroń und Karol Modzelewski aber letztlich, ihre Analyse im Alleingang abzuschließen und die vollständige Version ihrer Arbeit als »Offenen Brief an die Organisation der PZPR und die Organisation des Jugendverbandes ZMS an der Warschauer Universität«161 zu veröffentlichen. Der Brief sei »aus eigener Initiative« und »in eigenem Namen« geschrieben, um »eine ausführliche, auf dem Originaldokument basierende Diskussion« seiner Thesen zu ermöglichen. Wenn der Brief als »gegen die Partei gerichtet« (antypartyjny) gelesen würde und dieses »überbemühte« Wort ihren negativen Standpunkt gegenüber der politischen Praxis der PZPR zum Ausdruck bringen solle, so »protestieren wir nicht gegen eine solche Bezeichnung«162, ließen die Autoren wissen. Sie hätten nach Abschluss der Arbeit am Text ohnehin vor, ihre Parteimitgliedschaft niederzulegen. Den Weg zu dieser Haltung hätten sie »schrittweise«, auf dem Weg einer »Evolution« ihrer Ansichten während der fast ein halbes Jahr andauernden Arbeit an ihrem Text vollzogen. Sie seien durch die »Entwicklung der politischen und gesellschaftlichen Situation im Land« und durch ihre »Erfahrungen in der Partei- und Jugendarbeit während des letzten Jahres« beeinflusst worden. Insbesondere die Schließung des von Modzelewski initiierten Diskussionsklubs, die Reaktion der Partei auf den Brief der sogenannten 34 und die disziplinarische Unterbindung freier Diskussionen im ZMS hätten sich auf ihre Entwicklung negativ ausgewirkt, schrieben die Autoren.163 Dass sie unter den gegebenen Zuständen aus der Partei ausgeschlossen worden waren, betrachteten sie als »verständlich«: »Politisch haben wir uns von unseren bisherigen Parteigenossen getrennt.«164 Ihre Haltung sei jedoch nach wie vor von »Respekt« für die ehemaligen Genossen und ihre Einstellungen motiviert, beteuerten Modzelewski und Kuroń. Nichtsdestotrotz konzentrierte sich ihre Kritik auf vier grundlegende Problemfelder des kommunistischen Systems in Polen: erstens auf das Phänomen »der bürokratischen Herrschaft«, zweitens auf den Komplex der »Löhne, des Mehrprodukts und des Eigentums«, drittens auf das Problem des »Produktionsprozesses« und viertens auf die Genese und Überwindung der »Krise des ökonomischen Systems« in Polen. »Glauben wir der offiziellen Doktrin, so leben wir in einem sozialistischen Land«,165 begannen die Autoren. Diese These beruhe auf der Identität des staatlichen Eigentums an den Produktionsmitteln mit dem gesellschaftlichen Eigentum an ihnen und entspräche einem marxistischen Verständnis. Da die poli­ tische Herrschaft sich mit der Herrschaft über den Prozess der Produktion und 161 Vgl. Kuroń u. Modzelewski, List otwarty, S. 485–548, hier S. 485 f. sowie die deutsche Übersetzung des Textes in Kuroń u. Modzelewski, Monopolsozialismus. Die folgende Analyse folgt der polnischen Version des Textes in eigener Übersetzung. 162 Vgl. ebd., S. 485 f. 163 Vgl. ebd., S. 486. 164 Vgl. ebd., S. 487. 165 Vgl. ebd.

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ihrer Verteilung verbunden habe, würde die Herrschaft in der Praxis jedoch nur einer einzigen, monopolistischen Partei, und zwar der PZPR, gehören. Gemessen an der Formulierung von der »führenden Rolle der Partei im Staat«, müsste diese eigentlich die Klasseninteressen wahrnehmen und auf diese Weise die Herrschaft der Arbeiterklasse garantieren.166 »Doch welche Möglichkeiten des Einflusses auf die Entscheidungen der politischen Herrschaft hat die Arbeiterklasse? Außer der Partei keine«,167 antworteten die Autoren. Die Arbeiterklasse entbehre der Möglichkeit zur Formulierung anderer politischer Programme und anderer Möglichkeiten der Verteilung des Nationaleinkommens als derer, die die Partei vertreten würde. Dies hinge auch damit zusammen, dass die Partei nicht nur »ein Monopolist« sei, sondern auch als solches organisiert, das heißt von einem Verbot »jeglicher Fraktionen, Gruppen oder Strömungen« geleitet wäre. Die einzige Quelle politischer Initiativen könnten demzufolge die organisier­ ten Instanzen – also der Parteiapparat selbst – sein. Dieser wiederum wäre wie jeder Apparat streng hierarchisch organisiert: »Von unten nach oben fließen die Informationen, von oben nach unten die Entscheidungen und Empfehlun­ gen.«168 Dabei nehme jene, von Kuroń und Modzelewski als »zentrale politische Bürokratie«169 bezeichnete Gruppe eine herausragende Stellung ein, die »als Elite« ohnehin schon die wichtigste Position in der Partei für sich beanspruchen würde. Ihre Entscheidungen seien von gesellschaftlicher Kontrolle vollkommen abgekoppelt. So wie die normalen Parteimitglieder in Bezug auf eventuelle Versuche des Einflusses auf Entscheidungen der Bürokratie desorganisiert wurden, so seien sie umgekehrt auf Grundlage des Parteigehorsams zur Ausführung ihrer Empfehlungen diszipliniert worden. Des Rechts auf Widerspruch beraubt, wurde der Arbeiterklasse und mit ihr gesellschaftlichen Gruppen wie den Gewerkschaften, so der zentrale Vorwurf des »Offenen Briefs«, im Ergebnis die Möglichkeit und das Recht zur authentischen Beteiligung an der Regierung, zur Organisation außerhalb der Parteistrukturen, zur Ausformulierung eines Programms und zur Wahl möglicher Mittel der Selbstverteidigung genommen.170 Unter Berufung auf eine Studie aus dem Jahr 1957, die am Beispiel der Arbeiter der Warschauer Motorenfabrik (Warszawska Fabryka Motocykli) erstellt wurde, beklagten Kuroń und Modzelewski, dass ein durchschnittlicher Arbeiter in Polen gerade einmal das Minimum seiner lebensnotwendigen Bedürfnisse stillen könne, was den Verzehr und Verbrauch von Fleisch, Gemüse, Obst, Fisch, Butter, Kleidung, Wohnraum und Haushaltsgegenstände anbelange. Auf 10 Prozent der Arbeiterschaft entfielen gerade einmal 3 m² Wohnraum pro Person, für weitere 19 Prozent der Familien seien es 3–4 m², für weitere 10 Pro166 Vgl. ebd., S. 487 f. 167 Vgl. ebd., S. 488. 168 Vgl. ebd. 169 Vgl. ebd. 170 Vgl. ebd., S. 489.

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zent etwa 4–5 m² und nur für 13 Prozent 5–6 m². Damit würden 52 Prozent der Familien über einen Wohnraum, der geringer als 6 m² pro Person sei, verfügen. Über warmes Wasser in der Wohnung verfüge gerade einmal 1 Prozent der ermittelten Familien, über fließendes kaltes Wasser 46 Prozent. Eine eigene ­Toilette besäßen nur 25 Prozent der Familien, ein Badezimmer nur 7 Prozent. Und insgesamt 65 Prozent der Arbeiter würden an chronischen Krankheiten leiden.171 Dies bedeute, schlussfolgerten die Autoren, dass der Arbeitslohn in der Volksrepublik maximal dem Existenzminimum entsprechen würde. Ein durchschnittlicher Arbeiter in Polen verfüge damit über lediglich ein Drittel des von ihm erwirtschafteten »Mehrprodukts«, während zwei Drittel des von ihm Erwirtschafteten der Akkumulation, also der Erweiterung der Produktion, zugutekämen. Diese »Produktion für die Produktion«172 diene nicht dem Klassenziel, sondern einem Ziel, das dem Arbeiter grundsätzlich fremd wäre. Der meiste Teil  des zusätzlich Erwirtschafteten würde für die Finanzierung des Herrschaftsapparats, also des Militärs, des Polizeiapparats, der Staatsanwaltschaft, der Gerichte, Gefängnisse, der Partei, der Direktionen zur Kontrolle der Arbeiter und der Propaganda, ausgegeben werden. Zwar sei es verständlich, dass der Arbeiter nicht gleichwertig zu den von ihm erwirtschafteten Produktionsmitteln entlohnt werden könne und dass ein Teil seines Einkommens für die Wahrung der Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft und der nicht produzierenden Sektoren wie Wissenschaft, Schul-, Kultur- und Gesundheitswesen ausgegeben werde. Da jedoch sein Einkommen gerade einmal sein Existenzminimum decken würde, ihm ferner die Produktionsmittel mit Zwang und ohne Möglichkeit auf Einflussnahme ihrer Verteilung abgenommen worden seien, würde der Arbeiter im politischen System Polens schlicht ausgenutzt werden: »Er produziert das Minimum seiner Existenz für ihn und die Macht des Staates gegen ihn.« Das Produkt seiner eigenen Arbeit stelle sich ihm als »ein fremdes und feindliches« gegenüber, es gehöre ihm nicht, so die Autoren.173 Vor allem aber werde der Arbeiter ausgenutzt, weil er des Eigentums an den Produktionsmitteln beraubt sei: Um zu überleben, müsse er seine Arbeitskraft an jene »zentrale politische Bürokratie« verkaufen, die über die Produktionsmittel disponieren würde. An Milovan Djilas Analysen angelehnt, handelte es sich in den Augen der Verfasser bei dieser »Bürokratie« um eine »neue Klasse«, die auf die ausschließliche Ausnutzung der Arbeiter ausgerichtet wäre. Die Bedürfnisse dieser Klasse würden nur zu einem geringen Teil aus ihrem individuellen Einkommen, zum allergrößten Teil aber aus dem Einkommen der Arbeiter be­friedigt werden. Ihr luxuriöser Konsum und ihre Privilegien seien ein Resultat ihrer Herrschaft über die Produktionsverhältnisse. Aus diesem Grund würde jede regierende Klasse nach dem Festigen und Erweitern ihrer Herrschaft 171 Vgl. ebd., S. 491 f. 172 Vgl. ebd., S. 499 und S. 501. 173 Vgl. ebd., S. 494–496.

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über die Gesellschaft streben und diesem Zweck würde sie, so die Vermutung der Verfasser, auch den Produktionsprozess selbst unterstellen.174 Zwar sei das Produktionsziel der »monopolbürokratischen Klasse«  – das heißt »die Produktion um der Produktion willen« – zu rechtfertigen, wenn sich das entsprechende Land noch im Stadium der Industrialisierung befinde.175 Sobald jedoch ein bestimmter Grad der industriellen Entwicklung erreicht sei, müsse das Spannungsfeld zwischen einem hohen Industrie- und einem niedrig ge­haltenen Konsumniveau ausgeglichen werden. Da dies aber von einer Bürokratie, die den Verlust ihrer Kontrolle über die Produktion und die Gesellschaft scheue, blockiert werde, sahen Kuroń und Modzelewski in dieser Situation nur einen Ausweg: den Umsturz dieser Produktionsverhältnisse und damit »den Umsturz der bürokratischen Klasse«.176 In Anbetracht dieser krisenhaften Zustände, die auch in anderen Ländern wie der UdSSR, der Tschechoslowakei, der DDR und Ungarn zu beobachten wären, sei eine »Revolution« unausweichlich: Es ginge um »die Beseitigung der Bürokratie und der existierenden Produk­ tionsprozesse, um die Übernahme der Herrschaft über die eigene Arbeit und ihre Produkte, um die Kontrolle über die Produktionsziele und damit um die Einführung eines ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Systems, das auf einer ›Arbeiterdemokratie‹« beruhen würde.177 Zwar habe das Land schon 1956 die Chance gehabt, seine Zukunft zu wenden. Diese historische Chance sei jedoch vertan worden, weil die Linke es versäumt habe, ein »eigenes Programm« zu entwickeln und »eine eigene Partei« auszubilden. Somit verpasste sie auch die Möglichkeit, sich als spezifische »proletarische Bewegung« innerhalb der breiten »antistalinistischen Front« in der Gesellschaft zu profilieren. Stattdessen sei sie als »linke Zutat« der »herrschenden liberalen Demokratie«, die im Anschluss an das VIII. Plenum des ZK PZPR die Oberhand gewonnen und sich als eigentliche »antirevolutionäre Kraft« erwiesen hatte, allmählich untergegangen. Lohnerhöhungen, die damals ausgehandelt worden waren, stabilisierten zwar die Situation. Da jedoch keine grundsätzliche Reform durchgeführt wurde, sei es zur allmählichen Ausschöpfung der ökonomischen Reserven und damit letztlich zu einer nur noch größeren Krise gekommen.178 Die Krise betreffe vor allem die Arbeiter, sie führe zu einer Verringerung der Ausgaben für Bildung, Kultur und Gesundheit. Daher sei es zunächst die Arbeiterklasse, die um das Minimum ihrer Lebensexistenz fürchten und zu ihrer Verteidigung aufrufen müsse. Allerdings würden sich, so glaubten die Autoren, die Interessen der Arbeiter auch mit denen anderer Gruppen, vor allem mit denen der Jugend und der Bauern verschränken, deren Perspektiven 174 Vgl. ebd., S. 496 f. 175 Vgl. ebd., S. 505. 176 Vgl. ebd., S. 515 und S. 520. 177 Vgl. ebd., S. 526. 178 Vgl. ebd., S. 522 f.

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ebenfalls massiv von der Bürokratie eingeschränkt worden seien. Das Ziel der Arbeiterklasse müsse deshalb darin bestehen, die ökonomische, gesellschaft­ liche und politische Macht im Staat zu übernehmen. Nach den Vorstellungen von Modzelewski und Kuroń sollte dies auf dem Wege der Errichtung einer »Arbeiterdemokratie«179 geschehen. Die Arbeiter müssten sich im Rahmen sogenannter »Arbeiterräte« innerhalb ihrer Unternehmen organisieren. Ein von diesem Rat einzusetzender und seiner Kontrolle unterliegender Direktor sollte dem jeweiligen Rat vorstehen. Die Räte seien in die Leitung der Betriebs­stätten einzubinden und darüber hinaus in einen »Zentralen Delegationsrat« auf Landesebene zu vereinen. Die Delegierten dieses Rates würden damit einerseits ihre Kollegen in den jeweiligen Betriebsstätten repräsentieren und andererseits »über den nationalen Wirtschaftsplan und die gesellschaftlichen Produk­ tionsziele« entscheiden sowie deren Umsetzung beaufsichtigen. Die Räte würden damit zu »Organen der ökonomischen und politischen« Regierung werden. Sie sollten in freien Wahlen gewählt und »jederzeit abberufen« werden können.180 Gleichzeitig müsse das Recht zur Bildung von Parteien eingeführt und damit, so die Intention der Autoren, das Einparteiensystem abgeschafft werden. Die Arbeiterklasse müsse sich auf der Basis eines Mehrparteienprinzips organisieren, was konkret bedeute, dass »jede politische Gruppe«, die in der Arbeiterklasse einen gewissen »Rückhalt« besäße, »die Möglichkeit zur Herausgabe einer eigenen Zeitschrift, zur Verbreitung ihres Programms in den Massenmedien, zur Organisation ihres Kaders und ihrer Aktivisten und zur Bildung einer Partei« bekommen sollte. Ein Mehrparteiensystem erfordere ferner »die Freiheit des Wortes, des Druckes und der Versammlung, die Abschaffung der Zensur sowie die volle Freiheit des wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Schaffens.«181 Die Unabhängigkeit der Gewerkschaften und »das Recht zur Organisation wirtschaftlicher und politischer Streiks«182 müssten garantiert werden. Um eine so geartete, möglichst vollständige Beteiligung der Arbeiterklasse an der Regierung von einem Abrutschen in eine »Fassade« zu bewahren, sollten regelmäßige, während der bezahlten Arbeitszeit abzuhaltende Schulungen zur Weiterbildung der Arbeiter organisiert werden. Darüber hinaus müsse die »politische Polizei« sowie die »reguläre Armee« abgeschafft und die Arbeiter bewaffnet werden. Lediglich bestimmte Kampfmittel und schwere Waffen, wie Raketen, Kampfflugzeuge und Teile der Flotte, sollten bewahrt und der Kontrolle der Arbeiter überstellt werden. Nur so könne der Umsturz »ihrer« Demokratie vermieden werden.183 Gleichzeitig sprachen sich die Autoren eindeutig gegen ein parlamenta­ risches System aus. Die »zweihundertjährige Tradition« – der Brief ließ offen, 179 Vgl. ebd., S. 535. 180 Vgl. ebd., S. 535 f. 181 Vgl. ebd., S. 536 f. 182 Vgl. ebd., S. 537 f. 183 Vgl. ebd., S. 538 f.

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was genau damit gemeint war – zeige, dass auch eine parlamentarische Demokratie vor der Entwicklung in eine Diktatur nicht schützen und eine Volksherrschaft keinesfalls garantieren würde.184 Jedoch sei die von ihnen anvisierte »antibürokratische Revolution« nicht nur eine Sache der Polen. In allen »büro­ kratischen« Ländern des Ostblocks seien die von ihnen analysierten »ökonomischen Widersprüche« zu bemerken. Und selbst die kapitalistisch regierte Arbeiterklasse des Westens müsse erkennen, auf welche Weise das von der offiziellen Propaganda der bürgerlichen und kommunistischen Parteien als »Sozia­ lismus« verkaufte »bürokratische System« jenen »Sozialismus« kompromittiere. Die »antibürokratische Revolution« sei nicht nur eine Sache des Ostens und des Westens, sondern auch eine Sache der antikolonialen Bewegung und somit Teil einer »Weltrevolution«, so die Autoren.185 Mit der Forderung »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!«186 endete denn auch der programmatische Teil ihrer Ausführungen. Dass ein so offensiv gegen das politische Establishment und die gesamte politische und wirtschaftliche Nachkriegsordnung Polens gerichtetes Programm massiven Widerstand hervorrufen würde, ist nicht überraschend. »Der ›Offene Brief‹, gerichtet an die Hauptleidtragenden dieser historischen Entwicklung, an die Mitglieder der ›Partei‹, war«, so lautete der zeitgenössische Kommentar einer liberalen, westlichen Wochenzeitung, »im Grunde eine vorweggenommene Todesanzeige«.187 Mit ihrer These von der Ausbildung einer »neuen, bürokratischen Klasse« hatten die jungen Universitätsdozenten das Regierungssystem in Polen nicht nur frontal angegriffen, sondern auch massiv an seinen marxistisch-leninistischen Begründungszusammenhängen gerüttelt. Hinsichtlich der Frage, warum eine in der Theorie intendierte »Vergesellschaftung der Produktionsmittel« in der Praxis bewusst abgebremst wurde, in Erklärungsnot gebracht, musste das Regime geradezu zwingend zu Mitteln greifen, die die bisherigen disziplinarischen Maßnahmen deutlich überstiegen. Nicht nur die utopische Stoßrichtung der praktischen Schlussfolgerungen, sondern auch die offenbar unterschätzte Wirkung des Textes durch seine Autoren mögen im Nachhinein erstaunlich wirken. Immerhin bekannten die beiden Aktivisten bereits im letzten Absatz ihres Programms nicht zu wissen, ob die Regierung »im Zusammenhang mit diesem Brief« zu neuen »administrativen« Maßnahmen greifen oder einen strafrechtlichen Prozess anstreben würde.188 Die Wucht des Prozesses sowie seine politischen wie gesellschaftlichen Folgen dürften sie dennoch recht unvorbereitet getroffen haben. Nachdem sie ihren »Offenen Brief« am 17. März 1964 verschiedenen Vertrauenspersonen – unter 184 Vgl. ebd., S. 537. 185 Vgl. ebd., S. 541 f. 186 Vgl. ebd., S. 542. 187 Vgl. o. V., Gefecht, zuletzt eingesehen am 1.12.2010 unter http://www.zeit.de/1969/04/ Zum-letzten-Gefecht. 188 Vgl. Kuroń u. Modzelewski, List otwarty, S. 548.

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anderem dem Universitätsdozenten Ludwik Hass und dem Studenten Adam Michnik – zur Aufbewahrung anvertraut und ihn anschließend am 18. März im KU PZPR und KU ZMS persönlich abgegeben hatten, wurden sie am 19. März 1964 verhaftet. Nach einem in Polen wie dem ost- und westeuropäischen Ausland intensiv verfolgten Prozess wurden sie am 16.  Juli 1965 »der Abfassung eines »Offenen Briefs«, dessen Inhalt »falsche Informationen« enthalte, die »den Interessen der Volksrepublik Polen einen empfindlichen Schaden zufügen könnten«, gemäß Art. 23 § 1 mkk. für schuldig erklärt sowie zu drei beziehungsweise dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.189 Dass das Warschauer Wojewodschaftsgericht im Falle von Modzelewski zu einem um ein halbes Jahr verlängerten Strafmaß gekommen war, wertete Kuroń später als Indiz für die sich zunehmend ankündigenden antisemitischen Ausschreitungen. Die Inhaftierung und Verurteilung der Angeklagten rief eine breite Solidaritätsaktion seitens der Mitarbeiter und Studenten der Warschauer Universität nach sich, im Rahmen derer mehrere Studenten disziplinarische Verwarnungen auf sich nahmen. Gegen Adam Michnik, Eugeniusz Chyla und Wiktor Nagórski eröffnete das Innenministerium einen »operativen Vorgang« mit dem Ziel der »genauen Observierung« ihres politischen Engagements.190 Auch die Professoren Maria Ossowska, Leszek Kołakowski und Tadeusz Kotarbiński gerieten wegen der Abfassung eines von den Verteidigern erbetenen Gutachtens über den Terminus der »falschen Informationen« in den Fokus der Staatssicherheitsbehörden.191 Włodzimierz Brus und Zygmunt Bauman diskreditierten sich in den Augen des Regimes einmal mehr wegen ihrer Versuche, die Angeklagten in Schutz zu nehmen.192 Dennoch würde die Annahme einer ungebrochenen ideellen Kontinuität zwischen den »revisionistisch« inspirierten Absolventen und ihren Professoren, wie ein Blick in die entsprechenden Akten zeigt, eher in die Irre führen. Die genannten Hochschullehrer blieben in ihrer Beurteilung des kommunistischen Systems in Polen stets einer gemäßigten, rational-intellektuellen Haltung verbunden, die nicht zuletzt deshalb vor allem im Bereich ihrer eigenen Forschungsschwerpunkte oder bestenfalls im Bereich der Wirtschaftsund Kulturpolitik des Landes als »dissidente« Kritik artikuliert wurde. An offener Konfrontation mit dem Regime in Polen nicht interessiert, mieden sie strikt politische oder programmatische Äußerungen. Ihr grundsätzliches Interesse an der Bewahrung einer relativ freien und motivierenden Diskussionsatmosphäre an der Warschauer Universität ließ sie zwar latent oppositionelle Haltungen entweder selbst vertreten oder bei ihren Studenten und Mitarbeitern dulden. 189 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 203 f. und ders., Opozycja, S. 155. 190 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Plan przedsięwzięć, S. 608–611, inbes. S. 609 f. und dass., Wniosek, S. 612–613. 191 Was im Falle von Kołakowski zu jener ersten Einbestellung vor die Kontrollkommission der PZPR führte, die später in seinem Ausschluss aus der PZPR resultierte, vgl. dass., ­Opinia, S. 614–616. 192 Vgl. dass., Informacja MSW, S. 455–457, hier S. 457; dass., Notatka służbowa, S. 583–585, hier S. 585 und dass., Notatka dotycząca, S. 586 f., hier S. 587.

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Radikalität und darauf folgenden Repressionen versuchten sie jedoch stets zugunsten von Kompromissen aus dem Weg zu gehen. Auch wenn sie das politische und ethische Engagement der Jüngeren schätzten, scheuten sie die damit verbundenen Gefahren. Dies dürfte unter anderem auch mit ihrer grundsätzlich anderen, beruflich wie privat weitestgehend konsolidierten Situation sowie dem Gefühl persönlicher Verantwortung für ihre Ehepartner und Familien, aber auch für die politisch gesicherte Zukunft ihrer eigenen Lehrstühle zusammenhängen.193 Das verbindende Glied zwischen den beiden Generationen war vor allem ihre geteilte Desillusion über die »verratenen« Reformversprechen des Jahres 1956 sowie ihre Kritik der politischen Zensur und der daraus resultierenden Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung und des wissenschaftlichen und publizistischen Schaffens. Der revolutionäre Inhalt des »Offenen Briefs« und insbesondere der darin enthaltene Aufruf zum »Umsturz« des bestehenden Systems wurden hingegen als gefährlich, die Forderungen zur Errichtung einer Arbeiterdemokratie sogar als naiv bewertet. Auch wenn die Autoren mit ihrer Analyse der wirtschaftlichen Krisenerscheinungen und der damit einhergehenden schlechten Lebensbedingungen in den Augen der älteren Generation, aber auch der aktuellen Forschung, eine Reihe an Problemen der Volksrepublik treffsicher beschrieben hatten, sind ihre daraus gezogenen Konsequenzen auf deutlichen Widerspruch gestoßen.194 Die Utopie der Ausbildung einer »Arbeiterklasse«, die Wirtschaft und Politik vollständig kontrollieren sollte, der Ausschluss weiterer Klassen oder Bevölkerungsgruppierungen aus der Regierungsverantwortung und die gleichzeitige Ablehnung einer parlamentarischen Demokratie blieben einem utopischen, immer noch im weitesten Sinne dem geltenden Marxismus-Leninismus verpflichteten Gedankengut verhaftet. Gerade innerhalb der hier untersuchten bildungsbürgerlichen Eliten konnten solche Vorstellungen kaum Anhänger finden. Die Kritik am poli­ tischen Gehalt des »Offenen Briefes« minderte zwar nicht die milieuinterne Loyalität zu seinen Verfassern. Inhaltlich wurde der Brief jedoch eher als eine Art intellektueller Rückschritt betrachtet. Was aufgrund der ideologischen und semantischen Nähe zur offiziellen Parteidoktrin ohnehin nur für einen schmalen Kreis dissidenter Kommunisten anschlussfähig sein konnte, war aufgrund seiner anderen Inhalte quasi automatisch für die straf- und disziplinarrechtliche Verfolgung im Rahmen eines autoritären Staatssystems anfällig. Mit seiner Forderung nach der Schaffung eines Mehrparteiensystems, nach der Autonomie der Arbeiterselbstverwaltungen und Gewerkschaften und der Abschaffung der »bürokratischen Klasse« hätte das Programm, wenn es denn je ernsthaft als politische Alternative diskutiert worden wäre, de facto zur kompletten Ablösung des bestehenden Regie193 Vgl. Friszke, Opozycja, S. 159 f. 194 Zur Einordnung des »Offenen Briefs« in den aktuellen Forschungsstand vgl. Friszke, ­Opozycja, S. 159–160; ders., Anatomia, S. 203–222 sowie Paczkowski, Pół wieku, S. 224 f.

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rungs- und Parteiapparates durch ein allerdings nicht minder ideologisch belastetes und utopisch ausgerichtetes System führen sollen. Die scharfe Reaktion des Regimes auf den »Offenen Brief« zeigt – obwohl die Realisierung oder auch nur der Ansatz einer ernsthaften Diskussion über ihn im Grunde niemals in Erwägung gezogen wurden und insofern auch keine Gefahr für das politische System in Polen darstellten –, dass die darin vorgenommenen Analysen der grundsätzlichen Schwächen dieses Systems offenbar durchaus als eine solche Gefahr interpretiert wurden. Kuroń und Modzelewski hatten erstmals öffentlich angedeutet, dass sie auf weitere Reformen »von oben« nicht mehr hofften, dass sie vielmehr die Arbeiter und die jungen Intellektuellen ermunterten, zu progressiven, auf systemische Veränderungen hinwirkenden Bürgern zu werden. Eine solche, um eine politische Streitschrift gruppierte Mobilisierung regime­k ritischer Tendenzen galt es unbedingt zu vermeiden. Mit der Inhaftierung ihrer Leitfiguren hoffte das Regime auf Zerschlagung der vor allem in der Hauptstadt entstandenen dissidenten Netzwerke. Tatsächlich erreichte es das Gegenteil, wie zu Beginn der Arbeit gezeigt wurde. Für die Fragen dieser Arbeit ist der »Offene Brief« damit vor allem unter dem Gesichtspunkt seiner Rezeption im studentischen Oppositionsmilieu und dem im Folgenden aufzuzeigenden Übergang von einer systemimmanenten, dissidenten zu einer systemopponenten, offen widerständigen Haltung seiner wichtigsten Trägerschichten wichtig. Die Frage der »trotzkistischen« Tradition des Briefes, die vor allem von den Strafverfolgungsbehörden aufgrund der von ihm einbezogenen Literatur und der Netzwerke seiner Verbreitung als solche konstruiert wurde, spielte in diesem jüngsten Spektrum der Oppositio­ nellen keine weiterführende Rolle.195 Anders als die Rezeption des »Offenen Briefes«, der binnen kurzem in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde, zum Beispiel in der westeuropäischen Studentenbewegung signalisieren könnte, galt er der jungen, studentischen Protestbewegung in Polen nicht als Beispiel einer authentischen »Fortentwicklung« des Marxismus, sondern als Folie ihrer eigenen Abstoßung und Loslösung von einem daraus legitimierten Kommunismus 195 Die Staatssicherheitskräfte leiteten den »trotzkistischen« Inhalt des »Offenen Briefes« und des ihm zugrunde liegenden Programms vor allem aus den Netzwerken seiner Verbreitung und der im Zusammenhang mit ihrer Verhaftung einbehaltenen Literatur bei seinen Verfassern her. Dazu zählten neben Milovan Djilas Arbeit über die »neue Klasse« und Leo Trotzkis Buch über die Revolution auch Isaac Deutschers Text über die »drei Richtungen des Kommunismus«, vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Fragment notatki, S. 351–354, hier S. 354; dass., Notatka z doniesienia, S. 405–410, insb. S. 406 f. und dass., Informacja MSW, S. 428–437, hier S. 429. Kuroń und Modzelewski verwehrten sich allerdings mehrfach gegen den Vorwurf, »trotzkistische Ideen zu vertreten«, auch wenn ihnen diese immer noch »hundertmal lieber wären als die Politik Chruschtschows«, so Kuroń in: Dass., Donosienie TW, S. 393–397, hier S. 395. Hinsichtlich der vereinzelten Kontakte zu Trotzkisten, die unter anderem für die Übermittlung des »Offenen Briefes« an das westeuropäische Ausland sorgten und 1965 ebenfalls zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, vgl. Friszke, Opozycja, S. 152–155 und ders., Anatomia, S. 90, S. 109, S. 149 und S. 158–168.

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und Sozialismus.196 So wie die Autoren selbst sich schon bald von ihren eigenen Annahmen und Begriffen distanzierten, so versuchten auch die jüngsten Oppositionellen aus dem Umfeld der von Adam Michnik geprägten Gruppe der Komandosy, diese immer noch marxistisch inspirierten Denkmuster und Lösungsvorschläge allmählich zu überwinden. Die Inhalte, Etappen und der auf diese Weise grundsätzlich vorgenommene Paradigmenwechsel im Umgang mit dem kommunistischen Regime aufseiten der linken Dissidenz in Polen stehen im Zentrum des folgenden, letzten Teils des Hauptkapitels.

2.3 Ablösungen und Annäherungen 1980, kurz nach Entstehung der Gewerkschaft Solidarność, von westdeutschen Gewerkschaftern auf seinen »Offenen Brief« angesprochen, sagte Karol Modzelewski, dass der Brief heute »weder für ihn noch für Kuroń« von großer Bedeutung wäre. Einige Elemente der Analyse könnten »vielleicht bestehen bleiben«, die »Begrifflichkeiten und Schlussfolgerungen« würden jedoch »kaum noch« akzeptiert werden. Ein Kommunist sei er demzufolge sicher »nicht mehr«. Ein Marxist »wohl auch kaum«. Doch Sozialist »in einem weiten Sinn – sicher«,197 ließ der damals 43-Jährige seine Gesprächspartner wissen. Der in diesen Zeilen durchscheinende und für das hier behandelte Milieu in Teilen symptoma­ tische Wandel politischer Zu- und Selbstbeschreibungen ist in den zuvor gehenden Kapiteln bereits skizziert worden. Ihre in intellektueller und ideologischer Hinsicht stärkste Erschütterung erfuhren diese Entscheidungen jedoch vor dem Hintergrund des Spannungsverhältnisses zwischen einem utopisch aufgela­ denen »1956« und einem moralisch diskreditierten »1968«. Das zwischen diesen Jahreszahlen akkumulierte und in ihrer symbolischen Aufwertung mani­ festierte Erfahrungswissen dreier dissidenter Generationen entfaltete vor allem im Umfeld der jüngsten Oppositionellen eine bedeutende Dynamik. Die von dieser Generation ausgehende, auf den Ansätzen ihrer älteren Vorbilder zwar aufbauende, sich jedoch gleichzeitig von ihnen abgrenzende Kritik am Kommunismus ist Inhalt der folgenden Überlegungen: Analysiert wird erstens das sich allmählich wandelnde Verhältnis des linken Milieus zur polnischen Nation, vor allem zu seiner Geschichte und Gesellschaft. Darauf aufbauend untersucht das Kapitel zweitens die vermutlich wichtigste Auswirkung dieses Wandels, und zwar die ideelle wie personelle Annäherung des linken Milieus an die 196 Zu den einzelnen Übersetzungen des »Offenen Briefs« vgl. u. a.: Kuroń u. Modzelewski, Monopolsozialismus; dies., Lettre; dies., Il marxismo; dies., Open Letter; dies., Revolutionary Socialist; dies., Kuroń & Modzelewski’s; dies., Brev und dies., Carta Abierta. 197 O. V., Gespräch zwischen Karol Modzelewski und deutschen Gewerkschaftern in ­Breslau, November 1980, hier zitiert nach der Onlineversion des Textes aus den Beständen der Friedrich-Ebert-Stiftung, zuletzt eingesehen am 1.11.2010 unter library.fes.de/pdf-files/ netzquelle/a81-07254/07-modzelewski.pdf.

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katholische Glaubensgemeinschaft. Drittens schließlich widmet sich das Kapitel dem Bereich zu, der in konzeptioneller Hinsicht am deutlichsten von dem zu beschreibenden Wandel profitiert hat. Beschrieben wird die programmatische Neuausrichtung der dissidenten Diskurse im Verlauf der 1970er-Jahre, ihre endgültige Loslösung aus marxistischen Denk- und Handlungsmustern und ihre Einordnung in national verankerte, aber auch zunehmend transnational virulent werdende Diskussionszusammenhänge. Auf diese Weise werden die Zäsuren, aber auch die Kontinuitätslinien der Entwicklung zwischen 1956 und 1976 gleichwertig einbezogen und die Formierung eines »demokratischen Opposi­ tionsmilieus« von der partiellen Fragmentierung des »linken Dissidenzmilieus« her beschrieben. 2.3.1 Diktatur der »Zurückgebliebenen«? Vom Internationalismus zum Patriotismus Die auf die intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten der kommunistischen Regierungselite abzielende Chiffre von einer »Diktatur der Zurückgebliebenen« stammt nicht von einem der hier behandelten Oppositionellen. Vielmehr gilt der Krakauer Komponist Stefan Kisielewski als ihr polemischer »Erfinder«.198 Gleichwohl spiegelt die in der Folgezeit zu einem beliebten Zitat avancierte Redewendung eine spezifische Wahrnehmungs- und Deutungsebene, die auch das linke Milieu der Dissidenten punktuell berührte und politisch bemühte. »Rückständig« waren in ihrer Perspektive nicht die stalinistischen, später kommunistischen Führungseliten, sondern zunächst vor allem die »reaktionären«, »klerikalen« und »nationalistischen« Tendenzen in der polnischen Nachkriegsgesellschaft. Als »Avantgarde« des kulturellen, aber auch politischen Lebens begriffen und als Teil  eines »progressiven« Modernisierungsprojektes verstanden, definierte sich das hier untersuchte Milieu der linken Dissidenz bis in die 1970er-Jahre hinein eher in »internationalen«, der kommunistischen Bewegung verpflichteten, denn »nationalen«, auf die Wertvorstellungen der polnischen Bevölkerung rekurrierenden Traditionsbezügen.199 Dem Bild international vernetzter und hervorragend ausgebildeter junger Intellektueller stand ihr in Teilen 198 Stefan Kisielewski (1911–1991) war in der Volksrepublik vor allem für seine schlagfer­t igen Polemiken in der katholischen Wochenzeitschrift Tygodnik Powszechny berühmt geworden. Darüber hinaus war er zwischen 1957 und 1965 Abgeordneter des Sejm in der Gruppe ZNAK. Wegen seiner im Rahmen einer Versammlung des Polnischen Schriftstellerverbandes 1968 geäußerten Kritik an der Zensurpolitik Polens, in der er auch die oben zitierte »Diktatur der Zurückgebliebenen« (Dyktatura ciemniaków) beklagt hatte, wurde er für drei Jahre mit einem Publikationsverbot belegt, vgl. Friszke, Opozycja, S. 242. 199 Die katholische Tradition eines Großteiles der polnischen Bevölkerung und ihren daraus resultierenden Glauben hat beispielsweise Kuroń lange Zeit als eine Art »Behinderung« erlebt, vgl. Kuroń, Wiara, S. 364 sowie – eine ähnliche Haltung der Linken gegenüber der Kirche ausführlicher behandelnd – Michnik, Kościół, S. 22, 29, 143, 155 und S. 159.

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mit offener Herablassung artikulierter Blick auf eine in wirtschaftlicher wie kultureller Hinsicht »rückständige«, von den zuständigen Intellektuellen auf ein »besseres Niveau« tatkräftig anzuhebende Gesamtbevölkerung entgegen. Die aus dieser Perspektive resultierenden Konfliktlinien spiegeln sich nicht nur in einer gewissen Distanz zwischen den Dissidenten und der Gesellschaft auf der einen Seite, sondern auch in entsprechenden Auseinandersetzungen innerhalb des sich zunehmend auffächernden Milieus seit den späten 1960erJahren auf der anderen.200 Mit ihrer elitären Selbst- und Fremdwahrnehmung konfrontiert, musste das dissidente Milieu spätestens seit den in ihren Augen gescheiterten Protestaktionen des Jahres 1968 einen deutlichen Überhang an selbstreferenziellen Legitimationsmustern zur Kenntnis nehmen und eine Möglichkeit zum Überdenken ihres Verhältnisses zur polnischen Nation und ihrer Wertbezüge herstellen. Dieser Herausforderung stand jedoch neben dem erwähnten spezifischen Selbstverständnis der Intellektuellen auch ein weiteres Problembewusstsein entgegen. In überwiegender Zahl aus jüdischen Eltern­ häusern stammend oder aber über ihr eigenes Netzwerk mit jüdischen Kommunisten verkehrend, handelte es sich bei den hier behandelten Oppositionellen um Personen mit einer ausgeprägten Sensibilität für antisemitische und rassistische Diskriminierungsmuster, aufgrund derer sie den auf die nationalkatholische Einheit des Landes abzielenden, negativ exkludierenden Nationsund Patriotismusbegriff, wie er in Teilen der polnischen Gesellschaft vertreten wurde, dezidiert mieden.201 Nur aus der Verzahnung dieser beiden Faktoren – dem politisch starken, persönlich aber eher gebrochenen Verhältnis zur Nation seitens der Intellektuellen – lässt sich das Spannungsfeld, innerhalb dessen das dissidente Milieu im Verlauf der 1960er-Jahre seine wichtigsten normativen Grundlagen revidierte, verstehen und erklären. So bezogen die meisten der hier untersuchten bildungsbürgerlichen Eliten ihr persönliches und politisches Selbstverständnis aus der traditionell starken Bedeutung von Intellektuellen für den Zusammenhalt der polnischen Gesell200 Von entsprechenden Auseinandersetzungen berichten mehrere Quellen, vgl. unter anderem Kuroń, Wiara, S. 295–297, der selbstkritisch über die Exklusivität geschlossener Oppositionskreise reflektiert, und Protokół przesuchania Henryka Szlajfera z dn. 2.  lipca 1968, AO III/2414, Nr. 1, k. 1 ff., der vor allem Adam Michnik eine elitär-überhebliche Haltung zuweist. 201 Dies zeigt sich unter anderem auch an der 1962 entfachten Debatte um das Buch »Siedem polskich grzechów głównych« von Zbigniew Załuski, dem unter anderem Jacek Kuroń vorwarf, absichtlich eine Diskussion über den polnischen Patriotismus hervorgerufen zu haben, um die Gesellschaft von den eigentlich wichtigen, vor allem ökonomischen Problemen abzulenken, während Karol Modzelewski feststellte, dass man über die Interessen der Nation nur sprechen dürfe, wenn man sie aus der Perspektive von Klasseninteressen her analysieren würde, vgl. Załuski und – zur Einordnung des Buches in die entsprechenden Debatten der Volksrepublik – Gasimov, insb. S. 64–66 sowie – mit Bezug auf die Diskussion des Buches im Umkreis von Kuroń und Modzelewski – Instytut Pamięci Narodowej, Wyciąg z informacji, S. 363–364 sowie dass., Wyciąg z informacji, S. 361 f.

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schaft.202 Andererseits war jedoch die darauf basierende Identifizierung mit dem Kampf um die Unabhängigkeit des Landes und um den Erhalt eines gemeinsamen humanistischen Kultur-, Werte- und Bildungskanons in der Mitte des 20. Jahrhunderts auf zweifache Weise durchbrochen worden: Im Zuge der kommunistischen Machtübernahme verloren die der Partei zuströmenden Intellektuellen nicht nur ein Stück ihrer eigenen politischen Unabhängigkeit, sondern vordergründig auch die Legitimation zum Diskurs über die Unabhängigkeit Polens im Allgemeinen. Marxistisch-leninistisch aufgewertet, artikulierte sich das Missionsbewusstsein kommunistischer Intellektueller von nun an nicht in patriotischen, sondern in internationalistischen, der kommunistischen Bewegung verpflichteten Idealen. »Die Intelligenz«, so war 1956 bei Leszek Kołakowski zu lesen, sei demzufolge »der eigentliche Schöpfer der so­ zialistischen Kultur« und nur sie verleihe »jenen Tendenzen der geschichtlichen Evolution, die zur Vernichtung des Kapitalismus führen und aus dem Kampf der ausgebeuteten Klassen als Resultat hervorgehen, eine Form, die sich für die Verbreitung in der Gesellschaft eign[e] und auf die Gestaltung des sozialen Bewusstseins Einfluss haben [könne].« Ohne Hilfe der Intelligenz könne sich die Arbeiterklasse »nur schwer vom kulturellen Einfluss des Kleinbürgertums befreien« und »auch das geistige Leben der neuen Gesellschaft« sei, so der Philosoph, ohne ihre Hilfe »von einer Überschwemmung bäuerlichen Geschmacks und bäuerlicher Gewohnheiten bedroht, die die Keime der neuen sozialistischen Kultur ersticken könn[e].«203 Erst innerhalb der jüngsten, nach dem Zweiten Weltkrieg geborenen Generation von Dissidenten wurde ein derart gefasstes, anhand klassenspezifischer Begründungsmuster zum Rest der polnischen Gesellschaft auf Distanz gehendes Selbstverständnis allmählich überwunden. »Im Geiste des Internationalismus erzogen« seien ihr zwar, so bekannte Barbara Toruńczyk noch 1968, »jegliche Formen des Nationalismus und Chauvinismus fremd gewesen. Patriotin sei sie daher nur insofern, als dass sie sich mit der kulturellen Tradition Polens identifiziert habe.«204 Politische Alternativen zu formulieren sei jedoch, so Adam Michnik 1976, die Aufgabe jener Menschen, die sich positiv auf die Tradition der »ungebeugten Intelligenz«205 des frühen 20. Jahrhunderts beziehen. Michnik forderte die allmähliche Abwendung der jüngsten Dissidenten 202 Ausführlicher zum Problem des intellektuellen Selbstverständnisses polnischer Oppositioneller vgl. Arndt, Intellektuelle, insb. S. 32–36 sowie – zur grundsätzlichen Rolle und Selbstwahrnehmung der Intelligenz in der polnischen Gesellschaft – Janowski u. a., Dzieje inteligencji sowie Jedlicki, A Suburb. 203 Vgl. Kołakowski, Die Intellektuellen, S. 44. 204 Vgl. Protokół przesłuchania B. Toruńczyk z 24 marca, AIPN 0330/327, t. 50, k. 35–37, hier zitiert nach Friszke, Anatomia, S. 673–675. 205 Michnik, Nowy Ewolucjonizm, S. 77–87, hier S. 87. Zur »ungebeugten Intelligenz« zählte Michnik den Kulturkritiker Stanisław Brzozowski (1878–1911), den Maler und Schrift­ steller Stanisław Wyspiański (1869–1807), den Schriftsteller Stefan Żeromski (1864–1925) und den Geografen Wacław Nałkowski (1851–1911).

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von kommunistisch-internationalen hin zu liberal-nationalen Deutungszusammenhängen. Wie insbesondere aus dem in den 1970er-Jahren entstandenen Schrifttum der Opposition, aber auch aus dem Veranstaltungskalender der 1978 wiederbegründeten und ebenfalls auf die Teilungszeit rekurrierenden »Fliegenden Universität«206 zu erkennen ist, begann so ein neu erwachtes Interesse an historischen Themen und Fragestellungen mit einem gewandelten Bezug auf die polnische Nation und deren Geschichte einherzugehen. Dem jüngsten Oppositionskreis gelang damit das, was den nur wenig älteren Dissidenten um Kuroń und Modzelewski noch unmöglich und vermutlich auch unerwünscht erschienen sein dürfte  – die zwar nicht offen geäußerte, aber in­direkt vorgenommene Anbindung an den in der polnischen Gesellschaft virulent vorhandenen Diskurs über die Einführung eines kommunistischen »Fremdregimes« und die darauf aufbauende Loslösung aus marxistisch inspirierten Problemdeutungen sowie die Rückbesinnung auf eigene, national tradierte Norm- und Handlungsebenen.207 Ohne die latent vorhandenen anti­ russischen Tendenzen in der polnischen Bevölkerung aufzunehmen, reagierte das dissidente Milieu zunehmend auf die Frage der nationalen Souveränität Polens und die Emanzipationsbestrebungen anderer von der Sowjetunion unterdrückter Volksgruppen und Minderheiten. Dabei wurde allerdings zwischen der Sowjetunion als einem totalitären Regime und dem russischen Volk, das selbst als Opfer dieses Regimes betrachtet wurde, strikt unterschieden. Nicht im Sinne von nationalistisch aufgeladenen Kampfparolen, sondern im Bewusstsein eines über lange Jahre kaum oder nur unzureichend reflektierten Abhängigkeitsverhältnisses eigener Anschauungen von geopolitisch begründeten Deutungs­zusammenhängen, fanden Begriffe wie Nation und Patriotismus ­zunehmend Eingang in links orientierte, dissidente Auseinandersetzungen. »Wir [hingegen] waren«, so die Erinnerung der Älteren an das Jahr 1956, »paralysiert von dem Gefühl politischer Verantwortung, die mit Angst vor einer sowjetischen Intervention, vor den reaktionären Kräften in der Partei, vor der Autorität Gomułkas im Volk und genau genommen mit der Angst vor der gesellschaftlichen »Rechten«, das heißt im Grunde vor der Nation einherging.«208 Diese »Angst vor der polnischen Nation« führte zu einer Ausgrenzung der Begriffe Nation und Patriotismus aus dem Wortschatz der frühen Dissidenz und einer daraus resultierenden Tabuisierung entsprechender Themen und Pro­ 206 Zur Wiederentstehung der Fliegenden Universität beziehungsweise der Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse vgl. Terlecki, Uniwersytet Latający, insb. S.  22 ff. sowie I­nstytut Pamięci Narodowej, Kryptonim »Pegaz«. Zur Vorgeschichte der Fliegenden Universität im 19. und 20. Jahrhundert vgl. Janowski, 19. Jahrhundert, S. 293–316, hier S. 312; Kleßmann, Selbstbehauptung, S. 109 ff. und S. 141; ders., Kulturelle Selbstbehauptung, S. ­117–139, hier S. 126 sowie Borodziej, Konturen, S. 95–117, hier S. 96. 207 Wie sehr die PZPR selbst der Ablehnung des von ihr installierten Systems als eines »Fremdregimes« begegnete und welcher nationalen Symboliken sie sich dabei bediente, zeigte zuletzt sehr eindrücklich Zaremba, Komunizm. 208 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 153.

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bleme.209 »Wenn man das Dokument genauer liest«, warf zum Beispiel Stanisław Gomułka den Verfassern des »Offenen Briefes« vor, dann erblickt man in ihm im Grunde eine Abkehr von allen anderen gesellschaftlichen Schichten außerhalb der Arbeiterklasse.«210 Anders als der Kreis um Michniks Gruppe der ­Komandosy, der zwar aus einem immer noch linken, aber verstärkt auf universale Werte der gegenseitigen Anerkennung rekurrierenden Blickpunkt die totalitären, undemokratischen und fremdbestimmten Tendenzen des polnischen Regierungssystems selbstbewusst kritisierte, scheuten die Verfasser des »Offenen Briefes«, diesbezügliche Problemfelder offen anzusprechen. Dies bedeutet zwar keineswegs, dass die geopolitischen Beschränkungen, denen alle hier behandelten Generationen sich durchgehend ausgesetzt sahen, von den jüngeren Dissidenten geringer geschätzt oder leichtfertig umgangen wurden. Es zeigt jedoch, um wie viel leichter und unverkrampfter die jüngste Dissidentengeneration mit Fragen nationaler Traditions- und Identitätsbildung operierte und sie zunehmend zur Durchsetzung ihrer eigenen Ziele instrumentalisierte. »Wir aber glaubten«, so Kuroń auf die gruppeninterne Diskussion des »­Offenen Briefs« rückblickend, »dass es ausreicht, die Situation der Arbeiter in der Produktion […] zu analysieren, um ihr kollektives Verhalten vorherzusehen.« In der marxistischen Theorie, so der Autor weiter, »gab es keinen Platz für die nationale Frage«. Vor allem »innerhalb des linken Milieus«211 habe eine deutliche Distanz gegenüber Begriffen wie Heimat, Staat, Nation und Patriotismus bestanden. Der Begriff des »Patriotismus«212 sei für ihn gar mit »einem Makel« behaftet gewesen, war er doch vor allem dafür bekannt, »Juden, Ukrainern, Weißrussen« das Recht auf eine Heimat abzusprechen und die polnische Nation negativ, aus einer vermeintlichen Überlegenheit heraus, anderen Nationen gegenüber zu stellen. Wenn überhaupt, so Kuroń, dann habe er sich als »­Patriot der Menschheit«213 verstanden. Dass er und Modzelewski den schon damals in die Debatte eingebrachten Punkt der Abhängigkeit Polens von der Sowjetunion unterschätzt und abgetan hätten, zeige jedoch auch, »in welcher Isolation vom Rest der Gesellschaft die ›Oktoberlinke‹« gelebt habe. Erst ihr Gefängnisaufenthalt und die darin ge209 Vgl. hierzu vor allem die Diskussionsbeiträge der Gruppe um Kuroń und Modzelewski während der Abfassung ihres – dem »Offenen Brief« zuvorgehenden – Programmtextes, siehe Instytut Pamięci Narodowej, Notatka mjr., S. 400–404, insb. S. 402–403. 210 Vgl. dass., Donosienie TW, S. 647–649. 211 Vgl. Kuroń, Wiara, S.  301. Damit brach Kurońs Identifikation mit einer patriotischen Bekenntnissen grundsätzlich mit Distanz begegnenden Linken jedoch mit längerfristigen historischen Perspektiven, innerhalb derer »nationale« Emanzipationsbestrebungen durchaus Teil einer linken oder links-liberalen Politik sein konnten, vgl. Winkler, Nationalismus, S. 36–51, hier S. 36; Berger, The Fangs, S. 259–287 sowie – in begriffsgeschicht­ licher Perspektive – Koselleck, Patriotismus, S. 535–552. 212 Zum Begriff und Traditionshorizont des Patriotismus in Polen vgl. Walicki, Three ­t raditions. 213 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 301.

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knüpften Kontakte hätten ihn und Modzelewski zu der Erkenntnis gebracht, einen »Fehler« gemacht zu haben. »Wir erkannten«, so der Dissident, »dass im Bewusstsein der polnischen Gesellschaft die nationale Unfreiheit so wichtig ist, dass man sie in keiner sinnvollen Analyse umgehen könne.«214 Die Neubewertung ihres Verhältnisses zur polnischen Gesellschaft und Nation seit Mitte der 1960er-Jahre führte ihn und seine Freunde »zu der Einsicht, dass, wenn unser Gegner der kommunistische Totalitarismus und unser Ziel die parlamenta­ rische Demokratie ist, unsere Gruppe, unser wir, aus all jenen besteht, die mit diesem System um Demokratie ringen. Alle Versuche unseres Engagements nach dem Jahr 1968 nahmen wir mit dem Gedanken an eine größtmögliche Front der demokratischen Opposition auf«,215 so Kuroń. Den aus dieser Reflektion gewonnenen, positiv gewendeten Bezug auf die polnische Nation vertrat Adam Michnik vermutlich am pointiertesten. Ende der 1980er-Jahre von Daniel Cohn-Bendit darauf angesprochen, warum er stets betone, ein Pole zu sein, antwortete Michnik: »Ich identifiziere mich auf eine besondere Art und Weise mit meiner Nation, und zwar deshalb, weil ich mich gern mit dem identifiziere, was schwach ist und unterdrückt wird. Wenn Polen eine Supermacht wäre, dann würde ich mich vielleicht als Kosmopolit fühlen, oder aber ich würde mich als Zigeuner oder etwas in dieser Art ausgeben. Da ich aber den Eindruck habe, dass Polen ein niedergeschlagenes und gedemütigtes Land ist […], bin ich mit diesem Land und mit dieser Sprache identifiziere ich mich […]. Und die Tatsache, dass in Polen Polen leben, die mich nicht als Polen, sondern als Juden wahrnehmen, gibt diesem meinem Leiden am Polesein nur einen noch besseren Geschmack«,216 so Michnik. Auch wenn das Zitat in seinem emotionsgeladenen Grundton vielleicht anderes vermuten lässt, handelte es sich bei der Neubewertung des Verhältnisses linker Dissidenten zur polnischen Gesellschaft keinesfalls um eine Neuauflage nationalistisch begründeter Norm- und Rechtszusammenhänge.217 Vielmehr knüpfte das hier behandelte Milieu seit den ausgehenden 1960er-Jahren zwar vermehrt an national generierte und kulturell tradierte Erfahrungen an, vermied aber deren ungebrochene Übernahme auf gegenwartsbezogene Problem­ 214 Vgl. ebd., S.  225. Das vor allem von Bernard Tejkowski vorgebrachte Beharren auf der Frage der eingeschränkten Souveränität Polens führte aber auch zum Bruch zwischen ihm und der Gruppe, vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Plan działań, S. 734–736. 215 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 385 (Hervorhebung d. Vf.) sowie die bereits seit Mitte der 1960erJahre sporadisch auftauchenden Forderungen nach einer Öffnung der Gruppe in Richtung andersdenkender Milieus in: Instytut Pamięci Narodowej, Doniesienie TW, S. 647–649 sowie dass., Plan działań, S. 734–736. 216 Vgl. Pewien polski etos, S. 393–424, hier S. 393, (Hervorhebung d. Vf.). 217 Eine gewisse Zunahme an Kampfparolen, die auf die Unterdrückung der polnischen Nation zumindest anspielen, lässt sich jedoch vor allem außerhalb des engen Kreises des hier behandelten Milieus, zum Beispiel im Umfeld der sich mit ihm solidarisierenden Studenten auffinden, vgl. unter anderem deren Aufruf zum Kampf um ein »freies, gerechtes und demokratisches Polen«, in: Instytut Pamięci Narodowej, Ulotka, S. 659 f.

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stellungen.218 Der Begriff des Patriotismus spielte in diesem Zusammenhang nur insofern eine Rolle, als er nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen und tabuisiert wurde. Seine ihm inhärente Gefahr der nationalen Überhöhung war und blieb jedoch ein wichtiges Thema der Linken, woran unter anderem der zur Zeit der Solidarność verfasste Essay »Dwie ojczyzny – dwa patriotyzmy« von Jan Józef Lipski erinnert.219 Wie Michnik, Kuroń und eine Reihe weiterer Oppositioneller forderte der Literaturwissenschaftler darin eine Neujustierung des Verhältnisses der polnischen Gesellschaft zu ihren deutschen, russischen und jüdischen Nachbarn.220 Gleichzeitig warnte er vor einer Mythologisierung nationaler Erfahrungen und einem daraus resultierenden Überlegenheits- und Abgrenzungsbedürfnis gegenüber anderen Gesellschaften und Nationen. Die Annäherung an die Wert- und Zielvorstellungen der polnischen Gesellschaft, die die linke Dissidenz vollbrachte und die hier als Loslösung vom »Inter­nationalismus zum Patriotismus« paraphrasiert wurde, darf somit nicht mit einer Wiederentdeckung national-ethnisch begründeter Diskussionsmuster verwechselt werden. Vielmehr handelte es sich um einen kritischen Bezug auf nationale Traditionen, die vor allem gesellschaftspolitisch definiert und hinsichtlich der Möglichkeit zur innergesellschaftlichen Integration operationalisiert wurden. In Bezug auf das damit zusammenhängende, über das eigene Milieu hinausreichende und explizit gegen das kommunistische Regime gerichtete Bedürfnis nach gemeinsamen Identitätsangeboten, lässt sich die hier beschriebene Diskussion daher am ehesten mit jener Debatte vergleichen, die insbesondere während der 1980er-Jahre unter dem Begriff des »Verfassungspatriotismus«221 in der westdeutschen Öffentlichkeit geführt wurde. In beiden Fällen markierte die Aneignung von Wertvorstellungen und Verfassungsnormen, die nicht in ihrem »abstrakten Gehalt«, sondern »aus dem geschichtlichen Kontext ihrer jeweils eigenen nationalen Geschichte«222 von verantwortungsvollen Bürgern idealer218 Als Beispiel für die Zunahme an Auseinandersetzungen mit den historischen Erfahrungen Polens seien unter anderem folgende Essays von Adam Michnik genannt: Michnik, ­Powstanie, S.  198–209; ders., Ugoda, S.  131–150; ders., Spór, S.  151–170 sowie ders., Rozmowa, S. 210–253. 219 Vgl. Lipski, Dwie ojczyzny. Der Text erschien außerdem 1981 in der Exilzeitschrift Kultura sowie unter anderem 1996 in deutscher Übersetzung, vgl. Lipski, Zwei Vaterländer, S. 185–228. Basierend auf der zuletzt genannten Übersetzung wurde er kürzlich auch im »Themenportal Europäische Geschichte« veröffentlicht und kritisch kommentiert, vgl. Lipski, Zwei Vaterländer, zuletzt eingesehen am 10.01.2011 in: Themenportal Europäische Geschichte (2007), http://www. europa. clio-online.de/2007/Article=247 sowie Behrends, Europäischer Traum, zuletzt eingesehen am 10.01.2011, in: Themenportal Europäische Geschichte (2007), http://www. europa.clio-online. de/2007/Article=246. 220 Vgl. unter anderem Michnik, Pułapka, S. 173 f. 221 Der Begriff wurde ursprünglich von Dolf Sternberger in die deutsche Debatte eingebracht und dann vor allem von Jürgen Habermas weiterentwickelt, vgl. Sternberger, S. 17–31 sowie Habermas, Schadensabwicklung, S. 62–76 und ders., Staatsbügerschaft, S. 632–660. 222 Vgl. Habermas, Vorpolitische Grundlagen, S. 106 –118, hier S. 111.

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weise angenommen werden sollten, die Grundlinien eines von nationaler Überhöhung abstrahierenden »Verfassungspatriotismus«. Der Begriff sollte auch auf eine »Neujustierung des Staat-Bürger-Verhältnisses und damit auf eine Stimulierung der bürgerlichen Selbsthilfebereitschaft und ihrer Fähigkeiten im Dienste einer solidarischen Verantwortungs- und Zivilgesellschaft«223 verweisen. Einer solchen Gesellschaft ginge es, so die idealistisch aufgeladene Vorstellung, vor allem darum, den Staat auf seine wesentlichen Aufgaben zu reduzieren, eine »neue Balance von Eigenverantwortung und kollektiver Absicherung« zu garantieren und – mit Max Weber gesprochen – »ein spezifisches Solidaritätsempfinden anderen gegenüber auszubilden«.224 Es handelte sich damit im Kern um eine Wiederbelebung gesellschaftlicher Zugehörigkeits- und Partizipationsbedürfnisse jenseits ethnisch-nationaler Begründungszusammenhänge, die allerdings nur über den Umweg der Wiederentdeckung gemeinsam geteilter Werttraditionen und mit Blick auf universell geltende Menschenrechte zu behaupten waren. Im Gegensatz zur westdeutschen Diskussion musste im polnischen Fall die Einhaltung der verfassungsmäßig garantierten Bürgerrechte allerdings erst noch errungen beziehungsweise überhaupt eine Sensibilität für die Erklärung der entsprechenden Rechtsansprüche über den Verweis auf internationale, von der Volksrepublik unterzeichnete Verträge geschaffen werden. Was für den in­ter­nationalen Zusammenhang seitdem als sogenannter »Helsinki-Effekt«225 diskutiert wird, lässt sich für den nationalen Zusammenhang  – zumindest in Polen  – an mehreren Protestaktionen auch konkret nachweisen. Bereits 1964 hatten 34 Intellektuelle die Regierung zu einem »Kurswechsel der polnischen Kulturpolitik im Geiste der in der polnischen Verfassung garantierten Rechte und im Sinne des nationalen Wohles«226 aufgerufen. Dem »Brief der 34« folgte am 5. Juli 1975 der »Brief der 59«.227 Er richtete sich nicht mehr gegen Einschnitte im kulturellen Bereich, sondern gegen eine weitere Rücknahme bislang garantierter Rechte und gegen die von Edward Gierek angestrebten Verfassungs­änderungen. Gegen die Aufnahme eines Passus über den sozialistischen Charakter des polnischen Staates, die führende Rolle der Partei, die enge Bindung an den Bruderstaat Sowjetunion und die Verschränkung bürgerlicher Rechte mit der Erfüllung entsprechender Pflichten protestierend, riefen die Intellektuellen erstmals eine breite, über das eigene Milieu hinausgehende Diskussion über die normativen Grundlagen des polnischen Staates hervor. Am 31. Januar 1976 folgte eine von 101 Personen des kulturellen Lebens unterzeichnete, im polnischen Sejm eingereichte Petition, die ebenfalls gegen die Verfassungs­ 223 So Kronenberg, S. 41–46, insb. S. 42 f. 224 Vgl. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 528, hier zitiert nach Kronenberg, S. 44. 225 Zum Komplex des sogenannten »Helsinki-Effekts« vgl. unter anderem Thomas; Wenger u. a.; Bange u. Niedhart sowie Nuti. 226 Zum Text des »Briefes der 34« vgl. Eisler, List 34 sowie ders., Zarys, S. 85. 227 Der Text des »Briefes der 59« findet sich bei Hemmerling u. Nadolski, Opozycja, S. ­480–483.

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änderungen eintrat.228 Und kurz darauf erschien ein weiterer, dezidiert gegen die Abhängigkeit Polens von der Sowjetunion gerichteter Brief, der unter anderem von den späteren KOR-Mitgliedern Wojciech Ziembiński und Jan ­Olszewski verfasst wurde. Zur Unterzeichnung auch dieses Protestbriefes durch den hier behandelten Kreis linker Dissidenten hatte vor allem die Juristin ­Aniela Steinsbergowa aufgerufen. Es ginge nicht an, dass die Autoren des »Briefes der 59« hinsichtlich ihrer Haltung zur Unabhängigkeit Polens gespalten wirken und vor allem die Dissidenten jüdischer Herkunft den Brief nicht unterschreiben würden, so die Erinnerung von Jacek Kuroń.229 In seinem kulturellen und politischen Kern beruhte das sich zunehmend wandelnde Zielbewusstsein der Oppositionellen somit auf ähnlichen Sinn­ stiftungsoptionen, wie sie auch die Diskussion um den »Verfassungspatriotismus« als Antwort auf die Situation der Bundesrepublik nach dem Zweiten Weltkrieg zu etablieren suchte. Insbesondere der Versuch einer rational begründeten Identifizierung mit den Grundprinzipien der eigenen Verfassung anstelle der Befürwortung eines ethnisch oder kulturell definierten und bis auf Weiteres diskreditierten Patriotismus lässt Ähnlichkeiten zwischen der deutschen und der polnischen Diskussion deutlich werden.230 Hier wie dort ging es nicht um die Überbetonung national-patriotischer Haltungen, sondern um die positive Anerkennung gemeinsam geteilter Rechts- und Normvorstellungen bei gleichzeitiger Anerkennung international geltender Werte- und Solidaritätsverpflichtungen. Hinzu kam eine konstruktive Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, aus der heraus ein patriotisches Grundverständnis »prozesshaft« entwickelt, als sozialer Integrationsfaktor immer wieder infrage gestellt und als »zivile Selbstermächtigung«231 zur Kritik an und Korrektur von staatlichen Institutionen gesehen werden sollte. Damit hielt der Terminus einen »normati­ ven Überschuss«232 bereit, aus dem – nach Ansicht der ihn prägenden Akteure – auch Elemente des Dissenses und des zivilen Ungehorsams generiert werden konnten. Gleichzeitig war ein solcher Begriff des Patriotismus in beiden Fällen letztlich eher als ein »post-nationalistisches« denn »post-nationales«233 Projekt ausformuliert worden – auch wenn er in dem einen Fall auf das Verhältnis der Polen zu nationalen Minderheiten und anderen Nationen und im anderen auf die Herausforderung moderner Einwanderungsgesellschaften reagierte. 228 Gleichwohl blieben die Proteste ohne Ergebnis. Bei nur einer Enthaltung des katholischen ZNAK-Abgeordneten Stanisław Stomma nahm der Sejm am 10. Februar 1976 die neue Verfassung an, vgl. Pomian, Wymiary, S. 95–97 und Krajewski, Między współpracą, S. 393 ff. 229 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 383. 230 Eine gut lesbare Einführung in den Begriff und die Debatte um den »Verfassungspatriotismus« liefert Müller, Constitutional Patriotism beziehungsweise ders., Verfassungspatriotismus, vgl. insb. S. 33, 34, 37, 42 und S. 53 der deutschsprachigen, ergänzten Fassung. 231 Vgl. ebd., S. 64. 232 Vgl. ebd. 233 Dies betont – in Abkehr von der ursprünglichen Habermas’schen Begriffsbildung – auch Müller, in: ebd. S. 44 und S. 53.

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Um aus einem derart diskursiv geprägten Verständnis gesellschaftlicher Vergemeinschaftungsprozesse zu einem praktisch anwendbaren und von größeren Teilen der Bevölkerung geteilten Zielhorizont zu kommen, musste die linke Dissidenz sich jedoch zumindest nach zwei Seiten hin um einen Interessenausgleich bemühen: Es galt erstens, das bislang vor allem durch gegenseitige Ablehnung geprägte Verhältnis zwischen der Dissidenz und der katholischen Glaubensgemeinschaft zu reparieren, und es galt zweitens, die bislang immer noch vordringlich in marxistisch-leninistischen Diskussionsmustern verharrende Taktik der Opposition in ein liberaleres, demokratisches, für weite Teile der Bevölkerung anschlussfähiges Programm zu überführen. 2.3.2 Dissidenz der »Ungläubigen«? Vom Atheismus zum Katholizismus »1956«, so Adam Michnik, »hatte die laikale Linke zwei Feinde: das Zentralkomitee der Partei und die katholische Kirche.«234 Die Partei, so ließe sich sein Argument fortführen, hatte bereits während der 1950er-Jahre maßgeblich zur »ideologischen Desintegration des Kommunismus«235 beigetragen. Die Institution der katholischen Kirche hingegen war für polnische Intellektuelle »das größte Hindernis auf [ihrem] Weg zum Katholizismus und zum Glauben.«236 Dabei ist, jedenfalls für die hier untersuchte Fragestellung, weniger interessant, wie und warum große Kreise der linken Dissidenz die katholische Kirche ablehnten und mieden – zumal die Haltung der Intellektuellen gegenüber der Kirche als einer Bastion nationalistischer und antisemitischer Topoi bereits an mehreren Stellen angesprochen wurde.237 Interessant ist auch nicht das Spannungsverhältnis zwischen dem kommunistischen Regime und der katholischen Kirche – hier sei vor allem auf die mittlerweile reichhaltige Forschungsliteratur verwiesen.238 Von besonderer Relevanz für die Fragen dieser Arbeit ist vielmehr die Tatsache, dass die hier behandelten linken Dissidenten, aus einer ursprünglich dezidiert atheistischen und offen feindseligen Haltung heraus, sich überhaupt an die katholische Kirche und die von ihr vertretenen Glaubensgrundlagen annäherten sowie die Frage wie, warum und seit wann sie diese Annäherung aufnahmen und vollzogen. Dabei hat es sich keineswegs um einen Prozess, der erst mit Bohdan Cywińskis Buch »Rodowody niepokornych« oder Adam Michniks Arbeit »Kościół, L ­ ewica, 234 Vgl. Michnik, Kościół, S. 12. 235 So Kołakowski, Główne nurty, S. 535. 236 So Zawieyski, Droga katechumena, S. 35–37, hier zitiert nach Michnik, Kościół, S. 14. 237 Vgl. hierzu vor allem Kapitel 1.1.1 und 2.1.2 dieser Arbeit. 238 Vgl. unter anderem Żaryn, Kościół; ders., Dzieje Kościoła; Dudek, Państwo; Dudek u. Gryz, Komuniści; Friszke, PRL; Pawlicka; Luks, Katholizismus sowie  – in vergleichender Perspektive – Karp u. Köhler; Lehmann u. Schjǿrring; Kłoczowski u. a.

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Dialog« einsetzte, gehandelt.239 Vielmehr durchzog eine bereits in den frühen 1960er-Jahren einsetzende, von Annäherungen wie Ambivalenzen geprägte Auseinandersetzung zwischen der linken Dissidenz und Teilen der katho­lischen Kirche die diesbezüglichen Debatten und Diskussionen. Ausgelöst wurde sie unter anderem durch zwei Faktoren: durch die praktisch orientierte Einsicht in die Notwendigkeit der Bündelung gesellschaftlicher Einflusskräfte auf der einen Seite und die theoretisch motivierte Suche nach einem, den zunehmenden Bedeutungsverlust des Marxismus ersetzenden, Sinn- und Werthorizont auf der anderen.240 Beides mündete nicht in einer Auflösung des Milieus innerhalb der institutionellen und theologischen Grundlagen der katholischen Kirche in Polen. Von Person zu Person und von Fall zu Fall differierend, führte es jedoch zu einer bemerkenswerten Öffnung des Milieus für intellektuelle Impulse außerhalb bislang rezipierter Deutungs- und Handlungsebenen. Statt von einer Annäherung an »die Kirche« oder an »den Glauben« soll im Folgenden daher eher von einer Auseinandersetzung mit der »katholischen Glaubens­ gemeinschaft« gesprochen und dabei sowohl der normativ-ideelle als auch der aktiv-personelle Aspekt des Annäherungsprozesses umfasst werden. Zu den bemerkenswertesten Charakteristika dieses Prozesses gehörte die – in der entsprechenden autobiografischen Literatur immer wieder auftauchende  – intensive Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift, die einige der hier behandelten Akteure privat vornahmen. Sowohl Jacek als auch seine Frau Grażyna Kuroń lasen seit Ende der 1960er-Jahre gemeinsam in der Bibel.241 Adam ­Michnik bezog sich bei der Abfassung seines Buches über »Die Kirche, die Linke und den Dialog« mehrfach auf ausgesuchte Bibelstellen.242 Und Leszek Kołakowski trug 1965 mit seinem Aufsatz »Jezus Christus – prorok i reformator«243 maßgeblich dazu bei, das bisherige Beziehungsgeflecht zwischen der überwiegend atheistisch geprägten Linken und der Tradition des Christentums konstruktiv infrage zu stellen. Das Christentum, so der Tenor seines Aufsatzes, sei auch für Nichtgläubige Teil einer Tradition, aus der wichtige Werte wie jene der Solidarität, der Gewaltfreiheit und der Gleichheit aller Menschen in die europäische Kultur übergegangen seien. Der Aufsatz reihte sich, 239 Vgl. Cywiński; die bereits zitierte Neuausgabe des Buches von Michnik aus dem Jahr 2009; die älteren Ausgaben Michnik, Kościół beziehungsweise ders., Kirche und Linke sowie – zum Zusammenhang zwischen Cywińskis und Michniks Büchern  – Arndt, Intellek­ tuelle, S. 59 ff.; Anusz u. Anusz, Samotnie, S. 67 ff. und Luks, Osteuropäische Dissidenten, S. ­17–42, hier S. 28 ff. 240 Von der Suche nach einem neuen »Wir«, auf das man sich nach den Erfahrungen des Jahres 1968 positiv beziehen könne, berichten in dem Zusammenhang beispielsweise Kuroń, Wiara, S. 336 f. und Michnik, Kościół, S. 28. 241 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 358. 242 Vgl. Michnik, Kościół, S. 93 und S. 156. 243 Vgl. Kołakowski, Jezus Christus, S. 19–26 und den späteren Abdruck des Textes in: Ders., Pochwała niekonsekwencji, Bd. 1, S. 1–12 sowie – die darin entfalteten Gedanken aufgreifend – Michnik, Kościół, S. 93.

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wie ­Marcin Król vor kurzem herausgestellt hat, in einen längerfristigen Wandel ein.244 Schon in den ausgehenden 1950er-Jahren begann Kołakowski zunehmend Interesse für religionsphilosophische Fragen zu entwickeln.245 Während er noch 1955 in seiner Arbeit über die katholische Philosophie die modernisierungsfeindlichen und autoritären Tendenzen der katholischen Kirche scharf angegriffen hatte, könne spätestens mit Erscheinen seiner 1965 veröffentlichten Studie über die freikirchlichen Verbindungen von Christen im 17. Jahrhundert, so Król, von einem negativen Verhältnis zur Kirche nicht mehr die Rede sein. Aus einem überzeugten Rationalisten, in dessen Augen die »katholische Philosophie«, so ein weiterer Kenner Kołakowskis, als »pseudorationale[r] Versuch einer ideologischen Rechtfertigung der politisch und gesellschaftlich oppressiven Institution Kirche«246 erscheinen und mit dem intellektuellen Rüstzeug des Marxismus überwunden werden musste, wurde mit den Jahren ein Vertreter des philosophischen Skeptizismus.247 Der intellektuelle Wandel, der mit dieser Entwicklung einherging, zeigte sich vor allem in einer veränderten Sicht auf den Begriff der menschlichen Verantwortung. Als Rationalist vertrat Kołakowski die Ansicht, dass einzig der Mensch für sein Leben verantwortlich sei und dass jeglicher Versuch, diese Verantwortung an eine übergeordnete Ordnung abzugeben, einer Unmündigkeitserklärung gleich käme. Kurońs frühe Haltung zur Religion als einer Art »Behinderung« unreifer, nicht für sich selbst einstehender Bürger spiegelt eine ähnliche Perspektive.248 Im Begriff des Mythos revidierte Kołakowski diese Haltung zugunsten eines Zugeständnisses an die Notwendigkeit einer letzten, der menschlichen Kontrolle entzogenen, ihn an seine Zerbrechlichkeit und Hilflosigkeit erinnernden Instanz.249 Einen solchen, für die menschliche Kultur unabdingbaren Mythos konnte seiner Ansicht nach jedoch nicht die Philosophie, sondern nur die Religion bereitstellen. »Die Ablehnung des Absoluten bedeutete für den 244 Vgl. Król, Czego nas uczy, S. 77; ähnlich auch Friszke, Opozycja, S. 147–152 sowie Schwan, S. 122 ff. 245 Neben zahlreichen Essays geben vor allem die folgenden Monografien und Aufsatzsammlungen einen Eindruck von der hier beschriebenen Interessensverschiebung, vgl. die noch dezidiert gegen die katholische Kirche gewendete Arbeit von Kołakowski, Szkice sowie die späteren Werke von Kołakowski, Świadomość religijna; ders., Obecność mitu beziehungsweise ders., Gegenwärtigkeit des Mythos; ders., Jeśli Boga beziehungsweise ders., Gott; ders., Narr und Priester sowie zuletzt ders., Czy Pan Bóg. 246 Vgl. Michalski, Zerbrechlichkeit, S.  5–19, hier zitiert nach der Internetfassung des Aufsatzes, zuletzt eingesehen am 02.02.2011 unter http://www.eurozine.com/articles/200907-2-michalski-de.html. 247 Vgl. Kołakowski, Rationalismus, S. 206–267, insb. S. 246 ff. sowie – mit ähnlicher Stoßrichtung – Kołakowski, Lob, S. 238–249. 248 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 364 sowie – eine ähnliche linke Haltung zur Kirche kritisch reflektierend – Michnik, Kościół, S. 22, 29 und S. 155. 249 Die entsprechende Auseinandersetzung findet sich vor allem in der bereits zitierten Arbeit von Kołakowski, Obecność mitu beziehungsweise in: ders., Gegenwärtigkeit des Mythos, insb. S. 33 ff.

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jungen Kołakowski die Entscheidung für die Freiheit und schließlich die Forderung nach der Akzeptanz der irreduziblen Vielfalt der Welt und der irreduziblen Vielfalt der Perspektiven, aus denen die Welt betrachtet werden kann«, so Krzysztof Michalski. »Die Verwerfung des Absoluten führte [ihn] zu den moralischen Quellen unseres Weltverständnisses, zu der unabdingbaren Notwendigkeit persönlichen Engagements, der Notwendigkeit Stellung zu beziehen, und schließlich zu der Weigerung, die eigene Verantwortung an irgendeine angeblich übergeordnete Instanz abzutreten.«250 Jenes Absolute, das er in seinem Spätwerk wieder anerkannte, war jedoch, so Michalski, eine Grundvoraussetzung jeglichen moralischen Lebens. »Kołakowski meint[e], dass das Absolute nur in einem Akt des Vertrauens zugänglich ist, dessen Adressat sich nicht in Worte fassen lässt, einem Akt des Vertrauens, den wir gewohnt sind, ›Glauben‹ zu nennen. Das so verstandene Absolute schließ[e] die Freiheit nicht aus, im Gegenteil, es füll[e] die Freiheit überhaupt erst mit Inhalt. Doch auch das Vertrauen, der Glaube, in dem es sich äußert, kommt nicht aus ohne Begriffe, ohne Kodifizierungsversuche […]. Daher [stünden] das Absolute und die Freiheit in einem dauernden Spannungsverhältnis, in einem Konflikt, der nicht aus­ geräumt werden kann und der […] die condition humaine konstituiert.«251 Eine ähnlich kultur- und moralphilosophisch motivierte Sicht auf die Religion spiegelt sich auch in den Schriften anderer Oppositioneller. Insbesondere das Scheitern letzter reformkommunistischer Ansätze in den Protesten des Jahres 1968 zeigt sich in diesem Zusammenhang als Motor. Die linke Dissidenz begriff, dass ihr nach den Unruhen zwar personell verfestigtes, ideologisch aber zutiefst verunsichertes Milieu einer auf übergeordneten Werten beruhenden »Philosophie der Praxis«252 bedurfte. Der bereits in den 1950er-Jahren einsetzende und in den 1960er-Jahren seinen Zenit erreichende Bedeutungsrückgang marxistischer Denkansätze, der in einer zunehmenden Sprachlosigkeit der Dissidenz gemündet hatte, musste zugunsten einer neuen, frühere Anschauungen relativierenden Zielvorstellung ersetzt werden. In der Auseinandersetzung mit diesem Bedeutungsverlust kamen Jacek und Grażyna Kuroń zu der Einsicht, dass der bisherige Sinn ihres Lebens, ihr marxistisch inspirierter Kampf gegen die Unfreiheit und Unterdrückung des Menschen, zwar nicht vollständig an Geltungskraft verlieren, jedoch dringend durch ein transzendentes Moralsystem ergänzt werden müsse.253 Er vergegenwärtigte sich, so Kuroń, »dass ein Mensch ohne ein Sacrum, ohne etwas, das sein eigenes Leben transzendiert und das aufs Tiefste mit seiner Kultur verbunden ist […] zum Tier [werde].«254 Mehr noch, so der Dissident: Er glaube, »dass die tiefgehenden Deformationen 250 Vgl. Michalski, Zerbrechlichkeit. 251 Vgl. ebd. 252 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 362 f. 253 Vgl. ebd., S. 357 sowie – das gleiche Phänomen für weite Teile der Linken diagnostizierend – Michnik, Kościół, S. 153. 254 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 364.

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der Linken bis hin zur Entstehung jenes geringen Teils, der sich schlicht in ihr komplettes Gegenteil verwandelt [habe], aus der Verwerfung eines transzendenten moralischen Normensystems resultier[e].«255 Ohne sein Selbstverständnis als Linker aufzugeben, erkannte er – ähnlich wie Kołakowski – an, dass die Hoffnung auf die Freiheit des Menschen zwar eine seiner wichtigsten Utopien bleibe, dass sie aber gerade deshalb des Glaubens an ein moralisches Rechtssystem bedürfe. Ein solches transzendentes Moralverständnis suche die Linke vor allem angesichts ihrer eigenen Verantwortung für den Kommunismus. Er und seine Gruppe hätten verstanden, dass man intellektuelle Fehler zwar kaum, mora­lische Fehler aber sehr wohl umgehen könne – und zwar, wenn man sich zu übergeordneten, von ideologisch-politischen Entscheidungen abstrahierenden Werten bekenne.256 Ein solches, religiöse Zugänge integrierendes Weltbild musste aus Sicht der hier behandelten Dissidenten mit ihren bislang vertretenen linken Ansichten nicht brechen. Die laikale Linke sei »kein Renegat, der vorherige Ansichten zugunsten diametral entgegengesetzter Haltungen«257 verwerfe. Auf Schriften des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer rekurrierend, wurde vielmehr sowohl für Michnik als auch für Kuroń die Aufforderung, »so zu leben, als ob Gott nicht existieren würde«, eine der richtungweisenden Devisen.258 Ohnehin war, so Kuroń, das Wichtigste, was er aus seinem Dialog mit katholischen Freunden erfahren habe, die Erkenntnis, dass in allen theologischen Texten, in denen von Gott die Rede war, er »Gott« durch »Mensch« ersetzen könne. »Für Gaja und mich«, so Kuroń, »war das eine wirkliche Erleuchtung. Dank ihrer wurde uns auf einmal das größte Buch der Menschheit, die Heilige Schrift, zugänglich. All das, was uns bislang abgehalten hatte, begann uns jetzt anzuziehen.«259 Demnach sei die linke Idee der Verantwortlichkeit auch kein Hinderungsgrund, sondern, im Gegenteil, »ein Feld des Dialogs«260 zwischen Linken und Christen. Sie werde jedoch dort eingeschränkt, wo sie eine Allmacht des Menschen suggeriere, die, utopisch-idealistisch aufgeladen, den Menschen und seine Ziele über den Wert anderer, höherwertiger und universell geltender Normen stellen würde. So gewendet, erschien der Glaube, wie auch beim späten Kołakowski, nicht mehr als »Flucht vor der Verantwortlichkeit gegenüber der Welt«, sondern umgekehrt als Möglichkeit, diese Verantwortung erst recht und im Einklang mit allgemein geltenden Wertvorstellungen wahrzunehmen.261 255 Vgl. ebd., S. 365. 256 Vgl. ebd., S. 369. 257 So Michnik, Kościół, S. 157 sowie – die Verbindungslinien zwischen einer »linken« und einer »christlichen« Haltung ausführlicher behandelnd – Kuroń, Wiara, S. 35, S. 159 und S. 197. 258 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 363 und Michnik, Kościół, S. 166 sowie – ausführlicher zur Ausein­ andersetzung mit diesem Gedankengut – Kuroń, Chrześcijanie, S. 58–73. 259 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 363. 260 Vgl. Michnik, Kościół, S. 167. 261 Vgl. ebd., S. 153–155.

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Vor allem das Aufeinandertreffen der Dissidenten mit dem christlichen Wertesystem wurde so zu einem Movens linker Identitäts- und Programm­ diskussionen nach den zweifach gescheiterten Reformversuchen der Jahre 1956 und 1968.262 Aus dem marxistisch inspirierten Glauben »an die Überlegenheit des Menschen und seiner Möglichkeit der absoluten Gestaltung des eigenen Lebens«263 wurde die Anerkenntnis eigener Schwächen und Fehlurteile, die sich in einer vermehrten Hinwendung zu ethisch-moralischen Fragen zeigte. Die Linke entdeckte, so Kuroń, das schwierige Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und sozialer Gerechtigkeit sowie den Begriff der menschlichen Souveränität, was vor allem für die bereits beschriebenen Teile der radikalen Linken auch eine Revision ihrer Haltung zum Parlamentarismus bedeutete.264 Sie entdeckte Gemeinsamkeiten zwischen ihrer und der kirchlichen Kritik an einer ausschließlich materiellen Weltsicht.265 Und selbst der traditionell mit Misstrauen beobachtete patriotische Bezug der Kirche zur polnischen Nation und Kultur sei »einer Linken, die an Werken von Żeromski und Dąbrowski erzogen worden sei«. nicht unnahe, so Michnik. Während die Kirche dafür plädiere, »die Liebe zur eigenen Nation über die Liebe zur gesamten Menschheit« zu ent­ wickeln, plädiere auch die Linke dafür, »die Solidarität mit ihrer Nation« der Solidarität mit fundamentalen ethischen Werten, die in der europäischen Kultur entstanden seien, zu unterstellen.266 Dass die dissidente Linke die von ihr gesuchten Werte letztlich in der christlichen Tradition begründet fand, ist das wichtigste und auffälligste Charakteristikum der hier beschriebenen Auseinandersetzungen. So überrascht es zwar wenig, dass die von Michnik als »laikale Linke« bezeichnete Gruppierung zunächst zahlreiche Gemeinsamkeiten in Bezug auf bestimmte, von katho­ lischen wie linken Kreisen geteilte, ethisch-moralische Normvorstellungen bemerkte.267 Werte wie Frieden, Freiheit, Toleranz, Solidarität und Gerechtigkeit seien humanistisch begründete Zielvorstellungen, um deren Verwirk­lichung, so Michnik, sowohl die »laikale Linke« als auch die katholische Kirche kämpfe. Nicht auf dem Wege einer politischen Partnerschaft, sondern als »Gemeinschaft auf der Basis humanistischer Wertvorstellungen« müsse daher eine »harmonische Koexistenz der laikalen Linken mit der katholischen Linken«268 erreicht werden. Überraschend hingegen ist, wie Michnik die Tradition und Genese der beidseitig geteilten Rechte bewertete. Die humanistischen Werte der

262 Zur Auseinandersetzung mit diesem Scheitern vgl. unter anderem Kołakowski, Cien marca – po dziesięciu latach, AO III 17/K. 1, S. 1; Kuroń, Między, S. 251–261, insb. S. 257 sowie Michnik, Reflexionen, S. 33 ff. 263 Vgl. Michnik, Kościół, S. 155. 264 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 378. 265 Vgl. Michnik, Kościół, S. 108. 266 Vgl. ebd., S. 115. 267 Vgl. ebd., S. 89. 268 Vgl. ebd., S. 164.

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Linken, insbesondere die Menschen- und Bürgerrechte, seien, so der Autor »aus der christlichen Tradition entstanden«.269 Anders als lange Zeit von der Linken wahrgenommen, müsse daher der Schutz dieser Werte nicht gegen die Kirche, sondern  – im Bewusstsein einer totalitären, kommunistischen Bedrohung  – ­gemeinsam mit ihr errungen werden. Das Zusammentreffen der »laikalen Linken« mit dem Christentum hielte somit vor allem die Chance zur »Überwindung einer lange vorhandenen Distanz zugunsten einer pluralistischen Einheit der polnischen Kultur« bereit. Es gebe »keine katholische Kultur, protestan­ tische Kultur, Kultur der Nichtgläubigen« mehr – es gebe nur noch »eine polnische Kultur«, so Michnik. »Eben diese – pluralistische, aber in ihrer Einheit wahrgenommene – Kultur«270 müsse verteidigt werden. Nur so könne »das vernichtende Klima der Ghettoisierung«271 überwunden werden. Inwiefern Michnik mit seiner Behauptung, die Menschen- und Bürgerrechte seien letztlich christlichen Ursprungs, recht hat, kann an dieser Stelle nicht ­geklärt werden. Vielmehr sei in diesem Zusammenhang vor allem auf das zu­ nehmende Interesse an einer kritischen Historisierung des Menschenrechts­ diskurses und die entsprechenden, kontrovers geführten Fachdebatten um deren semantische und kulturelle Tradition verwiesen.272 Von zentraler Bedeutung für diese Arbeit ist jedoch die Tatsache, dass Michnik eine solche Behauptung aufstellte und damit der Linken ein spezifisches, identitätsstiftendes Allein­stellungsmerkmal wenn nicht absprach, so doch infrage stellte. Besonders interessant wird damit das Spannungsfeld zwischen einem gewandelten Wertebewusstseins linker Dissidenten auf der einen und ihrer gleichzeitig nach innen und nach außen gerichteten Artikulation dieses Wertewandels auf der anderen Seite. Nach innen – und damit in Richtung der polnischen, in großen Teilen katholischen Bevölkerung geäußert – handelte es sich bei dem Rekurs der Dis­sidenz auf einen humanistischen, christlichen Traditionen entnommenen Werte­kanon um ein Versöhnungs- und Gesprächsangebot, nicht nur gegenüber dem vormals scharf angegriffenen katholischen Klerus, sondern auch gegenüber der bislang wenig ernst genommenen, als reaktionär eingestuften, katholischen Glaubensgemeinschaft. Nach außen – und damit in Richtung einer zunehmend erstarkenden, transnationalen Öffentlichkeit gewendet  – gelang der Dissidenz mit Michniks und einer Reihe weiterer Arbeiten der Anschluss an

269 Vgl. ebd., S. 112. 270 Vgl. ebd., S. 122. 271 Vgl. ebd., S. 113. 272 Einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand zum Thema bieten unter anderem Hoffmann, Moralpolitik; ders., Human Rights und Eckel, S.  437–484 sowie die Beiträge von Moyn; Joas und Hoffmann, auf der von Hoffmann geleiteten Sektion des Historikertages vom 29.  September 2010, siehe den dazu gehörigen Sektionsbericht, zuletzt einge­ sehen am 20.02.2011 auf H-Soz-und-Kult unter: http://hsozkult.geschichte. hu-berlin.de/ tagungsberichte/id=3452.

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eine, vor allem seit den 1970er-Jahren vermehrt anzutreffende, internationale Aufmerksamkeit gegenüber Menschenrechtsverletzungen.273 Neben der seit den 1970er-Jahren praktisch einsetzenden Kooperation zwischen linken und katholischen Kreisen der Dissidenz muss also vor allem der theoretisch vollzogene Wertewandel aufseiten beider Gruppierungen als vermutlich wichtigster Wendepunkt innerhalb der hier beschriebenen Entwicklung einer demokratischen Oppositionsbewegung betrachtet werden. »Die in den 1960erJahren so häufig propagierte ›Pole = Katholik‹-Formel veränderte ihre ideelle Botschaft. Obwohl die Kirche sie nicht fallen ließ, öffnete sie sich Menschen gegenüber, die weniger religiös beziehungsweise zweifelnd waren.«274 Gleichzeitig vollzog die Dissidenz eine Positionsverschiebung, die in lang­fristiger Perspektive aus einem linken Dissidenz- ein eher links-liberales, pluralistisches Oppositionsmilieu konstituierte. In der durch die national-katholische Tradition des Landes geprägten Realität der polnischen Gesellschaft angekommen, gelang großen Teilen der linken Dissidenz die Loslösung aus einem politisch opportunen Atheismus und die Annäherung an einen eher liberalen Laizismus.275 Immer noch für die Trennung zwischen Staat und Kirche plädierend, wurden die religiösen Traditionen der polnischen Bevölkerung nicht mehr im Grundsatz abgelehnt, sondern als Teil eines gegen den Staat zu schützenden Rechts auf Religionsausübung einerseits und als Teil eines für die polnische Gesellschaft erst noch zu erringenden, allgemein geltenden Bürger- und Menschenrechtsregimes andererseits begriffen. Dies geschah über den Umweg einer kultur- und moralphilosophischen Auseinandersetzung mit den christlichen Traditionen des Landes und enthielt damit auch die Chance, innerhalb des eigenen Milieus als konsistente, gedanklich durchdrungene und humanistisch begründete Haltung »durchzugehen«.276 Denn auch wenn einzelne Dissidenten aus diesem Prozess durchaus nicht mehr als überzeugte »Ungläubige« herausgingen, darf die Art und Weise der Beschreibung seines Verlaufs weder über den paradigmatischen noch den pragmatischen Charakter dieses Positionswandels hinweggehen. So wäre es vollkommen falsch anzunehmen, dass das Verhältnis zwischen den Amtsträgern der katholischen Kirche und den Leitfiguren der linken Dissidenz seit den 1970er-Jahren in einem vertrauensvoll-freundschaftlichen Umgang gemündet wäre. Zu hinterfragen wäre aber auch die in der publizistischen 273 Neben Michnik, Kirche sei hier vor allem auf zahlreiche Aufsätze katholischer Intellektueller verwiesen, so zum Beispiel Mazowiecki, Chrześcijaństwo, S. 5–15 oder auch jene Texte, die 1977 aus einer Tagung des Klubs der Katholischen Intelligenz zum Thema »Der Christ und die Menschenrechte« in Éditions du Dialogue erschienen sind. 274 Vgl. Friszke, Polen, S. 355 sowie – zu den historischen Entwicklungslinien der »Gleichsetzung von Pole und Katholik« – Borodziej, Geschichte, S. 47. 275 So auch Michnik, Kościół, S. 101, 105, 110 und S. 160. 276 Als »Asyl der Hoffnung« und »Lehrer moralischer Wertmaßstäbe« für diejenigen, die »den Sinn ihres Lebens in den Kategorien des humanistischen Laizismus« definieren würden, bezeichnete denn auch Adam Michnik die Kirche, vgl. ders., Rozmowa, S. 249 und – mit ähnlicher Stoßrichtung – ders., Powstanie, S. 204.

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Auseinandersetzung mit der jüngsten Geschichte Polens oft anzutreffende Annahme, die katholische Kirche in Polen hätte sich als der Ort widerständigen Verhaltens gegen das kommunistische Regime behauptet. Im Gegenteil betonen jüngere Studien die zumindest phasenweise auf Ausgleich stärker als auf Widerstand ausgelegte Haltung zahlreicher katholischer Amtsträger.277 Ebenso gilt mittlerweile als erwiesen und zumindest in Ansätzen erforscht, auf welche Weise auch hohe Kirchenvertreter in Einzelfällen mit dem Regime und insbesondere mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet haben.278 Auch wenn die Konflikte zwischen der katholischen Kirche und dem sozialistischen Regime also zahlreich und massiv ausfielen, so lässt sich die Reaktion des Klerus auf das politische System und Personal des Landes nicht mit einer grundsätzlichen Haltung politischer Opposition gleichsetzen, sondern nur aus der Bemühung um die Erhaltung und Erweiterung kirchlicher Handlungsfähigkeit im Land erklären. Die latente oder offen geäußerte Ablehnung des Staatssozialismus konnte durchaus mit Tendenzen der Akzeptanz und der gleichzeitigen Angst vor der Eröffnung offener, auf die Gesellschaft möglicherweise überspringender Konflikte einhergehen. Von Ambivalenz und Distanz war demnach auch das Verhältnis zur linken Dissidenz gekennzeichnet. Auch wenn Adam Michnik später betonen sollte, dass für ihn, einen Linken, »das Zusammentreffen mit dem Christentum entlang von Werten wie Freiheit, Toleranz, Gerechtigkeit, Menschenwürde und dem Streben nach Wahrheit nicht aus taktischen Erwägungen heraus vollzogen wurde«,279 unterstellten Teile des Klerus der Dissidenz lange Zeit eine eher instrumentelle Haltung. Neben einer daraus erwachsenen Skepsis spielte, so Jan Żaryn, auch der Generationskonflikt zwischen einer beträchtlich älteren Kirchenleitung und einer phasenweise radikalisierten Jugend eine Rolle. Kirchliche Amtsträger, wie der in den 1950er-Jahren auf der Höhe der stalinistischen Verfolgung selbst inhaftierte Kardinal Stefan Wyszyński, scheuten die Radikalität und Kompromisslosigkeit der Jugend, die sie als Gefahr für mühsam errungene Sphären kirchlicher und seelsorge­rischer Arbeit erlebten.280 In der Wahl zwischen der Unterstützung passiver oder 277 Vgl. Dudek u. Gryz, Komuniści, insb. S. 281 ff. und S. 444 ff. sowie Friszke, PRL, S. 8 ff., S. 26 ff. und S. 69 ff. 278 Vgl. unter anderem Isakowicz-Zaleski sowie  – zum Überblick über den entsprechenden Forschungsstand – Skibiński, S. 57–70 und – als Beispiel für die öffentliche Debatte um die Zusammenarbeit polnischer Priester mit dem Staatssicherheitsdienst  – Wiśniewska, zuletzt eingesehen am 20.02.2011 unter http://wyborcza.pl/1,78302,3981416.html. 279 Vgl. Michnik, Kościół, S. 171. Ähnlich äußerte sich auch Lipski, KOR. A History, S. 74–76. 280 Vgl. Żaryn, der insbesondere für den Fall von Kuroń und Michnik von einer tiefgehenden Skepsis des Klerus gegenüber den vormals dezidiert gegen die Kirche eingestellten Oppositionellen berichtet, während die Gewerkschaft Solidarność von vornherein auf die »moralische Unterstützung« der katholischen Kirche rechnen konnte, vgl. ders., Dzieje Kościoła, S.  396 und S.  419 sowie  – ausführlicher zur Haltung der Kirche gegenüber der Opposition – insb. S. 385–386 und S. 392–397. Dudek und Gryz betonen hingegen, dass auch die Solidarność nicht uneingeschränkt unterstützt und insbesondere ihr radikaler Flügel vom Klerus mit Skepsis betrachtet wurde, vgl. dies., Komuniści, S. 447–448.

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aktiv widerständiger Haltungen entschied sich die Kirche nicht selten für ersteres. Damit einher ging auch die grundsätzliche Einstellung des Klerus, den politischen Werdegang des Landes eher zu beobachten und, wenn nötig, kritisch zu kommentieren, als in politische Zusammenhänge direkt einzugreifen. Eine wichtige Ausnahme bildeten jedoch jene Fälle, in denen entweder die freie Ausübung der Religionsfreiheit, Fragen der kirchlichen Seelsorgearbeit oder aber Einschränkungen von Bürgerrechten, auch nicht katholischer Oppositioneller, betroffen waren.281 Von mutigen Einzelfällen abgesehen, die, wie der Fall des 1984 getöteten Regime­k ritikers Jerzy Popiełuszko zeigt, im Extremfall bis zur Ermordung eines katholischen Priesters durch den Staatssicherheitsdienst führen konnten, änderte sich dieser Zustand erst mit der Wahl des Krakauer Kardinals Karol Wojtyła zum Papst am 16. Oktober 1978. Die drei Polenbesuche des Papstes in den Jahren 1979, 1983 und 1987, vor allem aber seine Ansprache bei einer Messe auf dem Siegesplatz in Warschau im Juni 1979, gelten einem großen Teil der ehemaligen Oppositionellen und vielen Zeithistorikern bis heute als Schlüssel- und Erweckungserlebnis.282 Der Aufruf des Papstes an das polnische Volk, »das Angesicht der Erde«283 zu verändern, wurde als direkte Aufforderung zur Arbeit an den politischen und gesellschaftlichen Bedingungen des Landes, die Wahl eines Polen zum Papst hingegen als »Bestätigung der Bedeutung der polnischen Nation und ihrer Beziehungen zur westlichen Kultur«284 verstanden. Ohne die gefühlte Unterstützung durch den Papst seien, so der Historiker Włodzimierz Borodziej, »die Ruhe und die Disziplin, mit der […] die Arbeiter den Funktio­ nären entgegentraten […], schwer vorstellbar«.285 Das Regime wiederum sah sich gezwungen  – neben der traditionell starken, mit Argwohn beobachteten und aktiv bekämpften katholischen Tradition –, auch die »emotionale Bindung der Nation an den Papst«286 zumindest vordergründig anzuerkennen. »Seitdem gehörten daher eine außergewöhnliche Achtung, mit welcher sie sich öffentlich über den Papst äußerten sowie ihre Bemühungen, dessen Wohlwollen oder zumindest Neutralität zu erreichen, zu den festen Elementen der PZPR-Führung, was jedoch eine Limitierung der Informationen über den Papst und die Zensur seiner Reden nicht ausschloss.«287

281 Vgl. Żaryn, Dzieje Kościoła, insb. S. 397 und S. 426 und Friszke, Polen, S. 355. 282 Vgl. unter anderem die Ausführungen von Jerzy Holzer und Timothy Garton Ash zur Rolle der Papstwahl und des ersten Papstbesuches für die kurz darauf erfolgte Gründung der Gewerkschaft Solidarność in Holzer, Solidarität, S. 80 und Garton Ash, Polish Revolution, S. 31–32 283 Vgl. Friszke, Polen, S. 355–356, der auch den entsprechenden Ausschnitt der päpstlichen Ansprache wiedergibt. 284 So Friszke, Polen, S. 355. 285 So Borodziej, Geschichte, S. 359. 286 So Friszke, Polen, S. 355. 287 Vgl. ebd., S. 355.

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In diesen Zusammenhang ist die von Adam Michnik in den vergan­genen J­ ah­ren mehrfach geäußerte Beobachtung, Johannes Paul II. sei »der wichtigste polnische Dissident«288 gewesen, einzufügen. Für den hier untersuchten Zeitraum, für die Jahre 1956 bis 1976, lässt sich Michniks Behauptung aus offensichtlichen Gründen nicht nachweisen. Gleichwohl spiegeln die hier beschriebenen Auseinandersetzungen linker Intellektueller einen Wandel, der die medienwirksame Aufwertung der Kirche seit der Wahl eines Polen zum Papstes in gewisser Weise vorwegnahm und  – seit Gründung der Gewerkschaft Solidarność und der daraus resultierenden Machtverschiebungen im Land – an Dynamik noch zunahm. Neben der bereits erwähnten intellektuellen, zog dies auch eine personelle Annäherung an katholische Intellektuellenkreise und damit eine zunehmende Öffnung des dissidenten Milieus nach sich. Während die Kirche seit den späten 1960er-Jahren vermehrt dazu überging, auch unabhängigen, nicht katholischen Intellektuellen die Möglichkeit zu Vorträgen, Lesungen und zur Abhaltung von insgesamt drei Hungerstreiks zugunsten inhaftierter Kollegen in ihren Gebäuden einzuräumen, suchten linke Oppositionelle vermehrt nach Austausch- und Gesprächsmöglichkeiten mit katholischen Amtsträgern und Laien.289 Noch vor seiner Ausreise aus Polen kam es 1967 zu einem Treffen zwischen Leszek Kołakowski und Stefan Wyszyński, mit dem einige Jahre später auch Jacek Kuroń sprechen konnte.290 Seit dem Winter des Jahres 1971 kam es zu wiederholten Treffen der linken Dissidenz mit dem Klub der Katholischen Intelligenz291 in Warschau, aus deren Kreis Kuroń vor allem den Biologen und Theologen Krzysztof Śliwiński, den bereits erwähnten Publizisten Bohdan Cywiński, den Dominikaner Jacek Salij und den »in sich verschlossenen«, aber »sehr intelligenten« Tadeusz Mazowiecki erinnert.292 Unter anderem über Cywińskis Vermittlung gelang es Kuroń 1973, zu Gesprächen mit Karol Wojtyła zusammenzukommen.293 Während seines Romaufenthaltes 1977 wurde Michnik und in den Jahren 1975 und 1976 wurden Kuroń und Michnik 288 So zuletzt als Teilnehmer eines Zeitzeugenpanels auf der Tagung »Opposition trans­ national. Die Menschenrechts- und Demokratiebewegungen Mittel- und Osteuropas aus transfer- und verflechtungsgeschichtlicher Perspektive«, die vom 17. bis zum 19.09.2010 in ­Warschau stattfand. 289 Zu den Hungerstreiks, die ab dem 24. Mai 1977 und vom 3. bis zum 10. Oktober 1979 in Warschau sowie vom 7. bis zum 17. Mai 1980 in Podkowa Leśna stattfanden, vgl. Żaryn, Dzieje Kościoła, S. 383–385 und Friszke, Polen, S. 355. Aus der Reihe der in kirchlichen Gebäuden abgehaltenen Veranstaltungen müssen vor allem die zahlreichen Vorlesungen des im Januar 1978 begründeten Towarzystwo Kursów Naukowych (TKN) hervorgehoben werden, vgl. Żaryn, Dzieje Kościoła, S. 381–382. 290 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Doniesienie źródła »J«, S. 716–717 sowie Kuroń, Wiara, S. 369. 291 Der Klub Inteligencji Katolickiej (KIK) verfügte über landesweit verteilte Abteilungen und zählte im Jahr 1976 neben seinen assoziierten um die 1.673 feste Mitglieder, vgl. Friszke, Oaza, S. 57 und S. 140. 292 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 365 f. 293 Vgl. ebd., S. 372.

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von Prymas Wyszyński empfangen.294 Gleichzeitig erhielten eine Reihe derjenigen linken Studenten, die im Zuge der Märzunruhen des Jahres 1968 ihre Studienplätze in Warschau verloren hatten, so unter anderem Joanna Szczęsna, Seweryn Blumsztajn und Bogdan Borusewicz, zu Beginn der 1970er-Jahre die Möglichkeit, ihr Studium an der Katholischen Universität in Lublin fortzusetzen.295 Den wichtigsten Anstoß zur Aufnahme gemeinsamer Gespräche gaben nicht erst die erwähnten Arbeiten von Bohdan Cywiński und Adam Michnik, sondern auch wichtige, bereits früher erschienene Texte von Tadeusz Mazo­ wiecki.296 Daneben spielte auch der Brief der polnischen an die deutschen Bischöfe vom 18. November 1965 eine Rolle.297 Die darin vertretene Vorstellung von einer polnischen Nation habe sich, so Michnik, von ansonsten nicht unüblichen »rechten, nationalistischen«298 Konzeptionen der katholischen Kirche deutlich abgegrenzt. Die Versöhnungsbereitschaft des Klerus, aber auch der vermehrt anzutreffende Aufruf polnischer Bischöfe, Regimevorgaben, die »der menschlichen Natur, dem Evangelium, der Charta der Menschenrechte und der Verfassung widersprechen, nicht zu befolgen«,299 habe die »laikalen Linken« überrascht und überzeugt, so Michnik. Damit unterschied sich die Haltung der linken Dissidenz nicht wesentlich von jener Haltung, die auch linke Kreise katholischer Intellektueller kennzeichnete. Über die Niederschlagung der studentischen Unruhen des Jahres 1968 und des sogenannten Prager Frühlings sowie vor allem über die Rückkehr antisemitischer und rassistischer Topoi schockiert, standen beide, die sozialistischen Grundlagen des politischen System Polens durchaus anerkennende Gruppierungen vor ähnlichen Herausforderungen. Schon während der kurzen Liberalisierungsphase der Jahre 1955/56 hatten katholische Intellektuelle wie Tadeusz Mazowiecki in kritischen Zeitschriften der Linken publiziert. Einem entsprechenden Vorschlag der katholischen Wochenschrift Tygodnik Powszechny folgten umgekehrt noch in den 1950er- und 1960er-Jahren so gut wie keine linksorientierten, nicht katholischen Intellektuellen.300 Im Verlauf der 1960er- und 1970er-Jahre öffnete sich ihnen gegenüber 294 Vgl. Michnik u. a., Między panem, S. 224 f. sowie Żaryn, Dzieje Kościoła, S. 396. 295 Vgl. Żaryn, Dzieje Kościoła, S. 387, der auf den folgenden Seiten auch ausführlicher über die, gegenüber anderen katholischen Einrichtungen grundsätzlichere, oppositionelle Haltung der Katholischen Universität in Lublin (Katolicki Uniwersytet Lubelski  – KUL) berichtet. 296 Vgl. Mazowiecki, Rozdroża i wartości; o. V., Dialog 1971/1972, S.  3–44 sowie vor allem ­Mazowiecki, Kredowe koła. In direktem Bezug zu Mazowiecki, Rozdroża i wartości stehen mehrere Passagen von Michnik, Kirche, vgl. Michnik, Kościół, S. 136. Zur Rolle des Buches von Cywiński für die Annäherung an Kreise der katholischen Linken vgl. Kuroń, Wiara, S. 365 und Michnik, Kościół, S. 167. 297 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 363. 298 Vgl. Michnik, Kościół, S. 62. 299 Vgl. ebd., S.  59. Michnik bezieht sich darin auf die Listy Pasterskie Episkopatu Polski, S. 296–313. 300 Vgl. Król, Czego nas uczy, S. 79.

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vor allem die von Mazowiecki herausgegebene Zeitschrift Więź.301 Die in engem Austausch mit französischen Personalisten wie Jacques Maritain und Emmanuel Mounier stehende Monatsschrift ermöglichte der Dissidenz eine grundsätzliche »Revision ihrer traditionellen Stereotype über das Christentum und die Kirche«.302 Bis heute steht Więź, so die Selbstauskunft der nach wie vor erscheinenden Zeitschrift, für die Überwindung von Vorurteilen zwischen Polen und Deutschen, »zwischen Christen unterschiedlicher Konfessionen, Juden, Gläubigen anderer Religionen und Ungläubigen«.303 Seit 1968 verband ihr Redaktionskomitee und die »laikale Linke« vor allem ihr gemeinsames Eintreten für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte. Der damit einhergehende Wandel linker und die Überleitung »dissidenter« in »oppositionelle« Protest­ formen sind Inhalt des letzten Teilkapitels. 2.3.3 Demokratie der »Unparteiischen«? Von der Klassen- zur Zivilgesellschaft Dass der demokratische Umbruch in Ostmitteleuropa von einer »Rückkehr« zivilgesellschaftlicher Handlungsmuster geprägt und in einer »Renaissance« des Zivilgesellschaftsbegriffs gemündet habe, gehört zu den wohl am häufigsten bemühten und mittlerweile auch am detailliertesten belegten Thesen der öffent­lichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung.304 So spielte zwar der Begriff der Zivilgesellschaft in den oppositionellen Diskursen polnischer Intellektueller bis in die späten 1980er-Jahre hinein keine zentrale Rolle.305 Und auch das Ausmaß der tatsächlichen »Zivilgesellschaftlichkeit« der polnischen und anderer ostmitteleuropäischer Transformationsgesellschaften ist in den vergangenen Jahren kontrovers diskutiert worden.306 Die eigentliche Entwicklung der dissidenten Diskurse lässt sich jedoch, insbesondere für das hier un301 Die Offenheit des Redaktionsteams für Beiträge nicht katholischer Intellektueller zeigt sich denn auch schon weit vor Erscheinen des Buches »Die Kirche, die Linke und der Dialog«, vgl. unter anderem Woroszylski, S. 37–47; Jedlicki, Requiem, S. 12–22; Hass, Splątane, S. 129–137; Słonimski, S. 3 f.; Zagozda (Pseudonym von Adam Michnik), S. 134–139 und Gajka (Pseudonym von Jacek Kuroń), S. 35–41. 302 Vgl. Michnik, Nowy Ewolucjonizm, S. 81. 303 Vgl. den Internetauftritt der Zeitschrift, zuletzt eingesehen am 20.02.2010 unter: http:// www.wiez.com. pl/index.php?s=deutsch. 304 Vgl. unter anderem Glenn, S. 24 ff.; Thaa, S. 159 und S. 161; Hann, S. 152–165, hier S. 152; Rau, S. 1–24, hier S. 12 und S. 16 ff.; Ost, S. 19 sowie Cohen u. Arato, Civil Society, S. 1–31, hier S. 1; Keane, Civil Society and the State, S. 2 ff.; ders., Civil Society. Old Images, S. 19 f.; Janoski, S. 7; Glenn, S. 24 ff.; Kaviraj u. Khilnani, S. 1 f. und Hall u. Trentmann, S. 1–25, hier S. 13 ff. 305 Vgl. Arndt, Intellektuelle, insb. S. 100 ff. 306 Vgl. Mildenberger, S.  39–45, insb. S.  41 ff.; Ziemer, S.  29–38, insb. S.  35 ff.; Antoszewski, S.  7–23, insb. S.  20 f.; Juros u. a., S.  557–599, insb. 564 ff. sowie Kubik, S.  181–208, insb. S. 189.

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tersuchte linke Milieu, aus einer von ihm maßgeblich mitentwickelten Vision zivilgesellschaftlicher Handlungs- und Vergemeinschaftungsprozesse nicht herauslösen. Von »revisionistischen« Versuchen reformorientierter Politik endgültig Abstand nehmend, gelangten insbesondere nach 1968 jene Protestformen in den Mittelpunkt dissidenter Diskussionen, die auf dem Weg gewaltfreier, auf Toleranz und Pluralität ausgelegter, gesellschaftlicher Aushandlungsmechanismen verwirklicht und auch jenseits des eigenen Milieus vertreten werden konnten.307 Ausgehend von den grundlegend gewandelten Ansätzen, Zielen und Motivationen dissidenter Kritik am kommunistischen System in Polen während der 1960er- und 1970er-Jahre, sollen daher abschließend die wichtigsten Sta­ tionen dieses Prozesses kurz skizziert und hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Transformation des linken Milieus analysiert werden. Zu den vermutlich wichtigsten Auslösern einer »zivilgesellschaftlichen« Aufund Umwertung bislang vertretener, dissidenter Reformvorstellungen gehörte, so das hier vertretene Argument, der in den 1950er-Jahren einsetzende und in den 1960er-Jahren abgeschlossene Bedeutungsrückgang marxistisch inspirierter Alternativoptionen. So bekannte Leszek Kołakowski bereits 1957, dass politische Auseinandersetzungen, die auf einen »Klassenkampf« reduziert würden, seiner Ansicht nach wenig Erfolg versprächen, da »die Einteilung in Klassen nicht die einzig mögliche«308 wäre. Für Jacek Kuroń tauchte »die Wut der Klassen« nur deshalb in seiner »linken« Weltanschauung auf, weil »die Sache der Arbeiter und die Sache Polens« für ihn »im Grunde dasselbe«309 waren. Doch schon die Abfassung des »Offenen Briefes« war für ihn und ­Modzelewski, obwohl sie beide »dies keinesfalls intendierten«, der Versuch einer »Revision«310 marxistisch orientierter Anschauungen. Die Dissidenten beklagten zunehmend, dass die marxistische Theorie letztlich »ex post für bereits angenommene Beschlüsse« fungiere, indem sie »die entsprechenden Begründungen erfand«,311 die wiederum »behördlich«, also vom zuständigen Parteiapparat bestätigt würden. »In die Theorie wurde ›Ordnung‹ gebracht«, so lautete einer der im Parteiorgan Nowe Drogi geäußerten Vorwürfe, »und zwar in dem Sinne, dass sie scheinbar zu einem systematisierten, in Wirklichkeit zu einem hermetisch abgeschlossenen Ganzen zusammengefasst wurde, in dem sowohl die Möglich307 Jenseits ihrer spezifischen Ausprägung in einem autoritären Regierungssystem decken sich diese Protestformen also durchaus mit jener Definition von Zivilgesellschaft, die Jürgen Kocka einerseits als Raum zwischen dem Staat, dem Markt und der Privatsphäre und andererseits als gemeinwohl- und konfliktlösungsorientierte »Kultur der Zivilität« spezifischer Initiativen und Vereinigungen wie Vereinen, Assoziationen und sozialen Bewegungen beschrieben hat, vgl. Kocka, Zivilgesellschaft, S. 4–22, insb. S. 10 f. sowie ders., Civil Society, S. 65–79, insb. S. 68 f. 308 Vgl. Kołakowski, Sinn, S. 151 sowie – mit ähnlicher Stoßrichtung – Kołakowski, Die Intellektuellen, S. 47. 309 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 16. 310 Vgl. ebd., S. 222 und S. 226. 311 Vgl. Kołakowski, Die Intellektuellen, S. 45 f.

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keit der Probleme als auch die Zahl der zulässigen Begriffe (die zu Fetischen erhoben und von jeder Analyse ausgeschlossen waren) beschränkt«312 wurde. »Marxist (also auch Revolutionär, Dialektiker, Materialist)« war »bis zum Februar 1956 tatsächlich nur derjenige […], der unter anderem die Meinung vertrat, dass es außer der revolutionären Gewalt kein Mittel gebe, den Sozialismus aufzubauen, und jeder, der glaubte, dass solche anderen Mittel vorhanden wären  – ein Antimarxist (also auch Reformist, Metaphysiker, Idealist).« Seit dem Februar 1956 sei es hingegen umgekehrt: Marxist sei nur noch »der­jenige, der die Möglichkeit eines friedlichen Übergangs zum Sozialismus in einigen Ländern anerkennt. Wer in diesen Fragen in einem Jahr als Marxist gelten wird«, sei schwer »genau vorauszusehen«.313 »Wenn die Konzeption des Mar­ xismus,« so las man schließlich in der Nowa Kultura, »[…] im Bewusstsein eines bedeutenden Teils der Intellektuellen, die sich für Marxisten gehalten haben, zusammengebrochen ist – hat dann der Begriff des Marxismus an sich, außer jener historischen Bedeutung, die mit dem Werk des Mannes verknüpft ist, welcher der Doktrin den Namen gab, noch einen Sinn und welchen?«314 »Von einem ›geschlossenen und einheitlichen marxistischen Lager‹ zu sprechen […] und die Losung von der Reinheit der marxistischen Doktrin zu verkünden – all das hat«, so lautete schon 1957 die Antwort, »vom Standpunkt eines intellektuell verstanden Marxismus aus betrachtet, keinen Sinn. Es kann nur vom Standpunkt eines Marxismus aus von Nutzen sein, der als eine politische oder religiöse, nicht aber als eine wissenschaftliche Erscheinung aufgefasst wird.«315 »Der Begriff ›Marxismus‹ bedeut[e], so verstanden, keine Doktrin, die nur total bejaht oder total abgelehnt werden kann, kein universales System – sondern eine lebendige philosophische Inspiration innerhalb einer allgemeinen Art der Weltbetrachtung« sowie »einen Impuls, der in der sozialen Intelligenz und im sozialen Gedächtnis der Menschheit fortwirk[e]«.316 Sowohl intellektuell als auch ideologisch vom Marxismus als übergeordneter Denk- und Handlungsanleitung Abstand zu nehmen, bedeutete für das hier behandelte Milieu aber nicht nur eine theoretische, sondern auch eine ganz praktische Notwendigkeit der Veränderung anzuerkennen. Ausgelöst durch die bereits in den 1950er-Jahren gewachsene Erkenntnis in die Nichtreformierbarkeit des politischen Systems auf nationaler Ebene, waren vor allem die Nieder­schlagung des Aufstands in Ungarn 1956 und schließlich der Einmarsch der sowjetischen Streitkräfte in Prag 1968 wichtige, diesen Prozess befördernde Faktoren.317 Hinzu kam eine gewisse Sprachlosigkeit, die die Dissidenz vor allem nach den gescheiterten studentischen Unruhen des Jahres 1968 312 Vgl. ebd., S. 47. 313 Vgl. ders., Aktuelle und nichtaktuelle Begriffe, S. 9. 314 Vgl. ebd., S. 10. 315 Vgl. ebd., S. 21. 316 Vgl. ebd., S. 24. 317 Vgl. ders., Główne nurty, S. 544.

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erfasste und die sich in einer vertieften Auseinandersetzung mit den Schwächen des eigenen Milieus und einer Hinwendung zu alternativen Integrationsund Deutungsangeboten spiegelte. Schon nach dem Scheitern des mit großen Hoffnungen verbundenen »polnischen Oktobers« 1956 lässt sich in der entsprechenden autobiografischen Literatur eine kritische Einstellung gegenüber einzelnen Charakteristika des eigenen Milieus finden. Die Linke sei zu sehr aus einer lediglich negierenden Haltung gegenüber den äußeren Bedingungen ihres Wirkens entstanden und habe darin nicht »das Niveau praktischen Denkens«, sondern lediglich »das Niveau eines moralischen Protestes« erreichen können. Dabei entbehrte sie gleichzeitig einer klaren Organisationsstruktur, die es unter den gegebenen politischen Möglichkeiten auch gar nicht hätte geben können, und offenbarte sich damit lediglich in einem bestimmten, jedoch eher »unklaren und zersplitterten Bewusstsein«. So wurde aus der Linken keine »politische Bewegung«, sondern lediglich »die Summe spontan entstandener moralischer Einstellungen«. Vor allem aber, und dies scheint der wichtigste Kritikpunkt zu sein, wurde es zu einer »Schwäche der Linken […], dass der allgemeine Protest der Gesellschaft gegen die kompromittierten Regierungsformen sich zu häufig mit reaktionären Forderungen verband, die für die Linke unannehmbar waren, und dass sie bei dem Stand ihrer Entwicklung nicht in der Lage war, die Führung zu übernehmen«,318 so zum Beispiel Kołakowski. »Wenn wir, die Oktoberlinke«, so lautete die Selbstkritik bei Kuroń, »es geschafft hätten – und wir hatten ehrlich geglaubt, es zu schaffen –, den Kommunismus von all seinen Verbrechen zu befreien, ihn zu einer großen ehrenhaften Idee zu machen, die auf einer menschlichen Art und Weise durch eine souveräne Gesellschaft verwirklicht werden würde, dann wäre die Geschichte des Kommunismus eine andere gewesen, auch wenn das die zahllosen Verbrechen nicht gemindert hätte, derer wir uns damals im Übrigen noch nicht vollständig bewusst waren. Es konnte natürlich nicht gelingen, aber das wussten wir nicht. Der Oktober starb, aber in uns lebte weiterhin die Hoffnung und dadurch fühlten wir uns wie Linke.«319 Erst im März 1968 wurden diese Hoffnungen endgültig zerstört. »Es zeigte sich, dass die antitotalitäre Linke so unbedeutend war, dass sie im Grunde nicht als eigenständige Kraft auftreten konnte.«320 Damit einher ging auch die Erkenntnis in eine wichtige, außerhalb des eigenen Milieus stattgefundene Positions- und Kräfteverschiebung. Die linken Dissidenten bemerkten, dass ein »Großteil der Studenten, die an den Unruhen des März teilgenommen hatten« eben nicht »der Linken zugerechnet werden«321 konnten. Gleichzeitig entpuppten sich jedoch jene Regierungskreise, die in den Augen der Dissidenz ursprünglich aus einem dezidiert linken Traditionshorizont stammten, als Verfechter nationalistischer und antisemitischer Vorwürfe und 318 Vgl. ders., Sinn, S. 158–160. 319 Vgl. Kuroń, Wiara, S. 363. 320 Vgl. ebd., S. 362 f. 321 Vgl. ebd.

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Drohungen. Genau an dieser Stelle brach ein zentrales Bindeglied zwischen der linken Dissidenz und der PZPR in sich zusammen. Die ehemals kommunistischen Intellektuellen unter ihnen mussten zur Kenntnis nehmen, dass nicht ihre bisherigen Parteifreunde oder gar der Parteiapparat als solcher sie vor antisemitischen Ausschreitungen in Polen schützen würde, sondern dass entsprechende Solidaritätsbekundungen aus Richtung jener Kreise kamen, denen die Linke bislang eher mit Skepsis begegnete. »Wir kamen zu der Erkenntnis«, so lautete ihre Schlussfolgerung, »dass unsere Schwäche im März gerade aus unserer ideellen Selbstbeschreibung herrührte, die uns von vielen potenziellen Partnern distanzierte. Wir verstanden, dass die Front des Kampfes gegen den Totalitarismus im Namen der Freiheit und der Demokratie quer zur Teilung in eine Linke und eine Rechte verläuft. Anders gesagt, konnte unser Gefühl der ideellen Zugehörigkeit und Identität nicht mit der Teilung zusammenhängen, die in Polen und insgesamt im sowjetischen Einflussbereich zunehmend inaktuell wurde. Wir mussten also quasi von Neuem eine ideell-politische Selbstbeschreibung vornehmen, und das war nur möglich im Dialog mit Menschen außerhalb unseres Milieus, die wir als uns nahestehend empfanden.«322 Im Zentrum dieser ideellen Selbstbeschreibung stand zum einen eine Neu­ bewertung des politischen Systems in Polen und zum anderen eine neue Einordnung eigener, milieuspezifischer Sinn- und Handlungsoptionen. Das kommunistische System wurde nicht länger als lediglich »reformbedürftig«, sondern als »totalitär« eingestuft und damit im Grunde genommen im Ganzen als nicht mehr annehmbar eingeordnet.323 Der totalitäre Charakter des Staates wurde zu einer den gesellschaftlichen Handlungsbedarf sowohl bestimmenden als auch ihn begrenzenden Herausforderung.324 Sich ihr zu stellen konnte wiederum nur in Zusammenarbeit mit jenen Kreisen und Gruppen geschehen, die sich ebenfalls, quer zu ursprünglich geltenden politisch-ideologischen Unterteilungen, auf die zu bekämpfende Totalität des kommunistischen Systems bezogen.325 Über das eigene Milieu hinausreichend, wurden damit Kooperationsverbindungen jener Art möglich, die im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurden. Vor allem aber änderten sich die sozio-moralischen Grundlagen des Milieus, die sich zunehmend in Richtung eines pluralistischen, normativen, aber nicht mehr ideologisch begründeten Gesellschaftsbilds verschoben. Während Kołakowski noch 1957 glaubte, dass »das ›Ende des ideo-

322 Vgl. ebd. 323 Vgl. Michnik, Kościół, S.  101; ders., Nowy Ewolucjonizm, S.  80; ders., Polska wojna, S. ­23–35, hier S. 26; ders., W dziesiątą, S. 39–42, hier S. 41; ders., O oporze, S. 93–109, hier S. 97; ders., My, S. 149–161, hier S. 158 sowie – mit ähnlicher Stoßrichtung – Geremek, Civil Society, S. 257–272, hier S. 264. 324 Zur Begriffsverwendung im oppositionellen Diskurs vgl. Rupnik, Totalitarianism, S. 263– 291, insb. S. 277 ff. sowie Szacki, Liberalism, S. 96. 325 Zur Begriffsverwendung im katholischen Milieu vgl. Mazowiecki, Europa, S. 166–175, hier S. 168 und ders., Thesen, S. 10–19, hier S. 10.

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logischen Zeit­a lters‹ in astraler Zukunft«326 liege, schienen den nachfolgenden, jüngeren Dissidenten spätestens um 1968 ihre bislang vertretenen ideellen Grundsätze an Erklärungs- und Überzeugungskraft deutlich eingebüßt zu haben. Als post­ideologisches und »emanzipatorisches Projekt«327 wurde der Wandel dissidenter hin zu demo­k ratischen, oppositionellen Reformbemühungen von den entsprechenden Akteuren seitdem empfunden: Die Idee der Zivilgesellschaft, so Michnik, »überwand die traditionelle Aufteilung, weil die totalitäre ­Praxis Menschen unterschiedlicher Traditionen und Konditionen vor neue Fragen stellte. Im Angesicht des Totalitarismus verloren frühere Konflikte zwischen Konservativen und Liberalen, zwischen Sozialisten und Nationalisten ihre Schärfe und Kompromisslosigkeit.«328 Wenn überhaupt noch so etwas wie ein normativer Kernbestand ihrer ­ideellen Selbstbeschreibung übrig blieb, so war es vor allem der Kampf um Menschen- und Bürgerrechte. Tatsächlich rückten diese in den Mittelpunkt entsprechender Publikationen, aber auch Organisationen wie etwa des Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte, das 1976 unter anderem von Jacek Kuroń in Reaktion auf die den Arbeiterprotesten desselben Jahres nachfolgenden Repressionen gegründet wurde. Samuel Moyns These von einem Erstarken des Menschenrechtsdiskurses nach 1968 als einer Konsequenz der sich zunehmend erschöpfenden ideologischen Angebote des Kommunismus und des Nationalismus findet hier ihre empirische Entsprechung.329 Damit verloren ursprüngliche Selbstbeschreibungen der Linken zwar nicht endgültig an Bedeutung. Sie wurden jedoch um den Zusatz des Liberalen ergänzt und in Einzelfällen vielleicht auch überschrieben. »Wer heute noch im Namen der Freiheit die katholische Kirche angreife, sei entweder ein Ignorant oder aber kein Liberaler«, schrieb zum Beispiel Adam Michnik. »Denn liberal [sei] nur derjenige, der auf der Seite der Verteidigung der Bürgerrechte [stünde].«330 Die Menschenund Bürgerrechte wurden so zur wichtigsten ideellen Klammer des ansonsten an seinen Rändern immer offener werdenden Milieus der Dissidenten, zivilgesellschaftliche Handlungsmuster wiederum zum einzig akzeptablen Instrument ihrer Einforderung und Durchsetzung. Damit änderte sich auch der Adressat oppositioneller Handlungsmuster und -ideen: Der Sozialismus in Polen könne nur »auf dem Weg eines kompromisslosen Kampfes um die Freiheit und Würde des Menschen und auf dem Weg einer ehrlichen Neubewertung des eigenen Weges verwirklicht werden, nicht aber,« so noch einmal Michnik, »durch 326 Vgl. Kołakowski, Aktuelle und nichtaktuelle Begriffe, S. 37. 327 Vgl. Michnik, Pułapka, S. 173. 328 Vgl. ebd. 329 Vgl. Moyn, Last Utopia, S.  168 ff. sowie  – diese Sicht bestätigend  – der Redebeitrag von Adam Michnik im Rahmen des Zeitzeugenpanels der Tagung »Opposition transnational. Die Menschenrechts- und Demokratiebewegungen Mittel- und Osteuropas aus transferund verflechtungsgeschichtlicher Perspektive«, 19.09.2010, Warschau. 330 Vgl. Michnik, Kościół, S. 111.

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Kompromisse mit innerparteilichen Kräften«.331 Evolutionär und nicht revolutionär habe dieser Weg zu sein, und an die Arbeiter als der größten und über die meisten Druckmittel verfügenden Bevölkerungsgruppe habe er sich nicht mehr aufgrund marxistisch inspirierter Klassenkategorien, sondern aufgrund pragmatisch orientierter Oppositionsstrategien anzunähern.332 Zivilgesellschaftlich ging es dabei um die Artikulation und Aktivierung gesellschaftlicher Partizipationsrechte, um die Verwirklichung der Meinungsfreiheit, aber auch um Gemeinwohlorientierung, Solidarität und soziale Gerechtigkeit.333 Aktions- und bereichslogisch betrachtet, lässt sich das Handlungsrepertoire der Opposition damit spätestens seit den 1970er-Jahren mit einer Definition von Zivilgesellschaft, wie sie etwa Jürgen Kocka entwickelt hat, durchaus in Deckung bringen.334 Gleichwohl wäre es irreführend, die Dissidenz der post-1968erJahre in die Zivilgesellschaft umzubenennen. Als »zivilgesellschaftlich« werden hier vielmehr jene habituellen und programmatischen Ansätze der Dissidenz bezeichnet, die sich seit den ausgehenden 1960er-Jahren von einem dezidiert marxistischen Begründungszusammenhang lösten und in Richtung alternativer Deutungsebenen entwickelten. Aus der linken Dissidenz wurde so eine der wichtigsten und personell stärksten Strömungen der demokratischen Opposition in Polen. Den in diesem Milieu habitualisierten und seit den 1960er-Jahren in Kooperation mit anderen, zum Beispiel in katholischen Kreisen praktizierten Mitteln der gesellschaftlichen Konfliktaustragung verdankte der demokratische Umbruchprozess in Polen seine wichtigsten Inspirationen. Aus der Mitte dieses nicht mehr dezidiert linken, sondern eher links-liberalen, katholische wie atheistische, ehemals kommunistische wie sozialdemokratische Strömungen umfassenden Milieus wurden nach 1989 Spitzenpositionen in der ersten frei gewählten Regierung, in den Medien sowie in zivilgesellschaftlichen Organisationen bezogen. Von Mitgliedern dieses Milieus wurde die 1980 entstandene freie Gewerkschaft Solidarność beraten und aus diesem Milieu stammte ein guter Teil der Beratungsmitglieder der Verhandlungen des Runden Tisches, die ab dem Frühjahr 1989 in den Systemwechsel überleiteten. Genau dieses Milieu gehörte seit den 1990er-Jahren aber auch zu den am stärksten in der öffentlichen Kritik stehenden ehemaligen Oppositionellen, worauf am Schluss der Arbeit noch einzugehen sein wird. Die Rezeption des hier beschriebenen Wandels oppositioneller Diskurse polnischer Intellektueller lässt sich allerdings aus einer transnationalen Konjunk331 Vgl. ebd., S. 170 sowie – mit ähnlicher Stoßrichtung – ders., Ginąć odświętnie, S. 232–254, hier S. 233. 332 Vgl. Michnik, Nowy Ewolucjonizm, S. 77–87, hier vor allem S. 83 ff. beziehungsweise ders., Nouvel évolutionnisme, S. 201–214 sowie ders., Neuer Evolutionismus, S. 40–54. 333 Geremek, Staat im Übergang, S.  79–83, hier S.  79; ders., Frieden und Menschenrechte, S. 65–69, hier S. 68 (Diskussionsbeitrag auf dem Seminar der Gruppe »Wolność i Pokój« [Freiheit und Frieden] zum Verhältnis von Frieden und Menschenrechten, April 1987) und Michnik, Minął rok, S. 69–74, hier S. 73. 334 Vgl. Kocka, Zivilgesellschaft, S. 10 f. sowie ders., Civil Society, S. 68 f.

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tur der Suche nach adäquaten Deutungs- und Begriffsangeboten nicht herauslösen, in deren Mittelpunkt seit den späten 1970er-Jahren sowohl west- als auch ostmitteleuropäische Transformationsprozesse »moderner«335 Gesellschaften gerückt waren. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielten nicht nur die in Osteuropa geäußerte Kritik an der Steuerungsfähigkeit des autoritären Staates, sondern auch die in Westeuropa auffällig werdenden Krisenerscheinungen des entwickelten Wohlfahrtsstaates.336 Insbesondere innerhalb der westeuropäischen Linken setzte, wie Ansgar Klein eindringlich gezeigt hat, eine Neukonzeption gesellschaftlicher Partizipationschancen ein, im Zuge derer die bürgerliche Gesellschaft, wie sie noch bei Marx begriffen wurde, aus ihrem negativ konnotierten Verständnis gelöst wurde.337 An die Stelle einer kontras­ tiven Gegenüberstellung von bürgerlicher Gesellschaft und Staat trat eine eher kooperative und einander kontrollierende Dreiecksbeziehung von Zivilgesellschaft, Staat und Markt, was im deutschen Diskurs mit seiner Hinwendung von der »bürgerlichen« zur »zivilen« Gesellschaft auch semantisch nachvoll­zogen wurde. Den Kern dieses Konzepts in seiner westeuropäischen Ausprägung bildete eine um Elemente der gesellschaftlichen Selbstorganisation erweiterte Fortentwicklung der repräsentativen Demokratie. In seiner ostmitteleuropäischen Variante handelte es sich hingegen um ein Konzept, das zunächst die Loslösung gesellschaftlicher Autonomiebereiche aus einem lediglich unter geopolitischen Gesichtspunkten akzeptierten Staatswesen in sein Zentrum rücken und erst anschließend zu einem demokratischen Systemwechsel aufrufen konnte und sollte.338 »Remarkably,« so charakterisierte Andrew Arato einmal die Verbindungen zwischen beiden Diskursen, »the pioneering works of this revival, those of Kołakowski, Mlynar, Vajda and Michnik in the East, of Habermas, Lefort, Bobbio in the West, and Weffort, Cardoso and O’Donnell in the South, were routed in the same or analogous traditions of Western or Marxist discourse. For them, a knowledge of Hegel, the young Marx and Gramsci represented living links to the usage of the concept of civil society, and the state-society dichotomy that was, in various ways, almost universal in the 19th century but which nearly disappeared in 20th century social and political science and philosophy.«339 Lässt sich dieser Perspektive, die Ähnlichkeiten zugunsten von Unterschieden vernachlässigt, am Ende sogar zustimmen? Oder anders gefragt: In welchem Verhältnis standen die »national« geprägten dissidenten Debatten und Diskurse zu eventuellen »transnationalen« Einflüssen und Einfluss­ nahmen? Der Beantwortung dieser Frage sind die nächsten Kapitel der Studie gewidmet. 335 Vgl. Herbert, Europe, S. 5–20. 336 Vgl. Cohen u. Arato, Civil Society, S. 15 und S. 31–47. 337 Vgl. Klein, S. 82 und S. 97 ff. sowie – als Beispiel für die entsprechende theoretische Aus­ einandersetzung aufseiten eher links orientierter Sozialwissenschaftler – Cohen, Class and Civil Society; Arato, From Marxism und Bobbio, Gramsci, S. 73–100. 338 Vgl. Arndt, Inspiracja. 339 Vgl. Arato, Rise, S. 3–16, hier S. 3.

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3. »Linke« Werte- und Solidargemeinschaft? – Austausch und transnationales Beziehungsgeflecht im Wandel 3.1 Reichweite und Rahmenbedingungen Wer dem derzeitigen Trend eines erstarkenden Interesses an »transnationalen« Fragestellungen unkritisch folgt, wird – jedenfalls im Rahmen einer Untersuchung der dissidenten Netzwerke Ostmitteleuropas – zunächst einmal ernüchtert werden. Standen die betreffenden Intellektuellen bereits wegen ihrer im Inland geäußerten Kritik unter besonderer Beobachtung, so gerieten ihre Äußerungen im Ausland meist noch massiver in den Fokus der Staatssicherheitsund Strafverfolgungsbehörden. Für die zeitgeschichtliche Forschung folgt daraus ein Dilemma: Gerade weil die Kontakte der Dissidenten in das euro­päische und amerikanische Ausland seitens des Regimes mit besonderer Schärfe geahndet wurden, ist die Hinterlassenschaft an diesbezüglichen Quellen aus der Hand der hier betrachteten Akteure dürftig. Dokumente, die auf den direkten Kontakt zu oder auf die etwaige Kooperation mit ausländischen Intellektuellen, Journalisten oder Politikern verweisen würden, wurden seitens der Dissidenten nur in seltenen Fällen verschriftlicht, und wenn doch, dann meist vernichtet. Andererseits konnten viele der hier behandelten Personen auf beruflich oder familiär bedingte Netzwerke im In- und Ausland rekurrieren, die auch während des kommunistischen Regimes nicht vollständig zum Erliegen kamen. Hinzu kam die Existenz von Emigrationszirkeln, die schubweise nach Kriegsausbruch 1939 und dann noch einmal nach den antisemitischen Ausschreitungen des Jahres 1968, vor allem in London, Paris, aber auch in Rom entstanden waren.1 Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich hauptsächlich auf die archivarischen und publizistischen Dokumente dieser Emigrationszentren. Bevor die personelle und ideelle Beziehung zwischen der Dissidenz in und der Emigration außerhalb Polens beleuchtet und die über dieses Beziehungsgeflecht geknüpften Kontakte ins europäische Ausland beschrieben werden, sollen im ersten Teil des Kapitels zunächst die dafür notwendigen Bedingungen kurz vorgestellt werden. Im Zentrum stehen zwei Fragen: Erstens geht es um die Frage nach den nationalen Rahmenbedingungen transnationaler Austauschprozesse, das heißt vor 1 Eines der Zentren entstand im Umfeld der Polnischen Exilregierung, die sich seit 1940 und bis zum Dezember 1990 in London aufhielt. Ein anderes gruppierte sich zunächst in Rom, anschließend in Paris um die Zeitschrift Kultura, auf die im Folgenden gesondert einge­gangen wird.

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allem um die Frage nach der Art, der Intensität und den Konjunkturen der hierauf folgenden staatlichen Reaktionen. Zweitens geht es um die Frage nach der Reichweite und damit um die Frage nach den Möglichkeiten für einen länderübergreifenden Austausch, die hier am Beispiel der am stärksten über Polen hinaus vernetzten Dissidenten punktuell rekonstruiert werden sollen. 3.1.1 Umfang politischer Restriktionen und Repressionen Zwar teilt der überwiegende Teil der Forschung die Auffassung, dass Polen, insbesondere im kulturellen Bereich, zu einem der liberalsten Regime im kommunistischen Ostmitteleuropa gehörte.2 Gerade die transnationale Vernetzung auf wissenschaftlicher Ebene belegt diese Annahme.3 Dies bedeutet jedoch nicht, dass das Problem des transnationalen Einflusses für das kommunis­tische Regime in Polen von geringer Relevanz gewesen wäre. Im Gegenteil, neben der Frage nach nationalen gehörte vor allem die Frage nach internationalen Austauschmöglichkeiten zu den am stärksten gesteuerten und gegebenenfalls zu unterbindenden Bereichen der Wissenschafts- und Kulturpolitik des Landes. Dies betraf jede Art publizistischer, wissenschaftlicher, künstlerischer und journalistischer Tätigkeit, wenn auch der Grad der hierfür erforderlichen staat­ lichen Zustimmungsbereitschaft von der allgemeinen politischen Lage und der politischen Einstellung des jeweiligen Intellektuellen oder Künstlers abhing und insofern variierte. So führte beispielsweise der Kontakt zu Journalisten aus dem Ausland bis in die 1980er-Jahre hinein fast immer zu einem Disziplinar- oder Strafverfahren. Die Frage der Zensur von wissenschaftlichen, publizistischen oder künstlerischen Arbeiten hing dagegen stärker von der politischen Situation und der politischen Beschaffenheit der diesbezüglichen Werke ab. Das fallweise Zensieren ihrer Texte, die willkürliche Verweigerung von Auslandsreisen, das Abhören von Telefonaten und die besondere Beobachtung ihrer in- und ausländischen Kontakte gehörten somit vor allem für diejenigen, die sich kritisch über das Regime äußerten, zum festen Bestandteil ihres Alltags- und Berufslebens.4 Zu den Konjunkturen einer von solchen Repressalien relativ freien Phase müssen vor allem die Jahre 1955/56 und die unmittelbare Zeit nach 1970 gerechnet werden. Auch wenn der dazwischenliegende Zeitraum insgesamt hinsichtlich staatlicher Einschränkungen als ein besonders gemäßigter gilt, so waren es vor allem die in der Mitte der 1950er- und zu Beginn der 1970er-Jahre vollzogenen Regierungswechsel, die einer kulturellen Liberalisierung den größten Vorschub leisteten. So wurden unmittelbar nach dem »polnischen Oktober« 1956 Kontakte zwischen polnischen und westeuropäischen Intellektuellen, 2 Vgl. Friszke, Anatomia, S. 66 ff. 3 Vgl. zum Beispiel die kürzlich vorgelegte Studie über die intensiven Beziehungen polnischer Historiker zu französischen Kollegen um die Zeitschrift Annales von Pleskot. 4 Vgl. unter anderem Schlott, S. 13–24.

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Reisen ins westliche Ausland und die Einfuhr westlicher Literatur nach Polen zugelassen. Die bessere Kenntnis der politischen und intellektuellen Debatten im Ausland, aber auch im Inland gehörte zu den unmittelbaren Folgen. Viele Nachrichten über aktuelle Vorgänge in Polen konnten nun in den zahlreichen neu entstehenden oder neu ausgerichteten Zeitschriften berichtet und kritisch kommentiert werden, oder aber – über den Umweg ihrer Weiterreichung an das europäische Ausland – als Kommentare ausländischer Journalisten in das Land zurückkehren.5 Hinzu kam die Aktivität der polnischen Sektion des Radio Free Europe, die, wie der Historiker Paweł Machcewicz berichtet, vor allem in politischen Krisenzeiten über einen steigenden Zuhörerkreis verfügte. Um die 20 Prozent der Polen informierten sich 1969 auf dem Zenit der Unzufriedenheit mit dem Regime Gomułkas und im Vorfeld der blutig niedergeschlagenen Arbeiterunruhen des Jahres 1970 über den Sender. In den eher ruhigen Anfangsjahren der Dekade Giereks waren es nur noch zwischen 7,6 und 11 Prozent. Beginnend mit den neuerlichen Arbeiterunruhen des Jahres 1976, stieg diese Zahl dann von um die 18 auf 53 Prozent im Jahr 1981 – dem Jahr nach Gründung der Gewerkschaft Solidarność und der Ausrufung des Kriegszustandes.6 Ein breites Informationsangebot, aus dem jederzeit Elemente widerständigen Verhaltens gegenüber einzelnen Regierungsinitiativen generiert werden konnten und, wie die Proteste des Jahres 1956 zeigten, auch wurden, lag nicht im Interesse der kommunistischen Machthaber. Staatliche Bemühungen, die Liberalisierung im kulturellen Bereich zurückzunehmen, setzten daher bereits kurz nach dem Oktober 1956 ein und prägten bis in die Spätzeit der Volks­ republik die zwischen den Bildungsbürgern und der Regierung stattfindenden Aushandlungsprozesse. Während jene, meist erfolglos, auf die Unabhängigkeit von Forschung und Kunst im Staatssozialismus pochten, versuchte das Regime insbesondere in den 1960er-Jahren, wieder verstärkt auf eine ideologische Verschränkung zwischen den intellektuellen und künstlerischen Erzeugnissen auf der einen und den parteiinternen Interessen auf der anderen Seite hinzuwirken. Ohne zum »sozialistischen Realismus« als übergeordneter Doktrin zurückzukehren, wurden zwar »gewisse Randerscheinungen, wie zum Beispiel die katholische Literatur, die abstrakte Kunst oder der Jazz«,7 akzeptiert, im Großen und Ganzen aber vor allem jene Werke, die den Aufbau des Sozialismus im Land unterstützten, gefördert. »Um entsprechende Tendenzen zu erreichen, verfügten die Machthaber über ein breites Spektrum an Mitteln – infrage kamen die Festlegung der Auflagenhöhe eines Werkes, die Ermöglichung des Zugangs eines Autors zu auflagenstarken Blättern, zum Radio und Fernsehen sowie die Verleihung von Preisen […].«8

5 Vgl. Friszke, Polen, S. 276 und S. 285 sowie Paczkowski, Pół wieku, S. 220 ff. 6 Vgl. Machcewicz, Monachijska menażeria, S. 9. 7 Vgl. Friszke, Polen, S. 278. 8 Vgl. ebd., S. 278.

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Wer sich solchen »Förderungsmaßnahmen« entzog und beispielsweise eine Möglichkeit zur unzensierten Veröffentlichung seiner Werke im Ausland suchte, wurde mit teils drastischen Strafmaßnahmen belegt, was in der Folge nicht selten in der Notwendigkeit zur Ausreise aus Polen resultierte. Dies betraf zum Beispiel den Schriftsteller Marek Hłasko, der aufgrund der Veröffentlichung von zwei seiner von der Zensur einbehaltenen Werke durch das Literarische Institut in Paris 1958 einer massiven Diffamierungskampagne im Inland unter­zogen wurde.9 Gegen die Sekretärin des Klubs Krzywego Koła, Hanna Rewska, die die Pariser Zeitschrift Kultura in Polen weiterverbreitet hatte, erging 1958 ein Gerichtsurteil, aufgrund dessen sie zu drei Jahren Haft ver­urteilt wurde. 1961 wurde wegen des gleichen Straftatbestands die ebenfalls für den Klub Krzywego Koła tätige Anna Rudzińska verurteilt. Auch einigen Publizisten, die nicht aus dem hier untersuchten Milieu stammten, wie Melchior Wańkowicz, Jan Nepomucen Miller, Stanisław Cat Mackiewicz und January Grzedziński, wurden ihre Kontakte zum Pariser Emigrationszirkel und zum Radio Free Europe zum Verhängnis. Cat Mackiewicz wurde 1965 als »Gaston de Cerizay« enttarnt und wegen seiner unter diesem Pseudonym für die Kultura verfassten Artikel von der Staatssicherheitsbehörde vernommen und schließlich angeklagt. Während Mackiewicz 1966 verstarb, wurde Wańkowicz bereits 1964 zu drei Jahren Haft verurteilt.10 Die Zeitschrift Kultura, auf die in den folgenden Kapiteln gesondert ein­ gegangen wird, wurde in Folge dieser Ereignisse ebenso wie das Radio Free ­Europe als »diversive Kraft« eingeschätzt und einer operativen »Bearbeitung« durch die Staatssicherheit unterzogen.11 Auch in Polen selbst folgte eine Reihe von Repressionen. Bereits 1957 wurde aufgrund eines Beschlusses des ZK der PZPR die Arbeit der reformorientierten Zeitschrift Po Prostu eingestellt, ebenfalls 1957 wurde die bereits erwähnte Herausgabe der Zeitschrift Europa nicht genehmigt. 1959 wurde der als unabhängig geltende Schriftsteller Antoni Sło­ nimski durch den regimetreuen Jarosław Iwaszkiewicz an der Spitze des Polnischen Schriftstellerverbandes abgelöst, 1962 der Klub Krzywego Koła geschlossen und 1963 das Erscheinen der Zeitschriften Nowa Kultura und Przegląd Kulturalny eingestellt. An ihrer Stelle erschien fortan die Zeitschrift Kultura – nur dem Namen nach leicht zu verwechseln mit der von Pariser Emigrationskreisen herausgegebenen Monatsschrift.12 Gleichzeitig wurde 1961 mit der Verhaftung des Journalisten Henryk H ­ olland, der während der anschließenden Durchsuchung seiner Wohnung zu Tode kam, 9 Es handelte sich um die Werke »Następny do raju« und »Cmentarze«, die 1958 gemeinsam in einem Band in der Bibliothek der Kultura in Paris veröffentlicht wurden, vgl. PtasińskaWójcik, Z dziejów, S. 154 ff. 10 Vgl. Friszke, Polen, S. 278 f. und S. 286; Paczkowski, Pół wieku, S. 220 ff. sowie PtasińskaWójcik, Z dziejów, S. 157 und S. 288 f. 11 Vgl. IPN BU 00235/143 und IPN BU 00495/1900 sowie Machcewicz, Walka z Radiem und Ptasińska-Wójcik, Inwilgacja Instytutu, S. 11–104 beziehungsweise S. 105–184. 12 Vgl. Friszke, Polen, S. 278 f. und Paczkowski, Pół wieku, S. 220 ff.

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auf drastische Weise die Folge von Informationsweitergaben an ausländische Korrespondenten deutlich.13 Im Unwissen über das »Abhören« des verabredeten Treffpunkts hatte Holland Inhalte einer informellen Rede Chruscht­schows an den Korrespondenten des Le Monde, Jean Wetz, weiter­gegeben. Mit der Inhaftierung Hollands konnte das Regime ein Exempel in einem schon länger mit Argwohn beobachteten Problembereich statuieren. Ausländische Korrespondenten wie Abraham Rosenthal und Sidney Gruson von der New York Times, Jean Wetz von Le Monde, Philippe Ben von Le Monde und Ma’ariv und Ludwig Zimmerer von Die Welt gehörten von jeher zu den am stärksten beobachteten Privatpersonen.14 Die Journalisten, die – wie im Falle Zimmerers und Wetzs – zudem mit Polinnen verheiratet waren, verfügten über breite Kontakte zu polnischen Medienvertretern, Schriftstellern, Wissenschaftlern, Künstlern bis in die Strukturen des Parteiapparats hinein und bedienten sich so überaus effektiver Zugangs- aber auch Weitergabemöglichkeiten zu und von brisanten Informa­ tionen. Diese wurden auch von den hier behandelten Dissidenten genutzt und – wie im Falle von Adam Michnik, der 1968 zusammen mit Henryk Szlajfer einen mündlichen Bericht über die Unruhen an der Warschauer Universität an einen Journalisten von Le Monde weitergereicht hatte – straf- und disziplinarrechtlich gegen sie verwendet. Zusammenfassend lässt sich daher festhalten, dass das kulturelle Leben in Polen auch während der unter Gierek noch einmal einsetzenden Liberali­ sierungsbemühungen seinen um 1955/56 erzielten Höhepunkt hinsichtlich der relativen Öffnung für regimeunabhängige oder gar kritische Stellungnahmen nicht noch einmal erreichte. Dies betraf inländische Aktivitäten ebenso wie an das Ausland gerichtete Austauschbemühungen. Hinzu kam der seit Mitte der 1960er-Jahre verstärkt verwendete Einsatz polizeilicher und juristischer Repressionen, wie etwa kurzfristige Inhaftierungen, Verhöre, Verwarnungen, aber auch Gerichtsverfahren. Insbesondere seit 1967/68 erlangte der Vorwurf, einer internationalen »zionistischen« und »antipolnischen« Kampagne anzugehören, an besonders diskriminierender Schlagkraft.15 Die zunehmende Einschränkung der Pressefreiheit, die Zensur von Büchern, Spielfilmen, Theaterstücken, nicht zuletzt auch die Emigration prominenter polnisch-jüdischer, aber auch nicht jüdischer Kulturschaffender führten somit, zumindest vordergründig, zu einem Erfolg des Regimes, zum Einbruch wichtiger Zentren der unabhängigen kulturellen und wissenschaftlichen Meinungsbildung und zur Eindämmung regimekritischer Verhaltensmuster. Diese jedoch verschwanden nicht, sondern suchten neue Vermittlungspartner und -wege. Nach 1976 ge-

13 Wie man heute weiß, durch Suizid und nicht, wie lange angenommen, durch Auftragsmord des SB. 14 Vgl. Persak, Sprawa, S. 132 ff. und S. 190 ff. sowie – generell zur Rolle ausländischer Journalisten – S. 104 ff. 15 Vgl. Friszke, Polen, S. 287 ff.

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hörte hierzu vor allem das Ausweichen in den sogenannten »zweiten Umlauf«,16 das heißt die Etablierung unabhängiger Publikationsforen auf der Grundlage politischer Untergrundarbeit. Vor 1976, das heißt für den hier behandelten Unter­suchungszeitraum, gehörten vor allem persönliche Bindungen und insbesondere über die berufliche Situation der Dissidenten begründete Reisen zu wichtigen Möglichkeiten eines transnationalen Austauschs. Bevor in den nächsten Kapiteln die darin verhandelten Inhalte zu Sprache kommen, sollen daher im Folgenden einige Zahlen und Fakten zur Reichweite dieses Austauschs kurz vorgestellt werden. 3.1.2 Ausmaß und Auswahl privater Reisemöglichkeiten und -stationen 1951 betrug die Zahl der Auslandsreisen polnischer Bürger gerade einmal 9.360, 1957 waren es 316.830, 1967 waren es 797.860. Erst zu Beginn der Ära Gierek, 1972, schnellte die Zahl der jährlichen Reisen auf 10.620.770.17 Einen, gemessen an diesen Zahlen, relativ geringen Anteil machten wissenschaftlich motivierte Reisen aus. Im Jahr 1959 kam es zu 3.157, im Jahr 1967 zu 5.847 und im Jahr 1969 zu 7.692 Auslandsreisen polnischer Wissenschaftler.18 Dennoch waren gerade die wissenschaftlichen Möglichkeiten zu transnationalem Einfluss und Austausch von zentraler Bedeutung für das hier behandelte Milieu linker Dissidenz in Polen. Während autonome Bereiche politischer Arbeit, bis auf die kurze Phase an der Jahreswende von 1955 zu 1956, im kommunistischen Regime nicht verfügbar waren, konnten Netzwerke und Räume des transnationalen Austauschs auf der Basis von berufsbezogenen Fachkongressen, Seminaren, Vortrags- und Archivreisen auch über die allmähliche Rücknahme der Liberalisierungstendenzen hinaus noch Bestand haben. Gegenüber den zuständigen Stellen plausibel begründbar, konnte so die Einladung zu einem Stipendienaufenthalt und die Genehmigung der entsprechenden Auslandsreise auch jenseits offensichtlich politischer Intentionen zur weitereichenden Kontaktaufnahmen mit ost- und westeuropäischen Kollegen genutzt werden. Von europäischen, vor allem aber amerikanischen Stiftungen wie der Ford und der Rockefeller Foundation und auch von den Pariser und Londoner Emigrationszirkeln gefördert, gelang so einer Reihe von Dissidenten die frühe und intensive Vernetzung mit dem westeuropäischen und in Teilen auch amerikanischen Ausland. Dabei zählte die Hauptstadt Frankreichs zu den am häufigsten gewählten, westeuropäischen Reisezielen. So reisten beispielsweise 1962 140 Mitarbeiter der polnischen Akademie der Wissenschaften nach Frankreich, nur 49 in die USA und 34 in die Bundesrepublik. Auch bei den Einreisen westlicher Wissen­ 16 Vgl. Behrends und Kind, S. 427–448 sowie Bakuła, S. 87–96, insb. S. 87 ff. 17 Vgl. Stola, Kommunistisches Polen, S. 345–365, hier S. 362 sowie – zur Frage der Genehmigungsverfahren – S. 346 ff. 18 Vgl. Pleskot, Intelektualni sąsiedzi, S. 37.

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schaftler nach Polen stellten die Franzosen mit 98 Reisen die höchste Anzahl.19 Die französische Präferenz spiegelt sich auch in der Zahl der vergebenen Stipendien wider. Bezieht man nur den wissenschaftlichen, ohne den künstlerischen oder schriftstellerischen Austausch polnischer Geisteswissenschaftler nach Frankreich in den Jahren 1946 bis 1990 ein, so kommt man auf eine Zahl von circa 5.400 Reisen in der Form von Stipendien, aber auch Kongress-, Vortrags- und Seminarreisen. Um die 3.100 Monate beziehungsweise um die 1000 Reisen sind ausschließlich durch Stipendien der École pratique des hautes études (EPHE), seit 1975 der École des hautes études en sciences sociales (EHESS) finanziert worden.20 Worin lag das polnische Interesse an einem besonders intensiven Austausch mit dem französischsprachigen Ausland begründet? Für die linke Dissidenz spielte zum einen das, gegenüber den Londoner Emigrationszirkeln, modernere und dynamischere Auftreten der um die Zeitschrift Kultura versammelten Pariser Emigranten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Vermittelt über deren Kontakte, gelang einer Reihe von Intellektuellen der Aufbau persönlicher Beziehungen mit westeuropäischen Politikern, Schriftstellern und Journalisten. Zum anderen aber, dies zeigt die jüngste Studie von Patryk Pleskot, spielte das Umfeld der Annales eine herausragende Rolle.21 Zwischen Fernand Braudel, der führenden Figur der sogenannten »zweiten Generation« der Gruppe, und dem Direktor des Historischen Instituts der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Tadeusz Manteuffel, zunächst informell verabredet und seit 1973 mit einer offiziellen Kooperationsvereinbarung besiegelt, kam es zwischen 1956 und 1973 zu einer Reihe von Austauschreisen zwischen beiden Instituten. Braudels Interesse für Polen und seine Überzeugung, dass gerade dieses Land eine Brücken­funktion im Verständnis sowohl des »Ostens« als auch des »Westens« zukommen könne, resultierte unter anderem darin, dass die EPHE in den 1960er-Jahren zwei Drittel ihres für Ostmitteleuropa vorgesehenen Budgets ausschließlich für Polen ausgab. Über die generationell geteilte Erfahrung des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzung, über eine grundsätz­liche Ablehnung gegenüber jeder Art des Totalitarismus und über eine dennoch existierende, aber nicht politisch, sondern eher intellektuell funktionierende Affi­ nität zum Marxismus geeint, gelang so zwei unterschiedlichen Milieus auf beiden Seiten Europas der Aufbau intensiver wissenschaftlicher, aber auch persönlicher Beziehungen. Als Teil  eines eher linken denn national-konserva­ tiven und damit offen antikommunistischen Milieus anerkannt, konnte auch 19 Vgl. ebd., S. 42 ff. und S. 48. 20 Vgl. ebd., S. 33. Der Autor weist darauf hin, dass seine Zahlen über denen anderer Berechnungen liegen, da sie neben Stipendien auch andere Auslandsaufenthalte (zum Beispiel Konferenz- und Vortragsreisen) einbeziehen. Auf geringere Zahlen kommt zum Beispiel Pasztor, S. 268. 21 Zur Einführung in die Geschichte und Geschichtsschreibung der Annales vgl. Burke, The Annales, S. 421–432; Hunt, S. 209–224; Kaelble, Sozialgeschichte, S. 77–93 sowie – ausführ­ licher – Erbe; Burke, French Historical Revolution; Middell u. Sammler, Alles Gewordene.

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das Regime in Polen dem Austausch mit den französischen Historikern über längere Zeit zustimmen. Aus dem Umfeld des hier untersuchten Milieus sind Bronisław Baczko, Bronisław Geremek, Henryk Samsonowicz und Leszek Koła­ kowski Gast der Gruppe um die Zeitschrift Annales beziehungsweise der von Fernand Braudel geleiteten Sektion VI der École pratique des hautes études (EPHE) und der 1962 von ihm gegründeten Maison des Sciences de l’Homme (MSH) gewesen.22 Neben den über die EHESS vermittelten Reisen gehörten aber auch per­ sönlich eingeworbene Auslandsaufenthalte zur täglichen Praxis polnischer Intellektueller. So reiste Włodzimierz Brus im Mai des Jahres 1959 für drei Wochen in das damalige Jugoslawien, um Vorlesungen über die politische Ökonomie des Sozialismus am Institut für Gesellschaftsstudien in Belgrad zu halten. Weitere Reisen nach Belgrad folgten im Jahr 1966 und 1967. 1961 nahm der Hoch­schullehrer eine bezahlte Freistellung in Anspruch, um zwischen Januar und Juni des Jahres die USA, Frankreich und Italien zu bereisen. Von September bis Oktober 1964 hielt er Vorlesungen über Probleme des Funktionierens der sozialistischen Wirtschaft in der Tschechoslowakei ab, wo er sich auch im Dezember 1966 aufhielt. Den Mai 1966 verbrachte er auf eine Einladung des Instituts für politische Ökonomie an der Universität Cambridge in Groß­ britannien.23 Bronisław Baczko hingegen reiste von Juni bis August 1962 in die Schweiz, von Dezember 1964 bis Januar 1965 in die Sowjetunion, von September bis Oktober 1965 in die Tschechoslowakei und im Februar 1966 nach Jugoslawien.24 Zusammen mit Jan Strzelecki, Paweł Beylin und Leszek Kołakowski verbrachte er außerdem im Oktober 1956 auf Einladung der UNESCO einen Aufenthalt in Frankreich. Kołakowski erinnert sich, dort erstmalig Jerzy Giedroyc, den leitenden Redakteur der Emigrationsschrift Kultura, kennengelernt zu haben. Kurz nach der Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn fuhr Kołakowski nach Budapest, wo er unter anderem mit dem Philosophen Georg Lukács zusammentraf. 1958 reiste er zusammen mit seiner Frau Tamara, die ein Forschungsstipendium für eine Reise nach Großbritannien erhalten hatte, für ein Jahr zu Forschungszwecken nach Amsterdam, Paris und London. In Paris lernte er Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre kennen, den er anschließend auch in Warschau mehrfach traf. In Amsterdam kam er mit einigen Trotzkisten zusammen, die ihn bereits in Warschau für eine der zahlreichen Initiativen zur Begründung der IV. Internationale anzuwerben hofften.25 Zusammen mit Bronisław Baczko, Adam Schaff und Maria Ossowska brach er 1957 auch in die Sowjetunion auf, um Kontakte zu russischen Philosophen aufzunehmen.26 Und auch seine erste 22 Vgl. Pleskot, Intelektualni sąsiedzi, S. 517, S. 523–529, S. 542 ff., S. 561–569 und S. 760–764. 23 Vgl. Teka akt osobowych Włodzimierza Brusa, AUW, K 5146. 24 Vgl. Teka akt osobowych Bronisława Baczko, AUW, K 5147. 25 Vgl. Kołakowski u. Mentzel, Czas ciekawy, Bd. 1, S. 153, 157, 181, 185 und S. 190 f. 26 Vgl. ebd., S. 193.

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Auslandsreise überhaupt hatte die Sowjetunion zum Ziel. 1950 verbrachte er auf Initiative des ZK der PZPR zusammen mit Adam Schaff und sechs weiteren polnischen Wissenschaftlern drei Monate in Moskau, um, wie er sich später ausdrückte, von der dortigen »marxistischen Klugheit« zu profitieren. »Dies war«, so Kołakowski, »eine erschreckende Erfahrung, denn es war offensichtlich, dass es sich bei ihnen [den sowjetischen Wissenschaftlern, d. Vf.] um eine Ansammlung von Ungebildeten handelte. Sie beherrschten keinerlei Fremdsprachen, sie wussten nichts über die sogenannte bürgerliche Philosophie, eigentlich wussten sie gar nichts über Philosophie außer dem, was sie bei Lenin und Stalin, manchmal auch bei Marx oder eher Engels gelesen hatten. Auch wenn wir nicht in besonderem Maße gebildet waren, erschlug uns doch ihr Zurückgebliebensein.«27 Derartige Erfahrungen mit der Sowjetunion finden sich bei den jüngeren Dissidenten eher selten. Anders als die ältere oder mittlere, bereits als Assistenten oder Hochschullehrer tätige Generation reisten die Jüngeren kaum als Teil einer offiziellen Universitäts- oder Parteidelegation ins Ausland, sondern bemühten sich um individuell organisierte, private oder studentische Auslandsaufenthalte. So fuhr Karol Modzelewski im März 1961 nach Italien und brachte dort dank eines Stipendiums der Fondazione Giorgio Cini ein Jahr mit Forschungen für seine Dissertation zu. Neben der Anfertigung einer in italienischer Sprache abgefassten Arbeit, die auf Quellenrecherchen in den Stadt­ archiven Venedigs und Paduas beruhte, gelang es ihm auch, mit linken Studenten und Intellektuellen ins Gespräch zu kommen.28 Jadwiga Staniszkis besuchte 1959 einen Englischkurs in Cambridge, und Barbara Toruńczyk erwirkte im Studienjahr 1966/67 eine Beurlaubung aus gesundheitlichen Gründen, die sie unter anderem in Paris verbrachte.29 Von vornherein nicht aus Forschungs-, sondern aus persönlichem Interesse, reiste Adam Michnik im Juni 1964 erstmalig nach Westeuropa, von wo er erst im Oktober desselben Jahres zurückkehrte. Neben einer ganzen Reihe von Treffen mit linken Intellektuellen und Politikern traf er unter anderem in München mit Zbigniew Brzeziński, damals Mitarbeiter von John F. Kennedy und ab 1977 Sicherheitsberater des neu gewählten Präsidenten der Vereinigten Staaten, Jimmy Carter, zusammen. In diese Zeit fällt auch seine Kontaktaufnahme mit dem langjährigen Leiter der polnischen Sektion des Radio Free Europe, Jan Nowak-Jeziorański, und dem Herausgeber der Pariser Kultura, Jerzy Giedroyc.30

27 Vgl. ebd., S. 107. 28 Der Originaltitel der Arbeit lautete »Le vicende della pars dominica nei beni fondiari del monastero di S. Zaccaria di Venezia (sec. X–XII)«, vgl. Modzelewski, Sprawozdanie z dotychczasowego przebiegu pracy naukowej, AUW, K 4791 sowie – zu den in Italien aufgenommenen Kontakten – Friszke, Anatomia, S. 81. 29 Vgl. Teka akt osobowych Jadwigi Staniszkis, AUW, WFS 37 268 und List Barbary Toruńczyk do Dziekana wydziału filozofii przy Uniwersytecie Warszawskim z dn. 20. listopada 1966, AUW, WFS 51 068. 30 Vgl. Bouyeure, Michnik, S. 68–70.

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Zwölf Jahre später, im August 1976, brach Michnik zu seiner zweiten Auslandsreise auf, unterstützt unter anderem durch ein sechsmonatiges Stipendium der hauptsächlich durch die Ford-Stiftung finanzierten Fondation pour une entraide intellectuelle européenne (FEIE). Auf Vermittlung des mit der Kultura verbundenen Emigranten und Essayisten Konstanty Jeleński, der zum damaligen Zeitpunkt auch die FEIE leitete, sowie mit Unterstützung seines Warschauer Studienfreundes Aleksander Smolar, der seit 1973 in Frankreich lebte, gelang es Michnik, mit Antikommunisten wie Raymond Aron, ehemaligen Kommunisten wie Annie Kriegel, Trotzkisten wie Jean Jacques Marie und So­ zialisten wie Claude Bourdet zusammenzukommen. Er lernte die Redakteure des ­Esprit, Jean-Marie Domenach und Paul Thibaud, die Mitarbeiter der Zeitschrift S­ ocialisme et Barbarie, Cornelius Castoriadis und Claude Lefort, und den Herausgeber der antistalinistischen Zeitschrift Preuves, François Bondy, kennen. Dem jungen Oppositionellen gelang es, mit Intellektuellen wie Jorge Semprún, Edgar Morin, François Furet, Pierre Hassner und André Glucksmann, aber auch mit Emigranten aus Ostmitteleuropa wie Czesław Miłosz und György Konrad zusammenzukommen. Er traf den Herausgeber der Lettre Internationale, Antonin J. Liehm, und den Redakteur des Kontinent, Władimir Maksimow. Er bekam die Gelegenheit, seinen 1976 am Wohnsitz von Aleksander Smolar in Aix-en-Provence niedergeschriebenen Schlüsseltext zum »Neuen Evolutionismus« auf einer von Krzysztof Pomian und Pierre Kendy an der Maison des Sciences de l’Homme organisierten Tagung und dann noch einmal auf einer von Annie Kriegel mitbetreuten Veranstaltung in Besançon vorzustellen. Im Herbst 1976 brach Michnik nach London und von dort nach Rom auf, wo er unter anderem mit Bettino Craxi, dem Generalsekretär des Partito Socialista Italiano (PSI) und Bruno Trentin, dem Generalsekretär der Con­ federazione Generale Italiana del Lavoro (CGIL), zusammentraf. Anschließend besuchte er Kopenhagen, Stockholm, Hamburg, Bonn und Frankfurt und traf auf einer Veranstaltung zugunsten der Charta 77 noch einmal mit Schlüsselfiguren der tschechischen Opposition und Emigration, unter anderem mit Antonin J. Liehm und Jiři Pelikan, aber auch mit Führungsfiguren der Neuen Linken – mit Daniel Cohn-Bendit, Rudi Dutschke und Joschka Fischer – zusammen.31 Darüber hinaus suchte er den Austausch mit Vertretern der kommunistischen Parteien Frankreichs, Spaniens und Italiens, um die Entwicklung des sogenannten Eurokommunismus nachvollziehen und in seiner Bedeutung für die erhoffte Demokratisierung Polens einordnen zu können.32 Möglichkeiten zum Aufbau von und Austausch mit transnational organi­ sierten intellektuellen Netzwerken hat es demnach trotz der im ersten Abschnitt des Kapitels beschriebenen Einschränkungen gegeben. Neben der für das hier untersuchte bildungsbürgerliche Milieu günstigen Situation, derartige Reiseunternehmungen mit forschungspraktischen Inhalten zu begründen und auf diese 31 Vgl. ebd., S. 167–179. 32 Vgl. hierzu Kapitel 3.3.2 dieser Arbeit.

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Weise finanziert zu bekommen, muss auch die Fähigkeit der meisten hier untersuchten Dissidenten, gleich mehrere europäische Sprachen zu beherrschen, hervorgehoben werden. So sprach Włodzimierz Brus nach eigenen Angaben Russisch, Deutsch und Englisch, Zygmunt Bauman Russisch, Deutsch, Französisch und Englisch. Leszek Kołakowski gab an, Russisch, Französisch und Deutsch zu sprechen. Die Beherrschung des Englischen kam während der Emigration, die des Niederländischen während seines Aufenthaltes in Amsterdam hinzu.33 Karol Modzelewski beherrschte neben der russischen, die italie­nische und französische, Krzysztof Pomian die französische und englische Sprache.34 Barbara Toruńczyk sprach ebenfalls Russisch, Deutsch und Französisch, Irena Grudzińska Französisch, Russisch und Bulgarisch, Bogusława Blajfer Russisch und Englisch und Seweryn Blumsztajn Deutsch und Russisch.35 Auch wenn gerade die Führungsfiguren der demokratischen Opposition der 1970er- und 1980er-Jahre, Jacek Kuroń und Adam Michnik, im Vergleich dazu nur über geringe Kenntnisse westeuropäischer Fremdsprachen verfügten, so konnten sie durch selbst geknüpfte Auslandskontakte oder aber die Kontakte ihrer Kolleginnen und Kollegen Zugang zu transnational kursierenden Ideen und Diskursen erhalten. Dabei überwogen west- gegenüber ostmitteleuropäischen Verbindungen, was vor allem mit der strukturellen Schwierigkeit zusammenhing, in die durch die jeweiligen Staatssicherheitsdienste sorgsam beobachteten Zirkel tschechischer, ungarischer oder ostdeutscher Intellektueller einzudringen. Kontakte mit osteuropäischen Dissidenten wurden am leichtesten auf westeuropäischem Boden geknüpft oder durch die jeweiligen Emigrationszentren vermittelt.36 Entgegen der Absicht des kommunistischen Regimes waren die Möglichkeiten hierzu im Zuge der zweiten, durch die antisemitischen Ausschreitungen motivierten Ausreisewelle nach 1968 eher noch gestiegen. Alles in allem – so lassen sich die Ergebnisse des Kapitels zusammenfassen – waren die Rahmenbedingungen des transnationalen Austauschs nicht immer günstig, seine Reichweite aber phasenweise beträchtlich. Von einer vom Rest der Welt abgeschnittenen Entwicklung kann im Falle der polnischen Dissidenz nicht gesprochen werden. Gleichwohl variierte der Zugang zu westeuropäischen Diskussionszusammenhängen deutlich. Während die älteste Generation der linken Dissidenz auf ihre äußerst breiten beruflichen Netzwerke zurückgreifen 33 Vgl. Teka akt osobowych Włodzimierza Brusa, AUW, K 5146; Teka akt osobowych Zygmunta Baumana, AUW, K 2606; Teka akt osobowych Leszka Kołakowskiego, AUW, K 1271 und Kołakowski u. Mentzel, Czas ciekawy, S. 188. 34 Vgl. Teka akt osobowych Karola Modzelewskiego, AUW, K 4791 und Teka akt osobowych Krzysztofa Pomiana, AUW, K 5300. 35 Vgl. Teka akt osobowych Barbary Toruńczyk, AUW, WFS 51 068; Teka akt osobowych Ireny Grudzinskiej, AUW, WNf 660 972; Teka akt osobowych Bogusławy Blajfer, AUW, WFS 47 735 und Teka akt osobowych Seweryna Blumsztajna, AUW, WES 61 473. 36 Auf diesen Befund haben auch Adam Michnik und Timothy Garton Ash hingewiesen, vgl. Michnik, Dlaczego, S. 16–22, hier S. 17 und Garton Ash, Mitteleuropa, S. 189–226, hier S. 224.

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und damit bis zur Verschärfung der politischen Situation um die Jahre 1967/68 relativ häufig ins europäische Ausland reisen durfte, gelang dies unter den Jüngeren vor allem Adam Michnik, der dafür eine Reihe familiärer und freundschaftlicher Verbindungen aktivierte. Die privilegierte Situation, aus der heraus Michnik mit einer von der polnischen Regierung unabhängigen Finanzierung ausgestattet und mit einer Vielzahl von westeuropäischen Intellektuellen bekannt gemacht wurde, wäre ohne die Hilfe entsprechender Empfehlungsschreiben sicherlich nicht denkbar gewesen. Es handelte sich also um durchaus elitäre Funktionslogiken des Austauschs, die so nicht auf die Gesamtheit der polnischen Bevölkerung zu übertragen wären. Neben der eher quantitativen Frage nach Reichweite und Rahmenbedingungen des Austauschs stellt sich aber auch eine stärker qualitative. Denn dass es zu Kontakten kam, musste nicht zwingend in Kooperationen münden. Aus einer losen Verbindung musste nicht zwingend persönlicher Austausch oder intellektueller Einfluss entstehen. Für die zu Beginn beschriebenen, wissenschaftlich motivierten Kontakte zur Gruppe der Annales zum Beispiel revidierte Patryk Pleskot vor kurzem die These von einem daraus entspringenden nachhaltigen methodologischen Austausch.37 »A cultural transfer […]«, so der Historiker in seinem Resümee, »occurred more on the level of culture (and personal relations) and less in terms of methodology. A scholarship form École was a great life adventure, a school of life. Although it was not always pleasant, it was salutary and inspiring – both in research and personal terms. An opportunity to go to the West, even for nonacademic purposes, implied that one would familiarise himself with a different way of thinking, a different culture, mentality, society and political system. Foreign travel meant opening up to new thought, it facilitated circulation of fresh, non-communist ideas and provided a new outlook on the situation in Poland. It was an extraordinary opportunity to experience Western civilisation, culture and mode de vie. It was in this field that the cooperation between Polish histo­ rians and the ›Annales‹ group left the most long-lasting mark.«38 Lässt sich dieser Befund auch auf den Fall der ehemals marxistisch orientierten Dissidenz übertragen? In welchem Verhältnis standen die Bemühungen um eine trans­ nationale Ausrichtung zu einer tatsächlichen transnationalen Beeinflussung der Akteure?

37 Zum Einfluss der Geschichtsschreibung der Annales auf die Historiografie Polens und Ostmitteleuropas vgl. neben Pleskot, Intelektualni sąsiedzi, auch Pomian, Impact sowie Kula, Paryż, S. 112–124. 38 Vgl. Pleskot, Intelektualni sąsiedzi, S.  765 sowie ausführlicher S.  726 ff. Der Autor weist auch auf deutliche Asymmetrien zwischen dem länderübergreifenden, auch nicht wissenschaftlichen Austausch hin. Während die Zahl der polnischen Ausreisen in den 1960er- und 1970er-Jahren mehrere Millionen betrug, lassen sich die Einreisen mit circa 50.000 im Jahr 1961 und circa 85.000 im Jahr 1964 beziffern, vgl. ebd. S. 31 und insb. S. 64 f.

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3.2 Zugangswege und Zielsetzungen Zu den wichtigsten Funktionslogiken des transnationalen Beziehungsgeflechts der linken Dissidenz in Polen zählte derjenige der Verlagerung inländischer Diskurse ins Ausland. Eingeschränkt durch die bereits beschriebenen innerstaatlichen Bedingungen, diente der über die Grenzen Polens hinausweisende Aufbau intellektueller und politischer Beziehungen vor allem dem Ziel, wichtige Aushandlungs-, aber auch Meinungsbildungsprozesse in einer Sphäre des Transnationalen zu situieren und die restriktiv funktionierende Sphäre des ­Nationalen auf diese Weise zu unterminieren. Angesichts des Defizits an demokratischen Institutionen im Inland gelangte dissidentes Gedankengut ins Ausland, wo es, unter günstigeren Bedingungen, weitervermittelt und weiterentwickelt wurde. Vorhaben, die im Inland nicht verwirklicht werden konnten, sollten durch einen entsprechend zu mobilisierenden Druck aus dem Ausland er­stritten und errungen werden. Zu den wichtigsten Zielsetzungen der Dissidenz zählten damit diejenigen der Internationalisierung und der Politisierung, zu den wichtigsten dafür genutzten Zugängen diejenigen der Medialisierung und der Solidarisierung. Gleichzeitig erforderte diese Art des Umgangs mit den national determinierten Rahmenbedingungen die Existenz von transnational funktionierenden Austauschbeziehungen. Eine herausragende Rolle bei der Frage, wer diese Beziehungen vermittelte, wer sie zu welchem Zeitpunkt vertiefte und wer sie zu welchen Zwecken verwendete, spielten diejenigen polnischen Emigrationszentren, die in der Nachkriegszeit in Westeuropa entstanden waren.39 Der folgende Abschnitt analysiert die Frage des Zusammenwirkens der Emigrationszirkel mit der linken Dissidenz in Polen. Er fragt nach der Art der transnationalen »Öffentlichkeit«, die als Ergebnis dieses Zusammenwirkens hergestellt und mit der die auf nationaler Ebene hergestellte »Gegenöffentlichkeit« ergänzt und erweitert wurde.40 Er untersucht die Funktionsmechanismen des transnationalen Austauschs zwischen der Dissidenz und der Emigration auf der einen sowie zwischen der Dissidenz und west- sowie osteuropäischen Intellektuellen auf der anderen Seite. Schließlich beleuchtet das Kapitel die Moti­ vationen und Intentionen der beteiligten Akteure an der Herstellung trans­ nationaler Diskussionszusammenhänge.

39 Zur Einführung in die sogenannte »zweite Welle« der Emigration aus Polen nach 1945 vgl. Friszke, Życie; Machcewicz, Emigracja sowie Habielski. 40 Zum Problemkomplex von »Öffentlichkeit« in staatssozialistischen Systemen vgl. Rittersporn u. a.

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3.2.1 »Russians, go home!« Mechanismen der Medialisierung Um die 2,5 Millionen Polen befanden sich – jüngeren Schätzungen zufolge – nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs im Ausland. Allein 950.000 Polen hielten sich 1945 in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands und circa 750.000 in der sowjetischen Besatzungszone auf. In Frankreich und in Österreich lebten jeweils um die 70.000, in Schweden um die 15.000, in Großbritannien um die 12.400 Polen. In Italien waren es ebenfalls ungefähr 12.000, in Belgien ungefähr 9.500, in Dänemark ungefähr 5.300, in der Schweiz ungefähr 4.000, in den Niederlanden ungefähr 3.700 und in Norwegen ungefähr 2.000 Polen. Hinzu kamen um die 30.000 Polen, die sich im damaligen Jugoslawien, und um die 20.000 Polen, die sich in Bulgarien, Ungarn, der Tschechoslowakei oder in Rumänien aufhielten. Circa 12.000 Personen mit polnischer Staatsangehörigkeit befanden sich im Nahen und circa 10.000 im Fernen Osten, circa 17.000 auf dem afrikanischen und circa 5.600 auf dem amerikanischen Kontinent. Zu den durch den Kriegsbeginn ausgelösten Migrationsströmen kamen weitere, nach der kommunistischen Machtübernahme im Land einsetzende Emigra­tionsbemühungen sowie die Frage der Umsiedlung polnischer Bürger, vor allem aus den deutschen Besatzungsgebieten, in politisch weniger gefürchtete west­europäische Länder.41 Auch wenn sich die hier angegebene Gesamtzahl der Emigranten im Zuge dieser Veränderungen sowie der Rückführungskampagnen der polnischen Regierung zu Beginn der 1950er-Jahre auf circa 570.000 reduzierte und sich auch hinsichtlich der länderspezifischen Verteilung deutlich veränderte, war die Existenz polnischer Emigrationszentren im Ausland ein für das kommunistische Regime im Inland äußert unangenehmer Umstand.42 Dies betraf nicht nur die während des Zweiten Weltkriegs verfassungskonform gegründete und vorübergehend auch völkerrechtlich anerkannte Exilregierung in London, sondern vor allem jene Gruppen und Institutionen, die sich aktiv an der Destabilisierung des kommunistischen Systems beteiligten und somit schon frühzeitig auf eine Beeinflussung der politischen Situation in ihrem Heimatland hinwirkten.43 41 Die hier angegeben Zahlen stützen sich auf eine Analyse früherer Berechnungen durch Rafał Habielski und beziehen sich auf diejenigen Personen, die nach dem 1. September 1939 freiwillig oder zwangsweise Polen verließen. In die Gesamtzahl von 2,6 Millionen nicht eingerechnet ist die Zahl derer, die sich 1945 auf dem Gebiet der Sowjetunion aufhielten sowie die Zahl derer, die im Rahmen polnischer Militärdivisionen im Ausland kämpften, vgl. Habielski, S. 6 f. sowie – zu den Emigrationen nach 1945 – S. 41 ff. 42 Die Zahl von circa 570.000 kann, laut Habielski, aufgrund methodologischer Unschärfen in den entsprechenden Statistiken nur als ungefähre Größe gelten. Hinsichtlich ihrer Verteilung auf einzelne Länder und Kontinente entfallen etwa 44 Prozent der gesamten polnischen Emigration auf Nordamerika, 17 Prozent auf Europa, 17 Prozent auf Australien, 15 Prozent auf Asien und 5,5 Prozent auf Mittel- und Südamerika, vgl. Habielski, S. 55. 43 Zur polnischen Exilregierung und der um sie gruppierten Emigrationskreise vgl. Friszke, Życie polityczne, S. 16 ff. und S. 32 ff.

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Eine solche Einwirkung erreichen konnten allerdings nur diejenigen Emi­ grationskreise, die über das dafür notwendige Verständnis der politischen Lage im Land verfügten und ihre strategische Ausrichtung an jene Entwicklung flexibel anpassten. Denn vordergründig verband die linke Dissidenz mit den­jenigen Polen, die aufgrund der kommunistischen Machtübernahme emigrierten oder aus der Emigration nicht zurückkehrten, nur wenig. War die linke Dissidenz zunächst noch prokommunistisch, verhielt sich die Emigration von vornherein strikt antikommunistisch. Der Grad dieses Antikommunismus konnte allerdings im Einzelfall variieren. Während beispielsweise Adam Ciołkosz als Vorsitzender des ins Exil abgewanderten Flügels der Sozialdemokratischen Partei Polens offensiv den für viele Emigranten symptomatischen Aufruf »Russians, go home!«44 vertrat, bemühte sich der zunächst in Rom und dann in Paris ansässige Emigrationskreis um das Literarische Institut Maisons-Laffitte um eine ausgeglichenere Haltung. Jenseits der praktischen Frage nach dem Zugang zu den um die Emigration entstehenden Zeitschriften, Verlagen und Kultur­ einrichtungen bildete somit auch die politische Frage nach dem Grad des von den jewei­ligen Kreisen vertretenen Antikommunismus über lange Zeit eine hohe Hemmschwelle für die Aufnahme von Austauschbeziehungen zwischen Emigranten und Dissidenten.45 Unbeeinflusst davon, wie viel ihres Engagements tatsächlich ins Inland vordrang, versuchten Teile der Emigration dennoch, die Entstehung wider­ ständiger Verhaltensmuster in der Volksrepublik zu unterstützen, Konflikte zwischen dem Regime und seinen Gegnern zu veröffentlichen und auf die weitere Entwicklung des Landes mittelbar einzuwirken. Aus moralisch, politisch und kulturell geprägten Gründen suchten die im Folgenden exemplarisch ausgeleuchteten Zeitschriften, die Situation Polens dem westlichen Ausland und umgekehrt, den in Polen verbliebenen Bürgern, die west-, aber auch osteuropäische Situation zu vermitteln. Polen sollte, nach Meinung vieler, die das Land verlassen hatten, der westlichen Kultur, zu der es in ihren Augen nach wie vor gehörte, wenn schon nicht politisch, dann ideell verbunden bleiben.46 Auch sollten politische Alternativen, die das Land langfristig aus der sowjetischen Einflusssphäre herausführen würden, entwickelt und zumindest diskursiv erprobt werden. Durch ihre grundsätzliche Ablehnung der politischen Wirklichkeit in Polen geeint, differierte jedoch sowohl das Ausmaß als auch der programmatische Umgang mit dieser Ablehnung beträchtlich. Anders als man vermuten könnte, gewannen deshalb nicht so sehr die – zumindest einem Teil der linken Dissidenz ideell nahe stehenden – Sozialdemokraten in London, sondern eher die parteiunabhängigen, am ehesten noch als Liberale einzustufenden Pariser Kreise um die Zeitschrift Kultura an Einfluss.

44 Vgl. Ciołkosz, Russians, S. 1. 45 Vgl. Friszke, Polen, S. 285. 46 Vgl. Habielski, S. 19.

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Die – nach Deutschland – zweit- und drittgrößten europäischen Emigrations­ zentren in Großbritannien und Frankreich verband vor allem ihre Kritik an der mangelnden Unabhängigkeit Polens, die allerdings im Umfeld der in London ansässigen Exilregierung und der um sie versammelten politischen Parteien deutlicher formuliert und dezidierter propagiert wurde. In wiederholten Beiträgen für die der Exilregierung nahe stehende Zeitschrift Polish Affairs forderten die Autoren die Alliierten auf, den derzeitigen Status quo in Ostmitteleuropa und die dortige Stationierung sowjetischer Truppen nicht zu akzeptieren.47 Sie riefen zur Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze und zu freien Wahlen in Ostmitteleuropa auf und beklagten den Mangel an Meinungs- und politischer Freiheit.48 Die Mitarbeiter der in Paris ansässigen Zeitschrift Kultura arbeiteten demgegenüber zwar auch für den Wiederaufbau eines demokratischen Systems in Polen. Allerdings glaubten sie, dass die dafür notwendigen strukturellen Voraussetzungen letztlich im Land selbst und unter den dort herrschenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen entstehen müssten. Den in der Emigration tätigen politischen Parteien aus der Vor- und unmittelbaren Nachkriegszeit Polens prophezeite die Kultura daher schon 1957 ihr Ende. Ihre politische Strategie der Einwirkung auf ihr Heimatland hätte, so Juliusz Mieroszewski, der Londoner Korrespondent der Zeitschrift, mit den dort herrschenden Zuständen absolut nichts gemeinsam.49 Die über ein Netz von Vertretern, Korrespondenten und Abonnenten in 59 Ländern verfügende Kultura setzte daher auf längerfristigen Wandel, der ihrer Ansicht nach durch Unterstützung von außen zwar befördert, letztlich aber nur innerhalb des politischen Systems in Polen errungen werden könne. »Der Ausgangspunkt der politischen Arbeit unserer Zeitschrift«, so las man in einem Redaktionsbericht anlässlich ihres 25-jährigen Bestehens, »war und ist der Versuch des Durchdenkens und des Herausarbeitens solcher Aktivitäten, die wir aufgrund der Nichtakzeptanz der uns von außen aufgeworfenen politischen Situation im Land entfalten sollten […]. Den Sinn der Kultura sehen wir im Aufbau und in der Erhaltung eines ständigen Kontakts mit dem Land, dem einzigen Weg des Einflusses auf die öffentliche Meinung in Polen.«50 Diesem Ziel diente die Gründung eines Verlagshauses mit dem Namen Casa Editrice Lettere, das 1946 auf Initiative des Juristen und Publizisten Jerzy Giedroyc in Rom eröffnet und 1947, nach Auflösung der polnischen Streitkräfte in Rom, denen das Verlagshaus in der Zeit seiner Entstehung angegliedert war, nach Paris überführt wurde. Unter dem Namen Literarisches Institut seit seinem Umzug in der vor Paris liegenden Stadt Maisons-Laffitte angesiedelt, gab Giedroyc 47 Vgl. Ciołkosz, Bulganin’s Offer, S. 1; ders., Khrushchev’s Doktrin, S. 1; ders., Rapacki Plan S. 1; ders., Winds of Change, S. 1; ders., Cel, S. 4–31, hier S. 6 ff. sowie Czerwiński, Prize, S. 1; ders., Heart, S. 1 und ders., Captive Nations, S. 1. 48 Vgl. Mękarski, Debate, S. 7–10 sowie – mit ähnlicher Stoßrichtung – ders., Party, S. 2–5. 49 Vgl. Mieroszewski, Ewolucjoniści, S. 3–9, hier S. 4 und S. 9. 50 Vgl. Czapski, S. 2–12, hier S. 4 und S. 5.

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zunächst die Monatsschrift Kultura, seit 1962 auch die an ein historisches Fachpublikum gerichteten und bis heute erscheinenden Zeszyty Historyczne sowie eine Buchreihe mit dem Namen Biblioteka Kultury heraus. Die erste Pariser Nummer der Kultura erschien während des Jahreswechsels 1947/48. Mit dem 1. Juli 1972 waren bereits 299 Hefte der Zeitschrift und 222 Buchtitel in der Publikationsreihe des Instituts erschienen.51 Sie brachten dem polnischen Leser im In- und Ausland wichtige literarische Werke der Nachkriegszeit sowie Berichte über die politische Situation in Polen und Europa nahe.52 Giedroyc beschäftigte und verlegte eine Reihe von Autoren aus dem In- und Ausland, die sich aus den verschiedensten politischen Blickwinkeln heraus mit den Chancen einer Demokratisierung Polens und Ostmitteleuropas und mit den Risiken der ideologischen Versprechen des 20. Jahrhunderts befassten. Zu ihnen gehörten die Philosophen Raymond Aron und Jeanne Hersch, die Soziologen Daniel Bell und James Burnham und die Schriftsteller Albert ­Camus, Howard Fast, Aldous Huxley, Arthur Koestler, George Orwell und Ignazio Silone. Zahlreiche Dissidenten und Intellektuelle aus Ost- und Ostmittel­europa publizierten regelmäßig unter ihrem Namen oder unter Pseudonym in der Kultura, unter ihnen Julij Daniel, Tibor Déry, Milovan Djilas, Borys Lewickyj, Bohdan Osadczuk und Andrzej Siniawskij. Unter den aus Polen stammenden Autoren befanden sich vordringlich vielversprechende, in Teilen ebenfalls emigrierte Schriftsteller wie Andrzej Bobkowski, Zygmunt Haupt, Gustaw HerlingGrudziński, Witold Gombrowicz, Marek Hłasko und Czesław Miłosz.53 Bis auf die Veröffentlichung des »Offenen Briefs« von Jacek Kuroń und Karol Modzelewski kam es bis Ende der 1960er-Jahre allerdings kaum zu Veröffentlichungen polnischer Regimekritiker in der Zeitschrift oder der Buchreihe der Kultura.54 Selbst Revisionisten wie Leszek Kołakowski konnten sich, obwohl sie, wie eine Durchsicht der archivierten Bestände der Korrespondenz der Kultura zeigt, schon früh in brieflichem Kontakt mit der Zeitschrift standen, erst in den 1970er-Jahren zur Zusammenarbeit entschließen.55 Auf Mitte der 1970er-Jahre lässt sich auch der Beginn eines regelmäßigen brieflichen Kontakts zwischen Adam Michnik und der Kultura datieren.56 Auch wenn das Pariser Publikationsteam keinen spezifischen parteipolitischen Standpunkt vertrat, sondern seine Aufmerksamkeit auf einen breit angelegten Kampf mit dem kommunistischen System und eine dementsprechend breite Kooperation mit möglichst vielen daran interessierten Kräften richtete, 51 Vgl. Giedroyc, Sprawozdanie, S. 13 ff., hier S. 13 f. 52 Vgl. Ptasińska-Wójcik, Z dziejów, S. 7, S. 30, S. 67, S. 117, S. 153, S. 185, S. 227 und Habielski, S. 169. 53 Vgl. Ptasińska-Wójcik, Przywodnik, S. 332–342. 54 Vgl. dies., Książki wydane, S. 343–349. 55 Vgl. Korespondencja Jerzego Giedroycia z Leszkiem Kołakowskim 1957–1958, 1971–1988, AIL ML. 56 Vgl. Korespondencja Jerzego Giedroycia z Adamem Michnikem 1976–1986, 1996–2000, AIL ML.

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war die Suche nach diesen Kräften aus den bereits genannten Gründen schwierig. Dem übergeordneten Ziel der Einwirkung auf die sich allmählich ent­ wickelnde Dissidenz in Polen waren aber auch konkretere Ziele zugeordnet. So glaubte der Herausgeber Jerzy Giedroyc, dass ein gutes Verhältnis der Polen zu seinen osteuropäischen Nachbarn  – vor allem auf den Gebieten Litauens, Ukraines und Weißrusslands  – eine zwingende Voraussetzung für die fried­ liche Zukunft des Landes wäre. Er sprach sich gegen jede Art von Nationalismus und Antisemitismus aus. Und er bemühte sich um eine kritische Auseinander­ setzung mit der Sowjetunion, die etwaigen antirussischen Vorbehalten keinen Vorschub leisten sollte. Dem war die Auseinandersetzung mit westlicher Literatur über die Sowjetunion, aber auch die Herausgabe einer Sondernummer der Zeitschrift in tschechischer und slowakischer Sprache im Jahr 1969 und in russischer Sprache in den Jahren 1960 sowie 1971 gewidmet.57 Im Reisegepäck nach Polen reisender Intellektueller, Diplomaten und Seeleute ins Land ge­langend und mit Stipendien und Preisen um interessante Nachwuchsautoren werbend, gelang es der Kultura relativ rasch, zu dem hier untersuchten dissidenten Milieu vorzudringen. Obwohl das Team der Kultura mit anderen Emigrationskreisen und so auch mit Adam Ciołkosz und der PPS in London in loser Verbindung stand, unterschied sich ihr Profil maßgeblich von dem anderer Zeitschriften, wie etwa dem vom Zentralkomitee der PPS herausgegebenen »Monthly Paper of the ­Polish Socialist Party (in Exile)« unter dem Titel Robotnik.58 Während dieser den Entwicklungen in Polen zwar folgte und sich um Solidarität mit Teilen der Dissidenz bemühte, gelang jener eine in intellektueller Hinsicht sehr viel an­ sprechendere und an die jeweilige politische Situation besser angepasste Publikationspraxis, die zudem über ein weit höheres Ausmaß an internationa­ler Leser- und Autorenschaft verfügte. Eine in dieser Hinsicht ähnliche Ausrichtung zeigte auch der von einer jüngeren, erst nach den antisemitischen Ausschreitungen der Jahre 1967/68 emigrierten Generation herausgegebene ­Aneks. 1973 in Schweden als Vierteljahresschrift erstmalig publiziert, zielte die Zeitschrift auf »die Befriedigung bestimmter intellektueller Bedürfnisse und Informationsdefizite«.59 Diese sah sie vor allem in zwei Bereichen. Zum einen fehle es polnischen Lesern an Übersetzungen wichtiger ausländischer Werke, die in anderen Emigrationsschriften zugunsten der Publikation polnisch­ sprachiger Autoren nach wie vor vernachlässigt würden. Zum anderen aber sehe sich die Zeitschrift, deren Mitarbeiter sich einem breit verstandenen Sozialismus verpflichtet fühlten, als Ort des Austauschs äußerst unterschiedlicher Ansichten, die, im Idealfall, aus verschiedenen politischen Perspektiven geäußert, zu einer reflektierten Meinungsbildung über die Entwicklung im Inland bei­ 57 Vgl. Giedroyc, Sprawozdanie, S. 13 ff., hier S. 14 f. 58 Vgl. Korespondencja Jerzego Giedroycia z Adamem Ciołkoszem 1959–1964, 1966–1976, AIL ML. 59 Vgl. o. V., Od redakcji, (1973), S. 5 f., hier S. 5.

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tragen würden. Auch deshalb veröffentlichte die Zeitschrift sowohl in West- als auch in Osteuropa entstandene Arbeiten. Darüber hinaus wandte sich der Aneks einem weiteren Problemkreis zu. Beeinflusst von der Beobachtung, dass die Ziele der demokratischen Bewegung in Polen der westlichen Öffentlichkeit vor allem unter dem Aspekt des Schutzes der Bürger- und Menschenrechte, nicht aber hinsichtlich der politischen Ideen der Oppositionellen bekannt seien, ging die Zeitschrift dazu über, die unter anderem von Adam Michnik und Marcin Król in Polen herausgegebenen Zeitschriften Krytyka und Res Publica auch im Ausland zu publizieren. Dabei stellten seine Herausgeber die Krytyka interessanterweise als eine Zeitschrift vor, die »an die Tradition eines polnischen Sozialismus anknüpf[e]«, den »Idealen der PPS nahesteh[e]« und sich »mit der sozialistischen Bewegung identifizier[e]«. Gleichzeitig würden diese Traditionen nicht unkritisch übernommen, sondern vor allem »die Rolle des Marxismus« und des »Atheismus« in der sozialistischen Bewegung revidiert werden. Die Zeitschrift würde auch der Situation in anderen Ländern des »Ostblocks« große Aufmerksamkeit schenken, was unter anderem in der symbolischen Aufnahme des tschechischen Dissidenten Václav Havel und des ungarischen Poeten Miklós Haraszti in das Redaktionskomitee deutlich werden würde. Die Zeitschrift Res Publica hingegen bezeichnete der Aneks als liberal-konservativ. Während die Redaktion der Krytyka auch aktiv in die oppositionelle Arbeit eingebunden sei, widme sich Res Publica auf einer ausschließlich intellektuellen Ebene »der Weiterentwicklung des politischen Denkens der polnischen Eliten«. Dies würde politische Ideen im engeren Sinne, aber auch die Erhaltung der Beziehungen Polens zum Christentum und zu Europa beinhalten.60 Deutlicher als die Kultura einen eigenen politischen Standpunkt formulierend, jedoch wie sie einen großen Kreis an in- und ausländischen, links, liberal bis hin zu national-konservativ orientierten Autoren einbeziehend, verstand es der Aneks tatsächlich, genau auf jene Bedürfnisse zu reagieren, die die im Land verbliebene Dissidenz an die Adresse der politisch engagierten Emi­ granten richtete. Selbst 1985 noch maß beispielsweise Adam Michnik der Emigration eine zentrale Rolle in Bezug auf die Durchbrechung der Informationshoheit der polnischen Regierung zu, kritisierte aber auch ihren Polenzentrismus und vor allem den Mangel an übersetzten Büchern über die Demokratisierung anderer totalitärer Regime.61 1987 reagierte der Aneks mit der Übersetzung eines Interviews mit dem peruanischen Schriftsteller Mario Vargas Llosa über die Fortschritte des Demokratisierungsprozesses in Lateinamerika.62 Gleichzeitig erkannten sowohl der Aneks als auch die Kultura die Vielfalt der im Land vertretenen ideologischen Positionen und widersprachen damit indirekt auch

60 Vgl. o. V., Od redakcji, (1980), S. 2–4, hier S. 3 f. 61 Vgl. Michnik, Kilka uwag, S. 39–47, insb. S. 44 ff. 62 Vgl. o. V., Amerika Łacińska.

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einer vermeintlich apolitischen Haltung der Oppositionellen.63 Vielmehr arbeiteten sie offen an der »Vorbereitung einer Demokratie in Polen«, indem sie unter anderem eine pluralistische politische Kultur förderten und sich, wie die oben genannte Auseinandersetzung mit den regimekritischen Zeitschriften im Inland zeigt, auch jenseits des offiziell bestehenden »real-sozialistischen« Systems mit der Frage der Bildung alternativer politischer Gruppierungen befassten.64 Der Frage nach möglichen Alternativen, nach den politischen Inhalten und den Vor- und Nachteilen unterschiedlicher ideologischer Optionen war denn auch das internationale Spektrum der teils neu verfassten und teils zum ersten Mal in polnischer Übersetzung abgedruckten Beiträge gewidmet. So präsentierte bereits das erste Heft des Aneks eine respektable Gruppe kommunismuskritischer Autoren aus dem osteuropäischen, westeuropäischen und amerikanischen Ausland. Zu ihnen gehörten unter anderem Samuel Huntington, der über »Die gesellschaftliche und institutionelle Dynamik der Entwicklung von Einparteiensystemen« schrieb, Milovan Djilas, der die Frage des »Kommunismus und der Arbeiterklasse« beleuchtete und Alain Besançon, der vom »Großen Terror« in der Sowjetunion berichtete.65 In den folgenden Jahren druckte der Aneks weitere Texte und Interviewbeiträge von Alain Besançon, Raymond Aron, Daniel Beauvois, Paweł Beylin, André Glucksmann, Arthur Koestler, Paul Thibaud, Hannah Arendt und Richard Löwenthal ab.66 Die aus Italien stammenden Intellektuellen Rossana Rossanda und Norberto Bobbio reflektierten das Zeitalter der Ideologien in Europa, die aus der Bundesrepublik eingesandten Beiträge von Günter Grass und Jürgen Habermas die Zukunft des Sozialismus und des Patriotismus.67 Über diesen Kanal kam die polnische Dissidenz vermutlich auch erstmals mit dem Begriff des »Verfassungspatriotismus« in Berührung. Über Autoren wie Friedrich von Hayek erfuhr der Leserkreis des Aneks von wichtigen internationalen Debatten über den Liberalismus, von ­Timothy Garton Ash und Zbigniew Brzeziński von außenpolitischen Ausein­ andersetzungen um die Zukunft des ostmitteleuropäischen Kommunismus.68 Etwas seltener vertreten waren Autoren, die aus der Region selbst stammten, 63 Vgl. Paczkowski (unter dem Pseudonym Jakub Andrzejewski), O poprzednim, S. 224–240. 64 Vgl. Pomian, Wprowadzenie, S. 54–56, hier S. 56. 65 Vgl. Heilbroner, S.  7–22; Huntington, Społeczna, S.  23–75; Dżilas, S.  76–85; Moldau, S.  ­86–110; Nuti, Wybór społeczny, S.  111–123; Besançon, Wielki terror, S.  124–132 und Lasky, S. 132–139. 66 Vgl. Koestler u. a., Niezadowolenie, S. 68–78; Aron, Przyczynek, S. 106–125; ders., Machiavelli, S. 33–53; Beylin, S. 3–32; Arendt, S. 39–72; Löwenthal, S. 73–107; Besançon, Sołżenicyn, S. 60–74; ders., Sowiecka, S. 87–107; Glucksmann, S. 3–20; Thibaud, S. 73–77 und Beauvois, S. 134–147. 67 Vgl. Rossanda, S. 155–159; Bobbio, Wielkość, S. 27–42 sowie Grass, S. 31–38 und Habermas, Sposób, S. 24–34. 68 Vgl. Hayek, S.  88–103; Sharp, S.  53–71; Huntington, Przyszłość demokracji, S.  74–95; Hough, S.  108–154 sowie Garton Ash, Zachód wobec, S.  52–60; ders., Polityka Niemiec, S.  20–38; Brzeziński, Potęga ZSRR, S.  3–19; ders., Powrót, S.  3–12 und ders., Przemiany międzynarodowe, S. 8–17.

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wie etwa Pierre Hassner, Tomas Venclova, Aleksander Sołżenicyn, Andriej Amalrik, Antonin J. Liehm, Zdenek Mlynař, János Kis und Václav Havel.69 Neben der Veröffentlichung oppositioneller Strategien aus der Feder dieser Intellektuellen befassten sich die Heftnummern 7–8 und 22 zum Beispiel eingehend mit dem Problem des sogenannten »Panslawismus«.70 Den Eindruck einer fast ungebrochenen Kontinuität zum Personal und Themen­spektrum des hier behandelten linken Dissidentenmilieus gewinnt, wer sich der aus Polen stammenden Autorenschaft des Aneks zuwendet. So schaffte es der leitende Redakteur Aleksander Smolar, vor allem jenen Freunden, Kollegen und Hochschullehrern aus seiner Zeit an der Warschauer Universität Gehör zu verschaffen, die wie er nach 1968 aus dem Land ausgereist waren. Neben den Professoren Zygmunt Bauman, Bronisław Baczko, Włodzimierz Brus und ­Leszek Kołakowski publizierten Stanisław Gomułka, Jan T. Gross und K ­ rzysztof Pomian in der Zeitschrift. Doch auch in Polen verbliebene Intellektuelle aus dem linken und anderen Spektren, wie Jerzy Jedlicki, Marcin Król, Andrzej Paczkowski, Jan Józef Lipski und Adam Michnik, veröffentlichten, teilweise mehrfach, programmatische Texte in der Emigrationsschrift.71 Anders als die in den 1940er-Jahren entstandene Kultura musste der in den 1970er-Jahren gegründete Aneks um Beiträge ehemals kommunistisch orientierter Dissidenten also nicht mehr werben. Seine Entstehung fiel in eine Zeit, in der auch seitens linker Systemkritiker keinerlei Illusionen gegenüber einer innerpartei­lichen Reformierbarkeit des Regimes bestanden und in der sie gewisse Barrieren, die noch in den 1950er- und 1960er-Jahren das Verhältnis zur politischen Emigration prägten, allmählich überwanden. Die Zeitschrift profitierte vom Bedeutungsrückgang des Marxismus in Polen, der bereits in den 1960er-Jahren seinen Höhepunkt überschritten hatte. Und sie kontrastierte die Texte jener Autoren, denen sie sich milieuspezifisch zugehörig fühlte, mit denen anderer intellektueller und ideologischer Strömungen. Wer Zugang zu den von Hand zu Hand weitergegebenen Exemplaren des ­Aneks und der Kultura bekam, konnte auch Zugang zu einer transnationalen Diskussionskultur erhalten und auf diese Weise von intellektuellen Diskursen 69 Vgl. Hassner u. Liehm, Nowa umowa, S. 63–79; Hassner, Realizm, S. 134–136; ders., Tota­ litaryzm, S. 20–52; Grudzińska-Gross u. Gross, S. 123–153; Grossman, S. 126–138; Sołżenicyn, S.  139–144; Amalrik, S.  3–16; Mlynař, S.  151–157; Kis, S.  3–7 und Havel, Rozmyślając, S. ­195–203. 70 Vgl. Smolar, Słowianofile, S.  45–46; o. V., Wywiad Aneksu, Andriej Siniawski, S.  47–59; Besançon, Sołżenicyn, S. 60–74; o. V., Naród, S. 75–94 und Janow, S. 95–114. 71 Vgl. Bauman, Konflikty, S.  17–53; ders., Bez precedensu, S.  21–43; ders., Rzecz o niemoralnym, S.  163–173; Kołakowski, Obrona rewolucji, S.  54–67; ders., Dlaczego potrzeba, S. ­10–30; ders., Jak być, S. 3–6; ders., Rewolucja, S. 3–15; Kołakowska, S. 152–172; Brus, W związku, S. 23–27; Gomułka, Ekonomiczne, S. 20–22; ders., Sytuacja, S. 15–33; ders., Zachód zwleka, S. 146–150; Gross, W zaborze, S. 16–44; Jedlicki, Forma, S. 32–49; Król, Dylematy liberalizmu, S. 3–25; ders., Polskie niedopełnienie, S. 3–19; Baczko, Stalin, S. 26–52; Pomian, Wprowadzenie, S. 54–56; Paczkowski, Uwagi, S. 142–154; Lipski, Etos, S. 30–46; Michnik, My, S. 39–53 und ders., List, S. 3–27.

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in West- und dissidenten Aktivitäten in Osteuropa erfahren. Neben Prozessen der Meinungsbildung und der Informationsgewinnung wurden so auch Mechanismen der Widerstandsgenerierung in ein transnationales Setting hinein verlagert und durch attraktive Publikationsangebote im Ausland, durch Preise und Stipendien befördert. Versuche der Demokratisierung des politischen Systems in und der Zurückdrängung des sowjetischen Einflusses aus Polen konnten so aus ihrer spezifisch nationalen Interessenlage herausgelöst und als Teil eines internationalen Problems definiert werden. Zur Lösung dieses Problemkomplexes sollte ein breites Spektrum an unterschiedlich motivierten und politisch orientierten Intellektuellen und Politikern aus West- und Osteuropa aufge­rufen werden. Jenseits der tatsächlich vorhandenen Beziehungen zwischen diesen Intellektuellen konnte so zumindest vordergründig an eine gemeinsame Wert- und Zielvorstellung appelliert werden. Aus der Funktionslogik der Emigranten heraus erfüllten ihre im Ausland erscheinenden und an das Inland gerichteten Zeitschriften daher vor allem zwei Funktionen. Sie informierten und inspirierten die im Entstehen begriffene Dissidenz hinsichtlich intellektueller und politischer Entwicklungen, an die man möglicherweise anschließen sollte. Und sie medialisierten und politisierten die dissidenten Diskurse der polnischen Dissidenz, indem sie sie einem internationalen Publikum präsentierten und – wie im Folgenden gezeigt wird – zu Unterstützungsleistungen motivierten. 3.2.2 »Our heart beats on the left!« Prozesse der Politisierung Vermutungen hinsichtlich der Frage, wo beim politischen Gegner eigentlich das Herz und die damit assoziierte zwischenmenschliche Verantwortung säße, gehören von jeher zu den beliebtesten Versatzstücken einer international verständlichen linken Metaphorik.72 Auch polnische Linke benutzten solche Wendungen gerne, um an ein transnationales Gefühl der gegenseitigen Solidarität zu appellieren. Die internationale Linke sei »unser Verbündeter«, äußerte 1977 Adam Michnik. Daran glaube er nicht nur deshalb, weil er »in diesen Menschen eine authentische ideelle Richtung erblicke«, und weil er »trotz der Dumm­ heiten, die sie aussprechen, schreiben und tun« in ihnen »eine wirkliche Leidenschaft für den Kampf um eine bessere Welt sehe«, sondern vor allem weil er »in ihnen die mentalen Eigenschaften wiederfinde, die den besten Dissidenten in Osteuropa eigen« wären: »Auf den Punkt gebracht, weil auf der linken Seite das Herz und auf der rechten der prall gefüllte Geldbeutel« säße.73 Auch wenn die Versuche der Emigranten und Dissidenten, innerhalb ihrer transnationalen Aktivitäten an ein möglichst breites Spektrum an politischen Strömungen anzuschließen, eindeutig überwogen, lässt sich ihre Vorliebe für Kontakte zu 72 Vgl. Lafontaine. 73 Vgl. Herling-Grudziński u. Michnik, S. 3–15, hier S. 12.

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und Appelle an linke Politiker und Intellektuelle in Ost- wie Westeuropa nicht übersehen. Den Versuchen der Herstellung einer Art linken Werte- und Solidargemeinschaft auf transnationaler Ebene wohnten im Wesentlichen zwei Logiken inne: Von einer direkten Ansprache potenzieller linker Partner in Europa ver­sprachen sich die hier untersuchten Dissidenten erstens eine von vornherein aufgeschlossenere Haltung gegenüber ihren eigenen Zielen und Anliegen, die sich idealerweise aus einer tatsächlich vorhandenen oder als vorhanden an­ genommenen Gemeinsamkeit hinsichtlich der grundsätzlichen Bejahung des Sozialismus und der Verneinung des Kapitalismus speisen sollte. Damit korrespondierte zweitens die Erwartung, dass gerade linke Politiker, Gewerkschafter oder Intellektuelle und ihre Verbandsorganisationen einen gewissen Druck auf das sozialistische Regime ausüben würden, wenn sie nur deutlich genug auf die inneren Widersprüche einer immer noch dem internationalen Kampf der Arbeiterklasse verbundenen Partei gestoßen würden. Es handelte sich damit um Prozesse, mittels derer der Anspruch der PZPR, die Interessen der polnischen Arbeiterklasse zu vertreten, insbesondere seit den in den 1970er-Jahren vermehrt auftretenden, gewaltsam niedergeschlagenen Arbeiteraufständen de­ legitimiert wurde. Diesem Ziel diente beispielsweise das Engagement von Jerzy Giedroyc, der Adam Michnik, den, wie er sich ausdrückte, »netten Chaoten«, bedrängte, im Zuge seines Auslandsaufenthaltes auch nach Deutschland zu fahren. Michnik sollte dort für »publicity« zugunsten des soeben entstandenen Komitees zur Verteidigung der Arbeiter (KOR) sorgen. Von dem Schriftsteller Heinrich Böll erhoffte man sich diesbezügliche Unterstützung.74 Zusammen mit Kołakowski gelang es Michnik tatsächlich, eine Reise nach Bonn und Köln zu unternehmen.75 Im Frühjahr 1977 kam es zu einer zweiten Reise von Kołakowski, der, zusammen mit dem ebenfalls emigrierten und nunmehr für die polnische Sektion der BBC in London tätigen Eugeniusz Smolar, den SPD-Vorsitzenden und ehemaligen Bundeskanzler Willy Brandt traf. Es sei, so Kołakowski in einem Brief an Giedroyc, »ein im Großen und Ganzen nützliches Gespräch gewesen, auch wenn Brandt natürlich sehr vorsichtig [sei] und sich öffentlich nicht allzu sehr für unsere Angelegenheiten engagieren [wolle].«76 Um derartiges Engagement nicht unnötig zu gefährden, versuchte wiederum Kołakowski, einen Vertreter der mit dem KOR konkurrierenden Organisation ROPCIO davon zu überzeugen, die persönlich motivierten Konflikte zwischen beiden Organisationen auf keinen Fall ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Anstelle eines Soli­daritätsaufrufs des ROPCIO sollte es zu einem Appell beider Organisationen kommen, um möglichst viele Sympathisanten für die demokratische 74 Vgl. List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 19. grundia 1976, AIL ML und List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 27. stycznia 1977, AIL ML. 75 Vgl. List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 20. marca 1977, AIL ML. 76 Vgl. List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 23. kwietnia 1977, AIL ML.

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Opposition zu gewinnen und diese von den gebündelten Kräften und Zielen ihrer Akteure zu überzeugen.77 Den Versuch einer gemeinsamen Aktion zugunsten der 1976 inhaftierten Arbeiter unternahmen unter anderem Adam Michnik und Jan Józef Lipski zusammen mit den Schriftstellern Kazimierz Brandys und Stefan Kisielewski. Ihr im Aneks veröffentlichter Appell richtete sich an »alle Menschen, die sich mit dem weltweiten Kampf der Arbeiter« solidarisieren würden, sowie an alle, »denen der demokratische Sozialismus wichtig [sei], an alle, die die verfolgten Arbeiter in Chile und in Spanien, in der Tschechoslowakei und in der UdSSR verteidig[en]« würden. »Wir wenden uns«, so die Autoren, »an: Jean-Paul Sartre, André Malraux, Eugène Ionesco, Louis Aragon, Jean-Marie Domenach, Claude Roy, Jean Daniel, Laurent Schwartz […] Günther Grass, Heinrich Böll, Arthur Miller, Saul Bellow, Eugenio Montale, Ignazio Silone, Stephen Spender und R ­ obert Conquest.«78 Wenige Wochen später kam es zu einer Solidaritäts­ erklärung, die Leszek Kołakowski mit der Bitte um Veröffentlichung an die Zeitschrift Kultura weiterleitete. Den »Apell zugunsten der polnischen Arbeiter«, in dem für internationalen Protest und Geldspenden geworben wurde, unterzeichneten neben ihm auch Włodzimierz Brus, Edward Lipiński, Czesław Miłosz sowie Daniel Bell, Robert Conquest, Pierre Daix, Golo Mann, Iris Murdoch, Laurent Schwartz und Ignazio Silone.79 Ähnlich motivierte Solidaritätsaufrufe lassen sich für die gesamte Zeitspanne zwischen den 1950er- und 1980er-Jahren, gehäuft allerdings seit den 1970er-Jahren finden. Neben Berichten über die Studentenproteste der Jahre 1957 und 1968 brachte beispielsweise der Londoner Robotnik die Arbeiter­ aufstände der Jahre 1956, 1970 und 1976 seinem Leserkreis im Ausland nahe.80 Anlässlich der traditionellen Feiern zum 1. Mai wandte er sich wiederholt mit Solidaritätsbekundungen an »die Arbeiterklasse in Polen«.81 Abgesehen von der Veröffentlichung einer ganzen Reihe von Protestbriefen gegen die geplanten Verfassungsänderungen des Jahres 1976 konzentrierten sich somit sowohl die in London als auch die in Paris erscheinenden Zeitschriften auf die Generierung von Solidarität mit der Situation der Arbeiter in Polen.82 Insbesondere die 77 Vgl. List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 12. grudnia 1977, AIL ML. 78 Vgl. o. V., Apel do światowej, S. 41–42. 79 Vgl. List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 14. grudnia 1976, AIL ML und List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 19. grudnia 1976, AIL ML. 80 Vgl. Ciołkosz, Chleb, S. 2; ders., Po zajściach, S. 1; ders., Drifting apart, S. 1; Szczurkowski, S. 6 f.; Wąsik, Ostatnie, S. 5; Podgórski, Students Riots, S. 24–31; Martin, S. 11–16 sowie o. V., Cześć Robotnikom, S. 3. 81 Vgl. unter anderem o. V., Polska Partia, (1963), S. 1; o. V., Polska Partia, (1965), S. 1 sowie o. V., Polska Partia, (1967), S. 1. 82 Vgl. o. V., List »Piędziesięciu dziewięciu«; o. V., »List czternastu«, S. 24 f. sowie S. 26 f.; o. V., Intelektualiści polscy, S. 1 f.; Smolar, Przeciwko legalizacji, S. 3–10; o. V., List »Piędziesięciu dziewięciu«, S.  12–14; o. V., Oświadczenie czternastu, S.  35 f.; o. V., Do delegatów, S.  14 f.; o. V., Do Przewodniczącego, S.  16–18; o. V., Do Komisji, S.  18 f.; Bieńkowski, List otwarty, S. 20–23 sowie ders., Głos w dyskusji, S. 77–79.

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massiven Verhaftungen und Entlassungen nach den Arbeitsaufständen in den Jahren 1970 und 1976 sowie das Verbot der Solidarność nach Ausrufung des Kriegszustandes dienten der zunehmenden Politisierung und Internationalisierung der inländischen Konflikte als Katalysatoren. So veröffentlichte die Zeitschrift Polish Affairs 1982 einen von polnischen Intellektuellen verfassten »Open Letter to Socialist Leaders in Western Europe« und 1983 eine Solidaritätserklärung der ICFTU in Form eines »Open Letter from the XIII World Congress of the International Confederation of Free Trade Unions«.83 Der ehemalige Erziehungsminister Władysław Bieńkowski wandte sich 1976 mit einem an die Vereinten Nationen weitergeleiteten »Offenen Brief« gegen die Inhaftierung polnischer Arbeiter und berief sich dabei auf die UN-Menschenrechts­ deklaration aus dem Jahr 1948.84 Der Schriftsteller Jerzy Andrzejewski richtete im Aneks eine Solidaritätsadresse an die inhaftierten Arbeiter und versuchte, ihnen Mut zuzusprechen.85 In der gleichen Ausgabe erschien ein »Offener Brief an den Genossen Edward Gierek« aus der Hand von Edward Lipiński, der bereits vor Ausbruch der Unruhen im Jahr 1976 zu weitreichenden Reformen aufrief und die Befürchtung einer Katastrophe angesichts der sozialen und ökonomischen Bedingungen des Landes äußerte.86 Auch Aleksander Smolar, der Herausgeber des Aneks, versuchte mehrfach, im Rahmen von redaktionellen Beiträgen und öffentlichen Veranstaltungen für die Situation der Arbeiter einzutreten.87 Am 8. Juli 1977 wandte sich Edward Lipiński mit einem individuellen Brief an die Generalsekretäre der Kommunistischen Parteien in Frankreich, Spanien und Italien und bat um Intervention zugunsten inhaftierter Mitglieder des KOR.88 Beachtliche Aufmerksamkeit im In- und Ausland erlangte jedoch vor allem der Brief Jacek Kurońs an Enrico Berlinguer, den damaligen Vorsitzenden des Partito Comunista Italiano (PCI). »Ich wende mich«, schrieb Kuroń 1976, »in Ihrer Funktion als Vorsitzender einer Arbeiterpartei, in Ihrer Funktion als Politiker, der um einen mit den Menschenrechten zu vereinbarenden Sozialismus kämpft und in Ihrer Funktion als Kommunist […] mit der Bitte um Hilfe für die polnischen Arbeiter an Sie. […] Die Arbeiter, die über keinerlei eigene Organisationen und Informationen verfügen, sind vollkommen wehrlos gegenüber den Repressionen. Ein neuerlicher Ausbruch [von Unruhen, d. Vf.] könnte zu einer Tragödie der polnischen Nation führen und den politischen Bankrott der gesamten Linken in Europa darstellen. […] Ich weiß, dass Westeuropa auf Ihre Meinung Wert legt, genauso wie die Regierung in Polen. Ich wende mich an 83 O. V., A Group, S. 36–39; o. V., World Congress, S. 30 f. sowie o. V., Bernard Braine, S. 18 f. 84 Bieńkowski, Open Letter sowie Maliszewski, S. 18–20. 85 Vgl. Andrzejewski, List Otwarty, S. 43 f. 86 Vgl. Lipiński, List Otwarty, S. 45–59. 87 Vgl. Smolar, Przeciwko legalizacji, S. 3–10; ders., Komentarz, S. 3–19; ders., Między ugodą, S. 3–18 und ders., Paradoksy liberalizacji, S. 3–37. 88 Vgl. Sowiński, Art. Edward Lipiński, S. 207–209.

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Ihr Gewissen. Auf dass es dieser Sache nicht gleichgültig gegenüberstünde«,89 schrieb Kuroń. Der Brief wurde am 18. Juli 1976 mithilfe von Korrespondenten der italienischen, amerikanischen und deutschen Nachrichtenagenturen ANSA, AP und Reuter an die Öffentlichkeit übermittelt.90 Schon zwei Tage später, am 20. Juli 1976, übersandte die PCI einen Antwortbrief an das ZK der PZPR, den der polnische Botschafter in Rom, Kazimierz Sidor, am 23. Juli 1976 dem stellvertretenden Vorsitzenden der Auslandsabteilung des ZK PZPR, Bogumił Sujka, zusandte. Die PCI reagierte vorsichtig, indem sie zwar einerseits den »fragmentarischen« Charakter der von Kuroń übersandten Informationen sowie ihr Unvermögen der Beurteilung ihres Wahrheitsgehaltes einräumte, gleichzeitig aber die Prozesse und Repressionen gegen polnische Arbeiter und das Fehlen ausländischer Korrespondenten während der Gerichtsverfahren bedauerte. Die Nachricht darüber würde »eine große Unruhe in der öffentlichen Meinung und in unserer Partei« auslösen. In ihrem von Gerardo Chiaromonte unterzeichneten Brief drängte die PCI die PZPR daher zur »Lösung Eurer Probleme« mithilfe mäßigender und begnadigender Entscheidungen.91 Die Reaktion der Warschauer Parteiführung ließ auf sich warten. Erst am 18. August 1976 gelangte eine von Edward Gierek persönlich autorisierte und zuvor mehrfach, unter anderem von den ZK-Sekretären Ryszard Frelek, Stanis­ ław Kania und Edward Babiuch, vor- und umgeschriebene Fassung des Antwortbriefes nach Italien. Die Parteiführung in Polen begründete darin die Notwendigkeit der Preiserhöhungen mit »ökonomischen Gründen«, die allerdings nicht »als Indikatoren einer etwaigen Krise« zu werten seien. In Radom und Ursus sei es zu Vandalismus gekommen. Bestraft würden jedoch, so die fälsch­liche Behauptung der Verfasser, nur diejenigen Arbeiter, die »kriminell« ge­worden seien, nicht aber das Gros derer, die lediglich ihre Arbeit niedergelegt und an den Protesten teilgenommen hatten. Ferner würden die Prozesse im Rahmen der geltenden Rechtsordnung abgehalten werden. Die PCI wiederum täte gut daran, so die polnische Reaktion, »wenn Briefe dieser Art [gemeint ist der Brief von Kuroń, d. Vf.] direkt den Adressaten treffen und nicht vorab Teil einer Pressekampagne werden würden«.92 Zeithistoriker, wie Andrzej Friszke, glauben, dass die Intervention der italienischen Kommunisten neben der Intervention des polnischen Episkopats für die im Februar und im Juli 1977 vorgenommene Amnestierung der inhaftierten Arbeiter ausschlaggebend gewesen wäre. Die zahlreichen Korrekturen innerhalb der polnischen Antwort auf den Brief der Italiener zeigen darüber hinaus, wie schwer das Regime sich mit einer adäquaten Reaktion tat.93 Im In89 Vgl. Kuroń, List Otwarty, S. 37–40 sowie ders., Opozycja, S. 74–76. 90 Vgl. Friszke, Z ziemi, S. 76–79 sowie ders., Z Ziemi. List Kuronia, S. 276–283, hier S. 277. 91 Vgl. ebd., S. 279. 92 Vgl. ebd., S. 281. 93 Das Schreiben der PCI sowie die verschiedenen Versionen des polnischen Antwortschreibens sind unter der Signatur KC PZPR 982 (850/19) im Archiv der Neuen Akten in Warschau einsehbar.

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land über die Kritik von einigen wenigen Oppositionellen, die zudem nur über äußerst eingeschränkte oder gar keine Möglichkeiten des Zugangs zu Massenmedien verfügten, hinwegzugehen, war nicht schwierig. Kritik aus dem Ausland zu überhören, gehörte sich jedoch schon unter diplomatischen Gesichtspunkten nicht. Hinzu kamen wirtschaftliche und politische Gründe, die in der zu­nehmend steigenden Abhängigkeit Polens von ausländischen Krediten immer häufiger miteinander verzahnt wurden. Vor allem seit Beginn des KSZEProzesses durfte die Vergabe von Finanzhilfen durch allzu drastische Menschenrechtsverletzungen nicht gefährdet werden. Dieses Dilemma erkannten die Oppositionellen und wussten es geschickt zu nutzen.94 Die hier als Medialisierung und als Politisierung beschriebenen Prozesse sind  – so lassen sich die bisherigen Ergebnisse zusammenfassen  – vor allem diesem Aspekt zuzuordnen. Durch das Ausweichen auf Medien, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit im Umfeld der polnischen Emigranten entstanden waren, erschloss sich die Dissidenz erstens weitreichende Informations- und Publikations­formen. Gleichzeitig jedoch erwirkte sie zweitens eine zunehmende Zahl an internationalen Solidaritäts- und Protestbekundungen. Beides zusammen führte zu einem steigenden Druck gegenüber dem kommunistischen Regime aus dem In- und Ausland. Ohne den tatsächlichen Einfluss und das tatsächliche Ausmaß dieses Drucks auf die Politik des Regimes im Rahmen dieser Arbeit überbewerten zu wollen, müssen seine positiven Folgen für die Formierung einer demokratischen Oppositionsbewegung in Polen in der Mitte der 1970er-Jahre herausgestellt werden. Die 1976 gegründete Gruppe KOR und die 1980 gegründete Solidarność konnten von den in den Vorjahren geknüpften Kontakten ins westeuropäische Ausland profitieren. Sie konnten nicht nur Zugang zu den Emigrationsblättern, sondern auch zu einer Reihe von eng­lischen, französischen, italienischen, deutschen und weiteren Presseerzeugnissen finden. Sie konnten für materielle Hilfe und für politische Unterstützung zugunsten von Oppositionellen werben. Vor allem aber konnten sie zu einer zeitlichen, räumlichen und zahlenmäßigen Verschiebung in der Art der Berichterstattung über die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Zustände in Polen beitragen. Welche Art der Beeinflussung von dem seit den 1970er-Jahren zu verzeichnenden Vorstoß der Oppositionellen in transnational funktionierende Kommunikationsstrukturen ausging, ist jedoch nicht leicht zu beurteilen. Barrieren, die aus der strafrechtlichen Verfolgung des Besitzes und des Transportes der besprochenen Emigrationszeitschriften, aber auch aus einer relativ lange währenden politischen Distanz gegenüber der Emigration herrührten, standen, wie gezeigt wurde, einer intensiven Zusammenarbeit zunächst entgegen. Gleichzeitig beruhte die Funktionslogik der im Ausland herausgegeben Schriften auf eigenen, dezidiert gegen das kommunistische Regime gerichteten Motivationen, die nicht immer mit der jeweiligen Situation der Dissidenz im Inland in Einklang 94 Vgl. Friszke, Opozycja, S. 400.

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zu bringen waren. Das schließlich doch erfolgte Einschwenken der linken Dissidenz auf die hier untersuchten transnationalen Kommunikationsformen speiste sich vor allem aus der endgültigen Verdrängung ihrer Führungsschichten aus legalen Möglichkeiten zur kritischen Stellungnahme innerhalb Polens nach 1968. Es verdankte sich dem Zustrom einer neuen, jüngeren, auf die Bedürfnisse der Opposition noch besser eingestellten Emigrationswelle. Und es erfolgte unter vordringlich pragmatischen Gesichtspunkten. Sowohl das Engagement einzelner Intellektueller und Politiker als auch das der Emigranten, die als vermittelnde Instanz fungierten, wurde immer dann, wenn es einen praktischen Bezug zur aktuellen Situation in Polen gab, angefragt und angenommen. Dass es sich im Fall der westeuropäischen Partner dabei häufiger, wenn auch keinesfalls ausschließlich, um die Suche nach potenziellen linken Solidargemeinschaften handelte, muss nicht heißen, dass es dabei auch zu tatsächlichen linken Wertegemeinschaften kam. Die vorangegangenen Abschnitte erlauben daher vor allem einen Einblick in das quantitative Ausmaß möglicher transnatio­naler Beziehungen auf materieller, personeller und intellektueller Ebene, während die folgenden Seiten zu einem qualitativen Urteil über die darüber erfolgte Be­ einflussung linker Dissidenz kommen sollen.

3.3 Wahrnehmungen und Wechselwirkungen Der mit der Frankfurter Schule verbundene Soziologe Jürgen Habermas schrieb 1990, dass die Revolution in Osteuropa sich »als eine gewissermaßen rück­ spulende Revolution zu erkennen [gebe], die den Weg frei macht, um versäumte Entwicklungen nachzuholen«.95 Rückspulend sei diese Revolution deshalb, weil sie auf alte nationale Symbole und an politische Traditionen und Parteienstrukturen der Vorkriegszeit zurückgreife; nachholend, weil »sich im revolutionären Zusammenbruch des bürokratischen Sozialismus ein Ausgreifen der Moderne an[kündige] – der Geist des Okzidents holt den Osten ein, nicht nur mit der technischen Zivilisation, sondern auch mit seiner demokratischen Tradition«, so Habermas. Für ihn waren denn auch die Revolutionen von 1989 vor allem ein Anschluss an die westeuropäische Moderne und deshalb auch »durch den fast vollständigen Mangel an innovativen, zukunftsweisenden Ideen«96 gekennzeichnet. Demnach müssten die hier untersuchten Dissidenten auf der transnationalen Ebene also vor allem die Möglichkeit eines Anschlusses an westeuropäische Entwicklungen und auf der nationalen Ebene vor allem die Möglichkeit einer Anbindung an polnische Erfahrungen aus der Vorkriegszeit gesucht und auch gefunden haben. Dass dem nicht so war, zeigen die letzten empirischen Kapitel dieser Arbeit, indem sie sich zwei Problemkomplexen 95 Vgl. Habermas, Nachholende Revolution, S. 180. 96 Vgl. ebd., S. 185 und S. 188.

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zuwenden: Sie behandeln erstens die Frage der Beeinflussung der linken Dissidenz durch die Diskurse polnischer Emigranten im Ausland. Und sie fragen zweitens nach der Beeinflussung der linken Dissidenz durch Diskurse west­ europäischer Linker. Neben einer gewissermaßen »innerpolnischen« Perspektive auf unterschiedliche Ansätze zur Demokratisierung des eigenen Landes sollen so auch die Grundtendenzen einer über Polen hinausgehenden Perspektive auf die entsprechenden Auseinandersetzungen einbezogen werden. Erst aus dem Zusammenspiel beider Faktoren – der nationalen und der trans­ nationalen Austauschebene – ergab sich jenes spezifische Diskussionsfeld, innerhalb dessen die linke Dissidenz ihre eigene Position ausbildete und schärfte. Als Teil einer transnationalen linken Werte- und Solidargemeinschaft verstanden, gleichzeitig aber nur äußerst lose mit dieser Gemeinschaft verbunden, konnten die hier untersuchten Dissidenten somit zu ihrer politischen Profilierung beitragen, ohne dabei ihre genuin nationale Situierung zu untergraben. Die Wahrnehmungen und Wechselwirkungen zwischen polnischen Dissidenten im Inland sowie polnischen Emigranten und westeuropäischen Intellektuellen im Ausland erschöpften sich somit nicht in gegenseitigen Perzeptionen, sondern wurden auch Teil gegenseitiger Problemzuweisungen und Projektionen. 3.3.1 Altes Polen oder neues Polen? Von nationalen Perzeptionen Der Kreis der Pariser Kultura werde von anderen, vor allem den Londoner ­ migrationskreisen »nicht gemocht«, beklagte Jerzy Giedroyc zu Beginn der E 1970er-Jahre. Gleichzeitig unterstellte er den Londonern eine bewusste Ghetto­ isierung. »Sie haben ihr Parlament, ihre Cafés und Restaurants, ihre Firmen, sie leben in einer vollständig geschlossenen Welt. […] Ihr größter Erfolg ist das Schreiben eines Briefes an die Times […]. In mir sehen sie einen Hoch­stapler. Und zwar, weil niemand hinter mir steht, weil ich nie Minister war, weil ich keiner Partei angehöre […].«97 Was ihn und seinen Kreis jedoch am deutlichsten »von der diesbezüglichen Meinung innerhalb der Emigration, aber auch innerhalb des Landes«98 trenne, sei, so Giedroyc, die Art, wie er das Verhältnis Polens zu seinen Nachbarn sehe. Antisowjetisch, aber nicht antirussisch ein­gestellt, sah die Kultura keinerlei Chance für die Anknüpfung an historische Erfahrungen der Zwischenkriegszeit und die aus dieser Zeit stammenden Parteistrukturen.99 Vielmehr plädierte sie dafür, die Strategie der demokratischen Opposition in Polen flexibel an die außen- und innenpolitischen Bedingungen anzupassen und – mit ihrer Unterstützung, – von der Gesellschaft selbst erarbeiten zu lassen. Gleichzeitig sprach sie sich dafür aus, das Verhältnis Polens zur Ukraine 97 Vgl. o. V., Wywiad Aneksu, Jerzy Giedroyc, S. 23–54, hier S. 38–39. 98 Vgl. ebd. S. 41. 99 Vgl. ebd. S. 42.

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und zu Russland, vor allem aber die Beziehungen dieser Länder zueinander zu normalisieren. »Nicht nur für uns ist es, aus egoistischen Gründen, wichtig, dass eine unabhängige Ukraine entsteht, dass uns etwas von Russland trennt«,100 schrieb Giedroyc. Derartige über Polen hinausgehende Überlegungen lassen sich für den ins Exil abgewanderten Zweig der PPS in dieser Ausgewogenheit nicht finden. »Die Wiedererlangung der Unabhängigkeit, die Beseitigung der Abhängigkeit Polens von Moskau, die Abschaffung der kommunistischen Diktatur sind die wichtigsten aktuellen Aufgaben«,101 schrieb Ciołkosz. Während die Kultura auf ein überparteiliches Programm der Demokratisierung setzte, blieb die PPS vor allem einer auf die Fortführung ihrer sozialistischen Parteilinie bedachten Politik und Strategie verpflichtet.102 Erst zum Ende der 1970er-Jahre lassen sich Ideen, die auf eine breite, zivilgesellschaftliche Aktivierung der Gesellschaft zielen, auch im Parteiorgan Robotnik finden.103 Es verwundert daher nicht, dass die Idee der Pariser Kultura, ein evolutionistisches Programm der allmählichen Liberalisierung des Landes zu entwickeln, von der PPS mit Skepsis betrachtet wurde.104 Vor allem die Hoffnung, die die Kultura auf die polnische Strömung des Revisionismus setzte, wurde von der PPS beargwöhnt. Auch sie beobachtete die politische und literarische Szene in Polen105 sowie den Bedeutungsrückgang des Marxismus in der Partei und innerhalb der Intellektuellen106. Dem wichtigsten Vertreter des Revisionismus, Leszek Kołakowski, bescheinigten Stimmen der Londoner Emigration jedoch, er sei ein »Träumer«, der noch weit entfernt wäre von einer Position wie der von Milovan Djilas.107 Der »Offene Brief« von Kuroń und Modzelewski hingegen wurde wegen seiner antidemokratischen Züge und seines Verharrens im Marxismus-Leninismus scharf angegriffen, wobei hinzugefügt wurde, dass »[…] nobody has ever achieved worthwhile results without trail efforts, some of which may seem naive or even exasperating.«108 Eine direkte Einflussnahme der Emigration auf die linke Dissidenz in Polen ist somit, zumindest in politischer Hinsicht, nur schwer zu belegen. Eine Aus100 Vgl. ebd. S. 43. 101 Vgl. Ciołkosz, Niepodległość, S. 1. 102 Vgl. Zaremba, Alternatywa Socjalistyczna, S.  1; o. V., Droga Socjalizmu, S.  6 f.; o. V., Alter­natywa Socjalistyczna, S.  2–4; o. V., Perspektywy polityki, S.  8; o. V., Rola, S.  10 ff.; ­Majkowski, Socjaliści, S. 3 f.; ders., Socjalizm, S. 18–19; Zaremba, Perspektywy Socjalizmu, S. 1 f.; Frayes, S. 5–6 sowie Ciołkosz, A Warning, S. 1–7. 103 Vgl. Karski, S. 1 ff. 104 Vgl. Mieroszewski, Ewolucjoniści, S. 3–9 sowie Ciołkosz, Rewizjoniści, S. 1; Wąsik, Polityczne, S. 4 f. und Mantel, Koniec Ewolucjonizmu, S. 60–72, insb. S. 68 ff. 105 Vgl. Danilewiczowa, S. 9–11; Mękarski, Literature, S. 6–9 sowie ders., Debate, S. 7–10. 106 Vgl. Mękarski, Communist Democracy, S. 2 f.; ders., Three Years, S. 6–9; ders., Intellectual Revisionism, S. 6–8; ders., Ideological Worries, S. 6–14 sowie Ciołkosz, Facing the Schism, S. 1 und ders., Prof. Schaff, S. 1. 107 So Mękarski, A doctrine, S. 8–10 und – mit ähnlicher Stoßrichtung – Winiarski, S. 2 sowie zur Dżilas-Rezeption Wimbor, S. 8. 108 Vgl. Zaremba, Open Letter, S. 16–20, hier S. 20.

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nahme bildet allenfalls die direkt auf das Schrifttum der Emigrationsschrift Kultura zurückzuführende Debatte über den Evolutionismus.109 Ihre wichtigste Wechselwirkung mit der Dissidenz im Inland erreichte die Pariser Zeitschrift tatsächlich um 1976, als Adam Michnik während seines Frankreichaufenthaltes die Ideen des Publizisten Juliusz Mieroszewski rezipierte und für seinen Schlüsseltext über die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der demokratischen Opposition im Inland neu interpretierte.110 Unter dem Titel »Neuer Evolutionismus«111 veröffentlicht, veränderte Michnik Mieroszewskis Konzept des »Evolutionismus«112 vor allem dahingehend, dass er seine Zielrichtung von einer inner- auf eine außerparteiliche Perspektive umlenkte. Nicht die Partei, sondern die Gesellschaft sollte als Motor der Demokratisierung Polens fungieren und dem Staat Räume zivilgesellschaftlicher Mitbestimmung abringen. Es ging ihm um eine Entwicklung, die – im Idealfall quer zu den üblichen politischen Differenzen – zu einer Ausdehnung der bürgerlichen Freiheiten und des bürgerschaftlichen Engagements führen würde und die von Mieroszewskis früherem Konzept des innerparteilichen Evolutionismus in Richtung Demokratie und Selbstbestimmung maßgeblich beeinflusst wurde.113 Noch am ehesten auf die unparteiischen Kreise um die Pariser Emigrationsschrift und eben nicht auf die im Londoner Exil agierende Sozialdemokratische Partei oder andere Strömungen lässt sich somit eine gewisse Einflussnahme polnischer Emigranten auf die hier untersuchten Dissidenten zurückführen. Dies zeigt auch eine Durchsicht der ausufernden Korrespondenz von Jerzy Giedroyc und der vergleichsweise sporadischen Korrespondenz von Adam Ciołkosz mit den hier untersuchten Milieuangehörigen.114 Mit Edward Lipiński und Antoni Pajdak gehörten zwar mehrere prominente Mitglieder der Vorkriegs-PPS dem 1976 in Warschau gegründeten Komitee zur Verteidigung der Arbeiter an.115 Ein weiteres Mitglied des KOR, Jan Józef Lipski, gehörte zu den Mitinitiatoren der 109 Zur ausführlichen Auseinandersetzung mit der Idee des Evolutionismus sowie diesem und weiteren Vorläufern des zivilgesellschaftlichen Ideenguts in Polen vgl. Arndt, Intellektuelle, insb. S. 59 ff. und S. 121 ff. 110 Zur politischen Ausrichtung der Zeitschrift insgesamt vgl. Friszke, Polen und Europa, S. 35–58; ders., Przedmowa, S. 5–9; ders., Jerzego Giedroycia, S. 11–36 sowie Korek, insb. S. 301 ff. und Kopczyński, insb. S. 65 ff. 111 Vgl. Michnik, Nowy Ewolucjonizm, S. 77–87. 112 Vgl. Mieroszewski, Ewolucjonizm und darin insb. die Aufsätze »Strona bierna« und »­Model roku 19??« auf S. 41–48 beziehungsweise S. 49–57. 113 Vgl. Michnik, O oporze, S. 93–109. 114 Vgl. unter anderem die bereits erwähnten Briefwechsel von Jerzy Giedroyc mit Leszek Kołakowski aus den Jahren 1957–1958 und 1971–1988, mit Adam Michnik aus den Jahren 1976–1986 sowie mit Jan Józef Lipski aus den Jahren 1957–1987, die im AIL ML erhalten sind. Eine grobe Durchsicht der im IPMS erhaltenen Korrespondenz von Adam Ciołkosz aus den Jahren 1956 bis 1976 ergab hingegen nur vereinzelte Briefwechsel mit linken Dissidenten in Polen, unter anderem mit Barbara Toruńczyk. Giedroyc und Ciołkosz korrespondierten wiederum in den Jahren 1959–1964 und 1966–1974 miteinander. 115 Vgl. o. V., Posłanie, S. 7.

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1987 wiederbegründeten PPS in Polen.116 Zur Mitwirkung an dieser Wiederbegründung konnte er seine Freunde aus dem KOR allerdings nicht überreden. Die PPS zerfiel binnen weniger Jahre an innerparteilichen Zerwürfnissen zwischen eher gemäßigten und radikalen Mitgliedern. Glaubt man dem Urteil eines Historikers, dann lag gerade in der fehlenden Integration des hier untersuchten linken Dissidentenmilieus um Michnik und Kuroń der zentrale Geburtsfehler der neuen Sozialdemokratischen Partei Polens.117 Auch wenn diese Dissidenten sich etwa im Rahmen ihrer Tätigkeit für die regimekritische Zeitschrift Krytyka zur Tradition der PPS bekannten118 – an die Parteistrukturen der Vorkriegszeit anzuknüpfen, lag nicht im Interesse des Milieus, das sich im Verlauf seiner politischen Entwicklung zwar ein Stück weit sozialdemokratisierte, in organisatorischer Hinsicht letztlich aber eher in Richtung sozialer Bewegungen entwickelte.119 Was gegenüber theoretischen Anleihen überwog, waren praktische Hilfs­ leistungen, die vor allem darin bestanden, ein mögliches Beziehungsgeflecht zwischen polnischer Dissidenz und Emigration auf der einen und polnischer Dissidenz und intellektuellen Kreisen in Ost- und Westeuropa auf der anderen Seite überhaupt erst herzustellen. Dem dienten zum einen zahlreiche Debatten, die die Kultura und später der Aneks beispielsweise über »das sozialistische Gedankengut«,120 über »das Christentum und den Sozialismus«121 oder über die Möglichkeit einer Rückbesinnung auf ein »transzendentes Sinnsystem«122 eröffneten. Vor allem auf diesem Wege konnte die polnische Dissidenz etwas über außenpolitische Themen wie »die Beziehungen zwischen Ost und West«,123 »die Friedensbewegung«124 oder die »amerikanischen Neokonservativen«,125 aber auch über innenpolitische Fragen wie »die Perspektiven der polnischen Wirtschaft«,126 »das Verhältnis zwischen Intellektuellen, Solidarność und Re­ 116 Vgl. Kolekcja Jan Józefa Lipskiego, AO III/13 sowie Polska Partia Socjalistyczna PPS, AO IV/12. 117 Vgl. Chwedoruk, Socjaliści, S. 15. 118 Vgl. Kuroń, Od redakcji krytyki, S. 198–203, hier S. 198. 119 Zu den Einzelheiten dieses Prozesses vgl. Kapitel 4.2 dieser Arbeit. 120 Vgl. o. V., Wywiad Aneksu, Cornelius Castoriadis, S. 44–55 sowie Howe, S. 73–86. 121 Vgl. unter anderem die Beiträge von Kołakowski, Słowo wstępne, S. 60–64; ders., O tak, S. 160–170; Korybut, S. 65–82; Chmielewska, S. 83–107; Walecki, S. 113–120; Krzysztofor, S. 121–133; Baczan, S. 151–159 und Otava, S. 171–182. 122 Vgl. unter anderem die Beiträge von Dorosz, S. 47–50; Bell, Powrót sacrum, S. 51–66; Ellul, S. 83–96 und Kołakowski, Język i sacrum, S. 148–180. 123 Vgl. die Beiträge von Brzeziński, Potęga ZSRR, S.  3–19; Garton Ash, Polityka Niemiec, S. 20–38 und Michnik, Kilka uwag, S. 39–47. 124 Vgl. die Beiträge von Rupnik, Wstęp, S. 3–7; Hassner, Pacyfizm i terror, S. 8–20; Thompson, Normalizacja, S. 21–34 und Racek, S. 34–39. 125 Vgl. die Beiträge von Lipset, S. 89–113 und Berger u. Berger, Nasz konserwatyzm, S. ­114–127. 126 Vgl. unter anderem o. V., Uwagi o sytuacji, S. 10–40 sowie die entsprechenden Kommentare von Lipiński, Słowo wstępne, S.  7–9; Drewnowski, S.  50–54; Gomułka, Propozycje, S. 55–60 und Niedbał u. a., S. 61–72.

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gierung«127 oder über »Polen nach Ausrufung des Kriegszustands«128 erfahren. Und auch über den deutschen Historikerstreit las sie zunächst im Aneks.129 Inhaltlich versuchte vor allem der Chefredakteur der Kultura, Jerzy Giedroyc, konkreten Einfluss zu nehmen. 1976 regte er an, eine Liste der wichtigsten »Minimalforderungen«, die an das Regime zu richten wären, zu erstellen. Leszek Kołakowski nahm die Idee auf und schlug vor, sie mit Adam Michnik, den er im August 1976 zu einem Besuch in Oxford erwartete, sowie mit dem ebenfalls nach Oxford emigrierten Włodzimierz Brus zu besprechen.130 1977 bat Giedroyc Kołakowski, etwas über die Philosophen André Glucksmann, Bernard-Henri Lévy und Jean Marie Benoist zu schreiben, von denen er glaubte, dass ihre Bücher und ihre Denkrichtung »für unsere jungen Freunde in Warschau« möglicherweise von großer Bedeutung wären.131 Vermutlich noch wichtiger waren aber jene geschickt vermittelten Hilfsleistungen, die der direkten Vernetzung des Milieus und seiner Unterstützung dienten. Nachdem Giedroyc zunächst noch Hoffnungen in die Politik Gomułkas setzte, seit 1958 aber die zunehmende Rücknahme bürgerlicher Freiheiten beobachtete, trat er im selben Jahr mit dem Vorschlag, den entlassenen Redakteuren der Nowa Kultura »effektiv, aber möglichst diskret« zu helfen sowie eine Anthologie ihrer regimekritischen Texte zu veröffentlichen, an Leszek Kołakowski heran.132 Über Aniela Steinsbergowa versuchte er, an publika­ tionsfähige Informationen über politische Prozesse in Polen zu gelangen.133 Von ­Barabara Toruńczyk erhielt er einen Bericht über das Parteiausschlussverfahren gegen Kołakowski.134 Immer wieder bemühte er sich, Geld für Inhaftierte und deren Familien oder für Erkrankte, wie den auf eine Herzoperation angewiesenen Jan Józef Lipski, zu sammeln.135 Geld habe er, so Giedroyc, es fehle aber an Möglichkeiten, es zu übergeben.136 Mithilfe von Adam Ciołkosz und einer 127 Vgl. unter anderem den Beitrag von Walicki, Myśli, S. 82–104 sowie die Kommentare von Lipski, W odpowiedzi, S. 82–104; Holzer, O próbach, S. 3–11; Kołakowski, Winni, S. 12–25 und Surdowski, S. 26–38. 128 Vgl. unter anderem die Beiträge von Kuroń, Tezy o wyjściu, S. 2–8; Michnik, Polska wojna, S. 9–23; Kołakowski, Ja będę, S. 56–58 und Gomułka, Patologie, S. 59–67. 129 Vgl. Habermas, Sposób, S. 24–34, hier S. 34 sowie Smolar, Uwagi wstępne, S. 3–14; Stürmer, S. 15–18; Nolte, O przeszłości, S. 19–23 und Meier, S. 43–57. 130 Vgl. List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 3. sierpnia 1976, AIL ML. 131 Vgl. List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 14. sierpnia 1977, AIL ML; List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 20. września 1977, AIL ML und List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 3. października 1977, AIL ML. 132 Vgl. List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 16. kwietnia 1958, AIL ML und List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 27. maja 1958, AIL ML. 133 Vgl. List Jerzego Giedroycia do Adama Ciołkosza z dn. 4. lipca 1962, AIL ML. 134 Vgl. Barbara Toruńczyk, Sprawa Leszka Kołakowskiego, bez daty, AIL ML. 135 Vgl. List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 8. kwietnia 1976, AIL ML; List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 13. kwietnia 1976, AIL ML und List ­Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 30. grudnia 1977, AIL ML. 136 List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 12. stycznia 1977, AIL ML.

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Zweigstelle von Amnesty International in Brighton gelang es, die finanzielle Unterstützung für die Familien von Kuroń und Modzelewski sicherzustellen.137 Über Edward Lipiński, dessen Geldeingänge nicht konfisziert wurden, gelangten anonyme, unter anderem vom westdeutschen Spiegel ausgehende Spenden für das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter ins Inland.138 Hinzu kam Giedroyc Hilfe bei der Vermittlung von Kontakten, Konferenzen und Stipendien.139 Besuche im Haus der Redaktion in Maisons-Laffitte bei Paris gehörten demnach zum festen Ritual dissidenter und – wie im Falle Adam Schaffs, der 1958 überraschend um ein Gespräch »off the record«140 bat – auch einzelner partei­ treuer Hilfesuchender. Diese Art der Vernetzung konnte bei der Verarbeitung biografischer Brüche eine zentrale Rolle einnehmen. Wer aus politischen Gründen Polen verließ oder verlassen musste, konnte am Redaktionssitz der Kultura eine erste Anlaufstelle finden. Für Schriftsteller wie etwa Czesław Miłosz, der Ende der 1950erJahre zur Pariser Emigration dazu stieß, bedeutete dies nicht nur eine konkrete Hilfe in praktischen Dingen. Neben der Möglichkeit, zunächst im Haus Maisons-Laffitte zu übernachten sowie Unterstützung in finanziellen und organisatorischen Dingen zu erhalten, kann vor allem der emotionale Halt der auf diese Weise entstehenden Gemeinschaft nicht hoch genug eingeschätzt werden. Für die meisten der bildungsbürgerlichen Eliten, die das Land verließen, war gerade die Zugehörigkeit zu dieser Gemeinschaft, die sich, durch den Zustrom weiterer Emigranten, mit ihren gesellschaftlichen Netzwerken in Polen überlappte oder jene schließlich ersetzte, sehr wichtig. Sie schützte auf psychologischer, aber auch materieller Ebene vor den oft massiven Verlusten, die mit einer Emigration einhergingen. Vor allem aber bemühte sich insbesondere der Kreis der Pariser Kultura um die Aufrechterhaltung gewisser Kontinuitätslinien. Wer in Polen wissenschaftlich oder publizistisch tätig war, wer sich für sein Land und seine 137 Vgl. List Adama Ciołkosza do Jerzego Giedroycia z dn. 26.  stycznia 1967, AIL ML; List Adama Ciołkosza do Jerzego Giedroycia z 16. marca 1967, AIL ML und List Jerzego Giedroycia do Adama Ciołkosza z dn.14. marca 1967, AIL ML. 138 Vgl. List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 19.  grundia 1976, AIL ML; List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 18. maja 1977, AIL ML; List Leszka Kołakowskiego i Włodzimierza Brusa do Gustawa Herlinga-Grudzinskiego z dn. 10. grudnia 1977; List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 22. grundia 1976, AIL ML; List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 12. stycznia 1977, AIL ML und List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 1. lutego 1977, AIL ML. 139 Vgl. List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 4.  lipca.1957, AIL ML; List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 1. lutego 1958, AIL ML; List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 8. lutego 1958, AIL ML; List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 27. lutego 1958, AIL ML; List Jerzego Giedroycia do ­Leszka Kołakowskiego z dn. 6. kwietnia 1958, AIL ML; List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 17. maja 1958, AIL ML und List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 20. maja 1958, AIL ML. 140 Vgl. List Jerzego Giedroycia do Leszka Kołakowskiego z dn. 6. kwietnia 1958, AIL ML und List Leszka Kołakowskiego do Jerzego Giedroycia z dn. 14. grudnia 1976, AIL ML.

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Politik interessierte, der konnte in der Emigrationsschrift ein Forum zur Publikation in eigener Sprache und in eigenen Belangen finden. Die in privater und professioneller Hinsicht oft mit einer Degradierung einhergehende Emi­gration konnte so zumindest in Teilen aufgefangen werden. Für die in Polen verbliebenen Dissidenten konnten wiederum Zugangswege zu Zeitschriften, Büchern und Menschen sowie ein gewisses Maß an intellektuellem, über die Regimegrenzen hinausgehendem Austausch aufrechterhalten werden. Strategiewechsel im Umgang mit dem Regime sollte das dissidente Milieu jedoch – zumindest für die Zeit zwischen 1956 und 1976 – meist eigenständig entwickeln und anwenden. Bis auf die Debatte über den Evolutionismus lässt sich keine Diskussion innerhalb der Emigration finden, die von nachhaltigem Einfluss auf die Entwicklung der Dissidenz im Inland gewesen wäre. Dies gilt jedoch nur für die Zeitschriften Robotnik, Kultura und Aneks im hier untersuchten Zeitraum, also vor Gründung des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter und der Solidarność. Ob dieser Befund auch für die Zeit nach 1976 gelten kann, müssten weiterführende Arbeiten, die sich beispielsweise den oben erwähnten Diskussionsforen des Aneks in den 1980er-Jahren zuwenden könnten, prüfen. 3.3.2 Alte Linke oder Neue Linke? Von transnationalen Projektionen Wie im Falle des Beziehungsgeflechts zwischen Dissidenten und Emigranten lässt sich auch das Verhältnis zwischen Dissidenten und westeuropäischen Linken vor allem auf strategische Aspekte reduzieren. Zwar suchten die hier einbezogenen Dissidenten immer wieder die Nähe zu politischen und intellektuellen Netzwerken aufseiten der europäischen Linken. Bei der Suche nach dieser Nähe überwogen jedoch meist praktische gegenüber theoretischen Gesichtspunkten. Von der Identifizierung und Solidarisierung mit einer transnationalen Linken versprach sich die Dissidenz, wie weiter oben gezeigt wurde, einen effekt­vollen Angriff auf die Propagandapolitik ihres Landes. Diese sollte durch den Beweis ihrer nicht eingehaltenen Versprechen und durch den Druck der internationalen Gemeinschaft ad absurdum geführt werden. Zu diesem Zweck wurde eine linke Werte- und Solidargemeinschaft, dort, wo sie de facto kaum vorhanden war, im Notfall eben erfunden. Dies gilt insbesondere für jene kurze Phase, in der polnische Dissidenten sich um einen Zugang zum Eurokommunismus oder aber zu den Protestbewegungen der sogenannten Neuen Linken um 1968 und danach bemühten. Gleichzeitig differierten diese Bemühungen und das Interesse für westeuropäische Entwicklungen vor allem unter genera­ tionsspezifischen Aspekten. Während die jüngsten Dissidenten um Adam Michnik mit großer Offenheit an eine Vielzahl linker Strömungen in Europa Anschluss zu finden suchten, versperrte sich vor allem die mittlere Generation um Leszek Kołakowski einer vermeintlichen Nähe zu bestimmten Strömungen 201 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

der westeuropäischen Linken. Dieser Unterschied sowie weitere Besonderheiten des Beziehungsgeflechts zwischen der Dissidenz in Polen und Kreisen der kommunistischen und der nicht kommunistischen Linken in Westeuropa sollen an drei empirischen Fallbeispielen deutlich gemacht werden. Es handelt sich hierbei um die wenigen aussagekräftigen und in polnischen Archiven erhaltenen Diskurse linker Dissidenten mit westeuropäischen Vertretern der sogenannten Alten und Neuen Linken sowie mit Vertretern des Eurokommunismus. Den auffälligsten Hinweis auf ein von gegenseitigem Unverständnis überlagertes Verhältnis liefert eine Auseinandersetzung zwischen dem polnischen Philosophen Leszek Kołakowski und dem britischen Historiker Edward P. Thompson, die in den Jahren 1973 bis 1974 im Rahmen eines öffentlichen Briefwechsels ausgetragen wurde.141 Sie entzündete sich an kritischen Aussagen von Kołakowski, die dieser zu Beginn der 1970er-Jahre in verschiedenen Interviews und Zeitschriftenartikeln über die Zukunft von Marxismus und Sozialismus geäußert hatte.142 Thompsons einhundert Seiten umfassender »­Offener Brief«143 wurde 1973 im Socialist Register, einer von Ralph Miliband und John Saville als Sprachrohr der »Neuen Linken«144 begründeten Zeitschrift, ver­ öffentlicht. Dort folgte 1974 auch Kołakowskis Entgegnung.145 Thompson, der 1963 mit »The Making of the English Working Class«146 eine der einflussreichsten Studien zur Sozialgeschichte Großbritanniens vorgelegt hatte, konzentrierte sich in seinem Brief vor allem auf den Vorwurf, Kołakowski habe, seitdem er in den Westen emigriert sei, nur wenige Versuche unternommen, in einen Dialog mit denjenigen einzutreten, »die sich für seine Freunde hielten«. Für Thompson sprach allein die Tatsache, dass Kołakowski massive Kritik am »real existierenden Sozialismus« im Rahmen von Zeitschriften wie des von den Amerikanern finanzierten Encounters übe, für einen Verrat an früheren Weggefährten. Als »dissidente britische Kommunisten« hätten diese schließlich einiges dazu beigetragen, um Kołakowskis Werke in Blättern wie dem New Reasoner zu verbreiten.147 Was hierauf folgte, war eine lange Auseinandersetzung mit drei Aussagen von Thompson. Kołakowski irritierte erstens Thompsons Behauptung, der Stalinismus sei in Teilen von westeuropäischen Mächten mitverursacht worden. 141 Eine erweiterte und überarbeitete Fassung dieses Teilabschnitts der Dissertation über die Auseinandersetzung zwischen Thompson und Kołakowski ist unter dem Titel Arndt, Bedeutungsverlust, S. 89–114 erschienen. 142 Vgl. Kołakowski, Intellectuals; ders., Intellectuals against Intellect sowie die entsprechenden Ausführungen bei Thompson, An Open Letter, S. 33–35 und S. 88 ff. 143 Vgl. Thompson, An Open Letter, S. 1–100. 144 So die Selbstauskunft der Zeitschrift, die über eine Internetpräsenz und ein digitales Archiv verfügt, zuletzt eingesehen am 30.06.2011 unter http://socialistregister.com/index. php/srv. 145 Vgl. Kołakowski, My correct Views, S. 1–20. 146 Vgl. Thompson, The Making. 147 Vgl. ders., An Open Letter, S. 2, S. 80 und insb. S. 87 f.

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Er polemisierte zweitens gegen Thompsons Glauben an das »humanistische ­ otenzial« des Kommunismus. Und er kritisierte drittens das Argument, dass P fünfzig Jahre für einen Historiker ein zu kurzer Zeitraum seien, um ein soziales System zu beurteilen.148 Kołakowski gab seinem Unmut über Thompsons Sichtweise Ausdruck, indem er ihn unter anderem mit einer Unkenntnis historischer Sachverhalte und einer aus seiner Sicht für orthodoxe wie kritische Kommunisten sehr geläufigen Haltung konfrontierte: Beide würden so lange glauben, dass mit der kommunistischen Bewegung alles in Ordnung wäre, solange die Führungskräfte der entsprechenden Parteien nicht ermordet würden.149 Er jedoch weigere sich schlicht, Gruppen anzugehören, die bei jeder in den USA verübten Ungerechtigkeit lautstark ihre Entrüstung bekunden würden, die aber in Bezug auf die Bewertung der Verbrechen der »neuen alternativen Gesellschaft« einem »kühlen Rationalismus« zu verfallen schienen. Dies sei nur einer der Gründe für das Misstrauen, das die Menschen in Ostmitteleuropa der westlichen Neuen Linken entgegenbringen würden. »Durch einen merkwürdigen Zufall«, so Kołakowski, würde »die Mehrheit dieser undankbaren Menschen, sobald sie sich in West­ europa oder den USA niederlasse, zu Reaktionären mutieren« und in ihrer eigenen biografischen Erfahrung einen Vorwand zum Zweifeln an der »strahlenden Zukunft«, die »von den Ideologen der Neuen Linken« auf marxistisch-leninistischer Grundlage für die westlichen Länder vorausgesehen wurde, sehen.150 Selbst wenn die Menschen in Ostmitteleuropa dazu neigen würden, die so­ zialen Probleme, vor denen Westeuropa stünde, zu unterschätzen, würden sie doch zu Recht auf diejenigen westlichen Intellektuellen herabschauen, die »unfähig sind, auch nur einen Sachverhalt unserer Geschichte richtig wiederzugeben oder zu sagen, welchen barbarischen Dialekt wir sprechen, jedoch gleichzeitig imstande sind, uns beizubringen, wie befreit wir im Osten eigentlich seien.« Diese Menschen hätten nur eine Antwort auf die Probleme der Menschheit und die bestünde »im Wiederholen von ein paar Phrasen«, die die Menschen in Ostmitteleuropa »seit 30 Jahren auf jeder Parade anlässlich des 1. Mai hören und in jeder Parteibroschüre nachlesen« können würden.151 Zum Zeitpunkt der Kontroverse glaubte Kołakowski weder an die Zukunft des Kommunismus noch an die Allgemeingültigkeit des theoretischen Gehalts des Marxismus.152 Thompson hingegen strebte die Verwirklichung einer politischen Utopie an, die, nach seiner Aussage, eine Welt im Sinne von D. H. Lawrence wäre, innerhalb derer das »humanistische Potenzial« des Kommunismus zur Geltung kommen würde: Einer Welt, »in der Männer und Frauen in Gemeinschaften leben würden, die  – wie Zisterzienserklöster angesiedelt  – von 148 Vgl. ebd., S. 2 und S. 70. 149 Vgl. Kołakowski, My correct Views, S. 4 f. 150 Vgl. ebd., S. 6. 151 Vgl. ebd., S. 11 f. 152 Vgl. ebd., S. 9 und S. 17–18.

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wunderbarer natürlicher Schönheit umgeben und durch eine Kombination agrarwirtschaftlicher, industrieller und intellektueller Beschäftigungsmöglichkeiten geprägt sein würden. Andere würden vielleicht die Vielfalt und Geschwindigkeit eines städtischen Lebens bevorzugen, das die Vorzüge der Stadt-Staaten wieder zum Vorschein bringen könnte. Wieder andere würden sich für ein Leben in Abgeschiedenheit entscheiden, und viele würden zwischen den drei Möglichkeiten hin und her wechseln. Gelehrte würden den Disputen verschiedener Schulen – in Paris, Jakarta oder Bogotá – folgen.«153 Eine Welt dieser Art zu erschaffen, sei, ob mit Marx, Shakespeare oder anderen begründet, absolut wünschenswert, polemisierte Kołakowski. Und natürlich wäre Thompson klar im Vorteil, wenn er wüsste, wie seine Vision zu verwirklichen sei, während ihm, Kołakowski, lediglich auffalle, dass er mit steigendem Alter immer dümmer werde und dass er an die Allwissenheit, die er im Alter von 20 oder auch noch 28 Jahren besessen hätte, kaum mehr herankomme.154 Trotz der von Thompson im letzten Satz geäußerten Einladung zu einem »Drink auf die Erfüllung des Jahres 1956«155 endete die briefliche Auseinandersetzung denn auch nicht mit einer Aussöhnung.156 Die Tatsache, dass Kołakowski sich der Einvernahme in einen gemeinsam zu führenden Deutungskampf um die Zukunft des Marxismus bewusst entzog, während Thompson einen solchen Deutungshorizont auf europäischer Ebene zu skizzieren versuchte, ist bezeichnend für den Umgang linker Dissidenten in Polen mit linken Intellektuellen und Politikern in Westeuropa. In vergleichender Hinsicht lässt sich diese Auffälligkeit unter anderem als das Ergebnis einer zunächst ähnlich motivierten Affinität zweier durch vergleichbare persön­liche und berufliche Erfahrungen geprägter Männer zur Idee des Marxismus er­k lären. Beide Männer wurden in der Zwischenkriegszeit sozialisiert und aus der Ablehnung des Faschismus heraus politisiert. Leszek Kołakowski, am 23. Oktober 1927 im polnischen Radom geboren, trat 1945 der Polska Partia ­Robotnicza (PPR)  – seit 1948 Polska Zjednaczona Partia Robotnicza (PZPR)  – bei. Edward P ­ almer Thompson, am 3. Februar 1923 im englischen Oxford auf die Welt gekommen, wurde 1952 Mitglied der Communist Party of Great Britain (CPGB). Beide Wissenschaftler waren jenseits ihrer faktischen Mitgliedschaft innerhalb der betreffenden Parteistrukturen auch politisch und wissenschaftlich engagiert. Kołakowski war Mitarbeiter der 1950 gegründeten und 1954 in das Institut für Gesellschaftsstudien überführten marxistischen Forschungsund Ausbildungsstelle des Zentralkomitees der PZPR. Thompson hingegen wurde als Verfechter einer marxistisch orientierten Geschichtswissenschaft im Rahmen der Communist Historians Group politisiert, die 1952 die Zeitschrift Past & Present gründete. Doch während im Falle von Kołakowski sein Eintritt 153 Vgl. Thompson, An Open Letter, S. 78. 154 Vgl. Kołakowski, My correct Views, S. 14 und S. 8. 155 Vgl. Thompson, An Open Letter, S. 95. 156 Vgl. Kołakowski, My correct Views, S. 19 f.

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in die PZPR früher und sein erzwungener Austritt genau zehn Jahre später als bei Thompson erfolgten, ist dieser nur vier Jahre lang Mitglied in der CPGB gewesen. Er wurde Teil einer dissidenten, aus der kommunistischen Partei hervorgegangenen Gruppierung, die später mit dem Begriff einer »First New Left« bezeichnet wurde.157 Diese sei, so Stuart Hall als damals Beteiligter, 1956 aus der Erfahrung der sowjetischen Unterdrückung des Aufstands in Ungarn und der britischen und französischen Invasion des Suezkanals, mit dem Ziel »der Definition einer dritten Sphäre zwischen diesen beiden Metaphern«158 entstanden. Anders als Kołakowski, der seiner Abkehr von der Idee eines reformierten Sozialismus bereits 1971 auch publizistisch Ausdruck verliehen hatte, glaubte Thompson also auch zum Zeitpunkt seines »Offenen Briefes« 1973 noch immer an die Zukunft einer humanistischen »sozialistischen Alternative«.159 Dabei bezog er sich auf das Jahr 1956, für ihn offenbar die Chiffre einer gemeinsamen politischen und ideologischen Tradition ostmittel- und westeuropäischer Intellektueller. Doch auch auf diesen Versuch der Herstellung einer revisionistisch orientierten Werte- und Solidargemeinschaft antwortete sein polnischer Kollege ablehnend. Die Menschen in Ostmitteleuropa würden weder an den Revi­sionismus noch an den Sozialismus glauben. Was sie wollten, das seien »nationale Unabhängigkeit, mehr politische und soziale Freiheit sowie bessere Lebensbedingungen […]«.160 Das Jahr 1956, so Kołakowski, war »ein wichtiges Jahr und auch die daran geknüpften Illusionen waren wichtig. Doch sie zer­ fielen schon kurz, nachdem sie aufgekommen waren.«161 Thompsons und Kołakowskis Gemeinsamkeiten in Bezug auf die Verarbeitung des Bedeutungsrückgangs des Marxismus sind also vor allem für die beginnenden 1950er-Jahre und damit während der für beide Parteien geltenden Suche nach »nationalen Wegen« zum Kommunismus zu finden. Nach 1956 und der Niederschlagung des Ungarnaufstands begannen diese Gemeinsamkeiten jedoch zunehmenden Differenzen zu weichen, die mit der jeweils unterschiedlich konturierten privaten und politischen Situation beider Dissidenten erklärt werden können.162 Während Kołakowski mangels Alternativen innerhalb eines autoritären Regimes parteiinterne Kritik an der Reformunfähigkeit des politischen Systems in Polen übte und zunehmenden Repressionen aus­ gesetzt wurde, wich Thompsons Kritik mit seinem Austritt aus der Partei 1956 in einen Bereich legaler, öffentlicher Debattenkultur im Rahmen unabhän­giger, wissenschaftlicher und politischer Zeitschriften in einer etablierten parlamen157 Vgl. Kenny. 158 So Hall, Life and Times. 159 Vgl. Kołakowski, Tezy o nadziei, S. 3–12. 160 Vgl. ders., My correct Views, S. 18. 161 Vgl. ebd., S. 18. 162 Neben dem hier interessierenden transfergeschichtlichen Aspekt lässt sich der Briefwechsel auch aus einer innerbritischen Perspektive, und zwar als Versuch der Selbstbestimmung im Rahmen einer kontrovers geführten Debatte innerhalb der britischen Neuen Linken, verstehen, vgl. Lindenberger, Empirisches Idiom, S. 439–456, insb. S. 452 f.

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tarischen Demokratie aus. Seine Haltung zum Marxismus wurde damit zunehmend intellektualisiert und idealisiert, die von Kołakowski aber politisiert und desillusioniert. Ihren entscheidenden Unterschied erfuhren ihre jeweiligen Einstellungen vor der Folie des Stalinismus und des »real existierenden Sozialismus«. Während Thompson in dieser Hinsicht zwar Fehler einräumte, diese aber letztlich mit dem Argument relativierte, fünfzig Jahre seien ein zu kurzer Zeitraum zur Bewertung sozialer und politischer Systeme, war Kołakowski, auch aufgrund der eigenen, persönlichen Erfahrungen, inzwischen von der grundsätzlichen, verbrecherischen Natur kommunistischer Regime überzeugt. Gleichwohl wurden ihre Verstrickungen in diese Regime und ihr Eintritt in die jeweiligen kommunistischen Parteien während der Hochphase des Stalinismus von beiden Intellektuellen in dem genannten Briefwechsel nur unzureichend reflektiert. Der, im Falle von Thompson virulente, weil politisch unerprobte, und im Falle von Kołakowski abgelehnte, weil im kommunistischen Polen gescheiterte Versuch, den Sozialismus zu reformieren, ist somit der zentrale Ausgangspunkt für die Beschreibung der Differenz, aber auch der diskursiven Verflechtung zwischen beiden Akteuren. So wertete Thompson die phasenweise Zugehörigkeit zu einer mit einem starken Internationalisierungsanspruch auftretenden kommunistischen Partei und den Bezug auf marxistisches Gedankengut in ihrem wissenschaftlichen Schrifttum als gemeinsame »marxistische Tradition«, der beide Intellektuelle ange­hören würden. Vor allem in der international artikulierten Kritik am Einmarsch der sowjetischen Streitkräfte in Ungarn und der durch das Bekanntwerden des Geheimreferats Chruschtschows ausgelösten Bemühungen um eine Liberalisierung des ostmitteleuropäischen Kommunismus sah der Brite die Herausbildung einer identitätsstiftenden, transnational ausgerichteten Werteund Diskursgemeinschaft. Auf transfergeschichtlicher Ebene begründet wurde sie bei ihm auch durch die Kenntnis einer Reihe von englischsprachigen Auf­ sätzen Kołakowskis und anderer Autoren der Nowa Kultura und des Po Prostu, deren Publikationen von einem seiner Kollegen, Alfred Dressler, für die britische Neue Linke verfolgt wurden.163 Den tatsächlichen Stellenwert dieser dissidenten Diskursgemeinschaft schien jedoch auch Thompson nicht ohne einen gewissen Grad an Ambivalenz zu sehen. Denn 1973 »kommunistischer Dissident oder Revisionist« zu sein, bedeute, die Qualität einer »zweifach abgestempelten Briefmarke« einzunehmen, »unbrauchbar und noch nicht einmal für Sammler von irgendeinem Wert«,164 bekannte der Autor. Und auch Kołakowski, der nach einem kurzen Aufenthalt in Paris, an der McGill University in Montreal und an der University of California in Berkeley seit 1969 in Großbritannien lebte, konfrontierte seinen Kollegen mit einer ähnlichen Erfahrung. Als Research Fellow, später Honorary Member of Staff im All Souls College an der Universität Oxford fühle er sich wie »a quadruple island«: »Britain is an island; 163 Vgl. Thompson, An Open Letter, S. 2. 164 Vgl. ebd., S. 11.

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Oxford is an island in Britain; All Souls (a college without students) is an island in Oxford; and Dr. Leszek Kołakowski is an island within All Souls.«165 Was das transnationale Beziehungsgeflecht anbelangt, zeugt der Briefwechsel also eher von Einsamkeit und gegenseitigem Unverständnis als von einer tatsächlich vorhandenen und empirisch nachweisbaren Werte- und Solidar­ gemeinschaft linker Dissidenten auf europäischer Ebene. Dies lässt sich auch an anderen Beispielen belegen. So verwehrten sich etwa Jacek Kuroń und ­Karol Modzelewski mehrfach gegen die von den Staatssicherheitskräften in Polen konstruierte und von Kreisen der westeuropäischen Linken positiv rezipierte Annahme, »trotzkistische Ideen« zu vertreten.166 Die nach London emigrierten polnischen Sozialdemokraten zeigten sich enttäuscht über Parteien wie die deutsche SPD oder Netzwerke wie die Sozialistische Internationale, die ihrer Ansicht nach die Situation der polnischen Linken nicht verstünden.167 In politischer wie intellektueller Hinsicht näher war der Dissidenz im Inland und Teilen der Emigration im Ausland offenbar nur jene Strömung, die als euro­kommunistische Initiative der spanischen, italienischen und französischen kommunistischen Parteien bekannt wurde.168 Seit ihrer Entstehung beobachtete und bewertete insbesondere die Pariser Kultura die Entwicklung des weltweiten Kommunismus.169 Dies beinhaltete eine theoretische Auseinandersetzung etwa mit den Schriften von Karl Marx und Antonio Gramsci.170 Vor allem aber bedeutete es eine praktische Aus­ einandersetzung mit der Frage, ob und auf welche Weise bestimmte Entwicklungen, wie zum Beispiel der Eurokommunismus, der demokratischen Opposition in Ostmitteleuropa gegebenenfalls nutzen würden.171 Unter besonderer Beobachtung stand in diesem Zusammenhang die Kommunistische Partei Italiens, der die Kultura seit 1969 eine von der Krise in der Tschechoslowakei ausgehende Entwicklung in Richtung eines »dritten Wegs« zwischen einer stalinistischen kommunistischen Partei und einem überzeugten Antikommunismus attestierte. Die Pariser Zeitschrift rezipierte die innerparteilichen Probleme der 165 On Exile, Philosophy and Tottering Insecurely on the Edge of an Unknown Abyss. Dialogue between Leszek Kołakowski und Danny Postel, in: Daedalus (Sommer 2005), S. 82, hier zitiert nach Judt, Goodbye, S. 88–92, hier S. 88. 166 Vgl. Instytut Pamięci Narodowej, Donosienie TW, S. 393–397, hier S. 395. Zu den vereinzelten Kontakten zu polnischen, französischen und belgischen Trotzkisten, die unter anderem für die Übermittlung des »Offenen Briefes« an das westeuropäische Ausland sorgten, vgl. Friszke, Opozycja, S.  152–155 sowie ders., Anatomia, S.  90, S.  109, S.  149 und S. ­158–168. 167 Vgl. Ciołkosz, My Powrócimy, S. 1–3; o. V., Ruchy, S. 13–15; o. V., U progu, S. 1–6, hier S. 5; o. V., Socjaliśći, S. 1–6, hier S. 23 sowie o. V., O stosunkach, S. 13 und Podgórski, Niebezpieczna, S. 69–72. 168 Vgl. Judt, Postwar, S. 494–496. 169 Vgl. Jeleński, S. 96–100; Peczenik, S. 177–182; Zabrzeski, S. 119–123; Mantel, Dylemat Komunizmu, S. 86–95 sowie Kuczyński, S. 20–29. 170 Vgl. Bóbr-Tylingo, S. 141–147 sowie Herling-Grudziński, Gramsci, S. 62–68. 171 Vgl. o. V., Eurokomunizm, S. 70–73, hier S. 73.

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italienischen Kommunisten, insbesondere im Zusammenhang mit dem Parteiaustritt der Gruppe um Rossana Rossanda, Aldo Natoli und Lucio Magri, die zu den Gründern der dissidenten Zeitschrift Il Manifesto gehörten. Sie reflektierte aber auch die innenpolitischen Herausforderungen der Partei, vor allem ihre Haltung zur Studentenbewegung und zur katholischen Linken.172 Auch die Überlegungen der Italiener, aus wahltaktischen Gründen eine Koalition mit sozialistischen und katholischen Linken einzugehen, sind der linken Dissidenz in Polen auf dem Umweg über die Pariser Kultura bekannt gemacht worden.173 Die Entwicklung der Idee eines »historischen Kompromisses« zwischen den Kommunisten (Partito Communista Italiano, PCI), den Sozialisten (Partito Socialista Italiano, PSI) und den Christdemokraten (Democrazia Cristiana, DC) war 1973 von Enrico Berlinguer ausgegangen. Der seit März 1972 als General­ sekretär der italienischen Kommunisten fungierende Politiker hatte sich im Oktober des darauf folgenden Jahres in einer Reihe von Artikeln für einen grundlegenden Wandel im Umgang mit den Problemen Italiens ausgesprochen.174 Es handelte sich, so der Historiker Paul Ginsborg, um den Versuch der Begründung »einer gemeinsamen ethisch-moralischen Basis«175 zwischen den genannten Strömungen, um das politische und soziale Wohl des zum damaligen Zeitpunkt durch ökonomische Krisen und terroristische Ausschreitungen angeschlagenen Landes wiederherzustellen. »Deshalb sprechen wir«, so erklärte es Berlinguer, »nicht von einer ›Linksalternative‹, sondern von einer ›demokra­ tischen Alternative‹, das heißt von der politischen Perspektive einer Zusammenarbeit und Verständigung der kommunistisch und sozialistisch orientierten Volkskräfte mit den katholisch eingestellten Kräften des Volkes sowie mit anderen demokratisch orientierten Gruppierungen.«176 Berlinguers Idee erinnert in vielem an das Bündnis, das auch Michnik wenige Jahre später seinem Land als Ausweg aus der politischen Krise empfehlen sollte. Beide versuchten über die eigene, linke Einstellung hinaus, Partner in der jeweiligen katholischen Bevölkerung zu finden, um ihren Nationen einen Weg »der sozialen Erneuerung und des demokratischen Fortschritts«177 zu weisen. Neben der innerpolnischen Debatte über den Evolutionismus lässt sich also auch die inneritalienische Diskussion über den »historischen Kompromiss« als Inspirationsquelle Michniks bei der Ausformulierung seines »Neuen Evolutionismus« aufzeigen. Beide Debatten sind ihm und anderen polnischen Dissidenten über die Pariser Kultura zugänglich gemacht worden. Und beide sind auf reges Interesse gestoßen. Eine zentrale Rolle bei der Vermittlung der italienischen Diskussionen war dem polnischen Schriftsteller Gustaw Herling-Grudziński 172 Vgl. Kozłowska, Jedność, S. 47–57, insb. S. 48 ff. sowie Rzymianin, S. 114–118, insb. S. 116. 173 Vgl. Ginsborg, Storia, S. 478–482. 174 Vgl. Berlinguer, Riflessioni beziehungsweise ders., Imperialismus; ders., Demokratischer Weg sowie ders., Soziale Bündnisse, S. 360–367, S. 368–374 und S. 375–387. 175 Vgl. Ginsborg, Storia, S. 480 (in eigener Übersetzung). 176 Vgl. Berlinguer, Soziale Bündnisse, S. 382. 177 Vgl. ebd., S. 386.

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zugekommen.178 Er lebte seit 1955 in Neapel, war beteiligt am Aufbau des Literarischen Instituts in Rom und war mit der Tochter des Philosophen Benedetto Croce verheiratet.179 Sowohl zahlreiche in der Kultura publizierende Emigranten als auch Dissidenten versprachen sich von der Bewegung des Eurokommunismus eine grundsätzliche Schwächung des sowjetischen Hegemonialanspruchs und eine Unterstützung für die ostmitteleuropäische Opposition. Vor allem die Älteren unter ihnen, wie Herling-Grudziński und Kołakowski, betonten jedoch auch, dass die Bewegung nur dann unterstützenswert wäre, wenn sie komplett mit dem sowjetischen System brechen und sozialdemokratische Positionen beziehen würde.180 Weitaus weniger skeptisch reagierten hingegen die Jüngeren, wie etwa Michnik. »Dubczek und andere« hätten den Stalinismus mit allen seinen Konsequenzen schließlich »auch nicht von einem Tag auf den anderen aufgegeben«.181 Für Michnik war denn auch die Langsamkeit »der Evolution des Eurokommunismus […] eine notwendige Bedingung seines Erfolgs«.182 Viele Menschen, die er, wie etwa Rossana Rossanda, sehr schätze, seien aus den kommunistischen Parteien ausgetreten, weil sie den Prozess der Destalinisierung für zu langsam und zu inkonsequent hielten. Doch hätten letztlich nicht sie, sondern eben »Berlinguer, Carillo und Marchais die Tradition des Kritisierens konkreter antidemokratischer Verhaltensmuster der sowjetischen, polnischen und anderen Führungspersonen in die kommunistische Bewegung eingebracht«,183 glaubte Michnik. Der Dissident, der im Verlauf des hier zitierten Artikels von mehreren persönlichen Gesprächen mit Führungsfiguren der PCI, wie etwa Lombardo Radice oder Giancarlo Pajetta, berichtet, schien also, wenn es um die Zukunft Polens ging, tatsächlich eher auf eine demokratische Entwicklung des europäischen Kommunismus als auf die amerikanische Ostpolitik zu hoffen.184 In klassisch linker Manier bezeichnete er diese als zynisch und imperialistisch. Er unterstellte ihr ein Beharren auf dem Status quo zwischen den beiden Supermächten in Ost- und Westeuropa, das, in seinen Augen, vor allem kapitalistisch motiviert sei. Die westeuropäische Linke hingegen sei der ostmitteleuropäischen Dissidenz viel näher. Beide würden einander im Grunde genommen sogar brauchen. So würden die Aktionen der Dissidenten den westeuropäischen Linken nützen, denn nur so würde die Macht der Supermächte erschüttert und das Projekt eines »freien Sozialismus« auf dem Gebiet Westeuropas verwirklicht werden können. Die Dissidenten wiederum würden die westliche Linke 178 Zu seinen wichtigsten Werken zählt ein autobiografischer Bericht über das sowjetische Lagersystem im Zweiten Weltkrieg, vgl. Herling-Grudziński, Inny Świat. 179 Zur Einführung in die Biografie vgl. Bikont u. Szczęsna, Tak, S. 526–545. 180 Vgl. Herling-Grudziński u. Michnik, Dwugłos, S. 3–15, hier S. 3. 181 Vgl. ebd., S. 10. 182 Vgl. ebd., S. 10 f. 183 Vgl. ebd. 184 Vgl. ebd., S. 7 und S. 10 f.

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brauchen, denn nur sie sei imstande, die Entspannungspolitik in eine konsequente Menschenrechtspolitik in ganz Europa zu verwandeln.185 »Die westliche Linke – die Eurokommunisten zähle ich dazu – formuliert«, so Michnik 1977, »Fragen, die für alle industrialisierten Gesellschaften wichtig sind. Stellen wir uns vor, dass in Polen die Menschenrechte akzeptiert werden. Was dann? Dann stehen wir automatisch vor den Problemen, die heute innerhalb der Linken diskutiert werden: Was soll eine Fabrik sein, wie soll die Selbstverwaltung funktionieren, wie soll die Universität und das gesamte Erziehungswesen reorganisiert werden? Wie lösen wir die Fragen des Lebensstandards und der ökologischen Bedrohung? Was machen wir mit der sogenannten ›Freizeit‹? Wie organisieren wir das demokratische Funktionieren der Massenmedien? All diesen Problemen muss sich die oppositionelle Bewegung in Osteuropa zu­ wenden und die Reflektion der Eurokommunisten und der westlichen Linken können hier sehr hilfreich sein«,186 meinte Michnik. Vor allem »aus dem Kampf der italienischen Metallarbeiter um bezahlte Weiterbildungsangebote« oder »aus der Diskussion der französischen Linken über das Thema der l’autogestion« könne die Dissidenz in Polen, so glaubte er, viel lernen.187 Im spanischen Fall wiederum sah er ein »hervorragendes Beispiel für das detaillierte Studium des Kampfes mit einer totalitären Diktatur; ein Modell für den evolutionären Ausstieg aus dieser Diktatur in Richtung demokratischer Formen. Der spanische Eurokommunismus könne daher »für die Linke in Osteuropa eine wichtige Lehre hinsichtlich der Bildung einer gemeinsamen Front mit Andersdenkenden, hinsichtlich der Offenheit und der loyalen Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche und schließlich hinsichtlich des Aufbaus einer unabhängigen Arbeiterbewegung unter totalitären Bedingungen sein«,188 so Michnik. Im Nichtabbruch der Beziehungen zur Sowjetunion sah er demzufolge eher eine Chance, denn eine mögliche Schwäche der eurokommunistischen Bewegung. Nur solange diese Teil der gesamten kommunistischen Bewegung bliebe, könne sie aus seiner Sicht einen gewissen Einfluss auf die osteuropäischen Kommunisten ausüben.189 »Wichtiger als die Frage, woher man kommt«, sei ohnehin »die Frage, wohin man geht.« Er glaube daher, »dass die Alternative eines demokratischen Sozialismus, der so wichtig ist für ganz Europa, die Richtung der Evolution bestimm[e]«.190 Ähnlich pragmatisch, aber erstaunlicherweise eher kritisch äußerten sich linke Dissidenten in Polen zur sogenannten Neuen Linken und zur Studentenbewegung. Auch hier lässt sich ein nach Generationen gestaffeltes Verhältnis feststellen, das zwischen massiver Antipathie und grundsätzlicher Sympathie 185 Vgl. ebd., S. 12. 186 Vgl. ebd., S. 13. 187 Vgl. ebd. 188 Vgl. ebd. 189 Vgl. ebd., S. 14. 190 Vgl. ebd., S. 15.

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schwankte. Anders als in den vorangegangenen Beispielen überwog allerdings auch bei den jüngsten Dissidenten eher Skepsis. Während die Älteren, wie zum Beispiel Jerzy Giedroyc, der Studentenbewegung in Westeuropa keinerlei Verständnis entgegenbrachten191, warfen die Jüngeren, wie Aleksander Smolar, insbesondere der westdeutschen Studentenbewegung einen »Geschichts­ revisionismus« vor, im Rahmen dessen die deutschen Verbrechen während des Nationalsozialismus mit dem Verhalten der Amerikaner in Vietnam »moralisch gleichgesetzt«192 werden würden. Trotz der Feststellung von »oberfläch­ lichen Ähnlichkeiten«193 zwischen den Studentenprotesten in Ost und West in den hier besprochenen Emigrationsschriften, überwog letztlich eine eher abwägende bis ablehnende gegenüber einer bejahenden Haltung. Diese konnte, wie zum Beispiel bei Leszek Kołakowski, durch persönliche Erlebnisse geprägt sein. Er hatte, nachdem man ihm nach dem Tod Theodor W. Adornos die Übernahme des Lehrstuhls für Philosophie an der Frankfurter Universität angetragen hatte, erleben müssen, wie eine marxistisch inspirierte Studentenschaft ihn als »Pseudomarxisten«194 ablehnte. Er habe nicht die Absicht zu kommen, und er werde »den Klassenkampf, der sich zwischen den jüngeren und den älteren Wissenschaftlern abspielt, nicht stören«,195 ließ Kołakowski die Studierenden wissen. Die Studentenunruhen in Westeuropa und den USA, die er unter anderem auch in Berkeley miterlebte, waren für ihn eine »Bewegung faschis­ tischen Typs«.196 Doch auch, wenn dem gegenseitigen Verhältnis keine persönlichen Negativ­ erlebnisse entgegenstanden, wurden jene »vage[n] Identifizierungen und Affi­ nitäten«,197 von denen Gerd Koenen kürzlich sprach, und die sich, seiner Ansicht nach, »aus einer generationellen Gemeinsamkeit der Anlässe und der Motivationen speiste[n]«,198 bestenfalls im Nachhinein konstruiert, sie können jedoch kaum aus den zeitgenössischen polnischen Quellenbeständen rekons­ truiert werden. Es handelte sich somit tatsächlich eher »um die enthusiastische 191 Vgl. o. V., Wywiad Aneksu, Jerzy Giedroyc, S. 23–54, hier S. 43. 192 Vgl. Smolar, Uwagi wstępne, S. 3–14, hier S. 7. 193 Vgl. Podgorski, S. 24–31, hier S. 30; o. V., Nowa Lewica, S. 20 sowie o. V., Ruchy, S. 13–15. 194 Vgl. Kolekcja Osobista Leszka Kołakowskiego, AO III/49. Die Kontroverse um die geplante Neubesetzung des Adorno-Lehrstuhls an der Universität Frankfurt am Main durch ­Leszek Kołakowski wurde ausgelöst durch eine Initiative der studentischen Fachschaftsvertretung des Philosophischen Seminars, die Kołakowski in einem Offenen Brief vorwarf, die marxistische Idee verraten zu haben. Die Debatte wurde unter anderem in den Ausgaben Nr. 52 (03.03.1970), S. 19; Nr. 56 (7.03.1970), S. 2; Nr. 58 (10.03.1970), S. 2; Nr. 62 (14.03.1970), S. 6; Nr. 66 (19.03.1970), S. 13; Nr. 68 (21.03.1970), S. 9 und Nr. 70 (24.03.1970), S. 8 und S. 12 der FR sowie Nr. 54 (05.03.1970), S. 20 und Nr. 63 (16.03.1970), S. 16 der FAZ dokumentiert. Kołakowskis Stellungnahmen zu dem Vorgang sind folgendem polnischen Bericht entnommen: Ostałowska, Mord, S. 9–12, hier S. 11. 195 Vgl. ebd. 196 Vgl. ebd. 197 Vgl. Koenen, S. 68. 198 Vgl. ebd.

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Vorstellung einer solchen Gemeinsamkeit – die insoweit dann auch eine Realität war«.199 In einem Gespräch zwischen Daniel Cohn-Bendit und Adam Michnik wird jedoch auch deutlich, welche Grenzen dieser Vorstellung gesetzt waren. Cohn-Bendit, der Mitte der 1980er-Jahre nach Polen gereist war, um Michnik zu treffen, dann aber, weil dieser im Gefängnis saß, ergebnislos abreisen musste, sei »ganz krank nach Frankfurt zurückgekommen« und habe »schließlich aufgegeben, von Polen zu berichten«.200 Polen war für ihn »ein schreck­ liches Land, ungeheuer trist«, eine Atmosphäre, die für ihn »nicht auszuhalten« war, auch wenn die Menschen, auf die er traf, »wunderbar« waren, »erstarrt in einer Haltung aus Hochmut und Hoffnungslosigkeit«,201 so Cohn-Bendit. Zum Gespräch zwischen beiden Männern kam es nach einem neuerlichen Anlauf im Mai 1987. Gemeinsamkeiten zwischen der Studentenbewegung in Ost und West sah Michnik vor allem in ihrer antitotalitären und antiautoritären Haltung. »Wir hatten unterschiedliche Autoritäten gegen die wir rebellierten. Aber das Gefühl der Rebellion war gemeinsam.«202 Er hätte sich damals mit dem französischen Mai »identifiziert«, weil er glaubte, dass die Studenten in Polen und Frankreich um das Gleiche kämpften. »Es mussten einige Jahre vergehen, bis ich begriff, dass das ein Irrtum war. Für mich war die allerwichtigste Sache damals die sowjetische Intervention in der Tschechoslowakei. Aber für die rebellierenden westlichen Studenten war das wichtigste Vietnam. Und hier gab es zwischen uns einen wesentlichen Unterschied«,203 so Michnik. »Wir haben für die Freiheit gekämpft. Die Studenten im Westen hingegen kämpften gegen den Kapita­ lismus. Wir waren damals in Polen keineswegs für den Kapitalismus. Unsere Parolen waren ebenfalls links, aber wir kämpften vor allem für die Freiheit. Im Westen hingegen war die Ikone Che Guevara. Dort gab es Maoisten, Trotz­ kisten. Die westdeutschen Studenten kämpften gegen Reza Pahlewi, aber nicht gegen Walter Ulbricht. Die DDR-Diktatur war kein Feind. Der Unterschied war also ein prinzipieller.«204 Gleichzeitig führte der Protest in Polen »niemals zur Barbarei, zur Vernichtung von Bibliotheken wie in Berkeley oder zum Terrorismus wie in Deutschland«, unabhängig davon, dass die grundsätzliche Gewaltfreiheit seines Milieus eine Tugend war, die eher »aus der Not geboren« wurde. »Wenn klar ist, dass man einen bewaffneten Kampf nicht gewinnen kann, ist es einfach, auf Gewalt zu verzichten«,205 bekannte Michnik.

199 Vgl. ebd. 200 Vgl. Cohn-Bendit, Vorwort, S. 7–12, hier S. 11. 201 Vgl. ebd. 202 Vgl. Michnik, in: Cohn-Bendit, So geliebt, S. 183–228, hier S. 225, ähnlich auch S. 193 ff. 203 Vgl. ebd., S. 203. 204 Vgl. Lesser, zuletzt eingesehen am 06.06.2011 unter: https://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/ printressorts/digi-artikel/?ressort=sp&dig=2008 %2F04 %2F19 %2Fa0076&cHash=a6e9 eeb 3bd. 205 Vgl. ebd.

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»Geschmerzt« habe ihn aber eine andere Erfahrung, und zwar »die fehlende Sensibilität für die Prozesse der Demokratisierung in Mittel- und Osteuropa. Nicht einmal nach der Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten in der Tschechoslowakei gab es im Westen eine große antisowjetische Demonstration. Das war für mich unglaublich bitter«,206 erklärte Adam Michnik. Vor allem darüber habe er zum Beispiel mit Rudi Dutschke gesprochen. Dennoch habe er sich mit seinen Freunden aus Frankreich und Deutschland »wunderbar verstanden«.207 Auch wenn das Ausprobieren neuer Lebensformen ihn »nicht übermäßig« interessiert habe, war er »jung und links« und damit nicht nur Teil »einer linken Opposition zum herrschenden Regime in Polen«,208 sondern auch Teil einer linken Aufbruchsstimmung in Europa. Über dieses Linkssein gelang ihm und seinen Freunden, wenn nicht die Adaption, die offenbar nicht erwünscht war, so doch ein Anschluss an westliche Diskussionen. Sie alle »wollten diese Welt nicht«.209 Ihr Protest war ein »Protest gegen die blockierte Gesellschaft. Diese Blockade war aber überall anders: in West- oder Osteuropa, in Amerika oder in Mexiko, in Japan oder in Spanien.«210 Und obwohl er »eindeutiger Gegner der Roten Brigaden« war, erklärte Michnik noch 1987, dass er etwa für den linksradikalen Aktivisten Franco Piperno, der wegen seiner Beteiligung an der Entführung des ehemaligen italienischen Premierministers Aldo Moro zu einer mehrjährigen Gefängnishaft verurteilt wurde, »eine gewisse Symphathie«211 hege. Piperno sei »ein Mensch von reinem Herzen«, auch wenn er sich vorübegehend »verirrt« habe. Er wüsste, so Michnik, dass er in dieser Weise eigentlich »nicht differenzieren« dürfe. »Vielleicht ist das eine Schwäche von mir. Aber manchmal muss man auch seinen eigenen Schwächen treu bleiben.«212

206 Vgl. ebd. 207 Vgl. Dienstbier u. a., S. 31–48, hier S. 32 ff. 208 Vgl. ebd. 209 Vgl. ebd. 210 Vgl. ebd. 211 Vgl. Michnik, in: Cohn-Bendit, So geliebt, S. 224. 212 Vgl. ebd.

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4. Zu lange zu links? – Zusammenfassung, vergleichende Einordnung und Ausblick

Was ist aus Adam Michnik und seinen Mitstreitern nach 1989 geworden? Welche ihrer Charakteristika kann man im Nachhinein tatsächlich als Schwächen, welche hingegen als Stärken betonen? Welche Rolle spielte das linke, bildungsbürgerliche Milieu im demokratischen Umbruch des Landes? Auf welche Weise prägte das Milieu den politischen Transformationsprozess Polens? Und in welcher Hinsicht unterschieden sich die strukturellen Bedingungen seines Wirkens von den Ausgangsbedingungen dissidenter Milieus in anderen staatssozialis­ tischen Regimen? »Die eine Seite mit überwältigender Mehrheit gewählt, die andere durch die Hintertür hinein gekommen; die Fraktion des Bürgerkomitees überfüllt mit prominenten Dissidenten, Künstlern, Professoren und Rechtsanwälten; die parlamentarischen Klubs der Regierungsseite ebenfalls reich an professoralen Titeln, die besonders in die Wirtschaftsgesetzgebung Sachlichkeit und Nüchternheit einbrachten […].«1 Man muss dem Urteil Włodzimierz Borodziejs, für den der 1989 gewählte Sejm, »das mit Abstand fähigste Parlament des Landes in der letzten Dekade des 20. Jahrhunderts«2 war, nicht zustimmen. Der hohe Anteil derer, die aus einer linken Haltung heraus die Demokratisierung des Landes seit Jahrzehnten eingefordert hatten und die nun Spitzenpositionen in der Politik, den Medien oder der Wissenschaft bezogen, dürfte dennoch auffallen. Aus dem hier untersuchten Kreis zogen unter anderem Bronisław Geremek, Jacek Kuroń und Adam Michnik in das polnische Parlament ein. Bronisław ­Geremek wurde Außenminister. Jacek Kuroń wurde Minister für Arbeit und Soziales. Karol Modzelewski wurde Senator und stellvertretender Präsident der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Adam Michnik wurde mit der Herausgabe einer Zeitung für den Wahlkampf des oppositionellen Bürgerkomitees beauftragt. Die Gazeta Wyborcza, der er bis heute als Chefredakteur vorsteht, ist mittlerweile die auflagenstärkste links-liberale Zeitung Polens. Włodzimierz Brus, Zygmunt Bauman und Leszek Kołakowski sind nicht nach Polen zurückgekommen. Sie wirkten als Professoren an verschiedenen Universitäten in Großbritannien und nahmen als kritische Beobachter und Publizisten Anteil am Transformationsprozess in Polen. Aus der Emigration zurückgekehrt sind

1 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 384. 2 Vgl. ebd.

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jedoch unter anderem Aleksander und Eugeniusz Smolar. Aleksander wurde Präsident der Stefan-Batory-Stiftung in Warschau, die sich vor allem der Unterstützung bürgerschaftlichen Engagements widmet. Er war Berater von Premierminister Tadeusz Mazowiecki und Premierministerin Hanna Suchocka. Sein Bruder Eugeniusz wurde Programmdirektor der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt in Polen und Direktor des Zentrums für Internationale Beziehungen. Aniela Steinsbergowa und Edward Lipiński engagierten sich unter anderem mit Adam Michnik und Jacek Kuroń für das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter und sind kurz vor dem demokratischen Umbruch verstorben. Zahl­ reiche der hier erwähnten Personen wirkten darüber hinaus als Berater der 1980 gegründeten Solidarność und hatten aktiv an den Gesprächen des Runden T ­ isches teilgenommen. »Zu lange zu links«3 war das Milieu in den Augen derer, die ihm nach 1989 eine Verstrickung in die politischen Machtverhältnisse des Landes vor dessen Demokratisierung vorwarfen. Wie kaum ein anderes, stand gerade dieses Milieu im Zentrum einer Vielzahl von Polemiken, die sich insbesondere an seinem Umgang mit den ehemaligen Führungskräften des staatsozialistischen Regimes entzündeten. Das linke, bildungsbürgerliche Milieu gehörte zu den wichtigsten Unterstützern der von Tadeusz Mazowiecki im September 1989 skizzierten Politik des »dicken Striches«, den er und sein Kabinett zugunsten eines konfliktfreien Übergangs in eine demokratische Zukunft unter die kommunistische Vergangenheit des Landes zu ziehen hofften. Innerhalb der von den sozialen und ökonomischen Härten der Transformation destabilisierten Gesellschaft wurde der »dicke Strich« schon bald zum Symbol für eine nur ungenügend vollzogene Abwendung von ehemaligen Parteifunktionären, die auch weiterhin wichtige Posten in der Wirtschaft und Politik blockierten. Was folgte, war der Zerfall des Bürgerkomitees und die Zersplitterung der Solidarność. »Es handelte sich dabei«, wie jüngere Forschungen betonen, »um einen weitgehend natür­ lichen Vorgang, hatte doch die Solidarność als antikommunistische Sammelbewegung alle Regimegegner von den national-katholischen Rechten bis hin zu Sozialdemokraten und Linksalternativen vereinigt.«4 Zu den wichtigsten Streitpunkten des sich ausdifferenzierenden politischen Spektrums gehörten der strafrechtliche Umgang mit den kommunistischen Funktionsträgern sowie vergangenheitspolitische Auseinandersetzungen um den Anteil linker beziehungsweise national-konservativer Kräfte am demokratischen Umbruch der Volksrepublik Polen.5 Wegen seiner anfänglichen Ablehnung von Lustrationsprozessen auf der Grundlage geheimdienstlicher Aktenbestände, aber auch wegen seines öffentlichen und freundschaftlichen Auftretens zusammen mit politisch

3 Den Ausdruck »zu lange zu links« verdanke ich einem Gespräch mit Dr. Dominik Rigoll über die Generation der sogenannten Achtundsechziger in Ost- und Westeuropa. 4 Vgl. Borodziej, Geschichte, S. 390. 5 Vgl. Stobiecki, S. 239–250, hier S. 244.

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belasteten kommunistischen Funktionären, geriet insbesondere Adam Michnik in den Mittelpunkt von Kontroversen.6 Inwiefern es sich bei dem hier untersuchten Milieu um einen spezifisch linken Flügel der Dissidenz gehandelt und in welchem Verhältnis er tatsächlich zum kommunistischen Regime in Polen gestanden hat, war Thema der vor­ liegenden Arbeit. Sie zielte darauf ab, die Entwicklung linken dissidenten Denkens und Handelns in der Volksrepublik Polen zu analysieren. Sie untersuchte, welche Rolle der Bedeutungsverlust des Marxismus und welche der »Real­ sozialismus« in diesem Prozess spielten. Sie hinterfragte die politischen, kulturellen und ökonomischen Interessenlagen sowie die theoretischen und organisatorischen Formen linker Kritik am Kommunismus. Und sie beleuchtete den Wandel nationaler, aber auch transnationaler Bezüge und Verflechtungen. Mit Blick auf ihre Ausgangsthesen sollen im Folgenden die wichtigsten Ergebnisse der Dissertation in insgesamt sieben Punkten zusammengefasst werden. Während der erste Teil  der Zusammenfassung auf die Merkmale des Milieus abzielt, die es in grundsätzlicher Hinsicht als linkes, bildungsbürgerliches Milieu charakterisierten, sollen im zweiten Teil der Zusammenfassung diejenigen Merkmale betont werden, die es in komparativer Hinsicht heraushoben und damit spezifizierten. Durch einen Ausblick auf Entwicklungen in der ehemaligen Tschechoslowakei, der DDR und Ungarn sollen diejenigen Faktoren herausgearbeitet werden, die die Entfaltung des hier untersuchten polnischen Milieus in besonderer Weise begünstigten. Im Zentrum der Untersuchung werden daher die strukturellen Ausgangs- und Handlungsbedingungen linker Dissidenz in Polen zwischen 1956 und 1976 stehen.7

4.1 Pluralisierung statt Profilierung: Zu den Charakteristika und zur Relevanz des linken Milieus für den demokratischen Umbruch in Polen 1. Im Rahmen der vorgelegten Arbeit wurde der Begriff des Bildungsbürgertums als der – im Vergleich zum sozialistisch überfrachteten Begriff der Intelligenz – neutralere und analytisch passendere Begriff zur Bezeichnung des un6 Vgl. Bouyeure, Michnik, S. 356 ff. 7 Eine komparative Perspektive auf den demokratischen Umbruch in Ostmitteleuropa hat bisher vor allem die sozialwissenschaftliche Transformationsforschung verfolgt, vgl. etwa ­Stepan u. Linz; Merkel, Systemtransformation; ders., Systemwechsel 1; ders. u. a., Systemwechsel 2, ders. u. Sandschneider, Systemwechsel 3; dies., Systemwechsel 4; Merkel, Systemwechsel 5 sowie Besier, S. 5–12 und Gehler, S. 36–46. Demgegenüber liegen derzeit nur wenige Studien vor, die die Entstehung von Dissidenz und Opposition unter vergleichs­ geschichtlichen Aspekten untersucht haben, vgl. etwa Pollack u. Wielgohs, Dissent and Opposition; dies., Akteure oder Profiteure?; Fehr; Lutz, Dissidenten; Luks, Dissidentenbewegungen, S. 5–18 sowie ders., Osteuropäische Dissidenten, S. 17–42.

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tersuchten Milieus verwendet. Mit ihm konnten gerade jene Charakteristika des Milieus erfasst werden, die mit dem Begriff der inteligencja nicht erklärt werden können. Das betraf vor allem Aspekte der privilegierten soziökonomischen Stellung der Dissidenten, ihre starke Verflochtenheit in das polnische Staats­wesen und die von ihnen gewählten Arbeits- und Lebensstile. Dabei zeigte sich, dass insbesondere das auf die Teilungszeit Polens zurückgehende Stereotyp einer »abstinenten, protestierenden oder konspirierenden ›Intelligenz‹«8 dem hier untersuchten Milieu nicht gerecht wird. Vielmehr wurde deutlich, dass vermeintliche Unterschiede zwischen Bildungsbürgern deutscher und polnischer Provenienz  – wie der fehlende Staatsbezug oder der geringere Ausbildungsgrad polnischer Intellektueller – mit dem Übergang in das 20. Jahrhundert deutlich an Relevanz verlieren.9 Für alle, auch die vor dem Ersten oder zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg sozialisierten und im Rahmen dieser Arbeit behandelten Genera­ tionen war akademische, in zahlreichen Fällen mit einer Promotion abgeschlossene Bildung aus eigenem Antrieb und aus dem Verständnis ihrer Rolle im polnischen Staatswesen heraus zwingend. Alle Personen gehörten, was soziale und politische Herkunft anbelangt, zwar keiner homogenen Gruppe an, sie versuchten sich jedoch im Verlauf der Zeit zunehmend als solche, gegenüber dem Zustrom aus sogenannten kleinbürgerlichen Kreisen abgrenzende Gruppierung wahrzunehmen. Dabei spielten selbstgesteckte Grenzen gegenüber gesellschaftlichen Gruppierungen wie den Arbeitern vor allem hinsichtlich Lebensstil und Lebensführung eine Rolle. Aufgrund ihres politischen Engagements wurden diese Grenzen jedoch vor allem im Hinblick auf gemeinsame Protestaktionen spätestens seit 1976 weniger scharf gezogen. Innerhalb des untersuchten Milieus spielten somit eine grundsätzliche Affinität zum Sozialismus, anfänglich auch Kommunismus sowie das Engagement für die jeweiligen Bewegungen eine Rolle. Jenseits der Frage, ob jemand vor dem Krieg der PPS oder der KPP angehörte und ob und wie lange er zur PZPR gehörte, scheinen aber vor allem soziale und kulturelle Traditionsbestände seinen zentralen Zusammenhalt ausgemacht zu haben. Zu den Charakteristika des Milieus gehört daher erstens sein bildungsbürgerlicher Lebensstil, verbunden mit entsprechend bildungsbürgerlichen Rekrutierungsmechanismen und -zielen. Entscheidend bei der Frage, wer in den inneren Kern des Milieus, seine Netzwerke und seine Organisationen vordrang, war nicht so sehr der Aspekt der ideologischen Passgenauigkeit als vielmehr der Grad des sozialen und kultu­ rellen, seltener ökonomischen Kapitals, über das die entsprechende Person ver8 Vgl. Conze u. Kocka, Einleitung, S. 16. 9 Auf der Ebene der eher staatskritischen, polnischen Intelligenz und dem eher staatsnahen, deutschen Bildungsbürgertum sind auch kürzlich wieder die wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Sozialformationen benannt worden, vgl. Jedlicki, Intelligenz und Kocka, Intelligentsia, zuletzt eingesehen am 21.01.2011 unter: http://www.perspectivia.net/content/ publikationen/lelewel-gespraeche/1–2010/jedlicki_intelligenz und http://www. perspectivia. net/content/publikationen/-lelewel-gespraeche/1–2010/kocka_intelligentsia.

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fügte. Zugang bekam, wer über andere empfohlen wurde, wer ein gutes fami­ liäres und berufliches Netzwerk vorweisen konnte. Sicheres Auftreten sowie eine akademisch erworbene und durch entsprechende Titel auch nach außen repräsentierbare Bildung dienten als »Torhütermechanismus«, die dem Milieu auch im Staatssozialismus über Jahre eine »klassenspezifische Sonderstellung« und ein »stabiles Sozialprestige« garantierten.10 Insbesondere der jüngsten Dissidentengeneration um Adam Michnik wurde dies von anderen, aus der Provinz stammenden und nur schwer einen Zugang zu seinem Kreis findenden Studenten dezidiert vorgeworfen. Durch die Wahl entsprechender Kindergärten, Schulen und Universitäten konnte dieser Mechanismus über Generationen hinweg wirken, während andere, typisch bürgerliche Aspekte der Lebensführung, insbesondere jene, die aus einer herausgehobenen ökonomischen Stellung her­rühren, jedenfalls für einen großen Teil des Milieus, nur eine untergeordnete Rolle spielten. Die klassische Nähe der Bildungsbürger zu Wirtschaftsbürgern lässt sich unter staatssozialistischen Bedingungen nicht finden. Dass es sich gleichzeitig um links orientierte Bildungsbürger handelte, die ich im Rahmen dieser Arbeit als »rote Bürger« paraphrasiert habe, stellt eine bis heute wirkende Annahme der Bürgertumsforschung infrage.11 Die vor allem auf die Zwischenkriegszeit zurückgehenden bildungsbürgerlichen Traditionen standen einer politisch links zu verortenden Einstellung und einem ent­ sprechenden Wahl- und Protestverhalten des hier untersuchten Milieus nicht im Wege. Eine wiederholt geäußerte Kritik an der Gleichsetzung von »bürgerlich« mit »fortschrittlich« und »liberal«12 erhält hier auf empirischer Grundlage neuen Boden. Dass aufstrebende bürgerliche Schichten, schaut man über den deutschen Fall hinaus, nur selten »als selbstbewusste Vertreter eines wirtschaftlichen oder gar politischen Liberalismus« aufgetreten sind, hat schon oft »ihre Sichtbarkeit für […] Zeitgenossen und Historiker verschleiert, die erst nach liberaler Rhetorik suchten und dann hinter ihr die zugehörigen Bürger fanden«.13 Verzichtet man auf eine solche Vorgehensweise und schaut man, so wie in dieser Arbeit geschehen, auf Lebensstilmilieus und Berufsgruppen und erst danach auf politische Einstellungen und Organisationen, so wird deutlich, dass die kommunistische Bewegung in Polen auch auf bildungsbürgerliche ­Schichten einen großen Reiz ausübte. Umgekehrt waren es aber gerade diese, mit dem Kommunismus anfangs sympathisierenden Schichten, aus denen sich die wichtigsten Vertreter des Dissenses und der Opposition gegen den Kommunismus rekrutierten. 10 Dies sind ähnliche Mechanismen, wie sie auch für das deutsche Bildungsbürgertum betont wurden, vgl. Wehler, Deutsches Bürgertum, S. 624. 11 Die allerdings nicht von allen Bürgertumsforschern geteilt wurde. So wies Jürgen Kocka darauf hin, dass es insbesondere im späten 19. und 20. Jahrhundert »kaum eine politische Position gab, die nicht auch von Bildungsbürgern vertreten wurde«, vgl. Kocka, Bildungsbürgertum, S. 9–20, hier S. 15. 12 Vgl. Blackbourn, S. 281–287, hier S. 284 f. 13 Vgl. Osterhammel, Verwandlung, S. 1089.

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2. Dies wiederum hing eng mit einem weiteren Merkmal des Milieus zusammen. Zu seinen Charakteristika zählt zweitens eine besondere Form der Verflechtung in das polnische Staatswesen und das kommunistische Regime in Polen. Es handelte sich um einen Staat, den die hier untersuchten Personen oder ihre Eltern nicht nur unterstützt, sondern aktiv mitaufgebaut hatten. Es war ihr Staat, und Streitigkeiten mit seinem Führungspersonal galten über Jahre als »Streit innerhalb einer Familie«. Als Mitarbeiter der Wissenschaft, der öffentlichen Verwaltung und diverser gesellschaftlicher Organisationen zählten die Angehörigen des Milieus zu den Leistungsträgern des Regimes. Neben einem exklusiven Zugang zu parteiinternen Informationen verschaffte ihnen diese Stellung bis in die 1960er-Jahre hinein auch ein besonderes Maß an Sicherheitsgefühlen. Diese speisten sich einerseits aus der Loyalität, die das Milieu dem Regime über Jahre entgegenbrachte und die es daher auch von ihm erwartete. Andererseits stammten sie aus der Überzeugung, als Anhänger des Regimes nicht nur die Möglichkeit, sondern geradezu die Pflicht zu einer kritischen Auseinandersetzung mit seinen Fortschritten und seinen Fehltritten zu haben. Dieses von vornherein einseitig, das heißt nur innerhalb des Milieus verfochtene Arrangement wirkte, solange die antisemitischen und antireformistischen Kräfte in der Partei nicht an die Macht kamen. Bis dahin nutzten die Milieuangehörigen tatsächlich die sich vielfach bietenden Gelegenheiten, um die Grenzen dessen, was in einem realsozialistischen Regime an Selbstorganisation und Meinungsfreiheit möglich war, immer wieder von neuem auszudehnen. Bis in die 1960er-Jahre hinein folgten darauf vor allem Gespräche mit hohen Parteifunktionären, schließlich auch Einbestellungen vor entsprechende Kontrollgremien, in der Regel jedoch noch keine Parteiausschluss- oder Strafverfahren. Dies änderte sich erst in dem Moment, als die Kritik der Dissidenten sich gegen das Regime insgesamt und nicht gegen einzelne seiner noch nicht verwirklichten sozialistischen Versprechen wandte. Dass die hier untersuchten Personen zunehmend in eine solche, nicht mehr nur dissidente, sondern offen oppositionelle Richtung tendierten, ist wiederum ohne ihren bildungsbürgerlichen Hintergrund kaum denkbar. Es waren dieser Hintergrund und die mit ihm verbundenen Bildungspatente, die dem Milieu einen relativ sorglosen und angstfreien Umgang mit dem Regime bescherten. Die Milieuangehörigen sprachen zwar die Sprache des Regimes, sie teilten lange Zeit seine politischen Ziele. Aufgrund ihrer bildungsbürgerlichen Herkunft waren sie allerdings auch fähig und bereit, diese Ziele immer wieder auf ihre Gültigkeit und ihre Umsetzung hin zu hinterfragen. Wie die revisionistische Phase der Dissidenz gezeigt hat, mussten auf diese Weise vor allem die ideologischen Vorannahmen des Marxismus schon bald versagen. »Der Marxismus zerfiel«, wie Leszek Kołakowski schreibt, »an der Größe der Ideen, mittels derer er lediglich bereichert oder vervollständigt werden sollte.«14 14 Vgl. Kołakowski, Główne nurty, S. 546.

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Neben der intellektuellen Befähigung zu Eigenständigkeit und Kritik scheinen aber auch andere Aspekte eine Rolle gespielt zu haben. Anders als andere Milieus in der Volksrepublik, die das Regime so ablehnten, dass sie von vornherein die Emigration wählten, oder aber die es unterstützen und ihm ihren politischen und sozialen Aufstieg verdankten, war dieses Milieu hinsichtlich seines gesellschaftlichen Status vom Regime relativ unabhängig. Ihren Platz in der polnischen Gesellschaft verdankten seine Angehörigen nicht einer von der Partei verliehenen ökonomischen oder politischen Stellung, sondern vor allem ihrer gehobenen Bildung, ihrer, auch im internationalen Maßstab, herausragenden beruflichen Laufbahn und nicht selten auch ihrer familiären Herkunft. Das Vorkriegsengagement der Elterngeneration für die sozialistische oder kommunistische Bewegung, gemeinsames Engagement im politischen Untergrund während der Zwischenkriegszeit und im politischen Exil während der Kriegszeit, die darüber und über berufliche Karrieren geknüpften transnationalen Beziehungen, die Fähigkeit, mehrere Sprachen zu sprechen, Bücher, auch außerhalb des in der Volksrepublik zugelassenen Kanons zu lesen, ausgewählte Freundschaften, auch außerhalb der Partei sowie ein ausgewähltes Interesse für Kunst, Literatur und Theater zu pflegen – all dies hielt ein großes Reservoir an Sinn- und Wertoptionen bereit, die über diejenigen, die das Regime gab oder zu geben bereit war, weit hinausgingen. Zusätzlich zu der grundsätzlichen Möglichkeit, aus diesem Reservoir den Mut und die Kraft zum Dissens zu schöpfen, muss auch der darüber gestiftete milieuinterne Zusammenhalt berücksichtigt werden. Auch wenn die ältere Generation das radikalere, regimekritische Engagement der Jüngeren vor allem aufgrund ihrer beruflich wie privat weitestgehend konsolidierten Situation und ihrer Verantwortung für ihre Familien und Mitarbeiter nicht immer begrüßte, stellte sie sich vor allem innerhalb der universitären Parteigremien im Grunde immer vor sie. Alle Generationen verband ihre Enttäuschung über die nicht eingehaltenen Reformversprechen des Jahres 1956 sowie ein ähnlicher Umgang mit den daraus erwachsenen Protestbedürfnissen. Sie wurden im Rahmen politischer Klubs ausgetragen, die, wie das Beispiel des Polityczny Klub Dyskusyjny und des Klub Poszukiwaczy Sprzeczności zeigte, einen guten Teil der Referenten und Themen des ersten Klubs dieser Art, des Klub Krzywego Koła, übernahmen. Neben den in die öffentliche Verwaltung und die Parteistrukturen hineinreichenden Beziehungen müssen somit auch die intergenerationellen Bindungen der Milieuangehörigen untereinander als zentraler Schutzmechanismus betrachtet werden. Vordergründig zerschlagen wurde diese Art des Milieuzusammenhalts erst, als ein Großteil seiner Angehörigen aufgrund der antisemitischen Kampagnen zur Ausreise aus Polen gezwungen wurde. 3. Zwar verlor das polnische Bildungsbürgertum im Verlauf der 1960er- und 1970er-Jahre zunächst an soziopolitischer Relevanz und Konturierung, was mit der Expansion des Bildungswesens, der daraus resultierenden Abschwächung der sozialen Selbstrekrutierung und mit den durchaus erfolgreichen Zerschlagungs­bemühungen des staatssozialistischen Regimes einherging. Den221 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

noch konnten trotz oder auch gerade wegen dieser Umstände bildungsbürger­ liche Teilöffentlichkeiten in Polen, ähnlich wie auch in anderen Ländern Ostmitteleuropas, fortbestehen, auf Bewahrung ihrer Werttraditionen beharren und daraus schließlich ein Potenzial zum »bürgerlichen« Protest und zur Gründung von »Bürgerkomitees« und »Bürgerforen« beziehen.15 »Es waren gewissermaßen die utopischen Überschüsse des bürgerlichen Projekts, die sich einer vollständigen Funktionalisierung entzogen, die seine anhaltende Attraktivität ausmachten und die letztlich auch zu den mentalitätsgeschichtlichen Wurzeln der friedlichen Revolution von 1989 gehörten«,16 glaubt Ralph Jessen. »Attraktiv war dabei weniger die bürgerliche Gesamtkultur des 19. Jahrhunderts an sich, sondern vor allem ihre Funktion: Wer sich an Bürgerlichkeit orientierte, drückte Dissidenz aus«,17 betont Thomas Großbölting. »Die Menschen in den Ländern dieses vermeintlich monolithischen Blocks hörten auf, eine ›Bevölkerung‹ zu sein. Sie wurden zu Bürgern, die fordern, dass man ihnen ihre Rechte gibt«,18 so umschrieb es Adam Michnik. Auch um die im Marxismus diskreditierte Stoßrichtung des Bürgerbegriffs zu umgehen, setzten polnische Oppositionelle seit den späten 1980er-Jahren milieuübergreifend vor allem auf den Begriff des obywatel, um ihr bürgerschaftliches Engagement und entsprechende Organisationsstrukturen – wie etwa die 1989 in die ersten semi-freien Wahlen startenden Bürgerkomitees (komitety obywatelskie)  – zu markieren. Damit gelang ihnen eine Aktivierung bürgerschaftlichen Engagements über soziale Schichten und Milieus hinweg, was sich auch im polnischen Äquivalent zum deutschen Neologismus der Zivilgesellschaft, dem Begriff des społeczeństwo obywatelskie, spiegelt. Begriffsgeschichtlich betrachtet überdauerten somit auch im Staatsozialismus jene Bedeutungsschichten des Bürgerbegriffs, die auf eine mit Bürgerrechten ausgestattete Bürgerschaft abzielen, während jene Wortschichten, die eine ständisch exklusive Sozialformation Bürgertum und ihren bürgerlichen Lebensstil kennzeichneten, jedenfalls semantisch an Bedeutung verloren. Von diesem begrifflichen Wandel unberührt bleibt allerdings der Befund, dass die Trägerschichten linker Dissidenz in Polen durchaus einer solchen Sozialformation angehörten, dass sie sich, wie in der Arbeit zitiert, in dieser Weise auch selbst definierten und dass sie darin Elemente eines bildungsbürgerlichen Habitus und Lebensstils konservierten. Begreift man Bürgertum gleichzeitig »als spezifische Vergesellschaftung von Mittelschichten« mit dem Ziel einer »Ausdifferenzierung von Selbstgestaltungsräumen für die Durchsetzung und Verwaltung der eigenen Interessen sowie die Monopolisierung von Leistungen für die Gesellschaft im Ganzen«,19 so muss man als drittem Merkmal von einer Verbürgerlichung des Milieus ge15 Vgl. Kleßmann, Beharrungskraft, S. 146–154 sowie Wirth, S. 85–110. 16 Vgl. Jessen, »Bildungsbürger«, S. 113–134, hier S. 134. 17 Vgl. Großbölting, S. 407–432, hier S. 432. 18 Vgl. Dienstbier u. a., hier den Beitrag von Michnik, S. 33. 19 Vgl. Lepsius, Soziologie des Bürgertums, S. 79–100, hier S. 82 f.

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gen das realsozialistische System sprechen. Sein Ziel war nicht, den Staat als solchen zu bekämpfen, als ihn sich vielmehr anzueignen und mit ihm Räume eines autonomen, bürgergesellschaftlichen Engagements von neuem auszuhandeln. 4. Dass die Unterscheidung in orthodoxe und unorthodoxe Marxisten oder in Marxisten und Nichtmarxisten den Dissidenten schon während der 1950erJahre weder als intellektuelle noch ideologische Hilfe in persönlich oder politisch zu treffenden Entscheidungen diente, erscheint aus diesem Blickwinkel folgerichtig. Vielmehr war es die »durch eine bestimmte intellektuelle Hal­ tung«20 charakterisierte Teilung in eine Linke und eine Rechte, die als Orientierungsmerkmal fungierte. Durch die Propagandapolitik der PZPR delegi­ timiert, hatte sich der Terminus des Marxismus zu einem inhaltsleeren Begriff gewandelt. Für die hier behandelten Oppositionellen ergab sich daraus die Notwendigkeit einer Neubestimmung des Begriffes Linke, was neben den dementsprechend geradezu inflationär genutzten Selbstbezeichnungen auch im Anachronismus eines »linken Sozialismus« mündete. Damit wird deutlich, dass der Bedeutungsverlust des Marxismus auf einer theoretisch-abstrakten Ebene zwar eine wichtige, aber keine ursächliche Wirkung auf die Dynamik ihrer Selbstverständigungsdebatten ausübte. Vielmehr drehten sich diese von vornherein um einen äußerst biegsamen, auf die Idee des Marxismus ebenso rekurrierenden wie ihn in Teilen konterkarierenden Begriff der Linken, der vor allem als Chiffre für einen gemeinsamen oder als gemeinsam verstandenen Denk- und Zielhorizont diente. Diese Befunde korrespondieren mit dem, was John Connelly am Beispiel des Warschauer Historikermilieus als wichtigen Unterschied des polnischen zum tschechischen und ostdeutschen Fall herausgearbeitet hat: »Though they ­embraced Marxism with different degrees of interest after 1945, these historians remained loyal to each other personally, even in the tense years of stalinism.«21 Für die heterogene Gruppe der hier behandelten Dissidenz bedeutet dies, dass sie ihre Kritik am kommunistischen System in Polen vor allem aus einer praktisch orientierten Perspektive formulierte und dabei im Begriff der Linken ihren milieuspezifischen Zusammenhalt verteidigte. Zwar bediente sie sich dabei noch lange einer marxistisch-leninistischen Sprache. Und auch die wenigen programmatischen Arbeiten der frühen Oppositionsbewegung lassen sich aus einer marxistisch inspirierten Denktradition nicht herauslösen. Die wichtigste Stoßrichtung ihrer Kritik war jedoch nicht etwa eine Revision theoretischer Grundlagen des Kommunismus, sondern die pragmatisch formulierte Vision eines pluralistischen, demokratischen Sozialismus. Zu den wichtigsten Charakteristika des Milieus gehört somit viertens die Tatsache, dass es sich mithilfe des Begriffs der Linken zu einer kohärenten Sinnund Handlungseinheit konstituierte. Das Selbstverständnis der Dissidenten beruhte auf einer von ihnen als progressiv, egalitär, säkular und universal ver20 Vgl. Kołakowski, Aktuelle und nichtaktuelle Begriffe, S. 22. 21 Vgl. Connelly, Captive University, S. 154.

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standenen Haltung, die vor allem der Überwindung politischer, wirtschaft­ licher und gesellschaftlicher Unterdrückung diente und darin Anreize aus kommunistischen, sozialistischen, aber auch sozialdemokratischen Strömungen integrierte. Dabei vollzog der Begriff der Linken einen Wandel, der vor allem durch die Krisenjahre 1956 und 1968 ausgelöst wurde. Während er noch 1955 zur Abgrenzung gegenüber einer stalinistischen Parteielite und ab 1956 zur milieuinternen Annäherung zwischen parteiinternen und -externen Dissidenten diente, musste er spätestens nach 1968 in personellen und ideellen Zusammenhängen wirken, die über das eigene Milieu hinausgingen. An die Stelle des ideo­logisch aufgeladenen Begriffs der »Oktoberlinken« trat der pragmatisch ausformulierte Begriff der »laikalen Linken«, der dem Milieu auch eine Ablösung aus der Rolle einer dissidenten hin zu einer demokratisch ausgeformten Oppositionsbewegung mit neuen Kooperationspartnern aufseiten der vormals abgelehnten Katholiken ermöglichte. Sowohl die Nachkriegsbevölkerung Polens als auch die Funktionäre der Regierungspartei wurden von den Dissidenten einem linken und einem rechten Flügel zugordnet. Quer zu den ideolo­ gischen Unterscheidungsmerkmalen im Staatsozialismus wurden somit auch die Inklusions- und Exklusionsmechanismen des Milieus nicht der Frage der Partei-, sondern vor allem der Frage der Milieuloyalität untergeordnet. In der Konsequenz dieser Haltung lag allerdings auch, dass das Milieu sich im Verlauf der Jahre nicht in erster Linie als linke politische Alternative profilierte, sondern sowohl in ideologischer als auch personeller Hinsicht pluralisierte. Dies sollte zu einem bedeutenden Vorteil in Bezug auf die strategische Neuorientierung der demokratischen Opposition nach 1976 führen. Es sollte aber auch in einer vorübergehenden Stagnation bezüglich der Fortentwicklung alternativer, linker Denk- und Handlungszusammenhänge münden und zu einem daraus resultierenden Nachteil bei der Begründung einer tragfähigen, als Alternative zu den Postkommunisten organisierten, linken Partei in der Umbruchszeit der frühen 1990er-Jahre führen.

4.2 Renationalisierung statt Transnationalisierung: Zu den Spezifika des linken Milieus in Polen im Vergleich mit anderen Fällen Neben einer Milieu- ging es der vorgelegten Arbeit auch um eine Beziehungsgeschichte linker Dissidenz in Polen. Sie interessierte sich für die Frage, mit welcher Zielrichtung transnationale Kontakte aufgebaut, unter wessen Einfluss sie potenziell ausgebaut und mit welchem Erfolg oder auch Misserfolg sie letztlich für die strategische und programmatische Ausrichtung der Dissidenz verwendet wurden. Dabei versuchte die Arbeit zum einen, den Einfluss transnationaler Kommunikation auf die intellektuelle Entwicklung der Dissidenz zu eruieren. Zum anderen versuchte sie die Frage, ob ein solcher Einfluss, wenn er denn vor224 © 2013, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen ISBN Print: 9783525370322 — ISBN E-Book: 9783647370323

handen war, eine nachhaltige Wirkung auf die Erfolgschancen der Dissidenz in ihrem Kampf gegen das Regime ausübte, zu analysieren. Dabei wurde deutlich, dass, trotz der von den Dissidenten genutzten Möglichkeit zum länderübergreifenden Austausch auf politischer und intellektueller Ebene, ihre Diskussionen letztlich relativ unbeeinflusst von externen Einflüssen blieben. Zwar sind auch im hier untersuchten Fall Beispiele für transnationale, also »oberhalb, unterhalb oder außerhalb«22 nationaler Grenzen stattfindende Interaktionen zu finden. Was aus diesen Prozessen folgte, war jedoch eine besondere, durch gegenläufige Mechanismen geprägte, Dynamik: Einer Transnationalisierung wurden letztlich nur die praktischen Handlungsbedingungen linker Dissidenz in Polen unterzogen, während die programmatischen Denkmuster einem Prozess der Renationalisierung unterlagen. Dies zeigte sich unter anderem daran, dass nur wenige Ansätze der Dissi­ denz,  allen voran ihre revisionistischen, evolutionistischen und zivilgesellschaftlichen Ideen, überhaupt in einem transnationalen Rahmen diskutiert wurden. Hinzu kam, dass viele der hier untersuchten Kontakte kaum über ein gegenseitiges Kennenlernen und eine gegenseitige Kenntnisnahme hinausgingen. Wenn daraus Kooperationen entstanden, so lassen sie sich über die in Polen lagernden, von den Dissidenten unter staatssozialistischen Bedingungen hinterlassenen Quellenbestände kaum belegen. Dennoch konnte nachgewiesen werden, welche zentrale Rolle insbesondere der politisch motivierten Emigration aus Polen für die Unterstützung der Dissidenz zukam. Es waren vor allem die in Paris, später auch die jüngeren, in London wirkenden Emigranten um die Zeitschriften Aneks und Kultura, welche die Ausgangsbasis linker Dissidenz in Polen auf ganz praktische Weise transnationalisierten. Sie halfen den Dissidenten in intellektueller, materieller und finanzieller Hinsicht, indem sie sie mit Diskussionsbeiträgen und Büchern aus dem Ausland sowie mit Unterstützleistungen, wie Stipendien, Preisen und Solidaritätsaufrufen, motivierten. Dabei übernahmen sie auch in emotionaler Hinsicht wichtige, das ursprüngliche linke Milieu der Dissidenz ergänzende und nach der erzwungenen Ausreise nach 1968 in Teilen ersetzende Funktionen. Sie boten den Dissidenten eine Möglichkeit, ihren milieuinternen Zusammenhang auch in der Emigration fortzuführen, ohne sich von den Entwicklungen in Polen und in ihren Wahl­ ländern zu isolieren. Der tatsächliche Einfluss, den diese Art der Transnationalisierung auf den demokratischen Umbruch der Volksrepublik Polen ausübte, ist allerdings gering einzuschätzen. Die transnationale Vernetzung war wichtig für die Dissidenten, weil sie ihnen den Eindruck einer gewissen Anbindung an intellektuelle und politische Entwicklungen außerhalb Polens ermöglichte und sie auf diese Weise in ihrem Selbstverständnis bestärkte. Von Einfluss auf das kommunistische Regime war sie allerdings selbst dann, wenn es – wie im Briefwechsel zwischen Jacek Kuroń und Enrico Berlinguer – zu einer erzwungenen Reaktion des 22 Vgl. Saunier, S. 1047–1055.

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Regimes kommen musste, kaum. Hinzu kam, dass auch die transnationale Vernetzung als solche an enge Grenzen stieß, die durch geheimpolizeiliche- und strafrechtliche Untersuchungen schon frühzeitig abgesteckt worden waren. Wie oberflächlich bestimmte Verbindungen bleiben mussten, um nicht in den Fokus von Ermittlungen zu gelangen, zeigt sich insbesondere an den Kontakten des KOR zu Mitgliedern von Charta 77, die zwar im August, September und Oktober 1978 zu Treffen nahe der tschechischen Grenze zusammenkamen, deren Kooperationsmöglichkeiten aber über gegenseitige Solidaritätserklärungen oder den gegenseitigen Abdruck ihrer Texte in regimekritischen Zeitschriften nicht hinauskamen.23 Auch wenn im gesamten Ostblock zivilgesellschaftliche Konfliktaustragungsmuster und die Verteidigung der Bürger- und Menschenrechte seit den späten 1970er-Jahren im Zuge des sogenannten Helsinki-Effekts an Relevanz gewannen, lassen sich, jedenfalls anhand der hier untersuchten Quellen, kaum Hinweise auf eine transnationale Diskussion über diese Entwicklung etwa zwischen polnischen und tschechischen, oder polnischen und ungarischen Dissidenten finden. Es scheint, als wären die Dissidenten in Ostmitteleuropa letztlich unabhängig voneinander unter ähnlichen Bedingungen zu ähnlichen Folgerungen gekommen. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt man, wenn man sich den westeuropäischen Kontakten der Dissidenz zuwendet. Auch hier überwogen Projektionen gegenüber intellektuellen Anleihen und Adaptionen. Trotz ihres durchaus vorhandenen Interesses für Entwicklungen innerhalb der Linken vermochten sich die Dissidenten weder einer Alten noch einer Neuen Linken im europäischen Maßstab zuzuordnen. Im Gegenteil fällt auf, dass sie sich von bestimmten Entwicklungen dezidiert abgrenzten, während sie zu anderen nur insofern Affinitäten entwickelten, als sie diese in praktischer Hinsicht rezipierten. Von einer transnationalen Wertegemeinschaft kommunistischer Dissidenten, wie sie etwa Edward P. Thompson zu begründen suchte, hielten sie wenig. Und auch etwaige Gemeinsamkeiten mit den Studentenprotesten um 1968 sahen sie eher kritisch. Dem polnischen Milieu fehlte die antibürgerliche Stoßrichtung, die alternative linke Bewegungen im Westen vertraten. Die von Andrew Arato und Ansgar Klein betonten, miteinander geteilten und verflochtenen intellektuellen Hintergründe ostmittel- und westeuropäischer Linker konnten insofern nur wirken, wenn sie sich jenseits ideologischer Debatten auf die Begründung zivilgesellschaftlicher Handlungsmodi konzentrierten. »The efforts to redefine leftism both in the West and in the East were parallel, but asynchronic aspirations. While the leftists on both sides seemed to need one another, the interactions between them in fact remained symbolic.«24 Nicht etwaige Prozesse der Transnationalisierung, sondern Dynamiken der Renationalisierung waren demnach von zentraler Relevanz für die Entfaltung und den Erfolg linker Dissidenz in Polen. Beginnend mit dem als Niederlage 23 Vgl. Havel, Siła bezsinlych, S. 5–62 und Benda, S. 63–71. 24 Vgl. Fehér u. Heller, S. 29.

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erlebten Jahr 1968 begannen die Dissidenten, ihre jeweiligen Legitimationsgrundlagen zu nationalisieren und ihre bis dahin geltenden Zielbegründungen zu entideologisieren. Gerade dann, als die PZPR in ihrer Anknüpfung an latent vorhandene, antisemitische Diskriminierungstendenzen tatsächlich eine Hinwendung zu national-konservativen Haltungen vollführte, bewegte sich das Milieu der Dissidenz aus einer zunehmend liberal-gemäßigten Haltung heraus zur gesellschaftlichen Mitte. Fast scheint es, als hätten sich die als »Juden« diskreditierten Milieuangehörigen ganz bewusst noch stärker der polnischen Geschichte, Kultur und katholischen Religion zugewendet. Gerade dies ermöglichte ihnen, der Tendenz des Regimes, sie als einen vom Rest der Gesellschaft abgekoppelten »Fremdkörper« abzuwerten, konstruktiv zu begegnen und gegenüber der Gesellschaft ihre Bereitschaft zum gemeinsamen Kampf gegen das Regime zu bekunden. Inhaltlich konzentrierten sich die Diskurse der Dissidenz nach 1968 auf drei Themen. Es ging um die endgültige Loslösung vom Marxismus, um eine Auseinandersetzung mit dem Katholizismus und um eine Annäherung an den Patrio­tismus. Was den Dissidenten am Ende dieses Prozess gelang, war nicht nur ein ideologischer Wendepunkt in Richtung dessen, was Samuel Moyn kürzlich als bislang letzte »Utopie der Menschheit«25 beschrieben hat. Noch wichtiger ist, dass diese Utopie von der Allgemeingültigkeit der Bürger- und Menschenrechte nicht mehr aus der Tradition der Linken, sondern aus einem christlich-humanistischen Kontext hergeleitet wurde. Anstelle eines sowjetischen, ideologischen Internationalismus vertrat die Dissidenz von nun an einen globalen, vor allem normativ geprägten Universalismus, der allerdings nicht ohne nationale Begründungsbasis auskam. Wie ich durch den Vergleich mit deutschen Diskussionen um den Verfassungspatriotismus zu zeigen versucht habe, hat es sich bei dem Wandel der linken Denkansätze nicht um ein post­ nationales, sondern um ein post-nationalistisches Projekt gehandelt. Dass ein solches Projekt aus der Mitte der polnischen Gesellschaft hervorgehen und dass es mit der Anerkennung der Rechte und des Traditionsbestandes der katho­ lischen Glaubensgemeinschaft beginnen müsse, war von herausragender Bedeutung für die Erfolgschancen der dissidenten Linken im Demokratisierungsprozess ihres Landes. Dieser gedankliche Wandel ermöglichte es der Dissidenz einerseits, ihre programmatische, aber auch personelle Basis zu liberalisieren und zu pluralisieren. Und er ermöglichte ihr andererseits, sich noch stärker in die polnische Gesellschaft zu integrieren. Während die Dissidenten in ihrer revisionistischen Phase von der polnischen Bevölkerung noch weitestgehend isoliert waren, gelang ihnen im Verlauf der 1970er-Jahre allmählich der Anschluss an größere, über das eigene Milieu hinausreichende Diskussionszusammenhänge, im Rahmen derer spätestens seit 1976, vor allem aber seit 1980 zur Mo­ bilisierung der polnischen Gesellschaft gegen den Staat jenseits marxistischer Argumentationsmuster aufgerufen wurde. 25 Vgl. Moyn, Last Utopia.

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5. Hierin liegt der wichtigste Unterschied des polnischen zum tschechischen, ungarischen und ostdeutschen Fall begründet. Weder in der Sowjetunion, in der dissidente Netzwerke und Strukturen des Samizdat schon in den 1960erJahren entwickelt worden waren, noch in den genannten ostmitteleuropäischen Satellitenstaaten gelang es der Dissidenz, zu breiteren Bevölkerungsschichten vorzudringen.26 Zu den bereits erwähnten Merkmalen des Milieus fügt sich somit fünftens seine spezifische und in komparativer Hinsicht singuläre Inte­ gration in die polnische Gesellschaft ein. Spätestens mit der Gründung des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter 1976 gelang der polnischen Dissidenz ein Schulterschluss zwischen Linken und Katholiken sowie zwischen Bildungsbürgern und Arbeitern, der intellektuell seit 1968 vorbereitet wurde. Schichtenübergreifend und gegen das System geeint konnten auf diese Weise Massenproteste der Bevölkerung gegen wirtschaftliche Missstände mit intellektuellen Protesten gegen die politischen Zustände im Land Hand in Hand gehen. Das war einzigartig für die Länder des sowjetischen Einflussbereiches, in denen Synergieeffekte zwischen der Demonstrationsbereitschaft der Bevölkerung und der Dissidenz bis 1989 meist ausblieben. 6. Begünstigt wurde dieser Effekt aber nicht nur durch die Anpassungs­ bereitschaft linker Dissidenten, sondern auch durch eine Reihe weiterer, struktureller Faktoren. Zu ihnen zählten sechstens die wirtschaftliche, politische und kulturelle Situation des Landes.27 In wirtschaftlicher Hinsicht gehörte die polnische Bevölkerung zu denjenigen, die den ökonomischen und technolo­gischen Niedergang des Ostblocks sehr früh und sehr nachhaltig spürten. Zwar versuchte nicht nur die polnische, sondern auch die ostdeutsche, tschechoslowakische und ungarische Regierung an der Wende zu den 1970er-Jahren, ihre Bevölkerung über einen forcierten Konsum in das realsozialistische System ­einzubeziehen und ruhig zu stellen.28 Während die vergleichsweise hoch industrialisierte Tschechoslowakei sich wirtschaftlich weiterhin gegenüber dem Westen abgrenzte, gerieten insbesondere Polen und Ungarn in eine wachsende, durch Devisenverschuldung ausgelöste Abhängigkeit vom Westen. In Ungarn konnte sie – aufgrund eigener Einnahmen aus Landwirtschaft und Tourismus – noch abgemildert werden, in Polen aber führte sie bereits zu Beginn der 1980erJahre zu einer manifesten Krise.29 Die wiederholt aufgrund wirtschaftlicher Missstände ausgelösten Massendemonstrationen in Polen waren schon frühzeitig, zum Beispiel um 1956, für die Schaffung von Arbeiterräten und für andere 26 Vgl. Luks, Osteuropäische Dissidenten, S. 22 und S. 36. 27 Einen vergleichenden Überblick über die strukturell unterschiedlichen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ausgangsbedingungen der Volksrepubliken in Ostmitteleuro­pa bietet von Puttkamer, inbs. S. 114 und S. 314 ff. 28 Vgl. Boyer, Pfadabhängigkeit, S. 103–119, insb. S. 110 sowie – ausführlicher zu den Wirtschaftsreformen in Ostmitteleuropa – Boyer, Physiognomie und ders., Sozialistische Wirtschaftsreformen. 29 Vgl. von Puttkamer, S. 132.

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dissidente Ansätze empfänglich. Nachdem die vorübergehende Stabilität der »goldenen Jahre« der frühen Ära Gierek zu Ende gegangen war, verschränkten sich beide Protestströmungen, was vor allem zur erfolgreichen Gründung der von den Arbeitern errungenen und von den Intellektuellen unterstützten Gewerkschaft Solidarność führte. Dass das Komitee zur Verteidigung der Arbeiter sich nach Gründung der Solidarność auflöste, zeigt, wie das linke, bildungsbürgerliche Milieu sich auch institutionell ganz in die neuen Bedingungen einfügte. In politischer Hinsicht war eine solche Vorgehensweise aber vermutlich nur deshalb möglich, weil Polen, anders als die DDR 1953, Ungarn 1956 und die Tschechoslowakei 1968, keinen Einmarsch sowjetischer Truppen zur Niederschlagung von Bevölkerungsaufständen erlebte. Wenn es zu Todesopfern kam, dann wurden sie durch die eigene Regierung verursacht, was die Menschen in Polen in ihrer widerständigen Haltung eher noch bestärkte. Das bedeutet nicht, dass die polnische Bevölkerung sich in konstantem Widerstand gegen das kommunistische Regime befand. Es erklärt allerdings, warum in Polen Ansätze zu Massendemonstrationen nicht vollständig erstickt wurden, während vor allem die Bevölkerung in der Tschechoslowakei durch den Einmarsch der sow­ jetischen Truppen nach Prag eine nachhaltige Destabilisierung erfuhr, die sie als nationales Trauma erlebte. Den Polen hingegen gelang es, trotz äußerst schwieriger geopolitischer Bedingungen, wiederholten Druck auf ihre Regierung auszuüben und entsprechende Konflikte im nationalen Maßstab zu lösen. Dabei spielte im Falle des hier untersuchten Milieus die bewusste Abkehr von einer konspirierenden, revoltierenden inteligencja, wie sie noch das 19. Jahrhundert kannte, eine große Rolle. Stattdessen beschritt man frühzeitig Wege bürgerschaftlicher, gewaltfreier Konfliktaustragung, die in anderen ostmitteleuropäischen Ländern nachgeahmt wurden, wie etwa die 1977 gegründete Charta 77 in der Tschechoslowakei oder aber der 1979 gegründete Fonds zur Unterstützung der Armen in Ungarn zeigen.30 Vorbildcharakter für ostmitteleuropäische Dissidenten hatten aber vor a­ llem die kulturellen Bedingungen Polens. Zwar kam es auch in Ungarn um 1956 und in der Tschechoslowakei um 1968 zu innerparteilichen Kämpfen zwischen liberalen und dogmatischen Strömungen. Doch nur polnischen Dissidenten gelang es, während dieser Phasen ein breites Spektrum an unabhängigen Medien, Organisationen und Arbeiterräten zu etablieren. Trotz der erfolgreichen Bemühungen des Regimes, diese Entwicklungen rasch zurückzunehmen, konnten Periodika wie Po Prostu oder Klubs wie der Klub Krzywego Koła ein erhebliches Ausmaß an inner- und außerparteilicher Kritik zur Diskussion bringen. Auch nach ihrer Schließung kamen die darin eingeübten regimekritischen Verhaltensweisen und die darin geschlossenen, milieuübergreifenden Kontakte nicht zum Erliegen. Diese Art der politischen Entfaltungsmöglichkeiten war von her30 Vgl. Luks, Osteuropäische Dissidenten, S. 34 und S. 39.

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ausragender Bedeutung für die intellektuelle und institutionelle Entwicklung linker Dissidenz in Polen. Die dabei entstandenen Periodika und Klubs hatten Modellwirkung für dissidente Milieus in Ostmitteleuropa.31 Hinzu kamen die relative Unabhängigkeit einiger Universitäten sowie die für ostmitteleuropä­ ische Verhältnisse singulären Spielräume der katholischen Kirche in Polen. Insbesondere die Rolle der Universität »als Ausbildungsort staatlicher Eliten, als Sprungbrett für sozialen Aufstieg und Brutstätte intellektueller Opposition«32 muss betont werden. Im Gegensatz zur Tschechoslowakei, wo zwischen 1953 und 1958 über die Hälfte der Professoren und circa ein Drittel der Studenten Mitglied der Kommunistischen Partei waren, gehörten um 1953 nur 9 und um 1958 nur 2,5 Prozent der Studierenden an der Warschauer Universität der PZPR an. Innerhalb der Professorenschaft bewegte sich die Zahl derer, die der Partei angehörten, im selben Zeitraum zwischen 10,7 und 11,4 Prozent. Durch den internen Zusammenhalt ihres Milieus, ihrer Universität, aber auch durch die solidarische Hilfe einzelner Kirchenvertreter geschützt, konnten polnische Dissidenten im Grunde durchgehend von 1956 bis 1989 Gesprächspartner außerhalb der Partei sowie einen Rahmen für ihr regimekritisches Engagement finden. 7. Bei all diesen durchweg positiv wirkenden Faktoren gab es allerdings auch ein siebtes Merkmal, das die Entfaltung linker Dissidenz in Polen in negativer Hinsicht spezifizierte. Sieht man von Entwicklungen in der Sowjetunion einmal ab, kam es in keinem anderen ostmitteleuropäischen Land zu einem vergleichbaren Ausbruch des Antisemitismus wie in Polen. Was auf den ersten Blick wie ein Hinderungsgrund wirkt, hat allerdings die politische Entwicklung des Milieus eher beschleunigt. Dass weder das Bekenntnis zum Marxismus noch zum realexistierenden Sozialismus vor einer Rückkehr zu den Tendenzen, die das Milieu mit rechten, rückständigen Entwicklungen im Land assoziierte, zu schützen vermochte, erleichterte letztlich die Loslösung aus marxistischleninistischen Denkmustern und die Annäherung an sozial-liberale Positionen. Die Emigration von wichtigen Angehörigen des Milieus in das westeuropäische und amerikanische Ausland konnte diesen Prozess nicht aufhalten. Vielmehr bestärkte sie ihn noch durch neue Medien und Institutionen. Was blieb am Ende von dem hier untersuchten linken Milieu der Dissidenz? Wo liegen seine Verdienste für den Transformationsprozess in Polen? Zu behaupten, dass die linken Dissidenten es waren, die das Land in einen demokratischen Umbruch führten, würde zu weit führen. So, wie die Umbruchsprozesse von 1989 wohl insgesamt »nicht als Ursache, sondern als Folge des Niedergangs des Staatssozialismus«33 zu gelten haben, so hatte auch die Beteiligung linker Dissidenz eher mittelbaren als unmittelbaren Einfluss auf den Beginn und den Verlauf des demokratischen Umbruchs in Polen. Ursächlich waren vielmehr die 31 Vgl. Brandt, S. 13–17. 32 Vgl. Connelly, Polnische Universitäten, S. 173–198, hier S. 175 und S. 197, sowie – zu den darauf folgenden Zahlenangaben – S. 186. 33 Vgl. Wielgohs u. Pollack, Ressourcen, S. 7–16, hier S. 9.

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veränderten geopolitischen Bedingungen, die durch Glasnost und Peres­troika sowie die Aufgabe der Breschnew-Doktrin durch Michail Gorbatschow in der Sowjetunion ausgelöst worden waren. Hinzu kamen die erwähnten ökonomischen und technologischen Niedergangserscheinungen, die Unfähigkeit des Regimes, sich in systemischer Hinsicht zu erneuern sowie der seit den 1980erJahren zunehmende Einfluss von Massendemonstrationen, gebündelt in der Bewegung der Solidarność.34 Was die dissidente Linke in diesen Prozess einbrachte, das war vor allem die Fähigkeit, sich selbst und die politische Kultur des Landes maßgeblich zu verändern. Vor allem der von ungarischen Dissidenten, wie Ferenc Fehér und Ágnes Heller, massiv kritisierte Schulterschluss mit katholischen Linken erscheint historisch betrachtet als eine zentrale Stärke.35 Gerade durch die Bereitschaft, die eigenen ideologischen Vorannahmen sehr früh und sehr grundsätzlich infrage zu stellen, veränderte sich das Milieu in Richtung links-liberaler Gruppierungen und Parteien, welche die Vorannahmen des traditionellen Sozialismus nur noch hinsichtlich egalitärer Verteilungsmechanismen und partizipativer Demokratiestile teilen.36 Damit durchlief das Milieu einen Prozess der Liberalisierung und partiellen Sozialdemokratisierung, der es heute in die Nähe jenes Wählerpotenzials rückt, wie es zunehmend bürgerlich argumentierende, aber aus sozialen Bewegungen hervorgegangene Parteien wie die deutschen Grünen repräsentieren. Dass wiederum gerade dieses Milieu einerseits zu den gefährlichsten Widersachern des kommunistischen Regimes und andererseits zu den kompromiss­ bereitesten Unterstützern des demokratischen Umbruchs zählte, lässt sich ebenfalls historisch begründen. Wie kaum ein anderes kannte das linke Milieu die Schwachpunkte des herrschenden Regimes. Gerade weil es über Jahre zu seinen Leistungs- und Hoffnungsträgern gehörte und weil es ein großes Ausmaß an internem, anderen Milieus nicht zugänglichem Wissen akkumulierte, war seine Wirkungskraft gewaltig. Wenn linke Dissidenten gegen das Regime vorgingen, dann indem sie gleichzeitig an dessen theoretischen Vorannahmen und praktischen Errungenschaften rüttelten. Diese Erschütterungen konnten dem Regime zwar nicht den realpolitischen Boden, aber durchaus seine Legitima­ tionsgrundlagen entziehen. Sie waren gefährlich, weil sie – vor allem in der ersten Phase  – aus der Partei selbst hervorgingen. Der Wandel, den das Milieu durchlaufen musste, um von einer loyalen zu einer dermaßen kritischen Kraft zu werden, erklärt aber auch, warum Teile des Milieus nach 1989 nicht zu den Verfechtern scharfer Lustrationskampagnen zählten. Es lag in der Logik ihrer politischen und ethischen Entwicklung, dass die Chance zur Veränderung auch ehemaligen Gegnern gebührte. Die demokratische Zukunft des Landes war den kommunistischen Machthabern durch einen Kompromiss abgerungen worden. Zu diesem Kompromiss, der 1989 von einer Abrechnung mit den ehemaligen 34 Vgl. Pollack u. Wielgohs, Ende des Staatssozialismus, S. 275–308, hier S. 282. 35 Vgl. Fehér u. Heller, S. 34. 36 Vgl. Kitschelt, S. 180.

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Eliten absah, standen die Milieuangehörigen, auch wenn sie in den Vorjahren zu den am schärfsten von Staatssicherheit und Partei bekämpften Menschen gehörten. Zugespitzt gesagt, waren die Dissidenten links genug, um die Grund­ festen des kommunistischen Regimes zu durchdringen und, wenigstens intellektuell, niederzuringen – aber auch liberal und bildungsbürgerlich genug, um die veränderten gesellschaftlichen und politischen Bedingungen nach 1989 mühe­los zu adaptieren.

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Abkürzungen AAN AfS AIL ML

Archiwum Akt Nowych (Archiv der Neuen Akten) Archiv für Sozialgeschichte Archiwum Instytutu Literackiego Maisons-Laffitte (Archiv des Literarischen Instituts Maisons-Laffitte) AIPN Archiwum Instytutu Pamięci Narodowej (Archiv des Instituts des Nationalen Gedenkens) AO Archiwum Opozycji w Ośrodku Karta (Oppositionsarchiv im Zentrum Karta) APAN Archiwum Polskiej Akademii Nauk (Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften) APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte Arcana Arcana. Kultura – Historia – Polityka AUW Archiwum Uniwersytetu Warszawskiego (Archiv der Warschauer Universität) Blätter Blätter für deutsche und internationale Politik CEH Contemporary European History CPGB Communist Party of Great Britain (Kommunistische Partei Großbritanniens) DC Democrazia Cristiana (Christliche Demokratie) ERH European Review of History/Revue européenne d’Histoire ERW European Review FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung FR Frankfurter Rundschau FOIZ Forum für osteuropäische Ideen- und Zeitgeschichte Fs. Festschrift GG Geschichte und Gesellschaft GPS German Politics and Society HaT History and Theory HJS Halbjahresschrift für südosteuropäische Geschichte, Literatur und Politik HuG Horch und Guck (Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SEDDiktatur) HZ Historische Zeitschrift IF Inter Finitimos INDES INDES. Zeitschrift für Politik und Gesellschaft IPMS Instytut Polski i Muzeum im. Gen. Sikorskiego (Polnisches Institut und General-Sikorski-Museum) IRSH International Review of Social History JCH Journal of Contemporary History JMH Journal of Modern History KIK Klub Inteligencji Katolickiej (Klub der Katholischen Intelligenz)

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KKK KOR KOR-KSS KPP KPRP KPZB KPZU KU PZPR KU ZMS KW PZPR MAS NYRB NLR NZZ PAaP PCI PRL PPS PPR PSI PZPR Review ROPCIO SDKPiL TAJB TKN TD TPDR TPR Transit ZF ZMP ZMS ZNAK

Klub Krzywego Koła (Klub des Krummen Kreises) Komitet Obrony Robotników (Komitee zur Verteidigung der Arbeiter) Komitet Samoobrony Społecznej (Komitee für Gesellschaftliche Selbstverteidigung) Komunistyczna Partia Polski (Kommunistische Partei Polens) Komunistyczna Partia Robotników Polskich (Kommunistische Partei der Arbeiter Polens) Komunistyczna Partia Zachodniej Białorusi (Kommunistische Partei des Westlichen Bialorus) Komunistyczna Partia Zachodniej Ukrainy (Kommunistische Partei der Westlichen Ukraine) Komitet Uczelniany Polskiej Zjednaczonej Partii Robotniczej (Universitätskomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei) Komitet Uczelniany Związku Młodzieży Socjalistycznej (Univer­ sitätskomitee des Sozialistischen Jugendverbandes) Komitet Wojewódzki Polskiej Zjednaczonej Partii Robotniczej (Wojewodschaftskomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei) Modern Asian Studies New York Review of Books New Left Review Neue Zürcher Zeitung Polish Affairs and Problems of Central & Eastern Europe Partito Comunista Italiano (Italienische Kommunistische Partei) Polska Rzeczpospolita Ludowa (Polnische Volksrepublik) Polska Partia Socjalistyczna (Polnische Sozialistische Partei) Polska Partia Robotnicza (Polnische Arbeiterpartei) Partito Socialista Italiano (Italienische Sozialistische Partei) Polska Zjednaczona Partia Robotnicza (Polnische Vereinigte Ar­ beiterpartei) Review. A Journal of the Fernand Braudel Center Ruch Obrony Praw Człowieka i Obywatela (Bewegung zur Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte) Socjaldemokracja Królestwa Polskiego i Litwy (Sozialdemokratie des Königreichs Polen und Litauen) Tel Aviver Jahrbuch für Geschichte Towarzystwo Kursów Naukowych (Gesellschaft für Wissenschaft­ liche Kurse)  Totalitarismus und Demokratie The Polish Diplomatic Review The Polish Review Transit. Europäische Revue Zeithistorische Forschungen. Studies in Contemporary History Związek Młodzieży Polskiej (Verband der Polnischen Jugend) Związek Młodzieży Socjalistycznej (Verband der Sozialistischen ­Jugend) Vereinigung polnischer Katholiken und katholische Repräsentanz im polnischen Parlament

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Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Archive a) Archiwum Akt Nowych/Archiv der Neuen Akten, Warschau (AAN) Komitet Centralny Polskiej Zjednaczonej Partii Robotniczej (PZPR)/ Zentralkomitee der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PVAP)

Politbüro

PZPR IX/135 PZPR IX/138 PZPR IX/139 PZPR IX/140 PZPR IX/145

Kanzlei des Sekretariats PZPR XI/961 PZPR XI/962 PZPR XI/966 PZPR XI/976 PZPR XI/989 PZPR XI/999 PZPR XI/1002 PZPR XI/1007 PZPR XI/1012 PZPR XI/1028

Sekretariat Władyslaw Gomułka PZPR XI A/219 PZPR XI A/234 PZPR XI A/241 PZPR XI A/256 PZPR XI A/258 PZPR XI A/269 PZPR XI A/289 PZPR XI A/331 PZPR XI A/449 PZPR XI A/457 PZPR XI A/458

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Sekretariat Edward Gierek PZPR XI A/423 PZPR XI A/424 PZPR XI A/425 PZPR XI A/607 PZPR XI A/775 PZPR XI A/776 PZPR XI A/778 PZPR XI A/996 PZPR XI A/1109 PZPR XI A/1160 PZPR XI A/1165 PZPR XI A/1168 PZPR XI A/1171

Abteilung für Hochschul- und Erziehungswesen PZPR 237/XVI-207 PZPR 237/XVI-264 PZPR 237/XVI-306 PZPR 237/XVI-404-409 PZPR 237/XVI-424 PZPR 237/XVI-460 PZPR 237/XVI-585-600 PZPR LVIII 604–622

Abteilung für Kultur

PZPR 237/XVIII-161 PZPR 237/XVIII-215 PZPR 237/XVIII-267 PZPR 237/XVIII-268 PZPR 237/XVIII-300

Disziplinarische Verfahren und Varia PZPR XIB/51 PZPR XIB/228 PZPR XI/989 PZPR XI/961 PZPR XI/962 PZPR XI/966 PZPR XI/990 PZPR XI/1012 PZPR IX/135 PZPR LVIII/604 PZPR LVIII/610 PZPR LVIII/611 PZPR LVIII/617 PZPR 237/XVIII-161 PZPR 237/XVI-597

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b) Archiwum Instytutu Pamięci Narodowej/ Archiv des Instituts des Nationalen Gedenkens, Warschau (AIPN) Transnationale Kontakte der Opposition/Emigration AIPN BU 722/55978 AIPN BU 728/568 AIPN BU 1585/2411 AIPN BU 1585/3873 AIPN BU 1585/3889 AIPN BU 01911/56 AIPN BU 01738/36 AIPN BU 0296/9514 AIPN BU 01288/4 AIPN BU 00495/1681 AIPN BU 00735/143 AIPN BU 0296/72, t. 4 AIPN BU 00495/1900 AIPN BU 01305/190 AIPN BU 01305/192 AIPN BU 01305/194 AIPN BU 01334/287 AIPN BU 00735/143 AIPN BU 00735/369 AIPN BU 00735/486 AIPN BU 01521/1918–1921 und 1927 AIPN BU 01521/1294 AIPN BU 01521/1443 AIPN BU 01521/0713/278

c) Archiwum Opozycji w Ośrodku Karta/ Oppositionsarchiv im Zentrum Karta, Warschau (AO) Kolekcje osobiste/Personenbezogene Sammlungen Andrzejewski, Jerzy Bauman, Zygmunt Bieńkowski, Władysław Blumsztajn, Seweryn Brandys, Kazimierz Brus, Włodzimierz Cohn, Ludwik Geremek, Bronisław Giedroyc, Jerzy Herling-Grudziński, Gustaw Kofman, Jan Kołakowski, Leszek Kuroń, Jacek

AO III/31 AO III/2248 AO III/36 AO III/180 AO III/397 AO III/400 AO III/344 AO III/8 AO III/77 AO III/1732 AO III/176 AO III/49 AO III/12K

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Lasota, Irena Lipiński, Edward Lipski, Jan Józef Michnik, Adam Modzelewski, Karol Pajdak, Antoni Pomian, Krzysztof Rudzińska, Anna Szlajfer, Henryk Smolar, Aleksander Steinsbergowa, Aniela Strzelecki, Jan Toruńczyk, Barbara Zakrzewska, Janina

AO III/276 AO III/16 AO III/13 AO III/17 AO III/61 AO III/206 AO III/446 AO III/450 AO III/2414 AO III/1983 AO III/214 AO III/457 AO III/169 AO III/327

Kolekcje tematyczne/Themenbezogene Sammlungen Komandosy Komitee zur Verteidigung der Arbeiter Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse Polnischer Schriftstellerverband Polnische Akademie der Wissenschaften Polnische Sozialistische Partei (PPS) Polnische Sozialistische Partei der Arbeit Polnische Sozialdemokratische Partei Polnische Partei der Arbeit Polnische Partei der Solidarität Kongress der Polnischen Kultur Verlag Aneks Zweiter Umlauf Polnisch-Tschechische Solidarität Solidarité France-Pologne Französische Unterstützung für Polen Italienische Unterstützung für Polen Britische Unterstützung für Polen Deutsche Unterstützung für Polen März 1968 in Polen Verfassungsänderung 1975–1976 Streiks 1989

AO IV/220 AO IV/4 AO IV/218 AO IV/69 AO IV/106 AO IV/12 AO IV/142 AO IV/143 AO IV/144 AO IV/145 AO IV/177 AO IV/180 AO IV/187 AO IV/36 AO IV/205 AO IV/204 AO IV/206 AO IV/210 AO IV/214 AO IV/43 AO IV/185 AO IV/188

d) Archiwum Uniwersytetu Warszawskiego/ Archiv der Warschauer Universität, Warschau (AUW) Akta kadrowe/Mitarbeiterakten Baczko, Bronisław Bauman, Zygmunt Brus, Włodzimierz

K 5147 K 2602 K 5146

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Kołakowski, Leszek Modzelewski, Karol Pomian, Krzysztof

Akta studenckie/Studentenakten Baczko, Bronisław Bauman, Zygmunt Blumsztajn, Seweryn Blajfer, Bogusława Dajczgewand, Józef Grudzińska, Irena Mencwel, Andrzej Modzelewski, Karol Pomian, Krzysztof Smolar, Aleksander Smolar, Eugeniusz Staniszkis, Jadwiga Toruńczyk, Barbara

K 1271 K 4791 K 5300 WFS Ab 3461 WFS 23 486 WFS 61 473 WFS 47 735 WMP 45 524 WNf 660 972 WFeL 33 538 WFS 27 300 WFS 23 116 WFS 41 882 WFS 68 027 WFS 37 268 WFS 51 068

e) Archiwum Polskiej Akademii Nauk/ Archiv der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Warschau (APAN) Lange, Oskar Lipiński, Edward Ossowska, Maria

III-309 III-274 III-335

f) Archiwum Instytutu Literackiego Maisons-Laffitte/ Archiv des Literarischen Instituts Maisons-Laffitte, Paris (AIL ML) Korrespondenz von Jerzy Giedroyc und Adam Michnik 1976–1986 Korrespondenz von Jerzy Giedroyc und Leszek Kołakowski 1957–1958, 1971–1988 Korrespondenz von Jerzy Giedroyc und Adam Ciołkosz 1959–1964, 1966–1974 Ford-Stiftung 1952–1955, 1957–1988, 1961–1962

g) Instytut Polski i Muzeum im. Gen. Sikorskiego/ Polnisches Institut und General-Sikorski-Museum, London (IPMS) Archiwum Adama i Lidii Ciołkoszów/Archiv von Adam und Lidia Ciołkosz Korrespondenz 1956–1976 (Kol. 133)

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2. Periodika Aneks. Kwartalnik Polityczny, London (1973–1989) Biuletyn PPS, London (1967) Krytyka. Kwartalnik Polityczny, Warschau (1978–1989) Kultura, Paris (1956–1989) Nowa Kultura. Tygodnik Związku Literatów Polskich, Warschau (1955–1956) Nowe Drogi. Czasopismo społeczno-polityczne, Warschau (1955–1958) Po Prostu. Tygodnik studentów i młodej inteligencji, Warschau (1955–1957) Polish Affairs. The monthly review published by the Executive Committee of the ­Polish Council of National Unity, London (1955–1966 und 1969–1976) Przemiany. Pismo Polskiej Parti Socjalistycznej w Niemczech, München (1974–1977) Robotnik. Monthly Paper of the Polish Socialist Party (in Exile), London (1955–1989) Lewy Nurt. Czasopismo PPS, London (1966–1976) Więź. Miesięcznik, Warschau (1958–1977) Zew. Kwartalnik Socjalistyczny, London (1971)

3. Zeitzeugengespräche Gespräch mit Dr. Eugeniusz Smolar, Warschau, 6. Dezember 2006 Gespräch mit Prof. Dr. Bronisław Geremek, Warschau, 12. Januar 2007 Gespräch mit Tadeusz Mazowiecki, Warschau, 27. Februar 2007 Gespräch mit Prof. Dr. Eric Hobsbawm, London, 9. Mai 2007 Gespräch mit Prof. Dr. Lord Ralf Dahrendorf, Berlin, 7. Juni 2007 Gespräch mit Prof. Dr. Gesine Schwan, Frankfurt (a. d. Oder), 11. Juli 2007 Gespräch mit Anna Leszczyńska-Koenen, Berlin, 23. Juli 2007 Gespräch mit Dr. Gerd Koenen, Berlin, 17. September 2007 Gespräch mit Prof. Dr. Krzysztof Pomian, Paris, 26. Mai 2008 Gespräch mit Prof. Dr. Leszek Kołakowski, Oxford, 24. November 2008 Gespräch mit Aleksander Smolar, Warschau, 19. September 2010* Gespräch mit Adam Michnik, Warschau, 19. September 2010*

* geführt im Rahmen der Tagung »Opposition transnational: Die Menschenrechts- und Demokratiebewegungen Mittel- und Osteuropas aus transfer- und verflechtungsgeschichtlicher Perspektive«, Organisation und Konzeption Agnes Arndt und Robert Brier, Deutsches Historisches Institut Warschau/Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, ­Warschau, 17.09.–19.09.2010.

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Instytut Historyczny Uniwersytetu Wrocławskiego (Hg.), Opozycja demokratyczna w Polsce w świetle akt KC PZPR 1976–1980. Wybór dokumentów (Historisches Institut der Universität Breslau [Hg.], Die demokratische Opposition in den Akten des ZK PZPR 1976–1989. Ausgewählte Dokumente), Breslau 2002. –, Anonimowe opracowanie dot. działności opozycji demokratycznej w Polsce, April 1977, in: Dass. (Hg.), Opozycja demokratyczna w Polsce w świetle akt KC PZPR 1976–1980. Wybór dokumentów (Anonyme Ausarbeitung bezüglich der Aktivität der demokratischen Opposition in Polen, April 1977, in: Historisches Institut der Universität Breslau [Hg.], Die demokratische Opposition in Polen in den Akten des ZK PZPR), Breslau 2002, S. 89–93. –, Kim są wichrzyciele i o co oni walczą? Fragment wystąpienia na zebraniach poświęconych problemom rozwoju kraju w świetle IV Plenum KC PZPR, Oktober 1976, in: Dass. (Hg.), Opozycja demokratyczna w Polsce w świetle akt KC PZPR 1976–1980. Wybór dokumentów (Wer sind die subversiven Kräfte und wofür kämpfen sie? Fragment eines Auftritts auf Versammlungen bezüglich der Entwicklung des Landes im Umfeld des IV. Plenums des ZK PZPR, Oktober 1976, in: Historisches Institut der Universität Breslau [Hg.], Die demokratische Opposition in den Akten des ZK PZPR 1976–1989. Ausgewählte Dokumente), Breslau 2002, S. 36–40. –, Informacja dot. listu otwartego Edwarda Lipińskiego, 15.5.1976, in: Dass. (Hg.), Opozycja demokratyczna w Polsce w świetle akt KC PZPR 1976–1980. Wybór dokumentów (Information bezüglich des Offenen Briefes von Edwarda Lipiński, 15.5.1976, in: Historisches Institut der Universität Breslau [Hg.], Die demokra­ tische Opposition in Polen in den Akten des ZK PZPR 1976–1989. Ausgewählte Dokumente), Breslau 2002, S. 28–29. Instytut Pamięci Narodowej (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008. –, Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 2, Kronika wydarzeń (Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 2, Chronik der Ereignisse), Warschau 2009. –, Kryptonim »Pegaz«. Służba bezpieczeństwa wobec towarzystwa kursów nauko­ wych 1978–1980 (Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], Deckname »Pegaz«. Der Umgang des Repressionsapparats mit der Gesellschaft für Wissenschaftliche Kurse), Wybór, wstęp i opracowanie Łukasz Kamiński i Grzegorz Waligóra, Warschau 2008. –, Kryptonim »Gracze«. Służba Bezpieczenstwa wobec Komitetu Obrony Robot­ ników i Komitetu Samoobrony Społecznej »KOR« (Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], Deckname »Gracze«. Der Umgang des Repressionsapparats mit dem Komitee zur Verteidigung der Arbeiter und dem Komitee für Gesellschaftliche Selbstverteidigung), Warschau 2010. –, »Twórczość obca nam klasowo«. Aparat Represji wobec środowiska literackiego 1956–1990 (Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], Der Umgang des Repres­ sionsapparats mit dem literarischen Milieu 1956–1990), Warschau 2009. –, Charakterystyka TW ps. »Wacław«, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Charakteristik des IM »Wacław«, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums), Warschau 2008, Nr. 90, S. 349–350.

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–, Czym jest nasz klub? Załącznik nr. 3 do informacji starszego oficera operacyjnego Wydziału IV Departementu III MSW kpt. Wiesława Komorowskiego dotyczącej Klubu Poszukiwaczy Sprzeczności z dn. 26 kwietnia 1963, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Worum handelt es sich bei unserem Klub? Anhang Nr. 3 […] betreffend den Klub Poszukiwaczy Sprzeczności vom 26. April 1963, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 29, S. 107–137. –, Doniesienie TW ps. »Wacław« dotyczące Stanisława Gomułki z. dn. 25.  lutego 1966, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Meldung von IM »Wacław« betreffend Stanisław Gomułka vom 25. Februar 1966, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 167, S. ­647–649. –, Donosienie TW ps. »Wacław« dotyczące zebrania grupy Jacka Kuronia i Karola Modzelewskiego w Warszawie w dniu 19 kwietnia 1964 z dn. 18–19 kwietnia 1964, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Meldung von IM »Wacław« betreffend eines Treffens der Gruppe von Jacek Kuroń und Karol Modzelewski am 19. April 1964 in Warschau vom 18.–19. April 1964, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innen­ ministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 107, S. 393–397. –, Doniesienie TW ps. »Wacław« z dn. 18–19 kwietnia 1964, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd.  1, Niepokorni (Meldung von IM »Wacław« vom 18.–19. April 1964, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 107, S. 393–397. –, Doniesienie źródła »J« dotyczące przyjęcia prof. Leszka Kołakowskiego przez kardynała Stefana Wyszyńskiego z. dn. 9. stycznia 1967, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd.  1, Niepokorni (Meldung der Quelle »J« betreffend Leszek Kołakowski Empfang bei Kardinal Stefana Wyszyński vom 9. Januar 1967, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 197, S. ­716–717. –, Fragment notatki MSW z dn. 18. stycznia 1963, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Fragment einer Notiz des Innenministeriums vom 18. Januar 1963, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd.  1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 91, S. 351–354. –, Informacja MSW z dn. 6. stycznia 1965, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Information des Innenministeriums vom 6. Januar 1965, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 118, S. 455–457. –, Informacja MSW z dn. 16.  listopada 1964, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd.  1, Niepokorni (Information des Innenministeriums vom 16.  November 1964, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 112, S. 428–437.

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–, Informacja starszego oficera operacyjnego Wydziału IV Departementu III MSW kpt. Wiesława Komorowskiego dotycząca Klubu Poszukiwaczy Sprzeczności wraz z załącznikami z dn. 26 kwietnia 1963, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Information […] betreffend den Klub Poszukiwaczy Sprzeczności samt Anhängen vom 26. April 1963, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 29, S. 107–137. –, Klub Poszukiwaczy Sprzeczności (przy Staromiejskim Domu Kultury). Załącznik nr. 2 do informacji starszego oficera operacyjnego Wydziału IV ­Departementu III MSW kpt. Wiesława Komorowskiego dotyczącej Klubu Poszukiwaczy Sprzecz­ ności z dn. 26 kwietnia 1963, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Klub Poszukiwaczy Sprzeczności (beim Haus der Kultur in der Altstadt). Anhang Nr. 2 […] vom 26. April 1963, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 29, S. 107–137. –, Kronika sprawy operacyjnego sprawdzenia kryptonim »Watra« z dn. 14.  listopada 1964, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Chronik des operativen Vorgangs mit dem Decknamen »Watra« vom 14.  November 1964, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 111, S. 411–427. –, List Leszka Kołakowskiego do Centralnej Komisji Kontroli Partyjnej z dnia 23. lutego 1966, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Brief von Leszek Kołakowski an die Zentrale Kontrollkommission der Partei vom 23. Februar 1966), in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd.  1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 166, S. 645–646. –, Młodzieżowy Klub Dyskusyjny. Załącznik nr. 7 do informacji starszego oficera operacyjnego Wydziału IV Departementu III MSW kpt. Wiesława Komorowskiego dotyczącej Klubu Poszukiwaczy Sprzeczności z dn. 26 kwietnia 1963, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd.  1, Niepokorni (Diskussionsklub der Jugend. Anhang Nr.  7 […] betreffend den Klub Poszukiwaczy Sprzeczności vom 26.  April 1963, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 29, S. 107–137. –, Notatka dotycząca Włodzimierza Brusa z dn. 21.  kwietnia 1965, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd.  1, Niepokorni (Notiz betreffend Włodzimierz Brus vom 21.  April 1965, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd.  1, Die Auf­ begehrenden), Warschau 2008, Nr. 142, S. 586–587. –, Notatka kierownika Grupy IV Wydziału III Komendy MO m.st. Warszawy kpt. Waldemara Wołpiuka ze spotkania z KO ps. »Kowalski« z dn. 30.  października 1962, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Notiz […] vom 30. Oktober 1962), in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd.  1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 87, S. 341–343. –, Notatka mjr. Jerzego Nawrockiego z doniesienia TW ps. »Wacław« dotycząca

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z­ ebrania grupy Jacka Kuronia i Karola Modzelewskiego w dn. 20 maja 1964 r. oraz rozmowy TW z Bernardem Tejkowskim w dn. 21 maja 1964 r., in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Notiz […] betreffend eines Treffens der Gruppe von Jacek Kuroń und Karol Modzelewski am 20. Mai 1964 und betreffend eines Gesprächs des IM mit Bernard Tejkowski vom 21. Mai 1964, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 109, S. ­400–404. –, Notatka MSW z dn. 5. grudnia 1962, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Notiz des Innenministeriums vom 5. Dezember 1962, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 88, S. 344. –, Notatka służbowa dotycząca Zygmunta Baumana z dn. 21 kwietnia 1965, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd.  1, Niepokorni (Notiz betreffend Zygmunt Bauman vom 21. April 1965, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 141, S. 583–585. –, Notatka starszego oficera operacyjnego Wydziału III Komendy MO m.st. War­ szawy por. Czesława Stysia z doniesienia TW ps. »Amatorka« z dn. 14.  grudnia 1962 r., in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Notiz […] vom 14. Dezember 1962, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd.  1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 89, S. 345–348. –, Notatka starszego oficera operacyjnego Wydziału II Departementu III MWS mjr. Stanisława Szemiota dotycząca Andrzeja Drawicza z dn. 12 marca 1963 r., in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Notiz […] betreffend Andrzej Drawicz vom 12. März 1963, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 94, S. 359–360. –, Notatka z doniesienia TW ps. »Wacław« z dn. 5.  czerwca 1964, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Notiz über einen Bericht von IM »Wacław« vom 5. Juni 1964, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 110, S. 405–410. –, Notatka ze spotkania z TW ps. »Wacław« z dn. 27. stycznia 1964, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Notiz über ein Treffen mit IM »Wacław« vom 27. Januar 1964, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 106, S. 391–392. –, Opinia profesorów Leszek Kołakowskiego, Marii Ossowskiej i Tadeusza Kotar­ bińskiego w sprawie pojęcia »wiadomości«, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Bewertung des Begriffs »Informationen« durch die Professoren Leszek Kołakowski, Maria Ossowska und Tadeusz Kotarbiński, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd.  1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr.  153, S. ­614–616. –, Plan czynności operacyjnych w sprawie operacyjnej kryptonim »Watra«, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd.  1, Niepokorni (Plan des opera­

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tiven Vorgangs mit dem Decknamen »Watra«, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Auf­ begehrenden), Warschau 2008, Nr. 100, S. 374–376. –, Plan działań operacyjnych przeciwko Joannie i Stanisławowi Gomułkom z. dn. 28. lutego 1967, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Plan des operativen Vorgangs gegen Joanna und Stanisław Gomułka vom 28. Februar 1967, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd.  1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 201, S. 734–736. –, Plan przedsięwzięć operacyjnych do spraw »Wir«, »Wir-II«, »Wir-III« z dn. 27. sierpnia 1965, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Plan der operativen Vorgänge mit den Decknamen »Wir«, »Wir-II«, »WirIII« vom 27. August 1965, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd.  1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 151, S. 608–611. –, Stenogramm z nagrania dźwiękowego wystąpienia prof. Leszka Kołakowskiego na otwartym zebraniu ZMS na Wydziale Historycznym Uniwersytetu Warszawskiego z. dn. 21. października 1966, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd.  1, Niepokorni (Stenogramm des Mitschnitts vom Auftritt von Prof. Leszek Kołakowski auf der öffentlichen Versammlung des ZMS am Historischen Institut der Universität Warschau vom 21.  Oktober 1966, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 185, S. 687–693. –, Uchwała Centralnej Komisji Kontroli Partyjnej z dnia 27 października 1966 r. w sprawie usunięcia z PZPR Leszka Kołakowskiego, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Beschluss der Zentralen Kontrollkommission der Partei vom 27. Oktober 1966 über den Ausschluss von Leszek Kołakowski aus der PZPR, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 186, S. 694–695. –, Ulotka podziemnego Demokratycznego Związku Studentów, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Flugblatt des Demokratischen Studentenbundes im Untergrund, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 172, S. 659–660. –, Wniosek o założenie sprawy operacyjnej obserwacji kryptonim »Wir-III« z dn. 30 sierpnia 1965, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Antrag auf Eröffnung eines operativen Vorgangs mit dem Decknamen »Wir-III« vom 30. September 1965, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 152, S. 612–613. –, Wyciąg z informacji Wydziału III Komendy MO m. St. Warszawy dotyczącej wypowiedzi Karola Modzelewskiego podczas dyskusji w Klubie Dyskusyjnym ZMS na Uniwersytecie Warszawskim na temat książki Zbigniewa Załuskiego »Siedem polskich grzechów głównych«, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Auszug aus einer Information […] betreffend der Äußerungen von Karol Modzelewski während einer Diskussion im Diskussionsklub des

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ZMS über das Buch »Sieben polnische Hauptsünden« von Zbigniew Załuski, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 95, S. 361–362. –, Wyciąg z informacji Wydziału III Komendy MO m. St. Warszawy dotyczący ­w ypowiedzi Jacka Kuronia podczas dyskusji w Klubie Dyskusyjnym ZMS na Uniwersytecie Warszawskim na temat książki Zbigniewa Załuskiego »Siedem polskich grzechów głównych«, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Auszug aus einer Information … betreffend der Äußerungen von Jacek Kuroń während einer Diskussion im Diskussionsklub des ZMS über das Buch »Sieben polnische Hauptsünden« von Zbigniew Załuski, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 96, S. 363–364. –, Wykaz członków Klubu Poszukiwaczy Sprzeczności. Załącznik nr. 6 do informacji starszego oficera operacyjnego Wydziału IV Departementu III MSW kpt. Wiesława Komorowskiego dotyczącej Klubu Poszukiwaczy Sprzeczności z dn. 26 kwietnia 1963, in: Dass. (Hg.), Marzec 1968 w dokumentach MSW. Bd. 1, Niepokorni (Auflistung der Mitglieder des Klub Poszukiwaczy Sprzeczności. Anhang Nr.  6 zur Information … betreffend den Klub Poszukiwaczy Sprzeczności vom 26. April 1963, in: Institut des Nationalen Gedenkens [Hg.], März 1968 in den Dokumenten des Innenministeriums. Bd. 1, Die Aufbegehrenden), Warschau 2008, Nr. 29, S. 107–137. Jankowska, J. (Hg.), Portrety niedokończone. Rozmowy z twórcami Solidarnośći 1980–1981 (Unvollendete Porträts. Gespräche mit Gründern der Solidarnośći), Warschau 2003. Janow, A., Państwo idealne Gennadija Szymanowa (Der ideale Staat von Gennadij Szymanow), in: Aneks, Nr. 22 (1979), S. 95–114. Jastrzębski, A. (Hg.), Dokumenty Komitetu Obrony Robotników i Komitetu Samoo­ brony Społecznej KOR (Dokumente des Komitees zur Verteidigung der Arbeiter und des Komitees für Gesellschaftliche Selbstverteidigung), Warschau 1994. Jedlicki, J., Requiem dla Rzeczypospolitej (Requiem für die Republik), in: Więź, Jg. 173 (1972) H. 9, S. 12–22. –, Forma i treść »umowy społecznej« (Form und Inhalt des »Gesellschaftsvertrags«), in: Aneks, Nr. 24–25 (1981), S. 32–49. Jedlicki, W., Chamy i Żydy (Rüpel und Juden), in: Kultura, Jg. 182 (1962) H.  12, S. 3–41. –, Głosa autorska do »Chamów i Żydów« (Glosse des Autors zu »Rüpel und Juden«), in: Kultura, Jg. 185 (1963) H. 3, S. 107–119. –, Klub Krzywego Koła (Der Klub des Krummen Kreises), Paris 1963. –, Klub Krzywego Koła (Der Klub des Krummen Kreises), Warschau 1989. Jeleński, K. A., Bezdroża komunizmu (Irrwege des Kommunismus), in: Kultura, Jg. 175 (1962) H. 5, S. 3–25. Kapa-Cichocka, M. u. K. Puchalska (Hg.), Listy jak dotyk (Briefe wie eine Berührung). Grażyna Kuroń, Jacek Kuroń, in: Karta, Nr. 43 (2004), S. 125–151. Karski, W., Mobilizacja społeczeństwa (Die Mobilisierung der Gesellschaft), in: ­Robotnik, Nr. 1 (Januar 1978), S. 1. Kis, J., Demokratyczne wyzwanie w Europie wschodniej (Die demokratische Herausforderung in Osteuropa), in: Aneks, Nr. 53 (1989), S. 3–7.

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Personenregister Amalrik, Andriej  187, 241 Andrzejewski, Jerzy  114, 116, 191, 237, 241 Aragon, Louis  20, 190 Arciuchowa, Krystyna  69 Aron, Raymond  176, 183, 186, 241 Babiejczuk, Janusz  82 Babiuch, Edward  192 Baczko, Bronisław  66, 81, 92, 114, 174, 187, 238 f., 241 Bauman, Zygmunt  20, 53, 55, 81, 114, 122, 127, 134, 177, 187, 215 Beauvoir, Simone de  174 Bell, Daniel  183, 198 Ben, Philippe  171 Benoist, Jean Marie  199 Berlinguer, Enrico  191, 208, 225 Berman, Jakub  69, 99 Beylin, Paweł  119, 174, 186 Bieńkowska, Flora  120 Bieńkowski, Władysław  71, 80, 96, 190 f. Blajfer, Bogusława  177 Blass, Józef  81 Blumsztajn, Seweryn  44, 50, 117, 158, 177 Bobbio, Norberto  53, 166, 186 Bobkowski, Andrzej  183 Bobrowski, Czesław  111 f. Bocheński, Jacek  114, 119 f. Bogucka, Teresa  83 Böll, Heinrich  189 f. Borejsza, Jerzy  96 Borusewicz, Bogdan  158 Bourdet, Claude  176 Brandt, Willy  41, 189 Brandys, Anna  120 Brandys, Kazimierz  71, 114, 120, 190 Brandys, Marian  119–121  Bratkowski, Stefan  72 Braudel, Fernand  173 f. Brus, Włodzimierz  36, 42 f., 56, 72, 78, 81, 92, 111–113, 122, 127, 134, 174, 177, 187, 190, 199–200, 215 Brzeziński, Zbigniew  118, 175, 186, 198 Burnham, James  183

Calvino, Italo  20 Camus, Albert  112, 183 Carrillo, Santiago José  209 Carter, Jimmy  175 Castoriadis, Cornelius  176, 198 Chajn, Józef  79  Chiaromonte, Gerardo  192 Chruschtschow, Nikita Sergejewitsch  28, 99, 111, 136, 171, 206  Chyla, Eugeniusz  79, 124, 126, 134 Ciołkosz, Adam  96, 181–184, 190, 196–200, 207 Cohn, Ludwik  41 Cohn-Bendit, Daniel  143, 176, 212 f. Craxi, Bettino  176 Croce, Benedetto  209 Cywiński, Bohdan  147–148, 157 f. Czapów, Czesław  68, 72 f., 111 Dąbrowska, Maria  71, 96, 110 Dajczgewand, Józef  83 Daniel, Julij  183 Déry, Tibor  183 Djilas, Milovan  79, 130, 136, 183, 186, 196 Domenach, Jean-Marie  176, 190 Drawicz, Andrzej  78 Dubček, Alexander  209 Duracz, Andrzej  117 Dutschke, Rudi  176, 213 Fast, Howard  183 Firer, Szymon  124 Fischer, Joschka  176 Frelek, Ryszard  192 Furet, François  176 Garztecka, Ewa  68, 70, 73 f. Garztecki, Juliusz  68–70, 73 Geremek, Bronisław  10, 23, 26, 39, 41–43, 163, 165, 174, 215 Giedroyc, Jerzy  24, 76, 174 f., 182–184, 189 f., 195–200, 211 Gierek, Edward  25, 29 f., 145, 169, 171 f., 191 f., 229

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Gieysztor, Aleksander  71, 114 Glucksmann, André  186, 199 Gombrowicz, Witold  183 Gomułka, Stanisław  79, 124–126, 142, 187 Gomułka, Władysław  25, 28 f., 67, 71, ­98–100, 121, 127 Góralski, Władysław  56 Gorbatschow, Michail  231 Gramsci, Antonio  112, 166, 207 Gross, Jan T.  80 f., 187 Gross, Zygmunt  56 Grudzińska, Irena  49, 81, 177, 187 Grudziński, Jan  56 Gruson, Sidney  171 Habermas, Jürgen  53, 144, 146, 186, 194, 199 Hagmajer, Marec  117 Hall, Stuart  205 Haraszti, Miklós  185 Hassner, Pierre  176, 187, 198 Haupt, Zygmunt  183 Havel, Václav  185, 187, 226 Herling-Grudziński, Gustaw  183, 188, ­207–209 Hersch, Jeanne  75, 183 Hertz, Paweł  116 Hłasko, Marek  114, 170, 183 Hobsbawm, Eric  10, 20, 27 Hochfeld, Julian  71, 96, 114 Holland, Henryk  170 f. Huxley, Aldous  183 Iwaszkiewicz, Jarosław  170 Jagielski, Mieczysław  31 Jarecki, Andrzej  78 Jastrun, Mieczysław  116 Jedlicki, Jerzy  71, 187 Jedlicki, Witold  68, 70, 72, 76, 98 Jeleński, Konstanty  176, 207 Jóźwiak, Franciszek  99, 101 Kalecki, Michał  112 Kania, Stanisław  192 Karst, Roman  119 Kendy, Pierre  176 Kennedy, John F.  175 Kępa, Józef  82, 127 Kersten, Adam  71, 114 Kersten, Krystyna  114

Kis, János  187 Kisielewski, Stefan  71, 138, 190 Klimowicz, Andrzej  124 Koenen, Gerd  10, 211 Koestler, Arthur  112, 183, 186 Kofman, Jan  45 Kołakowska, Tamara  187 Kołakowski, Leszek  10, 20, 23, 25 f., 36, 40, 42 f., 47, 51, 55–58, 62, 72, 75 f., 87, ­90–97, 101–121, 134, 140, 147–152, 157, 166, ­174–177, 183, 187–190, 196–207, 209, 211, 215, 220, 223 Kole, Julian Józef  56 Komar, Wacław  80 Konrád, György  19, 176 Konwicki, Tadeusz  119 Kordos, Marek  79 f. Kotarbiński, Tadeusz  75, 92, 134 Kott, Jan  116 Krajewski, Mieczysław  124 Kriegel, Annie  176 Król, Marcin  185, 187 Król, Stefan  69 f., 73 Kuczyński, Waldemar  79 Kula, Witold  92, 114 Kuroń, Grażyna  25, 47–49, 50, 124–126, 148, 150 Kuroń, Jacek  20, 25, 30, 36, 38- 51, 58–61, 66, 78 f., 81, 88–91, 117, 123–128, 139, 146, 148, 150, 157, 159 f., 164, 177, 183, 191, 207, 215 f., 225 Kuroń, Maciej  50 Kurowski, Stefan  111 f. Lange, Oskar  71, 96, 111, 113 Lasota, Irena  49, 83 Lawina, Anatol  117 Lefebvre, Henri  75 Lefort, Claude  166, 176 Lenin, Wladimir Iljitsch  106, 108, 112, 121, 175 Lessing, Doris  20 Lévy, Bernard-Henri  199 Lewickyj, Borys  183 Liehm, Antonin J.  176, 187 Lipiński, Edward  28, 40 f., 71, 77, 111 f., 190 f., 197 f., 200, 216 Lipski, Jan Józef  22, 31, 42, 49, 71–78, 85, 111, 144, 155, 187, 190, 197–199 Lukács, Georg  112, 174 Luxemburg, Rosa  45, 112

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Magri, Lucio  208 Majerczyk-Gomułka, Joanna  124, 126 Maksimow, Władimir  176 Mańkowska, Bożena  79 Manteuffel, Tadeusz  173 Marchais, Georges  209 Marie, Jean Jacques  176 Matwin, Władysław  99 Mazowiecki, Tadeusz  10, 154, 157–159, 163, 216 Mazur, Andrzej  124 Meller, Stefan  79 Merleau-Ponty, Maurice  112 Michnik, Adam  10, 25 f., 36–39, 45–48, 51, 56–59, 61 f., 71, 80–83, 92 f., 96, 102, 116 f., 134, 137, 139 f., 143 f., 147 f., 154–159, 164, 171, 175, 177 f., 183, 185, 187–190, 197, 199, 201, 212–219, 222 Michnik, Helena  45, 47 Mieroszewski, Juliusz  39, 182, 196–197 Miliband, Ralph  202 Miłosz, Czesław  176, 183, 190, 200 Minc, Hillary  99 Mlynař, Zdenek  166, 187 Moczar, Mieczysław  122 Modzelewski, Karol  20, 30, 36, 39 f., 42, 44, 50, 78 f., 89, 117, 124–128, 137, 139, 175, 177, 207, 215 Modzelewski, Zygmunt  44 Monasterska, Teresa  78 f. Morawski, Jerzy  69, 99 Morawski, Stefan  114 Morin, Edgar  176 Moro, Aldo  213 Natoli, Aldo  208 Newerly, Igor  119 Nowak, Stefan  71, 73 Nowak, Zenon  99, 101 Nowak-Jeziorański, Jan  175 Ochab, Edward  80, 100 Olszewski, Jan  40 f., 72, 146 Orwell, George  112, 183 Osadczuk, Bohdan  183 Ossowska, Maria  78, 92, 110, 114, 127, 134, 174 Ossowski, Stanisław  71 f., 96, 110, 114 Pajdak, Antoni  41, 197 Pajetta, Giancarlo  209 Pelikan, Jiři  176

Perlman, Marek  69 f. Perski, Aleksander  80 Petrusewicz, Marta  57, 59–61 Piperno, Franco  213 Pollack, Seweryn  119, 121 Pomian, Krzysztof  10, 21 f., 26, 31, 42 f., 72, 75, 116, 146, 176–178, 186 f. Popiel, Mieczysław  56 Popiełuszko, Jerzy  156 Purman, Stefan  43 Rabinowicz, Włodzimierz  81 Radice, Lombardo  209 Rapacki, Adam  96, 182 Rewska, Hanna  40, 50, 170 Robert, Jerzy  79 Rokossowski, Konstanty  101 Rosenthal, Abraham  171 Rossanda, Rossana  186, 208 f. Rudzińska, Hanna  40, 50, 170 Rutkiewicz, Jan  56 Salij, Jacek  157 Samsonowicz, Henryk  127, 174 Sartre, Jean-Paul  75, 112, 174 Saville, John  202 Sawicki, Mirosław  117 Schaff, Adam  58, 77, 80, 101, 111, 118, 174 f., 200 Semprún, Jorge  176 Sidor, Kazimierz  192 Silone, Ignazio  183, 190 Siniawskij, Andrzej  183 Skórzyński, Zygmunt  71, 73 Śliwiński, Krzysztof  157 Słonimski, Antoni  159, 170 Słucki, Arnold  120 Smolar, Aleksander  10, 36, 45, 49, 79 f., 176, 187, 191, 211, 216 Smolar, Eugeniusz  10, 45, 49, 189, 216 Sołżenicyn, Aleksander  186 f. Stalin, Josef Wissarionowitsch  28, 37, 108 f., 117, 175 Staniszkis, Jadwiga  22, 175 Staszewski, Stefan  99, 101 Steinsbergowa, Aniela  28, 40 f., 50, 71, 77 f., 146, 199, 216 Stryjkowski, Julian  119 Strzelecki, Jan  72 f., 75, 174 Sujka, Bogumił  192 Szacki, Jerzy  114, 163

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Szczęsna, Joanna  158  Szechter, Ozjasz  45, 47 Szlajfer, Henryk  83, 92, 117, 139, 171 Szymborska, Wisława  120 Tejkowski, Bernard  79, 124–126, 143 Thibaud, Paul  176, 186 Thompson, Edward P.  198, 203–206, 226 Titkow, Andrzej  81 Titkow, Walenty  82 Toruńczyk, Barbara  45, 48, 50, 92, 140, 175, 177, 197, 199 Trentin, Bruno  176 Trotzki, Lew Dawidowitsch  58, 112 Urban, Jerzy  72 Venclova, Tomas  187 Wakar, Aleksy  112 Wałęsa, Lech  31

Walicki, Andrzej  81, 114 Ważyk, Adam  114 Wetz, Jean  89 Wirpsza, Witold  119 f. Witaszewski, Kazimierz  99 Wojtyła, Karol  156 f. Wolski, Jan  71, 111 Woroszylski, Wiktor  119 f., 159 Wróblewski, Andrzej Krzysztof  78 Wyszyński, Stefan  29, 155–158 Zakrzewska, Janina  43 Zambrowski, Antoni  79 Zambrowski, Roman  99, 101 Żandarowski, Zdzisław  80 Zaremba, Zygmunt  96, 196  Zawadzki, Aleksander  99 Zawadzki, Wacław  119 Żelazkiewicz, Marek  79, 124, 126 Zimmerer, Ludwig  171 Żółkiewski, Stefan  96

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