Römisches Strafrecht: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Erste Abteilung, vierter Teil. Hrsg. von Karl Binding [1 ed.] 9783428561346, 9783428161348

166 44 77MB

German Pages 1103 Year 1899

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Römisches Strafrecht: Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. Erste Abteilung, vierter Teil. Hrsg. von Karl Binding [1 ed.]
 9783428561346, 9783428161348

Citation preview

Römisches Strafrecht Von Theodor Mommsen

Duncker & Humblot reprints

Systematisches Handbuch der

Deutschen Rechtswissenschaft. Unter Mitwirkung der Professoren Dr. H. Brunner i n B e r l i n , Dr. V. Ehrenberg i n Göttingen, Dr. 0 . Gierke i n B e r l i n , des General - Procurators Dr. J. Glaser, früher i n Wien,

der Professoren Dr. C. S. Grünhut in Wien, Dr. A. Haenel in Kiel, Dr. A. Heusler i n Basel, Dr. P. Krüger i n Bonn, Dr. F. v. Martitz i n Berlin, Dr. 0. Mayer i n Strafsburg, Dr. L. Mitteis i n Wien, Dr. Th. Mommsen i n Berlin, Dr. F. Oetker i n Würzburg,

Dr. M. Pappenheim

in Kiel,

Dr. F. Regelsberger

i n Göttingen,

Dr. W. v. Rohland i n Freiburg i. B., Dr. Lothar Seuffert in München, Dr. R. Sohm in Leipzig, Dr. E. Strohal i n Leipzig, Dr. A. Wach i n Leipzig, Dr. R. Wagner, früher i n Leipzig, Dr. M. Wlassak i n Strafsburg

herausgegeben von

Dr. Karl Binding, Professor i n Leipzig.

Erste Abteilung, vierter Teil:

Theodor

Mommsen:

Römisches Strafrecht.

Leipzig, V e r l a g v o n D il η c k e r & 1899.

H u ni b 1 ο t.

Römisches Strafrecht. Von

Theodor Mommsen.

Leipzig, Verlag

von D h η ck e 1899.

r & Η u m b 1 ο t.

Das Keoht der Übersetzung w i r d vorbehalten.

Pierer'sche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. i n Altenburg.

Der

uristisehen Faeultät der

Friedrich Wilhelms-Universität zu Berlin

gewidmet

von einem Alt-Collegen.

Vorwort. Rechtsgelehrte wie Historiker und Philologen sind darüber wohl einig, dass es der Wissenschaft an einem römischen Strafrecht fehlt. Dass das vorliegende Buch die oft empfundene Lücke fülle, ist mein Wunsch und bis zu einem gewissen Grade auch meine Hoffnung. Dass die früheren Anläufe zu einer solchen Arbeit nicht recht zum Ziel geführt haben, beruht zum Theil auf dem mehr oder minder zufälligen Mangel des rechten Ziels und der für dessen Erreichung nothwencligen Vorbedingungen. Wenn das Strafrecht des heiligen römischen Reiches, die Carolina und was auf dieser Grundlage erwachsen ist, in die Aufgabe hineingezogen wird, so kann eine solche Bearbeitung unmöglich den Anspruch machen clas Recht der Römer darzustellen. Aber auch in der Beschränkung auf die römische Ueberlieferung ist es für die wissenschaftliche Behandlung schlechthin nothwendig nicht nur den delictischen Theil des Privatrechts hineinzuziehen, sondern auch und vor allem Strafrecht und Strafprozess zusammenzufassen. Ob die Trennung des römischen Civilrechts und des römischen Civilprozesses diesen Disciplinen gefrommt hat, mag dahingestellt bleiben; Strafrecht ohne Strafprozess ist ein Messergriff ohne Klinge und Strafprozess ohne Strafrecht eine Klinge ohne Messergriff. Hinzu kommt die Zwischenstellung des Strafrechts zwischen Jurisprudenz und Geschichte. Es ist manchem Philologen bei diesen Arbeiten übel bekommen, dass er mit der Jurisprudenz, und manchem Juristen, dass er mit der Philologie sich nur, so weit sie unvermeidlich waren, befasst hatte. Das römische Criminalrecht ist ein Theil der römischen Rechtswissenschaft; aber kein anderer ist so wie dieser angewiesen auf die historisch-antiquarische Forschung. Ich hätte nicht gewagt diese Aufgabe zu unternehmen, wenn ich mich nicht dabei auf mein römisches Staatsrecht hätte

VIII

Vorwort.

stützen können, und ich darf diese Arbeit, obwohl sie in der Methode abweicht und nicht mit Diocletian abschliesst, sondern mit Justinian, als ergänzende Fortsetzung jenes Werkes bezeichnen. Freilich wächst durch die Zusammenfassung von Strafrecht und Strafprozess der Umfang der Aufgabe in bedenklichem Masse, und dass wir die römische Rechtsentwickelung bis auf einen gewissen Grad durch ein Jahrtausend zu verfolgen im Stande sind, bereitet weiter wie der Forschung, so der Darstellung schwer zu überwindende Hindernisse. Ich habe bei dieser Sachlage mich genöthigt gesehen nicht bloss viele Einzelheiten der Spätzeit, wie sie insbesondere die Constitutionensammlungen bieten, zu übergehen, sondern auch die Auseinandersetzungen überall so weit irgend möglich ins Kurze zu ziehen. Die casuistischen Darlegungen, wie unsere Rechtsquellen sie namentlich für die Private!elicte und den Ehebruch enthalten, sind nicht wiedergegeben worden. Nicht wenige allgemeinere Fragen, beispielsweise die über Dolus und Culpa, gehören dem Gesammtrecht an und konnten hier nur in den engen Schranken des Strafrechts zur Sprache kommen. Der Rechtsgelehrte wird Juristisches, der Geschichtsforscher Historisches häufig vermissen, aber vielleicht auch jener wie dieser hier finden, was er ausserhalb seines eigenen Kreises gebraucht. Sodann habe ich mit den Quellen versucht einigermassen mich abzufinden ; mit der neueren Litteratur das Gleiche zu thun ist mir nicht möglich gewesen. Die Nothlage ist eine rechtskräftige Entschuldigung. Das Buch würde bei Controversbehandlung ohne Zweifel manchen Fehler vermieden, von mancher Lücke frei geblieben, überhaupt im Einzelnen vielfach befriedigender ausgefallen sein. Aber einmal hätte es dann mindestens den doppelten Umfang erhalten, während schon der gegenwärtige dem Leser ebenso missfallen wird, wie er dem Verfasser missfällt. Vor allen Dingen aber wäre es dann sicher nicht fertig geworden. Alles hat seine Zeit und auch der Mensch. Es wird dem Schriftsteller gestattet sein mit der Spanne zu rechnen, die ihm etwa noch beschieden sein kann. Den Herren Karl Binding, Otto Hirschfeld und Ernst v. Simson bin ich für die Durchsicht der Druckbogen, dem letzteren auch für die Anfertigung der Register zu Dank verpflichtet; wenn es an stehengebliebenen Versehen nicht fehlen wird, so haben sie mir doch nicht wenige erspart. C h a r l o t t e n b u r g , 29. Aug. 1898.

Inhaltsverzeichniss. Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts. Seite

Erster Abschnitt. Die Stellung der Strafe im Gesammtrecht Begriff des Strafrechts. Ethische Grundlage 3. Einheitlichkeit 5. Umfang 6. Eintheilung. Terminologie: noxal; crimen 9; delictum 11; supplicium ; damnum 12; })oena 13. Zweiter Abschnitt. Die Hauszucht Hausunterthänigkeit 16. Yerhältniss zur Gemeindegewalt. Sclaven 17. Hauskinder. Weiber. Vestalinnen 18. Delicte 20. Strafformen 23. Strafverfahren 25. Dritter Abschnitt. Das Kriegsrecht Kriegs- und Friedensrecht 27. Kriegsrecht im Allgemeinen 29. Soldatendelicte 30. Soldatenstrafen 31. Kriegsgericht 33. Vierter Abschnitt. Die magistratische Coercition Beschränkung der städtischen Amtsgewalt 35. Wegfall der Sacraldelicte 36. Unbeschränkte Coercition gegen Frauen und Nichtbürger 37. Begriff der beschränkten Coercition 38. Volle und mindere Coercition 39. Zunächst gegen Ungehorsam 40. Ermittelungsverfahren. Unbeschränkte Coercition der provocationsfreien Magistrate 41. Capitalcoercition der patricischen Magistrate : Militärdelict 43 ; Internationaldelict 45. Freiheitsverlust. Capitalcoercition des Volkstribuns 46. Geisselung 47. Ausweisung. Gefängniss 48. Vermögensconfiscation 49. Magistratische Multirung50. Plebejische Multirung 52. Pfändung. Appellationsverfahren 53. Fünfter Abschnitt. Das Strafgesetz und die Entwickelung des römischen Strafrechts Strafe und Strafgesetz 55. Bindung der Magistratur 56. Verschollenheit der Anfangszustände 58. Anfänge des öffentlichen Strafrechts. Aelteste öffentliche Delicte 59. Erstreckung des öffentlichen Strafrechts auf Störungen des gemeinen Friedens. Anfänge des Privatstrafrechts 60. Das Vergleichsverfahren desselben 61. Schranken des obligatorischen Vergleichs im Zwölftafelrecht 62. Spätere Umgestaltung der Privatstrafen. Die Magistrate fïir Coercition und Judication 63. Quästionsprozess. Strafverfahren der Kaiserzeit 64.

3

16

27

35

55

Ihaltsverzeichniss. Seite

Sechster Abschnitt. Die Person 65 Bedingungen der Strafe. Die Person. Mangelnde Delictfahigkeit : Sclaven und Thiere 65. Mangelnde Straffähigkeit: Verstorbene 66. Exilirte 68: Exilium des Schuldners; Exilium des Verbrechers 70; Interdiction von Wasser und Feuer 72. Gemeinden 73. Kinder 75. Geisteskranke. Ausschluss der Strafe bei der Rechtshandlung 77. Personale Rechtsungleichheit der Bürger und der Nichtbürger 78; der Freien und der Sclaven 80; Verhältniss des Herrn und des Sclaven 82. Rechtsungleichheit der höchsten Magistratur 83. Siebenter Abschnitt. Der Wille 85 Der gesetzwidrige Wille 85. Kenntniss der Thatsachen. Absichtliche Gesetzverletzung: dolus 86. Fahrlässige GesetzVerletzung : culpa 88. Verhältniss des Strafgesetzes zum Sittengesetz 90. Nichtkenntniss des Strafgesezes 92. Achter Abschnitt. Die That 95 Die gesetzwidrige That 95. Thatbegriff des Privatrechts. Thatbegriff des öffentlichen Rechts 96. Delictisches Zusammenhandeln 98. Gleichstellung der Mitthäter 100; gleiche Bestrafung derselben 101. Exceptionelle Bestimmungen 102. Neunter Abschnitt. Die personalen und die örtlichen Grenzen des Strafrechts 104 Reichsjustiz 104. Ausländische Strafthaten gegen die Römer 106. Strafthaten auf römischem Gebiet 107. Auslieferung des ausländischen Schuldigen 108. Modificirende Staatsverträge 110. Zehnter Abschnitt. Rechtsungleichheit und Rechtsausgleichung im römischen Reich 113 Reichsrecht und Städterecht 113. Die Rechtsgebiete der abhängigen Städte und der Clientelfürsten 114. Verhältniss der italischen Stadtrechte zum römischen 115. Die Stadtrechte der griechischen Reichshälfte 116. Die römischen Gerichte gegenüber dem nichtrömischen Recht. Das delictische ius gentium 118. Toleranz des römischen Regiments gegenüber dem Ortsrecht 119. Rechtsausgleichung in Folge der Ausdehnung des römischen Bürgerrechts 122. Das allgemeine Reichsrecht der Spätzeit 123. Elfter Abschnitt. Zur römischen Strafgesetzgebung 126 Das vorgeschichtliche Herkommen 126. Formulirung und Niederschrift der Gesetze. Das Zwölftafelgesetz 127. Die späteren Specialordnungen. Die julischen Judiciargesetze 128. Stocken der Legislation von Tiberius bis Diocletian 130. Legislation der Spätzeit 131.

Zweites Buch. Die

Strafbehörden.

Erster Abschnitt. Die Beamten und die Rechtskunde Die Judication Attribut der Magistratur 135. Uebersicht der Formen des Strafprozesses 136. Rechtskunde der Beamten 137. Die Berather der Beamten 138; die Begleiter der Statthalter 139; die Adsessoren unter dem Principat 140.

135

Inhaltsverzeichniss.

XI Seite

Zweiter Abschnitt. Der rein magistratische öffentliche Strafprozess 142 Das magistratische nicht comitiale Strafverfahren in der Stadt 142; ausserhalb der Stadt 144. Ausserordentlicher Charakter des ausserstädtischen Strafprozesses 145. Verfahren wegen Perduellion; bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit 146 ; bei Missbrauch der Autonomie. Die quaestio 147. Gerichtsort 148. Verfahren gegen den Abwesenden. Termine. Verteidigung. Beirath 149. Dritter Abschnitt. Der magistratisch - comitiale Strafprozess Criminalcompetenz der Magistrate 151: der Consuln 152; der Percluellionsduovirn 154; der Quästoren 155; der Volkstribune ; der Aedilen 156; der Beamten allgemein 158; des Oberpontifex. Untheilbarkeit der Judication 160. Das Volksgericht 161. Verfahren im Volksgericht: diei dictio 163; anquisitio 164; Urtheilfällung 166; provocatio 167; Abstimmung der Bürgerschaft 168. Befragung des Senats 169. Politische Bedeutung des Volksgerichts 171. Verfall des Volksgerichts 172.

151

Vierter Abschnitt. Der delictische Privatprozess 175 Der delictische Civilprozess 175. Das Geschworneninstitut 176. Formen der Klagerhebung. Iudex, arbitri, recuperatores 177. Dreimännergericht. Das frühere iudicium publicum 180. Fünfter Abschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz . 186 Der spätere Strafprozess: iudicium publicum 186; quaestio 187; accusatio 188; reus 189. Einführung der Quästionen durch Specialgesetze 190. Das allgemeine Klagrecht bei der Quästion 192. Ordo iudiciorum publicorum und crimina extraordinaria 193. Volksschlüsse für Einzelfälle 196. Das örtliche und personale Strafgebiet der Quästionen 200. Das Strafmass im Quästionsprozess 201. Der delictische Kreis der Quästionen 202 ; die einzelnen Gerichtshöfe 203. Die Vorsitzenden Prätoren 205; die Vorsitzenden Quaesitoren 206; der Vorsitz in den Singularquästionen 207. Thätigkeit des Vorsitzenden 208. Die Geschwornen und ihre ständische Qualification 209. Sonclerverzeichnisse der Geschwornen für die einzelnen Quästionen 211. Inhabilitätsgründe 212. Bildung des Geschworenengerichts für den einzelnen Prozess 213. Vorschlag und Ablehnung. Sortition 214. Edition 216. Subsortition. Zahl der Geschwornen 217. Sinken und Schwinden des Geschwornengerichts 219. Sechster Abschnitt. Der municipale Strafprozess 222 Ausserstädtische Gerichte 222. Die italischen Präfecturen 223. Entstehung der römischen Stadt innerhalb der Gesammtbürgerschaft 224. Jurisdiction der Magistrate der römischen Bürgerstädte ; der municipale privatdelictische Prozess; der municipale magistratisch-comitiale Prozess 225; das municipale iudicium publicum 226. Die municipale Strafgewalt unter dem Principat 228. Siebenter Abschnitt. Das statthalterliche Strafrecht 229 Anfänge und Entwickelung der Statthalterschaft 229. Titulatur und Imperium des Statthalters 230. Sprengel des Statthalters 232. Statthalterliche Civiljurisdiction 233; statthalterlicher Civilprozess 234.

XII

Inhaltsverzeichniss. Seite

Statthalterliche Coercition bei mangelndem Strafrecht 235. Die statthalterliche Strafgerichtsbarkeit unter dem Principat 238. Statthalterliche Strafjustiz über die Nichtbürger 239; über die Bürger 241. Ergänzung durch die hauptstädtische Rechtspflege 242. Das Schwertrecht der Statthalter 243. Mandirung der statthalterlichen Strafgewalt 245; an die statthalterlichen Unter- und Nebenbeamten 246; an den privaten iudex pedaneus 248. Achter Abschnitt. Der consularisch-senatorische Strafprozess 251 Der senatorische Strafprozess des Principats 251. Competenz des consularisch-senatorischen Gerichts 252. Verhältniss zu den Consuln und zum Kaiser. Cognition. Befreites Gericht 253. Verfahren 254. Mandirung. Appellation 255. — Senatorisches Kriegsstandgericht der republikanischen Spätzeit 256. Rechtswidrigkeit des Verfahrens. Der Kampf um das Kriegsstandrecht 257. Das Kriegsstandrecht unter dem Principat 259. Neunter Abschnitt. Die Kaisergerichte des Principats 260 1. Das persönliche Kaiser- und das Ilofgericht 260 Rechtsgrund der kaiserlichen Judication 260. Competenz des Kaisergerichts 261; befreites Gericht 262; Ausnahmegericht 263. Verfahren 264. Persönliche Rechtsprechung des Kaisers 265. Das kaiserliche Consilium 266. Die iwaefecti prctetorio 267. Verselbständigung des Hofgerichts 268. 2. Die kaiserlichen Delegationen 269 Freie Mandirung der kaiserlichen Strafgewalt 269. Specialdelegation 270. Statthalterliches Schwertrecht. Der Stadtpräfect 271. Praefectus cinnonae und praefectus vifjilum 274. Procuratores 275. 3. Die Appellation 275 Appellation vom Mandatar an den mandirenden Kaiser 275. Appellation an den Kaiser auf Grund seiner Obergewalt 276. 4 Anfrage bei dem Kaiser 278 Zehnter Abschnitt. Die diocletianischen Beamtengerichte Die Monarchie der Spätzeit. Die persönliche Rechtsprechung des Kaisers 280. Gerichtsbezirke der ersten Instanz 281. Appellationsgerichtsbezirke 282. Appellation an die St^dtpräfecten und die Proconsuln ; an das Kaisergericht 283. Specialdelegation. Consultation des Kaisers 285.

280

Elfter Abschnitt. Ständische Strafbehörden 286 Strafverfahren gegen Senatoren 286; gegen Soldaten 288; gegen Subalterne 289. Priestergerichte der heidnischen Epoche. Geistliche Gerichte der christlichen 290. Die Kirchenzucht. Kirchliche Gesetzgebung 291. Handhabung der Kirchenzucht 292. Kirchliche Zuchtmittel 293. Competenzgrenzen der staatlichen und der geistlichen Gerichte 294. Geistliche Intercession im Strafprozess 296. Zwölfter Abschnitt. Der Sicherheitsdienst Staatliche Sicherheitsanstalten 297. Sicherheitsbehörden der republikanischen Epoche 298. Die öffentliche Haft 299; die Fesselung 300; das Staatsgefängniss 301; Behandlung der Gefangenen 303. Die

297

Inhaltsverzeichniss.

XIII Seite

freie Haft. Die municipalen Sicherheitsanstalten 305: in Italien; in Aegypten 306; in den Westprovinzen 307; in Kleinasien 308. Die municipale Sicherheitspflege 309. Militärische Sicherheitsposten unter dem Principat in Rom; in Italien und den Provinzen 311. Militärposten 312; Competenz des Postencommandanten 813. Militärhaft 315. Polizeiliche Verwendung der Soldaten. Frumentarii 318. Agentes in rebus 319. Curiosi 321. Dreizehnter Abschnitt. Zwangsmittel zur Einleitung und zur Durchführung des Strafprozesses 323 Die Zwangsmittel des Strafprozesses 323. Persönliche Ladung 324. Prehension 325. Requisition. Untersuchungshaft 326. Stellungsbürgschaft 327. Beschränkung der Untersuchungshaft in republikanischer Zeit 328; Wiederaufnahme derselben unter dem Principat 329. Edictalladung 33. Strafprozess gegen den Abwesenden 333. Contumacialverfahren unter dem Principat 335.

Drittes Buch. Der

Strafprozess.

Erster Abschnitt. Die Formen des Strafprozesses 339 Prozessualische Grundformen 339. Das ursprüngliche Cognitionalverfahren 340. Entwickelung des comitialen Strafprozesses 341; Versagen desselben 342. Aufkommen des Accusationsprozesses. Das Princip desselben 343; Freiwilligkeit der Klagerhebung 345. Die Cognition unter dem Principat 346. Cognitionsfälle des späteren Strafrechts 347. Verhältniss der Accusation und der Cognition in der Spätzeit 351. Zweiter Abschnitt. Gerichtsstand. Gerichtslocal. Gerichtszeit 352 Allgemeinheit der criminellen Verantwortlichkeit; Suspendirung derselben für die Dauer der Magistratur 352. Gerichtsstand. Allgemeine Competenz der höchsten Gerichte 354. Competenzgrenzen der städtischen iudicia privata und iudicia publica 355; der ausserstädtischen Gerichte. Gerichtsstand des Domicils 356. Gerichtsstand des Thatorts 357. Concurrenz mehrerer Strafbehörden. — Gerichtslocal 358. OefFentlichkeit des Strafverfahrens und deren Ausschluss 359. ßasilicae. Tribunalia 360. Verfahren de piano 361. Auclitoria und secretaria 362. — Gerichtszeit. Gerichtsferien 363. Gerichtsstunden 364. Dritter Abschnitt. Die Parteien und die Reclitsbeistände bei der Accusation 366 Der Ankläger als Vertreter der Gemeinde 366. Accusationsprozess im eigenen Interesse des Klägers 367. Allgemeine Ausschliessungsgründe von dem Anklagérecht 368. Magistratische Entscheidung über das Klägerrecht. Concurrenz der Kläger 372; magistratische Regelung derselben 373. Ausschluss der Vertretung im Strafprozess 374. Rechtsbeistandschaft für den Ankläger ausgeschlossen 375. Rechtsbeistandschaft bei der Vertheidigung 376; Stellung der Advocatur 377. Grenzen der Klagencumulation ; Zulässigkeit derselben bei Klagen gegen dieselbe Person 378; pro-

XI

Inhaltsverzeichniss. Seite

zessualische Zusammenfassung der Strafthaten verschiedener Personen; im Übrigen Unzulässigkeit der Klagencumulation 379. Vierter Abschnitt. Die Einleitung der Accusation 381 Klageinbringung: petitio 381; aceusatio; poslulatio; nominis delatio 382; inscriptio 384. Calumnieneid. Einlassung des Beklagten : in ins vocatio 386; sacramentum; interrogatio lege 387. Wegfall der Einlassung 388. Folgen und Zeitpunkt der Versetzung in den Anklagestand 390. Trauertracht. Befristung der Straf klage. Ehrenrechtliche Folgen des Reats 391. Uebergang der Straf klage auf die Erben. Criminalrechtliche Litiscontestation 392. Magistratische Regulirung der klägerischen Voruntersuchung 393. Constituirung des Geschwornengerichts 394. Geschworneneide. Festsetzung des Verhandlungstermins 395. Verlegung des Termins 397. Reihenfolge der Prozesse 398. Fünfter Abschnitt. Die Beweismittel 400 Ausschluss des formalen Beweises im Strafprozess 400. Α. Die Aussage und das Zeugniss des Freien 401 Aussage des Freien. Gesetzlich ausgeschlossene Zeugen 401. Aussagezwang im älteren öffentlichen Strafprozess 403. Die Zwangsmittel zur Aussage im magistratischen Strafprozess. Ausschliessung der Folter in republikanischer Zeit 405; Anwendung derselben unter dem Principat 406. Das klägerische Recht der Zeugenladung 408. Gerichtliches und aussergerichtliches Zeugniss 411. B. Die Aussage und das Quasi - Zeugniss des Unfreien 412 Aussage des Unfreien. Grenzen des Aussagezwangs gegenüber dem Unfreien 412. Ausschluss der Sclavenaussage zu Ungunsten des Herrn 414. Die peinliche Frage bei der Aussage der Sclaven 416. C. Die Haussuchung und die Beschlagnahme der Papiere 418 Sechster Abschnitt. Das Beweisverfahren 421 Verlauf des Beweisverfahrens im Accusationsprozess. Passive Haltung des Magistrats und der Geschwornen 421. Instauration des Beweisverfahrens 422; Ampliation 423; Comperendination 424. Aufruf der Parteien und der Geschwornen 425. Die verschiedenen Formen der Einführung des Zeugenbeweises 426. Die einleitenden Parteivorträge. Redefristen 427. Redelitteratur. Beweislegung 429. Verhör des Angeklagten. Vernehmung der Zeugen 430. Aussagen der Unfreien. Vorlegung der Beweisurkunden 432. Beweisfristen. Einwirkung der Instauration auf die Beweislegung 433. Dauer des Verfahrens 434. Siebenter Abschnitt. Die Urtheilfindung 485 Richterliche Ueberzeugung 435. Das Leugnen des Angeklagten und der Reinigungseid 436. Das Geständniss des Angeklagten 437. Implicirtes Geständniss 438. AVürdigung der Aussagen dritter Personen 439. Berathung vor der Urtheilfällung 442. Spruchfällung. Mündliche und schriftliche Abstimmung im Geschwornenprozess 444. Auszählung der Stimmen 445. Inhalt des Geschwornenurtheils 446. Strafurtheil im magistratischen Prozess 447. Freisprechung 449. Unabänderlichkeit des Urtheils im Accusationsprozess 450.

Inhaltsverzeichniss.

X Seite

Achter Abschnitt.

Störungen der Strafklage oder der Strafvollstreckung . .

452

1. Wegfall der anhängigen Straf klage (abolitio) Wegfall des Strafrichters oder des Klägers. Fallenlassen des Strafprozesses 453. Gesetzliche Niederschlagung desselben 455.

452

2. Personale Befreiung von der Strafverfolgung Befreiung von dem Strafverfahren 456. Amnestie 457.

456

3. Das Asylrecht Das romulische Asyl 458. Das griechische Asylrecht 459. recht des Kaisercultus 460. Das christliche Asylrecht 461.

458 Asyl-

4. Die Intercession und die Appellation der republikanischen Zeit . . 462 Begriff der Intercession 462. Formen derselben 464. Grenzen der strafrechtlichen Intercession 466. Verbindung der Intercession mit der Reformation in republikanischer Zeit 468. 5. Die Appellation der Kaiserzeit 468 Rechtsgrund der Appellation der Kaiserzeit 468. Schranken der Appellation 469. Verlauf derselben 471. Cassatorische und reformatorische Wirkung der Appellation 472. 6. Die Begnadigung mit Suspendirung des Rechtskraft des Strafurtheils oder die comitiale Provocation 473 Begriff der comitialen Provocation 473. Modalitäten der Provocation an die Comitien 475. Gnadengesuch 477. 7. Die feldherrliche Provocation 477 8. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 478 Zulässigkeit und Unzulässigkeit der Aufhebung des Strafurtheils. Nichtigkeitsverfahren gegen den Geschwornenspruch 479. Gesetzliche Cassirung des rechtskräftigen Strafurtheils 481. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter dem Principat 483. Inhalt der Restitution 485. 9. Befristung des Strafprozesses

487

Neunter Abschnitt. Strafen des Anklägers 490 Aufkommen der Anklägerstrafen 490. 1. Wissentlich grundlose Klagerhebung (calumnia) 491 Die criminelle calumnia 491. Begriff derselben 492. Calumnienprozess 493. Calumnienstrafen: Infamie 494. Talion 496. Criminelle calumnia ausserhalb des ordentlichen Strafprozesses 497. 2. Ungerechtfertigter Rücktritt von der Anklage (tergiversatio).... 498 Rücktritt von der Anklage 498. Verfahren 499. Bestrafung 500. 3. Collusion (praevaricatio) 501 Collusion 501. Prozessform. Strafen 502. Zehnter Abschnitt. Belohnungen des Anzeigers und des Anklägers . . . . 504 Exceptioneller Charakter der Anzeigebelohnung. Straf befreiung wegen Anzeige 504. Belohnung der Anzeige im Criminalprozess 505. Belohnung des für die Gemeinde prozessführenden Magistrats 506; des für die Gemeinde civilrechtlich klagenden Privaten 507; des Klägers im Accusationsprozess 509. Verfahren bei Zuerkennung der Prämien 510.

Inhaltsverzeichniss.

XVI

Seite

Elfter Abschnitt. Die Protokollirung Aufkommen der Magistratsacten 512. Benennung derselben 514. Führung der Protokolle 515. Form und Inhalt des Protokolls 517. Aufbewahrung der Protokolle 519.

512

Viertes Buch. Die einzelnen

Delicte.

Einleitung

523 Die delictischen Kategorien 523. Grenzen des Strafrechts gegenüber anderen Rechtskreisen 525. Die Kategorien des ältesten Strafrechts. Materieller oder prozessualischer Werth derselben 527. Die Kategorien des späteren Strafrechts 528. Vorzüge und Mängel des römischen Strafrechts 530. Wissenschaftliche Behandlung des römischen Strafrechts. Zwölftafeln. Prätorisches Recht. Civilrecht 533. Bearbeitung der einzelnen Quästionsordnungen 534. Ueberlieferte Ordnung der Delicte 535. Erster Abschnitt. Das Staatsverbrechen (perduellio, crimen maiestatis imminutae) 537 Perduellio 537; maiestas 538; ασέβεια 539. Das Staatsverbrechen in der ältesten Gesetzgebung 540. Quästionsgesetze. Verhältniss des Staatsverbrechens zu den übrigen Delicten. Mitthäterschaft. Consummirung 541. Thatbestand des Staatsverbrechens im Allgemeinen 542. Uebersicht der Einzelfälle 546. I. Strafbare Gemeinschaft mit dem Landesfeind 546 Ueberlauf 546. Abfall. Landesverrath 547. Bannbruch 549. II. Umsturz der Verfassung Umsturz der republikanischen Verfassung 549. Umsturz der plebejischen Constitution 552. Verhalten der Monarchie zu dem Umsturzverfahren 554.

549

III. Verletzung der Beamten- und der Priesterpflicht Beamtendelicte 555. Priesterclelicte 559. Delicte öffentlicher Mandatare 560.

555

IV. Verletzung der staatlichen Bürgerpflicht 560 Militärverbrechen 561. Aufstand 562. Sonstige Bürgerdelicte 565. V. Verletzung der religiösen Bürgerpflicht 567 Religionsverbrechen der heidnischen Zeit 567. Obligatorische Culthandlungen 568. Verletzung der nationalen und der Reichsreligion 569. Das Judenthum 571: der Christenglaube 575; der Manichäismus 576. Polizeiliche Massregeln gegen religiöse Missbräuche 578. VI. Personale Verletzung des Gemeindebeamten Angriff auf das Leben des patricischen oder plebejischen Magistrats 581. Kaisermord. Injuriirung des Magistrats 583; des Kaisers 583. Behörden für den Majestätsprozess 587. Ungleichheit der Bestrafung 588; verschiedene Bestrafung der Perduellion und des MajestätsVerbrechens 589. Strafe des Staatsverbrechens 590.

580

Inhaltsverzeichniss.

X I I Seite

Zweiter Abschnitt. Häresie und Nicbtchristenthum Abschaffung der Nationalreligion. Die christliche Staatskirche 595. Das kaiserliche Kirchenregiment 597. Kirchendiebstahl. Kirchenschändung. Blasphemie 598. Das christliche Religionsdelict 599. Die bürgerliche Privilegirung des orthodoxen Christen 600. 1. Rechtsstellung der heterodoxen Christen Begriff der Heterodoxie 601. Delictische Folgen der Heterodoxie 603. 2. Rechtsstellung der Heiden Der Paganismus 605. Delictische Folgen des Paganismus 707. Ketzerprozess 609. 3. Rechtsstellung der Juden Dritter Abschnitt. Der Mord und die gleichgestellten Verbrechen Parriciclium 612; homicidium 613. Das älteste Mordverfahren. Der Mord als öffentliches Verbrechen 614. Quästion für den Mord. Das cornelische Mordgesetz 615. Ausnahmen: straflose Tödtung des Unfreien 616; des Hauskindes 617; in Nothwehr 620; im Kriege; im Ausland 621; nach ältestem Recht des Rechtlosen 622; nach späterem Recht des Landesfeindes; des Bannbrüchigen; des Ueberläufers 623; im Wege der Hinrichtung; der Ehebrecherin und des Ehebrechers 624. Wegfall der Rechtlosigkeit 625. Dolus 626. Versuch. Mitthäterschaft 627. Delictkategorien des Mordgesetzes 628. 1. Gewaltsamer Mord und Strassenraub (crimen inter sicarios) . . Gewaltmord 629. Strassenraub. Mordverfahren gegen das Gesinde des Ermordeten 630. Strafe des Mordes 631. 2. Missbrauch des Capitalprozesses Magistratische Verletzung des Provocationsrechts 632. Missbrauch des Geschwornenrechts 634. Missbrauch des Zeugnisses 635. 3. Giftmischerei und verwandte Delicte Kindesabtreibung 636. Liebestränke. Castration 637. Beschneidung 638. 4. Zaubermord und Magie Bestrafung der bösen Zauberer 639. Thatbestand der Magie 641. Strafe der Magie 643. 5. Der Nächstenmord (parricidium) 6. Böswillige Brandstiftung und Schiffbruchsverbrechen Formen des Mordprozesses 647. Cognitionalverfahren 648. Gesindemordprozess als Erbenpflicht. Cognitionalverfahren bei dem Gesindemord 649. Mordstrafen 650. Vierter Abschnitt. Vergewaltigung (vis) Vis und metus. Erlaubte Gewalt 652. Legislatorische Massregeln hinsichtlich der Vergewaltigung 653. Thatbestand der delictischen Gewalt 655. Aufruhr 657. Gewaltsame Eigenthumsbeschädigung und Aneignung 660. Delictische Gemeinschaft 662. Missbrauch des öffentlichen Amts oder Mandats 663, Einsperrung und Nothzucht 664. Gesandtenverletzung. Beihülfe bei dem Bannbruch. Gräberverletzung. Selbsthülfe. Gewaltprozess 665. Binding

Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

II

595

601 605

610 612

629

632

635 639

643 646

652

XVIII

Inhaltsverzeichniss. Seite

Fünfter Abschnitt. Fälschung und Arglist Fälschung 667. Arglist 668. 1. Zwölftafelrecht Einzelfälle des ältesten Strafrechts 668. 2. Testaments- und Münzfälschung und analoge Delicte Das cornelische Fälschungsgesetz 669. Testamentsfälschung 670. Urkundenfälschung. Metall- und Münzfälschung 672. Richterbestechung und verwandte Fälle 674. Fälschung von Verwandtschaft oder Rangstellung. Fälschung von Mass und Gewicht 676. Prozess. Strafe 677. 3. Prozessbestechung 4. Ergänzungsklagen wegen Unrechtfertigkeit (dolus, stellionatus) . . Ausserordentliche Civilklage wegen Arglist 678. Criminalklage wegen Stellionats 680. Sechster Abschnitt. Die geschlechtlichen Delicte 1. Nächstenvermischung (Incest) und Eheverbote Das Verbot der Verwandtenehe im älteren Recht 682. Die Eheverbote des späteren Rechts 683. Die Eheverbote der Kaiserzeit 684. Thatbestand des Incests. Incestprozess 687. Inceststrafe 688. 2. Verletzung der Frauenkeuschheit (adtdterium, stuprum) Die Hauszucht über die römische Frau 688. Das private und das öffentliche Unzuchtsverfahren der Republik 689. Das augustische Ehebruchsgesetz. Vom Keuschheitsgebot ausgeschlossene Weiber 691. Begriff der geschützten Ehe 693. Stuprum und ad^lterium 694. Thatbestand der Delicte 695. Ehebruchsprozess 696. Ehebruchsstrafen 698. 3. Kuppelei (lenodnium) 4. Unehrenhafte Ehe 5. Bigamie 6. Entführung 7. Päderastie Siebenter Abschnitt. Geschenknahme und Erpressung der Sachwalter und der Beamten (crimen pemniarum repetundarum) Unentgeltlichkeit der Bürgerleistungen. Geldnahme des Anwalts 705. Geldnahme des Beamten 706. Die Repetundengesetze 708. Beschränkung der republikanischen Repetundenklage auf den Senatorenstand 710. Erstreckung der Repetundenklage in der Kaiserzeit auf die Beamten insgemein 712. Thatbestand des Repetundendelicts. Geschenknahme 714. Eigenthumsaneignung. Erpressung 716. Concussion. Bestechung 717. Steuerdelicte 718. Untersagter Geschäftsverkehr 719. Sonstige Repetundendelicte 720. Civilrechtliche Rückforderungsklage 721. Rechtliche Besonderheiten dieser Quästion 722. Strafmass 727. Klage gegen die Erben. Klage gegen Dritte 731. Verjährung 732. Achter Abschnitt. Eigenthumsaneignung (furtum) 1. Der Diebstahl am Priva'tgut Diebstahl am Privatgut. Gesetzliche Bestimmungen. Thatbestand: Contrectation 734; Beschränkung auf das bewegliche Eigenthum 739;

667 668 669

677 678

682 682

688

699 701 701 701 703 705

733 733

Inhaltsverzeichniss.

XI Seite

Bereicherung des Diebes 741 ; Beschädigung des Bestohlenen. Versuchshandlungen 742. Die Parteien bei der Diebstahlsklage 743. Mitthäterschaft 745. Verfahren. Haussuchung 748. Diebstahlsprozess 749. Capitalprozess 750. Lösegeldverfahren 752. Infamie 754. Ausschluss der Vererbung und der Verjährung der Diebstahlsklage. Vindication des Bestohlenen 755. Condictio furtiva 757. 2. Ehegattendiebstahl (actio rerum amotarum) 3. Diebstahl am Götter- (sacrilegium) und am Staatsgut (peculatus) . Die Gesetze über Sacrilegium und Peculat 761. Begriff des sacrilegium, 762. Begriff des Peculats 764. Capitalverfahren bei Sacrilegium und Peculat 768. Ersatzverfahren bei Sacrilegium und Peculat 770. Peculatklage gegen die Erben. Verjährung der Peculatklage 772. 4. Erntediebstahl 5. Qualificirter Diebstahl der Kaiserzeit 6. Erbschaftsdiebstahl Anmassung des Herrenrechts (plagium ) Begriff des Plagium 780. Strafe des Plagium 781. Kindesverkauf 782. Neunter Abschnitt. Personalverletzung (iniuria) Iniuria im Sprachgebrauch 784. Gesetzgebung über die Injurie. Personalverletzung. Begriff der Persönlichkeit 785. Handgreifliche Injurie des Zwölftafelrechts 786. Personalverletzung des späteren Rechts 787. Beschränkte Klagbarkeit der Injurie des späteren Rechts 788. Einzelfälle der klagbaren Injurie 790. Magistratische Zulassung der Klage 796. Absichtlichkeit der Personalverletzung als Bedingung der Klagbarkeit 797. Mittelbare Injurie 798. Injurienklage des Gewalthabers. Versuch. Mitthäterschaft 799. Oeffentliches Strafverfahren wegen des Schmählieds; Bestrafung desselben 800. Privatprozess und Strafe der Injurie 801: nach Zwölftafelrecht; nach dem Edict 802. Magistratische Einwirkung auf die Festsetzung der Strafsumme. Das Geschworenengericht 803. Geldstrafe. Infamie 805. Zehnter Abschnitt. Sachbeschädigung Sachbeschädigung des öffentlichen und des Privatrechts 809. 1. Tempelschädigung 2. Gräberschädigung Gräberschutz im ältesten Recht 812. Die prätorische Klage wegen Gräberverletzung 813. Gräberbus.se der Kaiserzeit 814. Criminelle Behandlung der Gräberverletzung in der Spätzeit 820. 3. Schädigung des öffentlichen Eigenthums Capitalverfahren bei Grenzverrückung nach ältestem Recht. Multverfahren bei Grenzverrückung 822. Beschädigung der Wasserleitungen 823. 4. Schädigung des Privateigenthums (damnum iniuria) Die Sachbeschädigung des Privatrechts 825. Klagerforderniss. Eigenthumsverletzung. Eigenthümerklage. Begriff der Schädigung 827. Absicht oder mangelnde Vorsicht des Schädigers 829. Wegfall der Verantwortlichkeit 830. Versuch. Mitthäterschaft. Prozess 831. II*

759 760

772 773 777 780 784

809 810 812

822

825

Inhaltsverzeichniss.

X

Seite

Strafen 832. Klage 833.

Noxalverfahren.

Vererbung

und Verjährung der

5. Analoge Schädigungsklagen 833 Thierbeschädigung 834. Klage wegen umgehauener Fruchtbäume. Tödtung des Freien 835. Körperbeschädigung des Freien. Brandstiftung nach Zwölftafelrecht 836. Missbrauch der Adstipulation 837. Sclaven Verführung. Halten gefährlicher Thiere. Schädigung durch Guss und Wurf 838. Culpose Tödtung nach späterem Recht 839. Brandstiftung nach späterem Recht 840. Qualificirte Sachbeschädigungen 841. Elfter Abschnitt.

Missbrauch der Rechte

*

843

1. Uebergriffe in das öffentliche Bodeneigenthum

845

2. Nichteinhaltung der Grundbesitzerpflichten 847 Grundbesitzerpflichten. Untersagung der Crematorien und der Ziegeleien in der Stadt. Untersagung der Grabstätte in der Stadt 847. Beschränkung des Abbrechens der Häuser 848. Strassenbaupflicht des Anliegers 849. 3. 4. 5. 6.

Zinswucher Korn- und Waarenwucher Missbrauch der Gewerbe- und Verkehrsrechte Missbrauch des Personalstandes Freiheitsverlust wegen Ueberschreitung des Aufenthaltsverbots 853; wegen Antheilnahme an betrüglichem Kauf; wegen des Concubinats der Freien mit einem Unfreien 854. Aufhebung der Freilassung wegen Undanks; der Emancipation wegen Undanks 856.

7. Führung eines falschen Personalstandes Anmassung der Freiheit. Anmassung der Ingenuität 857. massung des Bürgerrechts 858. 8. 9. 10. 11.

849 851 853 853

856 An-

Verstösse gegen die Unzuchtsordnungen der Republik 860 Spielgewinn 860 Divination 861 Missbrauch der Wahlbewerbung (ambitus, sod alia a) 865 Ambitus 865. Gesetzliche Verbote 866. Thatbestand des Ambitus 868. Association. Coition 871. Sodaliciengesetz 872. Prozess. Strafe 873.

12. Missbrauch des Vereinsrechts 13. Missbrauch der fiscalischen Anzeige 14. Anderweitige Contraventionen I. Unregelmässigkeiten in der Amtführung II. Unregelmässigkeiten bei dem Geschwornendienst III. Verschiedenartige Contraventionen Zwölfter Abschnitt.

Delictische Klagenconcurrenz

Unzulässigkeit der Concurrenz verschiedener Prozessformen 887. Zulässigkeit der Concurrenz delictischer und nicht delictischer Klagen 888 und delictischer Klagen ungleichen Fundaments 889.

875 877 880 881 883 884 887

Inhaltsverzeichniss.

X I Seite

Ausschluss der Concurrenz bei gleichem Fundament der Klagen 890. Concurrenz öffentlicher Delictklagen mit privatrechtlichen 891. Concurrenz der ausserordentlichen Criminal- und der Privatstrafen 892.

Fünftes Buch. Die

Strafen.

Erster Abschnitt. Die Strafe 897 Begriff der Strafe. Coercition und Judication 897. Eingreifen der hausherrlichen Bestrafung in die öffentliche 898. Ausschluss der Coercitionsmitttel. Terminologie : poena 899. Rechtsgrund der staatlichen Strafe : Selbsthülfe der Gemeinde und der hausherrlichen analoge Sittenzucht. Die öffentlichene Strafe als Sacralact 900. Sacration ohne Strafschuld 904. Die Privatstrafe als staatlich zugelassene oder abgelöste Rache. Oeffentliche und private Strafvollstreckung. Strafmittel 905: die Capitalstrafe 907; Sammtbenennungen der nicht capitälen Strafen. Strafgesetz und Strafurtheil. Uebersicht der Strafmittel 909. Zweiter Abschnitt. Die Todesstrafe · Benennung. Befristung der Execution 911. Executionszeit. Executionsort 913. Magistratische und nichtmagistratische Execution. Magistratische Officialen. Formen der magistratischen Execution 915; Enthauptung mit dem Beil 916; Kreuzigung 918; Säckung 921; Feuertod; Enthauptung mit dem Schwert 923; Volksfesthinrichtung 925. Frauenhinrichtung und Hinrichtung im Kerker 928. Nichtmagistratische Execution. Felssturz 931. Häusliche Execution. Selbsttödtung. Populäre Execution 934. Geschichtliche Entwickelung der römischen Todesstrafe 939.

911

Dritter Abschnitt. Verlust cler Freiheit Freiheitsentziehung von Gemeindewegen. Freiheitsentziehung im Privatverfahren 945. Zurückführung der Freigelassenen in die Unfreiheit 946. Freiheitsverlust unter dem Principat als Begleitstrafe. Servus poenae 947.

945

Vierter Abschnitt. Einstellung in öffentliche Anstalten Bergwerksstrafe 949. Zwangsarbeit 952. Fechtschule 953. Fünfter Abschnitt. Verlust des Bürgerrechts Begleitstrafe bei der Perduellion; bei der Verurtheilung zur Deportation 957; zur Zwangsarbeit 958. Sechster Abschnitt. Gefängniss Executionshaft 961. Criminelle Verwendung der häuslichen Sclavenhaft 962.

949

Siebenter Abschnitt. Ausweisung und Internirung Austritt und Ausweisung aus der Gemeinde in republikanischer Zeit. Die relegatio in ihrer Entwickelung 964. Die sullanischen und die kaiserlichen Relegationsformen 967. Steigerung der administrativen Relegation. Ausschluss der Relegation bei den Unfreien und Beschränkung der Internirung auf die Wohlhabenden 968.

856

960

964

Inhaltsverzeichniss. Seite

Ortsgrenze der Relegation: Ausweisung 969; Interdiction Italiens971; Internirung 973 ; Deportation 974. Zeitgrenzen der Relegation 976. Bestrafung der Uebertretung der Relegation. Verhältniss der verschiedenen Relegationsformen zu den Personal- und den Vermögensstrafen 977. Stellung der Relegation im Strafrecht 979. Achter Abschnitt. Körperstrafen 981 Körperverstümmelung im Privatrecht. Körperverstümmelung im öffentlichen Strafverfahren 981. Züchtigung : fustes und flagella 983. Züchtigung als Begleitstrafe. Züchtigung als Hauptstrafe 984. Neunter Abschnitt. Bürgerliche Zurücksetzung Ungleichheit der bürgerlichen Rechtsstellung 986.

986

1. Entziehung des Grabrechts und des ehrenhaften Gedächtnisses . . Todtengericht. Verbot des Bestattens 987. Todtentrauer 989. Austilgung des Andenkens 990.

987

2. Intestabilität Intestabilität des Zwölftafelbuches 990. zeit 992.

990 Intestabilität der Spät-

3. Delictische Bescholtenheit

993

4. Delictischer Ausschluss von der Aemterbewerbung und aus dem Senat

998

5. Delictische Untersagung der öffentlichen und der privaten Thätigkeit Verlust des Priesterthums. Verlust des Amtes 1002, Geschäftssperrung 1003.

1002

Zehnter Abschnitt. Einziehung des Vermögens oder einer Vermögensquote Vermögensconfiscation 1005. Beschränkung zu Gunsten der Kinder des Verurtheilten. Vermögensconfiscation als Begleitstrafe bei der Perduellion 1006; bei dem Freiheitsverlust 1008; bei der Relegation 1009.

1005

Elfter Abschnitt. Die Bussen Kategorien der Geldbussen 1012.

1012

1. Die magistratisch-comitiale Busse Aufkommen der öffentlichen Geldstrafe 1014. selben 1015.

1014 Modalitäten der-

2. Die prätorische Klage auf feste Geldbusse Die gesetzlich feste Geldbusse 1016. Einklagung verfahren 1017. Höhe der festen Busse 1019.

1016 im Civil-

3. Die prätorische Klage auf aestimatorische Geldbusse Magistratische Realisirung der Confiscationen und der Gemeindebussen. Beschlagnahme des confiscirten Vermögens 1022. Leistungsbürgschaft. Addiction. Gebrauch der Coercition 1023. Concurs. Einziehung des Sacramentum 1024. Einziehung der ädilicischen Strafgelder 1025. Abführung der Strafgelder in die Tempelkasse. Abführung der Strafgelder in die Kaiserkasse 1026. Eingreifen des Finanzbeamten in die Behandlung der Strafgelder 1028.

1019

Inhaltsverzeichniss.

XXIII Seite

Zwölfter Abschnitt. Gesetzliche Strafungleichheit und richterliche Straf1031 bemessung Strafungleichheit des Freien und des Unfreien. Rechtsgleichheit der Freien unter der Republik. Rechtsungleichheit der Freien unter dem Principat 1032. Privilegirte Stände: Senatoren; Ritter 1033; Soldaten und Veteranen ; Decurionen 1034. Honestiores und plebeii ; strafrechtliche Privilegien 1035. Ausschluss der Strafbemessung im älteren Recht. Strafbemessung im plebejischen öffentlichen Prozess 1037. Strafbemessung im republikanischen Privatrecht 1038. Strafbemessung im Kaiserrecht 1039. Bestimmende Motive der richterlichen Strafbemessung 1041. Uebersicht der Strafen im Verhältniss zu den Delicten unter dem Principat 1044. Sachliches Register 1050 Register der behandelten Stellen 1069

Berichtigungen. S. S. S. S. S. S. S. S. S. S.

37 Ζ . 1 ν. u. erster Abschnitt] sehr, zweiter Abschnitt. 49 A. 4 Z. 3 füge zu Liv. 43, 16, 10 239 Α. 1 in omnibus tribunalibus] streiche omnibus 364 Ζ . 2 cestitium] sehr, iustitium 433 A. 4 S. 432 A. 1] sehr. S. 428 A. 3 442 A. 4 L. Titius] sehr. C. Titius 529 Z. 6 v. u. zwölf Gruppen] sehr, elf Gruppen 648 Α. 3 Cicero de d. nat. 3, 3, 70] sehr. 3, 30, 74 787 Z. 7 S. 786 A. 2] sehr. S. 784 A. 2 835 A. 3. Die mir erst jetzt vollständig vorliegenden Fragmente von Autun haben gezeigt, dass, wenn nach der Noxalverurtheilung der Haussohn oder der Sclave starb, die Leiche ganz oder zum Theil dem Kläger auszuliefern war, was aber auf das schädigende Thier nicht erstreckt ward. S. 845 Z. 22 zwölf Abschnitten] sehr, dreizehn Abschnitten

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Binding, Hundbuch. 1. 4: Mommsen, röm. strai'r.

1

Erster Abschnitt.

Die Stellung der Strafe im Gesammtrecht. Das Strafrecht und das Strafverfahren der römischen Gemeinde Begriff des von ihren Anfängen bis hinab zu der justinianischen Gesetzgebung S t r a f r e c h t s sollen in diesem Buche dargelegt werden. Den Sammtkreis der Rechtsordnungen theilt die Rechtswissenschaft der Römer in zwei Hälften, in das öffentliche Recht, das heisst die inneren Ordnungen der Gemeinde und ihrer Beziehungen zu den Göttern, zu anderen Staaten und zu ihren Angehörigen, welche Ordnungen die Gemeinde schafft; und in das Privatrecht, das heisst die Ordnungen hinsichtlich der Rechtsstellung des einzelnen Gemeindeangehörigen und seiner Verhältnisse zu anderen, welche clie Gemeinde vorfindet und regulirt 1 . Von jenem Sammtkreis geht clie römische Anschauung überall und gleichmässig aus; Bezeichnungen wie ins für die Rechtsordnung, iudicium für die Verurtheilung 2 , (ab)solvcre für die Freisprechung 3 sind allen Theilen desselben gemein. Das Strafrecht ruht auf dem sittlichen Pflichtbegriff, insoweit Ethisch der Staat dessen Durchführung sich zur Aufgabe gemacht hat. Grundl a e«· Eine sittliche Pflicht, deren Einhaltung der Staat vorschreibt, ist 1

Ueber den Gegensatz von ius publicum und ius privatum vgl. Staatsrecht 1,1. Iudicare (zum Beispiel iudicare perduellionem in dem Horatierformular) heisst verurtheilen, woher es auch parallel geht mit multam inrogare. Damnare, geben machen, ist im ursprünglichen Gebrauch dem öffentlichen Strafprozess fremd. 3 Der öffentliche Prozess geht wahrscheinlich von der Haft des Angeschuldigten aus und auch bei dem privaten löst die Freisprechung die Haft oder sichert doch die Freiheit. Vgl. Buch 2 Abschn. 13. 1* 2

4

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

ein Strafgesetz; die Nichteinhaltung einer solchen Vorschrift ist das Verbrechen; dasjenige Uebel, welches der Staat dem die Vorschrift nicht Einhaltenden zufügt, ist die Strafe. Das Verbrechen wird durch die Strafe als aufgehoben betrachtet, die öffentliche Ordnung als damit beglichen. Die Anschauung der Aufhebung der Schuld durch die Strafe, in dem entwickelten Strafrecht kaum vertreten 1 , beherrscht durchaus die Anfänge des öffentlichen wie des privaten Strafrechts: als es keine andere öffentliche Bestrafung des Lebenden gab als den Tod 2 und jede Hinrichtung ein der verletzten Gottheit dargebrachtes Sühnopfer war ; als das private Strafrecht aufging in den beiden Gedanken der Wiedervergeltung (talio) und der Lösebusse {damnum, poena), war die Auffassung des Verbrechens und der Strafe als Rechnung und Gegenrechnung, die Tilgung der Schuld durch das Leiden eine gewaltige Wirklichkeit. — In dem Strafrecht werden die sittlichen Verpflichtungen des Menschen theils gegenüber dem Staat, dem er angehört, theils gegenüber anderen Menschen einheitlich zusammengefasst. Diese Einheit kennt die römische Rechtswissenschaft nicht und kann sie nicht kennen; der magistratisch-comitiale Strafprozess gehört zum öffentlichen Recht, der Delictprozess vor Geschwornen zum Privatrecht 3 . Dennoch kann die Zusammenfassung des Strafrechts nicht aufgegeben werden. Das fundamentale Moment cles verletzten Sittengesetzes und der dadurch geforderten staatlichen Vergeltung schliesst 1

Aeusserungen wie Dig. 48, 19, 33: temporär ici coercitio quae descendit ex sententia poenae est abolitio und Dig. 47, 10, 17, 6: qui accepit satisfactionem, iniuriam suam remisit haben kaum etwas gemein mit der ursprünglichen Grundanschauung. Aber diese in unseren Rechtsquellen ausgesprochen zu finden darf man auch nicht erwarten. Der flache Gedanke, dass die Strafe der Besserung wegen eingeführt sei, wird ausgesprochen als Begründung dafür, dass der Tod des Verbrechers die Bestrafung aufhebt (Paulus Dig. 48, 19, 20). Die zahlreichen Belege für die Abschreckungstheorie vorzuführen verlohnt um so weniger, als dieselbe secundär unwidersprochen für jede Epoche Geltung hat. 2 3

Strafe ist auch die Verfluchung des Gedächtnisses eines Verstorbenen.

Der disparate Charakter dieser beiden Kreise kommt, da die Rechtsbildung und die Rechtswissenschaft überhaupt sich anlehnen an die verschiedenen magistratischen Competenzen (St.R. 1, 2), vor allem darin zum Ausdruck, dass das private Strafrecht seit früh republikanischer Zeit mit dem übrigen Privatrecht unter der Leitung des städtischen Prätors stand, dieser aber mit dem öffentlichen den verschiedensten Beamten zugewiesenen Strafverfahren schlechterdings nichts zu thun hatte. Wäre die Einheitlichkeit der Rechtspflege, wie sie zur Zeit der Zwölftafeln bestand, nicht achtzig Jahre später gefallen, so hätte die Rechtswissenschaft sich wohl anders entwickelt.

Erster Abschnitt.

Die Stellung der Strafe im Gesammtrecht.

5

beide Gebiete innerlich zusammen und die Unterscheidung, ob diese Vergeltung im staatlichen oder im privatrechtlichen Verfahren bewirkt wird, erscheint daneben als äusserlich und zufällig; wie denn auch die wissenschaftliche Behandlung des Diebstahls unmöglich davon abhängig gemacht werden kann, ob er als Peculat oder als Furtum auftritt und ob er später zur civilen Diebstahlsklage führt oder zur magistratischen Cognition, oder wie die Injurie unmöglich danach sich scheiden läfst, ob sie vor die Comitien oder vor das grosse Geschwornengericht oder vor den Privatgeschwornen gebracht wird. Dass trotz der prozessualischen Trennung die römische Rechtslehre von jeher die Grundbegriffe des Verbrechens und der Strafe als beiden Gebieten gemeinschaftliche und sich einander ergänzende den nicht delictischen Rechtssatzungen gegenüber gestellt hat, zeigt nicht bloss die Behandlung der einzelnen Delicte, welche lebendig und vollständig erst dann uns entgegentreten, wenn die Grenzen des öffentlichen und des Privatrechts gesprengt werden, sondern auch die merkwürdige, wahrscheinlich der letzten republikanischen Epoche angehörige Legende von der einstmaligen Zusammenfassung beider Gebiete bis auf die Einsetzung der römischen Geschwornengerichte unter König Servius Tullius 1 . 1

Einheitlich-

Nachdem, berichtet Dionysius (hauptsächlich 4, 25), die früheren Könige die Rechtspflege allein gehandhabt hatten, behielt König Servius die öffentlichen Strafsachen (τα étç τα κοινά φέροντα — oder δημόσια — αδικήματα) sich selber vor, wies aber die privatrechtlichen Stratklagen (r« Ιδιωτικά αδικήματα) und ebenso die Klagen aus Contracten an Geschworne, indem er als Norm für diese gegen fünfzig theils bereits von den früheren Königen erlassene, theils neu hinzugefügte (Dion. 4, 10) Gesetze über Strafsachen und Contracte (• νόμους τους τ ε συναλλακτικούς κάϊ τους π€ρι αδικημάτων Dion. 4, 13: vgl. 4, 9, 9 und c. 36, 3) durch die Gemeinde bestätigen und öffentlich aufstellen liess, welche dann von seinem Nachfolger, dem Tyrannen Tarquinius aufgehoben und vernichtet (Dion. 4, 43), aber nach dem Sturz der Königsherrschaft wiederhergestellt wurden (Dion. 5, 2). Dieselbe Erzählung kennt Tacitus (ann. 3, 26: praecipuus Tullius sanctor legum, quis etiam reges obtemperarent, genau wie Dion. 4, 36) und auch Cicero sagt de re p. 5, 2, 3 von der Königszeit : nec vero quisquam privatus erat disceptator aut arbiter litis, sed omnia conficiebantur iudiciis regiis. In dieser vermuthlich spätrepublikanischen Schilderung des idealen Rechtsstaates, in dem auch die Schuldknechtschaft abgeschafft (Dion. 4, 9) und die Volksbeglückung durchgeführt wird, scheidet sich deutlich der alte königliche Strafprozess , die Grundlage des magistratisch-comitialen, und der Privatprozess vor Geschwornen und wird ebenso deutlich in dem αδίκημα , lateinisch wohl der iniuria, der erstere und der delictische Theil des zweiten zusammengefasst. — Einigermassen ähnlich lässt Dio (52, 7) in der idealen Schilderung der wieder aufgenommenen Monarchie sowohl über das private Unrecht des Bürgers (αν τ Ιδία τις άδικεϊν αΐτίαν λάβτ}) wie über das

keit

·

6

umfang.

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Ausserhalb der Darstellung, die hier unternommen wird, liegen also das Staatsrecht, das Sacralrecht, das Gemeindevermögensrecht oder nach der Benennung der späteren Kaiserzeit das Fiscalrecht, endlich das gesammte Privatrecht, Freiheit und Unfreiheit, Ehe und Haus, Mein und Dein, mit Ausschluss der auf sittlicher Verschuldung ruhenden Forderungen des verletzten Privaten. Allerdings ist diese Abgrenzung des Strafrechts, zumal bei einem nicht durch wissenschaftliche Tradition, sondern durch wissenschaftliche Abstraction definirten Gebiet, nicht ohne gewisse Uebergriffe durchzuführen. Das Staatsrecht, insbesondere die Gliederung der Magistratur ist die Voraussetzung für das öffentliche wie für das private Strafrecht und häufig wird verweisend oder ausführend in dasselbe eingegriffen werden müssen. Von dem Sacralrecht bildet das öffentliche Strafverfahren ursprünglich einen integrirenden Theil, insofern dasselbe, wie im ersten Abschnitt des fünften Buches gezeigt ist, hinausläuft auf Entsühnung der Gemeinde, von welcher Auffassung allerdings das Criminalverfahren sich schon in früher Zeit gelöst hat. Wenn die Steuern und Zölle des Gemeindevermögensrechts das Strafrecht an sich nicht angehen, so muss dagegen eingeräumt werden, wie dies in dem betreffenden Abschnitt des fünften Buches entwickelt ist, dass zwischen der gesetzlichen Geldstrafe und den Steuern ein innerlicher Unterschied nicht besteht und die prozessualische Grenzlinie recht willkürlich gezogen ist. Endlich ist hinsichtlich des privaten Forderungsrechts der Gegensatz zwischen dem Geldschuldner und dem Dieb wohl in clen natürlichen Verhältnissen begründet; aber zu einer scharfen Abgrenzung beider Gebiete ist nur zu gelangen durch das positive Recht, namentlich durch Anwendung der Regel, dass allein die nicht delictische Forderung auf clie Erben übergeht; diese Grenze ist mit hinreichender Bestimmtheit gezogen und hat ohne wesentliche Schwierigkeit unserer Darstellung zu Grunde gelegt werden können l . Bei clem Strafprozess freilich, in welchem die delictische und die nicht delictische Privatforclerung sich nicht wesentlich unterscheiden, konnte der privatdelictische nur in kürzester Fassung behandelt werden. öffentliche (αν όημοα(^) standesgleiche Geschworne entscheiden, also die delicto, privata und die iudicia publica der späteren Zeit zusammenfassend. — In den Rechtsbüchern findet sich nichts Aehnliches. 1 Die Vormundschaftsklage ratiombus distrahendis gehört allerdings in das Privatstrafrecht (Dig. 27, 3, 1, 23), wird aber nur beiläufig bei dem Furtum erwähnt, weil sie nur innerhalb der Lehre von der Vormundschaft entwickelt werden kann.

Erster Abschnitt.

Die Stellung der Strafe im Gesammtrecht.

7

Unsere Darstellung des Strafrechts ist in fünf Bücher getheilt, von denen das erste das Wesen und die Grenzen des Strafrechts entwickelt, das zweite die Strafbehörden, das dritte das Strafverfahren, das vierte die einzelnen Delicte, das fünfte die einzelnen Strafen behandelt. Von der gefährlichen Periodisirung ist gänzlich abgesehen; ein jeder Abschnitt fasst, was er behandelt, der Zeit nach zusammen. Die Scheidung der Rechtssatzungen und der Rechtshandhabung oder, wie es ausgedrückt zu werden pflegt, des Rechts und des Prozesses, wissenschaftlich überhaupt bedenklich, ist für die criminellen Ordnungen schlechthin ungeeignet und hat den Tiefstand der litterarischen Bearbeitung derselben nicht zum wenigsten mit verschuldet. Allerdings liegt das Ungenügen, welches jeder Jurist bei dem römischen Strafrecht empfinden wird, zum Theil in diesem selbst. Die das römische Privatrecht auszeichnende formale und ideale Festigkeit der Grundbegriffe hat auf den bei weitem bedeutenderen Theil des Strafrechts, das öffentliche nur in beschränktem Mass sich übertragen, insbesondere hat das älteste und immer das wichtigste Delict, das Staatsverbrechen von den magistratischen Comitien, aus denen es sich entwickelt hat, die Schrankenlosigkeit und die willkürliche Strafbemessung eigentlich immer bewahrt. Dennoch aber ist clas römische Strafrecht nicht bloss eine nothwendige Ergänzung des römischen Staatsrechts, sondern auch zur vollen Einsicht in das römische Privatrecht unentbehrlich. Es mag hieran angeschlossen werden, was terminologisch über die allgemeinen Grundbegriffe des Verbrechens und der Strafe sich sagen lässt. Die zwischen den beiden Kreisen des Strafrechts, dem öffentlichen und dem privaten bestehende Kluft, die nicht bloss anfänglich vorhanden, sondern in der That niemals auch nur überbrückt worden ist und die nicht vergessen und nicht verschleiert werden darf, tritt in dem hier zu entwickelnden Mangel namentlich des älteren Rechts, nicht der generellen Begriffe, aber wohl der generellen Ausdrücke deutlich zu Tage. Allerdings giebt es für das Verbrechen eine alte durch die beiden Kreise des öffentlichen und des Privatrechts durchgehende und an kein einzelnes Delict gebundene Bezeichnung, noxa oder noxia, jenes die ältere Form 1 , dieses die im Gebrauch über1

In der Formel noxae dare ist diese Form constant.

Eintheilnng.

Termino-

l0ßie

mxa.

·

8

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

wiegende1, dem Werth nach beide gleich 2 , nach dem durchsichtigen Stamm wie nach dem Sprachgebrauch clie Schädigung3 und also geeignet, clie Verbrechen beider Kreise zusammenzufassen als Schädigung entweder des Staats oder cles Privaten. Aber im technischen Gebrauch 4 wird das Wort auf das Verbrechen nur dann angewandt, wenn nicht cler Verbrecher selbst, sondern ein Dritter dafür verantwortlich gemacht wird, und um dieser Verantwortlichkeit sich zu entschlagen, entweder den Schaden deckt — noxam sarcire 5 — oder das schädigende Wesen dem Geschädigten zu eigen giebt — noxae (= ob noxam) dare 6. Es kommt dies vor theils bei dem internationalen Frevel, wenn cler Staat clen schuldhaften Bürger cler geschädigten Gemeinde ausliefert 7 , theils bei den Privatclelicten 8, wobei übrigens im Sprachgebrauch vorwiegend die Sachbeschädigung durch Menschen so bezeichnet wird und die Sachbeschädigung durch Thiere so wie 1

Noxia überwiegt schon bei Plautus und Terenz. Inschriftlich im rubrischen Gesetz 2, 33: obligatum se eins rei noxsiaeve esse. 2 Sulpicius Rufus im Zwölftafelcommentar (Festus p. 174; davon abhängig die Vergilscholien zur Aen. 1, 41 und Isidor diff. 154) setzt noxia als damnum , noxa als peccatum aut pro peccato poena. Ein anderer Grammatiker (Vergilscholien a. a. 0.) erklärt: quidam yioxa quae nocuit, noxia id quod nocitum accipiunt; ähnlich Inst. 4, 8, 1 : noxa est corpus quad nocuit, noxia ipsum maleficium, velut furtum damnum rapina iniuria. Aus diesen wunderlichen und dem Sprachgebrauch keineswegs entsprechenden grammatischen Difteleien folgt nur, dass bereits in den Zwölftafeln beide Formen vorkamen. 3 Die Verwandtschaft mit nocere ist evident, für die Bildung vielleicht zu vergleichen causa und cavere. Wenn das Wort, wie man meint, mit necare verwandt ist, so wird diese Verwandtschaft nicht mehr gefühlt und tritt im Sprachgebrauch nicht hervor. 4 Der weitere, den Sulpicius auch berücksichtigt (a. a. 0. : noxia apud poetas et oratores ponitur pro culpa) kommt hier nicht in Betracht. 5 Zwölftafeln 8, 9. 13. 12, 3 Schöll; auch 8, 8: noxiam duplionemve decerni, d. h. erkennen entweder auf Auslieferung oder auf Leistung doppelten Ersatzes. Weiterer Belege bedarf es nicht. 6 Zwölftafeln 8 , 5 : noxae dedere, was Sulpicius a. a. 0. erklärt mit pro peccato dedi. Ulpian. Dig. 9, 1, 1, 11: in noxam dedere. 7 In der alten Fetialenformel bei Livius 9, 10, 9 bei Auslieferung der internationalen Frevler, weil sie noxam nocuerunt 8 Dig. 21, 1, 17, 18: noxas accipere debemus privatas, hoc est eas [quaecumque committuntur ex delictis, non publicis criminibus ist wohl Zusatz eines späten Rechtsgelehrten] ex quibus agitur iudiciis noxalibus . . . . ex privatis autem noxiis oritur damnum pecumiarium, si quis foHe noxae dedere noluerit, sed litis aestimationem sufferre. In diesem Sinn sagt Gaius im Zwölftafelcommentar (Dig. 50, 16, 238, 3): noxiae appellatione omne delictum conlinetur. Darauf laufen auch die Erklärungen A. 2 hinaus, sowohl die Gleichung mit damnum wie die Beziehung der noxa auf alle zur Auslieferung führenden Privatverbrechen.

Erster Abschnitt.

Die Stellung der Strafe im Gesammtrecht.

9

der Diebstahl zurücktreten 1 . Das Verbrechen, insofern es gegen den Verbrecher persönlich verfolgt wird, ist keine Noxa und Perduellion und Mord also fallen niemals unter den Begriff 2 ; noxius ist nicht wer ein Verbrechen begangen, sondern wer eines Verbrechens wegen eine derartige Auslieferung verwirkt h a t 3 . Ein Strafurtheil auf Auslieferung wegen Noxa giebt es nicht, sondern es ist dieselbe im öffentlichen Recht ein Ausweg, um die Gemeinde der verschuldeten göttlichen Bestrafung, im Privatrecht ein Ausweg, um den Angeklagten der durch ein von ihm abhängiges Individuum verschuldeten Verurtheilung zu entziehen. Als Bezeichnung des Verbrechens schlechthin können, wenn von den der Rechtssprache fremden Ausdrücken 4 abgesehen wird, mit einigem Anspruch auf technischen Werth 5 und zugleich auf allgemeine Anwendbarkeit nur zwei in Betracht kommen, crimen und delictum .

Crimen, von χρίνειν, cernere, das heisst sieben und scheiden, crimen. bezeichnet, wie cribrum das Sieb, so den zu sichtenden Gegenstand, wie semen was zu säen ist. Das Unrecht, abgesehen von seiner Geltendmachung, heisst nicht crimen, die Geltendmachung eines Anspruchs, abgesehen von dem Unrecht, ebenso wenig. Die nahe 1 Zwölftafeln 12,3 : si servus furtum faxit noxiamque noxit und die Contractclausel furto noxaque solutus (Dig. 50, 16, 174 und sonst) neben der Fassung (Dig. 9, 4, 2, 1): si servus furtum fecit vel aliam noxam commisit. Die Beschädigung durch Thiere heisst gewöhnlich pauperies, aber auch noxia (Zwölftafeln 8, 5). 2 Das öffentliche Strafrecht kennt keine Noxa (S. 8 A. 8); capitalis noxa bei Livius 3, 55, 5 und ähnliche Wendungen gehören zu dem späteren verschwommenen Sprachgebrauch (S. 8 A. 4). 8 Vorzugsweise ist noxius der fiir die bedingte Todesstrafe der Arena abgegebene Sclave (Sueton Vit. 17 ; C. I. L. IX, 3437). 4 Dahin gehören die sacralen oder ethischen Ausdrücke scelus, nefas, probrum, flagitium, peccatum, malefidum, f act-mis (Unthat und Grossthat), so wie die oft auf das Verbrechen bezogenen Ausdrücke für die Gesetzübertretung offensa, commission , admissum. Mehrere derselben sind für gewisse Delicte specialisirt ; iD ihrer allgemeinen Geltung gehen sie die Rechtswissenschaft nichts an. — Wenn nach Gellius (7, 14, 4) veteres nostri exempla pro maximis gravissimisque poenis dicebant, so ist das wohl nicht mit Recht aus dem exemplum statuer e im Strafsinn (z. B. Schrift ad Her. 4, 35, 47) abgeleitet. — Iniuria ist entweder das Unrecht abstract oder das specielle Delict, niemals abstract das Verbrechen (vgl. S. 5 A. 1). — Ueber dolus und frans ist der siebente Abschnitt dieses Buches zu vergleichen. 5 Formelwörter im strengen Sinne des Wortes sind allerdings auch diese Bezeichnungen nicht.

10

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

liegende Anwendung auf die Rechtspflege ist der lateinischen mit cler Schwestersprache gemein. Hier wird crimen die Anschuldigung eines Unrechts 1 , ein prozessualisches Wort, der dem Richter zur Entscheidung vorgelegte Thatbestand. Gemäss dieser sprachlich gesicherten Ableitung so wie gemäss clem Gebrauch sowohl der verwandten griechischen Ausdrücke wie auch der übrigen demselben Stamm angehörigen lateinischen2 ist es kaum zu bezweifeln, class crimen, wie iudicium und legis actio 8 und überhaupt clie allgemeinen Rechtsschlagwörter, ursprünglich das Rechtsgebiet überhaupt umspannt, die Klage jeder Art bezeichnet hat. Aber im Gebrauch hat clas Wort eine ethische Färbung angenommen; es ist nicht die Anschuldigung eines Unrechts, sondern die Anschuldigung eines Verbrechens. Von der bloss vermögensrechtlichen Klage wird crimen niemals gebraucht, sondern auf das delictische Gebiet beschränkt, hier aber sowohl für clas Privatdelict verwendet wie auch, unci bei weitem häufiger, für das öifentliche 4 . In dieser Allgemeinheit bedient sich desselben auch die Rechtswissenschaft der Kaiserzeit ebenso wie die heutige ; indess ist clas gleich zu erwähnende synonyme delictum früher in wissenschaftlichen Gebrauch gekommen. 1

Beispielsweise Plautus Bacch. 4, 3, 15 = 628: crimini habuisse ficlem, Terentius Hec. 5, 2, 13 = 779 : crimini credere . 3 , 1, 35 = 335 : in crimen venire. Weitere Belege finden sich überall. Für das Verbrechen selbst wird crimen in guter Zeit nicht verwendet, ausser etwa zeugmatisch wie bei Cicero pro Caelio 10, 23, in der verfallenden Sprache dagegen häufig und in Folge dessen hat die spätere Wissenschaft das Strafrecht danach benannt. 2 Man vergleiche mit crimen einerseits κριτής, κρίσις , andrerseits cernere, decernere, certus, vor allem discrimen. 3 Lege agere wird auch später gesagt sowohl von der Klageerhebung vor dem Prätor wie von der Hinrichtung; ohne Zweifel fällt nach ursprünglichem Gebrauch jeder formale Prozessact unter diese Bezeichnung. 4 Vom Diebstahl braucht das Wort Gaius 3, 197. 208. 4, 178, von der Sachbeschädigung Paulus Dig. 9, 2, 30, 3; es liegt wohl hauptsächlich in dem Zurücktreten der Privatdelicte überhaupt, dass crimen vorzugsweise bei den öffentlichen auftritt. Allerdings ist crimen privatum mindestens ungeläufig (Ulpian Dig. 48, 19, 1,3: in legibus publicorum iudiciorum privatorumve criminum braucht nicht interpolirt zu sein ; auch bei Paulus 1, 5, 2 = Dig. 48, 16, 3 ist die letztere Fassung : et in privatis et in eoctraordinar iis criminibus wahrscheinlich die echte und die erstere : in privatis et in publicis iucliciis interpolirt ; Zeno Cod. 3, 24, 3 pr. : crimen publicum privatumve) und daher wird auch crimen publicum als tautologisch erst in der späteren Rechtssprache gewöhnlich (Ulpian Dig. 3, 6, 1, 1 wegen des voraufgehenden iudicium; 21, 1, 17, 18 — Alexander Cod. 9, 1, 3 — Gordian Cod. 9, 6, 5. tit. 34, 3 — Diocletian Cod. 2, 4, 18. 3, 41, 4, 1. 9, 2, 9. 14; crimen publicorum iudiciorum Cod. 9, 1, 12. tit. 41. 8, 1). — Das Adjectiv criminalis erscheint seit Diocletian (Cod. 9, 1, 17. tit. 41, 15).

Erster Abschnitt.

Die Stellung der Strafe im Gesammtrecht.

Was crimen erst spät und unvollkommen, das leistete früher und leistet besser delictum . Das Wort, eigentlich die Entgleisung, die Delictum . Verfehlung 1, ist, da es ohne Beziehung auf eine einzelne Strafthat die allen gemeinsame sittliche Grundlage hervorhebt und in ethischer Verwendung schon bei Plautus häufig gefunden wird 2 , durchaus geeignet im Strafrecht 3 clas Verbrechen als solches zu bezeichnen. Auch im Sprachgebrauch wird es ohne Unterschied für die öffentlichen wie für die privaten Verbrechen verwendet und streng geschieden von der nicht auf Bestrafung hinauslaufenden Rechtshülfe. Es hat keine rhetorische Färbung 4 und ist insofern für den wissenschaftlichen Gebrauch geeignet. Aber in die Rechtswissenschaft selbst ist es allem Anschein nach nicht früh und in voller Allgemeinheit erst in dem spätesten Stadium eingeführt worden. Seit im System des Civilrechts die Strafklagen zusammengefasst worden sind, was erst im Anfang der Kaiserzeit geschehen ist, scheint man dafür dieses Sammtausdruckes sich bedient zu haben5 und die Sammtbenennung der delicta privata ergab sich damit von selbst6. Die äusserliche Zusammenstellung dieser mit den öffentlichen Klagen wird noch in der justinianischen Verordnungensammlung nicht gefunden und erscheint zuerst in den justinianischen Digesten7. Aber schon in der Handhabung des Wortes liegt der Beweis, class die Einheitlichkeit des Straf1 Die Grundbedeutung tritt am deutlichsten hervor in dem cleliquium solis (Festus p. 73, wo die Gleichung mit praetermittere nicht recht zutrifft; Servius zur Aen. 4, 390), der Uebersetzung von ϊχλπιρις. 2 Plautus Amph. 2, 2,. 184 = 816 vom Ehebruch. Capt. 3, 4, 93 = 626: parentum et libertatis deliquio (Nom.) = strafweise Entziehung der Freiheit. Bacch. 3, 3, 14 = 418. Epid. 3, 1, 9 = 391. Men. 5, 2, 30 = 770. Ebenso in der Formel Liv. 1, 33 : quod . . . adversus popxdum Romanum . . . fecerunt deliquerunt. Die culpose Scheidung heisst delictum non modicum (Dig. 4, 4, 9, 3 ; vgl. Cod. 2, 34, 2). Das Participialsubstantiv ist freilich eine relativ späte Bildung. 8 Die vorher angeführten Belege zeigen als Grundbegriff den sittlichen Tadel, nicht die rechtliche Strafbarkeit 4 Darin unterscheiden sich die sonst wesentlich sich deckenden Worte delictum und mcileficium; die Schrift an Herennius und Cicero brauchen dieses mit Vorliebe, jenes relativ selten und ohne Nachdruck. 6 Gaius 3, 182: transeamus ad obligationes quae ex delicto nascuntur. Das Weitere in der Einleitung zum vierten Buch. 6 Zeno Cod. 9, 35, 11: iniuriarum actio, quam inter privata delicta veteris iuris auctores connumerant. 7 Das 47. Buch derselben eröffnet die für uns wenigstens hier zuerst auftretende Rubrik de privatis delictis und in der Vorrede ( = C. 1, 17, 2, 8) bezeichnet Justinian die Bücher 47 u. 48 als zusammengestellt pro delictis privatis et extraordinariis nec non publicis criminibus. Vgl. die Einleitung zum vierten Buch.

12

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

rechts empfunden ward, lange bevor diese äusserliche Vereinigung sich vollzog. Immer bleibt es charakteristisch, wie spät und schwer das wissenschaftliche Schlagwort für das Verbrechen sich durchgerungen hat. Das Correlat des Verbrechens ist dessen Vergeltung, insofern der Staat sie anordnet und vollzieht, die Strafe. Aber auch dieser Begriff hat sich allmählich zu allgemeiner Geltung entwickelt und erst späterhin und durch recht seltsame Uebertragung den allgemein gültigen Ausdruck erhalten. Die hier in Betracht kommenden Stufen können eingehend nur dargelegt werden theils in diesem Buch bei der Hauszucht, theils im vierten, namentlich bei dem Diebstahl, theils im fünften bei der Behandlung der Todesund der Geldstrafe; hier fassen wir die wesentlichen und namentlich die für die Terminologie bedingenden Momente zusammen. Mit dem Gemeinwesen ist die Möglichkeit der Schädigung desselben durch die Handlung eines Gemeindeangehörigen und damit die Nothwendigkeit der staatlichen Vergeltung dieser Schädigung gegeben. Eine allgemein gültige Bezeichnung dafür besitzt die römische Sprache nicht. Die Hinrichtung des Schuldigen, das Supplicium. supplicium, kann allerdings für die Anfangszeit insofern als solche angesehen werden, als das älteste magistratisch-comitiale Verfahren keine andere Strafe gekannt hat als die Hinrichtung. Aber nachdem, und zwar in früher Zeit, die Vieh- und die Geldbusse aus dem Kreise der Coercition in das Strafrecht eingedrungen waren, fehlte schon für diesen erweiterten Begriff der öffentlichen Strafe das entsprechende Wort. In noch höherem Grade versagt die Terminologie bei dem privaten Strafrecht. Dasselbe ruht auf dem Grundgedanken der gerechten und von Gemeinde wegen gebilligten Vergeltung, welche entweder unmittelbar genommen wurde im Wege der Capitalstrafe oder der Talion oder für welche der Verletzte sich abfinden liess. Für die Privatstrafe in diesem weiten Umfang, den allerdings schon das Zwölftafelrecht nur abgeschwächt kennt und der wahrscheinlich nicht lange nachher ganz umgestaltet worden ist, kennen wir keinen zusammenfassenden Ausdruck. Die Lösung, als facultative selbstverständlich von jeher in Gebrauch, schon in den Zwölftafeln für die meisten Privatdelicte als obligatorische Geldlösung Damnum. geordnet, heisst in der alten Rechtssprache damnum , wörtlich die Gabe, im rechtlichen Gebrauch insbesondere des Substantivs bei dem Privatdelict, wenigstens bei dem Diebstahl und bei der Sachbeschädigung, die von dem Beklagten dem Kläger als Sühne

Erster Abschnitt.

Die Stellung der Strafe im Gesammtrecht.

13

1

dargebotene Gabe, das Lösegeld . Für die gleiche Gabe bei der Körperverletzung verwenden dagegen die Zwölftafeln das griechische Lehnwort poenae2. Nachdem die Privatdelicte sämmtlich cler obli1 Dare heisst zum Eigenthum übertragen; damnum (vgl. scamnum neben scander e; alumnus; vertumnus) ist το όιΰόμίνον = die Gabe (Ritsehl opusc. 2, 709); damnare causativ = geben machen; damnas oder damnatus = zu geben schuldig. Die Wörter dieser Gruppe beziehen sich im Rechtsgebrauch durchaus auf diejenige Gabe, welche die Obligation aufhebt; es genügt dafür zu erinnern an das civilistische dare oportere und das Damnationslegat so wie an das sacralrechtliche voti damnas (oft; voti condemnor e schon in der sehr alten Inschrift der Vertuleier von Sora C. I. L. X , 5708). Das Substantiv beschränkt sich, wie es scheint ausschliesslich, auf das delictische Lösegeld. So lautet bei dem Diebstahl, wie im vierten Buch gezeigt ist, die technische Formel pro füre damnum decidere = als Dieb die Lösung vergleichen; so wahrscheinlich bei der Sachbeschädigung die Formel pro iniuria damnum decidere, woraus die technische Bezeichnung des Delicts damnum iniuria hervorgegangen ist; so weisen die Zwölftafeln (12, 4 Schöll) den qui mndiciam faisant tulit an fruetus duplione damnum decidere = mit doppeltem Fruchtersatz die Lösung zu begleichen. Für andere Leistungen als die des Lösegeldes wird wohl damnas und damnare gesetzt, aber die auf Gelübde oder anderweitiger Pflicht beruhende Hergabe heisst nie damnum; wie bei multa und multare hat das Substantiv allein den Grundbegriff festgehalten. Morte multare und capitis oder capite damnare sind ebenso geläufig wie multa mortis und damnum capitis unmöglich. — Im späteren Sprachgebrauch ist das Wort bei dem Diebstahl ausser Gebrauch gekommen und bei der Sachbeschädigung von der Leistung des Ersatzes für die Schädigung auf die Schädigung selbst übertragen, dann allgemein und verflacht für jede Schädigung verwendet worden. 2

In dem Fragment 8, 3 sind die Worte CL poenam subito ohne Zweifel nur umschreibend überliefert. Aber 8, 4 steht das Wort sicher, nur dass die Ueberlieferung schwankt zwischen XXV poenas sunto und XXV poenae sunto. Schöll p. 78 nimmt, wohl mit Recht, die erstere Fassung an und fasst poenas als Nominativ des Plurals. Warum bei der Körperverletzung das Wort damnum vermieden wird, ist fraglich; vielleicht ist die Fixirung der Lösung durch Gesetz statt durch Schiedsspruch eine legislatorische Neuerung und darum mit dem Fremdwort bezeichnet. Es haben also die Decemvirn nicht bloss, wie Cicero sagt, einzelne solonische Satzungen für ihr Rechtsbuch übersetzt, sondern auch ein griechisches Lehnwort in die Sprache eingeführt ; begreiflicher wird dies, wenn, wie ich anderweitig gezeigt habe (röm. Münzwesen S. 175. 302), die Decemvirn die Münze eingeführt haben. Dass poenae Lehnwort ist, unterliegt keinem Zweifel. Den italischen Dialekten ist das Wort fremd. Etymologisch lässt es sich nach griechischen Sprachgesetzen an τίνω anknüpfen (Curtius, griech. Etym. S. 472. 488; die von Corssen, Ausspr. 1, 370 versuchte Anknüpfung an penus ist nicht haltbar); dem Lateinischen ist diese Wortbildung incongruent. Dem älteren lateinischen Sprachgebrauch sind, wie mein Freund Leo mir bestätigt, die poenae (der Singular bei Plautus nur einmal Capt. 695) wenig geläufig, noch weniger poenire, wogegen impune früh zur Geltung gelangt ist; bei Plautus und bei Terenz überwiegt durchaus supplicium. Poenae wird, wie im Griechischen noivaC, regelmässig mit Worten

Poena.

14

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

gatorischen Geldleistung unterworfen worden waren, ist die eine der für diese dienenden Bezeichnungen, wahrscheinlich weil das Lehnwort in seinem ursprünglichen Werth nicht scharf gefühlt ward, darüber hinausgegangen und wird das Wort poena für den Begriff der Strafe überhaupt, ohne Unterschied der öffentlichen und der privaten, einschliesslich auch des delictischen Schadensersatzes1 und sowohl in technischer Rede wie im gemeinen Sprachgebrauch verwendet. Das Auftreten des Wortes in dieser erweiterten Geltung ist der entscheidende Beweis für die Zusammenfassung der Delicte überhaupt und das rechte Kennzeichen des der Sache nach einheitlichen römischen Strafrechts. Wann poena diese erweiterte Bedeutung angenommen hat, vermögen wir nicht zu bestimmen ; aber bereits in den späteren Jahrhunderten der Republik war das Wort in diesem verallgemeinerten Sinne in anerkanntem Gebrauch 2. Auch der conventionalen Poena cles nicht delictischen Rechts liegt derselbe ethische Begriff zu Grunde 3. wie pendere oder dare verbunden, so dass dabei an Zahlung gedacht zu sein scheint; Eünius (1, 101 Vahlen) sanguine poenas dare ist sicher griechische Imitation. 1 Es liegt im Wesen des Lösegeldes, dass in der Regel neben dem Schadensersatz noch ein Zuschlag geleistet wird, und dem entsprechend kennt den reinen Schadensersatz wohl das Contractrecht der Römer, aber das Delictrecht im Allgemeinen nicht. Selbst da, wo ausnahmsweise der Thäter nicht mehr leistet als quanti ea res est, wird diese Leistung als delictisches Lösegeld behandelt. Der für die Sachbeschädigung zu leistende delictische Ersatz ist ebenfalls ptoena (Dig. 9, 2, 11, 2) und zwar nicht bloss, insoweit er möglicher Weise den Schadensersatz überschreitet, sondern schlechthin, da bei mehreren Thätern einfacher Ersatz nicht genügt und durch den Tod des Thäters vor der Litiscontestation der ganze Betrag in Wegfall kommt. Wenn bei dem Diebstahl die Pönalklage von dem Schadensersatz, der condictio unterschieden wird, so ist dem älteren Recht die letztere fremd und jene ohne Frage ursprünglich gedacht als Schadensersatz mit Zuschlag. Die Condiction fügt unter der Fiction eines Contractes den obligatorischen Schadensersatz, der den Zuschlag ausschliesst, zu dem delictischen gesetzlich gesteigerten hinzu. Die weitere Ausführung wird im vierten Buch gegeben. 2

Bei Cato (Gellius 6, 3, 37): si quis plus quingenta iugera habere voluerit, tanta poena esto steht das Wort sicher in der allgemeinen Bedeutung und poena capitis sagt unbedenklich schon Cicero (Verr. 4, 39, 85; pro Cluentio 46, 128; de domo 27, 45). Dass multa poena (Cicero de leg. 3, 3, 6: Stadtrecht von Genetiva c. 96; fraudi multae poenae tudertinisches Fragment bei Bruns fontes 6 p. 156) oder poena multa (Cicero ad Att. 3, 23, 3) der Gesammtausdruck ist für die öffentlichen Strafen, kann nur gefasst werden als Geld- und andere Strafen, da multa, wie im fünften Buch gezeigt ist, sämmtliche an die Gemeinde zu entrichtenden Geldbussen umfasst und poena von jeder Strafe gesagt, namentlich im Privatrecht

Erster Abschnitt.

Die Stellung der Strafe im Gesammtrecht.

15

Das römische Strafrecht also hat von Haus aus kein allgemeines Wort weder für das Verbrechen noch für die Strafe ; für diese aber stellt in früher Zeit sich poena ein, für jenes in späterer crimen und delictum. regelmässig auch von der Geldbusse gebraucht wird. Labeos verdriessliche Worte (Dig. 50, 16, 244): si qua poena est, multa est, si qua multa est, poena est sind nicht ganz correct, wie denn auch Paulus auf die ursprüngliche Coercitivmulta recurrirend ihm widerspricht; aber poena in dem späteren Gebrauch schliesst in der That jede Specialisirung aus. 8

Die Conventionalpön beruht auf der von den Contrahenten delictisch gefassten und mit einer verabredeten Strafe im Voraus geahndeten Wortlosigkeit.

Zweiter Abschnitt.

Die Hauszucht. Hansunter-

thinigkeit.

Schon die römische Hauszucht, aus der die römische Staatsj o r ( n u n g s j c h entwickelt hat, zeigt die Elemente des Strafverfahrens : das sittliche Unrecht, clie Ermittelung desselben und dessen Vergeltung, clie Grundlagen der Feststellung cles Delicts, cler Regulirung des Strafprozesses, der Ordnung des Strafübels. Aber wie es der Keimzelle angemessen ist, sind diese Ansätze in der Einheit des Hauses noch ungeschieclen enthalten. Die beiden im Strafrecht zusammengefassten Kreise, die staatliche Selbsthülfe bei Schädigung des Gemeinwesens und bei Schädigung eines Privaten die staatliche Vermittelung zwischen dem Schädiger und dem Geschädigten, sind in cler häuslichen Zucht ungeschieden beide vorhanden, indem cler Hausherr ebenso strafend einschreitet bei dem ihm selbst zugefügten Unrecht, wie auf Anrufen des Verletzten schlichtend bei einem innerhalb des Kreises der abhängigen Personen oder von einer solchen gegen einen Dritten begangenen Delict. Die schrankenlose Gewalt des Hausherrn über clie Hausangehörigen ist derjenigen cles Staats über die Gemeincieangehörigen wesentlich gleich ; es genügt ciafür zu erinnern an das in beiden gleichmässig enthaltene Recht über Leben und Tocl und an die gleichartige Noxalbefugniss (S. 8). Wenn, wie sogleich zu zeigen sein wird, formulirtes Delict, fester Rechtsgang, normirte Strafe bei cler Hauszucht mangeln, während sie in cler staatlichen Ordnung sich einstellen, so geht doch auch einerseits wenigstens clie römische Theorie von einer cler hausherrlichen schlechthin gleichen ursprünglichen Unbeclingtheit cler magistratischen Strafgewalt aus, andrerseits aber sind alle Gesetze nichts anderes als im Hause clie hausherrlichen Orel-

Zweiter Abschnitt.

Die Hauszucht.

17

nungen, staatliche Selbstbindungen, welche das Gemeinwesen wie schaffen, so auch lösen kann und welche also clen Gemeindeangehörigen unbedingt, den Staat selbst nur bis weiter verpflichten. Wie um den Strom zu erkennen man die Quelle im Sinn behalten muss, so kann auch das römische Strafrecht nur verstanden werden auf der Grundlage der Hauszucht. Die Hausgewalt ist aber nicht bloss die Keimzelle des Gemein- Verhältniss wesens und der Hausherr das Vorbild des Magistrats, sondern auch „ z u r J σ

'

Gemeinde-

innerhalb des Gemeinwesens besteht die Hausgewalt und schreitet ein gegen Delicte der hausunterthänigen Personen. Die sogenannte Hausgerichtsbarkeit freilich ist ein Widerspruch im Beisatz und dem römischen Recht ebenso unbekannt 1 wie den Neueren geläufig; die Gerichtsbarkeit beruht auf der Gewalt des Gemeinwesens über den Einzelnen und diese Gewalt ist, wie cler Baum vom Keime, verschieden von derjenigen cles Eigenthümers über seine Habe, nicht unbedingt und schrankenlos wie diese, sondern durch die Rechtsordnung gewiesen und begrenzt. Allerdings aber kann das in Hausgewalt stehende Individuum für das von ihm begangene Delict sowohl von clem Hausherrn auf Grund seines Eigenthums wie von dem Staat auf Gruncl seiner Obergewalt zur Rechenschaft gezogen werden, und wenn gleich dieses hausherrliche Verfahren in das Strafrecht selber nicht gehört, so darf es dennoch in demselben nicht übergangen werden, theils weil der Gegensatz deutlich hervorgehoben werden muss, theils weil das Hausherrnrecht mit clem staatlichen Strafrecht theilweise concurrirt, theilweise dasselbe ergänzt. Der Kreis handlungsfähiger Individuen, auf welchen das Eigenthum, das heisst hier die hausherrliche Gewalt sich erstreckt, wird durch das Privatrecht bestimmt. Vor allem gehören dahin die Sclaven2, in Bezug auf welche die ursprüngliche Identität des

gewait.

sciaven.

1 Die Hauszucht kann bezeichnet werden als coercitio oder disciplina , nicht als iudicium domesticum. Der ältere Seneca braucht iudex domesticus als Oxymoron (controv. 2, 3, 18: facile est domestico iudici — dem Vater des Entführers einer Jungfrau — satis facere)\ und auch sonst werden die Väter mit den Magistraten verglichen (Seneca de benef. 3, 11 : imponimus illi — iuventuti — quasi domesticos mafjistratus; Sueton Claud. 16: mvenem . . . quem pater probatissimum sibi ciffirmabat . . . habere clicens censorem suum). — Bei Cicero steht (pro Caec. 2, 6) disceptator domesticus vom Schiedsrichter, iudicium domesticum (in Pis. 40, 97) vom Gewissensgericht; Tertullian apol. 1 bezeichnet also das nicht öffentliche Kaisergericht. 2 Die Controverse darüber, ob der Sclave dem sogenannten Hausgericht untersteht, hat nur etwa insofern einen Sinn, als wer dies leugnet, damit sagen will, dass es in diesen Fällen nicht Sitte war Rathmänner zuzuziehen.

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strat'r.

2

18

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Eigenthums und der hausherrlichen Gewalt bis ia die späteste Zeit festgehalten worden ist. Der Freigelassene steht dem Sclaven nur insofern gleich, als die Freilassung nicht als voll gilt oder der Freilasser sich über sie hinwegsetzt 1 oder auch besondere GeHauekinder. setze die Hauszucht auf den Freigelassenen erstrecken 2. Die hausherrliche Gewalt über die Descendenten wird zwar nominell vom Eigenthum geschieden, in der Rechtsstellung aber stehen diese dem Vater gegenüber auch später noch wesentlich den Unfreien gleich. Dasselbe hat wenigstens in früherer Zeit auch von clen nicht nach Kindesrecht in der Gewalt stehenden personal freien Männern geweiber. gölten 3 . Das Weib steht nach der ursprünglichen Ordnung immer unci nothwendig in der Gewalt; für die väterliche tritt bei der verheiratheten Frau die eheherrliche ein ; die nicht in cler Gewalt des Vaters oder des Mannes stehende Frau unterliegt cler ursprüng4 vestaiinnen. lieh wohl gleichartigen Geschlechtsvormundschaft . Die Mädchen cler Vesta stehen gleichsam als Töchter cler Gemeinde in der Gewalt des Königs und später cles Oberpontifex. Aber von Ausübung dieser Gewalt über die Weiber in der Form cler delictischen Bestrafung giebt es hinsichtlich der Geschlechtsvormunclschaft überhaupt keinen Beleg, und hinsichtlich cler eheherrlichen Gewalt 1 St. R. 3, 433. Sueton Caes. 48: (Caesar dictator) domesticam disciplinam in parvis ac maioribus rebus diligenter adeo severeque rexit, ut piStovern alium quam sibi panem convivis subicientem compedibus vinxerit, libertum gratissimum ob adidteratam equitis Romani uxorem quamvis mdlo querente capitali poena adfecerit. Val. Max. 6, 1, 4. 2 Bei der Ordnung der dem Patron gegen den Freigelassenen zustehenden Rechte durch Augustus im J. 4 n. Chr. (Dio 55, 13) muss jenem das Recht zugestanden oder gelassen worden sein den Freigelassenen wegen Undanks aus Rom (man darf hinzusetzen aus jedem Domicil des Patrons) und der Umgegend bis zum 20. Meilenstein auszuweisen. Tacitus ann. 13, 26: quid enxm aliud laeso patrono concessum, quam ut vicesimum ultra lapidem in or am Camjmniae libertum releget ? wo sonderbarer Weise die auch paläographisch unmögliche Schlimmbesserung centesimum sich noch heute behauptet, als ob das Ausweisungsrecht des Patrons und das des Stadtpräfecten zusammenfielen, und als ob überhaupt die Ausweisung in die Seebäder1 etwas anderes sein könnte als ein Oxymoron. Da dem Patron gesetzlich das Recht zusteht den übermüthigen Freigelassenen aus Rom bis zum 20. Meilenstein auszuweisen, so geht dieser in die Verbannung, aber nach Baiae. 8 Das poetelische Gesetz vom J. 428/326 hat, wenn Livius 8, 28 recht berichtet, die Fesselung der Personen in der Gewalt ausser wegen eines Verbrechens verboten, auf Veranlassung der Misshandlung eines solchen nexus. Auf Haussöhne darf dies schwerlich bezogen werden. 4 Das Princip spricht Cato aus bei Livius 34, 2, 11 (vgl. c. 7, 11): maiores nostri . . . feminas . . . voluerunt in manu esse parentium fratrum virorum.

Zweiter Abschnitt.

Die Hauszucht.

19

keine andere als unhistorische zur Erläuterung des alten Rechtssatzes aufgestellte Erzählungen 1 ; in historischer Zeit ist sie einerseits schwerlich in voller Consequenz angewandt worden, andrerseits hat man verhältnissmässig früh die Ehe auch ohne Eintreten der eheherrlichen Gewalt zugelassen. Allerdings lehnt an clie alte Sitte der spätere Gebrauch an die Vollstreckung cler über eine Frau von Staatswegen verhängten Bestrafung dem Ehemann oder den Verwandten zu übertragen 2 unci in gleicher Weise die in cler Kaiserzeit begegnende gleichartige Delegation selbst cler Urtheilsfällung in solchen Prozessen von Seiten cler befreiten höchsten Gerichte 8 . Aber wenn in cler geschichtlichen Zeit die häusliche Strafgewalt über clie Weiber im übrigen bei den Römern ein verschollenes Institut gewesen ist, so ist die Gewalt cles Vaters 1 Den Egnatius Mecennius, welcher seine Frau wegen unerlaubten Weintrinkens mit einem Knittel erschlagen hat, spricht König Romulus frei (Valerius Max. 6, 3, 9; Plinius h. n. 14, 13, 89; Tertullian apol. 6; Servius zur Aen. 1, 737; -verallgemeinert Dion. 2, 25; Polybius 6, I I a , 4 [2, 5]). Diese Erzählung soll wohl die ursprünglich dem Ehemann zustehende Gewalt über Leben und Tod der Ehefrau erläutern. Wegen eines ähnlichen Vergehens wird eine Frau von den Ihrigen (su/) zum Hungertod verurtheilt (Fabius bei Plinius a. a. 0.). 2

Livius 39, 18, 6 ( = Val. Max. 6, 3, 7): midieres dcimnatas cognatis aut in quorum manu essent trcidebant, ut ipsi in privato animadierterent in eas; si nemo erat idoneus supplicii exactor , in publico animaclveHebatur. Bei dem Prozess aus dem J. 602/152 (Liv. ep. 48): Publilia et Licinia . . . . quae viros suos consulares necasse insimidabantar, cognita causa cum praetori (in Vertretung der Consuln) ptraedes rades dedissent, cognatorum decreto necatae sunt, scheint das Urtheil von den Familien gefällt zu sein (wie auch Val. Max. 6, 3, 8 die Erzählung gefasst hat: non . . . putaverunt . . . longum publicae quaestionis tempus expectandum); aber es ist ein staatlicher Criminalprozess, dem damit ein Ende gemacht wird. In einem unter Tiberius vor dem Senat geführten Prozess (Tacitus ann. 2, 50: adxdterii graviorem poenam deprecatus, ut exemplo maiorum { a> propinquis suis ultra ducentesimum lapidem removeretur, suasit) ordnet der Senat die Ausweisung an, indem er deren Vollstreckung den Verwandten aufträgt. Die vage Bezeichnung der propinqui (vgl. S. 26) schliesst die Anknüpfung an die Geschlechtstutel aus. 3 Sueton Tib. 35 : matronas prostratae pudicitiae, quibus accusator publicus deesset, ut propinqui more maiorum de communi sententia coercerent auctor fuit. Das eigentliche Criminalverfahren war also auch der sittenlosen Frau gegenüber Regel und nur, wo dies versagte, wird die Familie vom Kaiser zum Einschreiten veranlasst. Der Prozess gegen eine vornehme Frau wegen Religionsfrevels unter Nero (Tacitus ann. 13, 32: Pomponia Graecina . . . . superstitionis externae rea mariti iuclicio permissci, itaque prisco instituto propinquis coram de capite famaque coniugis cognovit et insontem pronuntiavit) wird nur im Wege der Delegation von Seiten des Senats durch den Eheherrn entschieden. 2*

20

Deiicte.

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

über die Haustochter auch später noch ausgeübt worden 1 und vor allem die pontificale über die vestalische Jungfrau nicht bloss bis hinab auf die Annahme des Christenthums als Staatsreligion rechtlich unci thatsächlich anerkannt geblieben2, sondern auch im Fall cler Unzucht wesentlich erweitert worden durch clie Erstreckung cles Verfahrens auf den mitschuldigen Mann, so dass in diesem Ausnahmefall allerdings clie Hauszucht sich zu einem förmlichen Rechtsverfahren umgestaltet, wobei der Oberpontifex in der Form cles ältesten magistratischen Strafprozesses, berathen durch seine Collegen, aber beschränkt weder durch die Comitien noch durch Geschworne, Gewalt hat über Leben und Tod. Es ist nicht ausgemacht, dass diese anomale Ausdehnung des Pontificalgerichts auf älteste Ordnungen zurückgeht; vielleicht beruht dieselbe auf relativ späten Volksschlüssen3. Dass clie regelmässige Hauszucht, wie sie gegen Unfreie und Hauskinder geübt wird, nichts ist, wie gesagt, als Ausübung des dem Eigenthümer zukommenden Rechts und keineswegs als Strafrecht betrachtet werden darf, zeigt sich in dem Fehlen cler rechtlichen Festigkeit theils des Delicts, theils cler Strafe, theils des Prozesses; für sie alle giebt es keine Begrenzung als im einzelnen Fall clie Willkür. Es fehlt bei cler Hauszucht nicht das Delict, aber dessen rechtliche Fixirung. Der Hausherr kann einschreiten wegen jeder das Staatsgesetz verletzenden Handlung der hausunterthänigen Person, wegen eines öffentlichen Delicts sowohl4 wie wegen eines 1

Capitalsentenzen der Väter gegen unkeusche Töchter : Val. Max. 6, 1, 3. 6. Gleich den Prodigien verzeichnen die Annalen die über die vestalischen Jungfrauen wegen Verletzung der Keuschheit verhängten Todesurtheile mit besonderer Sorgfalt. Abgesehen von der unter Tarquinius Priscus berichteten Verurtheilung der Vestalin Pinaria (Dion. 3, 67) ist der älteste geschichtliche Fall der Art der Prozess der Opimia oder Oppia im J. 271/483 (Liv. 2, 42; Dion. 8, 89), der namhafteste der wegen seiner prozessualischen Behandlung weiterhin noch zu erwähnende vom J. 640/114. In der Kaiserzeit haben derartige Capitalverurtheilungen stattgefunden unter Domitian (Sueton. Dom. 2; Plinius ep. 4, 11; Dio 67, 3), Caracalla (Dio 77, 16 ; Herodian 4, 6), ja noch am Ende des 4. Jahrh. (S. 24 A. 3). 3 Festus p. 241 nach Cato : probrum virginis Vest alis ut capite puniretur, vir qui earn incestavisset verberibus necaretur, lex fixa in atrio Libertatis cum multis aliis legibus consumpta est. Der Ausschluss der Provocation für den Mann, da die Frau ohnehin nicht provociren konnte, kann auf diesen Volksschluss zurückgeführt werden. In den annalistischen Erzählungen freilich erstreckt sich das Verfahren von Haus aus auf beide Theile. 4 Sp. Cassius wird wegen Perduellion nach der jüngeren Version (Plinius 2

Zweiter Abschnitt.

Die Hauszucht.

21

privaten, aber nicht minder einschreiten wegen jeder durch clas Staatsgesetz nicht verbotenen Handlung. Vom sittlichen Standpunkt aus mag man (las Einschreiten gegen Verbrechen, clas Einschreiten zum Zweck cler Erziehung 1 und der guten Hausordnung 2, das Einschreiten aus reiner Willkür und Herrengrausamkeit unterscheiden; rechtlich tritt clie Hauszucht ein, weil es dem Herrn also beliebt. Vor allem wird durch dieselbe das staatliche Strafrecht ergänzt, was namentlich für clie Anfänge der staatlichen Entwickelung in Betracht kommt. Von clen beiden grossen und scharf getrennten Kreisen, welche clas Strafrecht in sich schliesst, dem Einschreiten cler Magistratur von sich aus wegen Verletzung des Gemeinwesens und clem Einschreiten derselben wegen Verletzung des Einzelnen auf Antrag des Geschädigten, ist der zweite zweifellos erst später gestaltet worden; es wird eine Epoche gegeben haben, in welcher cler Ueberläufer, cler Feige, cler Landesverräther bestraft wurde, dagegen bei Schädigung des Einzelnen die Vergeltung dem Geschädigten selbst und den Seinigen anheimgestellt war. Aber in dieses Gebiet griff, insoweit der Thäter hausunterthänig war, von jeher clas Herrenrecht ein: in Ermangelung eines staatlichen Verfahrens war jeder Hausherr in cler Lage clem Verletzten clie gebührende Vergeltung zu schaffen und dadurch sich und seine Habe vor der rächenden Selbsthülfe des Verletzten zu schützen. Daraus stammen ohne Zweifel clie oben (S. 8 fg.) erörterten uralten Ordnungen der Noxa, insbesondere h. n. 34, 4, 15; Val. Max. 5, 8, 2; Liv. 2, 41; Dion. 8, 79; vgl. röm. Forsch. 2, 176) vom Vater mit dem Tode bestraft. Die Hinrichtung eines Genossen Catilinas nach dem Spruch des Vaters berichten Sallust Cat. 39; Dio 37, 36; Val. Max. S, 8, 5. Seneca de clem. 1, 15: Tarius ... filium depréhensum in parricidio eocilio damnavit causa cognita. Einen ähnlichen Fall betreffend den L. Gellius Censor 682/72 berichtet Val. Max. 5, 9, 1. — Die Hinrichtung der Söhne des Brutus durch diesen als ersten Consul gehört nicht hierher. 1 Dies ist nicht zu verwechseln mit dem Züchtigungsrecht des Erziehers und überhaupt der zur Erziehung berufenen Verwandten, der emendatio propinquorum (C. Th. 9, 13, 1 = lust. 9, 15, 1). Dies hat mit der Hausgewalt nichts zu thun und kommt im Strafrecht nur insofern in Betracht, als hier bei Handlungen, die sonst als iniuria anzusehen sein würden, mit der Absicht auch die Strafe dieses Delicts wegfällt. — Aehnlich verhält es sich auch mit der eheherrlichen Strenge (maritalis districtio: Cassiodor var. 5, 32) der späteren Zeit; die Hauszucht im alten Sinn ist damit nicht gemeint. 2 Dahin gehört die Züchtigung, welche der Oberpontifex über die Vestalin verhängt wegen Vernachlässigung des Vestafeuers oder anderer geringerer Vergehen (Liv. 28, 11, 6; Val. Max. 1, 1, 6; Festus ep. p. 106 ignis Vestae; Plutarch Num. 10).

22

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

die folgenreiche Regel, dass bei der von einer hausunterthänigen Person einem Dritten zugefügten Schädigung der Hausherr entweder im Wege des Vergleichs Ersatz zu leisten oder den Frevler dem Geschädigten zu eigen zu geben gehalten ist. Dies auf Mord, Diebstahl, Sachbeschädigung gleichmässig anwendbare Verfahren ist kein Strafprozess, aber sicher vorbildlich gewesen für das Privatdelict: es tritt dies in den Strafprozess ein, indem bei dem Frevel des Unfreien der Hausherr von Genieindewegen zu dem gezwungen wird, was Billigkeit und Herkommen schon früher von ihm forderten und bei dem Frevel des Vollfreien der Staat diesen ähnlich behandelt wie der Hausherr den frevelnden Unfreien. Selbstverständlich trat mit dem staatlichen Einschreiten bei dem Privatdelict bei diesem die Hauszucht zurück, ohne doch ihre Anwendbarkeit auf das Delict cles Hausunterthänigen zu verlieren 1 . Bis in die späteste Zeit hat bei den Delicten, welche von der hausunterthänigen Person gegen clen Hausherrn selbst oder eine in dessen Gewalt stehende Person begangen wurden, so weit dieselben nicht in das öffentliche Strafrecht hineingezogen werden 2, es eine eigentliche Rechtshülfe nicht gegeben, da die Bedingung des Privatprozesses, clas Vorhandensein der Parteien, hier versagt, sondern lediglich das Aushülfsmittel cler clas Strafrecht ergänzenden Hauszucht8. — Das öffentliche Recht hat namentlich die Frauenzucht bis zum Ausgang cler Republik der häuslichen Ordnung überlassen. Wenn die Sitte Geschlechtsvergehen bei clem Manne 1 Dass bei Anschuldigung eines Sclaven wegen Mordes oder eines anderen Delicts der Herr entweder selbst die Folterung vornahm (Val. Max. 8, 4, 1) oder deren Vornahme dem Geschädigten gestattete (Dig. 47, 10, 15, 34. 42; Plautus most. 1086; Terentius Hec. 773), und wenn das Verbrechen erwiesen schien, die Dedition vollzog (Val. Max. a. a. 0.), geschah auch später häufig ohne gerichtliche Intervention, da der Herr es vorzog freiwillig zu thun, wozu er gezwungen werden konnte. 2

Da bei der öffentlichen Klage im Rechtssinn die Gemeinde klagt, so kann hier wie jeder andere auch der Herr gegen den Sclaven als Ankläger auftreten r und bei der Ehebruchsklage kommt dies praktisch vor (Dig. 48, 2, 5). Dass der Herr seinen Sclaven vor den Stadtpräfecten citirt (Dig. 1, 12, 1, 5), gehört allerdings dem späteren Umsichgreifen der öffentlichen Coercition an. 8 Ulpian. Dig. 47, 2, 16. 17 pr.: servi et fdii nostri furtum quidem nobis faciunt, ipsi autem furti non tenentur; neque enim qui potest in fur em statuer e necesse habet adver sus fur&m litigare : idcirco nec actio ei a reter ibus prodita est. Dig. 25, 2, 1. Inst. 4, 1, 12. Der Belege für derartige Anwendung der Hauszucht bedarf es nicht. Untersuchung mit Anwendung der Folter wird erwähnt Dig. 9, 2, 23, 4.

Zweiter Abschnitt.

Die Hauszucht.

23

wenig achtete, so war sie um so strenger hinsichtlich der Keuschheit der Frauen, und das republikanische Strafrecht hat den Verstoss dagegen nur desshalb ignorirt, weil dafür die Hauszucht, in älterer Zeit ohne Zweifel auch des Eheherrn, vor allem aber die des Vaters eintrat. Das Verfahren gegen die unkeusche Vestalin ist wohl nur die Anwendung des gegen die unkeusche Haustochter üblichen auf die Haustochter der Gemeinde. Bei dem späteren Verfall der Hauszucht und schliesslich ihrem völligen Versagen hat Augustus das staatliche Einschreiten gegen Adulterium und Stuprum an ihre Stelle gesetzt. Es fehlt ferner bei der Hauszucht ein rechtlich fixirter Begriff der Strafe, das feste Correlatverhältniss zwischen der That und ihrer Vergeltung. Ausser der Hinrichtung und der Züchtigung spielt bei dem Hausgericlit nicht bloss über Unfreie 1 , sondern auch über Freie 2 und Freigelassene (S. 18 A. 2) die Relegation aus Rom eine hervorragende Rolle, während (las ältere staatliche Strafrecht dieselbe nicht kannte und sie erst in der Kaiserzeit aus der Hauszucht in dieses übernommen worden ist. Geldstrafen sind ausgeschlossen, da wer in cler Gewalt steht, im Rechtssinn kein Vermögen haben kann; thatsächlich ist ohne Frage häufig auf clas Peculium gegriffen worden, namentlich dann, wenn, wie bei cler Vestalin, dies dem Vermögen genähert war. Normen für Strafart und Strafmass hat es nicht geben können. Nach der Anlage cler Hauszucht kann der schlimmste Frevel ungesühnt bleiben, das geringfügigste Vergehen die schwersten Folgen nach sich ziehen, ja, wo jedes Vergehen mangelt, die reine Willkür schalten. Ein derartiges Verhalten wird nur insofern getadelt, als es nicht zu billigen ist sein Eigenthum zu missbrauchen3. Diese mit erschreckender Folge1

Nichts ist gewöhnlicher als die strafweise Versetzung des Sclaven aus der familia urbcma in die familia rustica (Dig. 28, 5, 35, 3; Marquardt Handb. 7, 179). 2 Diese Relegation wird erwähnt in den Fällen des Sohnes des L. Manlius Dictators 391/363 (Liv. 7, 4, Cicero de off. 3, 31, 112; Val. Max. 5, 4, 3. 6, 9, 1; Appian Samn. 2; viri ill. 28; Seneca de benef. 3, 37); des Q. Fabius (S. 25 Α. 1); des Tarius Rufus (Seneca de clem. 1, 15: mollissimo genere poenae contentum esse debere patrem . . . debere illum ab urbe . . . submoveri); auch Cicero pro Sex. Roscio 15, 42 gehört hierher. Die Relegationen, die Augustus über seine Tochter und seine Enkelin verhängte (Sueton Aug. 65 und sonst), sind ebenfalls eher auf das Hausrecht zurückzuführen als auf die aufserordentliche kaiserliche Strafgewalt. — Gleichartig ist die Einsperrung des Enkels Drusus in das Souterrain des Kaiserpalastes durch Tiberius (Sueton Tib. 54). 3 Die Beschränkung des Herrenrechts über die Sclaven motivirt also noch Gaius (1, 53): male nostro iure idi non debemiis, qua ratione et prodigis interdicitur

24

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

richtigkeit durchgeführte Auffassung der Hauszucht hat, abgesehen von dem Eingreifen der oben ausgeführten Frauenemancipation, in republikanischer Zeit keine wesentliche Milderung erfahren 1 ; ja die Behandlung des Keuschheitsfrevels der Vestalin als eines todeswürdigen Verbrechens inmitten einer in dissoluter Frauenunzucht kaum wieder erreichten Epoche ist, der entsprechend gesteigerten Gottesfurcht angemessen, späterhin eher geschärft worden als gemildert 2 . In der Kaiserzeit wird allerdings die im Wege der Hauszucht verfügte Hinrichtung allmählich beschränkt, wie dies im vierten Buch bei dem Morel näher auseinander gesetzt werden wird: seit Kaiser Claudius ist die grundlose Tödtung des Sclaven, seit Constantin clie aussergerichtliche Tödtung des Haussohns wie cles Sclaven unter den Mordbegriff gezogen. Auch das Pontificalgericht hat clie Gewalt über die Vestalinnen und deren Mitschuldige, wenn auch erst in nachconstantinischer Zeit, insofern eingebüsst, als nach Untersuchung des Frevels durch clas Collegium für clie Vollstreckung der Strafe die Staatsgerichte angerufen wurden 8 . Aber keineswegs ist damit die Hauszucht in ein Hausgericht verwandelt; nach wie vor entscheidet die Willkür, wenn sie auch nicht mehr berechtigt ist unbedingt zu dem Aeussersten zu schreiten 4 . bonorum suorum administrate und sogar Justinian (Inst. 1, 8, 2): expedit rci publicae, ne qms re sua male uiatur. 1 Von censorischem Tadel wegen Misshandlung der Sclaven wird gesprochen (Dionys. 20, 5; St. R. 2, 381); aber Belege fehlen, schwerlich zufällig. Die Störung eines Volksfestes durch öffentliche Schaustellung eines verurtheilten Sclaven (Cicero de div. 1, 25, 55 und sonst oft) darf hieher nicht gezogen werden. 2 Ueber die Executionsformen gegen die Vestalin unci deren Buhlen ist der zweite Abschnitt des fünften Buchs zu vergleichen. 3

Wegen des von einer albanischen Vestalin begangenen Incestes stellt noch am Ausgange des 4. Jahrhunderts das römische Pontificalcollegium die Untersuchung an, ruft dann aber, den Präcedentien entsprechend (tibi actio de proximi t empor is exemplo servata est), zur Vollstreckung des, wie es scheint, capitalen Spruches den Stadtpräfecten und, da dieser sich entschuldigt, weil er Rom nicht verlassen könne, den beikommenden Provinzialstatthalter an (Symmachus ep. 9, 147. 148, vgl. 9, 108). Die unmittelbare Ausübung dieses Hauszuchtrechtes ist also von den Regierungen des 4. Jahrhunderts dem Collegium nicht mehr gestattet worden. 4

Scharf tritt dies darin hervor, dass bei der Beschränkung und der späteren Untersagung der aussergerichtlichen Tödtung des Sclaven durch den Herrn die durch die Züchtigung herbeigeführte nicht beabsichtigte Tödtung ausdrücklich als straflos bezeichnet wird (Paulus Coli. 3, 2, 1; C. Th. 9, 12, 1 = lust. 9, 14, 1).

Zweiter Abschnitt.

Die Hauszucht.

25

Es fehlt endlich bei cler Hauszucht ein rechtlich geordneter prozess. Allerdings muss sie als Rechtsübung auftreten und schon in republikanischer Zeit ist der Vater, welcher den Sohn in der Gewalt hinterlistig umbringen lässt, als Mörder bestraft worden Aber eine feste Form für die Ausübung cler Hauszucht ist nirgends vorgeschrieben und widerstreitet ihrer Natur. Sie ist ihrem Wesen nach inquisitorisch, die Klagführung in cler That eine Denuntiation. Wie das staatliche Gericht nothwendig öffentlich ist, so wird bei der Hauszucht cler Spruch im Hause gefällt 2 , wofür bei dem Pontificalgericht die Amtswohnung des Oberpriesters, die Regia eintritt 3 , und unterscheidet sich dadurch auch formell von dem Strafverfahren. In wichtigeren Fällen freilich, wozu clas Verfahren gegen Sclaven nicht gehört, wohl aber schwere Anschuldigungen gegen das Hauskincl, erforderte nicht das Gesetz, aber cler allgemeine römische Gebrauch die Zuziehung von Berathern und eine vor diesen geführte prozessartige Verhandlung 4 . Bei den Prozessen der Vestalinnen betheiligen sich darum regelmässig sämmtliche Pontifices; bei dem Capitalverfahren gegen

Straf-

verfahre n

1 Orosius 5, 16: isdem temporibus (J. 649/105—651/103) Q. Fabius Maximus ßium suum adulescentem rus relegatum cum duobus servis parricidii ministris inter fecit ipsosque servos in pretiiim sceleris manu misit: die dicta On. Pompeio accusante damnatus est. Marcianus Dig. 48, 9, 5: dirus Hadrianus fertur, cum in venatione fdium säum quidam necaverat, qui novercam adidterabat, in insidam eum deport as se, quod latronis magis quam patris iure eum inter fecit. Auf die Erzählung bei Dionysius 16, 5 (vgl. Val. Max. 6, 1, 9), dass wegen Misshandlung eines in Schuldknechtschaft Befindlichen gegen dessen Herrn von den Tribunen die Mordklage angestellt worden sei, ist nicht viel zu geben. 2

Seneca de clem. 1, 15. Torquatus (A. 4).

Val. Max. 5, 8, 2, ebenso bei dem Verfahren des

3 Plinius ep. 4, 11. Dies schliesst die Anwesenheit von Zuhörern nicht aus (Cicero de har. resp. 6, 12). 4 Val. Max. 5, 8, 3: (Torquatus) cognitione suscepta domi consedit solusque (S. 26 A. 3) utrique parti per totum biduum vacavit ac tertio plenissime die diligentissimeque auditis testibus ita pronuntiavit. Das lebendigste Bild eines solchen Hausgerichts giebt Josephus ant. 16, 361—372 (c. 11, 2. 3), bell. 1, 535—543 (c. 1, 2. 3) in der Schilderung des auf Augustus Rath nach römischem Muster von König Herodes über seine Söhne abgehaltenen Blutgerichts, in dem gegen hundertundfiinfzig Personen, darunter die Verwandten des königlichen Hauses und die vornehmsten römischen Offiziere sitzen und stimmen. Aehnlich verläuft das Consilium des L. Tarius Rufus über dessen Sohn, in dem auch Augustus sitzt und schriftlich abgestimmt wird (Seneca de clem. 1, 15.).

·

26

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Frauen 1 und dem gegen Hauskinder 2 werden die Verwandten und die Hausfreunde, zuweilen auch ferner stehende angesehene Männer zugezogen. Die Entscheidung fällt, wie bei jedem freiwillig zugezogenen Consilium, nach Anhörung der Berather, in clem Prozess der Vestalin der Oberpontifex, in clem Verfahren gegen Frauen und Hauskinder der Hausherr 3 . Es ist daher nur folgerichtig, dass cler in dieser Weise gefällte Spruch nicht im Rechtssinn als Urtheil gilt, also auch eine derartige Freisprechung der Anstellung eines staatlichen Criminalverfahrens nicht im Wege steht 4 . 1 Dionys. 2, 25: ταντα ôà oi αυγγινείς μ fr« τοϋ άνδρος ίδίχαζον . Plinius 14, 13, 89: matronam .... α suis inedia mori coactam. Vgl. Liv. ep. 48: cognatorum (propinquorum Val. Max. 6, 3, 8) decreto. Sueton Tib. 35: ut propinqui more maiorum de communi sententia coercerent. Tacitus ann. 2, 50 (S. 19 A. 2). 13, 32 (A. 3). 2 Val. Max. 5, 8, 2: adhibito propinquorum et amicorum consilio. Ders. 5, 9, 1: paene universo senatu adhibito in consilium . 8 Tacitus ann. 13, 32: isque prisco more propinquis coram de capite famaque coniugis cognovit et insontem pronuntiavit. Val. Max. 5, 9, 1 : absolvit eum cum consilii tum etiam sua sententia. Das Verfahren des T. Manlius Torquatus Consuls 589/165 gegen seinen nicht mehr in der Gewalt stehenden Sohn wegen Erpressung (Cicero de fin. 1, 7, 24; Livius ep. 54; Val. Max. 5, 8, 3) ist nicht eigentlich Hauszucht, da dem Vater die Gewalt fehlt, und läuft auch nur aus auf Tadel des unehrenhaften Verhaltens, der den Sohn in den Tod treibt. Aber der Sache nach ist es dem Hausverfahren gleichartig, und wie Torquatus den Spruch fällte ohne Zuziehung des consilium necessariorum (Val. Max. a. a. 0.), wird auch bei diesem dasselbe jedem Hausherrn freigestanden haben. 4 Dies zeigt der Prozess gegen die Vestalinnen vom Jahre 640/114.

Dritter Abschnitt.

Kriegsrecht. Die römische Rechtswissenschaft geht aus von der Vollgewalt Kriegs- und der Magistratur. Nach dieser Auffassung schaltet ursprünglich Fr r i ®^ 8 " der einheitliche und lebenslängliche Genieindeherr, der Herrscher (rrx) mit gleichmässig unbeschränkter Machtvollkommenheit hinsichtlich der sacralen, der militärischen und der bürgerlichen Verfehlungen sowohl innerhalb wie ausserhalb der Stadtmauern und besteht rechtlich kein Unterschied weder zwischen den verschiedenen Gattungen der Unrechtfertigkeit noch zwischen Friedensstand unci Kriegsstand. Er stellt wohl Gesetze auf, welche die Gemeine! eangehörigen binden, aber ihn selber und seine Nachfolger binden sie nicht. Verbrechen ist die Handlung, die cler König ahndet, Strafe das Uebel, welches er einer Person zufügt. Wenn das Herkommen in beiden Beziehungen Schranken setzt, so ist auch deren Einhalten königliche Willkür; clie Gemeincleorclnung weist keinen Weg clen Unschuldigen der Bestrafung zu entziehen, clie der Sitte zuwiderlaufende Strafgattung zu verhindern. Ein formales Ermittelungsverfahren bei erhobener Anschuldigung besteht nicht; der König ist befugt jeden Rechtshandel zu untersuchen und zu entscheiden und ebenso befugt die Untersuchung und die Entscheidung einem Vertreter zu übertragen. Berufung an clie Gesammtheit der Bürgerschaft nach gefälltem Straferkenntniss kann stattfinden, aber nur wenn der König sie zulässt. Delict, Strafe, Prozess giebt es in clem Gemeinwesen wohl im factischen, aber nicht im Rechtssinn. Aus dieser Vollgewalt ist dann, insonderheit durch die Scheidung cles städtischen und des Kriegsregiments und

28

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

durch Abminderung der magistratischen Befugniss in dem ersteren Kreis die spätere Staats- und Strafordnung hervorgegangen. Als geschichtliche Ueberlieferung kann diese Rechtsconstruction selbstverständlich nicht angesehen werden. Sie ist hervorgegangen einerseits aus der Uebertragung der Hauszucht auf die Staatsordnung, indem König und Bürgerschaft geglichen werden mit dem Hausherrn und den Hausunterthänigen, andrerseits aus der Verallgemeinerung des späteren Kriegsrechts. Schwerlich trifft sie der Sache nach vollständig das Richtige. Vielmehr ist die Scheidung der magistratischen Gewalt innerhalb und ausserhalb der Mauern vermuthlich so alt wie diese Mauern selbst uiul hat die ursprüngliche Herrschergewalt sich wesentlich auf den letzteren Kreis beschränkt, während innerhalb der Mauern die Herrenlosigkeit überwog und jeder Hausherr zunächst auf sich und die Seinigen, also auf die Selbsthülfe angewiesen war. In vollem Umfang freilich ist diese Herrenlosigkeit mit der Perpetuität des Gemeinwesens unvereinbar, und lediglich eine Herzogstellung wird dem römischen König nicht zugewiesen werden dürfen. Die Gemeindegenossen fanden sich zusammen, um den fremden Vergewaltiger mit vereinigten Kräften zurückzuwerfen unci halfen einander auch bei Hausbränden; für jene Abwehr und diese Hülfe setzten sie sich einen Vormann. Es ist ein weiter Weg von diesem ursprünglichen Gemeinwesen, wonach der Gemeincieherr clie Bürger vor die Mauern führt, um Räubern zu wehren oder selber zu rauben und im Mauerring bei Feuersgefahr auf cler Brandstätte erscheint, bis zu cler heutigen Staatsentwickelung mit cler staatlichen Erziehung jedes einzelnen Bürgers zum Waffenhandwerk und clem gewaltigen Gedanken der Gesammtbürgschaft für alles dem Einzelnen begegnende Leid unci Elend; ein weiter Weg, wie von den zwölf Bütteln des römischen Oberbeamten, welche ihm die Strasse freihalten, zu clen ständigen Armeen der Jetztzeit. Aber diesen weiten Weg ist auf den Spuren des römischen Gemeinwesens die staatliche Entwickelung gegangen. Wenn also die Magistratur von Haus aus gedacht werden darf als cler Gesammtheit der Bürgerschaft unterworfen, so kommt diese Unterwerfung hauptsächlich im Frieclensstand zur Geltung; hier hat das Gesetz wohl von je her den Magistrat gebunden und ist damit für Delict, Prozess, Strafe cler Boclen geschaffen. Aber die Auffassung der Magistratur als unbeschränkten Willkürregiments hat allerdings neben der Rechtsordnung Geltung gehabt im Kriegsstand. Diese Willkür selbst ist der Gegensatz der

Dritter Abschnitt.

Kriegsrecht.

29

Rechtsordnung und systematischer Darstellung nicht fähig, wenngleich das Herkommen ihr in dem kriegsrechtlichen Verfahren eine gewisse äusserliche Form gegeben hat; es gilt in dieser Hinsicht von ihr dasselbe, was wir bei der Hauszucht ausgeführt haben. Aber es ist erforderlich dasjenige Gebiet zu bezeichnen, in welchem diese Willkür schaltet und somit die Grenzen festzustellen, innerhalb deren es ein römisches Strafrecht nicht giebt. Ausserhalb der Stadtmauern ist der Kriegszustand rechtlich Kricgsrecht permanent, einerlei ob wirklich Krieg geführt wird oder nicht, A l l g e ^ e i n e n und übt der Magistrat, das heisst hier der Feldherr diejenigen Befugnisse aus, welche das Commando fordert. Dem Kriegsrecht untersteht zunächst, wer in römischem Heerclienst steht, aber rechtlich vielmehr jedermann ohne Unterschied des Personalrechts 1. Die Erstreckung der Lagerzucht auf die nicht im Dienst stehenden Italiker und Provinzialen ist rechtlich die Quelle desjenigen Missbrauchs der Beamtengewalt, welchen insbesondere die späteren Jahrhunderte der Republik uns in beispielloser Entsetzlichkeit vorführen 2. Die sogenannte senatorische Gerichtsbarkeit cler republikanischen Zeit über clie italischen Gemeinden ist in cler That nichts als die Handhabung des Kriegsrechts durch die römischen Imperienträger ausserhalb der Stadtmauern, in cler späteren Republik factisch gebunden durch die Mitwirkung cles Senats. In erster Reihe richtet sie sich gegen die Unbotmässigkeit der nominell mit Rom verbündeten, der Sache nach von Rom abhängigen Gemeinden und gegen jeden \ r ersuch, sich dieser Abhängigkeit zu entziehen; aber formell unbegrenzt wie sie ist, werden auch andere Delicte, namentlich clie clen öffentlichen Frieden über die einzelne Gemeinde hinaus gefährdenden Massenverbrechen, Banditenwesen und Giftmischerei diesem kriegsrechtlichen Verfahren unterworfen. Collisionen dieses Einschreitens der römischen Behörde mit den verbrieften Rechten der italischen 1 Ueber die Handhabung des Kriegsrechts gegen die nicht im Heer dienenden Personen ist im folgenden Abschnitt bei der Coercition und hinsichtlich der Judication im zweiten Abschnitt des folgenden Buches gehandelt. 2 Unter dem Jahre 581/173 berichtet als erstes Beispiel der Misshandlung der römischen Bundesangehörigen Livius 42, 1 : (consul ) iratus Praenestinis .... littcras Prcieneste misit, ut sibi magistraUis obviam exiret y locum publice pararet ubi deverteretur iumentcique cum exiret inde praesto essent. Gleichzeitige noch empörendere Misshandlungen werden erwähnt in der Rede des C. Gracchus bei Gellius 10, 3, 3. 5. 17. Römische Bürger in gleicher Weise zu behandeln verbot dem Magistrat das Gesetz ebeijso wenig, wohl aber die in dieser Epoche wohl begründete Rücksicht auf die tribunicisch-comitiale Contrôle.

30

Soldatendelicte.

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Gemeinden haben nicht ausbleiben können, gehören aber nicht in das Strafrecht, sondern in das Staatsrecht und clie Geschichte. Weiter ruht die gesammte Provinzialverwaltung, nicht ausschliesslich, aber wesentlich mit auf dieser Handhabung des Kriegsrechts. Hier incless soll nicht von der Anwendung desselben ausserhalb des Heerdienstes die Rede sein, sondern von der unmittelbar mit der Heerführung verknüpften gegenüber den dienstthuenden Soldaten. Bei dieser entscheidet das Bedürfniss cler Lagerzucht (disciplina ). Diese kann billig oder unbillig ausgeübt werden, aber nach Recht und Unrecht wird nicht gefragt. Also stellen für Delict, Strafe und Prozess sich hier Normen ein, welche denen cles eigentlichen Strafrechts in keiner Weise conform sind. Eingehend kann es sich mit denselben nicht befassen; nur cles Gegensatzes wegen sollen hier clie Grundlinien angegeben werden. Der Kreis der nach Kriegsrecht strafbaren Delicte deckt sich allerdings zum Theil mit dem Staatsverbrechen; Ueberlauf und Meuterei fallen gleichmässig unter beide Systeme. Aber der Ungehorsam gegen den magistratischen Befehl, den clas Strafrecht nicht unter clie Verbrechen stellt, steht im Kriegsrecht in der ersten Reihe derselben 1; auf Entweichen aus clem Lager, Verlassen des angewiesenen Postens steht cler Tod 2 . Geschlechtsverbrechen kennt clas republikanische Strafrecht nicht, den Diebstahl nur als regelmässig mit Geldbusse belegtes Verbrechen; nach Kriegszucht ist die Unzucht ein Capitalverbrechen, insofern sie gegen die Lagerzucht verstösst 3 und ebenso cler Diebstahl in oder bei clem Lager 4 . Den Gegensatz cles öffentlichen und des Privatclelicts kennt das Kriegsrecht nicht. Lediglich clie militärische Zweckmässigkeit bestimmt

1 Modestinus Dig. 49, 16, 8, 15 : in hello qui rem a duce prohibitam fecit aut mandata non servavit, capite punit ur, etiamsi res bene gesserit. Menander Dig. 49, 16, 6, 2: contumacia omnis adversus ducem vel praesidem militis capite punienda est. 2 Polybius 6, 37, 12 und sonst. 3 Polybius 6, 32, 9. 4 Polybius a. a. Ο.: ξυλοχοπίϊται dé xai ό χλέψας τι των ix του στρατοπέδου. Die genaue Bestimmung giebt der Soldateneid (Cincius bei Gellius 16, 4); der Soldat schwört, im Lager selbst oder innerhalb zehn Milien im Umkreis Gegenstände über einen Denar an Werth für jeden Tag nicht zu entwenden, ausgenommen Holz, Futter und ähnliche Dinge. — Aehnlicher Art sind die kriegsrechtlichen Todesstrafen wegen falschen Zeugnisses (Polyb. 6, 37) und wegen dreimaliger Wiederholung des gleichen Vergehens (Polyb. a. a. 0.) so wie die Behandlung der Verwundung eines Kameraden (Dig. 49, 16, 6, 6) und des versuchten Selbstmords (Dig. 48, 19, 38, 12. 49, 16, 6, 7). Mit dem Strafrecht sind diese Satzungen unvereinbar.

Dritter Abschnitt.

Kriegsrecht.

31

im Kriegsrecht den Kreis der Delicte; das sittliche Element, wie es dem bürgerlichen Strafrecht zu Grunde liegt, steht hier in zweiter Reihe. Wie das kriegsrechtliche Delict ist auch clie kriegsrechtliche Strafe mit der bürgerlichen Rechtsordnung in keiner Weise auszugleichen. Erwähnung indess cler Vergleichung wegen verdienen clie hauptsächlichen Militärstrafen. 1. Die Todesstrafe steht, wie im öffentlichen Strafrecht der früheren Epoche, so auch im Kriegsrecht in erster Reihe 1 , und wenn gleich dem Felclherrn das Recht nicht gefehlt hat clen Straffälligen zu verhaften und zur Aburtheilung nach Rom zu senden, so ist doch davon kaum Gebrauch gemacht worden 2 . Wenn clie Todesstrafe in der Stadt im Verlauf der republikanischen Entwickelung früh zurücktritt, so ist clem Feldherrn clas Recht, sie über den römischen Bürger zu verhängen, lange Jahrhunderte geblieben, allerdings aber durch ein vor clem Jahre 646/108 erlassenes, übrigens der Zeit nach nicht näher zu bestimmendes Gesetz ihm genommen worden 3, was dann mit (lern Untergang cler Republik

Soldaten-

1 In der Form der Vollstreckung haben sich anfänglich die bürgerliche Hinrichtung durch das Beil oder durch Kreuzigung und die militärische durch das Schwert geschieden; es wird im fünften Buche auf diesen mehr factischen als rechtlichen Gegensatz zurückzukommen sein. Bei der ständischen Strafbemessung der Kaiserzeit werden die Soldaten, wie Buch 5 Abschn. 12 gezeigt werden wird, der höheren Klasse zugerechnet. 2 In dem Fall des Legaten Q. Pleminius im J. 550/204 verzichtet der Feldherr Scipio nicht auf sein Spruchrecht (Liv. 29, 9, 8. c. 21, 2), aber der vom Senat gesandte Prätor nimmt es ihm aus der Hand und verurtheilt den Legaten und seine Mitschuldigen nach Feldherrnrecht (Liv. 29, 21, 12). Dieser Spruch indess wird nicht vollstreckt und erscheint annullirt durch den Transport des Angeklagten nach Rom, wo der Prozess von neuem beginnt (Liv. 29, 22, 7). 3 Das Verfahren gegen Q. Pleminius (Liv. 29, 21) gestattet keine sichere Entscheidung darüber, ob er nach Feldherrnrecht hätte hingerichtet werden können; doch ist dies wahrscheinlich anzunehmen. Dass im J. 646/108 der Feldherr nicht mehr das Recht hatte, einen römischen Bürger hinrichten zu lassen, während dies Recht über den Latiner ihm geblieben war, geht aus Sallustius (lug. 46) hervor. Dass dies durch ein porcisches Gesetz festgesetzt worden ist, beweist die Münze des P. (Porcius) Laeca (R. M. W. S. 552), welche einen Gerüsteten darstellt mit einem Lictor hinter sich, die Hand ausstreckend nach dem Haupt eines die Toga tragenden Mannes, mit der Unterschrift provoco; woraus sich weiter ergiebt, dass dieses Gesetz die römischen Bürger überhaupt ausserhalb der Stadt schützte und nur folgeweise auf die im Heere dienenden angewandt ward. Bei Cicero pro Rab. ad pop. 3, 8: de civibus Romanis contra legem Porciam verberatis aut necatis dürfte auch an Offizierstrafen zu denken sein, da Rabirius als römischer Ritter

strafe n

-

32

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

gegenüber dem kaiserlichen Commando wieder ausser Kraft trat. Scharf tritt die innere Verschiedenheit der beiden Systeme darin hervor, dass in dem kriegsrechtlichen sowohl die feldherrliche Begnadigung waltet 1 wie cler Zufall, von welchem bei cler Decimation 2 clas Eintreten oder Nichteintreten der Todesstrafe schliesslich abhängt. Deutlich ist hier cler Rechtsgeclanke ausgeschlossen. 2. Die Körperstrafe, insonderheit die Geisselung kennt als selbständige Strafe clie republikanische Rechtsordnung nicht 3 ; dagegen hat im römischen Kriegsrecht der Stock bekanntlich zu allen Zeiten gewaltet 4 . 3. Gefängniss kommt als militärisches Disciplinarmittel kaum vor, während es bei der Coercition gegen clen Privaten clie erste Rolle spielt. 4. Vermögensstrafen kennt das Kriegsrecht auch 5 , aber ohne Zweifel nur Solclentziehung und was sonst dieser Art der Lagerzucht angemessen ist. Wie sie dagegen im bürgerlichen Strafrecht häufig wohl solche Urtheile gefällt haben kann und nur als solcher das porcische Gesetz hat verletzen können. Wenn nach Cicero (de rep. 2, 31, 54) die drei porcischen die Provocation betreifenden Gesetze, das älteste Provocationsgesetz wiederholend, nur die Bestrafung des Contravenienten schärften (de rep. 2, 31, 57: neque rero leges Porciae, quae très sunt triam Porciorum . . . quicquam praeter sanctionem attulerunt novi), so wird dies nicht allzu wörtlich genommen werden dürfen; eines derselben — ob das von dem älteren Cato eingebrachte (S. 47 A. 3) oder eines der beiden andern, wissen wir nicht — hat die Provocation auf die Feldherrngewalt erstreckt, welche Erstreckung Cicero in seiner Idealverfassung missbilligt mit den Worten (de leg. 3, 3, 6): militiae ab eo qui imperabit provocatio ne esto. — Eine Provocation in der alten Form kann dies allerdings nicht gewesen sein, das heisst keine Unterstellung des feldherrlichen Todesurtbeils unter die Gemeinde, sondern lediglich Verhinderung oder Annullirung des feldherrlichen Verfahrens und Verlegung des Prozesses nach der Stadt, also Verhaftung des Angeschuldigten durch den Feldherrn und Entsendung nach Rom, wie sie auch in früherer Zeit vorkommen konnte (S. 31 A. 2), und in Rom Anstellung des tribunicischen Strafverfahrens (Dio fr. 100). 1 Im bürgerlichen Strafprozess ist nach gefälltem Spruch die Begnadigung durch den Magistrat unstatthaft. 2 Vgl. besonders Polyb. 6, 38; Tacitus ann. 3, 21. Dass wer das Spiessruthenlaufen lebend übersteht, das Leben behält (Polyb. 6, 37, 4), gilt auch bei dem Sturz vom Felsen (Dio fr. 17, 8). 3 Vergleiche die Ausführung im fünften Buch. 4 Polyb. 6, 37, 8. Modestinus Dig. 49, 16, 3, 1. Anwendung auf Offiziere: Liv. 29, 9, 4 ; Val. Max. 2, 7, 4. 8. Die weiterhin zu erwähnende Beseitigung der Geisselung aus der bürgerlichen Coercition hat sich schwerlich auf die Lagerzucht erstreckt. 6 Cato bei Gellius 11, 1, 6. Polybius a. a. Ο. Modestinus a. a. Ο.

Dritter Abschnitt.

Kriegsrecht.

33

auftreten, Einziehung des Vermögens oder einer Quote desselben und schwere Bussen, hat sie der Feldherr sicher nicht auflegen dürfen, weil eine derartige Bestrafung im Lager nicht effectuirt werden kann. 5. Abpfändung einzelner Vermögensstücke in dem im folgenden Abschnitt näher zu erörternden Sinne ist auch in cler Lagerzucht vorgekommen 1, ohne Zweifel in gleicher Beschränkung auf die Lagerhabe. 6. Erschwerungen des Dienstes im Wege cler Degradation und in andern Formen und überhaupt willkürlich angeordnete Strafen sind den bürgerlichen Normen ebenso unbekannt wie im Kriegsrecht häufig. Was von dem kriegsrechtlichen Delict und cler kriegsrecht- Kriegelichen Strafe, gilt in gleicher Weise auch von clem kriegsrecht- g e n c b t · liehen Prozess. Rechtlich erforderlich wie im bürgerlichen Verfahren ist derselbe nicht; insbesondere bei eigenem Wissen kann der Feldherr ohne weiteres strafen. Die im bürgerlichen Verfahren streng geordnete, entweder gesetzlich ausgeschlossene oder gesetzlich vorgeschriebene Geschäftstheilung bei der Rechtspflege ist dem Kriegsrecht fremd. Das Geschworneninstitut hat in demselben keinen Raum ; wohl aber wird auch hier nach Uniständen ein Consilium2 zugezogen. Während der städtische Magistrat die Rechtspflege, so weit sie ihm zusteht, persönlich auszuüben hat, ist es nach Kriegsrecht nicht nothwenclig, aber üblich, dass der Feldherr nur in wichtigeren Sachen mit oder ohne Consilium die Entscheidung giebt, die regelmässige Lagerjustiz den Legionstribunen und überhaupt clen Offizieren clelegirt 3 . Der Gegensatz des Kriegsrechts oder genauer gesagt cler Kriegswillkür und der Rechtsordnung ist von Haus aus ein rein örtlicher, gegeben durch clen Mauerring der Staclt Rom oder vielmehr durch clie Bannmeile. Aber diese scharfe Scheidung wird durchbrochen durch die Einrichtung ausserstädtischer römischer Gerichte, zuerst cler italischen Präfecturen und Bürgermunicipien, alsdann der provinzialen Präturen. Diese nicht auf dem Gesetz, sondern auf cler Amtsgewalt, dem Imperium ruhende ausser1 2 3

Polybius a. a. 0. Livius 29, 20. 21. Polybius 6, 37, 8. Paulus 5, 26, 2, lt. St. R. 1, 144.

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strat'r.

3

34

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

städtische Gerichtsbarkeit 1 scheidet sich von dem kriegsrechtlichen Verfahren zunächst auf dem Gebiet cles Privatrechts. Auch der Feldherr entscheidet über Contracte und Privatdelicte seiner Soldaten, aber niemals setzt er ein Geschwornengericht ein; cler vom Prätor ernannte Präfect für Capua dagegen, cler Municipalbeamte von Ostia, der Prätor von Sicilien üben clie private Jurisdiction in gleicher Weise wie der Stadtprätor. Der magistratischcomitiale Strafprozess ist allerdings auf ausserstädtische Behörden nicht übertragen worden ; aber bei den dafür eintretenden Quästionen ist dies, wenn auch erst unter dem Principat unci in unvollkommener Weise, mit Ersetzung cles magistratisch geleiteten Geschwornengerichts durch ein rein magistratisches geschehen. Dieses ausserstädtische römische Rechtsverfahren der späteren Republik und der Kaiserzeit folgt nicht clen Normen des Kriegsrechts, sondern fällt in clen Kreis cler magistratischen Coercition unci Judication. 1 Das Gericht quod imperio continetur kann auch in der Stadt zur Anwendung kommen, wenn die Bedingungen des iudicium legitimum versagen; aber ausgegangen ist es ohne Zweifel von den Gerichten, bei denen diese Bedingungen überhaupt nicht eintreten können, den ausserstädtischen.

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition. Die römische Rechtswissenschaft fasst clie Rechts- und ins- Besehränbesondere die Strafordnung als entwickelt aus der ursprünglichen stk^ ntf 8Cd^ n magistratischen Machtvollkommenheit durch deren Beschränkung. Amtsgewalt. Diese Beschränkung hat sich in zwiefacher Weise vollzogen, einmal indem clie sacralen Verstösse überhaupt aus der Strafordnung ausgeschieden wurden, zweitens indem hinsichtlich der übrigen Vergehungen das Friedens- und clas Kriegsgebiet geschieden wird, für das letztere die alte Ordnung bestehen bleibt, für das erstere dem Magistrat gewisse Strafmittel aus cler Hancl genommen werden. Was in letzterer Beziehung clem Magistrat von clem Willkürregiment geblieben ist, was er im Stadtgebiet von Strafen aufzulegen befugt ist, ohne an clie Bestätigung cler Comitien oder den Spruch der Geschwornen gebunden zu sein, bezeichnen wir, im Gegensatz zu der Judication, als Coercition. Nachdem in cler späteren Republik und unter clem Principat ausserstädtische Beamte mit gerichtlichem Imperium ausgestattet worden sind, unterliegt auch deren Coercition, vor allem wenn ihnen, wie den Municipalmagistraten, das feldherrliche Imperium fehlt, clen gleichen Rechtsschranken. Selbst bei clen ausserstäcltischen Commandoträgern fügt clas Imperium, wo es nicht als Kriegszucht auftritt, mit dem Wesen cler Judication sich einigermassen deren Formen, wenn gleich clie rechtliche Schrankenlosigkeit der ausserstäcltischen Amtsgewalt keineswegs wegfällt. In diesem Abschnitt wird clie beschränkte Coercition der hauptstädtischen Imperienträger behandelt, clie allgemeine magistratische nur beiläufig berücksichtigt. 3*

Erstes Buch.

36

Wegfall der sacrai- y delicte.

o n

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Dass die sacrale Machtvollkommenheit, welche neben der civilen ( j e r römischen Rechtswissenschaft betrachtet wird als in cler

Königsgewalt enthalten \ dieser in der That zugekommen ist, vermögen wir weder zu beweisen noch zu bestreiten. Wenn es der Fall war, wenn cler König befugt war jeden Bürger, den nach der späteren Ordnung der Oberpontifex als gottlos bezeichnete, wegen solcher Schuld zum Tode zu verurtheilen, so ist diese Gewalt, nachdem in der Republik Magistratur und Priesterthum sich geschieden hatten, weder auf jene noch auf dieses übergegangen ; die römischen Ordnungen, von denen wir Kunde haben, kennen kein Sacraldelict und keinen sacralen Strafprozess. Allerdings wird, wie wir im fünften Buch zeigen werden, die öffentliche Strafe ursprünglich aufgefasst als sacrale Sühnung und die Hinrichtung als Opferhandlung, aber diese Opferhancllung wird nur vollzogen wegen öffentlichen Delicts, clas heisst wegen Schädigung der Gemeinde und vollzogen immer und nothwendig durch den Magistrat ; die Mitwirkung der Priester ist dabei nicht ausgeschlossen, greift aber bei dem öffentlichen Delict niemals in clie Judication ein 2 . Verstösse gegen die religiöse Ordnung, die nicht unmittelbar, wie der Tempelraub zugleich auch das Gemeinwesen verletzen, werden niemals von der Obrigkeit geahndet und das pflichtmässige Einschreiten der Priester gegen clie Gottlosigkeit 3 weder durch eigene Strafbefugniss noch durch requirirte magistratische unterstützt. Die religiöse Verschuldung, clie cler Einzelne auf sich geladen hat, kann der Priester ihn anweisen, durch Opfer oder sonst wie zu sühnen; aber wo nicht etwa Specialgesetze eingreifen 4, 1

St. R. 2, 13. 50. Es finden sich Spuren davon, dass bei der ursprünglichen Hinrichtung durch das Beil Gemeindepriester zugezogen worden sind; aber dies beschränkt sich durchaus auf die Execution und ist in frühester Zeit verschwunden. Bei anderen sacralen Entsühnungen der Gemeinde, die nicht auf dem Strafrecht ruhen, der Beseitigung der Monstra und der Sühnung der internationalen Frevel, greifen die Priester in stärkerer Weise ein, immer aber vollzieht auch hier die Entsühnung der Magistrat. Es ist darüber im ersten Abschnitt des fünften Buches gehandelt. 3 St. R. 2, 51 fg. 4 Wenn in dem spoletinischen Haingesetz (Bruns fontes p. 260) nach Anordnung des Piaculum durch das Opfer eines Rindes und bei wissender Verfehlung einer Geldbusse (molta) von 300 Assen es heisst : eins piacli moltaique dicatorfei] exactio est [od], so liegt hier neben dem charakteristischen Gegensatz, dass das piaclum an der That haftet, die molta an dem Willen, allerdings wohl ein — gleich der selbstverständlich klagbaren Multa — durch Specialgesetz klagbar gemachtes Piaculum vor. Ob der Dicator als Magistrat zu fassen ist oder nicht, wissen wir nicht, macht aber dabei keinen Unterschied. 2

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition.

37

bleibt es dem Einzelnen überlassen, in wie weit er einer solchen Expiation sich unterziehen will. Der Priester kann auch eine Verschuldung bezeichnen als durch keine Busse auszugleichen (impietas). Es mag ihm sogar das Recht zugestanden haben, den, der die auferlegte Busse nicht leistete oder cler als unsühnbar bezeichnet worden war, von einzelnen oder allen religiösen Acten auszuschliessen ; wir erfahren von diesen Anordnungen wenig und durchaus nur aus der späteren glaubenslosen Epoche. Aber derartige Interclicte, wie schwer sie auch gedacht werden mögen, können clen Charakter obrigkeitlicher Strafen nicht an sich getragen haben. Das clem Oberpontifex gegen die ihm untergebenen Priester eingeräumte Coercitionsrecht, von clem weiterhin die Rede sein wird, ist keine principielle Ausnahme, sondern beruht auf der diesem Priester in beschränktem Maasse eingeräumten magistratischen Gewalt 1 . Wenn die sacrale Strafgewalt dem Magistrat überhaupt mangelt, so wird im Uebrigen die Handhabung cles Imperium innerhalb der Stadt durch clas Gesetz geregelt und cler Beamte durch dasselbe insoweit gebunden, dass jede mit Ueberschreitung dieser Schranken von ihm vollzogene Handlung als private angesehen wird und also dem Strafgesetz unterliegt. Ausgeschlossen ist bei dieser Beschränkung clie Handhabung cles Frauen Imperium gegen Unfreie, gegen römische Frauen und insbesondere gegen Nichtbürger. Wohl steht im Bereiche cles Privatrechts, einschliesslich des privaten Strafverfahrens, in cler Staclt Rom cler freie Nichtbürger dem Bürger in cler uns bekannten Epoche wesentlich gleich; dass bei dem Prozess, bei clem ein solcher betheiligt ist, cler Magistrat verfügt nicht kraft gesetzlicher Bindung (lege), sondern kraft seiner Gewalt (imperio), ist für clen staatsrechtlichen Grundgedanken ebenso wichtig wie sachlich gleichgültig. Aber, vom Privatprozess abgesehen, unterliegt principiell der Nichtbürger und ebenso clie römische Frau auch innerhalb der Staclt der schrankenlosen magistratischen Gewalt 2 . Es wird dies in dem ersten Abschnitt cles folgenden Buches weiter entwickelt werden. 1

Die Handhabung der Hauszucht über die Vestalinnen und deren anomale Erstreckung auf die männlichen Mitschuldigen (S. 18 fg.) gehören dem Strafrecht nicht an. 2 Die Einschränkungen, welchen dieses staatsrechtliche Princip in der Durchführung unterlegen hat, werden, so weit wir sie kennen, im Strafrecht zur Sprache kommen, zum Beispiel der ädilicische Strafprozess gegen Frauen, die Erstreckung des Quästionsverfahrens auf Unfreie. Vermuthlich ist die römische Ordnung darin noch weiter gegangen; die Maximalsätze bei den coercitiven Geldstrafen zum Bei-

38

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Gegenüber den männlichen römischen Bürgern besteht clie Re^ercition^ gulirung der magistratischen Gewalt in cler Beschränkung derjenigen Strafmittel, welche der Magistrat von sich aus auferlegen kann ohne Mitwirkung der Bürgerschaft oder der Geschwornen ; die ihm danach bleibende Befugniss ist das CZwangsrecht 5, die coercitio 1. Das leitende Moment ist dabei, class dem Magistrat Begriff der

Q

spiel, mögen auch gegen Frauen und Nichtbürger zur Anwendung gebracht worden sein. Wie das Gesetz auch ausserhalb Rom dem Magistrat die capitale Coercition über die Bürger genommen hat (S. 31 A. 3), konnte es im städtischen Regiment andere Coercitionsformen beschränken. 1 Scharf unterscheidet Cicero de leg. 3, 3, 6 die magistratische Coercition: maffistratus nec oboedientem et innoxium (so die Handschriften) civem multa vinclis verberibusve coerceto, ni par maiorve potestas populusve prohibessit, ad quos provocatio esto und die magistratische Judication : cum magistratus iudicassit inrogassitve, per populum multae poenae (vgl. S. 14 A. 2) certatio esto. Jene richtet sich gegen den ungehorsamen, aber nicht verbrecherischen Bürger und beschränkt sich auf Geldbusse, Haft und Schläge, diese ist die eigentliche Strafgewalt und umfasst die Capitalstrafe neben der Geldbusse. Dass die Geldbusse in beiden Kategorien aufgeführt wird, ist in der Ordnung, da sie sowohl als Ungehorsams- wie als Delictstrafe verwendet wird ; die allerdings auffallende Verknüpfung der coercitiven Mult mit der comitialen Judication wird weiterhin (S. 52) gerechtfertigt werden. Geändert werden darf in der Ueberlieferung nichts; das befremdende populusve ist nicht zu entbehren, da dadurch die Setzung der provocatio anstatt der näher liegenden appellatio bedingt ist. Auffallend ist allerdings, dass bei der Coercition prohibere und provocare sowohl auf die Intercession des patricischen Magistrats bezogen werden (von der Intercession der Tribune ist nachher die Rede) wie auf die Berufung an die Bürgerschaft, während wir gewohnt sind bei dem prohibere nur an den Magistrat, bei dem provocare nur an die Bürgerschaft zu denken. Allein dies sind vermuthlich allzu enge und nach Ciceros Ausdrucksweise zu berichtigende Annahmen ; über den sehr freien Gebrauch des Wortes provocare ist der achte Abschnitt des dritten Buches zu vergleichen. Der begriffliche Gegensatz ist deutlich und er kehrt auch sonst wieder. Iii dem quinctischen Wasserleitungsgesetz (Bruns fontes® p. 116) stehen neben einander, wie bei Cicero, die Judication und als dazu gehöriges Zwangsmittel die Coercition (multa pignoribus cogito coerceto und nachher iis pignoris capto, multae dictio coercitioque esto). Pomponius Dig. 1, 2, 2, 16: lege lata factum est, ut ab eis (consulibus) provocatio esset neve possent in caput civis Romani animadvertere iniussu popidi; solum relictum est Ulis, ut coercere possent et in vincula publica duci iubere (Handschrift iuberent). Hyginus de cond. agr. p. 118,13: in agris iuris dictio coercitioque esto coloniae illius. Sallust Cat. 29: coercere omnibus modis socios atque cives, domi militiaeque Imperium atque iudicium summum habere. Ebenso wird coercitio mehrfach Beamten beigelegt, die büssen und pfänden können, aber Criminalgerichtsbarkeit nicht haben (Sueton Aug. 45; Claud. 38; Paulus 5, 26, 2; Dig. 1, 21, 5, 1). In diesem beschränkten Sinne wird hier das Wort technisch gebraucht. Sehr häufig indess hat es weitere, die Criminaljurisdiction einschliessende Bedeutung, zum Beispiel Cicero de off. 3, 5, 23: (leges homines) morte exiUo vinclis damno coercent.

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition.

39

das Befehlsrecht bleiben muss und dass ein Befehl ohne Zwangsmittel nicht gedacht werden kann 1 . Zwar soll der Magistrat die Coercition nicht handhaben gegen eine ihm missfällige Handlung, etwa wie der Censor tadelt, sondern um damit seiner amtlichen Thätigkeit den erforderlichen Spielraum zu schaifen; sie ist in rechtem Gebrauch das Verfahren gegen den Unbotmässigen und den Ungehorsamen. Aber keineswegs darf hierin eine positive Schranke gefunden werden; vielmehr kann, wie sogleich gezeigt werden soll, clie Coercition im Rechtswege gegen jede Handlung ohne Unterschied zur Anwendung kommen und so weit sie die gesetzlichen Schranken einhält, kann sie wohl unbillig sein, niemals aber rechtswidrig. Die clen Beamten in dieser Hinsicht gezogenen Grenzen sind ungleich. In dem Umfang, wie clie Coercition überhaupt in cler Stadt zugelassen wird, haben sie nur die Magistrate mit Imperium 2 und die Volkstribune 8 ; ihre Coercition erstreckt sich auf clie Verhaftung. In denselben Grenzen üben auch die ausserstädtischen Imperienträger, von cler Kriegszucht abgesehen, regelmässig und namentlich in späterer Zeit das magistratische Zwangsrecht aus 4 . Die mindere Coercition dagegen, das heisst im wesentlichen nur

Magistrate

mit

J^ler

minderer

Coercifcio n

Insofern kann man auch den auf Provocation auslaufenden Criminalprozess der coercitio zurechnen, namentlich da, wo wie bei dem Volkstribunat, das jurisdictionelle Imperium fehlt. 1 St. R. 1, 144. Paulus Dig. 1, 21, 5, 1 : mandata iurisdictione privato etiam imperium quod non est merum videtur mandari, quia iurisdictio sine modica coercitione nulla est. Ulpian. Dig. 50, 16, 131, 1 : multam is dicere potest cui iudicatio data est ; magistratus (d. h. die Municipalbeamten) solos et praesides provinciarum posse multam dicere mandatis (in den Instructionen der Statthalter) permissum est. poenam autem unusquisque inrogare potest , cui huius criminis sive delicti executio competit. Derselbe Dig. 5, 1, 2, 8: his datur multae dicendae ius, quibus publice iudicium est, et non aliis, nisi hoc specialiter eis permissum est. Deutlich erscheint hier das Multiren als allgemein geknüpft an das jurisdictionelle Imperium, das Bestrafen als abhängig von der Specialcompetenz. — Bei dem einfachen Privatprozess tritt das Befehlsrecht des Magistrats in Folge seines passiven Verhaltens weniger hervor, um so mehr aber bei der Cognition (Dig. 25, 4, 1, 3) und überhaupt bei allen übrigen Amtshandlungen. 2 Ulpian. Dig. 2, 4, 2: magistratus qui imperium habent... et coercere aliquem possunt et iubere in carcerem duci. Weiteres im St. R. 1, 153. 3 St. R. 1, 141. 4 In der statthalterlichen Coercition insbesondere vereinigt sich die militärische und die bürgerliche Amtsgewalt, wie dies im folgenden Buch bei dem Statthaltergericht näher entwickelt ist.

·

40

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

das Recht zu büssen und zu pfänden besitzen weiter die Censoren1 und die Aedilen 2 sowie der Oberpontifex, dieser jedoch nur im Falle der Unbotmässigkeit der ihm untergeordneten Priester 3. Der zweiten Kategorie treten von den ausserordentlichen Beamten alle mit Judication, sei es im Privat-, sei es im Gemeinclevermögensprozess ausgestatteten hinzu, vor allem alle bei der Adsignation des Gemeinlandes thätigen, da diese Geschäfte ohne Zwangsgewalt undurchführbar sind 4 . Auch den zur Jurisdiction befugten und insofern Imperium besitzenden Municipalbehörclen steht die Coercition zu (S. 89 A. 1). Dagegen fehlt die eigene Coercition den Quästoren 5 und überhaupt allen niederen Beamten ; indess hat den bei dem städtischen Sicherheitsdienst beschäftigten, wie es scheint, durch consularische Delegation und so weit diese reicht, die Coercition eingeräumt werden können6. Auch für die städtische Coercition, so weit sie reicht, gilt das bei der Hauszucht und der Kriegsdisciplin entwickelte Gesetz, dass es für sie weder einen festen Delictbegriff giebt, noch eine feste Prozessform noch, selbstverständlich abgesehen von dem Ausschluss gewisser Strafmittel, feste Strafen, ungehorsam. Wenn im Allgemeinen wohl Ungehorsam und Coercition ebenso als correlat betrachtet werden können wie Verbrechen und Strafe, so ist doch der Begriff des Ungehorsams7 und cler damit eng zusammenhängende cles Versagens der schuldigen Ehrerbietung gegen den Magistrat ein ebenso unbestimmter, wie der des Verbrechens ein fester. Wenn, nachdem in dem Privatrecht die Personalexecution cler Geldforclerung gesetzlich beseitigt ist, cler Gemeinde1

St. R. 2, 355. 398. Daher auch später der curator aqua rum: St. R. 2, 464 A. 2. 2 Varro bei Gellius 13, 13 zählt die curulischen Aedilen zu den Magistraten, qui potestatem neque vocationis populi viritim habent neque ptwnsionis. St. R. 1, 154. Wohl aber üben sie für die Volkstribune die Prension aus (St. R. 2, 475). 8 St. R. 2, 57 fg. Das Verfahren ist vielleicht auch anwendbar gegen den eine Inauguration hindernden Augur. Die Quellen sprechen nur von der die gesetzliche Grenze überschreitenden und also zum Comitialprozess führenden Multa ; aber zweifellos stand dem Oberpontifex auch das Recht zu innerhalb dieser Grenze zu multiren. 4 Es genügt zu erinnern an die S. 38 A. 1 angeführten Gesetzworte und an die im julischen Ackergesetz (Bruns fontes p. 96) vorgesehene Judication. 8 St. R. 1, 143 Α. 1. 6 Vgl. den Abschnitt vom Sicherheitsdienst, namentlich hinsichtlich der tresviri capitales. 7 In ordinem cogéré : St. R. 1, 139.

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition.

41

Schuldner ihr ausgesetzt bleibt (S. 48 A. 4), so beruht dies darauf, dass in die magistratische Execution die Coercition nicht nothwendig gehört, aber leicht in dieselbe hineingezogen werden kann. Es wird das Eintreten der Coercition ausdrücklich abhängig gemacht von dem magistratischen Ermessen wobei übrigens auch zur Erwägung kommt, ob der Beamte nicht im gegebenen Fall ein strafrechtliches Verfahren herbeizuführen vorzieht 2 . An sich ist der Ungehorsam keineswegs ein Delict; clie Coercition richtet sich, wie ausdrücklich gesagt wird (S. 38 A. 2), nicht gegen den Verbrecher. Wie durchaus die Coercition dem Delict fern steht, tritt deutlich in den Zwölftafelgesetzen hervor, welche cla, wo durch mangelndes Alter 3 oder mangelnden Dolus4 clie Bestrafung ausgeschlossen ist, die Coercition substituiren. Das Ermittelungsverfahren ist, wo clem Magistrat der Thatbestand nicht fest steht, natürlich zulässig, immer aber formlos σ 7

Ermitverfahren.

und meistens, da es sich überwiegend um Ungehorsam unci Beleidigung des Magistrats handelt, durch die unmittelbar demselben erwachsene Kunde ausgeschlossen. Vor allem wichtig aber ist clie Feststellung cler Coercitions- Coercitionsschranken, nicht so sehr um zu erhärten, (lass innerhalb derselben m i t t e L cler betreffende Magistrat die freie Wahl hat, als um damit die Grenze festzustellen, wo clie Coercition aufhört und also die Judication beginnt. 1. Wir werfen zunächst einen Blick auf clie clen Coercitions- Provoschranken oder nach dem römischen Ausdruck cler Provocation lebis, quod exercitum in Hispania deseruisset, damnatusque sub furca diu vir gis caesus est et sestertio nummo veniit. Nach der Fassung kann hier nicht ein tribunicischer Capitalprozess gemeint sein, sondern consularische Coercition, gegen welche in gewöhnlicher Weise, aber ohne Erfolg, an die Tribune appellirt wird. Der Desertion gleich steht das eigenmächtige Marschiren der Truppe (Dionys. 11, 43).

44

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

pflicht 1 . Es entspricht dies dem allgemeinen auch für andere italische Stämme bezeugten Herkommen 2. Dies Strafverfahren ward der Regel nach in der Stadt vorgenommen8. d. Schuldhaftes Ausbleiben des Bürgers bei der Aufstellung des Verzeichnisses der Wehrpflichtigen 4. Diese vom Gerichtsort unabhängige militärische Capitalcoercition, clie Aufrechthaltung des Kriegsrechts auch in der Staclt bei dem Versagen der Wehrpflicht ist von cler ältesten Zeit bis hinab in die späteste Rechtens geblieben und nur insofern moclificirt worden, als insbesondere in Folge der Umgestaltung der Truppenbilclung clie alte Strenge bei cler Anmeldung der Dienstpflichtigkeit und bei cler Handhabung des Aufgebots nachliess5. Dass sie keine Judication im Rechtssinn ist, sondern wie alle 1 Valerius Maximus 6, 3, 4 (ebenso Varro bei Nonius p. 18; Livius ep. 14): M.' Curius consul (im J. 479/275) cum dilectum subito edicere coactus esset,.. .primum nomen urna extractum citari iussit neque eo respondente ... et bona eius et ipsum rendidit. Im Bundesgenossenkrieg wurde in einem solchen Fall einem Wehrmann, ohne Zweifel nach erkanntem Todesurtheil, das Vermögen eingezogen und er selbst im Gefângniss gehalten bis zu seinem Tode (Val. Max. 6,3,3). Vgl. Cicero pro Caec. 34, 99. Noch Augustus ist also verfahren: Sueton Aug. 24: equitem R. quod ditobus fdiis adulescentibus causa detrectandi sacramenti pollices amputasset, iptsum bonaque subiecit hastae, quem tarnen, quod imminere emptioni publicanos rideret (vermuthlich um die Unfreiheit des Collegen illusorisch zu machen), liberto suo addixit, ut relegatum in agros pro libero esse sineret. Sogar auf Vermögensconfiscation und Todesstrafe hat er in solchen Fällen erkannt (Dio 56, 23). Anderswo ist bei dergleichen Vergehen die Rede von Schleifung des Hauses (Pomponius Dig. 10, 3, 20), auch von blosser Verhaftung und Züchtigung (Liv. 2, 55. 7, 4). 2 Die von Livius bei verschiedenen italischen Völkern erwähnte Einberufung der Wehrpflichtigen lege sawata besagt, dass wer unentschuldigt ausbleibt, Jupiter geweiht wird, das heisst der Todesstrafe verfällt (10, 38; vgl. 4, 26, 3. 9, 39, 5. c. 40, 9. 36, 38, 1). 8 Bei Livius 3, 69, 7 schreiben die Consuln das Aufgebot allgemein aus mit dem Beifügen: cognoscendis causis eorum, qui nomina non dedissent, bello perfecto se daturos tempus; pro desertore futurum, cuius non probassent causam. 4 Gaius 1, 160: maxima est capitis deminutio, cum aliquis simul ciritatem et libertatem amittit: quod accidit incensis, qui ex forma censuali (weshalb diese Bestimmung auf König Servius zurückgeführt wird: Liv. 1, 44, 1; Dion. 4, 15) venire iubentur. Dionys. 5, 75. Cicero pro Caec. 34, 99. Dass auch Todesstrafe zulässig war, deutet Livius a. a. O. an. Der Verkauf ruht auf dem Imperium und bleibt, nachdem das Schätzungsgeschäft auf das censorische Hülfsamt übergegangen war, dem Consul (Zonaras 7, 19; St. R. 1, 153 A. 1). Dass dies Verfahren lange Zeit {μέχρι πολλού) in Kraft bleibt, sagt Dionysius 4, 15. 6 Menander Dig. 49, 16, 4, 10: mutato statu militiae recessum a capitis poena est (bei der Aushebung), quia plerumque voluntario milite numeri supplentur.

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition.

45

Coercitionen ein administrativer Act 1 , tritt namentlich hervor in der Form cler Ahndung: die Todesstrafe ist in allen Fällen rechtlich zulässig, wird aber nur in den schwersten vollstreckt 2 , weit häufiger ersetzt durch Freiheitsverlust, oft verbunden mit Verkauf in ausländische Sclaverei, zuweilen auch inländischer (S. 44 A. 1). Weiter wird das Einreissen cles Wohnhauses erwähnt (S. 44 A. 1), claneben aber auch blosse Verhaftung und Züchtigung (S. 44 A. 1). Mit der römischen Strafordnung ist diese Mannichfaltigkeit cler Ahndung in keiner Weise vereinbar 3 , wohl aber, wie die folgende Darstellung zeigt, mit cler Coercition. — Wenn gegen clie bezeichneten Militärdelicte cler Magistrat nach Kriegsrecht auch in cler Staclt einzuschreiten befugt war, so ist die Behandlung derselben in clem förmlichen Strafprozess nicht weniger zulässig. Es wird in dem betreffenden Abschnitt cles vierten Buches gezeigt werden, class bei allen diesen Delicten auch cler eigentliche Percluellionsprozess angestellt werden konnte; und man wird vermuthen dürfen, class bei zweifelhaftem Thatbestand, zum Beispiel cler Desertion, die kriegsrechtliche Behandlung dem strafrechtlichen Verfahren zu weichen hatte. Weiter hat das Provocationsrecht sich nicht erstreckt auf die Verletzung des Internationalrechts: auch hiefür ist clen Be-

inter-

nal delict.

amten die capitale Coercition geblieben. Wenn durch die Schuld eines einzelnen Bürgers die beschworenen Verpflichtungen der Gemeinde verletzt sind oder clie Gemeinde einen in rechtsgültiger Weise von ihren Vertretern unter der Execrationsclausel abgeschlossenen Internationalvertrag nicht einhalten kann, so wird das Delict durch clen Magistrat, mit berathencler Zuziehung des beikommenden Priestercollegiums, festgestellt und von ihm der Sühnungsact vorgenommen 4. Dass dieser capital gedacht ist, scheint daraus hervorzugehen, dass, wenn die verletzte Gemeinde die zur Sühne dargebotene Auslieferung cles Schuldigen (S. 8) 1 Daher kann auch der Volkstribun dagegen angerufen werden, wie dies im J. 479/275 (Val. Max. 6, 3, 4, vgl. S. 44 A. 1), 483/271 (S. 43 A. 1), 616/138 (S. 43 A. 2) geschehen ist. 2 Die Geisselung sub furca (S. 43 A. 2) soll wohl besagen, dass die Kreuzigung verwirkt war. 8 Augustus Verfahren gegen den seine Söhne durch Verstümmelung der Dienstpflicht entziehenden Vater (S. 44 A. 1) ist dem Kriegsrecht angemessen, als strafrechtliches undenkbar. 4 St. R. 3, 45.

"

46

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

ablehnt, er hingerichtet werden kann1. Befragung der Comitien, wie sie bei der verletzten Wehrpflicht zulässig ist, ist in diesen Fällen von Rechtswegen ausgeschlossen, so nahe es auch lag diese Frevel unter den Begriff der Perduellion zu ziehen; die Abwendung des bedingten Götterfluchs darf nicht von clem Zufall der comitialen Majorität abhängig gemacht werden. Incless ist später bei der steigenden Macht der Demokratie die Provocation auch auf diesen Fall erstreckt worden 2 . Freiheits3. Der Freiheitsverlust, die Umwandlung des freien Bürgers yeriust. j n e j n e i l Gemeindesclaven, in der Regel verbunden mit Veräusserung desselben in clas Ausland, kommt in cler consularischen Coercition in gleicher Weise vor wie clie Todesstrafe und ist bei dieser berücksichtigt worden, capital4. Das tribunicische Recht über Leben und Tocl ruht nicht auf C i0n c e m s e e n °Tes l ^ Rechtsgrund wie das der patricischen Magistrate, sondern Volks- auf clen constitutiven Ordnungen cler Plebs, der dadurch gewährtribuns. leisteten und späterhin gesetzlich anerkannten, clem patricischen Imperium gleichartigen Gewalt ihrer \rorsteher. Da das Recht der patricischen Consuln über Leben und Tod cles Bürgers durch clas valerische Gesetz an clie Zustimmung des Populus gebunden war, war es billig für die Vorsteher der Plebs die gleiche Gewalt an die Zustimmung sei es der Plebs, sei es später der Volksgemeinde zu knüpfen, unci so ist es auch im wesentlichen gehalten worden. Aber formell konnte gesagt werden, dass den Volkstribunen clas gleiche Recht zustehe wie ursprünglich clen Consuln und class es wohl diesen, aber nicht jenen durch clas valerische Gesetz beschränkt sei. In cler That kennen wir einen geschichtlich vollkommen beglaubigten Fall tribunicischen offenbar formell berechtigten Einschreitens, wobei Prozess und Provocation ausgeschlossen sind unci cler Volkstribun einen römischen Bürger behandelt gleich dem peregrinischen Verbrecher: im J. 623/131 griff cler Volkstribun C. Atinius Labeo wegen einer ihm zugefügten Kränkung ohne weitere prozessualische Form den Censor 1 Der den Corsen ausgelieferte und nicht angenommene Feldherr M. Claudius wurde im Kerker hingerichtet (Val. Max. 6, 3, 3). Dem von den Numantinern zurückgewiesenen Feldherrn C. Hostilius Mancinus wurde wenigstens das Bürgerrecht bestritten (Cicero de orat. 1, 40, 181) und dann durch Volksschluss restituirt (Dig. 50, 7, 18). Die von Cicero (top. 8, 37; pro Caec. 34, 99) vertretene Ansicht, dass die Auslieferung im Fall der Nichtannahme wirkungslos sei, ist offenbar rechtlich nicht haltbar. 2 St. E. 3, 338.

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition.

47

Q. Metellus und schickte sich an, ihn vom tarpeischen Felsen zu stürzen, was durch tribunicische Intercession sowohl anerkannt wie vereitelt ward 1 . 5. Die Geisselung des Bürgers, insoweit sie nicht als Begleit- Geisselung. strafe bei der Hinrichtung auftritt, ist durch das ältere Provocationsrecht den Magistraten ohne Zweifel nicht untersagt worden (S. 42 A. 1); auch lassen clie Zwölftafeln clie Geisselung allein ausdrücklich zu (S. 41 A. 3.4). Ihre Anwendung mag allmählich beschränkt worden sein 2 ; clie im wesentlichen vollständige Untersagung derselben geht zurück auf einen von clem älteren Cato bewirkten Volksschluss8. Dabei ist es geblieben4. Ausnahme machen incless die Schauspieler 5 . Der Verstoss gegen dieses Bürgerprivilegium wird in älterer Zeit mindestens clie Injurienklage begründet haben; clie caesarische Gesetzgebung hat weiter, wie in clem betreifenden Abschnitt des vierten Buches gezeigt werden wird, clie Geisselung oder Folterung des römischen Bürgers als schwere Vergewaltigung criminell bestraft. In der späteren Kaiserzeit ist die Züchtigung unter die eigentlichen Strafmittel aufgenommen worden und wird insofern im fünften Buch auf sie zurückzukommen sein. 1

Livius ep. 59. Plinius h. n. 7, 44, 143. Dies fordern die Erzählungen bei Livius 2, 55, 7. 9, 4, 2, die freilich nur für die Auffassung des erzählenden Annalisten beweisend sind, vor allen Dingen aber die bei Festus (A. 3) erwähnten Gesetze. 3 Er selbst rühmt sich in einer seiner Reden, 'für den Rücken' (pro scapulis; bei Livius 10, 9, 4 pro tergo) der Bürger eingetreten zu sein, nam, wie Festus p. 234 hinzufügt, complnres leges erant in cires rogatae, quibus sanciebatur poena verberum. Den Schutz, den das porcische Gesetz gegen die Geisselung gewährt, hebt mit gegensätzlicher Betonung der Hinrichtung auch Sallust Cat. 51, 22 hervor. Ohne Zweifel ist dies von Cato eingebrachte Gesetz eines der drei porcischen (S. 31 A. 3) und vielleicht dasselbe, welches das feldherrliche Imperium unter die Provocation zog; in einer vor der Bürgerschaft gehaltenen Rede kam dies weniger in Betracht als der Schutz des Rückens. 4 St. R. 1,156 A. 4. Cicero Verr. 5, 54, 140. c. 62, 161 pro Rab. ad pop. 4, 12. Der Prozess um das Bürgerrecht ist ein Prozess de iure virgarum (Plinius h. n. 7, 43, 136). 5 Die Schauspieler unterliegen dieser Form der magistratischen Coercition nach republikanischem Rechte schlechthin, nach Augustus Bestimmung nur während der Spiele (Sueton Aug. 45: coercitionem in histriones magistratibus omni tempore et loco lege vetere permissam ademit praeter quam ludis et scaena); die Wiedereinführung der älteren strengeren Disciplin wurde unter Tiberius im Senat vergeblich beantragt (Tacitus ann. 1, 77), und es blieb bei der augustischen Bestimmung (C. Th. 15, 7, 7 = lust. 11, 41, 3). Vgl. Tacitus ann. 13, 28; Sueton Claud. 38; Paulus 5, 26, 2. 2

48

Ausweisung.

Gefängniss.

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

6. Das Recht der Ausweisung des Bürgers aus Rom steht gesetzlich dem Magistrat mit Imperium unter Betheiligung cler Volkstribune unbeschränkt zu und ist gegen übel beleumdete Bürger in ausgedehntem Umfang geübt worden 1 , während die Anwendung dieser Befugniss gegen den Unbescholtenen gemissbilligt w i r d 2 . Die Ausweisung cles Bürgers aber kann sich niemals auf clas Gesammtgebiet Roms erstrecken, sondern unterliegt nothwenclig cler örtlichen Begrenzung, welche als Folizeigrenze sowohl cler Diiferenzirung wie der leichten Eviclenz bedarf und daher in historischer Zeit regelmässig sich anschliesst an die Meilenzahlen cler von Rom ausgehenden Chausseen. Sie kann weiter auch der Zeit nach begrenzt sein. Die weitere Ausführung wird im fünften Buch bei der aus dieser Coercition späterhin entwickelten Strafkategorie gegeben werden. 7. Verhaftung (prensio) und Gefängniss (vincula, career) kann der Magistrat mit Imperium und der \ T olkstribun nach Ermessen verhängen 3 und es ist dies wichtige Recht vielfach, auch in der Form cler Schulclhaft gegen den Gemeindeschuldner 4 zur Anwendung gekommen, wobei indess das Eindringen in das Haus des 1

Festus p. 278: relegati dicuntur proprie quitus ignominicte aut poenae (d. h. wegen einer früher erlittenen Bestrafung) causa necesse est ab urbe aliove quo loco abesse lege senatusve (—tuique Hdschr.) consulto aut edicto magistratuum, ut etiam Aelius Gallus indicat. Dahin gehören die Bestimmungen, dass in Rom nicht wohnen darf der cassirte Soldat (Macer Dig. 49, 16, 13, 3); der Soldat, der die Spiessruthenstrafe überstanden hat (Polybius 6, 37, 4); der wegen eines Capitalverbrechens Verurtheilte (Cicero Verr. 1. 2, 41, 200, wo der römische Bürger wenigstens nicht ausgeschlossen ist); der Henker (Plautus Pseud. 331; Cicero pro Rab. ad pop. 5, 15); der zu der Strafklasse des aelisch -sentischen Gesetzes gehörige Freigelassene (Gaius 1, 27); ferner die Ausweisungen von unnütz sich führenden Schauspielern (Sueton Aug. 45 Ner. 16) und von liederlichen Weibern und Lustknaben (Sueton Tib. 35). St. R. 1, 155. 2, 139. 328. 3, 1192. 2

St. R. 1, 155.

3

St. R. 1, 143. 153.

Cicero pro Sest. 12, 29, ad fam. 11, 16, 2.

4 Gegen die Schuldhaft, welche über L. Scipio wegen einer nicht gezahlten Multa verhängt werden soll, wird tribunicische Intercession eingelegt (Gellius 6, 29) Auch die Einsperrung des campanischen Römers Naevius (Gellius 3, 8, 15), deren nicht überlieferte Ursache wahrscheinlich Missbrauch des Theaters war, wird durch die Tribune aufgehoben (Gellius 7, 8, 15). Nach Labeo bei Paulus Dig. 48, 13, 11, 6 wird bei einer nicht delictischen Fiscalschuld der Betrag ab eo qui hoc imperio utitur beigetrieben pignus capiendo , corpus retinendo, multam dicendo.

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition.

49

Verhafteten der Sitte zuwiderläuft Gegenüber dem Ungehorsam und dem Unfug ist es in Caesars Gewaltgesetz den Magistraten bestätigt worden und noch unter dem Principat in Wirksamkeit 2 . In wie weit*dies Recht als Untersuchungshaft zur Anwendung gekommen ist, wird im folgenden Buch erörtert werden. 8. Vermögenseinziehung zu Gunsten der Staats- oder einer vennögensstaatlichen Tempelkasse ist, soweit die capitale Coercition reicht, C0nfl8Cftti< m regelmässig mit dieser verbunden und sicher, wenn diese nicht vollstreckbar war, auch für sich allein vorgekommen. Aber als selbständige Ahndung unter Absehen von der Todesstrafe begegnet sie bei den Magistraten der Gemeinde nicht und hat auch, nach den weiterhin zu erörternden Bestimmungen über die Geldbusse nicht wohl von ihnen ausgesprochen werden können. Die einzige Instanz dagegen, der Vorschlag Caesars sie über die Genossen Catilinas zu verhängen 3, tritt auf als Zulassung eines kleineren Unrechts, um das schwerere der Verletzung des Provocationsrechts zu vermeiden. Aber die Volkstribune haben, eben wie die Capitaljurisdiction, so auch die Einziehung des Vermögens zu Gunsten einer römischen Gottheit, die consecratio bonorum unter Ausschluss des Prozesses und der Provocation ausgesprochen4. Diese Consecrationen reichen zurück in die alten Zeiten der Ständekämpfe und sind darum von der antipatricischen Demokratie des letzten Jahr1

Cicero in Vat. 9, 22: miserisne viator em, qui M. Bibulum domo vi extraheret, ut quod in privatis semper est servatum, id te tribuno pl. consuli domus exilium esse non posset? 2 Paulus δ, 26, 2 : hac lege (lulia de vi publica) excipiuntur .. ., qui inde in carcerem duci iubentur, quod ius dicenti non obtemperaverint qmdve contra disciplinam publicam fecerint. Dig. 47, 10, 13, 2: si quis, quod decreto praetoris non obtemperavit, ductus sit , non est in ea causa, ut agat iniuriarum propter praetoris praeceptum. 3

Sallustius Cat. 51, 43.

Cicero in Cat. 4, 5, 10.

4

Dergleichen Proceduren werden erwähnt unter dem J. 299/455 gegen eine Anzahl Patricier (Dionys. 10, 42, der irrig die Berufung an die Bürgerschaft gehen lässt); in historischer Zeit unter dem J. 585/169 : (P. Butilius tr. pl.) Ti. Gracchi ... bona consecravit, quod .... intercessioni non parendo se in ordinem coegisset, wo der Gegensatz der gegen den andern Censor erhobenen Perduellionsklage zeigt, dass hiebei die Bürgerschaft nicht gefragt wird; von Labeo gegen Metellus, nachdem die Capitalcoercition (S. 47 A. 1) verunglückt war, Cicero de domo 47,123: C.Atinius.. bona Q. Metelli . . . consecravit foculo posito in rostris adhibitoque tibicine, Plinius 7, 44, 143; im J. 684/70 von einem andern Tribun gegen den Censor Cn. Lentulus (Cicero a. a. 0.); im J. 696/58 von dem Volkstribun P. Clodius gegen den Consul A. Gabinius (Cicero a. a. 0.). B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

4

Erstes Buch.

50

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

hunderts der Republik, ähnlich wie der Horatierprozess, und mit derselben Wirkungslosigkeit 1 wieder in Scene gesetzt worden : ihre formale Legalität aber ist keinem Zweifel unterworfen. Magistra9. Die Vieh- und später die Geldbusse, wie die patricischen tische Magistrate sie auflegen, zunächst die Consuln, weiter die aus der consularischen Amtsgewalt abgezweigten Prätoren und Censoren, desgleichen die entsprechenden Vorsteher der Municipien, ist sowohl für die Rechtspflege wie auch für andere Zwecke das vorzugsweise angewendete Zwangsmittel. Sie wird immer auferlegt in dem gesetzlichen Zahlmittel, anfangs in Häuptern von Klein- und Grossvieh, späterhin in Geld und heisst von der bei fortgesetztem Ungehorsam üblichen Steigerung die „Vielung", multa 2. Nach der Ueberlieferung hat der Magistrat damit ursprünglich ins Unbegrenzte vorschreiten können, ist'aber dann, noch vor den Zwölftafeln, diesem Arbitrium gesetzlich die Grenze gezogen worden, dass an einem und demselben Tage dem kleinen Mann, welcher kein Grossvieh besass, höchstens die Busse von 2 Schafen, clem Bürger überhaupt aber höchstens die Busse von 2 Schafen und 30 Rindern auferlegt werden durfte 8 . Diese Viehbussen sind dann, zwanzig Jahre nach 1

Cicero a. a. 0. sagt dies ausdrücklich von dieser ex nonnullis perveterum temporum exemplis herbeigeholten Procedur; mit Unrecht spricht Plinius a. a. 0. von Metellus Verarmung. 2 Die Ableitung des Wortes, dessen Wiederkehr in den italischen Dialekten schon die Alten hervorheben (multam, sagt Festus p. 142, Osce dici putant poenam quidam ), das aber den Griechen fremd ist und offenbar der ältesten Gemeindeordnung angehört, ist insoweit zweifellos, als es mit multus zusammengehört. Quod singulae dicuntur, sagt Varro de 1. L. 5, 177, appellatae eae multae (Hdschr. multas), quod ovim (Hdschr. olim) unum dicebant multae, itaque cum in (fehlt Hdschr.) dolium aut culeum vinum addunt rustici, prima urna addita dicitur (dicunt Hdschr.) etiam nunc. Bei dem abstracten Gebrauch des Feminin, ähnlich wie bei summa, wird ein Begriff wie dictio oder coercitio hinzuzunehmen sein. Ueber die spätere Erstreckung des Wortes auf die im eigentlichen Strafverfahren vom Magistrat bemessene Multa, ja im nachlässigen Gebrauch für die öffentliche Geldstrafe überhaupt ist im fünften Buch gehandelt. 8 St. R. 1, 158. Varro bei Gellius 11, 1: M. Terentio, quando citatus neque respondit neque excusatus est, ego ei umum ovem multam dico. Festus v. maximam multam p. 144, v. ovibus p. 202, v. peculatus 213. 237. Die Festsetzung der multa maxima scheint von einigen auf den Anfang der Republik zurückgeführt worden zu sein (Plutarch Popl. 11: ζημίαν άπει&είας εταξε βοών πέντε — wohl durch Vertauschung mit dem sacramentum quingenarium veranlasstes Versehen statt dreissig — xal άνεΐν προβάτων άξ(αν). Nach anderen Ansetzungen beruht die gesetzliche Fixirung des Maximum auf dem menenisch- sextischen Gesetz vom J. 302 (Festus v. peculatus p. 237), dem Jahr vor dem Antritt der Decemvirn, womit

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition.

51

den Zwölftafeln, unter Ansetzung des Schafes zu 10 und des Rindes zu 100 Assen in Geld umgesetzt worden 1 ; seitdem beträgt die niedrigste bürgerliche Busse (multa minima) 10, die höchste (multa maxima oder suprema) 2 20 H- 3000 = 3020 Asse oder Sesterze. Wenn auch die über die maximale Fixirung der Viehbussen in den Quellen vorliegenden Zeitangaben keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit haben, so reichen doch selbst die dafür substituirten Geldbussen, deren Datirung keinem gegründeten Bedenken unterliegt, in die früh republikanische Zeit zurück. — Ob diese Grenze auch für die Municipalmagistrate gilt, ist nicht bekannt. — Darüber hinaus ist den patricischen Magistraten clie Multirung überhaupt nicht gestattet 8 . — Den Beamtengerichten der Spätzeit sind in ähnlicher Weise nach dem Rang abgestufte Maximalsätze vorgeschrieben worden 4. wohl nur dieselbe vor die Decemviralgesetzgebung zurückgeschoben werden soll; da diese keine Viehbusse kennt, musste jene Fixirung nothwendig früher fallen. Wenn Dionysius (10, 50) und Gellius (11, 1) die Fixirung dem aternisch-tarpeischen Gesetz vom J. 300 zuschreiben, so kommt dies ungefähr auf dasselbe hinaus ; indess scheint Cicero (de re p. 2, 3, 5) das letztere Gesetz vielmehr auf die Umsetzung der festen Prozessbusse (sacramentum) aus einer Stückzahl Vieh in die späteren Sätze von 500 und 50 Asse zu beziehen (vgl. im fünften Buch den Abschnitt von den Vermögensstrafen). — Nach Gellius a. a. O. hielt man noch zu seiner Zeit auf die Anwendung der alten oben angegebenen Formel, während Dionysius 10, 50 in seinem übrigens incorrecten Bericht nur sagt, dass sie lange in Gebrauch geblieben sei. 1 Die Umsetzung der arbiträren Viehbussen in Geld nach der oben berechneten Gleichung wird zurückgeführt auf das julisch - papirische Gesetz vom J. 324/430 (Cicero a. a. 0. ; Liv. 4, 30,3). — Da es den Annalisten beliebt hat schon unter dem Jahre 278/476 eine Geldstrafe zu berichten, so hat Dionysius (9, 27) geschlossen, dass bei dieser Veranlassung die Geldstrafen in Viehbussen umgesetzt seien. 2 Das nur in der Ueberschrift erhaltene Capitel des Repetundengesetzes (Z. 45): indices multam supremam clebeant ist wahrscheinlich nicht zu verstehen von einer gesetzlichen Multa, sondern weist nur den gerichtsleitenden Magistrat an dem Geschwornen im Fall der Contravention eine (oder gleich die höchste) Busse aufzuerlegen. Von einer solchen durch das Repetundengesetz gegen einen Geschwornen erkannten Multa erzählt Plinius ep. 5, 9 (21). 8 Die consularische Multa. von der Diodor 29, 14, p. 575 zum J. 567/187 und Livius 42, 9, 3 zum J. 582/172 sprechen, wird eben die maxima sein, factisch wohl in diesen Zeiten wesentlich Ehrenstrafe. 4 Dig. 2, 5, 2, 1 : si quis in ius vocatus non ierit, ... a competenti iudice pro iurisdictione iudicis damnabitur. Nach den Verordnungen des 4. Jahrh. multirt der praefectus praetorio bis zu 50 Pf. Gold, der Provinzialstatthalter bis zu Ve Pf. Gold = 12 solidi (Cod. 1, 54, 4. 6 pr.; vgl. 7, 64, 5; Cassiodor var. 6, 3, 7: magna quantitate multas errantes). 4*

52 Plebejische

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

10. Das Multirungsrecht der plebejischen Tribune und Aedilen, ] c ] i e n d i e curulischen später gleichgestellt worden sind, gehört im Allgemeinen, ebenso wie die plebejische Capitaljudication, dem Strafrecht an, indem die Multa sich gegen ein gesetzlich vorgesehenes Delict richtet und der Provocation an die Bürgerschaft unterliegt. Aber es steht diesen Beamten ebenfalls für die Ausübung ihrer Judication oder Quasi-Judication als Coercitionsmittel zu 1 und gleichwerthig ist das Multirungsrecht des Oberpontifex hinsichtlich der ihm unterstellten Priester so wie dasjenige, welches den für die Adsignation des Gemeinlandes bestellten Conimissarien für ihre Judication zugestanden hat. Ohne das Recht Geldstrafen aufzulegen konnten alle diese Beamten ihren Obliegenheiten nicht genügen ; es muss ihnen durch specielle Gesetze eingeräumt worden sein. Abgesehen davon, dass dabei Maximalsätze der verschiedensten Art vorgekommen sein mögen (A. 1), ist bei der Einräumung theilweise auch die eigentlich der Judication vorbehaltene Berufung an die Comitien auf diese coercitiven Multen erstreckt worden. Nachweislich ist dies geschehen bei der Muitirung des Oberpontifex, welchem das magistratische Recht mit der Bürgerschaft zu verhandeln ausschliesslich für diese wahrscheinlich maximal nicht begrenzten Multen beigelegt worden ist. Hinsichtlich der Adsignationsmagistrate wird in einem bestimmten Fall darüber Beschwerde geführt, dass einer solchen Commission das Recht der Muitirung — ob begrenzt oder nicht, wird nicht gesagt — unter Ausschluss der Provocation beigelegt worden sei 2 , woraus geschlossen werden darf, dass in anderen Fällen sie dasselbe mit ähnlicher Beschränkung wie cler Oberpontifex erhalten haben. — Ob unter den häufig begegnenden grösseren aedilicischen Multen, welche zur Provocation führen, auch coercitive gewesen sind, muss dahingestellt bleiben; möglich ist es, dass den Aedilen auch ohne besonderes Strafgesetz die Auflegung hoher Geldstrafen unter

Muitirung. w e

1 Von den tribunicischen Multen unter dem Principat und den für die verschiedenen Kategorien der Aedilität unter Nero aufgestellten Maxima derselben spricht Tacitus ann. 18, 28 (vgl. St. R. 2, 512 fjg.). 2 Cicero de 1. agr. 2, 13, 33: datur (den Zehnmännern des servilischen Ackergesetzes) cognitio sine consilio, poena sine provocatione, animadversio sine auxilio. Die Coercitionsmittel also — sicher die Muitirung, vielleicht auch die Einsperrung — sind bei dieser Judication befreit sowohl von der Berufung an die Comitien wie von der Appellation an die Volkstribunen.

Vierter Abschnitt.

Die magistratische Coercition.

53

Zulassung der Berufung an die Gemeinde in einem gewissen Umfang freigestanden hat 1 . 11. Sachenbusse oder nach der römischen Bezeichnung Pfand- Pfändung, nähme (pignoris capio) geht durchaus mit der Geldbusse zusammen 2 ; sie besteht in der Wegnahme und der Zerstörung eines Stückes der Habe des Gebüssten8. Es war vermuthlich bei diesem Verfahren an Zerreissen des Kleides und ähnliche Dinge gedacht; indess ist man in dieser Weise weiter vorgegangen, selbst bis zum Einreissen des Hauses4. In der Kaiserzeit sind auch für die Sachenbusse Maximalsätze aufgestellt worden 5 . Da der magistratische Spruch, welcher die Coercition auf-Appeiiatioanerlegt, kein Strafurtheil ist (S. 38 A. 1), sondern ein Act der Ad- v e r f a h r e i 1 · ministration, so treten hier einmal die an das criminelle Judicat geknüpften Rechtsnachtheile uiemals ein und kann weiter, soweit die Beschaffenheit der Ahndung es zulässt, im Verwaltungsweg ihre Aufhebung herbeigeführt werden. Dies tritt in älterer Zeit bei der capitalen Coercition zu Tage (S. 45), späterhin na1

Der einzige Fall einer gegen die Gemeinde gerichteten und criminell behandelten Injurie, die gegen die Schwester des Consuls 505/249 P. Claudius Pulcher (Gellius 10, 6 u. a. St. m.; St. R. 2, 492) erhobene aedilicische Klage wegen ihrer unpatriotischen Reden ist einerseits mit dem Begriff des Staatsverbrechens schlechthin unvereinbar (novo more iudicium maiestatis apud populum nennt es Suetonius Tib. 2 ; insons crimine quo accusabatur heisst die Beklagte Val. Max. 8, 1, damn. 4), andrerseits der einzige Fall, wo eine unmittelbar gegen den Staat gerichtete Handlung von den Aedilen geahndet wird. Hier liegt sicher kein Specialgesetz zu Grunde und kann die Multa also nur als coercitive gedacht werden. Allerdings haben die Römer wohl gefühlt, dass ein nicht auf positives Gesetz gegründetes Strafrecht des Magistrats den Rechtsstaat aufhebt, und auch die Zulassung der Provocation an die Bürgerschaft ändert daran nichts. Wenn eine solche ädilicische Befugniss überhaupt bestanden hat und dieser Fall nicht lediglich Willkür ist, wobei in Betracht gekommen sein mag, dass die Schuldige eine Frau war, so ist es ein Ruhmestitel der römischen Republik, dass sie davon so gut wie gar keinen Gebrauch gemacht hat. 2 Beispielsweise im quinctischen Gesetz über die Wasserleitungen (Frontinus de aq. 129). Weitere Belege St. R. 1, 160. 8

Ueber das aus dem magistratischen abgeleitete Pfändungsrecht gewisser Forderungsberechtigter vgl. St. R. 1, 160. Verwandt ist die Wegnahme der durch das Luxusgesetz verbotenen Esswaaren (Sueton Caes. 43). 4 Dionysius 8, 87. Cicero Phil. 1, 5, 12. noch in der Kaiserzeit (S. 44 A. 1). 6

Tacitus ann. 13, 28.

Bei dem Militärdelict erscheint es

54

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

mentlich bei den Geldbussen : sowohl wegen cler von römischen 1 wie auch wegen der von Municipalbeamten 2 auferlegten kann an die oberste Verwaltungsbehörde, den Reichs- oder den Municipalsenat, Berufung eingelegt und Erlass cler Strafe erbeten werden· In diesem Sinn wird noch in cler späten Jurisprudenz die poena, die rechtskräftige Delictstrafe der multa, der vom Ermessen der Verwaltung abhängigen Coercitionsbusse entgegengestellt 8 . Dies ist die römische Coercition, das Zwangsrecht, die Ergänzung unci das Gegenstück des Strafrechts. Wie clas Strafverfahren die Durchführung des staatlichen Sittengesetzes ist, ist die Coercition die Durchführung cler staatlichen Obergewalt, clas Imperium, ohne welches es keinen bürgerlichen Gehorsam und also kein Gemeinwesen giebt. 1 Insofern wurden (Tac. ann. 13, 28) unter Nero die Quästoren angewiesen, die y on den Volkstribunen auferlegten Multen erst nach vier Monaten in das Stadtbuch einzutragen, wodurch sie exigibel werden ; bis dahin soll dagegen (bei Consuln und Senat) Einspruch (contra dicere) erhoben werden können. Von dem Erlass einer von dem Repetundenprätor einem Geschwornen auferlegten Multa erzählt Plinius ep. 5, 9 (21). Appellation im Rechtssinn ist dies offenbar nicht. Auch Dig. 49,3,2: appellari a legatis (vielmehr legato) proconsul potest et si multam dixerit, potest de iniquitate eius proconsul cognoscere et quod optimum putaver it statuer e scheint nicht an eigentliche Appellation gedacht, sondern an Aufhebung einer administrativen Verfügung des Unterbeamten durch den Vorgesetzten; indess läuft in diesem Fall allerdings die Appellations- und die Verwaltungsinstanz in einander. 2 Stadtrecht von Malaca c. 66: multas in eo municipio ab Ilviris praefectove dictas , item ab aedilibus, quas aediles dixisse se apud Ilviros ambo alterve ex iis professi erunt y Ilvir qui iure dicundo praerit, in tabulas communes municipum eiius municipi referri iubeto. Si cui ea multa dicta erit aut nomine eiius alius postulabit, ut de ea ad decuriones . . . referatur. de ea re decurionum iudicium esto, quaeque multae non erunt iniustae a decurionibus . . . iudicatae, eas multas llviri in publicum municipum eiius municipii redigunto. Abgesehen davon, dass hier der Duo vir die in Rom dem Prätor und den Quästoren obliegenden Geschäfte verrichtet, gilt dies völlig auch für Rom. 3 Paulus Dig. 50, 16, 244: de poena provocatio non est, simul atque enim victus quis est (d. h. durch rechtskräftiges Urtheil) eius maleficii, cuius poena est statuta, statim ea debetur; at multae provocatio est nec ante debetur quam aut non est provocatum aut provocator victus est. Die Feststellung des Thatbestandes (wofür das anfechtbare Urtheil nicht ausreicht) schliesst bei dem Straferkenntniss die Berufung aus, nicht aber bei dem coercitiven Spruch.

Fünfter Abschnitt.

Das Strafgesetz und die Entwickelung des römischen Strafrechts. In der Hauszucht, im Kriegsrecht, in der Coercition giebt es ein Unrecht, eine Ermittelung, eine Ahndung dieses Unrechts, auch eine dem Thäter rechtlich überlegene und die Ahndung erzwingende Gewalt; man darf in diesem Kreise von einer Strafe sprechen, aber nicht von einem Strafrecht Das sittliche Unrecht erscheint jedem Einzelnen nach Zeit und Eigenart in individueller Abgrenzung; nicht viel weniger individuell ist das Urtheil über die Feststellung des Thatbestandes ; in noch höherem Grade die Bemessung der für die erwachsene Schuld geeigneten Ausgleichung. Wenn der Hausherr, der Kriegsherr, der städtische Imperienträger bestraft, so ist dies immer und nothwendig ein Act der Willkür. Willkür ist nicht Ungerechtigkeit. Die Sühnung der Noxa, wenn der Vater den schuldigen Sohn dem geschädigten Mann, die Gemeinde den schuldigen Bürger clen geschädigten Nachbarn ausliefert, clas königliche Blutgericht über Ueberläufer und Mörder sind gebotene Gerechtigkeitsacte. Der Hausherr ist ja auch Vater und unter den sieben Königen sind sechs gerechte. Die Handhabung der Hauszucht durch den Verwandtenrath wie die der internationalen Verträge durch das Fetialencollegium1

strafe und

strafge8et z

1 Es ist die Aufgabe der Fetialen x«v άδ ιχεΐα&αί τίνες ύπο * Ρωμαίων ϊναπονδοι λέγοντες τα cΜχαια αΐτώσι, τούτους διαγινωσχειν τους ανδρας εϊ τι πεπόν&ασιν εχαπονδον und φυλάτ τειν, ϊνα μηδέν α βΡωμαίοι π ολεμον ϊξενέγχωοι χατά μηδεμιάς

ίνσπόνδου

πόλεως αδιχον (Dionys. 2, 72).

Sie bilden, allerdings formell nur die

Consuln berathend, den Gerichtshof für die internationalen Verhältnisse und heissen auch indices (Cicero de leg. 2, 9, 22; Dionys. 2, 72, 5).

'

56

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

sind nicht Judication im formalen Sinne, aber sicher mindestens mit gleicher Gewissenhaftigkeit ausgeübt worden wie die gesetzlich normirte Rechtspflege. Die Begriffe von Schuld und Strafe sind so alt wie die Menschheit und nicht erst mit dem Strafgesetz geboren. Aber das hohe Königsamt, welches nach der römischen Rechtsanschauung ohne Bindung durch Strafgesetz Recht und Unrecht scheidet, kann auch ungerecht verwaltet werden, und damit ist es verscherzt. Nur in billiger Handhabung ist die königliche Willkür möglich; bei unbilliger stürzt die Herrschaft des Königs zusammen und wird ersetzt durch die des Gesetzes. Bindung der Magistratur,

Das Strafrecht beginnt, wo der Willkür des Trägers der Strafgewalt, des erkennenden Richters Schranken gesetzt werden durch das Staatsgesetz 1 einschliesslich des diesem gleichwerthigen Herkommens. Das Gesetz bezeichnet objectiv diejenigen unsittlichen Handlungen, gegen welche von Gemeinde wegen eingeschritten werden soll, und verbietet damit zugleich ein gleichartiges Einschreiten gegen alle übrigen. Das Gesetz ordnet das Ermittelungsverfahren in positiver Form. Das Gesetz setzt für ein jedes Delict die entsprechende Ausgleichung fest. Das römische öffentliche Strafrecht beginnt mit dem valenschen Gesetz, welches das Todesurtheil des Magistrats über den römischen Bürger der Bestätigung 1 Hinsichtlich dieses Begriffes selbst ist auf das Staatsrecht zu verweisen. Die Annahme, dass die römische Königszeit den Begriff des Gesetzes, das heisst einer den König selbst bindenden Satzung gekannt hat, verträgt sich nicht mit der von den römischen Rechtsgelehrten aufgestellten Auffassung der rechtlich nicht gebundenen Königsgewalt. Dass König Servius bei Dionysius 4, 36 sagt: αύτος ίξηταζόμην

πρώτος οίς ώρισα χατά των άλλων διχαιοος

ωσπερ Ιδιώτης πει&όμενος, bei Tacitus

ann. 3,26 er sanctor legum genannt wird, quis etiam reges obtemperarent, ist dafür eine Bestätigung: denn die servianische Ordnung ist die Rückspiegelung der republikanischen und auch der Zeit nach nur durch die ungerechte Königsherrschaft von dieser getrennt. Ob diese Auffassung die richtige ist, muss dahingestellt bleiben. Die angeblichen Königsgesetze sind, so weit sie Rechtssatzungen enthalten, ohne Zweifel wesentlich aufgezeichnetes Gewohnheitsrecht und dürfen insofern als Gesetze behandelt werden. — Dass in der Republik, von diesem Herkommen abgesehen, das Gesetz mit dem Volksschluss zusammenfällt, ist im St. R. 3, 300 fg. ausgeführt worden; als besondere Kategorie erscheint das Strafgesetz nirgends. — Unter dem Principat giebt es, von den Volksschlüssen der ersten Zeit abgesehen, eine eigentliche Gesetzgebung nicht, sondern nur Modificationen der älteren Volksschlüsse und Einzelverfügungen mit gesetzgleicher Kraft (St. R. 2, 905 fg., u. 1228 fg.). Die diocletianisch-constantinische Monarchie hat die Gesetzgebung wieder aufgenommen, wovon im Strafrecht die hinzutretenden Delictkategorien der Häresie und der Entführung Zeugniss ablegen; doch ist sie über Flick- und Stückwerk nicht hinausgekommen.

Fünfter Abschnitt.

Das Strafgesetz u. d. Entwickelung d.*röm. Strafrechts.

57

durch die Bürgerschaft unterwarf, clas römische private mit derjenigen Ordnung, welche dem Prätor die definitive Strafentscheidung aus der Hand nahm und bei der bedingten die Erledigung der Bedingung an Geschworne wies. Es giebt in Rom fortan kein Delict ohne Criminalgesetz, keinen Strafprozess ohne Prozessgesetz, keine Strafe ohne Strafgesetz 1 . Die magistratische Willkür ist keineswegs beseitigt; auch jetzt kann der Magistrat, soweit einerseits das Kriegsrecht, andrerseits die städtische Coercition reichen, ohne festes Delict, ohne festen Prozess, ohne festes Strafmass nach Ermessen ahnden; aber es besteht neben dieser nicht gebundenen magistratischen Coercition die gebundene magistratische Judication. Es ist dieser strafrechtlichen Judication, wenn sie im strengen Sinn des Wortes gefasst wird, gegenüber der strafrechtlichen Coercition ein enges Gebiet angewiesen. Dass der förmliche Strafprozess nur in der Stadt Rom stattfinden kann, ist gegeben durch den städtischen Charakter des römischen Gemeinwesens; aber dass der öffentliche nur statuirt wird gegen den Bürger und den Mann, bei Nichtbürgern und Frauen ausgeschlossen ist, verträgt sich nicht mit dem Wesen des Rechts. Im Civilrecht, auch dem delictischen hat die römische Rechtsentwickelung diese Schranke früh gesprengt; das öffentliche Strafrecht ist in seiner nothwendigen Ergänzung durch die unbeschränkte Coercition und in seinem starren Festhalten an der hauptstädtischen Gerichtsstätte durchaus hinter dem Civilrecht zurückgeblieben. Mit cler Einrichtung der Civilgerichtshöfe sowohl in den italischen Städten wie in den Statthalterschaften ist wohl der privatdelictische Prozess auf Italien wie auf die Provinzen erstreckt worden; aber nicht bloss ist der öffentliche magistratisch-comitiale Strafprozess, so lange er bestanden hat, auf die Stadt Rom beschränkt geblieben, sondern |auch das dafür eintretende Quästionenverfahren mit seiner Geschwornenordnung wohl auf Italien, aber nur unvollkommen auf die Provinzen übertragen worden. Daher hat der iProvinzialprozess noch in der Kaiserzeit, obgleich er dem ordentlichen Strafverfahren genähert ward und die Definirung der Delicte, die Bemessung der Strafen, die wesentlichen prozessualischen Normen diesem entlehnte, doch niemals sich vollständig von der Coercition emancipirt. Als dann die Geschwornengerichte verschwanden und die Prozessformen 1

Paulus Dig. 50, 16, 131, 1 : poena non irrogatur, nisi quae quaque lege vel quo alio iure specialiter huic delicto imposita est. Den Gegensatz macht dazu die coercitive Multa (S. 41 A. 1).

58

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

zusammenfielen, hat weniger die Coercition der Judication als umgekehrt die Judication cler Coercition das Feld geräumt. Bevor wir uns dazu wenden, den für die folgenden Bücher massgebenden Begriff des Delicts, die Person, den Willen, die That in ihrer Allgemeinheit zu entwickeln, erscheint es angemessen, die Anfänge und clie Entwickelungsrichtungen des römischen Strafrechts selbst kurz zusammenzufassen. Die Beweise für diese Ausführungen giebt nicht dieser Abschnitt, sondern das Buch selbst in seiner Gesammtheit, soweit sie überhaupt gegeben werden können; denn für Darlegungen, wie dieser Abschnitt sie versuchtT muss cler Historiker das Recht des Künstlers fordern, aufzufassen und nachzuschaffen. Verschollen-

Anftngs1 zustande.

Für die Kunde der Anfangszustäncle der menschlichen Enti k e l u n g bietet keine Nation so wenig Traditionelles wie die italische, deren einzig zur geschichtlichen Entwickelung gelangter Träger das latinische Rom ist. Nicht bloss ist die Stadt Rom, wo die wirkliche Ueberlieferung beginnt, bereits ein hoch entwickeltes auch vom Einfluss der überlegenen griechischen Civilisation schon ernstlich berührtes Gemeinwesen und das Haupt eines mächtigen national geeinigten Städtebuncles ; nicht bloss mangelt über die älteren römischen Zustände vollständig die nichtrömische Ueberlieferung; auch für die Römer selbst ist die Vorzeit wie untergesunken und vergeblich sucht man sowohl in ihrer gestaltenlosen fabelfeindlichen Götterwelt wie in den trotz cler erzählenden Form streng rationellen Rechtslegenden ihrer Chroniken nach Erinnerung an die Zustände des Keimens und des Wachsens. Diese männliche Nation schaut nicht zurück in ihre Kindheit. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass das Werden auch dieses gewaltigsten Staates der älteren Civilisation sich nicht innerhalb gewisser Grenzen erkennen liesse; aber da ausländische Berichte und inländische Sage so gut wie ganz versagen, sind wir mehr als irgendwo sonst darauf angewiesen, in dem römischen Staats- und Privatrecht aus dem Gewordenen selbst die Spuren des Werdens zu erschliessen. Die Schädigung cles Gemeinwesens und die Schädigung des Mitbürgers, deren Zusammenfassung zu dem allgemeinen Begriff des Strafrechts auch in cler späteren römischen Rechtswissenschaft nur unvollkommen durchgeführt worden ist, stehen, je weiter man zurückgeht, desto unvermittelter neben einander. Das ausschliessliche Einschreiten gegen die Schädigung cles Gemeinwesens ist das früheste Stadium des Strafrechts. w c

Fünfter Abschnitt. Das Strafgesetz u. d. Entwickelung d.röm. Strafrechts.

59

Die Schädigung des Gemeinwesens fordert die Selbsthülfe der Anfänge des Gemeinde, sowohl gegen den Landesfeind wie gegen den dem Landesfeind gleich gesinnten unci gleich handelnden Mitbürger ; die Gleichstellung beider, clie durch clen Abfall selbst sich vollziehende Verwirkung des Bürgerrechts ist der Grundgedanke des Staatsverbrechens von jeher gewesen und bis in die späteste Zeit geblieben. Die Selbsthülfe berechtigt zur Vernichtung des Feindes; der Tocl trifft clen Kriegsgefangenen wie clen Landesverräther. Der Träger dieser Selbsthülfe ist der Magistrat, dort als Feldherr, hier als Inhaber unbeschränkter Coercition. Aber bei dem Landesfeind wird für deren Handhabung keine besondere Bethätigung der Landesfeindschaft erfordert; clie Thatsache, dass er cler römischen Gemeinde nicht angehört, berechtigt zur Anwendung des Kriegsrechts. Dagegen tritt bei dem Bürger im gleichen Fall clie Schuldfrage ein, die quaestio ; cler Magistrat schreitet zu dieser und damit ist der Anfang des Strafprozesses gegeben, einerlei ob cler Magistrat selbstherrlich entscheidet oder ob er^ wozu er von Haus aus nicht verpflichtet, aber berechtigt ist, cler Bürgerschaft anheimgiebt, clem der Verletzung des Gemeinwesens schuldig Gefundenen die Todesstrafe zu erlassen oder ihr ihren Lauf zu lassen. Den gefangenen Landesfeincl einer Untersuchung zu unterwerfen und ihn nach Umständen glimpflicher zu behandeln ist der Magistrat berechtigt, aber nicht zur „Befragung" verpflichtet, und niemals entscheidet über dessen Begnadigung clie Bürgerschaft ; für clie Rechtsentwickelung fehlt hier die Grundlage und sie hat auch auf diesem Gebiet sich nicht eingestellt. Die Selbsthülfe cler Gemeinde, das heisst das öffentliche Aeiteste Strafrecht, ist gegen den Bürger zunächst dann zur Anwendung ge_ kommen, wenn er geradezu mit dem Landesfeind gemeinschaftliche Sache macht, also gegen den Ueberläufer und den Landesverräther. Hiezu treten weiter clie Entwendung des Tempelguts, der Diebstahl des Gemeindeviehs, die Beschädigung cler öffentlichen Gebäude und Wege. Es hat eine Epoche gegeben, wo clas Gemeinwesen nicht weiter ging als sich selber zu schützen gegen den äusseren und den inneren Feind, oder, nach römischem Ausdruck, wo das Imperium des Magistrats sich beschränkte auf die Führung des Krieges und die Coercition im Frieden, wo es ein Strafrecht in dem vorher bezeichneten Sinn nicht gab. In dieser Weise mögen wir uns die Zustände vorstellen unter den lebenslänglichen Königen

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

60

und wieder unter ihrem nach der Beseitigung des Königthums zeitweise eintretenden Abbild, der Dictatur der frühen Republik. Erstreckung Diese engen Grenzen hat das öffentliche Strafrecht der Römer u n s vorgeschichtlicher Zeit überschritten. Dass bei Beliehen*1strafrechts auf Schädigung des einzelnen Mannes die Vergeltung zunächst ihm Störungen U ü ( j ^en s e i n i g e û anheimgestellt wird, ist wie in der Frühσ

des gemeinen

°

7

Friedens, zeit überhaupt, so sicher auch einstmals in Rom Rechtens gewesen. Aber dass diejenigen Uebelthaten, welche neben der Schädigung des Einzelnen zugleich die öffentliche Sicherheit gefährden, als Schädigungen der Gemeinde von Amtswegen zu ermitteln und zu bestrafen sind, ist in der römischen Rechtsordnung vor der Zeit, wo wir dieselbe kennen lernen, festgestellt worden für den Mord des Freien 1 , für die Brandstiftung, für den Diebstahl der Ernte auf dem Halm, für das öffentlich abgesungene Spottlied. Alle diese erscheinen bereits im Zwölftafelbuch, über das unsere Kunde nicht zurückreicht, als öffentliche Verbrechen 2 und es ist jede Spur von einer Einwirkung des zunächst davon Betroffenen oder seiner Geschlechtsgenossen dabei ausgelöscht, so dass die Beugung der Geschlechter unter die Gesammtbürgerschaft, als das Gesetz erlassen ward, schon eine vollendete Thatsache gewesen sein muss. Als Landesfeind wird cler Verbrecher dieser Kategorien nicht angesehen und das Bürgerrecht nicht betrachtet als durch die Strafthat aufgehoben ; aber die Behandlung desselben von Amtswegen ist die nämliche, nur dass die bei dem eigentlichen Staatsverbrechen häufig durch clie Notorietät der Strafthat entbehrliche Untersuchung bei diesen Delicten allgemein zur Anwendung kommt. Die Capitalstrafe von Gemeinciewegen trifft wie den Ueberläufer und den Landesverräther so auch den Mörder und den Erntedieb. Anfänge des Was dem Einzelnen Leides zugefügt wird, hat, wie schon Pri rechteaf ward, ohne Frage auch in Rom er anfänglich selber wett zu machen gehabt oder, wenn er unfrei war, sein Herr und, wenn die Selbsthülfe nicht ausreichte, der Verletzte mit Hülfe seiner Nächsten oder diese Nächsten allein. Die Grenze zwischen der Schädigung des Gemeinwesens und derjenigen des Einzelnen kann in sehr verschiedener Weise gezogen werden. Nachdem Mord und 1

Die Erstreckung des Mordes auf falsches Zeugniss im Capitalprozess und wahrscheinlich auch auf den Kaub dürfte ebenfalls schon dem Zwölftafelrecht angehören. 2 Nur mit diesen haben die ständigen Quästoren zu thun.

Fünfter Abschnitt.

Das Strafgesetz u. d. Entwickelung d.röm. Strafrechts.

61

Brandstiftung und manche andere Missethaten, welche einstmals der letzteren Kategorie angehört haben werden, in die erstere übernommen worden sind, ist in dem für das Privatdelict übrig bleibenden Gebiet, dem namentlich fast sämmtliche Eigenthumsverbrechen angehören, das sicher ursprünglich nicht fehlende Eingreifen der Geschlechtshülfe auch im Privatstrafrecht bereits im Zwölftafelrecht nicht mehr zu finden. Dass aber die Selbsthülfe diesem Kreise des Strafrechts zu Grunde liegt, tritt namentlich darin zu Tage, dass alle Delicte, welche nicht in erster Reihe gegen die Gemeinde verübt werden, gegen eine Person gerichtet sein müssen, welche Vergeltung zu fordern vermag oder für welche Vergeltung gefordert werden kann. Was Sachbeschädigung genannt zu werden pflegt, ist im Rechtssinn Schädigung des Eigenthümers; gegen die Sache als solche ist das Delict ausgeschlossen. Es wird bei der Tödtung auseinander gesetzt werden, dass diesem Princip entsprechend anfänglich gegen den Unfreien dies Delict nicht begangen werden konnte. In dem entwickelten Recht aber, bei dem der Mord vom Standpunkt des öffentlichen Rechtes behandelt wurde, ist folgerichtig diese Auffassung aufgegeben und wird die gegen den Sclaven verübte Handlung als Schädigung der Gemeinde geahndet. Xeben die Selbsthülfe stellt das Privatrecht den zur Abfindung Das Verderselben geschlossenen Vergleich. Selbstverständlich ist dieser ^ e h n sv d e e r J so alt wie das private Unrecht und die private Rache; auch das Privatrechts, durch Uebereinkunft beider Theile bestellte Schiedsgericht ist damit von selber gegeben. Gegeben ist damit nicht minder der Begriff der in solcher Weise vereinbarten approximativen Entschädigung, nach den alten Bezeichnungen (S. 12) cles damnum und der poenae.

In diese Vergleichung trat der Staat ein, indem er dem Geschädigten die Selbsthülfe untersagte und bei mangelnder Vereinbarung ihn verwies auf ein vom Staat zu bestellendes Schiedsgericht, auf den durch dieses herbeizuführenden und insofern obligatorischen Vergleich. Dabei wird insoweit festgehalten an der Erledigung der Streitsache durch Uebereinkunft der Parteien, dass das Schiedsgericht zunächst ein Vorerkenntniss fällt über die Thatfrage, das Vorhandensein und den Umfang der behaupteten Schädigung und, wenn dies zu Ungunsten des Beklagten ausfällt, den Parteien anheimgestellt wird sich über den Betrag der Entschädigung zu vergleichen. Wird diese Uebereinkunft erreicht, so

Erstes Buch.

62

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

spricht das Gericht frei; nur bei nicht erzielter Einigung fällt dasselbe ein Strafurtheil. Schranken Aber durchgedrungen ist dies Vergleichssystem im Zwölftafeld r e c toriechfn ^ n o c h Dicht. Im Fall der widerrechtlichen Aneignung fremder Vergleichs beweglicher Sachen — Privateigenthum am Boden kannte das im zweif- älteste Recht nicht — schliesst das Zwölftafelrecht bei handhaftem tafelrecht.

Diebstahl den obligatorischen \Tergleich aus. Wenn der Bestohlene sich nicht von freien Stücken zum Vergleich versteht, so erkennt clas Gericht hier bei clem Unfreien auf Todesstrafe, bei dem Freien auf die Ueberantwortung des Diebes zu eigen an den Bestohlenen. Die auffallende mit dem ethischen Grundbegriff des Delicts wenig harmonirende Schärfung cler Strafe bei dem Ergreifen des Diebes auf der That wird nicht so sehr zurückzuführen sein auf das in solchem Fall sich einstellende stärkere Rachebedürfniss als auf das Bestreben des Gesetzgebers der bei solchem Ergreifen nahe liegenden Selbsthülfe zu steuern, indem auch bei Anrufung des Gerichts die Capitalstrafe zulässig bleibt. Gegen den anderweitig der That überwiesenen Dieb, also in dem bei weitem häufigsten Fall führt das Zwölftafelgesetz den obligatorischen Vergleich durch unter Steigerung der einfachen Schadloshaltung auf den doppelten Betrag. Wem diese Lösung ^dargeboten wurde, der musste sie annehmen; wer sie nicht zu leisten vermochte, wurde behandelt wie jeder andere nicht zahlungsfähige Schuldner. Die weitgehende Milde gegen den Verbrecher begegnet sich hier mit der argen Härte des römischen Schuldrechts. Bei der körperlichen Verletzung des freien Mannes1 und der Beschädigung fremder Habe, welche in dem Zwölftafelrecht als 'Unrecht' (iniuria) einen Sammtbegriff bilden, schliesst das Gesetz für den schwersten Fall der Verstümmelung des freien Mannes den obligatorischen Vergleich gleichfalls aus; wenn der Geschädigte es fordert, so lässt das Gericht, ähnlich wie bei der jetzt beginnenden Rebarbarisirung unserer Nation das sogenannte Ehrengericht den Zweikampf, von Staatswegen es zu, dass im Wege der Selbsthülfe dem Schädiger geschieht nach dem Satze cwie du mir, so ich dir 5 2 . Für alle übrigen Delicte dieser Kategorie ist der Vergleich obligatorisch. 1 Die Verbalinjurie scheint nach Zwölftafelrecht nicht als Strafthat gegolten zu haben, abgesehen von dem zu den Öffentlichen Verbrechen gestellten Schmählied. 2

Si membrum rupsit,

ni cum eo pacit, talio esto. Talio von talis, qualis.

Fünfter Abschnitt. Das Strafgesetz u. d. Entwickelung d.röm. Strafrechts.

63

Deutlich erkennt man in diesen Satzungen die letzten Reste Umgestaleiner älteren Ordnung, in welcher es recht und billig erschien, dass der Bestohlene den Dieb tödtete oder doch sich zu eigen machte, strafen, der am Körper oder an seinem Gut Beschädigte den Schädiger wiederum verstümmelte oder schlug oder ihm die Habe zerstörte, daneben aber Verzeihung und Vergleich mildernd eingriffen. Es mag das hinaufreichen in die Epoche, wo das private Strafrecht auf die Hauszucht angewiesen war; insbesondere bei dem politisch oder auch nur privatrechtlich Unfreien haben diese Satzungen wohl thatsächlich Anwendung finden können. — In wie weit diese ältere Ordnung durch früheres Herkommen oder erst durch die Zwölftafeln selbst umgestaltet worden ist, lässt sich selbstverständlich nicht entscheiden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dies Gesetzbuch die Satzungen im wesentlichen bereits so vorfand, wie es sie wiedergiebt unci class nur die Umsetzung der Viehin Geldbussen (S. 50 A. 3) und clie eng damit zusammenhängende cler griechischen Sprache entlehnte Bezeichnung der letzteren als poenae (S. 13) den Decemvirn zuzuschreiben sind. Die geschichtlich glaubwürdige Angabe, dass zwanzig Jahre später bei der coercitiven Mult die gleiche Umsetzung durch Gesetz eingeführt ward (S. 51 A. 1), legt die Vermuthung nahe, class clie Decemvirn im Privatstrafrecht die obligatorische Lösung vorgefunden und nur das Zahlmittel geändert haben. Prozessualisch ist das Strafverfahren, im weitesten Sinn ge- Die fasst, begriffen in cler magistratischen Gewalt, das heisst dem ^j^IrdImperium, theils als Coercition, theils als Jurisdiction. Die tion und Coercition und der aus dieser entwickelte öffentliche Straf- J u d i c a t l 0 n · prozess ist ein reines Inquisitionsverfahren ohne Parteien, späterhin beschränkt durch die bei gewissen Strafen nach gesetzlicher Vorschrift zuzulassende Gnadeninstanz der Comitien. Bei der Jurisdiction fungirt cler Magistrat und späterhin cler Geschworne als Schiedsrichter mit Rechtszwang des Endurtheils. Coercition, welcher das kriegsrechtliche Commando inhärirt, und Jurisdiction, welche dem Friedensregiment angehört, sind zwei Hälften eines Ganzen. Ungetrennt erscheinen sie in clem königlichen und dem ursprünglichen consularischen Imperium; mit Uebergewicht der Coercition in dem Imperium des Dictators und dem eonsularischen nach Einführung der Prätur; mit Uebergewicht cler Jurisdiction in dem Imperium des Prätors, des Censors und der Municipalmagistrate. Aber trotz der Scheidung macht die Einheitlichkeit des Imperium auch hier sich geltend : dem Dictator

64

Erstes Buch. Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

und den späteren Consuln ist die Jurisdiction gesetzlich untersagt, aber diejenige Gerichtsbarkeit, die eigentlich keine ist, die sogenannte freiwillige ist ihnen geblieben; dem Prätor wird das militärische Commando nicht genommen, aber nur so weit nöthig und als Nebengeschäft übertragen und sowohl er wie der Censor und die Municipalmagistrate haben diejenige Coercition behalten, welche für die Jurisdiction zwischen den Parteien oder zwischen der Gemeinde und einem Bürger unentbehrlich ist. QuästionsDie Umgestaltung des magistratisch-comitialen Strafprozesses Prozess. z u QUästionenverfahren ist im wesentlichen nichts als die Behandlung des öffentlichen Delicts in der Form des Privatprozesses, indem einerseits der Prozess gefasst wird als Rechtshandel zwischen der Gemeinde und dem Angeschuldigten, andrerseits die Vertretung der Gemeinde geregelt, clas Geschwornenverfahren durch Substituirung grosser Collégien statt des einen Geschwornen oder der kleinen Recuperatorengerichte und namentlich durch den magistratischen Vorsitz der Comitialform genähert wird, strafverfaiiIn cler Kaiserzeit ist, neben der modificirten Wiederaufnahme a Kletzen ^ e n magistratisch-comitialen Strafprozesses in dem consularischsenatorischen Gerichtshof, in dem Kaisergericht der ursprüngliche rein magistratische Prozess oder, was dasselbe ist, die ursprüngliche magistratische Coercition unter Ausschluss aller directen oder indirecten Mitwirkung der Bürgerschaft wieder auferstanden und hat in allmählichem Fortschreiten sowohl den consul arisch- senatorischen wie den Quästions- und den delictischen Privatprozess aufgesogen, zum Theil unter Festhaltung der Parteirollen als Accusationsprozess, zum Theil unter Beseitigung derselben als Cognition.

Sechster Abschnitt.

Die

Person·

Der Begriff des Verbrechens beruht auf der Sittlichkeit der Bedingungen Menschennatur. Die Verletzung des dem Menschen obliegenden d e r s t r a f e * Verhaltens findet ihre Richtschnur zunächst an dem eigenen Pflichtgefühl , dem Gewissen des Einzelnen. Unbestimmt in seinen Grenzen und keinem äusseren Zwang unterworfen, erlangt dieser Pflichtbegriff im Staate bestimmten Inhalt und festen Rückhalt; die Strafordnung ist das verstaatlichte Sittengesetz. Hier soll dies im Allgemeinen nachgewiesen, sollen die Handlungs- und Straffähigkeit der Person, der delictische Wille, die delictische That als Voraussetzungen eines jeden Strafacts dargethan werden, wobei vorbehalten bleibt auf die einzelnen dabei in Frage kommenden Momente bei den speciellen Delicten eingehender zurückzukommen. Der Mensch, insofern er dem Sittengesetz unterliegt und dem Die betreffenden Staate angehört, ist dem Strafgesetz unterworfen, ohne Unterschied der Rechtsstellung. Wir zählen die Kategorien auf, bei denen entweder die Delictfähigkeit überhaupt oder durch Ausscheidung aus dem Staat die Straffähigkeit ausgeschlossen ist. Begrifflich verschieden werden Delict- und Straffähigkeit zweckmässig in der Behandlung vereinigt.

Person,

1. Die Delictfähigkeit mangelt den leblosen Wesen. Nie ist Sclaven und von den Römern, wie dies bei Völkern lebhafterer Phantasie wohl T h i e r e * geschehen ist, das Beil vor Gericht gestellt worden, das einem Menschen Verderben gebracht hat. Dagegen ist, in naiver und für den Sclavenstaat charakteristischer Auffassung der ursprünglichen Wirthschaft, die Persönlichkeit und deren Consequenz, die B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n ,

röm. Strai'r.

5

66

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Zurechnungsfähigkeit auf die Hausthiere erstreckt worden. Es unterliegt das Hausthier, gleich dem unfreien Menschen, der häuslichen Ordnung und Zucht und wegen der von dieser sich entfernenden Quasi - Handlung ist der Eigenthümer im Wege der Noxalklage verantwortlich. Zur Anwendung kommt diese eigenartige römische und mit römischer Zähigkeit bis in die Spätzeit hinab festgehaltene Anschauung lediglich 1 bei der Körper- und der Sachbeschädigung und es kann daher auf den betreffenden Abschnitt des vierten Buchs verwiesen werden. Verstorbene.

2. Ausgeschlossen ferner ist der Todte. Die Thatsache des Verbrechens wird durch den Tod nicht geändert, aber die persönliche Durchführung der Bestrafung des Verbrechers macht im Privatstrafrecht der Tod unmöglich. Wiedervergeltung und Rache können nur an dem Lebenden geübt werden 2. Es erstreckt sich dies auch auf den Mord und die Brandstiftung und überhaupt auf die nicht unmittelbar gegen den Staat gerichteten Delicte ; bei dem Mord und der Brandstiftung ist auch nach ihrer Uebertragung in das öffentliche Strafverfahren (S. 60) der Ausschluss der Ahndung nach clem Tocle beibehalten worden 3 . Insoweit ist in historischer Zeit cler Wegfall der Strafe durch den Tod des Verbrechers im Strafrecht durchgeführt worden. In dem Grenzgebiet der delictischen und der nicht delictischen Forderung giebt es kein sichreres Kriterium als den Ausschluss oder die Zulassung des Uebergangs der Klage auf die Erben (S. 6). Indess unterliegt dieses Gesetz den folgenden Beschränkungen. a. Für das öffentliche Verbrechen der ältesten Epoche, das heisst für das unmittelbar gegen den Staat gerichtete, gilt die Regel nicht; die Verfluchung wirkt über das Grab hinaus und die 1 Die Erstreckung der Straffähigkeit auf das Hausthier erscheint auch bei dem Abpflügen des Grenzsteins im öffentlichen Strafrecht (Festus p. 368), gehört aber hier zu den ältesten, noch in sacralen Anschauungen befangenen Ordnungen. 2 Gaius 4, 112: est. .. certissima iuris régula ex maleficiis poenales action es in heredem nec competere nec dari solere, veluti furti, vi bonorum raptorum y iniivriarum, damni iniuriae. 3

Dig. 48, 1, 3. 6, tit. 16, 15, 3, tit. 19, 20, wo dies begründet wird durch den Zweck der Strafe, die Menschen zu bessern (S. 4 A. 1). Es gilt dies im späteren Recht auch von dem Angeklagten, der gesucht wird (Dig. 48, 17, 1, 4) und im Allgemeinen von dem in erster Instanz Verurtheilten (Dig. 28, 1, 13, 2. 49, 13, 1 pr. tit. 14, 9. Cod. 7, 66, 3. 9, 6, 6); jedoch soll hier, wenn es sich um Vermögensconfiscation handelt, unter Umständen das Verfahren weiter gehen.

Sechster Abschnitt.

Die Person.

67

Verhinderung der Bestattung oder die Zerstörung des Grabes, vor allem die Verwünschung des Gedächtnisses können auch nach dem Tode noch eintreten. Auch später wird bei dem Perduellionsprozess — nicht bei dem Majestätsprozess überhaupt — und bei der Häresie abweichend von der sonst im Criminalrecht geltenden Anknüpfung der Strafe an das Erkenntniss od'er Avas diesem gleichsteht (Geständniss, Selbstmord), diese vielmehr angeknüpft an den Zeitpunkt der That, die Verurtheilung zurückdatirt. Demnach kann dies Verfahren, insofern dasselbe eine schon bestehende Strafbarkeit lediglich declarirt, mit allen seinen ehrenrechtlichen und vermögensrechtlichen Consequenzen auch nach dem Tode des Beschuldigten begonnen werden Da ehrenrechtliche Consequenzen nur im eigentlich delictischen Prozess gezogen werden können, so muss dieses Strafverfahren hier als Strafverfahren gegen den Todten angesehen werden. Die vermögensrechtlichen Folgen werden civilrechtlich gegen die Erben oder die sonst Beikommenden geltend gemacht. b. Wenn der Strafprozess, soweit er zwischen Parteien geführt wird, bei Lebzeiten des Angeschuldigten begonnen und bis zu der Litiscontestation oder einem dieser gleichwerthigen Act geführt worden ist, so gilt er damit als bedingt entschieden und wird nach dem Tocle des Beklagten unter Beschränkung auf die Vermögensfolgen des behaupteten Delicts gegen die Erben zu Ende geführt. Es erstreckt sich dies auf das Privatdelict und im öffentlichen Verfahren auf den Accusationsprozess2. Auf die im Wege der Inquisition oder der Cognition geführten Strafprozesse ist dies nicht anwendbar. 1

Das Weitere im vierten Buch bei der Perduellion und bei der Häresie. Repetundengesetz Z. 29 : [de iudicio in eum quei mortuos ejrit aut in exilium abierit. Quotum nomen ex h. I. delatum eri[t, sei is ante mortuos erit . . . . aut in exilijum abierit, quam ea res iudicata erit, pr(aetor) . . . . [earn] rem ab eis item quaerito (das folgende ist verloren). Paulus Dig, 44, 7, 33: constitutionibus, quibus ostenditur heredes poena non teneri, plaçait , si vivus conventus fuerat, etiam poenae persecutionem transmissam videri quasi lite contestata cum mortuo. Modestinus Dig. 48, 2, 20: ex ceteris vero delictis (mit Ausschluss von Majestät und Repetunden) poena incipere ab herede ita demum potest , si vivo reo accusatio mota est, licet non fuit condemnatio secuta. Ulpian. Dig. 48, 4, 11: is qui in reatu decedit, integri [status (also Ausschluss der Infamie) decedit ; extinguitur enim crimen mortalitate. Diocletian Cod. 4, 17, 1 : post litis contestationem eo qui vim fecit vel concussionem intulit vel aliquid deliquit defuncto successores eius in solidum, alioquin in quantum ad eos pervenit conveniri iuris absolutissimi est, ne alieno scelere ditentur. Vgl. Dig. 28, 1, 13, 2. 49, 13, 1. Cod. 7, 66, 3. — E s beruht dies im Privatprozess darauf, dass die Litiscontestation eine bedingte Ver5* 2

68

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

c. Die Klage wegen Erpressung (repetundae) ist ihrem Ursprung nach nicht delictisch, sondern eine Condiction wegen rechtlosen Habens und kann darum auch gegen die Erben eingebracht werden 1 . d. Die Entwendungsklage als solche geht nicht gegen die Erben; aber durch eine juristische Fiction, die wahrscheinlich daraus hervorging, dass man die Erben des Diebes nicht besser gestellt wissen wollte als die Erben des Schuldners, wurde dem bestohlenen Privaten und ebenso bei dem Peculat dem Staate, gleich wie wenn sie contractliche Gläubiger wären, eine Klage auf den Werth der gestohlenen Sache, die condictio furtiva gegen den Dieb und dessen Erben eingeräumt 2 . e. Die dem Erblasser aus seinem Verbrechen zugeflossene und an die Erben gelangte Bereicherung wird denselben entweder zu Gunsten des Verletzten 8 oder, wo dies nicht anwendbar ist, von Staatswegen abgenommen 4 . Exiiirte.

3. Ausgeschlossen von dem römischen Strafverfahren ist nicht minder, wer aus clem Bereich der römischen Jurisdiction ausgeschieden ist. Da derselben sowohl der römische Bürger unterworfen ist, auch wenn er im Ausland sich befindet, wie auch der auf römischem Gebiet befindliche Ausländer, so sind nur die im Ausland lebenden Ausländer ausgeschlossen und kann der römische Bürger sich ihr nur entziehen, indem er einerseits das römische Gebiet verlässt (solum vertere), andrerseits einem von Rom anerkannten, formell unabhängigen Staat als Bürger oder doch in solcher Weise sich anschliesst, dass durch diesen Anschluss sein römisches Bürger-

urtheilung ist, der Geschworenenspruch nicht eigentlich ein Urtheil, welches ja nur der Magistrat fällen kann, sondern die Erledigung der Bedingung. Auf die Quästion, bei welcher eine eigentliche Litiscontestation nicht stattfindet, ist dies aus dem Privatprozess übertragen. 1 Das Weitere bei den Repetunden. 2 Das Weitere bei der Entwendung. 3 Diesen bei der Bereicherung des Vaters durch den Diebstahl des Sohnes aufgestellten Satz (Dig. 15, 1, 3, 12) wird man analogisch erweitern dürfen. 4 Dig. 3, 6, 5 pr. : est constitutum turpia lucra heredibus quoque extorqueri y licet crimina extinguantur, ut puta ob falsum vel iudici ob gratiosam sententiam datum et heredi extorquebitur et si quid aliud scelere quaesitum. Dig. 48, 1, 6: defuncto eo qui reus fuit criminis et poena extincta in quacumque causa criminis extincti debet is cognoscere, cuius de pecuniaria re cognitio est. 48, 10, 12. 49, 14, 9. Cod. 4, 17, 1 (S. 67 A. 2).

Sechster Abschnitt.

Die Person.

69

recht aufgehoben wird 1 . Dies ist der 'Austritt', das exilium, oder in seiner späteren politischen Anwendung, nach cler polybischen Bezeichnung, die Selbstverbannung 2, und es ist die Handhabung dieses strafrechtlich wichtigen Acts hier zu entwickeln. Zu unterscheiden sind dabei der Austritt, ohne class der Austretende im Prozess befangen ist, der Austritt bei schwebendem Vermögensund der Austritt bei schwebendem Capitalprozess. a. Wer aus der römischen Jurisdiction in der vorher bezeichneten Weise in eine andere von clen Römern anerkannte übertritt, kann wegen einer vorher contrahirten Schuld oder wegen eines vor clem Austritt begangenen Verbrechens, falls dafür nicht vor dem Austritt ein römisches Rechtsverfahren eingeleitet ist, nur vor seinem gegenwärtigen Gericht belangt werden 3 . Selbstverständlich verfällt er clem römischen Gericht, so wie er wieder clas römische Gebiet betritt, und es ist auch nicht ausgeschlossen, wie im neunten Abschnitt gezeigt werden wird, dass die römische Gemeinde von derjenigen, welcher der Ausgewanderte jetzt an1

Die staatsrechtliche Bedeutung des Exilium (St. R. 3, 48 fg.) wird hier vorausgesetzt werden. Das römische Bürgerrecht, welches direct aufzugeben der römische Bürger nicht befugt ist, geht verloren durch die Incompatibilität desselben mit der Zugehörigkeit zu einem andern von Rom als in vollem Sinn autonom anerkannten Staate, im Wege der Uebersiedelung (solum vertere) und der damit verbundenen Erwerbung des dortigen Bürger- oder Schutzrechts. Diese Aufhebung des römischen Bürgerrechts, auf welche es im Strafrecht bei dem Exilium allein ankommt , vollzieht sich auf Grund der bestehenden Staatsverträge ohne Mitwirkung weder der Austritts- noch der Eintrittsgemeinde. 2 ' Εκούσιος φνγαόεία: Polybius 6, 14. Cicero pro Caec. 34, 100: exilium non supplicium est, sed perfugium portusque suppliait; nam quia voluntpoenam aliquam subterfugere aut calamitatem, eo solum vertunt, hoc est sedem ac locum mutant, itaque nulla in lege nostra repenetur, ut apud ceteras civitates, maleficium ullum exilio esse multatum, sed cum homines vincula neces ignominiasque vitant, quae sunt legibus constitutae, confugiunt quasi ad aram in exilium, qui si in civitäte legis vim subir e vellent, non prius dvitatem quam vitam amitterent. Dieser Gebrauch des Wortes, über welches weiter im fünften Buch gehandelt ist, wechselt allerdings schon bei Cicero mit dem späteren, da diese Epoche neben der freiwilligen Verbannung auch die Verbannung als Strafe kennt (am bestimmtesten geschieden bei Cicero de domo 27, 72: exilium . . . est turpe . . . si est poena damnati). 8 Ulpian. Dig. 47, 2, 41, 3: si quis post noxam admissam hostium servus fuerit factus, videndum est, an extinguatur actio (furti). et Pomponius scripsit extingui actionem et si fuerit r ever sus, p^ostliminio vel quo alio iure renasci eam actionem debere; et ita utimur. Dass das Postliminium, indem es den Eigenthumswechsel annullirt, auch dessen Folgen aufhebt, versteht sich von selbst ; das Princip ist darum nicht minder deutlich.

70

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

gehört, die Auslieferung verlangt, insoweit nicht Staatsverträge im Wege stehen. Wird die Auslieferung vollzogen und gelangt der Ausgelieferte also wieder unter römische Jurisdiction, so wird ihm in Rom der Prozess gemacht ; aber ohne Competenz des römischen Gerichts zur Zeit der Prozesserhebung ist weder ein öffentlicher noch ein Privatprozess möglich. — Zulässig war verm u t l i c h auch in diesem Fall die gleich zu erörternde Untersagung von Dach, Wasser und Feuer; indess liegen von der Anwendung derselben auf dergleichen Individuen keine Beweise vor. Exiinm des b. Wer bei schwebender contractlicher oder delictischer Privatschnidners. ] t ] a g e 0 ( j e r schwebendem auf Geld gerichteten comitialen oder Quästionsprozess aus der Jurisdiction ausschied, entzog sich damit der personalen Verurtheilung; auf Addiction des nicht zahlenden Schuldners konnte das römische Gericht nicht erkennen, wohl aber auf Einweisung der Berechtigten in clas Vermögen 1. Sicher ist diese Nothhülfe oft von solchen gebraucht worden, die vor dem Bankerott standen ; erwähnt wird sie bei clen das Repetundenverfahren vorbereitenden recuperatorischen Erpressungsprozessen des Jahres 583/171 gegen clie spanischen Statthalter 2 , und dasselbe Verfahren ist offenbar auch gemeint in dem Repetundengesetz cler gracchanischen Zeit bei Insolvenz des Beklagten 3 . Da in clen genannten Prozessen cler Beklagte durchaus sich auf freiem Fuss befand, so konnte ihm der Austritt aus der Jurisdiction, für den, wie bemerkt, der factische Wohnungswechsel erforderlich war, weder von clem Kläger noch von Seiten des Gerichts verwehrt werden. Dass ausser cler in solchem Fall selbstverständlicheniVerurtheilung und dem unvermeidlichen Concurs an diese Auswanderung sich Rechtsnachtheile knüpften, ist nicht bezeugt, unci dass gegen die Rückkehr dieser Klasse von Exulanten allgemeine Massregeln getroffen worden sind, nicht wahrscheinlich; wohl aber mögen für einzelne Kategorien, namentlich wo auf diesem Wege der Exulant einer persönlichen Strafe sich entzogen hatte, derartige Bestimmungen getroffen worden sein. Exilium des c. Bei schwebendem Capitalprozess kommt vor allem in Beverbrechers. bracht, dass nach dem eben Gesagten die Verhaftung dem An1

Unter denen, deren Vermögen die Gläubiger in Besitz nehmen dürfen, nennt das prätorische Edict den, qui exilii causa solum verterit (Cicero pro Quinctio 19, 60). 2 Livius 43, 2, 10. 3 S. 67 A. 2. Hierher gehört auch wohl Festus ep. p. 81 : exilica causa quae adver sus exidem agitur.

Sechster Abschnitt.

Die Person.

71

geschuldigten den Austritt abschneidet, diese aber bei dem comitialen Capitalprozess wahrscheinlich bis hinab auf das letzte Jahrhundert der Republik von dem Belieben des prozessleitenden Beamten abhing. Wenn dieser in früherer Zeit häufig von der Verhaftung absah, späterhin zu derselben nicht schreiten durfte, so darf dies wohl dahin aufgefasst werden, dass entweder der Beamte oder die Gesetzgebung selbst dem Angeschuldigten es nahe legte, durch Selbstverbannung eine Milderung des Strafverfahrens herbeizuführen. Wenn in solcher Weise bei schwebendem Capitalprozess der Angeschuldigte zu dem Wechsel der Jurisdiction greifen konnte und greifen wollte, so kann das römische Gericht die Todesstrafe ebenso wenig ausgesprochen haben, wie in dem vorher erwähnten eine Busse, da ein solches Erkenntniss entweder gegenstandslos sein würde oder ein Eingriff in die souveräne Gewalt eines verbündeten Staats. Dabei wird freilich vorausgesetzt, dass der betreffende Bundesvertrag nicht für derartigen Uebertritt Ausnahmen festsetzte, was wohl der Fall gewesen sein kann, und weiter, dass in Ermangelung solcher Clauseln die römische Gemeinde nicht ausnahmsweise die Dedition forderte, welches bundesfreundliche Ersuchen nicht leicht abgelehnt werden konnte. \'ielleicht nicht durchaus mit rechtlicher Nothwendigkeit 1 , aber offenbar regelmässig wurde bei dem auf freiem Fuss prozessirten Angeklagten durch den Austritt eine Strafmilderung erreicht. Derselbe tritt auf als „Bitte um Nachsicht" (excusatio) mit Rücksicht auf den Austritt und es wird diese Bitte nicht mit dem magistratischen Spruch in Verbindung gebracht, sondern mit dem comitialen, der Gnadeninstanz 2 . Der Prozess ging nach dem Austritt weiter und führte 1

Es liegt kein sicherer Beleg dafür vor, dass gegen einen solchen Exul der Prozess fortgeführt worden ist. Livius 29, 21, 1: Pleminium . . . auditis quae Bomae acta essent in exilium Neapolim euntem forte in Q. Metellum . . . . incidisse et ab eo Begium vi retractum tradunt. Asconius in Scaur, p. 23: L. Tubulus . . . propter multa flagitia cum de exilio accer situs esset, ne in car cere necaretur, venenum bibit. In dem erstem Fall ist der Austritt nicht durchgeführt; in dem zweiten können spätere nach dem Austritt begangene Frevel in Betracht gekommen sein. — Das Strafverfahren gegen den abwesenden römischen Bürger, von dem später zu handeln ist, ist nicht zu verwechseln mit dem gegen den gewesenen. 2 Liv. 3, 13, 9: iudicii die, cum excusaretur (Kaeso Quinctius) solum vertisse exilii causa, nihilo minus Verginio comitia habente collegae appellati dimisere concilium. 3, 58, 10: (decemviri) exilii causa solum verterunt; bona publicata sunt. 25, 4, 9: Postumius vadibus datis non ad fuit tribuni plebem rogaverunt plebesque ita scivit> si M. Postumius ante lai. Maias non prodisset citatusque

Erstes Buch.

72

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

die Verurtheilung herbei, aber diese selbst beschränkte sich, wie bei dem Tode des Angeschuldigten, auf die Vermögensconfiscation, falls diese durch das Delict verwirkt war. Daran schloss sich, mindestens häufig, vielleicht ständig, ein Volksschluss1, welcher diesem Verurtheilten für alle Zukunft Dach, Wasser und Feuer interdiction untersagte 2. Diese Interdiction ist kein strafrechtlicher, sondern üd F^uir e * n ^ministrativer Act, eine nach der älteren Ordnung nur gegen Nichtbürger zulässige Untersagung des Betretens des römischen Gebiets , der dauernde Ausschluss von dem im Allgemeinen dem Fremden auf römischem Gebiet gewährten Rechtsschutz und im Fall des Zuwiderhandelns die Androhung ihn so wie jeden, der ihn aufnimmt oder sonst unterstützt, als Landesfeind zu behandeln3. Schwerlich ist diese Interdiction aus dem römischen Strafverfahren hervorgegangen, vielmehr aller Wahrscheinlichkeit nach zunächst ein Mittel einzelne Ausländer, die ein für allemal fern gehalten werden sollten, nicht bloss auszuweisen, sondern ihnen auch die Rückkehr in nachdrücklicher Weise zu verlegen 4. Die Aufgabe des Bürgerrechts hätte an sich den gewesenen Bürger nicht verhindert nach Rom zurückzukehren und dort nach Fremdeneo die non respond isset, neque excusatus esset, videri eum in exilio esse (welches also hier nicht nachgewiesen war, sondern vorausgesetzt wurde), bonaque eins venire, ipsi aqua et igni placer e interdict. 26, 3, 12: (von mir St. R. 3, 49 A. 3 unrichtig bezogen): Cn. Fulvius exulatum Tarquinios abiit; id ei iustum exilium esse scivit plebs. 1 Dies scheint die von Livius a. a. Ο. angedeutete Procedur zu sein. Die Capitalklage ging an die Centurien; in Form des Plebiscits konnte sie nicht erledigt werden. Die Ausweisung bloss durch den Magistrat band dessen Nachfolger nicht. 2 Die Untersagung von Dach, Wasser und Feuer (so vollständig Cicero de domo 30, 78; Appian b. c. 1, 31; Plutarch Mar. 29, Cie. 32), gewöhnlich von Wasser und Feuer schliesst sich regelmässig an das criminelle Exilium an; so allgemein Festus p. 1. v. aqua und in den Prozessen des Postumius (S. 71 A. 2), des P. Popillius (Cicero de domo 31, 82), des Q. Metellus (Livius ep. 69), des Cicero (de domo 18, 47 und sonst). Verbunden damit ist die execratio (St. R. 3, 52). Diese alle sind Capitalverfahren; dass, wenn der Angeklagte bei einem Multaprozess zum Exilium griff, die Interdiction gefolgt sei, ist unerweislich und nicht wahrscheinlich. 8

Ueber die Rechtsfolgen des Bannbruchs bei der Interdiction ist im fünften Buch bei der Todesstrafe gehandelt. 4

Darum lässt die Legende die Interdiction zuerst ausgesprochen werden gegen die laviniatischen Mörder des Königs Tatius (Dionys. 2, 53). Wo sonst in vorsullanischer Zeit diese Interdiction begegnet, richtet sie sich gegen Nichtbürger, namentlich gegen den Exul, auch gegen Q. Metellus Numidicus, nachdem er in Folge der Nichtleistung des geforderten Eides das Bürgerrecht verloren hatte.

Sechster Abschnitt.

Die Person.

73

recht zu leben. Wenn aber die Selbstverbannung zur Abwendung einer Capitalstrafe gebraucht worden war, so wurde einem solchen ausgetretenen Bürger mit dem Erlass der vollen Strafe zugleich die Rückkehr in die Heimath ein für allemal abgeschnitten. — Bei der weiteren Entwickelung des Strafrechts hat die Tendenz der Beseitigung der Todesstrafe hauptsächlich sich dieses Exils in Verbindung mit der Interdiction bedient, um die Vollbestrafung durch Substituirung der Selbstverbannung, zu beseitigen — Dass unter dem Principat dieselbe verschwunden ist, hängt wohl mit dem strafferen Anziehen sowohl der Strafjustiz wie des Reichsregiments überhaupt zusammen. Das Absehen von der gesetzlich verwirkten Strafe desswegen, weil der Schuldige von Rom seinen Wohnsitz aus der Hauptstadt nach Massalia verlegt, schickt sich wohl für die lässige Comitialjustiz, aber nicht für die spätere geschärfte Rechtspflege, und auch die Souveränetät cler föderirten Städte, auf der die Möglichkeit des Austritts aus der römischen Jurisdiction unter Verbleiben im römischen Reiche beruht, ist unter dem Principat nicht mehr ernst genommen worden 2. — Von der Interdiction des späteren Rechts, der theoretisch und praktisch von dem alten Exilium gänzlich verschiedenen Relegation aus Italien bei Strafe des Bannbruches, welche durch Sulla unter die Bürgerstrafen eingetreten ist, wird im fünften Buch gehandelt werden. 4. Ausgeschlossen sind die Rechtssubjecte, auf welche der Begriff der Sittlichkeit keine Anwendung findet. Es gilt dies von jeder Gemeinschaft mehrerer Personen3, auch dann, wenn derselben vom Staat die rechtliche Handlungsfähigkeit beigelegt ist. Die Handlung, welche vermögensrechtlich als die einer Körperschaft angesehen wird, ist ethisch gefasst und also strafrechtlich die Handlung der einzelnen dabei zusammenwirkenden Individuen und die dabei etwa durch Gewalt oder Betrug verwirkte Strafe trifft diese allein 4 . Wohl wird der sacrale und der internationale 1

Gemeinden.

Polybius 6, 14. 2 St. R. 3, 703. 3 Wenn delictische Begriffe auf eine Gesammtheit bezogen werden, der Aufstand zum Beispiel als vis des populus gefasst wird (Dig. 4, 2, 9, 1), so ist populus nur eine abgekürzte Bezeichnung für die mehr oder minder grosse Zahl der Vergewaltiger. Das Strafrecht kennt nur aufständische Bürger, keine aufständische Bürgerschaft. 4 Dig. 4, 3, 15, 1: an in vmnicipes de dolo detnr actio, dubitatur; et puto ex suo quidem dolo non posse dari; quid enim municipes dolo facere possunt ? ...

74

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

Schuldbegriff, bei welchen für Prozess und Strafe der Götterzorn und der Krieg eintreten, von den Römern auf die eigene wie auf jede andere voll- oder halbfreie Gemeinde bezogen; und wenn in solchen Fällen die römische Regierung sich vielfach damit begnügt, die That einzelnen Personen zur Last zu legen1 und im Wege der internationalen Verhandlung deren Auslieferung zur Bestrafung nach römischem Recht herbeizuführen, worauf wir im neunten Abschnitt dieses Buches zurückkommen werden, so kann sie immer auch als That der Gemeinde aufgefasst und, wenn Gegenwehr zu erwarten ist, derselben der Krieg erklärt oder, wo dies nicht der Fall ist, die Gemeinde nach den Regeln der Dedition behandelt, ihr eine Geldbusse2 oder eine Gebietsabtretung auferlegt, auch ihre Auflösung ausgesprochen werden 3. Aber es sind dies Acte der Verwaltung und allenfalls der Gesetzgebung, wie denn, wenn eine römische Gemeinde nach Kriegsrecht behandelt werden soll, das Deditionsverfahren nur zur Anwendung kommt nach Einwilligung der Comitien 4 . Niemals erfolgt dieser Act in den Formen des de dolo autem decurionum in ipsos decuriones dabitur de dolo actio. Geklagt wird auch in diesem Falle gegen die Curialen; eine Bestrafung der Curie selbst ist widerrechtlich, wie dies zum Beispiel Maiorian ausspricht nov. 7, 11: numquam curiae a provinciarum rector ibus generali condemnatione multentur, cum utique hoc et aequitas suadeat et régula iuris antiqui (die freilich hieher nicht gehört),. ut noxa tantum caput sequatur ne propter unius fortasse delictum alii dispendiis adfligentur. 1

Paradigmatisch mag hier angeführt werden das Verfahren gegen die Tusculaner im J. 416/338 (Liv. 8, 14, 4): Tusculanis servata civitas quam habebant crimenque rebellionis a publica fraude in paucos auctores ver sum. Von anderen Belegen sind die Annalen voll. Dabei wird formell streng unterschieden zwischen der Verschuldung publico consilio (Liv. 1, 24, 8. 6, 6, 5. 8, 23, 5. 21, 18, 6) und der Verschuldung einzelner Personen. 2 In diesen Kreis, das heisst in die Coercition fallen auch geringere Verschuldungen, zum Beispiel die den Iliensern von Agrippa wegen unehrerbietigen Verhaltens gegen seine Gemahlin auferlegte Geldbusse (Nicol. Damasc. vit. p. 3). 3 4

Ueber die Aberkennung der Autonomie vgl. St. R. 3, 687 A. 2.

Als ebenfalls paradigmatisch erwähne ich das gegen die der römischen einverleibte Bürgerschaft von Tusculum im J. 431/323 beantragte Plebiscit (Liv. 8,37, 8): ut in Tusculanos animadverteretur (womit, wie nachher gesagt wird, Hinrichtung der erwachsenen Männer, Verkauf zur Sclaverei der Kinder und der Weiber gemeint ist), quod eorum ope ac consilio Veliterni Privernatesque populo Romano bellum feàssent. Es ist dies wohl factisch ein iudicium popidi } in dem Sinn wie der Ausdruck auch Liv. 4, 7, 5 verwendet wird; aber ein magistratisch-comitiale& Gericht ist es nicht, sondern ein Gesetz, wie die Benennung rogatio Flavia und die Wendungen ferre ad populum und legem antiquare erweisen. Dasselbe gilt

Sechster Abschnitt.

Die Person.

75

Strafrechts. Wohl aber kann die ganz- oder halbfreie Gemeinde und überhaupt jede Körperschaft, welche durch die Folgen eines von Individuen begangenen Delicts bereichert ist, zur Herausgabe dieser Bereicherung angehalten werden 5. Ausgeschlossen sind weiter diejenigen Personen, welchen die Handlungsfähigkeit abgeht und auf die also das Sittengesetz keine Anwendung findet. Es tritt dies ein a. bei mangelnder Altersreife. Nach den natürlichen Verhält- Kinder, nissen gelangt der Mensch zur Handlungsfähigkeit erst in allmählicher Entwickelung; die Grenze aber ist nicht bloss für die einzelnen Personen verschieden, sondern auch für clie verschiedenen Strafhandlungen keineswegs die gleiche. Diese die Strafrechtspflege erschwerende Sachlage hat im Zwölftafelrecht zu der Aufstellung einer positiven Grenze geführt, der rechtlichen Anknüpfung der Straffähigkeit an die Geschlechtsreife und die Ehemündigkeit 2 , obwohl die Zulassung der bei mangelnder Handlungsfähigkeit ebenfalls ausgeschlossenen Coercition 8 so wie die des im gleichen Fall ebenfalls ausgeschlossenen Schadensersatzes4 beweisen, dass schon nach diesem Gesetzbuch die Handlungsfähigkeit selbst als Thatfrage behandelt ward. Das spätere Recht hat hieran insofern festgehalten, als in Beziehung auf die hienach als strafmündig betrachteten Individuen die Frage, ob im einzelnen Fall in der That das Verständniss des Verbrechens vorhanden gewesen ist, wenigstens von dem Verfahren gegen die Bürgergemeinde Capua im hannibalischen Kriege (Liv. 26, 33, 10: per senatum agi de Campanis, qui cives Romani sunt, iniussu populi non video posse). Wichtig ist dies für die richtige Auffassung des Begriffs der römischen abhängigen Bürgergemeinde: ihr bleibt die Autonomie so weit, dass gegen sie eine Kriegserklärung rechtlich möglich ist. 1 Dig. 4, 3, 15, 1. 43, 16, 4. 2 Hinsichtlich der Controverse, ob die Pubertät und die Mannbarkeit nach der individuellen Entwickelung zu bestimmen sei oder, was früh tiberwog, fiir jene das vollendete vierzehnte, für diese das vollendete zwölfte Jahr genüge, kann auf das Civilrecht verwiesen werden. 3 Diese wird angeordnet für die Abweidung der Feldfrüchte (Zwölftafeln 8, 3) und für die Entwendung (S. 41 A. 2). 4 Zwölftafeln 8, 13 = Gellius 11, 18, 8: pueros impuberes praetoris arbitrato verberari voluerunt noxiamque ab his factam sarcirL Von einer noxia kann nicht die Rede sein, wenn gar keine Verschuldung vorliegt; die Bestimmung lässt sich nur dahin verstehen, dass der Vater alsdann den Schaden ersetzen soll, ohne dass er durch noxae datio sich befreien kann. Bei nicht in der Gewalt stehenden Kindern trifft die Ersatzpflicht sie selbst.

76

Erstes Buch.

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

in unseren Rechtsquellen nirgends aufgeworfen wird 1 . Dagegen ist die Bestimmung des älteren Rechts, dass wegen einer vor Eintritt der Pubertät oder der Mannbarkeit begangenen That auf eigentliche Strafe nicht erkannt werden kann, nur hinsichtlich der Todesstrafe festgehalten worden 2 ; im Uebrigen hängt die Zulassung oder der Ausschluss der Strafe ab von der Feststellung im einzelnen Fall 8 . Es ist nur Aussprechen einer Thatsache, nicht positive Vorschrift, wenn bei dem infam, dem Kinde bis zum vollendeten siebenten Jahr, die Frage der Handlungsfähigkeit überall nicht aufgeworfen werden soll 4 , und wenn nach dieser Altersgrenze die Bestrafung zwar als zulässig behandelt, aber bei Kindern, die jener unteren Grenze nahe stehen, nicht leicht auf Strafe erkannt 5 , unter allen Umständen aber gefragt wird, ob der Unmündige das Verständniss des Verbrechens gehabt hat oder nicht 6 . 1 Allerdings wird jede Strafe durch den Dolus bedingt; aber dass auch nach der Pubertät die mangelnde Altersreife diesen ausschliessen kann, wird nirgends hervorgehoben. Von der Strafmilderung für Minorenne wird bei der Strafbemessung die Rede sein. 2 Dig. 21, 1, 23, 2: Pomponius ait neque impuberem neque furiosum capitalem fraudem videri admisisse. Diese Rechtsregel wird verhöhnt durch ihre formale An-

wendung (Dio 47, 6 : xcà αλλα π . .. πολλά παρηνομή&η — von den Triumvirn — χαϊ παιδίαχον τινά ίς ίφήβους ίαήγαγον, ϊν' ο)ς ίς άνάρας η#η τελών «πο&άνιβ

und in noch empörenderer Weise bei der Hinrichtung der Tochter des Seianus (Tacitus ann. 5 , 9 ; Dio 58, 12), bei welcher das Rechtshinderniss ohne Zweifel nicht die Jungfräulichkeit war, sondern das Kindesalter. 8 Das Princip spricht am schärfsten aus Alexander Cod. 9, 47, 7: impunitas delictis propter aetatem non datur, si modo in ea quis sit, in quam crimen quod intenditur cadere potest . Hievon, nicht von der Strafmilderung spricht wohl auch Paulus Dig. 50, 17, 108: fere in omnibus poenalibus iudiciis et aetati et imprudentiae succurritur; die beiden Begriffe werden zusammengenommen werden müssen. 4 Dig. 9, 2, 5, 2. 47, 2, 23. 48, 8, 12. 5 Dass der admodum impubes (Dig. 47, 12, 3, 1) nicht leicht, leicht dagegen der proximus pubertati (Ga. 3, 208 ; Dig. 4, 3, 13, 1. 44, 4, 4, 26. 50, 17, 111 pr.) der Strafe verfallen kann, ist auch nur enuntiativ, zumal da verständigerweise eine feste Zeitgrenze nicht gezogen wird. 6 Es soll festgestellt werden, ob der angeschuldigte Unmündige das Verbrechen zu fassen vermag {doli capax: Dig. 47, 8, 2, 19. Tit. 10, 3, 1 ; iniuriae capax Dig. 9, 2, 5, 2; eius aetatis, ut rei intellectum capere possent Dig. 29, 5, 14). Dies wird ausgesprochen in Beziehung auf den Diebstahl (Gaius 3, 208 = Inst. 4, 1, 18; Dig. 9, 2, 5, 2. 47, 2, 23. 50, 17, 111 pr.); auf den Raub (Dig. 47, 8, 2, 19); auf die Injurie (Dig. 47, 10, 3, 1. 50, 17, 111 pr.); auf Sachbeschädigung (Dig. 9, 2, 5, 2. 47, 2, 23. 50, 17, 111 pr.); auf Gräberschädigung (Dig. 47, 12, 3, 1); auf die Dolusklage (Dig. 4, 3, 13, 1); auf das Falsum (Dig. 48, 10, 22, pr.) mit dem Bemerken, dass dies Delict auf ein solches Alter nicht wohl passe ; ebenso auf

Sechster Abschnitt.

Die Person.

77

b. bei mangelnder geistiger Gesundheit. Geisteskrankheit hebt Geistesdie Handlungsfähigkeit auf; die Vornahme des geistig Gestörten k r a n k e · kann also unter keinen Umständen als Verbrechen behandelt werden 1. Auf die schwierigen hiebei sich ergebenden psychologischen Probleme lässt die römische Rechtswissenschaft sich nur in so weit ein, dass bei intervallirender Störung für die lichten Zwischenräume die Handlungsfähigkeit anerkannt wird 2 . c. Dass durch andere seelische Zustände, durch Rausch oder Leidenschaft, die Handlungsfähigkeit aufgehoben werden kann, wird nach römischer Auffassung geleugnet werden müssen. Gemindert wird durch dieselben die ethische Verschuldung allerdings, und insofern wird im fünften Buch bei der Strafbemessung darauf zurückzukommen sein. 6. Ausgeschlossen endlich ist die Strafe bei jeder pflichtmässig Rechtegebotenen oder gesetzlich gestatteten Handlung. Es tritt dies e i n b a n d l u n p r e n · a. bei Handlungen auf Gruncl einer für den Handelnden verbindlichen Pflicht oder eines clen Handelnden bindenden Befehls. Wenn der Magistrat innerhalb seiner Competenz dem ihm zum Gehorsam Verpflichteten eine Handlung vorschreibt, so ist der Befehlende wie der Gehorchende straffrei 8 . — Dasselbe gilt von jeder durch die Pflicht gebotenen Handlung, zum Beispiel von der Vertheidigung des Offiziers durch den Soldaten4, des Herrn durch den Sclaven5. — Der Befehl des Herrn an den Sclaven steht dem magistratischen nicht gleich, da auch der Sclave unter das Münzverbrechen (C. Th. 9, 21, 4 = lust. 9, 24, 1, 6). Von der durch den silanischen Senatsbeschluss erweiterten Mordklage war der unmündige Sclave ausdrücklich ausgenommen; die Praxis zog ihn dennoch unter Umständen unter dieselbe (Dig. 29, 5, 14). Bei der Vergewaltigung wird im Gesetz die Pubertät gefordert (Dig. 48, 6, 3, 1). 1 Anerkannt für Parricidium: Dig. 1,18, 13, 1.1.14. 48, 9, 9, 2; — für Tödtung: Dig. 29, 5, 3,11. 48, 8, 12; — für das Majestätsverbrechen: Dig. 48, 4, 7, 3; Cod. 9, 7, 1; — für Injurie: Dig. 47, 10, 3, 1; — für Sachbeschädigung: Dig. 9, 2, 5, 2. 2 In strafrechtlicher Hinsicht anerkannt Dig. 1, 18, 14. Allerdings wird die Gesundheit auch für die Zeit der Bestrafung vorauszusetzen sein. 8 Dig. 9, 2, 37 pr. : liber homo si iussu alterius manu iniuriam dedit, actio legis Aquiliae cum eo est qui iussit, si modo ius imperandi habuit; quod si non habuit, cum eo agendum est qui fecit . Dig. 50, 17, 167, 1: qui iussu iudicis aliquid facit, non videtur dolo malo facere, quia par ere necesse habet. Aehnlich Dig. 50, 17, 169 pr. Die Tödtung eines Aufständischen wird bezeichnet als berechtigt, weil vollzogen iussu consilium: Schrift ad Her. 1, 15, 25. 4 Dig. 49, 16, 6, 8. 9. 6 Dig. 29, 5, 1, 18.

Erstes Buch.

78

Das Wesen und die Grenzen des Strafrechts.

den Staatsgesetzen steht und der Herr ihn von denselben nicht entbinden kann 1 ; vielmehr gelten bei einem in dieser Weise verübten Delict sowohl der Herr wie der Sclave als Thäter 2 . Indess wirkt für den letzteren der Befehl nicht bloss strafmildernd 3 , sondern bei geringeren Verbrechen sogar von der Strafe befreiend 4 . — Aehnlich wird die auf Geheiss des Vaters von dem Haussohn begangene Handlung angesehen5. b. bei Abwehr eines Unrechts können an sich delictische Handlungen, Tödtung, Vergewaltigung, Injurie, Sachbeschädigung, gerechtfertigt erscheinen. Da indess die Zulässigkeit derselben nach der Beschaffenheit des abzuwehrenden Unrechts verschieden, die Tödtung aus Nothwehr anders bedingt ist als der Gewaltgebrauch bei der Nothwehr, sind die Nothwehrfälle bei den betreffenden Delicten behandelt als die Rechtswidrigkeit ausschliessend. c. Abwehr einer Nothlage kann zwar nicht jedes Delict, aber doch die Sachbeschädigung rechtfertigen. Es wird auch dies zweckmässig bei dem betreffenden Delict erörtert. Personale

Innerhalb der hier bezeichneten Schranken unterliegt die Person wie den Normen der Sittlichkeit und des eigenen Geσ

ungleichheit

der Bürger wissens, so auch dem Strafgesetz. Alle persönlichen Verhältnisse, NidWbürger G e s c h l e c h ^ die Familienbeziehungen, die bürgerliche Stellung können in der mannichfaltigsten Weise in die Delictbegriffe und in den Strafprozess eingreifen, aber abgesehen von den bezeichneten Kategorien ist die Fähigkeit ein Delict zu begehen und die Unterordnung unter das Strafgesetz allen gemein. Selbst Freiheit und Unfreiheit machen keinen Unterschied hinsichtlich der Delictfähigkeit; der Eintritt des Freien in die Unfreiheit 6 und der des Unfreien in die Freiheit (S. 80) ändert bei delictischer Ver1

Die Noxa indess soll wegfallen, so dass in diesem Fall der Sclave nach der Freilassung nicht in Anspruch genommen wird (Dig. 44, 7, 20 vgl. 9, 4, 2, 1). 2 Diebstahl : Sabinus bei Gellius 11, 18, 24. Dig. 9, 4, 2, 1. 1. 3. 1. 4, 2. 44, 7, 20. — Injurie: Dig. 47, 10, 17, 7. — Sachbeschädigung: Dig. 9, 2, 44, 1, 1. 45 pr. 3 So bei der Vergewaltigung: C. Th. 9, 10, 4 = lust. 9, 12, 8, 1 und bei der Gräberverletzung: C. Th. 9, 17, 1 = lust. 9, 19, 2. Rhetorisch behandelt so den auf Befehl des Vaters vom Sohn verübten Brudermord Quintilian 9, 2, 88. 4 Dig. 43, 24, 11, 7 = 50, 17, 157 pr.: ad quaedam, quae non habent atrocitatem facinoris vel sceleris, ignoscitur servis , si . . . dominis . . . obtemperaverint. 44, 7, 20. β Dig. 3, 2, 11, 4. 6 Dig. 4, 5, 2, 3: nemo delictis exuitur, quamvis capite minutus sit.

Sechster Abschnitt.

Die Person.

79

schuldung wohl die Form der Geltendmachung aber nicht die Geltendmachung selbst. — Nichts desto weniger bedarf die Delictfähigkeit der Person einer näheren Bestimmung hinsichtlich des Nichtbürgers und namentlich des Unfreien ; und auch die Stellung des höchsten Magistrats, namentlich unter dem Principat ist in Betreff der Rechtsgleichheit in Erwägung zu ziehen. Die Delictfähigkeit eines jeden zurechnungsfähigen und unter der Herrschaft des Gemeinwesens stehenden Menschen ist das Fundament des begrifflich entwickelten Strafrechts. Dennoch besteht in der Behandlung der Delicte zwischen der Frau, dem Ausländer unci dem Unfreien einerseits und clem römischen Bürger andrerseits eine ursprüngliche, wohl im Laufe der Entwickelung geminderte, aber nicht beseitigte Verschiedenheit. Es hat eine Epoche gegeben, wo nur der Bürger ein Rechtssubject war, wo cler Frau im Gemeinwesen kein Platz zukam, wo der freie Ausländer höchstens ausnahmsweise nach Massgabe des zwischen seiner Heimath- und cler römischen Gemeinde bestehenden Vertrags Rechtsschutz fand, wo vor allem der Unfreie nur wie jede andere Sache von wegen des Eigentümers rechtlich geschützt ward. Von dieser ursprünglichen Rechtlosigkeit, nicht bloss des Unfreien, sondern auch des Nichtbürgers, ja sogar der römischen Frau hat die römische Strafordnung sich niemals völlig befreit. Das gesetzliche Strafrecht wird im Laufe der Zeit für alle dasselbe; aber die neben clem Strafrecht stehende Coercition, die magistratische Willkür ist nur gegenüber dem römischen Bürger in clie im vierten Abschnitt erörterten Schranken gewiesen. Die Töcltung des Bürgers auf Befehl cles römischen Magistrats unter Verletzung des Provocationsrechts ist unter allen Umständen ein €apitalverbrechen ; diejenige des Nichtbürgers und vor allem des Unfreien kann auch Missbrauch cler Amtsgewalt sein, aber sie wird theoretisch nicht früh unter den Mordbegriff gezogen worden sein, und thatsächlich ist dies schwerlich jemals durchgeführt worden 1 . Diese Zurücksetzung wird durch die Erstreckung der 1

Auf das schärfste tritt sie zu Tage in den Verrinen. Schlimmeren Missbrauch der Amtsgewalt kann es nicht geben, als ihn, schwerlich übertreibend, der Redner in dem Prozess der Schiffscapitäne schildert; aber in den Augen des römischen Gesetzes sind, wie Cicero ausdrücklich sagt (5, 50, 133, vgl. c. 67, 172), strafbar nicht die Justizmorde, sondern dass Verres als Offizier seine Schuldigkeit nicht gethan hat. Dies fiel allerdings unter den Majestäts- und selbst unter den Perduellionsprozess ; für die Hinrichtung von Nichtbürgern gab es kein Strafgesetz 56, 1 : tribuni . . . accusatorem primum Verginium . . deligunt. Dionys. 11, 46: 'Άππίον όε Ούεργίνιον έταξαν άνευ κλήρου κατηγορεΐν. Es wurde also in solchem Fall wohl um die Führung geloost. 2

Bei den Aedilen hat diese Frage insofern besondere Bedeutung, als sie die Strafgelder nicht in das Aerarium abzuliefern pflegen, sondern zu Bauten anwenden. Bei gemeinschaftlicher Klage geschieht auch hier, wie im fünften Buch bei den Geldstrafen gezeigt werden wird, die Verwendung gemeinschaftlich, ohne Zweifel nach Vereinbarung der Collegen unter Ignorirung der formellen Führung. 8

Die technische Bezeichnung für den magistratisch-comitialen Prozess im Repetundengesetz ist quaestio (S. 147 A. 3), die Untersuchung, wobei man allerdings nicht übersehen darf, dass das Wort auch die gegen den Nichtbürger geführte Criminaluntersuchung einschliesst. — Den öffentlichen Strafprozess bezeichnet auch die Formel iudicare multamve inrogare (S. 166 A. 3), wo das erste Wort auf den Capitalprozess geht und angedeutet wird, dass ursprünglich jedes öffentliche Strafgericht principiell auf diesen hinauslief. — Die Bezeichnung iudicium populi ist ungenau, da das Recht einen Richterspruch zu cassiren kein Richterspruch ist, · und gehört der technischen Sprache schwerlich an (das tudertinische Gesetzfragment S. 158 A. 3 ist spät), ist aber den Schriftstellern geläufig. Livius 7, 28, 9: iudicia eo anno populi tristia in feneratores facta, quibus ab aedilibus dicta dies esset, traduntur. 10, 46, 16 : dicta die a M. Scantio tr. pl. fugerat.. . populi iudicium· Cicero bei Asconius in Scaur, p. 20: sub Ht etiam populi iudicium inquirente (vielmehr anquirente) Cn. Domitio tr. pl. Weiter Cicero cle leg. 3, 16, 35. Brut. 27,106 und bei Asconius in Cornel, p. 78. Verr. 5, 67, 173. de domo 13, 33. 17, 45. 35, 95. pro Sest. 17, 40. Liv. 3, 56, 5. 4, 42, 7. 5, 11. 12. 8, 37, 8. 29, 22, 9. c. 37, 4. — Uebrigens wird iudicium populi auch in nicht prozessualischem Sinn gebraucht von jeder Aeusserung der öffentlichen Meinung (Cicero pro Sest. 50, 106 und sonst). — Iudicium jwblicum (Liv. 2, 41,12) hat im späteren technischen Gebrauch eine andere Bedeutung. — Lex wird niemals von dem Volksgericht gesagt und ebenso wenig rogatio, aber rogare findet sich von der Antragstellung auch im Volksgericht (Cicero pro Sest. 30, 65) und multam inrogare ist technisch (S. 166). 4

Die Verschiedenheit tritt scharf hervor in dem Gegensatz der comitialen Kriegserklärung (Liv. 8, 37; oben S. 74 A. 4) zu dem Comitialgericht. 6 Zu Benennungen wie lex consularis, lex Iulia, rogatio Flavia bietet der Volksprozess keine Analogien. Darum wird auch wohl lex populi und plebi scitum gesagt, aber neben iudicium populi nicht iudicium plebis.

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n ,

röm. Strafr.

11

162

Zweites Buch.

Die Strafbehörden.

ursprünglichen Manifestationen 1 des römischen Principe, dass die Gesammtheit der Bürger das Gemeinwesen darstellt und beherrscht. Auf dem strafrechtlichen Gebiet reicht nach unserer Ueberlieferung die Geltung des Volksgerichts insofern in die Königszeit zurück, als sie die Begnadigung nicht dem Magistrat, sondern der Bürgerschaft zuspricht. Die an die Verwandlung der Königsherrschaft in den Freistaat geknüpfte Bindung der Magistratur durch das Volksgericht mag eine Legende sein; aber nur um so mehr spiegelt sich darin die nothwendige Verknüpfung des demokratischen Principe mit der ausschliesslichen Gewalt der Bürgerschaft über Leben und Tod des Bürgers. Das Volksgericht kann angerufen werden gegen jedes im öffentlichen Bürgerprozess ergangene Strafurtheil, einerlei wegen welches Delicts dasselbe und ob es von einem Perduellionsrichter, einem Quästor, einem Volkstribun, einem Aedilen oder dem Oberpontifex ausgesprochen i s t 2 , einerlei auch, ob es auf den Tod 3 lautet oder auf höhere Vermögensbusse, seit die letztere überhaupt im öffentlichen Prozess unter den Strafmitteln auftritt 4 . Ausgeschlossen ist die Provocation, wie dies im folgenden Buch in dein die Rechtsmittel behandelnden Abschnitt näher ausgeführt werden wird, bei Nichtbürgern und bei Frauen mit den wenigen daselbst bezeichneten Ausnahmen ; ferner bei jedem ausserhalb des 1 Die Volkswahlen sind erst später zu den Volksgesetzen und den Volksgerichten hinzugetreten. 2 Im Gegensatz zu der nur ausnahmsweise eintretenden Provocation der Königszeit bezeichnet Cicero (de re p. 1, 40t 62) als eine der bedenklichen Consequenzen der Einführung der Republik die provocationes omnium verum und sagt weiter in dem gleichen Gegensatz zu der früheren Provocation (de rep. 2, 31, 54): ab omni iudicio poenaque provocari Heere indicant XII tabulae compluribus legibus, wo also dieses Bürgerrecht auf einzelne Delicte bezogen, aber allgemein gedacht war. Polybius 6, 14, 6: κρίνει μϊν ουν ο δήμος καϊ διαφόρου ( = in Geldklagen nach

polybianischem Sprachgebrauch) πολλάκις, όταν ά'ξιόχρεων

y το τίμημα

της αδικίας

(den Gegensatz machen die arbiträren Bussen bis zur Grenze der maxima multa : καϊ μάλιστα

τους τάς Επιφανείς

Εσχηκότας

αρχάς (was auf den regelmässig nicht

capitalen tribunicischen Rechenschaftsprozess geht), θανάτου δέ κρίνει μόνος. 3 Es ist im ersten Buch (S. 42 Α. 1) gezeigt worden, dass die in den Quellen bezeichnete Provocation gegen die Geisselung auf die mit der Hinrichtung regelmässig verknüpfte zu beschränken ist. — Wenn im öffentlichen Prozess auf Addiction (mit Verkauf in die Sclaverei) erkannt werden konnte, was indess unerwiesen und nicht wahrscheinlich ist, so war auch dies eine Capitalsentenz und unterlag der Provocation. 4 Vgl. im fünften Buch den Abschnitt von den magistratisch-comitialen Geldbussen.

i t e r Abschnitt.

Der m a g i s t r a t i s c h i e Strafprozess.

163

öffentlichen Strafprozesses liegenden »kenntniss, also bei den Sprüchen nach Hausrecht und Kriegsrecht sowie bei den privatrechtlichen Erkenntnissen und bei den Urtheilen der Quästionen. Die für das Strafverfahren obligatorische Provocation ist der Ueberlieferung zufolge, wie gesagt, bei Einführung der Republik durch das valerische Consulargesetz angeordnet (S. 42 A. 1), dann durch die Zwölftafeln in bestimmter Weise sanctionirt worden (S. 162 A. 2); späterhin haben die porcischen Gesetze wahrscheinlich aus dem sechsten Jahrhundert 1 und das Gesetz des C. Gracchus vom J. 631/123 sie abermals eingeschärft, das letztere namentlich die Eludirung der Provocation durch die Anknüpfung des magistratischen Strafverfahrens an den mit der Perduellion verbundenen Verlust des Bürgerrechts untersagt 2 . Der magistratisch-comitiale Strafprozess zerfällt in die fünf Verfahren Abschnitte der Ladung zum Termin (diei dictio), des Untersuchung^Verfahrens (anquisitio), der magistratischen Urtheilsfällung (iudicatio und multae irrogatio), der Einlegung der Berufung an die Gemeinde (provocatio) und der Findung der comitialen Endentscheidung ('iudicium

populi) 3.

1. Der Ladung des Angeschuldigten (diei dictio) geht selbstverständlich der Regel nach die in dem vorhergehenden Abschnitt geschilderte magistratische Voruntersuchung voraus, welche, insofern sie sich gegen römische Bürger wendet, den Magistrat zu der Ladung bestimmt und die Grundlage des magistratisch-coniitialen Strafverfahrens bildet. Rechtlich erforderlich aber ist die Voruntersuchung nicht und sie fällt weg, wo der Strafrichter ihrer nicht bedarf, zum Beispiel bei einer gegen ihn selbst gerichteten Strafthat oder wenn die öffentliche Meinung ihm genügt zur Erhebung der Anklage gegen eine bestimmte Person. — Die Ladung des Angeschuldigten auf einen bestimmten Tag giebt diesem Verfahren den 1

Ueber die hierher gehörenden drei porcischen Gesetze ist S. 31 A. 3, S. 47 A. 3 gehandelt. In der städtischen Provocation haben sie, wie es scheint, materiell nichts weiter geändert. 2 Darüber ist in diesem Buch bei dem consularisch-senatorischen Prozess gehandelt. 8

Unter den zahlreichen, aber meistens wenig eingehenden und oft unzuverlässigen Berichten über derartige Rechtshändel ist der anschaulichste und vollständigste der livianische 25, 3. 4 über die gegen die defraudirenden Lieferanten während des hannibalischen Krieges von den Volkstribunen angestellte Criminalklage. 11*

m e i dicUo

Zweites B u c .

164

Die Strafbehörden.

Namen 1 und unterscheidet dasselbe von dem rein magistratischen, welches eine solche Ladung wohl zulässt, aber auch das sofortige Eintreten in die Verhandlung gestattet. Die wichtigen und schwierigen Fragen, in wie weit der Magistrat mit der Ladung, um das Erscheinen der Geladenen im Termin sicher zu stellen, die Haft verbinden oder wenigstens Stellungsbürgschaft (vadimonium} fordern kann und welche Rechtsfolgen an das Ausbleiben sich knüpfen, sind im letzten Abschnitt dieses Buches behandelt. — Die nähere Bezeichnung des Klaggrundes scheint rechtlich nicht erforderlich gewesen zu sein 2 . Ânqtmitio. 2. Das Untersuchungsverfahren, anquisitio, in der Benennung wie der Sache nach entsprechend der quaestio des rein magistratischen Prozesses8, unterscheidet von dieser sich vor allem dadurch, dass es, offenbar mit Rücksicht auf die bevorstehende durch die Bürger zu findende endgültige Entscheidung, stattfinden muss vor

1

Zuerst Liv. 2, 52, 3 zum J. 278/476 und seitdem unzählige Mal; gegensätzlich zu dem durch Provocation nicht gebundenen Verfahren Liv. 3, 33, 10. Obwohl mit cliem dicere zunächst nur ein Act des Volksprozesses bezeichnet ward, ist dies doch die dafür geläufige technische Bezeichnung, neben der zahlreiche andere herlaufen. Accusare wird vom Magistrat häufig gesagt (Varro de 1. Lat. 6, 90 ; Cicero de domo 17, 45; Liv. 3, 33, 10, 43, 8, 9 u. a. St. m.), weil er schon in erster und mehr noch in zweiter Instanz den Angeschuldigten als Schuldigen behandelt; technischen Werth hat accusare von dem Magistrat ebenso wenig wie accusari bei demselben (z. B. bei Festus p. 257 v. sororium). Obwohl diese Prozessform einen Ankläger nicht kennt, wird das Verfahren insbesondere der zweiten Instanz häufig aufgefasst als Kampf zwischen dem Magistrat und dem Angeschuldigten (Liv. 1, 26, 6 in der Formel des Horatierprozesses : si a duumviris provocant , provocatione certato; si Vincent, caput obnubito ; ferner Cicero de leg. 3, 3, 6: multae poenae certatio; Liv. 25, 4, 8: multae certatio ; Liv. 25, 3, 14: multam certare). Diese Behandlung des Magistratsprozesses nach der eigentlich allein dem Privatprozess zukommenden Auffassung als Rechtsstreit ist nur lässliche Rede·, incorrect ist populi iudicio petere im tudertinischen Gesetz (S. 158 A. 3), denn peter e bezeichnet technisch die Civilklage bei dem Prätor. 2 Bei Livius 25, 4, 8 heisst es zwar : rei capitalis diem Postumio dixerunt, allein hier ist nicht die erste dictio gemeint, sondern eine spätere prodictio. Ebenso werden die S. 168 A. 5 angeführten Worte des Antias zu fassen sein. 3 Anquirere (von quaerere gebildet wie antestari von testari, anhelare von halare, άναχρίνειν neben χρίνειν mit lediglich verstärkendem «V«; die Ableitung von amb- bei Festus ep. p. 22 ist sachlich wie sprachlich unhaltbar) erscheint als technische Bezeichnung namentlich bei Varro de 1. L. 6, 90 in dem commentarius vetus anquisitioms M\ Sergi M\ f. quaestoris qui capitis accusavit. Bocum.

Dritter Abschnitt.

Der magistratisch-comitiale Strafprozess.

165

der durch Ansage benachrichtigten Bürgerschaft 1 und dass der zuerst angesetzte Termin nicht genügt, sondern der Magistrat die Verhandlung zweimal erstrecken muss (prodicere), so class sie an drei verschiedenen mindestens durch einen Zwischentag getrennten Tagen stattfindet 2 . In diesem Verfahren hat der Magistrat in Gegenwart der Bürgerschaft den Thatbestand des Delicts darzulegen 3 . Ueber die Modalitäten des Be weis Verfahrens ist Genaueres nicht überliefert 4 ; indess sind die Ordnungen über das Verhör des Angeschuldigten, wozu das Recht dem Magistrat nicht gefehlt haben kann, und über den Zeugen- und Urkundenbeweis, welche im folgenden Buch entwickelt werden, wahrscheinlich im wesentlichen aus dieser Prozessform auf die späteren übergegangen. — Vor allen Dingen entwickelt sich auf diesem Wege neben der Selbstverteidigung des niagistratischen Prozesses (S. 149), die auch hier clen ersten Platz einnimmt, das Eintreten der Rechtsbeistandschaft und der Vertheidigung durch dritte Personen. Vertheidiger in dem heutigen Sinn kennt allerdings cler magistratischcomitiale Prozess so wenig wie der rein magistratische; aber da in der Contio jeder unbescholtene Bürger clas Wort verlangen 1

In contione: Cicero in Vat. 17, 40. Liv. 4, 40, 5. 26, 3, 6. 38, 51, 6. 12. c. 52, 4. 2 Cicero de domo 17, 45 lobt die verständige Anordnung der ehemaligen Volksgerichte, ne improdicta die quis accusetur> ut ter ante magistratus accuset intermissa die (daher die spätere comperendinatio im Quästionenprozess) quam multam inroget aut iudicet. Die dreimal wiederholte Frage in dem Tarquinierprozess (Plutarch Popl. 6) mag als Einleitung zu dieser Ordnung gedacht sein. Die Berichte über einzelne derartige Prozesse zeigen mehrfach die Spuren dieser drei Termine, zum Beispiel Liv. 26, 3, 7 : cum bis pecunia anquisisset, tertio capitis se anquirere diceret. 2, 61, 7. 3, 57, 6. c. 58, 6. 29, 22, 8. Andere Belege St. R. 3, 356 A. 2. 8 Bezeichnung des Verbrechens : de perduellione anquirere Liv. 6, 20, 12. — Bezeichnung der Strafe capite (oder capitis) anquirere Liv. 2, 52, 5. 8, 33, 17. 26, 3, 6. 7 (ungenau capitis diem dicere Liv. 3, 11, 9-, rei capitalis diem dicere Liv. 25, 4, 8); pecunia anquirere Liv. 26, 3, 5. 7. 4 Das deutlichste Bild giebt Livius 26, 3, 5: (Cn. Fulvius) bis est accusatus pecuniaque anquisitum ; tertio testibus datis cum . . . . iurati permulti dicerent fugae . . . initium a praetore ortum . . tertio capitis se anquirere (tribunus dixit). Vielleicht darf man hiernach annehmen, dass das Zeugenverhör (welches auch sonst erwähnt wird: Liv. 3, 13,1 und Dion. 10, 7; Liv. 3, 58, 8. 25, 3, 16. Val. Max. 6, 1, 7; Zeugenrede des älteren Cato in dem Prozess gegen M \ Acilius Glabrio Liv. 37, 57. 58) hauptsächlich im dritten Termin stattfand. Diese Termine werden den actiones des Accusationsverfahrens entsprechen und konnten nach Umständen wohl auch mehrtägig sein.

Zweites B u c .

166

urtheilf&iinng.

Die Strafbehörden.

kann und der leitende Magistrat zwar formell befugt ist ihm dasselbe zu verweigern 1 , aber schon mit Rücksicht auf die schliesslich entscheidende Bürgerschaft von diesem Recht nur massigen Gebrauch machen darf, so ist die Anwaltschaft mit diesem Verfahren nothwendig gegeben2, fällt der Magistrat 3 . Nach Abschluss des Beweisverfahrens ^ Urtheil, welches, wenn nicht freigesprochen wird, entweder auf den Tod lautet (iudicium) oder auf eine nach Ermessen bestimmte Geldbusse, wobei es gleichgültig ist, ob diese für die Gemeindekasse bestimmt wird (multam inrogare) 3 oder für einen der Gemeindetempel (in sacrum iudicare) 4. An den in den Vorterminen in Aussicht genommenen Strafantrag ist der Magistrat nicht gebunden, sondern befugt ihn zu steigern oder zu mindern 5 . Dass beide Strafmittel nicht mit einander combinirt werden konnten, 1

St. R. 1, 200 fg. Factisch fällt dabei weiter ins Gewicht, dass diesen Prozess nie der eigentliche Imperienträger leitet, sondern der niedere Beamte mit geliehenem Imperium oder der Vorsteher der Plebs. Was ein solcher Vorsitzender thun durfte und nicht durfte, zeigt das Verfahren des den Prozess gegen Rabirius leitenden Volkstribuns : er lässt zwei Vertheidiger, Hortensius und Cicero zu und gestattet diesem eine halbe Stunde zu reden (Cicero pro Rab. ad pop. 2, 6. 3, 7. 5, 17). 3 Cicero de leg. 3, 3, 6: cum magistratus iudicassit inrogassitve, per populum multae poenae (vgl. S. 14 A. 2) certatio esto. Ebenso de domo 17, 45 (S. 165 A. 2) multam irrogare aut iudicare. Hier steht also iudicium schlechtweg vom Capitalprozess, ohne Zweifel weil die multa eigentlich der Coercition angehört und nach ursprünglicher Ordnung im Strafprozess nicht vorkommt. Anderswo stellt Cicero neben die allgemeine diei dictio den Mult- und den Capitalprozess (pro Mil. 14, 36: diem mihi credo dixerat, multam inrogarat, actionem perduellionis intenderat). Livius 26, 3, 8 fasst beide Kategorien zusammen mit capitis vel pecuniae iudicare. — Multam inrogare, das schon in dem tribunicischen Intercessionsdecret im Prozess des C. Scipio (bei Gellius 6, 19) erscheint in der volleren Form sententiam de aliquo ferre multamqne irrogare, weiter bei Plautus (Capt. 494: is diem dicam, multam inrogabö), ferner im bantinischen (S. 158 A. 3) und vielleicht auch im Repetundengesetz Z. 33 und sonst (Cicero pro Rab. ad pop. 3, 8; de dorn. 22, 58; Sueton Tib. 3), wird gesagt mit Rücksicht auf die erwartete comitiale Bestätigung des ersten Urtheils, denn inrogare ist von rogare nicht zu trennen und technisch für die den Einzelnen beschwerende Rogation (Cicero de domo 17, 43. 43, 110; pro Sest. 30, 65); es ist also nicht die Auf lage der Strafe, sondern die Durchbringung derselben bei der Bürgerschaft darunter verstanden. 4 In sacrum iudicare als alternirend mit multare findet sich im silischen und im tudertinischen Gesetz (S. 158 A. 3). Ueber das Verhältniss der Aerarial- und der Sacralbussen ist das fünfte Buch zu vergleichen. 5 Umwandlung der Capital- in Geldstrafe: Liv. 2, 52, 5 (S. 158 A. 1); umgekehrt Liv. 26, 3, 7. 2

Dritter Abschnitt.

Der magistratisch-comitiale

Strafprozess. 167

folgt aus der weiterhin zu erörternden \Terschiedenheit der Berufungsinstanz 4. Gegen die Execution dieses Urtheils kann der Verurtheilte Provocatio. die Endentscheidung der souveränen Bürgerschaft anrufen 2 , vom Magistrat an die Comitien provociren 3. Diese Berufung hat Suspensiveffect ; wenn der Magistrat ihr keine Folge giebt und das Todesurtheil trotz derselben vollzieht, so deckt ihn dabei sein Amt nicht und wird die Handlung als die eines Privaten betrachtet, also als Mord bestraft 4 . Das Volksgericht ist, wie in dem betreffenden Abschnitt entwickelt wird, wesentlich eine Gnadeninstanz. Das Urtheil kann nicht abgeändert , weder geschärft noch gemildert, sondern nur bestätigt oder verworfen werden; die Gesetze, welche den Strafrichter binden, binden die souveräne Bürgerschaft nicht und es steht jedem Einzelnen an seinem Theil und also der Majorität frei der Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen oder dem Verurtheilten die Strafe nachzusehen. 1 Der Rechtssatz, ut ne poena capitis cam pecunia coniungatur (Cicero de domo 17, 45), beruht vermuthlich nicht auf positiver Anordnung, sondern darauf, dass das Capitalurtheil an die Centurien, das Bussurtheil an die Tribus ging. 2

Wird die Berufung an die Gemeinde mit der Anrufung der tribunicischen Intercession combinirt, was häufig geschieht (St. R. 1, 277 A. 2), so greift jene nur Platz, wenn diese verweigert wird. 3

Livius 1, 26: duumviri . . . cum condemnassent, tum alter ex his: CP. Horati, tibi perduellionem iudico 5 inquit: cv, lictor, conliga manus\ accesserat lictor iniciebatque laqueum. tum Horati us . . . (provovo 5 inquit. Dies alte Schema ist in dem Prozess gegen den Decemvir Appius bei Livius 3, 56 übel copirt, indem hier das entscheidende Wort, der vindex libertatis, eingelegt wird nicht, wie im Horatierprozess, gegen die an das Todesurtheil geknüpfte, sondern gegen die Untersuchungshaft, welche durch die Provocation nicht verhindert werden kann. — Es liegt in der 4Weiterladung 5 von dem Magistrat (ζ. Β. a llviris Liv. 1, 26, 6, nicht, wie Dionysius 5, 19' übersetzt, προχαλεΐσ&αι την άοχήν) an die Bürgerschaft (ζ. B. ad populum provoco : Plinius ep. 7, 17, 11), wie in prorogare, pro ferre, prodicere die Anberaumung eines anderen Termins oder Verfahrens. Auch dem sacramento provocare (Gaius 4, 16) und dem sponsione provocare (Gaius 4, 93. 165) liegt lediglich die Uebertragung des Prozesses aus dem ins in das iudicium zu Grunde. — Was Cicero de leg. 3, 3, 6 sagt: magistratus nec oboedientem et innoxium civem multa vinclis verberibusve coerceto, ni par maiorve potestas populusve prohibessit, ad quos provocatio esto ist S. 38 Α. 1 erörtert worden. 4 In dieser Weise wird es aufzufassen sein, dass wenigstens die älteren Provocationsgesetze sich mit dem improbe factum begnügten. Vgl. im vierten Buch den Abschnitt vom Mord. Es konnte das Delict allerdings auch als Beamtenverbrechen gefasst und bestraft werden; aber dies scheint nicht oder doch nicht hauptsächlich geschehen zu sein.

168

Zweites B u c .

Die Strafbehörden.

5. Nach Einlegung der Provocation hatte der Magistrat die ger haft "Bürgerschaft zu berufen, wobei die Curienversainnilung in geschichtSC licher Zeit nicht mitwirkt l . In der republikanischen Frühzeit wird die Berufung von den patricischen Magistraten an die patricischplebejischen Centurien, von den plebejischen an die plebejischen Tribus gebracht und von beiden Theilen volle Gleichberechtigung wenigstens beansprucht worden sein 2 . In dem Zwölftafelbuch aber wurde der capitale Strafprozess der cgrössten Volksversammlung 03, das heisst den Centuriatcomitien ausschliesslich zugesprochen und die die Patricier nicht umfassende Versammlung der Plebejer von demselben ausgeschlossen. Daran ist auch die ganze Dauer der Republik hindurch festgehalten worden. Bei diesen Berufungen ergab sich die Complication, dass die Centuriatcomitien nur von einem Imperienträger berufen werden konnten, die drei Magistrate aber, welche zur Erhebung der Capitalklage befugt waren, der Perduellionsrichter, der Quästor und der Volkstribun, das erforderliche Imperium nicht besassen. Indess sind den beiden ersten vermuthlich mit ihrer Ernennung durch clen Consul für den bestimmten Zweck zugleich die für die Berufung erforderlichen consularischen Auspicien übertragen worden 4 und hinsichtlich des Volkstribuns ist es bezeugt, dass er, um den Capitalprozess vor den Centurien anstellen zu können, von clem Stadtpraetor die erforderlichen Auspicien borgte 5 . — Ausserdem ist bei der Capital-

Abstimmung

der

1 Die Provocation im Horatierprozess kann nur gedacht sein als an die Curien gerichtet, obwohl dies nicht gesagt wird. Auch die Plebs ist anfänglich wie überhaupt so zum Gericht nach Curien zusammengetreten (St. R. 3, 151). 2 St. R. 2, 300. 8 Zwölftafeln 9, 2 Schöll = Cicero de leg. 3, 4, 11: de capite civis nisi p>er maximum comitiatum . . . ne ferunto; ebenso im Commentar c. 19, 44; de re p. 2, 36, 61; pro Sest. 30, 65. Dass mit dem maximus comitiatus der alle Bürger umfassende der Centurien gemeint ist im Gegensatz zu der die Patricier ausschliessenden Versammlung der Plebejer, sagt Cicero a. a. 0., und auch Plautus (Pseud. 1232) spricht von den centuriata capitis comitia. Die Centuriatcomitien bei dem Capitalprozess werden auch sonst erwähnt (Cicero pro Rab. ad pop. 4, 11. Livius 6, 20, 10 u. a. St. m.). 4 Diese Auffassung liegt näher als die (St. R. 1, 195 angenommene) der Auspicienleihe; dass der Quaestor auspicirt, besagt das Schema bei Varro de 1. L. 6. 90. 6 Antias bei Gellius 6, 9, 9: Licinius tr. pl. perduellionem ei diem dixit et comitiis diem a M. Marcio praetore p)eposeit. Livius 26, 3, 9: Sempronius (tr. pl.) perduellionis se iudicare Cn. Fuir iο dixit diem que comitiis ab C. Calpurnio ptraetore urbano petiit. 43, 16, 11: (P. Rntilius tr. 2>l·) utrique censor i perduel-

Dritter Abschnitt.

Der magistratisch-comitiale Strafprozess.

169

klage von einer vorherigen Befragung des Senats die Rede 1 ; und Befragung da der Magistrat nach eingelegter Provocation den Prozess fallen d , s S e n a t 9 · lassen konnte, darf dies zurückgeführt werden auf die Sitte wegen wichtiger Erschliessungen Rathmänner zuzuziehen (S. 138), hei dem Magistrat also in diesem Fall sich an den Senat als consilium publicum zu wenden. Eine rechtliche Bindung für den Anfragenden war in dem ihm ertheilten Bescheid ohne Zweifel nicht enthalten. — Die Multklage hat wahrscheinlich an die Centurien nie gebracht werden können 2 . Sie mag in dem tribunicischen Strafprozess bei der Plebs von jeher statthaft gewesen sein; die Zwölftafeln haben, wie es scheint, darüber nichts bestimmt und insofern sie stillschweigend zugelassen3. Seitdem werden bei der Provocation von den curulischen Aedilen und dem Oberpontifex die patricischplebejischen Tribus, bei der von den plebejischen Tribunen oder Aedilen die bloss plebejische Tribusversaininlung die Schlussentscheidung gefällt haben. — Die Berufung der Comitien selbst, welche mit Rücksicht auf die drei Termine cler Anquisition auch als "vierte Anklage5 bezeichnet w i r d 4 , unterliegt clen für alle

lionem se iudicare pronuntiavit diemqae comitiis a C. Sulpicio praetore urbano petiit. Cicero de har. resp. 4, 7: diem dixisset, ut iecerat; fecissem, ut ei statim tertius a praetore dies diceretur. St. R. 1,195. A. 4. — Schwerlich ist, als das Zwölftafelgesetzbuch die Plebejer Versammlung vom Capitalprozess ausschloss, diese ihren Vorstehern denselben eröffnende Auspicienleihe vorgesehen worden ; wahrscheinlich ist sie eine spätere staatsrechtliche Erfindung, aufgekommen in deijenigen Epoche, wo der Senat gegen die Magistratur die tribunicische Anklage vielfach verwendete, um dies Regierungsmittel auch auf den Capitalprozess zu erstrecken. 1 In dem Schema für die quaestorische Capitalklage heisst es: patres censeant exquiras et adesse iubeas. Dies meint auch Polybius 6, 16, wenn er, factisch richtig den Senat als die eigentlich regierende Behörde betrachtend, hinzufügt, dass derselbe eine Capitalverurtheilung nur aussprechen könne nach Zustimmung der Bürgerschaft. St. R. 1, 310. 3, 1044 ist danach zu berichtigen. 2 Wir kennen keinen Beleg von an die Centurien gebrachten Multklagen. 3 Da Cicero de leg. 3, 19, 44 in dem Commentar zu dem S. 168 A. 3 angeführten Gesetz die Worte de capite civis und de singulis als synonym hinstellt, so identificirt er den Capital- und den öffentlichen Prozess, schliesst also von dem letztern den Multprozess aus oder fasst ihn wenigstens nicht als ausdrücklich sanctionirt. 4 Quarta accusatio: Cicero de domo 17, 45 (nach den S. 165 A. 2 angeführten Worten): quarta sit accusatio trinum nundinum prodicta die, quo die iudicium sit futurum. Ueber die incorrecte Angabe bei Appian b. c. 1, 74 und das dem römischen analoge, aber keineswegs völlig gleiche Volksgericht des oskischen Stadtrechts von Bantia vgl. St. R. 3, 356 A. 2; in diesem werden mit Einrechnung der Ladung fünf Anklagen gezählt.

Zweites B u c .

170

Die Strafbehörden.

beschliessenden Bürgerschaftsversammlungen geltenden Kegeln, class der Strafantrag schriftlich ausgehängt werden 1 und der Bürgerschaft in trinum nundinum, das heisst 24 Tage vorher angesagt sein muss 2 . Indess kann cler Strafrichter oder bei dem tribunicischen Capitalprozess cler um die Ansetzung cles Termins angegangene Prätor auf clen Wunsch cles Angeklagten einen früheren Termin festsetzen 3. Eigentümlich ist es dem Volksgericht 4 , class, wenn aus irgend einem Grunde dieser Termin ausfällt , er nicht erneuert wird, sondern die Anklage damit beseitigt ist 5 . Ueber das Verfahren selbst sind wir nicht genügend unterrichtet ; es ist nicht erwiesen, aber nicht unwahrscheinlich, dass in diesem Schlussverfahren eine contraclictorische \>rhandlung überhaupt nicht stattfand, sondern sofort zur Abstimmung geschritten ward 6 . Die Abstimmung geschah bis in das letzte Jahrhundert der Republik hinab mündlich; um gegenüber auch mächtigen Angeklagten den abstimmenden Bürgern die Entscheidung nach Pflicht und Ueberzeugung zu erleichtern 7 , wurde von cler aristokratischen Reformpartei zuerst im J. 617/137 durch clas Gesetz des L. Cassius für die übrigen Volksgerichte mit Ausschluss des Perduellionsprozesses 8. 1

Cicero pro Rab. ad pop. 3, 8. Cicero a. a. 0. Auch in den einzelnen Prozessen finden sich die Spuren dieses längeren Intervalls (St. R. 3, 356 A. 2). Ueber die Dauer des trinum nundinum St. R. 3, 375. 3 Cicero de har. resp. 4, 7 (S. 168 A. 5). Liv. 43, 16, 12. 4 Der Verlauf dieser Comitien und Concilien ist im wesentlichen der gleiche wie bei der Volksabstimmung überhaupt; es muss in dieser Hinsicht auf die allgemeine Darstellung St. R. 3, 369 fg. verwiesen werden und, so weit die Besonderheit der Gerichtscomitien nicht oben hervorgehoben ist, auf St. R. 3, 359 fg. Zum Beispiel muss an dem Tage der Abstimmung der Verurtheilte durch Hornruf vor seinem Hause geladen werden: Varro de 1. L. 6, 90; Plutarch C. Gracch. 3. 5 Cicero de domo 17, 45 führt unter den Milderungen des Volksprozesses auf, ut. . si qua res illam diem (der Schlussentscheidung) aut auspiciis aut excusatione sustulit, tota causa iudiciumque sublatum sit. Anwendung davon St. R. 3, 357 A. 1. Dies war indess sicher nur Herkommen, eingehalten im Wege der tribunicischen Intercession; beispielsweise wird in dem Prozess des M. Manlius der Regel nicht gedacht (Liv: 6, 20, 11). 6 Dafür spricht das Verfahren in den für andere Zwecke berufenen Centuriat• comitien (St. R. 3, 358 A. 4. 392 fg.). Dagegen spricht Liv. 25, 3, 16; aber die Vermengung des Anquisitions- und des Abstimmungstermins liegt nahe. 7 Dass bei der Abstimmung man sich wohl den Mantel über den Kopf zog, um unerkannt zu bleiben, deutet Plautus (S. 153 A. 2) an. 8 Cicero de leg. 3, 16, 35. 37. Brut. 25, 97. 27, 106. Lael. 12, 41. pro Sest. 48, 103 mit den Scholien p. 303. in Cornel, bei Asconius p. 78. Die Münze 2

Dritter Abschnitt.

Der magistratisch-comitiale Strafprozess.

171

dann im J. 647 107 durch das Gesetz des C. Coelius Caldus auch für diesen schriftliche und verdeckte Abstimmung eingeführt 1 . Das römische Bürgerschaftsgericht ist der rechte und volle Politische Ausdruck der römischen Bürgerfreiheit. Wenn das öffentliche ^γο*"Strafrecht überhaupt die Uebermacht des Gemeinwesens über den gerichte. Einzelnen, das heisst den Staatsbegriff zum Ausdruck bringt, zunächst in der Form der schrankenlosen magistratischen Willkür, so wird durch das Eintreten des Bürgerschaftsgerichts cler Magistrat der Bürgerschaft untergeordnet und clie magistratische Willkür, welche eben damit in die Schranken des Gesetzes gebannt wird, ersetzt durch die über dem Gesetz stehende Willkür cler souveränen Bürgergemeinde. Die Coercition ist zur Judication geworden. Aber diese gewaltige That cler Fesselung des Imperium bewahrt zugleich die Spuren ihres Keimens. Diejenige Gewalt, auf Grund deren cler Magistrat im comitialen Strafprozess das erste Urtheil fällt, ist dieselbe, auf Grund deren er unbeschränkt richtet über Frauen und Fremde. Indem sie genöthigt wird ihr Urtheil vor cler Gemeinde zu rechtfertigen und aufhört endgültig zu sein, wird ihr arbiträrer Charakter wohl eingeschränkt, aber nicht aufgehoben. Weiter wird die W 7 illkür der letzten Entscheidung durch die Ueberweisung an die Bürgerschaft nicht geändert , sondern nur verlegt. Auch jetzt steht dieser Prozess nicht in gleicher Weise unter clem Gesetz wie die Strafgewalt, die in dem Geschwornengericht ihr Organ hat. Das Rechtsverfahren wegen Perduellion und Parricidium hat diejenige formale Festigkeit wie das wegen Furtum und Injurie niemals erlangt. Die Delictsbegriffe werden dort mit grösserer Selbständigkeit gehandhabt; die Zusammenfassung verschiedener Strafthaten ist dort ebenso gestattet wie hier ausgeschlossen; die Beseitigung der Strafe im Wege der Begnadigung ist dort zulässig, während clas Geschwornenverfahren keine Begnadigung kennt. Es ist eine Grossthat cler politischen Selbstzucht, dass clie comitiale Allmacht Halt gemacht hat vor der magistratischen Freisprechung; des Longinus (R. M. W. S. 686) mit dem n{ti rogas)) beschriebenen Stimmtäfelchen habe ich unrichtig hieher gezogen, da in dieser Weise im Volksgericht nicht gestimmt wird ; sie bezieht sich auf das cassische Gesetz vom J. 650/104 (Asconius in Cornel, p. 78). 1 Cicero de leg. 3, 16, 36; Münze mit dem Bildniss des C. Coelius Caldus und dem mit l(ibero), 5, 2: maiestatis crimine publicae quaestioni subiectus est ; vgl. Cicero de off. 2, 14, 49, de or. 2, 21, 89); aber dies nöthigt nicht zu der Annahme, dass das appuleische Gesetz eine ständige Majestätsquästion eingesetzt habe. 2 Asconius in Scaur, p. 22: Q. Varius tr. χ>1. legem tulit ut quaereretur de iis, quorum ope consiliove socii contra p. R. arma sumpsissent. Als Quaesitor hat anfänglich der Urheber des Gesetzes selbst fungirt (Asconius a. a. O.), ohne Zweifel indem die dafür angeordnete Volkswahl sich auf ihn lenkte. Die Consilien wurden zunächst nach der bestehenden Prozessordnung aus Rittern gebildet (Appian b. c. 1,37), im Folgejahr aber auf Grund eines anderen Plebiscits dafür eine besondere aus der Wahl der einzelnen Tribus hervorgegangene und von der ständischen Qualification absehende Geschwornenliste von 35 X 15 = 525 Stellen für diese Quästionen niedergesetzt (Asconius in Cornel, p. 79), bei welchem Verfahren Varius selbst nach seinem eignen Gesetz verurtheilt (Val. Max. 8, 6, 4) und unter Martern hingerichtet ward (Cicero de d. n. 3, 33, 81 vgl. Val. Max. 9, 2, 2); die angedrohte Strafe war also capital. 3 Das Gericht leitete, ohne Zweifel auf Grund einer Clausel des Gesetzes, der Stadtprätor ; der bei Cicero ad Att. 1, 14, 1 erwähnte Prätor muss der städtische sein, da jede die Gesammtgeschwornenliste angehende Handlung durch diesen bewirkt wird. Dass es insoweit bei dem Vorschlag des Senats blieb, geht aus ad

Fünfter Aschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

199

beantragte vatinische Plebiscit vom J. 695/59 wegen eines angeblich gegen Cn. Pompeius gerichteten Mordplans 1 ; das pompeische Consulargesetz vom J. 702/52 wegen der damals vor und in der Stadt verübten Gewaltthaten2 ; das pedische Consulargesetz vom J. 711/43 gegen die Mörder des Dictators Caesar3. Alle diese Volksschlüsse sind verfassungswidrig; indess die Allmacht des Gesetzes bricht Att. 1, 16, 2 hervor. Der Vorschlag die Bestellung der Geschwornen dem Vorsitzenden Prätor unbeschränkt zu übertragen ging nicht durch (Cicero ad Att. 1, 14, 1); das Gericht wurde unter Ablehnung eines Abgehens von der bestehenden Geschwornenordnung aus den drei Geschwornenklassen gebildet (Cicero ad Att. 1, 16, 2. 3). Dem Vorschlag des Senats entsprechend wurde der Prozess, wie die Gewaltprozesse, ausser der Reihe behandelt (Seneca ep. 97, 7 : in ea ipsa quaestione, quae extra ordinem senatus consulto exercebatw) und gestattet die Sclaven auch gegen den Herrn mit der Folter zu vernehmen (Cicero pro Mil. 22, 59. part. orat. 34, 118). Die angedrohte Strafe war das Exil (Cicero parad. 4 a. E.). Vgl. St. 2, 667 A. 1. 1 Cicero in Vat. 11, 26. 2 Der genaue Bericht bei Asconius in Mil. p. 31 fg. macht weitere Anführungen überflüssig. Das Gesetz war gestellt auf das Delict der Vergewaltigung : de vi, qua nominatim caedem in Appia via factam et incendium curiae et domum M. Lepidi interregis oppugnatam comprehendit. Das zugleich eingebrachte Gesetz gegen den Ambitus hatte gewisse prozessualische Schärfungen mit dem Gewaltgesetz gemein, ist aber ein reguläres Quästionengesetz. Jenes Ausnahmegesetz ertheilt dem Consul Cn. Pompeius den Auftrag den Quaesitor aus der Zahl der Consulare zu ernennen und weiter für das Consilium nach den damals für die Geschwornenordnung bestehenden drei Qualificationen mit Einrechnung des Quaesitors 3 χ 120 = 360 Personen (St. R. 3, 532 A. 5) auszuwählen, welche während der ganzen Verhandlung zu fungiren haben, von denen aber, nachdem 3 χ 93 = 279 durch Ausloosung, 3 χ 10 = 30 Personen durch Rejection beider Parteien ausgeschieden sind, nur die übrigen 51 und zwar 18 Senatoren mit Einrechnung des Quaesitor, 17 Ritter und 16 Aerartribune zur Abstimmung gelangen. Behandlung der Prozesse ausser der Reihe brauchte hier nicht vorgeschrieben zu werden, da für die Geschwornen eine Sonderliste aufgestellt ward; von den zahlreichen Prozessschärfungen kann hier abgesehen werden. 3 Augustus mon. Ancyr. 1, 10: qui par entern meum [inter fecer] un [t, eojs in exilium expuli iudiciis legitimis ultus eorum [fajcinfusj. Das Verfahren war, wie Augustus andeutet, den bestehenden Gesetzen im Allgemeinen conform und fand statt vor einem Quaesitor — über dessen Bestellung erfahren wir nichts — und Geschwornen. Unter den Schärfungen treten besonders hervor die Zulässigkeit der Anklage in Abwesenheit der Beklagten (Liv. 120; Sueton Aug. 10; Appian b. c. 3, 95. 4, 27 und a. St. m.) und die Anklägerbelohnungen (Dio 46, 49). Das Verbrechen konnte nur als Perduellion gefasst werden und die Strafe war also capital nebst Einziehung des Vermögens (Dio 46, 48); indess wurde gegen die Angeklagten, da sie sich nicht stellten, nur die Interdiction ausgesprochen (Veil. 2, 69; Dio 46, 48) und das Exilrecht ihnen nicht verkümmert, wie auch Augustus ausspricht. Die Katastrophe für die Caesarmörder ist erst durch die Aufnahme des Krieges gegen die Regierung und die Proscriptionen herbeigeführt worden.

Zweites B u c .

200

Die Strafbehörden.

auch die Vorschriften der Verfassung und es sind daher diese Gesetze wohl getadelt, aber nie ist eines derselben in seiner Rechtskraft angefochten worden. Bevor wir uns dazu wenden, die Bestimmungen über den magistratischen Vorsitz und die Zusammensetzung der Geschwornenhöfe zu entwickeln, wird es angemessen sein, einerseits zu erörtern, in welcher Weise das ihnen überwiesene Strafgebiet personal und örtlich so wie hinsichtlich des Strafmasses abgegrenzt war, andrerseits die durch diese Geschwornenordnungen geregelten Delictprozesse übersichtlich zusammenzustellen. Das örtliche Beschränkung der älteren öffentlichen Criminaljudication und perso- auf den männlichen römischen Bürger mit der nothwendigen durch gebie?Xr die Coercition gegebenen Ergänzung ist auf clen magistratischen Quästionen. Geschwornenprozess nicht übergegangen, dieser vielmehr, wie aus dem Privatprozess hervorgegangen, so gestaltet nach dem civilrechtlichen auch für das Privatdelict massgebenden Princip, dass das Weib, der Fremde 1 , der Unfreie ebenfalls delictfähig sind, und dass, indem die Vertretung der Gemeinde aufhört an die Magistratur gebunden zu sein, nach dieser Klageform selbst zu der Anklägerrolle unter Umständen Frauen und Nichtbürger zugelassen werden. Beispielsweise wird es ausdrücklich ausgesprochen, dass die Mordklage des cornelischen Gesetzes auch gegen das Weib und gegen den Unfreien zulässig ist 2 , und zu der Repetundenklage, welche allerdings ihrer Anlage nach, wie bemerkt, ein Civilverfahren wegen unzulässiger Bereicherung ist, der römische Bürger nicht einmal zu klagen berechtigt, die Klage dem Nichtbürger vorbehalten ist. Allgemeine Regeln über die Competenz der grossen hauptstädtischen Geschwornengerichte lassen sich allerdings nicht aufstellen; sie hängt wesentlich ab theils von der Competenz der neben ihnen functionirenden municipalen und provinzialen Gerichtshöfe, theils von der Beschaffenheit des einzelnen Delicts und den Bestimmungen des darüber erlassenen Specialgesetzes und es muss dafür auf den Abschnitt des dritten Buchs von dem Gerichtsstand und den Parteirollen so wie auf die Behandlung der einzelnen Delicte im vierten Buch verwiesen werden. Die Erstreckung des magistratischen Geschwornengerichts auf 1

Schon die gracchanischen Geschwornen richten wie über Römer so auch über Italiker (Appian b. c. 1, 22). 2 Cicero pro Cluentio 54, 148: omnes riri midieres liberi servi in iudicium vocantur.

Fünfter Aschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

201

den Capitalprozess unterliegt insofern keinen Bedenken, als das- Das strafselbe durch Specialgesetz in das Leben gerufen wird und dieses Gesetz, wie es den Magistrat zur capitalen Quästion des älteren Prozess. Strafverfahrens bevollmächtigt, ihm die gleiche Competenz auch ohne die dort vorbehaltene Bestätigung durch die Bürgerschaft ertheilen, diese entweder wegfallen lassen oder durch die Mitwirkung der Geschwornen und die Bindung des Magistrats an deren Majorität ersetzen kann. In der That haben von den vorher (S. 197 fg.) aufgeführten Singularquästionen mehrere, wie dort bemerkt worden ist, den Quaesitoren diese Strafgewait eingeräumt. Auch hat der von Sulla eingesetzte Mordgerichtshof, wie in dem betreffenden Abschnitt gezeigt werden wird, für die schwerste "Kategorie dieses Verbrechens auf Todesstrafe erkennen können. Aber die die spätere Republik beherrschende Tendenz auf Beschränkung und womöglich Abschaffung der Todesstrafe hat vorzugsweise auf die magistratischen Geschwornengerichte eingewirkt ; wie der ursprüngliche magistratische Strafprozess eigentlich keine andere Strafe kennt als die capitale, so ist diese in dem neueren exceptionell. Ausser dem Einfluss der gesteigerten Civilisation und ihrer Abwendung von der alten oft barbarischen Sittenstrenge, kommt dabei in Betracht, dass das Provocationsrecht, die verfassungsmässige N o t wendigkeit der Bestätigung der Bürgerschaft bei jedem magistratischen Todesurtheil, in dem Rechtsbewusstsein des Römers als politischer Glaubenssatz feststand und die Ersetzung der comitialen Majorität durch die Majorität der Privatgeschwornen gegen diesen Satz verstiess: wie denn auch bei dem Capitalverfahren vom J. 640/114 das den Frauen mangelnde Berufungsrecht wesentlich mitgewirkt haben wird. Die Thatsache selbst steht ausser Zweifel, theils dadurch, dass bei dem Staatsverbrechen neben der neuen Prozessform die magistratisch-comitiale festgehalten und dass bei dem Mord die schwerste Kategorie des Verwandtenmordes längere Zeit dem Comitialprozess vorbehalten wurde. In welchem Umfang am Ausgang der Republik die Todesstrafe perhorrescirt ward, zeigt die Abschaffung derselben durch Pompeius selbst für den Vatermörder und weiter, dass sie sogar bei dem durch Singulargesetz geschärften Geschwornen verfahren gegen die Mörder des Dictators Caesar (S. 199 A. 3) nicht zur Anwendung gekommen ist. Auf die Frage, ob bei ihrer Wiederaufnahme unter dem Principat die Competenz der hauptstädtischen Geschwornengerichte erweitert worden ist, wird bei der Erörterung ihrer Stellung in der Kaiserzeit zurückzukommen sein.

Zweites B u c .

202

Die Strafbehörden.

Wenn die Capitalstrafe, anfänglich die ausschliessliche und immer die principale des älteren öffentlichen Strafprozesses, bei dem magistratischen Geschwornengericht exceptionell ist, so ist doch andrerseits das seit der Abschaffung cler privaten Capitalstrafe und cler Talion clen delictischen Privatprozess beherrschende Gesetz, class clie Verurtheilung über Geldbusse und Ehrenschmälerung nicht hinausgehen kann, auf die iudicia publica nicht angewandt worden. Die Steigerung cler Strafmittel durch die Hinzunahme der Freiheitsstrafe tritt zwar zunächst in der bescheidenen Form cler lebenslänglichen Verbannung aus Italien auf, aber indem diese dann zur Deportation und zur Zwangsarbeit sich entwickelt, erhält cler Criminalprozess, aus welchem in der republikanischen Epoche der Ernst des Strafbegriffs allmählich entwichen war, wieder den angemessenen Inhalt, und für die bessere Zeit des Principats dürfen die iudicia publica wiederum bezeichnet werden als ein im Grossen und Ganzen zweckmässig geordnetes Strafverfahren. Der delictiDas clem magistratischen Geschwornenverfahren unterliegende reis sche Klagengebiet ist, wie bereits entwickelt worden ist, nicht von Haus de^ Quästionen. aus dem öffentlichen Strafprozess substituirt, ja nicht einmal von einem einzelnen Delictbegriff ausgegangen, vielmehr in seinem Anfangsstadium nichts anderes als ein wegen seines hervorragenden öffentlichen Interesses privilegirter Privatprozess, von den älteren zahlreichen iudicia publica nur unterschieden durch die auf den ganzen Prozess erstreckte magistratische Leitung 1 . Aber allerdings steht neben dieser formalen Auffassung der Repetundenklage von vorn herein clie ethische und die politische ; clie Geschenknahme cles Beamten ist cler Sache nach Beamtenerpressung; clie Klage soll dem Unterthan gegen den Beamten zu seinem Recht verhelfen. Factisch ist die Institution von Haus aus eine Form des Strafprozesses und sehr bald ist sie es auch im Rechtssinn geworden. Wir sind sehr unvollkommen unterrichtet über die 1

Es wird dies im vierten Buch bei dem Abschnitt von den Repetunden näher ausgeführt werden. Die cotidictio ob turpem causam kann darauf angewandt werden, keineswegs die condictio furtiua; die pecuniae captae sind nicht gestohlen. Es gehört in der That ein specieller juristischer Staar dazu, um zu verkennen, dass die Repetundenklage, mit dem Klagerecht des verletzten Nichtbürgers, mit dem Gerichtsstand des Peregrinenprätors, mit der Einleitung sacramento, mit der Klagstellung auf petere (der Kläger heisst im Repetundengesetz is qui petit , der Beklagte is unde petitur ), der Verurtheilung höchstens auf doppelten Ersatz ins Leben getreten ist als eine prozessualisch geschärfte private Forderungsklage.

Fünfter Aschnitt.

Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

203

Weiterentwickelung dieser Gerichte in der vorsullanischen Epoche. Aber wenn unsere Nachrichten nicht trügen, ist kaum ein Decennium nach Piso ein gleichartiger Gerichtshof für den Mordprozess eingerichtet worden 1, was denn allerdings in das Gebiet des öffentlichen Strafrechts nachdrücklich eingriff, auch wenn der magistratischcomitiale Mordprozess daneben weiter bestand. Dass die gewaltige Grossstadt mit ihrem in der Regel auf schwache Vertretung des abwesenden Magistrats angewiesenen Regiment einer solchen Einrichtung dringend bedürfen musste, steht ausser Zweifel. Zu der Erstreckung des magistratischen Geschwornengerichts auf den politischen Prozess haben die vorher erwähnten, wahrscheinlich nicht generellen Gesetze der J. 644/110, 651/103 und 663/91 den Weg gewiesen; durchgefühlt hat dies alsdann Sulla, welcher damit dem Volkstribunat seinen wichtigsten Hebel entriss. Er hat, ohne das System der delictischen Specialgesetze und Specialgerichtshöfe zu verlassen, in dieselben einen gewissen Zusammenhang gebracht und den magistratisch-comitialen öffentlichen Strafprozess nicht eigentlich aufgehoben, aber im wesentlichen durch diese neue Form des Strafprozesses ersetzt. Nach Sullas Ordnungen bestehen sieben Gerichtshöfe unter magistratischer Leitung : 1. Rèpetunden, 2. Sacrilegium und Peculat, 3. Mord, 4. Ambitus, 5. Majestätsverbrechen, 6. Fälschung2, 7. Schwere Injurien, Sicher oder wahrscheinlich sind hinzugetreten in republikanischer Zeit 8. Vergewaltigung, 9. Menschenraub, und unter Augustus 1

Dass Tubulus (S. 197 Α. 2), wie Cicero de fin. 2, 16, 54 sagt, als Prätor die quaestio inter sicarios geleitet und in dieser Stellung Bestechung angenommen habe, kann unmöglich von der (stellvertretenden) Führung eines magistratischen oder magistratisch-comitialen Prozesses verstanden werden, und es führt auch keine Andeutung darauf, dass diese Quästion durch Singulargesetz angeordnet war. 2 Der Gerichtshof für die Fälschung ist nicht ausdrücklich bezeugt; aber insbesondere mit Rücksicht auf das von Sulla darüber erlassene Gesetz hat auch dies Delict wahrscheinlich damals einen eigenen Prätor erhalten.

Zweites B u c .

204

Die Strafbehörden.

10. Ehebruch, 11. Zins- und Kornwucher. Die Anmassung des Bürgerrechts wird nach dem papischen Gesetz vom J. 689/65 vor ein magistratisches Geschwornengericht gebracht, gehört aber nicht zu den delictischen iudicia publica, da der Spruch cles Gerichts wahrscheinlich, wie clas praeiudicium des Civilrechts, keine Condemnation enthält, sondern nur die Thatsache feststellt. Für jedes jener elf Delicte ist eine eigene Straf- und Prozessordnung erlassen, ein cornelisclies Specialgesetz für 3. (mit dem pompeischen Nachtraggesetz) 5. 6. 7., ein julisches für 1. 2. 4. 8. 10. 11., das fabische für 9. und dem entsprechend wird jede Strafklage auf eine dieser elf Ordnungen begründet und nach dieser behandelt1. Die Cumulation mehrerer Delictklagen war durch die Trennung cler Gerichtshöfe ausgeschlossen2. Gegenüber dem rein magistratischen wie dem magistratisch-comitialen Prozess, bei welchem, wo die Comitien nicht mitwirkten, clie niagistratische, und wo sie mitwirkten, die comitiale Oninipotenz das gesetzlich feste Klagfundament nicht aufkommen Hess, waren diese criminellen Determinationen theoretisch und praktisch ein wesentlicher Fortschritt; wie die neue Criniinalordnung aus dem Civilrecht hervorgegangen war, wurden dessen fest abgegrenzte Klaggebiete damit auf jenes übertragen 3 und selbst die eclictale rechtsetzende Thätigkeit der Civilprätoren ist annähernd auch von clen prätorischen 1

Dies ist gemeint mit dem ex hac lege quaerere Formeln (S. 191 A. 2).

und den entsprechenden

2

Uebergreifen in ein anderes Delict als das, worauf geklagt war, ist den Advocaten geläufig, und die Geschwornen machen den Fehler oftmals mit (Cicero pro Cluentio 34, 92), aber von Rechts wegen soll sich wenigstens der Spruch auf das in der Klage bezeichnete Delict beschränken. Cicero Verr. 1. 1, 16, 43: suis cum certis propriisque cri minibus accusabo; pro Cluent. 41, 114: propria lege huiiis peccati\ daselbst 3-5, 97: crimen proprium quaestionis. 37, 103, pro Cael. 30, 72; ähnlich pro Rab. Post. 13, 37. Quintilian inst. 3, 10, 1 (vgl. 5, 13, 5) handelt von der Cumulation verschiedener Straf klagen (plures controversiae), zum Beispiel sacrilegium und homiciclium : quocl nunc in publicis iudieiis non accidit, quoniam praetor certa lege sortitur, prineipum autem et senatus cognitionibus frequens est et populi fuit . 3 Quintilian inst. 7, 5, 2: praetorum curiosa consilia, cum de iure accusatoris ambigitur. Dass dabei sogar strenger verfahren ward als im Civilrecht, die actio utilis weiter greift als das crimen extraordinarium, ist schon (S. 191 A. 3) bemerkt worden.

Fünfter Al schnitt.

Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

205

Dirigenten der Strafgerichtshöfe ausgeübt worden 1 . In den befreiten Gerichten der Kaiserzeit freilich fand die alte rechtliche Unbestimmtheit des Strafverfahrens wiederum nur zu leicht und nur zu breit abermals Raum 2 . Die magistratische Leitung dieser Geschwornengerichte liegt Die vorhauptsächlich bei der Prätur. Das calpurnische Gesetz, welches p ^ e T der Rückforderungsklage des Peregrinen gegen den römischen Beamten diese geschärfte Form gab und damit die iudicia publica ins Leben rief, änderte den Gerichtsstand nicht, sondern Hess die Leitung dem Peregrinenprätor 3 und diesem ist sie geblieben, bis in der Gracchenzeit für die Repetundenprozesse eine eigene Prätur eingerichtet ward 4 . Dasselbe ist vielleicht nicht lange nachher für die Mordprozesse geschehen5. Sulla hat, indem er die Zahl der Prätoren auf acht brachte 6, von denen zwei die Civiljurisdiction handhabten, die übrigen sechs für die sechs ersten der vorher genannten Specialgerichtshöfe bestimmt und zugleich verfassungsmässig festgesetzt, dass diese alle, wie die beiden Civilprätoren, während der Dauer ihres Amtsjahrs der Rechtspflege wegen in Rom zu verbleiben haben7. Hinsichtlich der Mandirung gilt, wie über1 Dies beweist das merkwürdige breve edictum, mit welchem der Repetundenprätor Licinius Nepos unter Traian einen älteren Senatsbeschluss über die Advocatenhonorare in Erinnerung brachte und einschärfte (Plinius ep. 5, 4 [21]). Damals wurde er freilich als unzeitgemässer Weltverbesserer verspottet; aber in früherer Zeit werden diese Edicté auch im Strafrecht von Wichtigkeit gewesen sein. Die Bezeichnung breve edictum, zumal da in dem betreffenden Fall die Weitschweifigkeit getadelt wird, legt die Vermuthung nahe, ob nicht auch die Quästionsprätoren bei Antritt ihres Amtes tralaticische und also ausführliche Edicté aufgestellt haben. 2 Hingewiesen wird auf dieses wichtige Moment bei Quintilian inst. 3, 10, 1 (S. 204 A. 2), hingedeutet darauf bei demselben 5, 13, 5, indem er zwar nicht die Consuln und den Kaiser, aber doch den Dictator Caesar und die Triumvirn bezeichnet als iudices, qui nulla certa pronuntiandi forma tenentur. 3 Repetundengesetz Z. 12. 4 Dass das Repetundengesetz vom J. 631 oder 632 die erste Geschwornenernennung dem Peregrinenprätor überträgt, die späteren dem praetor cuius ex hac lege quaestio est, kann nur so aufgefasst werden, obgleich die ausdrückliche Bestimmung über die Schaffung eines pi'aetor repetundis, wahrscheinlich durch ein anderes gleichzeitig erlassenes Gesetz, uns nicht erhalten ist. 6 Darüber ist der betreffende Abschnitt zu vergleichen. Auch die Quästion für Peculat ist vermuthlich vorsullanisch. 6 St. R. 2, 200. Sechs neue Stellen hat er schwerlich geschaffen, da schon vor ihm wenigstens ein eigener praetor repetundis begegnet. 7 St. R. 2, 200. 214. 241.

206

Zweites B u c .

Die Strafbehörden.

haupt bei den städtischen Aemtern, die Regel, dass diese nicht von dem Belieben der Beamten abhängt 1 , sondern nur da stattfinden muss oder kann, wo das Gesetz sie vorschreibt 2 oder gerne stattet 3 . — Aber mit den Prätoren reichte man für den Vorsitz Vorsitzenden j ^ ^ t a u s # Insbesondere die Mordprozesse, ohne Frage in der 1 7 σ Quaesitoren.

republikanischen Zeit von allen öffentlichen Criminalsachen die häufigsten und wichtigsten, konnten unmöglich auf einen einzigen Dirigenten beschränkt werden. Es ist in dem betreifenden Abschnitt des vierten Buchs gezeigt, dass der Mordprozess, nachdem er an Geschworne gewiesen war, in früherer Zeit einem einzelnen derselben als dem quaesitor in der Weise überwiesen werden konnte, dass derselbe das jurisdictionelle Imperium gleich dem Prätor handhabte, späterhin, aber auch schon vor Sulla, quasimagistratische Dirigenten, Aedilicier im Amtsnachjahr, als iudices dieser Quästion betitelt, mit einer der prätorischen gleichartigen Amtsgewalt dem Mordprozess vorsassen. In dem Injurien- und dem Gewaltprozess ist weiter, wie ebenfalls im vierten Buch gezeigt werden wird, die Leitung an den Stadtprätor in der Weise gewiesen, dass er den einzelnen Rechtshandel einem aus den Geschwornen ausgewählten quaesitor in ähnlicher Weise übertragen kann, wie dies anfänglich bei dem Mordprozess geschehen ist. Bei der Auswahl wird der Loosung gedacht 4 ; doch ist dies vielleicht nicht allgemeine Regel gewesen. Wahrscheinlich ist auch bei den übrigen Quästionen, wenngleich hier der persönliche Vorsitz des betreffenden Prätors Regel war, aushülfsweise die Bestellung eines Quaesitors zugelassen worden 5. Dass die bedeutende Vermehrung der Zahl der Prätoren durch Caesar und Augustus in diese republikanischen Ordnungen eingegriffen hat, ist zu vermuthen, aber es wird darüber nichts überliefert. — Da jeder dieser Höfe durch besonderen Volksschluss 1 St. R. 1, 221 fg. 661 fg. Papinian Dig. 1, 21, 1 pr.: videntur errare magistratus, qui , cum publici iudicii habeant exercitionem lege vel senatus consulto delegatam, veluti legis luliae de adulteriis et si quae sunt aliae similes, iurisdictionem suam mandant Die für die Mandirung der Civiljurisdiction aufgestellten Normen (Dig. 2, 1, 16. 17) kommen hier nicht in Betracht. 2 Dies wird auf die Einsetzung des Quaesitors Anwendung finden. 3 Nach Papinian a. a. 0. gestattet das julische Vcrgewaltigungsgesetz dem (städtischen) Prätor für den Fall seiner Abwesenheit einen Vertreter zu bestellen, was mit der bei diesem Verfahren vorgeschriebenen Beschleunigung zusammenhängt. Auch die collegialiscbe Mandirung (St. R. 1, 224. 670) mag zwischen den verschiedenen Prätoren statthaft gewesen sein. 4 Schol. Bob. zu in Vatin. 14, 34 p. 323. 5 St. R. 2, 584 A. 2 und 4.

Fünfter Aschnitt.

Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

207

ins Leben gerufen worden ist, so wird, so weit Private diesen Gerichten Vorsitzen sollten oder konnten, das durch blosse Delegation nicht herbeizuführende jurisdictionelle Imperium ihnen durch Gesetzesclauseln zugetheilt worden sein 1 . — Dasselbe ist hinsichtlich der vorher aufgezählten Specialquästionen geschehen, so weit Der Vorsitz wir über deren Dirigenten Kunde haben. In dem nächst dem J n d ? n σ

Singular-

marcischen vom J. 582/172 (S. 172 A. 2) ältesten Fall VOm quästionen. J. 613/141 (S. 197 A. 2) wird die Ernennung des Dirigenten durch das mucische Gesetz clem Senat übertragen, welcher die Sache dem Consul überweist. In den späteren, zuerst in dem berühmten Vestalinnenprozess vom J. 641/113, werden meistenteils 2 in Gemässheit des die Quästion anordnenden Gesetzes durch Volkswahl ein oder mehrere Quäsitoren ernannt, denen selbstverständlich durch jene Gesetze das erforderliche Imperium übertragen ward. — Auch dafür, dass der also behandelte Prozess nicht, wie es sonst wohl hätte geschehen können 3 , als an die amtliche Function des ihn leitenden Beamten geknüpft mit diesem stand und fiel, sondern bei dessen Rücktritt auf den Nachfolger überging , ist durch entsprechende gesetzliche Clausein Sorge getragen worden 4 . Einen Amtstitel führen von den genannten Dirigenten ausser den betheiligten Prätoren nur die bei dem Mordprozess beschäftigten Aedilicier; ein solcher nennt sich in dieser Function in voller Bezeichnung iudex quaesitionis verum capitalium 5. Den übrigen Diri1

Positiven Beweis, dass der Vorsitzende bei dem iudicium publicum, wenn er nicht Prätor war, das jurisdictionelle Imperium gehabt hat, haben wir wohl für den iudex quaestionis, aber nicht allgemein für den amtlosen quaesitor. 2

Bei dem fufischen Plebiscit hat wahrscheinlich der Senat es bewirkt, dass keine Volkswahl stattfand, sondern der Stadtprätor als Quaesitor fungirte. 3

Die nach dem ältesten Gesetz über eine Specialquästion, dem marcischen vom J. 582/172 (S. 172 A. 2) niedergesetzte Quästion wurde dadurch vereitelt, dass der Prätor, dem sie übertragen war, den Schlusstermin auf den ersten Tag nach seinem Rücktritt ansetzte, mit welcher nichtigen Ladung der Prozess, als auf dem imperium ruhend, zu Ende war (Liv. 42, 22). 4

Zu diesem Zweck bestimmt das Repetundengesetz Z. 27: eisdem ioudices unius rei in perpetuom sient. Daher geht bei dem Wechsel der Magistratur der Prozess weiter (Cicero Verr. act. 1, 10. 18) und kann der Magistrat, wenn sonst nichts im Wege steht, Klage noch am letzten Amtstag annehmen (Plutarch Cie. 9). 6 C. I. L. V, 862. Vgl. Dig. 48, 8, 1, 1 : qui magistratus iudexve quaestionis ob capitalem causam pecuniam acceperit, ut publica lege reus fiwet. Gewöhnlich heisst er iudex quaestionis oder quaestionum . St. R. 2, 586.

Zweites B u c .

208

Die Strafbehörden.

genten, die sämmtlich nur für den einzelnen Prozess oder eine Prozessgruppe bestellt sind, kommt ein Amtstitel nicht zu; die enuntiative Benennung quaesitor wird sämmtlichen amtlichen wie nicht amtlichen Dirigenten beigelegt 1 . Th&tigkeit Dass die diese Proceclur überhaupt charakterisirende und für sUzen^en t e c h n i s c h e Bezeichnung quaerere mit seinen Ableitungen bei dem Vorsitzenden zur Anwendung kommt, ist bereits ausgeführt worden (S. 187). Aber auch iudicare und iudex wird nicht bloss von den Geschwornen gesagt, sondern auch von clem Vorsitzenden und zwar sowohl von clem minderen Dirigenten im Mordprozess, bei dem es titular sich behauptet hat, wie in den Anfängen dieser Institution ebenfalls von dem Vorsitzenden Prätor 2 , verm u t l i c h weil cler Vorsitzende in einer Reihe von Fällen sicher 8 und wahrscheinlich allgemein bei diesen Gerichten mit stimmt 4 . 1

Schrift acl Her. 4, 35, 47 aus einer an L. Cassius gerichteten, wahrscheinlich von Crassus im Vestalinnenprozess gehaltenen Rede: accusatoris officium est inferre crimina, defensoris diluere et propulsare, testis dicere quae sciat aut audierit, quaesitor is est unumquemque horum in officio suo continere. Weiterer Belege für diese Bezeichnung des nicht magistratischen Dirigenten bedarf es nicht; quaestor wird dafür nicht gefunden (St. R. 2, 223 A. 4). Vom Prätor steht quaesitor bei Cicero Verr. act. 1, 10, 29, pro Font. 10, 21, auch in Vat. 14, 34 (St. R. 2, 223 A. 4), vom Dictator Liv. 9, 26, 12. Im cornelischen Mordgesetz umfasst die Bezeichnung (Dig. 48, 8, 1 pr.): cum magistratus esset publicore iudicio praeesset (oder quaestioni praeessc Cicero pro Sex. Roscio 30, 85 und sonst) sämmtliche Quaesitoren. Gleich werthig ist iudicium publicum exerce re (Cicero Verr. 1. 1, 60, 155. pro Arch. 2, 3. 12, 32. pro Cael. 1, 1. Asconius in Cornel, p. 62. Paulus Dig. 48, 1, 8; ebenso Varro de 1. L. 5, 81 quaestionum iudicia exercere). 2 Dass im Repetundengesetz der Prätor iudex heisst, zeigt namentlich Z. 19: ad iudicem, in eum annum quei ex lt. I. ff actus/ erit, in ious educito nomenque eius deferto und wird also aucli (was ich früher St. R. 2, 587 A. 1 verkannt babe) in Z. 60—64 anzunehmen sein, wogegen Z. 42—44 der Einzelgeschworne gemeint ist. Einen Vormann der Geschwornen kennt das Gesetz nicht. — Andere Belege für diesen Sprachgebrauch giebt es nicht und er ist offenbar früh abgekommen, weil das Stimmrecht des Vorsitzenden neben dem Vorsitz selbst zurücktritt und der Gegensatz wichtiger ist als die Gleichheit. 3 Dass der aus den Geschwornen genommene Quaesitor mitstimmt, bedarf keines Beweises. Aber auch in dem milonischen Specialgericht (S. 199 A. 2) ist es evident, dass der Quaesitor Ahenobarbus mitstimmt und mit ihm der senatorischen Decurie eine Stimme hinzutritt, welche der tribunicischen entzogen wird. Vor allen Dingen aber ist die im Repetundenprozess angesetzte Zahl von 50 abstimmenden Richtern nur denkbar unter Hinzuziehung der Stimme des Vorsitzenden. 4 Für die entgegenstehende hergebrachte, auch von mir im St. R. 2, 666 A. 3 angenommene Meinung giebt es in der That keinen Beweis. Entgegen steht allgemein der Sprachgebrauch. Iudex wird in keiner anderen Weise gebraucht

Fünfter Aschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

209

Die Geschwornen1 wurden aus dem Privatprozess, in welchem Die Geseit langem die effective Entscheidung bei ihnen lag, in diese s^™™reen Klagform übernommen2 und in der ständischen Qualification Z U - ständische nächst nichts geändert, nur dass bei diesen wichtigen Prozessen die Qu t a / 0 ^ ca " Recuperatorenprocedur bei Seite bleibt 3 , anfänglich jeder dabei verwendete Geschworne Senator ist und die Benennung iudex hier allein gebraucht wird 4 . Wie für die in Rom bei den Civilprätoren angebrachten Klagen hat die normal 300 Stellen zählende Senatsliste bis auf die Zeit des jüngeren Gracchus auch für den magistratischen Geschwornenprozess gedient, wobei die zehn Abtheilungen oder Decurien des Senats zur Wrwendung kommen5. Durch C. Gracchus wurde das Verzeichniss der Staatspferdinhaber von normal 1800 Stellen, von welchen die Senatoren ausgeschlossen waren 6 , als Gesellwornenliste an die Stelle des Senatsverzeich-

als von dem allein entscheidenden oder doch an der Entscheidung betheiligten Richter; auf den bloss den Prozess leitenden Beamten passt diese Benennung nicht und sie wird, wie gezeigt ist, nicht bloss dem secundären Beamten im Mordprozess, sondern auch dem Prätor gegeben. 1 Die ebenso politisch wichtigen wie schwierigen Fragen über die Besetzung der Geschwornenstellen können im Strafrecht eine genügende Erledigung nicht finden ; für die Begründung wie für die nähere Bestimmung muss ich hier auf das Staatsrecht (3, 527 fg.) verweisen. 2 Für die indicia p)rivata wie für die iudicia publica hat in Rom zu allen Zeiten dieselbe Geschwornenliste gedient (Senatsbeschluss bei Frontinus de aq. 101 gestattet den Wassercuratoren die Vacation iudieiis privatis publicisque; Inschrift C. I. L. V , 7567 von Hasta aus der Zeit des Tiberius: iudex de IUI decuriis eques selectorum publicis privatisque ; St. R. 3, 528 A. 1). 8 Bezeichnend ist die Besetzung der den Repetundenprozess vorbereitenden Gerichte vom J. 583/171 mit Recuperatoren ex ordine senatorio (S. 178 A. 3), ohne Zweifel in exceptioneller Weise. 4 S. 178. Eine titulare Bezeichnung des Geschwornen hat es, so lange diese Befugniss sich an die Senatoren- oder die Ritterstellung knüpfte, anscheinend nicht gegeben. Seit dem aurelischen Gesetz, das die drei (später vier oder fünf) Decurien ins Leben rief, wird der Geschworne bezeichnet als adlectus in (Zahl) decurias Romae legitumae iudicantium (so die Inschrift von Tarraco C. I. L. I I 4223; modificirte Fassungen St. R. 3, 528 A. 2. S. 536 A. 2). Es findet sich auch album iudicum (Sueton Tib. 50, Claud. 16; C. I. L. I V , 1943: non est ex albo iudex pâtre Aegyptio. Die Aenderung bei Asconius p. 39 ist bedenklich, da es sich hier um eine Specialquästion handelt). 6 St. R. 3, 529 fg. (vgl. S. 851), wo auch die weiteren Angaben belegt sind. 6 Das gracchanische Repetundengesetz geht darüber noch hinaus, indem es ausser dem Senator noch ausschliesst wer im Senat gesessen hat oder durch Bekleidung einer niederen Magistratur die Anwartschaft darauf hat in demselben zu sitzen, ferner die Väter, Brüder und Söhne der Senatoren. St. R. 3, 531 A. 1. B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

14

210

Zweites B u c .

Die Strafbehörden.

nisses gesetzt, und trotz vielfacher Versuche der alten Aristokratie dies abzuändern, ist dies bis auf Sulla in Kraft geblieben. Von Abtheilungen der Ritterliste ist nirgends die Rede. Sulla hat im J. 673/81 dem Senat das frühere Recht zurückgegeben, womit auch die alte Zehntheilung wieder in Kraft getreten ist, zugleich aber die Zahl der Senatoren ungefähr auf die doppelte Höhe gebracht. Nach dem aurelischen Gesetz vom J. 684/70 wurde eine eigene von Jahr zu Jahr erneuerte und öffentlich an der Gerichtsstätte aufgestellte Geschwornenliste 1 von 900 Stellen eingeführt, von denen der dritte Theil oder die erste Decurie, wie diese Abtheilungen jetzt genannt werden, aus dem Senat, ein zweites Drittel oder die zweite Decurie aus den Staatspferdinhabern, das letzte Drittel oder die dritte Decurie aus den sogenannten Tribunen des Aerarium genommen werden sollten, welche letztere zwar nicht das Staatspferd, aber doch wenigstens der Regel nach den Rittercensus hatten, so dass in diesem Compromiss der Parteien die gracchanische Tendenz vorwog 2 . Diese Tribune hat der Dictator Caesar beseitigt; die Benennung der drei gleichzähligen Decurien indess ist beibehalten worden, ohne dass sich angeben lässt, in welcher Weise diese jetzt gesondert worden sind 3 . Seitdem sind die Geschwornenstellen ausschliesslich mit Senatoren oder Staatspferdinhabern, regelmässig mit Grundbesitzern 4 besetzt worden, nur dass durch die Kaiser Augustus und Gaius für die geringeren Rechtshändel zwei weitere Geschwornendecurien mit minderer ständischer Qualification hinzugefügt worden sind. Die Zahl der Geschwornen der beiden höheren Kategorien betrug unter Augustus normal für jede der drei Decurien 1000, wovon auf die Senatoren, welche vielleicht jetzt von Rechts wegen alle der Liste angehörten, nach der von Augustus vorgenommenen Reduction der Senatsstellen höchstcn1 Cicero pro Cluentio 43, 121: praetor es urbani ...iurati debent optimum quemque in lectos iudices re ferre. Vgl. St. R. 2, 585 und über die durch das pompeische Gesetz vom J. 699/55 für die Geschwornen vorgeschriebene Qualification das. 3, 534 A. 2. 2 In dem nicht angenommenen Gesetzesvorschlag, den Cicero pro Plancio 17, 41 (S. 217 A. 1) erwähnt, scheint der Ausschluss der Senatorendecurie beantragt worden zu sein. 8 Dass Ritter auch in der ersten Decurie sitzen, lehren die Inschriften (St. R. 3, 525 A. 3 mit der Berichtigung das. S. 897 A. 3). 4 Quintilian 4, 2, 45: iudicem ruro plerumque in decurias mittunt; 12, 10, 53: indocti saepius atque interim rustici.

Fünfter Abschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

211

falls cler dritte Theil der Gesammtzahl entfiel \ In dieser Gestalt hat die Geschwornenliste nachweislich bis gegen das Ende des 2. Jahrh. n. Chr. bestanden. — Die Aufstellung des allgemeinen Geschwornenverzeichnisses, welche seit dem Erlass des aurelischen Gesetzes jährlich durch den städtischen Prätor bewirkt worden war 2 , ist unter dem Principat auf die Regierung übergegangen8. Diese Gesammtliste hat zunächst für den Geschwornendienst bei dem städtischen und dem Peregrinenprätor gedient und in- sondersoweit dem städtischen Prätor die Bildung der iudicia publica ob- v e " ^ c ^ 9 s e liegt, bei den Prozessen wegen schwerer Injurien und wegen Ver- schwornen gewaltigung, kommt sie auch für diese gleichmässig zur Anwendung4. f û r z ^ e n e i n " Sonst aber ist wahrscheinlich der Regel nach5 dasjenige Verfahren Qa&stionen. in Anwendung gebracht, welches für die Repetunden das gracchanische Gesetz vorschreibt : der das Repetundengericht leitende Prätor wählt hier aus dem allgemeinen Geschwornenverzeichniss — damals dem der 1800 Staatspferdinhaber — 450 Namen aus zum Geschwornendienst für seine Prozesse und sein Amtjahr und stellt dieselben öffentlich an seinem Tribunal auf 6 . Dass der Dienst nach diesen Sonderlisten so wie derjenige nach der Hauptliste nicht allzu sehr mit einander collidirten, muss in irgend einer Weise bewirkt worden sein; Angaben darüber fehlen. — Selbstständige von der Gesammtliste unabhängige Geschwornenlisten sind für einzelne Specialprozesse gebildet worden, so für die nach 1 Plinius h. n. 29, 1, 18 : decuriae .. . censuris principum examinantur .. . et qui de nummo iudicet a Gadibus . . . arcessitur, de exilio vero non nisi de (fehlt in der andern Handschriftenklasse) XLV electis viris datur tabella scheint die bloss für den Civilprozess competenten Geschwornen (schwerlich bloss die ducenarii) der höheren auch für den Criminalprozess zuständigen Klasse entgegenzustellen und deren Gesammtzahl zu nennen; denn die Ziffer des einzelnen Consilium passt weniger in den Zusammenhang. Aber welche Zahl in de XL V steckt — vielleicht DCXLV — ist fraglich. Dass in der Kaiserzeit eine Sonderliste auch für die Civilprozesse aufgestellt worden ist, scheint hervorzugehen aus dem, was Gellius von sich selbst sagt (14, 1, 1): a praetoribus lectus in iudices sum, ut iudicia quae appellantur privata susciperem. 2

S. 210 A. 1. St. R. 2, 228. 3, 533.

8

St. R. 3, 536.

4

Vgl. im vierten Buch die betreffenden Abschnitte.

6 In der Kaiserzeit mag auch für die Civilprozesse eine Sonderliste aufgestellt worden sein (A. 1). 6 Repetundengesetz Z. 14. 15: in tabula in albo atramento scriptos patrem tribum cognomenque tributimque discriptos habeto.

1*

212

Zweites B u c .

Die Strafbehörden.

dem varischen Gesetz zu führenden Prozesse nach dem Plebiscit vom J. 663/91 durch Bürgerschaftswahlen (S. 198 A. 2) eine solche von 525 Stellen, indem jede der 35 Tribus unter Absehen von aller ständischen Qualification 15 Geschworne ernannte: ferner nach clem poinpeischen vom J. 702/52 (S. 199 A. 2) durch den Consul Pompeius, den das Gesetz anwies, ohne Rücksicht auf das Gesammtverzeichniss aus jeder der drei Klassen 120 Geschworne zu bezeichnen, während bei dem fufischen vom J. 693/61 (S. 198 A. 3) ein ähnlicher Versuch fehlschlug 1. Dass auch für einzelne ständige Gerichtshöfe dergleichen Sonderlisten aufgestellt worden sind, ist möglich, aber kein Fall der Art überliefert. DisAbgesehen von den vorher bezeichneten ständischen Erforclerf l lon ^ ^ n i s s e n , ist für das Geschwornenamt eine gesetzliche Qualification echwomen, vorgeschrieben sowohl in den die einzelnen Quästionen regulirenden Specialgesetzen wie durch das aurelische für die Hauptliste. Hinsichtlich der Ausschlussgründe gelten im Allgemeinen dieselben Regeln wie im Civilprozess 2 ; hervorzuheben sind die Altersgrenzen und der Ausschluss cler Auswärtigen. — In jener Hinsicht wird in republikanischer Zeit früher das Ueberschreiteii des clreissigsten 8, nach dem aurelischen Gesetz das des fünfundclreissigsten Lebensjahres gefordert; Augustus hat wiederum jenes als Grenze gesetzt4. Die andere Altersgrenze des sechzigsten Jahrs ist wohl so zu verstehen, dass von da an diese Leistung abgelehnt werden kann 5 . — Die Auswärtigen anlangend

qn

1 Dies war für den Ausgang des Prozesses entscheidend: das fufische Gesetz, schreibt Cicero ad Att. 1, 16, 2, wich von dem consularischen Antrag nur ab ii. iudicum genere, in eo autem erant omnia. 2 In dem gracchanischen Repetundengesetz werden, so weit es erhalten ist (Z. 12—14. 16. 17. 23), ausser den im Text erwähnten Kategorien ausgeschlossen die durch Strafurtheil vom Senat ausgeschlossenen oder wegen Repetunden verurtheilter, weiter, wie es scheint, die für Geld im öffentlichen Fechterspiel erschienenen Personen. 3 Repetundengesetz Z. 13. 17. 4 Sueton Aug. 32: iudices a tricensimo aetatis anno adlegit, id est quinquennio maturius quam solébant, wo nicht geändert werden darf; die Anordnung des 35. Lebensjahres wird auf das aurelische Gesetz zurückgehen. Das zwanzigste Jahr fordert die spätere Gesetzgebung für die Fähigkeit zur Uebernahme des Schiedsspruchs (Ulpian Dig. 42, 1, 57); dass hiebei auch der Minorenne zugelassen wird, ist begreiflich. Vgl. St. R. 3, 534 A. 1. 5 Repetundengesetz a. a. 0. St. R. 2, 409 A. 6. Von der Geschwornenpflicht befreit auch das Kinderrecht (Vat. fr. 197. 198 Sueton Claud. 15) und die öffentliche Lehrthätigkeit (Dig. 27, 1, 6, 8).

Fünfter Aschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

213

kann in republikanischer Zeit auf die Geschwornenliste nur gebracht werden, wer sein Domicil in Rom hat und zur Zeit der Aufstellung sich in Italien aufhält 1 . Unter dem Principat wird von dem Domicil abgesehen und sind Italiker in grosser Zahl und auch Provinzialen, insbesondere aus den Rom näher liegenden und zum lateinischen Sprachgebiet gehörigen Gegenden auf die Geschwornenliste gebracht und zum Dienst bei den stadtrömischen Gerichten einberufen worden 2. Aber wer nicht als Bürger geboren war. ist vom Geschwornendienst ausgeschlossen3. Den einzelnen Prozess entscheidet ohne Ausnahme ein zahlreiches Bildung des Geschwornencollegium, in scharfem Gegensatz zu dem Einzeige- ^geùcL· schwornen des ursprünglichen Privatprozesses. Formell schloss in far den dieser Hinsicht die neue Prozessform nicht clem Recuperatorenprozess, aber clem Hausgericht sich an und dem daraus abgeleiteten privaten und öffentlichen Verfahren, bei dem der Vorsitzende Magistrat als cler Richter, die mitwirkenden Geschwornen als sein 'Beirath', consilium gefasst und benannt wurden 4 . Bei dem AccusationspiOzess wird die Zuziehung dieser Berather gesetzlich geregelt und der Magistrat im Wesentlichen auf die Leitung des Verfahrens beschränkt , während die Entscheidung sowohl in der Sache selbst wie auch bei wichtigeren Incidenzfragen bei dem Vorsitzenden nicht mehr liegt als bei jedem der Geschwornen. Das Festhalten ihrer Bezeichnung als 'Beirath 5 ist lediglich eine Reminiscenz und eine rücksichtsvolle Auffassung der neuen Stellung der Magistratur. Bei der Bildung des Consilium für clen einzelnen Prozess sind ausgeschlossen die Verwandten des Angeklagten so wie die durch Collegialität oder Sodalität ihm Nahestehenden ; auch sollen aus demselben Hause nicht mehrere zugleich als Geschworne fungiren 5 . Es wird dem Quaesitor obgelegen haben die Zulassung einer solchen Person zu verhindern, eventuell ihn aus dem Consilium zu entfernen. Auch konnte der Geschworne 1

Repetundengesetz a. a. 0. St. R. 3, 537. Vgl. Tacitus ann. 16, 27. 8 St. R. 3, 537. 538. 4 Repetundengesetz Z. 60: eiei iudicei consilioque eum maiorei pafrtij ; Z. 57: de consili maioris partis sententia. Cicero pro Sex. Rose. 52, 151: hoc quod maiores consilium publicum vocari voluerunt; pro Caec. 10, 29: consilium publicae quaestionis. Weitere Belege sind nicht erforderlich. 6 Repetundengesetz Z. 20—22. Dig. 47, 10, 5 pr. 2

214

Zweites B u c .

Die Strafbehörden.

aus zureichendem Grund sich entschuldigen, worüber das Consilium befindet Vorschlag Die Bildung des Consilium selbst vollzieht sich durchgängig an * ^ l e h " durch Aufstellung einer aus der für den Prozess zur Verfügung stehenden Gesammtzahl ausgeschiedenen engeren Liste, welche alsdann durch das der Gesammtzahl gegenüber nicht wohl zu handhabende Ablehnungsrecht (reiectio) der Parteien auf die für jeden Prozess in der Gerichtsordnung festgesetzte Stimmenzahl reducirt ward. Es konnte dies in sehr verschiedener Weise durchgeführt werden; die einzelnen Ordnungen sind offenbar vielfach ungleichförmig gewesen und nicht alle darüber namentlich in den ciceronischen Reden vorliegenden Andeutungen lassen sich in sicherer Weise erklären. Aber man erkennt, dass die engere Liste nach einem doppelten Princip gebildet wurde, entweder durch Loosung oder eine andere von dem Belieben des Klägers nicht abhängige Trocedur, was die Regel gewesen sein muss, oder mit strengerem Verfahren durch die dem Kläger anheim gestellte Bezeichnung (eäitio) einer bestimmten Zahl von Personen für das zu bildende Consilium. Immer ist, nachdem das aurelische Gesetz die drei Klassen in die Geschwornenliste eingeführt hatte, die Dreitheilung auch für den einzelnen Prozess durchzuführen und also, abgesehen etwa von dem Quaesitor (A. 199 S. 2), jedes Consilium aus der gleichen Zahl von Senatoren, Rittern und Aerartribunen zusammenzusetzen. Ob nach Beseitigung der letzten Kategorie die Consilien auch ferner aus verschiedenen Decurien zusammengesetzt worden sind oder wie sonst späterhin dabei verfahren ist, ist nicht bekannt. sortition.

Die Vorschlagsliste ist wahrscheinlich anfänglich immer und später in der Regel durch Loosung gebildet worden. Während die Geschwornengerichte dem Senat zustanden, wurde für diesen Zweck allem Anschein nach eine seiner Decurien ausgeloost2. Dieser 1 Cicero Phil. 5, 5, 14: accipietne excusationem is qui quaestioni praeerit? Tacitus dial. 5: antcquam me iudicem Aper recuset, faeiam, quod probi et modesti iudices soient, ut in its cognitionibus se excusent , in quibus manifestum est alteram apud eos partem gratia praevalere . In dem tullischen Ambitusgesetz wurde die Entschuldigung — wie es scheint des Geschwornen — wegen Krankheit mit einer Strafe belegt (Cicero pro Mur. 23, 47). Die nach dem Repetundengesetz den Geschwornen aufzulegende multa suprema und die Muitirung eines senatorischen Geschwornen wegen Ausbleibens noch unter Traian wurden bei der Coercition (S. 51 Α. 2) erwähnt. 2 In dem Prozess des Verres verfügt Cicero für die Bildung des Gerichts über eine Decurie des Senats (1. 1 fin.; vgl. 3, 11, 28), wo die Schmälerung seines An-

Fünfter Aschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

215

gegenüber haben beide Parteien ein Rejectionsrecht, nach sullanischer Ordnung in der Weise, dass der Beklagte eine bestimmte Zahl von Geschwornen definitiv für das Consilium bestimmt 1 und von den übrigen eine bestimmte Anzahl — der nicht senatorische Angeklagte drei 2 , der senatorische mehr — definitiv ablehnt 8 , alsdann von den übrig bleibenden der Ankläger so viele ablehnt, dass die Normalzahl erreicht wird 4 . Dieses bei den senatorischen Consilien eingehaltene, augenscheinlich zu Gunsten der Angeklagten geordnete Verfahren ist bei den Ritter- und den gemischten Gerichten nicht zur Anwendung gekommen ; aber für diese fehlen genügende Nachrichten über die Bildung der gewöhnlichen Consilien. Wahrscheinlich sind auch sie aus der Gesammtliste in der Weise hervorgegangen, dass eine grössere Zahl von Namen durch Loosung ausgesondert5 und aus diesen durch die beiderseitig den Parteien

klägerrechts durch den Uebertritt einzelner Richter zur Ausfüllung der in anderen Consilien sich ergebenden Lücken erwähnt wird; darauf bezieht sich ebenfalls pro Cluentio 37, 103. Das Consilium selbst beruht auf der Loosung (act. 1, 6, 16), was auch durch die subsortitio (S. 217 A. 4) gefordert wird. Dass mehrere Prozesse gleichzeitig an dieselbe Decurie gelangen (Cicero pro Cluentio 22, 59), steht nicht im Wege.; 1 Cicero Verr.l. 1. 7,18: (Verres ) cum P. Galbam iudicem reiecisset, M. Lucretium retinuit et cum eius patron-us ex eo quaereret, cur suos familiarissimos . . . reici passus esset respondit, quod eos in iudicando nimium sui iuris sententiaeque cognosset. Eine Anzahl von Geschwornen also konnte der Angeklagte bezeichnen, ohne dass der Ankläger dies zu hindern vermochte. 2 Cicero Verr. 1. 2, 31, 77: quibus (des NichtSenatoren) ne reiciendi quidem amplius quam trium iudicum praeclarae leges Corneliae faciunt potestatem. 3 Das Rejectionsrecht des Angeklagten wird erwähnt Verr. 1, 7, 18. 3, 41, 97. 5, 44, 114. 4 Diese dritte Kategorie lässt der Angeklagte auf der Liste stehen (retinere A. 1); der Ankläger kann sie ablehnen (reicere: Verr. 1, 1, 7, 18 act. 1, 6, 16), oder auf der Liste belassen (retinere: Verr. act. 1, 10, 31) und sie somit, wie dies mit einiger rhetorischer Uebertreibung auch ausgedrückt wird, zu Geschwornen wählen (Cicero pro Sex. Roscio 3, 8: in hoc consilium delecti estis propter severitatem; 52, 151; ebenso Verr. 5, 68, 173). 6 Cicero pro Plancio 17, 41 bezeichnet als Gegensatz der gewöhnlichen und der editicischen Geschwornenbestellung, dass jene stattfinde ex delectis iudicibus, diese ex omni populo, das heisst dort wird aus der Hauptliste eine engere ausgeschieden, wobei wenigstens die gesetzlichen Ausscheidungsgründe berücksichtigt wurden, wenn auch im Ganzen wohl das Loos entschied, während hier aus der Gesammtliste als solcher eine Anzahl Tribus herausgenommen werden. In dem Prozess gegen Sulla wegen Vergewaltigung werden die Geschwornen von dem Vertheidiger (c. 33, 92) bezeichnet als ab accusatoribus delecti ad spem acerbitatis, a fortuna (des Looses, wie es scheint) nobis ad praesidium innocentiae con-

216

Zweites B u c .

Die Strafbehörden.

bis zu einer gewissen Maximalzahl freigestellte Ablehnung das Consilium hergestellt ward 1 . Genau unterrichtet sind wir nur über das Verfahren nach dem pompeischen Gesetz von 702/52 (S. 199 A. 2): hier nimmt die für diese Prozesse aufgestellte Specialliste von 360 Namen den Platz der Vorschlagsliste des gewöhnlichen Verfahrens ein und zwar in der anomalen Behandlung, dass vor diesen 360 Männern das Beweisverfahren stattfindet, dann nach Schluss desselben 3 X 93 durch Ausloosung, 3 X 5 durch Rejection cles Klägers und ebenso viele durch Rejection des Beklagten ausscheiden und die übrig bleibenden 17 oder mit Hinzutritt des Quaesitors 18 Senatoren, 17 Ritter und 16 Aerartribune, zusammen 51 zur Abstimmung gelangen. Edition. Einfacher und besser bekannt ist die Bildung des Geschwornengerichts durch klägerische Edition 2 . Diese ist vorgeschrieben in stituti. Es wird daraus nur entnommen werden können, dass der Zufall der Loosung und der Wille des Klägers bei der Bildung des Consilium zusammen wirkten. 1 Die reiectio iudicum alternorum, welche bei Cicero pro Plancio 15, 36 als die dem Editionsverfahren entgegengesetzte vermuthlich reguläre Geschwornenbildung erscheint, wird erläutert durch die Parallelstelle bei Cicero Verr. 1. 2, 13, 32, alterncie civitates reiectae sunt und besonders durch das Ackergesetz Z. 37: [recuperatores ex cijvibus L, quei class is primae sient, XI dato, inde alternos dufmtaxat quaternos — oder ternos — is quei petet et is unde petetur quos volent reiciant facito]. Dies kann nur heissen, dass bei elf Vorgeschlagenen die Parteien höchstens viermal (oder dreimal) die immer gegenseitige Ablehnung vornehmen können, so dass höchstens elf, mindestens drei (oder fünf) auf der Liste bleiben. Also ist die reiectio iudicum alternorum die successive Ablehnung der Geschwornen durch beide Parteien in gleicher Zahl unter Belassung eines Restes. — Dies Verfahren passt auch vollständig auf die Bestellung des Einzelgeschwornen und der kleinen Recuperatorencollegien des Privatprozesses, von dem das Rejectionsverfahren sicher ausgegangen ist. Die provinzialen Geschwornengerichte, welche in diese Kategorie gehören, führen auf dieselbe Bestellungsform (Cicero Verr. 3, 60, 140 indignum uni potius ex iniquis sumendi quam utrique ex aequis reiciundi fieri potestatem; vgl. das. c. 11, 27. 13, 34. 29, 70). — Der alle Quästionen umfassende Gesetzvorschlag des P. Vatinius 695/59 de alternis consiliis reiciendis (Cicero in Vat. 11, 27) dürfte dahin aufzufassen sein, dass die Geschwornenliste in feste Consilien getheilt, von diesen drei ausgeloost und jeder Partei die Ablehnung eines derselben gestattet werden soll, wobei diese Consilien eine höhere Zahl an Stellen erhalten konnten als das betreffende Gericht erforderte, um daneben noch der individuellen Rejection Raum zu schaffen. 2 Die Prozessform durch iudices editicii für den Ambitus wurde für das tullische Gesetz vom J. 691/63 vorgeschlagen, aber im Senat abgelehnt (Cicero pro Mur. 23, 47; worauf vielleicht sich bezieht pro Plancio 17, 41, vgl. S. 217 A. 1), dann aber in dem licinischen für den schweren Ambitus, die Sodalicien, angeordnet,

Fünfter Aschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

217

dem gracchanischen Repetundengesetz 1 . Nachdem der Angeklagte unter den 450 Personen der Quästionsliste die wegen Verwandtschaft oder aus anderen Gründen für diesen Prozess disqualificirten Personen dem Ankläger bezeichnet hat, wählt aus den übrigen dieser hundert nach seinem Ermessen qualificirte Personen aus; von diesen scheidet der Angeklagte die Hälfte aus und die übrigen mit dem Quaesitor bilden das Consilium. — Modificirt tritt dies Verfahren auf in der für den schweren Ambitus im J. 699/55 durch das licinische Gesetz festgesetzten Consilienbildung. Danach edirt von der nach clen fünf und dreissig Tribus geordneten Gesammtgeschwornenliste cler Ankläger vier Abtheilungen und nachdem der Angeklagte eine derselben abgelehnt hat, wird der Spruch von den Geschwornen der drei übrigen gefällt 2 , woneben indess nach Beschluss cles Gerichts dem Beklagten noch persönliche Ablehnungen bis zu einer gewissen Zahl gestattet werden können3. Bei dem Ausscheiden eines einzelnen Geschwornen vor dem sortition. Abschluss cles Prozesses wird die erledigte Stelle wieder besetzt und zwar bei den senatorischen Consilien durch Nachloosung (subsortitio) aus einer andern Decurie 4 . Für clie Ritter- und die gemischten Gerichte fehlen clie Nachrichten ; es muss auch hier eine ähnliche Procedur stattgefunden haben. — Der Wegfall des Vorsitzes kommt für das Geschwornenverfahren nicht in Betracht ; der nachfolgende Magistrat tritt für den abtretenden ein (S. 207 A. 4). Die Nornialzahl des Consiliums ist durchgängig höher, als wir zahl der sie im Recuperatorenverfahren finden 5 und wahrscheinlich beein- Ge8nc*nw°r~ flusst durch die bei den älteren wirklichen Consilien cler Magistrate übliche von dem Ermessen der Beamten abhängende, aber wie es scheint regelmässig recht ansehnliche Zahl der eingeladenen Bewas als ausserordentliche Härte (acerbum genus iudicii) bezeichnet wird (Cicero pro Plancio 15, 36. 37). Vgl. Servius zu Vergil bue. 3, 50. 1

Repetundengesetz Ζ . 19 fg. Verwandt ist der bei Cicero pro Plancio 17, 41 (vgl. S. 212 A 2) erwähnte Gesetzvorschlag; nuper clarissimi cives nomen editicii iudicis non tulerunt, cum ex CXXViudicibus prineipibus equestris ordinis LXXV reus reiceret, L re ferret. 2

Cicero pro Plancio 15—18 (mit den Scholien p. 253. 261) und ad Att. 4, 15, 9.

8

Cicero pro Plancio 16, 40.

4

Cicero Verr. act. 1, 10, 30. 1. 1, 19, 51. c. 61, 157. 158. pro Cluentio 33. 34. 35. 37, 103. 41, 113. pro Caec. 10, 29. Quintilian 4, 2, 22. Vgl. S. 214 A. 2. 5 Selbst das politisch wichtige recuperatorische Gericht Liv. 43, 2 besteht nur aus fünf Mitgliedern.

Zweites B u c .

218

Die Strafbehörden.

rather. Sie ist in den Ordnungen der verschiedenen Gerichtshöfe verschieden normirt, vielleicht aber später durch die julische Criminalprozessordnung allgemein geregelt. Die senatorischen Consilien sind vermuthlich durch die Decuriirung gebunden gewesen, das Verzeichniss der für den Prozess ausgelösten Decurie des Senats als Vorschlagsliste behandelt worden. Die Vorschlagsliste zählte demnach hier anfänglich ungefähr 30, nach der sullanischen Ordnung ungefähr 60 Namen, von welchen alsdann durch die Ablehnungen ein beträchtlicher Theil abging. In einem Prozess der sullanischen Zeit haben 32 Geschworne gestimmt1. Dass in der Epoche der Rittergerichte das gracchanische Repetundengesetz die Geschwornenzahl auf 51 festsetzte, ist vorher bemerkt. Wesentlich dieselbe Ziffer, nach der ständischen Gliederung 3 X 1 7 . begegnet in der Zeit der gemischten Gerichte sowohl für normale Prozesse wegen Mord 2 und Vergewaltigung 3 wie für die Specialprozesse des pompeischen Gesetzes (S. 199 A. 2). Nach dem fufischen Specialgesetz (S. 198 A. 8) scheinen 3 X 19 = 57 Geschworne gestimmt zu haben 4 ; im Repetunden-5 und im Majestätsprozess 6 dieser Epoche erscheinen 3 X 25 = 75 Geschworne. Aus der Zeit des Principats liegen keine entsprechenden Nach« richten vor. Nachdem das Consilium constituirt i s t 7 , werden die Namen der Mitglieder öffentlich verlesen und ebenso wie die der Quästions1

Cicero pro Cluentio 27, 74. In dem Prozess des Verres werden zwölf Geschworne von Cicero mit Namen genannt (Drumann 5, 317), acht rhetorisch bezeichnet als prope totum consilium (act. 1, 10, 30). 2 Im Prozess des Procilius 700/54 stimmen 50 Geschworne (Cicero ad Att. 4 r 15, 4). Auch der S. 217 A. 1 erwähnte Gesetzvorschlag führt auf diese Ziffer. 3 Prozess des Saufeius nach dem plautischen Gewaltgesetz: Asconius p. 55. 4 Abgegeben werden 56 Stimmen (Cicero ad Att. 1, 16, 5; schol. Bob. p. 130; irrig 55 Plutarch Cie. 29). Die hienach anzunehmende Effectivzahl 57 kann auf die normale Minimalzahl von 51 zurückgeführt werden, wenn das Ablehnungsrecht (S. 216 A. 1) nicht bis an die äusserste Grenze ausgenutzt ist. 5 Prozess des L. Valerius Flaccus 695/59 Cicero pro Flacco 2, 4 (vgl. St. R. 3, 193 A. 2). Im Prozess des M. Aemilius Scaurus 700/54 werden 22 + 23 + 25 = 70 Stimmen abgegeben (Asconius in Scaur, p. 29). 6 Cicero (in Pis. 40, 96) droht dem Piso mit den 75 Geschwornen. Im Prozess des A. Gabinius 700/54 werden 70 Stimmen abgegeben (Cicero ad Q. fr. 3, 4, 1). 7 Dies sind die iudices delecti (Cicero ausser den S. 215 A. 5 angeführten Stellen pro Sex. Rose. 3, 8. 52, 151. Verr. act. 1, 17, 52. 1. 5, 68, 173. pro Mur. 39, 83 in Vat. 11, 28), wogegen die in der Liste überhaupt stehenden Geschwornen selecti heissen.

Fünfter Aschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

219

liste (S. 211 A. 6) an der Gerichtsstätte aufgestellt 1 . Den E i d auf gewissenhafte Erfüllung seiner Pflichten 2 hat der Geschworne, wie es scheint, zweimal zu leisten, zuerst vor dem Beginn der Versammlung, sodann vor dem Eintreten in die Berathung des U r t h e i l s 8 . Was weiter über die von Piso begründete Prozessform zu sagen ist, insbesondere die Einführung der Parteirollen in den öffentlichen Strafprozess; die Erhebung der Klage anfänglich in der civilprozessualischen Form sacramento, späterhin durch die nominis dclatio; die Theilung des Ermittelungsverfahrens zwischen dem Vorsitzenden Magistrat und dem Kläger insbesondere im Wege der Ladung der Zeugen von Staatswegen; der Ausschluss der tribunicischen Intercession gegen die Vornahme des publicum iudicium; die magistratische Execution des Urtheils auch da, wo, wie im Repetundenprozess, als Kläger nicht die römische Gemeinde erscheint, sind wohl durch das Wesen des magistratischen Geschwornenprozesses bedingt, aber entweder nicht auf denselben beschränkt oder doch so eng mit dem allgemeinen Strafprozess verknüpft, dass sie besser dem folgenden Buch vorbehalten bleiben. Bestanden hat dieser hauptstädtische Criminalprozess bis gegen sinken und den Ausgang des 2. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung 4 nicht S c h w i n d e n

1

Repetundengesetz Z. 38: [nomina praetor facito in contione rjecitentur, proscripta propositaque palam apud for [um habetoj. 2 Cicero de inv. 1, 30, 48: religiosum est quod iurati legibus iudicarunt. pro Sex. Roscio 3, 8. 52, 152. Verr. act. 1, 10, 32. 1. 1, 4, 9. 5, 8,. 19. pro Cluentio 10, 29. de off. 3, 10, 43. acad. 2, 47, 116. Der Vorsitzende Magistrat nimmt den Eid ab, leistet ihn aber selber nicht (St. R. 2, 589 A. 6). 3 Repetundengesetz Z. 36. 37. 38. 44. 45. Nach den geringen Resten wird der erste Eid geleistet ante quam primum caussa dficetur], der zweite [an]te quam (in consilium) ibunt, und zwar pro rostreis in forum [vorsusj. Unter den erkennbaren Clausein bemerkenswerth ist die Verpflichtung weder die eigene noch die fremde Abstimmung bekannt zu geben. 4 Die Belege für die Epoche der julisch - claudischen Dynastie sind zahlreich (Sueton Aug. 56. Tib. 8. 33. 58. Dio 54, 3. 30. Tacitus ann. 1, 72. 75. 2, 79. Seneca apocol. 13); die Loosung um die Quästionen wird unter dem J. 33 erwähnt (Tacitus ann. 6, 16). In späterer Zeit werden sie genannt bei Quintilian inst. 3, 10, 1 (S. 204 A. 2). 4, 1, 21. c. 2, 45. 7, 5, 2 (S. 204 A. 3). 11, 3, 130, der, so weit er nicht die allerdings bei ihm vorwiegenden Rhetorencontroversen berücksichtigt, durchaus bei dem Criminalprozess die hauptstädtischen Accusationen im Auge hat; Plinius ep. 4, 29. 5, 21 (S. 205 A. 1); Juvenalis 11, 2: se iudice nemo nocens absolritur, improba quamvis gratia fallaci prattoris cicerit urna. Dass die Reste der Advocateneloquenz sich den Centumviralprozessen zuwandten, erklärt sich wohl daraus, dass die dienten dabei anständiger waren als bei den in dieser Epoche von der politischen Bewegung ausgeschlossenen Criminalsachen.

Zweites B u c .

220

Die Strafbehörden.

des Ge- bloss mit unveränderter, sondern wahrscheinlich mit verstärkter Comschwornen- petenz (S. 202; nach dem weiterhin Ausgeführten scheint er von der in den Anfängen des Principats eintretenden Strafsteigerung seinen Antheil gehabt zu haben 1 unci ist späterhin auch in ihm auf Todesstrafe erkannt worden. Indess bezeichnet noch cler ältere Plinius (S. 211 A. 1) die Geschwornencompetenz als Rechtsprechung über das Exil und der Regel nach sindCapitalprozesse schwerlich vor die Geschwornen gebracht worden. Diese Gerichte, denen freilich, neben den unmittelbar befreiten cler Consuln unter Mitwirkung des Senats und des Kaisers, namentlich die mittelbar kaiserliche Stacltpräfectur in empfindlicher und meistens wohl überlegener Weise Concurrenz machte2, behaupten sich dennoch neben derselben in einer gewissen Unabhängigkeit, insbesondere durch die Befreiung von der Appellation an den Kaiser, welche nur auf den Act cles Beamten, nicht aber auf den Geschwornenspruch in Anwendung kam 3 . Die inschriftlichen Belege für die Ernennung zu dem Ehrenamt des Geschwornen sind in Fülle vorhanden bis auf Kaiser Marcus 4. Dieser hat clen hauptstädtischen Gerichtshöfen die Capitalprozesse wiederum entzogen5 1

Die Capitalprozesse bei Quintilian 4, 1, 57. c. 2, 122. 8, 3, 14. 11, 1, 44. 12, 10, 70 auf den Senat allein zu beziehen ist durch nichts angezeigt. 2

Unter Nero (Tacitus ann. 14, 41) wird jemand bestraft, quod reos, ne apud praefectum urbis arguerentur, ad praetorem detidisset, interim specie legum, mo.r praevaricando ultionem elusurus. Kaiser Claudius richtete meistens selbst oder nahm Theil an den magistratischen Gerichten, wobei die vormundschaftlichen und die fiscalischen besonders hervorgehoben werden, aber die der Quästionsprätoren nicht ausgeschlossen sind, so dass neben diesen für die andern Gerichte — dabei scheint an den Stadtpräfecten und die Präfecten der Annona und der Vigiles gedacht — wenig zu thun übrig blieb (Dio 60, 4). 3

Ausdrücklich bezeugt ist diese Beschränkung der kaiserlichen Appellation nicht, aber sie liegt in der Rechtsconsequenz. 4 St. R. 3, 539 A. 1. Weder Severus noch einer der folgenden Kaiser wird in dieser Verbindung genannt. Es hängt dies wahrscheinlich zusammen mit der Umgestaltung der römischen Ritterschaft, über deren spätere Reduction im fünften Buch bei der Strafbemessung gesprochen wird; der Urheber derselben kann recht wohl Severus sein und damit muss das Ehrenamt der Geschwornen seinen Charakter verändert haben. 6

Vita Marci 24: capitales causas hominum honest [ijorum ipse cognovit et quidem summa aequitate, ita ut praetorem reprehenderet, qui cito reorum causas audierat, iuberetque illum iterum cognoscere. Dieser allerdings nicht unbedenkliche Bericht wird mehrfach bestätigt. Papinian in einem anscheinend unter Marcus oder in den früheren Jahren des Severus geschriebenen Werk kennt noch die Geschwornen (Dig. 48, 1, 13: ad crimen iudicii publici persequendum frustra procurator intervenit multoque magis ad defendendum, sed excusationes

Fünfter Aschnitt. Das Geschwornengericht unter magistratischem Vorsitz.

221

und von da an sind sie von untergeordneter Bedeutung, nach Alexander überhaupt nicht mehr nachweisbar 1. absentium ex senatus consulto iudicibus adlegantur — wie es scheint, die einzige Pandektenstelle, in welcher die Geschwornen der iudicia publica erwähnt werden); aber dabei steht ihm in erster Reihe der nicht capitale Ehebruchsprozess: magistratus . . . cum publici iudicii habeant exercitionem . .. veluti legis Iuliae de adulter iis et si quae sunt aliae similes . Paulus, unter Caracalla und Alexander, Dig. 48, 1, 8: ordo exercendorum publicorum capitalium in usu esse desiit bestätigt die Beschränkung der iudicia publica auf nicht capitale Prozesse. Dio endlich in den dem Maecenas in den Mund gelegten Rathschlägen (52, 20. 21) lässt die prätorischen Quästionen zu für nicht capitale Prozesse (ούτοι, — die vom Kaiser ernannten Prätoren — τας όίχας

πάντες &>ç έκαστοι πλην των φονικών Ιν τφ της

Μημον αρχής χρόνφ — in ihrem städtischen Amtjahr — δικαζέτωσαν) unter Bildung der Geschwornenhöfe aus Senatoren und Rittern ((συναγέσ&ω μεν δικαστήρια καϊ èx των άλλων βουλευτών των τε Ιππέων ), aber von ihnen geht die Appellation an den Stadtpräfecten (ίνα — υ πολίαρχος — τ ας δίκας τ ας . . παρά πάντων ων είπον αρχόντων ϊφεσ(μους τε χα,ϊ άναπομπίμους . . . χρίν y), während die Capital-

prozesse für Rom und Italien entweder an den Kaiser selbst oder an den Stadtoder die Gardepräfecten ' gehen. Wie weit diese Rathschläge den wirklichen Verhältnissen unter Alexander entnommen sind, muss dahingestellt bleiben; im wesentlichen stimmen sie mit den vorher behandelten Zeugnissen überein. Dios weitere Angabe (76, 16), dass er als Consul, also unter Severus, dreitausend schwebende Ehebruchsprozesse (τριοχιλίας

— γραφάς — iv τφπ(ναχι

Ιγγεγραμμενας)

vorgefunden habe, kann hienach schwerlich dahin verstanden werden, dass diese Prozesse damals an den Senat gelangten; sie werden unter senatorischer Oberaufsicht gestanden haben. 1 Die Angaben bei Paulus und Dio lassen über das damalige Bestehen der iudicia publica keinen Zweifel. Aus den Pandekten sind sie herauscorrigirt.

Sechster Abschnitt.

Der municipale Strafprozess. Ausserstädtische Gerichte



r

Die Concentration des jurisdictionellen Imperium in der Stadt gilt frühere Epoche Roms insofern schlechthin, als ausserhalb der e

di

Stadt wohl das militärische Imperium mit seiner Coercition (S. 29 fg.) in Geltung tritt, aber daselbst weder ein civiles noch ein delictisches Rechtsverfahren von einem römischen Magistrat ausgeübt werden kann. Durch die stetig steigende Ausdehnung der Grenzen und vielleicht mehr noch durch die des Verkehrs stellte sich die Notwendigkeit heraus, für die von der Hauptstadt weiter entfernten Gebietstheile und sogar für die ausserhalb des Landes ihr Geschäft betreibenden Bürger ausserstädtische römische Gerichtsstellen einzurichten, welche zwar zunächst für die civile Rechtspflege bestimmt waren, aber in der späteren Entwickelung theilweise auch zu wichtigen Strafbehörden geworden sind. Diese römischen ausserstädtischen Gerichtshöfe sind von dreierlei Art: die italischen Ortspräfecturen der republikanischen Zeit; die Statthalterschaften der Provinzen; endlich die Municipalgerichte der römischen Bürgergemeinden in Italien und in clen Provinzen. Jede Präfectur für Rechtspflege, jede Statthalterschaft, jede Muuicipalmagistratur empfängt ihre Jurisdiction durch Beschluss der römischen Gemeinde ; es sind dies sämmtlich durch Specialgesetz sanctionirte Abweichungen von der principiell festgehaltenen und vielfach auch praktisch nachwirkenden Concentrirung der römischen Jurisdiction bei den stadtrömischen Behörden. In diesem Abschnitt soll die Gerichtsbarkeit der stadtitalischen Präfecten und die der Municipalbehörden erörtert werden, während der folgende die Statthalterschaften behandelt.

Sechster Abschnitt.

Der municipale Strafprozess.

223

Die italischen "Stellvertreter für Rechtspflege 5, praefeeti iure Die dieundo sind römische Beamte für einen nach den noch bestehenden oder ^l i9C}en Prafecturei

früher in Geltung gewesenen Territorialgrenzen örtlich beschränkten Sprengel Sie werden theils nach gesetzlicher Anweisung von dem römischen Stadtprätor ernannt, theils geradezu von den Comitien gewählt und sind dazu bestimmt, in diesem Sprengel oder, wenn sie als Collégien für mehrere Sprengel bestellt werden, nach· geordnetem Turnus in einem jeden derselben2 die in Rom den beiden städtischen Prätoren zustehende Rechtspflege auszuüben3. Wo sie neben autonomen Behörden standen, werden sie die Prozesse zwischen römischen Bürgern, vielleicht auch clie zwischen einem Römer und einem Nichtrömer entschieden haben; meistent e i l s aber scheinen sie in solche Ortschaften gesandt zu sein, welcheu clie jurisdictionelle Autonomie fehlte. Dass clen stadtrömischen Prätoren gegenüber ihre Competenz beschränkt war, der in ihre Competenz fallende Prozess auch nach Rom gezogen werden konnte 4 , wichtigere Sachen vielleicht dorthin gezogen werden mussten5, lässt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuthen. In das Strafverfahren werden sie insoweit eingegriffen haben, wie dies den Civilprätoren zukommt. 1

St. R. 2, 608 fg. 3, 581. 792 A. 2. 797. Der später bei der statthalterlichen Jurisdiction besonders hervortretende Begriff des Sprengeis hat zunächst an der Präfectur sich entwickelt und erscheint hier deutlich als übertragen aus dem staatlichen Begriff des Gebiets. Angewendet wird der Sprengel sowohl auf die bestehende wie auf die gewesene autonome Stadtgemeinde; Capua zum Beispiel ist römische Präfectur sowohl als dem römischen Bürgerverband unter Belassung einer beschränkten Autonomie einverleibte Stadt wie auch nach dem Verlust der Autonomie. 2

Festus p. 41: conventus . . . cum a magistratibus iudicii causa populus •congregatur. Den conventus der römischen Bürger in Capua vor der Umwandlung des Orts in eine römische Bürgercolonie erwähnt Cicero pro Sestio 4, 9. 10 {vgl. C. I. L. X p. 366). Diese in Italien durch dessen Municipalisirung früh verdrängten Convente sind das Muster gewesen für die gleichartigen provinzialen. 3

Die italischen Präfecturen entsprachen im wesentlichen den ausseritalischen Provinzen. Allerdings fehlt den Präfecten, so viel wir wissen, das militärische Imperium ; aber auch der Statthalter hat dieses nur als Nothrecht und die Frage ist wohl gestattet, ob der römische Präfect in dem autonomen Capua lediglich mit der Jurisdiction zu thun gehabt hat. Auf jeden Fall liegt hier der Schlüssel zum Verständniss der römischen Provinzialorganisation. 4

In dem Contractschema bei Cato de r. r. 149 findet sich die Schlussclausel : si quid de iis rebus controversiae erit, Romae iudicium fiat. St. R. 3, 813 A. 2. 6 Dafür spricht die Analogie der Municipalmagistrate.

Zweites B u c .

224

Die Strafbehörden.

Entstehung

Der Ortschaft mit römischer Bürgerbevölkerung ist bis in die Spätzeit der Republik hinab die eigene Jurisdiction nicht, sondern sta^inner· höchstens die ausserhalb des Rechtsverfahrens stehende örtliche halb der Aedilität eingeräumt worden 1 ; sie ist nicht, wie die mehr oder bürgerschaft. minder autonome Stadt, ein Glied des das römische Reich bildenden Städtebundes, sondern ein unselbständiger Bestandteil cler clie Vormacht besitzenden Staclt. Aber nach dem gewaltigen, nicht eigentlich überwundenen, sondern durch Compromiss beigelegten Aufstand der Italiker gegen (lie Vormacht ist jedes italische Territorium, einerlei ob es bis dahin autonome Gemeinde gewesen oder als Präfectur 2 oder in anderer Form zum Gebiet cler Vormacht gehört hatte, als autonomer Staat constituirt worden, wobei allerdings diese Autonomie weit intensiver beschränkt ward, als dies bei den autonomen Bundesstädten der älteren Ordnung der Fall gewesen war. Damit treten die, Municipalmagistrate, clie italischen sowohl, wie clie mit der allmählichen Erstreckung des Bürgerrechts auf clas überseeische Gebiet weiter hinzutretenden provinzialen, unter clie römischen Gerichtsbehörden ein; es wird ihnen innerhalb ihres Territoriums 3 clas jurisdictionelle Imperium 4 der

1

St. R. 3, 778 fg. 814. Den dort dafür beigebrachten Beweisen, dass den ausserstädtischen Gemeinden römischer Bürger zunächst die Jurisdiction nicht zugestanden worden ist, ist hinzuzufügen, dass Tusculum, das älteste derartige nicht von Rom aus gegründete Gemeinwesen, nie andere Vorsteher gehabt hat als Aedilen, welche zwar selbstverständlich späterhin auch die Jurisdiction üben, aber ursprünglich offenbar nichts gewesen sind als die späterhin auch in nicht städtischen Gemeinden nicht selten begegneüden Magistrate dieses Namens. 2 Diese verschwinden demnach in Italien, und in die Provinzen sind sie in Beschränkung auf städtische Sprengel nicht übertragen worden; hier treten dafür die Statthalterschaften ein. 8 Siculus Flaccus p. 135: regiones dicimus, intra quarum fines singularum coloniarum vel municipiorum magistratibus iuris dicendi coercendique (vgl. S. 39 A. 1) est libera potestas. Das. p. 138, 8: territorium dixerunt, intra quos fines ius dicendi [ius ; (fehlt Hdschr.)] esset Pomponius Dig. 50, 16, 239, 8 : territorium est universitas agrorum intra fines cuiusque civitatis, quod ab eo dictum quidam aiunt, quod magistratus eius loci intra eos fines terrendi id est summovendi ius habent Paulus Dig. 2, 1, 20: extra territorium ius dicenti impune non paretur. Stadtrecht von Genetiva c. 95: Ilviro . . . testibus in eam rem publice dumtaxat h(ominibus) XX, qui colon [i] incolaeve erunt.. . denuntietur facito. St. R. 3, 825. 4 St. R. 3, 812 A. 3. Der Beisatz iure dieundo, welcher den verschiedenen Titulaturen angehängt zu werden pflegt (nur nicht leicht — Ausnahme macht Lavinium C. I. L. X , 797 — dem Prätortitel, da diesem die Jurisdiction nach späterem Sprachgebrauch inhaerirt) ist wohl auch beschränkender Art, indem damit das militärische Imperium ausgeschlossen wird. Wo er ständig fehlt, wie

chter Abschnitt.

Der

u n i c e Strafprozess.

225

im Allgemeinen in demselben Werth und demselben Umfang bei- Jurisdiction gelegt, wie es in Rom selbst dem Prätor zukommt. Die Schei- Mag *g t r rate dung, welche bei dem hauptstädtischen Oberamt zwischen Consulat der und Prätur und innerhalb dieser zwischen den verschiedenen r ™; isclien nurger-

Kreisen der Rechtspflege stattgefunden hat, ist in die MunicipalVerfassung nicht übergegangen; so weit es in derselben überhaupt ein jurisdictionelles Imperium giebt, steht dies bei den Duovirn oder wie sonst das Oberamt des Ortes sich titular bezeichnet.

städte.

Dass die Gerichtsbarkeit der Municipalmagistrate im All- Municipalgemeinen auch auf das Privatdelict sich erstreckt, kann nicht be- ^Γρη™*zweifelt werden. Aber die wichtigste Verschiedenheit, welche deiict. zwischen der älteren effectiven Autonomie der Bundesstadt und der jüngeren Quasi-Autonomie der Bürgergemeinde besteht, die Gestaltung ihrer Jurisdiction als einer solchen zweiter Klasse unter Ausschluss aller wichtigeren Rechtssachen1, wird auch hier eingegriffen haben, obwohl unsere geringe Kunde von diesen Municipalordnungen darüber nichts meldet. Die Uebertragung des magistratisch-comitialen Strafverfahrens Munieipaler auf die Bürgergemeinde 2 oder, was auf dasselbe hinauskommt, die Beibehaltung desselben nach Ertheilung des römischen Bürger- comitialer rechts ist nach Localsatzungen wohl vorgekommen3, schwerlich Strafpr02es s bei den Magistraten des stolzen Capua, hat man nicht beliebt die Inferiorität auszusprechen. — Wegen der Lictoren und der Fasces der Municipalmagistrate vgl. St. R. 1, 381. 1

St. R. 3, 815 fg. Wahrscheinlich hat die Jurisdiction der praefeeti iure diemdo hiefür als Muster gedient. 2 Dass es in der autonomen italischen Gemeinde ein solches gegeben hat, zeigt die oskische Tafel von Bantia. 3

Die merkwürdige Dedication, welche im J. 696/58 für den Tempel des Jupiter im Dorfe Furfo die Ordnungen feststellte (C. I. L. IX, 3513 = Bruns fontes 6 p. 260), giebt für den Tempeldiebstahl dem Vorsteher des Dorfes die Geldstrafe frei unter Vorbehalt der Berufung an die Gesammtheit der Dorfgenossen: sei qui heic sacrum surupuerit, aedilis (vorher heisst es: aedilis quemquomque veicus Furfens. fecerit) multatio esto quanti volet; idque veicus Furf. m[a]i[or] pars fifeltares (?) sei apsolvere volent sive condemnare, liceto. Der Act fallt rechtlich in den Kreis der collegialen Autonomie, obwohl die Formeln der res publica angehören und die Multation in dieser Allgemeinheit über jenen hinausgeht. — Aus Sueton Claud. 34: cum spectare antiqui moris supplicium Tiburi concupisset et deligatis ad palum noxiis carnifex deesset, accitum ab urbe vesper am usque opperiri perß i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

15

226

Zweites Buc.

Die Strafbehörden.

aber hat dasselbe bedeutenden Umfang gehabt, da zur Zeit des grossen Krieges dieses Verfahren in Rom selbst bereits im Schwinden war. Das Dagegen hat die Steigerung des Privatprozesses zum iudicium municipale publicum nachweislich sich auf die Municipien erstreckt. Wenn r indicium

publicum, die Delicte der Majestät, des Peculats, des Ambitus, insofern sie auf das römische Gemeinwesen sich beziehen, niemals das Municipalgericht haben beschäftigen können, so fehlt es nicht an Belegen für die criminelle Behandlung des municipalen Peculats und des municipalen Ambitus 1 und auch gewisse Fälle des Staatsverbrechens fordern analoge Behandlung in cler Gemeindeordnung. Weiter beschränkt Sullas Mordgesetz die Competenz des hauptstädtischen Gerichtshofes auf die in der Stadt Rom und im Umkreis von 1000 Schritten begangenen Delicte; es fordert dies als nothwendige Ergänzung für jedes municipale Territorium eine gleichartige Gerichtsstelle 2. Die gleiche Begrenzung ist anwendbar auf die Fälschung, die Vergewaltigung, den Menschenraub, die schwere Injurie, den Ehebruch, den Wucher, und wenigstens bei einem Theil dieser Delicte wahrscheinlich in Anwendung gekommen. — Wenn nun andrerseits in caesarischer Zeit municipaler iudicia publica gedacht wird mit einer derjenigen der stadtrömischen nicht gleichen, aber analogen Competenz8, so sind dies ohne Frage eben diese für die bezeichneten Prozesse eingesetzten Gerichte. Dass dies municipale iudicium publicum nicht ein Geschwornenverfahren mit magistratischem \ r orsitz ist, sondern ein iudicium publicum in dem älteren Sinne, das heisst ein severavit könnte man folgern, dass das alte magistratisch-comitiale Strafverfahren in Tibur noch unter dem Principat stattgefunden hat. 1 Vgl. im vierten Buch die betreffenden Abschnitte. 2 Coli. 1, 3, 1. Dem entsprechend kommt die dem Cluentius zur Last gelegte Mordthat als hauptstädtisches Delict (Cicero pro Cluentio 62, 175) vor diesen Gerichtshof. Dass die Vergiftung des Germanicus in Syrien vor das hauptstädtische Gericht gehörte (Tacitus ann. 2, 79. 3, 12), ist keine Instanz; auf die Strafthaten, welche ausserhalb des den städtischen Gemeinden römischen Rechts zuständigen Bodens begangen sind, war die Ordnung überhaupt nicht anwendbar. Auch Ausnahmen insbesondere für Senatoren sind wahrscheinlich gemacht worden. 8 Das julische Municipalgesetz Z. 118. 119 knüpft die Unfähigkeit für den Sitz im Municipalsenat und für die Bekleidung municipaler Aemter theils allgemein an die Verurtheilung in einem stadtrömischen iudicium publicum zur Verbannung aus Italien, theils für die einzelne Stadt an die Verurtheilung in einem iudicium publicum der Heimathgemeinde (queive in eo municipio . . . quoius erit, iudicio publico condemnatus est erit).

chter Abschnitt.

Der

unice

Strafprozess. 227

Recuperatorenprozess mit einem magistratischen oder doch namentlich in der Zeugendenuntiation dem magistratischen gleichgestellten Kläger, geht, abgesehen davon, dass es an jedem Zeugniss für die Uebertragung der Quästionen auf die Municipien gebricht, daraus hervor, dass das Peculatverfahren des tarentinischen Stadtrechts bezeichnet wird als ein solcher RecuperatorenprozessWenn bei der nicht häufigen Erwähnung des municipalen Strafprozesses einige Male als die richtende Behörde der Gemeinderath erscheint 2, so lässt sich dies mit der bezeichneten Ordnung insofern wohl vereinigen, als das dem Magistrat zustehende Klagerecht oder vielmehr die ihm obliegende Klagepflicht in der Regel wohl zur Anwendung kam nach Befragung und im Auftrag des Gemeinderaths 3. Allerdings entschliesst man sich schwer zu der Annahme, dass das municipale Mordgericht der letzten Zeit der Republik nicht mehr gewesen ist als ein Privatstrafverfahren vor Recuperatoren und dass dasselbe über Geld- und Ehrenstrafen hinaus nicht hat erkennen können ; aber man wird dies hinnehmen müssen im Hinblick darauf, dass auch das hauptstädtische über Verbannung aus Italien hinauszugehen nicht befugt war. Dieses Strafmittel selbst, die wichtigste Steigerung, welche das iuclicium publicum der sullanischen Ordnung gegenüber der früheren Privatklage erfuhr, hat auf das municipale Verfahren höchstens als Verbannung aus dem Heimathgebiet Anwendung finden können4. 1 Z. 4 fg. : quanta ea res erit, quadruplum multae esto .. . eiusque pequniae magistratus queiquomque in municipio erit petitio exactioque esto. Auch das in dem Stadtrecht von Genetiva c. 105. 123. 124 gegen den Decurio gerichtete Ausschlussverfahren tritt auf als magistratische Quästion (llvir qui h. I. quaeret iud(icium)[ve] exercebit) oder Accusation und wird in den gleichen Formen verlaufen sein. 2 Cicero pro Cluentio 14, 41: tabulas publicas Larini censorias corrupisse decuriones universi iudicaverunt. 44, 125: qui tabulas publicas municipii manu sua corrupisse iudicatus sit . Auch das Strafgericht bei versäumter Regenbeschwörung (S. 122 A. 2.) wird von Seneca den Decurionen beigelegt. In Rom richtet der Senat nicht über Peculat; aber eine Verhandlung im Senat konnte wohl den Magistrat bestimmen einen Peculatprozess anzustellen, und vor dem Schlussverfahren im Comitialprozess war er wenn nicht verpflichtet, so doch befugt den Senat zu befragen (S. 169). 8 Nach dem Stadtrecht von Genetiva c. 96 muss, wenn über eine die Kasse oder den Grundbesitz der Gemeinde betreffende Angelegenheit ein Decurio Auskunft verlangt, dieser Antrag in beschleunigte Behandlung genommen werden. 4 Dass das Municipalgericht nicht aus Italien verbannen konnte, versteht sich von selbst und geht auch aus dem julischen Municipalgesetz (S. 226 A. 3) hervor. 15*

228 Die munici-

strafgewait unter dem Prindpat.

Zweites Buch.

Die Strafbehörden.

Unter dem Principat ist die Behandlung der schweren Criminals e ' s0 * h i e n a c h u n t e r die Competenz der römischen Municipalmagistrate fielen, wahrscheinlich früh in Italien auf die p r äfecten der Stadt oder des Prätorium, in den Provinzen auf den Statthalter übergegangen; den Municipalbeamten blieb nur, abgesehen von der im letzten Abschnitt dieses Buches behandelten Hülfleistung bei der Strafrechtspflege, die Coercition 1 und auch in dieser Hinsicht wird hervorgehoben, dass sie selbst dem Unfreien nicht an das Leben gehen dürfen 2 . Die strafrechtliche Competenz cler Behörden cler zum römischen Reich gehörigen, aber des Bürgerrechts entbehrenden Gemeinden k a n n , wie dies im zehnten Abschnitt des ersten Buchs entwickelt wurde, i m römischen Strafrecht keine Stelle finden. Selbst die Relegation aus dem Territorium dem Municipalmagistrat beizulegen ist insofern bedenklich, als auch der römische nicht befugt ist den Bürger aus dem Bürgergebiet schlechthin, sondern nur aus einem Theil desselben auszuweisen. 1 S. 40. Dig. 40, 9, 17, 1. 47, 10, 15, 39. 1. 17, 2. 2 Ulpian Dig. 2, 1, 12: magistratibus municipalibus supplicium a serra sumere non licet; modica autem castigatio eis non est denegenda.

Siebenter Abschnitt.

Das statthalterliche Strafrecht. Die römische Statthalterschaft 1 , clas heisst die Einrichtung Anfang« uni römischer Gerichtshöfe ausserhalb Italiens, hat begonnen mit dem . E n t wickelang

entsprechenden Volksschluss vom J. 527/227 für Sicilien und hat d er stattsich allmählich erstreckt auf den römischen c W e l t k r e i s \ Italien, haiterechaft. das unter der Republik wie unter dem Principat zu den Statthalterschaften den Gegensatz bildet, ist dann von Diocletian in diese Form cles Regiments hineingezogen worden und es stehen seitdem ausserhalb derselben nur die beiden Hauptstädte, die alte Rom und clie neue Constantinopel. — Ausserhalb der Statthalterschaften stehen ferner die Clientelstaaten 2 und die ausseritalischen zum Bundesvertrag zugelassenen freien Städte, wie Athen und Sparta 8 . Die Könige jener und die Bürger dieser unterliegen allerdings der Reichsgerichtsbarkeit und können in republikanischer Zeit von den Consuln, unter clem Principat von den höchsten Reichsgerichten zur Verantwortung gezogen werden (S. 105), aber ein römischer 1

Auch in diesem Abschnitt müssen die politischen und die administrativen Ordnungen der Provinzialverwaltung, wie sie im St. R. besonders 2, 239 fg. entwickelt sind, vorausgesetzt werden, zumal da die mannichfachen Besonderheiten der Provinzen und ihrer Vorstände in die Rechtsordnung nur nebensächlich eingreifen. 2

Dies ist im ersten Buch (S. 114 fg.) ausgeführt. Der Statthalter befiehlt dem Provinzialen und ersucht den Cliente! fürsten (S. 105 A. 2). 3 St. R. 3, 655 fg. 688. 703. 717.

Zweites Buch.

230

Titulatur und impenum dee Statthalters.

Die Strafbehörden.

Gerichtshof besteht in diesen Gebieten nicht und dem Statthaltergericht sind von Rechtswegen weder jene noch diese unterworfen. Unter dem Principat indess, und zwar bereits unter der ersten Dynastie, sind die Freistädte, mit Beiseitesetzung ihres Privilegiums unter die statthalterliche Strafjustiz gezogen worden 1 , während in den Civilprozessen ihre Selbständigkeit wahrscheinlich länger in Geltung geblieben ist. Der Statthalter der Provinz führt ursprünglich der Regel nach gteieh^ Titel wie die beiden städtischen Beamten für die σ

Civiljurisdiction, die Benennung praetor, womit sowohl seine hauptsächliche Bestimmung für die Civilrechtspflege ausgedrückt wird wie auch das regelmässig ruhende, aber niemals ihm fehlende Recht des militärischen Oberbefehls, das imperium 2. Insoweit er nach Ablauf des Amtjahrs weiter fungirt oder nach der sullanischen Ordnung erst nach dem Amtjahr die Provinz übernimmt, heisst er pro praetore, oft auch mit erhöhter Rangbezeichnung pro consule, welcher Titel unter dem Principat für die Statthalter allgemein und ständig wird, jedoch nur in Anwendung kommt bei den dem Senat zugetheilten Provinzen, da in denen des Kaisers dieser selbst als Statthalter angesehen wird, ohne doch den Proconsultitel regelmässig zu führen. Thatsächlich als Statthalter fungiren in diesen die kaiserlichen Unterfeldherren, als Offiziere legati Augusti genannt, als Imperienträger pro praetore. Das militärische Imperium der Statthalter der Senatsprovinzen ist unter clem Principat nominell, das der kaiserlichen Vertreter effectiv, aber dem kaiserlichen selbstverständlich untergeordnet; in dem jurisdictionellen stehen sich beide Kategorien gleich und beide erfordern senatorischen Rang. Diejenigen Clientelstaaten, welche ohne eigentliche Einverleibung in clas römische Reich dauernd in römische Verwaltung genommen werden, wie dies unter clem Principat mit Aegypten und 1 Proculus (unter den Claudiern) Dig. 49, 15, 7 beseitigt in dieser Beziehung die principiell correcte Auffassung des Postliminium (St. R. 3, 656 A. 1) und bezeichnet die Gleichsetzung der freien mit den Unterthanengemeinden als praktisch : fiunt apud nos rei ex civitatibus foederatis et in eos damnatos animadvertimus, wo unmöglich etwas anderes gemeint sein kann als das statthalterliche Strafgericht. Appellation aus Athen an den Kaiser oder den Proconsul bei der Oellieferung wird in hadrianischer Zeit erwähnt C. I. Att. III, 38. Daselbst werden unter Hadrian (Philostratus vit. soph. 1, 25, 9) und Marcus (Lucian Demonax 16. 50; Philostratus vit. soph. 2, 10, 3) Criminalfâlle regelmässig vor den Proconsul gebracht. 2 Der Consul im überseeischen Commando hat natürlich ebenfalls Imperium, aber nicht Jurisdiction (St. R. 2, 102).

Siebenter Abschnitt.

Das statthalterliche Strafrecht.

231

einer Anzahl kleinerer Landschaften geschehen ist, erhalten römische Vorsteher aus dem Ritterstand mit dem militärischen Titel der

praefeeti

oder

dem

finanziellen

der procuratores

Augusti;

auch in jedem dieser Bezirke wird ein römischer Gerichtshof errichtet und dem Vorsteher dafür das Imperium beigelegt, so dass hinsichtlich der Rechtspflege dieselben den Statthaltern gleichgeachtet werden können Späterhin, insbesondere, nachdem Diocletian die Sprengel verkleinert und den Statthaltern das Militärcommando genommen hatte, sinkt clie Statthalterschaft in Rang und Macht. Die Titulatur der Statthalter dieser Epoche ist ungleich: für einige derselben bleibt die Bezeichnung proconsul; andere werden, nach der den höchstgestellten legati Augusti pro praetore als Rangbezeichnung beigelegten Nebenbenennung, consulares genannt, noch andere correctores oder praesides. Die letzterwähnte Benennung wird häufig enuntiativ für den Statthalter überhaupt gebraucht 2, daneben die seit der Trennung des Commandos von dem Civilamt für die Gerichtsvorsteher überhaupt übliche Bezeichnung iudex jetzt für den Statthalter, oft mit dem Beisatz Ordinarius verwendet. Das eigene Imperium, welches diesem Amt zu Grunde liegt, tritt in der Spätzeit zurück und ruht diese Amtsgewalt späterhin, wie damals nach der veränderten Auffassung der Monarchie eine jede, delegatarisch auf der kaiserlichen Einsetzung, obwohl, wie die Behandlung der freiwilligen Gerichtsbarkeit zeigt 3 , die Selbständigkeit cles Statthalteramts selbst in dieser Epoche nicht vollständig schwindet. — Die römische Statthalterschaft umfasst einen Zeitraum von acht Jahrhunderten, und von dem selbstherrlichen Magistrat cler hannibalischen Zeit bis zu dem bescheidenen Gerichtsvorsteher der justinianischen ist der Abstand ein ungeheurer; dennoch ist wenigstens hinsichtlich der Rechtspflege die Verschiedenheit nicht so gross, dass sich das Amt 1

St. R. 2, 935 A. 1. Augustus liess dem Präfecten von Aegypten durch Volksschluss (lege) das statthalterliche Imperium (imperium ad similitudinem proconsulis) beilegen (Dig. 1, 17, 1). Dasselbe wird für alle übrigen nicht senatorischen Statthalter geschehen sein. Im Titel aber führen sie alle das magistratische Imperium nicht. 2 Genauer ist St. R. 2, 240 A. 2 über diese Titulaturen gehandelt. Die Träger der hauptstädtischen und der provinzialen Rechtspflege werden zusammenfassend bezeichnet als magistratus urbici provinciarumque praesides (Sueton Dom. 8), später als praefectus praesesve provinciae (Dig. 48, 8, 2. tit. 19, 1, 3). 8

Sie wird dem praeses. überhaupt eingeräumt. Inst. 1, 5, 2.

Dig. 1, 18, 2.

Cod. 7, 1, 4.

Zweites Buch.

232

Die Strafbehörden.

als solches nicht zusammenfassend behandeln Hesse. Der ordentliche Beamte für die nicht hauptstädtische Rechtspflege ist der Statthalter zu allen Zeiten geblieben ; dass er auch in dieser Hinsicht später gesunken ist, beruht hauptsächlich auf dem mit dem Principat eintretenden Appellationssystem, welches ihn aus dem Richter einziger zu dem Richter unterster Instanz herabgedrückt hat. Amtkreis des Die Statthalterschaft beruht, gleich der Präfectur für die RechtsStatthalters · pflege in den italischen Städten, der sie zunächst nachgebildet ist, (S. 223), auf dem Begriff des Sprengeis. Die Benennung desselben, das 'Siegesgebiet5, provincia, ursprünglich gebraucht für die örtlich begrenzte von Fall zu Fall wechselnde Feldherrncompetenz, sodann auf die Statthalter übertragen, unterscheidet sich als fixirte des Statthalters von dem autonomen Stadtgebiet, dem territorium nur dadurch, dass die provincia eine Gesammtheit von Territorien oder, wo die römische Herrschaft keine städtischen Ordnungen vorfand, ein vormals selbständiges Staatsgebiet umfasst 1. Der Statthalter erlangt das Imperium als Magistrat nach der allgemeinen Regel mit dem gesetzlichen Antrittstag, das statthalterliche Imperium, nachdem dieses durch Sulla gesetzlich an den Ablauf des Amtjahrs und den Austritt aus Rom geknüpft ist, mit dem Ueberschreiten der Stadtgrenze zum Zweck der Uebernahme der Statthalterschaft; nach demselben Gesetz bleibt er Promagistrat, bis er die Stadt wiederum betritt. Aber damit ist er nur fähig als Statthalter zu functioniren 2 ; die Function der Statthalterschaft selbst ist bedingt durch die folgenden Normen. 1. Amtshandlungen kann der Statthalter nur vollziehen, insonderheit also die Rechtspflege nur ausüben, wenn und so lange er innerhalb seines Sprengeis verweilt. Seine Function beginnt also mit dem Tage seines Eintritts in denselben und endigt mit

1 Die Feststellung der Grenzen war ein Theil desjenigen Staatsacts, welcher die Provinz constituirte ; eine Grenzerweiterung erfordert ebenfalls Volksschluss, wie dies in Betreff Makedoniens durch das clodische Gesetz geschah (Cicero in Pis. 16, 37). Die Ueberschreitung der Grenze mit Truppen fällt als criminell sowohl unter das Majestäts- wie unter das Repetundengesetz. Factische Unsicherheit konnte unter Umständen eintreten (Cicero in Pis. 16, 38); aber dies läuft hinaus auf die bei jedem Staatsact möglichen Zweifel der Interpretation. Immer werden bei der Feststellung der Reichsgrenze von Rechtswegen die freien Städte und die Clientelstaaten ausgeschlossen (St. R. 3, 825). 2

Als solcher übt er die freiwillige Gerichtsbarkeit (St. R. 1, 189. 2, 257).

Siebenter Abschnitt.

Das statthalterliche Strafrecht.

233

dem seines Austritts 1 und sie ruht während seiner Abwesenheit2. 2. Amtshandlungen kann der Statthalter nur vornehmen, insbesondere Strafen nur vollstrecken , insofern diese Vollstreckung sich innerhalb der Provinz vollzieht; er darf also im Strafweg nur aus der eigenen Provinz ausweisen3 und clen Aufenhaltszwang nur in Betreff einer Oertlichkeit der eigenen Provinz verfügen 4. 3. Amtshandlungen, soweit sie nicht lediglich durch den Aufenthaltsort der davon betroffenen Person bedingt sind, kann der Statthalter nur vollziehen in Beziehung auf die in seinem Sprengel heimathberechtigten oder wohnhaften Personen5. Kaiserliche Instructionen indess haben im Interesse der öffentlichen Sicherheit seine Strafgewalt unter Umständen auch auf nicht seiner Provinz angehörige Verbrecher erstreckt 6 . Die jurisdictionelle Competenz des Statthalters ist schon durch Statthalterden ursprünglichen Titel hinreichend bezeichnet. Diejenigen Civil- ! i c h e c i v U " i l

1.

_

.

_

—,.

.·.

Jurisdiction.

prozesse, welche in Rom an che zur Zeit der Einrichtung der Statthalterschaft bestehenden beiden Präturen, clie städtische oder die peregrinische gebracht werden, gehen in Sicilien und so weiter vor den der Provinz vorgesetzten Prätor 7 , also sowohl die Prozesse zwischen 1 Ulpian Dig. 1, 16, 1: proconsul . .. potestatem non exercet nisi in ea prorincia sola, quae ei décréta est. St. R. 2, 205, 254. Ausnahmen im Nothfall: Dig. 1, 16, 5. 2 Paulus Dig. 1, 18, 3: praeses provinciae . . . imperium habet . . . dum in provincia est; nam si excesserit , privatus est. St. R. 1, 680 fg. 3 C. Th. 9, 40, 12. Dabei werden die getheilten Provinzen, die très Syriae und die très Daciae als Einheiten behandelt (Dig. 48, 22, 7, 14). 4 Dig. 48, 22 „ 7, 1. Das Weitere im fünften Buch bei den Freiheitsstrafen. 5 Paulus Dig. 1, 18, 3: praeses provinciae in suae provinciae homines tantum imperium habet Celsus Dig. 48, 3, 11. 6 Paulus nach den angeführten Worten : habet interdum imperium et adversus extraneos homines, si quid manu commiserinU nam ei in mandatis principum est, ut curet is qui provinciae praeest malis hominibus provinciam purgare nec distinguuntur unde sint. Marcianus Dig. 48, 13, 4: mandatis cavetur . . . ut praesides sacrilegos latrones plagiarios conquirant et ut prout quisque deliquerit in eum animadveHant. et sie constitutionibus cavetur, ut sacrilegi extra ordinem (d. h. nicht am Heimaths-, sondern am Ergreifungsort) digna poena puniantur. 7 Ulpian Dig. 1, 16, 7, 2: aim plenissimam iurisdictionem proconsul habeat, omnium partes, qui Romae vel quasi magistratus vel extra ordinem ius dicunt, ad ipsum pertinent . Hermogenianus Dig. 1, 18,10: ex omnibus causis, de quibus vel praefectus urbi vel praefectus praetorio item que consules ei praetores ceterique Romae cognoscunt, correctorum et praesidum provinciarum est notio. Marcianus Dig. 1, 18, 11. Proculus Dig. 1, 18, 12. Diese für die Rechtspflege der Kaiserzeit aufgestellte Regel unterliegt auch für diese insofern einer wesentlichen Beschränkung, als namentlich die Capitaljurisdiction, wie weiterhin gesagt werden wird, dem späteren Statthalter nicht von Amts wegen, sondern nur nach Specialmaridat zusteht.

Zweites Buch.

234

Die Strafbehörden.

zwei römischen Bürgern wie die zwischen einem Römer und einem Nichtrömer wie auch die zwischen Bürgern verschiedener Gemeinden. Diese Competenz ist sowohl durch die Institution selbst angezeigt wie auch für die älteste Provinz durchgeführt 1 , und obwohl Abweichungen davon namentlich hinsichtlich der dritten Kategorie vorgekommen sein werden, haben wir alle Ursache dieses Schema im Wesentlichen als allgemein gültig zu betrachten 2. Die Tendenz der Einrichtung ist durch den ausgebreiteten römischen Handel und Geldverkehr gegeben; die Uebermacht Roms fand in den überseeischen Gebieten zunächst unci vor allem darin ihren Ausdruck, dass der Römer als Kläger wie als Beklagter nicht vor dem Ortsgericht, sondern vor dem römischen Recht nahm und dass weiter die Ortsgerichte auf die lediglich innerhalb ihrer Bürgerschaft geführten Prozesse beschränkt wurden. Den stacltrömischen Gerichten wurden diese Prozesse, so weit sie Klagen gegen römische Bürger betrafen, nicht unbedingt entzogen; cler Statthalter war befugt jeden derartigen Prozess abzulehnen und nach Rom zu verweisen 3 und es mag auch cler beklagte Römer unter Umständen die gleiche Befugniss gehabt haben. Uebrigens scheint die Competenz des Statthalters nicht beschränkt gewesen zu sein und schloss namentlich clie Privatclelicte ein 4 . ProYinziaier Die Prozessordnung für den Provinzialprätor ist die römischcivilprozess. italische. Einen einheitlichen Gerichtsort für den ganzen Sprengel giebt es freilich in cler Provinz nicht; wahrscheinlich im Anschluss an 1

Cicero Verr. 1.12, 13, 32.

St. R. 3, 745.

2

Hermippos und Heraklides, über deren Prozess Cicero pro Flacco 20 spricht* scheinen allerdings beide Temnitaner gewesen zu sein, aber Hermippos, der an römische Gläubiger als Bürge gezahlt hatte, hat sich offenbar deren Forderung cediren lassen. 3

Civilrechtlich besteht wie hinsichtlich der ausserstädtischen Präfecturen (S. 223 A. 4) so auch hinsichtlich des Statthaltergerichts dem hauptstädtischen gegenüber Concurrenz (Cicero pro Quinctio 12, 41: et in provinci a ins dicebatur et Romae iudicia fiebant). Der Statthalter ist befugt Klagen, für die er competent ist, nach Rom zu verweisen (Cicero Verr. 3, 60, 138. 139. ad fam. 13, 26. 56). 4

Eine von dem sicilischen Kläger gegen einen Römer angestellte Injurienklage erwähnt Cicero Verr. 5, 41, 108; eine solche zwischen zwei römischen Bürgern ist wohl auch der von Horatius sat. 1, 7 besungene Rechtshandel. Sponsionsklage, der Sache nach Bezichtigung des Diebstahls und insofern iudicium capitis, bei Cicero Yerr. 5, 54, 141. Private der Diebstahlsklage analoge Strafklagen sind auch die in dem Edict des Verres wegen Uebervortheilung des Zehntpächters durch den Zehntpflichtigen und umgekehrt angeordneten auf vierfachen oder achtfachen Ersatz (Cicero Verr. 3, 10-14).

Siebenter Abschnitt.

Das statthalterliche Strafrecht.

235

das bei den italischen Präfecturen befolgte Verfahren werden in dem Organisationsgesetz der Provinz diejenigen Ortschaften bezeichnet, in welchen römische Bürger zahlreich verkehren und der Statthalter angewiesen successiv in einer jeden derselben Gericht zu halten, zu welchem Termin die römischen Bürger des Bezirks geladen werden. Vorzugsweise aus den also sich einstellenden Römern wird für jeden Bezirk eine Liste von recuperatorischen Geschwornen aufgestellt, bei deren Auswahl der Prätor wie in Rom (S. 178) so auch hier freie Hand hat A . Das Herkommen, dass der Statthalter den Sommer auf diese Bereisung seines Sprengeis verwendet, hat trotz der späteren Verkleinerung der Provinzen sich bis in die späteste Zeit behauptet2. Strafrichter ist cler Provinzialprätor so wenig wie der haupt- statthalterstädtische; der ursprüngliche öffentliche Strafprozess kann gar 0 ο ^ ΐ ο η nicht anders geführt werden als in cler Hauptstadt. Allerdings bei aber hat er innerhalb seines Sprengeis die Coercition in clem sSicht!0 vollen im zweiten Abschnitt dieses Buches entwickelten Umfang, selbst die capitale gegen den Nichtbürger schlechthin und bis auf die Gracchenzeit auch gegen den Bürger (S. 145). Dennoch ist auch in dieser Hinsicht seine Stellung eine andere als clie des Imperienträgers in Rom ; diesem liegt in erster Reihe die Fürsorge ob für die öffentliche Sicherheit und das Einschreiten gegen schwere Verbrechen, wogegen in der Provinz cler Sicherheitsdienst und

1

St. R. 2, 231 A. 3. 3, 528. 529. Ich wiederhole nicht bekannte und nicht unmittelbar das Strafrecht angehende Dinge. Die rechtlich freie Wahl der provinzialen Recuperatoren, neben denen übrigens auch in der Provinz der iudex unus sich findet (Cicero Verr. 2, 13, 33. 3, 11, 28. c. 58, 135), bestätigen die Verrinen durchgängig; der Tadel der von Verres verwendeten Geschwornen, insbesondere die Auswahl derselben aus seinem Gefolge (Cicero Verr. 1. 2, 13, 34) ist durchaus personal und weder für diese Zeit noch für die spätere findet sich irgend ein Anhalt für formale Beschränkung dieses Rechts bei den Provinzialmagistraten nach Analogie der stadtrömischen Judiciargesetze. Streichung von der Recuperatorenliste ist Verunehrung (Cicero pro Flacco 4, 11; Plinius ad Trai. 58). Die Einrichtung besteht auch unter dem Principat (Plinius ad Trai. 58). Dass in Prozessen zwischen einem Römer und einem Nichtrömer der Geschworne der Nationalität des Beklagten folgt, war den Siculern verbrieft (S. 234 A. 1), in Kilikien von dem Belieben des Statthalters abhängig (Cicero ad Att. 6, 1, 15). St. R. 3, 745 A. 2. 2 Cicero Verr. 5, 12, 29. Strabon 3, 4, 20 p. 167. C. Th. 7, 10, 2. 6. Iust. 1, 40, 6. Nov. Maioriani 2, 4. 7, 13. Nov. Iust. 28, 5 pr. und besonders Cassiodor var. 5, 14, 7. 12, 15, 7, woraus man ersieht, dass in der Spätzeit der Statthalter keinen Ort mehr als einmal im Jahre besuchen und an keinem mehr als dreitägige Diäten fordern durfte.

Zweites Buch. Die Strafbehörden.

236

die Criminaljustiz zunächst in Betreff der Einheimischen von den örtlichen Behörden gehandhabt werden und der Prätor nur als der Träger des Sammtregiments ergänzend eintritt. Hinsichtlich der von römischen Bürgern begangenen Strafthaten ist zunächst daran zu erinnern, dass es in republikanischer Zeit Bürgergemeinden in den Provinzen nicht oder so gut wie nicht gab und also hiebei nur die fluctuirencle überwiegend kaufmännische römische Einwohnerschaft in Betracht kam, da den provinzialen Stadtbehörden die Strafgewalt über römische Bürger nur ausnahmsweise zugestanden haben kann (S. 111). Diesen Zuständen entspricht, was wir über (las strafrechtliche Einschreiten der republikanischen Statthalter erfahren. Von eigentlicher Strafrechtspflege ist nirgends die Rede 1 ; auch die Einführung des Quästionsverfahrens in Rom kann den provinzialen Strafprozess nicht in das Leben gerufen haben. Es ist und bleibt die Aufgabe cles Statthalters clie Unterthanen in Gehorsam und vor allen Dingen clie Sclaven niederzuhalten und jede Verfehlung gegen die Regierung zu ahnden, wie dies früher (S. 146 fg.) ausgeführt worden ist. Die Prätur als solche schliesst wohl die bürgerliche und clie peregrinische Jurisdiction ein, aber keineswegs clie Functionen cler verschiedenen Quästionsvorsteher ; diese werden durch das betreffende Specialgesetz bestimmten Beamten überwiesen 2 und zu dieser haben in cler Epoche ihrer Einrichtung die Provinzialstatt1

Dass dem Proconsul von Asia P. Dolabella eine Frau aus Smyrna vorgeführt wird als Mörderin ihres Gatten und ihres Sohnes, welche er dann vor den Areopag weist (Val. Max. 8, 1 amb. 2, daraus Gellius 12, 7 und Ammian 29, 2, 19), ist schon desshalb ohne Beweiskraft für diese Epoche, weil für diesen Statthalter jede Zeitbestimmung fehlt — lediglich durch Vermuthung wird er für den Prätor gehalten, vor dem Cicero den Caecina vertheidigte. Aber sollte auch diese Identification zutreffen, so lässt sich nach diesem durchaus singulären Fall die Statthaltercompetenz nicht bemessen. Füglich kann das Stadtgericht bei dem Statthalter ebenso angefragt haben wie dieser dann bei dem Areopag. 2 Papinianus Dig. 1, 21, 1 pr.: quaecumque spccialiter lege vel senatus consulte vel constitutione principum tribuuntur, mandata iurisdictione non transferuntur . ... et ideo videntur errare magistratus, qui , cum publiai iudicii habeant exercitionem lege vel senatus consulto delegatam, veluti legis Iuliae de adulteriis et si quae sunt aliae similes, iurisdictionem suam mandant, was weiter dadurch erhärtet wird, dass das julische Gesetz de vi dem Magistrat, dem dessen Handhabung zugefallen ist, das Mandiren nur für den Fall der Abwesenheit gestattet. Also wie das Repetundengesetz dem Prätor die Strafgewalt giebt, cuius hac lege quaestio erit, so hat die Handhabung eines jeden iudicium publicum nicht der Prätor als solcher, sondern der, dem die Quästion durch das Loos zugefallen ist.

Siebenter Abschnitt.

Das statthalterliche Strafrecht.

237

halter sicher nicht gehört. Es kann dafür auch kaum in den Provinzen ein Bedürfniss sich gezeigt haben. Für die fluctuirende römische Einwohnerschaft wird die prätorische Inquisition und Coercition nebst der Befugniss den Schuldigen nach Rom zu senden, welche den Statthaltern nicht gefehlt haben kann, in republikanischer Zeit ausgereicht haben. Für clie sesshaften Provinzialen bestand das autonome Ortsgericht. Auch als überseeische Bürgergemeinden entstanden, was in einigem Umfang erst seit dem Untergang der Republik eingetreten ist, werden diese, eben wie clie italischen, ihr Municipalgesetz und ihre eigenen iudicia publica gehabt haben. Was die Statthalter gethan haben, im Guten wenig 1 und im Schlimmen viel, lässt sich durchaus bringen unter den Gebrauch oder clen Missbrauch der magistratischen Fürsorge für die öffentliche Sicherheit. Der beste Statthalter, den das römische Gemeinwesen überhaupt gehabt hat, Q. Mucius Scaevola Consul 659/95 mass in seinem asiatischen Proconsulat nicht bloss als Civilrichter die römischen Staatspächter ausnahmsweise mit gerechtem Mass, sondern er Hess auch ihren obersten Verwalter, eben als derselbe freigelassen werden sollte, seiner Missethaten wegen an das Kreuz schlagen2, machte also ernsten

1

Gegenüber indess den Ordnungen, die die Römer in den Provinzen vorfanden, welchen überwiegend die vereinigten Uebelstäncle der Demokratie und der Kleinstaaterei angehaftet haben müssen, ist das wie immer willkürliche Eingreifen des ausländischen Militärcommandanten ohne Zweifel vielfach wohlthätig gewesen. Von einem Statthalter von Sicilien in der marianischen Zeit, dem L. Asullius heisst es, dass die früheren römischen Statthalter den Waisen und den Frauen Vormünder bestellt hätten, er aber selbst in der Rechtspflege für sie eingetreten sei (Diodor 37, 8, 4 vgl. Cicero in Verr. 1. 1, 56, 146). 2

Diodor 37, 5, 2 p. 607: των δημοσιωνών άνομήματα διωρ&ώσατο. πάσν }'((Q τοΐς ήδικημένοις ακριβή κριτήρια προστατεύων καταδίκονς iv απασιν ίποίει τοι ς δημοσιωνας, χαϊ τας μεν άργυρικάς βλάβας τοΤς ήδικημένοις Ικτίνειν ήνάγχαζε^ τ à δε θανατικά των Εγκλημάτων ήξίου κρίσεως θανατικής, δτε δτ τον χορυγαΐον τούτων οϊ/.ονομον ( = vilicus ), δίδοντα μεν νπερ της Ελευθερίας πολλά χρήματα καϊ σνμπεφωνηκότα προς τους κυρίους, φΘάσας την άπολύτρωσιν καϊ θανάτου

καταδικάσας άνεσταυρωσεν. Vgl. Cicero ad Q. fr. 1, 7, 21. Der Proconsul zieht also keineswegs die Capitalprozesse an sich, straft aber am Leben, wenn bei Gelegenheit der Civilrechtspflege capitale Sclavenverbrechen zum Vorschein kommen. In besonderem Auftrag des Senats giebt der sicilische Prätor Licinius Nerva einer Anzahl zu Unrecht der Freiheit beraubter Peregrinen die Freiheit wieder (Diodor 36, 3). — Die tollste Leistung statthalterlicher Willkür ist die Androhung der Todesstrafe für den Fall gerichtlich erwiesener Verletzung der Zehntordnung, wenn dieser Bericht correct ist (Cicero Verr. 3, 28, 69).

Zweites Buch. Die Strafbehörden.

238

Gebrauch von der capitalen Coercition, hier einmal zum Besten der Provinzialen. Wenn bei \Terres Amtstätigkeit in Sicilien von seiner civilprätorischen Function abgesehen wird, so erkennt man auch bei diesem Elenden, dessen Nichtswürdigkeit Cicero schwerlich stark übertrieben hat, deutlich den Missbrauch nicht eigentlich der Strafjustiz, sondern des schrankenlosen römischen Herrenrechts. Nirgends zeigen die Verrinen, die von der Statthalterstellung cler sullanischen Epoche uns eingehende Kunde geben, auf eine organische Einrichtung hin, kraft welcher die provinziale Strafjustiz in irgend welcher Form und in irgend welchen Schranken dem Statthalter vorbehalten worden wäre. Die stattWenn also clie Statthalter cler römischen Republik nichts ha straf- he w a r e n innerhalb ihres Sprengeis einerseits römische Civilrichter, gerichtsbar- andrerseits Verwalter des souveränen Herrenrechts, so sind sie dem Prin- u n t e r Prinzipat die eigentlichen Träger cler Reichsjustiz cipat. geworden, namentlich auch auf dem Gebiet cles Strafrechts. Es hängt diese Umwandlung wesentlich damit zusammen, class mit der Monarchie die städtische Vormacht zur Reichsherrschaft wurde ; im Besonderen nachzuweisen, wie dieser Prozess sich vollzogen hat, welche einzelnen Herrscher und in welcher Weise sie in die im Allgemeinen sich wohl von selbst vollziehende Entwickelung bestimmend eingegriffen haben, gestattet die Ueberlieferung nicht. Wahrscheinlich gehen clie wesentlichsten Neuerungen, die Beschränkung der Gemeincleautononiie in der Handhabung des Strafrechts und die Umgestaltung des Provocationsrechts auf Augustus zurück, unter welchem die statthalterliche Criminaljustiz bereits in vollem Umfang gewaltet zu haben scheint 1 . Zweifellos erscheint sie in alleinherrschender Stellung unter den flavischen Kaisern 2 so wie 1

Volesus Messalla Consul 5 η. Chr. und dann unter Augustus Statthalter von Asia liess an einem Tage 300 Menschen hinrichten und bezeichnete dies als eine rechte Königsthat, wesshalb er vom Senat bestraft ward (Seneca de ira 2, 5; Tacitus ann. 3, 68); wegen gleicher saevitia ward unter Tiberius ein anderer Statthalter derselben Provinz C. Silanus vor Gericht gestellt (Tacitus ann. 3, 66—69). Missethaten dieser Art lassen sich schwer begreifen ohne Annahme weitgehender statthalterlicher Gerichtsbarkeit. 2 Unter Domitian erscheint der statthalterliche Criminalprozess in voller Wirksamkeit (Plinius ad Trai. 56. 57. 58). Unter Traian wird Marius Priscus Statthalter von Africa angeklagt gegen Bestechung einen römischen Ritter zum Exil und sieben seiner Freunde zum Tode, einen andern Ritter zur Bergwerksarbeit verurtheilt zu haben und ihn dann im Kerker haben erdrosseln zu lassen (Plinius ep. 2, 11). Die des Christenthums angeklagten Nichtrömer lässt Plinius als Statthalter von Bithynien, wenn sie sich weigerten von dem Glauben zu

Siebenter Abschnitt.

Das statthalterliche Strafrecht.

239

in den Rechtsbüchern der Folgezeit 1 . Immer tritt sie auf als magistratische Cognition, bei welcher die Zulassung eines Anklägers nicht ausgeschlossen ist 2 und das Consilium zur Anwendung kommt 3 ; aber einer Bindung durch die Geschworneninstitution, wie sie im Civilprozess auch bei den Statthaltern auftritt und in der städtischen Justiz auf den Criminalprozess erstreckt ist, hat der statthalterliche Strafprozess nicht unterlegen. Er gestaltet sich verschieden gegenüber dem Nichtbürger und gegenüber dem römischen Bürger. Für die Peregrinen, zunächst auch unter dem Principat clie grosse statthaiterMehrzahl cler Provinzialen,1 war. wie vorher gesagt ward, nach der üch f. str L af " σ °

Anlage des römischen Reiches clas rechte Strafgericht die autonome Heimathbehörde. Schwerlich aber waren diese Gerichte, im Allgemeinen genommen, für dieseu Zweck geeignet ; clie beiden Extreme schlechter Strafverwaltung, Schwäche und Härte werden sie in grossem Umfang beherrscht haben. Die überwiegend kleinstädtische oder kleinstaatliche Autonomie wird nicht häufig diejenige politische Energie entwickelt haben, welche die Mässigung gestattet unci oft genug bald schwächliche Nachsicht und Rücksicht geübt, bald in roher Unwissenheit und ungebändigter Leidenschaft ihr formales Recht missbraucht haben, während die oft schlimmer als clie schlimmste Grossmachtjustiz schaltende Winkelwirthschaft durch ihre Geringfügigkeit selbst cler staatlichen Aufsicht ihre Aufgabe erschwerte 4.

Justiz über

die Nicht-

bûrger

lassen, hinrichten (ad Trai. 97: dnci iussi). Dasselbe Strafverfahren zeigen die glaubwürdigen Märtyreracte, so die scillitanischen und die von Lyon. Ein Proconsul von Asia unter Hadrian lässt einen Räuber foltern (Philostratus vit. soph. 1, 25, 9). Wenn Polemon (bei Philostratus vit. soph. 1, 25, 2) unter Hadrian den Smyrnaeern den Rath ertheilt bei Geldstrafen die Prozesse bei sich zu erledigen, aber von denen um Mord, Tempelraub, Ehebruch die Hand zu lassen, weil diese einen mit dem Schwertrecht ausgestatteten Richter fordern (âtxaaiov γαρ δεΐσΰαι αύτάς — όίχας — ξίφος 'έχοντος ),so ist der Hinweis auf den Statthalter deutlich. — Ein lebendiges Bild des Strafprozesses vor dem Statthalter giebt ausser der Apostelgeschichte 25 fg. vor allem die unter Pius von Appuleius vor dem Statthalter von Africa gehaltene Selbstvertheidigung in einem Prozess wegen Magie. 1 Ulpianus Coli. 14, 3, 1: frequens est etiam legis Fabiae cognitio in omnibus tribunalibus praesidum, wo diese strafrechtliche Judication in Gegensatz zu derjenigen der nicht als Statthalter fungirenden Procuratoren gestellt wird. Weiterer Belege bedarf es nicht. 2 Einen solchen, und zwar bald einen Römer, bald einen Siculer bestellt Verres in den vor ihm in Sicilien verhandelten Capitalprozessen (Cicero Verr. 2, 38, 94. 5, 41, 108). 3 Cicero Verr. 5, 6, 12. c. 8, 18. c. 44, 114. Maxime Claudi quique in consilio estis beginnt Appuleius seine Vertheidigungsrede (vgl. c. 65. 67). Act. ap. 25, 12 : ό Φήστος σνλλογήσας 4

μετά τον σνμβολίον

άπεχρί&η.

Man erinnere sich an die Lynchjustiz, welche die Juden gegen den ab-

·

240

Zweites Buch.

Die Strafbehörden.

Was das träge republikanische Regiment sich gefallen Hess, wird das energischere des Principats nicht in gleicher Weise hingenommen haben. Die Handhabe dafür fehlte nicht. Die Fürsorge für die öffentliche Sicherheit, wie clie Statthalter cler Republik sie geübt hatten, ist in ihrer Unbestimmtheit und Grenzenlosigkeit der weitesten Erstreckung auf clie Criminaljustiz fähig und konnte durch blosse Regulirung und Generalisirung zur ordentlichen Strafrechtspflege sich ausgestalten. Zur Beschränkung der Gemeinden in der Ausübung cler Strafgewalt war, abgesehen von clen nicht allzu zahlreichen, denen die Autonomie staatlich verbrieft war, die Reichsregierung von Rechts wegen sowohl im einzelnen Fall wie allgemein befugt 1 . Was ein Schriftsteller des 3. Jahrh. ausspricht (S. 120 A. 1), dass die römische Regierung das Recht über Leben und Tocl für sich in Anspruch nimmt, gilt wahrscheinlich schon für clie früheste Kaiserzeit 2 und es mögen clie Anfänge selbst in trünnigen Stephanos ausübten (act. apost. 6. 7) und an die von dem Zeitgenossen Origenes geschilderte völlig gleichartige usurpirte Capitalgerichtsbarkeit der jüdischen Hohenpriester des 3. Jahrh. über religiöse Verbrechen, welche die römische Regierung in der gesunkenen Spätzeit stillschweigend tolerirte (S. 120 A. 1). 1 Die vollständige Abhängigkeit der Gemeinderäthe der Unterthanenstädte in allen Verwaltungsangelegenheiten von dem Statthalter haben die den Opramoas betreifenden lykischen Urkunden aus der Zeit von Hadrian und Pius (Heberdey Opramoas, Inschriften vom Heroon zu Rhodiapolis. Wien 1897) in helles Licht gesetzt. Auch die Freilassung eines Gemeindesclaven unterliegt der Bestätigung durch den Statthalter (Cod. 7, 9, 1). Es passt dies wohl zu der gleichartigen Handhabung der Justiz. 2 Unter den im Ganzen übereinstimmenden und sicher im wesentlichen auch geschichtlichen Berichten über Jesus Hinrichtung scheint der reinste derjenige des Marcus 14, 64: ot δ à πάντες (der Hohepriester mit dem Synedrion) χατέχρινον αύτον είναι ενοχον d-ανάτου . . . 15, 1: δήσαντες τον *Τησοΰν άπήνεγχαν χαϊ παρέδωχαν Πιλάτφ . . . 15, 15: ό δέ Πιλάτος, . . παρέδωχεν τον *ΐηβοϋν φραγελλώ w * e dieses selbst ungleich ist. So weit es in den Händen Strafrechts, der städtischen Prätoren und ihrer Geschwornen liegt, theilt es die Vorzüge des römischen Civilrechts, welchem es ja angehört,

Einleitung.

531

die zugleich feste und fliessende Gesetzgebung, die strenge Schärfe cler Theorie, die genaue Fixirung cler Rechts- wie der Thatfragen für den einzelnen Fall, die Erledigung derselben durch die gewissenhafte Ueberzeugung unparteiischer Männer, welche schliesslich der Grundpfeiler jeder Rechtsprechung ist. Die Einreihung des Diebstahls unter die Privatklage fordernden Verbrechen ist allerdings wohl für die Zwölftafelepoche geeignet, aber keineswegs für die Folgezeit, in welcher clie Selbsthülfe des Verletzten naturgemäss zurücktrat ; auch zeigt in cler Litteratur das fast vollständige Fehlen cler Gutachten, dass cler Diebstahl als Privatdelict in früher Zeit der Theorie verfallen unci aus cler Praxis verschwunden ist. Aber die Behandlung cler Injurie ist ein Meisterstück nicht bloss der Rechtswissenschaft, sondern vor allem cler rechtlichen Praxis und heutzutage ein beschämendes Attestat dafür, dass der Fortschritt des Menschengeschlechts immer zugleich ein Rückschritt ist. — Von dem öffentlichen Strafrecht kann nicht das Gleiche gesagt werden. In seiner älteren Gestalt war es im Grossen unci Ganzen ein magistratisches Inquisitions verfahren und abhängig von der Tüchtigkeit und der Rechtschaffenheit der einzelnen Beamten. Die Willkür der Magistrate sprach das entscheidende Wort, wohl einigermassen gebändigt durch die gleichartige Willkür der comitialen Majoritäten, aber ohne Zweifel der Regel nach mit obligater Zustimmung der formalen souveränen Gewalt Freilich wird man die Institution nicht messen dürfen an cler Behandlung der Prozesse in den patricischplebejischen Stänclekämpfen, von denen uns die Annalen eine gewisse Kunde aufbehalten haben. Unparteilichkeit im politischen Prozess steht ungefähr auf einer Linie mit der unbefleckten Empfängniss; man kann sie wünschen, aber nicht sie schaffen. Sicher aber sind uns auch hier die Krankheitserscheinungen besser bekannt als das Verhalten des gesunden Körpers; bei den nicht politischen in derselben Weise behandelten Strafprozessen, von denen die Annalen schweigen, werden die römischen Bürgertugenden so wenig wie bei dem Privatprozess sich verleugnet haben. Allerdings aber hat dieser Strafprozess offenbar nicht durch die unbillige , aber durch die unstete und oft gänzlich versagende Handhabung verhältnissmässig früh sich annullirt (S. 172 fg.). — Das jüngere öffentliche Strafverfahren der Quästionen ist im Allgemeinen ein Fortschritt zum Besseren gewesen. Man wird clen 1 Man verurtheilt, sagt Plautus (Capt. 3, 1, 15 = 475), so leichtherzig wie man ins Bordell geht. 34*

Viertes Buch.

532

Die einzelnen Delicte.

Massstab zu seiner Beurtheilung nicht ausschliesslich den unjuristischen und rabulistischen Reden eines politischen Advocaten, wie Cicero es war, entnehmen dürfen; ohne Frage waren diese Gerichte nicht bloss effectiver als die Volksgerichte, sondern auch durch die Substituirung der Majorität der Geschwornen für diejenige der Comitien gegen Zufälligkeiten und Leidenschaften besser gesichert, überhaupt durch die Annäherung an den Privatprozess zweckmässig umgestaltet Aber dennoch steht auch dieser Strafprozess weit zurück hinter clem privaten. Die Scheidung der magistratischen und der Geschwornenthätigkeit mit ihren heilsamen Consequenzen, der fliessenden Legislation des Edicts, der strengen Fixirung der Klagen und der Einreden ist auf das strafrechtliche vom Magistrat geleitete Geschwornengericht nur in beschränktem Maasse erstreckt worden. Die dem Geschwornenspruch verständiger Weise voraufgehende Deliberation, wie sie im Privatprozess der Einzelrichter mit seinen Berathern anstellte, ist durch den Druck politischer Erwägungen bei dem Strafprozess ausgeschlossen worden (S. 443). Die Einholung der Gutachten rechtskundiger Männer, das rechte Leitmoment des Privatgerichts ist mit dem Strafprozess unvereinbar. Anstatt der Centralstelle, welche für die Privatprozesse in der städtischen Prätur besteht, fungiren im Strafprozess eine Reihe erst in den letzten Krisen der Republik eingerichteter und nur im Allgemeinen gleichmässig geordneter Strafgerichtshöfe. — Wie in dem Prozess, so stand auch in der Legislation das Strafrecht der späteren Republik zurück hinter den alten privatrechtlichen Satzungen. Die sparsamen der wissenschaftlichen Entwickelung freien Raum gewährenden Aufstellungen der letzteren werden verdrängt durch eine auf casuistische Häufung einzelner Momente gestellte Gesetzgebung, welche die begriffliche Zusammenfassung immer hemmt, nicht selten durch Zusammenfassung incongruenter Strafthaten geradezu ausschliesst. Auch das corrigirende Eingreifen der Wissenschaft, welche im Privatrecht das in gleicher Mangelhaftigkeit redigirte aquillische Gesetz über die Sachbeschädigung in verständiger Weise ergänzt und umgearbeitet hat, tritt in dem Quästionenrecht mit viel geringerer Intensität auf. Wer die criminalistische Behandlung der 1

Auch in dieser Beziehung ist wohl zu beachten, dass die indicia publica vom Repetundenprozess ausgehen und dass dieser von Haus aus nichts ist als die condictio indebiti des Privatrechts mit veränderter Besetzung und Leitung des Geschwornengerichts.

Einleitung.

533

Vergewaltigung und der Fälschung einerseits mit der Handhabung derselben Begriffe im Civilrecht, andrerseits mit derjenigen der Privatdelicte vergleicht, wird die Wirkung dieser Gegensätze erkennen. Wissenschaftlicher Behandlung hat das römische Strafrecht wissenin seiner Gesammtheit nicht unterlegen, wie es denn überhaupt Behandlung nicht einheitlich auftritt. des Das Zwölftafelbuch handelte sowohl von den öffentlichen wie s™Ifre1hte. von den Privatdelicten. In welcher Verbindung und in welcher Ordnung es dies that, wissen wir nicht; aber in irgend einer Weise zwöiftafein. zusammengefasst kann es sie nicht haben, da sonst sich davon die Spuren zeigen müssten. Die exegetischen Commentare, welche die einzelnen Stellen erläuterten, haben mit dem Strafrecht als einheitlichem Rechtstheil sich unzweifelhaft nicht beschäftigt. Die prätorische Prozessordnung in ihrer uns überlieferten im Pr&torieches wesentlichen aus republikanischer Zeit herrührenden Fassung und R e c h t Folge behandelt wohl die aus dem Zwölftafelrecht überkommenen Privatdelicte so wie die analogen von den Prätoren hinzugefügten ; aber keineswegs hat sie auch nur jene zusammengefasst, vielmehr dieselben an ganz verschiedenen Stellen eingereiht 1 . Nicht anders ist es gewesen in der wissenschaftlichen Behandlung des Civilrecht. Civilrechts in republikanischer Zeit, insbesondere durch Q. Mucius Scaevola Consul 659/952 ; späterhin aber geht dem Anschein nach in dieser die uns geläufige Zusammenstellung von Diebstahl, Personenverletzung und Sachbeschädigung zurück auf Masurius Sabinus unter Tiberius und ist aus dessen massgebendem Lehrbuch in Gaius Abriss und in die spätere Litteratur übergegangen 8. Die sachlich analogen Klagen, wie die wegen Betrug, sind auch hier nicht mit den älteren Privatdelicten vereinigt. 1

Es stellt hier die Sachbeschädigung nach den Vindicationen und vor den Theilungsklagen; das Furtum zwischen Tutel und Patronat; Raub und Injurie nach dem Verfahren gegen die Staatspächter und die Staatsbürgen vor dem Executivprozess. Irgend eine systematische Anordnung ist nicht zu erkennen (vgl. Krüger röm. Rechtsgesch. S. 88 fg.). Hier kommt vornehmlich in Betracht das Nichtaneinanderschliessen der Privatdelicte. 2 In dem Commentar des Pomponius zu den Büchern iuris civilis des Q. Scaevola handelt das 17. Buch von der Sachbeschädigung, das 38. und das letzte vom Diebstahl (Krüger a. a. O. S. 59). 3 Krüger a. a. 0. S. 151; Lenel paling. 1, 1275. 2, 126. 1160. Wie äusserlich auch hier die Gliederung behandelt ward, zeigt, ausser dem offenbar dem Edict entlehnten Anschluss des unter den Delicten voranstehenden Furtum an die Tutel (so auch Paulus 2, 31), die Einschaltung des damnum infectum

534

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Der öffentliche Strafprozess, wie er zu clen Verrichtungen der g ^ n e n Q u ä s t o r e n , cler Volkstribune, der Aedilen, später der Quästionsprozesse. prätoren gehörte, ist erst in recht später Zeit wissenschaftlich bearbeitet worden. Weder das Civil- noch clas prätorische Recht —r eigentlich jenes wie dieses Instructionsschriften für den Stadtprätor — haben darauf sich erstreckt. Die Anweisungen über die Rechte und die Pflichten der verschiedenen Magistrate, welche in der Rechtslitteratur der Republik wie des Principats einen bedeutenden Platz einnehmen1, müssen sich mit den Ordnungen des Strafrechts einigermassen befasst haben; schwerlich aber haben sich dieselben eingehend mit denselben beschäftigt und ebenso wenig erfahren wir von besonderen dahin einschlagenden Schriften aus der republikanischen wie aus der besseren Kaiserzeit. Vielleicht ist dies zufällig; aber wenn man erwägt, dass einerseits die römische Rechtswissenschaft sich selbst, und mit Recht, Interpretation nennt und dass clie Gesetztexte für clas Strafrecht über die sullanische Epoche nicht zurückreichen, so kann man nicht umhin zu vermuthen, class von cler gewaltigen Geistesarbeit der namenlosen Rechtsgelehrten, welche die Rechtsordnung der römischen Republik geschaffen haben, in cler Behandlung der cornelischen und der julischen Strafrechtsordnungen der Hauch gemangelt haben muss. Erst seit der Mitte cles 2. Jahrh. n. Chr. erfahren wir von selbständigen Bearbeitungen cler Quästionenordnungen. Am meisten hat der Ehebruch wie die römischen Gerichte, so auch die römische Jurisprudenz beschäftigt. Monographien darüber, zum Theil umfängliche, werden angeführt von Papinian, Ulpian, Paulus 2 . Die "öffentlichen Gerichte' überhaupt sind zusammenfassend behandelt worden zuerst, so viel wir wissen, in nachhadrianischer Zeit von Venuleius Saturninus und Volusius Maecianus, später von Ulpian, Paulus, Aelius Marcianus, Aemilius Macer. Eine epitomirende Wiedergabe dieser Schriften de iudiciis publicis wird vorausgesetzt werden dürfen in den die gesammte Rechtswissenschaft zusammenfassenden Werken, sowohl in den für die Instruction der Beamten bestimmten, unter denen das Ulpians de officio proconsulis im 7. und 8. Buch

Bearbeitung

der

zwischen Sachbeschädigung und Injurie, gewiss wegen der Namensgleichheit mit dem damnum iniuria. 1 St. R. 1, 4 A. 4. 2 Auch in den Digesten ist der Titel de adulteriis unverhältnissmässig eingehender und der civilrechtlichen Interpretation gleichwerthiger als die übrigen criminalrechtlichen.

Einleitung.

535

von den öffentlichen Delicten handelt, wie auch in den allgemeinen Compendien, wie denn Paulus in seinen sentcntiae zwar den Ehebruch im 2. Buch an das Eherecht anreiht, aber den öffentlichen Gerichten überhaupt nach dem Fiscalrecht und vor den Appellationen im fünften (tit. 14—31) ihre Stelle angewiesen hat. Sie werden hier zuerst im Allgemeinen erläutert, in welcher Darlegung auch clie unter dem Principat hinzugetretenen sogenannten ausserordentlichen Delicte untergebracht sind 1 , sodann einzeln erörtert. Die Sammlungen der kaiserlichen Verordnungen von Theodosius I I . und Justinian, beide im neunten Buch, so wie die Digesten Justinians im 48., haben in ähnlicher Weise, jedoch mit Einschluss des Ehebruchs, die öffentlichen Delicte zusammengefasst. Eine feste Folge scheint nicht bestanden zu haben ; in clen an- überlieferte geführten Gesammtwerken so wie in der Uebersicht, die der unter clen uns bekannten Schriftstellern über clie öffentlichen Gerichte späteste Macer von denselben giebt 2 , ist sie ungleich: Paulus Ehebruch Mord Parricidium Fälschung Vergewaltigung Peculat und Sacrilegium Repetunden Majestät Ambitus Menschenraub 6 Kornwucher 8

[2, 26] 5, 23 5, 24 5, 25 5, 26 5, 27 5, 28 5, 29 5, 30 [5, 30^] τ —

Macer 2 3 4 6 7 5 9 1 8 —

Cod. Theod. und Iust. 3 9, 7 = 9, 14 = 9, 15 = 9, 19 = 9, 12 = 9, 28 = 9, 27 = 9, 5 = 9, 26 = 9, 18 =

10

1



9 16 17 22 12 28 27 8 26 20

Dig. 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48, 48,

Inst. 4, 18

5 8 9 10 6. 7 13 11 4 14 15 12

2 3 4 5 6 75 10 1 9 8 11

Vielleicht hat Paulus diesen ganzen Abschnitt (5, 18—22) unter der Rubrik de poenis (unter dem die Stelle 5, 22, 2 im Feldmesserbuch angeführt wird) zusammengefasst. Die für denselben überlieferten Specialtitel können leicht von späterer Hand herühren (vgl. Krügers Vorrede S. 42); hätte Paulus diese Delictkategorien mit eigenen Rubriken versehen, so hätte er sie sicher hinter die iudicia publica gestellt, wie dies offenbar Ulpian gethan hat. 2 Dig. 48, 1, 1. 3 Die Folge ist in beiden Sammlungen vollständig die gleiche. Eine Anzahl in den Verordnungensammlungen zwischengeschobener Rubriken sind hier übergangen. 4 Die Ziffern beziehen sich auf die in den Institutionen befolgte Ordnung der Delicte. 5 In den Institutionen sind die pecuniae residuae vom Peculat getrennt und an das Ende der Reihe gestellt. ( A n m . 6, 7, 8 auf S. 536.)

Viertes Buch. Die einzelnen Delicte.

536

Auch Ulpian hat die Delicte in einer mit keiner der oben genannten übereinstimmenden Folge behandelt1. Bemerkenswerth ist dabei nur, dass das Majestätsverbrechen weder bei ihm noch bei Paulus an erster Stelle steht und diese erst durch Macer erhalten hat, als das Regiment noch tiefer gesunken und die Loyalität demnach noch höher gestiegen war. Die privaten Delicte werden noch in der justinianischen Verordnungssammlung bei den Geschwornenprozessen behandelt 2 ; erst in den justinianischen Digesten sind sie im 47. Buch mit den in dem folgenden abgehandelten öffentlichen zusammengestellt worden. In der folgenden Darstellung der einzelnen Delicte ist bei jedem zunächst die geschichtliche Entwickelung, so weit dies möglich war, angegeben und sodann der Thatbestand entwickelt worden, wobei allerdings, namentlich bei den Privatdelicten, die oft casuistischen Ausführungen der römischen Juristen nur in beschränktem Umfang wiedergegeben werden konnten. Obwohl der Strafprozess zusammenfassend in dem vorhergehenden, die einzelnen Strafen zusammenfassend in dem folgenden Buch erörtert worden sind, erschien es dennoch nothwendig, bei jedem Delict theils verweisend, theils ergänzend in thunlicher Kürze die Prozessform und das Strafmass zu bezeichnen. 6

Das Plagium gehört eigentlich zu den Popularklagen, nicht zu den indicia publica. Ulpian hat es zu den quaestiones extraordinariae gestellt. 7 Diese Rubrik stand im 5. Buche, der Platz ist unsicher. 8 Ob der Kornwucher in die Reihe der Quästionen gehört, ist zweifelhaft ; Ulpian hat ihn in das 9. Buch gestellt. 1 Wenn die Fragmente nicht täuschen, behandelt Ulpians Instruction finden Statthalter im 7. Buch Mord, Peculat und Majestätsverbrechen und zwar dieses nach dem Peculat (Dig. 48, 4, 1 pr,: proximum sacrilegio crimen est quod maiestatis dicitur), im 8. Parricidium, Fälschung, Vergewaltigung. Die quaestiones extraordinariae sind theils in diesem, theils in dem folgenden Buch erörtert. 2 Der Diebstahl steht hier (6, 2) als Sclavenverbrechen bei der Freilassung.

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen (perduellio, maiestatis imminutae).

crimen

Das gegen das Gemeinwesen als solches gerichtete Verbrechen, clas Staatsverbrechen nach unserer Terminologie führt in cler römischen Rechtssprache eine zwiefache Bezeichnung, perduellio und crimen maiestatis imminutae, später gewöhnlich abgekürzt crimen maiestatis oder auch maiestas schlechtweg. Beide Ausdrücke sollen zunächst ihrem Wortbegriff nach festgestellt werden. Perduellis oder perduellio ist der carge Krieger 5 , das heisst, da Perduellio. jeder von clen Römern geführte Krieg ein gerechter ist, cler Landesfeind schlechthin Strafrechtlich also bezeichnet das Abstractum perduellio clie landesfeindliche Handlung, wobei wahrscheinlich zunächst militärisch an den Ueberlauf gedacht ist. Der durchsichtigen Etymologie entsprechend ist das Wort in der juristischen Sprache stets bis in die Spätzeit hinein in gleicher Bedeutung verwendet 1

Varro de 1. L. 5, 3 (vgl. 7, 49): (hostem)... tum . . . dicebant peregrinum, qui suis legibus uteretur; nunc dicimus eum, quem tum dicebant perduellem. Festus ep. p. 102: hostis apud antiquos peregrinus dicebatur; qui nunc hostis, perduellio (vgl. p. 66 duellum). Nach Cicero de off. 1, 13 heisst der Landesfeind proprio nomine perduellis, dann aber gemildert hostis. Die Bildung des Wortes, von dem neben der gewöhnlichen auch die Nebenform perduellio sich findet, ist deutlich; per steht hier, wie in peregrinus andersländig; pervertere anders wenden, also zerstören; periurus anders schwörend, also meineidig (Corssen Ausspr. 1, 776), gegensätzlich tadelnd. Es ist ziemlich veraltet, wenn gleich noch Tertullian de anima 46 die Mörder Caesars perduelles nennt. Dass das Wort in den Zwölftafeln vorgekommen sei, folgt nicht aus Gaius Dig. 50, 16, 234 (Schöll prolegom. p. 70).

Viertes Buch. Die einzelnen Delicte.

538

worden î . Mit hostis ist, seitdem dies seine ursprüngliche Bedeutung aufgegeben hat, perduellis synonym ; perduellis wird mehr von dem inländischen , hostis mehr von dem ausländischen Landesfeind gebraucht, aber die entgegengesetzte Verwendung beider Ausdrücke ist nicht ausgeschlossen. Maiestas. Maiestas, etymologisch ebenfalls durchsichtig, bezeichnet die Höherstellung 2 , die von dem Geringeren Rücksicht heischende Ueberordnung, nicht die höhere Macht, sondern das grössere Ansehen3. In den Strafprozess ist der Begriff ohne Zweifel gelangt in Folge der Stellung der nicht zu clen Magistraten der römischen Gemeinde gehörigen, aber denselben gleichgestellten Vorstände der Plebs, der Gesammtheit der nicht adlichen Staatsbürger. Der Verstoss gegen die plebejischen Grundrechte, die Verletzung des plebejischen Vorstehers konnte nicht unter den Begriff und den Namen der Perduellion gezogen werden, so lange das Plebiscit nicht lex publica, die Tribune nicht Magistrate waren, wohl aber nahm die Plebs dasselbe Ansehen und dieselbe Rangstellung für ihre Verfassung und für ihre Häupter in Anspruch, welche der Gemeinde und deren Beamten gesetzlich zustanden; für den Verstoss gegen diese ist zunächst die Bezeichnung der 'Minderung der tribunicischen Majestät5 aufgekommen 4. Alsclann 1

Perduellionis reus definirt noch Ulpian (Dig. 48, 4, 11) im Gegensatz zu maiestatis reus als hostili ammo adversus rem publieam vel prineipem animatus. Ebenso wird nach Dio 48, 33 der Kaisermörder verurtheilt ώς πολέμιος Ιχείνου χαϊ τοΰ δήμου παντός und bezeichnet er 52, 31 den die Waffen gegen den eigenen Staat wendenden Heerführer als strafwürdig lv πολεμίου μοίρα. 2 Gebildet von maior wie potestas, die Machtstellung von potior; beide Wörter scheinen correlat, ursprünglich dieses der patricischen Magistratur eignend, jenes der plebejischen Quasimagistratur. 3 Der Begriff tritt am deutlichsten hervor in der zweiten technischen Verwendung des Wortes für den Internationalvertrag zwischen Rom und einem rechtlich souveränen, factisch untergeordneten Staate in der Formel : maiestatem populi Romani comiter colunto, sie sollen freundlich das höhere Ansehen des römischen Volkes verehren (St. R. 3, 664 A. 1). I n genauer Rede macht maiestas den Gegensatz zum imperium, wird aber damit oft verbunden (Cicero pro Rab. ad pop. 7, 20: ut imperium popuilque Romani maiestas conservaretur ; ders. div. in Caec. 21, 69: auctoritas Jniius imperii civitatisque maiestas) und nicht selten confundirt. 4 Als Beispiel der Collision der väterlichen und der öffentlichen Gewalt verwendet Cicero de inv. 2, 17, 52 die Erzählung, dass der Volkstribun C. Flaminius, der spätere Consul des J. 537/217, durch seinen Vater von den Rostra entfernt und dadurch verhindert wird sein Ackergesetz zur Abstimmung zu bringen und dann der Vater desshalb vor dem Volksgericht belangt wird. Mag

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

539

die Volkstribune aus Vorstehern der Plebs thatsächlich zu Gemeindebeamten wurden, blieb die Formulirung in der Erweiterung, dass nicht bloss der Verstoss gegen die plebejischen Rechte, sondern jede clem Ansehen der römischen Gemeinde zugefügte Schädigung als Verletzung cler maiestas populi Romani der strafrechtlichen Ahndung unterlag. Eine nähere Bestimmung cles Begriffes ist aus den Quellen nicht zu gewinnen 1 . Gegensätzlich zur perduellio erscheint clas crimen maiestatis populi Romani imminutae nur insofern, als zwar jede landesfeindliche Handlung ein Majestätsverbrechen, aber nicht füglich jedes Majestätsverbrechen eine landesfeinclliche Handlung genannt werden kann. Das Majestätsdelict schliesst clie Perduellion ein, aber reicht weiter und gestattet, so weit es nicht Perduellion ist, eine verschiedenartige prozessualische Behandlung und eine mindere Strafe, worauf weiterhin zurückzukommen sein wird. Andere es nicht 2 . Der griechischen Sprache fehlen sowohl für die perduellio wie für das crimen maiestatis genau entsprechende Ausdrücke. Für jene treten clie am meisten hervortretenden Einzelfälle ein, namentlich Landesverrat!!, προδοσία 3. Das Majestätsverbrechen heisst der Vorgang selbst historisch oder rhetorische Composition sein, Cicero braucht ihn, um den Werth der maiestas minuta zu erläutern; zweifellos ist diese comitiale Verhandlung gerichtet auf Minderung der tribunicischen Majestät. Ebenso bezeichnet Asconius (in Cornel, p. 60) eine nach der sullanischen Ordnung angestellte Majestätsklage wegen Verletzung des tribunicischen Intercessionsrechts als crimen imminutae maiestatis tribuniciae (wo die Correctur potestatis durchaus abzuweisen ist). Von der consularischen Majestät spricht Livius 3, 24, 9, wo die Consuln den Vorschlag ihre Gewalt durch geschriebene Gesetze zu beschränken bezeichnen als lex minuendae suae maiestatis causa promulgata. 1 Die Definitionen der römischen Schriftsteller sind nichts als Umschreibungen. Schrift ad Her. 2, 12, 17: maiestatem is minuit , qui ea tollit, ex quibus rebus civitatis amplitudo constat oder qui amplitudinem civitatis detrimento adficit. Cicero de inv. 2, 17, 53: maiestatem minuere est de dignitate aut amplitudine aut potestate populi aut eorum y quibus populus potestatem dédit , aliquid derogare. de or. 2, 39, 164: maiestas est amplitudo ac dignitas civitatis. or. part. 30, 105 (daraus Quintilian 7, 3, 35): maiestas . . . est magnitudo quaedam populi Romani in eius potestate ac iure retinendo . . . . maiestas est in imperii atque in nominis popidi Romani dignitate. Ulpian Dig. 48, 4, 1, 1: maiestatis crimen (hier nicht gegensätzlich zur Perduellion gefasst) illucl est quod adversus populum Romanum vel adversus securitatem eius committitur . 2 Ueber das nicht hieher gehörige sacrilegium vgl. S. 569. 3

W o Dionysius von dem νόμος των Ιειποταχτών

τε χαϊ προδοτών (3, 30)

Viertes Buch.

540

Die einzelnen Delicte.

unter der Monarchie den Griechen ständig ασέβεια. Dieser eigentlich der lateinischen impietas 1 entsprechende Ausdruck gehört einer Epoche an, in der das Staatsverbrechen als Verbrechen gegen den unter dem Schutz des Göttergnaclenthums stehenden Monarchen vom religiösen Standpunkt aus aufgefasst ward. Die diese Auffassung noch steigernde Bezeichnung des Verbrechens als γ,αΰοσίωσις, (verletzte) Heiligkeit ist in byzantinischer Zeit aufgekommen 2. Das StaatsDie Abwehr der perduellio, die Nothwehr des Gemeinwesens νβ [ηΊβΪΓη £ e g e n den schlimmen Feind ist so alt wie das Gemeinwesen selbst, ältesten Ge- und dass dies in der Ueberlieferung auf ein Gesetz des Romulus setzgebung. z u r ückgeführt wird (S. 539 A. 3), beweist, dass auch die römischen Staatsrechtslehrer sie also auffassten. Im Zwölftafelbuch hat sie wenigstens der Sache nach ihre Stelle gefunden, obwohl vielleicht der Name dabei nicht gebraucht worden ist 8 . Schwerlich ist in der römischen Gesetzgebung jemals die Perduellion ausdrücklich für strafbar erklärt, vielmehr diese Strafbarkeit in derselben vorausgesetzt und die einzelnen Handlungen unter diesen Begriif subsumirt oder auch ohne Benennung des Delicts mit Capitalstrafe belegt worden, worauf weiterhin bei der Specificirung des Thatbestandes zurückzukommen sein wird 4 . Dass der dieses Delict begründende gesetzwidrige Wille, nach römischem Ausdruck der Dolus (S. 86), von dem den Thäter bestimmenden Motiv nicht abhängig ist, auch die diesem als Pflichterfüllung erscheinende Handlung unter das Strafgesetz fällt, bedarf keiner weiteren Ausführung. oder dem (romulischen) νόμος της προδοσίας Strafen der πατροχτόνοι

u n d der προδόται

(2, 10) oder von den römischen

s p r i c h t , ο μέγιστόν

ίστι

παρ ' ίχεί-

νοις άδίχημα (8, 80), meint er offenbar die perduellio. Die lateinisch-griechischen Glossen (2, 146 Götz) umschreiben das W o r t : perduelliones ot χατά του δήμου των ' Ρωμαίων 1

βουλευόμενοι

ή χατά βασιλέων.

Wie ευσέβεια = pietas. Vgl. S. 583 Α. 5 und Plinius paneg. 33: nemini impietas, ut solebat, obieeta, quocl odisset gladiatorem. Auch inreligiosus findet sich mehrfach. 2 Beispielsweise Sokrates hist. eccl. 5, 14 und in den eben genannten Glossen p. 126. Andere Belege geben die Wörterbücher. 8 Marcianus Dig. 48, 4, 3 pr.: lex XII tabularum iubet eum qui hostem concitaverit quire civem liosti tradiderit capite puniri; das Delict bezeichnet er nicht und auch das Gesetzbuch selbst mag dies nicht gethan und das Wort selbst nicht enthalten haben (S. 537 A. 1), aber dass es sich um das Staatsverbrechen handelt, zeigt das unmittelbar anschliessende Excerpt aus dem julischen Majestätsgesetz. 4 Wenn nach Dionysius (S. 539 A. 3) der Patron, welcher dem Clienten nicht die Treue hielt, dem romulischen νόμος της προδοσίας verfällt, so meint er, dass die römischen Rechtslehrer dieses Delict unter den Begriff oder wenigstens unter die Strafe der perduellio zogen. Vgl. S. 565. 566.

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

541

Die Einsetzung des ständigen Specialgerichtshofes für Majestäts- Quästionsverbrechen geht, da clas appuleische Majestätsgesetz vom J. 651/103 * e s e t z e · transitorisch gewesen zu sein scheint (S. 198 A. 1), zurück auf Sulla 1 . Der Dictator Caesar scheint keine besondere Gerichtsordnung für denselben aufgestellt zu haben2 ; die julische, welche für die Folgezeit massgebend geblieben ist, rührt von Augustus her 8 . Die Perduellion umfasst, wie bereits im ersten Buch (S. 105) Verhältniss ausgeführt wurde,7 in personaler Hinsicht einen weiteren Kreis als d e s S t a a t s " σ r Verbrechens

alle übrigen Delicte. Auch wenn dabei abgesehen wird von den zu Angehörigen der mit Rom in Krieg oder doch nicht in Vertrag stehenden Staaten, da diesen gegenüber das Kriegsrecht eintritt, fällt jede von einem Staatsangehörigen Roms oder eines dem Reichsbund angehörigen Staates begangene Handlung, welche das römische Gemeinwesen oder den Bundes- oder Reichsverband schädigt, in den Kreis des römischen Strafrechts, ohne Unterschied des Thatortes unci ohne andere Rücksicht auf den Personalstand des Thäters, als die prozessualischen Normen sie erfordern. Die Anstiftung steht bei dem Staatsverbrechen wie überhaupt Mitthäterder Verübung gleich 4 . Dasselbe wird im Allgemeinen von der s c h a f t Beihülfe gelten 5 ; so weit indess clas spätere Recht Strafbemessung zulässt, kann dieselbe strafminderncl eingreifen 6. In cler Spätzeit wird sogar die Fürbitte für clie Majestätsverbrecher als Mitschuld bestraft 7 . Wie weit cler rechtswidrige Wille vorgeschritten sein conmuss, um strafbar zu werden, ist bei der grossen Mannichfaltig- s u m m n u n g · keit cler in dies Gebiet eingreifenden Specialgesetze zunächst nach der Fassung derselben zu beurtheilen 8 . Im Allgemeinen ist zwar 1

Asconius in Cornel, p. 52. Cicero in Pis. 21, 50. ad fam. 3, 11, 2. Der Dictator Caesar hat zwar die Strafe des Majestätsverbrechens geregelt (Cicero Phil. 1, 9, 23); aber dies kann durch die wahrscheinlich von ihm herrührende allgemeine lex iudiciorum publicorum (S. 128 A. 1) geschehen sein. 3 Dies Gesetz handelt von der Injurie gegen den Princeps und dessen Vater (Tacitus ann. 4, 34). 4 Marcianus Dig. 48, 4, 3: quive quid eorum quae supra scripta sunt facere curaverit 6 Das julische Majestätsgesetz hat, wie der betreffende Pandektentitel zeigt, in zahlreichen Fällen die Formel ope consilio (vgl. über diese S. 100) ausdrücklich enthalten. 6 Beispielsweise wird in dem Falle der Verbergung des Landesfeindes (S. 548 A. 7) die Beihülfe, welche hier schon in der Nichtanzeige des Delicts gefunden wird, geringer gestraft als das Delict selbst. 7 C. Th. 9, 14, 3, 1 = Iust. 9, 8, 5, 2. 8 Wenn das Gesetz zum Beispiel die Abhaltung der Comitien ausserhalb 2

Viertes Buch.

542

Thatbestand des stantsVerbrechens

Die einzelnen Delicte.

Gedanke und Wort auch hier rechtlich straffrei 1 : im Uebrigen wird jede Bethätigung landes- oder bundesfeindlicher Gesinnung als Strafthat anzusehen sein 2 . Es zeigt sich dies in Beziehung auf den Ueberlauf, welcher schon mit der Entfernung aus dem römischen Lager consummirt i s t 8 ; auf die Verhandlung mit einem fremden Staat in landesfeindlicher Absicht 4 ; auf die Ermordung des Beamten5, während es bei dem Versuch zum Umsturz der Verfassung oder zur Erregung eines Aufstandes sich von selbst versteht. Unvermeidlich musste dies in Gesinnungsverfolgung überschlagen, und oft genug ist dies geschehen. Der Thatbestand der Perduellion und des Majestätsverbrechens ^ α η η w e d e r ( j e n Benennungen selbst noch den in clen Rechtsbüchern °

im daran angeknüpften Erklärungen oder vielmehr Umschreibungen Allgemeinen, ^g^ 539 A ^ e n t n o m m e n w e r d e i i . Dass als lschlimme Feindschaft 5 nicht bloss die Führung der Waffen gegen Rom betrachtet wird, ist ebenso sicher, wie clie Grenzen der analogischen Anwendung es nicht sind; und die 'Minderung cler Hoheit des römischen Volkes' scheint recht eigentlich dazu bestimmt, jedem denkbaren politischen Vorwurf die Form einer Strafklage zu geben. Die einer absoluten Lösung überhaupt schwerlich fähige Aufgabe, in clen das Gemeinwesen betreffenden Handlungen zwischen politischer und strafrechtlicher Verantwortlichkeit clie Grenze zu ziehen, scheint das römische Strafrecht in der That sich theoretisch kaum gestellt zu haben: auch praktisch ist clas Staatsverbrechen wesentlich durch seine juristische Grenzenlosigkeit 6 nur zu oft missbraucht und zeitweise Rom als Capitalverbrechen behandelt, so kann bei solchen der eigentlichen ethischen Grundlage ermangelnden rein positiven Vorschriften (S. 91) mit Recht gefragt werden, ob, wenn das Delict nicht zur Ausführung kommt, schon clie Vorbereitung unter das Gesetz fällt. 1 Dies zeigt sich in der Behandlung des Ueberlaufs (Dig. 49, 16, 3, 11). Nicht in Betracht kommt dagegen Dionys. 5, 11: τοις pèv άλλοις άδιχημασι γενομένοις όργίζεσ&αι 2

πεφνχασιν

απαντες, προδοσία

δε χα) υποπτευομένη.

Es folgt dies auch daraus, (lass bei Verurtheilung die Strafe auf den Moment des Entschlusses zurückbezogen wird. 8 Dig. 49, 16, 3, 11. 4 Für diesen und den folgenden Fall stellt der Erlass des Arcadius (C. Th. 9, 14, 3 = Iust. 9, 8, 5 pr.) die Regel auf: eadem severitate voluntatem sceleris qua effectum puniri iura voluerunt. B A. 4. Hier kommt ausserdem die Regel zur Anwendung, dass jeder Mordversuch dem Morde gleich gestraft wird. 6 Tacitus ann. 3, 38: addito (zur Repetundenklage) maiestatis crimine y quod tum omnium accusationum complementum erat Alexander (Cod. 9, 8, 1) weist

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

543

zur Geissei der Menschheit geworden. Bis zu einem gewissen Grade indess wird der Thatbestand dieses ältesten und wichtigsten, aber freilich auch unbestimmtesten aller Delicte. sich aus den von demselben gemachten Anwendungen feststellen lassen. Bevor wir versuchen deren einzelne Kategorien aus einander zu legen, müssen die dabei leitenden Momente erörtert werden. 1. Die Coercition, wenn gleich die Keimzelle des Staatsdelicts, wird als solche, wie aus dem Strafrecht überhaupt, so auch hier auszuschliessen sein. Alles Einschreiten wegen verletzter Bundespflicht und Abfall von der Reichsgemeinschaft beruht zwar auf dem Perducllionsbegriff, kann aber im Strafrecht vollständige Ausführung nicht finden. Dasselbe gilt von cler kriegsrechtlichen und der sonstigen magistratischen Coercition. Die Bestrafung des Ueberläufers gehört nur insofern in clas Strafrecht, als sie nicht ausschliesslich auf die Lagerzucht angewiesen ist, sondern auch im Wege cles Strafprozesses bewirkt werden kann. Die untergeordneten Vergehen namentlich cler Subalternen und polizeiliche Vorschriften, zum Beispiel clas Verbot cles Waffentragens 1 können auch als Verletzung des Gemeinwesens betrachtet werden; aber in clas Strafrecht gehören sie nicht, insoweit dagegen mit den Coercitivinitteln eingeschritten wird. Die Grenze gewährt der Strafprozess; clie Handhabung cles Strafverfahrens ausserhalb Roms und überhaupt gegen Nichtbürger bleibt im wesentlichen von der folgenden Darstellung ausgeschlossen. Allerdings schwindet diese Grenze in der Spätzeit, insofern clie Coercition und clas cognitionale Strafverfahren in dieser zusammenfallen. 2. Wenn jedes Delict als Schädigung der Gemeinde aufgefasst werden kann, cla eben desswegen die Gemeinde die Strafe entweder vollzieht oder zulässt, so fordert das Staatsverbrechen die unmittelbare Schädigung der Gemeinde und richtet sich also nicht auf die zunächst gegen Private verübten Delicte, überhaupt, namentlich in cler entwickelten Rechtsordnung, nicht gegen Delicte, für welche anderweitige Strafkategorien aufgestellt sind. Die Mordthat ist Staatsverbrechen nur dann, wenn der Ermordete Magistrat die Zumuthung ab den als Majestätsverb recher zu bestrafen, der gegen eine kaiserliche Verordnung ein Urtheil gefällt hat. Der Missbrauch der Majestätsklage bezieht sich noch mehr auf die dieser Prozessform eigenen Schärfungen, zum Beispiel die Zulassung der Folter (Ammian 28, 1, 11. 31,14, 5), als auf die gesteigerte Strafe. 1 Nov. 17 c. 17.

Viertes Buch.

544

Die einzelnen Delicte.

w a r D i e Brandstiftung wird durchaus behandelt als Schädigung des Einzelnen. Der Diebstahl der Frucht auf dem Halm, clas Schmählied werden von Gemeindewegen bestraft, aber darum nicht als Staatsverbrechen behandelt. Auch für die ädilicischen Strafklagen zum Beispiel gegen den Wucherer gilt derselbe Gesichtspunkt. Wahlbestechung und Beamtenerpressung könnten wohl hieher gezogen werden; aber die römischen Ordnungen sind dabei andere Wege gegangen. Vor allen Dingen werden die von einem Beamten begangenen nicht durch die Amtspflicht gedeckten Handlungen der Regel nach nicht als Staatsverbrechen geahndet. Die unter Verletzung des Provocationsrechts von einem Beamten herbeigeführte Tödtung ist nicht Staatsverbrechen, sondern Mordthat; die einer Person von einem Beamten unter Ueberschreitung der Competenz angethane Gewalt nicht Staatsverbrechen, sondern iniuria. Schlechthin ausgeschlossen ist es nicht Handlungen dieser Art aufzufassen als entehrend für die Gemeinde2 ; aber wie durchaus dieser Gesichtspunkt zurücktritt, zeigt die Nichterstreckung des tribunicischen Rechenschaftsprozesses auf derartige magistratische Ausschreitungen 3 . Insofern wird dem Staatsverbrechen ein gewisser subsidiärer Charakter zugesprochen werden müssen. 3. Wenn die Delicte des Privatrechts gegen die Gemeinde verübt werden, was namentlich bei dem Diebstahl in seinem Auftreten als Peculat und Sacrilegium gilt, aber auch bei der Sachbeschädigung vorkommt, so werden sie darum nicht als Staatsverbrechen behandelt, sind auch, so weit dafür nach älterem Recht eine öffentliche Strafklage zulässig war, eher vor die Quästoren gekommen als vor die Duovirn oder die Volkstribune. 1

Warum hiemit im Widerspruch in der Horatierlegende der Schwestermord als Perduellion behandelt wird, ist S. 528 A. 1 zu erklären versucht worden. 2 Die Unterschlagung der Beute, welche Peculat ist, erscheint im tribunicischen Strafverfahren nur in dem nullo exemplo angestellten Scipionenprozess (Gell. 6, 19). Als im J. 584/170 dem Prätor C. Lucretius in Chalkis zum Zweck der Bestechung die Geldurnen ins Haus getragen wurden (Senatusconsult von Thisbae Bruns p. 162 Z. 50), wurde er wegen dieser und ähnlicher Missethaten von den Tribunen zur Rechenschaft gezogen (Liv. 43, 8). Vorgänge dieser Art können als Staatsverbrechen behandelt werden. Regelmässig überwiegt auch in solchen Fällen die abweichende Auffassung. 8 Tribunicische Prozesse wegen Verletzung des Provocationsrechts begegnen nicht. Dass das Verfahren gegen die gestürzten Decemvirn zunächst auf die vindiciae falsae gestützt wird (Liv. 3, 56, 4), wie die Verginia-Legende es fordert, ist auch wohl incorrect ebenso wie die Erstreckung desselben auf den adsertor (St. R. 2, 324 A. 6).

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

545

4. Bestimmten Anhalt für die Feststellung des Thatbestandes geben die in den hieher gehörigen Gesetzen aufgezählten Einzelfälle, womit die Zwölftafeln den Anfang machen (S. 540 A. 3) und deren eine Reihe aus dem für diese Quästion massgebenden julischen Gesetze angeführt wird 1 , allerdings mit ausdrücklicher Verwahrung dagegen, dass diese Einzelfälle den Begriff erschöpfen 2. Weitere Exeniplificationen bieten die bei den Historikern erwähnten Perduellions- und Majestätsprozesse, deren erdrückender Masse allerdings die juristische Brauchbarkeit wenig entspricht. Namentlich steht dabei im Wege, dass wir von dem geregelten Prozess bei den ordentlichen Gerichten wenig erfahren, bei den befreiten aber, sowohl dem comitialen wie dem senatorischen und dem kaiserlichen, die Stellung cler Strafbehörde über dem Gesetz die Erkenntniss cler Rechtsnormen beeinträchtigt. Die Verschiedenheit der Zeiten greift nicht so tief ein, wie man erwarten sollte; bei greller äusserer Ungleichheit haben clie Grundlinien wenig gewechselt. 5. Uebrig bleibt besonders aus republikanischer Zeit eine Anzahl einzelner Gesetze und einzelner Strafprozesse, bei welchen nur clie verbotene Handlung, aber nicht die Delictkategorie angegeben wird; es gehört dahin namentlich die grosse Mehrzahl cler tribunicischen Strafprozesse. Wenn nicht verkannt werden kann, dass für clas öffentliche Strafrecht der älteren Epoche weder die Anzahl noch die Grenzen der delictischen Grundbegriffe hinreichend festgestellt sind, so sind diese Prozesse, wo nicht überwiegende Gründe dieselben einer anderen Delictkategorie zuweisen, bei dem Staatsverbrechen eingereiht worden. Es ist dies um so mehr geschehen, als, wie schon angedeutet worden ist (S. 527) und bei dem Prozess wieder aufzunehmen sein wird, für die ältere Zeit vielleicht die Perduellion neben dem materiellen zugleich ein prozessualischer Begriff ist und im weiteren Sinn dieselbe nichts ist als die Gesammtheit derjenigen Strafklagen, welche im patricischen Duoviral- und im plebejischen Tribunenprozess behandelt werden konnten. Die einzelnen Fälle des Staatsverbrechens sollen hier dargelegt werden nach den folgenden sechs Gruppen: 1

Dig. 48, 4, 2. 1. 3. Modestinus Dig. 48, 4, 7, 3 fordert für die Anwendung des Majestätsgesetzes ein Delict, quod vel ex scriptum legis descendit vel ad exemplum legis vindicandum est. 3

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

35

Viertes Buch. Die einzelnen Delicte.

546 Uebersicht der Einzelfälle.

I. Strafbare Gemeinschaft mit dem Landesfeind. II. Umsturz der Verfassung. I I I . Verletzung der Beamten- und der Priesterpflicht. IV. Verletzung der staatlichen Bürgerpflicht. V. Verletzung der religiösen Bürgerpflicht. VI. Personale Verletzung des Gemeindebeamten. Diese Kategorien sind logisch nicht streng geschieden und nicht wenige Fälle können unter mehrere derselben gezogen werden ; da indess mehr als Exemplification überhaupt nicht gegeben werden kann, werden sie die Uebersicht erleichtern. So weit es für den einzelnen Fall erforderlich schien, ist auf die Prozessform unci die Strafe hingewiesen, von welchen übrigens nachher besonders gehandelt werden wird. I. Strafbare Gemeinschaft mit dem Landesfeind.

Ueberlauf.

1. Der Ueberläufer, das heisst der Bürger, welcher, Soldat oder nicht 1 , sich an eine mit Rom in Fehde liegende oder auch nur mit Rom nicht verbündete 2 Gemeinde anschliesst8, unterliegt vorkommenden Falls clem bürgerlichen Perduellionsverfahren 4, obwohl wenigstens der überlaufende Soldat regelmässig kriegsrechtlich abgeurtheilt wird (S. 43 A. 1). Die Schuld des Ueberläufers ist schwerer als die cles Kriegsgegners. Begnadigung wird ihm nicht leicht gewährt; regelmässig trifft ihn geschärfte Todesstrafe 6 . 1

Dem julischen Gesetz verfällt wer privatus ad hostes transfugit (Dig. 48, 4, 2). Tacitus ann. 6, 14. 2 Dig. 49, 15, 19, 8. Der mit Rom nicht im Vertragsverhältniss stehende Staat (si cum gente aliqua neque amicitiam neque hospitium neque foedus amicitiae causa factum habemus) ist zwar nicht eigentlich feindlich, steht aber dem Fehdestaat rechtlich gleich (Dig. 49, 15, 5, 2). 3 Unter dem Anschluss wird zu verstehen sein der Eintritt in die Rom feindliche Gemeinde, sei es als Bürger, sei es als Schutzgenosse, unter Aufgabe des römischen Bürgerrechts wie bei dem Exilium. 4 Das zeigt die Aufführung dieses Falles im julischen Gesetz (A. 1) und es ist dies auch nothwendig, wo die Thatsache zweifelhaft ist. Wenn das Gesetz den privatus nennt, so hat es den regelmässigen Verlauf im Sinn; rechtlich möglich ist der bürgerliche Prozess auch bei dem (gewesenen) Soldaten. 5 Der transfuga ist pro hoste (Dig. 49, 16, 7). Ausnahme: Dig. 49, 16, 5, 8. Im hannibalischen Krieg werden die gewesenen römischen Bürger gekreuzigt, die gewesenen Latiner geköpft (Liv. 30, 43, 13. Val. Max. 6, 7, 12). Nach Kaiserrecht wird der Ueberläufer gekreuzigt oder verbrannt (Dig. 48;

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

547

2. Die Bürger einer in den römischen Bürgerverband auf- Abfaii. genommenen Gemeinde verlieren durch deren Abfall von Rom in republikanischer Zeit nicht ohne weiteres das Bürgerrecht, wobei wohl die Erwägung massgebend gewesen ist, dass dieser Act nicht ohne Unterschied jedem Einzelnen als Delict zur Last gelegt werden kann. Es wird vielmehr für die Entziehung des Bürgerrechts ein betreffender Volksschluss gefordert 1. Indess scheint diese mildere Behandlung nicht überall stattgefunden zu haben2 und die spätere Rechtsordnung stellt diese Personen den Ueberläufern gleich 8 . Den einzelnen Rom treu Gebliebenen wird das Personalrecht in angemessener Weise restituirt 4 . Die weiteren Strafen wenden hier, wie bei allen Massenverbrechen, sich regelmässig nur gegen einzelne ausgewählte Individuen. 3. Unter dem Landesverrat (proditio), welcher Fall bei dem LandesStaatsverbrechen an der Spitze steht 5 , wird hauptsächlich verstanden v e r r a t h die Auslieferung eines römischen Platzes6 oder eines römischen 19, 8, 2. 1. 38, 1. 49, 16, 3, 10, wo die fnrca an die Stelle des Kreuzes getreten ist). Ueber die Frage, in wie weit ein jeder ihn tödten darf, ist bei dem Mord gesprochen. 1

Livius 26, 33.

St. R. 3, 139. 328.

2

In Betreff Capuas ist ein solches Plebiscit nicht ergangen; auch zeigt die Verhandlung Liv. 26, 33, dass über dessen Nothwendigkeit Zweifel bestanden. 8 Paulus Dig. 4, 5, 5, 1: qui deficiunt capite minuuntur (deficere autem dicuntur, qui ab his, quorum sub imperio sunt, desistunt et in hostium numerum se conferunt . . . . . ) utique usque eo, ut civitatem amittant. Die Anwendung, die Sulla davon auf die rebellischen Gemeinden machte (Cicero de domo 30, 79 ; pro Caec. 33, 97), ist correct, selbstverständlich wenn die obsiegende Partei als legitim anerkannt wird. 4 Liv. 23, 31,10 : de trecentis equitibus Campanis, qui in Sicilia cum fide stipendiis emeritis Bomam vénérant , latum ad populum, ut cives Romani es sent, item uti municipes Cumani essent pridie quam populus Campanus a populo Romano defecisset. 5 Das zeigen die Aeusserungen bei Dionysius (S. 539 A. 3) und bei Tacitus ann. 1, 72, auch, wie es scheint, in den Zwölftafeln (S. 540 A. 3). Wie weit der Begriff erstreckt ward, steht dahin. 6 Dig. 48, 4, 3: (qui) arcem tenuerit (sehr, etwa tradiderit) aut castra concessent. So behandelt die Legende die Auslieferung des Capitols an die Sabiner durch den Vater der Tarpeia als Landesverrath (Dionysius 2, 38; Plutarch Rom. 17). Wegen Ueberlieferung der Stadt Vaga an den König Jugurtha wurde dem Commandanten T. Turpillius Silanus kriegsrechtlich der Prozess gemacht (Plutarch Mar. 8: ϊσχ ev αίτίαν προδοσίας-, Sallust lug. 69) und derselbe, da er als Latiner das Provocationsrecht nicht hatte, enthauptet.

35*

Viertes Buch.

548

Die einzelnen Delicte.

Gebiets1 oder einer römischen Truppe 2 oder eines einzelnen Bürgers 3 an den Landesfeind. 4. Einverständniss mit dem Landesfeind ist Staatsverbrechen, in welcher Weise immer es bethätigt werden mag 4 , sei es durch Unterstützung mit Kriegsmitteln 5 , sei es durch Kundschaft oder Rathschlag 6 , sei es durch Verhinderung der Gefangennahme eines feindlichen Mannes7. In der Spätzeit ist die Anweisung des Selbst die BeBarbaren zum Schiffbau Capitalverbrechen 8. handlung der Perduellion mit Hinwegsetzung über die Provocation wie bei dem Ueberläufer (S. 43) ist als in diesem Fall zulässig noch am Ausgang der Republik vertheidigt worden 9. 1

Dig. 48, 4, 10: cuius ope consilio dolo malo provincia vel civitas hostibus prodita est. 2 Dig. 48, 4, 4 : cuius dolo malo exercitus populi Romani in insidias deductus hostibusve proditus erit. Ebenso Cicero de or. 2, 39, 164; Tacitus ann. 1, 72; Paulus 5, 29, 1. 8 Zwölftafelgesetz (S. 540 A. 3): qui civem hosti tradiderit. 4 Bestechung durch einen ausländischen Herrscher (Val. Max. 3, 7, 8). — Einverständniss eines vornehmen Makedoniers mit dem zum Krieg rüstenden König von Thrakien: Tacitus ann. 3, 38.— Einverständniss eines Römers mit einem Rebellenführer: Tacitus ann. 4, 13. — Einverständniss der Wittwe Stilichos Irma mit Alarich: Zosimus 5, 38. 6 Dig. 48, 4, 4: cuius opera dolo malo hostes p. R. commeatu armis telis equis pecunia aliave qua re adiuti erunt . . . . cuius opera dolo malo factum erit, quo magis obsides pecunia iumenta hostibus p. R. dentur. Unter dem Principat wird namentlich die Ausfuhr von Waffen über die Reichsgrenze (Erlass Marcians vom J. 455/7. Cod. 4, 41, 2) und überhaupt von Eisen (Paulus Dig. 39, 4, 11; Cod. 4, 41, 2; Procopius b. Pers. 1, 19) bei Capitalstrafe untersagt. Wenn dies auch auf Getreide und Salz erstreckt wird (Paulus a. a. 0.), so sind diese Verbote doch wohl abhängig von besonderen Umständen; in dem Krieg gegen Tacfarinas wurden wegen Unterstützung desselben mit Getreide römische Bürger angeklagt (Tacitus ann. 4, 13). Valentinian I. verbietet die Goldausfuhr über die Grenze bei Todesstrafe (Cod. 4, 63, 2). 6 Dig. 48, 4, 1, 1: qui hostibus ρ. R. nuntium litterasve miserit signumve dederit, feceritve dolo malo, quo hostes p. R. consilio iuventur. Ein Beispiel Sidonius ep. 1, 7, 5. 7 Dig. 48, 4, 4: factumve dolo malo cuius dicitur, quo minus hostes in potestatem p, R. ventant. Dahin gehört die Freigebung der gefangenen Piraten, die Cicero (Verr. 1. 5, 5, 11) dem Verres vorwirft und der dem flüchtigen Feind gewährte Schutz (Dig. 48, 19, 40). In dem letzteren Fall wird wer ihn bei sich verborgen hat, mit Deportation, der Mitwisser mit Relegation bestraft. 8 Verordnung Theodosius I I . vom J. 419. C. Th. 9, 40, 24 = Iust. 9, 47, 25. 9 Dass Verres den römischen Bürger P. Gavius als Kundschafter (speculator) der Piraten ans Kreuz schlagen liess (Cicero Verr. 5, 62. 63. 64), war ohne Zweifel ein Justizmord; aber bei erwiesener Strafthat hätte der Magistrat wohl also verfahren dürfen.

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

549

δ. Herbeiführung oder Förderung einer Bekriegung Roms 1 ist ebenfalls Landesverrat, wohin auch gehört die Veranlassung eines verbündeten Staats zum Abfall von Rom 2 und die Erleichterung des Abfalls durch Beseitigung der gestellten Geiseln3. 6. Hieran schliesst sich die Behandlung des Bannbruchs. Der- Bannbruch, jenige Nichtbürger, welchen ein römisches Gesetz durch Untersagung von Feuer und Wasser aus dem römischen Gebiet verbannt hat, ist damit, auch wenn er einer befreundeten Gemeinde angehört, nicht bloss von dem deren Bürgern zukommenden Rechtsschutz ausgeschlossen, sondern er wird auch, wenn er trotz des Bannes römischen Boden betritt, gleich dem Angehörigen einer mit Rom kriegführenden Gemeinde behandelt. Nachdem in sullanischer Zeit im Weg der Untersagung von Feuer und Wasser gegen römische Bürger die Verbannung aus Italien unter die Strafmittel eingetreten war, muss der Bannbruch auch in diesem Fall als Perduellion behandelt und cler Bannbrüchige selbst so wie wer ihn aufnimmt oder sonst ihm Vorschub leistet dem entsprechend bestraft worden sein. Ueber die Execution dieser Interdiction ist bei der Todesstrafe gehandelt. II. Umsturz der Verfassung. Eine von Rechtswegen unabänderliche staatliche Anordnung Umsturz der ist ein Widerspruch im Beisatz. Das Gemeinwesen kann wohl durch einen zweiseitigen Act sich auf ewige Zeit binden, welche Verfassung. Auffassung clem Internationalvertrag zu Grunde liegt, aber so wenig der Testator sich selber verbieten kann sein Testament umzustossen, so wenig kann die Gemeinde durch einseitigen Act sich rechtlich der Befugniss begeben ihren Willen späterhin zu ändern. Es drückt sich dies äusserlich darin aus, class die sittliche und religiöse Bestärkung durch magistratischen oder gemeindlichen Eid der Regel 1

Zwölftafelgesetz Dig. 48, 4, 3: qui host em concitaverit. Dig. 48, 4, 1, 1: (cuius opera consilio malo consilium initum erit), quo quis contra rem p. arma ferat. Paulus 5, 29, 1 : cuius ope consilio adversus imperatorem vel rem p. arma mota sunt. Das tribunicische Verfahren gegen M. Aemilius Scaurus während des Bundesgenossenkrieges geht auf belli concitati crimen (Asconius in Scaur, p. 21). 2 Dig. 48, 4, 4: cuius dolo malo factum erit , quo rex exterae nationis populo Β. minus obtemperet [ exterijve ex amicis hostes populi B. fiant (so etwa ist zu lesen). 8 Dig. 48, 4, 1, 1: cuius opera dolo malo factum erit , quo obsides iniussu principis interciderent. 1. 4 (S. 548 A. 5).

Viertes Buch.

550

Die einzelnen Delicte.

nach nur bei zweiseitigen Gemeindeacten hinzutritt 1 . Auch praktisch haben clie Römer dieses Gesetz der Logik im wesentlichen eingehalten. Zwar hat der Volksschluss häufig sich als unabänderlich bezeichnet unci den Versuch cler Aufhebung oder der Abänderung mit Strafe bedroht; aber diese Erklärungen haben ebenso wenig Rechtsfolge wie die private Bezeichnung des Willens als des 'letzten' ; ein solches Gesetz unterliegt der Aufhebung nicht minder als das nicht also verclausulirte und nicht einmal dafür, class ein vergeblicher Versuch es aufzuheben die im Gesetz angeordnete Strafe herbeiführt, giebt es tatsächliche Belege. Der Wille der Gemeinde ist und bleibt wandelbar unci der Versuch einen solchen Wandel herbeizuführen kann abgewiesen, aber nicht bestraft werden 2. Insofern kennt das römische Staatsrecht clen Umsturz der Verfassung als Percluellionsfall nicht; cler Versuch die bestehende Staatsform zu ändern ist an sich legal, obwohl in den angewandten Mitteln eine Gesetz Verletzung liegen kann. Aber es giebt eine Ausnahme : cler Versuch das einheitliche und lebenslängliche Königthum wieder herzustellen 3 oder eine gleichartige Magistratur her1

W o , abgesehen von den internationalen Gesetzen, die eidliche Bestärkung eines solchen vorkommt, betrifft dasselbe durchgängig die Feststellung von Privatrechten, namentlich privaten Bodeneigenthums ; so bei der Gründung von Colonien, bei Caesars Ackergesetz und ähnlichen Acten (St. R. 3, 362. 885 A. 1). Die Unabänderlichkeit ist hier darin begründet, dass die Privatrechte der Gewalt der Volksgemeinde nach der ursprünglichen Auffassung nicht unbedingt unterworfen sind, Freiheit und Eigenthum dem römischen Bürger auch durch Comitialbeschluss nicht nach W i l l k ü r genommen werden kann; ein solches Gesetz also in gewissem Sinn ein zweiseitiger Act ist. Nicht gleichartig ist der den Magistraten bei dem Amtsantritt abverlangte Eid auf gewisse Gesetze (St. R. 1, 620); dieser geht nicht auf die Unabänderlichkeit des Gesetzes, sondern auf gewissenhafte Einhaltung desselben während des Amtjahrs. 2 3

Dies ist weiter ausgeführt St. R. 3, 360 fg.

Die Bezeichnungen dafür sind regnum occupare (Varro 5, 157; Cicero de re p. 2, 55, 60 und sonst) oder appetere (Cicero Lael. 11, 36; Phil. 2, 44, 114, de dorn. 38, 101) oder affectare (Val. Max. 5, 8, 2; Plinius h. n. 34, 4, 15. c. 6, 30; Quintilian 5, 9, 13. c. 13, 24 und später häufig); τνραννΐάι In ιτί&εσίϊαι (Diodor 12, 37) oder έπνβάλλεσ&αν (Diodor 15, 35). Die euphemistische Bezeichnung des Umsturzes als «Neuerung 5 (res novae), die sich schon bei Cicero (Cat. 1, 1, 3: Sp. Maelium novis rebus studentein) findet und namentlich späterhin geläufig wird (zum Beispiel Tacitus ann. 14, 62. 16, 7. hist. 1, 7. 4, 38. 49), greift viel weiter und gehört der Politik an, nicht dem Strafrecht.

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

551

beizuführen 1 ist nicht bloss gesetzlich als Perduellion bezeichnet2 sondern auch bestärkt worden durch den von den Bürgern für sich und ihre Nachkommen geleisteten Eid nie wieder einen König oder eine gleichartige Magistratur dulden zu wollen 8 . Hier unterlag die rechtliche Logik der politischen Leidenschaft. Rechtlichen Ausdruck findet dieses Strafgesetz in den historischen oder mindestens annalistischen Berichten über die Perduellionsprozesse gegen Sp. Cassius 268/486 und M. Manlius 369/3854. — Aber es blieb nicht bei der Einreihung dieser Acte in das Strafrecht. An die gesetzliche Bestimmung, dass der Versuch der Wiederherstellung des Königthums dem Landesverrath gleich zu bestrafen sei, knüpfte sich in der rarteidoctrin der republikanischen Legitimisten clie Rechtstheorie, dass ein jeder Bürger berechtigt und verpflichtet sei denjenigen, welcher nach solcher königlichen Gewalt strebe oder gar sie schon erlangt habe, ohne vorheriges Rechtsverfahren niederzumachen. Dass jene Gesetze die Erneuerung der Monarchie mit Sacration belegt hatten, rechtfertigt diese Folgerung nicht, denn wie im folgenden Buch gezeigt werden wird, ist diese nichts als 1

Cicero de re p. 2, 27, 49 : nostri omnes reges dixerunt qui soli in populo perpetuam potestatem haberent, wo die constitutiven Elemente der Republik, die Collegialität und die Annuität der Magistratur treffend hervorgehoben werden. Die technische Bezeichnung der königsgleichen Magistratur in dem späteren Staatsrecht ist die des Magistrats ohne Provocation (Cicero de re p. 2, 31, 54. Liv. 3, 55 (A. 2). 2 Livius 2, 8, 2 (vgl. Dionys. 5, 19. Plutarch Popl. 11. 12; St. R. 2, 16) giebt dies als valerisches Gesetz nach dem Sturz cler Königsherrschaft de saerando cum bonis capite eius, qui regni occupandi consilia inisset und wiederholt dasselbe 3, 55 in Beziehung auf den Decemvirat in zwiefacher Form, einmal als consularisches Gesetz : qui (magistratum sine provocatione) creasset, eum ius fasque esset oceidi neve ea caedes capitalis noxae haberetur, sodann als Plebiscit : (at) qui . . . magistratum sine provocatione creasset, ter go ac capite punir etur. Ohne Zweifel ist hier, zumal da zugleich über das Verhältniss des Plebiscits zum eigentlichen Gesetz gehandelt wird, derselbe Rechtssatz in zwei verschiedenen Formen historisirt. Der Sache nach laufen beide auf dasselbe hinaus, die Perduellionsklage und deren Execution. 8 Liv. 2, 1, 9 : Brutus . . . popxdum .. . iure iurando adegit neminem Bomae passuros regnare. Plutarch Popl. 11. 4 Beide Erzählungen, die in meinen R. F. 2, 153 fg. eingehend erörtert sind, sind legendarisch und die erste insofern denaturirt, als das Hineinziehen der quaestores parricidii in den Staatsprozess sich nicht rechtfertigen lässt (S. 155 Α. 3); aber dass in der römischen Rechtstheorie dieser Perduellionsfall seine Stelle gefunden hat, ist nicht zweifelhaft. Einen geschichtlichen Anlauf zur Einleitung eines solchen Prozesses meldet Appian b. c. 2, 108.

Viertes Buch. Die einzelnen Delicte.

552

die Androhung der Capitalstrafe, und der Vollstreckung derselben muss auch hier von Rechtswegen die gerichtliche Verurtheilung voraufgehen 1. Aber in dem an das Gesetz angeschlossenen Erbeid konnte allerdings nicht die rechtliche, wohl aber die sittliche und politische Verpflichtung gefunden werden einen solchen König ohne weiteres dem Landesfeind gleich zu behandeln; was denn freilich nichts anderes war als die für diesen Fall politisch in Aussicht genommene Revolution. Niedergelegt ist diese legitimistische Parteidoctrin in der Legende von der Tödtung des amtlosen Sp. Maelius durch den ebenfalls amtlosen C. Servilius Ahala im Wege des Meuchelmordes 2 ; und praktisch ist ihr der grösste Römer zum Opfer gefallen 3 , welche Tödtung allerdings die nachfolgenden Gewalthaber mit Mordprozessen ahndeten4. Mit clem effectiven Strafrecht hat diese Theorie und diese Praxis nichts zu schaffen. In gleicher Weise wie clie patricische Republik und deutlich plebejische« n S L Ç ^ ihrem Muster hat sich auch die Plebejergemeinschaft con-

Umsturz der Constitution.

.

T

r

stituirt. Ihren autonomen Satzungen, welche die Kraft von Gemeindebeschlüssen von Rechtswegen nicht hatten, verlieh sie nicht bloss die cler Aechtung cles Königthums durch Beschluss der Gesammtgenieincle beigelegte capitale Sanction 5 , sondern gab ihnen auch 1 Das Missverständniss der Sacration, als ob dabei der Prozess wegfalle, wie es zum Beispiel bei Plutarch Popl. 11 sich findet, mag von späteren Berichterstattern in die Erzählung hineingezogen worden sein; die Mörder selbst hat nicht die Sacration bestimmt, sondern der Eidschwur (A. 3). 2 Der paradigmatische Werth dieser Erzählung (vgl. über dieselbe meine Ausführung R. F. 2, 199 fg.) wird durch die spätere Einfügung der Dictatur und des Reiterführeramtes verdunkelt. Sie ist das genaue Programm für die Ermordung Caesars, einschliesslich des Meuchelmords. 8 Appian b. c. 2, 119: (die Mörder Caesars) του Βρούτου του πάλαι χαϊ

των τότε σφίσιν ομωμοαμένων 4

ζπϊ τοΤς

πάλαι βασιλ(ϋσιν

άημίμνηαχον .

Vgl. S. 199 Α. 3. Auch in der Ahala-Legende fehlt die criminelle Ahndung der That nicht (Cicero de domo 32, 86, de re p. 1, 4, 6; Liv. 3, 21). 6 Sacratae leges sunt, sagt Festus p. 318, quibus sanctum est qui quid adversus eas fecerit, sacer alicui deorum sit cum familia pecuniaque sunt, qui esse dicant sacratas, quas plebes iurata in monte sacro sciverit. Was Festus hier sagt, dass unter den leges sacratae zunächst die die Plebs constituirenden autonomischen Beschlüsse verstanden werden, bestätigt Cicero de leg. 2, 7, 18, pro Tull. 47, und bei Asconius in Cornel, p. 75; ferner Asconius a. a. 0. und Livius 2, 54, 9. 3, 32, 7. 5, 11, 3. 39, 5, 2, wogegen er 2, 33, 3 dieselben als einheitliche Constitution, als sacrata lex fasst; ebenso wie sie Festus p. 318 lex tribunida prima nennt. — Allerdings giebt es ausser dieser plebejischen Constitution noch andere leges sacratae, so das Verbot der privilégia

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

553

durch einen gleichartigen Erbeid den Stempel der Unabänderlichkeit 1 . Diese im eminenten Sinn als leges sacratae bezeichnete plebejische Constitution umfasste den Ausschluss der Patricier von der Vorsteherschaft der Plebejergemeinde 2; die tribunicische Unverletzlichkeit 8 ; die tribunicische Intercession (S. 556 Α. 2); die tribunicische Redefreiheit (S. 563 A. 2), wesentlich also den Inbegriff derjenigen Rechte für ihre Vorsteher, welche nach der Staatsordnung den patricischen Magistraten zukamen4. Durch clen Eid verpflichteten sich die Plebejer für alle Zukunft weder Verletzung noch Abschaffung dieser Rechte zu dulden. Verletzungen derselben und darauf gegründete Perduellions- oder Majestätsklagen sind oft vorgekommen, wie weiterhin ausgeführt werden wird; aber ein directer Angriff auf die Constituirung der Plebs, cler mit dem Versuch der Wiedereinführung der Monarchie gleichgestellt werden könnte, hat nie stattgefunden 5. Die Drohung (Cicero de domo 17, 43; pro Sest. 30, 65); das icilische Gesetz über clen Aventin (S. 557 A. 3); ein Gesetz gegen militärische Degradation vom J. 412/342 (S. 557 A. 3), auch wohl clas im J. 397/357 beschlossene Plebiscit mit capitaler Sanction, ne quis postea populum sevocaret (Liv. 7, 16, 8; St. R. 3, 381 A. 2). Endlich wird im militärischen Sprachgebrauch die Ladung der Wehrpflichtigen bei Lebensstrafe bezeichnet als Ladung lege sacrata (S. 44 A. 2). — Der Beisatz, welcher diese leges vor clen übrigen auszeichnet, geht wahrscheinlich, wie es clie "Wortbedeutung fordert und Festus geradezu sagt, auf clie in der Sacrationsformel enthaltene capitale Sanction, schliesst also alle minderen Delicte aus. Dass er überwiegend von clen constitutiven Ordnungen der Plebs gebraucht wird, rührt vermuthlich davon her, dass die Rechtsbeständigkeit dieser Plebiscite, das heisst ihre Capitalsanction in dem langwierigen Ständekampf hatte erstritten werden müssen, während diejenige für Landesverrath und Mord niemals in Frage gestanden hatte. 1 Festus p. 318 (S. 552 A. 5) und ebendaselbst unter sacrosanetus. Livius 3, 55, 6. 2 Cicero de prov. cons. 19, 46; pro Sest. 7, 16. Liv. 5, 11, 3. 3 Cicero pro Tullio 47 fg.: (lex antiqua) de legibus saeratis, quae iubeat impune oecidi eum qui tribunum plebis ptdsaverit und a. St. m. Insofern werden die Beamten der Plebs bezeichnet als saerosancti. St. R. 2, 286. 298. 4 Vielleicht sind weitere hier eingreifende Vorschriften uns unbekannt geblieben, namentlich ist die Perpetuität des Volkstribunats, auf der die der Plebs beruht, staatsrechtlich nicht gesichert, da den plebejischen Ordnungen das Interregnum mangelt. Aber eher wird bei dieser Lücke darauf zu recurriren sein, dass die plebejische Constituirung nichts ist als die formulirte Revolution und diese sich selber schützt, auch wenn der Schutz nicht formulirt ist. 6 Die tribunicische Selbsthülfe in dem Fall des Metellus (S. 46) hat mit dem plebejischen Eidschwur nichts zu thun; der Volkstribun thut nichts als dass er den Perduellis als solchen bestraft.

Viertes Buch.

554

Die einzelnen Delicte.

mit eventueller Revolution hat in diesem Fall genügt, um den Angriff auf die plebejische Sonderstellung und im Rückschlag dagegen die Revolution selbst abzuwenden, verhalten Die patricischen wie die plebejischen Strafgesetze hinsichtlich Monarchie Versuchs die bestehende Verfassung zu ändern wurden ausser Kraft gesetzt durch Caesars Dictatur und, nachdem die legitimistischen Dolche den Monarchen, aber nicht die Monarchie beseitigt hatten, durch die augustische einheitliche und lebenslängliche Staatsoberhauptschaft, den Principat. Aber dieser Principat selbst hat rechtliche Perpetuität weder gehabt noch erstrebt und insofern ist der Rechtsbegriff des Umsturzes der Verfassung auf ihn nicht anwendbar. Ist durch Abdankung oder Tod die Herrscherstelle erledigt, so kann ohne Rechtsverletzung ein Anderer dieselbe einnehmen ; ein principieller Rechtsgang besteht für die Nachfolge nicht, weder eine Erbfolge noch eine Wahlordnung Der Versuch, den Princeps sei es durch Zurückführung der republikanischen Staatsordnung 2, sei es durch eine andere Person 8 aus seinem Amte zu verdrängen, ist das schwerste aller Majestätsverbrechen, aber rechtlich nur insofern, weil er die Lebenslänglichkeit des der1

Eine Scheidung der legitimen und der nicht legitimen Herrscher (nach dem späteren Sprachgebrauch der tyranni, welche Benennung schon Cicero de re p. 2, 27, 49 als die griechische des rex iniustus bezeichnet und die dann in der Spätzeit für die illegitimen römischen Herrscher gebraucht wird, so von Constantin für Licinius C. Th. 15, 14, 1) besteht allerdings, insofern der formale Träger der Souveränetät in der Kaiserzeit der Senat ist und als legitim jeder Herrscher gilt, welcher diesem, wenn auch nur auf kürzeste Zeit, als solcher gegolten hat. Dies zeigt am deutlichsten die Behandlung der beiden älteren Gordiane. 2 Revolutionäre Wiederherstellung der Republik hat wohl nur nach Neros Katastrophe Clodius Macer in Africa versucht. Aber die Stellung der Regierung gegenüber den republikanischen Tendenzen, wie sie Tacitus ann. 16, 22 scharf und treffend charakterisirt, tritt namentlich zu Tage in den litterarischen Verfolgungen, dem Einschreiten wegen der Verherrlichung der Caesarmörder (Cremutius Cordus unter Tiberius: Tacitus ann. 4, 34. 35. Dio 57, 24 Sueton Tib. 61) und Catos (Tacitus dial. 2), ja wegen der rhetorischen Declamationen gegen den Tyrannen (Dio 59, 20. 67, 12. Juvenal sat. 7, 204). 3 Dies wird bezeichnet als imperium cupere (Tacitus ann. 12, 42), tyrannidem adfectare (vita Pii 7), seit dem 3. Jahrh. meistens mit dem Ausdruck purpuram sumere (St. R. 1, 433). Gleichartig ist das Auftreten unter dem falschen Namen eines früheren Kaisers, wie dies namentlich nach Neros Tode mehrfach vorkam, und selbst das Auftreten unter dem falschen Namen einer zur Succession geeigneten Persönlichkeit, wie des Agrippa Postumus (Tacitus ann. 2, 39. 40).

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

555

zeitigen Herrschers antastet, nicht als Angriff auf das Amt, sondern als Angriff auf den Beamten. Thatsächlich ist also wohl auf die unabänderliche Republik die ebenfalls unabänderliche Monarchie gefolgt ; aber die kühle und logische Politik des Augustus hat das leidenschaftliche Vorgehen der ständischen Revolutionen, die Austreibung der Tarquinier und die Schaffung des Plebejerstaats, nicht nachgeahmt und weder durch Gesetz noch durch Eid es unternommen den Staat für alle Ewigkeit zu monarchisiren. Allerdings ist damals das zum Verbrechen der Söhne geworden, was den Vätern als Bürgerpflicht gegolten hatte; aber unter den Perduellionsfällen des Strafrechtes kann wohl der Umsturz der Republik aufgeführt werden, nicht aber der Umsturz des Principats 1 . Erst für die diocletianische Monarchie wird diese Auffassung sich geändert haben; in dieser Spätzeit aber und bei der damals bestehenden Gestaltung des Reiches ist die republikanische Ordnung so völlig unmöglich und so gänzlich vergessen, dass die Monarchie weniger principiell fundamentirt ist als selbstverständlich, unci jede Umwälzung auftritt als lediglich personal. III. Verletzung der Beamten- und der Priesterpflicht. Dass jede ernste Verletzung der Verfassung von Seiten eines Beamten, zum Beispiel cler Kriegsbeginn ohne Auftrag oder die Fortführung cles Amtes über clie gesetzliche Endfrist hinaus, und jeder schwerere Bruch cler Amtspflicht , zum Beispiel feige Flucht des Feldherrn vor dem Feind, als Perduellion oder Majestätsverbrechen bestraft werden kann, und dass von den Priestern der Gemeinde für ihre Obliegenheiten dasselbe gilt, ist selbstverständlich, wenn auch vielleicht niemals das Strafgesetz dies ausdrücklich formulirt hat. Die praktische Anwendung davon liegt vor in clen zahlreichen von den Volkstribunen, nachdem deren Judicatur unbestritten feststand, wegen solcher Vorgänge gegen gewesene Beamte erhobenen capitalen oder nicht capitalen Rechenschaftsprozessen. Die einzelnen Klaggrüncle, welche anderweitig zusammengestellt worden Sind2, im 1

Das Schweigen der Rechtsquellen in dieser Hinsicht ist ein sehr beredtes. 2 St. R. 2, 320 fg. Erwähnt mag hier werden der ausdrücklich als capitaler Perduellionsprozess bezeichnete gegen den Legaten des Consuls L. Cassius C. Popillius 647/107 wegen der mit dem Feinde abgeschlossenen schimpflichen, aber die Truppen rettenden Capitulation (Schrift ad Her. 1, 15, 25. 4, 24, 34; Cicero de leg. 3, 16, 36).

Beamten-

dehcte

*

Viertes Buch.

556

Die einzelnen Delicte.

Strafrecht aufzuführen erscheint zwecklos, da sie so mannichfaltig sind wie die Amtspflichten überhaupt und da bei dem Schwanken der Strafe von der capitalen bis zu massiger Geldbusse und bei der völlig in das Ermessen der Anklagebehörde gestellten Bemessung die einzelnen Fälle wohl geschichtlich und politisch, aber nicht strafrechtlich belehrend sind. Von Rechtswegen fällt unter den Majestätsbegriff jede die Würde der Magistratur verletzende Handl u n g 1 ; in der Handhabung aber beschränkt sich die Straf klage oder soll wenigstens sich beschränken, wie dies schon hervorgehoben worden ist, theils auf die schweren Delicte, für welche die Coercition nicht genügt, theils auf diejenigen, die nicht füglich unter andere Strafklagen gezogen werden können. Wir verzeichnen eine Anzahl in unserer geschichtlichen oder rechtlichen Ueberlieferung hervorgehobener hieher gehöriger Fälle. 1. Dem magistratischen Vertretungsrecht und der magistratischen Intercession hat der Beamte sich zu fügen. Innerhalb der durch das Gesetz gezogenen Grenzen ist er verpflichtet die an sich berechtigte Amtshandlung zu unterlassen, wenn ein höher stehender sie ihm verbietet oder ein gleichberechtigter oder ein Volkstribun dagegen Einspruch thut 2 oder wenn durch Justitium eine allgemeine Geschäftssperre verfügt ist 3 . Jede derartige Competenzüberschreitung nimmt dem fraglichen Act die Rechtskraft, ist indess nicht ohne weiteres strafbar; nur wenn das \Terbot von einem Volkstribun ausgeht, kann desswegen die Majestätsklage angestellt werden 4. Bei der factischen Beseitigung des Volks1 Seneca contr. 9, 2, 17: lex (maiestatis) quid oporteat quaerit, aliae quid liceat. licet ire in lupanar; si praecedentibus fascibus praetor deducitur in lupanar, maiestatem laedet.... licet qua quis relit veste uti : si praetor ius in veste servili vel muliebri dixerit, violabit maiestatem. 2 Wegen der Modalitäten des Verbietungsrechts und der Intercession ist auf die Auseinandersetzung im vorigen Buch (S. 462 fg.) zu verweisen. Ausdrücklich wird die der collegialischen nachgebildete tribunicische Intercession den leges sacratae (S. 552 A. 5) nicht zugezählt, aber ohne Zweifel gehört sie dazu. 3

Tribunicische Androhung der Mult für Nichteinhalten des Justitium: Plutarch Ti. Gracch. 10. 4 St. R. 1, 287 fg. Dergleichen Prozesse sind zum Beispiel der von Livius 43, 16 unter dem J. 585/169 berichtete comitiale auf Perduellion und die Majestätsklage vor den Geschwornen gegen C. Cornelius vom J. 689/65, weil er einen von ihm eingebrachten Gesetzesvorschlag, nachdem die intercedirenden Tribune dem Diener dessen Verlesung verboten hatten, selbst verlas.

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

557

tribimats unter cler Kaiserherrschaft ist in dieser Epoche die Intercession so gut wie antiquirt 1 . 2. Die zahlreichen Normen über die Grenzen und die Handhabung der Comitialgewalt, zum Beispiel die Unzulässigkeit des gegen eine einzelne Person gerichteten Strafgesetzes, sind aufzufassen als Vorschriften für die die Comitien abhaltenden Beamten und wenn dieselben mit einer Strafsanction versehen sind, fällt ihre Verletzung unter das Majestätsgesetz2, wogegen dies nicht der Fall ist, wenn sie ohne Strafsanction auftreten als sogenannte Unvollständige Gesetze5. 3. Aehnliche Strafdrohungen begegnen auch hinsichtlich der Ausübung cler militärischen und der übrigen Beamtenrechte 3. 4. In republikanischer Zeit wird den Consuln mit tribunicischer Muitirung gedroht, wenn sie nicht rechtzeitig ihr Commando antreten 4 . 5. Die Competenzüberschreitung des Statthalters nimmt in unseren Rechtsquellen eine Sonderstellung ein. Wenn an sich jeder dolose Uebergriff des Beamten über seine verfassungsmässige Befugniss hinaus in den Kreis des Staatsverbrechens gezogen werden kann, so geschieht dies bei den Rechtslehrern fast ausschliesslich hinsichtlich der Uebergriffe cler Statthalter, ohne Zweifel weil diese, sowohl in den letzten Jahrhunderten cler Republik wie in der Kaiserzeit factisch die Träger cler felclherrlichen Gewalt, vor allen übrigen in die Lage kamen die bestehende Ordnung zu missachten, wie denn auch in der That alle fundamentalen Revolutionen von solchen Beamten ausgegangen sind. Es werden in dieser Hinsicht die folgenden Fälle namhaft gemacht: a) Ueberschreiten der Grenzen der Provinz mit den von dem Statthalter befehligten Truppen 5 ; 1 St. R. 2, 309. Der Princeps übt allerdings noch die Intercession kraft seiner tribunicischen Gewalt: St. R. 2, 879. 2 Dahin gehören die Verbote des Privilegium und die Abhaltung der Comitien ausserhalb Rom, beide mit capitaler Sanction (S. 552 Α. 5). 3 Livius 7, 41 (vgl. 2, 55), 4 zum J. 412/342: lex saerata militaris lata est, ne cuius militis scripti nomen nisi ipso volente deleretur additumque legi, ne quis, ubi tribunus militum fuisset, postea ordinum ductor esset Auch hier war die Sanction capital. Dasselbe gilt von dem Gesetz über Besiedelung des Aventin, dessen Inhalt freilich nicht ausser Zweifel ist (Liv. 3, 31, 1. c. 32, 7, Dion. 10, 32). 4 Livius 42, 21, 4: tribuni plebis . .. consulibus multam se dicturos, nisi in provinciam exirent, denuntiarunt. 6 So wurde gegen den Statthalter von Syrien Gabinius im J. 700/54 der

558

Viertes Buch. Die einzelnen Delicte.

b) Verbleiben in der Provinz nach Eintreffen des Nachfolgers und Weigerung der Abgabe des Commandos 1 ; c) Aushebung von Truppen ohne entsprechende Vollmacht 2 . Nach der republikanischen Ordnung steht clie Aushebung dem Consul zu und fehlt der Regel nach dem Prätor, also dem Statthalter 8 . Unter der Monarchie ist die Aushebung kaiserliches Reservatrecht und nur durch Specialmandat übertragbar 4 ; d) Offensive Kriegführung ohne entsprechende Vollmacht 5 . In republikanischer Zeit steht der Kriegsbeginn von Rechtswegen bei den Comitien 6 ; unter cler Monarchie ist er Reservatrecht des Kaisers 7 ; e) Anmassung des Begnadigungsrechts 8; f) In der späteren Kaiserzeit Bezeichnung öffentlicher Bauten mit dem eigenen Namen unter Ausschluss des kaiserlichen 9; 6. Magistratische Beurkundung wahrheitswidriger Angaben 10 ; 7. Dass die Verletzung der in der Amtspflicht enthaltenen religiösen Verpflichtungen, zum Beispiel der Verstoss gegen das durch die obligatorische Zeichenschau clem Magistrat auferlegte Thun Majestätsprozess angestellt, weil er seine Truppen in das Königreich Aegypten geführt habe. Cicero in Pis. 21, 50: exire de provincia, educere exercitum, bellum sua sponte gerere, in regnum iniussu populi B. aut senatus accedere . . . . cum plurimae leges veter es tum lex Cornelia maiestatis, Iulia de repetundis planissime vetat. 1 Dig. 48, 4, 2: qui de provincia, cum ei successum esset, non discessit. 48, 4, 3: qui cum ei in provincia successum esset, exercitum successori non tradidit. 2 Dig. 48, 4, 3: (qui iniussu principis) dilectum habuerit, exercitum comparaverit. Paulus 5, 29, 1; Dio 53, 48. 8 St. R. 2, 95. 4 St. R. 2, 849. 5 Cicero in Pis. 21, 50 (S. 557 Α. 5); Dig. 48, 4, 3: qui iniussu pnncipis bellum gesserit. Paulus 5, 29, 1. Dio 54, 3. 6 St. R. 3, 342. Wegen des Senats vgl. das. 3, 1087. 7 St. R. 2, 954. 8 Dig. 48, 4, 4: qui confessum in iudicio reum et propter hoc in vincula coniectum emiserit. Der verurtheilte \ r erbrecher fehlt wohl nur zufällig. Auch hier ist zunächst an den Statthalter der Kaiserzeit gedacht. 9 Dig. 50, 10, 3, 2. 1. 4. C. Th. 15, 1, 31 = Iust. 8, 11, 10. 10 Dig. 48, 4, 2: qui sciens falsum conscripsferjit vel recitaverit in tabulis publicis. Verwandte Delicte werden bei dem Falsum und dem Peculat zur Sprache kommen.

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

559

oder Lassen1 und die Unterlassung der dem Magistrat als solchem obliegenden Culthandlungen2 als Staatsverbrechen behandelt werden konnten, versteht sich von selbst, obwohl in unseren für die ernstlich gläubige Zeit versagenden Quellen dergleichen Anschuldigungen nur als Vorwand für politische Prozesse figuriren. 8. Hinsichtlich der dem Priester obliegenden Verpflichtungen gilt das Gleiche nur in beschränktem Umfang ; es hat hier die Tendenz eingegriffen, theils das Priesterthum nicht den Ordnungen der Magistratur zu unterwerfen 8, theils dem Priesterthum über die Magistratur keine Macht einzuräumen 4 . Umfassendere Anwendung der sacerdotalen Controle würde, zumal da die Gemeindepriesterthümer regelmässig personal mit den Magistraturen vereinigt waren, den Priestern einen politisch bedenklichen Einfluss gewährt haben. Verstösse gegen die Priesterpflichten werden nicht durch die Magistrate geahndet, sondern durch den Oberpontifex und auch von diesem nur in dem Kreise der ihm zunächst unterstellten Priester, vorzugsweise in Beziehung auf die Flamines, bei denen insbesondere die Verpflichtung der drei höchsten, Rom nicht öfter als zweimal im Jahr auf je zwei Tage zu verlassen, mehrfach zu solchen Differenzen geführt h a t 5 , ausserdem auf den Opferkönig 6 und auf die Auguren 7 . Innerhalb des hiedurch bezeichneten Kreises hat der Oberpontifex zwar nur die mindere Coercition (S. 39), aber erweitert durch die Berechtigung bei der Muitirung die Coercitionsgrenze zu überschreiten und in diesem Fall den förm1 Cicero de leg. 2, 8, 21 schliesst die Erörterung cler dem Augur zustehenden Rechte mit den Worten: quique non parnerit capital esto. Majestätsprozesse wegen verletzter Auspicien St. R. 2, 321 A. 1 vgl. 1, 116. 2 Majestätsprozess wegen unterlassener Sacralhandlungen St. R. 2, 322 A. 1. 3 St. R. 2, 18. 4 Bei den Ausnahmefällen wird es hervorgehoben, dass der Priester über den Magistrat den Sieg davonträgt (Yal. Max. 1, 1, 2: religionique summum imperium cessit; Livius ep. 47: sacrorumque quam magistratuum ius potentius fuit). Wohl mit Rücksicht darauf sagt Festus ep. p. 126: maximus pontifex dicitur, quod maximus rerum quae ad sacra et religionem pertinent iudex sit , rindex contumaciae privatorum magistratuumque. 5 Tacitus ann. 3, 58. 59. 71. Cicero Phil. 11, 8, 18. Liv. 1 9 ( = V a l . Max. 1, 1, 2). 37, 51. St. R. 2, 57 fg. 6 Liv. 40, 42. Die Erzählung ist wohl so aufzufassen, dass der Oberpontifex den Opferkönig ernennen kann, ohne dass er der Einwilligung des Erwählten bedarf und hier gestritten wird um die dadurch herbeigeführte Verpflichtung der Niederlegung eines bürgerlichen Amtes. 7 Festus p. 343 Saturno (St. R. 2, 35 A. 1).

Pnester-

dehcte

'

Viertes Buch.

560

Die einzelnen Delicte.

liehen Strafprozess mit Provocation an die Gemeinde herbeizuführen \ Delicte 9. Der Amtspflicht kann jede in der Uebernahme einer ThätigM^dataîr für das Gemeinwesen enthaltene sittlich-politische Verpflichtung gleich geachtet werden Es gilt dies nicht bloss von dem Gesandten und dem Senator; auch die Aufsichtführung über Staatsgefangene 2 und die Uebernahme von Lieferungen für den Staat 8 haben wegen dabei begangener Unrechtfertigkeiten clie Perduellionsklage herbeigeführt. Indess scheint das römische Regiment die nicht magistratischen Mandatare cler Staatsgewalt nicht leicht cler criminellen Verantwortung unterworfen zu haben; am wenigsten vermuthlich ist gegen nicht magistratische Offiziere in dieser Weise eingeschritten worden 4. IV. Verletzung der staatlichen Bürgerpflicht. Bürgerdelicte.

Noch entschiedener als von cler Amtspflicht gilt es von der pflicht cles Bürgers und überhaupt einer jeden zur Zeit cler Staatsgewalt unterworfenen Person 5, dass nicht jede schulclhafte Verletzung dieser Pflicht die strafrechtliche Behandlung erfordert. Der Ungehorsam ist nie in clem Sinn als Staatsverbrechen behandelt worden wie die Gemeinschaft mit dem Landesfeind. Vielmehr wird derselbe im Allgemeinen durch die magistratische Coercition gebrochen und gesühnt und nur die schweren Fälle, für welche die Coercitionsmittel nicht ausreichen, werden criminell bestraft. Die Kreise aber cler rein magistratischen Coercition und 1

Dergleichen Provocationsprozesse berichten Cicero Phil. 11, 8, 18. Liv. 37, 51. 40, 42, Festus a. a. 0. 2 Diodor p. 533; St. R. 2, 323. 3 Liv. 25, 3. St. R. a. a. 0. 4 Bei der tribunicischen Capitalklage aus der Zeit der samnitischen Kriege gegen den Kriegstribun M. (C.) Laetorius Mergus wegen des einem unter ihm dienenden Soldaten zugemutheten Stuprum (Val. Max. 6, 1, 11; Dionys. 16, 8) kommt in Erwägung, dass ein solches Ansinnen schwerlich in jener Zeit zu einer Privatklage berechtigte und dass hier nur die Behandlung des Falles als eines Offiziervergehens möglich war. In dem gleichartigen Fall, welcher im J. 428/326 die Milderung der Schuldknechtschaft herbeigeführt haben soll (Liv. 8, 28. Dionys. 16, 9; auch Val. Max. 6, 1, 9 ist wohl nur Variante), spricht nur Dionysius von tribunicischer Capitalklage. B Bürgerpflicht ist nur ein abgekürzter Ausdruck. Es handelt sich hier überhaupt um das staatliche Recht auf Gehorsam, mag dies gegen den Bürger oder den Reichsangehörigen oder den ausländischen Gast zur Anwendung kommen.

Erster Abschnitt. Das Staatsverbrechen.

561

der criminellen Verantwortung positiv abzugrenzen ist nicht möglich ; es giebt wohl eine Reihe von Verletzungen der Bürgerpflicht, auf welche die Coercition nicht passt oder für welche sie nicht genügt, aber häufig hängt es von der erkennenden Behörde ab, ob die Contravention zur strafrechtlichen Ahndung gelangen soll. Die Darstellung muss auch hier sich beschränken auf Bezeichnung der in den Gesetzen hervorgehobenen oder sonst bestimmt hervortretenden Kategorien. 1. Die Dienst-und Wehrpflicht gilt unter allen Bürgerpflichten Miiitarals die erste. Schon im ersten Buch ist gezeigt worden, dass die v e r b r e c h e n Behandlung nach Kriegsrecht unter Ausschluss der Provocation bei diesen Bürgerpflichten strenger und länger festgehalten worden ist als in allen übrigen Fällen. Im Provocationskreis gehören hieher: a) Schuldhaftes Ausbleiben bei cler Aufstellung des Verzeichnisses cler Dienstpflichtigen (S. 44 A. 4). Da diese Listen ihre militärische Bedeutung schon in der mittleren republikanischen Zeit so gut wie verloren haben, ist in cler besser bekannten Epoche diese Vorschrift kaum zur Anwendung gekommen, wenn sie auch in der Rechtslehre ihren Platz behauptet hat. b) Schuldhaftes Ausbleiben bei clem Aufgebot der Wehrpflichtigen ist bis in die Kaiserzeit hinein, damals allerdings nur ausnahmsweise, nach clem ältesten Perduellionsverfahren behandelt worden (S. 44 A. 1. 2). Anwendung des bürgerlichen Strafprozesses auf dasselbe war ohne Zweifel zulässig, aber es liegt dafür kein Beispiel vor. c) Schuldhafte Desertion des dienstthuenden Soldaten ist ebenfalls bis in clie historische Zeit hinein nach dem ältesten Verfahren gestraft worden (S. 43 A. 2), aber auch die Klage nach dem julischen Majestätsgesetz wird dafür ausdrücklich zugelassen1. Hier zeigt sich besonders deutlich, dass das bürgerliche Strafverfahren nur auf schwere Delicte anwendbar ist. Desertor ist jeder Soldat, der sich ohne Urlaub aus dem Lager entfernt 2 und kriegsrechtlich trifft dafür einen jeden clie Strafe ; aber die Majestätsklage, die die niannichfaltigen leichteren Strafen der kriegsrechtlichen Coercition 1 Marcianus Dig. 48,4,3 : qui imperium (sehr, imperatorem) exercitumve populi R. deseruerit. Paulus 5, 29, 1: qui deseruerit imperatorem. Ulpian 48, 4, 2 : qui exercitum deseruit. Regelmässig allerdings kommt der Deserteur vor das Kriegsgericht und namentlich in späterer Zeit ist die Strafe von äusserster Schärfe (z. B. vit. Cassii 4; C. Th. 7,18, 4 = Iust. 12, 45, 1). Auch der dem Deserteur gewährte Schutz wird in der Spätzeit schwer geahndet (C. Th. 7, 18 = Iust. 12, 45). 2 Livius 23, 18, 16.

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n ,

röm. Strafr.

36

562

Aufstand.

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

nicht kennt, ist bei den minder schweren Desertionsfällen ausgeschlossen. d) Schuldhaftes Verhalten gegenüber dem Feinde unterliegt regelmässig der Lagerjustiz, fällt aber unter Umständen unter das julische Majestätsgesetz \ Die Insubordination, insofern sie sich nicht bis zum Aufstand steigert, gehört in das bürgerliche Strafrecht nicht, da das kriegsrechtliche Verfahren dafür ausreicht. Auch andere Militärvergehen, zum Beispiel der versuchte Selbstmord 2 und die Uebersteigung der Lagerinauer 8 liegen ausserhalb des bürgerlichen Strafrechts. 2. Aufstand (seditio) 4 ist die Unbotmässigkeit einer zusammengerotteten Menge (coetus 5, conventus*) gegenüber der Magistratur 7 , 1

Dig. 48, 4, 3: qui in bellis cessent . Kriegsgerichtlich bestraft wird das Weichen von dem angewiesenen Posten (loco cedere), das Wegwerfen der Waffen, die feige Flucht. Polybius 1, 19. 6, 37. Liv. 24, 14, 7. c. 37, 9. Dionys. 3, 30. 9, 50. Frontinus strat. 4, 1, 24. Sicher ist auch hier der bürgerliche Prozess nicht so weit gegangen wie das kriegsrechtliche Verfahren. — Die Strafklagen gegen commandirende Offiziere wegen gleichen Verhaltens (St. R. 2, 321 A. 2. S. 323 A. 6) können auch als Verletzung der Amtspflicht aufgefasst werden. 2 Dig. 49, 16, 6, 7. Die Strafe ist capital, bei entschuldbarem Motiv geringer. 8 Modestinus Dig. 49, 16, 3, 17: si vallum quis transcendat aut per mumm castra ingrediatur, capite punitur. Pomponius Dig. 1, 8, 11: si quis violaverit muros, capite punitur sicuti si quis transcendet scalis admotis vel alia qualibet ratione, nam cives Romanos alia quam per portas egredi non licet, cum illud hostile et abominandum sit (ähnlich Inst. 2, 1, 10). Dies wird belegt mit Hinweisung auf den Tod des Remus, welchen Bericht auch Zonaras 7, 3 mit den Worten schliesst:

o&€v χαϊ Ινομ(σ&η τον στρατοπέδου

τάφρον τολμησαντα 什λ&€Ϊν

παρά

τας συνή&εΰς οδούς &ανατοϋσ&αι . In das bürgerliche Strafrecht passt der Satz nicht, obwohl die Legende ihn hineinzieht. 4 Sed-itio, dem Wortsinn nach die Parteiung (Cicero de re p. 1. V I p. 843 Halm : ea dissensio civium, quod seorsum eunt alii ad alios, seditio dicitur) ist ein politisches Wort und der Sprachgebrauch verwendet es nicht bei rein privaten Zwistigkeiten. Indess ist die Grenze zwischen der staatlichen und der personalen Unruhstiftung eine so fliessende, dass strafrechtlich die letztere keineswegs ausgeschlossen werden darf. Als Schlagwort des Delicts steht seditio , στάσις ausser in den Rechtsquellen bei Tacitus ann. 1, 72 und Dionysius 7, 56. 6 Coetus, dem Wortsinn nach die Zusammenkunft (von co-ire wie coepi von co-apere), wird überwiegend im tadelnden Sinn gebraucht. Seneca (contr. 3, 8) betitelt einen freilich unrömischen Rhetorenprozess: qui coetum et concursum fecerit, capital sit. 6 Conventus definirt Festus ep. p. 41 als multitudo ex compluribus generibus hominum contracta in unum locum . 7 Cicero orat. part. 30, 105: (maiestatem) minuit is qui per vim multitudinis

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

563

auch dann, wenn bloss der Gehorsam verweigert und der Beamte nicht eigentlich vergewaltigt wird In der republikanischen Epoche tritt dies Delict namentlich hervor als Störung des gesetzmässigen Verlaufs der magistratischen Contionen und Comitien, welche in Betreff der tribunicischen durch das icilische Gesetz insbesondere verpönt war 2 ; indess wird die Störung der öffentlichen Ruhe überhaupt unter den Begriff fallen 3 . Als erschwerende Momente treten hinzu vielleicht die Zusammenrottung zur Nachtzeit 4 oder gemäss rem ad seditionem vocavit. Besser Ulpian Dig. 48, 4, 1, 1: maiestatis crimine .. . tenetur is cuius opera dolo malo consilium initum erit.. . quo coetus conventusve fiat (wo die neutralen Worte durch das vorhergehende dolo malo determinirt werden) hominesve ad seditionem convocentur. Wesentlich ist das Moment der Menge. Es liegt dies schon in dem Begriff der Parteiung; ebenso betont es Seneca contr. 3, 8 in Beziehung auf den coetus: coetus multitudinis magnae nomen est coeuntis ex consensu quodam, und Festus (S. 562 A. 6) in Beziehung auf den conventus. Eine positive Fixirung der Minimalzahl, wie sie bei dem Raub vorkommt und bei der turba wenigstens versucht ward (Labeo Dig. 47, 8, 4, 3), ist hier verständiger Weise unterlassen. Auch die durch Verbindungen (zum Beispiel der iuvenes) hervorgerufenen Unruhen können bis zur seditio sich steigern und capital bestraft werden (Dig. 48, 19, 28, 3). 1 Dem Ungehorsam der Massen gegenüber fallen Majestätsverbrechen und Vergewaltigung häufig zusammen und die Klagen schliessen einander nicht aus. Indess wird der bloss passive Widerstand, zum Beispiel die Weigerung aus einander zu gehen, wohl unter die erstere Klage gezogen werden können, aber nicht unter die zweite. 2 Dies von Dionysius 7, 17 unter dem J. 262/492 als icilisches (wenn die Lesung richtig) berichtete Gesetz gehört zu den leges sacratae (Cicero pro Sest. 37, 79) und in die Anfänge des Volkstribunats, bevor dasselbe als Gemeindeamt anerkannt war; die wirkliche Magistratur bedurfte einer solchen Anordnung nicht. Eine Perduellionsklage, die freilich nicht zur Verurtheilung führte, wurde gegen einen Censor angestellt, weil er in einer tribunicischen Contio der lärmenden Menge durch seinen Apparitor Ruhe geboten hatte (Liv. 43, 16). Andere ähnliche Strafklagen sind St. R. 2, 289 A. 2 zusammengestellt. 3 Das im J. 698 von einem curulischen Aedilen gegen Milo angestellte Comitialverfahren wegen der durch eine Gladiatorenbande angestifteten Unruhen, der späteste Comitialprozess^ von dem wir wissen, wird als Anklage de vi bezeichnet (Cicero pro Sest. 44, 95; Asconius in Mil. 14, 38 p. 95; Dio 39, 18) und sogar gleichgestellt mit der Quästion wegen desselben Verbrechens (Cicero in Vat. 17, 41 : eodem crimine). Eine formelle Scheidung zwischen maiestas und vis wird daraus für das ältere Criminalrecht nicht gefolgert werden dürfen, vielmehr diese vis als eine Kategorie des Staatsverbrechens aufzufassen sein. 4 Die coetus noctwmi werden begreiflicher Wreise oft tadelnd hervorgehoben (Cicero de 1. agr. 2, 5, 12; Liv. 2, 28, 1. 3, 48, 1. 39, 15, 12). Aber dass die Zwölftafeln sie verboten, dann ein (weiter nicht genanntes) gabinisches Gesetz alle geheimen Zusammenkünfte (coitiones clandestinae) mit Capitalstrafe 36*

Viertes Buch.

564

Die einzelnen Delicte.

eidlicher Verabredung 1 ; sicher die Führung von Waffen oder was den Waffen gleich steht 2 , vor allen Dingen aber die Zusammenrottung von Soldaten8. Abgesehen von den durch die Nothlage des Gemeinwesens hervorgerufenen Massregeln zur Wiederherstellung des Gehorsams und der Ordnung, welche nicht im Rechtssinn als Strafe betrachtet werden können, unterliegen die Schuldigen von Rechtswegen dem Perduellionsverfahren 4. Aber auch für den Aufstand gilt, was von dem Abfall der Bundesstadt bemerkt ward (S. 547), dass die volle Strenge des Gesetzes nicht jeden dabei Betheiligten trifft, sondern wesentlich die Aufwiegler und die Führer 5 . Für clie blossen Theilnehmer wird statt des Majestätsprozesses das kurz nach Sullas Zeit in clie Strafgesetzgebung einbelegt haben soll, berichtet nur die fälschlich dem Porcius Latro beigelegte, vielleicht nicht einmal alte Declamation gegen Catilina c. 19 und ist völlig unsicher. 1 Dass als Majestätsverbrecher bestraft wird, cuius dolo malo iureiurando quis adactus est, quo adversus rem publicam faciat (Dig. 48, 4, 4 pr. vgl. Dig. 48, 19, 16 pr.), schliesst die durch eidliche Verpflichtung vorbereitete seditio wenigstens ein. Uebrigens weiss das Strafrecht von der coniuratio als solcher nichts; ist sie auf ein Staatsverbrechen gerichtet, so fällt sie wie jede andere vorbereitende Handlung unter die darauf gesetzte Strafe. 2 Ulpian Dig. 48, 4, 1, 1 hebt neben und vor den S. 562 A. 7 angeführten Worten den Fall hervor, quo armati homines cum telis lapidibusve in urbe s int conveniantve adversus rem publicam locate occupentur vel templa. Augustus hat bei seinem Gesetz zunächst die Stadt Rom im Auge; natürlich gilt die Bestimmung ihrem Sinne nach auch anderswo (Dio 52, 31 a. E.). 8

Nach dem Decemviralaufstand giebt ein Gesetz dafür Amnestie: ne cui fraudi esset concisse milites aui plebem (Liv. 3, 53, 4 vgl. c. 54, 14); ebenso im J. 416/338 : ne cui militum fraudi secessio esset (Liv. 7, 41, 3). Cicero pro Cluent. 35, 97: legionem sollicitatam in Illyrico. 36, 99: in exercitu seditionem esse conflatam. Ulpian a. a. O. qui milites sollieitaverit concitaveritve, quo seditio tumultusve adversus rem p. fiat . Kriegsrechtlich Modestinus Dig. 49, 16, 3, 19. 20: qui seditionem atrocem militum concitavit, capite punitur; si intra vociféra tionem aut levem querellam seditio mota est, tunc gradu militiae deicitur. 4

In den zahllosen Berichten über öffentliche Unruhen aus republikanischer Zeit ist vom förmlichen Strafverfahren selten die Rede. Im J. 542/212 wird wegen gewaltsamer Störung der Tributcomitien gegen die Aufwiegler (singuli qui turbae ac tumultus concitatores fuerant) eine tribunicische Capitalklage, also vor den Centurien angestellt (Liv. 25, 3. 4). 6

Die vorher aufgeführten Stellen sprechen dies durchgängig aus: cuius opera consilium initum erit, qui sollieitaverit u. s. w. Theoderich im Edict c. 107: qui auctor seditionis vel in populo vel in exercitu fuerit, incendio concremetur. Uebrigens fällt der auctor seditionis auch unter das cornelische Mordgesetz (Dig. 48, 8, 3, 4) so wie unter das gegen Vergewaltigung (Dig. 48, 6, 3 pr.).

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

565

geführte Verfahren wegen Friedensbruchs (die spätere vis privata) verwendet, von dem im vierten Abschnitt dieses Buches gehandelt ist. — In cler Kaiserzeit ist cler Anklageprozess hier wahrscheinlich mit am frühesten zurückgetreten und wird der Aufstand im Cognitionalverfahren behandelt1. 3. Durch die Anmassung magistratischer Gewalt begeht der sonetige Nichtbeamte ein Majestätsverbrechen 2. Dieser Auffassung gemäss JêiktT ist das zunächst als Fälschung behandelte Münzverbrechen 3 und in gleicher Weise auch clie Haltung von Privatgefängnissen 4 in späterer Zeit unter das Majestätsverbrechen gezogen worden. 4. Die öffentlich verbreitete Schmähschrift hat in unserer Darstellung ihren Platz als qualificirte Injurie gefunden; sie ist indess, wie dort gezeigt ist, auch als Staatsverbrechen behandelt worden, zumal da es dabei nicht selten an einer beleidigten Person fehlt. 5. Vielleicht darf für clie Frühzeit auch die criminelle Verletzung cler Eltern-, Kinder- unci Gattenpflichten hieher gezogen werden. Indess bleibt es zweifelhaft, ob die Sacrationen, welche clie Königsgesetze für Misshandlung der Eltern durch die Kinder 5 und für den Verkauf der in der Gewalt stehenden Ehefrau durch den Ehegatten6 aussprechen, aufzufassen sind als lediglich sacrale Aussprüche, deren Vollstreckung clen Göttern obliegt, oder ob auch hier clie Sacration cler Ausdruck ist für clas magistratischcomitiale Verfahren. Für die letztere Auffassung spricht die Analogie des gleich folgenden Patronatverhältnisses. Wenn es 1 Paulus 5, 22, 1 = Dig. 48, 19, 38, 2 unter den ausserordentlichen Verbrechen: auctor es seditionis et tumultus vel concitatores populi pro qualitate dignitatis aut in crucem (furcam die Digesten) tolluntur aut bestiis obiciuntur aut in insulam deportantur. Dig. 1, 12, 1, 12. Cod. 9, 30, 2. 2 Cicero de inv. 2, 13, 56: maiestatem minuere est aliquid de re publica, cum potestatem non habeas, administrare. Marcianus Dig. 48, 4, 3: qui privatus pro potestate magistratuve quid sciens dolo malo gesserit. Auch die capitale Bestrafung des Unfreien, welcher ein Gemeindeamt erschlichen hat (Dio 48, 34; Cod. 10, 33, 2; St. R. 1, 484), wird hieher gezogen werden dürfen. 3 Bei der Fälschung kommen wir darauf zurück. 4 Theodosius I. C. Th. 9, 11, 1. C. Iust. 9, 5. 6 Festus p. 230 v. plorare : si par entern puer verberit, est olle plor assit, puer divis parentum sacer esto . . . si nur us, sacra divis parentum estod. Dass nicht das Schlagen, sondern das Schreien die Sacration begründet, spricht für gerichtliche Behandlung; für den Gott genügt die That, in dem Beweisverfahren der älteren Zeit wird das äussere Kennzeichen derselben gefordert. 6

P l u t a r c h Rom. 22: τον άποδόμενον γνναΐχα

&ύεσ&αι χ&ονίοις

&€οΐς.

Viertes Buch.

566

Die einzelnen Delicte.

für diese Frevel überhaupt ein Gericht gegeben hat, so kann dies nur das öffentliche Verfahren gewesen sein; denn die private Injurienklage ist durch das Gewaltverhältniss ausgeschlossen, auch die Sacration dem Privatdelict fremd. 6. Mit grösserer Sicherheit kann, allerdings auch eigentlich nur für die vorgeschichtliche Epoche, die criminelle Verletzung der Patronatspflicht hieher gezogen werden. Wenn der vollfreie Gemeindeangehörige sich vor dem römischen Prätor selber gegen die ihm zugefügte Unbill mit der Delictklage vertheidigt, so fehlt dem Schutzbefohlenen die Befugniss wegen eines von dem Schutzherrn ihm zugefügten Unrechts denselben vor Gericht zu stellen, und wenn er nicht insoweit rechtlos sein soll, muss das öffentliche Strafrecht eingetreten und der Magistrat befugt gewesen sein, gegen den Schutzherrn das Perduellionsverfahren anzustellen1. Dass nur die Regel selbst gemeldet wird und wir von ihrer praktischen Handhabung nichts erfahren, erklärt sich daraus, dass die Clientel in historischer Zeit ein veraltetes und fast verschollenes Institut ist 2 . 7. Das von Caesar eingebrachte Ackergesetz sollte nicht nur von jedem Bürger beschworen werden und die Eidesverweigerung Rechtsnachtheile herbeiführen, was auch sonst vorgekommen ist, sondern es wurde für diesen Fall Todesstrafe angedroht 3. Man 1

Dies berichtet als romulisches Gesetz Dionysius 2, 10 (daraus Plutarch Rom. 13): si âé τις (nach dem Zusammenhang nicht bloss der Patron, sondern auch der Client) έξελεγχ&ζίη τούτων (von den gegenseitigen Pflichten) τι ôiaπραττόμίνος y Ένοχος ήν τ φ νόμφ τι,ς προδοσίας (d. h. perduellionis vgl. S. 539 Α . 3) ον ίχύρωσεν ο €Ρωμύλος, τον âe άλόντα τφ βονλομένω χτείνειν δσιον ήν ως

&ΰμα του χαταχ&ονίον Λιός. Derselbe Satz wird in der Erläuterung der Worte Virgils Aen. 6, 609: fraus innexa clienti von Servius, wahrscheinlich irrig als Vorschrift der Zwölftafeln, also angeführt: patronus si clienti fraudem fecerit y [Biti patri nach Dionys, zuzusetzen] sacer esto. Deutlich ist die Perduellionsklage (τον άλόντα ) gemeint, woran die gewöhnliche Verwechselung der öffentlichen Hinrichtung mit der Aechtung nichts ändert. Dass auch der Patron gegen den Clienten bei dem Magistrat habe Beschwerde führen können, schliesst die lateinische Fassung aus und ist in die dionysische wohl nur aus Versehen gerathen; vielmehr dürfte das Hausgericht des Patrons sich einstmals auf die Delicte des Clienten erstreckt haben. — Auf jeden Fall ist, wenn dem Clienten das Recht der Beschwerdeführung bei dem Magistrat gegen den Patron zugestanden hat, dabei nicht zu denken an Anlialtung zu den mehr in das Gebiet der Liebespflichten gehörigen patronatischen Obliegenheiten, sondern an den Schutz gegen Misshandlung. 2 St. R. 3, 82. 3 Appian b. c. 2, 12; vgl. Plutarch Cat. min. 32. St. R. 3, 362.

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

567

wird dies nur bezeichnen können als Subsumirung dieser Unterlassung unter die Perduellion. 8. Schmähende und überhaupt unpatriotische Reden gegen die Gemeinde als solche sind insofern straffrei, als dafür die Personalität fehlt (S. 73). Das einzige dieser Regel widerstreitende Strafverfahren, das wir kennen, die ädilicische Multklage gegen die Claudia, Schwester des Consuls 505/249, wegen unpatriotischer Reden, scheint in irregulärer Weise auf die Coercition zurückgeführt werden zu müssen (S. 53 A. 1). V. Verletzung der religiösen Bürgerpflicht.

In einem Gemeinwesen, welches die Fürsorge für die Heilig- Reii^ionsthümer der Gemeinde als öffentliche Last behandelt 1 ; in dem die verb d ™ chen Uebernahme nicht des Gemeindeamts, aber des Gemeindepriester- heidnischen thums obligatorisch war 2 ; clas die häusliche Zucht, wenn die Staats- Z e i t ' religion dabei betheiligt war, auf den freien Bürger erstreckte (S. 20), ist in älterer Zeit die religiöse Bürgerpflicht ohne Zweifel ebenso streng gefordert und strafrechtlich aufrecht erhalten worden wie clie staatliche. Unsere Berichte aber wissen wenig zu melden aus cler gläubigen Epoche der römischen Bürgerschaft und was der Art in Folge cler äusserlichen Wiecleraufrichtung cler alten Nationalreligion unter cler Monarchie 3 in clie Rechtsquellen gelangt sein wird, hat clie in cler Spätzeit dafür eintretende neue Staatsreligion daraus beseitigt. Die derartigen christlichen Ordnungen sind im Ganzen genommen clen älteren incongruent und werden daher getrennt in dem nächsten Abschnitt behandelt ; hier soll zusammengestellt werden, was von clen Trümmern cler heidnischen strafrechtlich erwähnenswerth scheint. 1. Unbefugte Mittheilung aus clem sibyllinischen nur nach Geheiss des Staates einzusehenden Orakelbuch wird capital bestraft 4 . 1

St. R. 2, 62. St. R. 2, 25 A. 5. 3 AVenn Augustus die laesae religiones bei der Majestätsklage accentuirt (S. 587 A. 1), so bezieht sich dies sicher auf seine und seines Hauses sacrale Stellung (S. 583 A. 5). 4 Dies wird man der Legende aus cler Königzeit (Dion. 4, 62; Zonaras 7, 11; Val. Max. 1,1,13, wo für lihrum secretarium civilium sacrorum continentem zu lesen sein wird etwa librum secreta Sibyllae sacrorum continentem) entnehmen dürfen. Dass die Strafe die des Parricidium ist, kann über die rechtliche Behandlung des Delicts nicht entscheiden. Fragen aber darf man, ob es als Perduellion 2

568

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

2. Die Fürsorge für die öffentlichen Cultstätten gehört im Allgemeinen zu den magistratischen Obliegenheiten: insoweit sie ausnahmsweise Privaten obliegt, bezeichnet Cato clie Vernachlässigung dieser Pflicht als Capitalverbrechen 1. obiigato3. Regelmässige für den Bürger obligatorische Culthancllungen handlangen" k e i m t die römische Nationalreligion, wenigstens in der uns einigermassen bekannten Epoche, nicht 2 . Dass nach der Consecrirung des ermordeten Caesar die Feier seines Geburtstages jedem Bürger bei Todesstrafe anbefohlen ward, ist eine Gewaltmassregel cler monarchischen Reaction 3 . Die Municipalitäten in Syrien und Kleinasien haben allerdings wenigstens in einzelnen Fällen den Bürgern die Götteropfer anbefohlen 4 und in den letzten unci heftigsten Versuchen des neuen Christenglaubens Herr zu werden ist dasselbe auch von Reichswegen geschehen. Kaiser Decius hat im J. 250 von jedem römischen Staatsbürger gefordert , dass er den Göttern des alten Glaubens opfere und dass dies geschehen sei durch amtliches Attest beglaubige 5 , und in gleicher Weise wurde behandelt ist oder mit Ausschluss der comitialen Provocation nach Analogie des Frevels gegen das Internationalrecht (S. 45); für die letztere Annahme spricht die Verlegung der paradigmatischen Erzählung in die Königszeit. 1 In der censorischen Rede gegen C. Veturius bei Festus p. 344: quod tu quod in te fuit sacra stata sollemnia capUe sancta deseruisti. Gegen C. Rabirius wurde von C. Licinius Macer ein Prozess erhoben wegen Verletzung von Grabstätten (loci religiosi) und heiligen Hainen (lud), der Angeklagte aber von den Geschwornen freigesprochen (Cicero pro Rab. ad pop. 2, 7). Welche Quästio gemeint ist, wird nicht gesagt. Vgl. St. 11. 3, 19. 2 Wie es sich damit verhalten haben mag in der Epoche, als die sacrale Ehe, die Confarreation die gewöhnliche bürgerliche war, ist für uns verschollen. 3 D i o 4 7 , 18: νομο&ετήσαντες τους μεν άλλους τους άμηλήσαντας αυτών (der Geburtstagfeier) ίπαράτους τ φ τ ε ζ1ιϊ χαϊ αύτφ Ιχείνφ tîvai , τους âè δή βουλεντάς τους τε υίεις σφών πέντε χαϊ εϊχοοι μυριάδας δραχμών οφλισχάνειν.

Die Combination der Todesstrafe allgemein und der Geldbusse insbesondere zeigt deutlich, dass jene ein leeres Wort war. 4 Nach der Zerstörung Jerusalems zwangen die Antiochener, in (1er Annahme, dass die jüdischen Privilegien damit weggefallen seien, die dortigen Juden den Göttern so zu opfern, wie es der hellenische Cultus mit sich brachte, und wer sich weigerte, wurde verbrannt (Joseph, b. lud. 7, 3, 3). 5 Cyprian ep. 30, 3. 55, 14. 67, 6. Zwei derartige kürzlich in Aegypten gefundene nach dem gleichen Formular abgefasste Atteste (Krebs Sitz. Ber. der Berl. Akademie 1893 S. 1007; Wessely, Anzeigen der Wiener Akademie 1894 S. 1) haben die Proçedur verdeutlicht. In jeder Ortschaft wird für diese Opfer eine Specialcommission eingesetzt (ot Ιπϊ των &υσιών ηρημένοι t πϊ χώμης in den Urkunden; quinque primores Uli qui edicto nuper magistratibus

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

569

während der Christen Verfolgungen cler diocletianisch-constantinischen Zeit verfahren 1. 4. Für clie Verfehlung gegen clen römischen Glauben fehlt e S dem Lateinischen an einer gangbaren und technischen Benennung.

Verletzung

der nationalen

Tertullians Bezeichnung crimen laesae Romanae religionis ist zu- und treffend, aber nicht geläufig ; die zweite von ihm angewandte d e r R e i c h s sacrilegium ist geläufig, aber nicht zutreffend, da dieses Wort nach seiner Ableitung wie nach seinem sonstigen Gebrauch clen Tempeldiebstahl bezeichnet2. Aber trotz des mangelnden Schlagworts fuerant copulati bei Cyprian ep. 43, 3); vor diesen vollzieht der einzelne Mann das Opfer und richtet dann an die Commission eine Eingabe (libellus), dass er stets die Götter verehrt und auch jetzt ihnen geopfert und gespendet und (wahrscheinlich) vom Opferfleisch genossen habe, was dann die Commission beglaubigt. — Maximinus Edict bei Eusebius mart. Pal. 9, 2, welches dasjenige des Decius zum Theil wörtlich wiederholt zu haben scheint, schärft diese Massregeln, indem die Besucher der öffentlichen Märkte und der öffentlichen Bäder gezwungen wurden sich im christlichen Sinn zu verunreinigen. 1 Diocletian beschränkte zunächst sich darauf das Opfer von seinen Beamten und Soldaten zu fordern und den, der sich dessen weigerte, zu verabschieden (Lactantius de mort, persec. 10). Theilweise ging man weiter; am bestimmtesten berichtet von Maximinus Verfahren im Orient Eusebius de mart. Pal. των από αμα

4, 8: οίς άν πανδημεϊ πάντες άπαξαπλώς μεΊ * Επιμελείας καϊ σπουδής χατά πόλεις αρχόντων &ύοιεν . . . . χαϊ προς τούτοις υνομαστϊ χιλιάρχων γραφής εχαστον άναχαλον μένων. 9, 2: ώς αν . . . . πανδημεϊ πάντας ανδρας γυναιξί χαϊ οίχέταις χαϊ αντοΐς νπομαζίοις παισϊ &ύειν χαϊ σπένδειν.

2 Tertullian in dem Apologeticum (und fast mit denselben Worten adv. nationes 1, 17: vgl. ad Scap. 2) unterscheidet in Betreff der Eidesweigerung der Christen eine zwiefache den Christen zur Last gelegte unter das Majestätsverbrechen fallende Gottlosigkeit, die Verletzung der römischen Religion (c. 24: crimen laesae Romanae religionis oder inreligiositatis elogium ; c. 27: intentatio laesae divinitatis) und die schwerere Verletzung der kaiserlichen Majestät (c. 28: ventum est ad secundum titulum laesae augustioris maiestatis ; ebenda secundum sacrilegium ; c. 35: in hac religione secundae maiestatis). Auch die Worte c. 10: sacrilegii et maiestatis rei convenimur werden dasselbe bezeichnen, was er nachher geringeres und schwereres sacrilegium nennt. I n der Ablehnung der den Christen angesonnenen Eidesformel oder des von ihnen verlangten Opfers (Plinius ad Trai. 96: cum . . . deos appellarent et imagini tuae, quam propter hoc iusseram cum simula er is numinum adferri, ture ac vino supplicarent) ist ein doppeltes Majestätsverbrechen insofern enthalten, als die Götter und der Kaiser zwar immer zusammengehen, aber nicht zusammenfallen. Freilich kann man den Vorgang auch einheitlich fassen, da der Kaiser oder vielmehr der Genius des Kaisers hier auftritt als einer der römischen Götter und rechtlich das Verbrechen sich dadurch nicht vervielfacht, dass die Huldigung mehreren Göttern versagt wird. So scharf wie von Tertullian wird die rechtliche Grundlage der Christenprozesse sonst nirgends ausgesprochen, aber die Berichte und namentlich auch die Strafen passen völlig zu seinen Angaben. Die Be-

570

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

fehlt der Begriff dem römischen Strafrecht keineswegs und es soll hier dessen rechtliche Behandlung oder wenigstens die leitenden Gedanken derselben dargelegt werden. a) Die römische Religion und überhaupt die Religion des Alterthums haftet an dem Staatsbegriff. Einer jeden politischen Gesammtheit, sei dies ein Einzelstaat oder ein mehr oder minder rechtlich geschlossener Völkerbund, entspricht wie ein Bürger- so auch ein Götterkreis. Der Glaube des römischen Bürgers an die römischen Götter ist vielmehr selbstverständlich als Pflichtgebot; den Mangel dieses Glaubens haben die älteren Rechtsordnungen allem Anschein nach ignorirt und Rechtsfolgen an denselben um so weniger geknüpft, als, wie vorher bemerkt ward, Bethätigung dieses Glaubens nur bei besonderen Anlässen staatlich gefordert ward. Andrerseits war jener römische Götterkreis ebenso wenig exclusiv wie es die römische Bürgerschaft war; nicht bloss nahm wie diese zahlreiche Fremden, ebenso jener zahlreiche auswärtige Gottheiten unter die nationalen auf, sondern er liess auch den Götterkreis, vor allem der mit cler römischen verknüpften Gemeinden, neben clem eigenen gelten. Für clie weitherzige Toleranz der republikanischen Religionspolitik ist die Vormachtstellung Roms zugleich Ursache und Wirkung gewesen1. Das passive \Terhalten cles römischen Staats zu den Acten der nationalen Religion einerseits unci andrerseits die lediglich polizeiliche Oberaufsicht über die recipirten und die nicht recipirten ausländischen Culte gehören zu den unveränderlichen Maximen cler römischen Staatsverwaltung, die auch in den ersten Jahrhunderten der Monarchie nicht viel minder befolgt worden sind als in der republikanischen Epoche. b) Eine weitere Consequenz eben dieser Toleranz war die praktische Umwandlung der officiell anerkannten römischen Gottheiten in Gottheiten des Reiches. Da die Anerkennung dieser Gottheiten in den mehr oder minder von Rom abhängigen Gezeichnung sacrilegium aber, mit welcher Tertullian vermuthlich die den Lateinern fehlende ά&εότης wiedergeben wollte, findet sich anderswo dafür nicht und ist sowohl der Ableitung zuwider, indem dabei die zweite Hälfte des Wortes ignorirt wird, wie auch dem in dem Abschnitt vom Diebstahl zu entwickelnden Sprachgebrauch. 1 Bei den Juden- wie bei den Christenverfolgungen stehen immer die Municipalitäten an der Spitze und erscheint die Reichsregierung der Regel nach mehr gedrängt als drängend. Vgl. Josephus contra Ap. 2, 6, ant. 16, 2, 4; Minucius Felix Octav. 6; xlthenagoras supplie. 1 u. a. St. m.

Erster Abschnitt.

Das Staatsverbrechen.

571

meinden der in einer jeden bestehenden eigenen Götterverehrung keinen Abbruch that, die ewige Verbindung aber dieser Gemeinden mit der römischen und deren Vormachtstellung eine solche Anerkennung mindestens nahe legten, so scheint diese in früher Zeit und wesentlich überall erfolgt zu sein. Die daraus sich ergebenden rechtlichen Consequenzen können bei der Beschaffenheit des römischen Sacralwesens im Ganzen nur facultativ gewesen sein; einerseits Zulassung des Nichtrömers bei clen römischen Culthandlungen, andererseits Zulassung cler Verehrung der römischen Gottheiten in clen abhängigen Gemeinden. Nur etwa wenn von einer römischen Behörde einem Nichtbürger ein Eid abverlangt wurde, möchte wohl schon bei der Rechtspflege es sich als praktisch zweckmässig erweisen clie bei dem Bürger übliche Formel auch bei dem Nichtbürger anzuwenden1. Bei clem mit der Monarchie aufkommenden zur Hälfte aus Nichtbürgern bestehenden Reichsheer ist ein allgemeiner Soldateneid nothwendig gegeben. Da die Götter der römischen Nation als solche auch Götter des römischen Reiches waren und in jeder abhängigen Gemeinde denselben neben und vor clen eigenen ein Platz gebührte, scheint clie Umwandlung der römisch-nationalen in eine Reichsreligion bei clen übrigen Nationalreligionen cles Reiches im Allgemeinen nicht auf principiellen Widerstand gestossen zu sein 2 . c) Eine Ausnahme machten die Bekenner cles jüdischen Glau- Das Juden bens. Auch clas jüdische Volk hat einstmals seinen Jahwe in natio- t b u m ' naler Beschränkung gefasst. Aber in clem nachexilischen Judenthum — und nur mit diesem haben clie Römer sich berührt — ist der nationale Monotheismus zum internationalen geworden, Jahwe zu einem alle Völker cler Erde beherrschenden universalen Gott, welcher zunächst nur von dem jüdischen Volke erkannt und verehrt wird, der aber zu seiner Zeit alle übrigen Völker — clie Ι'&νη, die Heiden — 'zwingen wird ihn gleichfalls anzuerkennen. Dieser durchaus nicht 1

Am bestimmtesten und offenbar eben in Beziehung auf clen Eid wird dies in den Märtyreracten des Bischofs Cyprian von Karthago (p. CX Härtel) ausgesprochen: imperatores . . . praeceperunt eos, qui Romanam religionem non eolunt, debere Romanas eaerimonias recognoscere. 2 Sehr scharf tritt dies hervor in den bei Eusebius h. e. 7, 119 aufbewahrten Acten des unter Valerius gegen den Bischof Germanus geführten Prozesses. Nachdem dieser geltend gemacht hat, dass es für ihn Gewissenspflicht sei den Christengott zu verehren, antwortet der sehr wohlwollend auftretende Inquirent: τις υμάς κωλύει καϊ τούτον, εϊπερ ίστϊ &εός, μετά των κατά ψύσιν &εών προσκννεϊν &εούς γαρ σέβειν Ικελεύο&ητε καϊ &εονς οις πάντες ϊσασιν.

;

Viertes Buch.

572

Die einzelnen Delicte.

transcendentale, sondern völlig irdisch gefasste Gottesglaube hat sowohl den jüdischen Proselytismus erzeugt wie auch den Hass der Juden gegen clie "Völker 5 und im Rückschlag der 'Völker 5 gegen die Juden Dem Juden ist der capitolinische Jupiter nicht, wie den andern Nationen, ein fremder, sondern überhaupt kein Gott unci darum gilt der Jude clem Römer und clen Hellenen als Verächter der Götter 2 . Nichtsdestoweniger sind in cler republikanischen und der früheren Kaiserzeit die Juden, so viel wir wissen, nur nach den allgemeinen römischen Rechtsordnungen behandelt worden. Ein Sonderrecht für die Juden giebt es, vom römischen Standpunkt aus, erst seitdem Vespasian das jüdische Gemeinwesen aufgelöst hatte; und auch dieses Sonderrecht besteht lediglich darin, dass, da die Römer keine anderen Religionen anerkannten als nationale, mit der Auflösung des Gemeinwesens auch die jüdische Religion nach römischer Auffassung hätte wegfallen müssen, diese Consequenz aber für die Juden nicht gezogen ward. Wohl wurde cler jüdische Cultus, insbesondere durch die Beseitigung des centralen in Jerusalem, wesentlich beschränkt, aber die Juden behielten auch ohne Gemeinwesen ihr religiöses Associationsrecht, ihre Gotteshäuser und ihre Priester 3 . Eine rechtliche Zurücksetzung der Juden gegen die übrigen Reichsangehörigen hat nicht stattgefunden. Aber die tief einschneidenden Consequenzen der Gemeindelosigkeit 4 , weiter die durch die religiöse Haltung der Juden herbeigeführte Zurückhaltung derselben von clen allgemeinen Gerichten 1

Wellhausen, israelitische und jüdische Geschichte S. 166 fg. 180. Plinius n. h. 13, 4, 46: Iudaea gens contumeliis numinum insignis. Tacitus hist. 5, 5: nec quicquam prius imbuuntur (die jüdischen Proselyten) quam contemnere deos. Juvenal 14,100: Romanas soliti contemnere leges. Josephus contra Ap. 2, 6: quomodo, si sunt cives, eosdem deos quos Alexandrini non cohint? Wohl als Götterleugner galten den Kömern die Juden, aber keineswegs als Gottesleugner (Tacitus hist. 5, 5: ludaei mente sola unumque numen intellegimt). AVo Dio von den a&eoi spricht, meint er wahrscheinlich die Christen; so in der Erzählung Dio 67, 14 (vgl. Schürer, Gesch. des jüd. Volkes 2, 563): ίπηχ&η aret [L. Titio ope] consiliove Dionis Hermaei fdii furtum factum esse paterae aureae, quam ob rem eum, si civis Romanus esset, pro fure damnum decidere oporteret. Vgl. S. 751 A. 4. ι Dig. 47, 6, 1, 3. 2 Cato bei Frontinus 4, 1, 16. Polybius 6, 37, 9. 8 AVenn, was die Zwölftafeln 8, 13 Schöll ( = Gell. 11, 18, 8 u. a. St. m.) für das furtum manifestum festsetzten: (clecemviri) liberos verberari addicique iusserunt ei cui furtum factum esset, ursprünglich allgemein gegolten hat, Avas nicht bezweifelt werden kann, so trifft auch hier zu, dass die pecuniaria aestimatio dem ursprünglichen Privatprozess fremd gewesen ist (Gai. 4, 48). 4 Gaius 3, 189. 4, 111. Scholien zu Vergil Aen. 8, 205. Isidor 5, 26, 19. 6 Die Ableitung von manus und fendere = stossen (vgl. defendere, offendere, infestus) ist durchsichtig; wörtlich ist manifestas etwa Handstoss oder Handgriff. 6 Sabinus bei Gellius 11, 18, 11.. Paulus 2, 31, 2. Gaius 3, 184. Dig. 22, 1, 24, 2. 47, 2, 3. 1. 4. 1. 5. 1. 7. Die wenig bedeutenden Controversen über den Zeitpunkt, in dem der Diebstahl aufhört handhaft zu sein, können übergangen werden. In welcher Weise und von wem der Dieb festgenommen ward, ist gleichgültig. Die unmittelbare Wahrnehmung des Delicts durch den Geschädigten, wie zum Beispiel wenn derselbe aus einem Versteck dasselbe geschehen sieht (Dig. 47, 2, 7, 1), macht den Diebstahl nicht zum handhaften. Allerdings steht damit im Widerspruch Papinian Dig. 47, 2, 81, 3: cum raptor omnimodo furtum facit, manifestus fur existimandus est; aber es ist bereits gezeigt worden (S. 661 A. 4), dass diese dem Begriff des handhaften Diebstahls widerstreitende Auffassung nicht durchgedrungen ist. 7 Zwölftafeln 8, 14 = Gai. 3, 192 und sonst.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

751

darin, dass in beiden Fällen der Dieb dem Bestohlenen persönlich gegenübersteht und die Selbsthülfe, auf deren Regulirung das private Delictverfahren beruht, hier den nächsten Anlass und den freiesten Spielraum fand (S. 62). Spricht der Geschworne auf handhaften Diebstahl, so unterliegt der Dieb, wenn er unfrei ist, der Hinrichtung; und die Form derselben, die Geisselung und der Felssturz durch den Bestohlenen1, zeigt, wie im folgenden Buch dargelegt werden soll, dass sie als Privatstrafe gedacht ist. Ist der Dieb ein Freier, so schreibt das alte Gesetzbuch zwar nicht die Hinrichtung vor, aber die Addiction, und zwar ohne Zweifel nicht diejenige des Schuldrechts, welche das Bürgerrecht nicht berührt und die persönliche Freiheit nur suspendirt, sondern die wirkliche Unfreiheit, die Ausscheidung aus dem Bürgerverband und die förmliche Sclaverei 2. Capital also ist die Strafe auch gegen den Freien. Indess ist die private Capitalstrafe bei dem Diebstahl von derjenigen der öffentlichen Verbrechen principiell verschieden. Die öffentliche Capitalstrafe kann im Rechtsverfahren nicht durch Umwandlung beseitigt werden; von der privaten kann nicht bloss der siegreiche Kläger Abstand nehmen, sondern es ist auch der eigentliche und ursprüngliche staatliche Zweck des Privatprozesses für eine derartige Erlassung die Einwilligung des Geschädigten herbeizuführen, ihn zur Entgegennahme eines von dem Gericht als angemessen befundenen Ersatzes und damit zur Einwilligung in die Lossprechung des Angeklagten zu bestimmen3. Darauf, dass der Diebstahlsprozess anfänglich einen wirklichen Vergleich herbeiführen sollte, beruht es, dass, auch nachdem die Annahme des Ersatzes nicht mehr von dem Willen des Klägers abhing, die Form der Vergleichung demselben geblieben ist 4 . 1 Zwölftafeln a. a. 0 . : servos furti manifesti prensos verberibus affici et ex saxo praecipitari. 2 Es war bestritten, ob der addicirte Dieb Sclave sei oder in catisa mancipii (Gaius 3, 189: utrum servus efficeretur ex addict ione an adiudicati loco constitueretur, veteres quaerebant)-, aber die strengere Meinung, welcher auch Gellius 20, 1, 7 folgt, ist die allein folgerichtige, wie im folgenden Buch bei der Behandlung des Freiheitsverlusts gezeigt werden wird. Wie die Gemeinde bei internationalem Frevel den schuldigen Bürger der geschädigten Gemeinde zu eigen giebt (S. 8 A. 7), so wird auch bei dem schweren bürgerlichen der schuldhafte Bürger dem Geschädigten als eigener Mann ausgeliefert. 3 Dig. 2, 14, 7, 14: de furto pacisci lex (der Zwölftafeln) permittit. 1. 17, 1: quaedam actiones per pactum ipso iure tolluntur, ut iniuriarum, item furti. 4 Die Formel lautet nach Gaius (S. 749 A. 8) also: quam ob rem eum pro fure damnum decidere oportebit. Dig. 47, 2, 42, 1.. 1. 46, 5. 62, 2. Damnum

Viertes Buch.

752

Lösegeldverfahren.

Die einzelnen Delicte.

Die weitere Entwickelung des Diebstahlsprozesses bewegt sich ^ Richtung der Milderung, hauptsächlich durch Umwandelung des gerichtlichen Sühneversuchs in ein eigentliches von dem Willen des Klägers unabhängiges Judicat. Längst mag es üblich gewesen sein, wenn der Dieb die gestohlene Sache zurück und ein Aequivalent des Werthes dazu zu geben oder den Werth mehrfach zu ersetzen bereit war, den klagenden Bestohlenen in clem schiedsrichterlichen Verfahren zur Annahme dieses Lösebetrags zu bestimmen. Die Annahme des Lösegeldes ist dann für den Fall, class der Dieb nicht auf der That ergriffen worden war, im Zwölftafelgesetzbuch, vielleicht unter dem Einfluss cler athenischen Legislation, wenn der Dieb doppelten Ersatz bietet, gesetzlich vorgeschrieben worden 1. In Fortführung derselben Tendenz hat späterhin der Stadtprätor durch sein Edict die obligatorische Lösung unter Steigerung auf den vierfachen Betrag sowohl auf den handhaften Dieb erstreckt 2 wie auf den, bei welchem die gestohlene Sache im Wege cler Haussuchung gefunden worden ist 3 . Indess wird dem letzteren, wenn er die bösliche Zutragung derselben nachweist, gegen den Zuträger die gleiche Strafklage eingeräumt (furtum oblatumDiese Multiplarsätze sind ohne Zweifel gedacht als Ersatz mit Strafzuschlag, so dass der Dieb, wenn er clas gestohlene Gut zurückgab, daneben bei clem gewöhnlichen Diebstahl den einfachen, bei clem handhaften den dreifachen, wenn er sie nicht zurückgab, den doppelten oder vierfachen Sachwerth zu leisten hatte. Indess ist in der späteren Jurisprudenz diese Auffassung schwankend geworden und überwiegt

(Participalbildung von dare , vgl. S. 13 A. 1) ist die Leistung und wird im Strafrecht, wie im fünften Buch bei der Vermögensstrafe ausgeführt ist, von jeder öffentlichen wie privaten Geldbusse gebraucht. Die nähere Bestimmung erhält das Wort hier durch den Beisatz pro fure. Decidere ist bekanntlich gleichbedeutend mit transigere (Cod. 6, 2, 13: post decisionem furti leges agi prohibent. quod si non transegisti u. a. St. m.). Der Ausgangspunkt der Klage von der freiwilligen Lösung tritt in cler Fassung deutlich zu Tage. XII

1 Zwölftafeln 8, 16 ( = Gai. 3, 190): nec manifesti furti tabularum dupli irrogatur. 2

poena per legem

Gaius 3, 189.

3

Zwölftafeln 8, 15 ( = Gai. 3, 191). Gell. 11, 18, 12. Gai. 4. 173. Paulus 2, 31, 14 (so etwa herzustellen): furti concepti actio tripli est poena et ipsius rei repetitiOy adversus eum qui obtulit tripli. 4 Zwölftafeln a. a. 0. Die vier liienach unterschiedenen Kategorien des furtum: manifestum, nec manifestum, conception , oblatum sind nicht systematisch gemeint; es sind die vier in den Zwölftafeln benannten Diebstahlsklagen.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

753

die Behandlung der Multiplarstrafen als vollständig pönaler \ Unzweifelhaft wurde damit der private Capitalprozess für dieses Delict überhaupt beseitigt; der Unfreie unterlag seitdem in diesem Fall dem Noxalverfahren, der Freie der Ersatzpflicht und nur im Fall des Unvermögens, demnach also unter Belassung der persönlichen Rechte, der Addiction. — Das gerichtliche Verfahren bei dem unter dem Gesetz der obligatorischen Lösung geführten Prozess besteht darin, dass das Gericht zunächst die Thatfrage entscheidet und, wenn der Spruch dem Kläger Recht giebt, der Beklagte auch jetzt noch im Stande ist durch Befriedigung desselben nach den vorher bezeichneten Sätzen, gewissermassen also durch Vergleich 2 die Freisprechung zu erwirken 3 ; wenn er dies nicht will oder nicht kann, so folgt die Litisästimation 4 , wobei der während des diebischen Besitzes höchste Werth der Sache in Ansatz gebracht (S. 736 A. 1), das Interesse des Geschädigten aber der Regel nach nicht 1

Dass bei furtum manifestum das Vierfache gefordert wird, bei furtum conceptum das Dreifache nebst dem Einbehalten des Gefundenen, während nach den Zwölftafeln beide gleich bestraft werden (S. 752 A. 1), erklärt sich daraus, dass im ersteren Fall die Wiedergewinnung des gestohlenen Objectes nicht so selbstverständlich ist wie in dem zweiten. — Bei der Raubklage, deren Quadruplum an das des Diebstahls anlehnt (S. 661 A. 4), wurde darüber gestritten, ob es den Ersatz der Sache einschliesse oder nicht (Gaius 4, 8), wobei die erstere Annahme überwogen hat, also als Strafe nur das Triplum erscheint. Wenn Paulus die Strafe des Abigeats an einer Stelle (Coli. 11, 6) auf das duplum vel quadruplum ansetzt, an einer anderen (sent. 5, 18, 1. 3) auf das duplum aut triplum, so denkt er dort an den Gegensatz von furtum manifestum und non manifestum, hier an den Gegensatz von Diebstahl und Raub (S. 661). 2 Dig. 4, 4, 9, 2: si potuit (minor) pro fure damnum decidere magis quam actionem dupli vel quadrupli pati, ei subvenietur. Darauf bezieht sich auch wenigstens mit die Zulassung des Vergleichs über das Furtum in den Zwölftafeln (S. 751 A. 3) und die Gleichstellung des Vergleichs und der Verurtheilung hinsichtlich der Infamie (S. 754 A. 5). Eigentlichen Vortheil brachte nach dem späteren Verfahren der Vergleich dem Dieb nicht, wohl aber, so lange die Verurtheilung ihm die Freiheit nahm. 8 Gai. 4, 114 = Iust. 4, 12, 2: omnia iudicia absohitoria esse. Dass die Infamie bei dem Diebstahl und den gleichartigen Delicten nicht bloss an das Urtheil geknüpft ist, sondern auch an den Vergleich (S. 754 A. 5), empfiehlt dessen Beziehung auf den nach gerichtlicher Feststellung der Strafthat eintretenden, da bei dem aussergerichtlichen die Rechtssicherheit mangelt. " Dadurch ist nicht ausgeschlossen, dass auch dieser unter Umständen, namentlich wenn der Beschuldigte eine Entschädigung zahlt (Dig. 3, 2, 6, 3), die Infamie zur Folge hat. 4 Julianus Dig. 25, 2, 22 pr.: qui litis aestimationem suffert, emptoris loco habendus est I)ig. 47, 2, 9, 1. 1. 85. tit. 6, 1 pr. Vgl. S. 771 A. 1. B i n d i n g , Handbuch. I . 4 : M o m m s e n , röm. Strafr.

48

Viertes Buch.

754

infamie.

Die einzelnen Delicte.

in die Rechnung einbezogen wird 1 , und unter Anwendung des gesetzlichen Multiplum die förmliche Verurtheilung auf eine Geldsumme2. In Folge der rechtlichen Untheilbarkeit des Delicts wird, wenn mehrere Personen an demselben sich betheiligt haben, gegen jeden Thäter auf den Vollbetrag erkannt 3 . — Die Execution ist die gewöhnliche des Privatrechts; bei Zahlungsleistung wie bei Zahlungsunfähigkeit wird der Dieb jetzt nicht anders behandelt als der Geldschuldner überhaupt. Thatsächlich freilich wird, wer wegen Diebstahls der Addiction verfiel, regelmässig in den Sclavenkerker geschickt worden sein 4 , Als ehrenrührig hat die Verurtheilung wegen Diebstahls, wenn der Verurtheilte der Dieb selbst ist, von jeher gegolten5 und es erstreckt sich dies auch auf den unter Abkaufung der Verurtheilung geschlossenen Vergleich 6 . In dieser Infamie enthalten ist insonderheit die Ausschliessung von der Bewerbung um Staats-7 und Municipalämter und die Unfähigkeit zum Senatssitz wie zum Decurionat 8 , nicht minder die Unfähigkeit andere Personen vor Gericht zu vertreten 9 . Hinsichtlich der Vererbung unterliegt der Diebstahl am 1

Ulpian Dig. 47, 2, 50 pr.: in furti actione non quod interest quadrnplabitur vel duplabitur, sed rei verum pretium (vgl. 47, 8, 2, 13). Bei Schuldbriefen wird dies nicht angewandt (Dig. 47, 2, 27. 1. 32. Paulus 2, 31, 32). Die Bestimmung ist auffallend und beruht vielleicht nur darauf, dass das Multiplum des Ersatzes das Interesse zu decken schien. Indess kann hier auf diese wesentlich civilistische Frage nicht eingegangen werden. 2 Gai. 4, 48. 8 Dig. 47, 4, 1, 19. Cod. 4, 8, 1. Die Vervielfachung kann verschieden ausfallen, der Thäter wegen handhaften Diebstahls bestraft werden, der Gehülfe wegen einfachen (Dig. 47, 2, 34). 4 Cato bei Gellius 11, 18, 18: fures privatorum furtorum in nervo atque compedibus aetatem agunt. Dies bezieht sich auf das publilische Gesetz, wonach der adjudicirte Freie nur, wenn er Verbrecher war, in Fesseln gelegt werden durfte. Livius 8,28,8: ne quis (nexus) nisi qui noxam meruisset, donee poenam lueret, in compedibus aut in nervo teneretur. 6 Dig. 47, 2, 64: non poterit praeses provinciae efficere, ut furti damnatum non sequatur infamia. 48, 19, 10, 2. Gaius 4, 182 = Inst. 4, 16, 2. Paulus 2, 31, 15. ~ e Unter den Infamirten steht der quei furtei, quod ipse fecit fecerit, condemnatus pactusve est erit im julischen Municipalgesetz Z. 110 und fast gleichlautend im prätorischen Edict Dig. 3, 2, 1. 7 Cicero pro Cluentio 42, 119. 120. 8 Julisches Municipalgesetz Z. 109. 9 Dig. 3, 2, 1. Gaius 4, 182.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

755

Privatgut der allgemeinen Regel 1 . Indess kann, wem ohne eigene Ausschluss Mitschuld aus einem solchen Delict eine Bereicherung zuge- V e r e d r e b r u n g flössen ist 2 , diese Bereicherung mit der Condiction auf Rückgabe des unberechtigten Erwerbs von dem Beschädigten abgefordert werden 8. Auch hinsichtlich der Verjährung bestehen für dies Delict und der keine Besonderheiten 4 ; die Klage erlischt nach älterem Recht V e r j a b n i l , K durch Zeitablauf überhaupt nicht, nach dem späteren Kaiserrecht nach dreissig Jahren. Als Noxalklage darf das vorher bezeichnete Verfahren gegen den des hanclhaften Diebstahls überwiesenen Unfreien schwerlich aufgefasst werden. Aber insoweit der Diebstahl der obligatorischen Lösung unterliegt, wird der Diebstahl nach den Regeln des Noxalprozesses behandelt und kann, wenn das Delict von einem Hauskind oder einem Sclaven begangen ist, der Vater oder der Eigenthümer die Klage oder doch (lie Condemnation abwenden, indem er den Thäter dem Beschädigten zum Quasi- oder zum wirklichen Eigenthumsbesitz ausliefert 5 . Bei Sammtdelicten von Sclaven treten die vorher (S. 746. 747) verzeichneten Milderungen ein. Die Klage gegen den Herrn ruht, wenn derselbe zur Zeit nicht im Besitz des angeschuldigten Unfreien ist 6 unci der Tod des Thäters hebt sie auf. Es bleibt übrig das Verhältniss der Eigenthumsklage des Bestohlenen zu seiner Delictklage so wie die dem Bestohlenen späterhin eingeräumte nicht als delictisch behandelte Personalklage zu erörtern. Beide sind eigentlich Anomalien. Die Vindication der gestohlenen Sache kommt dem Eigen- vindication thümer von Rechtswegen unci von jeher zu, so weit die Ersitzung ihm nicht entgegensteht Was in dieser Hinsicht das Zwölftafel1

Dig. 47, 1, 1 pr. Es kann dies, abgesehen vom Erbgange, eintreten bei dem Ehegattendiebstahl (S. 760 A. 1) und bei dem Delict des Haussohnes und des Sclaven, wenn der Noxalprozess nicht anwendbar ist (Dig. 15, 1, 3, 12. Cod. 3, 41, 4). 3 (Condictio) ex iniusta causa: Dig. 25, 2, 6, 5. 4 Gai. 4, 111: furti manifesti actio, quamvis ex ipsiuspraetoris iurisdictione proficiscatur, perpetuo datur, et merito, cum pro capitali poena pecuniaria constituta sit. 5 Dig. 47, 2, 42 pr. 8. 62, 1. 2. 6 Paulus 2, 31, 37. Dig. 9, 4, 11. 1. 21, 3. 47, 2, 17, 3. Anders bei der Sachbeschädigung (Dig. 9, 2, 27, 3); doch ist vielleicht nur gemeint, dass der Herr auch bei dem flüchtigen Sclaven sich der noxalen Abtretung bedienen kann. 48* 2

Viertes Buch.

756

Die einzelnen Delicte.

recht für das Privatgut festgesetzt hat, ist ungewiss gewiss aber, dass nach dem im letzten Jahrhundert der Republik erlassenen atinischen Volksschluss clie gestohlene Sache auch dem gutgläubigen Besitzer jederzeit hat abgefordert werden können 2 . Aber von Rechtswegen durfte dies nur zugelassen werden, wenn der Bestohlene nicht durch die Diebstahlsklage zu seinem Recht gekommen war. Nach dem Wesen des Schiedsgerichts wird bei der Lösung die Rückgabe des gestohlenen Guts mit strafweisem Zuschlag des Aequivalents zu Grunde gelegt und tritt die Verdoppelung ein, wenn die Rückgabe ausfällt. Auch im letzteren Fall die Vindication auszuschliessen fordert die Billigkeit; der Diebstahl an nicht fungiblen Gegenständen wäre härter bestraft worden als der an Geld oder sonstigen der Vindication sich entziehenden, wenn im ersteren Fall dem Eigenthümer die Vindication verblieb und also clen Dieb die Eviction traf. Auch zeigen sich Spuren dieser Auffassung sowohl in der freilich nicht allgemein durchgeführten Einbeziehung des Ersatzes in die multiplaren Diebstahlsklagen (S. 753 A. 1) wie auch darin, dass, wenn der Eigenthümer der gestohlenen Sache die Litisästimation empfangen hat, der Ausschluss cler Usucapion für den besitzenden Dieb wegfällt 8 . Nichts desto weniger ist diese rationelle Auffassung nicht durchgedrungen 4: die Diebstahlsstrafen 1

Zwölftafeln 8, 17 Schöll. Das Usucapionsverbot der gestohlenen Sache führen Julianus (Dig. 41, 3, 33 pr.) und die Institutionen Justinians (2, 6, 2) auf die Zwölftafeln oder das atinische Gesetz zurück, während Gaius (2, 45. 49) nur die Zwölftafeln nennt. Die Worte des atinischen Gesetzes bei Gellius 17, 7, 1 lauten: quod subreptum erit, eius rei aeterna auctoritas esto, und dass sie nicht bloss einschärfend waren, zeigt die daran sich knüpfende Controverse der Rechtsgelehrten des letzten republikanischen Jahrhunderts über ihre rückwirkende Kraft. Am nächsten liegt die Annahme, dass das Zwölftafelverbot bloss gegen den besitzenden Dieb gerichtet war — die Gutgläubigkeit als Erforderniss des Verjährungsbesitzes kann füglich erst später entwickelt worden sein — und dass das atinische Gesetz unter Ausschluss der Verjährung dio Vindication gegen jeden Besitzer der gestohlenen Sache freigab. 2

Gaius 4, 8. 111. Paulus 2, 31, 13. Inst. 4, 1, 19. tit. 6, 18. Dig. 11, 3, 11, 2. 13, 1, 7, 1. 47, 2, 55, 3. Cod. 6, 2, 12 und sonst oft. 8

Paulus Dig. 47, 2, 85: quamvis res furtiva, nisi ad dominum redierit, usucapi non possit, tarnen si eo nomine Iis aestimata fuerit vel furi dominus eam vendiderit, non interpellari iam usucapionis ius dicendum est. 4

Die Rechtsgelehrten geben selbst an als Grund dieser Anomalie odio furum quo magis xduribus actionibus teneantur (Gai. 4, 4 = Inst. 4, 6, 14). Allerdings hätte die Durchführung des correcten Verfahrens in Weitläufigkeiten verwickelt; der bei der Diebstahlsklage obsiegende Kläger hätte, wenn er vorher die Vindication mit Erfolg angestellt hatte, nur einfachen Ersatz er-

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

757

sowohl des Doppelten wie des Vierfachen werden überwiegend als Vollstrafen aufgefasst, neben denen die Eigenthümerklagen gebraucht werden können (S. 753 A. 1). Noch weiter ist die römische Jurisprudenz in dieser Richtung Condictio gegangen durch die Erstreckung der, wie weiterhin gezeigt werden f n r t i v a wird, bei dem Ehegattendiebstahl aufgekommenen Condiction auf jeden Bestohlenen Dass, wo die Pietätsrücksicht den Magistrat bestimmt die Diebstahlsklage zu verweigern, die bei unrechtmässigem Erwerb gegen clen Empfänger gegebene nicht delictische Klage dafür an die Stelle gesetzt ward, ist, da der Dieb nicht erwirbt, anomal, aber erklärlich ; schwer begreiflich aber, dass die gleiche Condiction nicht als Surrogat der delictischen Klage, sondern neben dieser jedem Bestohlenen eingeräumt wurde. Im Uebrigen wurde diese auf der Ignorirung des Delicts ruhende Klage völlig nach den Regeln der nicht delictischen Forderungen behandelt und entfernt sich daher wesentlich von der Diebstahlsklage. Während diese jedem durch den Diebstahl Geschädigten zukommt, hat die Condiction nur der Eigenthümer der gestohlenen Sache2 und cler dinglich an derselben Berechtigte 3 , gleich als wenn die Entwendung sie ihres Eigenthums beraubt hätte. Geklagt wird unter derselben Fiction auf den Werth der Sache mit Einschluss der Früchte und des Interesses 4, wobei es gleichgültig ist, ob sie noch im Besitz cles Beklagten ist oder nicht und selbst ob sie vorhanden ist oder nicht mehr existirt 5 . Als Ersatzklage kann sie wenigstens gegen jeden eigentlichen Thäter auf clen vollen Betrag angestellt werden 6 , aber einmal geleisteter Ersatz schliesst die Klage gegen die halten und, wenn die Vindication nicht angestellt war, die Sache dem Dieb cediren müssen. 1 Gams 4, 4 = Inst. 4, 6, 14: receptum est, ut extra poenam dupli aut quadrnpli rei recipiendae nomine fur es etiam hac actione teneantur csi paret eos dare oportere\ Dig 13, 1, 7 pr. 25, 2, 21, 5. 47, 2, 48 pr. 47, 6, 2 und sonst oft. 2 Dig. 13, 1, 1. 47, 2, 14, 16. Wenn der Eigenthümer der gestohlenen Sache sein Eigenthum freiwillig weggiebt, zum Beispiel durch Legat, so wird clem Rechtsnachfolger die Condiction verweigert (Dig. 13, 1, 11). 8 Dig. 13, 1, 12, 2. 25, 2, 17, 3. 4 Dig. 13, 1, 3. 1. 8, 2. 25, 2, 21, 4. Cod. 9, 32, 4, 2. 5 Dig. 13, 1, 8 pr. 25, 2, 17, 2. 6 Dig. 13, 1, 6: et si ope consilio alicuius furtum factum sit, condictione non tenébitur , etsi furti tenetur . Der Grund der Ausschliessung der Gehülfen ist vielleicht darin zu suchen, dass die diebische Attrectation als Versuch des Eigenthumserwerbs gefasst und für diesen substituirt ward. Indess begründet bei dem Ehegattendiebstahl auch die blosse Beihülfe die Condiction (Dig. 25, 2, 19. 1. 20. 47, 2, 52, 2).

Virtes Buch.

758

Die einzelnen Delicte.

übrigen Schuldigen aus 1 , ebenso die Rückgabe der gestohlenen Sache2 oder anderweitig geleistete Entschädigung3. Auch darf, wenn der Dieb selbst die Sache besitzt, die nach dem vorher Gesagten zulässige Vindication nicht neben dieser Condiction angestellt werden 4. Bei weitem die wichtigste Folge dieser Umgestaltung der Rechtsfolgen des Diebstahls war die Erstreckung der Ersatzklage auf die Erben des Diebes5. Hierin liegt wohl auch die praktische Rechtfertigung; wenn der Erbe dem Gläubiger seines Erblassers ebenso unbedingt haftet wie dieser selbst, so war es allerdings anstössig, dass dem von clem Erblasser Bestohlenen nicht wenigstens clas gleiche Recht zugestanden ward. — Dass die infamirende Wirkung, deren Vermeidung diese Klage hervorgerufen hat, auch dann ausgeschlossen ist, wenn sie nicht zwischen Ehegatten angestellt wird, ist nicht ausgemacht, aber wahrscheinlich. Die Behandlung des Diebstahls am Privatgut in der Form des Antragsdelicts hat den entwickelten Verhältnissen der späteren Zeit wenig entsprochen und die sorgfältige und scharfsinnige Behandlung desselben in unseren Rechtsquellen gehört wohl sicher mehr der Schulerörterung an als der Praxis 6 . Indess in mancher Be1

Diocletian Cod. 4, 8, 1 : furti quidem actione singulos quosque in solidum teneriy condictionis vero nummorum furtim subtractorum electioncm esse ac tum démuni, si ab uno satisfactum fuerit, ceteros liberari. 2 Dig. 13, 1, 8 pr. 1. 10 pr. 47, 2, 55, 3. Dies muss auch gemeint sein bei Paulus 2, 31, 34. 8 Zum Beispiel im Wege der Tutelklage Dig. 27, 3, 2, 1. 4 Dig. 25, 2, 22 pr. 47, 2, 9, 1. 6 Dig. 47, 1, 1 pr. : condictio adversus eos (heredes fwris) competit. 12, 2, 13, 2. 13, 1, 2. 1. 7, 2. 1. 9. Es wird dies auch auf den Ehegattendiebstahl bezogen: Dig. 25, 2, 6, 3: her es mulier is ex hac causa tenebitur sicut condictionis nomine ex causa furtiva. Diocletian freilich hat diese harte Bestimmung nicht gelten lassen (Cod. 5, 21, 3: de rebus, quas divortii causa quondam uxorem tuam abstulisse proponiSy rerum amotarum actione contra successores eius non in solidum, sed quantum ad eos pervenit . . . uti non prohiber is)\ denn an Singularsuccessoren wie in den S. 755 A. 2 angeführten Fällen wird kaum gedacht werden dürfen. 6 Dass wegen Diebstahls die Civilklage (iure atque ordine) nicht gebräuchlich sei, deutet schon Gellius 11, 18, 10 an. Fast alle Ausführungen über das Furtum gehören der civilrechtlichen Litteratur an; die (Kommentare des prätorischen Edicts treten dagegen zurück und die Responsa fehlen sogut wie ganz. Controversen wie die über die Consummation des furtum manifestum (S. 750 A. 6) wären sehr bald erledigt gewesen, wenn die Praxis sich damit befasst hätte.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

759

ziehung, insbesondere für die Unterschlagung und für den ungemein häufigen Sclavendiebstahl ist diese Klagform keineswegs unpassend ; die Statthaftigkeit 1 unci unter Umständen die Notwendigkeit 2 der Privatklage wird noch in clen justinianischen Rechtsbüchern hervorgehoben. Nur mit geringen Hausdiebstählen sollen die Gerichte nicht behelligt werden 8. 2. Ehegattendiebstahl (actio verum

amotarum).

Wegen cler dem ehelichen Verhältniss gebührenden Rücksicht Ehegattengestattet die gute Sitte dem Ehegatten oder dessen Erben auch d i e b 8 t a h 1 , nach Lösung cler Ehe durch Scheidung oder Tod 4 nicht wegen der ihm oder, wenn er in der Gewalt steht, seinem Gewalthaber entwendeten Sachen gegen clen andern Ehegatten die infamirenclen Diebstahlsklagen5 anzustellen. Da aber Ersatz für das entwendete Gut billiger Weise nicht verweigert werden kann, so wird dein Bestohlenen so wie dessen Rechtsnachfolgern und seinem 1

Ulpian Dig. 47, 2, 93 : si qui velit, poterit civiliter agere. Julian Dig. 47, 2, 57, 1. 2 Ulpian Coli. 7, 4, 1: fures ad forum remittendi sunt diurni. Dig. 47, 17, 2: si interdite furtum fecerunt, ad ius ordinarium remittendi sunt. Während der Abigeat criminell behandelt wird, heisst es von dem einfachen Viehdieb Dig. 47, 14, 1, 4: ad examinationem civilem remittendus est und dasselbe wird vorgeschrieben, wenn der Viehdiebstahl bei schwebendem Prozess stattgefunden hat (Paulus 5, 18, 3 = Coli. 11, 6, 2). 3 Dig. 47, 2, 90 : si libertus patrono vel eliens vel mercennarius ei qui eum conduxerit furtum faciet, furti actio non nascitur. 4 Die Klage ist gegeben unter der Voraussetzung theils eines während der Ehe verübten Diebstahls, theils der Auflösung der Ehe. Aber auch der vor der Ehe an dem Erblasser des Gatten oder an diesem selbst begangene Diebstahl wird in gleicher Weise behandelt (Dig. 25, 2, 3, 2) und selbst während der Ehe kann diese Klage angestellt werden (Dig. 25, 2, 25, vgl, 1. 6, 5). Dass sie in diesem Fall bezeichnet wird als Condiction wegen fehlender iusta causa (Dig. 25, 2, 25) oder als de damno in factum (Cod. 5, 21, 2) oder als condictio furtiva (Dig. 25, 2, 3, 2), steht nicht im Wege, denn die Condictio ist die einheitliche Rückforderungsklage wegen rechtlosen Habens und diese Bezeichnungen alle sind, ebenso wie die actio rerum amotarum selbst, nur Anwendungsfälle. Folgerichtig wird darum die actio rerum amotarum nicht auf die gestohlenen Gegenstände beschränkt, sondern auch erstreckt auf die zu Unrecht verbrauchten (Dig. 25, 2, 3, 3: etiam eas res, quas divortii tempore mulier comederit vendiderit donaverit qualibet ratione consumpserit, rerum amotarum iudicio contineri; ebenso 1. 23). 5 Ausser der actio furti auch das crimen expilatae hereditatis (Dig. 47, 19, 5. Cod. 9, 32, 4). Noxalklagen wegen Sclavendiebstahls sind natürlich zulässig (Dig. 25, 2, 3, 1. 1. 21, 2. 47, 2, 52, 3)

760

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Gewalthaber 1 hiefür die personale Rückforderungsklage eingeräumt, wie sie der Gläubiger wegen der verfallenen Schuld gegen den Schuldner und überhaupt cler durch unberechtigten Erwerb Geschädigte gegen den Erwerber hat — dieselbe Klage, welche als Repetundenforderung gegen Sachwalter und Beamte gerichtet werden kann 2 . Der Diebstahl wird hiebei in personaler Beziehung ignorirt und auch der Klage darum die Bezeichnung gegeben als actio rerum amotarum 8. Der Thatbestand ist bei dieser Klage derselbe wie bei dem Furtum 4 und auch die Rechtsfolgen des Delicts, von cler Straf klage abgesehen, sind clie gleichen 5 . Da diese dem Ehegatten zustehende Condiction allem Anschein nach nicht verschieden ist von der späterhin jedem Bestohlenen eingeräumten, so kann dafür auf die über diese gegebene Ausführung verwiesen werden. 3. Diebstahl am Götter- (sacrilegium) und am Staatsgut (peculatus). Sacrilegium ist dem Wortsinn nach 6 wie nach dem Sprachgebrauch 7 das Furtum bezogen auf das Göttergut (S. 734 A. 1). 1 Dig. 25, 2, 6 pr. Indess wird dem Gewalthaber die Diebstahlsklage wohl nur verweigert bei dem Diebstahl an Dotalsachen, soweit für diese der Vater zuständig ist; auf den Diebstahl der Schwiegertochter an einer anderen dem Schwiegervater gehörigen Sache scheint dies nicht zu passen. AVenn der des Diebstahls bezichtigte Ehegatte in (1er Gewalt steht, so kann mit Beschränkung auf das Peculium des Sohnes oder der Tochter gegen den Gewalthaber die Diebstahlsklage selbst angestellt werden, da der Bezichtigte dann nicht der Beklagte ist, also auch nicht infamirt wird. Im Uebrigen hat der Gewalthaber nur die etwa aus dem Delict ihm zugeflossene Bereicherung herauszugeben. Dig. 15, 1, 3, 12. 25, 2, 3, 4. 1. 5. 1. 6. 1. 15, 1. 2 Das furtum ist auch bei der Repetundenklage eingeschlossen (S. 716). 3 Dig. 25, 2, 26: rerum amotarum actio condictio est. Die nominelle Verschiedenheit erklärt sich daraus, dass im prätorischen Edict die rerum amotarum actio bei dem Eherecht, die condictio furtiva bei dem Diebstahl behandelt ward. Zu den aus dem Darlehen und sonst entspringenden Condictionsformen ist die condictio furtiva erst in der justinianischen Compilation gestellt worden. 4 Dig. 25, 2, 29: veritate furtum fit. Ebenso 1. 1. 5 Actio rerum amotarum gegen die Frau wegen Anstiftung oder Beihülfe bei einem Furtum: Dig. 25, 2, 19. 1. 20. 47, 2, 52, 2. Ausschluss bei Verjährung: Dig. 25, 2, 29. Noxale Wirkung: Dig. 13, 1, 4. Abschätzung des Werthes: Dig. 25, 2, 29. β Sacrilegium ist gebildet wie spicilegium; zu der zweiten Hälfte vgl. die Scholien zu Vergil egl. 9, 21 sublegere = subripere. Es entspricht sprachlich wie begrifflich genau dem griechischen ίεροσι λία. 7 Cicero de leg. 2, 9, 22 erklärt sacrilegus durch die Worte sacrum sacrove commendatum qui cleperit rapsitque, a. a. 0. 16, 49 sacrilegium durch

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

761

wie peculatus das Furtum am Staatsgut (S. 734 A. 2). Trotz der Die Gesetze Verschiedenheit der Benennungen sind sacrilegium und peculatus Sacrn beegr ohne Zweifel von jeher sachlich zusammengefasst worden, da die und Pecuiat. römischen Ordnungen das Gut der Staatsgötter und das des Staats selbst mehr usuell als rechtlich unterschieden l . Ueber die legislatorische Behandlung dieser Delicte wissen wir aus älterer Zeit nichts; sie mögen im Zwölftafelrecht ihren Platz gehabt haben, sichere Zeugnisse aber fehlen. Das Quästionsverfahren ist wenn nicht früher, so doch sicher seit Sulla auf dieselben erstreckt worden und es muss hier durch ältere Volksschlüsse regulirt worden sein 2 ; bezeugt aber ist in dieser Hinsicht nur, dass ein julisches Gesetz, das also von Caesar oder von Augustus herrührt, die Gerichtsordnung für Diebstahl am Götter- wie am Staatsgut sacrum auf erre. Beides findet in dieser Bedeutung sich oft: Plautus rud. 706 und Seneca de benef. 7, 7, 1—4; Quintilian 7, 3, 10; Julius Victor 3, 3. c. 16. Die Pandektenjuristen brauchen sie nur in diesem eigentlichen Sinne. Weiter aber tritt sacrilegtis von Plautus an auf unter den geläufigen Schimpfwörtern (z. B. Tertullian apol. 2: nomen homicidae vel sacrilegi vel incesti vel publici hostis, ut de nostris elogiis loqnar) und es mag dies dazu beigetragen haben das Wort zu denaturiren und unter Ignorirung der zweiten Hälfte dem eigentlichen concreten Begriff den verschwimmenden der Gottlosigkeit zu substituiren. Wenn Nepos Alcib. 6 in der Erzählung von den Mysterienfreveln des Alkibiades die Verurtheilung wegen ασέβεια mit Verurtheilung wegen sacrilegmm übersetzt, so hat er wohl correct an die Spoliation der Heiligthümer gedacht. Aber dass Tertullian apol. 28 die Verletzung der den Römern obliegenden Pflicht bei den nationalen Göttern sowohl wie bei dem Genius des Kaisers zu schwören bezeichnet als sacrilegium wie als Majestätsverbrechen, ist, wie schon entwickelt ward (S. 569 A. 2), incorrecte und, wie es scheint, nur bei ihm vorkommende Wiedergabe der griechischen ά&εότης. für welche der Römer keinen Ausdruck hat. Mindestens ungenau nennt der Biograph des Marcus c. 18 den, welcher das Bild des Kaisers nicht aufstellt, sacrilegus. In der Spätzeit geräth selbst in den Rechtsbüchern die Bezeichnung ins Schwanken. Abgesehen davon, dass in ungenauer Rede das Wort auf jedes schwere Verbrechen bezogen wird, wird es technisch, wie es scheint, von dem christlichen Religionsdelict gebraucht (S. 600 A. 4). In ganz ungeschickter Weise sind aus der alten Rubrik (Dig. 48, 13) ad legem luliam peculatus et de sacrilegis et de residuis, wo sacrilegus natürlich der Tempelräuber ist, im justinianischen Codex 9, 28 und 29 zwei gemacht de crimine peculatus und de crimine sacrilegii und in die letztere einige leichtere Verstösse gegen die Religion und die Kaisergewalt eingestellt worden, die überhaupt eine Delictkategorie nicht constituiren. 1 St. R. 2, 47. Der alte Spruch (C. I. L. I 185. 186) aut sacrom atd poublicom locom ese zeigt klar, dass diese beiden den Gegensatz des privatum bilden und die übliche Dreitheilung nicht correct ist. 2 In dem in die J. 676/9 = 78/5 verlegten Dialog de cleorum natura setzt Cicero 3, 30, 74 die quaestio pecidatus der testamentarischen lege nova ein-

762

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

festgestellt hat 1 , zu welcher dann ein wie es scheint davon verschiedenes, aber gleichfalls julisches Gesetz über die Restgelder (de residuis) hinzugetreten ist 2 . Diese Ordnung ist seitdem in Kraft geblieben. — Daneben aber haben die Tempelordnungen3 so wie die Stadtgesetze für ihre engeren Kreise vielfach das Verfahren bei diesen Delicten geregelt. Begriff des Als Göttergut gilt vor allem, was den Staatsgöttern nach sacr%l€9tum ' römischer Ordnung geweiht ist (res sacrae) 4. Ob es sich in dem Heiligthum befindet oder nicht, ist rechtlich gleichgültig 5 . Ob das im Heiligthum aufbewahrte Privatgut dazu gehört und Entwendung desselben Sacrilegium ist oder Furtum, war streitig 6 . Durch geführten entgegen. Ob die magistratische Leitung schon früher einem eigenen Prätor übergeben oder in anderer Weise herbeigeführt ward, wissen wir nicht; sicher hat seit Sulla einer der Prätoren dieser Quästion vorgestanden (Cicero pro Cluentio 34, 94. 53, 147. pro Mur. 20, 42. St. R. 2, 201 A. 3). 1 I n den Digesten 48, 13 (vgl. 22, 5, 13. 48, 1 , 1 ) , aus welchen allein wir sie kennen, ist die Rede von der lex Iulia peculatus et de sacrilegis et de residuis; aber die lex Iulia de residuis war vielleicht verschieden (A. 2). Das Hauptgesetz umfasste, wie die einzelnen Sätze bestätigen, sowohl Sacrilegium wie Peculat. Isidor stellt den Peculat zum Sacrilegium mit Hinweisung auf das Kaisergeld (5, 23, 3: sie iudicatur ut sacrilegus quia fur est sacrorum). — Für die Zurückführung auf Caesar spricht das Schweigen Suetons Aug. 34. 2 Als verschieden tritt das Gesetz auf Inst. 4, 18, 11 und Dig. 48, 13, 2, 1. 5 pr., wenn die Fassung correct ist. 8 Bei der Dedication des Jupitertempels in dem Vicus Furfo im J. 696/58 (C. I. L. IX, 3513 = Bruns p. 260) wurde festgesetzt : sei qui heic sacrum surupuerit, aedilis multatio esto, quanti volet; idque veicus Furf[ensis) mfa]i[or] pars fifeltares (?) sei apsolvere volent sive condemnare, liceto. Auch in der Bestimmung der alten Spoletiner Hainordnung (Bruns p. 260: neque exvehito neque exferto quod louci siet) ist wohl an das furtum gedacht. 4 Also wird die vollzogene Dedication erfordert (Seneca de benef. 7, 7 : dis dedicata). Die Erstreckung auf die res religioni destinatae (Gordianus Cod. 9, 19, 1) ist spätere Erweiterung. 6 Allerdings stellt Cicero de inv. 1, 8, 11 das Dilemma auf : si quis sacrum exprivato surripuerit, an sacrilegus sit iudicandus ; aber die Antwort kann nicht zweifelhaft sein. 6 Dig. 48, 13, 6 : divi Severus et Antoninus . .. rescripserunt res privatorum si in aedem sacram depositae subreptae fuerint, furti actionem , non sacrilegii esse. Cicero (de leg. 2, 16, 40) entscheidet im entgegengesetzten Sinn, indem er dem sacrum das sacro commendatum gleich stellt, und damit stimmt überein Dig. 48, 19, 16, 4: locus facti, ut idem vel furtum vel sacrilegium sit . Es ist dies eine bei den Rhetoren beliebte Schulcontroverse (Quintilian 3, 6, 38. 40. 4, 2, 8. 68. 4, 4, 3. 5, 10, 39. 7, 3, 10. 21—24). Praktisch ist die Frage insofern von Wichtigkeit, als häufig Privatgelder und Privatdocumente in den Tempeln deponirt wurden (Cicero de leg. 2, 16, 41 u. a. St. m. ; Marquardt Handb. 3, 217).

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

763

die private Dedication des einzelnen Bürgers wird im Allgemeinen Göttergut nicht begründet 1 ; eine Ausnahme aber macht die Dedication an die Manen, das Grabgut (res religiosae) 2. Göttergut anderer auch befreundeter Gemeinden kann dem römischen nicht anders gleichgestellt werden 8 als durch Privilegium 4 . Der Diebstahl am municipalen Göttergut wird in den betreifenden Ortsgesetzen dem Diebstahl am städtischen Gut gleichgestellt (A. 2). Die für das Furtum wesentlichen Momente kehren bei dem Sacrilegium wieder: die Berührung 5 , die Beschränkung auf bewegliche Gegenstände6, die Absicht widerrechtlicher Bereicherung 7, die Schädigung der betreifenden Gottheit.

Auf jeden Fall haftet für diese der Aedituus civilrechtlich als Depositar (Dig. 43, 5, 3, 3; 48, 13, 11, 2). 1 Dig. 48, 13, 11, 1: qui privata sacra vel aediculas incastoditas verunt, amplius quam fures, minus quam sacrilegi merentur.

tempta-

2

Das tarentinische Stadtrecht (Z. 1) schreibt diese Strafklage vor, wenn entwendet wird quidquid eius municipi pequniae publicae sacrae religiossae est erit, und ebenso erstreckt das julische Strafgesetz sich auf die pecunia religiosa (Inst. 4, 18, 9. Dig. 48, 13, 1 pr. 1. 4 pr. 1. 11, 2. Inst. 4, 18, 9 vgl. Dig. 48, 13, 5, 3). Bei der Wegführung von Statuen oder anderen zum Grabe gehörigen beweglichen Gegenständen ist allerdings vom sacrilegium nicht die Rede (Dig. 47, 12, 2). 8 Die Wegführung der in sicilischen Tempeln von römischen Feldherrn belassenen oder aufgestellten Bildwerken (vgl. Verr. 1. 4, 2) bezeichnet Cicero als Peculat, weil sie aus römischer Beute herrühren (Verr. 4, 41. 88) und in der That dem römischen Volk gehören (Verr. act. 1, 4, 11); im Uebrigen also fallen solche Werke nicht unter das römische Strafgesetz. 4

Dies geschah durch Augustus und Agrippa für die Juden (Joseph. 16, 6, 2. 4): wer ihre heiligen Bücher oder ihrem Tempel gehörige Gelder stiehlt, soll angesehen werden als ιερόσυλος und sein Vermögen wird für das römische Aerarium eingezogen; ja es werden die Diebe unter Ausschluss des Asylrechts den Juden zur Bestrafung ausgeliefert. 5

Julius Victor ars rhet. 6, 3: si commovisse aliquid eorum, quae in templo erant posita, aut contaminasse (vgl. S. 734 A. 4) sacrilegium videtur, quanto magis eo crimine tenetur aliquid de templo sustidisse. 6 Darauf weist die dem julischen Gesetz correspondirende Hervorhebung der pecunia sacra religiosa (A. 2). Wäre die Verletzung der Grabstätte unter das sacrilegium gefallen, so würden davon Spuren nicht fehlen. Wegen des ager publicus vgl. S. 740 A. 3. 7

Julius Victor ars rhet. 6, 1 : qui lucri faciendi causa in templum venit, sacrilegus est... si non ut lucrum facerem, sed ad ornatum commendarem (Ausborgung zur Decoration), detraxi aliquid de templo, non est sacrilegium.

764

Begriff Pecuiats.

des

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Depeculatus oder peculatus publicus

gewöhnlich bloss pecu-

heisst das Furtum am beweglichen Staatsgut, davon benannt, dass vor dem Beginn der Geldwirthschaft unter dem beweglichen Gemeindegut das für die Opfer bestimmte Vieh in erster Reihe stand und namentlich für die Entwendung vorzugsweise in Betracht kam. i a^ us2

In historischer Zeit tritt der Staatsgutdiebstahl auf in folgenden Anwendungen: 1. Entwendung von Metall oder Münzen aus dem Aerarium der römischen Gemeinde oder einer anderen öffentlichen Kasse3 ist bei weitem die häufigste und wichtigste Form des Peculats. Vorzugsweise Beamte und deren Subalterne sind in der Lage, dies Delict zu begehen4. Die Unterschlagung, welche auch hier wie bei dem privaten Furtum dem Diebstahl gleichartig behandelt wird 5 , tritt bei dem Peculat überwiegend hervor 6 , namentlich insofern dem Empfänger öffentlicher Gelder der nach gelegter Rechnung dem Aerarium verbleibende Rest (pecuniae residuae) mit dieser 1 Varro de 1. L. 5, 93 (appellarunt ä pecude) peculatum publicum primo ut (so die Hdschr.), cum pecore diceretur multa et id esset coactum in publicum, si erat aver sum. 2 Festus ep. p. 75: depecidatus a pecore dicitur; qui enim populum fraudat, peculatus poena tenetur. Ders. p. 213 (vgl. p. 237): peculatus est nunc quidem qualecumque publicum furtum, sed inductum est a pecore. Dass peculatus ursprünglich neutrale Bedeutung gehabt hat, folgt aus dem malus peculatus der Legalsprache (acilisches Gesetz Z. 69 ; cornelisclies Quästorengesetz 1, 5) nicht, sondern dies wird zu fassen sein wie dolus malus (S. 87 A. 4). Die Bezeichnung furtum publicae pecuniae oder furtum publicum (S. 734 A. 2) ist correct, aber nicht technisch. 8 Dig. 48, 13, 13: qui perforaverit muros vel inde aliquid abstulerit, peculatus actione tenetur. Die Stelle ist, wie inde beweist, nicht vollständig; mit dem Frevel gegen die Stadtmauer (S. 562 A. 3) hat sie nichts zu thun. 4 Cicero pro Mur. 20, 42: sors tristis atrox: quaestio peculatus, ex altera parte lacrimarum et squaloris, ex altera plena catenarum atque indicum. Bei den catenae ist wohl zu denken an die unfreien Kassendiener, die bei vorgekommener Defraudation als Mitschuldige oder Zeugen von dem Ankläger zur Aussage veranlasst wurden. R Wenn Cicero die Verwendung von Soldgeldern im eigenen Interesse (Verr. 1. 3, 76, 177) und die zinsbare Verborgung von Staatsgeldern (pecuniae publicae feneratio Verr. 1. 3, 72, 168) als peculatus bezeichnet, so ist in beiden Fällen das rechtlich entscheidende Moment die Aneignung fremden Geldes. 6 Den Peculat bezeichnet das tarentinische Stadtrecht als fraudare und avertere, und der letztere auch von Varro (A. 1) gebrauchte Ausdruck wird hier vorzugsweise angewendet.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

765

Klage abgefordert wird 1 . Nach einer mildernden Bestimmung des julischen Gesetzes über die Restgelder wird derjenige Betrag, den der Empfänger bei solcher Verrechnung dem Aerarium schuldig zu sein bekennt, binnen eines Jahres von der Abrechnung an als einfache Geldschuld des Inhabers behandelt; von da an unterliegt er wenn nicht der Peculat-, so doch einer öffentlichen Klage und dem Strafzuschlag eines Drittels der Schuldsumme2. 2. Ob öffentliches bewegliches Gut, das nicht in den öffentlichen Kassen sich befindet, im Fall der Entwendung mit der Peculat- oder mit der Diebstahlsklage zurückzufordern sei, ist auch hier gefragt worden 8 ; aber unzweifelhaft ist die erstere Annahme zutreffend. Insbesondere gilt dies von der Kriegsbeute 4 ; sie steht nicht minder im Eigenthum des Staats als die im Aerarium niedergelegten Gegenstände. Der Beamte, der sie heimgebracht hat, hat wohl darüber freie Disposition und unterliegt dafür nicht, wie für die aus dem Aerarium ihm anvertrauten Gelder, der formalen Rechnungslegung, aber er darf sie nicht behalten noch in seinen Nutzen verwenden. Jedes im Privatbesitz der Feldherrn gefundene Beutestück gilt als gestohlen5, jeder aus Verwerthung der Kriegsbeute ihm zugeflossene Betrag als unterschlagen6 und die Klage auf die Restgelder ist auch hier zulässig 7 . 1

AVegen dieser pecuniae residuae (so Cicero pro Cluentio 34, 94 und de 1. agr. 2, 22, 59, wo sie auch pecuniae repetundae genannt werden; vgl. S. 714 A. 2) wurde im J. 688/66 gegen die Erben des Dictators Sulla ein Peculatprozess angestellt (Cicero a. a. 0.), der sich gleichmässig auf die aus öffentlichen Kassen erhobenen (Asconius p. 72) und auf die Beutegelder (Cicero de 1. agr. 1, 4, 12) erstreckte. 2 Dig. 48, 13, 11, 6. 3 In der Schrift ad Her. 1, 12, 22 erscheint es als controvers, ob vasa argentea publica de loco privato sustulisse Peculat sei oder Furtum. 4 Dig. 48, 13, 15: is qui praedam ab hostibus captam subripuit, lege peculatus tenetur et in quadruplum condemnatur. Vgl. S. 763 A. 3. 5 Dies liegt zu Grunde bei dem ältesten uns bekannten Peculatprozess, dem des Dictators Camillus im J. 363/391 — denn der sachkundige Bericht stützte sich ohne Zweifel auf die Broncethüren (aerata ostia) aus der veientischen Beute (Plinius n. h. 34, 3, 13; Plutarch Cam. 12) und erwähnte die weissen Rosse nur beiläufig — und bei dem Prozess aus dem J. 668/86 gegen den Sohn des Cn. Pompeius Strabo wegen der in seinem Hause verwandten Beutestücke aus Asculum (Plutarch Pomp. 14; Cicero Brut. 64, 230). Eben darauf geht Cato bei Gellius 11, 18, 18. ö Die praktische Verschiedenheit in der Behandlung der Aerar- und der Beutegelder und clie Stellung des Peculats zu denselben habe ich in der Abhandlung über die Scipionenprozesse (röm Forsch. 2, 444 fg.) entwickelt. 7 Vorzugsweise auf diese bezogen sich die gegen die Erben des Cn. Pom-

766

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

3. Jede Defraudirung der öffentlichen Kassen, auch wenn sie nicht durch Wegnahme von Geldern, sondern beispielsweise durch Urkundenfälschung bewirkt wird und nicht die eigentlichen Kriterien des Furtum an sich trägt, ist unter dies Delict gezogen w o r d e n D i e folgenden besonders hervorgehobenen Fälle sind nur einzelne Anwendungen dieser Begriffsbestimmung. 4. Widerrechtliche Erlassung einer der Gemeinde zustehenden Forderung durch den zur Einziehung conipetenten Beamten2 so wie Einziehung einer solchen durch eine nicht compétente Person 3. 5. Werthverringerung der in den öffentlichen Officinen hergestellten Münzen durch widerrechtliche Legirung 4 . 6. Prägung von öffentlichen Münzen über den erhaltenen Auftrag hinaus zum Vortheil cler Münzbeamten5. 7. Wahrscheinlich auch widerrechtliche Manipulation 6 oder peius Strabo (S. 765 A. 5) und des Dictators Sulla (S. 765 A. 1) angestellten Peculatprozesse. Die durch das servilische Ackergesetz angeordnete allgemeine Beitreibung der derartigen Forderungen des Aerars (Cicero de leg. agr. 2, 22 und sonst) war nur einschärfend. 1 Das tarentinische Stadtrecht zieht unter den Peculat neben dem avertere der peeunia publica das publicum peius facere })er litteras ptublicas fraudemve, beispielsweise also die rechtswidrige, vielleicht auch die gefälschte Anweisung auf Gelderhebung aus der öffentlichen Kasse. 2 Cicero Verr. 1. 3, 36, 83. 8 Dig. 48, 13, 11, 3: privatam (p>ecuniam) crimen 2)eculatns facere, si quis quod fisco debetur simidans sefi s ci creditorem accepit. Es muss wohl hinzugedacht werden, dass durch irgend welche Nebenumstände der Fiscus gehindert ist gegen den zu Unrecht Zahlenden vorzugehen, da er sonst nicht geschädigt ist. 4 Dig. 48, 13, 1: lege Iulia peculatus cavetur . . . ne quis in aurum ar gentum aes publicum quid indat η eve immisceat . . . sciens dolo malo quo id peius fiat Legirung auch der Kupfermünzen durch Zinn oder Blei kommt vielfach vor. 6 Dig. 48,13, 8 pr.: qui cum in monet a publica operarentur, extrinsecus (ausserhalb der Officin) sibi (für eigene Rechnung) signant pecuniam forma x>ublica .. . videntur . . . furtum publicae monetae fecisse . Gedacht ist dabei an über den Metallwerth ausgebrachte Münzen. 6 Cicero de d. n. 3, 30, 74 spricht von einem Criminalprocess gegen L. Alenus, qui transcripserit tabulas publicas oder, wie es nachher heisst, qui chiro graphum sex primorum (d. h. des Vorstandes der bei dem römischen Aerarium angestellten Rechnungsführer) imitatus est. Es handelt sich wohl um ein vielleicht von einem bei dem Aerarium Angestellten gefälschtes als officieller Auszug aus den römischen Kassenbüchern auftretendes Actenstiick; das Delict dürfte Peculat gewesen sein, obwohl Fälschung der öffentlichen Bücher auch bei dem Majestätsgesetz (S. 558 A. 10) und bei dem Falsum (S. 672) aufgeführt wird.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

767

Beseitigung1 der öffentlichen Kassenbücher, nach einem späteren Senatsbeschluss sogar die widerrechtliche Gestattung der Einsichtnahme derselben 2. 8. Oeffentliche Gelder, welche mit clem Willen des Staats, aber zu bestimmtem Zweck in das Eigenthum eines Privaten übergehen, fallen, wenn sie nicht bestimmungsgemäss verwendet sind, an sich unter den Peculat nicht 3 . Aber das oben erwähnte julische Gesetz über die Restgelder hat auch für die Rückforderung cler nicht bestimmungsgemäss verwandten Staatsgelder eine öffentliche Klage mit Zuschlag eines Strafdrittels vorgeschrieben 4. 9. Vielleicht ist auch doloser oder simulirter Schiffsverlust zum Nachtheil der Staatskasse unter clen Peculat gezogen worden 5 . In cler Kaiserzeit ist clas Kaisergut dem Staatsgut auch in strafrechtlicher Beziehung wesentlich gleich behandelt worden 6 . Der municipale Peculat, sowohl die Unterschlagung städtischer Gelder 7 wie auch die Fälschung cler städtischen Bücher und Urkunden 8 wird nach den in den einzelnen Stadtrechten aufgestellten Bestimmungen delictisch behandelt. Auch über die Restgelder enthalten die Stadtrechte Sonclerbestimmungen ; nach dem malacitanischen hat cler Verwalter öffentlicher Gelder oder dessen 1

C. Curius, ein Verwandter des C. Rabirius, wurde angeklagt de peculatu facto et de tabidario incenso (Cicero pro Hab. ad pop. 3, 7); ein angesehener römischer Ritter aus Picenum, Q. Sestius, wegen Brandlegung des tabularium (Cicero de n. d. 3, 30, 74). Ob es sich um denselben Vorgang handelt und ob die Stellen hieher gehören, ist unsicher, aber nicht unwahrscheinlich. 2 Dig. 48, 13, 11, 5. 3 Dig. 48, 13, 11, 4. 4 Dig. 48, 13, 2. 1. 5 pr. 1. 2. Auf nicht fungible Gegenstände, auch wenn Ersatzpflicht besteht, leidet dies keine Anwendung. 6 Ob die Schädigung des Aerars durch böswillig angestifteten oder erdichteten Seeverlust der für die Heeresbedürfnisse angekauften Gegenstände, wegen deren im J. 542/212 der Lieferant M. Postumius im tribunicisch-comitialen Verfahren capital angeklagt ward (Lir. 25, 3, 10. 11), als Majestätsbeleidigung oder als Peculat zu fassen ist, ist zweifelhaft. Ersteres ist wahrscheinlicher, weil die Klage tribunicisch ist und der Thatbestand vielmehr auf damnum führt als auf furtum; dass der Angeklagte kein Magistrat ist, spricht nicht entscheidend dagegen (S. 560 A. 3). Vgl. S. 770 A. 3. 6 Paulus 5, 27. Dig. 48, 13, 8, 1. 7 Das tarentinische Stadtrecht ordnet dafür eine recuperatorische Popularklage an auf vierfachen Ersatz (S. 227 A. 1). 8 Cicero pro Cluentio 14, 41. 44, 125: qui tabulas publicas municipii manu sua corrupisse iudicatus sit. Aehnliche Bestimmungen in nicht römischen Stadtrechten Cicero Verr. 1. 2, 37, 90.

Viertes Buch.

768

Die einzelnen Delicte.

Erben binnen dreissig Tagen, nachdem die Verwaltung zu Ende gegangen ist, der Stacltkasse Rechnung zu legen und den Restbefund abzuführen 1. — Als Peculat nach römischem Recht sind diese Unrechtfertigkeiten am städtischen Gut in älterer Zeit sicher nicht behandelt worden ; die spätere Jurisprudenz hat, allerdings nicht ohne Schwanken, den municipalen Peculat dem staatlichen gleichgestellt 2 . Die für das Furtum wesentlichen Momente kommen auch bei dem Peculat in seiner ursprünglichen Begrenzung zur Anwendung: die Berührung 8 , die Beschränkung auf bewegliches Gut 4 , die Absicht widerrechtlicher Bereicherung, die Schädigung der Gemeinde. Auf die Erweiterungen, namentlich die Restgelder sind sie nicht anwendbar. CapitaiverDass der Diebstahl am Götter- wie am Staatsgut von jeher sacrilegium gleich dem Staatsverbrechen von Amtswegen geahndet worden ist, und liegt in der Beschaffenheit der Delicte selbst 5 , und die wenigen Pecniat. gekommenen Nachrichten bestätigen, dass beide ( j a r ü | 3 e r a u f u n s ursprünglich zur Competenz der Mordquästoren gehört haben. Sicher mit Anlehnung an die alte Rechtsordnung zieht Cicero in seiner Phantasieconstitution das Sacrilegium unter den prozessualischen Begriff des Mordes 6, und der älteste Peculatprozess, dessen 1

Lex. col. Mal. c. 67. Papinian Dig. 47, 2, 82: ob pecuniam civitati subtractam actione furti, non crimine peculatus tenetur. Dagegen Marcellus Dig. 48, 13, 5, 4: sed et si de re civitatis aliquid subripiatfur], constitidionibus principum divorum Traiani et Hadriani cavctur peculatus crimen committi; et hoc iure utimur. Eine Ausgleichung beider Stellen ist nicht möglich; vielleicht betrafen die angeführten Verordnungen nur Einzelfälle und differirten die Rechtsgelehrten darüber, ob sie allgemein anzuwenden seien oder nicht. 3 Paulus 5, 27 : si quis fiscalem pecuniam attrectaverit subripuerit mutaverii (vgl. S. 735 A. 1) seu in suos usus concertent , in quadruplum eius pecuniae quam sustidit condemnatur. Dig. 48, 13, 1: lege Iulia pecidatus cavetur, ne quis ex pecunia sacra religiosa publicave auferat nere intercipiat neve in rem suam vertat. 4 Das zeigt die Benennung pecidatus und die Betonung der pecunia in dem Gesetz. 5 I n meinen röm. Forsch. 2, 447 habe ich dies verkannt. Wenn Sacrilegium und Peculat lediglich nach den Regeln des Privatprozesses als furtum rei sacrae oder rei publicae behandelt worden wären, würde die Jurisprudenz jene Kategorien überhaupt nicht entwickelt haben. 6 S. 528. Cicero de leg. 2, 9, 22 : sacrum .. . qui cleperit rapsitque, parricida esto. Da parricidium nie cler Bedeutung nach auf das Eigenthums2

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

769

unsere Annalen gedenken, wird nach der besseren Version von den Quästoren an die Comitien gebracht 1. — Dass späterhin der tribunicische Multprozess dafür an die Stelle getreten ist, lässt sich mit Sicherheit weder behaupten noch verneinen. Man kann dafür geltend machen, dass der quästorische wahrscheinlich auf Capitalstrafe beschränkte Prozess für clie spätere Republik nicht passt und dass clas Gemeinwesen bei dem Sacrilegium und clem Peculat ebenso unmittelbar betheiligt ist wie bei den Anklagen wegen Staatsverbrechen; aber was wir sonst über die Behandlung dieser Delicte erfahren, spricht überwiegend dagegen2. Dass die Strafe ursprünglich die capitale war, ist bezeugt für das Sacrilegium 8 und einigermassen auch für den Peculat 4 . verbrechen übertragen worden ist, so kann parricida esto nur heissen, dass das Verbrechen vor die quaestores parricidii gehört. 1 Ueber den Peculatprozess des Dictators Camillus (S. 765 A. 5) giebt es zwei Versionen ; nach der einen (Plinius h. n. 34, 3, 17, wahrscheinlich aus Piso ; vgl. 0. Hirschfeld in der Festschrift für Friedlaender S. 131) klagt der Quästor Sp. Carvilius, nach der anderen (Livius 5, 32, 8 und dessen Ausschreiber) der Volkstribun L. Appuleius. Während eine tribunicische Multklage in diese frühe Zeit nicht passt und auch der Demagogenname den späten Ursprung verräth, darf aus der ersteren, obwohl sie an sich ebenso unbeglaubigt ist, doch gefolgert werden, dass rechtskundige Annalisten den Peculat zur quästorischen Competenz stellten. 2 Ausser der jüngeren Version des gegen Camillus geführten (A. 1) gehört hieher der gegen die Scipionen erhobene mit der Verurtheilung des L . Scipio zu einer Geldbusse endigende Peculatprozess (Gellius 4, 18. 6, 19. Liv. 38, 56, 8; das Weitere röm. Forsch. 2, 466 fg.). Aber dass dieser nutto exemplo eingestellt wurde, entkräftet diesen Beleg. 8 Seneca de benef. 7, 7: (.Bion) omnes (sacrilegos) de saxo deiecturus est, ohne Zweifel mit Anlehnung an den römischen Rechtssatz. Julius Victor ars rhet. 3, 15 : fur quadruplum solvat, sacrilegus capite puniatur. Claudius Saturninus Dig. 48, 19, 16, 4: locus facit, ut idem vel furtum vel sacrilegium sit et capite luendum vel minore supplicio. 4 Nach Diodor 29, 21 = Vat. p. 70 wird L. Scipio wegen des ihm zur Last gelegten Peculate mit Todesstrafe bedroht (κατηγορούμενος νπ αυτών — der anklagenden Tribunen — chivoj &αν(ίτω), was wohl aus Polybios genommen ist. Hieher werden auch wohl die von den Genuaten gegen die nach ihrer Behauptung zu Unrecht ihr Vieh auf die genuatische Flur auftreibenden Viturier angestellten Prozesse gehören; nach dem Schiedsspruch vom J. 637/117 (C. I. L. V, 7749 = Bruns fontes p. 358) sollen die Genuaten diejenigen, welche ob iniourias iudicati aut damnati sunt, sei quis in vincideis ob eas res est, bis zu einem bestimmten Tage frei geben. Es scheinen Capital- (iudicati) und Multverurtheilungen (damnati) gemeint, die zur Verhaftung führten, jene, weil die Todesstrafe nicht vollstreckt, diese, weil die Mult nicht gezahlt ward. Der allgemeine Begriff der iniuria wird nach der Sachlage auf die Schädigung B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

49

770

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Sicher aber ist die Capitalstrafe bei dem öffentlichen Diebstahl nicht viel später verschwunden als bei dem Diebstahl am Privatgut. Für eine Ersetzung derselben durch criminelles Multverfahren mangeln, wie schon gesagt ward, genügende Beweise1 unci es ist wohl möglich, dass man sich in dieser Hinsicht späterhin auf das gleich zu erwähnende geschärfte Ersatzverfahren beschränkt hat. ErsatzverNeben clem öffentlichen Strafprozess für Sacrilegium und sacrilegium Peculat muss der geschädigten Gemeinde ein Ersatzverfahren zu und Pecuiat. Q e ^ o t e gestanden haben, da die erlittene Schädigung weder durch die Capitalstrafe gedeckt ward, noch, selbst wenn Muitirung statthaft war, die Busse rechtlich als Ersatz angesehen werden könnte 2 . Ohne Zweifel hat von jeher dafür die der privaten Diebstahlsklage analoge Prozessform bestanden3, welche uns als iudicium publicum, bald mit magistratischem Klagrecht, bald als Popularklage, in den municipalen Ordnungen begegnet4. Nicht aus clem eigentlich criminellen, sondern aus diesem in der privatdelictischen Form des öffentlichen Eigenthums bezogen werden müssen, also auf dem Peculat gleichartige Strafthaten. 1 Nach der Dorfordnung von Fuifo für den Diebstahl am Tempelgut (S. 225 A. 3) ist allerdings der Vorsteher des Dorfes befugt eine Geldstrafe in beliebiger Höhe aufzulegen unter Vorbehalt der Berufung an die Dorfgemeinde. Setzt man für den Dorfmeister den Magistrat, für die Dorfgemeinde die Bürgerschaft, so stimmt dies Verfahren mit seinem Muster überein; das Multverfahren kann aber füglich hier an die Stelle des bei dieser QuasiAutonomie ausgeschlossenen capitalen getreten sein. 2 Es kann dafür weder auf die mit der Perduellion verknüpfte Vermögenseinziehung recurrirt werden, da der Dieb am Gemeindegut nicht Landesfeind ist (Appian b. c. 3, 54) noch auf die consularisch-censorische Regulirung der Vermögensbeziehungen zwischen der Gemeinde und clem Bürger, da diese sich nicht auf das delictische Gebiet erstreckt. 8 Auf einen Civilprozess mittelst Vertretung der Gemeinde kann füglich bezogen werden, dass wegen der Unterschleife des Armeelieferanten während des hannibalischen Krieges (S. 767 A. 5) bei dem Stadtprätor M. Aemilius (oder M. Atilius) Anzeige gemacht wird, welcher nach der Verhandlung der Sache im Senat dieser Anzeige keine Folge giebt (Liv. 25, 3, 12). Ein ähnliches Verfahren liegt auch wohl der Darstellung des Scipionenprozesses bei Valerius Antias zu Grunde (röm. Forsch. 2, 445. 471). 4 Das tarentinische Stadtrecht Z. 4 giebt bei dem Peculat die Civilklage auf vierfachen Ersatz dem Magistrat: qnanti ea res erit, quadruplum multae esto eamque pequniam municipio dare damnas esto, eiusque pequniae magistratus queiquomque in municipio erit> petit io exactioque esto, das malacitanische c. 67 die Civilklage auf doppelten Ersatz jedem Bürger: q(uanti) e(a) r(es) erit y tantum et alterum tantum municipibus eius mxinicipi cl(cvre) d(amnas) e(sto) eiusque pecuniae . . . qui volet . . . actio petitio persecutio esto.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

771

sich bewegenden Prozess ist im letzten Jahrhundert der Republik die für Sacrilegium und Peculat bestimmte Quästion hervorgegangen. Das Verfahren, bei welchem auch die Litisästimation erwähnt w i r d 1 , kann von dem Diebstahlsprozess nicht wesentlich verschieden gewesen sein. Gerichtet ist es nach römischer Ordnung wie nach den municipalen in cler Regel auf vierfachen Ersatz des Betrages oder des Werthes der entwendeten Gegenstände2, wofür in leichteren Fällen doppelter Ersatz 3 oder auch Strafzuschlag des Drittels (S. 765 A. 2. S. 767 A. 4) eintritt. Eine Zeitlang haben vermuthlich die alte capitale und diese Ersatzklage in ähnlicher Weise in der Theorie neben einander gestanden wie die comitiale Perduellion neben der Majestätsklage und darum wird das Sacrilegium noch längere Zeit wenigstens nominell als capital behandelt (S. 768 A. 6). Dann aber sind bei der Quästion für das Hauptdelict eigentliche Criminalstrafen hinzugetreten, durch clas julische Gesetz wahrscheinlich die Verbannung aus Italien und die Interdiction 4 und für diese in der gewöhnlichen Entwickelung für Standespersonen clie Deportation, für geringere die Zwangsarbeit 5 . Die Strafe des vierfachen Ersatzes konnte daneben fortbestehen, da die Interdiction das Vermögen nicht nahm und die Deportation praktisch wahrscheinlich nur als Maximalstrafe zur Anwendung kam. In der späteren Kaiserzeit wird cler Diebstahl am Tempelgut unter clie qualificirten dieser Epoche gezogen und kommen wir bei diesen (S. 776) darauf zurück. Den Unterschleif der Beamten haben die Kaiser häufig kraft ihrer unbeschränkten Strafgewalt noch schärfer und selbst capital geahndet6. 1

Cicero pro Mur. 20, 42. Tarentinisches Stadtrecht Z. 4 (S. 770 A. 4). Paulus 5, 27 = Edictum Theoderici 115. Dig. 48, 13, 8, 1. 1. 15. Vierfacher Ersatz bei Annahme von Gelddarlehen aus öffentlichen Kassen: C. Th. 10, 24, 1 = Iust. 10, 6, 1. Dagegen genügt hier bei Mehrheit der Thäter einmalige Leistung des Vierfachen (Dig. 49, 14, 46, 9: si multi fisco fraudem fecerint, non ut in actione furti singuli solidum, sed omnes semel quadrupli poenam pro virili poiiione debent. sane pro non idoncis qui sunt idonei conveniuntur). 8 Dies bestimmt das Stadtrecht von Malaca bei nicht rechtzeitiger Ablieferung der Restgelder (S. 770 A. 4). 4 Bezeugt ist dies nicht, aber die Deportation wird auch hier der Interdiction substituirt sein. 5 Dig. 48, 13, 3. 1. 8, 1. Ebenso wird der Tempelraub bestraft (S. 776). β C. Th. 9, 28, 1 = Iust. 9, 28, 1. Vgl. C. Th. 9, 27, 5 (gemildert Iust. 9, 27, 3). C. Th. 10, 24, 2 = Iust. 10, 6, 2. Strenges Verfahren gegen den Unterschleif wird hervorgehoben bei Aurelianus (vita 39) und Valens (Amm. 31, 14, 2). 49* 2

Viertes Buch.

772

Die einzelnen Delicte.

Die allgemeine Regel, dass das Delict mit dem Tode des d\TErbifn. Schuldigen erlischt und die Strafe von den Erben nur gefordert wird, wenn der Prozess bei Lebzeiten des Beschuldigten angestellt worden war, ist bei dem Peculat und ohne Zweifel auch bei dem Sacrilegium bei Seite gesetzt worden. Die in der Form der Quästion angestellten Prozesse gegen die Erben des Cn. Pompeius Strabo (S. 765 A. 5) und des Dictators Sulla (S. 765 A. 1) sind bereits erwähnt worden, und auch nach den Zeugnissen der späteren Zeit sind derartige Klagen nicht beschränkt auf die Bereicherung oder einfachen Ersatz, sondern in gleichem Umfang wie gegen den Schuldigen selbst auch gegen die Erben zulässig1. Eine principielle Rechtfertigung dieses exceptionellen Verfährens lässt sich nicht geben ; es kann nur durch das öffentliche Interesse entschuldigt werden 2. Verjährung Für die Verjährung der Klage ist bei dem Peculat ausnahmsder kfage. lat weise eine fünfjährige Frist festgesetzt 3. Pecuiat-

n

4. Erntediebstahl. Erntediebstahi.

Im Zwölftafelbuch wird, so viel uns bekannt ist, bei dem p u r t u m v o n Privatsachen nur ein einziger Fall mit öffentlicher Strafe belegt: der Diebstahl cler Ernte auf dem Halm, wenn er bei Nachtzeit durch Abweiden oder Abmähen4 oder auch wenn er durch Zaubermittel 5 erfolgt, offenbar clesshalb, weil gegen beide Beschädigungen der Besitzer nicht im Stande ist sich zu schützen. 1

Am bestimmtesten ist dies ausgesprochen in dem Stadtrecht von Malaca (S. 770 A. 4). Aber auch Papinians Worte Dig. 48, 13, 16: publica iudicia peculatus et de residuis et repetundarum similiter adversus heredem exercentur lassen sich nicht auf die blosse Herausgabe der Bereicherung beschränken. 2 Wenn Papinian a. a. 0. fortfährt: nec immerito, cum in his quaestio principalis ablatae pecuniae moveatur, so trifft dies für den Strafzuschlag nicht zu und könnte mit gleichem Recht auch von der privaten Diebstahlsklage gesagt werden. 8 Dig. 48, 13. 9. 4 Plinius h. n. 18, 3, 12 ( = Schöll 8, 8): frugem aratro quaesitam furti m noctu pavisse ac secuisse puberi XII tabidis capital erat suspensumque Cereri necari iubebant gravius quam in homicidio convictum, impubem praetoris arhitratu verberari noxiamve duplionemve decerni. 6 Schöll 8, 7. Untersagt wird alienos fructus excantare (Seneca n. q. 4, 7; fast ebenso Plinius h. n. 28, 2, 17) oder fruges aliénas veneficiis pellicere (Plinius n. h. 18, 6, 41, ähnlich Servius zu Vergil egl. 8, 99), unter Androhung des supplicium (Cicero bei Augustinus de c. d. 8, 19). Diese Klage ist in Form eines ädilicischen Multprocesses noch in relativ später Zeit an das Volksgericht gebracht worden (Plinius n. h. 18, 8, 41—43).

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

773

Dass das Delict als öffentliches bestraft ward, beweist sowohl die Zusammenstellung mit dem Morde wie die Sacration 1. Dies Verfahren ist sicher früh abgekommen ; unsere Rechtsquellen gedenken bei dem öfter erwähnten Erntediebstahl der alten Strafdrohung nicht. Ein Ersatzverfahren hat auch bei dem Erntediebstahl nach Zwölftafelrecht in diesem Fall stattgefunden; doch sind die Bestimmungen darüber nicht hinreichend aufgeklärt 2 . 5. Qualificirter Diebstahl der Kaiserzeit. Gegen diejenigen Kategorien der Diebe, welche nicht bloss Qualificirter den Einzelnen beschädigen, sondern die öffentliche Sicherheit ge- D i e ^ a h l fährden, ist selbstverständlich von jeher von den Vorständen des Kaiserzeit. römischen Gemeinwesens im Verwaltungsweg vorgegangen worden. Dieses administrative Willkürregimeut insbesondere gegenüber den niederen Schichten der hauptstädtischen Bevölkerung wird durch Rechtsbedenkeu wenig gehemmt worden sein. Vor allem seine Unstetigkeit und seine Trägheit werden bewirkt haben, dass Ordnung und Rechtssicherheit dadurch nicht herbeigeführt wurden; dass dies der Fall war, ist gewiss genug. Mit dem Eintritt der Monarchie ist hierin wenigstens bis zu einem gewissen Grade Wandel geschafft worden; indess ist dies mehr durch Steigerung der administrativen Repression geschehen als durch Aenderung cler Strafordnung. Die neuen unmittelbar kaiserlichen Beamten in der Hauptstadt, insbesondere cler Stadtpräfect und der Vorsteher der Löschmannschaft haben eine sehr energische und summarische Rechtspflege entwickelt und in den Provinzen ist einigermassen dasselbe geschehen durch die von der Centraigewalt angeregte strengere Sicherheitspflege. Insbesondere die Eigenthumsverbrechen werden durch diese veränderten Verhältnisse getroffen worden sein. Strafrechtliche Satzungen in diesem Sinn liegen uns erst vor seit dem 2. Jahrhundert n. Chr.; seitdem kann der Sache nach — denn eine Bezeichnung dafür giebt es nicht — die Rede sein von einem qualificirten Diebstahl, das heisst von crimineller Behandlung gewisser Kategorien des Diebstahls unter Bezeichnung derselben als ausserordentlicher Delicte. Ihnen allen mangelt das 1

Ueber die Behandlung der öffentlichen Strafe ziehung derselben durch Kreuzigung ist das folgende 2 Die S. 772 A. 5 angeführten Worte scheinen der Gewalt stehenden Thäter das Privatverfähren, Diebstahlsprozess anzuordnen.

als Opfer und die VollBuch zu vergleichen. bei dem unmündigen in das heisst den noxalen

774

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

formelle Fundament der alten Volksschlüsse und davon führen sie den Namen1 ; der Sache nach gehören sie der regulären Rechtspflege an (S. 758 A. 6) und werden auch von der Jurisprudenz in dieser Weise behandelt. Das Strafmass ist noch in höherem Grade arbiträr als dies in dieser Epoche auch bei den ordentlichen Delicten der Fall i s t 2 ; wo indess nicht besonders erschwerende Momente hinzutreten, namentlich cler Waifengebrauch, wird über Relegation bei Standespersonen und Zwangsarbeit bei Geringeren nicht hinausgegangen3. Auch darf die öffentliche Strafe mit der privateu nicht cumulirt werden 4. Ueberwiegend sind dieselben als Cognitionen behandelt worden; indess ist, obwohl die Verbrechen nicht zu den iudicia publica zählen, auch clas Accusationsverfahrcn dabei in Anwendung gebracht worden 5. Nur sollen wegen geringfügiger Diebstähle die Gerichte auch in dieser Form nicht in Anspruch genommen werden 6. Diese qualificirten Kategorien, die theils aus clen hauptstädtischen Zuständen hervorgegangen sind, theils, wie zum Beispiel cler Abigeat, aus den provinzialen, sollen hier verzeichnet 1 Formell liegt der Benennung zu Grunde, dass der Beamte diese Sache ausser der vorbestimmten Verhandlungsreihe vornimmt (Coli. 7, 4, 1: fures ad forum remittendi sunt diurni, nocturnique extra ordinem audiendi), aber es kommt dies auf dasselbe hinaus. Für die ordentlichen Delicte giebt das betreifende Gesetz für die Vornahme die feste Ordnung und Reihe, während hier diese Grundlage fehlt. Der Gegensatz ist das pniblicum iudicium. Dig. 47, 14, 2: abigeat as crimen publici iudicii non est, quia furtum magis est. I)ig. 47, 2, 93. 2 Was von den expilatores gesagt wird: nulla s})ecialis poena rescriptis principalibus imposita est; idcirco causa cognita liberum erit arbitrium statuendi ei qui cognoscit (Ulpian Dig. 47, 18, 1, 1) gilt für alle Kategorien. Administrativ wird nach Alexanders Anordnung (vita 15) dem Diebe der Aufenthalt in den Städten untersagt. 8 Ulpian Dig. 47, 18, 1, 2: oporUbit aeque et in effractores et in ceteros supra scriptos causa cognita statut, prout admissum suggerit, dummodo ne quis in plebeio operis publici poenam vel in honestiore relegationis excedat. * Paulus 5, 18, 1. Dig. 47, 2, 57, 1. 5 Ulpian Dig. 47, 2, 93: meminisse oportebit nunc furti plerumque criminaliter agi et eum qui agit in crimen subscribere, non quasi publicum sit iudicium, sed quia visum est temeritatem agentium etiam extraordinaria animadversione coercendam. Das Accusationsverfahren wird auch erwähnt bei dem Erbschaftsdiebstahl (Dig. 47, 19, 1) und bei dem Abigeat und zwar keineswegs als Anomalie, wie es nach dem ungenauen Auszug Cod. 9, 37, 1 aus der correcten Verordnung C. Th. 2, 1, 8, 1 erscheint. 6 Marcianus Dig. 48, 19, 11, 1: furta domestica si viliora sunt publice vindicanda non sunt nec admittenda est huiusmodi accusatio, cum servus a domino vel libertus a patrono, in cuius domo moratur, vel mercennarius ab eo, cui operas suas locaverat , offertur quaestioni.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

775

werden. Im Allgemeinen bieten sie mehr Interesse für die socialen Verhältnisse als für die Rechtswissenschaft und mancherlei Einzelheiten sind wenig aufgeklärt. 1. Bei dem mit gewaffneter Hand ausgeführten Eigenthumsverbrechen verschwindet dieses strafrechtlich, da dies Delict unter das Mordgesetz fällt (S. 630). Wenn indess keine Verwundung stattgefunden hat, ist die That auch wohl als schwerer Diebstahl behandelt worden 2. Die den Räubern und den Dieben gewerbmässig Unterkunft gewährenden Wirthe (receptores oder receptatores) 2 werden criminell mit rechtlich unbestimmter Strafe belegt 3 . Hauptsächlich wird dabei die Aufnahme der A^erbrecher ins Auge gefasst, aber auch die Aufnahme des gestohlenen Guts, die Hehlerei berücksichtigt 4 . 3. Der Viehabtreiber (abigeus) wird behandelt als qualificirter Dieb, wenn das Vieh von der Weide 5 oder gar aus dem Stall 6 und wenn mindestens ein Hengst oder zwei Stuten oder Kühe oder fünf Schweine oder zehn Schafe oder Ziegen 7 weggeführt sind. Als erschwerende Momente kommen in Betracht vor allem die Anwendung von Waffengewalt, die Zusammenrottung 8, die Wiederholung des Verbrechens 9, auch die örtliche Häufigkeit 10 . Todes1

Coli. 7, 4, 2 = Dig. 47, 17, 1. Paulus 5, 3, 4: receptores adgressorum itemque latronum eadem poena adficiuntur qua ipsi latrones. Ulpian Dig. 1, 18, 13 pr.: (praeses) et sacrilegos latrones plagt arios fur es conquirere debet . . . receptoresque eorum coercere, sine quibus latro diutius latere non potest. Ebenso Dig. 1, 15, 3, 1. 47, 16, 1. C. Th. 9, 29, 2 = lust. 9, 39, 1, 1. Callistratus Dig. 47, 14, 3, 3: receptores abigeorum . 8 Bei den receptatores ist vorzugsweise an die Aufnehmer der Strassenräuber gedacht; da sie aber sowohl bei Paulus a. a. 0. wie in dem Digestentitel 47, 16 de receptatoribus in der Reihe der sogenannten ausserordentlichen Verbrechen stehen, schien es angemessener sie hieher zu stellen als zum Strassenraub. 4 Dig. 47, 9, 3, 3. Bei der Aufnahme der flüchtigen Sclaven fällt beides zusammen. 5 Paulus Coli. 11, 2: de stabulo vel de pascuis. Ulpian Coli. 11, 8, 1 = Dig. 47, 14, 1, 1 : ex pastu et ex armentis. 6 Paulus a. a. 0. Dig. 47, 14, 3, 1. 7 Paulus 5, 18, 1 vgl. Coli. 11, 3. Callistratus Dig. 47, 14, 8 hat etwas abweichende Zahlen. 8 Paulus Coli. 11, 2: aut ferro aut conducta manu. 9 Paulus Coli. 11, 2 (wo vel vor si zu streichen ist); Callistratus Dig. 47, 14, 3, 2. Rückfall: Coli. 11, 7, 2. Gewerbmässigkeit: Coli. 11, 8. 10 Hadrian Coli. 11, 7: puniuntur durissime non ubique, sed ubi frequentius est hoc genus maleficii. Es scheint dies besonders in der Baetica der Fall ge2

776

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

strafe kommt vor, namentlich bei Waffengebrauch 1; in der Regel wird dies Delict bei Standespersonen mit Relegation und Verlust der Ehrenstellung 2 , bei geringen Leuten ausser Schlägen mit Zwangsarbeit auf Zeit oder auch auf Lebenszeit bestraft 8 . 4. Der Diebstahl am Göttergut erscheint jetzt als qualificirter, wobei die Beschränkung des formalen Sacrilegium auf die Heiligthtimer der römischen Gemeinde ohne Zweifel weggefallen ist, aber bei Schädigung öffentlicher und frequentirter Cultstätten die Strafe sich steigert (S. 763 A. 1). Im Allgemeinen wird der Tempeldieb besseren Standes mit Deportation, geringere Leute mit Zwangsarbeit bestraft; beim nächtlichen Einbruch mit Zusammenrottung wird auf geschärfte Todesstrafe erkannt 4 . 5. Der Einbrecher (effractarius, effractor 5), namentlich der 6 nächtliche . Er kann auch wegen Gewalt belangt werden (S. 661). Todesstrafe bei Unfreien wird beiläufig erwähnt 7 , aber nicht gebilligt 8 . Regelmässig wird wie bei dem Abigeat erkannt bei Standespersonen auf Relegation9 und Verlust der Ehrenrechte 10 , wesen zu sein; schon Vergil (georg. 3, 408 mit den Scholien) sagt dies und die betreffenden Erlasse von Hadrian und Pius (Coli. 11, 6. 7) sind dahin gerichtet. Merkwürdig ist das von Valentinian I., um dem Viehdiebstahl in Mittel- und Unteritalien zu steuern, erlassene Verbot des Pferdegebrauchs für alle nicht charakterisirten Personen (C. Th. 9, 36). 1 Coli. 11, 8, 4 = Dig. 47, 14, 1, 3: Romae etiam bestiis subiei abigeos videmus, et sane qui cum gladio abigunt, non inique hac poena adfieiuntur. Coll. 11, 2. 6. Dig. 47, 14, 2. Im Allgemeinen wird die Todesstrafe gemissbilligt und der gladius in einem seltsam gefassten Erlass Hadrians wenigstens auf die Fechterstrafe interpretirt (Coli. 11, 7). Edictum Theoderici 56—58. 2 Coli. 11, 8, 3 = Dig. 47, 14, 1, 3: aut relegandi erunt aut removendi ordine. Die receptores in den Provinzen werden auf zehn Jahr relegirt: Dig. 47, 14, 3, 3. 8 Metallum oder opus publicum: Coli. 11, 2. 7 = Dig. 47, 14, 1, 3. 4 Paulus 5, 19: qui noctu manu facta praedandi ac depopulandi gratia templum inrumpunt, bestiis obiciuntur; si vero per diem leve aliquid de templo abstulerint, vel deportantur honestiores vel humiliores in metallum damnantur. Schon diese Stelle zeigt, in welchem Umfang der Tempelraub in der späteren Ivaiserzeit betrieben ward; die kaiserlichen Instructionen weisen die Provinzialstatthalter namentlich hin auf strenge Bestrafung der sacrilegi (Dig. 1, 18, 13 pr. 48, 13, 4, 2. 1. 7. 1. 11 pr.). 5 Effractarius Seneca ep. 69, 4, sonst effractor. « Dig. 1, 15, 3, 1. 2. Coll. 7, 4 = Dig. 47, 17, 1, 2. tit. 18, 2. 48, 19, 16, 5. 7 Dig. 12, 4, 15. 8 Dig. 47, 18, 1, 2. 9 Coll. 7, 4 = Dig. 47, 17, 1. tit. 18, 1, 2, wo die Relegation näher bestimmt wird als Ausweisung nur aus clem Heimathbezirke, aber unter dem Beifügen, dass sie auch in schärferer Form vorkommt. 10 Ordine ad tempus moveri: Dig. 47, 18, 1, 1.

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

777

bei geringen Leuten neben der Züchtigung 1 auf Zwangsarbeit unter Umständen auf Lebenszeit2. 6. Der Bäderdieb (fur balnearius)*, sei dies ein Badediener (capsarius) oder eine andere Person 4. 7. Der Sackdieb (saccularius), wobei Defrauden bei der Verpackung oder durch Oeifnung der Waaren- und Geldsäcke gemeint zu sein scheinen5. 8. Der Dieb bei Nachtzeit 6 . 9. Der grosse Dieb (expilator) 1. Diese Aufzählung in den Rechtsschriften hat allem Anschein nach nur den Werth einer Directive für die beikommenden Beamten ; sie sollen, wo bei einem Diebstahl eine derartige Erschwerung zu Tage kommt, den Fall criminell erledigen und nicht dem Civilgericht überweisen. Befugt waren sie thatsächlich wohl gegen jeden zur Anzeige gebrachten Dieb mit öffentlicher Strafe vorzugehen 8, aber auch in geringeren Fällen clen Dieb nach Rückgabe der Sache mit einer blossen Verwarnung zu entlassen9. 6. Erbschaftsdiebstahl. Wenn die Erbschaft an Personen fällt, die bei clem Tode des Erblassers in dessen Gewalt stehen, so gehen clie vermögensrechtlichen 1

Big. 47, 18, 2. Coli. 7, 4 = Dig. 47, 17, 1. Dig. 47, 18, 1, 1. 2. 1. 2. 3 Glossen 2 p. 255 Goetz: βαλανοχλέητης fur balnearius; Catullus 35; Tertullian, de persecut. 13, apol. 44. Dieser Diebstahl muss als besonders nichtswürdig gegolten haben, da der Soldat desswegen cassirt wird (Dig. 47,17,3). * Coll. 7, 4 = Dig. 47, 17, 1. Dig. 1, 15, 3, 5. Paulus 5, 3, 5 stellt die fures vel raptores balnearum zu den in der turba wirkenden Verbrechern (S. 662). 6 Dig. 47, 11, 7: saccularii qui vetitas in sacculos artes exercentes partem subducunt, partem subtrahunt Auf die Taschendiebe (manticularii Festus p. 132; Tertullian apol. 44) passt die Erläuterung nicht; dagegen könnte subducere wohl die Unterschlagung bei dem Verpacken, subtrahere die durch Oeifnung bewirkte bezeichnen. Gedacht ist wohl zunächst an den Geldsack, den follis, der oft ungeöffnet circulirte. 6 Coli. 7, 4, 1 Dig. 47, 17, 1. 7 Der expilator (Dig. 47, 18, 1, 1. 48, 19, 16, 6) scheint sich nur durch grösseren Umfang des Delicts von dem gewöhnlichen Dieb zu unterscheiden. 8 So wird bei dem unter dem Masse des Abigeats bleibenden Viehdiebstahl es dem Magistrat überlassen, entweder die Sache auf den Civilweg zu weisen oder den Dieb mit Züchtigung und leichter einjähriger Zwangsarbeit zu bestrafen (Paulus 5, 18, 1). Auch sonst erscheint öffentliche Strafe selbst bei leichteren Fällen (Dig. 47, 2, 71, 1. 1. 93). 9 Dig. 47, 2, 57, 1. 2

Viertes Buch.

778

Die einzelnen Delicte.

Verhältnisse des Erblassers von Rechtswegen und ohne Zwischenzeit auf diese Erben über und es kommt hinsichtlich des Diebstahls der Todesfall nicht weiter in Betracht. Da aber andernfalls der Todesfall zunächst die Vermögensrechte des Verstorbenen aufhebt und die in seinem Eigenthum stehenden Gegenstände damit herrenlos werden, kann an den Bestandteilen dieser "liegenden Erbschaft 5 (hereditus iacens) nach dem S. 739 Bemerkten ein Diebstahl nicht begangen werden und ist es jedem gestattet sich derselben wie der Jagdbeute oder des Feindesguts zu bemächtigen und sie nach den Regeln der Ersitzung zu vollem Eigenthum zu gewinnen1. Wenn diese Behandlung der liegenden Erbschaft aus dem Wesen der römischen Rechtsconstruction folgt, so kann dies nicht gesagt werden von den weiteren Rechtssätzen, dass die erwerbende Verjährung einer Erbschaftssache nicht auf das einzelne Object bezogen wird, sondern auf das Erbrecht 2 ; dass die bei Immobilien ausgeschlossene einjährige Erwerbungsfrist auf clie Erbschaft angewandt wird, auch wenn diese Immobilien einschliesst; dass der für die Verjährung erforderte gute Glaube nicht aufgehoben wird durch die Kenntniss der bestehenden Erbansprüche, ja nicht einmal durch die Kenntniss des Antritts eines berechtigten Erben. Diese in dem alten Civilrecht einzig dastehenden irrationellen Ansetzungen erklären sich wohl nur daraus, dass diejenige Körperschaft, in deren Schoss die römische Jurisprudenz gestaltet ward, zugleich clie Oberaufsicht über clas römische Sacralwesen führte und bei der Erbfolge vor allem bemüht war die factische Continuität cler privaten Sacrallasten sicherzustellen 8. Sollten 1

Civilrechtlich volles Eigenthum auch an herrenlosem Gut entsteht niemals durch blosse Occupation. 2 Gaius 2, 54. Daher heisst der Verjährungsbesitz einer mit Recht als erbschaftlich in Besitz genommenen Sache (wohl zu unterscheiden von dem Besitz des Erben einer irrig für erbschaftlich gehaltenen: Dig. 41, 5, 3; Cod. 7, 29, 4) usucapio pro herede. Die juristische Theorie that dagegen später Einspruch (Seneca de benef. 6, 5: iuris consultorum istae ineptiae sunt acutae, qui hereditatem negant usucapi posse, sed ea [vielleicht posse, posse ea], quae in hereditate sunt, tarn quam quiequam aliud sit her éditas quam ea quae in hereditate sunt) und mit gutem Grund; aber die Consequenzen des angefochtenen Satzes waren einmal geltendes Recht: quamvis postea creditum sit, sagt Gaius, ipsas hereditates usucapi non posse, tarnen in omnibus rebus hereditär iis, etiam quae solo tenentur, annua usucapio remansit. 8 Cicero de leg. 2, 19, 48 führt eingehend aus, dass die Fürsorge für die Perpetuität der den Geschlechtern (familiae) obliegenden Sacra die Pontifices veranlasst habe zur Aufstellung des Satzes: ut ne morte patris familias

Achter Abschnitt.

Eigenthumsaneignung.

779

diese, und daneben allerdings auch die Schulden des Verstorbenen, fest an das Vermögen geknüpft , dem nahe liegenden Versuch des Intestaterben durch factische Occupation der Activen des Verstorbenen sich der Lasten zu entledigen wirksam gesteuert werden, so war es allerdings angezeigt die in dem Erbschaftsantritt enthaltenen Verpflichtungen an clie Besitznahme cler einzelnen Erbschaftssache zu knüpfen und, während der Erbschaftsantritt, von besonderen Festsetzungen abgesehen, rechtlich an keine Frist gebunden war, die bei Immobilien nicht leicht lange unterbleibende factische Besitzergreifung durch gekürzte Verjährungsfrist rasch in Erbfolge umzuwandeln. Der Anlage nach war also diese Usucapion, deren weitere Behandlung clem Erbrecht angehört, wie der Erbschaftsantritt die Uebernahme nicht bloss von Rechten, sondern auch von Pflichten ; und selbst nach erfolgtem Erbschaftsantritt ist der Usucapient von denselben nicht unbedingt befreit Allerdings aber ist, wenn cler Erbe angetreten hat, diese privilegirte Usucapion regelmässig entbehrlich 2, und desshalb ist sie durch einen Senatsbeschluss unter Hadrian abgeschafft worden 3 . Indess wurde damit die Diebstahlsklage des Civilrechts keineswegs auf clie Erbschaftssachen erstreckt 4 . Erst unter Kaiser Marcus ist mit Rücksicht auf die damals überwiegend criminalrechtliche Behandlung des Diebstahls durch einen anderen Senatsbeschluss die unberechtigte Aneignung von Erbschaftssachen

als crimen

expilatae liereditatis

unter die formell ausserordentlichen Delicte eingereiht worden 5. sacrorum memoria occideret, iis essent ea adiuncta, ad quos eiusdem morte pecunia pervincrit. Gaius 2, 55: quare autem omnino tarn improba possessio et nsucapio con cessa sit , ilia ratio est, quod voluerunt vtteres maturius hereditates adiri , ut essent, qui sacra facerent , quorum Ulis temporibus summa observatio fuit , et ut creditores haberent , a quo suum consequercntur. Die Verknüpfung der sacralen Obligationen mit dem Vermögen ging so weit, dass selbst bei Insolvenz der Masse die am wenigsten verlierenden Gläubiger dazu herangezogen wurden. 1

Nach der ciceronischen Darstellung fallen die Sacra auf ihn, wenn er wenigstens ebensoviel gewinnt als sämmtliche Erben. Die Creditoren allerdings haben in diesem Fall sich lediglich an die Erben zu halten. 2

Daher heisst diese Usucapion lucrativa (Gai. 2, 56. 57. Dig. 47, 2, 72, 1) oder improba (Gai. 2, 55). 8 4

Gai. 2, 57. 3, 201.

Cod. 7, 29, 1.

Paulus 2, 31, 11. Dig. 25, 2, 6, 6. 47, 4, 1, 15. tit. 19, 2, 1. 1. 6. Wenn an der Erbschaftssache andere Personen als der Erbe ein zur actio furti berechtigendes Interesse haben, so sind diese selbstverständlich zur Anstellung derselben berechtigt (Dig. 41, 3, 35. 47, 2, 69-71). 5 Dig. 47, 19, 1.

780

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Der Thatbestand ist derselbe wie bei dem Furtum klage lediglich in die bezeichnete Lücke eintritt. Anmassung des Herrenrechts

da diese Straf-

(plagium).

Begriff des Das noch unter der Republik erlassene 2, übrigens der Zeit Plagium. ^ ^ ^bestimmte fabische Gesetz verbietet das — wie es scheint nach dem griechischen πλάγως, schief auch im moralischen Sinn, benannte3 — Plagium, das heisst die dolose Anmassung des Herrenrechts theils über den römischen Bürger so wie den Freigelassenen eines Römers latinischen oder dediticischen Standes4 gegen seinen Willen 5 , theils über den Sclaven eines solchen gegen den Willen seines Herrn 6 , wogegen die Anmassung des Herrenrechts über den freien Peregrinen einschliesslich des Latiners oder den Sclaven eines Peregrinen nicht unter das Gesetz fiel 7 . Es ist hervorgegangen aus der in Italien in der letzten republikanischen Epoche obwaltenden socialen Anarchie und sollte dem damals gemeinen, namentlich wie es scheint durch Unternehmercompagnien verübten 8 Verbrechen des 1 Dig. 47, 19, 2. Aneignung einer in der That erbschaftlichen Sache, die der Aneigner für nicht erbschaftlich hält, ist ebenso wenig Diebstahl (Dig. 47, 19, 6) wie die Aneignung einer nicht erbschaftlichen Sache, die der Aneigner für erbschaftlich hält (Dig. 47, 2, 84 pr.). 2 Cicero pro Rab. ad pop. 3, 8: de servis alienis contra legem Fabiam retentis. Appuleius met. 8, 24 nennt dafür, wohl aus \rersehen, das cornelische Gesetz: crimen legis Corneliae incurve ns, si civem Romanum pro servo tibi vendidero. 8 Isidor 10, 221: plagiator από του πλαγίου , id est ab obliquo . 4 Ulpian Coll. 14, 3, 4: civem Romanum eumve qui in Italia liberatus est. Paulus das. 14, 2, 1: civem Romanum ingenuum libertinumve. Eingeschlossen sind also alle Freigelassene des römischen Bürgers, auch die latinischen oder peregrinisch-dediticischen Standes. Als das Gesetz erlassen ward, ohne Zweifel nach dem Socialkrieg, gab es in Italien Latiner ausser den Freigelassenen latinischen Rechts wahrscheinlich nicht und ausserhalb Italiens römische Bürger in so geringer Anzahl, dass ihre des Bürgerrechts entbehrenden Freigelassenen unberücksichtigt bleiben konnten. B Dig. 48, 15, 6, 2. 6 Dies enthielt das zweite Capitel des Gesetzes. Ulpian Coli. 14, 3, 5, Cicero (A. 2). Paulus Coli. 14, 2, 1. 7 Den Menschenraub in den Provinzen wollte also das Gesetz nicht hindern, und also wurde es noch im 3 Jahrh. n. Chr. gehandhabt. Im justinianischen Recht ist diese Beschränkung verschwunden. 8 Wenn das Gesetz als Mitthäter den bestraft, qui in eam rem socius fuerit (Coli. 14, 3, 4. Dig. 48, 15, 6, 2), so passt dieser Ausdruck auf die Mitthäterschaft nicht; ohne Zweifel sind die societates der Staatspächter gemeint,

Achter Abschnitt.

Plagium.

781

Menschenraubs und der Sclavenentfremdung steuern 1. Auf welche Weise die Aneignung erfolgt, ist rechtlich gleichgültig 2 ; ebenso gleichgültig, ob bei dem Plagium des Sclaven der Plagiator gegen dessen Willen handelte, oder, wie es häufig der Fall war, im Einverständniss mit demselben8. Selbstverständlich unterliegt wer mit Kenntniss des zu Unrecht angemassten Herrenrechts dasselbe übernimmt, derselben Strafe wie der erste Plagiator 4 . In Folge der zahlreichen an die Aufnahme flüchtiger Sclaven sich knüpfenden Missbräuche ist späterhin der Eigenthumswechsel an dem Sclaven, so lange dieser flüchtig ist, überhaupt verboten und der Versuch ihn herbeizuführen für beide Contrahenten mit der Strafe des Plagium belegt worden 5. Das ältere Recht gewährte gegen diese Anmassung keinen strafe des anderen Schutz als dem zu Unrecht als Sclaven behandelten Freien P i a < ? m m · den privilegirten Freiheitsprozess vor den Decemvirn, dem Herrn für den ihm entzogenen Sclaven die Diebstahlsklage, welche dem Thatbestand nach mit dem Plagium des Sclaven wesentlich zusammenfällt 6. Für beide Fälle ordnete das fabische Gesetz wie es die bei dem Menschenraub stets die erste Rolle gespielt haben. Die Erstreckung der hohen Geldbusse auf jeden Gesellschafter, ohne besondere Anordnung nicht zulässig, war hier angezeigt. Vgl. Sueton Aug. 32 (S. 781 A. 1). 1 Wie es damals zuging, zeigen die nach dem Ende der Bürgerkriege von Augustus ergriffenen Massregeln. Sueton Aug. 32: rapti per agros viatores sine discrimine liberi servique ergastulis possessorum supprimebantur et plurimae factiones titulo collegii novi ad nullius non facinoris societatem coibant . . . ergastula recognovit. 2 Auf gewaltsame Aneignung führt das vincire vinetumve habere (Coli. 14, 2, 1. c. 3, 4). Vom Kauf des Freien spricht Dig. 48, 15, 1. Gewöhnlich wird die Aneignung bezeichnet durch celare (Coll. a. a. 0. und sonst), suppnmere (Sueton A. 1. Dig. 47, 2, 83, 2. 48, 15, 3. 1. 6, 1. Cod. 9, 20, 5), subtrahere (Coli. 14, 2, 3). 3 Häufig giebt der Plagiator dem flüchtigen Sclaven Unterkunft und Versteck (I)ig. 48, 15, 5. Cod. 9, 20, 2) oder bestimmt sogar den Sclaven zur Flucht (Coli 14, 3, 5. I)ig. 48, 15, 6, 2). Blosse Beschäftigung flüchtiger Sclaven genügt nicht zum Beweis des Plagium (Dig. 48, 15, 6, 1). 4 Darauf geht das vendere, comparare, emere. Coli. 14, 2, 1. 3. c. 3, 4. Dasselbe gilt von jeder anderen Veräusserung (Dig. 48, 15, 4). 6 Fr. de iure fisci 9. Paulus 1, 6 A, 2. Dig. 48, 15, 2. Cod. 9, 20, 6. Vermuthlich suchte der Plagiator den Bestohlenen häufig zur Veräusserung unter dem Werth zu bestimmen. 6 Nach dem Erlass C. Th. 9, 20, 1 = Iust. 9, 31, 1 kann wegen Sclavendiebstahls civilrechtlich die Diebstahlsklage, criminell die fabische gebraucht werden. Hadrian (Dig. 48, 15, 6 pr.) sagt zwar, dass nicht jeder Sclavendiebstahl Plagium sei; aber im Thatbestand ist ein anderer Unterschied nicht

782

Kindesverkauf,

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

scheint eine populäre Multklage an. Jeder Bürger konnte darin vor dem Prätor als Kläger auftreten und den Ueberwiesenen oder den Gesellschafter desselben (S. 780 A. 8) traf eine Geldbusse von 50000 Sesterzen für die Person, welche, sicher nach Abzug einer Quote für den Kläger, in das Aerarium floss 1. Wenn ein Sclave sich dieses ATerbrechens mit schuldig macht, darf er innerhalb der folgenden zehn Jahre nicht freigelassen werden 2. Späterhin, wahrscheinlich durch Caracalla 3 , ist für das Hauptdelict 4 criminelle Behandlung vorgeschrieben worden 5 und wurde zugleich die Strafe gesteigert, regelmässig seitdem bei Standespersonen auf Relegation nebst Confiscation des halben Vermögens, bei geringeren Leuten auf Bergwerks- oder auch auf Todesstrafe erkannt 6 . Desshalb ist in der späteren Jurisprudenz dem Plagium seine Stelle unter den Criminalfällen angewiesen worden. Der \ T erkauf des Kindes in der Gewalt durch den Vater fällt ^as plagium. Nach der älteren Ordnung ist ein solches u n ^ e Y Geschäft durch das dem Vater zustehende Eigenthum gerechtfertigt und kann dem Kinde zwar die politische Freiheit nicht nehmen, aber dasselbe privatrechtlich in Herrenrecht bringen. Auch als in späterer Zeit dieser Kinderverkauf gemissbilligt ward, ist er zu finden, als dass das furtum usus in dem Plagium nicht enthalten ist (Dig. 47, 2, 83, 2: qui ancillam non mer etritem libidinis causa subripuit, furti actione tenebitur , et si suppressit , poena legis Fabiae coercetur; vgl. IS. 741 Α. 3). 1 Coll. 14, 3, 5. Fr. de iure fisci 9. Paulus 1, 6 A , 2 (wo mit Recht quingenta in quinquaginta geändert ist). Die Strafe fiel zunächst dem popidus zu (Coll. a. a. 0.), das heisst dem Aerarium, später dem Fiscus (Fr. de i. f. a. a. 0 . : quae hodie fisco vindi[caturj). 2 Dig. 40, 1, 12: lege Fabia prohibetur servus, qui plagium admis it, pro quo dominus poenam intulit , intra decern annos manumitti . 49, 15, 12, 16. Den Sclaven, den der Herr nicht lösen wollte, traf wohl eine Criminalstrafe. 3 Ulpian Coli. 14, 3, 3 sagt zwar nur, dass dieser Antoninus dem nicht als Statthalter fungirenden Procurator ausnahmsweise diese Capitalklage überwiesen habe; aber es ist dies wohl nur geschehen, weil die frühere Multklage ebenfalls häufig, wenn auch missbräuchlich, an die Procuratoren gebracht ward. 4 Für Kauf und Verkauf des flüchtigen Sclaven sind die Geldstrafen geblieben (Cod. 9, 20, 6). 6 Cod. 9, 20, 3: ut legis Fabiae poena debeatur, in crimen subscriptio et accusatio et sententia necessaria est Das. 9, 20, 13. 6 Coli. 14, 2, 2. 3. Dig. 48, 15, 1. I. 7. Cod. 9, 20, 7. Edict. Theoderici 83 (mit veränderten Strafsätzen). Constantin hatte allgemein Todesstrafe angeordnet (C. Th. 9, 18, 1 = Iust. 9, 20, 16); Justinian Inst. 4, 18, 10 beschränkt sie auf die schwereren Fälle. Bei Paulus 5, 6, 14 lege . . . Fabia aut etiam poena nummaria coercetur sind die AYorte verdorben.

Achter Abschnitt

Plagium.

783

höchstens als Missbrauch des Vaterrechts angesehen w o r d e n D i e ältere Auffassung der väterlichen Gewalt ist selbst in dieser Zeit noch so lebendig, dass nicht daran gedacht ward einen derartigen Verkauf als Freiheitsberaubung zu bestrafen. 1

Vgl. über diese Frage Mitteis Reichsrecht und Volksrecht S. 359 fg. Der puer ingenuus (o iXe ύ&€ρος in der griechischen Uebersetzung) Cod. 3, 15, 2 ist nicht der Sohn, sondern der freigeborene Knabe.

Neunter Abschnitt.

Personalyerletzung (iniuria). iniuria Dem Recht, ius, nicht im ethischen, sondern im staatlichen jebraach! Sinn ist entgegengesetzt das Unrecht, iniuria. Dieser Herleitung entspricht der allgemeine auf die staatlichen Verhältnisse beschränkte, aber wesentlich negirende Gebrauch des Wortes 1 . Die technische Sprache aber verwendet dasselbe in engerer Begrenzung und in positivem Sinn für die Verletzung des Körpers 2 oder der Sache eines Dritten im Gegensatz zu der widerrechtlichen Eigenthumsaneignung, dem Furtum. Unter Festhaltung dieses Gegensatzes hat sich die iniuria in der späteren Rechtsentwickelung geschieden in clie rechtswidrige Personalverletzung, die iniuria schlechtweg, und die rechtswidrige Sachbeschädigung, das damnum iniuria 3, mit Rücksicht darauf, dass bei jener nur Strafe, bei dieser zunächst Schadensersatz in Frage kommt. Darauf beruht die Dreitheilung des Privatdelicts. Es wird in diesem Abschnitt zwar auf den älteren weiteren Begriff Rücksicht genommen, haupt1 Der allgemeine Gebrauch des Wortes ist von durchsichtiger Klarheit und erscheint, wie überall, auch bei den Rechtsgelehrten neben dem engeren (Paulus Coli. 2, 5; Ulpian Dig. 47, 10, 1 pr.; Inst. 4, 4 pr.). Was unabhängig von dem Willen sich vollzieht, fällt auch in den weiteren Begriff der iniuria nicht und ebenso wenig die bloss moralische Schlechtigkeit. Die iniuria im allgemeinen Sinn ist nicht gerade auf den Dolus beschränkt, fordert aber eine der Verantwortung unterliegende Rechtswidrigkeit. 2 Dass im Zwölftafelgesetzbuch die leichteste Körperverletzung iniuria benannt wird, schliesst die schweren in demselben nicht benannten aus dem Begriff der iniuria nicht aus. 3 Ueber die Terminologie ist im Eingang zu der Sachbeschädigung gehandelt.

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

78

sächlich aber clie iniuria in clem engeren clie Sachbeschädigung a b schliessenden cler Personalverletzung entwickelt. Die Zwölftafeln haben wie für clie anderen Privatdelicte so oesetzauch für dieses clie Normen codificirt und diese sind uns im Wesent- ^ ^ Π Η Γ liehen erhalten 1 . Die spätere Gesetzgebung hat, abgesehen von einem nur die Zusammensetzung des Gerichts für gewisse Fälle der Injurie abändernden von Sulla beantragten Volksschluss2, sich mit diesem Delict so gut wie gar nicht zu schaffen gemacht ; die Weiterbildung desselben ist auf Gruncl des Zwölftafelrechts durch das Herkommen und, was dasselbe ist, die prätorische Gerichtsordnung bewirkt worden 3. Selbst die Kaiserzeit hat sich hier auf prozessualische Modificationen beschränkt 4. Iniuria ist die absichtliche und widerrechtliche Verletzung der PersonalPersönlichkeit eines Dritten. Es ist demnach zuerst zu entwickeln, v e r l e t z u n i r * was unter dem dehnbaren Begriff cler verletzten Persönlichkeit zu verstehen ist, sodann was für die auf eine derartige Verletzung gerichtete widerrechtliche Absicht, clen Dolus dieses Delicts gefordert wird. Die Persönlichkeit, deren Verletzung die Injurie ist, ist die Begriff der physische in clem im ersten Buch (S. 65) entwickelten Begriff 5. P e r ^ t U c h " Da der Tod diese Persönlichkeit aufhebt, kann wohl ein Lebender 1

Zwölftafeln 8, 2. 3. 4 Schöll. In den gleich anzuführenden Worten des Paulus ist dies die Begründung der Injurienklage lege. 2 Die lex Cornelia de iniuriis (vgl. S. 203) kennen wir nur aus der juristischen Litteratur: Paulus 5, 4, 8; Dig. 3, 3, 42, 1. 47, 10, 5 pr. 1. 37, 1. 48, 2, 12, 4. tit. 5, 23, 2. Inst. 4, 4, 8. Sie erscheint nicht in der Reihe der für die iudicia publica ergangenen Specialordnungen und gilt überhaupt nicht als klagbegründend: iniuriarum actio, sagt Paulus 5, 4, 6—8, aut lege aut more aut mixto iure introdueta est . . . mixto iure actio iniuriarum ex lege Cornelia constituitur, das heisst die Klagbegründung gehört auch bei den unter das cornelische Gesetz fallenden Injurienprozessen dem Herkommen an, dem Gesetze nur die Festsetzung über die Bildung des Gerichtshofes. Analogische Anwendung dieses Gesetzes auf die prätorische Injurie: Dig. 47, 10, 5, 8. 3 More , wie Paulus a. a. Ο. sagt, mit Beziehung auf die nach Umgestaltung der Zwölftafelstrafen den Injurienprozess allein beherrschende ästimatorische Klage. 4 Abgesehen von der criminellen Behandlung der qualificirten Injurie haben wesentliche Neuerungen auch in dieser Epoche nicht stattgefunden. 5 Dig. 47, 10, 15, 9. si incertae personae convicium fiat, nulla executio est Die Kenntniss des Namens ist natürlich nicht erforderlich (Dig. 47, 10, 18, 3. 5). Auch bei der mittelbaren Injurie injuriirt nach der überwiegenden Theorie der Injuriirende nur wen er injuriiren will (S. 799).

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

50

786

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

durch einen Verstorbenen mittelbar, nicht aber der Verstorbene selbst injuriirt werden 1 ; nur bei der liegenden Erbschaft wird die Fiction der Persönlichkeit auch auf die Injurie erstreckt 2 . Ebenso ist die Injurie, obwohl sie gegen mehrere Personen zugleich begangen werden kann, ausgeschlossen gegenüber Gemeinschaften, wofern nicht einzelne Angehörige dabei individuell in das Auge gefasst sind, und vor allem ausgeschlossen gegenüber dem Staat (S. 567) oder anderen durch Rechtsfiction hergestellten Personen. Andererseits ist der Begriff der Person nicht politisch zu fassen; der Ausländer ist unbedingt eingeschlossen und auch der Sclave insofern, dass die ihm zugefügte Injurie behandelt wird als begangen gegen den Herrn 8 . Noch weniger wird die Handlungsfähigkeit der Person gefordert ; auch der Wahnsinnige und das unmündige Kind können in dieser Weise verletzt werden 4. — Ausgeschlossen nicht von dem Begriff der Injurie, aber von deren Behandlung als Privatdelict sind die gegen den Magistrat der Republik und später gegen den Kaiser gerichteten, insofern hier die Injurie sich zum Staatsverbrechen steigert 5 . HandgreifAls klagbare Personalverletzung hat nach dem ältesten Rechts1 dw zw«"6 ^uch Anschein nach nur das Vergreifen am Körper gegolten, tafeirechts. Es ist überhaupt die iniuria der Zwölftafeln, auch wenn von ihrer im folgenden Abschnitt zu erörternden Erstreckung auf die Sachbeschädigung abgesehen wird, von derjenigen des späteren Rechts begrifflich verschieden, jene die Körperverletzung, insofern der Thäter dafür rechtlich verantwortlich ist, diese die dolose 1 Zum Beispiel durch Schändung des Grabes einer Nahperson (Dig. 11, 7, 8 pr. 47, 10, 27). 2 Dahin gehören nicht bloss die Injurien gegen Erbschaftssclaven, sondern auch die bei der Bestattung des Verstorbenen verübten (Dig. 47, 10, 1, 4. 6). 8 Servo ipsi quidem, sagt Gaius (3, 222), nulla iniuria intellegitur fieri , sed domino per eum fieri videtur. Dass die dem Sclaven zugefügte Injurie in der That als Injuriirung des Herrn gefasst wird, geht daraus hervor, dass dem Sclaven die Klage auch nach der Freilassung nicht gegeben wird (Dig. 47, 10, 30 pr. vgl. 29) und dass durch den Tod des Herrn wie die ihm selbst so auch die seinem Sclaven zugefügte Injurie erlischt (Dig. 47, 10, 13 pr.). * Dig. 47, 10, 3, 1. 2. 5 S. 582 fg. Quintilian 5, 8, 39: iniuriam fecisti, sed quia magistratui, maiestatis actio est. Dass in der Kaiserzeit die Beleidigung des Magistrats nur als schwere Injurie bestraft wird (S. 582 A. 6), zeigt die Verschiebung der souveränen Gewalt. — Dies sollte nicht übersehen werden, wenn nach dem römischen Begriff der iniuria gefragt wird; derselbe reicht viel weiter als die private Injurienklage.

Neunter Abschnitt.

Personal Verletzung.

787

Verletzung der Persönlichkeit, der erstere Begriff also theils weiter als der zweite, insofern er die culpose Körperverletzung einschliesst, (S. 797), theils enger, insofern er die nicht den Körper treffende Verletzung der Persönlichkeit ausschliesst. Denn von den bei den Strafen zu erörternden drei Stufen, welche das Zwölftafelbuch aufstellt, der Verstümmelung, dem Knochenbruch und der iniuria schlechthin (S. 786 A. 2) scheint die letzte die einfache Realinjurie zu bezeichnen, da die sonst anzunehmende Schrankenlosigkeit des delictischen Thatbestandes dem positiven Wesen des alten Rechtsbuchs wenig entspricht 1 und auch die einzige in dem Gesetzbuch begegnende nicht handgreifliche Injurie darin unter der Benennung der infamia auftritt 2 . Auch in der einzigen Anwendung dieses Strafgesetzes, von der wir Kenntniss haben, wird es auf das Schlagen bezogen8. Dabei hat die Rechtsordnung nicht stehen bleiben können; P^rsonainiclit der Begriff der Injurie selbst, wohl aber der Kreis der klag- dirïpâtere baren Injurie hat sich gewohnheitsrechtlich erweitert 4 . Danach Rechts, kann die Persönlichkeit verletzt werden in dreifacher Beziehung: entweder an ihrem Körper oder in ihrer Rechtsstellung oder an ihrer Ehre. Technische Benennungen für diese Kategorien giebt es nicht. Auf die Körperverletzung hat der Begriff, wie wir sahen, sich anfänglich beschränkt; aber nach cler Erweiterung des Kreises fehlt es an einem technischen unserer Realinjurie adäquaten Ausdruck 6 . Für die zweite mangelt sogar jede specielle Bezeichnung, 1

Wenn die iniuria der Zwölftafeln in dem späteren Sinn gefasst wird, so ist die positive Vorschrift, diese unter allen Umständen als Delict zu behandeln, ebenso unbegreiflich, wie die Gleichheit und Geringfügigkeit der Strafe selbst, während in dem späteren Verfahren nur mit strenger Auswahl und mit äusserster Ungleichheit gestraft wird. Nur bei der Beschränkung der iniuria auf Schläge und Stösse ohne Körperverletzung ist die Bestimmung verständlich. 2 Die wahrscheinlich dem Gesetzbuch entnommenen Formeln iniuriam facere altert (S. 802 A. 3) und infamiam facere altert (S. 794 A. 3) scheinen correlat. 8 Gemeint ist die bekannte Anekdote über die auf Grund der Tarifirung der iniuria zu je 25 Assen ausgetheilten Maulschellen (Gellius 20, 1, 13). 4 Der dehnbare Ausdruck des Zwölftafelrechts hat dabei wahrscheinlich mitgewirkt. 6 Die Schrift ad Her. (4, 25, 35 : iniuriae sunt, quae aut pulsatione corpus, aut convicio aures aut aliqua turpitudine vitam cuiuspiam violant) und Paulus (Coli. 2, 5, 4) scheiden die Injurien dreitheilig als Angriff auf den Körper, Angriff in Worten und Angriff in Handlungen ; anderswo derselbe Paulus (5, 4, 1) zweitheilig als Angriff in corpus und extra corpus und besser, weil der Gegen50*

Viertes Buch.

78

Be-

Die einzelnen Delicte.

so bestimmt sie sachlich hervortritt 1 . Für die EhreDkränkung wird die in ihrer ursprünglichen engeren Bedeutung weiterhin (S. 794) zu erörternde Bezeichnung convicium namentlich dann gesetzt, wenn sie mündlich geschieht, während die Bezeichnung contumelia wohl die rechtliche Ehrenkränkung einschliesst, aber dem ethischen Wortsinn gemäss weit über das Rechtsgebiet hinausgreift 2 . Die Beschränkung cler römischen iniuria auf die Ehrenkränkung ist so wenig richtig, dass weder die durchsichtige Benennung des Delicts noch dessen wichtigste und ursprünglichste Anwendungen auf diese passen3 und die Erstreckung der Injurienklage auf sie wahrscheinlich erst im Laufe der Rechtsentwicklung stattgefunden hat. Aber wenn das Zwölftafelrecht für clie handgreifliche iniuria

dem Verletzten unbedingt eine Klage giebt, so ist dies keineswegs der inj q rie durch den Prätor auf die nicht handgreifliche allgemein erstreckt des ren worden. Vielmehr hat bei diesem Delict das Ermessen cles GeRechts. richts im weitesten Umfange gewaltet 4 und haben die Magistrate, in verständiger Erwägung des naheliegenden Missbrauchs namentlich der gerichtlichen Verantwortung für die Beleidigung, ausser der nach Zwölftafelrecht klagbaren Realinjurie nur für wenige hervorragende Fälle die Klage zugesichert, sonst aber sie je nach κΊΙ^ΛΙΗ

satz der Worte und der Handlungen rechtlich werthlos ist. Labeo scheidet (Dig. 47, 10, 1, 1) Injurien re, womit thätliche gemeint sind, und verbis (daher unsere Real- und Verbalinjurien) oder auch in corpus oder durch Handlungen, die das Ansehen (dignitas) verletzen oder Verunehrung (infamia) herbeiführen. In der That ist die Zweitheilung die einzig verwendbare, aber selbst nur negativer Art wie die der res mancipii und nec mancipii. 1

Darum vermeidet Gaius 3, 220 diese scheinhafte Theilung, vergisst aber unter den Exempeln die Concursanzeige nicht. 2 Contumelia (von contemnere) ist die geringschätzige Behandlung, die Verletzung der Persönlichkeit im moralischen Sinn, auch wenn es dafür eine Klage nicht giebt (Seneca an iniuriam c. 10). Wenn die Juristen iniuria erklären durch contumelia (Coli. 2, 5, 1. 3. Dig. 47, 10, 1 pr. 1. 15, 46. Paulus 5, 4, 22 neben iniuria), so giebt es freilich kein näher synonymes Wort, aber wirklich synonym ist auch dies nicht. 8 Verwundung und Hausfriedensbruch lassen sich ohne unzulässige Begriffsdehnung unter den Begriff der Ehrenkränkung nicht ziehen, ebenso wenig die dem unmündigen Kinde oder dem Sclaven zugefügte Injurie. 4 Man beachte in dieser Hinsicht auch, was weiterhin bemerkt werden wird über das Eingreifen des Prätors in die Entscheidung des einzelnen Falles durch den Augenschein (S. 803 A. 2) und durch die Fixirung der Strafsumme (S. 803), was beides in der Rechtsbehandlung nirgends ähnlich wiederkehrt.

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

78

Umständen gegeben oder verweigert 1 . Diese Ungleichheit kehrt bei keinem andern Delict wieder; jeder Diebstahl und jede Sachbeschädigung ist klagbar, aber keineswegs jede Injurie. Damit zusammen hängt der nicht im Edict, aber in der Jurisprudenz aufgestellte Gegensatz zwischen schwerer (iniuria atrox) 2 und leichter Injurie (iniuria levis), wobei zu jener alle handgreiflichen gerechnet werden 8 , ausserdem aber die durch Zeit- und Ortsumstände 4, vor allem aber durch die Pietäts- oder Rangverhältnisse zwischen den Betheiligten gesteigerten, also clie Injurie des Sclaven gegen den Freien 5 , cles Freigelassenen gegen den Freilasser, cles Sohnes gegen den Vater 6 . Entsprechend wird im umgekehrten Fall zum Beispiel bei Beleidigung des Freigelassenen durch den Freilasser nur in besonders schweren Fällen die gerichtliche Behandlung zugelassen. Die schwere Injurie ist 7 also diejenige, bei der das Gericht die Klage entweder den Gesetzen gemäss geben muss oder mindestens nicht leicht verweigert 8 , die leichte diejenige, bei welcher 1

Die magistratische Arbitration lag schon in dem generale edictum iniuriarum, wie Labeo es nennt (Dig. 47, 10, 15, 26; Gellius 20, 1, 13: praetores... iniuriis aestumandis recuperatores se daturos edixerunt), wurde aber noch besonders wiederholt sowohl in Beziehung auf verletzte Freie : ne quid infamandi causa fiat; si quis adversus ea fecerit, prout quaeque res erit, animadvertam (I)ig. 47, 10, 15, 25) — welche Bestimmung darum Labeo a. a. 0. für überflüssig erklärt — wie auch in Beziehung auf Sclaven: § 34 item si quid aliud factum essejdicetur, causa cognita iudicium dabo. 2 Eigentlich gehört die atrocitas als Steigerung des Verbrechens überhaupt den Rhetoren (Quintilian 6, 1, 15—17) und kann ethisch auf jedes Delict bezogen werden ; in die Rechtswissenschaft hat sie nur bei der iniuria eingegriffen. 3 Gai. 3, 225 = Inst. 4, 4, 9. Dig. 47, 10, 7, 2. 3. 1. 8. 4 Gai. a. a. 0. Paulus 5, 4, 10. Dig. 47, 10, 7, 8. 1. 9. Cod. 9, 35, 8. Dahin gehört auch die Beleidigung der Magistrate (S. 582 A. 6) und der Geistlichen im Amt (Cod. 1, 3, 10. 9, 35, 4. Nov. 123 c. 31). 6 Dig. 47, 10, 17, 3. 6 Dig. 47, 10, 7, 8. Ueberhaupt wirkt das Nahverhältnis strafsteigernd (Dig: 48, 19, 28, 8). 7 Gegen Eltern und Patrone wird den Kindern und den Freigelassenen die Injurienklage nur ausnahmsweise gegeben (Dig. 37, 15, 2 pr. 47, 10, 7, 2. 1. 11, 7). Es darf dies bei den Freigelassenen nicht auf die alte längst nicht mehr bestehende Unfreiheit des Hausunterthänigen (S. 170) zurückgeführt werden. Ohne Zweifel kam der gleiche Gesichtspunkt auch Clienten und überhaupt allen in Abhängigkeit stehenden Personen gegenüber zur Geltung. — Die Frage, ob Ehegatten wegen Injurien gegen einander klagen können, wird überhaupt nicht aufgeworfen. 8 Es ist freilich arge Willkür, wenn der Statthalter edicirt, si quis eum

7

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

es im Ermessen des Prätors steht den Umständen nach die Klage zu geben oder nicht zu geben. Die Grenze zwischen beiden ist demnach zum Theil gesetzlich gezogen, zum Theil höchstens durch Gerichtsgebrauch einigermassen fixirt 1. Wenn wir uns dazu wenden festzustellen nicht, was die Römer EinZ der alle u n ^ e r «wiwna verstanden haben — diesen viel weiter greifenden klagbaren Kreis wird eher die Majestätsklage in ihrer Beziehung auf den injurie. j £ a j s e r a j g (jas p r j v a t e Injuriendelict ausfüllen —, sondern in welchen Fällen wegen iniuria geklagt werden kann, so wird dabei vornehmlich zu berücksichtigen sein, ob der einzelne Fall in einem für den Prätor massgebenden Gesetz aufgeführt oder wenigstens in das prätorische Edict aufgenommen ist oder ob nur aus den Zeugnissen der Rechtsbücher sich ergiebt, dass die Prätoren für den fraglichen Vorgang die Injurienklage gaben und die Theorie dies billigte. Wenige Abschnitte des Privatrechts sind mit gleicher theoretischer Feinheit und praktischer Einsicht behandelt und wenige auch von der Rechtsverwüstung der Kaiserzeit so wenig berührt worden. 1. Die Tödtung des Freien wie des Unfreien ist schon nach dem Zwölftafel recht nicht in den Begriff der iniuria gezogen, die Vernichtung der Person nicht als Verletzung derselben gefasst worden. Erfolgt sie absichtlich, so fällt sie, vollendet oder auch nur versucht, unter das Mordgesetz; nicht absichtliche, aber verschuldete Tödtung des Freien wie des Unfreien ist bei der Sachbeschädigung behandelt. 2. Die dem Freien oder dem Unfreien zugefügte Körperverletzung, und zwar ohne Unterscheidung iier absichtlichen und der nur durch Unvorsichtigkeit verschuldeten, ist die iniuria des Zwölftafelrechts (S. 797). Nach der späteren Rechtsordnung ist die Injurienklage nur zulässig bei absichtlicher ATerletzung des Körpers 2 oder Herbeiführung einer geistigen Störung 3 ; von der nicht beabsichtigten wird bei der Sachbeschädigung gehandelt werden. Bei der dem Unfreien absichtlich zugefügten Körperverletzung ist nach prätorischem Recht die Injurienklage nicht dulsasset, sese iudicium iniuriarum non daturum (Cicero Verr. 1. 2, 27, 66), aber die rechte Gewalt zeigt sich auch in dem Missbrauch. 1 Das spätere Recht behandelt die atrox iniuria als feste Kategorie und knüpft Strafschärfungen daran (Coli. 2, 2. Dig. 47, 10, 35. 1. 40). 2 Cicero de inv. 2, 20 (S. 630 A. 2). Gai. 3, 225. Coll. 2, 2, 1. Dig. 47, 10, 7, 2. 8. 1. 8. 3 Dig. 47, 10, 15 pr.

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

7

ausgeschlossen, aber sie wird im Edict nicht besonders aufgeführt, weil dieselbe gewöhnlich als Sachbeschädigung behandelt wird 3. Die Realinjurie gegen den Freien ohne Körperbeschädigung oder nach den technischen Schlagwörtern das Stossen (pulsare) und Schlagen (verberare) 2 berechtigt nach dem Zwölftafelrecht zur Injurienklage und nicht minder nach dem sullanischen Injuriengesetz3. Es erstreckt sich dies auch auf die Androhung von Realinjurien 4 . 4. Für arge Realinjurie gegen den Unfreien ohne bleibende Beschädigung und Werthminderung desselben, insonderheit für Folterung stellt das prätorische Edict die Injurienklage der Regel nach in Aussicht 5 . 5. Verleitung des Freien wie des Unfreien zu unsittlichem Lebenswandel6 bedingt die Injurienklage für den Gewalthaber, während bei dem Verführten selbst dessen Einwilligung sie ausschliesst7. 6. Seit wann und in wie weit die Unzucht unter dies Privatdelict gezogen worden ist, lässt sich aus unserer Ueberlieferung 1

Ueber das Verhältniss der Injurien- und der aquillischen Klage bei Körperverletzung eines Sclaven vgl. den folgenden Abschnitt (S. 829 A. 2). 2 Pulsare repräsentirt die Realinjurie schon in der vorsullanischen Rhetorik ad Herennium (S. 787 A. 5); pulsare verberareve stand im cornelischen Gesetz (Dig. 47, 10, 5 pr.; ebenso Cicero Verr. 3, 12, 31); es muss dies herrühren aus der Uebertragung der Zwölftafelbestimmungen in das prätorische Edict. Erklärt wird (Dig. 47, 10, 5, 1) pulsare durch sine dolore caedere, verberare durch cum dolore caedere, also stossen und schlagen. * Dig. 47, 10, 5 pr. Dass das Gesetz die einem Sclaven zugefügte Injurie ausschliesst, folgt aus deren Erwähnung in dem ergänzenden prätorischen Edict (Α. 5); dass auch die von einem Sclaven zugefügte ausgeschlossen ist, sagt Dig. 48, 2, 12, 4. 4 Dig. 47, 10, 15, 1. 5 Edict Dig. 47, 10, 15, 34: qui servum alienum adversus bonos mores verberavisse deve eo iniussu domini quaestionem habuisse dicetur , in eum iudicium dabo. Das Fehlen des pulsare und die beschränkende Clausel adversus bonos mores sind nicht zu übersehen. Es kann in diesem Fall auch criminell wegen Vergewaltigung geklagt werden (Dig. 48, 7, 4, 1; vgl. S. 656 A. 2). — Auch die durch ungerechte Denuntiation herbeigeführte magistratische Züchtigung eines Sclaven berechtigt den Herrn zur Injurienklage gegen den Denuntianten (Dig. 47, 10, 17, 2). 6 Dig. 47, 10, 25: si stuprum serva passa sit , iniuriarum actio dabitur . Dig. 47, 10, 9, 4: sed et si servi pudicitia attemptata sit , iniuriarum locum habet. 7 Dig. 47, 10, 26. Es fällt dies wesentlich zusammen mit der bei der Sachbeschädigung behandelten Klage wegen Sclavenverführung, die auch auf die Kinder erstreckt wird (S. 838).

Viertes Buch.

7

Die einzelnen Delicte.

nicht feststellen. Die Nothzucht gegen Personen beiderlei Geschlechts fällt insofern bei der iniuria aus, als dieselbe wenigstens in der uns bekannten Zeit criminell bestraft wird l . — Die Schändung eines freigeborenen nicht verheiratheten oder verheiratheten Weibes mit dessen Einwilligung fällt ohne Zweifel für den Gewalthaber und den Ehemann in den Begriff der Injurie und wenn auch das Zwölftafelrecht sich schwerlich darauf erstreckt hat, wird der Prätor der Republik in diesen Fällen die Injurienklage gegeben haben (S. 690). Sie scheidet aber aus, nachdem das augustische Gesetz für Stuprum und Adulterium das Criminalverfahren eingeführt hatte. — Dasselbe gilt vermuthlich für die Päderastie nach der Erlassung des scantinischen Gesetzes (S. 703). — Somit bleibt für die Injurienklage nur die Unzucht mit einem freigeborenen Kinde nicht delictfähigen Alters 2 , vor allem aber, da jene Gesetze nur das consummirte Deliit bestrafen, der Versuch eine freie Frau oder einen freien Knaben anständiger Haltung zu einem solchen Delict zu verleiten 3 . Es wird dies sogar erstreckt auf jede die Ehrbarkeit anständiger Frauen verletzende Handlung 4 . In dem prätorischen Edict werden als solche besonders diejenigen hervorgehoben, welche zugleich den öffentlichen Anstand verletzen, die unschickliche Begleitung auf öffentlichen Wegen 5 , die unzüchtige öffentliche Ansprache 6, clie Entfernung der Begleitpersonen 7. 1

S. 664. Paulus 5, 4, 4 führt die Nothzucht (denn diese scheint bei der pulsatio pudoris gemeint) bei der iniuria auf, aber die dafür angedrohte Todesstrafe zeigt, dass er sie praktisch nicht dazu rechnet. 2 Unter das Stuprum fällt dieser Missbrauch nicht (S. 694 A. 1) und es bleibt somit nur die Injurie übrig. Unsere Quellen erwähnen den Fall nicht. Missbrauch der unreifen Unfreien fällt unter die aquillische Sachbeschädigung (Paulus 1, 13 A, 6. Dig. 47, 10, 25). 3 S. 695. Paulus 5, 4, 5 = Dig. 47, 11, 1 pr.: sollicitatores alienarum nuptiarum itemque matrimoniorum interpellatores et si effeetu sceleris potiri non possint, propter voluntatem perniciosae libidinis extra ordinem puniuntur. Paulus 5, 4, 14: qui mulierem puellamve inter pellaver it. Die Worte 5, 4, 4 aut de stupro interpellatur sind wohl zu streichen. 4 Attemptare pudicitiam (Dig. 47, 10, 1, 2. 1. 10. Inst. 4, 4, 1; impudicos facere attemptare 47, 10, 9, 4; pudicitiam corrumpere Paulus 5, 4, 14) muss wie die folgenden Ausdrücke im Edict selbst gestanden haben. Selbstverständlich erstreckt sich die Strafe auf jede Hülfleistung. Paulus 5, 4, 14: qui domum (nicht donum) praebuerit pretiumve quo id persuadeat dederit. 5 Adsectari: Dig. 47, 10, 15, 19. 22. 23. Ebenso bei Knaben: Gaius 3, 220. 6 Appellare: Dig. 47, 10, 15, 19. 23. Schon turpia verba genügen für die Klage: Dig. 47, 10, 15, 21. 7 Comitem abducere: Paulus 5, 4, 14. Dig. 47, 10, 1, 2. 1. 15, 16—18.

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

7

7. Für Verletzung des Hausrechts, insoweit sie gewaltsam geschieht, und, wie man hinzusetzen darf, wenn sie von einem Freien verübt wird, ordnet das cornelische Gesetz das geschärfte Strafverfahren an 1 . Gleichgestellt wird dem Hausfriedensbrecher der Einschleicher (derectarius) 2. Die diebische Absicht, welche denselben zu bestimmen pflegt, kann als Diebstahl nicht bestraft werden 3. 8. Häusliche Belästigung, zum Beispiel durch Verunreinigung des Wassers, namentlich wo das öffentliche Interesse mitspricht 4 . 9. Behandlung eines Mitbürgers, als wäre er nicht rechtsgleich, zum Beispiel durch Nichtanerkennung seiner Freiheit 5 oder seiner ständischen Privilegien 6 oder durch Einsperrung 7 oder durch Ausschliessung von der Ausübung der am öffentlichen Boden einem jeden zustehenden Befugnisse 8 oder durch Besitznahme seiner Habe1' oder durch Behinderung des freien Eigenthumsgebrauchs 10 oder durch demonstratives Verhalten gegen ihn, als wäre er nicht 1

I)ig. 47, 10, 5 pr.: lex Cornelia de iniuriis eompetit ei, qui . . . domum suam vi introitam esse dieat. Dies gilt auch wenn der Einbruch geschieht zum Zweck der Ladung vor Gericht (Dig. 47, 10, 23; vgl. S. 49 A. 1). Dem Einbruch gleich steht die Verhinderung der Rückkehr (Cicero pro Caec. 12, 35). 2 Derectarii sind nach Ulpian (Dig. 47, 11, 7) qui in aliéna cenaeula se dirigunt furandi animo; ebenso Paulus 5, 4, 8, wo dies nicht correct auf das cornelische Gesetz selbst zurückgeführt wird. Minder genau werden die derectarii den qualificirten Dieben zugezählt I)ig. 47, 18, 1, 2. 3 Paulus 2, 31, 35. Dig. 47, 2, 21, 7. 4 Paulus 5, 4, 13 = Dig. 47, 11, 1, 1: fit iniuria contra bonos mores, veluti si quis fimo corrupto aliquem perfuderit, caeno luto oblinierit, aquas spurcaverit, fistulas lacus quidve aliud in iniuriam publicam contaminaverit: in quos graviter animadverti solet. Iavolenus (Dig. 47, 10, 44) giebt die Klage gegen Labeo, si inferiorum dominus aedium superior is vicini fumigandi causa fumum faceret aut si superior vicinus in inferiores aedes quid aut proiecerit aut infuderit, vorausgesetzt dass dies absichtlich geschehen ist. 5 Dig. 47, 10, 11, 9. 1. 22. Cod. 9, 35, 9. c. 10. Geschieht dies lediglich der Eviction wegen, so fehlt der Dolus (Dig. 47, 10, 12). Dass die Anfechtung der Freiheit auch ausserordentliche Criminalstrafe herbeiführen kann, sagt Diocletian Cod. 7, 16, 31. 6 Wegweisung von dem senatorischen oder dem Ritterplatz im Theater: Quintilian 3, 6, 18. 7 Die Einsperrung wird nicht ausdrücklich bei der Injurie erwähnt; aber die Gestattung, den Ehebrecher zwanzig Stunden hindurch festzuhalten (S. 798 A. 4), fordert den Gegensatz. 8 Dig. 43, 8, 2, 9. 47, 10, 13, 7. 1. 14. 9 Dig. 47, 10, 15, 31: si quis bona alicuius rei rem unam per iniuriam occupaverit. 10 Dig. 19, 1, 25 pr. 47, 10, 13, 7: si quis re mea uti me non permittat. 1. 24 : si quis proprium servum distrahcre prohibetur.

7

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

z a h l u n g s f ä h i g A u c h die vorzeitige Veröffentlichung des letzten Willens wird als böswillige Verletzung der Persönlichkeit behandelt 2 . 10. Das öffentlich gesungene Schmählied (carmen famosum) wird nach Zwölftafelrecht streng geahndet 3 . Nicht wesentlich davon verschieden ist das convicium im ursprünglichen Sinn, die jemand mit öffentlicher Zusammenrottung vor seinem Hause zugefügte Schmähung4. Nachdem die Publicität mehr und mehr durch die Schrift vermittelt wird, tritt neben und vor das Schmählied die Schmähschrift (libellus famosus) δ. Strafbar ist gleichmässig die Herstellung wie der Vortrag und die Verbreitung der Beschimpfung 6. Geschärft wird das durch die Schmähschrift begangene Delict durch deren Anonymität oder Pseudonymität 7 ; mit Veröffentlichungen 1 Dahin gehört bei vorhandener Zahlungsfähigkeit die Beantragung des Concurses (bona proscribere Gai. 3, 220; vgl. Cicero pro Quinct. 6, 25); die concursmässige Markirung des Hauses (Dig. 47, 10, 20); das öffentliche Ausbieten eines Pfandstückes (Dig. 47, 10, 15, 32); die Mahnung in offener Gerichtssitzung (Dig. 47, 10, 13, 3) so wie die Richtung der Mahnung an den Bürgen (Dig. 47, 10, 19); die Zurückweisung genügender Bürgschaft (Dig. 2, 8, 5, 1); die unberechtigte Forderung der Sicherheitsleistung (Dig. 42, 5, 31, 5). 2 Dig. 9, 2, 41 pr. 16, 3, 1, 38. 8 Zwölftafeln 8, 1 Schöll = Cicero de re p. 4, 10, 12: nostrae duodecim tabulae cum perpaucas res capite sanxissent, in his hanc quoque sanciendam putaverunt, si quis occentavisset sire carmen condidisset, quod inf ami-am facerrt flagitiumve alteri. — Carmen famosum bei Seneca contr. 5, 6 und in den Rechtsbüchern (Paulus 5, 4, 6. 15; Dig. 22, 5, 21 pr. 28, 1, 18, 1), malum carmen bei Horaz ep. 2, 1, 153. sat. 2, 1, 82 und Arnobius 4, 34. 4 Convicium, ein juristischer die rechtliche Verantwortung einschliessender, allerdings zuweilen (Dig. 28, 2, 3 pr.) auch darüber hinaus angewandter Ausdruck, ist, nach der wahrscheinlich richtigen Etymologie ( = convocium von vox bei Festus ep. p. 41 und Dig. 47, 10, 15, 4, neben der anderen a vicis bei Festus a. a. O. und Nonius p. 67) zunächst die mit öffentlichem Lärmen zugefügte Injurie; im juristischen Gebrauch entspricht es (wechselnd mit dem nicht technischen maledictum Paulus 5, 4, 19. 20. Dig. 47, 10, 15, 11. 44. Cod. 2, 6, 6) durch Verallgemeinerung und Verflachung ungefähr unserer Verbalinjurie. Coli. 2, 5, 4: verbis , dum convicium patimur. Paulus 5, 4, 1. 18. tit. 35, 3. Schrift ad Her. 4, 25, 35 (S. 787 A. 5). Gaius 3, 220. 222. Dig. 37, 14, 1. 47, 10, 3, 1. 1. 34. 49, 1, 8. Indess wird es auch auf Handlungen bezogen (Paulus 5, 4, 21). 6 Famosus libellus Sueton Aug. 55; Paulus 5, 4, 17 und sonst. 6 Ulpian Dig. 47, 10, 5, 9: si quis librum ad infamiam alicuiv c pertinentem scripserit composuerit ediderit dolove malo fecerit quo quid eorum fieret. Inst. 4, 4, 1. 7 Ulpian a. a. O. fährt fort: etiamsi alterius nomine ediderit vel sine nomine. Gegen die anonymen libelli famosi richten sich die Verordnungen von Constantin an C. Th. 9, 34 = Iust. 9, 36.

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

7

dieser Art wurde namentlich in der späteren Kaiserzeit arger Missbrauch getrieben und daher deren Herstellung und Verbreitung, selbst wenn die darin erhobenen Anschuldigungen wahr sein sollten, von Constantin und den nachfolgenden Kaisern mit den schärfsten Strafen bedroht. — Dies Delict, bei welchem nicht die Qualität der Beleidigung, sondern die Veröffentlichung durch das von Mund zu Mund gehende Lied oder die von Hand zu Hand gehende Schrift das rechtlich massgebende Moment ist, wird im Zwölftafelbuch nicht als Verletzung des Privaten, sondern als Gefährdung des Gemeinwesens behandelt und bestraft; auch späterhin ist diese Auffassung keineswegs aufgegeben, wie dies bei dem Prozess und der Strafe weiter entwickelt werden wird. Aber indem der Prätor, in modificirender Ausführung jenes Zwölftafelgesetzes, in seinem Edict das convicium unter die klagbaren Injurien einstellte 1 , ist das Schmählied und die Schmähschrift in dies Privatdelict hineingezogen worden. 11. Bei anderweitigen Injurien ist, wo erschwerende Momente hinzutreten, Ort- und Zeit- oder Personal Verhältnisse die Verletzung steigern, die Injurienklage, wie dies schon ausgeführt worden ist (S. 789), nach Ermessen zugelassen worden 2 . Wichtiger als die Aufführung der überlieferten Einzelfälle, unter denen nur die 1 Das Edict (Dig. 47, 10, 15, 2): qui adversus bonos mores eonricium cui fecisse cuiusve opera factum esse dicetur, quo adversus bonos mores convicium fierety in eum iudicium dabo fasst ohne Zweifel, wie auch die commentirenden Juristen anerkennen, das Wort im ursprünglichen Sinne und ist eben dadurch veranlasst, dass es dem Prätor oblag, das Zwölftafelgesetz zur Ausführung zu bringen, wobei er allerdings durch die Clausel adversus bonos mores sich auch hier für mögliche Fälle die Weigerung der Klagertheilung vorbehält (Dig. 47, 10, 15, 5). 2 Genannt werden in unseren Rechtsquellen noch die böswillige Herbeiführung eines Augenscheins hinsichtlich der Schwangerschaft der geschiedenen Ehefrau (Dig. 25, 4, 1, 8), die Aufregung der öffentlichen Meinung gegen jemand, zum Beispiel indem jemand einen Herrn in den Verdacht der grausamen Behandlung seiner Sclaven dadurch bringt, dass er diese veranlasst zum Kaiserbild zu flüchten (Dig. 47, 11, 5; C. Th. 9, 44, 1 = lust. 1, 25, 1), wofür auch öffentliche Bestrafung eintritt, oder indem er jemand in den Verdacht bringt eine Criminalklage erheben zu wollen durch Anlegung der Trauertracht als Anzuklagender (Dig. 47, 10, 15, 27 vgl. 1. 39). Uebrigens ist nicht zu übersehen, dass unsere Rechtsbücher neben der Civilklage auch die spätere criminelle wegen qualificirter Injurien behandeln und dass, wo die letztere Platz greift, zum Beispiel bei der Beleidigung des Richters erster Instanz in der Appellationsschrift, nicht unbedingt auch die erstere statthaft ist.

76

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Nennung eines Lebenden auf cler Bühne hervorgehoben zu werden verdient 1 , ist bei den rechtlichen Erörterungen der Injurienklage clas Zurücktreten der durch beschimpfende Reden oder gleichartige Handlungen verübten Beleidigung. Wie schon die sprachliche Erweiterung des convicium von der lärmenden Sammt- zur einfachen Verbalinjurie es erwarten lässt, fehlen dergleichen Vorgänge unter den klagbaren Injurien nicht ganz 2 ; aber wo nicht eine gewisse Publicität und die Rücksicht auf die öffentliche Ordnung hinzutritt 3 , scheint dabei die Versagung der Klage Regel gewesen zu sein 4 . Ueberhaupt beobachten unsere Quellen über die im privaten Verkehr oder im Wege der Privatcorrespondenz 5 verübten Beleidigungen ein beredtes Schweigen. MagistraEs hatte also nach späterem Recht der Prätor in Ausführung assung^er des modificirten Zwölftafelgesetzes die Klage zu ertheilen bei cler Klage. Realinjurie und bei der mit öffentlichem Lärm verübten Schmähung, weiter nach dem Gesetz Sullas bei gewaltsamer Verletzung des Hausrechts. In einigen wenigen andern Fällen, namentlich bei öffentlicher Verunehrung anständiger Frauen stellte das Edict die Klage ein für allemal in Aussicht; in allen übrigen Fällen behielt der Prätor darin sich das Recht vor je nach der Beschaffenheit cles von dem Kläger behaupteten Thatbestandes die Klage zu geben oder zu verweigern. Nachdem die das Wesen der Injurie ausmachende Verletzung der Persönlichkeit entwickelt ist, wenden wir uns zu cler weiter für den Thatbestand dieses Delicts erforderten auf eine derartige Verletzung gerichteten widerrechtlichen Absicht. Dass die Injurie 1 Die Schrift ad Her. 1, 14, 24. 2, 12, 19 erwähnt als Rechtscontroverse die Frage, ob der Schauspieler, welcher den Dichter (Accius) oder überhaupt einen Schriftsteller auf der Bühne nennt, eine Injurie begehe. 2 Injurienklage wegen Vorwurfs des Mordes: Cod. 9, 85, 5; des Delatorengewerbes: Cod. 9, 35, 3. 3 Paulus 5, 4, 21: convicium contra bonos mores fieri videtur, si obscaeno nomine aut inferiore parte corporis nudatus aliquis insectatus sit (also öffentlich); quod factum contcmplatione morum et causa publicae honestatis vinclictam extraordinariae ultionis expectat Das. 19: maledictum itemque convicium publice factum ad iniuriae vindictam revocatur. 4 Wo das Edict die Injurie gegen den Bankhalter beim Glücksspiel klaglos macht (S. 798 A. 1), ist nur von Schlägen die Rede; bei Verbalinjurien versteht sich dies also von selbst. 6 Dagegen wird die Klage zugelassen wegen der in der Eingabe an eine Behörde gegen dritte Personen vorgebrachten Injurie (Dig. 47, 10, 15, 29: si quis libello dato vel principi vel alii cui fam am aliénant insectatus fuerit, iniuriarum erit agendum: Papinianus ait).

Neunter Abschnitt.

Personal Verletzung.

77

des Zwölftafelrechts eine solche erfordert, ist allerdings mehr als Absichtlichzweifelhaft. Die zufällige Körperverletzung freilich wird, nach p^naiAnalogie der Bestimmungen über die zufällige Tödtung, schon da- Verletzung mais nicht mit Strafe belegt worden sein ; aber bei der äusserlichen Behandlung des Strafrechts sind clolose oder culpose Verletzung Klagbarkeit, damals schwerlich unterschieden worden. Von unserer Darstellung bleibt die letztere ausgeschlossen und dem folgenden Abschnitt vorbehalten. — Nach dem späteren Recht kann clie Injurie nicht in culposer Weise begangen werden, sondern fordert die absichtliche Rechtsverletzung. — Ausgeschlossen ist danach die Injurienklage in folgenden Fällen: 1. bei allen Vornahmen unzurechnungsfähiger Individuen, der Wahnsinnigen, der unmündigen Kinder 1 ; 2. bei allen nicht zum Zwecke der Rechtsverletzung vorgenommenen Handlungen 2 . Aufdeckung belastender Thatsachen ist insoweit zulässig, als dabei ein anderer Zweck als der der Kränkung vorwiegt 3 ; 3. bei allen von Rechtswegen zulässigen Handlungen, zum Beispiel hausrechtlicher und überhaupt häuslicher Züchtigung 4 oder magistratischer Bestrafung, soweit dabei die Competenz eingehalten wird 5 . Selbst wenn dabei ein Irrthum obwaltet, zum Beispiel jemand einen Freien züchtigt, den er für seinen Sclaven hält, ist die Injurie ausgeschlossen6. Hieher gehört auch die zulässige Selbsthülfe. Was als solche anzusehen ist, hängt ab von der Sitte und im einzelnen Fall von clem Interpreten derselben, dem 1

Paulus 5, 4, 2. Dig. 47, 10, 3. Zum Beispiel zum Scherz (Dig. 47, 10, 3, 3). Etwaige Culpa begründet die Injurie nicht. 3 Paulus I)ig. 47, 10, 18 pr. : eum qui noeentem infamavit, non esse bonum et aequnm ob earn rem eondemnari ; peccata enim nocentium nota esse et oportere et expedire. Diocletian Cod. 9, 35, 5: si non convicii consilio te aliquid iniuriosum dixisse probare potes, fides veri a calumnia te defendit. Die Absicht zu verletzen ist hier vorhanden, kann aber durch eine daneben obwaltende straffrei werden. Streng genommen kann unter Umständen dies selbst dann eintreten, wenn der Wahrheitsbeweis misslingt. 4 Dig. 48, 19, 16, 2. Ueberschreitung des billigen Maasses kann als Sachbeschädigung klagbar sein, ist aber nicht Injurie (Dig. 19, 2, 13, 4). 5 Dig. 47, 10, 13, 1. 2. 1. 15, 39. 1. 33. 48, 19, 16, 2. Auch bei irrthümlicher Vornahme öffentlicher Acte kann die Absicht fehlen, den dadurch Beschwerten zu verletzen (Dig. 47, 10, 13, 5. 6). Bei bewusster Ueberschreitung der Competenz ist dagegen die Injurienklage begründet (Dig. 47, 10, 32). 6 Dig. 47, 10, 3, 4. Quintilian 7, 4, 14. 2

Viertes Buch.

78

Die einzelnen Delicte.

beikommenden Magistrat. Darauf beruht es, dass wegen der dem Bankhalter während des Glücksspiels zugefügten Realinjurien die Klage verweigert wird 1 und namentlich dass der Ehebrecher gegen die Injurie so zu sagen rechtlich schutzlos ist. In republikanischer Zeit sind in solchen Fällen die schwersten Körperverletzungen straflos vollzogen worden 2 und auch das Kaiserrecht stellt den Satz auf, dass wenigstens wo der Ehebruch die Tödtung gestattet (S. 624), jede Misshandlung gleichfalls straflos ist 8 . Ausserdem ist in dem augustischen Ehebruchsgesetz ausdrücklich vorgesehen, dass wer im Ehebruch betroffen wird, zwanzig Stunden hindurch von clem Verletzten festgehalten werden kann 4 . 4. Die Einwilligung des Geschädigten schliesst, so weit dieser selbst in Frage kommt, die Klage aus 6 . Mitteibare Ob die Absicht zu beleidigen gegen den Beleidigten persönlich injune. ^ ^ ^ durch eine Vermittelung, ist rechtlich gleichgültig. Die Vermittelung kann eine gegenständliche sein, zum Beispiel durch Verunehrung des Bildes 6 , oder eine personale, insofern die Beleidigung der Gattin, des Sohnes, des Dieners auch, und selbst 1

Prätorisches Edict Dig. 11, 5, 1 pr. : si quis eum, apud quem alea lusum esse dicetur, rerberaverit . . . iudicium non dabo, was nach § 2 nicht bloss für die Dauer cles Spiels, sondern zu jeder Zeit und an jedem Ort (ubicumque et quandocumquej gelten soll. 2 Val. Max. 6, 1, 13; beispielsweise die Castration, über deren Zulässigkeit allerdings nicht alle Juristen übereinstimmen (Horaz sat. 1, 2, 46). 8 Dig. 48, 5, 23, 3: qui occidere potest adulterum, multo magis contumelia poterit iure adficere. 4 Paulus 2, 26, 3. Dig. 48, 5, 26.

* Dig. 47, 10, 1, 5: nulla iniuria est, quae in volentem fiat . 1. 26. Handlungsunfähigkeit ist natürlich keine Einwilligung (S. 786 A. 4). — Hieher gehört die von dem Freien bei dem Eintritt in die Fechtschule geforderte eidliche Verpflichtung (auctor amentum), die zu dem Gladiatorengewerbe gehörende Behandlung, Brennen, Fesselung, Schläge, Tod hinnehmen zu wollen (uri vinciri verberari ferroque necari: Petronius 117; Seneca ep. 37, 1). Die nahe liegenden rechtlichen Einwendungen schwiegen begreiflicher Weise gegenüber dem homicidium publicum. — Verwandt scheint der tHautschnittvertrag > (χοπιόερμία; nach der lateinisch-griechischen Glosse 2 p. 198 Götz tinniso [sonst unbekannt] = χοπ(άερμος) der Spätzeit, eine Art freiwilligen Eintritts in die Sclaverei, den Kaiser Anastasius verbot (Malalas 16 p. 401 Bonn.). 6 Quintilian 4, 2, 100 erwähnt als klagbare Injurie die Geisselung der Bildsäule (wie es scheint eines bankerotten Schuldners). Welche Rolle das Kaiserbildniss bei der Majestätsklage spielt, ist bekannt (S. 585). Dahin gehört ebenfalls die Verletzung des Grabes eines Verwandten (S. 786 Α. 1).

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

7

hauptsächlich, gegen den Ehemann, den Vater, den Herrn gerichtet sein kann Dabei wird indess gefordert, dass der Beleidiger das betreffende Verhältniss gekannt hat und also hat wissen müssen, dass die Beleidigung die genannten Personen mit trifft 2 . Wo dies nicht der Fall und also die mittelbare Injurie ausgeschlossen ist 3 , ist dem Ehemann, dem Vater, dem Hausherrn wenigstens nach älterem Recht schwerlich die Klage eingeräumt worden 4. Wegen der dem Freien in der Gewalt 5 oder dem Unfreien (S. 786 A. 3) zugefügten Injurie ist, da diese Personen nicht klagberechtigt sind, dem Gewalthaber die Privatklage in StellVertretung eingeräumt 5. Indess wird dem Haussohn unter Umständen die Klage selbständig gestattet (S. 804 A. 2). Die nur versuchte, nicht ausgeführte Injurie ist straffrei 6 . Anstiftung und Hülfeleistung stehen dem Hauptverbrechen auch hier rechtlich gleich 7 . Wenn der Sclave auf Befehl des Herrn das Delict verübt, gelten beide als Mitthäter (S. 78 A. 2).

injurienGewalt^ habere.

versuch. Mitthnter-

scbaf t

1 Dig. 47, 10, 15, 35: si quis sic fecit iniuriam servo, ut domino facer et, video dominum iniuriarum agere posse suo nomine. Bei Verführung des Sohnes mit dessen Einwilligung wird diesem die Injurienklage verweigert, dem Vater gegeben (Dig. 47, 10, 1, 5). Wo durch denselben Act Vater und Sohn beleidigt sind, laufen beide Klagen unabhängig neben einander her und die Aestimation kann ungleich ausfallen (Dig. 47, 10, 30, 1). Auch die Beleidigung der Braut gilt als Beleidigung des Bräutigams (Dig. 47, 10, 15, 24). 2

Dig. 1, 12, 1, 10. 47, 10, 1, 3.

8

Dies wird ausgesprochen für Frauen und Haussöhne bei Paulus 5, 4, 3 und Dig. 47, 10, 18, 4, ebenso für Unfreie Dig. 47, 10, 15, 45: non caesurus eum si meum scisset. 47, 10, 26. 4

Entgegen steht freilich Dig. 47, 10, 1, 8: sive sciat quis filium meum esse vel uxorem meam sive ignoraverit, habere me meo nomine actionem Neratius scripsit. Praktisch empfiehlt sich die unbeschränkte Beziehung der Fraueninjurie auf den Ehemann allerdings; und dass über die Behandlung der Ehe. frau gestritten worden ist, deuten die Institutionen 4, 4, 2 an, indem sie bei der Wiedergabe die Worte des Gaius (A. 5) dahin abändern: item per uxorem suamy id enim magis praevaluit 5 Gaius 3, 221 : pati autem iniuriam videmur non solum per nosmet ipsos, sed etiam per liberos nostros quos in potestate habemus, item per uxores nostras , cum in manu nostra sint. Die letzten Worte in das Gegentheil zu ändern ist unstatthaft, da die Beschränkung der mittelbaren Injurie auf die Kinder in der Gewalt eine ähnliche hinsichtlich der Ehefrau fordert. 6

Dig. 47, 10, 15, 17.

7

Paulus 5, 4, 20.

Dig. 47, 10, 11 pr. 3—6.

1. 15, 2. 8.

'

Viertes Buch.

8

Die einzelnen Delicte.

Oeffentiiches Dem öffentlichen Verbrechen wird im älteren Strafrecht auf verfahren dem Gebiet der Injurie nur das Schmählied und die Schmähschrift wegen des zugezählt, und auch diese, wie schon bemerkt ward (S. 795), nicht schmahhed>. a j g g ^ j ^ S 0 I l ( i e r n a i s Verletzung der Bürgerpflicht. Das Schmählied muss also von Rechtswegen dem magistratisch-comitialen Verfahren unterlegen haben ; indess erfahren wir nichts von dessen Anwendung auf diesen Fall und sie mag in früher Zeit abgekommen sein. Auch bei der Umgestaltung des Criminalprozesses im letzten Jahrhundert der Republik ist dies Delict keinem derartigen Gerichtshof zugewiesen worden, sondern der Prätor hat es in den Privatprozess hineingezogen (S. 795). Erst ein Senatsbeschluss aus augustischer Zeit hat, zu der ursprünglichen Auffassung des Delicts zurückkehrend, das Schmählied und die Schmähschrift in den Majestätsprozess eingestellt l . Bestrafung Die in den Zwölftafeln für dies Verbrechen angedrohte Strafe 2 ist die capitale und daneben die Intestabilität 3 , der Verlust des a r Schm&hlieds.

.

'

Rechts Zeugniss zu leisten oder auch geleistet zu erhalten, also auch des Testirrechts. Ob diese letztere Strafe gedacht war für den Fall, dass die Capitalstrafe nicht zur Vollziehung kam, oder, wie der Verlust des Bürgerrechts bei der Perduellion, als geknüpft an das Delict selbst, also im Fall der Verurtheilung rückgreifend wirksam, muss dahin gestellt bleiben. Bei der Wiederaufnahme 1

Vgl. S. 565. Tacitus ann. 1,,72: primus Augustus cognitionem de famosis libellis specie legis eius (maiestatis) tractavit, commotus Cassii Severi libidine, qua viros feminasque inlustres procactbus script-is diffamaverat. Gemeint ist die im J. 12 n. Chr. angeordnete Verbrennung derartiger Schmähschriften und Bestrafung ihrer Urheber (Dio 56, 27). Sueton Aug. 55 : censuit cognoscendum posthac de Us, qui libellos aut carmina ad infamiam cuiuspiam sub alieno nomine edant, mit ungenauer Beschränkung auf anonyme Publicationen. Neben der Schärfung des Verfahrens durch Zulassung der Delatoren anstatt der Beleidigten selbst war dabei, wie Dig. 47, 10, 6 hervorgehoben wird, massgebend die Rücksicht auf solche Schmähschriften, die den Angegriffenen nicht ausdrücklich nannten und also im Civilprozess nicht leicht zu fassen waren. 2 Cicero de re p. 4, 10, 12 (S. 794 A. 3). Darauf geht auch die formido fustis bei Horaz ep. 2, 1, 154, nur dass nicht mit dem Scholiasten an das militärische supplicium fustuarium zu denken ist, sondern an die lictorischen Ruthen bei der Hinrichtung more maiorum, die von Rechtswegen noch in Gültigkeit war. 3 Dig. 22, 5, 21 pr. 28, 1, 18, 1. 47, 10, 5, 9. Ulpian führt an der dritten Stelle die Intestabilität auf eine lex zurück, an der zweiten auf einen Senatsbeschluss; jene wird das Zwölftafelgesetz sein, und dieses wird auch Gaius 28, 1, 26 im Sinn haben, dieser der augustische, cler die alte Ordnung wieder aufnahm.

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

8

des Capitalprozesses wurden die Majestätsstrafen auf das Delict erstreckt; doch ist über Relegation und allenfalls Deportation in vorconstantinischer Zeit nicht hinausgegangen w o r d e n D i e späteren Kaiser haben für anonyme Schmähschriften Todesstrafe angedroht 2. Auch die Intestabilität wird noch in clen justinianischen Rechtsbüchern als zu Recht bestehend verzeichnet 8. Neben dem öffentlichen Majestätsprozess wegen einer Schmähschrift ist auch die private Injurienklage zulässig 4 ; wenn indess das eine oder das andere Verfahren stattgefunden hat, ist damit das andere ausgeschlossen. Von der Schmähschrift abgesehen wird die Injurie nach dem älteren Recht im Wege des Privatprozesses behandelt5 sowohl nach dem Zwölftafelverfahren wie nach dem prätorischen Eclict und dem cornelischen Gesetz. Gerichtet ist der Prozess, auf welchen der Begriff des Schadensersatzes sich nicht anwenden lässt, allein auf eine Strafe, mag diese nun in einem andern Uebel oder in einer Geldbusse bestehen6. 1

Privat-

Cassius Severus, dessen Libelle das augustische Senatusconsult veranlassten, wurde verbannt und dann unter Tiberius wegen Rückfälligkeit die Verbannung geschärft (Tacitus ann. 4, 21). Nach der bei Paulus 5, 4, 15 eingerückten Angabe (die aber unmöglich von Paulus herrühren kann, da dieser denselben Fall 5, 4, 16 behandelt) setzte ein Senatsbeschluss — schwerlich der vom J. 12 — die Strafe der Deportation fest. Nach Paulus 5, 4, 16. 17, der die Schmähschrift als qualificirte Injurie behandelt, geht die Strafe usque ad relegationem insulae. 2 C. Th. 9, 34, 1 (nicht aufgenommen bei Justinian). C. Th. 9, 34, 12 = Iust. 9, 36, 2. Vgl. wegen der Bestrafung anonymer Denuntiationen S. 341 A. 1. 3 Vielleicht ist in der späteren Zeit damit nichts gemeint als der mit der Deportation verbundene Verlust des Bürgerrechts; die Umwandlung der Verbannung in Deportation bezeichnet Dio 57, 22 als Entziehung des Testirrechts. Auch C. Th. 16, 5, 7 pr. (ähnlich 16, 5, 36) wird durch sie aufgehoben testandi ac vivendi iure Romano facultas. 4 Horaz sat. 2, 1, 82: si mala condiderit in quem quis carmina, ius est iudiciumque, wo schon der Zeit nach an das öffentliche Verfahren nicht gedacht werden kann. Dig. 47, 10, 6. Die hier erwähnte Nothwendigkeit bei Angriffen auf nicht genannte Personen die öffentliche Klage anzustrengen ist natürlich eine factische; rechtlich steht der Civilklage auch hier kein Hinderniss entgegen. 6 Cod. 9, 35, 7: iniuriarum causa non publici iudicii, sed privati continet querelam. Das. c. 11. 6 Am schärfsten tritt diese Auffassung hervor in der Talion der Zwölftafeln. Treffend sagt Cicero (pro Caec. 12, 35) mit Beziehung auf verletztes Hausrecht: actio iniuriarum . . . dolorem inminutae libertatis iudicio poenaque mitigat. Etwaige Schädigung kann daneben verfolgt werden (Dig. 47, 10, 15, 46: si quis servo verberato iniuriarum egerit, deinde postea damni iniuriae agat, Labeo B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

51

8

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

nach zwölf-

Das Verfahren nach Zwölftafelrecht wird, wie bei den übrigen p r iy a tdelicten, eingeleitet durch einen Sühneversuch, cler allerdings nur bei der schwersten Kategorie im Gesetz erwähnt ist (A. 1). Besonderheiten des Prozesses sind uns nicht bekannt. — Die Strafe ist für den schwersten Fall der Zwölftafel-Injurie, die Verstümmelung des Freien, die Wiedervergeltung (talio) 1 ; für Körperverletzung mit Knochenbruch eine feste Busse von 300 Assen ( = 60 M.?) bei einem Freien, cler Hälfte bei einem Sclaven 2 ; für alle anderen Injurien, worunter clas Gesetz wahrscheinlich jede einem Freien zugefügte Handgreiflichkeit verstanden hat (S. 787), eine feste Busse von 25 Assen ( = 5 M.?) 3 . nach dem Den späteren Verhältnissen sind diese Festsetzungen nicht anEdict ' gemessen. Auf die Talion wurde zwar erkannt, aber gewiss seit früher Zeit damit nicht der Selbsthülfe freier Raum gelassen, sondern im Hinblick darauf, dass dieser Spruch nicht vollstreckbar war, zugleich vom Gericht ein Aequivalent in Geld substituirt 4 : und in gleicher Weise wurden sowohl die übrigen im Gesetz bezeichneten wie die weiter klagbar gemachten Injurien mit Geldstrafen geahndet. Ueber diese ist auch das cornelische Gesetz nicht hinausgegangen5. Die festen Geldstrafen des alten Rechtsbuchs werden den veränderten socialen Verhältnissen gegenüber und gegenüber der bei diesem Delict sehr ungleichen sittlichen Verschuldung tafeirecht.

scribit eandem rem non esse, quia altera actio ad damnum pertineret cidpa datum , altera ad contumeliam; vgl. S. 829 A. 2. Seltsam ist die Aeusserung Cod. 9, 35, 8, dass die Worte des Injurienedicts auch auf die Schädigung Rücksicht nehmen. 1 Zwölftafeln 8, 2 Schöll ( = Festus p. 363 u. a. St. m.): si membrum rupsit, ni cum eo pacit (vielmehr pagit), talio esto. Da für den Sclaven (lies nicht gegolten haben kann, so wird die Verstümmelung hier dem Knochenbruch gleich geachtet worden sein. 2 Zwölftafeln 8, 3 Schöll ( = Coli. 2, 5, 5 u. a. St. m.; im Wortlaut nicht gesichert): si os fregit libero, CCC, si servo , CL poenam subito sestertiorum. Catos Worte aus originum 1. I U I (bei Priscian 6, 69: si quis membrum rupit aut os fregit, talione pn'oximus cognatus idciscitur) sind wahrscheinlich (S. 115) einem zu Catos Zeit noch gültigen latinischen Stadtrecht entnommen; dass die obligatorische Lösung bei os fractum auf Milderung beruht und Talion ihr voraufging, ist nicht wohl zu bezweifeln. 3 Zwölftafeln 8, 4 Schöll (Coli. 2, 5, 5 u. a. St. m.; im Wortlaut geneuert): qui iniuriam alter i facit, XXV sestertiorum poenam subito. 4 Gellius 20, 1, 38: si reus, qui depecisci noluerat % iudici talionem imperanti non parebaty aestimata lite iudex hominem pecuniae damnabat. 5 Bei Paulus und in den Digesten findet sich keine Spur einer der cornelischen Injurienklage eigenen Strafe und da sie dieselbe noch als praktisch behandeln, muss die allgemeine Injurienstrafe auf beide Klagen bezogen werden.

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

8

so wenig wie die Talion sich behauptet haben. Auch in den späteren Satzungen begegnen dergleichen nur vereinzelt, zum Beispiel im prätorischen Edict für die Ladung des Patrons durch den Freigelassenen 1; regelmässig werden die Geldbussen von Fall zu Fall erkannt. Die Beantragung der Geldsumme, welche als Aequivalent der Magistrat Beleidigung angesehen werden soll, steht von Rechtswegen bei dem Kläger. In schwereren Fällen indess wird cler Prätor angegangen, die Festdie von dem Beklagten zu fordernde Terminbürgschaft (vadimonium) nach seinem Ermessen, erforderlichen Falls nach vorgenommenem Augenschein 2 , festzusetzen unci es wird dann von clem Kläger die Klage auf einen dieser Bürgschaftssumme 3 gleichen Betrag gestellt, so class der Kläger hier dafür in gewissem Sinn die magistratische Autorisirung hat. In geringeren Sachen stellt der Kläger ohne solche den Strafantrag nach Ermessen 4. Das Gericht wird, da das Verfahren ein schleuniges sein soll, DasGeder Regel nach aus Recuperatoren gebildet5. Aber bei Realinjurien, insoweit beide Parteien Freie sind (S. 791 A. 2) und bei Hausfriedensbruch (S. 793 A. 1), ohne Zweifel mit der gleichen Einschränkung, hat das cornelische Gesetz das Verfahren an einen quasimagistratischen Dirigenten und ein Consilium gewiesen6 und damit 1

5000 Sest. = 50 aurei: Dig. 2, 4, 12. 1. 24. 1. 25. Zu diesem Zweck kann der Prätor auch während der Gerichtsferien angegangen werden (Dig. 2, 12, 2). 3 Gaius 3, 224: cum atrocem iniuriam praetor aestimare soleat, si simul const ituer it , quantae pecuniae eo nomine fieri débeat vadimonium, hac ipsa quantitate taxamus formulant . Edict. Coll. 2, 6: qui . . . iniuriarum agit . . . taxationem ponat non minorem quam quanti vadimonium fuerit. Die Aenderung non maiorem ist nicht zu billigen; es handelt sich hier in erster Reihe wohl um die cornelische Klage, und bei dieser konnte füglich der Gesichtspunkt massgebend sein, dass das Consilium nur für hohe nicht abzumindernde Bussen in Wirksamkeit treten sollte und der Kläger vor die Alternative gestellt wurde entweder eine ernste Strafe zu erwirken oder sachfällig zu werden. 4 Ein Vergleich wegen eines Fusstrittes wird geschlossen auf 50 000 Sesterzen (Sueton Vit. 7). 5 Cicero de inv. 2, 20, 60. Gellius 20, 1, 13. 6 Die Bestimmung des cornelischen Gesetzes, ut non iudicet, qui ei qui agit gener socer vitricus privigmis sobrinusve est propiusve eorum quemquem ea cognatione adfinitateve attinget quive eorum eius parentisve cuius eorum patronus erit (Dig. 47, 10, 5 pr.) ist trotz der Verstümmelung offenbar der Ueberrest einer die Zusammensetzung des Consilium betreffenden Ordnung und kann zwar nicht im Sinn Tribonians, aber selbst noch in dem Ulpians nur bezogen werden auf die Bildung eines Geschwornenhofs nach der Art der Quästionen. 51* 2

Viertes B c h .

8

Die einzelnen Delicte.

den Injurienprozess dem Criminalverfahren genähert 1, wie denn auch der zur Erhebung der Civilklage unfähige Haussohn hier als Kläger zugelassen wird 2 . Als privater aber wird auch dieser Prozess betrachtet, da das wesentliche Merkmal des iudicium publicum, das allgemeine Anklagerecht, nicht zur Anwendung kommt, sondern nur dem Verletzten selbst die Klage zusteht (S. 368). Den Vorsitz in diesem Verfahren wird entweder der instruirende Civilprätor oder wahrscheinlicher, wie bei dem Gewaltprozess (S. 665), ein substituirter Vormann gehabt haben. Das Gesetz schliesst bei diesen Injurien das Recuperatorenverfahren aus und sie werden darum im prätorischen Edict übergangen; indess ist nach Severus Anordnung die prätorische Klage auch für die abgenommenen Kategorien neben der cornelischen zugelassen worden 3 . Geldstrafe. Der Klagantrag geht immer auf eine feste Geldsumme. An dieselbe ist bei der cornelischen Klage das Gericht gebunden und kann nur freisprechen oder dem Antrag gemäss verurtheilen 4 , da der Prozess vor einem Consilium die Abschätzung wesentlich erschwert. Bei dem Recuperatorenverfahren bestand dies Hinderniss nicht; indess pflegte das Gericht, wenn der Prätor auf die Abschätzung eingewirkt hatte, bei der Verurtheilung dieser sich anzuschliessen5. Wo dagegen bloss der Antrag des Klägers infamie, vorlag, unterlag dessen Abminderung dem freien gerichtlichen 1

Die Injurienklage des cornelischen Gesetzes wird zwar der actio civilis gegenübergestellt (Dig. 47, 10, 7, 6. 1. 37, 1; anderswo 47, 10, 5, 6 als actio iniuriarum legis Corneliae der actio iniuriarum praetoria) und reum recipi wird auf sie bezogen (Dig. 48, 2, 12, 4). Darum wird sie auch von Gaius bei dem Injurienprozess übergangen. Aber sie heisst immer actio, nie accusatio und wie Paulus sie bezeichnet als beruhend theils auf Herkommen, das heisst auf dem Edict, theils auf Gesetz (S. 785 A. 2), so ist sie ihrem Wesen nach eine hinsichtlich der Bildung des Schwurgerichts modificirte Civilklage. Paulus Dig. 3, 3, 42, 1 : ad actionem iniuriarum ex lege Cornelia procurator dari potest , nam etsi pro publica utilitate exercetur, privata tarnen est. 2 Dig. 47, 10, 5, 6. Dabei kommt allerdings in Betracht, dass auch die gewöhnliche Injurienklage im prätorischen Edict unter Umständen dem Haussohn in Aussicht gestellt wird (Dig. 2, 14, 30 pr. 3, 3, 8 pr. 47, 10, 17, 10. 11). 8 Ulpian Dig. 47, 10, 7, 6: posse hodie de omni iniuria, sed et de atroci civiliter agi imperator noster rescripsit. Marcianus Dig. 47, 10, 37, 1 : etiam ex lege Cornelia actio civiliter moveri potest condemnatione aestimatione iudicis facienda. 4 Marcianus a. a. Ο. schliesst bei der cornelischen Klage die gerichtliche Abschätzung deutlich aus. 6 Gaius 3, 224: iudex quamvis possit vel minoris damnare, plerumque tarnen propter ipsius praetoris auetoritatem non auclet minuere condemnationem.

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

8

Ermessen Der Gegensatz der Litisästimation und der Condemnation fällt bei der Injurienklage weg und es wird zugleich über das Delict selbst und über das Strafmass gesprochen. Ausser der Geldbusse trifft den Verurtheilten die Infamie 2 , wobei man sich daran zu erinnern hat, dass diese Klage keineswegs jedem Injuriirten ohne weiteres gegeben ward. Es erstreekt sich dies auch auf den übrigens zulässigen8 Vergleich, insoweit die Parteien sich dabei über eine Geldentschädigung geeinigt haben4. — Calumniöse Anstellung der Injurienklage fällt zwar nicht von Rechtswegen unter die calumniöse Criminalklage, wird aber mit ähnlicher Strenge geahndet5. Mitthäter haften jeder zum vollen Betrag 6 . — Wenn der Sclave die Injurie verübt hat, so unterliegt er den Regeln der Noxa 7 . Der Tod des Schuldigen hebt die Klage auf 8 . Die Tendenz die Injurienklagen möglichst zu beschränken macht wie in der Einschränkung der Klagzulassung so auch in der Behandlung der Klage selbst sich geltend. Der Prätor forderte Zusammenfassung der connexen Beleidigungen9 und präcise Be1 Gaius 3, 224: permittitur nobis a praetore ipsis iuiuriam aestimare et iudex vel tanti condemnat, quanti nos aestimaverimus, vel minoris, prout ei visum fuerit. 2 Atestinisches Gesetzfragment (Bruns S. 103) Z. 3. Julisches Municipalgesetz Z. 111. Prätorisches Edict Dig. 3, 2, 1. Gaius 4, 182 = Inst. 4, 16, 2. Paulus 5, 4, 9: iniuriarum civiliter damntaus eiusque aestimationem inferre iussu s famosus cfßcitur. Das. 18. 19. 20. Dig. 47, 10, 7 pr. 1. 42. Cod. 2, 11, 5. c. 18. Es erstreckt sich dies sogar auf die dem Sclaven zugefügte Injurie (Cod. 2, 11, 10). Dass für die cornelische Klage dies nicht galt, ist nicht wohl denkbar. Das damnum cum infamia (Dig. 48, 19, 8 pr.) passt auf die Injurienklage wie auf das Furtum. — Entziehung des Decurionats wegen schwerer Injurien: Dig. 47, 10, 40. 8 Dig. 2, 14, 27, 4. Ist ein Sclave der Injurie überwiesen, so soll versucht werden durch Züchtigung desselben vor Gericht, das heisst durch magistratische Coercition, den Kläger zu bestimmen von der Verurtheilung abzusehen (Dig. 47, 10, 17, 6). 4 Dig. 3, 2, 1 (vgl. 2, 14, 27, 4). Cod. 2, 11, 18. Vgl. S. 803 A. 4. 6 S. 497. Paulus 5, 4, 11: exilii vel insulae relegatione aut ordinis amissione. Dig. 47, 10, 43: qui iniuriarum actionem per calumniam instituit, extra ordinem damnatur, id est exilium aut relegationem aut ordinis amotionem patiatur. 6 Dig. 47, 10, 34. 7 Dig. 47, 10, 17, 4. 7. vgl. 36. 8 Dig. 2, 11, 10, 2. 47, 10, 1, 3 pr. 1. 15, 14. 9 Dig. 47, 10, 7, 5.

8 6

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Zeichnung derselben für Ertheilung der Instruction an den Geschwornen 1 . Die Eidesdelation des Klägers an den Beklagten wird zugelassen2, auch wegen factisch verziehener Injurie die Klage verweigert 3 . Verweigert wird sie ebenfalls den Erben des Beleidigten, wenn dieser sie nicht bis zur Litiscontestation geführt hat 4 . Nur bei dem prätorischen Injurienprozess wird mittelst der Gegenklage (contrarium iudicium) dem Kläger für den Fall der Abweisung die Geldstrafe eines Zehntels der eingeklagten Summe auferlegt 5 . .Sie unterliegt der kurzen prätorischen Verjährungsfrist 6, obwohl sie ungefähr mit dem gleichen Recht wie die Klage wegen handhaften Diebstahls auf die Zwölftafeln zurückgeführt werden konnte. Erleichtert wird auch für den Fall der Verurtheilung die Abwendung des an dieselbe rechtlich geknüpften Ehrverlüste 7. In der Spätzeit ist das Injuriendelict ähnlich behandelt worden wie das des Furtum; die Privatklage bleibt zulässig, aber in zahlreichen Fällen tritt das öffentliche nominell ausserordentliche, der Sache nach als qualificirter Injurienprozess auftretende 8 Strafverfahren ein 9 . Von dem Kirchenfrevel und der Gotteslästerung 1 Gaius 4, 60. Coli. 2, 6. Quintilian 6, 3, 83 (anscheinend defect): colaphum tibi ducam et [excipiam, si] formulant scribes , quod caput durum habeas. 2 Dig. 47, 10, 5, 8. Cod. 2, 10, 18. 8 Dig. 47, 10, 11, 1. 4 Dig. 2, 11, 10, 2. 47, 1, 1, 1. tit. 10, 13 pr. 1. 15, 14. 1. 28. In der Rechtsconsequenz liegt dies nicht, so wenig wie dass bei Injuriirung eines Sclaven mehrerer Eigenthümer diese nur Quotenklagen haben (I)ig. 47, 10, 15, 49. 1. 16). 6 Gaius 4, 118. β Cod. 9, 35, 5. Vgl. Dig. 47, 10, 17, 6. 7 Dass bei der Privatklage der Beklagte die Infamie durch Vertretung abwenden kann (Dig. 3, 2, 6, 2. 37, 15, 2 pr.), ist auffallend, da durch Zulassung der Vertretung die Infamie bei den Personen, die einen Sachwalter zu honoriren im Stande sind, illusorisch wird. Aber wahrscheinlich ist eben dies beabsichtigt worden; die effective Infamie hätte sich schwerlich durchführen lassen. 8 In Beziehung auf die Anfechtung der Freiheit unterscheidet Diocletian (Cod. 7, 16, 31) das private und das Öffentliche Delict als iniuria und calumnia: si tibi servitutis improbe moveatur quaestio , sollemnibus ordinatis de calumnia vel iniuria, prout vindictae viam elegeris . . . sententiam postulare p>otes. Ein fester Sprachgebrauch lässt sich daraus nicht entwickeln; calumnia steht hier in dem generellen Werth (S. 491 A. 2). 9 Inst. 4, 4, 10: in summa sciendum est de omni iniuria eum qui passus est posse vel criminaliter agere vel civiliter: et si quidem civiliter agatur , aestimatione facta . . . poena imponitur; s in autem criminaliter , officio iudicis extraordinaria poena reo irrogatur. Hermogenian Dig. 47, 10, 45: de iniuria nunc extra ordinem ex causa et persona statui soleL

Neunter Abschnitt.

Personalerletzung.

87

(S. 598) abgesehen ist dies vorzugsweise der Fall, wo clie Injurie gegen einen Beamten verübt wird 1 oder verübt wird in einem der Behörde eingereichten Schriftstück, namentlich in der Appellationsschrift gegen den Richter erster Instanz 2 , oder wo das Civilverfahren ausgeschlossen oder aussichtslos war, zum Beispiel wenn eine niedrig stehende unvermögende Person 3 oder der Sclave eines abwesenden Herrn dies Delict begangen hatte 4 . Criminell behandelt werden ferner von den früher hervorgehobenen Fällen der Injurie die den Eltern von den Kindern zugefügte Beleidigung 5 , die Anfechtung der Freiheit (S. 793 A. 5), die Störung des ehelichen Friedens (S. 792 A. 3), die Verletzung des Hausrechts (S. 793 A. 2), die Beschädigung der Wasserleitungen und ähnliche Vergehen (S. 793 A. 2), die Verleitung des Sclaven zur Flucht in das Asyl (S. 795 A. 2), überhaupt ein jedes öffentliches Aergerniss (S. 796 A. 3), wie denn in dieser Epoche auch das Schmählied hieher gezogen ward (S. 801 A. 1). Criminell bestraft wird in gleicher Weise nach Analogie der Calumnia des öffentlichen Prozesses die schikanöse Anstellung der Injurienklage (S. 805 A. 6). Die schwere Injurie des älteren Rechts tritt bei diesen übrigens nur beiläufig zur Sprache kommenden Einzelfällen als solche nicht hervor. Im justinianischen Recht wird die criminelle Injurienklage neben der civilen allgemein zugelassen (S. 806 A. 7), das heisst in jedem einzelnen Fall dem Beamten freigestellt zu diesem Verfahren zu greifen. Auch wo die Behörde nicht auf eigene Kenntniss hin straft, sondern auf Anzeige, ist das Verfahren meistens summarisch; die förmliche Accusation ist nicht ausgeschlossen6, aber nicht häufig. Von der anonymen Schmähschrift abgesehen beschränkt sich die Strafe der Regel nach 1 Dig. 47, 10, 15, 30: (.Papinianus) ait eum, qui eventum sententiae velut daturus pecuniam vendidit, fustibus a praeside ob hoc castigatum iniuriarum damnatum videri. Die Infamie kann also auch bei dem criminellen Verfahren eintreten. 2 Paulus 5, 4, 18 = Dig. 47, 10, 42: convicium iudici ab appellatoribus fieri non oportet; alioquin infamia notantur. Paulus 5, 35, 3. Dig. 49, 1, 8. Auch hier wird die Infamirung wohl desswegen hervorgehoben, weil die Bestrafung ohne formalen Prozess eintritt. 3 Dig. 47, 10, 35. 4 Dig. 47, 10, 9, 3. 5 Dig. 37, 15, 1, 2: si films matrem aut patrem . . . contuméliis adficit vel impias manus eis infert, praefectus urbis delictum ad publicam pietatem pertinens pro modo eius vindicat. Cod. 8, 46, 4. 6 Denn die Verordnung Zenos (Cod. 9, 35, 11; Inst. 4, 4, 10) giebt den Personen der höchsten Rangklasse das Recht in dem criminellen Injurienprozess als Kläger wie als Beklagte Procuratoren zu bestellen.

Viertes Buch.

8

Die einzelnen Delicte.

bei Personen besserer Stände auf zeitweise Verbannung oder nach Umständen Suspension vom Beruf 1 , bei Geringeren auf Züchtigung 2 , bei Sclaven auf Geisselung8. Doch sind auch schwerere Strafurtheile ergangen 4. 1

Dig. 47, 10, 45. Dig. 1, 12, 1, 10. tit. 16, 9, 3. 47, 10, 15, 30. 1. 45. 3 Paulus 5, 4, 22: servus . . . flagellis caesus sub poena vinculorum temporcdium domino restituitur. Dig. 47, 10, 9, 3. 1. 45. 4 Einschleicher exilium aut metallum aut opus publicum: Paulus 5, 4, 8. Sclaven und Freigelassene in schweren Fällen Bergwerk: Paulus 5, 4, 22. Dig. 1, 12, 1, 10. — Umgekehrt kommt auch blosser Verweis vor: Dig. 1, 12, 1, 10. tit. 16, 9, 3. 2

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung. Das Eigenthum kann in zwiefacher Weise verletzt werden, sachbetheils durch Aneignung, theils durch Zerstörung oder Beschädigung, défient? Anwendbar sind beide Begriffe gleichmässig auf das Götter- und l i c h e n ™d Staats- und auf das Privatgut; aber wenn bei der Aneignung das ^ Μ Γ Sacrilegium am Tempel- und der Peculat am Staatsgut dem Diebstahl am Privatgut entsprechen, so begegnen in unserer Ueberlieferung neben der Sachbeschädigung des Privatguts keine allgemeinen dem Sacrilegium und dem Peculat entsprechenden Rechtsbegriffe, wenn gleich für die sacrale Sachbeschädigung in älterer Zeit violatio technisch gewesen zu sein scheint 1 und durch seine Herleitung beweist, dass auch in diesem Kreis, ebenso wie in dem privaten, die Sachbeschädigung strafrechtlich in erster Reihe als Gewaltthat berücksichtigt worden ist. Weniger wohl die Administrativjustiz der Censoren und der gleichartigen Beamten, die das contradictorische Verfahren regelmässig ausschliesst, als die mit jeder öffentlichen Anlage sich verknüpfende Speciallegislation hat dazu geführt, dass in unserer Ueberlieferung es zwar an Bestimmungen über Beschädigung von einzelnen Tempeln, Wegen2, 1

Violare ist technisch nicht bloss bei der Verletzung des Grabes, sondern auch bei der des Götterguts ; die sehr alte spoletinische Hainordnung (Bruns fontes p. 260) beginnt : honce loucom ne quis violatod und Cicero pro Rab. ad pop. 2, 7 sagt: de locis religiosis ac de lucis, quos ab hoc molatos esse dixisti. Etymologisch ist violatio die Vergewaltigung überhaupt und der spätere Sprachgebrauch erstreckt das Wort auf jeden Frevel; aber die Verengerung im technischen Gebrauch ist hier mindestens ebenso berechtigt wie bei der iniuria. 2 Der Prätor behandelt in seinen Interdicten die Wege wesentlich von dem Gesichtspunkt desjenigen Interesses aus, welches dem Privaten am öffentlichen Eigenthum zusteht; das Verhältniss des Staates zu dem Schädiger des Weges wird nur hie und da gestreift.

Viertes Buch.

8

Die einzelnen Delicte.

Wasserleitungen 1 und verwandte Rechtsverletzungen nicht fehlt, aber allgemeine Bestimmungen über die Beschädigung von Götter- und Staatsgut so gut wie vollständig mangeln, mit einziger Ausnahme des Gräberrechts, welches, eigentlich nicht zum Privatrecht gehörend, schon in früh republikanischer Zeit in dasselbe hineingezogen worden sein mufs. Das Strafrecht darf dieses Gebiet weder ignoriren noch aus unzulänglichen Einzelheiten Phantasiebilder construiren; wir versuchen zusammenzustellen, was in den Quellen sich findet. Die Körperbeschädigung und die Tödtung des freien Mannes, so weit sie nicht unter die Injurie und den Mord fallen, sind diesem Abschnitt eingereiht, da sie strafrechtlich überwiegend nach der Analogie der Sachbeschädigung behandelt werden. 1. Tempelschädigung. TempelDie staatliche Dedication eines Heiligthums wie überhaupt schfidiguDg. e j n e g j e ( j e n öffentlichen Gebäudes ist häufig in Form eines Volksschlusses vollzogen worden, hat aber vielleicht, insoweit sie Festsetzungen trifft gegen Entwendung und Schädigung, auch dann verbindliche Kraft, wenn sie bloss in der Form der Dedication auftritt 2 . Ein solches Regulativ erhielt jeder Tempel 3 ; aber es pflegt bei den späteren derartigen Acten auf die alte Dedication cles Tempels der Diana auf dem Aventin in einer Weise Bezug genommen zu werden 4 , dass diese Ordnung als sacral allgemein anwendbar gegolten zu haben scheint. Uns ist daraus nichts erhalten. Anderweitig erkennen wir, dass im Sacralrecht die Beschädigung , wie dies der Sache entspricht, intensiver gefasst ward als im Privatrecht: nicht bloss jede Verunreinigung des geweihten Bodens ist strafbar 5 , sondern auch jede Bebauung 1

Namentlich deren Behandlung ist in dieser Hinsicht instructiv (S. 823). Das deutlichste Bild eines solchen Actes giebt das Dorfgesetz von Furfo vom J. 696/58 (S. 225 A. 3. S. 762 A. 3); es kann nicht auf municipale, sondern nur auf collegiale Autonomie zurückgeführt werden, spricht aber dennoch die Multation allgemein aus. 8 Festus p. 189 : huius (der Ops) aedis lex nulla extat neque templum habeat neene scitur. 4 Dedicationen von Narbo im J. 11 n. Chr. (C. X I I , 4333 = Bruns p. 261) und von Salonae im J. 137 (C. III, 1933 = Bruns p. 263): ceterae leges huic arae titulisque (fehlt Sal.) eaedem sunto quae sunt arae Dianae in Aventino (Av. monte dietae Sal.). Angeführt wird die Urkunde bei Festus p. 165 unten nesi. 5 Lex rivi (savoyische Inschrift C. XII, 2426 = Bruns p. 265): si quis in eo mi(n)xserit spurciti(am) fecerit, in tem(plum) loci s d . . . (denarium) I d(ato). 2

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

811

oder sonstige dem sacralen Zweck zuwiderlaufende Benutzung1. Die Strafe, welche immer absichtliches Handeln voraussetzt und ausdrücklich von der bei unabsichtlicher Entweihung erforderlichen Sühnung (piaculum) unterschieden wird 2 , wird in schweren Fällen die capitale gewesen und gleich dem Sacrilegium im öffentlichen Prozess verhandelt worden sein; da an die ernstlich gläubige Epoche der Römer weder die Litteratur noch mit vereinzelten Ausnahmen die Steinschriften hinanreichen, so kann das Fehlen der Belege nicht befremden 8. Bei geringeren Vergehen tritt die Geldstrafe ein, und zwar in ihrer doppelten Form: entweder als von dem Magistrat — nicht von dem Priester — nach Ermessen auferlegte Mult 4 , bei welcher ohne Zweifel die Provocationsgrenze einzuhalten oder bei deren Ueberschreitung die Provocation zulässig war, oder als in der Tempelordnung fest normirte in der strengen Form des Executivprozesses (pro iudicato) von jedem Bürger civilrechtlich einklagbare Geldbusse5, von welcher dem obsiegenden Kläger eine Quote zufiel 6 . Lucerische Hainordnung (C. I. L. IX, 782 = Bruns p. 260): in hoce loucarid stircus ne quis fundatid neve cadaver proie citad neve parentatid. Man vergleiche damit die Auffassung der Verunreinigung bei der privaten Sachbeschädigung Dig. 9, 2, 27, 14. 1 Dig. 43, 6, 1 pr. tit. 8, 2, 19. 2 Die spoletinische Hainordnung (S. 809 A. 1) unterscheidet bei der Contravention (sei quis violasit) die zufällige und die absichtliche (scies clolo malo); in beiden ist Sühnung erforderlich (love bovid piaclum datod), im zweiten daneben eine Busse von 300 Assen (eius piacli moltaique dicator[ei] exactio estfodj. Auch in dem Stadtrecht von Genetiva c. 73 wird bei Bestattung innerhalb der Stadt Geldstrafe und Expiation gefordert. 3 Dass dem Rabirius, wenn auch nur beiläufig, eine derartige Violation zur Last gelegt wird (S. 809 A. 1), spricht allerdings für deren Einstellung unter die eigentlichen Criminalverbrechen. Die römische Rechtsinterpretation könnte wohl das sacrilegium über die eigentliche Bedeutung des Diebstahls am Göttergut hinaus (S. 760 A. 7) auf die Zerstörung und Schändung desselben erstreckt haben; aber es fehlen dafür die Belege. Dass sacrilegium zuweilen von der Gräberschändung gebraucht wird (C. I. L. VI, 10120: fodere noli , ne sacrilegium committas), ist bei dem verschwommenen Gebrauch des Wortes (a. a. O.) ohne Belang. 4 Lucerische Hainordnung (S. 810 A. 5): seive macisteratus volet moltare, licetod. Die spoletinische setzt diese Alternative nicht. 5 Lucerische Hainordnung: [in] tum (= eum) quis volet pro ioudicatod n(ummum) I (vielmehr L) manum iniectjijo estod. Spoletinische Hainordnung: a (ses) CCC moltai suntod . ... moltaique dicator[ei] exactio est [od]. Der dicator ist vermuthlich der dedicirende Magistrat einschliesslich seiner Amtsnachfolger. 6 Lex rivi (S. 810 A. 5): del(atoris) pars dim(idia) esto. nesi (=sine) l. p. u. (unerklärt).

8

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

2. Gräberschädigung1. GräberWenn einem jeden von Gemeindewegen consecrirten Tempel • S i r e * n rechtsverbindliches Regulativ mitgegeben und dadurch eine Recht, allgemeine Strafordnung einigermassen entbehrlich ward, so mag wohl ursprünglich, als die Grabstätten ausschliesslich Geschlechtsgräber waren 2 , die bis zu einem gewissen Grad innerhalb des Staats anerkannte Geschlechtsautonomie die rechtsverbindliche Dedication an die Manen und damit auch strafrechtliche Ordnungen eingeschlossen haben. Aber für die historische Epoche, welche wie das Privateigenthum so auch das Privatgrab entwickelt hat, konnte die private Dedication an die Geister der \^erstorbenen, auch wenn, wie wahrscheinlich (A. 4; S. 815 A. 2), dem für solchen Zweck sich seines Eigenthums begebenden Grabstifter gewisse Rechtsbegünstigungen zu Theil wurden, doch unmöglich ohne weiteres einen allgemein gültigen Rechtsschutz begründen und den delictischen Strafprozess herbeiführen. Noch weniger genügte dafür die allerdings bis in späte Zeit fortbestehende Piacularordnung 8. Eine staatliche Ordnung des Gräberschutzes wird schon dadurch gefordert, dass das Zwölftafelgesetz die Usucapion untersagt 4 , während das Privatgrundstück den gleichen Schutz niemals er1 Die Abhandlung von Gustav Hirschfeld über die griechischen Grabschriften, welche Geldstrafen anordnen (Königsberger Studien 1, 83 fg.) und die von Ferd. Wamser de iure sepulcrali Romanorum quid tituli doceant (Darmstadt 1887) bieten das massenhafte inschriftliche Material übersichtlich geordnet. 2 Die römische Grabstätte im rechtlichen Sinn ist nicht jeder Todtenplatz, sondern eine Kategorie des Bodeneigenthums; dasselbe steht theils als Staatsgut entweder der Bürgerschaft zu (locus publicus) oder den Göttern derselben (locus sacer), theils als Privatgut entweder dem einzelnen lebenden Bürger (locus privatus) oder den Geistern der Verstorbenen (locus religiosus). Wer kein Eigenthum haben kann, wie der Unfreie, kann auch kein eigenes Grab haben und auch der Freie erlangt ein solches nur als Bodeneigenthümer. So lange also am Privatland das Eigenthum dem Geschlecht zustand und nicht dem Einzelnen, hat es auch Privatgräber nicht geben können; und auch in späterer Zeit sind die Grabstätteninhaber im strengen Sinn die Bodeneigenthümer, wobei freilich die starre Rechtsregel, dass nur der Grundbesitzer ein Grab haben kann, gemildert wird durch die diesem zustehende Befugniss dritte Personen in die Grabstätte aufzunehmen. Es ist dies weiter entwickelt in meiner Abhandlung zum römischen Grabrecht (Ztsch. der Savignystiftung, röm. Abth. 16, 203 fg.). 8 Bei Translation der Leichen wird das piaculum gefordert C. I. L. VI, 1884 und in dem tarracinensischen Pontificaldecret C. I. L. X, 8259 = Bruns p. 237, die sacrificia bei Paulus 1, 21, 1. Auch 1, 21, 4. 12 ist bei diesem von demselben piaculum die Rede. Auch hier gilt dann durchaus das S. 811 A. 2 Bemerkte. 4 Zwölftafeln 10, 11 Schöll = Cicero de leg. 2, 24, 61.

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

81

halten hat. Nichts desto weniger können wir nur negativ constatiren, dass gegen die Gräberschädigung weder cler ursprüngliche Civilprozess eine Rechtshülfe gewährt hat 1 noch ein öffentliches Delict nachgewiesen werden kann, unter welches dieselbe fiele 2. Es mag wie bei der Tempelschädigung in schweren Fällen das Capitalverfahren, in leichteren clie magistratische freie oder die legal normirte Muitirung eingetreten sein; aber Belege fehlen gänzlich. Erweisbaren Rechtsschutz hat das Grab erhalten durch die pieprMowahrscheinlich in früher Zeit in das prätorische Edict ein geführte ns w e g e n privatrechtliche Klage 3 wegen Verletzung desselben. Verstanden Gr&berwird unter der Verletzung, wie clie Rechtsbücher sowohl wie un- v e zählige Grabschriften wesentlich übereinstimmend angeben, ausser der unmittelbaren Zerstörung und Beschädigung des Grabmals, für welche es keiner weiteren Erörterung bedarf 4, theils die Beisetzung anderer als der vom Stifter zugelassenen Personen in dem Grabe 5, theils die Behandlung der Grabstätte als Privateigenthum durch Einrichtung derselben zur Wohnung 6 oder durch Kauf und Verkauf 1

Von der nächst verwandten aquillischen Klage wird ausdrücklich bemerkt, dass sie auf Grab Verletzung nicht anwendbar sei (Dig. 47, 12, 2 pr.); sie fordert Privateigenthum. Die Injurienklage wird nur für Beleidigung des Lebenden gegeben, welche in der Grabverletzung enthalten sein kann, aber nicht nothwendig enthalten ist (S. 785). 2

Dass das Zwölftafelbuch von einer Strafklage wegen Gräberverletzung nicht sprach, kann nach der ciceronischen Auseinandersetzung (S. 812 A. 4) keinem Zweifel unterliegen. Kein Gewicht wird zu legen sein auf die Worte Julians C. Th. 9, 17, 5 => Iust. 9, 19, 5: (sepulcrum violare) proximum sacrilegio maiores semper habuerunt. Vgl. wegen des sacrilegium S. 811 A. 3. 3 Die Grab Verletzung (sepulcrum violatumj erscheint in der Stellung wie in der Behandlung bei den klassischen Juristen und noch in den Pandekten unter den Privatdelicten ; erst in späteren Rechtsbüchern (C. Th. 9, 17 ; C. Iust. 9, 19) ist sie zu dem öffentlichen Strafverfahren gestellt. Auch was diese unter den betreffenden Abschnitten mittheilen, gehört überwiegend der Privatklage an, während die criminelle darin nur beiläufig auftritt. 4 Wegführung von Baumaterial: Paulus 1, 21, 5. 8. — Zerstörung der Inschriften: Paulus 1, 21, 8 und häufig auf Inschriften, z. B. C. I. L. V I , 24799: quisquis hoc monumentum violaverit aut titulum deasciaverit aliove quo nomine inscripserit, ddbit in aerarium p. R. HS. XX vi. n.; andere Beispiele Wamser p. 31. Ein darüber geführter Prozess, für den auch das Belegstück noch erhalten ist, C. I. L. X, 3334 = Bruns p. 361. 5

Paulus 1, 21, 6. 9. Dig. 47, 12, 3, 3. Wamser S. 21 fg.

Zahlreiche inschriftliche Belege

β Dig. 47, 12, 3 pr. § 6. Paulus 1, 21, 12. Die Klage ging in diesem Fall auf 20 000 Sesterzen.

Viertes Buch.

8

Die einzelnen Delicte.

und ähnliche Acte 1 . In diesem Fall verheisst der Prätor eine Klage, zunächst den bei dem Grabe interessirten Personen, aber wenn solche nicht auftreten, einem jeden 2 , gerichtet auf eine dem Kläger zufallende Geldbusse von 10000 Sesterzen ( = 2000 M.) 3 , welche aber, wenn ein bei dem Grabe Interessirter klagt, nach Umständen erhöht werden kann 4 . Ausserdem hat die Verurtheilung infamirende Wirkung 5 . Gräberbasse Aerarialstrafen hat es für clie Gräberschändung bis in das Kaiserzeit. 2. Jahrhundert n. Chr. hinab nicht gegeben6. Aber unter Marcus und Verus, vielleicht schon unter Pius 7 ist, schwerlich im ganzen 1

Auch die weiterhin zu erwähnenden aerarialen Bussen richten sich vorzugsweise gegen das Verkaufen oder Kaufen der Grabstätte, als wäre sie Privatgut; der S. 813 A. 4 erwähnte Prozess dreht sich gleichfalls darum. Zuweilen ist die Fassung noch allgemeiner; so wird C. I. L. VI, 7788 mit Geldbusse bedroht, si quis huic monumento post me cdiquam controrersiam facere voluerit. 2 Dig. 47, 12, 3 pr. 1. 6. 3 Dig. 47, 12, 3 pr. 4 Dig. 47, 12, 3, 8. vgl. 1. 6. 1. 10. Schadensersatz im Rechtssinne ist ausgeschlossen, da auch dem bei dem Grab Interessirten dasselbe nicht gehört. 5 Dig. 47, 12, 1. 6 Das tudertinische Fragment C. I. L. X I , 4632 = Bruns p. 155: [quae poenae cautum iure Quijritium comprehensumve est uti dentur p(opulo) Rfomano), u[ti eaedem dentur colonis eius coloniae ius esto] scheint auf die Grabordnungen sich zu beziehen, da die Worte folgen : . . . eorum qtii quoque anno inferiarum sacri . . a b e r welche Leistungen an die Gemeinde gemeint sind, erhellt nicht. Andrerseits zeigt die Grabordnung eines vornehmen Lingoners, wohl aus dem Ende des 1. Jahrh. n. Chr., C. I. L. XIII, 5708 = Bruns p. 275, indem sie seinen Erben eine an die Stadtgemeinde zu entrichtende Busse auflegt, falls sie das Grab verletzen oder versäumen sollten, ihre Erben und Erbeserben in gleicher Weise zu verpflichten und daran, es scheint als Rechtsfolge, die Worte angeknüpft werden: haec poena [ab] omnibus dominis huius possessionis in perpetuum infer a tur, dass dem Concipienten dieser Urkunde kein Rechtsmittel zu Gebote stand, die Geldstrafe für die Grabschädigung für alle Zeiten und für alle Personen festzustellen ; sonst hätte er diesen weitläufigen und doch nur die Besitzer des Hauptgrundstücks treffenden Anordnungen die einfache Strafclausel substituirt. Auch fordert es die Rechtsconsequenz, dass eine derartige für jeden und für alle Zeit verbindliche Ordnung nicht durch Privatact getroffen werden kann, und hätte die Rechtsordnung dies ausnahmsweise zugelassen, so würden die weiterhin zu erwähnenden Bussen allgemein und von je her auftreten, nicht aber so wie wir sie finden, beschränkt auf die spätere Zeit und auf gewisse Reichstheile. 7 Die zahlreichen lateinischen und griechischen Inschriften, in welchen die Gräberbusse begegnet, scheinen ohne Unterschied der Sprache, des Empfängers und des Orts ungefähr gleichzeitig zu beginnen; insbesondere treten die ärarialen Bussen keineswegs, wie ich früher vermuthet habe, früher auf als die pontificalen. Ich habe keine finden können, die mit Sicherheit vor die Mitte des 2. Jahrh. gesetzt

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

81

Reich, aber sowohl in Rom und Italien wie in einem Theil der östlichen Provinzen 1, die Grabverletzung in die Reihe derjenigen Strafverfahren gezogen worden, bei denen die Busse ganz oder grösstenteils den öffentlichen Kassen zu Gute kam. Auf die rechtliche Grundlage dieser Ordnung wird in den italischen Angaben nirgends hingewiesen2 : in den östlichen Provinzen werden in dieser werden könnte. Die ältesten mir bekannten sicherer Datirung sind die lateinische von Antium vom J. 167 (C. I. L. X, 6706: 20000 Sesterzen an das aerarium p. R.) und die griechische vom J. 249 der sullanischen Aera = 169 n. Chr. von Philadelphia in Lydien (athen. Mitth. 6, 371 : τ φ ταμίφ β0φ). Die Inschrift C. I. L. VI, 29289 zeigt wohl traianische Nomenclatur und P. Aelii begegnen mehrfach (C. I. L. VI, 10693. 10724. 22518), ein Freigelassener des Pius C. I. L. VI, 8518; aber füglich können alle diese Steine erst unter Marcus gesetzt sein. Die Inschriften von Thessalonike, die G. Hirschfeld in die J. 119 und 121 setzt, sind sicher nach der jüngeren Aera in 249 und 251 zu setzen. Den Proconsul T. Statius Quadratus der Inschrift von Magnesia C. 1. Gr. 3410 setzt man jetzt meistens in 155, aber doch vielleicht richtiger in 166. Ob der Proconsul Catilius Severus der Inschrift von Thyateira C. I. Gr. 3507 der Consul des J. 120 ist oder der Zeitgenosse Alexanders, ist ebenfalls fraglich. Die Inschriften C. I. L. VI, 9485. 10238 scheinen älter, aber die darin angeordneten Zahlungen entsprechen nicht der späteren Ordnung. Dass bei einem unter Auflage ständiger Parentation einem Collegium gegebenen Legat das Aerarium substituirt wird (C. I. L. VI, 1925), hat mit der Busse nichts gemein. 1 Häufig begegnen diese Bussen in der Stadt Rom. Ausserdem treten dabei in Italien besonders Ostia, Puteoli und Aquileia hervor; indess finden sie sich auch sonst und mögen wohl überall zulässig gewesen sein. Dass eine ähnliche Ordnung schon in vorrömischer Zeit in Lykien und in Karien bestanden hat, hat G. Hirschfeld gezeigt. Die lykische Inschrift C. I. Gr. 4259 fällt lange vor die römische Epoche und dasselbe gilt, wie Benndorf mir mittheilt, nach Sprach- und Schriftform von zwei anderen ebenfalls lykischen C. I. Gr. 43002 und Benndorf, Reisen im S.W. Kleinasiens 2, 56 N. 108. Auch die Formel χα&άπ(ρ Ιγ ΰίχης, welche in den beiden letztgenannten begegnet, wie auch die gleich werthige ώς tx χαταδίχης einer karischen aus römischer Zeit (Lebas-Waddington 1639), gehören, wie Mitteis (Reichsrecht und Volksrecht S. 401 fg.) sehr schön entwickelt hat, den hellenischen Ordnungen, nicht den römischen an, wenn sie auch, vermuthlicn auf Grund urältesten Herkommens, im wesentlichen dem römischen Verfahren pro iudicato entsprechen. Aber die Einrichtung derartiger Bussen liegt so nahe, dass altgriechische Gebräuche und Administrativvorschriften der Kaiserzeit füglich beide selbständig entstanden sein können; ausgeschlossen ist es freilich auch nicht, dass locale Anordnungen dieser Art die römischen Statthalter der östlichen Provinzen und allenfalls auch den römischen Senat zu gleichartigen Einrichtungen angeregt haben. Auf jeden Fall gehört die Einrichtung, wie sie uns vorliegt, dem römischen Kaiserregiment des 2. Jahrh. an. Dem ganzen Westen (Spanien, Gallien, Britannien) und ebenso dem fernen Osten (Syrien, Aegypten) ist sie wesentlich fremd geblieben, obwohl sie in der Spätzeit auch hier (so in Britannien C. I. L. VII, 922) vereinzelt zur Anwendung gekommen ist. 2 Für die dauernde Zugänglichkeit der Grabstätten berufen sich einige Stadt-

Viertes Buch.

86

Die einzelnen Delicte.

Verbindung kaiserliche Erlasse genannt 1 . Zu Grunde liegt wahrscheinlich zunächst ein nur für Rom und Italien, wie zum Beispiel der hosidische über die Niederreissung städtischer Gebäude, erlassener Senatsbeschluss, und sind dann im Anschluss an diesen in verschiedenen Provinzen durch Kaiserverordnungen und Edicté der Statthalter und vor allen Dingen durch die Handhabung der städtischen Autonomie 2 ähnliche Regulative ins Leben getreten. Das Schweigen der Rechtsquellen — wir kennen diese Einrichtung nur aus zahlreichen Inschriften — und die örtliche Verschiedenheit in dem Auftreten und der Handhabung dieser Bussen schliessen die Annahme allgemeiner Reichsordnungen dieses Inhalts aus; doch sind sie so weit verbreitet, dass es gestattet sein wird, ihren wesentlichen Inhalt hier zu verzeichnen. Die öffentliche Busse, welche neben die prätorische tritt — denn die prätorische Delictklage wurde keineswegs beseitigt —, wird nicht gefasst als aufgelegt von der Obrigkeit, sondern wie bei der Injurie als auf gesetzlicher Gestattung beruhende Ansetzung des Grabstifters und heisst darum niemals multa, sondern poena, griechisch πρόστιμον. Wahrscheinlich aber hat cler Grabstifter sie nicht anders festsetzen können als nach vorgängiger Anzeige an diejenige Behörde, welche späterhin über deren Verfall zu entscheiden hatte, also nach dem weiterhin Bemerkten in Rom nach Anzeige römische Grabschriften (C. I. L. VI, 9404. 10235 vom J. 149) auf die lex publica oder die lex (das. 19949), ähnlich wie in der Erbeinsetzungsformel (Gai. 2, 104) und vielleicht auch in der Bestimmung über das Vereinsrecht (Dig. 47 , 22 , 2); hier sind die Zwölftafeln gemeint und auch in jenem Fall ist der Ausdruck vielleicht ebenso zu fassen. Bei den Grabbussen, so oft sie erwähnt werden, begegnet nichts Aehnliches. 1

ό^ιφίί

Antiphellos in Lykien C. I. Gr. 4300 p. 1128: τ\ινν,

υπ]6υ&ννος

'έοται

τοις

δια των Θ^είων

in Asia Bull, de corr. hell. 1881 p. 345:

υπεύθυνος

tàv

âé

δια[ταγ]ών ιαται

τοις

τις

τολμήήχ]

ώςιομένοις. τ€ διατάγμασι

ίχχη-

Tralles χαϊ

. . . Aphrodisias in Karien C. I. Gr. 2834. 2850 c p. 1118: παρά τ à διατεταγμένα. Indess können diese Erlasse sich auf die Criminalstrafe der Tymborychia beziehen. τοις

πατριοις

2

νόμοι[ς

χαϊ]

άποτασάτω

τή

πόλει

Seit wir das myiasische Münzwechsel-Regulativ aus der Zeit des Severus (S. 114 A. 1) kennen, dessen hauptsächliche Strafbestimmung neben der Confiscation der Wechselgelder zu Gunsten des Wechselpächters in der Festsetzung von drei Bussen zu Gunsten des Fiscus von 500, der Gemeindekasse von 250 und des Anzeigers von 100 Denaren besteht, also genau der Form der asiatischen Gräberbussen entspricht, kann es nicht zweifelhaft sein, dass der Rechtsgrund dieser Gräberbussen zunächst in der municipalen Autonomie und, wo diese versagt, in Localstatuten der römischen Behörden zu suchen ist.

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

81

an das Pontificalcollegium 1, ausserhalb Roms nach Anzeige an die Behörde der betreffenden Stadt 2 . Diese Behörden mögen auf die Höhe der Bussen, die auf clen Inschriften sehr ungleichmässig auftreten 8 , eine Einwirkung gehabt haben; ausserdem aber sind dem Anschein nach Maximalsätze überall, wenn auch nicht überall in gleichem Ansatz, in den grundlegenden Anordnungen vorgeschrieben worden, da in Italien mit verschwindenden Ausnahmen die Bussen den Satz von 100000 Sesterzen = 20000 M. nicht überschreiten 4 und in den Provinzen dieselben nicht häufig über 5000 Denare ( = 4000 M.) hinausgehen5. Die Busse fällt entweder an die Staatskasse oder an eine municipale oder an die des Pontificalcollegiums. 1. Der römische Staat kann, so weit diese Busse überhaupt gebräuchlich ist, überall mit derselben bedacht werden. λτοη Rechtswegen fällt sie, wie cler Regel nach alle Strafgelder, nicht dem Fiscus zu, sondern dem Aerarium 6 ; in der That wird dieses in 1 Directe Zeugnisse fehlen, aber manche Inschriften lassen erkennen, dass das Pontificalcollegium schon bei der Einrichtung der Grabstätte mitwirken musste oder doch mitwirken konnte. C. I. L. VI, 10 812: Τ . Aelius Victorinus vivo se ex area pontificum comparavit. V I , 14 413: empta olla ab arlca publica. VI, 10 675 : hoc cepotaphium muro cinctum cum suo iure omni ex auctoritate et iudicio pontificum possederunt. VI, 29 909 : ne veneat, nefiduciare liceat, nec de nomine meo exire liceat secundum sententias pontificum cc. vv. s(upra) s(crip)tas) (der Anfang fehlt). Auch die authentica des ostiensischen Fragments C. I. L. XIV, 1828 mögen hieher gehören. Vgl. C. Th. 9, 17, 2. 2 In den kleinasiatischen Urkunden spielt die Niederlegung der Urkunde über die Graberrichtung im Stadtarchiv eine hervorragende Rolle, die hier zu verfolgen nicht der Ort ist. 3 Wenn in einer Inschrift von Kyzikos (C. I. Gr. 3692) gesagt wird : χαταοχε-

&ήσεται

τω

ώρισμένφ

προστεΐμφ

του

ταμείου

β, ετι

âè χαϊ

της

πόλεως

-)(-

so sind diese festen Sätze wohl auf locale Ordnung zurückzuführen. 4 Verzeichnet sind die Beträge bei Hirschfeld S. 136 fg. und bei Wamser S. 40 (wo Grut. 749, 4 = Kaibel inscr. Gr. Ital. 2273 zu streichen ist). Bei den drei nominell höheren Summen (200 000 Sest.: Ostia C. I. L. X I V , 1153 — 300000 Denare: Pola C. I. L. V, 121 — 1200 000 Denare: Rom C. I. L. V, 4057) fragt es sich noch, ob nicht der Denar der Spätzeit gemeint ist. 5 Die 200 000 Denare einer Inschrift von Byblos aus dem J. 317 n. Chr. (Renan mission en Phénicie p. 255) müssen nothwendig von dem Denar der Spätzeit verstanden werden und dasselbe gilt wohl von den Ansetzungen eines Steins von Brussa (arch, epigr. Mitth. aus Oesterreich 7, 173), welcher dem Anordner 500000, dem Steinmetz 250000 Denare auferlegt, und eines anderen von Kallipolis (athen. Mitth. 6, 259), welcher 3 Mill. Denare für den Fiscus, 1 Mill, für die Stadt fordert. 6 St. R. 2, 1020. B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

52

Viertes Buch.

8

Die einzelnen Delicte.

Italien regelmässig und einzeln auch in den Provinzialinschriften genannt1. Dass in den jüngeren italischen Inschriften und ganz überwiegend in denen des Ostens dafür der Fiscus genannt wird, ist um so begreiflicher, als im 2. Jahrh. n. Chr. der Gegensatz von Aerarium und Fiscus2 schon im Schwinden ist und insbesondere in den Provinzen die kaiserliche Finanzverwaltung auch die an das Aerarium gelangenden Beträge vereinnahmte 8 und es in jeder nur eine Centraikasse gab 4 . 2. Die Busse kann ferner bestimmt werden nicht bloss für diejenige Stadtgemeinde, in deren Bezirk das betreffende Grab gelegen ist 6 , sondern für jede Stadtgemeinde überhaupt 6. Diese städtische Busse kann mit der staatlichen cumulirt werden 7. 3. Endlich kann innerhalb des stadtrömischen Grabbezirks 8 die Busse auch der Pontificalkasse oder der von dieser nur factisch getrennten der Vestalinnen9 zugewiesen werden. Ausserhalb Roms 1

Das ίράριον δήμου * Ρωμαίων wird als Empfänger genannt in der Inschrift von Smyrna (Lebas-Waddington 25). Auch das ταμεΐον ' Ρωμαίων der Inschrift von Hieropolis in Phrygien aus dem J. 216 (Bull, de corr. hell. 1882 ρ. 518: 'Ρωμαίων ταμείο)

δωσει

δισχείλια

χρυσά

καϊ

χρηστή

πατρίδι

'ΐεροπόλει

χείλια

χρυσά ;

ebenso in Aphrodisias C. I. Gr. 2834) und der δήμος € Ρωμαίων einer zweiten smyrnaeischen (C. I. Gr. 3335) können nicht anders verstanden werden. 2 Er wird bald mit dem lateinischen Namen bezeichnet, bald als ταμ(ήεϊον, wobei aber nicht selten durch Beisätze (ζ. B. Aphrodisias C. I. Gr. 2830: το Ιερώτατον ταμεϊον του κυρίου αύτοκράτορος Καίσαρος) auf die Kaiserkasse hingewiesen wird. 3 St. R. 2, 1017. 4 Daher wird hier häufig das ταμιεΐον ohne Beisatz genannt. Nirgends, auch nicht in den Inschriften der Senatsprovinzen, erscheint eine doppelte Staatskasse. 5 Die lateinischen Inschriften nennen durchgängig die Stadtkasse (res publica), die griechischen ausser dem δήμος oder der πόλις auch wohl die städtischen Corporationen, die βουλή oder die γερουσία. 6 Die Inschrift von Auximum C. I. L. I X , 5860 nennt neben einander die Stadtkasse der beiden Gemeinden Firmum und Ricina, und füglich kann das massgebende Gesetz sich allgemein ausgedrückt haben. Andere Belege Buresch aus Lydien S. 34. G. Hirschfeld S. 126 fg. hätte dies nicht bestreiten sollen ; dass regelmässig die Busse an diejenige Stadt kommt, der die Grabstätte angehört, versteht sich von selbst. 7 Aerarium und Ostia: C. I. L. X I V , 166. Fiscus und Portus bei Rom: Kaibel inscr. Gr. Ital. 943. Fiscus und Firmum und Ricina : C. I. L. IX, 5860. In Provinzialinschriften begegnet diese Multencumulirung häufig. 8 Wie weit dieser reicht, bleibt fraglich, da die Stadt Rom in dieser Zeit am ersten Meilenstein endigt und ohne Territorium ist (St. R. 3, 783 fg.). 9 Die Zuwendung wird bald cbeiden Kassen5 der Pontifices bestimmt (C. I. L. VI, 10 682), bald cden Pontifices oder den Vestalinnen5 mit ungetheilter Summe (C. I. L. VI, 14 672. 17 965 a), bald jenen allein oder diesen allein.

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

819

begegnet diese Zuwendung nicht 1 . Es ist dies nur ein anderer Ausdruck für die staatliche Busse, da die Pontificalkasse nichts ist als eine factisch separirte des Staats2. Häufig wird die Busse theils dem Staat, theils dem Pontificalcollegium zugewiesen3. Andere Empfänger der Busse begegnen in Italien überhaupt nicht 4 und auch in den Provinzen nur in verschwindend geringem Umfang 5 . Deutlich zeigt sich darin die gesetzliche Grundlage dieser exceptionellen Strafen und nicht minder in dem Nichterscheinen der heidnischen Gottheiten der späte Ursprung derselben. Die prozessualische Behandlung der Bussen ist ungleich. In Rom entscheidet über die Busse das Pontificalcollegium im Wege des Administrativprozesses, wobei, wie in dem prätorischen Verfahren, zunächst der persönlich Beteiligte die Anzeige erstattet 6 , aber in Ermangelung nahe Stehender jede Anzeige genügt haben wird. Eigentlicher Prozess und Anklägerbelohnung finden hier nicht statt 7 . Dies Verfahren tritt ein nicht bloss bei den pontificalen Bussen, sondern wahrscheinlich auch bei den staatlichen, da bei der häufigen Cumulirung beider nicht wohl mehr als ein Erkenntniss ergangen sein kann. Ausserhalb Roms wird die Busse im Wege des populären Privat1

Die Inschriften (C. I. L. V, 4057. VI, 16 445) sind verschleppt, andere (C. I. L. X I V , 333*. 384*) gefälscht. Die in Ostia befindliche C. I. L. X I V , 1644 braucht nicht ostiensisch zu sein. 2 St. R. 2, 68. 8 Pontifices und Aerarium: C. I. L. VI, 10 219. — Pontifices und Fiscus: C. I. L. VI, 8518. — Vestalinnen und Aerarium: C. I. L. VI, 10 848. 13 618. 13 822. 4 Die Kasse der statio castrensis (C. I. L. VI, 10 682) ist nichts als eine separirte kaiserliche, desgleichen die area der statio der kaiserlichen Köche auf dem Palatin (C. I. L. VI, 7458. 8750). Wegen des tiburtinischen Collegiums C. I. L. VI, 9485 vgl. S. 814/5 A. 7. 6 Einzeln begegnen hier Grabbussen an Collégien (so in Salonae an einen decurio des collegium fabrum C. I. L. III, 217, an ein Veteranencollegium C. I. L. III, 14 250 l ) und an Tempel (G. Hirschfeld S. 115; Wamser S. 44). Aber hier hat auch älterer Ortsgebrauch (S. 815 A. 1) eingewirkt. In der spätesten Zeit erscheinen mehrfach die Veteranen, häufig die Kirche. 6 C. I. L. VI, 10 284: sit facultas cuicumque ex familia nostra adeundi per querellam pontifices cc. vv. VI, 10 791: compellabitur a pontifices (so) poenae nomine ss XXX n. 1 Das Fehlen der Denuntiantenbelohnung auf den sicher stadtrömischen Grabschriften (C. I. L. VI, 22 609 kann füglich ostiensisch sein) wird bei der grossen Zahl derselben nicht zufällig sein. Auch lässt der Administrativprozess wohl Denuntiation zu, aber nicht Accusation. 52*

8

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Prozesses1 mit Anklägerbelohnung 2 eingeklagt ohne Zweifel bei derjenigen städtischen Behörde, welcher die Busse zugesprochen war. Dass in diesem Municipalprozess auch über die staatlichen Bussen erkannt worden ist, wird wiederum durch die Häufigkeit der Doppelbussen nahe gelegt. Auf directe Einziehung der letzteren Bussen durch die staatlichen Behörden führt keine sichere Spur 8 ; vielmehr scheint der Prozess, sowohl in wie ausserhalb Roms durchaus den örtlichen Stellen zugewiesen zu sein, wie er denn auch ohne Augenschein nicht wohl erledigt werden konnte, und die Abführung der dem Staate zufallenden Strafgelder dem Pontificalcollegium und den Stadtbehörden obgelegen zu haben, criminelle Die späterhin allgemein eintretende Strafsteigerung hat bei der dwGrtbe^ Ausdehnung und der Frechheit, welche der Gräberfrevel in dieser Verletzung w üsten Epoche angenommen hatte, diesen in hervorragendem Masse spätzelt. betroffen 4. Die Geldstrafe schien nicht mehr zu genügen. Dass die Rechtsgelehrten am Ende des 2. Jahrhunderts den Grabfrevel unter das Verbrechen der Gewalt zogen, ist schon bemerkt worden 5 ; dem julischen Gesetz wurde damit Gewalt angethan, aber es ist 1 In der Inschrift von Aquileia C. I. L. V, 8305 wird wegen Verletzung des Grabes persecutio cuilibet de populo gegeben. In Lykien heisst es schon in einer περϊ vorrömischen Inschrift (C. I. Gr. 4259): Ιξέστω τφ βονλομένο) ίγάιχάζεσ&αι τούτων und ebenso wird in zahlreichen jüngeren die πραξις χαϊ προσαγγελία (so C. I. Gr. 4293; Inschrift aus Samos athen. Mitth. 9, 263: ίξέστω όε τοϊ &έλοντι χατηγορν*[ΐ]ν, vielfach ähnlich) jedem gestattet. 2 Diese erscheint in Ostia: C. I. L. XIV, 166: is autem qui detxderit accipere debebit sum(mae) s(upra) s(criptae) quartam; XIV, 850: delator quartas accipiet, auch wohl C. I. L. VI, 26 609 — in Antium: C. I. L. X, 6706: delator aecipie[t quartam] — in Aquileia: C. I. L. V, 952: delator quart(am) accip(iet) — in Philippi in Makedonien: C. I. L. I I I , 684: et delatori quartam. In Lykien billigen die älteren Inschriften dem Ankläger die Hälfte der Busse zu (z. B. C. I. Gr. 4244), die jüngeren und ebenso die von Aphrodisias in Karien den dritten Theil (z. B. C. I. Gr. 4247). In Hieropolis in Phrygien (C. I. Gr. 3915) wird die Busse auf je 2500 Denare für den Fiscus, die Stadt und den Ankläger festgesetzt. Auch in einer Grabschrift von Smyrna (revue arch. 1875 Bd. 30 S. 51) werden der Stadt 2000, dem Ankläger (τφ >σομ[έι>ύ)]) 1000 Denare ausgesetzt, in einer von Termessos (Lanckoronski Pampb. und Pisidien 2, 216, 147) der Bule 8000, dem Fiscus 6000, dem Ankläger (τoret ob earn rem Numerium Negidium Aldo Agerio dare facere oportere, dagegen in jener es bloss hiess: quanti ea res est, unter Vermeidung der in dem dare facere oportere liegenden Bezugnahme auf die gesetzliche Vorschrift. 2 Dig. 9, 2, 51 pr.: lege Aquilia is demum teneri visus est, qui adhibita vi et quasi manu causam mortis praebuisset. Dem occidere substituirt die Jurisprudenz das allgemeine causam mortis praebere (Dig. 9, 1, 1, 7. tit. 2, 7, 3. 6. 1. 9 pr. § 2. 3. 1. 11, 1. 5. 1. 37 pr. 1. 49 pr. 1. 51 pr. 11, 3, 4). Wer den Getödteten bei der Tödtung festhält, die schädliche Substanz nicht selbst dem Kranken einriebt, fällt in die zweite Kategorie. 3 Rumpere wird als corrumpere genommen, welches dann als Unterarten frangere und urere einschliesst (Gaius 3, 217. Coli. 2, 4. Dig. 9, 2, 27, 5). 4 Dig. 9, 2, 27, 17. 5 Dig. 9, 2, 27, 14. 6 Versenkung in das Wasser: Dig. 9, 2, 27, 21. 19, 5, 14, 2. 41, 1, 55. Befreiung des gefangenen Wildes : Dig. 41, 1, 55 oder des gefesselten Sclaven : Dig. 4, 3, 7, 7. Inst. 4, 3, 16. Hetzung der Hausthiere und dadurch herbeigeführter Diebstahl : Gai. 3, 202. Auch in diesen Fällen wird die Klage als erweiterte bezeichnet. ^ Dig. 9, 2, 7, 2. 8 Dig. 9, 2, 8, 1. 9 Coll. 12, 7, 7. Dig. 9, 2, 7, 8. 1. 8 pr. 1. 9 pr. § 1. Inst. 4, 3, 6. 7. Immer handelt es sich hier um Behandlung eines Unfreien.

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

8

werden kann, nicht völlig ausgeschlossen1. Der Gebrauch der fremden Sache aber, der ihren Werth nicht verringert, fällt nicht unter das Gesetz2. Der Zeitpunkt, in dem clie Schädigung zu Tage tritt, ist für die Ertheilung der Klage ohne Belang 3 . Als sittliche Verschuldung endlich wird bei diesem Delict nicht A b s i c h t > d e r bloss die von dem Schädiger beabsichtigte und vorausgesehene γοΞίάΙβ Schädigung gefasst, sondern auch diejenige, welche er verständiger schädigere. Weise hätte voraussehen müssen, oder, wie dies technisch ausgedrückt zu werden pflegt, er ist nicht bloss für die böse Absicht, den Dolus, sondern auch für den Mangel an Vorsicht, die (aquillische) Culpa verantwortlich 4 . Der ethische Grundcharakter des Strafrechts, das Einschreiten gegen die Verletzung der jedem Gemeindeangehörigen obliegenden sittlichen Verpflichtung verleugnet auch in 1

Die Behandlung dieser Fälle ist ungleich. Abernten fremder Feldfrucht und Lesen fremder Trauben wird bei geschäftlich ordnungsmässiger Vornahme als Diebstahl behandelt, dagegen hieher gezogen, wenn Aehren und Trauben unreif sind (Dig. 9, 2, 27, 25—27). Dasselbe gilt vom Abhauen der zum Schlagen bestimmten Bäume, wobei aber die Zwölftafelklage (S. 835) und die Diebstahlsklage concurriren (Dig. 9, 2, 27, 26). Missbrauch einer fremden Sclavin berechtigt zur aquillischen Klage, wenn sie unreif ist (Paulus 1,13 A, 6); bei der geschlechtsreifen ist die aquillische Klage ausgeschlossen (Paulus 2, 26, 16), wogegen diejenige wegen moralischen Verderbnisses zulässig sein kann (Dig. 1, 18, 21. 11, 3, 2). — Anders wird entschieden bei dem Abweiden fremden Bodens (Paulus 1, 15, 1; vgl. S. 834 A. 5) und bei dem Verbrauch von Lebensmitteln (Dig. 9, 2, 30, 2: si quis alienum vinum vel frumentum consumpserit, non videtur damnum iniuria dare ideoque util is danda est actio). 2 Coli. 2, 4 = Dig. 9, 2, 27, 17 : si in nullo servum pretio viliorem deterioremve fecerit (durch Züchtigung), Aquilia cessât iniuriarumque erit agendum. Mit diesem durchaus folgerichtigen Satz verträgt sich nicht recht die Zulassung beider Klagen wegen Geisselung eines Sclaven (S. 801 A. 6), da bei der sonstigen Behandlung dieser Frage (Dig. 9, 2, 5, 1. 44, 7, 34 pr. 47, 10, 7, 1. 1. 15. 1. 46) zwischen unschädlicher und beschädigender Züchtigung nicht unterschieden wird und auch wenn man diese Stellen auf die letztere beschränkt, die Schätzungssumme doch bei beiden offenbar nur insofern differirt, als die rückgreifende Berechnung bei der aquillischen Klage dies herbeiführt. Praktisch war die doppelte Abschätzung auch wohl kaum durchzuführen. 8 Wenn die Folgen der That erst später in vollem Umfang hervortreten, so kann die Klage unter Berücksichtigung der Einheitlichkeit des Delicts wiederholt werden. Dig. 9, 2, 46.1. 47 : si vulnerato servo lege Aquilia actum sit , postea mortuo ex eo vulnere agi lege Aquilia niliilo minus potest , secl . . . dominus . . . exceptionc doli mali opposita compelletur, ut ex utroque iudicio nihil amplius consequatur, quam consequi deberet, si initio de occiso homine egisset. 4 Dig. 9, 2, 30, 3: in hac .. . actione dolus et culpa punitur. Gaius 3, 211. Dig. 9, 2, 32 pr. : cum interdum levior (als Furtum) sit haec causa delicti, veluti si ctdpa et non dolo damnum daretur. Terminologisch unterscheiden unsere Quellen die staatliche und die contractliche Culpa nicht von einander.

Viertes Buch.

8

wegfaii

Die einzelnen Delicte.

diesem Fall sich keineswegs1. Der Staat fordert von einem jeden einerseits Unterlassung einer jeden absichtlichen Schädigung fremden Eigenthums, andrerseits nicht Handlungen zum Nutzen dritter Personen, welche vielmehr nur auf Grund besonderer regelmässig contractlicher Verpflichtung rechtlich verlangt werden können, wohl aber Unterlassung einer jeden Handlung, bei welcher bei rechter Ueberlegung die Schädigung fremden Eigenthums vorauszusehen war. Während der Verstoss gegen die contractliche Pflicht, die contraetliche Culpa je nach ihrer mannichfaltigen Grundlage in verschiedenen Abstufungen auftritt, ist der Verstoss gegen jene staatliche Pflicht, die staatliche Culpa für alle Gemeindeangehörigen die gleiche und einer gradweisen Differenzirung nicht fähig 2 . In ihrer Zwischenstellung zwischen der bösen Absicht und dem nicht vorauszusehenden Zufall ist sie wahrscheinlich schon in dem Zwölftafelrecht enthalten gewesen, wenn gleich erst die spätere Rechtswissenschaft sie zu voller Entwickelung gebracht hat 3 , der Ausgeschlossen wird die Widerrechtlichkeit der Schädigung - nicht bloss da, wo sie durch einen nicht vorauszusehenden Zufall 4 herbeigeführt ward, sondern auch: 1. bei mangelnder Handlungsfähigkeit des Schädigenden5, da dadurch das pflichtwidrige Verhalten ausgeschlossen ist; 2. bei den durch die obrigkeitliche oder \7orgesetztenstellung des Handelnden gedeckten Vornahmen 6 ; 3. bei berechtigter Nothwehr, zum Beispiel der Tödtung eines unfreien Angreifers 7 oder bei berechtigter Selbsthülfe, zum Beispiel der Tödtung des unfreien Ehebrechers 8; 4. bei einem Nothstand, wo Gefährdung der eigenen Habe und eventuell des Lebens nur durch Zerstörung fremden Eigenthums abgewendet werden kann 9 ; 1

Es ist dies bereits S. 88 fg. ausgeführt worden. Mucius Scaevola Dig. 9, 2, 31 : cxdpam esse, quod cum a diligente provideri potuerit, non esset provisum. 1. 44 pr. : in lege Aquilia et lemssima culpa venit. 1. 28, 1. 3 Wir kommen darauf bei der culposen Brandstiftung zurück. 4 Beispiele Dig. 9, 2, 5, 2. 1. 52, 4. Inst. 4, 3, 4. 5. 5 Dies gilt von dem Irren und dem unzurechnungsfähigen Kind. Dig. 9, 2,5, 2. 6 Missbrauch dieser Befugniss führt nicht zur Injurienklage, da die Absicht der Beleidigung fehlt (S. 797), wohl aber, namentlich wenn dadurch ein Unfreier geschädigt ist, zur aquillischen (Dig. 9, 2, 5, 3. 1. 6. 1. 7 pr. 1. 29, 7). 7 S. 620. Dig. 9, 2, 4 pr. 1. 5 pr. 1. 45, 4. 1. 52, 1. 8 S. 624. Dig. 9, 2, 30 pr. 9 Dig. 9, 2, 49, 1 : qui . . . iusto metu ductus , ne ad se ignis perveniret , 2

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

8 1

5. bei der durch Verschuldung des Geschädigten selbst herbeigeführten Schädigungl, wohin auch die bei Gelegenheit des Glücksspiels dem Bankhalter zugefügte Beschädigung gezählt wird 2 ; 6. in bedingter Weise bei der mit Einwilligung des Geschädigten vorgenommenen Handlung 3 , was namentlich auf den mit körperlicher Gefahr verbundenen Wettkampf Anwendung findet 4. Die versuchte Sachbeschädigung fällt nicht unter diese Klage, versuch, insofern sie eine Wertminderung des Gegenstandes nicht herbeigeführt hat 5 , kann aber unter Umständen als Eingriff in das Eigenthum mit der Injurienklage verfolgt werden (S. 793). Wenn bei der Sachbeschädigung mehrere Personen zusammen Mitthaterwirken, so soll nach Möglichkeit die Verschuldung des Einzelnen s c h a f t festgestellt und entsprechend bestraft werden; bei erwiesenem Zusammenhandeln oder bei der Unmöglichkeit die Betheiligung des Einzelnen festzustellen gilt auch hier die Untheilbarkeit des Delicts 6 . Anstiftung und Hülfleistung stehen der principalen Verschuldung gleich. Für das Zusammenwirken des Herrn und und des Sclaven (S. 102) und dasjenige mehrerer Sclaven desselben Herrn (S. 103) gelten die allgemeinen Regeln. Der Prozess verläuft bei der Eigenthumsbeschädigung wie bei Prozess, der Eigenthumsenteignung, nur dass hier bei dem niederen Mass der ethischen Verschuldung das Capitalverfahren ausgeschlossen und der Geschädigte unbedingt verpflichtet ist die Lösung anzunehmen. Auch dieser Prozess ist zweitheilig, insofern zunächst die Thatsache und der Umfang der Schädigung durch den Geschwornen festgestellt, alsdann dieselbe, da wenigstens clas aquillische Gesetz feste Tarifirung nicht kennt, in Geld abgeschätzt wird; wenn der Schädiger die Schädigung einräumt, bevicinas aedes inter cid it . . . sive pervenit ignis sive ante extinctus est, (Celsus) existimat legis Aquiliae actionem cessare. 1. 29, 3: Labeo scribit, si, cum vi ven. torum navis impulsa esset in funes ancorarum alterius et nautae funes praecidissent, si nullo alio modo . . . explicare se potuit, nidlam actionem d and am. Dies rechtfertigt auch den Seewurf. 1 Beispiele Dig. 9, 2, 9, 4. 1. 11 pr. 2 Prätorisches Edict Dig. 11, 5, 1 pr. 3 Die Feststellung der Grenze ist Thatfrage. Auch wo bei der Arbeit der Gegenstand leicht zu Grunde gehen kann, ist die Verantwortung beschränkt (Dig. 9, 2, 27, 29). 4 Bei öffentlichen Wettkämpfen fällt die Verantwortung überhaupt weg, so weit die Spielregeln eingehalten sind, ebenso bei solchen privaten, an denen ein Unfreier sich mit Erlaubniss des Herrn betheiligt (Dig. 9, 2, 7, 4). 5 Ausdrücklich wird dies bemerkt bei der Sclavenverführung (Gai. 3, 198). 6 Dig. 9, 2, 11, 2. 4. 1. 51, 1. Vgl. S. 98 fg.

Viertes Buch.

8

Die einzelnen Delicte.

schränkt sich das gerichtliche Verfahren auf die Aestimation 1 . Wie bei dem Diebstahl bleibt der Vergleich auch nach der ersten Entscheidung den Parteien freigestellt und führt zur formellen Freisprechung des Beklagten 2 , strafen. Gesetzliche Strafsätze, wie die Zwölftafeln sie für die Körper. beschädigung aufstellen, haben sie auch in der Sonderklage wegen Abhauens der Fruchtbäume festgesetzt (S. 835) und es mögen andere ähnliche Bestimmungen für uns verschollen sein; das aquillische Gesetz kennt sie nicht und ist vielleicht hauptsächlich zu dem Zwecke erlassen worden, um dieselben zu beseitigen. Dieses legt bei der Bestrafung einfach den Schadensbetrag des einzelnen Falles zu Grunde, wobei indess, wie namentlich die Behandlung der Mitthäterschaft und der Ausschluss der Klagvererbung zeigt, die Leistung durchaus als pönale gefasst wird 3 . Berechnet wird nach dem aquillischen Gesetz4 bei der zerstörten Sache der volle Marktwerth 5 und bei der beschädigten, was diesem abgeht 6 , ferner der Werth der etwa entgangenen Früchte und der etwa aufgewandten Kosten 7 , überhaupt das volle Interesse 8. Sogar rückgreifend wird der Marktwerth in Ansatz gebracht um ein Jahr bei Tödtung von Sclaven und Heerdenthieren 9, um einen Monat 1 Nicht ganz genau heilst es Dig. 9, 2, 25, 2 : in hac actione, quae adversus confitentem datur, iudex non rei iudicandae, sed aestimandae datur, nam nullae partes sunt iudicandi in confdentes. 1. 26. Das Recht zu verurtheilen, kann auch in diesem Fall dem Geschwornen nicht gefehlt haben. 2

In dem iudicium damni iniuria wegen Tödtung eines Sclaven, von dem Cicero pro Q. Roscio 11, 32 spricht, einigen sich nach der Litiscontestation die Parteien über die Höhe der Entschädigung und es wird dies bezeichnet als Vergleich (decidere). Ob der Vergleich nach dem Geschwornenspruch stattfindet oder dieser dadurch überflüssig wird, erhellt nicht und ist auch rechtlich gleichgültig. 8

Das betonen auch die Quellen: cum sit poena Dig. 9, 2, 11, 2.

4

Bei Thierschädigung und culposer Brandstiftung fordern die Zwölftafeln einfach Ersatz. B Der sogenannte Affectionswerth, die dem Eigenthümer individuelle Werthbemessung des Objects kommt nicht in Betracht (Dig. 9, 2, 33 pr.). 6

Bei Sclavenverführung hat der Kläger die Wahl zwischen Forderung des Minderwerthes oder, unter Abtretung des Sclaven an den Beklagten, des früheren Vollwerthes (Dig. 11, 3, 14, 9). 7

Dig. 9, 2, 7 pr. vgl. 9, 3, 7.

8

Dig. 9, 2, 7 pr. 1. 21, 2. 1. 22. 1. 23 pr. 1. 55. 47, 7, 8 pr. Inst. 4, 3, 10. Bei Sclavenverführung kann Ersatz gefordert werden für die dadurch herbeigeführten Delicte und deren Folgen (Dig. 11, 3, 10. 1. 11. 1. 14, 6). 9

Dig. 9, 2, 2 pr. 1. 21 pr. 1. 23, 3.

Inst. 4, 3, 9.

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

8

bei jeder anderen Schädigung1, so dass es dem Kläger freigestellt wird jeden innerhalb dieser Fristen liegenden Zeitpunkt der Abschätzung zu Grunde zu legen. Häutig also übersteigen die dem Geschädigten aus der That erwachsenden Ansprüche mehr oder minder den effectiven Schadensbetrag unci immer ist dies der Fall, wenn mehrere Personen an clem Delict betheiligt sind, da jeder Mitthäter für den Vollbetrag haftet 2 . Weiter tritt Verdoppelung der Klagsumme hinzu, wenn der Beklagte die Schädigung zu Unrecht abgeleugnet hat 3 . Die Noxalklage, wenn ein Haussohn oder ein Sclave das Delict Noxaiverübt hat, folgt den allgemeinen Regeln 4 , abgesehen von den bei v e r f a h r e n · dem delictischen Zusammenhandeln mehrerer Sclaven eintretenden gesetzlichen Beschränkungen (S. 103 A. 2). Die Klage wegen Eigenthumsbeschädigung so wie sämmtliche Vererbung, analoge weiterhin in diesem Abschnitt erörterte fallen weg mit dem Tode des Thäters und gehen nicht gegen dessen Erben 6 . Die Verjährung der aquillischen Klage so wie der sämmtlichen Verjährung, in diesem Abschnitt zusammengefassten, auch der ihrer Strafbestimmung6 oder ihrer Einführung nach prätorischen 7 ist die allgemeine der Regel nach dreissigjährige ; nur die weiterhin erwähnten prätorischen und äclilicischen festen Geldbussen unterliegen der jährigen Frist 8 . 5. Analoge Schädigungsklagen. Es bleibt noch eine Reihe delictischer Klagen zu erörtern, welche nicht in den Kreis cler aquillischen Eigenthumsschädigung fallen, aber in mehr oder minder analoger Weise behandelt werden. Sie betreffen die folgenden Delicte: 1

Dig. 9, 2, 27, 5. Aquillische Klage Dig. 9, 2, 11, 2: si cum uno agatur, ceteri non liberantur, nam ex lege Aquilia quod alius praestitit, alium non relevât — Umgehauene Bäume Dig. 47, 7, 6 pr. : si plures eandem arborem furiim ceciderint, cum singxdis in solidum agetur. Vgl. S. 831 A. 6. * Gai. 4, 9. 171. Dig. 9, 2, 2, 1. 1. 23, 10. 4 Dig. 9, 1, 1, 13. Danach ist Dig. 9, 2, 37, 1 (vgl. Dig. 9, 1, 1, 16) die vorhergehende Litiscontestation zu ergänzen. 5 Aquillische Klage: Dig. 9, 2, 23, 8. Inst. 4, 3, 9. — Umgehauene Bäume: Dig. 47, 7, 7, 6. — Sclavenverfuhrung : Dig. 11, 3, 13 pr. — Guss und Wurf: Dig. 9, 3, 5, 5. 6 Umgehauene Bäume: Dig. 47, 7, 7, 6. 7 Sclavenverfuhrung: Dig. 11, 3, 13 pr. — Guss und Wurf: Dig. 9, 3, 5, 5. 8 Dig. 9, 3, 5, 5. 2

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strat'r.

53

Viertes Buch.

8

Die einzelnen Delicte.

1. 2. 3. 4.

Thierbeschädigung nach den Zwölftafeln; Umhauen von Fruchtbäumen nach den Zwölftafeln; Culpose Tödtung des Freien nach magistratischem Recht; Culpose Körperverletzung des Freien nach niagistratischem Recht ; 5. Brandstiftung nach den Zwölftafeln ; 6. Missbrauch der Adstipulation nach dem aquillischen Gesetz ; 7. Moralische Corrumpirung der hausunterthänigen Person nach magistratischem Recht; 8. Schädigung durch Haltung gefährlicher Thiere nach magistratischem Recht; 9. Schädigung durch Guss und Wurf nach magistratischem Recht ; 10. Qualificirte Körperverletzung und Sachbeschädigung nach Kaiserrecht. Thierbel . Die Schädigung, welche das im Privateigenthum stehende sch&digung. r j ^ j ^ ι a n r i c h t e t , wird nach dem Zwölftafelrecht 2 und ebenso auch später zwar nicht in den Begriff des 'Unrechts', der iniuria einbezogen3, aber als cAbweidung°, pauperies 4 in ähnlicher Weise delictisch behandelt. Es wird dabei, wie ursprünglich bei der iniuria, die Körper- und die Sachbeschädigung zusammengefasst (S. 784). Das Thier wird durchaus behandelt als gleich dem Menschen der socialen Ordnung unterworfen: es macht sich strafbar, wenn es in unerlaubter Weise abweidet 5 ; wenn von zwei 1 Das Gesetz nannte nur die vierfüssigen Thiere, wurde aber auf alle übrigen im Privateigenthum stehenden analogisch erstreckt (Dig. 9, 1, 1, 2. 1. 4); die wilden sind nur ausgenommen, soweit und so lange sie herrenlos sind (Dig. 9, 1, 1, 10). Das pesolanische (?) Gesetz betraf speciell die Hunde (Paulus 1, 15, 1). 2 Dig. 9, 1, 1 pr. s Dig. 9, 1, 1, 3. 4 Pauperies (dessen zweite Hälfte sicher mit opi-parus zusammenzustellen ist) möchte etymologisch als {Weidenlassen> zu fassen sein; bei der gewöhnlichen Verknüpfung des Wortes mit paucus kommt man auf den Begriff der Minderung, der dem Sprachgebrauch nicht conform ist. Ob die Zwölftafeln das Wort gebraucht haben, ist zweifelhaft; sie scheinen vielmehr den allgemeinen Begriff der noxa, das heisst des von einem in der Gewalt eines Dritten stehenden Wesen begangenen und von dem Gewalthaber zu verantwortenden Delicts auf das Hausthier erstreckt zu haben (Dig. 9, 1, 1 pr.). 6 Das Abweiden kann nach dem vorher Bemerkten (A. 4) nur dann als pauperies betrachtet werden, wenn es sich auf die zu erntenden Feldfrüchte bezieht. Die in den Zwölftafeln (8, 6 Schöll = Dig. 19, 5, 14, 3) besonders gegebene Klage de pastu pecoris dürfte sich auf das Auftreiben des Viehs auf fremde Weide beziehen.

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

8

kämpfenden Thieren das eine zu Schaden kommt, so richtet die Strafbarkeit sich danach, welches der beiden den Streit angefangen h a t 1 ; bei Führung des Thieres durch einen Menschen wird nur dieser als verantwortlich betrachtet 2 . Die Klage ist nothwendig noxal und erlischt durch den Tod des Thieres 8 ; nur wenn der Eigenthümer den Besitz verleugnet, verliert er das Recht sich durch Auslieferung von der Klage zu -befreien 4. Im Uebrigen folgt die Klage durchaus der aquillischen5. 2. Die Klage wegen umgehauener Fruchtbäume haben die K l a e e w e e e n Zwölftafeln wahrscheinlich aufgestellt 6 , weil dies Gesetz die Sach- gehauener beschäcligung auf bewegliche Sachen beschränkte (S. 827); aber Fruchtobwohl die Zulässigkeit cler aquillischen auch für diesen Fall b a u m c ' in der Folgezeit anerkannt wird (A. 9), ist sie dennoch neben dieser beibehalten worden und hat bis in clie späteste Zeit als selbständige privatdelictische sich behauptet. Der Thatbestand ist von dem durch das Hauptgesetz geforderten nur insofern verschieden7, als diese Klage nur bei clolosem Handeln gegeben wird 8 . Die von den Zwölftafeln auf 25 Asse für den Baum festgesetzte Strafe ist späterhin, vermuthlich durch den Prätor, in doppelten Ersatz des Schadens umgewandelt worden 9 . 3. Dass clie Töcltung des freien Mannes nach Zwölftafelrecht, Tödtung des wenn sie nicht als Morel bestraft werden kann, nur zu einer F r e i e n ' religiösen Sühnung f ü h r t 1 0 , ist wohl herbeigeführt worden durch 1

Dig. 9, 1, 1, 8. 11. Dig. 9, 1, 1, 5. 6. 3 Nach den pseudo-gaianschen Fragmenten von Autun ist (vgl. Dig. 9, 1, 1, 13; Gaius 4, 81) bei der Noxalklage nach dem Tode des Thieres dem Kläger der Körper abzuliefern, wie dies auch Rechtens ist bei der staatsrechtlichen Noxa (Liv. 8, 39, 14). 4 Dig. 9, 1, 1, 15. 5 Auch die analogischen Klagen (utiles und in factum) werden hier in gleicher Weise gegeben (Dig. 9, 1, 4. 19, 5, 14, 3). 6 Zwölftafeln 8, 10. Das Gesetz nannte nur die Bäume (Gai. 4, 11); aber die Reben wurden darunter mit verstanden (Plinius n. h. 14, 1, 9 ; Dig. 47, 7, 3 pr.). 7 Dig. 47, 7, 5, 1 : eius actionis eadem causa est quae est legis Aquiliae. Der Diebstahl ist darin nicht nothwendig enthalten (Dig. 47, 7, 7, 1. 1. 8, 2), obwohl Paulus 2, 31, 24 das Delict dahin zieht. 8 Dies darf aus der'Benennung der Klage arborum furtim caesarum und dem Strafsatz geschlossen werden. 9 Dig. 47, 7, 7, 7. Es kann daher diese Klage auch nach der aquillischen angestellt werden auf das Mehr (Dig. 47, 7, 1). 10 Dies besagt der bekannte sowohl in den Königsgesetzen wie in den Zwölftafeln (8, 24 Schöll) enthaltene Satz über den den Geschlechtsgenossen unterstellten Widder. Vgl. S. 85 A. 3. 53* 2

Viertes Buch.

8 6

Die einzelnen Delicte.

das Zurückdrängen der Geschlechterverfassung und die Beseitigung der Blutrache; bei der dafür eintretenden Feststellung des öffentlichen Mordverfahrens mag die Einreihung der culposen Tödtung unter die Privatdelicte bedenklich erschienen sein. Die in den Rechtsbüchern dafür geltend gemachte Begründung, dass es für das Menschenleben kein Aequivalent giebt 1 , trifft auch zu auf die Körperbeschädigung und hat die alte Gesetzgebung schwerlich bestimmt. Späterhin führt nach magistratischem Recht nicht beabsichtigte, aber verschuldete Tödtung, wenn sie durch unerlaubtes Halten von wilden Thieren veranlasst ist, zu einer Geldbusse von 2000 2 , wenn durch Guss und Wurf, zu einer Geldbusse von 5000 Sesterzen8. Körperbe4. Die schuldhafte Körperverletzung des freien Mannes, so s e deslpreîei * nicht als Mordversuch unter das betreffende Gesetz fällt (S. 627), wird nach Zwölftafelrecht als Injurie bestraft, wahrscheinlich sowohl wenn sie absichtlich als wenn sie in unvorsichtiger Weise zugefügt worden war 4 . In dem späteren Recht ist in letzterem Fall die Injurienklage ausgeschlossen und nach strengem Recht giebt es dafür eine Civilklage ebenso wenig wie für die culpose Tödtung; es werden aber die Klagen wegen Eigenthumsschädigung, sowohl die aquillische 5 wie auch die wegen Thierschädigung6, ebenso die wegen unerlaubten Haltens von wilden Thieren 7 oder wegen Guss und Wurf 8 auf die Körperbeschädigung des freien Mannes erstreckt. Brand5. Dass die böswillige Brandstiftung von den Zwölftafeln als nach^zwöif- Menschenleben gefährdend unter das Morddelict gezogen ist (S. 646 tafel recht. A. 2), schliesst die Behandlung der Brandstiftung überhaupt vom 1

Dig. 9, 3, 1, 5 : in homine Uber ο nulla corporis aestimatio fieri potest 1. 7. Dig. 21, 1, 42. Der aureus oder solidus ist hier und später zu 100 Sesterzen gerechnet, was die richtige auch bei der Grenzsteinverrückung angewandte Gleichung ist. 3 Dig. 9, 3, 1 pr. Inst. 4, 5, 1. Die Klage ist popular: Dig. 9, 3, 5, 5. 4 Positiv beweisen lässt es sich allerdings nicht, dass die iniuria der Zwölftafeln die culpa einschliesst; und Talion bei culposer Handlung ist bedenklich. Aber andererseits wendet sich die Strafe jener Epoche gegen die That als solche und es ist auch bedenklich der Causalität bei derselben eine weitere Einwirkung zuzuschreiben als das Ausschliessen der in keiner Weise vorauszusehenden Zufälligkeit. Vgl. S. 837 A. 1. 5 Dig. 9, 2, 13 pr. : liber homo suo nomine utilem Aquiliae habet actionem ; directam enim non habet, quoniam dominus membrorum suorum nemo videtur. 6 Dig. 9, 1, 3: 7 Dig. 21, 1, 42. 8 Dig. 9, 3, 1 pr. 1. 7. Inst. 4, 5, 1. s

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

8

Standpunkt der Sachbeschädigung um so weniger aus, als die Mordklage dem durch den Brand Geschädigten keinen Ersatz gewährt. Wahrscheinlich hat, wie über das Umhauen der Bäume, so auch über die Brandstiftung, in dem Gesetzbuch eine Sonderbestimmung den Schadensersatz vorgeschrieben, wobei indess dahingestellt bleiben muss, ob diese sich auf die dolose Brandstiftung beschränkte oder, wie wahrscheinlicher, die durch pflichtwidrige Nachlässigkeit veranlasste einschloss1. Auf die Behandlung der Brandstiftung im späteren Recht kommen wir zurück. 6. Den Missbrauch der Adstipulation hat das aquillische Ge- Missbrauch setz nicht ohne Grund cler Sachbeschädigung gleichgestellt 2 . Wenn stipulation. 1

Die Entscheidung hängt ab von den dem Zwölftafelcommentar des Gaius entnommenen an die Bestimmungen über die böswillige Brandstiftung (S. 646 A. 2) sich anschliessenden Worten: si vero casu, id est neglegentia, aut noxiarn sarcire iubetur aut si minus idoneus sit, levius castigatur. Wenn weder das Wort casu noch levius cast i gare in den Zwölftafeln gestanden haben kann, so ist noxiam sarcire sicher daher entnommen und vermuthlich sind jene Ausdrücke von den Interpreten des alten Gesetzbuchs oder auch von den Compilatoren für gleichbedeutende eingesetzt worden ; dem Inhalte nach passen sie in dasselbe vollkommen. Auch die Erklärung von casus durch neglegentia ist unanfechtbar; der 'Zufall' schliesst die Absicht aus, aber den durch Muthwillen oder Unvorsichtigkeit herbeigeführten Unfall ebenso ein wie den sogenannten reinen Zufall. Die Tödtung durch die 4Waffe, welche mehr aus der Hand fliegt als dass sie geworfen wird', was im Zwölftafelbuch der Ausdruck ist für die nicht als Mord strafbare Tödtung (S. 84 A. 3), schliesst unzweifelhaft die durch Unvorsichtigkeit herbeigeführte ein, und auch in der späteren Zeit werden voluntas und casus (Coll. 10, 1 ; Dig. 48, 8, 1, 3), fraus und casus (Coll. 1, 9, 1), consulto und casu (Coll. 1, 11, 3 = Dig. 48, 19, 5, 2) als absolute Gegensätze hingestellt, casu und imprudenter gleichgesetzt (Coll. 1, 7, 1), in allen welchen Stellen (ebenso Inst. 4, 3, 3) casus zweifellos in dem weiteren die culpa nicht abschliessenden Sinn zu fassen ist. Es findet sich sogar bei Paulus Coli. 12, 6, 1 (wo casu nicht in casam — das Bauerhaus — geändert werden darf, zumal da insidam das vorhergehende oppido aufnimmt) die Dreitheilung der Brandstiftung praedae causa oder ex inimicitiis, der Brandstiftung casu und der fortuita incendia, wo casus geradezu neglegentia ist im Gegensatz zu dem die Verantwortung ausschliessenden Zufall. Anderswo (Coli. 12, 2, 3) stellt derselbe Jurist der absichtlichen Brandstiftung die fortuita incendia gegenüber als theils durch incuria, theils casu venti furentis entstanden. Die Zufälligkeit ist also bei den römischen Juristen kein schlechthin fester Begriff, sondern jedesmal aus dem Zusammenhang zu entnehmen, ob sie die culpose Verschuldung ein- oder ausschliesst. Dass in der Epoche des Zwölftafelrechts die Thatsache der Brandstiftung ohne Berücksichtigung der Causalität rein äusserlich bestraft worden sei, ist besonders nach der Behandlung der unfreiwilligen Tödtung nicht anzunehmen; dass andererseits die Ersatzpflicht bei der Brandstiftung von dem Nachweis der bösen Absicht abgehangen habe, ist auch wenig glaublich. Sicher lässt sich die Frage nicht entscheiden, aber wahrscheinlich ist Zwölftafelrecht, was Gaius als solches giebt. a Gaius 3, 215. 216. Wenn dieser hinzufügt, dass die Klage unnöthig sei,

8

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

durch die Ausübung des Creditorenrechts im Uebrigen dritte Personen nicht geschädigt werden können, so vernichtet dann, wenn dem materiell berechtigten Gläubiger durch dessen Mandat ein anderer lediglich formell gleichgestellt ist, der von diesem Adstipulator vorgenommene Schulderlass auch den Anspruch des materiell Forderungsberechtigten, und da zu der Zeit, wo das Gesetz erlassen ward, das Mandat wahrscheinlich eine Klage noch nicht begründete, so wurde durch diesen Act dem Hauptgläubiger ein ähnlicher Schaden zugefügt wie durch Eigenthumsbeschädigung. Daher gab dies Gesetz ihm gegen clen Mandatar die Klage auf Schadensersatz. sclaven7e j ) [ e Verführung (corrumpere) des Unfreien, das heisst jede ' Einwirkung auf die Moralität desselben, welche den Verkaufswerth mindert, berechtigt den Hausherrn nach prätorischer Ordnung zu einer der aquillischen analogen Klage 1 auf doppelten Ersatz 2 . Diese wird ähnlich auch wegen Verführung eines Hauskindes gegeben3. Halten ge8. Wegen Haltens gefährdender Thiere an Verkehrsorten geht fâhriicher n a e j 1 d e m Edict der curulischen Aedilen bei einer durch dieselben Thiere.

herbeigeführten Körper-oder Sachbeschädigung gegen den, der sie dort hält, eine auf doppelten Ersatz gestellte Schadensklage4. Der Strafklage im Fall der Tödtung ist bereits gedacht worden, sch&digung 9. Die an Verkehrsstellen 5 durch Glessen und Werfen aus und\^rf S e i n e r Behausung oder aus einem Schiff 6 herbeigeführte Schädigung fällt, wenn sie einer bestimmten Person zur Last gelegt werden da der Hauptgläubiger gegen den Adstipulator die Mandatklage hat, so wird daraus vielmehr zu schliessen sein, dass das Gesetz älter ist als die Aufnahme des Mandats unter die klagbaren Verträge. Mit dieser Aufnahme kam diese aquillische Klage ab (Dig. 9, 2, 27, 4). 1 Dahin gehört namentlich die Verleitung zum Entlaufen (Paulus 2, 31, 33. Dig. 47, 2, 36 pr.), die als Diebstahl zu fassen bedenklich erschien i;S. 746 A. 2). In dem Edict steht in erster Reihe die Aufnahme des flüchtigen Sclaven (Dig. 11, 3, 1 pr. 1. 9 pr.), welche allerdings den Sclaven recht eigentlich als fugitivus charakterisirte und insofern die Verführung so zu sagen consummirte. Das rechtlich entscheidende Moment ist durchaus die Deteriorirung des Marktwertes (Dig. 11, 3, 9, 3. 1. 11, 2. 1. 14, 1. 8). 2 Dig. 11, 3, 1 pr. 1. 5, 2. 1. 9, 2. 1. 14, 5. Der Ehegatte leistet nur einfachen Ersatz (Dig. 11, 3, 17). 8 Dig. 11, 3, 14, 1. Vermögensminderung ist in der Verführung des Hauskindes nicht enthalten; die Klage wird analogisch gegeben auf das Interesse. 4 Paulus 1, 15, la. b. Dig. 21, 1, 40—42. Inst. 4, 9. 1. 6 Dig. 9, 3, 1 pr. : quo vulgo iter fiet vel in quo consistetur. So weit während der Nachtzeit der Verkehr aufhört, fällt das Verbot weg (Dig. 9, 3, 1, 2. 1. 6, 1). Dass die Oertlichkeit eigentlich öffentlich ist, wird nicht erfordert (Dig. 9, 3, 1, 2). 6 Dig. 9, 3, 6, 3.

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

8

kann, unter die aquillische Klage 1 . Aber ausserdem haftet dafür jeder Inhaber der Behausung2, als welcher indess nicht angesehen wird, wer bloss vorübergehend oder doch ohne Miethe zu zahlen oder als geringer Aftermiether in dem Hause verweilt 8 . Diese Klage geht auf doppelten Ersatz; wenn indess dieser Ersatz einmal geleistet ist, fällt sie gegen clie übrigen Verpflichteten weg 4 . Die Strafklage im Fall der Tödtung ist vorher erwähnt worden. — Bei nicht eingetretener, aber drohender gleichartiger Beschädigung wird gegen den Inhaber cler Behausung eine populäre Strafklage auf 1000 Sesterzen gegeben5. 10. Wie bei dem Diebstahl und bei der Injurie sind auch verschiedene in das Gebiet der Körperverletzung und der Sachbeschädigung gehörende Fälle unter dem Principat als ausserordentliche und die magistratische Cognition erheischende Delicte behandelt worden. Man erkennt dabei auch hier (S. 656) die Uebertragung der älteren privatdelictischen Normen in das neuere öffentliche S traf recht. a) Culpose Tödtung des Freien wird, wie bemerkt ward, im cuipose ordentlichen Rechtsverfahren überhaupt nicht bestraft 6 . Indess werden verschiedene in diesen Kreis gehörige Fälle: späterem 1. unvorsichtige Abgabe von Giftstoffen; durch Senatsbeschluss R e c h t mit der Strafe des cornelischen Mordgesetzes belegt 7 ; 2. unabsichtliche durch Uebermuth herbeigeführte 8 oder während eines Streits vorgefallene 9 Tödtung; 1

Dig. 9, 3, 1, 9. 1. 5 pr. 5. 1. 2. 3. 44, 7, 5, 5 = Inst. 4, 5, 1. Diese Auffassung, dass die culpa des Hausherrn nicht erforderlich ist, überwiegt (Dig. 9, 3, 1, 8) und es wird darum diese Klage den Obligationen quasi ex delicto zugezählt (Inst. 4, 5). Daneben indess macht die Auffassung sich geltend, dass der Hausherr verpflichtet sei dergleichen zu verhüten (Dig. 9, 3, 1, 4), wesshalb bei Sclaven auch Züchtigung vorkommt (Dig. 9, 3, 1, 8). — Bei mehreren Inhabern geht die Klage in der Regel gegen jeden (Dig. 9, 3, 1, 10. 1. 2. 1. 3. 1. 4), kann aber unter Umständen auf einen derselben beschränkt werden (Dig. 9,3, 5,2). — Die Klage ist noxal (Dig. 9, 3, 1 pr., wozu freilich § 4 nicht recht stimmt). 8 Dig. 9, 3, 5, 4. 12. Auf diesen eigentlich Schuldigen kann der ersatzpflichtige Hausherr zurückgreifen (Dig. 9, 3, 5, 4). 4 Dig. 9, 3, 1 pr. § 4. 6 Dig. 9, 3, 5, 8 fg. 6 Kriegsrechtlich ist die unvorsichtige Tödtung ein Disciplinarvergehen (Coll. 1, 8, 1 = Cod. 9, 16 1 pr.). 7 Dig. 48, 8, 3, 3. 8 Hadrian Coll. 1, 11, 1 = Dig. 48, 8, 4, 1. Die Strafe ist Relegation auf Zeit. 9 Hadrians Rescript, wonach ein solcher Fall nicht als Mord behandelt 2

8

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

3. Tödtung eines Freien durch Nachlässigkeit des Arztes 1 ; 4. Tödtung eines Freien durch unvorsichtiges Hinabwerfen eines Gegenstandes von einem Baume2 in unseren Quellen criminell und in Verbindung mit dem Mordgesetz behandelt, und die schweren Strafen sowohl wie die Heranziehung des cornelischen Giftmischergesetzes in dem ersten Fall scheinen dafür zu sprechen, dass diese Delicte in den Mordbegriff hineinzuziehen sind. Indess auf den ersten Fall ist desshalb kein Gewicht zu legen, weil in die Giftmischerei die connexen gewerblichen Handlungen überhaupt in irregulärer Weise hineingezogen worden sind (S. 635 fg.) ; und was die Tödtungsfälle anlangt, so ist einerseits das Festhalten der Absichtlichkeit bei dem Mordbegriff auch bei den späteren Juristen ausser allem Zweifel, andrerseits wird bei dein letzten ausdrücklich hinzugesetzt, dass er nicht unter das Mordgesetz falle. Zweckmässiger wären diese Fälle von dem Morde getrennt und zu den gesetzlich nicht vorgesehenen ausserordentlichen Delicten gestellt worden; wie sie liegen, wird daraus nur zu entnehmen sein, dass das kaiserliche Strafrecht in schweren Fällen clas Cognitionalverfahren auf die culpose Tödtung erstreckt hat. — Es begegnet bei solchen Vorgängen auch eine von dem Schuldigen den unbemittelten Verwandten cles Getödteten zu leistende Gelclentschädigung3. Brandb) Die Brandstiftung ist, wie wahrscheinlich schon im ZwölfBi ™ZZZCh tafelrecht (S. 836), so sicher von den Rechtsgelehrten der KaiserRecht. zeit, je nachdem sie als Lebensgefährdung oder als Eigenthumsbeschädigung aufgefasst ward, zwiefach behandelt worden, einmal bei dem Mordgesetz (S. 646), sodann als qualificirte Sachbeschädigung bei den ausserordentlichen Verbrechen 4 , und zwar dort nur die werden soll (Coli. 1, 6, 1; ebenso Paulus 5, 23, 3 = Coli. 1, 7, 1), wird in der Fassung der Digesten 48, 8, 1, 3 dahin gewendet, dass eine leichtere Criminalstrafe einzutreten habe ; und es braucht dies nicht interpolirt zu sein. 1 In diesem Fall, von dem Plinius h. n. 29, 1, 18 sagt: nulla lex, quae puniat inscitiam eam, capitale nullum exemplum vindictae, wird nach den Rechtsbüchern (Paulus 5, 23, 19. Dig. 1, 18, 6, 7. 29, 5, 5, 3) bei Personen höheren Standes auf Relegation, bei geringeren sogar auf Todesstrafe erkannt. 2 Paulus 5, 23, 12: si putator ex arbore cum ramum deiceret, non proclamaverit, ut vitaretur, atque ita praeteriens eiusdem ictu perierit, etsi in legem non inewrrit, in metallum datur. Ebenso Dig. 48, 8, 7. Die gleichartige Stelle Dig. 9, 2, 31 bezieht sich auf den Unfreien. 3 Hadrian Coll. 1, 11 = Dig. 48, 8, 4, 1. 4 Die Titel in Ulpians 8. Buch de officio proconsulis : de naufragis et incendiariis (Coli. 12, 5, 1) und in Paulus sententiae (wo die Restitution, obwohl

Zehnter Abschnitt.

Sachbeschädigung.

8 1

böswillige, hier die Brandstiftung überhaupt. Für die Bestrafung werden unterschieden; aa) böswillige Brandstiftung in der Stadt wird in der Regel mit dem Tode 1 und zwar bei Geringeren meistens in geschärfter Form 2 , bei Personen besserer Stände auch mit Deportation 3 bestraft ; bb) böswillige Brandstiftung ausserhalb der Stadt wird bestraft bei Standespersonen mit Internirung, bei geringeren mit Bergwerk oder Zwangsarbeit auf Lebenszeit oder Internirung 4 ; cc) unvorsichtige Brandstiftung wird nur bei arger Nachlässigkeit und nicht mit allzu schwerer öffentlicher Strafe belegt 6 ; dd) die Ersatzklage, das heisst die aquillische, folgt der allgemeinen Regel 6 . c) Bei Gelegenheit eines Schiffbruchs begangene Delicte sind Qualificirte gleich der Brandstiftung schon unter das cornelische Mordgesetz gezogen worden (S. 646 A. 4) und hieran anschliessend sind cler- gungen. artige Fälle gleich der Brandstiftung in cler Kaiserzeit als ausserordentliche Delicte bestraft worden 7 ; indess lässt sich weder dort noch hier der Thatbestand genügend ermitteln. Regelmässig aber wird auf die bei dem Schiffbruch vorkommenden Delicte das Gewaltverbrechen bei öffentlicher Calamität (S. 662) Anwendung finden. wahrscheinlich richtig, doch conjectural ist) de incendiariis (Coli. 12, 2,1) schliessen die Einstellung dieser Abschnitte bei dem Mordgesetz aus, was Ulpians Worte bestätigen. Ausserdem wird auch bei den Gewaltverbrechen unter den im Auflauf begangenen die Brandstiftung hervorgehoben (S. 662 A. 3). 1 Paulus 5, 20, 1 ( = Coli. 12, 4, 1). Coli. 12, 6, 1. Dig. 48, 8, 10. 2 Feuertod: Callistratus Dig. 48, 19, 28, 12. — Volksfesthinrichtung: Ulpian Coli. 12, 5, 1. — Brandstiftung bei Gelegenheit des Auflaufs: Todesstrafe in schwerster Form (summum supplicium): Paulus 5, 3, 6. 3 Ulpian Dig. 47, 9, 12, 1 ( = Coll. 12, 5, 1). 4 Paulus 5, 20, 2 ( = Coll. 12, 2, 1). 5 ( = Coll. 12, 3, 2). Dig. 48, 19, 28, 12. 5 Marcianus Dig. 47, 9, 11: si fortuito incendium factum sit , venia indiget f nisi tam lata culpa fuit, ut luxuria aid dolo sit proxima. Ulpian Coll. 12, 5, 2 : eis qui non data opera incendium fecerint , plerumque ignoscitur , nisi in lata et incauta (vielleicht nisi in causa lata) neglegentia vel lascivia fuit. Callistratus a. a. 0. : modice vindicafnjtur. Coll. 12, 6, 1 (vgl. wegen der Auffassung des Wortes casu S. 837 A. 1). 6 Callistratus a. a. 0. Paulus 5, 20, 3 ( = Coli. 12, 2, 2). Coli. 12, 6, 1. — Wenn Auflauf hinzutritt, geht die Klage auf doppelten Ersatz (Paulus 5, 3, 6). 7 Das zeigt die Rubrik de naufragis et incendiariis (S. 840 A. 4).

8

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

d) Wenn das Umhauen von Fruchtbäumen bei Nachtzeit und mit Zusammenrottung ausgeführt wird, wird es criminell geahndet 1 . e) Die Haltung oder Herumführung von gefährlichen Thieren führt ebenfalls nach Umständen öffentliche Bestrafung herbei 2 . 1 Paulus 5, 20, 6: qui noctu frugiferas arbores manu facta ceciderint, ad tempus plerumque in opus publicum damnantur aut honestiores damnum sarcire coguntur vel curia submoventur vel relegantur. Noch schärfer Gaius Dig. 47, 7, 2: sciendum est eos qui arbores et maxime vîtes ceciderint, etiam tamquam latrones (vgl. S. 630 Α. 3) puniri. 2 Paulus 1, 15, 2 anknüpfend an das Edictalverbot : et ideo, sive ab ipsa (fera bestia) sive propter earn ab alio alteri damnum datum sit , pro modo admissi extra ordinem actio in dominum vel custodem detur, maxime si ex eo homo perierit Auch Dig. 47, 11, 11 unter den extraordinaria crimina: in circulatores, qui serpentes circumferunt et proponunt, si cui ob eorum metum damnum datum est, pro modo admissi actio dabitur .

Elfter Abschnitt.

Missbrauch der Rechte. Als criminell strafbarer Missbrauch der dem Staatsangehörigen Miesbrauch zustehenden Befugnisse werden in diesem Abschnitt die folgenden d e r R e c h t e ' Delicte behandelt: 1. Uebergriffe in das öffentliche Eigenthum; 2. Nichteinhaltung der Grundbesitzerpflichten; 3. Zinswucher ; 4. Korn- und Waarenwucher ; 5. Missbrauch der Gewerbe- und Verkehrsrechte: 6. Missbrauch des Personalstandes; 7. Führung eines falschen Personalstandes ; 8. Verstösse gegen die Unzuchtsordnungen der Republik; 9. Spielgewinn ; 10. Divination ; 11. Missbrauch der Wahlbewerbung; 12. Missbrauch des Vereinsrechts; 13. Missbrauch der fiscalischen Anzeige: 14. Anderweitige Contraventionen. Die an sich auch in diese Reihe gehörige Geschenknahme von Seiten des Sachwalters oder des Beamten ist ausgeschlossen worden theils weil sie bald in die Beamtenerpressung übergegangen ist, theils weil ihre prozessualische Behandlung der Ausgangspunkt und der Schlüssel ist für den späteren römischen Criminalprozess. — Ausgeschlossen bleiben selbstverständlich alle nicht dem Strafrecht im eigentlichen Sinn angehörigen gesetzlichen Repressivordnungen, sowohl die civilrechtlichen, wohin namentlich so gut wie alle Interdicte gehören, wie die bloss coercitiven, wie die zahlreichen römischen Luxusgesetze. Nur mit dem siebenten Abschnitt ist insofern eine Ausnahme gemacht worden, als der wichtigste

Viertes Buch.

8

Die einzelnen Delicte.

Fall, die Anmassung des römischen Bürgerrechts, trotzdem er nicht zur Bestrafung, aber zur Constatirung einer Thatsache führt, im Strafrecht ebenso einen Platz beanspruchen darf wie das Präjudicium im Civilrecht, überhaupt aber derselbe in einem römischen Strafrecht Platz finden muss. Diese Zusammenstellung selbst und nicht minder ihre Sammtbezeichnung unterliegen allerdings erheblichen Bedenken; und vielleicht ist es die einzige Rechtfertigung dafür, dass eine grosse Anzahl dieser Delicte weder im Strafrecht fehlen können noch irgend einer systematischen Anordnung sich einfügen lassen. Aber eine gewisse Einheitlichkeit dürfte doch dieser Gruppe zukommen und auch ihre Zusammenfassung als Missbrauch der Rechte sich entschuldigen lassen. Die scharfe Scheide zwischen sittlichem Recht und sittlichem Unrecht 1 , wie sie allen bisher behandelten Delicten gemein ist, lässt zwischen dem Gebrauch und dem Missbrauch des Rechts sich nicht ziehen. Diebstahl und Wucher sind moralisch gleichwerthig und oft genug jener entschuldbarer als dieser; das Gewissen zieht dort wie hier die Grenze, aber dem Eigenthum gegenüber nach festem jede Willkür ausschließenden Gesetz, gegenüber dem unerlaubten Zinsgewinn mit individuell unvermeidlicher Willkür, und dort wie hier muss das Strafgesetz folgen. Darum ist das Bewusstsein des Unrechts, der römische Dolus, die eigentliche Grundlage jeder Strafe, auf diesem Gebiet bis zu einem gewissen Grade fictiv (S. 91) und wird ergänzt durch die dem Wesen des Strafrechts nicht völlig congruente staatliche Verpflichtung das Strafgesetz zu kennen (S. 92). Die Anwendung hiervon zeigt sich namentlich bei der Beihülfe: clie Wahlbestechung zum Beispiel ist bei dem Bewerber ein Delict schlechthin, bei dem Bestochenen nicht und sogar bei dem Wahlagenten nur in gewissen von dem positiven Gesetz bezeichneten Fällen, während das auf ethischer Grundlage geordnete Delict solche Differenzen nicht zulässt. Auch eine gewisse prozessualische Gemeinschaft besteht für diese Delicte, insoweit sie dem magistratisch-comitialen Strafprozess unterliegen. Während die eigentlich ethischen Delicte in den Händen der verschiedenen für Hochverrath und Mord competenten Magistraturen liegen, werden diese wenigstens factisch ausschliesslich von den Aeclilen behandelt (S. 158 fg.), wie sie denn auch mit der 1

Wandelbar ist freilich auch das Sittengesetz und noch mehr dessen staatlicher Ausdruck; das Stuprum wird seit Augustus, die Divination seit der christlichen Zeit vom Missbrauch zum Unrecht.

Elfter Abschnitt.

Uebergriife in (las öffentliche Eigenthum.

845

städtischen Ordnung und der Sittenpolizei aufs engste zusammenhängen. Es gilt dies nachweislich von der Aneignung des Gemeinlandes, vom Zins- und Kornwucher, von der Unzucht und ist vielleicht noch in weiterem Umfang zur Anwendung gekommen. Die positive und durch die speciellen Ort- und Zeitverhältnisse hervorgerufene Gesetzgebung spielt selbstverständlich bei diesem Kreise eine weit grössere Rolle als bei den rein ethischen und im Grossen und im Ganzen überall gleichmässig wiederkehrenden. Damit hängt weiter zusammen, dass clie meisten nur im Zusammenhang mit Besonderheiten der römischen Volksentwicklung genügend dargelegt werden können, für die das Strafrecht keinen Raum hat. Die Wahlmissbräuche zum Beispiel können nur verstanden werden auf cler Grundlage der comitialen Organisation, und im Strafrecht muss diese vorausgesetzt werden. Die Behandlung des Strafrechts bei einem seiner Anlage wie seiner Geschichte nach so hervorragenden Volke, wie clas römische war, wird für clen Rechtsgelehrten immer von hohem Interesse sein ; auf die in diesem Abschnitt zusammengestellten Delicte und Contraventionen kann dasselbe sich nur in geringem Masse erstrecken. Es schien daher geboten, nicht bloss von der ebenso unerreichbaren wie gleichgültigen Vollständigkeit abzusehen, sondern hier in den ersten zwölf Abschnitten clie wichtigeren Einzelfälle in möglichster Kürze zu behandeln, in clem supplementarischen letzten eine Reihe der geringeren zusammenzufassen. 1. Uebergriife in das öffentliche Eigenthum. Die Benutzung des öffentlichen Bocleneigenthums steht jedem Uebergriffe Bürger und, so weit der Verkehr es forciert, auch jedem Nichtbürger zu unter cler zwiefachen Voraussetzung, einerseits class er die durch thum. die Zweckbestimmung des einzelnen Bodenstücks gegebenen oder sonst vom Staat aufgestellten Bedingungen einhält, andrerseits dass er clen bestehenden Rechten Dritter nicht zu nahe tritt. Von den hieraus sich ergebenden Contraventionen werden clie zum Schutz der öffentlichen Wege, so weit sie nicht als Minderung des Areals oder Verrückung cler Grenzsteine in clen Kreis, der Eigenthumsschädigung fallen (S. 822), nicht pönal behandelt, sondern es wird lediglich durch populäre Rechtshülfe die Restitution des früheren Zustandes herbeigeführt 1. Das nutzbare Gemeinland wurde clen 1

Prätorisches Edict Dig. 43, 8, 2, 35 : quod in via publica itinereve publico

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Bürgern zur Verfügung gestellt theils zum Auftreiben des Viehs, theils nach erfolgter Einfriedigung für Ackerbau und Baumzucht, in welchem letzteren Falle wie bei dem privatrechtlichen Precarium der Besitznehmer gegen Dritte geschützt ward während dem Staat die Rücknahme von Rechtswegen jeder Zeit freistand. Wir wissen über diese wichtigen Verhältnisse, um welche die ständischen Kämpfe sich grossentheils bewegt haben, wenig mehr, als dass das licinische Gesetz vom J. 387/367 und andere ähnliche sowohl für die Hütung wie für die Einfriedigung Maximalsätze aufgestellt haben2 und dass den Contravenienten im ädilicisch-comitialen Prozess hohe Geldbussen auferlegt worden sind 3 . Nachdem allmählich das Gemeinland entweder durch Auftheilung in Privateigenthum übergegangen oder durch Verpachtung oder sonst der allgemeinen Bürgernutzung entzogen war, sind diese Bestimmungen für die römische Bürgerschaft überhaupt ausser Anwendung gekommen. In den einzelnen Stadtordnungen begegnen auch später noch analoge Festsetzungen für den municipalen Acker. So untersagt die für Genetiva erlassene einerseits dem Gemeindebeamten jede directe oder indirecte Gewinnziehung aus dem öffentlichen Boden bei Strafe von 20000 Sesterzen 4, anderseits wird der Verkauf des Genieinlandes oder dessen Verpachtung über ein Lustrum hinaus verboten und auf die Sondernutzung desselben eine Busse von 100 Sesterzen für jedes Jugeruin und jedes Jahr gesetzt5. factum immissum habes, quo ea via idve iter deterius dasselbe gilt vom Wasserweg (Dig. 43, 13, 1, 11).

sit fiat , restituas . Ungefähr

1

Vor der Beziehung indess der Besitzinterdicte des Privatrechts auf den ager publicus ist auf das dringendste zu warnen. 2

Appian b. c. 1, 8 vom licinischen Gesetz : ζημ(αν ωρισαν. Cato bei Gellius 6, 3, 37; si quis plus quingenta iugera habere voluerit (beispielsweise gesetzt als incorrecte Fassung für habuerit), tanta poena esto; si quis maiorem pecorum numerum habere voluerit (ebenso statt habuerit), tantum damnas esto. 3 Livius 7, 16, 9 zum J. 397/357: C. Licinius Stolo a M. Popillio Laenate sua lege decern milibus aeris est damnatus, quod mille iugerum agri cum filio possideret emancipandoque filium fraudem legi fecisset. 40, 13, 14 zum J. 456/298: plerisque dies dicta ab aedilibus quia plus quam quod lege finitum erat agri possiderent. Weitere Belege St. R. 2, 494. Die Höhe der Strafe wurde wahrscheinlich für den einzelnen Fall von den Aedilen festgesetzt, natürlich mit Rücksicht auf die Schwere der Contravention; bei Catos Worten wird man hinzudenken dürfen quantae pecuniae aedilis eum multaverit. 4

Lex col. Gen. c. 93.

6

Lex col. Gen. c. 82.

Elfter Abschnitt.

Verletzung der Grundbesitzerpflichten.

847

2. Nichteinhaltung der Grundbesitzerpflichten. Das private Bodeneigenthum das nach cler römischen Rechts- Grundauffassung allgemein zurückgeführt wird auf Zutheilung durch clie p^ten. Gemeinde, ist gesetzlich beschränkt theils durch Untersagung, theils durch Auflegung gewisser Vornahmen. Es entspringen daraus verschiedene Straf klagen: 1. Mit Rücksicht auf die Feuersgefahr verbieten die Zwölf- Untersagung tafeln das Verbrennen der Leichen innerhalb der Stadt 2 und torien'^d fordern für die Anlegung cles Scheiterhaufens die Entfernung von Ziegeleien in 60 Fuss von jedem Wohnhaus3. Dies Verbot richtet sich nicht d e r S t a d t ausschliesslich, aber doch hauptsächlich gegen den Grundeigenthümer. Bei Zuwiderhandeln wird cler Magistrat die Coercitionsmittel angewandt haben. — Das Stadtrecht von Genetiva verbietet ebenfalls clas Verbrennen cler Leichen innerhalb cler Staclt 4 so wie die Anlegung von Crematorien in dieser selbst unci im Umkreis von 500 Schritten bei einer Busse von 8000 Sesterzen 5, ferner die Anlegung grösserer Ziegeleien innerhalb cler Staclt bei Strafe, wie es scheint, der Confiscation des Bodenstücks6. 2. Die Bestattung so wie clie Anlegung von Grabmälern inner- untersagung halb der Stadt ist nicht von jeher 7 , aber ebenfalls bereits ing^te^der den Zwölftafeln für Rom untersagt worden 8 . Dasselbe haben Stadt, die meisten Stadtrechte angeordnet und Hadrian allgemein für das Reich vorgeschrieben 9. Hinsichtlich cler Strafe wird es für die ältere Zeit gehalten sein wie bei cler Verbrennung. Das Stadtrecht von Genetiva setzt ausser der Beseitigung des Grabmals eine Busse an von 8000 Sesterzen zu Gunsten der Stadtkasse mit populärer Civilklage 1 0 ; Hadrian ausser cler Beseitigung des Grab1 Darunter ist sowohl das ursprüngliche GeschlechtseigenthunTverstanden wie das spätere der einzelnen Person. 2 Zwölftafeln 10, 1 Schöll = Cicero de leg. 2, 23, 58. Paulus 1, 21, 3. 8 Zwölftafeln 10, 10 Schöll = Cicero de leg. 2, 24, 61. 4 Lex col. Gen. c. 73. 5 Lex col. Gen. c. 74. 6 Lex col. Gen. c. 76. 7 Vgl. Marquardt Privatalterth. S. 360. Zu Grunde liegt wohl die Freihaltung des städtischen Verkehrs; religiöse Motive können dabei kaum eingegriffen haben und sanitäre würden weder die Aschenbeisetzung noch das Grabmal behindern. 8 Zwölftafeln 10, 1. 9 Uipian Dig. 47, 12, 3, 5 wirft die Frage auf, ob die entgegenstehenden Stadtrechte durch Hadrians Erlass beseitigt seieo, und bejaht sie. 10 Lex col. Gen. c. 73.

Viertes Buch.

848

Die einzelnen Delicte.

mais und der Confiscation cles Bodens eine Busse von 4000 Sesterzen zu Gunsten des Fiscus In cler Spätzeit wird clie Ueberschreitung im Extraordinärverfahren criminell bestraft 2 . Be3. Das Abbrechen eines Hauses innerhalb cler Stadt, so weit SC n a^ Ab-g e s n i c h t z u m Zweck und unter Sicherstellung cles Wiederaufbaus brechens der erfolgt, ist in den allmählich zurückgehenden Städten Italiens Hauser. j n republikanischer Zeit gesetzlich eingeschränkt worden. Nach den Stadtrechten von Tarent und von Genetiva aus der spätrepublikanischen oder cler caesarischen Zeit und nach dem von Malaca aus der Zeit Domitians wird dafür die Genehmigung des Stadtraths gefordert 3. Unter Claudius wird in Italien \ T erkauf auf Abbruch von der Erlaubniss des römischen Senats abhängig gemacht4. In der späteren Zeit wird bei jedem Niederreissen eines Hauses im gesammten Reich die Zustimmung einer Reichsbehörde gefordert, in Italien cles Senats, in clen Provinzen Die vielfach des städtischen Curators oder cles Statthalters 5 . unter sich differirenden Localbestimmungen können hier nicht berücksichtigt werden 6 . Die Strafe ist bei dem Verkauf auf Abbruch, wie es scheint, im Allgemeinen unter Cassirung des Contracts die Bestrafung des Verkäufers durch Einziehung des Grundstücks für das Aerarium, des Käufers durch eine cler Kaufsumme gleiche Busse an dasselbe7. Nach den Stadtrechten von Tarent und von Genetiva hat cler Besitzer eine dem Werth des abgerissenen Hauses gleiche Summe an die Stadtkasse zu zahlen8. Nach den späteren Ordnungen wird clas niedergerissene Gebäude 1

Dig. 47, 12, 3, 5. Paulus 1, 21, 2. 3. 8 Lex Tarentin. Z. 32 fg. Lex col. Gen. c. 75. Lex Malac. c. 62. 4 Hosidischer Senatsbeschluss vom J. 44/46 und volusischer vom J. 56 (im Auszug Dig. 18, 1, 52) Bruns p. 190. 5 Dig. 1, 18, 7. 39, 2, 46. Cod. 8, 10, 3. 6 Eingehend behandelt ist diese Bestimmung von mir in den Commentaren zu dem Stadtrecht von Malaca S. 480 und zu dem von Genetiva Eph. epigr. 3 p. 111. In Betracht kommt dabei auch die Freigebung städtischer von den Eigentümern verlassener Heimstätten zur Occupation durch Wiederaufbau (Sueton Vesp. 8). 7 Die Kaufsumme selbst erhält der Käufer von dem Verkäufer zurück (Dig. 18, 1, 52); die Confiscation wird nicht geradezu ausgesprochen, muss aber angenommen werden, da sonst der Verkäufer unbestraft bleibt. Ausserdem soll wegen der Contravention dem Senat Vortrag gehalten werden (utique de eo nihilominus ad senatum referretur); also ist weitere Bestrafung vorbehalten. 8 Die in dem Stadtrecht von Genetiva angeordnete Klage auf quanti ea res est und die tarentinische auf quanti id aedificium fuerit wird in dem letzteren 2

Elfter Abschnitt.

Zinswucher.

849

zu Lasten des Eigenthümers wieder hergestellt, eventuell das Grundstück confiscirt 1. 4. Die Instandhaltung der städtischen sowohl wie der L a n d - s t r a s s e n b a u strassen wird nach römischem Gebrauch nicht bloss in weitein ^n^gers! Umfang auf die anliegenden Grundbesitzer gelegt , sondern es trifft dieselben auch, wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen, ausser .der Ersatzpfiich; häutig eine Zuschlagstrafe 2. 3. Zinswucher. Der in der Rechtsconsequenz liegenden Befugniss des Gläubigers Zinswucher, für das Darlehen die Bedingungen nach Ermessen zu stellen sind in Folge der daran sich knüpfenden Missbräuche zuerst, so viel wir wissen, durch die Zwölftafeln 3 und später durch andere Gesetze maximale Schranken gezogen, zeitweise auch die Zinsnahine schlechthin untersagt worden. Diese Ordnungen selbst gehören dem Vermögensrecht an; hier kommt nur die pönale Behandlung der Contravention in Betracht. Sie ist zweifacher Art: entweder schreitet im ädilicisch-comitialen Verfahren der Beamte gegen den Wucherer ein durch schwere Muitirung, was vermuthlich nur in besonders gemeingefährlichen Fällen geschehen ist 4 , oder es wird gegen denselben jedem, cler dazu sich meldet, eine civile Strafklage auf den vierfachen Betrag cler zu Unrecht erhobenen Zinsen gegeben5, welche Strafgelder mindestens zum Theil clem Kläger bestimmt zur Verwendung halb für die Stadtkasse, halb für Spiele, wobei also der Wiederaufbau in Wegfall kommt. 1 Diese Behandlung fordern im wesentlichen die S. 848 A. 5 angeführten Stellen. 2 Nach dem julischen Municipalgesetz Z. 32 fg. wird die von dem Anlieger versäumte Instandsetzung des betreffenden Strassenstückes von dem beikommenden Aedilen verdungen und der Unternehmer hat, wenn der Anlieger nicht binnen dreissig Tagen die bedungene Summe zahlt, gegen denselben die Klage wie wegen Darlehnsschuld mit Zuschlag der Hälfte. Die Contravention selbst also wird im Wege der Administrativjustiz festgestellt. Wegen Beschädigung oder Gefährdung der städtischen Strasse durch anliegende Baulichkeiten schreiten nach Dig. 43, 10, 1,1. 2 die betreffenden Beamten (wahrscheinlich die stadtrömischen Illlviri viarum curandarum: St. R. 2, 603) durch Muitirung ein, das heisst im Wege der Coercition. Dies wird im Strafrecht genügen; die Sache selbst kann nur bei dem Wegewesen genügend dargestellt werden. 3 Zwölftafeln 8, 18 Schöll = Tacitus ann. 6, 16. 4 Aedilicische Muitirung der fenercttores berichten die uns erhaltenen Annalen zuerst unter dem J. 410'344 (Liv. 7, 28), zuletzt unter dem J. 562192 (Liv. 35, 41;. St. R. 2, 493. 6 Cato de r. r. 3 a : maiores nostri sie habnerunt et in legibus posuernnt furem dupli condemnor i, feneratorem quadrupli. Festus ep. p. 259: qnadniB i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strat'r.

54

850

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

zufielen. Dem zunächst Beschädigten wurde natürlich diese Klage auch und im Concurrenzfall vorzugsweise gegeben; was geschah, wenn ein Anderer ihm zuvorgekommen war, vermögen wir nicht zu sagen. Anscheinend ging diese Strafklage, wie dies früher bemerkt worden ist (S. 180), nach prätorischer Feststellung zur Entscheidung nicht an für den Einzelfall gegebene Geschworne, sondern an die in magistratischer Form und mit magistratischer Annuität bestellten Dreimänner. Die gewerbmässige Anstellung dieser und ähnlicher Klagen, die Quadruplation, muss in cler früheren Republik bis in die Mitte des 6. Jahrhunderts der Stadt 1 von wesentlicher Bedeutung gewesen sein; in cler uns besser bekannten Epoche ist sie, ohne Zweifel in Folge des damit getriebenen Missbrauchs, abgeschaift 2 und ersetzt durch eine strenge, aber auf den einfachen Betrag beschränkte Rückforderungsklage der zu Unrecht erhobenen Zinsen 3 . Criminelle Behandlung des Wuchers im Wege des Quästionenprozesses scheint der Dictator Caesar angeordnet zu haben und unter den ersten Kaisern hat sie bestanden4. Vielleicht hat die im folgenden Abschnitt erwähnte Quästion für den Kornwucher auch über den Zinswucher gerichtet. Dass die Strafe über den einfachen Ersatz hinausging, ist zu vermuthen; aber Zeugnisse fehlen. — Wahrscheinlich ist die criminelle Behandlung des Wuchers bald nachher abgeschafft worden oder abgekommen. platores dicebantur, qui eo quaestu se taebcmtur, ut eas res persequerentur, quarum ex legibus quadrupli erat actio. Der Scholiast zu den Verrinen div. 7, 24 p. 110 (vgl. 1. 2, 7, 21 p. 208) giebt neben einer unmöglichen die folgende anscheinend aus guten Quellen geschöpfte Erklärung des Wortes: alii dicunt quadruplatores esse eorum reorum accusatores, qui convicti quadrupli damnari soleant, aid (besser ut) aleae aut pecuniae gravioribus usuris feneratae quam profpter leges licet] aut eiusmodi aliorum criminum. 1 Die Erwähnung des quadruplator bei Plautus (S. 851 A. 8) zeigt, dass zu dessen Zeit diese Wucherstrafen noch in Kraft waren. 2 Darauf führt der spätere Gebrauch des Wortes bei Cicero (divin. in Caec. 7, 24, 21, 69 und sonst) und Späteren in gehässigem Sinn, ähnlich dem jüngeren delator. 3 Gaius 4, 23: lex Marcia (constituit actionem) adversus feneratores, ut si usuras exegissent, de his reddendis per manus iniectionem cum eis ageretnr. Die Zeit ist nicht zu bestimmen; vielleicht ist diese Klage an die Stelle der Quadruplation wegen Zinswuchers getreten. 4 Tacitus ann. 6, 16: magna vis accusatorum in eos inrupit, qui pecnnias fenore auctitabant adversum legem dictatoris Caesaris, qua de modo credendi possidendique intra Italiam cavetur omissam olim . . . sed tum Gracchu* praetor, cui ea quaestio evenerat (also erstreckte die Loosung sich darauf), multitudine pcriclitantium subactus rettulit ad senatum. Das Nähere ist nicht bekannt.

Elfter Abschnitt.

Kornwucher.

851

Die Maximalsätze blieben bestehen, aber die Ueberschreitung derselben gab dem Schuldner nur das Recht die gesetzwidrig bezahlten Zinsen am Capital zu kürzen und eventuell zurückzufordern; abgesehen von der clen Wucherer treffenden Infamie 1 unterlag er nach den Ordnungen der Kaiserzeit weder einer multiplaren Civilklage 2 noch crimineller Bestrafung, wenn auch einzeln in argen Fällen der Kaiser eine derartige Beschwerde clem Stadtpräfecten überwies 3. Die Capitalmacht hat es verstanden auch in dem kaiserlichen Rom sich freie Bahn zu schaffen. 4. Korn- und Waarenwucher. Ueber clen Korn- und überhaupt den Waarenwucher 4 wird nicht viel gemeldet. Bei dem Grossgeschäft in Getreide fehlen nicht die Hindeutungen auf Hemmung der Korneinfuhr 5 und auf Ringbildung zum Zwecke der Preissteigerung 6 , und übel beleumdet sind auch clie Waaren aller A r t , vorzugsweise aber Lebensmittel vertreibenden Zwischenhändler, die in cler späteren Zeit, wir wissen nicht wonach benannten dardanarii 7. In der republikanischen Epoche ist das äclilicisch-comitiale Multverfahren wie gegen den Zins- so auch gegen clen Kornwucher zur Anwendung gekommen8. Alsdann ist das julische wahrscheinlich von clem 1

Diocletian Cod. 2, 11, 20. Theodosius I. ordnete bei Ueberschreitung der gesetzlichen Zinsmaxima die Klage auf vierfachen Ersatz an (Cod. Th. 2, 33, 2); aber Justinian hat den Erlass nicht aufgenommen. 3 Hadrian (Dosith. sent. Hadriani 5) erwiedert auf eine solche Beschwerde: vir claris si mus praefectus meus (also der Stadtpräfect) de ea re excutiet et renuntiabit mihi. 4 Der praefectus annonae wird bei Dio 52, 24 bezeichnet Ιπϊ του σίτου της τε αγοοας τής λοιπής. Auch die dardanarii sind keineswegs beschränkt auf den Getreidehandel (A. 7). R Dig. 48, 12, 2, 1. 2. 6 Plautus A. 8. Dig. 48, 12, 2 pr. Allgemeine Erlasse gegen Ringe und Monopole von Leo und Zeno Cod. 4, 59. 7 Uns begegnen die dardanarii nur in den Rechtsbüchern (Ulpian Dig. 47, 11, 6 pr.; Paulus 48, 19, 37) und in den Glossen, wo die lateinisch - griechischen παντομετάβολος^ σπο(Götz 2 p. 37) dardanarius erklären durch παντοπώλης, χάπηλος , die griechisch-lateinischen (Götz 2 p. 368) μετάβολος durch dardanarius, cocionator (vielmehr cocio oder cuctio), arillator, welche beiden letzten Ausdrücke nach Festus ep. p. 20. 51 etwa unserem Höker entsprechen. Zu dieser allgemeinen Bedeutung passt es, dass bei der Bestrafung die falschen Masse vorwiegen (Dig. 48, 19, 37) und die gegen die Zwischenhändler gerichtete Vorschrift, ne dardanarii idlius mer eis sint (Dig. 47, 11, 6 pr.). 8 Das zu Grunde liegende Strafgesetz erwähnt Plautus Capt. 3, 1, 32 = 492: 54* 2

852

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Dictator Caesar herrührende Gesetz gegen den Kornwucher ergangen1 und für die entsprechenden Criminalprozesse so wie vermuthlich auch für den Zinswucher (S. 850) eine besondere Quästion eingesetzt worden 2 , die ihren Platz in der Reihe der iudicia publica noch in der justinianischen Gesetzgebung behauptet. Ob sie einem eigenen Prätor zugewiesen oder wie sie sonst behandelt worden ist, wissen wir nicht. Wahrscheinlich aber ist sie thatsächlich sehr bald bei Seite geschoben worden durch das Einschreiten der kaiserlichen Rechtspflege. Augustus hat das hauptstädtische Getreidewesen selbst in die Hand genommen und, nach Beseitigung der anfänglich von ihm verwandten senatorischen Beamten, in den letzten Jahren seiner Regierung dessen Leitung einem Vertreter aus dem Ritterstand übertragen mit delegirter kaiserlicher wie auf den Civil- so auch auf den Strafprozess sich erstreckender Gerichtsbarkeit 3 , während in den Provinzen die oberste Aufsicht darüber dem Statthalter zusteht 4 . Bei diesem kaiserlichen Procurator für clas hauptstädtische Getreidewesen wird die Anzeige der gegen clie Getreideordnung begangenen Contraventionen eingebracht und mit Rücksicht auf clas öffentliche Interesse auch Soldaten, Frauen und Unfreien gestattet 5 ; das Verfahren wird dasselbe gewesen sein wie bei dem Stadtpräfecten. Die Strafe moclificirt sich nach cler Beschaffenheit der Contravention; im Allgemeinen wird bei Personen bessern Standes auf Interdiction des Geschäfts oder auf Relegation, bei Geringeren auf Zwangsarbeit erkannt 6 , doch kommen auch Geldbussen7 und selbst Capitalstrafen 8 vor. nunc barbarica lege certumst ius meum omne persequi; qui concilium inire, quo nos victu et vita prohibeant, is diem dicam, irrogabo multam, ut mihi cenas decern meo arbitrato, dent , cum cara annona sit . Eine derartige Verurtheilung ob annonam compressam erwähnt Livius 38, 35 zum J. 565'189. Es wird damit auch in Verbindung stehen, dass die Zwölftafelklage wegen Verzauberung der Feldfrüchte (S. 772 A. 5) von einem Aedilen angestellt wird. 1 Lex Iulia de annona: Dig. 48, 1, 1. tit. 12. Inst. 4, 18, 11. 2 Accusation aus diesem Gesetz Dig. 48, 2, 13, während die dardanarii ausserordentlicher Weise bestraft werden Dig. 47, 11, 6. 48, 19, 37. 3 S. 274. Dig. 48, 2, 13. tit. 12, 3, 1. 4 Dig. 47, 11, 6 pr. 5 Dig. 48, 2, 13. tit. 12, 1 pr. 1. 3, 1. 6 Dig. 47, 11, 6 pr. 7 Busse von 2000 Sest. wegen zurückgehaltener Kornschiffe: Dig. 48, 12, 2, 1. 2. 8 In der constantinischen Zeit hat der praefectus annonae zeitweise Capitalgerichtsbarkeit gehabt (S. 274 Α. 7).

Elfter Abschnitt.

Gewerbedelicte.

853

δ. Missbrauch der Gewerbe- und Verkehrsrechte. Die staatlichen Einschränkungen des Gewerbebetriebes und des HmdeisHanclelsverkehrs, Monopole, Zölle, Einfuhr- und Ausfuhrverbote, d e f r a n d e n · maximale Fixirung der Waarenpreise gehen im Allgemeinen das Strafrecht nichts an. Die Contraventionen unterliegen den Finanzbehörden, nicht den Gerichten und die Strafen werden dem entsprechend regulirt; nur derjenige Waarenexport, welcher als Hülfleistung für den Landesfeind aufgefasst wird, fällt unter das Staatsverbrechen (S. 548 A. 5). Aber in der Spätzeit schwindet in dem allgemeinen Zusammenbruch aller legalen Schranken auch diejenige zwischen cler Finanz- und der Criminalstrafe. Diocletian hat im J. 301 alle Waaren- und Arbeitspreise unter Androhung der Capitalstrafe maximal fixirt und bevor ein Decennium später die Unausführbarkeit des Gesetzes anerkannt wurde, ist in Folge desselben Blut genug geflossen 1. Auch bei der Regulirung des internationalen Handels zwischen den Römern und den Persern wird dem Contravenienten Vermögensconfiscation und Verbannung auf Lebenszeit angedroht 2 . Es wird genügen auf diese missbräuchlich und spät in das Strafrecht hineingezogenen Delicte hier hingewiesen zu haben. 6. Missbrauch des Personalstandes. Wenn nach clen Ordnungen der Republik der rechtlich begründete Personalstand nur insoweit verloren gehen konnte, als die criminelle Verurtheilung den Verlust der Freiheit nach sich zog, so wird nach denen des Principats in einer Reihe von Fällen, die nicht als Capitalverbrechen, sondern nur als Missbrauch des Personalstandes bezeichnet werden können, clen betreifenden Personen die Ingenuität oder die Freiheit im Wege des privatdelictischen Verfahrens entzogen. Es sind dies die folgenden: 1. Wenn der Freigelassene schlechtesten peregrinischen FreiheitsReclits (dediticiorum numéro) die durch das aelisch - sentische v e r l " s î v wegen Ueber-

Gesetz vom J. 4 n. Chr. ihm auferlegte Verpflichtung sich in Rom und im Umkreis bis zum 100. Meilenstein nicht aufzuhalten .

übertritt, wird er zum Sclaven gemacht und nebst seiner Habe von 1 Das Edict (2, 19) droht die poena capitalis dem Käufer wie dem Verkäufer. Ueber die Folgen und den Wegfall Lactantius de mort, persec. 7, 6. 7 (geschrieben nach 313). 2 Cod. 4, 63, 4. 6. Vgl. über diese Regulirungen überhaupt Marquardt Handb. 1, 563. 2, 271.

schreitung

de 9 A u f e n f c " t

haltsyerbots.

Viertes Buch.

854

Die einzelnen Delicte.

Gemeindewegen verkauft und, wenn er später freigelassen werden sollte, Gemeindesclavel. — Auch wenn ein Sclave unter der Bedingung, dass er an einem bestimmten Orte nicht verweilen dürfe, veräussert worden ist und derselbe als Freigelassener diesen Ort betritt, verwirkt er damit wenigstens nach späterem Recht zu Gunsten des Fiscus clie Freiheit und wird von diesem mit Untersagung der Freilassung zum Verkauf gebracht 2. Freiheits2. Dem über zwanzig Jahre alten Freien, welcher unter Simuwege'nAn- lation der Unfreiheit sich von einem Dritten als Sclaven verkaufen theiinahme lässt, um nach Wiedererlangung der Freiheit an dem Kaufpreis licLmKauf.einen Antheil zu erhalten 3 oder auch um eine nur dem Sclaven zugängliche Stellung sich zu verschaffen 4, wird, wie es scheint auf Grund eines Senatsschlusses aus der Zeit cles Claudius 5 , die an sich dem zu Unrecht als Sclaven gehaltenen Freien zuständige Anrufung cler Freiheit verweigert und er bleibt Sclave seines Käufers. Freiheits3. Auf Grund eines im J. 52 unter Claudius gefassten Senatsweger^des beschlusses6 wird clie Freigeborene römischen oder latinischen concubinats Rechts, welche mit ihrem Vorwissen oder, wenn sie in väterlicher mit einem Gewalt steht, mit Vorwissen ihres Vaters 7 mit einem fremden unfreien. Sclaven8 ein der Ehe factisch gleiches Verhältniss eingeht und 1

Gaius 1, 27 vgl. 1, 160. Papinian Vat. fr. 6: midier servant ea lege vendidit, ut, si redisset in earn eivitatem, uncle plaeuit exportari, manus iniectio esset.... post manumissionem .. si redierit, in perpetuam servit utein sub ea dem lege publice distrahetur. Severus Cod. 4, 55, 1. 2. Alexander das. 3. 8 Pomponius Dig. 40, 13, 3 : eis qui se passi sint venire, ad libertatem proclamandi licentiam denegari. Dig. 1, 5, 21. 28, 3, 6, 5. Cod. 7, 16, 5, 1. tit. 18, 1. Inst. 1, 3, 4. tit. 16, 1. Als Soldatenverbrechen ist dies capital: Dig. 48, 19, 14. 4 Zum Beispiel wenn die Simulation vorgenommen wird um damit die dem Freien verschlossene Stellung als actor eines Vermögenden zu gewinnen: Dig. 28, 3, 6, 5. 6 Dafür spricht die Inscription von Dig. 40, 13, 5 und die Berufung auf Senatsbeschlüsse Dig. 40, 13, 3. Quintus meus, dessen Ausspruch hierüber Paulus Dig. 40, 12, 23 pr. anführt, ist nicht zu ändern in Quintus Mucius, sondern auf Q. Cervidius Scaevola zu beziehen, den Paulus sonst in diesen Büchern als Scaevola noster anführt. 6 Tacitus ann. 12, 53 (S. 855 A. 3). Wenn Sueton Vesp. 11 die Anordnung dem Vespasian beilegt, so bezieht sich dies wohl auf eine Einschärfung derselben. Es sind hier nur die Grundzüge dieser vielfach in der Gesetzgebung schwankenden Institution bezeichnet worden; eingehend hat sie Mitteis (Reichsrecht und Volksrecht S. 364—372) behandelt. 7 Paulus 2, 21 A, 9. 10 vgl. 18. 8 Als fremd gilt weder der eigene Sclave der Frau (Paulus 2, 21 A, 1) noch 2

Elfter Abschnitt.

Aberkennung des Personalstandes.

855

trotz dreimal wiederholten Verbots des Eigenthümers in diesem Verhältniss verbleibt 1 , dadurch Sclavin in der Regel desselben Eigenthümers 2. Geht die freigeborene Frau das gleiche Verhältniss mit Einwilligung des Herrn des Sclaven ein, so wird sie dadurch zur Freigelassenen desselben3. Von der freigelassenen Frau gilt dasselbe, wenn sie dies Verhältniss mit Vorwissen ihres Patrons eingeht; thut sie es ohne sein Vorwissen, so fällt sie in dessen Sclaverei zurück und darf nicht abermals freigelassen werden 4. Die Unfreiheit der Mutter erstreckt sich auf die aus diesem Verhältniss entsprossenen Kinder 5 . — Constantin hat für das Contubernium der freigeborenen Frau mit einem kaiserlichen Sclaven die Rechtsfolge gemildert 0 , Justinian diesen Fall des Freiheitsverlustes beseitigt 7 . — Ueber die durch Constantin angeordnete criminelle Behandlung des Contubernium der freien Frau mit ihrem eigenen Sclaven ist bei den geschlechtlichen Delicten (S. 686) gehandelt. 4. Auf die sittliche Dankbarkeitspflicht des Freigelassenen gegen den gewesenen Herrn ist wohl in den älteren Rechtsordderjenige eines ihrer Freigelassenen (Paulus a. a. 0 . 13) noch derjenige ihres Sohnes (Paulus a. a. 0. 16), auch nicht, wenn sie selbst eine Freigelassene ist, der ihres Patrons (Paulus a. a. 0. 11). 1 Paulus 2, 21 A, 17: tribus denuntiationibus conventa etsi ex senatus consulto facta videatur ancilla, domino tarnen adiudicata citra auctoritatem inter positi per praesidem decreti non videtur. Dreimalige Denuntiation fordern auch spätere Verordnungen. Bei dem Contubernium mit einem Municipalsclaven (Paulus a. a. 0. 14), vorübergehend auch bei dem mit einem fiscalischen (C. Th. 4, 11, 6 vgl. 10, 20, 10) tritt die Unfreiheit auch ohne Denuntiation ein; ja die Verordnung von 331 C. Th. 4, 11, 5 erstreckt dies auf alle derartigen Contubernien. 2 Dass nach dem römisch-syrischen Rechtsbuch, wie Mitteis a. a. 0. ausführt, der Frau selbst, nicht aber ihren Kindern, die Freiheit bleibt, wenn sie mit dem Sclaven nicht bei sich, sondern im Hause seines Herrn in Ehegemeinschaft gelebt hat, ist wohl nur Weiterbildung der römischen Gesetzgebung insofern, als die Hausgemeinschaft mit dem Herrn dessen Einverständniss voraussetzen lässt, und abweichend ist also nur, dass in diesem Fall (vgl. A. 5) die Kinder unfrei werden. 3 Gaius 1, 91. 160. Ulpian 11, 11. Tacitus ann. 12, 53: refert ad patres de poena feminarum, quae servis coniungerentur, statuiturque, ut ignaro domino ad id prolapsae (prolapso Hdschr.) in Servitute, sin consensisset, pro libertis haberentur. Letztere Clausel wird sonst nicht erwähnt, doch bedarf es der Aenderung pro liberis nicht. 4 Paulus a. a. 0. 6. 7. 5 Nach dem claudischen Senatsbeschluss werden die Kinder unfrei, auch wenn bei ertheilter Einwilligung des Herrn die Mutter frei bleibt; dies hat Hadrian beseitigt (Gai. 1, 84). 6 C. Th. 4, 11, 3. 7 Cod. 7, 24. Inst. 3, 12, 1.

Viertes Buch.

856

Die einzelnen Delicte.

Aufhebung nungen vielfach, namentlich im Erbrecht unci bei der Injurienklage Fassung" Rücksicht genommeu worden; auch hat Augustus dem Freilasser wegen Un- das Recht gegeben oder wohl vielmehr gelassen den Freigelassenen aus Rom und der Umgegend auszuweisen (S. 18 A. 2). Aber Cassation der rechtskräftigen Freilassung aus diesem Grunde kennt weder das republikanische Recht noch dasjenige der früheren Kaiserzeit. Die entgegenstehenden Entscheidungen, welche Kaiser Claudius abgegeben h a t 1 , können nicht als Anwendungen cles geltenden Rechts aufgefasst werden und ein unter Nero im Senat in diesem Sinn gestellter Antrag ging nicht durch 2 . Erst ein Erlass des Kaisers Commodus3 hat angeordnet, dass der Freigelassene, welcher den Patron in einer Nothlage vernachlässigt, ihm wieder zugesprochen und äussersten Falles von der Behörde zum Besten des Patrons veräussert werden soll. Seitdem kann der Patron durch eine nach Ermessen entscheidende magistratische Cognition 4 die Aufhebung der Freilassung wegen Undankbarkeit herbeiführen 5. Spätere Verordnungen haben dieses Recht auch den Erben des Patrons und auch gegen die Kinder cles Freigelassenen eingeräumt 6. Aufhebung 5. In ähnlicher Weise ist das emancipirte Kind dem Vater zur pationwtgen Dankbarkeit verpflichtet und kann nach späterem Recht in die Geundanks. wait zurückgeführt werden 7. 7. Führung eines falschen Personalstandes. Wenn die Anmassung eines verwandtschaftlichen Verhältnisses oder einer Rangstellung unter clas Delict der Fälschung gezogen 1

Dass Claudius Freigelassene, die gegen ihre Patrone als Delatoren aufgetreten waren, so weit er sie nicht selbst bestrafte, ihren früheren Herren als Unfreie zurückgab, berichten Marcianus Dig. 37, 14, 5 und Dio 60, 13. Wohl unrichtig verallgemeinernd Sueton Claud. 25: (Ubertinos) ingratos et de quibus patroni quererentur revocavit in servitutem. 2

Tacitus ann. 13, 26. 27. Dig. 25, 3, 6, 1. 4 Caracalla Cod. 6, 7, 1: extra ordinem. Constantin C. Th. 4, 10, 1 = Iust. 6, 7, 2: in iudicio vel apud pedaneos iudices. 6 Ulpian Dig. 4, 1, 6. 40, 9, 30 pr. Paulus Dig. 4, 2, 21 pr. 50, 16, 70 pr. (wo in lege Aelia Sentia zu erklären ist aus der Inscription der Stelle 40, 2, 15). Inst. 1, 16, 1. Donatus zu Terenz Andr. 1, 1, 13: secundum ius, quod adversus Ubertos ingratos est, ut in servitutem revocentur. 6 Th. C. 4, 10, 2 = lust. 6, 7, 3. Th. C. 4, 10, 3 = lust. 6, 7, 4. Den Erben des Patrons hat Valentinian III. (nov. 24) dies Recht genommen. 7 Erlass Valentinians I. C. Th. 8, 14, 1 = Iust. 8, 49, 1. Die älteren Gesetze, auf die der Erlass sich beruft, haben wir nicht. 3

Elfter Abschnitt

er Personalstand.

857

ist (S. 676), so ist dies nicht erstreckt worden auf die Führung eines falschen Personalstandes. Den Unfreien, der als Freier, den Freigelassenen, der als Freigeborener, den Peregrinen, der als Bürger auftritt, kann selbstverständlich der Private wie der Magistrat, dem gegenüber die falsche Personalstellung geltend gemacht wird, in seine Schranken zurückweisen; aber nur in untergeordnetem Umfang ist das Strafverfahren oder doch ein dem Strafverfahren gleichartiger Prozess gegen dergleichen Anmassungen zur Anwendung gekommen. Wenn der Unfreie sich cler Gewalt seines Herrn entzieht und Anmassung sich die Freiheit anmasst, so bleibt es, wo nicht erschwerende der F r e i h e i t Umstände hinzutreten l , dem Herrn überlassen, den Sclaven wieder in die Gewalt zu bringen und, wenn es ihm so beliebt, ihn für die Anmassung cler Freiheit zu bestrafen, wobei der betheiligte Freie wegen Diebstahls (S. 746) oder Plagiums (S. 781) zur Verantwortung gezogen werden kann. Allerdings ist es im öffentlichen Interesse, dass dies geschieht2; wer den seine Sclaven aufsuchenden und durch öffentliche Beglaubigung legitimirten Eigenthümer an der Nachsuchung hindert 3 oder auch den bei ihm verweilenden flüchtigen Sclaven nicht seinem Eigenthümer oder dem Magistrat anzeigt 4 , wird strafbar. Aber in die Bestrafung des an den Herrn zurückgelangenden Sclaven greift die Obrigkeit nur ausnahmsweise ein 5 . Ob der Freigelassene, dessen Status durch das civile Prä- Anmassung judicialverfahren mit Rechtskraft wenigstens zwischen den Parteien Inge < ÎJ l r it4t festgestellt werden konnte 6 , nach republikanischem Recht durch Anmassung der Ingenuität eine Strafe verwirkte, muss dahingestellt bleiben. Zur Frage kam dies wohl hauptsächlich bei den öffentlichen Spielen bei Gelegenheit der Anmassung reservirter Plätze 7 . Unter Tiberius ist durch einen der spätesten Volks1

Constantin Cod. 6, 1, 3: si fugitivi servi deprehenduntur ad barbaricum transeuntes f aut pede amputato debilitentur aut métallo dentur aut qualibet alia poena adficiantur. Dies ist Gemeinschaft mit dem Landesfeind (S. 546). 2 Ueber die Bestrafung des flüchtigen Sclaven durch den Herrn, regelmässig mit Brandmarkung, häufig noch schwerer vgl. Marquardt Privatalterth. S. 184. 8 Dig. 11, 4, 1, 2. 1. 3. 4 Dig. 11, 4, 1 pr. 8 Callistratus Dig. 11, 4, 2: fugitivi simplices dominis reddendi sunt; sed si pro libero se gesserint } gravius coerceri soient . Vgl. S. 298. 748 fg. 6 Gai. 4, 44 vgl. Inst. 4, 6, 13. 7 Quintilian 3, 6, 19 spricht von der Accusation tkeatrali lege wegen unbefugten Sitzens auf den Ritterbänken. Vgl. die Inschrift aus dem flavischen Amphi-

Viertes Buch.

858

Die einzelnen Delicte.

schlösse, den visellischen vom J. 24 n. Chr. dafür eine Criminalklage angeordnet worden, deren Form und Strafmass nicht überliefert sind 1 . Anmassung Bei weitem am wichtigsten ist die Anmassung des BürgerdeS re!hir r~ rechts. So häufig diese Frage im einzelnen Fall administrativ oder gerichtlich erörtert und entschieden werden musste, so scheint doch ein dieselbe allgemeingültig erledigendes Verfahren den ursprünglichen Ordnungen gemangelt zu haben. Aber die früh anhebenden Beschwerden der mit Rom verbündeten italischen Gemeinden über die Auswanderung ihrer Angehörigen nach Rom mit oder ohne Berechtigung zum Eintritt in den römischen Bürgerverband haben nicht bloss zur Einschränkung der Freizügigkeit und zu häufigen Ausweisungen der Nichtbürger aus Rom geführt, sondern wahrscheinlich auch zu einer mindestens administrativen Regulirung der Berechtigungsfrage 2. Denjenigen, welche behaupteten zu Unrecht zurückgefordert oder ausgewiesen zu werden, ist bereits im 6. Jahrhundert d. St. bei einem römischen Prätor Gehör gegeben worden 3 . In dem folgenden ist dafür im Anschluss an das Quästionenverfahren ein eigener Gerichtshof eingesetzt worden, wahrscheinlich schon durch frühere Gesetze4, sicher durch das licinisch-mucische vom J. 659/95, welches durch die Anordnung der Ausweisung der Nichtbürger den Bundesgenossenkrieg hervorrief 5 , und nach demselben durch das von dem Volkstribun M. Papius theater C. I. L. VI, 32098 a: . . . /qujib(us) in theatr(o) licet p(edes) XII.

lege pl{ebi)ve

[scito

sediere]

1

Diocletian Cod. 9, 21, 1 (daraus Valens Cod. Th. 9, 20, 1 = lust. 9, 31, 1): qui libertinus se dicit ingenuum, tarn de operis civiliter quam etiam lege Visellia criminaliter poterit pcrurgueri. Ueber die Zeitbestimmung des Gesetzes St. R. 3,424. Das römische Senatsconsult verheisst ausserdem dem Deountianten eine Belohnung (Cod. 7, 20, 2). Dass Kaiser Claudius Freigelassene, die sich den Ritterrang beigelegt hatten, zu Gemeindesclaven machte (Sueton Claud. 25: libertinos, qui se pro equitibus Romanis gesserant, publicavit), ist wohl ein Willküract. Es sollen bei diesem Kaiser an einem Tage vierhundert Personen desswegen angeklagt worden sein (Plinius h. n. 33, 2, 33; vgl. St. R. 2, 424 A. 4). Von einer gleichartigen Anklage unter Severus spricht Dio 78, 13. 2

St. R. 2. 139. 3, 637 fg.

3

Liv. 39, 5. 41, 8. 9: quaestio, qui ita non redissent , L. Mummio praetori décréta est. 42, 10. Val. Max. 3, 4, 5. 4 St. R. 3, 200. 5

Asconius in Cornel, p. 67 : cum summa cupiditate civitatis Romanae Italici populi tenerentur et ob id magna pars eorum pro civibus Romanis se gereret , necessaria lex ( Licinia Mucia) visa est, ut in suae quisque civitatis ius redigeretur .

Elfter Abschnitt.

er Personalstand.

859

im J. 689/65 eingebrachte 1. Diese Quästion leitet ein wenn auch schwerlich ausschliesslich für diese Prozesse bestimmter Prä tor 2 und Geschworne entscheiden3. Als Kläger erscheint die das römische Bürgerrecht bestreitende Gemeinde4 oder wer einzeln die Klage aufnehmen will 5 , als Beklagter demnach wer das römische Bürgerrecht für sich in Anspruch nimmt. Ein Strafantrag wird, so viel wir sehen, nicht gestellt, wahrscheinlich nach Art der Präjudicien des Civil Verfahrens das Bürgerrecht an- oder aberkannt 6 . Dem Rechtsspruch mag wohl nicht bloss zwischen den Parteien, sondern allgemein Rechtskraft zugekommen sein 7 . Dies Verfahren ist noch in der Kaiserzeit zur Anwendung gekommen 8 ; doch sind damals in solchen Fällen auch eigentliche Straferkenntnisse gefällt worden 9 . Cicero pro Balbo 21, 48: acerrima de civitate quaestio lege Licinia et Mucia. Brut. 16, 63. 1 Dio 37, 9. Cicero de off. 3, 11, 47. 2 Cicero pro Arch. 2, 3: in quaestione légitima et in iudicio publico , cum res agatur apud praetorem populi Romani. Ebenso pro Balbo 23, 57. 28, 65. Nach der Wendung in der Rede pro Balbo 23, 52 : iudices, qui huic quaestioni praefuerunt hat er wohl sich im Vorsitz vertreten lassen können. 3

Die in den derartigen Prozessen des Archias und des Baibus von Cicero gehaltenen Reden sind beide an die iudices gerichtet. Einen dritten derartigen erwähnt Cicero ad Att. 4, 18, 4. — Der Prozess (Cicero pro Cluentio 15) hinsichtlich der Freiheit der larinatischen Martialen zwischen dem Vertreter derselben und der Gemeinde Larinum ist Adsertion in libertatem, nicht Streit um das Bürgerrecht. Merkwürdig ist er insofern, als es sich dabei vermuthlich um die principielle Frage gehandelt hat, ob die von einer römischen Bürgergemeinde bestellten Hierodulen als Unfreie anzusehen seien gleich den römisch-sicilischen Venerii oder ob die Ueberweisung des Sclaven an den Tempel die Freilassung einschliesst. 4 Cicero pro Balbo 17, 38. 23, 52: iudices cum prae se ferrent palamque loquerentur, quid essent lege Papia de M. Cassio Mamertinis repetentibus iudicaturi, Mamertini publice suscepta causa clestiterunt. 5 Der Ankläger des Baibus thut dies gegen den Willen der Heimathgemeinde (Cicero pro Balbo 17, 38); wie es scheint, ist er in einem gleichartigen Prozess unterlegen (c. 14, 32), also kein römischer Bürger. 6 Wenigstens führt in den genannten Reden keine Spur auf eine eigentliche Strafe; (lie poena und die Gefährdung des caput (pro Balbo 3, 6. 7, 18. 19) können füglich in der Aberkennung des prätendirten Bürgerrechts gefunden werden. Auch konnte die Heimathgemeinde, wenn der Spruch für sie günstig ausfiel, den Besiegten schwerlich zur Heimkehr zwingen, wohl aber die römische Behörde alsdann den Ausländer ausweisen. 7 Dies muss in den betreffenden Gesetzen ausgesprochen worden sein, selbstverständlich unter Vorbehalt der Prävarication. 8

Sueton Claud. 13: peregrinitatis

9

Sueton Claud. 25: civitatem Romanam usurpantes in campo Esquilino

reus.

Viertes Buch.

860

Die einzelnen Delicte.

8. Verstösse gegen die Unzuchtsordnungen der Republik. Von dem bei Plautus erwähnten Kupplergesetz (S. 690 A. 3) und dem Einschreiten der Aedilen gegen Frauenverführung (S. 690) und Päderastie (S. 703) ist bereits die Rede gewesen. Die Kinderabtreibung und die Kinderunterschiebung werden ebenfalls bei Plautus mit der Quadruplation in Verbindung gebracht 1 und es ist wohl möglich, dass in der früheren Republik auch dafür derartige Pönalklagen bestanden haben. In der letzten republikanischen Zeit ist durch das scantinisehe Gesetz die Päderastie (S. 703), unter Augustus Ehebruch und Mädchenverführung (S. 691) in die eigentlichen Delicte eingezogen worden und haben in dieser Reihe ihre Darstellung gefunden. 9. Spielgewinn. spielGegen das Glücksspiel2 ist die republikanische Gesetzgebung gewinn. m j t g t r e n g e eingeschritten; indess wissen wir darüber nichts als dass drei Gesetze, das titische, das publicische und das cornelische darüber erlassen worden sind 3 und dass ein solches bereits in der Mitte des 6. Jahrhunderts der Stadt in Kraft war 4 . Zulässig ist der Einsatz bei Kampfspielen und, wenn er in der civilrechtlichen Form des Versprechens gemacht wird, auch klagbar 5 . Sonst ist das Spielen mit Einsatz (alea) verboten 6 und die Spielschuld klagsecuri perçus sit μενοι

κολάζονται 1

Arrian Epict. 3, 24, 41: oi

της

1

Ρωμαίων

πολιτείας

χαταιρενόό-

πιχρως.

Plautus Truc. 4, 2, 49 = 762: postid ego te manum iniciam quadrupidi ( quadrupiis Hdschr.), veneßca, suppostrix puerum , ego edepol iam Uia probra aperibo omnia. 2 Ueber die Spiele selbst vgl. Marquardt Privatalterth. S. 847 fg. 8 Dig. 11, 5, 3. 4 Plautus mil. 2, 2, 5 = 164 fordert der Alte ein convivium sine talis , ut ne legi fraudem faciant aleariae (so der Ambros., andere Hdschr. talariae). 6 Dig. 11, 5, 2, 1. 1. 3: senatus eonsultum vetuit in pecuniam ludere, praeterquam si quis certet hasta vel pilo iaciendo vel currendo saliendo luctando pugnando quod virtutis causa fiat, in quibus rebus ex lege Titia et Publicia et Cornelia etiam sponsionem facere licet; sed ex aliis, ubi pro virtute certamen non fit, non licet. Die Spiele, bei welchen Justinian (Cod. 3, 43, 1) den (allerdings auf einen Solidus beschränkten) Einsatz gestattet, das μονόβολον = δρόμος, der Wettlauf und vier andere, sind gleichartig. 6 Alea entspricht im Gebrauch unserem Glücksspiel, umfasst aber rechtlich jedes verbotene Spiel mit Einsatz, auch wo der Gewinn von der Geschicklichkeit des Spielers abhängt. Als verboten erscheint sie oft, so bei Horaz od. 3, 24, 58 und Sueton Aug. 71.

Elfter Abschnitt.

Unzucht.

Spielgewinn.

Divination.

861

los, auch die Rückforderungsklage zulässig, so weit nicht der Kläger selbst mitschuldig ist, also namentlich bei dem Spielverlust von Haussöhnen und Unfreien 1 . Obrigkeitlich ist dagegen vor allem von den Aedilen im Wege der Coercition eingeschritten worden 2 ; aber auch dem Strafverfahren kann das Glücksspiel unterliegen. Allerdings lässt die Anwendung der Quadruplation auf dasselbe sich nicht erweisen 3 und auch von ädilicisch - comitialen Multen aus diesem Grunde erfahren wir nichts; aber in irgend welcher Form hat in der letzten republikanischen Zeit ein wahrscheinlich zur Verbannung führendes Strafverfahren wegen verbotenen Spielens bestanden4. Aus der Kaiserzeit findet sich ausser in Beziehung auf Geistliche 5 von Crimiualstrafen dieser Art kein sicherer Beleg 6 . 10. Divination. Die Erkundung künftiger oder doch verborgener Dinge 7 auf strafbare nicht natürlichem Wege, die Divination tritt in der Verwaltung der D m n a t l o n ' Staatsgeschäfte wie in der privaten Lebensführung bei den Römern auf in den verschiedensten Formen. In ersterer Beziehung ist es Gebrauch vor der Vornahme einer Handlung anzufragen, ob dieselbe zum Guten ausschlagen werde oder nicht; oft auch warnt ein Götterzeichen vor einem drohenden und abwendbaren Unheil. So t r i t t sie auf als Vogelschau (augures) 8, Eingeweideschau ( haruspices )9, als 1

Dig. 11,5,4. Justinian Cod. 3, 43, 1 gestattet die Rückforderung allgemein. Martialis 5, 84. 14, 1. Dass im prätorischen Edict gegen Nöthigung zum Glücksspiel Coercition — Geldbusse oder Haft — angedroht wird (Dig. 11, 5, 1, 4), ist insofern auffallend, als dies in der Competenz wohl des Aedilen liegt, aber nicht des Stadtprätors. 3 Das Zeugniss des Scholiasten der Verrinen (S. 849 A. 5) ist nicht vollgültig. 4 Dass Antonius den wegen alea verurtheilten Licinius Denticula restituirte (Cicero Phil. 2, 23, 56 und daraus Dio 45, 47), kann nicht wohl anders verstanden werden als von Bestrafung desselben durch Exilirung. 5 Nov. 123, 10: dreijährige Suspension. 6 Ambrosius in Tob. 11 sagt freilich: qui apud iudicem damnantur, apud illos (bei den Spielern) gloriosi sunt; qui apud illos damnantur (man erwartet laudantur oder dominantur\ apud iudicem criminosi sunt. 7 Zum Beispiel bei Befragung wegen des Aufenthaltsortes eines entlaufenen Sclaven (S. 862 A. 1). 8 Noch erwähnt bei Lactantius inst. 2, 16 und C. Th. 9, 16, 4. 6 = Iust. 9, 18, 5. 7, aber wahrscheinlich veil früher ausser Gebrauch gekommen. 9 Die Anwendung der Haruspicin von Staatswegen bei Blitzbeschädigung öffentlicher Gebäude hat noch Constantin im J. 321 angeordnet (C. Th. 16, 10, 1, worauf wohl Zosimus 2, 29 sich bezieht). 2

862

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Deutung und Behandlung der besonderen Götterzeichen (prodigia), als Befragung der durchgängig ausländischen Orakel. Im Privatverkehr spielt neben der gleichartigen Befragung der Götter 1 die erste Rolle die quasi-wissenschaftlich entwickelte Ermittelung der zukünftigen Schicksale des einzelnen Menschen, die Stellung des Horoskops oder der Nativität, deren Gelehrte in älterer Zeit meist Chaldaei genannt werden 2 , späterhin gewöhnlich mathcmaiici 3, auch astrologi 4 oder genethliaci 5. Daneben werden erwähnt die Beschwörer (arioli, incantatorcs 6) und die Propheten (vaccinator es)7. Neben der Erkundung künftiger Dinge tritt die Herbeiführung derselben, die Lenkung der Zukunft aus nahe liegenden Ursachen zurück, obwohl auch sie nicht fehlt und keinen Tadel findet, so weit es sich um Abwehr ungünstiger oder Herbeiführung günstiger Ereignisse handelt 8 . Amulete zu tragen ist gestattet 9 und nicht 1 Augustinus de civ. dei 10, 11 spricht von der conrcrsatio cum (Iiis . . . ob inveniendum fugitivum vel praedium comparandum aut propter nuptias vel mercaturas vel quid huiusmodi. Der private Gebrauch der Haruspicin wurde von Constantin gestattet (S. 861 A. 9) und ebenso noch von Valentinian I., wenn sie in 4 unschuldiger J Weise vollzogen wird (C. Th. 9, 16, 9, bei Justinian gestrichen). 2 So spricht Cicero (de div. 2, 47, 98) von dem durch einen chaldäisch gelehrten (Chaldaicis rationibus eruditus) Römer gestellten Horoskop der Stadt Rom, und in besserer Zeit begegnet diese Bezeichnung häufig, späterhin selten (Ulpian Coli. 15, 2, 1 ; C. Th. 9, 16, 4). 3 Mathematicus, schon bei Tacitus in diesem Sinn stehend und seitdem allgemein, ist nach Gellius 1, 9, 4 die vulgäre Bezeichnung des Chaldaeus. Ulpian (Coli. 15, 2, 1) überschreibt in seiner Schrift de officio proconsulis den betreffenden Titel de mathematicis et vaticinatoribus, wo die mathematici die Divination überhaupt repräsentiren. 4 Gellius 14, 1, 18. Tertullian de idol. 9 und sonst. 5 Gellius 14, 1, 1. Hieronymus in Dan. vol. 5 p. 627 Vall. : in Chaidaeis ytrt&lialôyovç significari puto, quos vulgus mathematicos vocat. 6 Paulus 5, 21, 3. Ulpian Coli. 15, 2, 1. C. Th. 9, 16, 4. 6. Hieronymus a. a. O.: quos nos ariolos, ceteri (vielmehr Graeti, d. h. die Septuaginta) tnaoiόους interpretati sunt, id est incantatores ; ergo vi dentur mihi incantatores esse qui verbis rem peragunt. Späterhin wird auf Todesstrafe erkannt, si quis . .. anile incantamentum ad leniendum adhibuisset dolorem (Ammian 16, 8, 2). In besserer Zeit heissen sie sacrificuli (et) vates (Livius 25, 1, 8. 35, 48, 13. 39, 8, 3. c. 16, 8). 7 Paulus 5, 21, 1 (vgl. 3): vaticinatores (auch vates C. Th. 9, 16, 4) qui se deo plenos esse adsimulant. Ulpian Coli. 15, 2, 3. 8 Ueber den Gegensatz des erlaubten und des unerlaubten Zaubers und über die Benennungen vgl. S. 639 A. 2. 9 Z. B. vit. Carac. 5. Noch im spätesten Recht werden diese ausdrücklich gestattet (C. Th. 9, 16, 3 = Iust. 9, 18, 4). Constantius freilich straft auch hier (Ammian 19, 12, 14).

Elfter Abschnitt.

Divination.

863

minder Regen oder Sonnenschein zu machen Diese Divination, principiell erlaubt und vielfach geboten, findet in der Frühzeit wie später in wechselnden Formen eifrige und gutgläubige Bekenner. Firmicus 2 unter Constantin behandelt den Nativitätsteller als den Hochpriester der Natur und stellt an ihn die höchsten sittlichen Anforderungen. Auf cler anderen Seite aber hat weniger clie Nichtigkeit als clie Gefährlichkeit dieser Fakundungen früh sich aufgedrängt. Wer Regen und Sonnenschein machen kann, kann seine Macht auch schädigend verwenden. Die Herbeiführung schlimmer Dinge auf übernatürlichem Wege, die Zauberei oder Magie wird wahrscheinlich schon in republikanischer, sicher in der Kaiserzeit gesetzlich der Giftmischerei gleichgestellt und ist in dieser Verbindung früher (S. 639 fg.) behandelt worden. Zwischen dem erlaubten und dem verbotenen Verkehr mit den Göttern und Geistern waren bei diesem irrationellen und überwiegend geheimen Betrieb die Grenzen nicht sicher zu ziehen 3 ; man erkennt clas Bestreben greifbare Momente zu finden, an welche die Bestrafung anknüpfen konnte. Die zur Nachtzeit oder sonst unter erschwerenden Umständen ausgeführte Divination wird cler Magie zugerechnet und als solche bestraft (S. 641 fg.). Strafbar wird sie auch durch Verheimlichung 4 oder wenn sie vorgenommen wird zur Feststellung der Todeszeit lebender Personen5. Als Störung cler öffentlichen Ordnung wird die Vaticination bestraft, das öffentliche Auftreten des weissagenden Propheten 6. Vor allen Dingen aber wendet sich die Repression gegen den gewerbmässigen Betrieb auch der an sich zulässigen Divination 7 . Schon in republikanischer und augustischer 1

Erlass von 321 C. Th. 9, 16, 3, auch in das justinianische Gesetzbuch aufgenommen 9, 18, 4. 2 Math. 2, 38. 3 Tertullian de idol. 9 : scimus magiae et astrologiae inter se soeietatem. Paulus 5, 21, 4 (nicht am rechten Platz): non tantum divinatione qiäs, sed ipsa scientia eiusque libri s melius fecerit abstinere. 4 Sueton Tib. 63 : haruspices secreto ac sine testibus consult vetuit. Dio 56, 25 (A. 5). Constantin verbietet die nicht öffentlich, insbesondere die innerhalb des Hauses vorgenommene Haruspicin bei Todesstrafe (C. Th. 9, 16, 1. 2). 5

D i o 56, 2 5 :

τοις

μάντεσιν

άπηγορεύ&η

μήτε

κατά

μόνας

τινι

μήτε

περί

Darauf geht wohl auch das zweite Glied bei Ulpian Coli. 15, 2, 3: qui de principis salute considuerunt, capite puniti sunt vel qua alia poena graviore affecti, qui de sua suorumque, levius. 6 Ulpian Coli. 15, 2, 3. Paulus 5, 21, 1. 7 Ulpian Coli. 15, 2, 2: fuit quaesitum, utrum scientia huiusmodi hominum (mathematicorum) puniatur an exercitio (sehr, exercitio et oder exercitii) professio, θανάτου

μηό'

αν

άλλοι

σνμπαρώσίν

οι χραν.

Viertes Buch.

864

Die einzelnen Delicte.

Zeit sind die also thätigen überwiegend ausländischen Industriellen aus Rom ausgewiesen worden 1. Seit Tiberius wird in Rom und Italien die Divination als Gewerbe criminell behandelt und ausser der Vermögensconfiscation mit Verbannung bestraft 2 , was seitdem nach Tacitus Worten 3 ständig angeordnet und niemals durchgesetzt worden ist. Die Jurisprudenz des 3. Jahrhunderts bestimmt ein für allemal dafür Ausweisung aus dem Stadtgebiet, im Wiederholungsfall schwerere Freiheitsstrafen bis zur Deportation 4 , verbot der Ein allgemeines Verbot wenigstens der Nativitätsstellung hat îYioaion. z u e r s t p i o c i e t j a n ausgesprochen5, wobei der im Verhältniss zudem Verfall des Staats steigende Argwohn des Herrschers gegen die Beherrschten wohl hauptsächlich zu Grunde lag. Constantin hat die Haruspicin ausdrücklich gestattet unci selbst angewandt (S. 861 A. 9), auch die Divination überhaupt wenigstens tolerirt, Magnentius sogar die nächtlichen Caeremonien wiederum freigegeben (S. 641 A. 6). Aber nachdem Constantius diesen Gegner überwältigt hatte, wurde die Divination in allen ihren Formen ausdrücklich und bei Todesstrafe untersagt 6 . Dies Verbot hat zwar Julian wieder aufet quidem apud veteres dicebatur professionem eorum, non notitiam esse prohibitarn (es geht dies wohl auf die von Tiberius Suet. 36 ausgesprochene Befreiung des mathematicus von der Ausweisung, wenn er die ars aufgiebt), postea variatum. Der strengeren Auffassung folgt Tertullian de idol. 9: eadem poena est exilii (nicht exitii) diseipulis et magistris. 1 Die Ausweisung der gewerbmässigen (dies zeigt der quaestus) Chaldaeer aus Rom und Italien durch den Fremdenprätor im J. 615/139 (Val. Max. 1, 2, 3) ist eine bloss polizeiliche Massregel ; und auch die ähnlichen Verfügungen aus augustischer Zeit (Dio 49, 43; Anaxilaus Pythagoricus et magus bei Hieronymus ehr. Abr. 1989 aus Sueton) werden nur Ausländer betroffen haben und gehen das Strafrecht nichts an. 2 Ueber den Senatsbeschluss vom J. 17 (16 nach Tacitus) berichten Ulpian Coli. 15, 2, 1 und Sueton Tib. 36 genauer als Tacitus ann. 2, 32 und Dio 57, 15, die unrichtig die magi hineinziehen (S. 640 A. 7). 3 Hist. 1, 22. 4 Tertullian de idol. 9: urbs et Italia interdicitur matliematicis. Paulus 5, 21, 1: vaticinatores . . . primum fustibus caesi civitate pelluntur, perseverantes autem in vincula publica coniciuntur aut in insxdam deportantur vel certe relegantur. Vitellius hat, gereizt durch die Replik der mathematici auf sein Ausweisungsdecret, Todesstrafen über sie verhängt (Tacitus hist. 2, 62. Sueton Vit. 14. Dio 57, 1. Zon. 11, 16). 5 Cod. 9, 18, 2: artem geometriae discere atque exerceri publice intersit, ars autem mathematica damnabilis interdicta est 6 C. Th. 9, 16, 4 = Iust. 9, 18, 5 vom J. 357. Libanius vit. p. 21 Reiske: καίτοι

νόμος ye tioye

καϊ ήν ή δίκη τω τολμώντν θάνατος.

Gesetz fällt wahrscheinlich schon früher. 14 (S. 862 A. 9).

Das hier genannte

Ammian 16, 8, 2 (S. 862 A. 7). 19, 12,

Elfter Abschnitt.

Ambitus.

865

gehoben und auch Valentinian I. in einem merkwürdigen Erlass wenigstens die alte Haruspicin geschützt l . Aber mit der Christianisirung des Reiches wurde die mit der neuen Staatsreligion unvereinbare Divination definitiv verboten 2. Seitdem wird sie als Delict behandelt, welches indess immer noch von der Magie unterschieden und minder schwer bestraft ward 8 . 11. Missbrauch der Wahlbewerbunp (ambitus,

sodalicia).

Die Bewerbung um die Wahlstimnien — nur deren Missbrauch, ^tus. nicht die Amtserschleichung überhaupt wird im römischen Strafrecht als selbständiges Verbrechen behandelt4 — ist im republikanischen Gemeinwesen ein nothwendiges Element, aber auch ein notliwendiges Uebel. Den schlimmsten der dabei unvermeidlichen Missbräuche, den Stimmenkauf hat die altrepublikanische Ordnung zu clen Capitalverbrechen gestellt und es ist derselbe in dem Abschnitt von der Fälschung (S. 668 A. 3) aufgeführt worden. Aber nicht von diesem Verbrechen ist die hier zu behandelnde Prohibitivgesetzgebung ausgegangen, sondern vielmehr von den Unschicklichkeiten des Werbegeschäfts. Die römischen Berichterstatter, wohl fühlend, dass das mächtigste republikanische Gemeinwesen, welches die Welt gesehen hat, in dem Wahlinissbrauch den Todeskeim in sich trug, haben mit einem ihnen sonst nicht eigenen pragmatischen Scharfblick die geringen Anfänge der legislatorischen Repression dieses Unheils hervorgehoben, die bereits wenige Jahre nach dem 1

C. Th. 9, 16, 9 (von Justinian gestrichen): haruspicinam ego nullum cum maleficiorum causis habere consortium iudico neque ipsam aut aliquam praeter ea concessam a maioribus religionem genus esse arbitror criminis. Im Ostreich hat Valens noch bei Lebzeiten des Bruders die Divination wie Constantius mit Todesstrafe bedroht (C. Th. 9, 16, 8) und auch in gleicher Weise erkannt (Ammian 29, 2, 6). 2 Weitere Gesetze dagegen werden nicht verzeichnet, aber das des J. 357 ist in die justinianische Gesetzgebung übergegangen (S. 864 A. 6). Minder auffällige Abweichungen von dem Princip, wie die Amulete (S. 862 A. 9) und das Regenmachen (S. 863 A. 1) bleiben erlaubt. 8 Dies zeigt sich namentlich in der ungleichen Behandlung der beiden Delicte bei den Abolitionen (S. 643). 4 Modestinus (Dig. 48, 14, 1 pr.) sagt ganz richtig: lex (Iulia ambitus) in urbe hodie cessât, quia ad cur am principis magistratuum creatio pertinet, non ad populi favorem. Nur bei Aemterbesetzung durch Abstimmung und Majoritätsfindung giebt es einen Ambitus. Die Erschleichung des durch Einzelbeschluss besetzten Amtes, also in der Republik der meisten militärischen Stellungen, in der Kaiserzeit zum Beispiel des Consulats, seit dieses vom Kaiser vergeben ward B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

55

866

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

Zwölftafelgesetz im J. 322/432 ergangene Anweisung an die Bewerber nicht durch besondere dem Kleide gegebene Glanzfarbe sich als solche bei jedem öffentlichen Erscheinen den Mitbürgern kenntlich zu machen 1 und ein anderes von dem Volkstribun C. Poetelius im J. 396/358 eingebrachtes Gesetz, welches dem Amtsbewerber das Herumziehen in den Marktflecken und den Dörfern untersagte 2. Es ist charakteristisch für den ungleichen Kampf der Rechtschaffenheit gegen die Corruption auf diesem Gebiet 3 , dass eben diese beiden gesetzlich untersagten Acte der späterhin üblichen und als tadellos geltenden Bewerbung den Namen gegeben haben : von jenem Glanzkleid heisst noch heute in allen Cultursprachen jeder Bewerber candidatus, von dem Umgang zur Stimmenwerbung die Bewerbung ambitio 4 und ambitus , welche letztere Form späterhin im Sprachgebrauch auf die gesetzwidrige Bewerbung beschränkt wird 5 . Gesetzliche Als eigentliche Strafgesetze können jene Plebiscite gegen die Verbote, bracht u n ( j ( j e n Umgang der Amtsbewerber kaum angesehen werden ; sie waren vielleicht nicht mehr als Ermahnungen an die Bürger und Anweisungen an die Aedilen zur Handhabung ihrer Coercition oder drohten höchstens mässige Geldstrafen an. Von den späteren Repressivgesetzen fallen zwei vom J. 573Ί81 6 und 595/159 7 vor (Tacitus hist. 2, 60 vgl. St. R. 2, 924), begegnet im früheren Strafrecht nicht. Die wenigen hier eingreifenden Bestimmungeu der Spätzeit, bei denen einzeln auch die Benennung ambitus gemissbraucht wird, sind bei den Repetunden S. 718 A. 2 zusammengestellt. 1 Liv. 4, 25: ne cui album in vestimentum adâere petitionis liceret causa. - Vgl. St. R. 1, 479. 2 Liv. 7, 16. Wenn dies als das erste Gesetz de ambitu bezeichnet wird, so ist ambitus im eigentlichen Sinne zu fassen, wie dies auch die Stelle selbst zeigt (nundinas et conciliabxda adire), nicht in dem übertragenen der unerlaubten Wahlbewerbung. St. R. 1, 478 A. 3. 8 Plautus Trin. 4, 3, 26 = 1033: ambitio iam more sancta est, libera est a legibus. Er (oder ein Späterer) erwähnt den verbotenen Ambitus auch Amph. prol. 74. 4 Varro de 1. Lat. 5, 28: gui populum candidatus circumit, ambit. Dies wird oft wiederholt. St. R. 1, 478. 5 Ambitio wird nicht selten einfach wie petitio gebraucht (Cicero pro Sulla 4, 11; pro Plancio 18, 45; ad Att. 1, 1, 4; decl. in Sallustium 2), häufig tadelnd für den Ehrgeiz; das Strafrecht aber kennt nur den ambitus. 6 Liv. 40, 19 : legem (oder leges) de ambitu consules (P. Cornelius M. Baebius) ex auctoritate senatus ad populum tulerunt. Vielleicht beziehen sich darauf die Reden Catos (Jordan Catonis quae extant p. 52) de ambitu und ne lex Baebia derogaretur. 7 Liv. ep. 47 : lex de ambitu lata. Unter dem J. 588/166 melden die Annalen (Obseq. 12): comitia cum ambitiosissime fierent.

Elfter Abschnitt.

bits.

867

die Epoche des Quästionenprozesses. Dieser ist vor dem J. 640/114, ohne Zweifel durch ein uns nicht genanntes Gesetz, auf den Ambitus erstreckt worden 1 . In der letzten Zeit der Republik folgten als rechtes Symptom der Agonie des grossen Gemeinwesens und der Hülflosigkeit der Gesetzgebung gegen das furchtbare Uebel die Gesetze gegen den Ambitus einander mit unheimlicher Raschheit: das cornelische Sullas 673/81 2 , das calpurnische 687 6 7 3 , das tullische 691 63 4 , das licmische, welches indess nur gegen eine bestimmte Kategorie des Ambitus, das Sodalicienverbrechen gerichtet war, 699/55 (S. 872 A. 2), endlich unter der Quasidictatur des Pompeius das pompeische vom J. 702 52 δ , welches, wie die Späteren sagen, dem Ambitus ein Ende machte 6 ; insofern mit Recht, als drei Jahre darauf clie Republik selbst ein Ende hatte. In der Kaiserzeit erging gegen den Ambitus unter Augustus im J. 73618 das julische Gesetz 7 , späterhin, nachdem die Wahlen und damit die Wahlumtriebe an den Senat gekommen waren, ein Erlass Traians 8 . Alle diese Gesetze betreffen die Reichsämter ; gegen 1 Der älteste in dieser Weise verhandelte Prozess wegen Ambitus betrifft Marius Bewerbung um beide Aedilitäten 'vPlutarch Mar. 5), welche zwischen 635Ί19 und 640/114 fällt. Das mansche Gesetz über die Stimmabgabe vom J. 635119 (Plutarch Mar. 4) gehört nicht in die Reihe der Gesetze über den Ambitus. 2 Schol. Bob. zu Cicero pro Sull. 5, 17 p. 361: superioribus temporibus (vor dem calpurnischen Gesetz) damnati lege Cornelia hoc genus poenae ferebant, ut magistratuum petitione per decern annos abstinerent. Das cornelische Gesetz, welches dies feststellte, ist schwerlich das cornel isch-bäbische vom J. 573/181, da zwischen diesem und dem calpurnischen andere liegen müssen, auch die Strafe kaum ein Jahrhundert hindurch die gleiche geblieben sein wird. 3 Dio 36, 38. 39. Asconius in Cornel, p. 68; in or. pro tog. cand. p. 89. Cicero pro Mur. 23, 46. 32, 67. 4 Dio 37, 29. Cicero pro Mur. 2, 3. 3, 5. 32, 67. in Vat. 15, 37. pro Sestio 64, 133. pro Plancio 34, 83. R Appian b. c. 2, 23. Asconius in Mil. p. 37. Plutarch Cat. min. 48. Cicero ad Att. 10, 4, 8. Caesar b. c. 3, 1. 6 Vellerns 2, 47. Plinius paneg. 29. 7 Dio 54, 16. Die argen durch die Consularwahlen des Vorjahrs, insbesondere den Candidaten M. Egnatius Rufus hervorgerufenen Unruhen (vgl. meine Ausgabe des mon. Ancyr. p. 28 fg.) haben dies Gesetz veranlasst, das seitdem für diese Quästion massgebend geblieben ist. Dig. 48, 1, 1. tit. 14. C. Th. 9, 19, 4. tit. 26 = lust. 9, 26. Inst. 4, 1, 11. Tacitus ann. 15, 20. 8 Plinius ep. 6, 19 schildert die damals stattfindenden Wahl Umtriebe, die den Senat veranlassten den Kaiser um Einschreiten zu ersuchen, was auch geschah: sumptus candidatorum foedos illos et infames ambitus lege restrinxit. Auch anderweitig wird bestätigt, dass nachdem die Wahlen von der Bürgerschaft auf den Senat übergegangen waren, die Missbräuche dennoch fortdauerten (Tacitus ann. 1, 81.

868

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

den municipalen Ambitus richteten sich ausserdem die besonderen Municipalordnungen Thatbestand Was nach den Gesetzen als strafbarer Ambitus galt, lasst sich m i u s - n u r b e s t i m m e n für die spätere republikanische Periode, in welcher, vermuthlich seit der Einsetzung eines besonderen Geschwornenhofs für dies Delict, das ursprünglich capitale Verbrechen des Stimmenkaufs und eine Anzahl auf indirecte Beeinflussung der Wähler abzielender Handlungen zu gleichmässiger Bestrafung zusammengefasst wurden. Die Annahme der Bestechung ist, so viel wir wissen, niemals in das Delict hineingezogen worden und auch die Beihülfe ist, wie schon bemerkt wurde (S. 844), mit verschwindenden Ausnahmen ebenfalls straffrei geblieben; die unerlaubte Bewerbung ist Delict nur in Beziehung auf den Candidaten selbst. Hinsichtlich cler übrigens erlaubten, aber clem Bewerber untersagten Handlungen wurde die Dauer der Bewerbung wenigstens in der späteren Gesetzgebung formell fixirt auf die beiden dem Amtsantritt nächst vorhergehenden Kalenderjahre 2. Ob cler Bewerber clie Majorität gefunden hat oder nicht, macht für clie Strafbarkeit keinen Unterschied3. Gesetzlich strafbar wird die Wahlbeeinflussung theils durch Zuwendungen an die Wähler, theils durch die Anwendung unerlaubter Formen cler an sich wie überhaupt so auch für Wahlzwecke gestatteten Association. Eigentliümlich ist clem römischen Ambitus, wenigstens dem besser bekannten der republikanischen Zeit, die directe Beeinflussung cler Massen; Bestechung des einzelnen einflussreichen Mannes wird wohl auch unter das Strafgesetz gefallen sein, tritt aber in cler Handhabung desselben nirgends hervor. 2, 34), der sencitorius ambitus (Tacitus ann. 4, 2) von dem früheren nur durch die mindere Oeffentlichkeit und die mindere Gemeingefährlichkeit sich unterschied. 1 Julisches Municipalgesetz Z. 89. Stadtrecht von Genetiva c. 132. 2 Diese Frist gilt sicher für das tullische Gesetz (Cicero in Vat. 15, 37: biennio quo quis petat petiturusve sit); weiteres St. R. 1, 478 A. 4. Dagegen setzt das Stadtrecht von Genetiva c. 132 eine Jahrfrist: in co anno, quo quisque anno petitor kandidatus magistratum pettt petiturusve erit und nachher: in eo anno [quo] magistratum petat. Es musste bei diesen Verboten von dem Beginn der förmlichen Bewerbung abgesehen und die Frist absolut fixirt werden, um ihre Umgehung durch Verspätung des Beginns zu verhindern; darum wird neben dem petens auch der petiturus genannt. 3 Der älteste uns bekannte derartige Prozess wurde gegen den bei der Bewerbung um die beiden Aedilitäten durchgefallenen Bewerber C. Marius angestellt (S. 867 A. 1). Im J. 645/109 klagte zuerst der bei der Consularwahl für das Folgejahr durchgefallene Candidat P. Rutilius Rufus seinen siegreichen Mitbewerber M. Aemilius Scaurus, alsdann dieser jenen wegen Ambitus an (Cicero Brut. 30, 113).

Elfter Abschnitt.

bits.

869

1. In erster Reihe stellt unter den Strafhandlungen der unmittelbare Stimmenkauf oder nach dem üblichen verschleiernden Ausdruck die Schenkung an die Wähler Die Ausführung dieses Geschäfts unterlag insofern erheblichen Schwierigkeiten, als bei Pränumerirung leicht der Bestecher um die Stimme, bei Stundung leicht der Bestochene um die Zahlung geprellt werden konnte 2 ; bei dem wohlberechtigten gegenseitigen Misstrauen wurde die bedungene Prämie nicht selten deponirt bei einer Vertrauensperson, dem sequester 3. Da bei clen Wahlen der Bürgerschaft die Majorität nicht cler Stimmen, sondern der Bezirke, der Tribus oder der Tribusabtheilungen, der Centurien entschied, wurde die Wahlbestechung, wo sie grösseren Umfang annahm, ebenfalls nach diesen Bezirken organisirt, und clie gewerbmässigen Vermittler der der kleinen Bürgerschaft damals vielfach aus Stiftungen und freiwilligen Spenden zufliessenclen Emolumente, die divisores cler Bezirke 4 waren für dieses wenig ehrbare Geschäft clie geborenen 1 Stadtrecht von Genetiva c. 132: neve quis petitor kandidatus donum munus aliudve quit det largiatur petitionis causa sciens dolo malo. Plinius ep. 6, 19 : ne mitt ant (den Senatoren ins Haus) munera. Auch bei den Griechen candidati... heisst die Bestechung δωροδοκία (ζ. Β. Appian b. c. 2, 23. 24), daneben aber, zuweilen schon in älterer Zeit, namentlich aber wo die römische gemeint ist, διχασμός. Wenn das letztere Wort nicht auf eine Nebenform von δέχομαι zurückgeht, sondern von àexaç abhängt (die griechisch-lateinischen Glossen 2, p. 267 erklären διχασμός durch decumatio [?], ambitio\ so ist die Decuriation wie bei den Römern (S. 871 A. 4), so schon bei den Griechen ein Träger der Bestechung gewesen. Auf sachlichen Zusammenhang der römischen Unsitte mit griechischen Missbräuchen führt keine Spur. 2 Charakteristisch ist der Vorschlag, um den Ambitus zu beseitigen, das Versprechen der Bestechung bei Nichteinhaltung straflos zu stellen (Cicero ad Att. 1, 16, 13: novi est in lege hoc, ut qui nummos in tribus pronuntiarit, si non dederit, impune sit). Die zahlreichen Meldungen über einzelne Bestechungsversuche und Bestechungsformen hier zusammenzustellen ist nicht erforderlich; es genügt die allgemeine Feststellung des Thatbestandes. 3 Zum Beispiel Cicero pro Plancio 16, 38. 19, 47. Daher Plinius ep. 6, 19 : candidati . . . ne p>ecunias deponant. Umgekehrt haben auch wohl die Candidates welche sich gegenseitig verpflichteten der Bestechung sich zu enthalten, bei einem Obmann eine Strafsumme deponirt, welche verfallen sollte, wenn einer derselben nach dem Ausspruch des Obmanns die Verpflichtung brach (Plutarch Cat. min. 44; Dio 55, 5). 4 Das Geschäft der Divisoren ist an sich allem Anschein nach ein legitimes und wird zuweilen ohne Tadel (Cicero ad Att. 1, 18, 4; St. R. 3, 196), ja selbst rücksichtsvoll erwähnt (Cicero bei Marc. Capeila 5, 492 Kopp : repugnare, ut divisores, quos [C. Cornelius] honoris sut ministros esse voluerat, lege ambitus vellet affligere). Aber regelmässig erscheint es als ein geringes und verachtetes Gewerbe (Cicero Verr. 3, 69, 161; de har. resp. 20, 42; Sueton Aug. 3), dessen Ertrag

Viertes Buch.

870

Die einzelnen Delicte.

Agenten 1 . Schon bei cler Schärfung des Gesetzes g e g e n den Ambitus im J. 687/67 wurde die Erstreckung der Strafe auf die Divisoren bezeichnet als clas einzige wirksame Mittel, um dem Ambitus zu steuern 2 unci zwar damals noch abgelehnt, aber dann vier Jahre darauf in clas tullische Gesetz aufgenommen 3. 2. Den Geschenken gleich gelten die cler Bürgerschaft oder Theilen derselben ausgerichteten Schmäuse4. 3. Den Geschenken ebenfalls gleich steht die Ausrichtung von öffentlichen Lustbarkeiten und namentlich von Fechterspielen oder bei Ausrichtung solcher durch Dritte die Einräumung von Massenplätzen bei denselben5. wohl überwiegend unrechte Wege ging. Subalternbeamte sind es offenbar nicht, sondern wahrscheinlich freiwillige Vermittler zunächst der verschiedenartigen nicht individuell gemachten legitimen Spenden, bei denen für das Vertheilen der Bezirk zu Grunde gelegt worden ist. Vermächtnisse an die einzelnen Tribus, wie sie im grössten Massstab Caesar und Augustus hinterliessen, mögen in der verfallenden Republik gewöhnlich gewesen sein; auch der Vorschlag dem des Ambitus Ueberwiesenen zur Strafe die Zahlung von 3000 Sesterzen an jede Tribus auf Lebenszeit aufzulegen (Cicero ad Att. 1, 16, 13) und die Schwierigkeit solche Zuwendungen an die örtlich nicht geschlossenen und der Gemeinkasse entbehrenden Bezirksgenossen abzuführen, weisen hin auf die Entstehungsverhältnisse eines solchen Gewerbes. Mit der Ochlokratie ist dasselbe verschwunden. 1

Vgl. z. B. Cicero ad Att. 1, 16, 12. pro Plancio 23, 55.

2

Cicero bei Asconius in Cornel, p. 74: cum hoc populus R. videret et cum a tribunis pl. doceretur, nisi poena accessisset in divisores, extingui [ambitum] nullo modo posse. Unter heftigem Widerstand der Divisoren ging das calpurnische Gesetz durch ohne eine solche Clausel (Asconius p. 75). 3 Die Schwerere Strafe gegen die Plebejer » (Cicero pro Mur. 23, 47) ist eben die gegen die Divisoren gerichtete (Cicero pro Plancio 23, 55). 4

Im J. 691/63 beschloss der Senat prandia si vulgo facta essent, contra legem Calpurniam factum videri (Cicero pro Mur. 32, 67. 34, 72. 35, 73); ohne Zweifel ist dies dann in dem tullischen Gesetz ausgesprochen worden. In dem Stadtrecht von Genetiva c. 132 wird dies genauer dahin bestimmt, dass der Bewerber während der Bewerbungszeit nicht mehr als neun Tischgäste einladen und Schmäuse seiner Bewerbung wegen auch durch Andere nicht geben lassen darf. Auch bei Plinius ep. 6, 19 fordert der Senat candidati ne conviventur. 5 Durch den vorher angeführten Senatsbeschluss wurde auch dies unter das calpurnische Gesetz gezogen (Cicero pro Mur. a. a. Ο.) und dann durch das tullische ausdrücklich für die Bewerbungszeit untersagt, ausser wenn dem Candidaten durch Testament eine derartige betagte Verpflichtung auferlegt war (Cicero pro Sest. 64, 133. in Vat. 15, 37). Die Bezirke kommen auch hiebei insofern in Betracht, als die alte Gewohnheit, dass die Vornehmen ihren Tribusgenossen Plätze bei den Spielen anwiesen, von den Freunden der Candidaten zur Umgehung des Gesetzes benutzt ward (Cicero pro Mur. a. a. Ο.). Im flavischen Amphitheater

Elfter Abschnitt.

bits.

871

4. Herkömmlich wurde der Bewerber, wenn er in Rom eintraf, von seinen Freunden festlich empfangen und erschien überhaupt, wo er sich öffentlich zeigte, im Geleit der für seine Wahl eintretenden Personen, welche ihn hierdurch der übrigen Bürgerschaft empfahlen. Die Zahl dieser Geleitpersonen wurde durch ein nicht weiter bekanntes fabisches Gesetz beschränkt 1 und durch das tullische die Remunerirung der Geleitpersonen als Wahlbestechung bezeichnet2. 5. Wenn dem Candidaten selbst die herkömmliche Bewerbung, der Umgang bei den einzelnen Wählern, der Händedruck, die namentliche Begrüssung, die Bitte um die Stimme nicht verwehrt ist, so ist es doch mindestens vom Senat anerkannt worden, dass dritte Personen nicht in dieser Weise für ihre Bewerber Stimmung machen dürfen 3 . 6. Die Association, welche nach der republikanischen Ordnung Association, keinen Beschränkungen unterliegt, kommt selbstverständlich vorzugsweise für Wahlzwecke zur Anwendung und gereicht den Betheiligten keineswegs zum Vorwurf. Rechtlich zulässig ist auch die Coition, das heisst der — durch das die römische Magistratur be- coition, herrschende System der Collegialität nahe gelegte — Zusammenschluss mehrerer Candidaten zur gemeinschaftlichen Erreichung des Ziels. Jedem einzelnen pflegt eine persönliche Wahlclientel zur Seite zu stehen und insoweit er auch über deren weitere Stimmen verfügt, liegt der Austausch solcher Gefolgschaften nahe. Die Association und die Coition, wie Wirkungen so auch Steigerungen des das republikanische Gemeinwesen untergrabenden Elements der Individualmacht, haben in den letzten Decennien der Republik den Stimmenkauf zu einer verbrecherischen und das Gemeinwesen zerstörenden Organisation entwickelt. Die innerhalb der einzelnen Bezirke in festgeschlossener Ordnung — Decuriation 4 — (C. I. L. VI, 32 908 f.) finden sich Sitzplätze client(ibus). Thierhetzen statt der Fechterspiele zu geben bezeichnet Cicero als Umgehung des Gesetzes (Cicero pro Sest. 64, 135 mit den Scholien p. 307). 1 Cicero pro Mur. 34, 71 erwähnt die lex Fabia quae est de numéro sectatorum. 2 Der Senat beschloss ebenfalls im J. 691/63 in diesem Sinn : si mer cede conducts obviam candidatis issent, si conducti sectarentur, ... contra legem Calpur niarn factum videri (Cicero pro Mur. 32, 67. 33. 34. 35). Ohne Zweifel ist auch dies in das tullische Gesetz übergegangen. 3 Plutarch Cat. min. 49. 4 Das crimen tribuarium sodaliciorum (Cicero pro Plancio 19, 47) ruht auf

Viertes Buch.

872

Die einzelnen Delicte.

gebildeten Vereine derjenigen Tribulen, welche den Vereinsleitern ihre Stimme zur Verfügung stellten und welche unter einander in Verbindung und bis zu einem gewissen Grade unter gemeinschaftlicher Leitung gestanden haben müssen 1 , schlossen mit den Candidaten oder vielmehr mit Benutzung der Coition mit clen Candidatenpaaren die entsprechenden Verträge ab. Für die Lieferung der Stimmen wie für clie regelmässig vorher deponirte Bezahlung bot eine derartige grosse Association eine relativ sichere So a l en *e g ^ ~ Garantie. Gegen den also verdungenen und durchgeführten Stimmenkauf richtete sich das licinische Gesetz vom J. 699/55 und er erhielt damit neben und vor dem gemeinen als Sodalicienverbrechen im Strafrecht formelle Selbständigkeit2. In der späteren Zeit ist er mit anderen Auswüchsen cler Demokratie verschwunden. 7. Wenn im späteren Recht das Betreten des Hauses des Geschwornen durch den Angeklagten3 und die Auflage ungesetzlicher Abgaben4 mit der Strafe des Ambitus belegt worden sind, so sind sie darum keineswegs in den Begriff des Delicts hineingezogen worden. dieser decuriatio tribulium (a. a. 0. 18, 45. 19, 47), dem πλή&ονς Ψεκασμός (Appian b. c. 2, 24). 1 Die Auflösung der staatsgefährlichen Collégien (Asconius: collegia quae adversus rem publicam videbantur esse. Dio: τα εταιρικά κολλήγια Ιπιχωρίως καλούμενα) durch Senatsbeschluss im J. 690/64, welcher dann das clodische Gesetz vom J. 696/58 entgegentrat (Cicero in Pis. 4, 8 und dazu Asconius p. 7. 8 ; Cicero ad Att. 3, 15, 4, pro Sest. 25, 55 ; Dio 38, 13), erhält nähere Bestimmung theils durch die Angabe, dass der Senatsbeschluss vom J. 690/64 durch das Hetärienwesen hervorgerufen wurde (Asconius in Cornel, p. 75 : fréquentes tum — im J. 689/65 — etiam coetus factiosorum hominum sine publica auctoritate malo publico fiebant ), theils durch den offenbar jenen älteren wieder aufnehmenden Senatsbeschluss vom J. 698/56, ut sodalitates decuriatique discederent lexque de iis ferretur , ut qui non disces sis~ sent poena quae est de vi tenerentur (Cicero ad Q. fr. 2, 3, 5); auch hier scheint, wie bei Dio, die Hetärienassociation als Vergewaltigung gefasst zu werden. Im Jahr darauf folgt das licinische Gesetz. 2 Schol. Bob. in Plane, p. 253: M. Licinius Crassus . . . pertulit, ut severissime quaereretur in eos candidatos, qui [alios?] sibi conciliassent , ut per illos pecuniam tribulibus dispertirent ac sibi mutuo eadem suffragationis emptae praesidia communicarent. Dio 39, 37: πικρότερα Ιπιτίμια τοις όεκάζο νσι τ ίνας Ιπέταξαν,

ο τι

ον χρημασιν ,

α λ λ « βία

την

άρχην

είλή φεααν

αμαρτόντες.

Einseitig

scheint in der ersten Stelle die coitio hervorgehoben zu sein, in der zweiten die Vergewaltigung; wenigstens findet weder jene noch diese Auffassung sich anderweitig bestätigt. Bei Cicero (pro Plancio 15, 36. 19, 47. 20, 49) erscheint das Delict als gesteigerter Ambitus im Gegensatz zum ambitus communis. Vgl. noch Caelius ad fam. 8, 2. Eine juristisch genaue Definition des crimen sodaliciorum besitzen wir nicht. 3 Dig. 48, 14, 1, 4. 4 Dig. 48, 14, 1, 3.

Elfter Abschnitt.

bits.

873

Prozessualisch sind aus den älteren Gesetzen über den Ambitus Prozess, keine wesentlichen Besonderheiten überliefert 1 . Wenigstens seit Sulla functionirt für dies Delict ein eigener Prätor 2 . Zu Gunsten des Beklagten ist bei dieser Quästion ihm ausnahmsweise gestattet dem Kläger bei der Voruntersuchung einen Begleiter zuzuordnen 3 und wird auch die sonst dem Kläger vorbehaltene Zeugenladung auf ihn erstreckt 4 . Die durch das licinische Sodaliciengesetz vom J. 699/55 herbeigeführte Zusammensetzung des Geschwornenhofs, welche dieselbe so gut wie ausschliesslich dem Kläger in die Hand gab, ist früher (S. 217) erörtert worden ; ebenso die noch tiefer eingreifenden prozessualischen Schärfungen des pompeischen Gesetzes vom J. 702/52, der Ausschluss der Ampliation (S. 425 Α. 3), die Beschränkung der Verhandlung auf eine bestimmte Zahl von Tagen (S. 433 A. 3), die Verkürzung der Redefristen (S. 429 A. 1), der Ausschluss der Charakterzeugen (S. 441), die Urtheilfindung durch wenige aus der grossen Zahl der einberufenen unmittelbar vor der Abstimmung ausgelooste Geschworne (S. 216. 427). Dass nach alter Ordnung der Stimmenkauf capital war und strafe, dass die ältesten gegen die unschickliche Amtbewerbung erlassenen Gesetze wenn überhaupt bestimmte Strafen, so doch nur mässige 1 Als im J. 693/61 der Consul M. Piso beschuldigt ward die für die Wahl des Afranius thätigen Divisoren bei sich im Hause zu haben, gestattet der Senat Haussuchung bei den Magistraten (Cicero ad Att. 1, 16, 12 ; vgl. Drumann 4, 483). — Die Angabe Plutarchs (Cat. min. 42), dass zwischen der Wahl und dem Antritt gesetzlich Raum bleiben musste zur Anstellung der Klage wegen Wahlbestechung, scheint hervorgegangen aus einem Missverständniss der Ablehnung der Forderung für die Prätorenwahl auf das Jahr 699/55, welche in diesem selbst stattfand, ausnahmsweise eine solche Frist festzusetzen (Cicero ad Q. fr. 2, 7, 3; Drumann 3,279). M. Messalla Consul 701 ist erst nach Verwaltung seines Consulats im J. 703 zuerst wegen Ambitus, dann wegen Sodalicien vor Gericht gestellt worden (Cicero ad Q. fr. 3, 8, 3; ep. 9, 3; Caelius ad fam. 8, 2; Val. Max. 5, 9, 2). — Auf den Vorschlag Catos beschloss der Senat, dass die gewählten Candidaten, ohne eine Anklage abzuwarten, sich von dem Verdacht des Ambitus zu reinigen hätten (Plutarch Cat. min. 44); in welcher Weise aber dieser Beschluss zu wirksamer Ausführung hat gelangen können, ist schwer abzusehen. Vielleicht ist nur gemeint, dass sie die Unsträflichkeit ihrer Bewerbung eidlich versichern sollten. 2

S. 203. St. R. 2, 201 A. 2. Die Sodalicienprozesse bilden eine selbständige Quästion so wenig wie die wegen Vergewaltigung (St. R. 2, 584 A. 2). 3 Diese als allgemeine nicht aufrecht zu haltende Bestimmung (S. 393 A. 2) kann bei dem Ambitus, für welchen sie erwähnt wird (Plutarch Cat. min. 21), wohl gegolten haben. 4

S. 410 A. 6. Plinius ep. 6, 5, 2.

Viertes Buch.

874

Die einzelnen Delicte.

Geldbussen haben verordnen können, ist bereits ausgeführt worden. Welche Strafbestimmung für diese an sich sehr ungleichen, aber im Quästionsprozess als gleich behandelten Delicte festgesetzt wurde, als dafür ein besonderer Geschwornenhof gebildet wurde, ist nicht überliefert. Sullas Gesetz hat dann, wahrscheinlich mildernd, den Ambitus mit zehnjährigem Ausschluss von der Amtbewerbung bestraft (S. 867 A. 2), das calpurnische mit Ausstossung aus dem Senat womit der dauernde Ausschluss von der Aemterbewerbung rechtlich verbunden ist 2 , ausserdem mit einer Geldstrafe 8. Nach dem tullischen Gesetz ist die Strafe Verbannung aus Rom und Italien auf zehn Jahre 4 . Das Sodaliciengesetz vom J. 699/555 und das pompeische vom J. 702/526 haben diese Strafen weiter gesteigert, vermuthlich auf lebenslängliches Exil. Der Dictator Caesar hat die wegen dieses Delicts insbesondere nach dem letzten Gesetz Verurtheilten durch Volksschluss zurückrufen lassen7; von Milderung der Strafe für die Zukunft schweigt die Ueberlieferung, indess hat sie wahrscheinlich stattgefunden, da Augustus in seinem Gesetz vom J. 736/18 sich darauf beschränkte den Ambitus mit fünfjährigem Ausschluss von der Aemterbewerbung zu ahnden8. Allerdings hatte die Monarchie alle Ursache zu solchem Verhalten; mit dem Untergang der Republik war der wilde Wettlauf um die Aemter mit einem Schlage zu Ende und trat vielmehr das entgegengesetzte Uebel ein, die Gleichgültigkeit gegen die öffentliche 1

Dio 36, 38. 37, 25. Sidonius Apollinaris ep. 1, 3. Dio a. a. 0. Schol. Bob. p. 361. Von einem fehlgeschlagenen Versuch die alte mildere Strafe wieder herzustellen spricht Cicero pro Sulla 22, 63. 8 Dio 36,38. Schol. Bob. p. 361. Verbannung war nicht angeordnet: Cicero pro Sulla 26, 74. 4 Cicero pro Mur. 22, 45. 23, 47. 41, 89. pro Plane. 3, 8. 34, 83 mit den Scholien p. 269. Schol. Bob. p. 362. Von der Beschränkung der Verbannung auf zehn Jahre spricht nur Dio 37, 29. 5 Dio 39, 37 (S. 872 A. 2). Caelius ad fam. 8, 2. 6 Asconius in Mil. p. 37 : poena gravior. Plutarch Cat. min. 48 : ϊπιτίμια καινά . 7 S. 483 Α. 2. Wie die Caesarianer das Verhalten des Pompeius nach dem clodischen Morde auffassten, zeigen ihre von Cicero ad Att. 9, 14 wiedergegebenen Klagen : ad ambitionem, quibus exilii poena superioribus legibus (das Exilium des tullischen Gesetzes war nicht lebenslänglich) non fuisset, [eieetosj, patriae pyroditores de exilio reduetos esse. Die letzte Aeusserung bezieht sich vielleicht auf den alten sullanischen Schergen L. Billienus, der nach Sullas Tode verurtheilt worden war (Asconius in tog. cand. p. 92), dann aber, wohl durch Pompeius zurückgerufen, wieder unter den Pompeianern eine Rolle spielte (Caelius ad fam. 8, 151 8 Dio 54, 16. 2

Elfter Abschnitt.

Missbrauch des Vereinsrechts.

875

Thätigkeit und musste der vergessene Aemterzwang wieder hervorgesucht werden. — Ueber die Bestrafung der Divisoren erfahren wir nichts. Nach dem Muster des stadtrömischen Prozesses ist in den einzelnen Stadtrechten ein municipaler Prozess über unrechtfertige Aemterbewerbung angeordnet worden (S. 868 A. 1). Die Strafe indess ist bei dem municipalen Ambitus über Geldbusse nicht hinausgegangen. Das Stadtrecht von Genetiva bestimmt dieselbe auf 5000 Sesterzen zu Gunsten der Stadtkasse ein in die justinianische Gesetzgebung übergegangener Senatsbeschluss allgemein für municipale Magistraturen und Priesterthümer auf clen doppelten Betrag 2 . Die Busse wird durch recuperatorische Popularklage bei dem Stadtgericht beigetrieben 8. Ausserdem trifft den Verurtheilten die Infamie 4 . 12. Missbrauch des Vereinsrechts. Das Vereinsrecht ist in den Zwölftafeln ausdrücklich gewähr-Associationsleistet unter der selbstverständlichen Beschränkung, class die v e r b o l e Satzungen cles Vereins dem allgemeinen Recht nicht zuwiderlaufen 5. Auflösung von Verbinclungen, die diese Vorschrift verletzten oder zu verletzen schienen, wird oft genug verfügt worden sein; von der Untersagung auch ganzer Kategorien von Vereinen giebt die im J. 568/186 nicht bloss für clie römische Bürgerschaft, sondern für ganz Italien angeordnete Auflösung der für den Bacchusdienst gebildeten Verbinclungen (foiâeratei) uns einen Beleg (S. 579). Principiell ist in republikanischer Zeit clas Associationsrecht nicht eingeschränkt worden; die in clem vorhergehenden Abschnitt (S. 872 A. 1) erörterten Senatsbeschlüsse aus den J. 690/64 und 698/56 richten sich nur gegen dieselben Wahlvereine, deren Verwendung bei cler Aemterbewerbung unmittelbar darauf unter das Strafgesetz gestellt ward, und clas clem ersteren Senatsschluss entgegentretende 1

Lex col. Gen. c. 132. Dig. 48, 14, 1, 1: centum aurei. 3 Lex col. Gen. c. 132. 4 Dig. 48, 14, 1, 1. 5 Zwölftafeln 8, 28 = Dig. 48, 22, 4: his (socialists) potestatem facit lex pactionem quam velint sibi ferre , dum ne quid ex publica lege corrumpant. Wenn der letzte König sämmtliche religiöse Verbindungen (σννόάονς σνμπάσας κωμητών ή 2

φρατριαστών

η γειτόνων

εν τε τη

πόλει

καϊ

ϊπϊ

των

αγρών

ιερά

καϊ

βιαίας

auflöst (Dionys. 4, 43), so gehört das zur obligaten Schilderung der Tyrannis, mag indess wohl aus anticaesarianischen Diatriben herrühren.

άτια σι κοινάς)

876

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

clodische Plebiscit wird ebenfalls zunächst nur diese Ausnahmebestimmungen wieder beseitigt haben1. Aber die weitgehenden Missbräuche, die nicht bloss bei den Wahlen, sondern auch bei dem damals weit verbreiteten Menschenraub und ähnlichen geradezu verbrecherischen Zwecken an die unbeschränkte Association anknüpften 2 , bestimmten schon den Dictator Caesar zu allgemeiner Einschränkung des Vereinsrechts 3, und wahrscheinlich unter Augustus 4 ist die präsumtive Associationsfreiheit durch Volksschluss5 beseitigt worden. Seitdem ist für die höheren Klassen der Gesellschaft bei Fortbestehen der althergebrachten Körperschaften die Stiftung neuer Associationen an besondere Gestattung der Regierung geknüpft, ähnlich wie schon bei der Unterdrückung der Bacchusgesellschaften dies vorbehalten worden war, wobei die Gestattung für Italien und die Senatsprovinzen der Regel nach bei dem Senat als der höchsten legislativen Stelle einzuholen war, der Kaiser aber befugt war im ganzen Umfang des Reichs dieselbe zu ertheilen 6 . Für die niederen Kreise einschliesslich der Unfreien wurde, abgesehen von dem unbedingten Verbot für die Soldaten7 und wahrscheinlich 1 Damit ist es wohl vereinbar und nicht unwahrscheinlich (Cicero in Pis. 4, 8 : collegia non ea sola, quae senatus sustulerat restituta, sed immmerabilia quaedarn nova ex omni faece urbis ac serritio concitata; ebenso pro Sest. 25, 55), dass das clodische Gesetz die Vercinsfreiheit erweitert, vielleicht die Unfreien ausdrücklich zugelassen, die magistratische Befugniss der administrativen Auflösung eingeschränkt hat. 2 Sueton Aug. 33: plurimae factiones titxdo collcgii novi ad nullius non facinoris societatem coibant. Vgl. S. 781 A. 1. Ein Beispiel gewähren die bei der Fehde zwischen den beiden Nachbarstädtcn Pompeii und Nuceria betheiligten hauptsächlich bei den Volksfesten Unfug anstiftenden Vereine (S. 877 A. 5). s Sueton Caes. 42: cuncta collegia praeter antiquitus constituta distraoeit.

Josephus ant. 14, 10, 8 =

215: Γάιος Κΐάααρ

Iv τφ όιατάγματι

κωλνων θιάσους

awàyta&at, κατά πόλιν, wonach gegen die städtischen Vereine noch ein besonderes Edict ergangen zu sein scheint. Vgl. S. 877 A. 1. 4 Sueton Aug. 32: collegia praeter antiqua et légitima dissolvit. 6 C. I. L. VI, 2193 = 4416: collegio symphoniacorum, qui sacris publicis praestu sunt, quibus senatus c(oire) c{onvenire) c(ogi) permisit e lege Iulia ex auctoritate Aug(usti) ludorum causa. Asconius in Cornel, p. 75: postea (nach dem J. 689/65, vgl. S. 872 A. 1) ex s. c. et pluribus legibus sunt sublata praeter pauca atque certa, quae utilitas civitatis desiderasset, qualia sunt fabrorum liticinumque (littorumque die Hdschr.; vgl. St. R. 3, 287 A. 3). Dig. 50, 6, 6, 12: collegia vel corpora , quibus ius coeundi lege permissum est. Wir kennen von diesen mehreren Gesetzen nur das eher von Augustus als von Caesar rogirte julische. 6 Dig. 3, 4, 1 pr. 47, 22, 3, 1. St. R. 2, 886. 7 Dig. 47, 11, 2. tit. 22, 1 pr. In der That begegnen in den Inschriften mit verschwindenden Ausnahmen Soldatencollegien nicht.

Elfter Abschnitt.

Missbrauch des Vereinsrechts.

877

auch für die Hauptstadt 1 , die Associirung freigegeben, wenn der Verein, regelmässig in der Form des Cultvereins für eine bestimmte Gottheit constituirt, als Sterbekasse zusammentrat, wobei indess hinzugefügt ward, dass die Mitglieder, von Culthandlungen abgesehen, nicht öfter als einmal im Monat zusammenkommen2 und keine Person mehr als einem solchen Verein angehören durfte 3 . Da auf öffentlichem Wege für die Bestattung nichts geschah und eine allgemeine Fürsorge für dieselbe nicht wohl entbehrt werden konnte, scheint diese legislatorische Massregel wesentlich deren Sicherstellung bezweckt zu haben, worauf auch die Zulassung der Unfreien so wie das Verbot doppelter Mitgliedschaft hinführen. — Der Verstoss gegen diese Anordnungen wird unter das Verbrechen der öffentlichen Gewalt gezogen, wenn der Thatbestand dieses Delicts vorliegt 4 ; dass, wo dies nicht der Fall war, neben der selbstverständlichen Auflösung auch noch eine ausserordentliche Bestrafung eintreten konnte, ist nicht eigentlich bezeugt, aber dennoch nicht zu bezweifeln 5. Es kann desswegen auch das Accusations verfahren eintreten 6 . 13. Missbranch derfiscalischen Anzeige. Der Missbrauch des an sich allgemeinen Rechts ein öffentliches Strafverfahren herbeizuführen, das Einschreiten gegen den Index 1 In der Stadt Rom ist die Regierung wenigstens in der früheren Zeit mit besonderer Vorsicht verfahren. Das Bäckercollegium daselbst hat erst Traian concessionirt (Victor Caes. 13 vgl. C. I. L. XIV, 2213 vom J. 100: pistor Romaniensis ex regfionibus] X1III), andere erst Alexander (vita 33). 2 Massgebend ist dafür ein Senatsbeschluss, dessen Hauptbestimmung erhalten ist in den Statuten eines in diese Kategorie gehörenden lanuvinischen Collegiums vom J. 136 (C. I. L. XIV, 2112 = Bruns p. 345, im Auszug Dig. 47, 22, 1): qiäbfus coire cojnvenire collegium que habere liceat. Qui stipem menstruam con ferre volenft in fun] era, in it collegium coeant neque sub specie eius collegi nisi semel in mense cfocant cojnferendi causa, unde defuneti sepeliantur. Die Bestimmung Dig. 47, 22, 1, 1: religionis causa coire non prohibentur giebt nicht die sacralen Vereine überhaupt frei, sondern gestattet den erlaubten Vereinen sich so oft zu versammeln, als ihre Sacra es erfordern. 8 Dig. 47, 22, 1, 2. 4 S. 872 Α. 1. 2 und bei der Vergewaltigung S. 662. Strafe des Exils: Tacitus ann. 14, 17. 5 Von den collegia illicita (Dig. 47, 22, 1 pr. 1. 2) werden noch unterschieden collegia sodalicia (Dig. 47, 22, 1 pr.), wohl im Anschluss an das licinische Gesetz. Dieser Art sind die Collégien, die in Folge der unter Nero zwischen den Nachbarstädten Pompeii und Nuceria geführten Fehde aufgelöst wurden (Tacitus ann. 14, 17; C. I. L. IV, 1293) und die factiones in Nikomedia, mit Rücksicht auf welche Traian (Plinius ep. 33.34) Bedenken trägt dort ein Collegium der höheren Ordnung zuzulassen. 6 Accusation bei dem Stadtpräfecten Dig. 1, 12, 1, 14.

878

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

(S. 497) und den Accusator (S. 492) bei falscher Anzeige oder Anklage ist mit den für rechte Anzeige und rechte Anklage ausgesetzten Belohnungen correlat und daher mit diesen zusammen im Strafprozess behandelt worden. Auch gehört derselbe überwiegend nicht in diesen Abschnitt, sondern in die Reihe der sittlich begründeten eigentlichen Verbrechen. — Aber hier zu erörtern bleibt clie Anzeige an die Staatskasse eines derselben erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruchs. In republikanischer Zeit kann sie nicht gefehlt haben, t r i t t aber in ihrer Besonderheit nicht hervor 1 ; von Belang ist sie erst durch die straffere Finanzwirthschaft des Principats geworden und namentlich durch Augustus erbrechtliche Gesetzgebung 2 . Dieselbe lief principiell — die Einzelheiten können im Strafrecht nicht erörtert werden — darauf hinaus, einmal class für jeden römischen Bürger in Ermangelung berechtigter Erben an letzter Stelle der Staat als Erbe eintritt 3 , zweitens dass bei allen Erwerbungen von Todeswegen, welche überhaupt und namentlich in Folge der augustischen Gesetze über Ehe- und Kinderlosigkeit cassirt werden, diese Erbschaften und Legate an clen Staat fallen. — An diese neuen Staatseinnahmen aus clem herrenlosen (bona vacantia) oder verfallenen (bona caduca) Erbgut schlossen zahlreiche gleichartige von minderer Bedeutung theils clem Staat, theils dem Kaiser zuWiessende sich an 4 , zum Beispiel clie clem Staat oder clem Kaiser letztwillig gemachten Zuwendungen und die ge1 Anzeigen dieser Art, zum Beispiel wegen Usurpation von Gemeinland oder Hinterziehung von Zöllen, werden auch in republikanischer Zeit nicht gefehlt haben (Gaius 4, 28; Cicero Verr. 1. 2, 70, 171); aber dem Staatswesen jener Epoche war mehr die Vernachlässigung der finanziellen Ansprüche der Gemeinde vorzuwerfen als die umgekehrte Tendenz, und Belohnungen namentlich für dergleichen Anzeigen gab es damals sicher nicht. 2 An die Constituirung des Principats durch die Ordnungen des J. 726/28 knüpft Tacitus ann. 3, 28 (vgl. 25) den Eintritt der Fiscalität (acriora ex eo rincla) und der erbschaftlichen Delatoren : inditi custodes et lege Papia Poppaea (J. 9 n. Chr.) praemiis inducti, ut, si a privilegiis parentum cessaretur (d. h. wenn man nicht durch Ehe und Vaterschaft sich dagegen schützt), velut parens omnium populus vacantia teneret. 8 Ulpian 28, 7 : si nemo sit ad quem bonorum possessio peiiinere possit aut sit quidem, sed ms suum omiserit, populo bona deferuntur ex lege Julia caducaria. Tacitus ann. 2, 48. Später wird dies von der Erbschaft auf andere herrenlose Gegenstände übertragen, obwohl die ursprüngliche Auffassung, dass die herrenlose Sache von jedem occupirt und durch Usucapion erworben werden kann, nie principiell aufgegeben worden ist. 4 Eine Uebersicht giebt Callistratus Dig. 49, 14, 1. Die Delationsgründe und damit clie Delation selbst können im Strafrecht nicht erörtert werden.

Elfter Abschnitt.

Dation.

879

fundenen Schätze, so weit sie nach den Ordnungen der Kaiserzeit öffentlich werden. Die Vereinnahmung der dem Staat also zuständigen Emoluments beschaffen im Allgemeinen die Präfecten des Aerarium \ die cler dem Kaiser zuständigen dessen Finanzbeamte, beispielsweise in Aegypten cler Idiologus 2 . Wer also zahlungspflichtig war, konnte, wenn er nicht bei der betreffenden Stelle sich selber anzeigte, nicht bloss von jedem Dritten zur Anzeige gebracht werde n, sondern es wurde auch die gehörig belegte und zum Ziel führende Anzeige belohnt, anfänglich, wie es scheint, mit höheren Beträgen, seit Nero mit dem vierten Theil des also erzielten Betrags 3 . Bei bestrittenem Anspruch des Aerarium stand die Entscheidung von Rechtswegen dem oder clen Finanzbeamten zu, die sie an Geschworne weisen konnten, aber in cler Regel selber entschieden4. Gleichartige Ansprüche des kaiserlichen Fiscus sollten von Rechtswegen an clen Prätor und an Geschworne gehen unci es ist dies auch in einigem Umfang geschehen ; mehr und mehr indess wurden auch diese Forderungen administrativ erledigt 5 . Diese Anzeige bei cler Finanzbehörcle ist die eigentliche Delation 6 ; und der entsetzliche Missbrauch, cler namentlich von der erbschaftlichen Delation gemacht wurde, fordert für sie einen Platz auch im Strafrecht. Wo clie fiscalische Anzeige in gewinnsüchtiger Absicht erstattet wird, steht sie im Wesen wie in cler Benennung der zu demselben Zwecke angestellten Criminalklage gleich und in clen geschichtlichen Berichten wird zwischen der criminellen und cler fiscalischen Delation meistens nicht unterschieden 7. Sachlich 1

In Rom und Italien gehen diese Delationen regelmässig an das Aerarium der Gemeinde (vgl. z. B. Plinius pan. 36 ; Dig. 40, 5, 4, 20). Diese Vorsteher sind es, welche Kaiser Marcus in einem Erbschaftsprozess den Advocaten des Fiscus bezeichnet als indices vestri (Dig. 28, 4, 3) und die in solchen Prozessen Belangten die rei qui apud aerarium pendent (Sueton Dom. 9). 2 Strabon 17, 1, 12 ρ. 777: ο προσαγορενόμενος ίδιολογος . . ιών άδεαπότων

χαί 8

τών

εϊς Καίααρα

πίπτειν

οφειλόντίον

Εξεταστής

tort,.

Sueton Ner. 10: praemia delatorum Papiae legis ad quartam redegit. Diese Quart begegnet auch bei der criminellen Delation als Accusatorenprämie (S. 510. 820). * St. R. 2, 1, 169 fg. 2, 463. 1020 fg. R St. R. 2, 1021 fg. 6 Die Delation unserer Rechtsquellen ist durchaus die fiscalische ; dass bei ihr das Wort nichts weniger als gehässig ist, zeigt namentlich die häufig erwähnte Selbstdelation. In der Redeweise der Historiker, namentlich der späteren überwiegt die criminelle Delation. 7 Die ausführliche Diatribe gegen die Delatoren bei Plinius paneg. 34—36 hat wesentlich die erbschaftlichen im Auge (nulla iam testamenta recura); aber die Brandmarkung wegen der calumnia, die nicht fehlt, kann nur auf den Missbrauch der Accusation bezogen werden.

Viertes Buch.

880

Die einzelnen Delicte.

hat der Missbrauch der letzteren wahrscheinlich das Gemeinwesen schwerer beschädigt als derjenige cler Accusation und es ist denn auch zwar clas gegen den Missbrauch der criminellen Delation gerichtete Calumnienverfahren auf clie fiscalische niemals angewandt, aber sehr häufig auch gegen diese im Criminalweg vorgegangen worden. Unbegründete Delation dieser Art ist von clen nicht der Fiscalität verfallenen Regenten der Regel nach 1 als schweres Verbrechen, oft mit Verbannung bestraft 2 , der gewerbmässige Betrieb dieses Geschäfts, selbst wenn clie Anzeigen zutrafen, mit Infamie belegt worden 3 . Zeitweise hat die Regierung sogar wenigstens nominell clie fiscalische Delation geradezu bei Strafe verboten 4 ; ja man hat es fertig gebracht clie dritte Anzeige, auch wenn sie richtig ist oder sein kann, mit cler Todesstrafe zu belegen5. Zu rechtlicher Formulirung hat es allerdings dieses seltsame Delict nicht gebracht. 14. Anderweitige Contraventionen. Die hier zusammengestellten Strafbestimmungen, gerichtet gegen Missbräuche bei cler Amtsführung oder bei clem Geschwornen1

Für Entschuldigung der grundlosen Delation wird Untersuchung und Abolition gefordert (Dig. 49, 14, 15 pr.). 2 Domitian (Sueton Dom. 9 ; daraus Dio 67, 1) schrieb, allerdings nur für die Wiederaufnahme niedergeschlagener Aerarialprozesse, vor, ut accusatori, qui causam non teneret, exilium poena esset und verfuhr mit gleicher oder grösserer Strenge gegen die Delation in Fiscalprozessen. Aehnlich verfuhren Traianus, der die Delatoren massenweise ins Exil sandte (Plinius paneg. 34. 35), Macrinus (vita 12), Aurelianus (Victor Caes. 13; vita 39). Allerdings tragen alle diese Massregeln den Charakter ausserordentlichen Einschreitens einer Nothlage gegenüber ; die Institution selbst ist so pervers, dass Einschreiten von Rechtswegen nicht ausreicht und formelles Recht durch formelles Unrecht gebrochen werden muss. 3 Der Biograph des Macrinus fährt fort: (delatores) si probarent, delato pecuniae praemio infames dimisit. In ähnlichem Sinn gewährt Severus einem solchen Delator die Belohnung, entzieht ihm aber zugleich wegen Indignität das ihm gegebene Legat (Dig. 34, 9, 1). Darum wird besonders hervorgehoben, dass die Delation auch aus anderen Motiven als dem eigenen Vortheil stattfinden könne (Dig. 49, 14, 2 pr. 1. 44). Weitere Belege für den an der Delation haftenden Ehrverlust Dig. 34, 9, 5, 13. Cod. 9, 35, 3. 4 Es darf wohl auf das Regiment Alexanders, cles Kaisers guten Willens und frommer Wunsche, zurückgeführt werden, was Paulus in seinem (chronologisch nicht näher fixirten) Abriss sagt 5, 13, 1: omnes omnino deferre alterum et causam pecuniariam fisco nuntiare prohibentur, nec refert, mares istud an feminae faciant, servi an ingenui an libertini, an suos an extraneos; omni enim modo puniuntur. 5 Dies bestimmen hinsichtlich der Anzeige herrenloser Grundstücke Verordnungen aus den J. 380 und 418 (C. Th. 10, 10, 13. 28).

Elfter Abschnitt.

Missbrauch de

echt.

881

dienst oder bei sonstigen öffentlichen und privaten Functionen, gehören, grossentheils transitorischen Verhältnissen entsprungen und angepasst, noch in höherem Grade als die übrigen in diesem Abschnitt aufgeführten (S. 844) der positiven Gesetzgebung an und es tritt der criminelle Dolus bei ihnen völlig in den Hintergrund. Auch ist unsere überhaupt nur zu sehr durch clen Zufall bestimmte Kunde hier völlig von den Launen desselben abhängig. Indess treffen sie wenigstens negativ darin zusammen, class sie sämmtlich ausserhalb des systematischen Strafrechts liegen, clie römische Jurisprudenz offenbar nicht einmal den Versuch gemacht hat sie in dessen fundamentale Kategorien einzureihen. Insofern das principiell capitale Staatsverbrechen von den Verletzungen cler magistratischen wie cler bürgerlichen Pflichten nur die schweren Fälle umfasst (S. 555. 567), tritt zu demselben eine grosse Anzahl dieser Klagen ergänzend hinzu. Da das mangelnde ethische Fundament schwere Strafen nicht zulässt , so sind sie durchgängig auf Geldbussen gestellt, die freilich auch clen Ruin cler bürgerlichen Existenz herbeiführen können. In ihrer Gesammtheit bilden sie einen nicht unwichtigen Factor des römischen Strafverfahrens, namentlich insofern an die Stelle cler vom Magistrat willkürlich verfügten Coercition in der späteren republikanischen Zeit vielfach diese von cler Entscheidung zuweilen cler Comitien, gewöhnlich cler Geschwornen abhängigen Multklagen getreten sind und auch sie also für clie allmähliche Einschränkung der Magistratsgewalt wesentlich in Betracht kommen. In einer Darstellung cles römischen Strafrechts dürfen diese wie immer clisparaten Klagen wenigstens exemplificatorisch einen Platz verlangen 1. Wegen cler prozessualischen Behandlung der Multen ist auf das folgende Buch zu verweisen. — Entnommen sind clie aufgeführten Einzelfälle überwiegend theils der republikanischen Ueberlieferung, theils den Stadtgesetzen cler letzten republikanischen und cler früheren Kaiserzeit. Vollständigkeit ist keineswegs auch nur beabsichtigt; die in clen Erlassen der Spätzeit zahlreich begegnenden analogen Strafdrohungen gegen die Beamten und meistens daneben gegen deren Bureaupersonal auch nur in Beispielen zu verzeichnen erschien überflüssig. I. U n r e g e l m ä s s i g k e i t e n i n der A m t f ü h r u n g . 1. Contraventionen bei cler Einbringung von Gesetzen führen zu Strafprozessen kraft des älischen und des fufischen Gesetzes 1 Verschiedene gleichartige sind bei den einzelnen Hauptdelicten berücksichtigt worden; so die vor der Entwickelung des Fälschungsverbrechens ergangenen

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

56

882

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

bei Verstoss gegen die religiösen Normen 1 ; kraft des licinischjunischen vom J. 692/62 bei Versäumniss der Niederlegung des Gesetzvorschlags im Aerarium 2 . Der Prozess hat die Form der Quästion 3 ; die Strafe ist nicht bekannt. 2. Die Schlussclausel der Gesetze (sanctio) entband nicht bloss regelmässig den, der in Befolgung dieses Gesetzes ein anderes verletzte, von der in diesem festgesetzten Strafe 4 , sondern belegte auch häufig mit einer Strafe, meistens wohl einer Mult, denjenigen, welcher, abgesehen von den in diesem Gesetz hauptsächlich enthaltenen speciellen Strafsätzen, den hier ausgesprochenen allgemeineren Bestimmungen zuwiderhandelt 5. Hieher werden also neben den Strafandrohungen für die Abschaffung des Gesetzes insbesondere die häufig begegnenden zu ziehen sein, welche dem Beamten6 nach Antritt des Amtes oder auch clem Senator 7 vorschreiben sich auf das Gesetz eidlich zu verpflichten und die Unterlassung dieses Eides mit einer Geldstrafe belegen. 3. Verletzung der Intercessionsordnung, wie Sulla sie festgestellt hatte 8 , wurde mit schwerer Geldbusse geahndet, die im Civilweg bei dem Prätor eingeklagt wird 9 . Ebenso trifft nach dem Plebiscite gegen Münzfälschung (S. 672) und gegen Aufstellung falscher Masse unci Gewichte (S. 676). — Die mit der Multordnung unvereinbare Angabe, dass dem Camillus im J. 386/368 nach seiner Ernennung zum Dictator für die Vornahme einer jeden Amtshandlung durch Plebiscit eine Busse von 500 000 Assen auferlegt worden sei (Liv. 6, 38, 9), ist übergangen als spät und übel erfunden. 1 St. R. 1, 111. 2 St. R. 2, 546. 3, 371. 8 Cicero in Vat. 14, 33. ad Att. 4, 16, 5. * St. R. 3, 362. 6 Anders kann die im acilischen Repetundengesetz Z. 56 vorgesehene Klage aus der (verlorenen) sanctio desselben nicht verstanden werden. 6 Staatsrecht 1, 621 A. 6, wo aber ungenau diese dem Prozess des C. Junius 680/74 zu Grunde liegende Geldbusse gerade auf das Mordgesetz bezogen wird, welches er amtlich zu handhaben hatte ; Ciceros Worte pro Cluentio 34, 92 : si in aliquam legem aliquando non iuraverat zeigen, dass jedes mit der Eidesclausel versehene Gesetz gemeint sein kann. Sie zeigen weiter (33, 91: quae res nemini umquam fraudi fuit), dass diese Eidesleistung eine gleichgültige Formalität war. — Wo das Gesetz an die Weigerung der Eidesleistung auf dessen Befolgung den Verlust des Amtes (St. R. 1, 651) oder des Senatssitzes (St. R. 3, 885) knüpft, kann diese Rechtsfolge nicht im Rechtesinn als Strafe aufgefasst werden, so wenig wie die gesetzlichen Beschränkungen der Qualification für das Amt oder den Senatssitz. 7 Nach dem appuleischen Gesetz trifft den den Eid darauf verweigernden Senator ausser dem Verlust des Senatssitzes eine Busse von 12 000 Sest. (Appian b. c. 1, 29). 8 St. R. 2, 308. 9 Cicero Verr. 1. 1, 60, 155.

Elfter Abschnitt.

Missbrauch de

echt.

883

Stadt-recht von Malaca. den, der die Coercition durch Intercession hindert, eine Geldbusse von 10000 Sesterzen 1. 4. Unregelmässige Protokollführung 2 . 5. Bei Zulassung eines nicht qualificirten Empfängers zu der hauptstädtischen Getreidevertheilung trifft den Beamten die hohe Busse von 50000 Sesterzen für jeden Scheffel 3. 6. Nach clen Stadtrechten werden den Magistraten Bussen auferlegt bei Unterlassung des Amtseicles4; bei Unterlassung der obligatorischen Sacrificien 5 ; bei Unterlassung cler Vereidigung ihrer Subalternen 6 ; bei Zulassung nicht qualificirter Personen zur Aemterbewerbung 7 oder zum Sitz am Gemeinderath 8 oder zum Gemeindepatronat 9 oder zum privilegirten Theatersitz 10 . I I . U n r e g e l m ä s s i g k e i t e n b e i dem G e s c h w o r n e n d i e n s t . 1. Ausbleiben ohne genügende Entschuldigung 11 . 2. Betheiligung an einem Geschwornengericht ausserhalb der gesetzmässigen Ordnung 12 . 3. Verschleppung cler Abstimmung 13 . 1

Lex Malac. c. 58. Cicero pro Cluentio 33, 91: quod C. Verres praetor urbanus . . . subsorti tionem eius (die von dem Vorsitzenden des Gerichtshofes veranlasste Ergänzung desselben) in . ... codice non haberet. Diese Klage und die S. 882 A. 6 genannte werden angestellt eadem fere lege et crimine (Cicero pro,Cluentio 37. 103), das heisst auf Grund des sullanischen Geschwornengesetzes. 3 Julisches Municipalgesetz Z. 18: quei adversus ea eorum quoi frumentum dederit, is in tritici m(odios singulos sestertium quinquagena milia) populo dare damnas esto eiusque pecuniae quei volet pelitio esto. 4 Lex Salpensana c. 26: 10 000 Sest. 5 Lex col. Gen. c. 128: 10 000 Sest. 6 Lex col. Gen. c. 81: 5000 Sest. 7 Julisches Municipalgesetz Z. 98 fg. 134 fg. : 50 000 Sest. 8 Julisches Municipalgesetz Z. 105 fg. 9 Lex col. Gen. c. 97: 5000 Sest.; lex Malac. c. 61: 10 000 Sest. Ist der zu Unrecht gewählte Gemeindepatron römischer Senator, so steigt die Busse auf 100 000 Sest.: lex col. Gen. c. 130. 10 Lex col. Gen. c. 125. 126: 5000 Sest. 11 Die Clausel des tullischen Gesetzes über den Ambitus, wonach morbi excusationi poena add ita est (Cicero pro Mur. 23, 47), kann sich nicht (wie S. 397 A. 4 irrig geschehen ist) auf den Angeklagten beziehen, da sie cvielen unbequem ist 5 {voluntas offensa multorum), füglich aber auf die Geschwornen. 12 Cicero pro Cluentio 37, 103: multa p>etita, quod non suae decuriae munere neque ex lege sedisset. 13 S. 425 A. 2. Das acilische Repetundengesetz Z. 48 setzt eine Strafe von 5000 Sesterzen, quotiensquomque camplius 5 bis in uno iu[dicio prononliatum fuerit]. 56* 2

Viertes Buch.

884

Die einzelnen Delicte.

III. Verschiedenartige

Contraventionen.

1. In wie weit Amtsbewerbung oder Amtserlangung bei mangelnder Qualification nach den Ordnungen der römischen Republik bestraft wird, ist zweifelhaft. Die Erschleichung der Magistratur durch einen Unfreien ist mit dem Tode bestraft und darum zu den Perduellionsfällen gestellt worden (S. 565). Ueber die Behandlung minder schwerer Fälle, zum Beispiel der Verletzung des Annalgesetzes fehlen uns die Zeugnisse. Die Bewerbung um ein Municipalamt bei mangelnder Qualification wird von dem julischen Gesetz mit der schweren Mult von 50000 Sest. belegt 1 . In der späteren Kaiserzeit wird bei der nach festem Schema verlaufenden Reihe der Subalternenstellen die abermalige Bewerbung 2 so wie die unzulässige Bewerbung um ein Amt der ersten Rangklasse3 bei schweren Strafen untersagt. 2. Von dem Sitzen im Senat bei mangelnder Qualification gilt dasselbe; die stadtrömischen Bestimmungen, so weit wir sie kennen, sprechen dafür keine Strafe aus, das julische Municipalgesetz die gleiche wie in dem vorigen Fall 4 . 3. Wenn ein Mitglied des Gemeinderaths in der betreffenden Stadt nicht ein eigenes Haus von mindestens 1500 Ziegeln besitzt, so zahlt er cler Kasse cler betreffenden Gemeinde ein jährliches Strafgeld 5 . 4. Weigerung cler Uebernahme einer municipalen Legation 6 . 5. Weigerung des Uebertritts in clie von dem Staat neu gegründete latinische Colonie7. 6. Nach Consecrirung des ermordeten Caesar ist die Weigerung an cler Geburtstagsfeier desselben sich zu betheiligen für den Senator oder den Sohn eines Senators mit der schweren Mult von 1

Julisches Municipalgesetz Z. 29. C. Th. 9, 26, 2 ( = Iust. 9, 26, 1). 4. Dies wird als ambitus bezeichnet, dem älteren Sprachgebrauch zuwider. 3 C. Th. 9, 26, 1. 4 Julisches Municipalgesetz Z. 108 fg. 5 Lex Tarentina Z. 26 fg. Strafe 5000 Sest. 6 Lex col. Gen. c. 92. Strafe 10000 Sest. 7 Cicero pro Caec. 33. 98 : in colonias Latinas . . nostri cives . . . aut sua voluntate aut legis multa profecti sunt, quam multam si sufferre völuissent, manere in civitate potuissent. Vgl. Phil. 8, 1, 4. 2

Elfter Abschnitt.

Missbrauch de

echt.

885

1 Mill. Sesterzen belegt worden, während dieselbe zugleich allgemein als Staatsverbrechen mit der Capitalstrafe bedroht ward (S. 568 A. 3). Deutlich zeigt sich hier cler Gegensatz der beiden Rechtskreise und die unwirksame Androhung der schweren, die wirksame cler Geldstrafe. 7. Wenn gegen den Vertreter der Stadtgemeinde, welcher den zahlungsunfähigen Gemeindeschulclner im Executivverfahren abführt, in unberechtigter Weise Einspruch erhoben wird, so trifft nach Municipalgesetz clen falschen Vindex eine Busse von 20000 Sesterzen1. 8. In der Kaiserzeit wird schwer bestraft, wer durch Vorspiegelung cler Befürwortung privater Anliegen bei dem Kaiser sich in unerlaubter Weise bereichert h a t 2 ; indess ist dies mehr häusliche Bestrafung cler Gesindeleute des Kaisers als eigentlich criminelles Verfahren. 9. Wegen Ungehorsams gegen clen die Jurisdiction ausübenden Beamten kann, abgesehen von der Coercition, der Beamte ein Geschwornengericht zur Feststellung einer entsprechenden Busse niedersetzen3, in welchem Fall clie bei clen Multen zulässige Appellation (S. 53) vermieden wird. 10. Das zwischen einem römischen Geldgeber und clem nach Rom gesandten Vertreter einer abhängigen Gemeinde eingegangene Darlehen wurde durch das gabinische Consulargesetz vom J. 696/58 1

Lex col. Gen. c. 61.

8

Die Rechtsbücher wissen nichts von den fumi venditores, wie diese wirklich oder angeblich einflussreichen Hofleute genannt zu werden pflegen, und was die niedere Litteratur (Martialis 4, 5; vita Pii 11, Elag. 1, Alex. 23. 35. 67) über sie berichtet, scheint, so weit es auf Wahrheit beruht, entweder der häuslichen Zucht oder den reinen Gewaltacten zugezählt werden zu müssen. Die für die Befürwortung eines Anliegens bei der Regierung bedungene Vergütung ist nach einer Verordnung Theodosius I., wenn erfüllt, sogar klagbar (C. Th. 2, 29, 1 = Iust. 4, 3, 1). 3 Ulpian Dig. 2, 3, 1: omnibus magistratibus, non tarnen duumviris secundum ius potestatis suae concessum est iurisdictionem suam defendere poenali iudicio . . . hoc iudicium . . . quanti ea res est concluditur: et cum mer am poenam contineat, neque post annum neque in heredem datur. Es kann also der römische Magistrat gegen den, welcher seinem Spruch sich nicht fügt, entweder sich der Coercition bedienen oder auf Grund dieses prätorischen Edicts ein recuperatorisches Multverfahren einleiten, so dass entweder er oder auch jeder Bürger dabei als Kläger auftritt. Der Municipalmagistrat hat nur die Coercition (S. 40).

886

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

einestheils klaglos gestellt, andrerseits für beide Theile mit Strafe, wahrscheinlich einer festen Geldbusse belegt 1 . 11. Die Municipalmagistrate, welche bei der Aufspürung flüchtiger Sclaven dem dazu legitimirten Eigenthümer nicht behülflich sind, trifft nach Senatsbeschluss eine Geldstrafe von 10000 Sesterzen2. Dass auch der Private in ähnlichem Fall ähnlich bestraft \vird, ist früher (S. 749 A. 5) bemerkt worden. 1 Cicero ad Att. 5, 21, 12. 6, 2, 7. Die durch Senatsbeschluss für einen einzelnen Fall beschlossene Ausnahme: ut neve Salaminis neve qui eis dedisset fraudi esset lässt die Beschaffenheit der Strafe nicht erkennen; es kann aber nur an eine feste Mult gedacht werden. 2 Dig. 11, 4, 3: centum aurez.

Zwölfter Abschnitt.

Delictische Klagenconcurrenz· Die prozessualische Zusammenfassung verschiedener Strafthaten ist im dritten Buch (S. 378 fg.) erörtert worden. Es können aber v σ 7 1

Delictische

Klaffe n

auch aus derselben Strafthat mehrere Klagen entspringen. Erwachsen diese verschiedenen Personen, so laufen dieselben neben einander her und bedarf es in dieser Hinsicht keiner besonderen Ausführung 2. Aber wenn die Strafthat gegen dieselbe Person verübt ist oder wenn ihr als öffentlichem Verbrechen die personale Beziehung fehlt, so kann es zweifelhaft sein, ob sie nur einmal gerichtlich behandelt werden kann oder mehrere Klagen aus ihr zugelassen werden. Unter den durch Gesetz oder diesem gleichstehende Gewohnheit festgestellten delictischen Grundbegriff kann dieselbe Handlung °

ο

σ

"

concurrenz.

Ausschluss

d e r Con

c u r r e n z

"

yep.

im Wege des Strafverfahrens nur einmal gezogen werden ; die Ver- schiedener schiedenen prozessualischen Modalitäten kommen nur alternativ zur ^ r o z e s s ' 1

Anwendung. Die Klage wegen Staatsverbrechens kann vor die Tribus oder die Centurien, späterhin vor die Comitien und vor die 1

Die successive Verübung verschiedener Verbrechen ändert selbstverständlich nichts an der Bestrafung eines jeden: qui hominem subripuit, sagt Ulpian (Dig. 47, 1, 2, 1) et occiclit, quia subripuit, furti, quia occidit, Aquilia tenetur, neque altera harum aetionum alteram consumit. Bei gemeinschaftlichem Handeln mehrerer Personen liegen so viel Strafthaten vor wie Personen dabei mitgewirkt haben und da das Strafrecht den Schadenersatz principiell nur als Strafmesser kennt (S. 14 A. 1), hebt die Erledigung der einen die übrigen der Regel nach nicht auf. 2 Wenn beispielsweise dieselbe Injurie den Mann, die Frau und den Sohn verletzt, so entspringen daraus drei Klagen und der Vater klagt sowohl für sich wie als Vertreter des Sohnes (Dig. 47, 10, 1, 9. 1. 18, 2. 1. 41).

formen.

Viertes Buch.

888

Die einzelnen Delicte.

Quästion, aber nicht successiv vor beide gebracht werden 1. Wer im Diebstahlsprozess den doppelten Werth erstritten hat, darf nicht wegen handhafter That die Klage erneuern 2 . Wer die Injurienklage vor Recuperatoren gebracht hat, kann sie nicht nach dem cornelischen Gesetz anstellen3. Bei Diebstahl und Sachbeschädigung durch den Gastwirth oder den Schiffer hat der Beschädigte die Wahl zwischen der gewöhnlichen und der durch den Prätor modificirten Klagform; aber der Gebrauch der einen schliesst die andere aus 4 . Keine Klage kann wiederholt werden durch Hinzufügung der Noxalclausel5. Bei der Feststellung cler Grundbegriffe selbst ist nicht zu übersehen, dass derjenige des schwereren Verbrechens das leichtere ausschliesst6. Da die Ermordung des Beamten als Perduellion bestraft wird, so hat sie schwerlich unter das allgemeine Mordgestz gezogen werden können 7 . Die Injurienklage fällt da weg, wo die Handlung als Staatsverbrechen (S. 786 A. 5) oder als Ehebruch (S. 690. 792) strafbar ist. Bei der civilen wie bei der criminellen Dolusklage (S. 678 fg.) wird der subsidiäre Charakter ausdrücklich hervorgehoben. Wenn aber dasselbe Rechtsverhältniss mehrere Klagen begründet, seien dies eine delictische und eine nicht delictische oder mehrere delictische, so gelten darüber folgende Regeln. Concurrenz j e Wenn aus cler gleichen Thatsache eine delictische und eine und nicht'nicht delictische Klage entspringen, so sind beide von einander delictischer S O wohl an sich unabhängig8 wie auch in der Reihenfolge. Die Klagen.

1

Belege freilich lassen sich dafür nicht gehen; aber Rabirius hat nicht zwiefach prozessirt werden können. Allerdings ist dabei zu beachten, dass dem rein magistratischen Prozess die förmliche Freisprechung abgeht (S. 450). 2 Dafür spricht freilich nur die Consequenz und das Schweigen der Quellen. 8 Für das spätere Recht kann dies nach Inst. 4, 4, 10 nicht wohl bezweifelt werden; das ältere scheidet die Kreise (S. 804 A. 3). 4 Dig. 4, 9, 6, 4. Verwandt ist der Satz ülpians (Dig. 50, 17, 43, 1): quotiens eoncurrunt plures actiones eiusdem rei nomine, una quis experiri debet , welcher, wie die Inscription zeigt, sich auf die aus dem Contracte des Geschäftsführers für ihn und für den Geschäftsherrn entspringende Klage bezieht. 5 Dig. 9, 4, 4, 3. 6 Die Auffassung, dass von mehreren aus der gleichen Handlung entspringenden Strafen die schwerere die geringere absorbirt, ist den Römern fremd. 7 Die Quellen schweigen über diesen Fall. 8 Wenn Ulpian (Dig. 27, 3,1, 22) dies also begründet: nec eadem est obligatio fwti ac tutelae, ut quis dicat plures esse actiones eiusdem facti, sed plures obligations, so ist idem factum gefasst nicht als dieselbe Handlung, sondern als dieselbe klagbegründende Thatsache.

Zwölfter Abschnitt.

Delictische Klagenconcurrenz.

889

Erbschaftsklage kann angestellt werden gegen den der Testamentsfälschung bezichtigten Inhaber der E r b s c h a f t d i e Contract- 2 oder die Vormundschaftsklage 3 bei begangener Unterschlagung, überhaupt in jedem nicht delictischen Prozess 4 eine materiell delictische Forderung geltend gemacht werden. Auch steht dem Kläger frei sowohl clie nicht delictische Klage vor cler delictischen anzustellen wie umgekehrt 5 . Nur soll vor Erledigung des schwebenden Ehebruchsprozesses cler Ehebruch nicht im Mitgiftprozess in seinen vermögensrechtlichen Folgen geltend gemacht werden 6 . Wenn aber beide Klagen auf Geldleistung gehen, so wird der Regel nach nur cler höhere Betrag geleistet, also, wenn der mindere zuerst eingeklagt ist, mit der anderen Klage die Differenz nachgefordert 7 . 2. Mehrere Delictklagen concurriren in gleicher Weise, so- concurrenz fern die Strafthat unter ethisch verschiedene criminelle Kate- ^ a " ^ * gorien f ä l l t 8 , welches Princip sowohl bei Concurrenz mehrerer ungleichen Fundamente. 1

C. Iust. 9, 22, 9. 16. C. Th. 9, 19, 4 = Iust. 9, 22, 23. C. Iust. 9, 22, 24. Auch bei dem Interdict wegen Vorlegung des Testaments kann die Fälschung desselben zur Sprache kommen. Dig. 4, 3, 9, 2. 43, 5, 3, 6. C. Th. 9, 20, 1 = Iust. 9, 31, 1. 2 Gesellschaftsklage: Dig. 17, 2, 45, wo hinzugefügt wird: nec altera actio alteram tollit. — Depositum: Dig. 16, 3, 29 pr. — Commodat: Dig. 23, 6, 5, 8. — Mandat: Dig. 17, 1, 22, 7. 3 Dig. 27, 3, 1, 22 (S. 888 Α. 8). 1. 2, 1: altera {actio) alteram non tollit. 4 Von der Concurrenz der Vindication mit der Diebstahlsklage des Bestohlenen und der anomalen Condiction wegen rechtlosen Habens ist S. 755 fg. gesprochen. — Vergewaltigung und Vindication: Cod. 9, 12, 7 pr. — Erpressung und Condiction wegen unerlaubter Bereicherung: Cod. 4, 7, 3. — Angemasste Ingenuität und Klage auf die Pflichtleistung des Freigelassenen : C. Th. 9, 20, 1 = Iust. 9, 31, 1. — Baumfällung und Pacht: Dig. 47, 7, 9. — Sachbeschädigung und Commodat: Dig. 13, 6, 7, 1. 5 Anerkannt allgemein C. Th. 9, 20, 1 = Iust. 9, 31, 1; für die Testamentsfälschung Cod. 9, 22, 16. 6 C. Th. 9, 7, 7 = Iust. 9, 9, 32. C. Th. 9, 20, 1 = Iust. 9, 31, 2: cum una excepta sit causa de moribus, 7 Dig. 44, 7, 41, 1 : si ex eodem facto duae competant actiones, postea iudicis potius (sehr, iudicantis) partes esse, ut quo (sehr, quod) plus sit in reliqua actione, id actor fer at, si tantundem aut minus , id consequatur (wo nil für id gefordert wird oder die Worte ferat si t. a. m. id zu streichen sind). Anwendung auf Diebstahl und Gesellschaftsklage (Dig. 17, 2, 47 pr.); auf Sachbeschädigung und Commodat (Dig. 13, 6, 7, 1). 8 Dig. 44, 7, 32 : cum ex uno delicto plures nascuntur actiones, sicut evenit cum arbores furtim caesae dicuntur, omnibus experiri permitti post magnas varietates obtinuit. Dig. 47, 1, 2 pr. : numquam plura delicta concurrentia faciunt, ut

Viertes Buch.

890

Die einzelnen Delicte.

öffentlicher 1 wie bei der Concurrenz mehrerer privatdelictischer Klagen Anwendung findet. Wenn indess zwei derartige Klagen gleichen ethischen Fundaments auf Geldleistung hinauslaufen, was bei den privatdelictischen immer der Fall ist, so werden zwar auch beide gegeben, aber nur der höhere Strafbetrag geleistet, so dass, wenn die mindere zuerst eingebracht ist, mit der anderen der Mehrbetrag gefordert werden kann. In dieser Weise werden die Diebstahls- und die Raubklage, die aquillische Klage wegen Sachbeschädigung und die Zwölftafelklage wegen Baumfällung und überhaupt nach der schliesslich recipirten Ansicht alle diese Klagen behandelt2. Ausschluss 3. Bei gleichem ethischen Fundament dagegen können zwei cnrwM°tei delictische Klagen nicht beide angestellt werden, sondern die zuerst gleichem geltend gemachte schliesst auch die zweite aus. Dies kommt namentFundament. j j ^ z u r Anwendung [ n ( j e m bei dem exemplificirenden Charakter der römischen Strafgesetzgebung nicht selten eintretenden Fall, dass die gleiche Strafthat unter mehrere delictische Grundbegriffe eingeordnet ist, wie zum Beispiel die Anstiftung eines Aufstandes ullius impunitas detur; neque enim delictum ob aliud delictum minuit poenam. Cod. 9, 2, 9, 1 : si ex eodem facto plurima (sehr, plwa) crimina nascuntur et de uno crimine in accusationem fuerit deduetus, de altero non prohibetur ab alio deferri. Dig. 44, 7, 60 = 50, 17, 130 = Inst. 4, 9, 1: numquam actiones praesertim poenales (zunächst gemeint sind die Klagen wegen Sachbeschädigung durch Thiere und die wegen HaltuDg gefährlicher Thiere an der Strasse) de eadem re (oder pecunia) concurrentes alia aliam consumit. 1

Incest und Ehebruch: Dig. 48, 18, 5 (S. 684 Α. 2). — Mord und Strassenraub: Cod. 9, 2, 11 (S. 630 Α. 4). Dass beide unter die gleiche Quästion fallen, steht nicht im Wege. — Dass die Entführung sowohl als Raub wie als Ehebruch strafbar sei, sagt Justinian (Cod. 9, 13, 1, l a ) nicht, sondern nur, dass sie als duplex crimen von beiden Elemente in sich trage. 2 Diebstahl, Raub, Sachbeschädigung: Dig. 47, 8, 2, 10. 26. — Diebstahl und Raub: Dig. 47, 8, 1. — Diebstahl und Baumfällung: Dig. 47, 7, 8, 2. — Diebstahl, Sachbeschädigung, Injurie (Entführung eines nicht mannbaren unfreien Mädchens): Dig. 47,10,15. — Diebstahl und Sachbeschädigung: Dig. 47, 1, 2, 1 (S. 888 Α. 1). — Diebstahl und Sclavenverführung: Dig. 11, 3, 11, 2: altera (actio) alteram non minuit Cod. 6, 2, 20 = Inst. 4, 1, 8, wo Justinian die betreffende Streitfrage legislatorisch erledigt. — Sachbeschädigung und Baumffcllung: Dig. 47, 7, 1. 11 (vgl. S. 835). — Sachbeschädigung, Injurie, Sclavenverführung Dig. 48, 5, 6. — Sachbeschädigung und Injurie (Geisselung eines Sclaven; allerdings bedenklich, vgl. S. 889 A. 2). — Sachbeschädigung durch Thiere und Haltung gefährlicher Thiere an der Strasse (S. 889 A. 8). — Das an sich bei mehreren dieser Fälle berechtigte Bedenken, dass nicht eine Handlung vorliegt, sondern mehrere successive, kann die Regel nicht erschüttern.

Zwölfter Abschnitt.

Delictische Klagenconcurrenz.

891

bei dem Majestäts-, dem Mord- und dem Gewaltgesetz aufgeführt wird. Die Unzulässigkeit mehrfacher Delictklage bei einheitlichem Thatbestand ist durch einen Senatsbeschluss unter Titus gesetzlich festgestellt worden 1. — Allerdings ist das Princip leichter aufzustellen als anzuwenden, cla auf die Frage, ob in derselben Strafthat ein doppeltes ethisches Fundament gefunden werden kann oder vielmehr die Strafgesetze das einfache in verschiedener Weise aufgefasst haben, die Antwort häufig sehr zweifelhaft ist 2 . Auch die römischen Rechtsgelehrten haben hier vielfach geschwankt, schliess- Concurrenz lieh im Zweifel sich für die Concurrenz entschieden. Ddictifagen 4. Wenn die private Delictklage mit einer öffentlichen con- mitprivatcurrirt, so können auch hier beide neben einander zur Geltung r e ° R θ η ' kommen, da die Sühnung des gegen die Gemeinde und die des gegen den Privaten begangenen Unrechts nicht zusammenfallen. Aber es darf nach alter republikanischer Ordnung das Judicat im Privatprozess der criminellen Entscheidung nicht vorgreifen und wird also, so lange der Criminalprozess schwebt oder angestellt werden kann, die Civilklage abgewiesen8. Es kommt dies namentlich zur Anwendung hinsichtlich der Injurienklage gegenüber dem Mordprozess4. Nur bei der Eigenthumsbeschädigung ist die Folge frei 5 , 1

Sueton Tit. 8: vetuit de eadem re pluribus legibus agi. Paulus Dig. 48,2,12: senatus censuit, ne quis ob idem crimen pluribus legibus reus fier et. Modestinus Dig. 44, 7, 53: plura delicta in una re plures admittunt actiones, sed non posse omnibus uti probatum est; nam si ex una obligatione plures actiones nascantur, una tantummodo , non omnibus utendum est. Die restrictive Auslegung von eadem res , idem crimen , una res, womit allerdings sehr verschiedene Vorstellungen verbunden werden können, wird durch die folgende Auseinandersetzung gerechtfertigt. 2 Wenn auf Parricidium geklagt, aber nur einfacher Mord erwiesen ist (S. 644 A. 1), so würde hiernach die Freisprechung wegen des Parricidiums vor der Mordklage nicht schützen, da nicht jeder Mörder ein Parricida ist; aber da jeder Parricida ein Mörder ist, müsste umgekehrt durch die Freisprechung im Mordprozess auch die Anklage wegen Parricidium ausgeschlossen sein. Indess fehlt es in unserem Material für dergleichen Erwägungen an positivem Anhalt. Dass Milo und Genossen wegen Vergewaltigung sowohl nach dem Specialgesetz wegen der Ermordung des Clodius wie nach dem allgemeinen zur Verantwortung gezogen wurden, führt nicht weiter, da beide Klagen sich füglich auf verschiedene Strafthaten bezogen haben können. 3 Dies geschieht dadurch, dass in die Formel die Einrede eingerückt wird: extra quam in reum capitis praeiudicium fiat (Cicero de inv. 2, 20). Abgewehrt werden konnte dieselbe nur dadurch, dass der Geschädigte die Criminalklage anstellt, da es keinen Weg giebt die Nichtanstellung derselben zu verbürgen. 4 Cicero a. a. 0. 6 Paulus Dig. 48, 1, 4: inter dum evenit, ut praeiudicium [per privatum iudi-

892

Viertes Buch.

Die einzelnen Delicte.

insbesondere1 bei den Privatklagen wegen gewaltsamer Besitzentsetzung und wegen Raub gegenüber der criminellen Vergewaltigung 2 und bei derjenigen wegen Sachbeschädigung gegenüber der Mordklage 8 . concurrenz 5. Für die Concurrenz der privaten Delictklage mit der soordTntiichei genannten ausserordentlichen Criminalstrafe der Spätzeit lassen criminal- sich bei der dieser eigenen Willkür feste Regeln nicht aufstellen 4. Privat™* Mehrfach erscheint die letztere als Zuschlag zu der ersteren 5 ; klagen.

dum] iudicio publico fiat (folgen die nachher aufgeführten Beispiele): nam in his de re familiari agitur. Valens C. Th. 9, 20, 1 = Iust. 9, 31, 1 : a pier is que prudentium gener aliter definitum est, quoties de re familiari et civilis et criminal is competit actio, utraque licere experiri, nec, si civiliter fuerit actum , criminalem posse consequi (folgen die Beispiele). Die Regel wird aufgestellt für die private Klage überhaupt ohne Unterscheidung der delictischen und der nicht delictischen. 1 Paulus a. a. 0.: sicut in actione . . . furti meint wohl die Concurrenz der Diebstahlsklage mit dem criminellen Plagium. 2 Paulus a. a. 0.: sicut in actione . . . vi bonorum raptorum et interdicto unde vi. Dig. 47, 8, 2, 1 (vgl. 48, 9, 1, 1). Cod. 9, 12, 7, 1. C. Th. 9, 20, 1 = Iust. 9, 31, 1. Dies ist früher angefochten worden (Dig. 47, 8, 2, 1: neque debere publico iudicio privata actione praeiudicari quidam put-ant); unter der Republik ist der öffentlichen Klage ohne Zweifel der Vorrang in weiterem Umfang gegeben worden. 8 Bei doloser Tödtung des Sclaven ist sowohl die Mordklage zulässig wie die aquillische (Dig. 19, 5, 14, 1 ist mit der Klage in factum ohne Zweifel diese gemeint) ; die Zulässigkeit der letzteren auch vor Anstellung der ersteren nimmt sowohl Paulus an (a. a. 0.: sicut in actione legis Aquiliae) wie auch Ulpian Dig. 47, 10, 7, 1, indem er die von Labeo aufgestellte Rechtfertigung, dass durch dies Delict die öffentliche Ordnung nicht verletzt werde (neque enim utique hoc, inquit, intenditur, quod publicam habet anim adver sionem), verwirft und vielmehr sich stützt auf das Vorwiegen der Eigenthumsbeschädigung (ibi principaliter de damno agitur, quod domino datum est). An einer anderen Stelle Ulpians (Dig. 9, 2, 23, 9): si dolo malo servus occisus sit , et lege Cornelia agere dominum posse constat et si lege Cornelia egerit, praeiudicium fieri Corneliae non debet ist wohl nur gemeint, dass die Verurtheilung im Privatprozess für das Gericht im Mordprozess nicht massgebend sein solle. 4 Die allgemeine Bestimmung Dig. 47, 1, 3: si quis actionem , quae ex maleficiis oritur, velit exequi, si quidem pecuniariter agere relit, ad ius ordinarium remittendus erit nec cogendus erit in crimen subscribere ; enimvero si extra ordinem eius rei poenam exerceri velit, tunc subscribere eum in crimen oportebit stellt nur das Wahlrecht fest; indess wird, obwohl es nicht geradezu ausgesprochen ist, doch darin ein Verzicht auf die andere Alternative gefunden werden dürfen. 5 Dies gilt von der ausserordentlichen Bestrafung der gewaltthätigen Steuererhebung neben der Raubklage (Dig. 39, 4, 9, 5: per vim extortum cum poena tripli restituitur, amplius extra ordinem plectuntur; alterum enim utiUtas privatorum, alterum vigor publicae disciplinae postidat) und von der ausserordentlichen

Zwölfter Abschnitt. Delictische Klagenconcurrenz.

893

gewöhnlich aber schliesst die Anwendung der einen Form der Rechtshülfe die andere aus 1 . Strafe wegen Missbrauch des Asylrechts neben der Klage wegen Sclavenverführung (Dig. 47, 11, 5). 1 Dig. 47, 2, 57, 1 : qui furem declucit ad praefectum vigilibus vel ad praesidem, existimandus est elegisse viam, qua rem persequeretur et. . . videtur furti quaestio sublata, . . . et si nihil amplius quam furtivam rem restituere iussus fuerit. Die Schadloshaltung ist also in diesem Verfahren einbegriffen so wie der Verzicht auf die aetio furti wie auf die condictio. Dass durch Anstellung der Civilklage die criminelle ausgeschlossen wird, wird nicht ausdrücklich gesagt, ist aber wohl auch Regel gewesen.

Fünftes Buch.

Die Strafen.

Erster Abschnitt.

Die

Strafe.

Strafe ist das einer Person in Vergeltung eines von ihr be- Begriff der gangenen Verbrechens nach gesetzlicher oder gewohnheitsrechtlich s t r a f e ' gesetzgleicher Norm durch staatliches Urtheil auferlegte Uebel. Ohne staatliches Urtheil in Beziehung auf eine bestimmte Person giebt es eine Strafe nicht, obwohl der hausherrliche die unterworfene Person mit einem Uebel belegende Spruch auch in dieser Hinsicht für die Staatsordnung vorbildlich ist. Das nicht nach gesetzlicher Norm, sondern auf Grund der magistratischen Willkür gefällte Urtheil ist im Rechtssinn ebenso wenig Strafe (S. 52); für diese wird das positive Delict und Prozess regulirencle Staatsgesetz gefordert. Die ungebundene magistratische Gewalt, welche nach der staats- coercition rechtlichen Theorie die Anfänge des Gemeinwesens ausschliesslich J u d l u c "t i 0 I K beherrscht (S. 35) und die praktisch gegen den Nichtbürger zur Anwendung kommt, die magistratische Coercition liegt ausserhalb des Strafrechts. Gesetzlich zugelassene Willkür hört darum nicht auf Willkür zu sein ; wenn dem Magistrat das freie Ermessen über clie Hinrichtung aus der Hand genommen wird, so bleibt es ihm eben damit hinsichtlich der übrigen Auflagen. Nicht abgeschafft wird im Laufe der Entwickelung der bürgerlichen Freiheit die Coercition, wohl aber derjenige Kreis eingeschränkt, in welchem das Imperium schaltet ohne die gesetzliche Feststellung des Delicts und der Strafe. Es stehen in dem entwickelten Gemeinwesen beide Kreise mit dem gleichen ethischen Fundament und mit dem gleichen staatlichen Gewicht neben einander und kommen, so weit dies factisch möglich ist, beide zur Geltung. Die Freisprechung der Vestalin B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n ,

röm. Strat'r.

57

Fünftes Buch.

898

Die Strafen.

im häuslichen Prozess von dem ihr zur Last gelegten Incest schützt sie nicht vor dem öffentlichen Strafverfahren (S. 197). Der private wie der öffentliche Strafprozess gegen clen Haussohn und den Sclaven nehmen von Rechtswegen keine Rücksicht auf die in dem anderen Kreise etwa getroffenen Massregeln. Eingreifen Praktisch indess ist insbesondere bei den öffentlichen Delicten herrlichen der Unfreien dies nur in beschränktem Umfang durchgeführt worden. Bestrafung Dass wegen eines solchen der Eigenthümer den Sclaven, statt ihn öffenthche. s e l b s t z u bestrafen, an clen Magistrat abgeben kann 1 , lässt sich als Denuntiation auffassen und fordert wenigstens in cler Theorie die magistratische Erledigung der Schuldfrage 2. Anomal aber ist das umgekehrte sehr häufige Verfahren, class cler Magistrat bei verwirkter öffentlicher Strafe den Unfreien zu entsprechender Bestrafung an den Herrn abgiebt3. Zu dieser Anomalie ist aus verschiedenartigen Veranlassungen geschritten worden, unter denen bei weitem die wichtigste das Bestreben ist die Sclavenverbrechen unter möglichster Schonung der Eigenthümerinteressen zu ahnden. Diese Schonung des Eigenthums hat in republikanischer Zeit dem Räuberwesen der Sclaven und folgeweise den Sclavenaufstänclen wesentlich Vorschub gethan 4 und auch in den besser geordneten Zuständen unter dem Principat tritt diese Rücksichtnahme häufig hervor. In anderen Fällen ist die Abgabe des Unfreien an den Herrn zur Bestrafung geschehen, um diesem das freie Verfügungsrecht nicht zu verschränken oder auch um der staatlichen Behörde 1

Dig. 18, 7, 24, 3.

2

Die Abgabe des von dem Herrn wegen eines Delicts zur Volksfesthinrichtung bestimmten Sclaven lässt das petronische Gesetz nur dann zu, wenn auch das Gericht ihn schuldig findet (S. 926 A. 2). So sollte wohl überall verfahren werden, wo der Eigenthümer die öffentliche Justiz gegen seinen Sclaven aufruft ; aber sicher ist dies nur ausnahmsweise geschehen. 3

Dass dabei dem Herrn Schranken gesetzt werden, ist mit dem Wesen der Unfreiheit nicht vereinbar, kommt indess in späterer Zeit, wo dieses selbst zu schwanken beginnt, einzeln vor. Wenn der Unfreie mit der Behauptung von dem Herrn die Freiheit erkauft zu haben gerichtlich abgewiesen wird, so wird er demselben nicht unbedingt, sondern zu einer dem Delict angemessenen Bestrafung überwiesen (Dig. 40, 1, 5 pr.: utique non maiorem ex ea causa poenam constituturus. 48, 19, 38, 4). 4 Nach Niederschlagung eines Sclavenaufstandes in Etrurien im J. 558/196 heisst es von den Gefangenen (Livius 33, 36, 3): alios verberatos crudbus adfixit, qui principes coniurationis fuerant, alios dominis restituit. Vor allem gilt dies von den sicilischen Sclavenkriegen. Diodor 34/5, 2 fg. Meine röm. Geschichte 2, 79.

Erster Abschnitt.

Die Strafe.

899

eine Mühwaltung abzunehmen. Das erstere geschieht namentlich bei den gegen den Herrn selbst gerichteten Delicten 1 . Aus dem letzteren Grunde wird die clem Sclaven obrigkeitlich zuerkannte Züchtigung oft zur Vollstreckung clem Herrn übertragen 2 ; vor allen Dingen aber häufig, wenn cler Herr einwilligt, der Sclave zur Einsperrung und zur Kerkerarbeit an ihn abgegeben. Denn während der römische Staat nur für Schuld- und Untersuchungshaft Gefängnisse hatte, ist in cler häuslichen Quasi-Justiz für clen Unfreien die Strafhaft in umfassendem Masse zur Anwendung gekommen und durch clas Recurriren auf die Hausjustiz mittelbar auch in das öffentliche Strafrecht eingedrungen, worauf in dem Abschnitt von dem Gefängniss zurückzukommen sein wird. Bei der Behandlung der Strafen insbesondere der ältesten Epoche werden wir vielfach uns daran zu erinnern haben, dass das gesetzlich beschränkte Imperium aus clem ursprünglich schrankenlosen, clas heisst das Strafrecht aus cler Coercition hervorgegangen ist. Der Vestalinnenprozes und clas Horatiergericht, beide bei strenger Prüfung dem Gebiet der Coercition angehörig, sind Cardinalmomente für die Entwickelung cler Judication. Aber nicht weniger nothwendig ist es aus dem entwickelten Strafrecht die Acte der häuslichen und der pontificalen so wie (lie der kriegsrechtlichen Zucht auszuschliessen. Die Willkürhanclluiigen cler Sclavenjustiz, die dem Haussohn gegenüber so häufige Relegation, die arbiträren Feldherrnstrafen, von welchen einzelne, insbesondere clie durch den Zufall cles Looses bestimmte Capitalstrafe dem ethischen Wesen des Strafrechts geradezu Hohn sprechen, sind ebenso gesetzlich zulässig wie alle strafrechtlichen Vollziehungen, aber lassen dem Strafrecht selbst in keiner Weise sich einfügen.

Ausschluss

Coer^ons. mittel.

Terminologisch ist bereits im ersten Buch ausgeführt worden (S. 12), dass es der älteren Rechtssprache für den Sammtbegriff cler Strafe an dem entsprechenden Schlagwort fehlt. Späterhin Terminowircl das ursprünglich für clas Lösegeld bei der Körperverletzung logie: p o e n a verwendete griechische Lehnwort poena, vielleicht eben seiner Undurchsichtigkeit wegen, allgemein für die Strafe verwendet. Für die öffentliche und die private hat es niemals technische Collectivbezeichnungen gegeben. 1

Die Denuntianten des eigenen Herrn bestraft Kaiser Claudius theilweise selbst, zum Theil überlässt er die Bestrafung den Eigenthümern (Dio 60, 13). 2

C. Th. 13, 3, 1 : servus .. . flagellis eo, cui iniuriam fecerit.

debeat a suo domino verberari 57*

coram

Fünftes Bach. Die Strafen.

900

Rechtsgrand Die Berechtigung der Gemeinde zur Verhängung der öffentlichen lichen^trafe Strafe beruht in ihrer ältesten Form auf dem Fundamentalbegriff seibethüife'des römischen Staatsrechts, der Rechtlosigkeit des der Gemeinde Gemen i de ^ ^ ungehörigen Individuums und der nothwendigen Abwehr des Landesfeindes. Dem Gemeindeangehörigen, welcher in seinen Handlungen sich dem Landesfeind zugesellt oder gleichstellt, wird, wie dies bei dem Staatsverbrechen ausgeführt ist (S. 590), clas Bürgerrecht nicht von der Gemeinde genommen, sondern es ist durch die Handlung selbst von Rechtswegen aufgehobeu; cler darauf lautende Spruch des Magistrats und der bestätigende cler Comitien sind declaratorisch und stellen nur die Berechtigung oder vielmehr die Verpflichtung fest den Betreffenden als Landesfeind zu behandeln, und der Dieser offenbar ursprünglichen und niemals aufgegebenen Auffassung hausherr- ^es Staatsverbrechens tritt in Folge der späterhin voll entwickelten lichen ana-

#

.

.

.

Gemeindegewalt an die Seite clie Uebertragung der dem Hausherrn S e i n i g e n zustehenden Machtvollkommenheit auf den innerzucht. ü k e r halb der gesetzlichen Schranken amtirenclen Magistrat (S. 60). Auf dieser ruht die criminelle Behandlung cles Mordes und überhaupt aller nicht unmittelbar gegen die Gemeinde gerichteten Verbrechen ; der Mörder wird nicht als Lanclesfeincl, sondern als Bürger zum Tode geführt (S. 650 A. 2). Auf demselben Rechtsgrund beruht auch das schiedsrichterliche Einschreiten des Staats bei den Privatdelicten (S. 61). Anfänglich vermuthlich nicht mehr als ein Sühneversuch entwickelt es sich zu einem wohl vergleichenden, aber zugleich clie Parteien zur Annahme des Vergleichs zwingenden Verfahren, zum Gericht, sacrale Ihrer Form nach tritt bei clem gegen clie Gemeinde begangenen öffentlichen Frevel ursprünglich, schon als Coercition und ebenso später als strafe. Judication, clie Bestrafung auf als Sacration 1, wobei, wie das Delict am Menschen haftet (S. 65), jeder Schuldige zum Opfer

loge Sitten-

1

Unter den hier überlieferten Sacrationen finden sich allerdings mehrere, denen der Platz im staatlichen Strafrecht bestritten werden kann: Execrationen, wie sie aufgestellt werden bei Verletzung der Pflichten der Kinder gegen die Eltern (S. 565) und der patronatischen (S. 566) können auch gedacht sein als lediglich der göttlichen Execution überlassen. Wahrscheinlich indess ist in der ursprünglichen Staatsordnung, in welcher dem Gemeindevorsteher der später verschwundene sacrale Charakter zukommt und der Begriff des Staatsverbrechens wohl noch genereller gefasst war als in historischer Zeit, die Sacration behandelt worden als mit der göttlichen Execution die magistratische nothwendig vereinigend. Desshalb sind alle diese Bestimmungen in das vierte Buch aufgenommen worden, allerdings mit Hinweis darauf, dass sie dem bürgerlichen Strafrecht der geschichtlichen Epoche

Erster Abschnitt.

Die Strafe.

901

dient, gleichviel ob er frei oder unfrei, Bürger oder Ausländer ist. — Wie schon die Aufstellung des Strafgesetzes \ so erfolgt die Vollstreckung cler öffentlichen Strafe unter Beobachtung religiöser Gebräuche 2. Das personale Strafurtheil ist Uebereignung des Verurtheilten an eine Gottheit 3 . Darum heisst in der römischen Legalsprache das Vollgesetz lex sacrata 4 und sanctio die vom Gesetze für clas Zuwiderhandeln angeordnete Strafbestimmung 6. wahrscheinlich fremd sind. Principiell übrigens sind diese Bedenken insofern unerheblich, als auch für die zweifellos der bürgerlichen Execution unterworfenen Gesetze die Sacration sowohl überhaupt wie die an bestimmte Gottheiten sicher steht. 1

relcitis

Liv. 3, 55, 6 wird die tribunicische Unverletzlichkeit von neuem festgestellt quibusdam ex magno intervallo caerimoniis.

2 Von der ursprünglichen Form der Hinrichtung mit dem Beil wird dies in dem folgenden Abschnitt nachgewiesen werden; bezeugt ist es weiter für die plebejische bonorum consecratio (S. 49 A. 4). Cicero de domo 47, 123: C. Atinius. .. bona Q. Metelli . . . consecravit foculo posito in rostris adhibitoque tibicine und nachher 47,124: capite velato y contione advocata, foculo posito bona. . . Gabinii... consecrasti. 8 Festus p. 318 v. sacer mons: homo sacer is est, quem populus iudicavit ob maleficium. In der ersten Stelle, wo Dionysius von der Sacration handelt (2, 10 bei den Patronatpflichten) hebt er gleichfalls hervor, dass den Verurtheilten (άλόντα) die Sacration treffe. Es ist eine durch nichts bewiesene, aber gangbare Annahme, dass die Sacration die Judication ausschliesst; vielmehr ist sie deren ursprüngliche Form. Das römische sacrum und das griechische άνά&ημα stimmen zusammen in der Ueberweisung des Objects in das göttliche Sondereigenthum, vielleicht auch darin, dass aus beiden in Beziehung auf einzelne Personen sich die Verfluchung entwickelt. 4 Die Belege für die lex sacrata sind S. 552 A. 5 zusammengestellt und es ist dort gezeigt, dass die Bezeichnung dem Vollgesetz schlechthin zukommt, obwohl sie vorzugsweise von den constitutiven Gesetzen des Plebs gebraucht wird. 6 Sandre y eigentlich weihen, wird übertragen auf den gesetzlichen Befehl (die Schrift ad Her. 2, 10, 15 unterscheidet den Rechtszwang, das cogere und die gesetzliche Erlaubniss als sanctio und permissio), weil der Begriff des Gesetzes vom Strafgesetz ausgeht und dieses immer die Weihung einschliesst. Bestimmter als in dem verallgemeinerten Zeitwort tritt dies zu Tage in dem technischen Gebrauch des Substantivs ; sanctio legis ist, wie schon S. 882 bemerkt ward, dessen Schlussbestimmung, welche auf das Zuwiderhandeln gegen das Gesetz eine Strafe setzt, daneben das in Befolgung dieses Gesetzes stattfindende Zuwiderhandeln gegen andere straflos stellt. Ulpian Dig. 1, 8, 9, 3 : interdum in sanetionibus adicitur, ut qui ibi — an einem locus sanetus — aliquid commisit, capite puniatur. Cicero de re p. 2,31, 54: neque leges Porciae . . . quiequam praeter sanetionem attulerunt novi. Ders. pro Balbo 14, 33 : sanetiones sacrandae sunt aut genere ipso aut obtestatione et consecratione legis aid poenae, cum caput eius qui contra fecerit consecratur, über welche

902

Fünftes Buch.

Die Strafen.

Der religiöse Grundcharakter der personalen Bestrafung wird weiter dadurch bestätigt, dass, wie in dem folgenden Abschnitt gezeigt werden wird, clie älteste Form cler Todesstrafe dem Opferritual entspricht und dieselbe unzweifelhaft ursprünglich als Menschenopfer gefasst worden ist; bestätigt aber auch dadurch, dass dieser sacrale Charakter allein der streng gesetzlichen durch clie Magistrate der Gemeinde vollzogenen Execution beigelegt und die auf Grund cler plebejischen Ordnungen erfolgende Hinrichtung nur als straffreie Tödtung behandelt wird 1 . — Koch bestimmter und dauernder tritt die Consecration auf hinsichtlich cles von der Strafe betroffenen Guts. Die Vollform der ursprünglichen Capitalstrafe umfasst neben der personalen durchaus die Consecration der Habe 2 . Die bei cler plebejischen Coercition selbständig auftretende Einziehung cles gesammten Vermögens wird immer behandelt als Consécration (S. 49). Das im Strafweg der Gemeinde zufallende liegende Gut wird zu sacralen Zwecken verwendet 3. Die im comitialen Strafverfahren auferlegten Geldstrafen fallen von schwierige Stelle vgl. St. R. 2, 303 A. 2. Verr. 4, 66, 149. Die im Gesetz selbst für den Einzelfall angeordneten Strafen fallen unter diese sanctio nicht (Papinian Dig. 48, 19, 41: sanctio legum, quae novissime certain poenam irrogat Iiis, qui praeceptis legis non obtemperaver int, ad eas species pertinere non videtur, quibus ipsa lege poena specialiter addita est) und vermuthlich in diesem Sinn gestattet das Repetundengesetz Z. 56 nach erledigter Hauptklage noch die Klage de sanctione hoiusce legis. Ueber die zweite Hälfte der sanctio, die unter dieser Ueberschrift noch in dem vespasianischen Imperiengesetz erscheint, das caput tralaiicium de impunitate (Cicero ad Att. 3, 23, 2) vgl. St. R. 3, 362 A. 1. 1 Festus nach den S. 901 A. 3 angeführten Worten: neque fas est eum immolari, sed qui occidit, parricidii non damnatur, nam lege tribunicia prima cavetur, 4 si quis eum qui eo plebei scito sacer sit , occiderit, parricida ne sit\ Dieser Gegensatz der im Wege der immolatio nach dem fas vollzogenen magistratischen Hinrichtung und der ohne magistratische Action im Wege der Selbsthülfe vollzogenen plebejischen und privaten ist in den S. 937 A. 3· 4 zusammengestellten quasihistorischen Berichten auch zu erkennen, aber allerdings zerrüttet. Voll bestätigt wird er durch die im folgenden Abschnitt zu erörternden verschiedenen Formen der capitalen Execution. 2 Festus p. 318: sacratae leges sunt, quibus sanctum est, qui quid adversus eas fecerit, sacer alicui deorum [sit] sicut familia pecuniaque. Livius 2, 8, 2 für Umsturz der Verfassung: sacrando cum bonis capite. 3, 55, 7 für Verletzung der plebejischen Privilegien: ut . . eius caput lovi sacrum esset, familia ad aedem Cereris Liberi Liber aeque venum iret; ebenso Dionys. 6, 89: (ξάγιστός έστω καϊ τα χρήματα αυτού Λήμητρος Ιερά. Derselbe 9, 17: &ανάτφ ζημιούσΟω καϊ ι à χρή~ ματ α αντον ί*ρά έστω.

L i v . 8, 20, 8 (vgl. Cicero de domo 38, 101): bona (eines

hingerichteten Landesfeindes) Semoni Sang ο censuerunt consecranda. 3 Cicero de domo 38.

Erster Abschnitt.

Die Strafe.

903

Rechtswegen den Tempeln zu 1 . Insbesondere bei den ädilicischen Strafgeldern wird, wie in dem Abschnitt von den Geldstrafen entwickelt werden wird, cler Muitirung die Judication in sacrum gleichgestellt. Den uralten Succumbenzstrafen für die verlierende Partei im Privatprozess werden die öffentlichen Opferthiere entnommen oder deren Kosten damit bestritten 2 . — Immer verfällt die Person oder clas Gut einer bestimmten Gottheit 3 , theilweise nach Gesetz oder Herkommen dieser oder jener, häufig wohl je nach dem Ermessen cler beikomnienclen Behörde ; genannt werden vornehmlich die unterirdischen Götter 4 und die Ceres 5, diese auch in Verbindung mit Liber und Libera 6 , aber auch Jupiter 7 und Semo Sancus8 und neben Jupiter in später Zeit cler consecrirte Dictator Caesar9. Wird cler Schuldige von der Gemeinde begnadigt, wie dies unter König Tullus bei clem Schwestermörder geschah, so wird clen Göttern ihr Recht nicht gewährt und Rom bedarf der Entsühnung 1 0 . Die römische Gemeinde machte nach ihren früheren 1

Bei Dionysius 10, 52 lehnen die Consuln die Erlassung der ihnen auferlegten Geldbussen ab, weil sie einmal consecrirt seien. 2 St. R. 2, 68 fg. Das sacramentum ist sicher als Strafbusse gedacht für den zu Unrecht geführten Rechtsstreit; es gehört der Epoche an, die das Unrecht nicht an sich, sondern nach äusseren Indicien im Wege der Rechtsvermuthung annahm und strafte. 3 Festus (S. 902 A. 2): alicui deorum. Dionys. 2, 10 (A. 3). 4 Dionys. 2, 10 (vgl. S. 901 A. 3): τον oenae adinventum est, posterius primo visum est, item capitis amputatio. Deinde proxima morti poena metalli coercitio, post deinde in instdam deportatio. Paulus 5, 17, 2: summa supplicia sunt crux crematio decollatio, mediocrium autem delictorum poenae sunt metallum, ludus, deportatio. Der Feuertod ist noch schwerer als Kreuzigung und Volksfesthinrichtung (Paulus 5, 23, 17). Anderswo (3, 5, 8. 5, 21, 4. tit. 23, 1. 17, auch wohl 5, 4, 14) bezeichnet Paulus die Kreuzigung als summum supplicium, welcher er die Volksfesthinrichtung (bestiis obici) gleichstellt. Auch ultimum supplicium wird als geschärfte Todesstrafe der einfachen poena capitis gegenübergestellt (Modestinus Dig. 48, 9, 9, 1). In anderer Auffassung indess wird die Todesstrafe schlechthin den nicht capitalen gegenüber bezeichnet als summum supplicium (Paulus 5, 23, 14. Dig. 47, 12, 11) und in dieser Weise wird ultimum supplicium gewöhnlich gebraucht. Celsus Dig. 48, 19, 21: ultimum supplicium esse mortem solam inter pretamur. Dig. 1, 5, 18. 48, 10, 1, 13. tit. 19, 29. Caesar b. c. 1, 84. Plinius ep. 8, 14, 24. Scholien zur Aen. 6, 573; ebenso ultima poena Liv. 3, 58, 10. Plinius ep. 2, 11, 8; ultima necessitas Tacitus ann. 15, 61. — Vgl. auch Dig. 48, 21, 1. Cod. 9, 12, 6. tit. 49, 10 pr. 2 Callistratus nach den A. 1 angeführten Worten: ceteraepoenae ad existimationem, non ad capitis pericidum pertinent , veluti relegatio ad tempus vel in perpetuum vel in insulam vel cum in opus quis publicum datur vel cum fustium ictu subicitur. Paulus 5, 17, 2: minimae relegatio, exilium, opus publicum, vincula. Derselbe Dig. 48, 1, 2 nach den S. 907 A. 4 angeführten Worten : nam cetera (d. h. die Verbannung ohne Interdiction) non exilia, sed relegationes proprie dicuntur, tunc enim civitas retinetur. non capitalia sunt (ausserdem) ex quibus pecuniaria aut in corpus aliqua coercitio poena est. Africanus Dig. 37, 1, 13. Marcianus Dig. 48, 17, 1, 1. Wenn Venuleius Saturninus Dig. 48, 2, 12, 4 die

Erster Abschnitt.

Die Strafe.

909

Häufig wird als Gegensatz der capitalen die Geldstrafe bezeichnet1 sammtund für die Frühzeit trifft dies zu, cla auf die Schmälerung der b e ° e e r n i ^ t e ! bürgerlichen Rechte, einschliesslich der auf Intestabilität, im Straf- capitalen prozess nicht hat erkannt werden können, sondern sie entweder s t r a f e n an einer anderen als Begleitstrafe oder an einer nicht durch Strafurtheil constatirten Thatsache haftete. Aber mindestens die sullanische Gesetzgebung, deren Interdiction nur gezwungen unter die Capitalstrafe gezogen werden kann und die den Ambitus mit zehnjährigem Ausschluss von cler Aemterbewerbung bestrafte, fügte dieser Zweitheilung sich nicht und noch weniger clie Relegation und überhaupt clas Strafsystem cler Kaiserzeit; es wird dabei clie Mittelstufe ignorirt. Wenn an anderen Stellen als solche die Ehrenstrafen gesetzt werden, poenae existimationis 2, so mag von clem Verlust des passiven Wahlrechts und ähnlichen Strafformen ausgegangen sein; indess bezeichnet auch diese Benennung die Kategorie in wenig zutreffender Weise. Die für clas Delict verwirkte Strafe ist in älterer Zeit regelmässig durch clas Gesetz selbst oder durch dem Gesetz gleiches Her- Strafgesetz kommen festgesetzt worden und es hat sich das Strafurtheil darauf s t r a f ^ h e i I beschränkt auszusprechen, dass clas fragliche Delict begangen sei. Es ist dadurch der Execution ein gewisser Spielraum gegeben; insbesondere bei dem Todesurtheil ist die Form cler Vollstreckung wahrscheinlich vielfach weder durch allgemeine Norm noch durch clie Urtheilfassung rechtlich fixirt worden und hat also innerhalb der durch clas Herkommen gezogenen Schranken von der Willkür der beikommenden Stelle abgehangen. Die spätere Rechtsordnung hat dagegen die gesetzliche Fixirung cler Strafe mehr und mehr fallen lassen und durch Aufstellung von alternativen oder arbiträren uebersicht der Strafsätzen die richterliche Strafbemessung eingeführt. °

Strafmittel.

In der folgenden Darlegung der römischen Strafen sind mit den beiden, welche die Frühzeit kennt, der Todesstrafe (Abschn. 2) und der festen Geldstrafe (Abschn. 11), so wie den später hinzurehffatio als eine auf den Sclaven nicht anwendbare capitis poena bezeichnet, so denkt er an die Deportation. 1 Gaius 4, 111. Taulus 5, 16, 5. Dig. 48, 2, 12, 4. tit. 16, 18, 2. 49, 9, 1. tit. 14, 2, 2. Meistens werden hier die nicht criminellen Geldklagen mit verstanden. 2 Callistratus Dig. 48, 19, 28 (S. 908 Α. 2) und 50, 13, 5; Ulpian Dig. 50, 16, 131, 1: poena non tantiim pecuniaria, verum capitis et existimationis irrofjari solet.

910

Fünftes Buch.

Die Strafen.

tretenden, der Schmälerung der bürgerlichen Rechte (Abschn. 9), der Ausweisung und der Internirung durch Sulla (Abschn. 7) und der Zwangsarbeit durch Tiberius (Absdin. 4) der besseren Uebersicht wegen zusammengestellt theils die beiden eigentlich der Coercition angehörigen, aber häufig in das Strafrecht eingreifenden Uebel, das Gefängniss (Abschn. 6) und die Körperstrafen (Abschn. 8), theils die nicht als selbständige Strafen, aber als Rechtsfolge solcher im Strafrecht auftretenden, der Verlust der Freiheit (Abschn. 3), der Verlust des Bürgerrechts (Abschn. 5) und die Vermögensconfiscation (Abschn. 10). Den Beschluss dieses Buches macht die Entwickelung der Strafbemessung so wie eine Gesammtübersicht der Strafen in ihrer Anwendung auf die einzelnen Delicte (Abschn. 12).

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe. Für die Todesstrafe giebt es keine anderen technischen Be- Benennung. Zeichnungen als die ursprünglich an einer weiterhin erörterten bestimmten Form haftenden, später im Gebrauch verallgemeinerten supplicium und poena capitis oder capitalis. Umgekehrt wird animadvertere, dem Wortsinn nach 'berücksichtigen 5, durch verengernden und verschleiernden Gebrauch nicht bloss Bezeichnung cler Ahndung, sondern der regelmässige Ausdruck für die Hinrichtung Eine gesetzliche Zwischenzeit zwischen clem rechtskräftig er-Zwischenzeit gangenen2 Todesurtheil und der Vollstreckung desselben kennt das E ^ t t y J n republikanische Strafrecht nicht; im Gegentheil ist das normale A'erfahren clie sofortige Execution 3 . Rechtlichen Anspruch auf Verschiebung gewährt nur der verurtheilten Frau die Schwangerschaft bis zum Eintritt der Entbindung 4 . Unter dem Principat ist 1 Schon bei Cicero wird animadvertere, wo es von Strafen gesetzt wird, meistens auf die capitale bezogen (so z. B. in Verr. 2, 13, 33; ad fam. 5, 2, 8). Im juristischen Sprachgebrauch wird es gegensätzlich zu der geschärften Todesstrafe verwendet, also hauptsächlich für die Enthauptung. Marcianus Dig. 48, 19, 11, 3: capitis poena est bestiis obici vel alias similes poenas pati vel animadvert! . Macer Dig. 48, 19, 12: hi in quos animadverti iubetur quive ad bestias dantur. Paulus Dig. 48, 24, 3: corpora animadversorum quibuslibet petentibus ad sepulturam dantur. Ulpian Dig. 48, 24, 1. Vgl. S. 924 A. 3. 2 Ueber die Appellation gegen die Capitalsentenz vgl. S. 469 A. 3; über die unter Umständen erforderliche Einholung der kaiserlichen Bestätigung S. 278. 3 Tacitus ann. 3, 51: ductus in carcerem et statim exanimatus. 14, 64 und a. St. m. Gratianus C. Th. 9, 3, 6 = Iust. 9, 4, 5: de his quos tenet carcer sancimus, ut . . . convictum velox poena subducat. Die Regel folgt aus dem Schweigen der Quellen über die Zwischenfrist. 4 Paulus 1, 12, 4. Dig. 1, 5, 18. 48, 19, 3. Passio Perpetuae c. 15. Quintilian decl. 277.

912

Fünftes Buch.

Die Strafen.

im J. 21 durch Beschluss des Senates bestimmt worden, dass der auf Tod lautende Senatsbeschluss, der wie jeder andere erst durch die Protokollirung im Aerarium die Rechtskraft beschritt, frühestens zehn Tage nach der Fassung registrirt werden solle, um also dem in dieser Weise Verurtheilten eine Frist zu verstatten x . In einem Senatsprozess aus dem 5. Jahrhundert wird mit ausdrücklicher Beziehung auf diesen alten Senatsbeschluss eine dreissigtägige Frist angesetzt 2 , vielleicht in Folge von Verwechselung desselben mit einer Verordnung des Kaisers Gratianus vom J. 382, welche eine solche Frist für die unmittelbar vom Kaiser ausgesprochene Capitalsentenz anordnet 3 . Uebrigens haben clie beiden befreiten Gerichte über die selbstgezogenen Schranken sich vermuthlich häufig hinweggesetzt 4 . Andrerseits kennen die Gesetze wie keine Minimal- so auch keine Maximalfrist für den Aufschub der Vollstreckung; vielmehr hängt der Termin von dem Belieben cles vollstreckenden Magistrats ab und ist damit die Möglichkeit gegeben nicht bloss für weitere Vernehmungen oder aus sonstigen Gründen die Execution zu verschieben5, sondern die Vollziehung überhaupt zu unterlassen, was 1 St. R. 3, 1011. Tacitus ann. 3, 51. Sueton Tib. 75. Dio 57, 20. 58, 27. Auch das bei Seneca de tranq. an. 14 erwähnte Urtheil kann ein senatorisches gewesen sein. 2 Sidonius ep. 1, 7, 12: nunc ex vetere senatus consulto Tiberiano triginta dierum vitam post sententiam trahit. Die dreissigtägige Frist cler Declaniatoren (Quintilian 313; Calpurnius Flaccus 25) stimmt damit überein, hat aber sonst keine Gewähr. 8 C. Th. 9, 40, 13 = Iust. 9, 47, 20 mit der Inscription von Gratian, Valentinian I I und Theodosius, aber erlassen aus Verona, also von Gratian. In- und Subscription dieser Verordnung sind angefochten worden, weil die christlichen Historiker Rufinus hist. ^ccl. 11, 18, Sozomenus hist. eccl. 7, 25 und Theodoret 5, 18 (ähnlich Zonaras 13, 13; liist. tripart. 9, 30) diese Verfügung dem Theodosius zuschreiben als veranlasst durch das thessalonicensische Strafgericht vom J. 390. Aber die besseren Berichte wissen von diesem Zusammenhang nichts; Ambrosius selbst (ep. 51) scheint vielmehr, indem er den Theodosius als den Vater Gratians anredet, darauf hinzudeuten, dass er das von diesem mit erlassene Gesetz verletzt habe. 4 Zum Beispiel Dio 76, 8. 9. 6 Ueber Eröffnungen, zu denen der Verurtheilte sich bereit erklärt, handelt Ulpian Dig. 48, 19, 6. Bei \'erurtlieilung zur Volksfesthinrichtung wird besonders häufig ein Aufschub nöthig (Dig. 48, 19, 29); als diese Strafe an dem Bischof Polykarpos vollzogen werden soll, erklärt der Asiarch, dass die Spiele (χννηγέσια) vorüber seien und er wird demnach zum Feuertode verurtheilt (martyr. Polycarpi c. 12). Das Gnadengesuch nach gefälltem Spruch hat Constantius untersagt (Cod. Th. 9, 40, 4 = Iust. 9, 47, 18).

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

913

sowohl in republikanischer Zeit wie unter clem Principat vorgekommen ist und, da der zum Tode verurtheilte Verbrecher von Rechtswegen gefangen gehalten werden muss (S. 961), thatsächlich hinauskommen kann auf Umwandlung der Todesstrafe in lebenslängliche Haft 1 . Im 3. Jahrhundert n. Chr. ist für clen Aufschub statthalterlicher Capitalsentenzen eine Maximalfrist von einem Jahre angeordnet worden 2, welche aber in die justinianische Gesetzgebung nicht übergegangen ist. Die Vollstreckung des Todesurtheils an einem Festtag 3 oder Executionezeit zur Nachtzeit 4 ist wenigstens bei öffentlicher Execution unstatthaft. Was clen Ort der Execution anlangt, so giebt die bei cler Executionsort · Kreuzigung erhaltene alte Formel dem Beamten die Wahl der 5 Richtstätte frei innerhalb oder ausserhalb des Pomerium , wobei die Grenze des ersten Meilensteins hinzuzunehmen sein wird. Dies wird vermuthlich für alle stadtrömischen Executionen gelten. Die in caesarischer Zeit unter Zuziehung cler Flamines des Mars und des Jupiter mit clem Beil auf dem Marsfeid vollzogene Hinrichtung, nach welcher clie Köpfe der Gerichteten auf dem Markt an der Regia aufgestellt wurden 6 , ist ohne Zweifel nur clie Wiederaufnahme einer Executionsform der Frühzeit ; und auch sonst wird 1 Vgl. S. 962 A. 1. C. Asinius Gallus wurde im J. 30 n. Chr. zum Tode verurtheilt, dann aber in strenger Haushaft gehalten, bis er im J. 33, vielleicht freiwillig, sein Leben endigte (Tacitus ann. 6, 23; Dio 58, 3. 23). 2 Ulpian Coli. 11, 7, 4: acl gladium damnati confestim consumuntur vel certe intra annum debent consumi, hoc enim mandatis continetur. Paulus 5, 17, 2. 8 Sueton Tib. 61 : nullus a poena hominum cessavit dies, ne religiosus quidem et sacer; animadversum in quosdam ineunte anno novo. Letzteres berichtet Tacitus ann. 4, 70. 4 Seneca de ira 3, 19. 5 Livius 1, 26: vel intra pomerium vel extra pomerium. 6

τινί

Dio 43, 24 zum J. 708: όύο άνδρες

Ιερουργίας

ίσφάγησαν

. . . Ιν

τφ

(zwei meuternde Soldaten) iv τρόπφ

'Λρείφ

πεάίω

προς

τε

των

ποντιφίχων

(also mit dem Beil,, da bei diesem alten Verfahren das Schwert ausgeschlossen ist) αυτών προς το βασίλειον (vgl. Jordan röm. Top. 1, 2 S. 425) άνετέ&ησαν. Dio fügt hinzu, dass von einem Sibyllenspruch oder sonstiger aussergewöhnlicher Veranlassung nichts berichtet werde; um so sicherer ist dies ein Rückgriff auf die älteste Form. — Wegen eines Incestprozesses, wo der Angeschuldigte durch die eigene Hand dem Urtheil zuvorgekommen war, Hess Claudius eine Procuration nach den Gesetzen des Königs Tullus Hostilius (gemeint ist die Expiation des Schwestermörders Liv. 1, 26) vornehmen und durch die Pontifices im Dianahain (in Aricia?) ein Opfer darbringen (Tacitus ann. 12, 8). χαϊ

προς

τον

Ιερέως

τον "Αρεως

έτύ&ησαν

χαϊ

αϊ

γε

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

χεφαλαϊ

58

Fünftes Buch.

914

Die Strafen.

das Marsfeld als Richtstätte g e n a n n t A b e r auf dem Markt haben ebenfalls nach alter Ueberlieferung Hinrichtungen durch das Beil 2 stattgefunden und bei der Kreuzigung wird hier die Geisselung vollzogen 3 . Unter dem Principat wurden die öffentlichen Hinrichtungen der Regel nach auf dem Esquilin vollstreckt 4 . — Von der Hinrichtung im Kerker wird weiterhin die Rede sein. — Hinrichtung des Verbrechers am Thatort zum abschreckenden Beispiel ist Verfahren der Spätzeit 5 . 1 Das Kreuz für Rabirius soll auf dem Marsfeld aufgestellt werden. Cicero pro Rab. 3, 10, 4. 11. 10, 29. 2 Der Markt wird genannt bei der Hinrichtung der Söhne des Brutus (Dion. 5, 8) und bei dem Prozess vor dem Dictator Liv. 8, 33, 21; ferner bei den Executionen der abgefallenen Soraner im J. 440/314 Liv. 9, 24, 15: omnes qui Romam deducti erant vir gis in foro caesi et seeuri per eus si sunt; der abgefallenen Fregellaner im J. 441/313 Diodor 19, 101: τούτους άπήγαγεν εϊς

* Ρωμην

χαϊ

προαγαγών

ίΐς

την

άγοράν

ραβόισας

bτελέχιαε

χατά

το

πάτριον

der abgefallenen römisch-campanischen Besatzung von Rhegion im J. 483/271 Polyb. 1, 7: ών άναπεμφ&έντων είς την χΡώμι\ν ol οτρατηγοϊ προαγαγόντες

είς την άγοραν

χαϊ μαστιγώσαντες

άπαντας

χατά

το παρ*

αύτοΐς

πάτριον

(ebenso Dionys. 20, 5 u. a. St. m.). Die Erzählung bei Dionys. 6 , 30, die eine derartige Execution ausserhalb der Stadt geschehen lässt, ist incorrect. Die Hinrichtung der im Triumphzug aufgeführten Kriegsgefangenen wird auch, so lange sie öffentlich vollzogen ward (S. 930 A. 1), auf dem Markt stattgefunden haben, da diese dann zum Tode geführt wurden, wenn der Triumphator vom Markt zum Capitol hinauffuhr (Cicero Verr. 5, 3, 77). 3 Livius 22, 57, 3 und Plinius ep. 4, 11, 10 nennen das Comitium, Dionysius 9, 40 und Dio bei Zonaras 7, 8 und 78, 9 den Markt. Ebenso wird bei der bürgerlichen Kreuzigung nach der Andeutung bei Cicero (pro Rab. ad pop. 3, 10: me . . . carnificem de foro, erucem de campo sustulisse) zwar diese selbst auf dem Marsfeld, aber die Geisselung auf dem Markte vorgenommen. Auch bei der nicht öffentlichen Hinrichtung findet die Geisselung auf dem Markt statt (S. 930 A. 2). 4 Auf dem Esquilin werden unter dem Principat sowohl die Hinrichtungen mit dem Beil vollstreckt (Sueton Claud. 25: in campo Esquilino) wie auch die Kreuzigung (Tacitus ann. 2, 32: extra portam Esquilinam). Die Sclavenexecutionen haben hier wohl von je her stattgefunden (extra portam Plautus mil. 359); der locus servilibus poenis destinatus, an dem eine militärische Execution vollstreckt wird (Tacitus ann. 15, 60), wird eben dieser sein. Die öffentliche Hinrichtung ist in dieser Epoche allem Anschein nach überwiegend nur noch an Unfreien vollstreckt worden. Der Esquilin war auch der Ort, wo bei mangelndem Grabrecht die Leichen hingeworfen wurden (Porphyrio zu Horaz epod. 5, 99). — Der Ort, wo nach Plutarch Galb. 28 τους νπο των Καισάρων χολαζομένους d -ανατοϋσιν , heisst nach den Handschriften Σηατέρτιον, wofür Sessorium geändert wird (Becker Top. S. 555). — Solche loca noxiorum poenis destinata gab es auch in den Municipien (grom. p. 55). 5 Dig. 48, 19, 28, 15. Vgl. Galenus S. 988 A. 3. %9ος ΙπεΧέχισαν

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

915

Hinsichtlich cler Formen der Vollstreckung ist zu unterscheiden Magistrat e Hinrichtung unter magistratischer Leitung, worunter in diesem Fall auch clie pontificale mit begriffen ist, und diejenige, bei der gistratische diese Leitung mangelt. Hinrichtung. Die magistratische Execution vollziehen clie Officialen des Magist™Imperienträgers. In erster Reihe sind dies die Lictoren, also * isch , e σ '

Officialen.

römische Bürger, welche zu diesem Zwecke die für die hauptsächlichen Formen cler Hinrichtung erforderlichen Ruthen und Beile führen Bei clen Executionen der Unfreien und bei den im Kerker vollzogenen treten für den Imperienträger die Hülfsbeamten ein, die Dreimänner 2, und für die Lictoren der als ehrlos geltende Henker, der camifex*, der in späterer Zeit auch die früher den Lictoren obliegenden Executionen vollstreckt zu haben scheint 4 . Von den bei cler militärischen Form cler Hinrichtung verwendeten Soldaten wird bei dieser die Rede sein. Die magistratische Execution cler Capitalsentenz geschieht Formen der entweder öffentlich unter freiem Himmel oder geheim im Kerker. m t ^ l e r n v Bei jener wird nach altem Herkommen die Bürgerschaft durch Execution. 1 St. R. I, 373. Die Bestimmung der Lictoren zeigt das Horatiergericht (Liv. 1, 26) und zeigen schon die Insignien selbst. Die stadtrömischen Lictoren dienen den Magistraten überhaupt (St. R. 1, 344) und sind ohne Zweifel auch bei den duo viralen und den quästorischen Executionen verwendet worden. Auch die vom Statthalter verfügten Hinrichtungen vollstreckt der Lictor; der des Verres wird wohl tadelnd camifex genannt (Cicero Verr. 5, 45, 118, vgl. c. 54, 142), aber ein wirklicher camifex befindet sich nicht unter dem statthalterlichen Gefolge. Auch der tortor camifexque des Statthalters von Asia (Cicero Phil. 11, 3, 7) wird sein Lictor gewesen sein. 2 Val. Max. 8, 4, 2: servus . . . α iudicibus damnatus et a L. Calpurnio triumviro in crucem actus est. Ueber das triumvirale supplicium im Kerker weiterhin. 3 Unfrei scheint der camifex nicht gewesen zu sein, aber unehrlich: er darf nicht in der Stadt wohnen (S. 48 A. 1) und es wird ihm gleich dem Selbstmörder das Grabrecht versagt (Festus ep. 64: camiftcis loco habebatur is qui se vulnerasset ut moreretur; über den Selbstmörder vgl. die Vergilscholien zu Aen. 12, 603 und die Inschrift von Sassina C. I. L. XI, 6528 = I, 1418). Seneca ep. 24, 14 spricht von der turba carnificum; ein Vormann dieser Kerkerdiener scheint gemeint bei Val. Max. 8, 4, 7: is qui custodiae praeerat. 4 Dass in früherer Zeit der camifex nur die Sclavenexecutionen vollzog, kann nicht füglich bezweifelt werden. Dass späterhin die Kreuzigung überhaupt durch ihn vollzogen wurde, zeigt Ciceros Rede pro Rab. ad pop. 3, 10. 4, 11. 5, 15. 16; auch Tacitus ann. 14, 48 und Sueton Claud. 34: cum spectare antiqui moris supplicium Tiburi concupisset et deligatis ad palum noxiis car nifex deesset, accitum ab urbe vesperam usque opperiri pcrseveravit. Auch bei der Execution der Vestalin und dem Felssturz (S. 932 A. 3) wird er späterhin verwendet (Plinius ep. 4, 11, 9). 5*

916

Fünftes Buch.

Die Strafen.

Hornsignal zur Assistenz aufgefordert 1 . Nachdem der Delinquent zur Richtstatt geführt i s t 2 , besteigt der Magistrat in Trauertracht, das heisst mit verkehrter Toga 3 , das Tribunal und gebietet — er selbst legt niemals Hand an — den Officialen ihres Amtes zu walten 4 . Die Hinrichtung geschieht durch das Beil, durch die Kreuzigung, durch Säckung, durch den Feuertod, durch das Schwert, endlich in der Volksfestform. Eut1. Die Enthauptung mit dem Beile ist unter den genannten hauptung p o r m e n älteste. Von ihr entnommen sind die beiden Bezeichmit dem Beii.

nungen, welche in späterem Gebrauch für die Todesstrafe überhaupt und sogar noch in weiterem Umfang verwendet werden, sowohl diejenige der c Köpfung', poena capitis (S. 907), wie wahrscheinlich auch die der c Kniebeugung\ supplicium. 5. Das Beil erscheint in * St. R. 1, 198 A. 3. Seneca der Vater contr. 9, 2 [25], 10 (vgl. 14)ι ascendit praetor (der Statthalter) tribunal inspectante provincia. noxio post terga deligantur manus . . . fit a praecone silentium: adhibentur deinde légitima verba; canitur ex altera parte classicum. Seneca der Sohn de ira 1, 16, 5: etsi inversa induenda magistratui vestis et convocanda classico contio est, procedam in tribunal non furens . . . et illa sollemnia verba lent . . . voce concipiam et agi iubebo non iratus. Tacitus ann. 2, 32. Die Bürgerschaft versammelt sich selbstverständlich als contio, nicht als comitia; die Worte in campo Martio èomitiis centuriatis bei Cicero pro Rab. ad pop. 4, 11 müssen, wie das vorhergehende in contione beweist, dahin verstanden werden, dass der für diese Comitien bestimmte Campus also geschändet ward. 2 In der Spätzeit ist dabei auch von Bedeckung (prosecutio) die Rede (C. Th. 9, 40, 16, 1) wie bei dem Transport der Verhafteten (S. 309 A. 7). 3 St. R. 1, 419. Seneca de ira 1, 16 (A. 1). Seneca contr. 9, 2, 14: cum animadvertere debeat legitimo cultu ac more sollemni usus. 4 Die Formel ist lege age. Livius 26, 15, 9. c. 16, 3 (daraus Val. Max. 3, 8, 1): lictor, viro forti adde vir gas et in eum primum lege age. Seneca contr. 9, 2, 10 (A. 1). Seneca de ira 1, 16 (Α. 1). 6 Supplïcare y supplex , supplicium kann sprachlich nicht von plïcare = biegen, simplex t duplex getrennt werden und gehört wohl auch mit plectere = flechten zusammen. Die Formel sub vos placo (Festus p. 308) führt wohl auf ein Wort suppläcare (vgl. succlamare) ; aber dies wird von supplïcare verschieden sein, zumal da supplicare in guter Zeit mit dem Dativ verbunden wird (supplico vobis) und dafür erst spät der Accusativ sich eingedrängt hat (vgl. Priscian 18, 219, wo die Echtheit des Accius-Citats sehr zweifelhaft ist). Wenn also supplicium die Niederbeugung ist, so darf dabei nicht an die προσχύνησις gedacht werden ; denn der Römer betet stehend und die Kniebeuge bei dem Gebet und überhaupt die religiöse supplicatio sind erst mit dem griechischen Cultus in den römischen eingedrungen (Marquardt Staatsverw. 3, 48. 188). Demnach wird der Grundbegriff des Wortes die Niederbeugung des Hauptes zum Empfang des Beilschlags sein. — Was bei Festus p. 309 in der zerstörten Glosse

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

917

dem eben erwähnten caesarischen Verfahren (S. 913 A. 6). Die Führung des Beils ist der sichtliche Ausdruck des vollen magistratischen Imperiums, vor allem in der historischen Legende von dem letzten in dieser Form vollzogenen stadtrömischen Hochgericht, der Hinrichtung der zur Rückführung der Königsherrschaft verschworenen Söhne des ersten Consuls1 und der daran sich an-» schliessenden Beseitigung des Henkerbeils aus den Insignien der städtischen Magistratur. Es ist dies das Symbol nicht der Abschaffung der bürgerlichen Todesstrafe, die nur die Form wechselte, sondern des Ausschlusses des Kriegsregiments aus dem städtischen Mauerring, kraft dessen der Imperienträger wie dem ungehorsamen Soldaten, so bis dahin auch dem ungehorsamen Bürger den Kopf hatte vor die Füsse legen können2. Daher ist in dem Zwölftafelbuch von dieser Executionsform nichts zu finden; aber sie selbst blieb bestehen. In der Stadt selbst verlaufen in dieser Form die von dem provocationsfreien Dictator gefällten Todesurtheile 3 so wie die nach bestehendem Gebrauch daselbst stattfindenden Hinrichtungen der kriegsgefangenen Ausländer 4 ; ausserhalb der Stadt regelmässig die Executionen, welche die römischen Imperienträger über Römer 5 wie über freie Nichtrömer 6 verhängen. Erst unter dem Militärregiment des Principats tritt das Beil zurück 7 und supplicia gestanden hat, ist nicht zu erkennen; die Zusammenstellung der supplicatio mit der consecratio bonorum bei Isidor 5, 27, 2. 6, 19, 82 ist verkehrt. — In späterer Zeit wird das Wort, abgesehen von der wohl auch aus der Kniebeugung entwickelten Verwendung für die Bitte (vgl. Plautus Rud. 25), bekanntlich für jede Strafe gesetzt (Th. C. 12, 1, 108 ist die Rede von der zwangsweisen Einstellung in den Gemeinderath loco supplicii) und daher die Todesstrafe ultimum supplicium (S. 908 A. 1) genannt. 1 Liv. 2, 5. Dionys, 5, 8. 9. 2 St. R. 1, 379. 8 Liv. 2, 18. 8, 33, 18. St. R. 2, 153. 4 Liv. 8, 20, 7. ep. 11: C. Pontium . . . ductum in triumpho securi percussit. 26, 13, 15. Andere Belege S. 914 A. 2. Der gegen die Hinrichtung der rheginischen Besatzung erhobene Protest (Val. Max. 2, 7, 15) richtete sich nicht gegen den Gebrauch des Beils in der Stadt, sondern bezog sich auf das römische Bürgerrecht der Campaner. — Im letzten Jahrhundert der Republik werden die durch den Triumph veranlassten Hinrichtungen nicht mehr Öffentlich, sondern im Kerker vollstreckt (S. 930 A. 1). B Liv. 2, 59, 11. 8, 7, 19. 28, 29, 11. 6 Liv. 9, 16, 10. 24, 30. Cicero Verr. 1. 1, 30. 5, 27, 68. 43—46. Plutarch Anton. 36. 7 Seneca de ira 2, 5, 5: Volesus nuper sub divo Augusto proconsul Asiat cum trecentos uno die securi percussisset, incedens inter cadavera Graece procla-

Fünftes Buch.

918

Die Strafen.

weicht dem Schwert. — Es werden bei dieser Execution dem \'erurtheilten die Hände auf den Rücken gebunden \ er selbst an einen Pfahl gefesselt, entkleidet und gegeisselt2, alsdann auf den Boden hingestreckt unci also durch Beilschlag enthauptet 8 . Es entspricht dies genau dem Verfahren bei der Schlachtung des Opferthieres 4, wie dies nach dem früher (S. 902) Bemerkten durch den ursprünglich sacralen Charakter cler Hinrichtung gefordert wird. Kreuzigung. 2. Die Kreuzigung tritt in unsern Berichten in dreifacher Beziehung auf: einmal als die magistratische Hinrichtungsform des freien Bürgers Cnach altem Herkommen5 (more maiorum) in den Legenden der Königszeit und den daran anknüpfenden geschichtlichen Vorgängen 6 , wahrscheinlich auch in dem Zwölftafelgesetzbuch 6; mavit:

rem regiam. Die Apokalypse des Johannes 20, 4 nennt τάς ψυχάς των ôtà την μαρτνρίαν 'Ιησού. Sueton Claud. 25: civitatem Romanam usurpantes in campo Esquilino securi percussit. Später wird die Enthauptung mit dem Beil untersagt (S. 924 A. 2). 1 Seneca contr. 9, 2, 10: noxio }iost terga deligantur manus. Plutarch ο

πεπελεκισμένων

P o p l . 6 : τάς

χείρας

απήγον

οπίσω.

2

Liv. 2, 5: stabant deligati ad palum nobilissimi iuvenes . . . lictores nudato s virgis caedunt securique feriunt. 8, 7, 19. 26, 13, 15 : ut . . . fad] palum deligatus lacerato virgis tergo cervicem securi Romanae subiciam. 28, 29, 11: deligati ad palum virgisque caesi securique percussi. Cicero Verr. 5, 46, 121: producuntur e car cere, deligantur . . . feriuntur securi. Seneca contr. 9, 2, 21: despolia. 8

τονς

Ιπ\ 4

S. 914 A . 2 und hier A . 2. τοίάαφος

πελέκει

τάς

Plutarch Popl. 6: άχρις κατατείναντες

κεφαλάς

au-

απέκοψαν.

Marquardt Staatsverw. 3, 181. Hauptsächlich gilt dies von der Schilderung des Horatierprozesses bei Livius 1, 26 und weiter von der nach dieser Legende {ex annalium monumentis Cicero pro Rab. 5, 15) angelegten gegen C..Rabirius beabsichtigten Execution. Aber nicht minder gehört hieher die technisch als althergebracht 1 bezeichnete Strafvollziehung. Tacitus ann. 2, 32: in P. Marcium consules extra portam Esquilinam, cum classicum canere mssissent, more prisco advertere. 4, 30. 14, 48. 16, 11. Sueton Claud. 34 (S. 915 Α. 4). Nero 49 (wiederholt bei Victor ep. 5 . und Eutropius 7, 15, hier mit unrichtiger Erweiterung): legit se hostem a senatu iudicatum et quaeri, ut puniatur more maiorum, interrogavitque, quale id genus esset poenae, et cum comperisset nudi hominis cervicem inseri furcae, corpus virgis ad necem caedi. Domitian. 11: more maiorum. Auch Callistratus Dig. 48, 19, 28 pr. stellt diese Strafform (denn die furca ist sicher für die crux interpolirt) dem Feuertode voran, nicht weil sie schwerer, sondern weil sie älter sei. β Suspensum Cereri necari (8, 8) Schöll kann nur hieher gezogen werden; suspendere ist bei der Kreuzigung das Schlagwort (S. 920 Α. 1). Auch bei der formido fuslis (ep. 2, 1, 152) hat Horaz an die Kreuzigung gedacht, nicht an .das von Späteren hineingelegte militärische supplicium fustuarium. 5

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

919

zweitens als die pontificale Execution bei der Hinrichtung der Männer 1 ; drittens als die ebenfalls in die älteste Zeit zurückreichende 2, aber auch später ständige Form der Sclavenexecutionen 3 . Den Berichten der ersteren Kategorie zufolge wird der Verurtheilte entkleidet 4 und ihm das Haupt verhüllt 5 , alsdann die Gabel (furca) auf den Nacken gelegt 6 und die Arme an die beiden Enden derselben gebunden 7 , weiter diese Gabel und mit ihr der Körper an einem auf der Richtstätte errichteten Pfahl hinaufgezogen und 1 Cicero de leg. 2, 9, 22: incestum pontifices summo supplicio sanciunto. Dio bei Zonaras 7, 8 p. 21 Boiss.: ol δΐ ταύτας (die Vestalinnen) αίαχύνοντες

éiç ξύλον

τον

αΐκιζόμίνοι δεβμωτήριον δε . . .

αυχένα

άποψύχοναιν Ιν

ίμβληθ-ήναι Trj

αγορά

δίκρουν

( μβάλλονται

u n d 79, 9 : κάνταΰ&α μάστφν

αυτόν

Ιν

Trj αγορά

ίν

τη

&ανατω&ήναι

αΐκιοάμενοι

καϊ

αγορά εδει.

κα&άπερ

μετά

αΐκισΰέντα

τούτο εϊτα

γνμνοϊ £ς το

Dionys. 8, 89. 9, 40: ανδράποδον.

L i v . 22,

τον 57:

L. Cantilius . . . α pontifice maximo eo usque virgis in comitio caesus erat, ut inter verbera expiraret. Sueton Dom. 8: stupratores virgis in comitio ad necern caedi. Plinius ep. 4, 11, 10: Celer eques Romanus . . . cum in comitio virgis caederetur . Festus p. 241: probrum virginis Vestalis, ut capite puniretur, vir qui earn incestavisset verberibus necaretur , lex fixa in atrio Ldbertatis. I n der späteren Kaiserzeit wird die Execution abgekürzt durch Abführung des Delinquenten zur Hinrichtung in den Kerker (S. 930 A. 8). 2 Cicero Verr. 5, 6, 12: servos . . . ad supplicium iam more maiorum traditos . . . liberare au sus es . . . damnatis crucem servis fixeras. 3 Es gilt dies sowohl für die hausherrlichen wie für die staatlichen Hinrichtungen der Unfreien. Livius 3, 8, 10. 22, 33, 2. 24, 14, 7. Val. Max. 1, 7, 4. 8, 4, 2 (S. 915 A. 2). Florus 2, 7 [3, 19], 7. Cicero pro Cluentio 66, 167. Tacitus hist. 4, 3. Dio 49, 12. Vita Pertinacis 9 und a. St. m. Servile supplicium eines Freigelassenen: Tacitus hist.4,11 (vgl. 2, 57). Von dieser Anschauung aus erscheint die Kreuzigung des Bürgers als gesteigerte und entehrende Strafe. Die Bürger, welche der Frohnden für die Kloaken wegen Hand an sich gelegt hatten, lässt König Tarquinius — der zweite (Livius 1, 56, 2) — todt an das Kreuz heften (Cassius Hemina bei Servius zur Aen. 12, 603; Plinius h. n. 36, 15, 107). Demselben wird die Kreuzigung freier Bürger zur Last gelegt (Dio fr. 11, 6). Statthalterliche derartige Executionen: Cicero Verr. 5, 62; Sueton Galb. 9. Ausschluss der Kreuzigung (später der furca) bei Soldaten: Dig. 49, 16, 3, 10, was Marcus nicht einhielt (vita 12). 4 Sueton Nero 49 (S. 918 A. 5). Dio fr. 11, 6. Artemidor 2, 53: γνμνοϊ στανροϋνται. 6

Formel bei Livius und Cicero (S. 918 A. 5): caput obnubito. Sueton Ner. 49 (S. 918 A. 5). Livius 1, 26, 10: sub furca vinctum. 7 Die Worte der Formel bei Livius und Cicero: lictor, conliga manus (Livius nachher: accesserat lictor iniciebatque laqueum; Tacitus ann. 14, 48: carnificem et laqueum pridem abolita) führen eher auf Bindung der Hände nach hinten; aber dies lässt sich mit den sonstigen Formen schwer vereinigen. Wenn dies dennoch geschehen sein sollte, so wich in dieser Hinsicht die Kreuzigung des Freien von der des Unfreien ab. 6

920

Fünftes Buch.

Die Strafen.

an diesen auch die Füsse gebunden1. Also gekreuzigt 2 wird der Verbrecher gegeisselt. — In denselben Formen wird bei dem Pontificalverfahren wegen Incests der Vestalin die Hinrichtung des Buhlen vollstreckt (S. 919 A. 1). — Bei den Sclavenexecutionen endlich wird dem Verbrecher die Gabel aufgelegt, er mit derselben an einen Pfahl gebunden8 und in dieser Stellung gegeisselt. — Der Tod kann bei diesen Executionen durch Verschmachten erfolgen 4, aber auch durch Stäupung zu Tode5 oder Zerschlagen cler Schenkel6 1 Formel bei Livius und Cicero: infelici arbori reste suspendito (vgl. S. 918 A. 6). Cicero pro Rab. 3, 11: crucem ad civium supplicium defigi et constitui tubes. Ausserdem wird unter die Füsse ein Holz gelegt, auf dem der Körper ruht (Justinus dial. 91; Irenaeus ad haer. 2, 24), den die Arme allein nicht tragen würden. 2 Von der crux spricht Cicero (pro Rab. 2, 10. 3, 11. 5, 16. 10, 28) ohne Zweifel mit gehässiger Hinweisung auf die Sclavenexecution, aber nichts desto weniger richtig. Auch Seneca ep. 101, 14 bringt das infelix lignum der alten Formel mit der crux in Verbindung. Die historische Legende scheut sich natürlich es auszusprechen, dass die dem Horatier drohende Execution nichts ist als die alltägliche des Unfreien. 3 Auflegung der Gabel (furca: Val. Max. 1, 7, 4) oder des Streckers (patibulum von patere, schon bei Plautus mehrfach) auf den Nacken des Verurtheilten und Bindung der Hände an die beiden Enden: Plautus mil. 359: tibi esse eundum extra portam (S. 914 A. 4) dispessis manibus, patibulum quom habebis. Seneca ad Marciam de consol. 20, 3: brachia patibulo explicuerunt und bei Lactantius inst. 6, 17, 28: extenduntur per patibulum manus. — Führung unter der Gabel durch die Stadt zur Richtstätte. Val. Max. 1, 7, 4: cum per circum Flaminium . . . servum suum verberibus mulcatum sub furca ad supplicium egisset. — Bindung an den Pfahl, palus Cicero Verr. 5, 5, 6, oder die stipes: Seneca de vita beata 19, 31 stipitibus singulis pendent , oder das Kreuz: Plautus bei Nonius p. 220 ν. patibulum: patibulum ferat per urbem, deinde affigatur cruci. Diese Belege werden genügen zur Charakterisirung dieser mehr hausherrlichen als staatlichen Execution. 4 Darum hört die Formel bei Livius auf mit verberato, ohne die Tödtung weiter zu präcisiren. Auch Cicero pro Rab. 4, 12 sagt nur: flagella retulit. Darauf beruht auch das necare et verberare (S. 42 A. 1). 6 Bei dem Buhlen der Vestalin erscheint als die Form der Hinrichtung die Stäupung zu Tode (S. 919 A. 1); ebenso sagt Nepos bei Gellius 17, 21, 24: M. Manlius . . . verberando necatus est und wird dem Nero auf die Frage, was die Todesstrafe sei, geantwortet corpus virgis ad necem caedi (S. 918 A. 5). Bei Kreuzigung des Freien scheint dies späterhin Regel gewesen zu sein. — Ulpian (Dig. 48, 19, 8, 3): nec ea quidem poena damnari quem oportet, ut verbenbus necetur vel virgis interimatur hat nicht an diese alte Strafform gedacht, sondern an das in der spätesten Kaiserzeit begegnende bei den Körperstrafen erwähnte supplicium fustuarium der Sclaven (S. 985 A. 4). 6 Victor Caes. 41: Constantinus . . . eo pius, ut etiam vetus teterrimumque supplicium patibulorum et cruribus suffringendis primum removerit. Firmicus Maternus 8, 6 : aut in crucem tolluntur aut Ulis crura publica iudicum animad-

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

921

beschleunigt werden. — Alle drei Formen sind wie vom Kreuz benannt so auch in der Form nicht wesentlich verschieden; alle werden gleichmässig auf die Sitte der Vorfahren zurückgeführt, die Execution im \Testalinnenprozess sogar ausdrücklich bezeichnet als vollstreckt wie bei dem Unfreien (S. 919 A. 1). Wahrscheinlich ist die Kreuzigung nicht jünger als die Execution durch das Beil und hat neben ihr von jeher bestanden und zwar nicht, wie clas Säcken und das Verbrennen, auf bestimmte Verbrechen beschränkt, sondern allgemein anwendbar. Aber die Enthauptung allein erscheint als Opferhandlung und als regelmässige Strafe des Bürgers. Der Kreuzigung mangelt der religiöse Charakter. Sie ist bei dem Bürger nicht ausgeschlossen, vielmehr nach Beseitigung des Beils bei den städtischen Executionen, von den Specialformen abgesehen, als regelmässige Executionsweise allein übrig geblieben; aber sie gilt, wie aus dem Gesagten hervorgeht als entehrend und in historischer Zeit vorzugsweise für Unfreie geeignet (S. 919 A. 3). Seitdem die ständische Strafscheidung durchgeführt ist, wird sie bei Standespersonen ausgeschlossen; indess wird, wie im vierten Buch einzeln angegeben ist und übersichtlich auch aus dem letzten Abschnitt des fünften Buches hervorgeht, bei den schwersten Verbrechen hiervon abgesehen. — Unter dem Einfluss des Christenthums, das in dem Kreuz sein Symbol fand, ist in clen späteren Jahren Constantins die Kreuzigung abgeschafft 1 und die öffentliche Erdrosselung am Galgen für sie substituirt worden 2. 3. Das Säcken (culleus) haftet an dem Parricidium 3 und zwar sacken. verstörte franguntur. Cicero Phil. 13, 12, 27 (vgl. pro Sex. Roscio 20, 56> Seneca de ira 3, 32, 1. Sueton Aug. 67. Tib. 44. Eusebius h. e. 5, 21 (wo wahrscheinlich es sich auch um einen Sclaven handelt; vgl. S. 498 A. 1). Auf Freie wird die Zerschlagung nur ausnahmsweise angewendet (Ammian 14, 9, 8). 1 \ r ictor Caes. 41 (S. 920 A. 6). Sozomenus hist. eccl. 1, 8. Die Bezeichnung patibîdo adfixus begegnet noch in dem constantinischen Edict von 314/9 (Bruns fontes 6 p. 250 = C. Th. 9, 5, 1). 2 Crux und patibulum sind seit Constantin aus dem Strafrecht verschwunden und dafür (wie insbesondere Paulus 5, 22, 1 = Dig. 48, 19, 38, 2 zeigt) furca substituirt (Dig. 48, 19, 9, 11. 1. 28, 15. 1. 38, 2). Den sachlichen Unterschied der furca und der crux bestimmt Isidor orig. 5, 27, 34: patibulum vulgo furca dicitur quasi fer ens caput; suspensum enim et strangulatum ex eo exanimat. sed patibxdi minor poena quam crucis; nam patibulum appensos statim exanimat, crux autem suffixos diu cruciat. 3 Erwähnt wird die Säckung weiter bei dem Verrath der sibyllinischen Orakel (S. 567 A. 1) und bei den Christenverfolgungen (Eusebius de mart. Pal. 5,1). Auch in römischen Provinzialgerichten ist diese Strafe erkannt worden (Cicero ad Q. fr. 1, 2, 2, 5).

922

Fünftes Buch.

Die Strafen.

nach dem ursprünglichen weiteren Begriff desselben, dem Morde des Freien Dem Verfahren liegt neben der überhaupt bei der Entsühnung bestimmenden Glauben an die reinigende Macht des Wassers (S. 904 A. 1) der Gedanke zu Grunde, dass dem Mörder das Grab entzogen werden soll 2 ; in Betracht kommt ausserdem bei diesem ohne Zweifel unter den capitalen häufigsten Verbrechen die Lage Roms an einem schiffbaren Fluss. Es wird damit auch die Angabe verständlich, dass nach Zwölftafelrecht der Erntediebstahl schwerer bestraft worden sei als der Morel 8, da der Erntedieb gekreuzigt ward, der Mörder gesäckt. Nach den uns vorliegenden wahrscheinlich mehr von magistratischen Beliebungen in Einzelfällen als von gesetzlicher Norm abhängigen Berichten wird dem Verurtheilten nach vorheriger Geisselung4 mit einer Kappe von Wolfsfell das Haupt verhüllt 5 , ihm Holzschuhe an die Füsse gelegt 6 , er dann in einen rindsledernen Sack gesteckt 7 zugleich mit Schlangen und anderem Gethier 8 und auf einem mit schwarzen Rindern bespannten Wagen 9 zum Fluss gefahren und in diesen gestürzt 10 . Nachdem für die übrigen Mord1 Der Mord einer Nahperson ist als Sonderkategorie erst spät entwickelt (S. 643) und die offenbar uralte Strafform kann also ursprünglich nicht auf diese Kategorie beschränkt gewesen sein. 2 Cicero pro Sex. Roscio 26, 72. Quintilian decl. 299. Die Einzelheiten der offenbar nur in den Grundzügen alten Richtform mögen ausserdem durch den Gedanken bestimmt worden sein, dass dem Mörder wie die Gemeinschaft des Wassers und des Feuers auch die der anderen Elemente, der Luft und des Bodens entzogen werden soll (Constantin a. a. 0 . ; Justinian inst. a. a. Ο.). 3 Plinius n. h. 18, 3, 12. 4 Modestinus Dig. 48, 9, 9 pr.: virgis sanguineis verberatus. 6 Schrift ad Her. 1, 13, 23: folliculo lupino os obvolutum est Cicero de inv. 2, 50, 148. Festus p. 170 v. nuptias. Quintilian decl. 299. β Schrift ad Her. a. a. O.Î soleae ligneae in pedibus induetae sunt. Cicero a. a. 0. Vgl. S. 300 A. 2. 7 Corium: Schrift ad Her. a. a. O.; corium bovis: Juvenal 13, 156; cuîleus : Cicero a. a. O. und sonst vielfach. 8 Schlangen nennen Plutarch Ti. Gracch. 20 in einer Erzählung aus gracchischer Zeit; Seneca Vater contr. 5, 4. 7, 1, 23 und Sohn de clem. 1, 15; Constantinus C. Th. 9, 15, 1. Daneben den Hahn und den Hund die Juristen Dositheus Hadr. sent. 16; Modestinus a. a. O.; Justinian inst. 4, 18, 6; nur den Hahn Isidor orig. 5, 27, 36. Daneben den Affen Juvenalis 8, 214. 13, 156, was unmöglich alt sein kann. Vgl. auch Eusebius a. a. 0. 9 Dositheus a. a. 0 . 10 Schrift ad Her. und Cicero a. a. 0.: in profluentem. Dafür wird auch das Meer genannt (Livius ep. 68 u. a. St. m.). Hadrian substituirt, wo das Wasser fehlt, für die Säckung die Volksfesthinrichtung (Dig. 48, 9, 9 pr.).

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

923

kategorien die Todesstrafe in Wegfall gekommen war, ist die Säckung in dem letzten republikanischen Jahrhundert zur Strafe des Verwandtenmordes geworden. In der letzten Zeit der Republik ist sie auch für diesen abgeschafft worden und es hat die Wiederaufnahme der Todesstrafe unter clem Principat sich auf diese besondere Form zunächst nicht oder doch nur erstreckt 1 ; förmlich erneuert hat sie für den Nächstenmord erst Constantin2. 4. Den Feuertod soll nach Zwölftafelrecht, wiederum nach Feuertod, vorhergehender Geisselung, der Brandstifter erleiden 3 , wobei ohne Zweifel der Gedanke cler Wiedervergeltung zu Grunde liegt. Indess ist diese Execution schon in republikanischer Zeit in weiterem Umfang 4 und vor allem häufig unter clem Principat zur Anwendung gekommen5. Der Verbrecher wird auch hier entkleidet und an einen Pfahl angenagelt oder angebunden, dieser alsdann in die Höhe gezogen und durch Anzünden des um denselben aufgehäuften Holzes clie Execution vollstreckt 6 . 5. Unter dem Principat — seit wann, lässt sich nicht genau Enthauptung άθ bestimmen,7 aber clem Anschein nach seit dessen Anfängen — ver™ σ Srhwfirf:.

1 Unter dem Principat, namentlich unter Claudius, ist bei dem Parricidium die Säckung einzeln zur Anwendung gekommen (Seneca de clem. 1, 23; Sueton Claud. 34). Modestinus (Dig. 48, 9, 9) lässt sie zu bei Ermordung eines Ascendenten. Paulus 5, 24 bezeichnet sie als abgekommen und ersetzt durch den Feuertod oder die Volksfesthinrichtung. 2 C. Th. 9, 15, 1 = Iust. 9, 17, 1. 3 8, 9 Schöll = Gaius Dig. 47, 9, 9: qui aedes acervuvnve frumenti iuxta domum positum combusserit, vinctus verberatus igni necari iubetur, si modo sciens prudensque id commisit. Sicher sprechen in dem Hauptsatz die Zwölftafeln, nicht Gaius, der das Wort aedes nachher interpretirt; dieses sowohl wie die Getreideschober am Hause zeugen für das hohe Alterthum der Vorschrift. 4 Die allerdings durchaus apokryphe Erzählung aus früh republikanischer Zeit von den neun verbrannten Volkstribunen (röm. Forsch. 2, 169, St. R. 2, 279) beweist doch, was als möglich angesehen ward. Auch als militärische -Strafe ist der Feuertod bei Ueberläufern und Verräthern (bell. Hisp. 20; Dig. 48, 19, 8, 2) wahrscheinlich alt. 6 Die Aufzählung der nicht wenigen Delicte, auf welche der Scheiterhaufen Anwendung fand, erscheint überflüssig, da feste Regeln dafür offenbar nicht bestanden. Noch häufiger begegnet er in dem Edict des Königs Theoderich. 6 Das Verfahren zeigen zum Beispiel die zuverlässigen Martyrien des Polykarpus, welcher erklärt den Tod auch ohne angenagelt zu sein leiden zu wollen (c. 13. 14: ol όε ού χα&ήλωσαν μεν, προβέΰησαν âè αντον ), und des Pionius, den der Henker auf den Pfahl nagelt (c. 21: ηπλωσεν εαυτόν ίπϊ του ξύλου καϊ παρέόωκε τφ στρατιώτη πείρα ι τους ήλους) und dann diesen aufrichtete

c . 2 1 : άνώρ&ωσαν

αύτον

Ιπϊ

του

ξύλου).

Fünftes Buch.

924

Die Strafen.

schwinden bei der Leitung der Executionen die bürgerlichen Officialen und wird das kriegsrechtliche Verfahren auf den bürgerlichen Strafprozess übertragen. Hiebei wird der Regel nach die Vollstreckung des Todesurtheils angeordnet durch den vom Magistrat einem Offizier oder einem Soldaten ertheilten Befehl den Verurtheilten abzuführen 1. Die regelmässige Form der Todesstrafe bleibt die Enthauptung 2 ; aber das Beil wird ersetzt durch das Schwert 3 . Dies erscheint seitdem als die einfache Todesstrafe im Gegensatz zu den geschärften Formen 8 , die allerdings auch militärisch vollstreckt werden können 4 . Die Leitung des Actes hat ein höherer oder niederer Offizier 5 ; die Vollstreckung in der Regel der speculator , ein chargirter Subalterner, der schon in republikanischer Zeit bei diesen Verrichtungen auftritt 6 und in den 1

Die technische Bezeichnung ist duci iubere. Seneca de ira 1, 18; de tranq. an. 14; Plinius ad Trai. 96, 3: perseverantes duci iussi und a. St. m. 2 Ulpian Dig. 48, 19, 8, 1: animadverti gladio oportet, non securi vel telo vel fusti vel laqueo vel quo alio modo. Caracalla (vita 4) tadelt den Soldaten wegen einer mit dem Beil statt mit dem Schwert vollstreckten Execution. Callistratus Dig. 48, 19, 28 pr. : capitis amputatio. Paulus 5, 17, 2: decollatio. Daher ad gladium dare oder damnare. Paulus 5, 17, 2. Dig. 28, 3, 6, 6. 29, 2, 25, 3 oder ad ferrum dare: Dig. 28, 1, 8, 4. Ulpian Coll. 11, 7 sucht ein Rescript Hadrians, in dem das ad gladium dare ungeschickter Weise minder schwer erscheint als das in metallum dare , dadurch zu retten, dass er den gladius auf den ludus bezieht. 8 Schrift de mort, persec. 22: poena capitis et animadversio gladii admodum paucis quasi beneficium (gegen ignis , crux, ferae) deferebatur. Die einfache Todesstrafe heisst technisch animadversio (S. 910 A. 1). 4 Die Verbrennung des Pionius wird einem Soldaten übertragen, bei der Nagelung aber neben diesem der Gemeindesclave (ο δημόσιος) genannt. 6 Die vom Statthalter angeordnete Hinrichtung des Pionius durch den Scheiterhaufen leitet der comment ariensis (c. 21: Ιπισιάντος του κομενταρησίου ), eine ebenfalls vom Statthalter befohlene Hinrichtung durch das Schwert der Centurio (Seneca de ira 1,18): centurio supplicio pi'aepositus condere gladium speculatorem iubet. Ebenso werden durch einen solchen die kaiserlichen Todesurtheile vollstreckt: cum centurio agmen periturorum trahens illum quoque excitari iuberet (Seneca de tranq. an. 14). Einen vornehmen Mann enthauptet auf kaiserlichen Befehl ein Gardetribun mit eigener Hand (Tacitus ann. 15, 60). Aus justinianischer Zeit schildert Agathias 4, 11 eine Enthauptung angesehener Männer; sie werden vorher auf Maulthiere gesetzt durch die Strassen geführt unter verwarnendem Heroldruf vor gleicher Missethat. — Die kaiserlichen Quästoren überbringen wohl die kaiserlichen Aufforderungen zur Selbsttödtung (S. 934 A. 3), aber leiten nicht die Executionen. 6 S. 318 A. 2. Eine anschauliche Schilderung der Enthauptung durch den speculator geben die acta proconsularia Cyprians (opp. 1 p. C X I I I Härtel). Seneca de benef. 3, 25: bello civili proscriptum dominum servus abscondit et . .. specula -

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

925

kaiserlichen Armeen sowohl bei der Garde wie bei den Legionen sich findet 1 . 6. Die Hinrichtung in der Form der Preisgebung bei clen öffentlichen Thierhetzen 2 oder ähnlichen Volkslustbarkeiten — wohl zu unterscheiden von der Abgabe des Verurtheilten an die Fechtschule nicht zum Sterben, sondern zum Kämpfen 8 — oder, wie wir sie bezeichnen, die Volksfesthinrichtung gehört ebenfalls dem Kriegsrecht an und ist in republikanischer Zeit nachweislich nur

volksfest-

hinrichtun

toribus occurrit nilälqite se deprecari, quo minus imperata peragerent dixit et deinde cervicem porrexit. Auch Herodes lässt den Täufer hinrichten durch einen Speculator (Marcus 6, 27). Firmicus 8, 26: speculatores ... nudato gladio hominum ampxdant cervices . Seneca de ira 1, 18 (S. 924 Α. 5). Dem Adventus, dem späteren Consul des J. 218, wirft Dio 78, 14 vor, dass er als speculator in der Truppe dienend (έν τ οίς διόπταις χαϊ έρευνηταϊς μεμισ&οφορηχώς) sich als Henker habe brauchen lassen (τα των δημίων 'έργα χαϊ προσχό π ων χαϊ έχατοντάρχων έπεποιήχεή. Nach Ulpian Dig. 48, 20, 6 sollen die spolia , das heisst was der zum Tode geführte Delinquent am Leibe trägt — wobei hingewiesen wird auf die Sitte Geld im Gürtel zu tragen und auf die oft werthvollen Siegelringe — nicht den speculatores, den optiones, den commentarienses, das heisst den bei der Execution betheiligten principales der Truppe zufallen, sondern daraus eine statthalterliche Handkasse für Remunerationen gebildet werden. 1 Vgl. über die militärische Stellung der speculatores, die unter den Prätorianern häufig begegnen und deren es in jeder Legion zehn gab, Cauer eph. epigr. 4, 459 fg.. Bei den Auxiliartruppen erscheinen sie nicht. 2 Daher die technische Bezeichnung bestiis obici; ein entsprechendes Substantiv fehlt. Die Einzelheiten dieser Unsitte hat das Strafrecht nicht darzulegen; erinnert mag werden an die Acclamationen delatores ad leonem (vita Commodi 18), homicida ad leonem (Tertullian de spect. 21), Christiani ad leonem (ders. apolog. 40 und sonst). 3

Auch die Abgabe eines Verurtheilten zur Gladiatur kann als Hinrichtungsform auftreten. Constantin C. Th. 9, 18, 1 (geändert = Iust. 9, 20, 16): servus vel libertate donatus bestiis primo quoque munere obiciatur, Uber autem sub hac forma in ludum detur gladiatorium, ut antequam aliquid faciat, quo se defendere possit y gladio consumatur. Firmicus 7, 8: gladiatores efficient , sed qui damnati ad hoc exitium trans fer entur. Dies ist gemeint vita Macrini 12: ad gladium ludi deputari, die Vollstreckung der Schwertstrafe im Wege des Fechtspiels. Diese entsetzlichen in der Mittagpause an Wehrlosen vollstreckten Executionen schildert Seneca ep. 7, 3. Ebenso sind in der Spätzeit die kriegsgefangenen Barbaren im Wege der Gladiatur hingerichtet worden (vita Claudii 11 : ludo publico deputandos; unter Constantin gefangene Könige der Franken und Alemannen Eutropius 10, 4; Symmachus ep. 2, 46. 10, 47). Das Fechtspiel wurde dann in der Weise geordnet, dass der Ausgang vorher feststand. Regelmässig aber wird, wenigstens in späterer Zeit, die Abgabe zur Gladiatur keineswegs behandelt wie das bestiis obici; sie wird weiterhin bei der Zwangsarbeit behandelt werden.

*

Fünftes Buch.

926

Die Strafen.

auf Befehl des Feldherrn gegen Kriegsgefangene zur Anwendung gekommen, namentlich gegen freie oder unfreie römische Ueberläufer 1 . Aber auch ihre Anwendung gegen den Unfreien, welcher durch hausherrlichen Spruch eines Capitalverbrechens schuldig befunden und von dem Herrn für diesen Zweck den Festgebern ausgegeben worden ist, reicht wohl in die republikanische Epoche zurück, da ein wahrscheinlich der ersten Kaiserzeit angehöriger petronischer Volksschluss für diese Abgabe Bestätigung des hausherrlichen Spruches durch das öffentliche Gericht vorschreibt 2. Auch die Staatsbehörden selbst haben die Execution in dieser Form wenigstens in einzelnen Fällen bereits in augustischer Zeit verhängt 3. Durch die gesammte Folgezeit ist . dann von derselben vielfach Gebrauch gemacht worden, häufig in der Weise, class namhafte oder sonst ausgezeichnete Missethäter zu solcher Schaustellung aus den Provinzen nach der Hauptstadt transportât wurden 4 . Es ist diese Form der Execution eine schwere Schärfung 5 und sie wird bei 1

Executionen dieser Art haben stattgefunden im J. 587/167 im Verlauf des Triumphs des L. Aemilius Paullus über den König Perseus (Val. Max. 2, 7, 13; Livius ep. 51); im J. 608/146 bei dem seines Sohnes, des jüngeren Africanus (a. a. 0.); im J. 655/99 nach dem sicilischen Sclavenkrieg (Diodor 36, 10). 2 Modestinus Dig. 48, 8, 11, 2: post legem Pctroniam-(vgl. Marquardt Privatalterth. S. 190) et senatus consulta ad eam legem pertinent ia dominis potestas ablata est ad bestias depugnandas suo arbitrio servos tradere: oblato tarnen iudici servo , si iusta sit domini querella, sic poenae tradetur. A pion bei Gellius 5, 14, 27: is me (der Herr den entlaufenen und wieder eingefangenen Sclaven) statim rei capitalis damnandum dandumque ad bestias curavit. Die Zeit des Gesetzes lässt sich nicht bestimmen, aber später als Tiberius kann es nicht gesetzt werden. 3 Unter Augustus wird ein namhafter sicilischer Räuberhauptmann gefangen nach Rom geschickt und dort bei Gelegenheit einer Schaustellung von den Thieren zerrissen (Strabon 6, 2, 6 p. 273). Die für die Thierkämpfe nach Rom geschickten Provinzialen, von denen Cicero in Pis. 36, 89 spricht, sind schwerlich Verbrecher und die Missethaten des Baibus bei seinen gaditanischen Spielen (Asinius Pollio bei Cicero ad fam. 10, 32, 3) gehören überhaupt nicht hieher. 4 Modestinus Dig. 48, 19, 31 : ad bestias damnatos favore populi praeses dimittere non debet, sed si eius roboris vel artificii sint, ut digne populo Romano exhiberi possint, principem consulere debet (wegen Sendung nach der Hauptstadt). Ex provincia autem in provinci am transduci damnatos sine permis su pnneipis non licere divus Severus et Antoninus rescripserunt. 5 Paulus 5, 17, 2. tit. 23, 1 ( = Coll. 1, 2 = 8, 4), 15. 16. 17. tit. 24. tit. 29, 1. Dig. 48, 8, 3. 5. tit. 19, 28, 15. 49, 18, 3. Cod. Th. 9, 18, 1 = lust. 9, 20, 16. Martialis spect. 7. Sueton Claud. 14. Quintilian decl. mai. 4, 21. Dio 76, 10.

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

927

Standespersonen nur in ähnlicher Weise zugelassen, wie dies von cler Kreuzigung bemerkt ward 1 . Unter clen regelmässigen Executionsformen aber wird sie nicht aufgeführt 2 , weil ihre Ausführung von dem zufälligen Umstand abhängt, dass ein derartiges Volksfest veranstaltet wird 3 . In diesem Fall kamen die regelmässig magistratischen oder sacerdotalen Festgeber bei dem betreffenden Gericht um Abgabe des Verurtheilten ein 4 ; wird diese bewilligt, so kann cler Festgeber den Missethäter entweder unmittelbar den Thieren preisgeben5 oder nach den ihm sonst beliebenden Modalitäten ihn für seine Zwecke verwenden 6 ; diese Bestimmungen gehören daher in clas Strafrecht nicht. Nur musste unter allen Umständen 1 Sueton Gai. 27: multos honesti ordinis . . . ad bestias condemnavit. Unter Marcus lässt der Statthalter der Lugdunensis nach Anfrage bei dem Kaiser die verurtheilten Christen, welche römische Bürger sind, enthaupten, τους όε λοιπούς επεμπεν είς τά θηρία (Eusebius h. eccl. 5, 1, 47). Soldaten (Dig. 49, 16, 3, 10), Veteranen und Decurionen so wie clie Kinder jener wie dieser (Dig. 49, 18, 1. 1. 13. Cod. 9. 47, 12) sollen nicht in dieser Weise hingerichtet werden und überhaupt nicht die honestiores (Paulus 5, 23,» 16). 2 In der Aufzählung der Strafen bei Paulus 5, 17, 2 fehlt diese und für kein Delict ist dieselbe durch Gesetz oder Herkommen vorgeschrieben, sondern sie wird nur zugelassen neben Kreuzigung oder Feuertod. Sueton Claud. 14: in maiore fraude convictos Jegitimam poenam supergressus ad bestias damnavit. 8 Nach Constantins Verordnung (S. 925 A. 3) erfolgt die Execution primo quoque munere. Dass der Bischof Polykarp den Feuertod erlitt, weil das Volksfest vorüber war, ist schon erwähnt worden (S. 912 A. 5). Für die Hinrichtung der lugdunensisehen Christen wird ein besonderes Volksfest angesetzt (Eusebius hist. eccl. 5, 1, 37). 4 Märtyreracten des Pionius c. 18: τω ]Ασχλ(πιάότ) (einem der verurtheilten Christen) Τερέντιος ο τότε Επιτελών τα κυνήγια εΐπεν' σε αΐτήσομαι χατάόιχον ε!ς τάς μονομάχους φιλοτιμίας του υΐοϋ μου. Ein Räuberhauptmann befreit seine zu dieser Strafe bestimmten Genossen, indem er sich dem Kerkermeister als Municipalbeamter vorstellt (Dio 76, 10). 6 Regelmässig wurden die Delinquenten wehrlos in die Arena geführt, häufig an einen Pfahl gebunden. Eusebius h. e. 5, 1, 41: ή όί Βλανδϊνα fni ξύλου χρεμασθεΐσα προύκειτο βορά των εϊσβαλλομένων θηρίων. Martyrium der Perpetua c. 17 : cum ad ursum substrictus esset in ponte, ursus de cavea prodire noluit. Vita Aureliani 37: subrectus (so Gothofred zu C. Th. 9, 18, 1; subreptus Hdschr.) ad stipitem bestiis obiectus est. Kaiser Valentinian hielt zu gleichem Zweck in seinem Palast sich zwei Bären (Ammian 29, 3, 9). — Obwohl ein ernstlicher Kampf bei diesem Arerfahren vorkommen konnte (S. 926 A. 4), feo sind doch Wäffen, wie der gewerbmässige Kämpfer sie bei den öffentlichen Venationen führt, den Verbrechern wenigstens der Regel nach nicht gegeben worden, da die Tödtung bezweckt war. β Die Verwendung der Missethäter zu tragischer Inscenirung des Sterbens (Strabon 6, 2, 6 p. 273; Martialis spect. 7; Tertullianus apol. 15) oder zur

928

Fünftes Buch.

Die Strafen.

der Delinquent das Leben verlieren 1 und tritt die Begnadigung hier von Rechtswegen nicht anders ein als dies bei jedweder Executionsform möglich ist 2 . Die Thierhetzen haben auch nach Abschaffung der Fechtspiele fortbestanden und in Folge dessen erscheint diese Execution der Todesstrafe noch im justinianischen Recht. Ausser nach diesen sechs Formen der öffentlichen Hinrichtung kann die magistratische Execution des Todesurtheils auch im geschlossenen Raum und unter Ausschluss der Oeffentlichkeit vollstreckt werden. Frauen7. Die auf Geheiss eines Magistrats oder eines Priesters nicht öffentlich vollstreckte Hinrichtung ist die ausschliessliche Exerichtung im cutionsform bei Frauen ; wenigstens kennen wir keinen Beleg dafüi\ Kerker - dass an einer solchen eine Execution öffentlich vollzogen worden ist. Auch die Geisselung, die der öffentlichen Hinrichtung ständig voraufgeht, fällt bei den Frauen hinweg 8 . Das alte stets beibehaltene Ritual 4 dabei wird uns hinsichtlich der des Todes schuldig befundenen Priesterin der Vesta ausführlich geschildert. Die Leitung Fütterung der wilden Thiere (Sueton Gai. 27) oder zur Erleuchtung der Arena (Tacitus ann. 15, 44) ist ebenso legitim wie die gewöhnliche Form der Hinrichtung; die juristische Consequenz lässt nichts zu wünschen übrig. 1 Daher werden die am ersten Tag unverletzt gebliebenen oder nur verwundeten Delinquenten am folgenden wieder vorgeführt (Josephus bell. lud. 7, 8, 7 c. 373 Niese; M. Antoninus 8, 10) und folgt schliesslich (lie Jugulation. Martyrium der Perpetua c. 21: Perpetua . . . errantem dexteram tirunculi gladiatoris ipsa in iugulum suum transtulit. Der zunächst für das Abthun der verwundeten Bestien bestimmte confector wird auch dafür verwendet (martyr. Polycarpi c. 16). 2 Zuweilen, wohl öfter wegen des tapferen Verhaltens als aus Mitleid, haben die Zuschauer für den Delinquenten Begnadigung erbeten (S. 926 A. 4) und sie ist auch unter Umständen gewährt worden, wie die bekannte Anekdote von dem Löwenarzt Androclus zeigt (Gellius 5, 14, 29). Aber Aehnliches kann bei jeder Execution eintreten; und hier wird ausdrücklich gesagt, nicht bloss dass der Statthalter diese Begnadigung nicht gewähren darf, sondern dass, wenn sie für einen besonders tüchtigen Kämpfer erbeten wird, dieser zunächst an die hauptstädtischen Volksfeste abgegeben werden soll (S. 926 A. 4). 8 Im Widerspruch damit spricht Dionysios 9, 40 (vgl. 1, 78) von der Geisselung der zum Tode zu führenden Vestalin; aber alle übrigen sehr viel ausführlicheren und zum Theil die Geisselung des mitschuldigen Mannes erwähnenden Berichte, darunter der eigene des Dionysios 2, 67, schweigen von der Geisselung der Priesterin und diese beruht sicher auf einem Versehen. 4 Freie Wahl der Todesart begegnet unter dem Principat als Strafmilderung (Sueton Dom. 8; Dion. 67, 3). — Der Felssturz der Vestalin gehört den Rhetoren (Seneca controv. 1, 3. Quintilian 7, 8, 3. 5. 6).

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

929

hat der Oberpontifex 1. Die Schuldige wird ihrer priesterlichen Insignien entkleidet 2 und auf der Leichenbahre unter den üblichen Todtenklagen zu Grabe getragen 8. Das Grab befindet sich — die altherkömmliche Sitte des Begrabens im Mauerring ist für diese Caeremonie geblieben4 — innerhalb der Stadt am collinischen Thor, rechts von der Strasse auf dem Lasterfeld, campus sceleratus 5 ; es besteht in einem unterirdischen Gange6, welcher, für gewöhnlich bedeckt, nur für diese Executionen geöffnet wird. Ein Lager wird hier aufgeschlagen und eine Lampe, ein Brotlaib, so wie Krüge mit Wasser, Milch und Oel hineingestellt7 ; unter clen Gebeten des Oberpontifex steigt alsdann die Verurtheilte auf einer Leiter hinab in ihr Grab. Wenn dies geschehen ist, wird die Leiter emporgezogen und die Oeffnung wieder verschüttet über der lebendig Begrabenen8, welcher Grabehren nicht gezollt werden dürfen 9. — Magistratische Hinrichtung der Weiber, wenn sie ausnahmsweise vorkam, ist in dem Verliess des Stadtgefängnisses (S. 301) vollstreckt worden 10 . Auch Männer sind daselbst wenigstens seit dem hannibalischen Kriege unter Ausschluss der Oeffentlichkeit hingerichtet worden, ohne dass für die Verschiedenheit der Vollstreckungsformen sich eine rechtliche Norm erkennen lässt; es scheint dem executirenden Magistrat in dieser Hinsicht die Wahl freigestanden zu haben und die geheime Hinrichtung Vorzugs1 Livius 22, 57. Für den Kaiser wird später der Promagister eingetreten sein (Plinius ep. 4, 11, 7). 2 Dionys. 8, 89. 3 Dionys. 2, 67. Plutarch Num. 10. 4 Servius zur Aen. 11, 206. Dionys. 2, 67. 8, 89. 5 Livius 8, 15: ad portam Collinam dextra viam stratam . . . scélérate campo u. a. St. m. 6 Dionys. 2, 67: είς σηχον υπό γης χατεσχευασμένον. Plutarch a. a. Ο.:

έστί rrj

τις

. . . οφρνς

Λατίνων'

χατάβασιν . νποδρομήν

γεώδης

ίνταϋ&α

παρατείνονσα

χατααχευάζεται

ποήξω · χαλεΐται χατάγειος

οϊχος

Dio bei Zonaras 7, 8, 7 = ρ. 21 Boiss. :

δε Χωμα ου μέγας

νπόγεών

τίνα

(?)

διαλέχτψ

%χων

άνω&ϊν

χαταοχενάοας

προμήχη.

7

Dionys 2, 67; Plutarch a- a. Ο.; Dio a. a. 0. 8 Plutarch a. a. 0. Plinius ep. 4, 11. 9 Dionys. 2, 67. 10 Von magistratischer Hinrichtung der Weiber kennen wir keinen anderen Fall als den apokryphen, aber insoweit doch anführbaren der verurtheilten Mutter, welche durch das Säugen an den Brüsten der Tochter vom Hungertode gerettet wird (S. 479 A. 3) und den der Tochter des Seianus (S. 76 A. 2). In der Regel wurde wohl die Vollstreckung des Todesurtheils den Verwandten überlassen (S. 934). B i n d i n g , Handbuch. 1. 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

5g

930

Fünftes Buch.

Die Strafen.

weise bei Personen höheren Standes beliebt worden zu sein An diesen ist wenigstens in einzelnen Fällen vorher die Geisselung vollzogen worden 2 . — Die Hinrichtung im Stadtgefängniss wird, da dasselbe unter der Aufsicht der très viri capitales steht, als triumvirale Todesstrafe bezeichnet8. Persönliche Leitung aber des Imperienträgers, cler die Hinrichtung anordnet, mag bei Delinquenten höheren Standes auch hier üblich gewesen sein 4 . Die Tödtung kann auch bei diesem Verfahren wie bei der Vestalin durch Entziehen der Nahrung herbeigeführt werden 5 und es ist dies vermuthlich in früherer Zeit Regel gewesen; nachher wird der oder die Verurtheilte gewöhnlich durch den Henker 6 erdrosselt 7. Unter dem spätem Principat ist diese Form der Hinrichtung nicht mehr im Gebrauch 8. 1

Cicero Verr. 5, 30, 77. Josephus Worte bell. 7, 5, 6: νόμος έστί 4Ρωμαίοις τους Ιπι χαχουργία θάνατον χ ατεγνωσμένους sagen zu ixsÎ (im Kerker) χτείνειν viel. Die älteste uns bekannte in dieser Form vollzogene Execution ist die des Consulars M. Claudius wegen des corsischen Friedensvertrages vom J. 518/236 (Val. Max. 6, 8, 3). Weiter werden genannt die des Q. Pleminius (S. 257 A . l ) ; der Gracchaner (Appian b. c. 1, 26; Val. Max. 6, 3,1 d); des Angebers Vettius (Cicero in Vatin. 11, 26); der Catilinarier (Sallust. Cat. 55 und sonst); der Kinder des Seianus (Tacitus ann. 5, 9; Sueton Tib. 61; Dio 58, 11) und anderer Verurtheilter aus der Zeit des Tiberius (Tacitus Ann. 6, 39. 40; Sueton Tib. 75; Dio 58, 15) so wie aus der des Gaius (Dio 59, 18). In gleicherweise sind vornehme Ausländer hingerichtet worden; so König Iugurtha (Plutarch Mar. 12; Livius ep. 67); der Arverner Yercingetorix (Dio 40, 41. 43, 19); der Jude Simon Bargioras unter Vespasian (Josephus bell. 7, 5, 6). 2 Josephus a. a. 0.: (Simon) τότε πεπομπευχώς Iv τοις αίχμαλώτοις, βρόχφ fH

περιβληθείς

είς

τον

έπϊ

της

αγοράς

ίσύρετο

τόπον

αίχιζομένων

αυτόν

αμα

Aehnlich wird auch Jugurtha gemisshandelt (Plutarch Mar. 11). Dies geschieht ebenfalls bei dem Buhlen der Vestalin, wenn die Execution im Kerker vollstreckt wird (A. 8). 8 Tacitus ann. 5, 10. Sallust. Cat. 55. Val. Max. 5, 4, 7. Seneca contr. 7, 1 [16], 22. 4 Wenigstens hat Cicero die Catilinarier selber gerichtet. 5 Ausser der S. 479 Α. 3 erwähnten unhistorischen Anekdote wird diese Todesart berichtet von Jugurtha bei Plutarch Mar. 12. 6 Tacitus ann. 5, 9. Vgl. Sueton Tib. 54. Dass die Dreimänner dies an den Catilinariern mit eigener Hand vollzogen haben, wird aus Sallust Cat. 55 nicht gefolgert werden dürfen. 7 So endigte Jugurtha nach Eutropius 4, 27 und Orosius 5, 15, 19. Andere Fälle Appian b. c. 1, 26. Sallust Cat. 55. Cicero in Vat. 11, 26. Tacitus ann. 6, 39. 40. Sueton Tib. 75. Auch die Statthalter haben Todesurtheile in dieser Weise executirt (Plinius ep. 2, 11, 8). 8 Die Untersagung der Execution durch den laqueus bei Ulpian (S. 924 A. 2) bezieht sich auf diese Form der Hinrichtung. Aus der späteren Zeit των

αγόντων.

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

931

Wenn die Todesstrafe unter obrigkeitlicher oder priesterlicher Nicht inaLeitung vollstreckt ward, ist dies in einer der bisher aufgeführten Formen geschehen. Aber auch ohne solche Leitung kann eine Hinrichtung gesetzmässig stattfinden, theils in einer wenigstens gewohnheitsmässig fixirten Gestalt, theils ohne irgendwie vorgeschriebene Form. 8. Das Herabstürzen vom tarpeischen Felsen am Capitol 1 , Felssturz, welchem wie cler magistratischen Hinrichtung von Rechtswegen die Geisselung voraufgeht 2, ist, wo die magistratische Execution ausgeschlossen ist, die übliche legale Executionsform. Sie tritt auf in zweifacher Anwendung. a) Die Hinrichtung wegen eines Privatdelictes durch den Privaten mit Billigung cler Gemeinde mag einstmals, als die Blutrache auch in Rom bestand und es ein obligatorisches Lösegeld daselbst noch nicht gab, formlos und in weitem Umfang stattgefunden haben. Im Zwölftafelrecht ist sie auf clen Felssturz angewiesen und, so weit unsere Kenntniss reicht, beschränkt auf zwei Verbrechen, die schwerste Gattung des Diebstahls, den handhaften des Unfreien 3 und das falsche Zeugniss4. Auch bei diesen muss sie früh verschwunden sein; für ihre praktische Anwendung besitzen wir keinen Beleg. b) Die plebejischen Tribune, Vorsteher ihrer Sonclergemeinde, nicht Magistrate und ohne magistratische Abzeichen wie ohne magistratische Diener 5 , haben wohl die capitale Judication, aber finden sich dafür keine anderen Belege, als dass unter Caracalla der Buhle der Vestalin nach öffentlicher Geisselung im Kerker endet (Dio 78, 9), und die wenig zuverlässige Meldung über einen Usurpator der gallienischen Zeit (trig. tyr. 22): strangulatus in carcere captivorum veterum more perhibetur. 1 Ueber die Localität vgl. Dionys. 7, 34; Seneca controv. 1, 3, 3; Becker Topogr. S. 391. 411. Die Rhetorenfrage, ob, wer lebend den Sturz übersteht, dadurch freigesprochen ist (Seneca a. a. Ο.; Quintilian inst. 7, 8; Dio fr. 17,8), ist keine juristische; dergleichen bei der Vollstreckung des Strafurtheils eintretende Zufälligkeiten können die Unterlassung abermaliger Execution motiviren, heben aber dasselbe nicht auf. 2 Zwölftafeln 8, 13. • Livius 24, 20, 6. 25, 7, 14. 3 Zwölftafeln 8, 13 Schöll = Gell. 11, 18, 8: servos furti manifesti prensos verberibus affici et e saxo praecipitari. Vgl. S. 750. Diese Bestimmung hat nichts gemein mit dem Recht der Tödtung des nächtlichen oder des bewaffneten Diebes aus Nothwehr (S. 620). 4 Zwölftafeln 8, 23 = Gellius 20, 1, 53: si nunc quoque ut antea qui fab sum testimonium dixisse convictus esset, e saxo Tarpeio deiceretur. Vgl. S. 668. * St. R. 2, 281 fg. Der Sache nach ist dies früh geändert, formell stets geblieben. 59*

Fünftes Buch.

932

Die Strafen.

nur als Private. Wenn der Tribun ohne weiteres zu solcher Straf« Vollstreckung berechtigt ist, was allerdings wohl niemals wirkliche Anerkennung gefunden hat und nur auftritt als Parteimeinung der vorgeschrittenen Demokratie 1 , oder wenn er, wie dies nach dem Abschluss des Ständekampfes anerkanntes Recht ist, für die Vollstreckung der Capitalstrafe die Bestätigung durch die Bürgerschaft erlangt hat, so geschieht sie, da ihm wie jedem Privaten der Lictor und die Beile fehlen 2 , ohne Officialen 8 und ohne Werkzeuge durch seinen Handgriff 4 , wobei ihm bei etwa eintretendem Widerstand die Unverletzlichkeit seiner Person die erforderliche Gewalt giebtNachdem der Volkstribunat in die Verfassung eingeführt worden war, ist diese Executionsform folgeweise unter die öffentlichen eingetreten und wird seitdem, während die Zwölftafeln sie auch bei Unfreien zulassen, die gewöhnliche für die städtische Hinrichtung des Bürgers; wie der Capitalprozess gegen diesen regelmässig durch den Volkstribun geführt wird, wird auch der Spruch von diesem durch Felssturz vollstreckt, während die gleich schuldigen Unfreien der Kreuzigung unterliegen 5 . Noch in der Kaiserzeit 1

Liv. ep. 59 zum J. 631/123: C. Atinius Labeo tr. pl. Q. Metellum censorem , a quo in senatu legendo praeteritus erat, de saxo deiei iussit, quod ne fierety ceteri tribuni pl. auxilio fuerunt. Plinius h. n. 7, 44, 143. Eine wahrscheinlich gleichartige tribunicische Execution aus der marianischen Zeit berichtet Vellerns 2, 24 (genauer als Livius ep. 80; Plutarch Mar. 45; Dio fr. 103,12). Ueber die Rechtsfrage, in wie weit der Tribun, ohne die Comitien zu befragen, Selbsthülfe brauchen darf, vgl. S. 46. 2 Allenfalls könnte ausserdem an den Feuertod gedacht werden; aber wenigstens auf die Erzählung von den neun Tribunen (S. 923 A. 5) darf dies nicht gestützt werden. Tribunicische Execution in anderer Form als durch den Felsabsturz erwähnt nur Dionysius 8, 58 bei dem Prozess des Sp. Cassius; die besseren Berichte vermeiden dieses Versehen des Griechen (Hermes 5, 241 = röm. Forsch. 2, 175). 8 Den Diener des Volkstribuns deckt die sacrosancte Gewalt nicht; aber dass die Aedilen der Plebs, ursprünglich Gehülfen des Volkstribuns, auch sacrosanct sind (St. R. 2, 472), soll wahrscheinlich die Execution sichern, obwohl unsere Ueberlieferung dies nicht ausspricht. Unter dem Principat vollzieht das Abstürzen der camifex (Seneca contr. 1, 3. 1. 6. 7). 4 Erwähnt wird der Felssturz bei dem Einschreiten der Tribunen gegen Coriolan im J. 263/491 (Dionys. 7, 35 und daraus Plutarch Coriol. 18); gegen den consularischen Lictor 298/456 (Dionys. 10, 21; vgl. St. R. 1, 151 A. 4); gegen M. Manlius im J. 370/384 (Varro bei Gellius 17, 21, 245; Livius 6, 20, wogegen ein anderer Bericht den Prozess vor die Quästoren weist und als Strafe die Kreuzigung ansetzt: Hermes 5, 261 = röm. Forsch. 2, 194). An nicht legendarischen Berichten fehlt es, weil die republikanischen Capitalprozesse der historischen Zeit regelmässig mit dem Exilium endigen. 6 Im J. 666/88 erhält ein Sclave für den Verrath seines Herrn zunächst

Zweiter Abschnitt. Die Todesstrafe.

933

wird, wenn das vom Senat gefällte Todesurtheil durch Felssturz vollstreckt wird 1 , die Execution von dem Volkstribun geleitet 2 , nachdem vermuthlich auch die Beschlussfassung in diesem Fall nicht von dem Consul, sondern von ihm beantragt worden ist. — Die patricischen Magistrate haben wohl in gleicher Weise gefangene Ueberläufer 8 oder entwichene Geiseln4 aus der Welt geschafft und in der Revolutionszeit bei einem Volksaufstand gegen unbotmässige Bürger den Felssturz angewandt 5 ; aber es gehört beides in das Gebiet der capitalen Coercition und steht ausserhalb des ordentlichen Strafverfahrens 6. — Nach Kaiser Claudius findet die dafür verheissene Freilassung und wird dann durch Felssturz hingerichtet (Livius ep. 77; Val. Max. 6, 5, 7; Plutarch Sali. 10); im J. 715/39 ein anderer Unfreier, dem es gelungen war sich zum Prätor wählen zu lassen, ebenso bestraft, aber vorher freigelassen, ϊνα αξίωμα ή τιμωρία αύτοΟ λάβτ] (Dio 48, 34). Bei den Unruhen des J. 710/44 werden die Sclaven gekreuzigt, die Freien vom Felsen gestürzt (Appian b. c. 3, 3). Wenn Horatius sat. 1, 6, 38 einem politischen Streber zuruft: audes deicere de saxo cives aut tradere Cadmo, so ist bei dem Felssturz an den Volkstribunat, bei dem Henker an den bei der Kreuzigung thätigen, also an den Beamten mit Imperium gedacht. 1 Auf die Beschaffenheit des Delicts kommt es dabei nicht an. Senecas Worte de ira 1, 16, 5: cum Tarpeio proclitorem hostemve publicum imponam sind nur exemplificirend; auch Magie (Tacitus ann. 2, 32) und Blutschande (Tacitus ann. 6, 19) werden mit Felssturz bestraft und bei Tacitus ann. 4, 29 einem verhassten Delator robur (Hinrichtung im Kerker) et saxum (Felssturz) aut parricidarum poenae (Säckung) angewünscht. 2 In den meisten Berichten aus der Kaiserzeit über die Hinrichtung durch Felssturz (so bei Tacitus 6, 29; Dio 57, 22 59, 18) wird die vollstreckende Behörde nicht genannt; aber dass die unter dem Principat von dem Senat gefällten und durch Felssturz exequirten Todesurtheile von den Volkstribunen vollstreckt worden sind, zeigt Tacitus ann. 2, 32, indem er die Execution durch Kreuzigung den Consuln beilegt, nicht aber die gleichzeitig durch Felssturz vollzogene und Dio 58, 15: ol δέ χαϊ άπο του Καπιτωλίου υπ ο των δημάρχων Ιππέων

η χαϊ . . . χατά

των του

υπάτων

und 60,

χατεχρημνίζοντο

Καπιτωλίου

υπό

τε

των

18:

δημάρχων

χαί

τις

χαϊ

των

. . .

των

υπάτων

χατεχρημνίσ&η. In der letzten Stelle ist offenbar ein vom senatorischen Gericht gefälltes und vom Volkstribun vollstrecktes Todesurtheil gemeint und tritt dessen besondere Competenz um so deutlicher zu Tage, als der Tribun damals wirkliche Capitalgerichtsbarkeit nicht mehr besass. 3 Liv. 24, 20, 6. 4 Liv. 25, 7, 14. 6 So verfuhr der Consul M. Antonius nach der Ermordung Caesars gegen die Ruhestörer (Appian b. c. 3, 3; Dio 44, 50). Die Legende lässt die unbotmässigen Bürger mit dem gleichen Verfahren bedrohen durch die Consuln des J. 279/475 (Dionys. 9, 29) und durch die Decemvirn (Dionys. 11, 6). 6 Die Decemvirn (a. a. O.) drohen mit dem Felssturz ττν δημαρχιχην έπανασείοντες (ξουσίαν , wo dies Verfahren also ausdrücklich bezeichnet wird

934

Fünftes Buch.

Die Strafen.

sich für clen Felssturz kein Beleg und in der spätem Kaiserzeit ist er verboten 1. Endlich schliessen sich hier diejenigen Executionen an, bei welchen die Form der Tödtung freigegeben wird, sei es den A n wandten, sei es clem Verurtheilten selbst, sei es endlich jedermann. Häusliche 9. Bei Frauen wird clie Ausführung cler vom Magistrat erHlnnchtunf f * kannten Execution häufig, vielleicht regelmässig clem Gewalthaber und bei selbständigen Frauen den nächsten Verwandten anheimgestellt (S. 19). Dass von cler Gemeinde ausgesprochene Todesurtheile über unfreie oder in cler Gewalt stehende freie Männer dem Gewalthaber zur Vollstreckung überwiesen worden sind, ist nicht erweislich. selbst10. Dass bei clem Todesurtheil dem Verurtheilten die Wahl tödtung. ^ Todesart freigestellt wird, ist eine in republikanischer Zeit zuweilen 2 , unter clem Principat häufig begegnende, aber nicht dem erkennenden Gericht, sondern nur dem Kaiser zustehende Strafmilderung 3 . Populäre 11. Bei weitem am wichtigsten ist die populäre Execution, \\r e ise gefasste Gesetz oder in cler Weise gefällte TodesExecution. 4 urtheil , dass jedermann, wie er will und kann, zur Vollstreckung als tribunicisches Privilegium. In den Romulusfabeln erscheint der Felssturz wie es scheint als illegale Gewalthandlung. Festus p. 343: fSaJxum Tarpeium appel [latum aiunt . . . ab eo quocl, cum quidam nomine] L. Tarpeius Romulo fregi propter rapjtas virgines adver sa [retur, ibi ubi id sajxum est de noxio poena [sumpta est; quapropterj noluerunt funestum locum [cum altera parte] Capitolü coniungi. Dionysius 2, 56 nennt unter den Ursachen der Ermordung des Romulus, dass er römische Bürger ohne Zuziehung eines Consilium zum Tode verurtheilt und vom Felsen gestürzt habe. 1 Modestinus Dig. 48, 15, 25, 1: non potest quis sic damnari, ut de saxo praecipitetur. Ausserhalb der Hauptstadt ist auf diese eng mit dem hauptstädtischen Volkstribunat zusammenhängende Strafe sicher niemals erkannt worden. Zusammenhang mit der gleichartigen griechischen Sitte zeigt sich nirgends. a Appian b. c. 1, 26. 3 Dig. 48, 19, 8, 1. Kaiser Marcus gestattete sie ohne Anfrage allgemein. Dergleichen Bescheide überbringt dem Verurtheilten der kaiserliche Quästor: Tacitus ann. 11, 3. 15, 60. 16, 35. Sueton Ner. 37. Dom. 11. Dio 58, 4. St. R. 2, 569. Vgl. S. 928 A. 4. 4 Dass die populäre Execution ein vorhergehendes Urtheil nicht ausschliesst, sondern vielmehr voraussetzt, ist S. 901 A. 3 erinnert worden. Dionysius, der eine Reihe von also verclausulirten Gesetzen aufführt, spricht von dem Judicat nur bei dem ersten, offenbar weil dies selbstverständlich ist. Den Ausschluss desselben spricht nur Plutarch aus in Beziehung auf die

Zweiter Abschnitt. Die Todesstrafe.

935

des Spruchs aufgerufen wird, oder, wie dies mit einem rechtlich wenig präcisen, aber bequemen Ausdruck bezeichnet zu werden pflegt, die Aechtung. Diese Form der Urtheilsvollstreckung gehört theils der halbgeschichtlichen Epoche an, deren trübe Ueberlieferung weiter durch phantastisch-juristischen Dogmatismus entstellt ist, theils der die Rechtsformen durch Missbrauch sprengenden Revolutionszeit. Nichts desto weniger liegt derselben eine ernste rechtliche Realität zu Grunde. Es gehören in diesen Kreis die folgenden Fälle: a) Ausgegangen ist die Aechtung von der ursprünglich allgemeinen Rechtlosigkeit des durch keinen Staatsvertrag seiner Heimathgemeinde mit Rom geschützten Ausländers. Der römische Delictbegriff geht von derselben aus und sie ist in Beschränkung auf die Angehörigen des mit Rom kriegführenden Staats wenn auch abgeschwächt, doch bis in die späteste Zeit festgehalten worden (S. 105. 622). Selbst die consolidirten Rechtsbegriffe des Verbrechens und der Strafe ruhen auf dieser Grundlage. b) Als Rechtsbegriff ist clie Aechtung vermuthlich ausgegangen von clem Bannbruch und dieser selbst wohl von solchen Fällen, wo die römische Gemeinde einem einzelnen Nichtbürger den mit seiner Gemeinde vertragenen oder auch allgemein dem Fremden gewährten Rechtsschutz aus persönlichen Gründen entzog, ihn nicht bloss auswies, sondern ihm ein für allemal das Wiederbetreten cles römischen Gebiets verbot und jedem untersagte ihm Dach, Wasser oder Feuer zu gewähren. Eine derartige Proceclur gegen Ausländer kann nicht wohl gefehlt haben (S. 72); Belege dafür kennen wir aber nur in der Gestalt, dass ein römischer Bürger, um sich clen Personalfolgen einer Verurtheilung zu entziehen, sein Bürgerrecht aufgab und ihm dann in der bezeichneten Weise die Rückkehr gesperrt ward (S. 68 fg.). In späterer Zeit ist, wie bei der Verbannung auszuführen sein wird, auch dem im Strafweg unter Belassung des Bürgerrechts aus Italien ausgewiesenen römischen Bürger in der gleichen Form die Rückkehr dorthin untersagt worden. — Allem Anschein nach ist hiemit dem Ausgewiesenen für Uebertretung der Ausweisung die an der Landesfeindschaft haftende Rechtlosigkeit in ihrem vollen Umfang angedroht worden; und es ist dafür nur ein anderer Ausdruck, dass, so weit diese Ausweisung nicht im Verwaltungsweg Zurückfiihrung der Königswürde (Popl. 12): τυραννείν)

φόνου

χα&αρόν

mit seltsamer Unvernunft.

ίποίησεν,

fi παράοχοιτο

χτείναντα του

tff

άάιχηματος

(τον τους

βουλόμενον Ιλέγχους,

Fünftes Buch.

936

Die Strafen.

stattfindet, was bei Ausländern vermuthlich zulässig war, sondern ihr ein Strafurtheil zu Grunde liegt, dieses dem Verurtheilten selbst so wie jedem, der ihm Schutz gewährt, die populäre Execution in Aussicht stellt 1 . Für den in der revolutionären Epoche mit grosser Lässlichkeit behandelten Bannbruch hat Augustus die alte strenge Behandlung zurückgeführt 2 , und auch unter dem Principat ist bei den schweren Freiheitsstrafen, insbesondere der Bergwerksstrafe 3 und der Deportation 4 , der Bannbruch stets mit dem Tode bestraft worden 5 . — Indess wird die ohne gerichtliches Verfahren vollzogene Tödtung eines Bannbrüchigen mehr in der Theorie als straflos behandelt worden sein als in thatsächlicher Anwendung; sie ist mit der Rechtsordnung unvereinbar und für ihre praktische Straflosigkeit fehlen sichere Belege. — Die Aufnahme eines Bannbrüchigen bestraft die julische Gesetzgebung als mindere Gewalt 6 . 1

In dem clodischen Gesetz gegen Cicero (Dio 38, 17:

επτακοαίους προσεκηρύχ&η,

καϊ ΐν*

πεντήκοντα εΐ δηποτε

σταδίους ίντός

αυτών

ύπϊρ φανείη,

την καϊ

* Ρωμην αυτός

τρισχιλίους υπερωριακή,

καϊ

οι

τε

καϊ καϊ

ύποδεξάμενοι

vgl. Cicero de domo 17, 51) wird für den Fall des Bannbruchs die Tödtung des Verbannten selbst so wie eines jeden, der ihn bei sich aufnahm, einem Jeden straflos freigegeben. Dass wer ihn aufnahm, sein Leben wagte, sagt Cicero selbst ad Att. 3, 4 und pro Plancio 41, 97: publicatio bonorum, exilium, mors. — Dies kehrt dann wieder bei den Rhetoren: exulem intra fines deprehensum liceat occidere (Quintilian decl. 248. 296. 305. 351; exulem intra terminos liceat occidere Julius Victor ars rhet. 3, 15). αϋτόν

άνατϊ

διόλωνται,

2

Dio 57, 27. Die Katastrophe des Fannius Caepio (S. 334 A. 3) geht wahrscheinlich darauf zurück, dass er nach der Verurtheilung zur Interdiction den Bann brach (Dio 54, 3; Macrobius sat. 1, 11, 21; Sueton Tib. 8). 8

Dig. 48, 19, 28, 14.

4

Dig. 48, 19, 4. 1. 28, 13.

6

Wegen der im gleichen Falle eintretenden geringeren Strafen ist der Abschnitt von der Verbannung zu vergleichen. — Nichtbürgern wird für den Bannbruch der Verlust der Freiheit gedroht; so nach dem aelisch-sentischen Gesetz den Freigelassenen dediticischen Rechts, wenn sie in Rom oder innerhalb des 100. Meilensteins betroffen wurden (Gaius 1, 27) und nach einer Anordnung des Tiberius den aus Rom ausgewiesenen Juden (Sueton Tib. 36: sub poena perpetuae servitutis y nisi obtempérassent ). 6

Paulus 5, 26, 3: lege Iulia de vi privata tenetur, qui . . . eum cui aqua et igni interdictum est receperit celaverit tenuerit. Augustus schritt streng ein gegen die bei dem Bannbruch Mitschuldigen (Dio 57, 27). Der Stadtpräfect des J. 421 Volusianus (S. 601 A. 1) droht dem, welcher einem ketzerischen Caelestiner Aufnahme gewährt, die proscription die Vermögensconfiscation.

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

937

c) Verschiedenen der Königszeit zugeschriebenen Gesetzen1, vor allem aber den constituirenden der Republik, welche die Rückführung der Königsherrschaft untersagten 2 und die Provocation an die Bürgerschaft einführten 8 , wird in unsern Berichten die populäre Execution beigelegt. d) Hinsichtlich des Rechtsschutzes der Volkstribune und überhaupt der plebejischen Sonderrechte wird die Bestärkung der betreffenden Gesetze durch Gestattuiig der populären Execution mit besonderem Nachdruck ausgesprochen4; begreiflich genug, da die legale magistratische Execution auf diese eigentlich revolutionären Anordnungen keine Anwendung fand unci die vorher erwähnte auch nur private tribunicische ohne einen solchen revolutionären Appell an die Selbsthülfe der Plebejer wirkungslos gewesen sein würde. In den Krisen der patricisch-plebejischen Kämpfe, welche in unsern Annalen schwerlich in ihrer vollen Gewaltsamkeit geschildert werden, wird danach auch gehandelt worden sein ; unsere Ueberlieferung aber kennt'dafür keinen Beleg. Verletzung des Volkstribuns wird von dem Verletzten selbst oder dessen Collegen geahndet ; dass ein Privater dafür eintritt, wird weder in den Legenden noch in den geschichtlichen Berichten gemeldet. e) Dass im ordentlichen Verlauf des magistratisch-comitialen Strafprozesses der leitende Magistrat, auch wenn der Angeschuldigte 1

Dionysius spricht dies aus in Betreif der verletzten Patronatspflicht (S. 566

A . 1) und 2, 74 hinsichtlich der Verriickung des Grenzsteins: Ιερον âà ίνομοΰέτησεν αύτον

είναι

τοϋ &εοΰ τον τούτων

ώς Ιερόσυλον 2

Dionys. 5, 19:

τον άποχτείναντα

τ ν άιαπραξάμενον,

η τε ασφάλεια θάνατον

τούτων

τινά

και

το κα&αρφ

ίπι&είς ποιών

ζημίαν,

άίιφον.

ίνα

τ φ βουλομένφ

μιάσματος Ιάν

τις

είναι

παρά

χτείνειν

προσ /j.

ταύτα

ποιή

και

Livius 2, 8 spricht nur von der

Sacration des Hauses und des Vermögens. 8 Livius 3, 55: eum ius fasque esset occidi neve ea caedes capitalis noxae haberetur. Dionysius 5, 20: τον ât παρά ταϋτά τι ποιεΐν ίπιχειροϋντα νηποΐνϊ τε&νάναι. 4 Nach Livius a. a. Ο. wurde wer den Volkstribun verletzte theils unter iin consularisches Gesetz gestellt: eius caput Iovi sacrum esset, familia ad aedem Cereris Liberi Liberaeque venum iret, theils unter ein Plebiscit, das die Bestrafung tergo ac capite vorschrieb. Von der populären Execution spricht Dionysius 6, 89: tàv δέ τις τών άπηγορευμένων τι ποίηση, Ιξάγιστος ίστω χαϊ

τά

χρήματα

αυτού

Λημητρος

ιερά

καϊ

ο κτείνας

τινά

τών

ταύτ '

εϊργασμένων

Dasselbe wiederholt er 7, 17 in Beziehung auf das Recht der Tribune zum Volk zu sprechen. Dio vol. 1 p. 49 Boiss. = Zon. 7, 15: το φόνου ίερον

κα&αρος

είναι

ερώχϊη,

3, 2, 5.

εστω .

άπολωλεναι

ώνόμαστο .

ην'

οΰτω

γάρ

και

παν

Cicero pro Balb. 14, 33.

ωσπερ

τι

&ϋμα

pro Tullio 47.

είς σφαγην

χα&ι-

Macrobius sat.

Fünftes Buch.

938

Die Strafen.

sich nicht in seiner Gewalt befand, befugt war die Capitalsentenz zu fällen, wird wohl angenommen werden müssen (S. 333 fg.), obwohl ein Capitalverfahren gegen den Abwesenden sicher immer so weit irgend möglich vermieden worden ist. Aber die Execution selbst einer derartigen Capitalsentenz wird davon abgehangen haben, dass der Verurtheilte verhaftet ward; es liegen keinerlei Beweise dafür vor, dass der Magistrat alsdann befugt war die Bürgerschaft zu populärer Execution aufzurufen, was auch ohne Aussetzung von Blutprämien kaum einen praktischen Erfolg gehabt haben würde. f) Geschehen ist dies allerdings bei den von der späteren provocationsfreien Magistratur gefällten Todesurtheilen, den sullanischen und den triumviralen Proscriptionen so wie bei clen Aechtungen des consularisch-senatorischen Kriegsstandrechts (S. 256). Aber der Charakter dieser Acte so wie der Mangel einer technischen Bezeichnung für die Aechtung 1 schliessen diese Proceduren aus dem ordentlichen Strafrecht aus. Selbstverständlich wurden dieselben von ihren Urhebern als rechtsgültige Todesurtheile behandelt und die Folgestrafen, insonderheit die Vermögensconfiscation an dieselben theilweise sogar in erweitertem Umfang geknüpft 2 . Dass der Vollstreckung des Todesurtheils nach republikanischem Gebrauch bei Männern ohne Unterschied der Executionsform die Geisselung voraufgeht und diese rechtlich in dem Todesurtheil einbegriffen ist, setzt schon die ursprüngliche Provocationsordnung voraus 8 und ist in den einzelnen Abschnitten ausgeführt worden. 1

Eine technische Bezeichnung der Aechtung findet im ordentlichen Strafrecht der Römer sich nicht. Proscribere ist, anders als das griechische έχχηρύττειν (S. 258 Α. 1), an sich indifferent und für jede öffentliche Bekanntmachung verwendbar. Die proscriptio hominis (Cicero pro Sex. Roscio 6, 16), bei den Historikern regelmässig proscriptio allein, ist durch Sulla zum Schreckenswort geworden, aber nicht zum Rechtswort. In der Rechtssprache bezeichnet proscriptio ohne Beisatz regelmässig die proscriptio bonorum, den Concurs, auch die Vermögensconfiscation, nicht die Aechtung. 2 Sullas Gesetzgebung untersagte sogar jede Unterstützung (iuvare) der Proscribirten (Cicero Verr. 1. 1, 47, 123). 8 Ueber das necore et verberare der Provocationsgesetze ist S. 42 Α. 1 gesprochen. Bei Sallustius Cat. 52, 22 wirft hinsichtlich der Hinrichtung der Catilinarier Caesar dem Cicero ein: quam ob rem in sententiam non addidisti, uti prius verberibus in eos animadverteretur? an quia lex Porcia vetat? Das formelle Todesurtheil muss sich auf die Züchtigung erstrecken und selbst-

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

939

Sie hängt in ihren Modalitäten von dem leitenden Magistrat ab, kann auch als Stäupung zu Tode ausgeführt werden (S. 920 A. 5). Auf die Execution von Frauen erstreckt sich dies nicht (S. 928 A. 1) und ebenso wenig auf die militärische und überhaupt auf die erst später aufgekommenen Vollstreckungsformen. — Weitere Martern sind inbesondere bei der Sclavenexecution oft genug vorgekommen, indess, so viel wir wissen, durchgängig nach dem Belieben der Ober- und Unterhenker 1 , nach gesetzlicher Anordnung nur selten und spät 2 , können also hier übergangen werden. — Ueber die mit dem Todesurtheil häufig verbundenen Begleitstrafen, die Entziehung der Grabrechte und des ehrenhaften Andenkens und die Einziehung des Vermögens ist in den betreffenden Abschnitten gehandelt. Versuchen wir schliesslich, nach Darlegung der verwirrenden GeschiehtMannichfaltigkeit der relativ indifferenten Vollstreckungsformen, l i c h e Ent ~ die Behandlung der Todesstrafe bei den Römern in ihren grossen w de r Grundzügen zusammenzufassen, so sehen wir dabei, um klare r 5 m i s c h e n Todesstrafe.

Grundanschauungen zu gewinnen, ab sowohl von der capitalen Coercition des Kriegsrechts wie auch von der republikanisch-magistratischen über den Nichtbürger. Es beschränkt sich danach die capitale Strafgewalt der römischen Ordnungen für die republikanische Zeit auf die der hauptstädtischen Gerichte und vielleicht derjenigen der Bürgerstädte, wozu unter dem Principat die befreiten Gerichte, das kaiserliche und das der kaiserlichen Delegirten so wie das consularisch-senatorische und weiter die Statthaltergerichte hinzutreten. Wenn es gestattet ist über den Ausgangspunkt Vermuthungen aufzustellen, so dürfte das öffentliche Strafrecht ursprünglich nur verständlich ist dies befreit von den gesetzlichen Coercitionsschranken ; es ist ein bitterer Spott, dass der Magistrat das Gesetz hinsichtlich der Hinrichtung bricht, aber hinsichtlich der Züchtigung einhält. 1 Cicero Verr. 5, 6, 14: verber a atque ignes et illa extrema ad supplicium damnatorum f metum ceterorum, et cruciatus et crux. Hinrichtung des Marius Gratidianus in sullanischer Zeit (Sallustius hist. 1, 44 Maur.) Stechen, Brennen, Pfählen und ähnliche Martern werden oft erwähnt. Plautus most. 55. Cicero Verr. 5, 5, 6. Seneca ad Marciam 20, 3. ep. 14, 5. 101, 12. Tacitus ann. 3, 50. Eusebius h. e. 8, 12. 2 Constantin der Grosse hat sich dergleichen Anordnungen gestattet: so soll dem Delator vor der Hinrichtung die Zunge ausgerissen (C. Th. 10, 10, 2), dem Entführer geschmolzenes Blei in den Mund gegossen werden (C. Th. 9, 24, 1).

940

Fünftes Buch.

Die Strafen.

ein einziges Verbrechen gekannt haben, die Schädigung der Gemeinde oder die Perduellion und nur eine einzige Strafe, den Tod des Schädigers, welcher von clem Ermessen des Gemeindehauptes abhing, aber wenn der König einverstanden war, im Gnadenweg von der Bürgerschaft erlassen werden konnte; clas private Strafrecht dagegen auf der Blutrache geruht und der Staat diese nur insoweit geregelt haben, dass bei dem Mord, dem Diebstahl und ähnlichen Verletzungen eines Bürgers durch den andern der Magistrat eine Vermittelung versuchte und nach Umständen entweder dem Geschädigten den Verzicht auf die Rache gegen Annahme einer billigen Lösung anrieth oder auch ihm und seinen Geschlechtsgenossen die Vergeltung im Wege der Selbsthülfe freigab. Die früheste Einschränkung cler öffentlichen Capitaljustiz besteht in der Umwandlung cler facultativen Provocation in die obligatorische, die dem Gemeindehaupt gesetzlich auferlegte Verpflichtung dem zum Tode verurtheilten Bürger clie Berufung an die Gemeinde zu gestatten, oder, was dasselbe ist, clie Beschränkung der Magistratur durch clie für das Capitalurtheil erforderte Bestätigung der Bürgerschaft in ihren Comitien Bei cler privaten Capitaljustiz werden im Laufe der Zeit einerseits diejenigen Fälle, in denen sie gerichtlich zugelassen wurde, allmählich eingeschränkt worden sein, andrerseits cler auf Annahme einer Lösung gerichtete Schiedsspruch cles Magistrats mehr und mehr den Charakter des den Kläger zwingenden Rechtsspruchs angenommen haben. Das Zwölftafelgesetzbuch hat keinen Versuch gemacht den Grundbegriff der Gemeindeschädigung formell zu bestimmen, das Staatsverbrechen in der römischen Behandlung die ursprüngliche Schrankenlosigkeit niemals verloren. Aber clie Grenzen cler öffentlichen und der privaten Capitaljustiz hat es entweder schon verschoben vorgefunden oder selber verschoben, indem der Mord und die Brandstiftung, weiter cler Erntediebstahl, das Spottlied und einige andere nicht zahlreiche zunächst clen einzelnen Bürger 1 Darauf geht Cicero pro Rab. ad pop. 3, 10: (maiores nostri) expulsis regibus nullum in libero populo vestigium crudelitatis regiae retinuerunt Livius Aeusserung 1, 28: gloriari licet nulli gentium mitiores plctaiisse poenas bezieht sich zunächst auf die grausame Hinrichtung des Mettius Fufetius durch den König Tullus, und man kann sie insofern gelten lassen, als die römische Gesetzgebung sich auf wenige althergebrachte Formen beschränkt und von erfinderischer Qualenaussinnung sich frei gehalten hat.

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

941

treffende Schädigungen1 in jenes übergegangen und damit aus diesem verschwunden sind, was im Wesentlichen hinauskommt auf Abschaffung der Blutrache. Die einzige gesetzliche Strafe des öffentlichen \Terfahrens bleibt der Tod. Aber das Strafgesetz verliert, sei es durch das Gesetzbuch selbst, sei es durch dessen spätere Handhabung den ihm ursprünglich anhaftenden auch für den Magistrat zwingenden Charakter und es erhält dieser oder nimmt sich, wahrscheinlich unter dem Einfluss der Erstreckung der Strafgewalt auf die Vorstände des Plebs, die Befugniss anstatt auf die im Gesetz vorgeschriebene Todesstrafe auf Geldbusse zu erkennen. Das Privatstrafrecht desselben Gesetzbuchs wird nur die Zulassung der privaten Todesstrafe durch gerichtliches Erkenntniss auf bestimmte Delicte fixirt und wahrscheinlich eingeschränkt haben. Sie bleibt bei dem handhaften Diebstahl und dem falschen Zeugniss, ist aber auch in diesen Fällen wahrscheinlich nicht lange nachher durch Gesetz oder Gewohnheit beseitigt worden. Seitdem ist das Capitalverfahren bei den Privatdelicten überhaupt beseitigt und nie wieder aufgenommen worden. Der von jeher bei den Privatdelicten mächtig eingreifende Gedanke des Lösegeldes beherrscht dasselbe schliesslich vollständig; die obligatorische Lösung umfasst das gesammte Gebiet derselben, allerdings für die Aermeren ersetzt durch die Schuldknechtschaft. Formell hat die römische Republik die Todesstrafe nicht abgeschafft ; nach der Gracchenzeit sind wegen Nächstenmordes Todesurtheile gefällt und vollstreckt worden; noch in den letzten Decennien hat wegen eines Staatsverbrechens der Magistrat auf den Tod erkennen und nach Bestätigung durch die Comitien dies Urtheil vollstrecken können. Nichtsdestoweniger wird das letzte Jahrhundert der Republik beherrscht durch die Tendenz der Abschaffung der Todesstrafe und die Gesetze haben dieselbe praktisch im Wesentlichen durchgeführt 2. Hauptsächlich zwei Institutionen haben dies bewirkt, die Selbstverbannung oder das Exilium und cler Quästionenprozess. 1

Cicero de rep. 4, 12 = Augustinus civ. dei 2, 9 hebt die capitale Bestrafung des Spottliedes hervor, nostrae duodecim tabidae cum perpaucas res capite sanxissent. Die Behandlung der Eigenthumsverbrechen ist in der That von seltener Humanität. 2 Die Urheber dieser Gesetze sind, wie Cicero (pro Rab. ad pop. 3, 10) den Quiriten zuruft, die viri fortes , qui vestram libertatem non acerbitate supplieiorum in fest am, sed lenitate legum munit am esse voluerunU

942

Fünftes Buch.

Die Strafen.

Die Selbstverbannung vor der Verurtheilung im Capitalprozess giebt zwar dem Angeklagton keinen rechtlichen Anspruch auf Strafmilderung (S. 71), aber früh hat die der strengen Handhabung der gesetzlichen Todesstrafe keineswegs geneigte Bürgerversammlung nach Anzeige dieser Selbstbestrafung sich darauf beschränkt dem Ausgewanderten die Rückkehr zu verbieten (S. 72). Die Quästion, die Ueberweisung eines nach öffentlichem Strafrecht capitalen Delicts durch specielles oder generelles Gesetz zur Entscheidung an einen Einzelgeschwornen oder an ein Geschwornencollegium, schliesst an sich das Erkenntniss auf den Tod keineswegs aus; von den durch Specialgesetz bestellten Quäsitoren sind solche Urtheile gefällt worden (S. 201) und die ständige Commission für clie Mordthaten hat noch nach der Ordnung Sullas den Nächstenmörcler zum Tode verurtheilt (S. 644). Aber die ältesten und die wichtigsten dieser ständigen Gerichtshöfe sind aus dem Privatprozess hervorgegangen und haben diesem ihre Können entlehnt. Wahrscheinlich ist in dieser Gerichtsform niemals über die Interdiction hinaus auf clen Tod erkannt worden mit Ausnahme des Nächstenmorcles und auch für diesen hat zwanzig Jahre nach Sulla Pompeius die Todesstrafe abgeschafft (S. 645). Die wenigstens formale Beibehaltung derselben für das Staatsverbrechen ist dadurch bewirkt worden, dass neben dem Geschwornenverfahren das öffentliche beibehalten wurde, dessen Anwendung auf die capitale Verurtheilung noch in den letzten Jahren der Republik wenn auch ohne Erfolg versucht worden ist. Die caesarische Dictatur und der frühere Principat haben die in cler Gesetzgebung im Wesentlichen beseitigte Todesstrafe nicht in dieselbe zurückgeführt; die Strafsteigerung dieser Epoche hat sich so weit nicht erstreckt. Auch in dieser Zeit haben die ordentlichen Gerichte wegen Majestätsverbrechen und Mord nicht auf den Tocl erkannt. Aber in cler Gerichtspraxis ist allerdings unter Augustus die Todesstrafe wiederhergestellt worden. Die magistratisch-comitiale Capitaljustiz, welche am Ausgang der Republik in dem Prozesse des Rabirius als die Schrulle eines demokratischen Archäologen auftritt, ist in der Uebertragung auf die befreiten Gerichte cles Principats, clas consularisch-senatorische und das des Kaisers selbst und seiner Delegatare, in furchtbarer Weise wieder auferstanden. Die ordentlichen städtischen Gerichte dieser Epoche haben das Recht über Tod und Leben des römischen Bürgers vielleicht nicht einmal gehabt (S. 220), auf keinen Fall in wesentlichem Umfang ausgeübt. Aber die Bluturtheile cles consularisch-senato-

Zweiter Abschnitt.

Die Todesstrafe.

943

rischen Gerichtshofs füllen die Annalen insbesondere des ersten Jahrhunderts; an das Capitalverfahren vor dem römischen Stadtpräfecten, die Delegirung des kaiserlichen Schwertrechts an die Statthalter, die Sendung der Römer aus den Provinzen nach der Hauptstadt zur Aburtheilung im Capitalprozess durch den Kaiser genügt es zu erinnern. Dabei darf allerdings nicht übersehen werden, dass, wo es sich nicht um politische Prozesse oder um Prozesse gegen geringe Leute handelt — wegen dieser mag der letzte Abschnitt dieses Buchs verglichen werden —, die allgemeine Tendenz der Regierung dahin geht den römischen Bürger der höheren Stände nicht am Leben zu strafen. Noch Hadrian hat ausgesprochen, dass dies nur bei dem Nächstenmord zulässig sei Wenn das Capitalverfahren gegen den römischen Bürger für die ersten zwei Jahrhunderte der Kaiserzeit mehr oder minder exceptionell ist, so ist nach Pius 2 und vor Alexander 3 , vielleicht unter Severus die Todesstrafe nicht bloss für Majestäts-, sondern für schwere Verbrecher überhaupt zur ordentlichen Strafe geworden und in dieser abschüssigen Richtung hat die Entwickelung sich seitdem bewegt. Die Todesstrafe wird immer häufiger angedroht und auf immer geringere Verschuldungen erstreckt, die Execution immer weiter geschärft, für den Einzelfall die Willkür stetig gesteigert. Die mannichfaltigen unci häufig schwankenden und sich widersprechenden Strafsätze in den Gesetzen, deren Ungleichheit die ausdrücklich von der Bindung an clie Strafsätze befreite Praxis 4 sicher noch weit überboten hat, enthalten wir uns im Einzelnen zu verzeichnen; eine gewisse Gesammtübersicht ist im letzten Abschnitt dieses Buches gegeben. Von dem Capitalverfahren gegen den Nichtbürger kann das römische Strafrecht nicht viel berichten. In republikanischer Zeit steht cler ordentliche Strafprozess über den Nichtbürger bei seinem Ortsgericht; die Eingriffe cles römischen Beamten in denselben sowohl wegen einer gegen den römischen Staat begangenen Ver1 Venuleius Saturninus (etwa unter Marcus) Dig. 48,19,15: divus Hadrianus eos, qui in numéro decurionum essent (dies ist unter den Standespersonen die niedrigste Kategorie) capite punir i prohibuit, nisi si qui parentem occidissent : verum poena legis Corneliae punienclos mandatis plenissime cautum est 2 Gaius 1, 128: ex lege Cornelia aqua et igni interdicitur. 3 Paulus 5, 23, 1 : lex Cornelia poenam deportationis infligit . . . quae . . . facinora . . . poena capitis vindicari placuit. 5, 29, 1 : lege Iulia maiestatis . . . antea in perpetuum aqua et igni inter dicebatur, nunc vero . . . capite puniuntur. 4 Vgl. den letzten Abschnitt dieses Buches.

944

Fünftes Buch.

Die Strafen.

schuldung wie wegen anderer Vorgänge (S. 239) sind Willkürmassregeln, für welche das römische Recht keinen Massstab, das römische Gemeinwesen kaum eine Abhülfe hat. Unter dem Principat ändert und bessert sich dies insofern, als einestheils den Localbehörden, wie es scheint, bald und durchgängig das Recht über Leben und Tod genommen wird (S. 120. 238), andrerseits die dafür eintretende Gerichtsbarkeit der Statthalter unter einiger Controle der Regierung und in Anlehnung an die für die stacltrömischen Gerichte aufgestellten Satzungen sich einigermassen den für die Bürger geltenden Ordnungen nähert, endlich die thatsächliche Umwandlung des römischen zum Reichsbürgerrecht eingreift. Aber in welchem Grade auch dieses Strafverfahren noch arbiträr war, das zeigen die bithynischen, gallischen, africanischen Strafprozesse gegen die des Christenthums angeschuldigten Nichtbürger (S. 238).

Dritter Abschnitt.

Verlust der Freiheit· Den Verlust der Freiheit, die Umwandelung des römischen FreiheitsBürgers in einen unfreien Mann, kennen die öffentlichen Ordnungen e n t z ^ u n & der römischen Republik wohl bei schweren Schädigungen der Ge- Gemeindemeinde, insonderheit der Verletzung der Wehr- und der Dienst- w e g e n * pflicht und des internationalen Gesandtenrechts ; aber die in diesen Fällen eintretende Ahndung gehört nicht dem Strafrecht an, sondern der magistratischen Coercition, wie dies früher (S. 43 fg.) gezeigt ward, und tritt, wie es scheint, auch bei diesem überhaupt von festen Strafsätzen absehenden Verfahren auf nicht als principale, sondern als im Wege der Milderung anstatt der Todesstrafe eintretende Ahndung. Wenn in dieser Weise eine Person in das Eigenthum des Staates übergeht, so pflegt dieser das Verbleiben des früheren Freien als Unfreien in der Gemeinde durch Verkauf in das Ausland zu verhindern; ja bei dem internationalen Frevel wird geradezu von Gemeindewegen der Frevler der verletzten Gemeinde übereignet. Da im öffentlichen magistratisch-comitialen Verfahren niemals, auch nicht im Wege cler Milderung der Capitalstrafe, die Freiheit aberkannt ward und da in cler voll entwickelten Republik jene Formen der Coercition nicht als Judication gelten können, so durfte der Römer die Freiheit bezeichnen als durch richterlichen Spruch unverlierbar 1 . Das Privatstrafrecht dagegen hat den Freiheitsverlust als Freiheit·eigentliches Strafmittel zugelassen, den des Diebstahls überwiesenen Freien dem Geschädigten zum vollen Eigenthum zugesprochen recht. 1 Die Ausführung Ciceros (pro Caec. 34) ist allerdings insofern sophistisch, als er die Coercition erwähnt und zu beseitigen versucht.

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

60

Fünftes Buch.

946

Die Strafen.

(S. 751 A. 2) ; auch ist dieser nicht genöthigt sich desselben durch Verkauf in das Ausland zu entäussern, da die Gemeinde dies wohl für ihre eigenen Unfreien anordnen kann, aber nicht für den eines Bürgers. Im Zwölftafelgesetzbuch wird diese Befugniss des Geschädigten nur noch zugelassen gegen den auf frischer That gefassten Dieb (S. 751 Α. 2). Aber das römische Selbstgefühl liess das Recht der Gemeinde dem Bürger die Freiheit zu entziehen selbst bei erwiesenem Verbrechen nicht gelten und hat in früh republikanischer Zeit auch diesen Fall des Diebstahls unter die mit Geld lösbaren Delicte gezogen. Damit ist der Freiheitsverlust aus dem Strafrecht definitiv beseitigt 1 . — Die Unfähigkeit das Lösegeld zu zahlen führt allerdings auch nachher noch die Addiction herbei; aber diese jeden zahlungsunfähigen Schuldner treffende Verknechtung ruht nicht auf dem Delict und ist keine Strafe, sondern zeitweilige Suspension der persönlichen Selbständigkeit, jederzeit durch Erfüllung der Verbindlichkeit lösbar und keineswegs Verlust der Freiheit. zurückfühDiese Ausführung gilt von dem vollfreien Römer. Der Freiing der gelassene ist erst allmählich und auch dann nur mit gewissen Bene^inVie schränkungen dem Freigebornen gleichgestellt worden 2. Die unvollunfreiheit. kommene Freilassung — und anfänglich ist jede Freilassung nothwendig unvollkommen — ist ihrem Wesen nach widerruflich. Die spätere consolidirte und formell als vollgültig anerkannte Freilassung ist dies nicht; aber auch bei ihr ist die Zurückführung des Freigelassenen in die Unfreiheit nicht so unbedingt ausgeschlossen wie die Umwandelung des Freigebornen in einen Sclaven. Allerdings erfahren wir aus republikanischer Zeit von derartigen Vornahmen nichts; aber wahrscheinlich nicht ohne Anlehnung an ältere Rechtssätze und Gerichtspraxis wird unter dem Principat dem Frei1 Dies ist auch für die Zwölftafeln selbst von deren Interpreten geschehen, indem diese die Addiction des auf der That ergriffenen Diebes nicht als Addiction zum Sclaven fassten, sondern als Addiction zum Schuldknecht: utrum servus efficeretur ex addictione, sagt Gaius 3, 189, an adiudicati loco constitueretur> veteres quaexebant (S. 751). Die letztere Auffassung ist rechtlich unmöglich, da die Schuldknechtschaft einen gerichtlich festgestellten Schuldbetrag fordert, durch dessen Leistung der Schuldner sich lösen kann, was bei der Zwölftafelklage wegen furtum manifestum fehlt; aufgestellt aber ist sie in derselben Tendenz, welche bei Cicero (S. 945 A. 1) sich geltend macht, die Unverlierbarkeit der Freiheit nicht bloss für die Gegenwart zu behaupten, sondern als von jeher gegeben durch die republikanischen Ordnungen. 2

Die Rechtsstellung der Freigelassenen ist dargelegt im St. R. 3, 420 fg.

Dritter Abschnitt.

Verlust der Freiheit.

947

gelassenen, wie dies im vorigen Buch ausgeführt worden ist, wegen Anmassung des Ritterrechts (S. 858 A. 1), wegen Bannbruchs (S. 853), wegen Undankes gegen den Patron (S. 855) die Rückversetzuug in den Sclavenstand angedroht. Verwandt ist der dem Freigebornen in den Ordnungen dieser Epoche angedrohte Freiheitsverlust für den Fall der simulirten Unfreiheit zum Zweck des betrügerischen Verkaufs (S. 854) und des Contuberniums der freien Frau mit einem fremden Sclaven gegen den Willen seines Herrn (S. 854). Selbständige Strafe ist die Aberkennung der Freiheit auch unter Freiheitsdem Principat nicht. Aber eine principielle Neuerung knüpft s i e / ^ 8 p ^ r in schroffem Gegensatz zu der republikanischen Rechtsordnung, an cipat als BeffUltstraf e die Verurtheilung des Freien zum Tode 1 und an die beiden vornehmsten Fälle der im vierten Abschnitt erörterten Verwendung des Verurtheilten für die öffentlichen Arbeiten, die Verurtheilung zur Bergwerksstrafe 2 und zur Einstellung in die Fechtschule8. Ueber das Aufkommen dieser Rechtsbestimmung sind wir nicht unterrichtet; wahrscheinlich hängt sie zusammen mit Tiberius Einführung der Bergwerksstrafe 4. Wenn ein derartiges Urtheil die Rechtskraft beschreitet 5, tritt serm* der Verurtheilte in das Eigenthum des Staats ein; zum Unter- p o e n a e ' schied von den anderweitig dem Staat gehörigen Sclaven bezeichnen 1

Dig. 28, 1, 8, 4. tit. 3, 6, 6. 29, 2, 25, 3. 48, 19, 12. 1. 29. tit. 20, 5 pr. Dagegen verknüpft eine Verordnung vom J. 333 (C. Th. 1, 32, 1) mit der Todesstrafe den Verlust des römischen Bürgerrechts. 2

Paulus 3, 6, 29. Dig. 28, 1, 8, 4. 29, 2, 25, 3. 34, 8, 3 pr. 48, 19, 8, 4. 8. 1. 17 pr. 1. 36. 49, 14, 12. Tertullian apol. 27. Die beiden Kategorien des'Bergwerks' und der 'Bergwerksarbeit* werden hierin gleichgestellt (Dig. 48, 19, 8, 6. 1. 17. 50, 13, 5, 3). Justinian hat nov. 22 c. 8 die servitus poenae (wohl nicht bloss hinsichtlich der Ehe, sondern allgemein) für die Bergwerksstrafe aufgehoben. 3

Dies ist bezweifelt worden, wenn dieser Spruch nicht das Todesurtheil in sich schloss, wird aber von Ulpian bejaht Dig. 48, 19, 8, 11. 12. 4 Dass die Schärfung der Interdiction durch die Entziehung des Bürgerrechts im J. 23 von Tiberius eingeführt ward, wird weiterhin gezeigt werden. Da diese Strafe nur auf Personen aus den besseren Ständen anwendbar ist, so liegt die Vermuthung nahe, dass die Bergwerksarbeit, welche bei gleichem Delict regelmässig die Geringeren trifft, und die damit verbundene Entziehung der Freiheit gleichzeitig eingeführt worden sind. Das älteste positive Zeugniss dafür ist der Erlass Hadrians Dig. 28, 3, 6, 6. 6

Dig. 28, 3, 6, 6. 48, 19, 12. 60*

948

Fünftes Buch.

Die Strafen.

die Rechtsgelehrten ihn als Strafsclaven, servus poenae1. Damit scheidet er aus seiner Familie und seinen ehelichen Verhältnissen aus 2 . Seine Habe fällt mit der Person an den Staat, worauf wir bei der Vermögensconfiscation zurückkommen, und er ist fortan unfähig Vermögen zu haben und unter Lebenden oder von Todeswegen vermögensrechtlich zu verfügen 8. 1

Die Aeusserungen Dig. 34, 8, 3 pr.: poenae servus est, non Caesaris (vgl. 48, 19, 17 pr.) und 49, 14, 12: magis poenae quam fisci servos gehen nicht auf das Rechtsverhältniss, sondern auf die Benennung; Augusti servus ist in dem betreffenden Kreise eine auszeichnende Titulatur und die Caesariani sind angesehener als die Masse der Plebejer (S. 577 A. 4). Verglichen werden kann der Gegensatz der vornehmen und der geringeren kaiserlichen Geschäftsführer, der procuratores Augusti und der procuratores schlechtweg. Rechtlich wird der servus poenae durchaus als kaiserlicher Sclave behandelt, nur dass der Kaiser was jenem im Testament hinterlassen wird anzunehmen verschmäht (Dig. 34, 8, 3 pr. § 1. 49, 14, 12). 2 Inst. 1, 12, 3. Nov. 22 c. 8. 8 Dig. 28, 1, 8, 4. tit. 3, 6, 6. 29, 2, 25, 3. 34, 8, 3, 1. Ausgenommen ist das dem Unfreien gegebene Alimentenlegat (Dig. 34, 8, 3 pr.).

Vierter Abschnitt.

Einstellung in öffentliche Anstalten. Die Zwangsarbeit ist dem republikanischen Strafrecht unbekannt und unter dem Principat aufgekommen, vielleicht zusammen mit der Deportation im J. 23 durch Tiberius eingeführt worden (S. 947 A. 4). Wir können die Entwickelung nicht verfolgen; in dem spätem System erscheint der Arbeitszwang als eines der wichtigsten Strafmittel in dreifacher Abstufung, als Bergwerk, lebenslängliche Zwangsarbeit und Zwangsarbeit auf Zeit 1 . Die Bergwerksstrafe wird als die schwerste nach der Todes- BergwerksStrafe betrachtet 2 und wie dieser geht ihr von Rechtswegen die s t r a f e * Geisselung voraus 8. Sie wird nur auf Lebenszeit erkannt, und wenn etwa eine Befristung hinzugefügt sein sollte, nicht als Bergwerksstrafe im Rechtssinn behandelt4. Es ist mit ihr, wie dies 1 Die Gliederung tritt am deutlichsten hervor in der Bestimmung, dass bei dem Ausbruch von Strafgefangenen (custodiae) der auf Zeit Verurtheilte das Doppelte der rückständigen Zeit oder auch lebenslänglich in Haft bleibt, der auf Lebenszeit Verurtheilte Bergwerk erhält, der Bergwerksgefangene niederen Grades den schwereren, derjenige der höheren den Tod (Dig. 48, 19, 8, 6. 7. 1. 28, 14. 50, 13, 5, 3). 2 Paulus 5, 17, 2. Dig. 48, 19, 28 pr. Daher können auf Bergwerk ebenso wie auf den Tod nur die Statthalter erkennen, nicht ihre Legaten (Dig. 1,

18, 6, 8).

3 Dig. 48, 19, 10 pr. 49, 14, 18, 2. Cod. Theod. 2, 14, 1. 7, 18, 8. 16, 5, 40, 7. Auch in den cyprianischen Briefen (S. 950 A. 6) wird sie erwähnt. 4 Es geht dies schon daraus hervor, dass bei der Bergwerksstrafe die Zeitdauer regelmässig nicht erwähnt wird, wie dies bei dem opus publicum meistens geschieht. Ausdrücklich sagt Hadrian Dig. 48, 19, 28, 6: in opus metalli ad tempus damnari nemo debet und fügt hinzu, dass die Verurtheilung

Fünftes Buch.

950

Die Strafen.

schon ausgeführt worden ist (S. 947 A. 2), der Verlust der Freiheit von Rechtswegen verbunden mit seinen nothwendigen vermögensrechtlichen und sonstigen Consequenzen. Als Muster 1 hat dabei vermuthlich Aegypten gedient, wo die Bergwerksarbeit seit alter Zeit von verurtheilten Verbrechern beschafft ward 2 . Die Arbeiter werden als Strafsclaven des Staates behandelt; sie unterliegen der Brandmarkung 3 und der Schur des halben Haupthaars 4, auch der Züchtigung in der bei Unfreien hergebrachten Weise5. Ihre Arbeit thaten sie in Ketten 6 und unter militärischer Aufzur Bergwerksarbeit auf Zeit die Freiheit nicht aufhebe und nicht als Verurtheilung in metallum angesehen werden darf. Ebenso wird Dig. 48, 19, 8, 8 bei der in ministerium metallicorum verurtheilten Frau cler Verlust der Freiheit dann ausgeschlossen, wenn das Urtheil auf Zeit lautet. Demnach wird der Verurtheilung zum Bergwerk ad biennii tempus in der constantinischen \'erordnung C. Th. 1, 5, 3 dieselbe ungenaue Redeweise zu Grunde liegen und müssen auch die Worte Dig. 48, 19, 23: sine praefinito tempore in metallum dato imperitia dantis decennii tempora praefmita videntur auf eine Verurtheilung bezogen werden, welche Bergwerksarbeit auf Zeit gleich der von Hadrian getadelten anordnet, die Frist aber nicht festsetzt. 1 Ueber die Localitäten und die sonstigen Einrichtungen des Grubenbaues in römischer Zeit ist im Strafrecht nicht zu handeln. Schwefel-, Salz(opus salinarum: Dig. 49, 15, 6), Kiesgewinnung steht rechtlich dem Bergbau gleich (Dig. 48, 19, 8, 8. 10), ebenso die Hiilfsverrichtungen für die Grubenarbeiten (Dig. 48, 19, 8, 8: in ministerium metallicorum feminae . . . damnari soient; 1. 28, 6). Wo es an Gelegenheit zur Grubenarbeit fehlt, wird der Verurtheilte an eine geeignete Stelle abgegeben (Dig. 48, 19, 8, 4), was indess nicht ohne generelles (so bei dem Stadtpräfecten: Dig. 48, 19, 8, 5) oder specielles kaiserliches Mandat geschehen sein wird. 2

σ&έντας

Diodor 3, 17: καϊ

τους

ot

κατά

βασιλείς

πόλεμον

της

Αϊγύπτου

τους

αίχμαλωτισ&έντας

Ιπϊ

κακουργ(%

. . . παραδιδόασι

χαταδικατ προς

την

Uebrigens begegnet die Zwangsarbeit in den Steinbrüchen auch in früher Zeit in Sicilien und Italien. του

χρυσού

μεταλλείαν.

8

Sueton Gai. 27. Pontius vita Cypriani 7. 47, 17. Marquardt Privatalterth. S. 184.

C. Th. 9, 40, 2 =

Iust. 9,

4 Artemidorus 1, 21: τούτο γαρ κάκεϊ παράσημόν ίστι τοις καταάικαζομένοις . Cyprian, ep. 76, 2: semitonsus. Marquardt a. a. O. S. 180. 8 6

Dig. 49, 14, 12.

Dig. 48, 19, 8, 6. Plinius ad Trai. 58. Daher werden die zum Grubenbau Verurtheilten auch, als Gefangene (custodiae) bezeichnet. (Dig. 48, 19, 28, 14.) Ein lebendiges Bild dieser Bergwerksarbeit geben die Briefe des karthagischen Bischofs Cyprianus an die in die numidischen Bergwerke von Sigus verschickten Christen und deren Antworten (ep. 76—79). Die Gefangenen tragen an den Füssen durch Querriegel (traversaria) verbundene Fesseln (compedes) ; sie schlafen in finsterem und von Gestank erfülltem Raum auf

Vierter Abschnitt.

Einstellung in öffentliche Anstalten.

951

sieht 1 ; die beiden Stufen, welche das Strafrecht ansetzt, "Bergwerk 5 (metallum) und 'Bergwerksarbeit' (opus metalli) 2 unterschieden sich hauptsächlich durch die schwereren oder leichteren Fesseln3 und ausserdem wohl durch strengere, oder mildere Behandlung der Strafgefangenen. Es kann der zu lebenslänglicher Zwangsarbeit Verurtheilte nach zehnjährigem Dienst, wenn er für die Arbeit nicht mehr brauchbar ist, seinen Verwandten zurückgegeben werden 4 ; indess geschieht dies offenbar nur, um sich der unbrauchbaren Leute zu entledigen und schliesst keine Aenderung des Personalstandes ein. Von Rücksichtnahme auf Geschlecht und Alter bei Zuerkennung dieser Strafe findet in den Gesetzen sich nichts 5 ; wohl aber ist sie gesetzlich beschränkt auf die Geringen 6 und namentlich auf die Unfreien 7 ; die im letzten Abschnitt dieses Buches näher entwickelte Strafungleichheit nach dem Stande der Verurtheilten findet ihren ältesten und festesten Ausdruck in dem alternativen Verhältniss cler Zwangsarbeit und der Deportation. Kaiserliche Willkür freilich hat auch Personen der eximirten Kategorien in die Bergwerke geschickt 8 .

dem nackten Boden; die dürftige Kleidung wehrt nicht dem Frost, das knappe Brot nicht dem Hunger; der Gebrauch des Bades ist ihnen versagt. 1 Die ägyptischen Inschriften geben zahlreiche Belege für die militärische Leitung der Grubenarbeiten. 2 Opus metalli: Dig. 48, 19, 8, 4. 12. 1. 11. 1. 17 pr. 1. 28, 6. 49, 16, 3, 1. 50, 16, 5, 3. Die Verurtheilung auf opus ohne Beisatz ist leichter, wie weiterhin gezeigt wird. 3 Dig. 48, 19, 8, 6. 50, 13, 5, 3. 4 Dig. 48, 19, 22. 6 Auch Frauen unterliegen der Strafe (Dig. 48, 19, 8, 8. 28, 6. 49, 15, 6. Cod. 9, 47, 9). Die ägyptischen Könige verwendeten in den Gruben Frauen, Kinder und Greise (Diodor 3, 12). β Dig. 47, 20, 3, 2. 48, 19, 9, 11 fg. tit. 28, 5. 50, 13, 5, 3. C. Th. 7, 18, 1. An keiner Stelle der Rechtsbücher werden Standespersonen dieser Strafe unterworfen; Dig. 47, 12, 11 sind die Worte aut in metallum damnantur nach adficiuntur zu stellen und Dig. 48, 19, 38 pr. ist poena metalli aut (nicht et) exilii zu schreiben. Befreit von dieser Strafe sind Soldaten (Dig. 49, 16, 3, 1) so wie Veteranen und Veteranenkinder (Dig. 49, 18, 3. Cod. 9, 47, 5). 7 Paulus 5, 22, 2. tit. 30Β, 2. Dig. 48, 18, 17, 3. tit. 19, 8, 12. 1. 33. Cod. Th. 8, 5, 17. 9, 10, 4. tit. 17, 1. 12,1, 6. 14, 10, 4. 16, 5, 40, 7. Cod. 9, 47, 11. Dahin gehört die Verurtheilung des Sclaven Callistus, des späteren Papstes, durch den Stadtpräfecten (S. 272 A. 3). 8 Sueton Gai. 2 (S. 952 Α. 2). In diocletianischen Erlassen gegen die Neugläubigen (S. 576 A. 4) wird neben schwereren auch diese Strafe vorgesehen. — Der zur Bergwerksarbeit verurtheilte bithynische Lehrer der Philosophie

952

Zwangsarbeit.

Fünftes Buch.

Die Strafen.

Gleichartig, aber minder schwer ist die Verurtheilung zu öffenti^her Arbeit l . Es werden darunter die Arbeiten verstanden, welche regelmässig dem unfreien Gesinde obliegen, Strassenbesserung, Kloakenreinigung, der Dienst in den öffentlichen Bädern 2 und bei den Pumpen 8 , in der Spätzeit auch die Arbeit in den öffentlichen Bäckereien 4, und besonders bei Frauen, diejenige in den kaiserlichen Webereien 5. Arbeitsgefangene sind auch diese Individuen, obwohl Flavius Archippus (Plinius ad Trai. 58) gehört zu keiner der eximirten Kategorien. 1 Opus publicum: Paulus 2, 19, 9. 3, 4 A , 9. 5, 3, 5. tit. 4, 8. tit. 17, 2. tit. 18, 1. tit. 30, 1. Dig. 47, 9, 4, 1. 48, 19, 8, 7. 1. 10 pr. 1. 28, 1. 1. 34 pr. 49, 16, 3, 1. tit. 18, 3. Cod. 9, 47, 5. Opus: Plinius ad Trai. 37: quidam vel in opus damnati vel in ludum similiaque his genera poenarum. Coll. 11, 7, 1. 11, 8, 3 ( = Dig. 47, 14, 1, 3, wo item operis nicht zu ändern ist). Dig. 47, 21, 2. 48, 19, 10, 2. —- Verschieden ist opus metalli (S. 951 A. 2). — Gleichbedeutend sind, da die Zwangsarbeit die Haft einschliesst (Dig. 48, 19, 28, 14), die vincula publica (Dig. 11, 5, 1, 4: in lautumias vel in vincula publica. Dig. 48, 19, 28, 7. Paulus 5, 21, 1) oder clie vincula schlechtweg (Paulus 5, 17, 1. Big. 48, 19, 7. 1. 8, 13. 1. 33); insbesondere die Stelle 48, 19, 8, 13: sive in perpetua vincula fuerit damnatus servus sive in temporalia, eius remanet cuius fuit antequam damnaretur zeigt, dass das «Gefängniss5 rechtlich nichts ist als die mit der Zwangsarbeit verbundene Haft. Wenn Paulus 5, 17, 1 bei Aufzählung der Strafmittel opus publicum und vincula neben einander nennt, so darf vielleicht daran gedacht werden, dass bei kurzer Haft der Arbeitszwang leicht zurücktritt oder wegfällt. 2 Sueton Gai. 27 unter den Willkürmassregeln : multos honesti ordinis .. . ad metalla et munitiones viarum . . . condemnavit. Plinius ad Trai. 31. 32 berichtet, dass in verschiedenen bithynischen Städten die zur Zwangsarbeit (in opus vel in ludum similiaque his genera) Verurtheilten missbräuchlich für die den Gemeindesclaven obliegenden Verrichtungen verwendet würden und als solche Kostgeld empfingen; Traian antwortet, dass diese Individuen ihrer rechten Strafe zuzuführen seien, ausser wenn die derartige Beschäftigung zehn Jahre oder länger gedauert habe: dann sollten sie in ihrer Stellung bleiben, aber für niedere Verrichtungen (ea ministeria quae non longe a poena sint), Strassenbesserung, Kloakenreinigung, Dienst in den öffentlichen Bädern verwendet werden. 8 Sueton Tib. 51: equestris ordinis viro . . . in antliam condemnato. 4 Constantin C. Th. 9, 40, 3: ex levioribus causis .. . ergastulis vel pistrinis esse dedendos atque ad urbem Romam . . . mittendos. Ebenso C. Th. 9, 40, 5. c. 6. c. 7. c. 9. 14, 17, 6. Auch in andere Zwangskörperschaften sind in dieser Weise Verurtheilte eingestellt worden (C. Th. 8, 8, 4. 9, 40, 9). 6 Lactantius de mort. 21 : matres familias ingenuae ac nobiles in gynaeceum rapiebantur. Sozomenus h. eccl. 1, 8: γυναιχείοις ή λινυφίοις νπηρ(τ€ϊν. In den Erlassen vom J. 336 C. Th. 4, 6, 2. c. 3 ordnet Constantin an, dass ein von Licinius mit einer Unfreien gezeugter und dann durch kaiserlichen Erlass legitimirter Sohn wieder zum Sclavenstand degradirt, gezüchtigt und gefesselt an das Gynaeceum in Karthago (not. dign. Occ. 11, 53) abgegeben werden solle.

Vierter Abschnitt.

Einstellung in öffentliche Anstalten.

953

die gegen ihr Entweichen getroffenen Massregeln sich nicht feststellen lassen, vielleicht überall nach Art der Arbeit örtlich geregelt waren. Diese Strafe wird gegen den Unfreien nicht ausgesprochen, da sie nicht ihn, sondern nur seinen Herrn treffen würde 1 . Sie kann auf Lebenszeit erkannt werden und hebt in diesem Fall zwar nicht die Freiheit, aber das Bürgerrecht auf 2 . Häufig wird sie auf Zeit auferlegt und berührt alsdann den Personalstand nicht 8 . Die Geisselung ist regelmässig auch mit ihr verbunden 4. Auch zu diesen minder schweren Verrichtungen, als die Bergwerksarbeiten sind, werden Personen höheren Standes nicht verwendet 5. Die Abgabe des verurtheilten Verbrechers für die blutigen Volkslustbarkeiten, clie Thierhetzen und die Fechtspiele, ist wohl aufgekommen als eine der Executionsformen der Todesstrafe, wie dies früher (S. 925 A. 3) dargelegt worden ist, und in diesem Fall wird man es vermieden haben den Verurtheilten zum ernstlichen Kampf zu bestimmen, was bei den Thierhetzen ohne Schwierigkeit ausführbar und Regel war. Die Gladiatorenkämpfe dagegen, wo Mann gegen Mann stritt und ein gewisses Gleichgewicht zwischen den Kämpfern zum Wesen der Schaustellung gehörte, waren für diesen 1

Papinian Dig. 48, 19, 34 pr.: servus in opus publicum perpetuum et multo magis temporarium non datur; cum igitur per errorem in opus temporarium fuisset datus, expleto tempore domino servum esse reddendum respondi. Die Stelle zeigt sowohl das Motiv der Bestimmung wie auch, dass sie keineswegs streng durchgeführt ward. Eine motivirte Ausnahme findet sich Dig. 48, 19, 10 pr. Wo sonst von einer Verurtheilung des Sclaven zur Zwangsarbeit zweiten Grades auf Lebenszeit oder auf Zeit die Rede ist (Dig. 48, 19, 8, 13. 1. 33. Cod. 9, 47, 6. 10), liegen ähnliche Ausnahmefälle vor. 2 Dig. 48, 19, 17, 1. 1. 28, 6. Coll. 11, 7, 1. — Auch auf die Rechtsstellung des Sclaven hat diese Arbeitsstrafe keinen Einfluss (Dig. 48, 19, 8, 13); nur soll der Unfreie nicht während der Strafzeit zur Freiheit gelangen, wogegen dies nach Ablauf der Strafzeit zugelassen wird (Dig. 48, 19, 33: temporaria coercitio quae descendit ex sententia poenae est abolitio). 3 Auf zehn Jahre: Dig. 48, 19, 8, 7 — auf drei Jahre: Dig. 47, 9, 4, 1 — auf zwei: Dig. 47, 21, 2 — auf eines: Paulus 5, 18, 1 — ohne Zeitbestimmung Paulus 5, 20, 6. Coli. 11, 7, 1. c. 8, 3 (wo item operis nicht geändert werden darf). Dig. 48, 19, 28, 1 muss vom opus publicum auf Zeit verstanden werden. Auch die missbräuchlich (S. 949 Α. 4) zur Bergwerksarbeit auf Zeit Verurtheilten müssen hieher gerechnet werden. 4 Dig. 48, 19, 7. B Sueton Tib. 51 (S. 952 Α. 3). Gai. 27 (S. 952 A. 2). Soldaten, Veteranen und \reteranenkinder sind auch hievon befreit (Dig. 49, 16, 3, 1. tit. 18, 3. Cod. 9, 47, 5).

Fünftes Buch.

954

Die Strafen.

Zweck weniger geeignet ; wenn auch die verwirkte Todesstrafe durch den Sieg nicht von Rechtswegen aufgehoben ward und ebenfalls von Rechtswegen die Begnadigung weder von dem Spielgeber noch von den Zuschauern, sondern lediglich von dem Kaiser gewährt werden konnte, so ist diese dennoch den Obsiegenden ohne Zweifel häufig zu Theil g e w o r d e n D i e s hat, verbunden mit der hohen Schätzung der Fechtkunst bei den Römern und ihrer kunstmässigen Ausbildung in den Fecht- und Jagdschulen (ludi), dazu geführt, dass, wir wissen nicht seit wann, aber sicher bereits im ersten Jahrhundert n. Chr. 2 überwiesene Verbrecher, die sich dazu eignen 3 , im Strafweg an diese Schulen abgegeben und ihnen, falls sie nicht auf dem Kampfplatz bleiben, Schonung des Lebens in Aussicht gestellt wird. Die Abgabe erfolgt entweder an die öffentlichen Anstalten dieser Art, wie es deren in der Hauptstadt mehrere gab, oder auch an die in Vorbereitung bevorstehender Volksfeste von den Ausrichtern derselben errichteten privaten, in welchen neben den gewerbsmässig dem Kampfspiel sich widmenden oder gewidmeten Freien und Unfreien die Verbrecher häufig genannt werden 4. Der Schwere nach steht diese Strafe mit der Bergwerksstrafe niederen Grades auf einer Linie 5 und ist, wie diese, rechtlich mit dem Verlust der Freiheit verbunden (S.947 A. 3) ; aber der Verurtheilte kann nach gewissen Spielregeln innerhalb bestimmter Fristen sich von der Kampf1 Die bei der Feier der Trockenlegung des Fucinersees verwandten Fechter, sämmtlich Verbrecher (sontes) wurden, so weit sie den Kampf überlebten, von Kaiser Claudius alle begnadigt: occidioni exempti sirnt (Tacitus ann. 12, 56). Wenn in der Provinz die Zuschauer bei einer solchen Schaustellung für den Verbrecher wegen seiner Stärke oder Geschicklichkeit Begnadigung erbitten, so darf der Statthalter zwar diese nicht gewähren, soll denselben aber nach Rom senden, wo der Kaiser ihn begnadigen kann (S. 926 A. 4). 2 Plinius ad Trai. 31. 3

Dig. 48, 19, 8, 11: soient iuniores hac poena adfici.

4

Vita Hadriani 17. Appuleius met. 4, 13. Die kleinasiatischen Inschriften (zusammengestellt ephem. epigr. 7 p. 403) nennen mehrfach Sammtgräber der Fechter und Jäger der Volksfeste vorbereitenden Magistrate oder Priester, beispielsweise von Aphrodisias C. I. Gr. 2759 b: φαμιλία Ζτνων[ος] άρχκρέως μονομάχων xai καταδίκων καϊ ταυροκα\&απτών\ wo ständig neben den eigentlichen Gladiatoren die Verurtheilten genannt werden. Eben darauf führt die Inschrift von Peltuinum C. I. L. IX, 3437: hic ob honorem quin(quennalitatis) spectaculum glad(iatorium) triduo dedit et noxios quatt(u)or. 6

Plinius ad Trai. 31.

Paulus 5, 17, 2. tit. 23, 4.

C. Th. 15, 12, 1.

Vierter Abschnitt.

Einstellung in öffentliche Anstalten.

955

pflicht frei schlagen und sogar sich vollständig befreien 1. — Die Fechterkämpfe wurden von Constantin I. gemissbilligt 2 und allmählich eingeschränkt 3, dann schliesslich von Honorius verboten 4 ; die Thierhetzen aber sind geblieben und insofern hat die Institution selbst noch unter Justinian fortbestanden 5. Während der Christenverfolgungen sind ehrbare Frauen im Strafweg in die öffentlichen Bordelle eingestellt worden 6. Dem Anschein nach aber ist dies nicht allgemeine Anordnung gewesen, sondern auf den Uebereifer einzelner Beamten zurückzuführen. 1 Nach drei Jahren kann er sich die ruclis erstreiten, nach fünf den pilleus, die Freiheit. Coli. 11, 7, 4. 2 Constantin im J. 325 C. Th. 15, 12, 1, geändert und gesteigert wiederholt Cod. Iust. 11, 44, 1. Unmöglich kann, wie Gothofredus meint, Constantin ein Gesetz bloss für den Orient erlassen haben; aber sein Erlass ist viel mehr tadelnd als verbietend. 8 Die Christen (C. Th. 9, 40, 8) und die Hofleute (C. Th. 9, 40, 11) wegen eines Vergehens in die Fechtschulen einzustellen hat im Occident Valentinian I. verboten. 4 Vgl. die Notiz der Chroniken zum J. 399 (chron. min. vol. 1 p. 755) und die Ausführungen von Gothofredus a. a. 0. und von Usener rhein. Mus. 1882 S. 479. 5 So z. B. Dig. 48, 19, 8, 11, wo der in den ludus venatorius nicht passende Waffentänzer (pyrricharius) ein Ueberrest ist des herauscorrigirten ludus gladiatorius. 6 Tertullian apolog. 50: proxime ad lenonem damnando CJmstianam potius quam ad leonem; vgl. de monogamia 15. Cyprianus de mortal. 15: virgines . . . lupanaria non timentes. Martyrium des Pionius c. 7: at μη ini&vovaai é/ç noQvüov ϊστανται. Eusebius h. e. 8, 14, 14 fg., de mart. Pal. 5, 3; Prudentius peristeph. 14: passio Agnetis virginis ; Ambrosius de virginibus 2, 4; Augustinus de civ. dei 1, 26; Basilius de virg. 52 (vol. 2 p. 174 Migne).

Fünfter Abschnitt·

Verlust des Bürgerrechts. Persönliche Freiheit auch derjenigen Nichtbürger, die keinem von Rom anerkannten Staate angehören, ist ein den Römern seit alter Zeit geläufiges und scharf entwickeltes Rechtsverhältniss. Mag immer in den Anfängen der staatlichen Entwickelung die Person bei mangelndem Bürgerrecht dem jagdbaren Wild und dem herrenlosen Sclaven gleich geachtet worden sein, so liegen diese Zustände vor der geschichtlichen Epoche; das römische Recht stellt, für uns von jeher, den Begriff des freien Nichtbürgers auf, dem die an die staatliche Zugehörigkeit geknüpften Personalrechte, zum Beispiel Ehe und Testament, mangeln (S. 117), aber Rechtsschutz und Yerkehrsrecht in vollem Umfang zukommen wie dem Bürger (S. 107). Am bestimmtesten tritt diese Rechtsstellung auf bei den Angehörigen der von Rom aufgelösten Gemeinwesen, insoweit dieselben weder zu Bürgern noch zu Sclaven gemacht werden, den Campanern der republikanischen, den Juden der Kaiserzeit 1 . Für das Strafrecht kommt dieses Rechtsverhältniss insoweit in Frage, als einem römischen Bürger durch staatliche Ordnung wegen eines Delicts das Bürgerrecht unter Belassung der Freiheit entzogen wird 2 . Indess kennt das Recht diese Ent1

St. R. 3, 139 fg. Meine Ausführung über die Rechtsstellung der Juden nach Vespasian in Sybels histor. Zeitschrift 64 (1890) S. 422 fg. Das gleiche Personalverhältniss kommt in der Kaiserzeit den dediticischen Freigelassenen zu; indess ist dasselbe, wie auch die Behandlung der Campaner zeigt, wohl gegen Individuen, nicht aber gegen Personenklassen durchführbar, und so werden denn auch diese Freigelassenen beerbt, als wären sie römische Bürger oder Latiner (Gaius 3, 74). 2 Ulpian 11, 12: media capitis deminutio dicitur, per quam sola civitate amissa libertas retinetur, quod fit in eo cui aqua et igni inter dicitur. Dig. 2, 4,

Fünfter Abschnitt.

Verlust des Bürgerrechts.

957

Ziehung als unmittelbar erkannte Strafe nicht 1 , wohl aber als Rechtsfolge geknüpft nach dem Recht der Republik an die schwerste Kategorie des Staatsverbrechens, die Perduellion, nach dem der Kaiserzeit als Begleitstrafe der Deportation und der lebenslänglichen Strafarbeit. 1. Ueber die mit der Perduellion verknüpfte Ausscheidung Perdneiiion. aus der Bürgerschaft ist bei deren Behandlung sowohl im Gebiet der Coercition (S. 53 fg.), wie auch im magistratisch-comitialen Prozess (S. 592) hervorgehoben worden, dass diese Strafthat aufgefasst wird, als Eintritt des Thäters unter die Landesfeinde und dass dieser Uebertritt selbst zwar durch magistratischen oder comitialen Gerichtsspruch constatirt werden muss, das Bürgerrecht aber angesehen wird nicht eigentlich als vom Gericht aberkannt, sondern als von dem Bürger aufgegeben im Moment der That. Auf die wichtigen daran sich knüpfenden vermögensrechtlichen Consequenzen wird bei der Confiscation zurückzukommen sein. 2. Die von Sulla in das römische Strafrecht eingeführte Ver- Deportation, bannung unter capitaler Bestrafung des Bannbruchs hat der Kaiser Tiberius im J. 23 n. Chr. geschärft durch den Verlust des Bürgerrechts 2 . Regelmässig, obwohl nicht nothwendig wird dem also Verbannten ein Zwangsdomicil angewiesen und danach die Interdiction als Deportation bezeichnet. Der Verlust des Bürgerrechts ist hier rechtlich an das Strafurtheil geknüpft oder vielmehr an die Vollstreckung desselben, die Abführung nach dem Verbannungsort 8 . Selbstverständlich kann die Entziehung des Bürgerrechts nicht anders eintreten als auf Lebenszeit4. Es ist mit ihr Verio, 6: per poenam deportationis ad peregrinitatem redactus. 35, 1, 104. 48, 22, 6 pr. 1. 15. Daher απόλιόες, id est sine civitate bei Marcianus Dig. 4», 19, 17, 1 und Ulpian Dig. 32, 1, 2, Sie werden zu den peregrini gezählt (Gaius 1, 90. 128), da dieser Begriff nicht positiv die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staat ausspricht, sondern negativ das Fehlen des römischen so wie des latinischen Bürgerrechts. — Dass nach Callistratus (Dig. 50, 13, 5, 3) der Deportirte nicht das Bürgerrecht verliert, sondern die Freiheit, ist mit allen übrigen Zeugnissen in Widerspruch. 1 Vereinzelte Ausnahmen finden sich in der Spätzeit; so droht Constantin (Ç. Th. 3, 30, 4) dem ungetreuen Vormund, falls er zur Ersatzleistung nicht im Stande ist, mit dem Verlust des römischen Bürgerrechts. 2

D i o ep. 57, 22 z u m J. 2 3 :

άπππε

de ο Τιβέριος

τοϊς

πυρός

καϊ

νδατος

Also verlor der Exi-, lirte und Interdicirte damals das Recht, ein römisches Testament zu errichten — das greifbarste Kennzeichen der römischen Civität. 3 Dig. 48, 19, 2, 1. 4 Dig. 48, 22, 7, 2. c. 17, 2. είρχ&εΐύι

μη

άιατί&εσ&αι'

καϊ

τούτο

καϊ

νυν

φυλάττεται.

Fünftes Buch.

958

Die Strafen.

mögensconfiscation, wenn auch mit gewissen Beschränkungen, wie in dem betreffenden Abschnitt zu zeigen sein wird, von Rechtswegen verbunden, ja es ist diese der eigentliche Zweck dieser Strafe und der Gruncl, wesshalb sie nur gegen Standespersonen zur Anwendung kommt unci bei geringen Leuten und Unfreien dafür Zwangsarbeit eintritt 1 . Die Vermögens- und die Verkehrsfähigkeit bleibt dem Deportirten 2 ; aber diejenigen privatrechtlichen Acte sind ausgeschlossen, welche ausserhalb des römisch-internationalen Privatrechts liegen und für deren Vornahme ein vom römischen Staat anerkanntes Gemeinderecht gefordert wird. Die Entziehung der Civität nimmt ihm das Recht die bürgerliche Toga zu tragen 3 und bedingt sein Ausscheiden aus der vollrechtlichen Ehe 4 und aus den Hausgewaltverhältnissen 5, da jene wie diese auf beiden Seiten das Bürgerrecht voraussetzen. Weiter verliert er das Recht der Freilassung 6, da diese nur auf Grund eines Gemeinderechts vollzogen werden kann. Endlich kann er weder erben 7 noch beerbt werden 8 , überhaupt von Todeswegen weder erwerben noch vergeben; sein Testament, mag es vor oder nach der Deportation errichtet sein, ist nichtig und sein Nachlass fällt als herrenloses Gut an den Staat 9 . Zwangs3. Wie die Deportation lässt die Zwangsarbeit zweiten Grades, arbeit, ^as heisst die auf Lebenszeit ausgesprochene, dem Verurtheilten zwar die Freiheit, welche bei derjenigen ersten Grades, der Berg1

S. 951. Daher ist die Geisselung wohl mit der Zwangsarbeit von Rechtswegen verbunden, in besserer Zeit aber nicht mit der Deportation, obwohl in der Spätzeit auch dies vorkommt (C. Th. 14, 3, 21. 16, 5, 21. c. 53. c. 54. c. 57). 2

Dig. 48, 19, 17, 1: ut ea quidem, quae iuris civilis sunt, (deportati) habeanty quae vero iuris gentium sunt, habeant. tit. 22, 14, 3. 1. 15. 3

Plinius ep. 4, 11: carent togae iure quibus aqua et igni interdictum

non est.

4

Die Fortdauer der Ehe nach der Deportation (Dig. 24, 1, 13, 1. Cod. 5, 16, 24, 2. tit. 17, 1) ist, bezogen auf das kein Conubium fordernde matrimonium iniustum (S. 693), folgerichtig. 6

Gaius 1, 128 ( = Inst. 1, 12, 1). Inst. 1, 16, 6.

6

Dig. 48, 22, 2.

7

Eine Ausnahme macht auch hier das Alimentenlegat.

8

Dig. 48, 22, 16.

Dio ep. 57, 22 (S. 957 A. 2). Dig. 28, 1, 8, 1. 32, 1, 2. Vgl. Ulpian 20, 14: testamentum facere non potest . . . qui dediticiorum numéro est, quoniam nec quasi civis Romamis testari potest , cum sit peregrinus, nec quasi peregrinus, quoniam nullius certae civitatis civis est, ut secundum leges civitatis suae testetur. 9

Dig. 48, 20, 7, 5. tit. 22, 15 pr.

Cod. 9, 49, 2.

Fünfter Abschnitt.

Verlust des Bürgerrechts.

959

werksstrafe verwirkt wird, nimmt ihm aber das Bürgerrecht (S. 953 A. 2) und versetzt den Bestraften in die soeben geschilderte Rechtsstellung. Diese Strafe wird, wie gezeigt ward, weder gegen Unfreie (S. 953 A. 1) noch gegen Vornehmere erkannt, sondern lediglich gegen Freie niederen Standes (S. 953 A. 5). Die Intestabilität, welche von der Entziehung des Testirrechts ausgehend der Aberkennung des Bürgerrechts im Strafweg nahe kommt, ist bei den Ehrenstrafen behandelt.

Sechster Abschnitt.

Gefängniss. Das Gefängniss (carcer), welches mit der Fesselung (vincula) rechtlich zusammenfällt, insofern jeder Eingesperrte zwar nicht gefesselt ist, aber von Rechtswegen gefesselt werden kann 1 , ist als Coercitionshaft zur Brechung des Ungehorsams (S. 48) und als Untersuchungshaft zur Sicherstellung des Strafverfahrens (S. 300 fg.) in den früheren Büchern erörtert worden. Hier bleibt, da die Schuldhaft nur für clas Privat- und das Fiscalrecht in Betracht kommt 2 , zu handeln von der Executionshaft zur Sicher1 S.301, Carcer und vincula sind rechtlich synonym. Mit Recht sagt Callistratus (Dig. 4, 6, 9): etiam inclusos veluti lautumiis vinctorum numéro hoheri placet, quia nihil intersit, parietibus an compedibus teneatur. Die Gefängnissordnung und vor allem das Belieben der beikommenden Magistrate und Subalternen führe wohl zur factischen Verschiedenheit, aber begründe keinen rechtlichen Gegensatz. Wenn im Gegensatz dazu Ulpian (Dig. 50, 16, 216) sagt: verum est eum qui in car cere clusus est non videri neque neque cin vinculis> esse, nisi corpori eius vincula sint adhibita, so bezieht sich dies, wie die Inscription zeigt, auf die Anordnung des aelisch-sentischen Gesetzes, dass die servi a dominis poenae nomine vincti nicht zu vollem Recht freigelassen werden könnten, und dafür genügte die blosse Einsperrung des Unfreien natürlicher Weise nicht. — Fesselung ohne Einsperrung (S. 301 A. 2) scheint allerdings wenigstens späterhin vom Gefängniss unterschieden worden zu sein; vermuthlich ist die Schuldknechtschaft der späteren Zeit also behandelt worden. Die Einsperrung war dabei ausgeschlossen (Alexander Cod. 7, 71,1 : qui bonis cesserint . . . non sint liberati; in eo enim tantum hoc beneficium eis prodest, ne iudicati detrahantur in carcerem), die Fesselung gestattet (Gellius 20, 1, 51: addict namque nunc et vinciri multos videmus , quia vinculorum poenam deterrimi homines contemnunt ; Ulpian Dig. 4, 6, 23 pr.: privata vincula ). Anders kann auch der Gegensatz von in carcere contineri und in vinculis contineri Dig. 48, 19, 8, 9 (S. 963 Α. 2) nicht verstanden werden. 2 Auf den Schuldkerker beziehen sich die Anordnungen hinsichtlich des carcer privatus. Dass dem Gläubiger gegen den iudicatus auch in der Kaiser-

Sechster Abschnitt.

Gefängniss.

961

Stellung des Strafvollzugs und von der Strafhaft, so weit von einer solchen im römischen Recht allenfalls die Rede sein kann. Die Executionshaft knüpft sich von jeher mit rechtlicher ExecutionsNoth wendigkeit an das Todesurtheil; wenn der Verurtheilte bis h a f t dahin auf freiem Fuss sich befunden hat, so wird er nun gebunden1 und, falls die Vollziehung nicht sofort eintreten kann, bis zu dieser in dem Kerker gehalten2. In der republikanischen Epoche wird dafür die Rechtskraft des Todesurtheils gefordert, also bei eingelegter Provocation der Angeschuldigte nicht als verurtheilt angesehen 8 ; unter dem Principat ist die Executionshaft vorgeschrieben schon nach der Verurtheilung in erster Instanz 4 und sogar schon nach dem Geständniss5. Der Kerker ist zunächst dazu bestimmt die zur Hinrichtung stehenden Delinquenten aufzunehmen und aufzubewahren. Da aber die Zeitbestimmung von dem Ermessen des Magistrats abhängt und gesetzliche Maximalfristen für dieselbe so gut wie gar nicht bestehen (S. 192), so ist damit die Möglichkeit gegeben, und es ist davon mehrfach Gebrauch gemacht worden, durch Unterlassung der Vollstreckung die Todesstrafe thatsächlich in Gefängniss auf Lebenszeit umzuwandeln6. Bei anderen schweren zeit eine amtliche Freiheitsbeschränkung zustand, ist vorher bemerkt worden; aber die oft erwähnte Unsitte, dass der mächtige Mann (potentior) gegen Geringere seiner Forderungen wegen sich der Selbsthülfe bedienend sie einsperrt, wird in den Rechtsbüchern als Missbrauch bezeichnet (Dig. 4, 6, 9. 48r 19, 28, 7). In dem ägyptischen Edict des Tiberius Alexander wird die Einsperrung des Schuldners in das Schuldgefängniss (το πραχτόρειον) dem Fiscus gestattet, aber dem Privatgläubiger untersagt (C. I. Gr. 4957 Z. 15fg.). Auch dem Gemeindeschuldner gegenüber mag sie zulässig gewesen sein (vgl. S. 885 Α. 1. S. 963 A. 3). Von Theodosius I. wird der carcer privatus in Anwendung auf Angeklagte unter das Majestätsgesetz gezogen (C. Th. 9, 11, 1). Allgemein hat Zeno denselben untersagt (Cod. 9, 5, 1). 1 Diese Fesselung schildert für die Frühzeit die Horatierlegende. In der Kaiserzeit wird sie erwähnt bei Dio 58, 3: τον στρατηγον τον όησοντα αύτον χαϊ προς τον τ ι μ ω ρ ί α ν άπάξοντα und nachher: άησας τινά τών εταίρων, ferner Tacitus ann. 14, 64: restringitur vinclis. Natürlich kann davon nach Umständen Abstand genommen werden. 2 Die Einsperrung des durch Säckung hinzurichtenden Muttermörders Malleolus schildern die Schrift ad Her. 1, 13, 23 und nach ihm Cicero de inv. 2, 50. Cicero Verr. 5, 45, 117: includuntur in carcerem condemnati. 8 Dies zeigt die Horatierlegende. 4 Dig. 28, 3, 6, 7. 48, 19, 27, 2. C. Th. 11, 30, 2 ( = Iust. 7, 62, 12). Indess genügt häufig die Verbürgung: Cod. 7, 62, 6, 3. 6 Dig. 48, 3, 5. tit. 4, 4 pr. 6 Belege dafür, namentlich das Verfahren gegen den Q. Pleminius und das von Caesar gegen die Catilinarier vorgeschlagene sind St. R. 3, 1069 A. 3. B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

61

962

Fünftes Buch.

Die Strafen.

Verurtheilungen, wo der Fluchtversuch nahe lag, knüpft sich an dieselbe regelmässig ebenfalls die Verhaftung 1 . Verwendung Im Strafweg kommt das Gefängniss hauptsächlich in AnhäusHchen wendung bei Sclavendelicten. Der in früher Zeit von den Griechen seiavenhaft übernommene Arbeitszwinger, das ergastulum ist eine wirtschaftliche Einrichtung und hat die Bestrafung nicht zum Zweck; aber bei der ausgedehnten clisciplinarischen Anwendung der Einsperrung in der Hauszucht (S. 23 A. 2, S. 301 A. 3), namentlich hinsichtlich der Unfreien wird, auch abgesehen von dem Arbeitszwinger, ein Sclavenkerker oder eine diesem entsprechende Einrichtung in keinem grösseren Hauswesen gefehlt haben2. Dieser Umstand in Verbindung mit der Erwägung, dass bei der Bestrafung des schuldigen Sclaven es billig ist den nicht schuldigen Eigenthümer möglichst wenig in Mitleidenschaft zu ziehen hat sicher von jeher dazu geführt, dass der Magistrat, bei dem das Sclavendelict zur Verhandlung kam, wenn die Schwere desselben es irgend zuliess, dem Hausherrn freistellte die Bestrafung desselben durch Einsperrung in clen Hauskerker auf Zeit oder für immer zu übernehmen8. Verpflichtet zu solchem Erbieten ist der Strafrichter nicht und sicher ist es nur gemacht worden, wenn das Gericht sich für die Ausführung der übernommenen Verpflichtung auf clen EigenS. 1250 A. 1 verzeichnet. Das Gleiche ist geschehen bei Todesurtheilen wegen Selbstverstümmelung zur Vermeidung des Wehrdienstes (Val. Max. 6, 3, 3) und wegen Päderastie (Val. Max. 6, 1, 10). Auch in der Kaiserzeit kommt dies vor (S. 913 A. 1). Die Umwandlung eines auf Deportation lautenden und bereits ausgeführten Strafurtheils in stadtrömische Haft (Tacitus ann. 6, 3: retrahitur in u/rbem custoditurque domibus magistratuum) ist ein einzeln stehender Gewaltact des Tiberius. 1 Deportation: Verhaftung bis zum Eintreffen der kaiserlichen Entscheidung (Dig. 48, 22, 6, 1). — Schwere Relegation Dig. 48, 22, 7, 1: militi tradendus est relegatus. Die Stellung unter einen Soldaten ist ein milderes Verfahren als die Inhaftirung (S. 317). 2 Die in dieser oder ähnlicher Weise von dem Herrn bestraften Sclaven bilden bekanntlich eine besondere hinsichtlich der Freilassung zurückgesetzte Kategorie (Gai. 1, 13 und sonst). 8 S. 898. Macer Dig. 48, 19, 10: ex quibus (causis) liber fustibus cäesus in opus publicum datur, ex his servus sub poena vinculorum ad eius temporis spatium flagellis caesus domino reddi iubetur. Paulus 5, 18, 1. Dig. 40, 1, 5. 48, 19, 38, 4. Ist dem Herrn die Verpflichtung ohne Zeitbestimmung auferlegt, so gilt sie als übernommen auf Lebenszeit (Cod. 9, 47, 10). Eine Milderung lag hierin der Regel nach schwerlich. Eine Angeklagte giebt sich vor Gericht einen falschen Natnen, um nicht, wie in einem früheren Prozess, ihrem Herrn ausgeliefert zu werden (mart. Pionii c. 9.).

Sechster Abschnitt.

Gefängniss.

963

tliümer glaubte verlassen zu können. Andrerseits steht es auch dem Eigenthümer frei, diese Uebernahme abzulehnen. Es wird dies alsdann angesehen als Verzicht auf sein Eigenthum und es pflegt die öffentliche Aufforderung zu folgen sich zur Uebernahme des Sclaven zu melden mit der Verpflichtung zu entsprechender Iiihafthaltung. Bleibt dies ohne Erfolg, so wird der Sclave zur Zwangsarbeit auf Lebenszeit verurtheilt 1 . Die öffentliche Strafhaft kennt weder das Recht der Republik noch dasjenige cler Kaiserzeit; noch im justinianischen Recht wird ein gerichtliches Erkenntniss auf zeitweiliges oder lebenslängliches Gefängniss bezeichnet als nicht unerhört, aber unzulässig2. Indess ist der Ausschluss der Freiheitsstrafe aus dem Strafsystem des Principats in der That nur nominell. Die — mit eigentlicher Einsperrung allerdings nach den römischen Lebensgewohnheiten nicht wohl verträgliche — Zwangsarbeit schliesst, wie wir sahen (S. 950. 952), die Hafthaltung ein und wird sogar in ihren beiden minderen Graden, der öffentlichen Arbeit auf Lebenszeit und derjenigen auf Zeit, nicht selten als Fesselung (vincula publica) bezeichnet (S. 952 A. 1), wie denn auch, namentlich bei der Verurtheilung auf kürzere Z e i t 3 , die Freiheitsstrafe dabei mehr hervorgetreten sein wird als die Strafarbeit. Im formellen Sinn ist allerdings auch dein spätesten Recht noch die Gefängnissstrafe fremd. 1 Macer Dig. 48, 19, 10 pr.: si sub poena vinculorum domino reddi iussus non recipiatur, venumdari et si emptorem non invenerit, in opus publicum et quidem perpetuum dari iubetur. Vgl. S. 953 A. 1. 2 Dig. 48, 19, 8, 9: soient praesides in carcere continendos damnare aut ut in vinculis contineantur, sed id eos facere non oportet, nam huiusmodi poenae interdictae sunt; carcer enim ad continendos homines, non ad puniendos haberi debet. 48, 19, 35. Cod. 9, 47, 6: incredibile est quod adlegas liberum hominem, ut vinculis perpetuis contineretur, esse damnatum; hoc enim vix in sola servili condicione procedere potest . Cod. 9, 47, 10. 3 Beispielsweise soll nach Justinian Cod. 9, 5, 2, wer jemand in Privathaft hält, eben so viele Tage, wie er dies gethan hat, in das öffentliche Gefängniss eingesperrt werden. Nach dem Localstatut von Mylasa aus severischer Zeit (Bull, de corr. hell. 1896 Bd. 20 S. 536) soll der Unfreie, welcher gegen die Wechslerordnung verstösst, von seinem Herrn, falls dieser nicht vorzieht die den Freien im gleichen Falle treffende Geldstrafe zu entrichten, der städtischen Behörde ausgeliefert und von dieser gegeisselt und in dem Schuldgefängniss (το πραχτόραον) sechs Monate gefangen gehalten werden.

61*

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung. Der cAussprung°, clas exilium cler republikanischen Zeit, der itÎIpu^Hkf- Austritt des römischen Bürgers aus der Gemeinde verbunden mit nischer Zeit. dem Wechsel des Wohnorts, ist, wie im ersten Buch entwickelt worden ist, ein Act des Einzelnen, nicht cler Gemeinde, am wenigsten ein Strafact 1 , wohl aber unter Umständen ein Mittel, sich den persönlichen Folgen eines bevorstehenden Strafurtheils zu entziehen (S. 68 fg.). Die Untersagung von Dach, Wasser und Feuer, interdictio teeto aqua igni ist, wie dort ebenfalls gezeigt wurde (S. 72fg.), in vorsullanischer Zeit cler magistratische oder auch comitiale Beschluss, durch den clie römische Gemeinde sich eines Nichtbürgers ein für allemal entledigt, ihm das Betreten des römischen Gebiets bei Todesstrafe (S. 936) untersagt. Dieses Verbot kann gegen den ausgetretenen Bürger, den exul gerichtet werden, gegen den Bürger als solchen nicht. Ein Strafurtheil ist es nicht, sondern ein \7erwaltungsact. Die rdef/atio Nicht zunächst aus dem Exilium und der Interdiction hat sich in nt ^ f · die in dem Strafrecht der Kaiserzeit eine wichtige Rolle spielende w g Ausweisung und Internirung entwickelt, sondern aus cler Relegation, Austritt und

1

Ciceros Worte (S. 61 A. 2): exilium nulla in lege nostra reperietur sollen aussprechen, dass es als Strafe in den Gesetzen nicht vorkommt. Als Rechtsbegriif, zum Beispiel bei der causa exilica (Festus ep. p. 81), fehlt es natürlich darin nicht. Als Strafe kennt dasselbe kein Bericht aus älterer Zeit, nur dass in der Coriolanlegende Dionysius (7, 64. 8, 1) das Plebiscit verkehrter Weise auf ewige Verbannung gestellt hat. Auch die kurze Fassung bei Livius 2, 35, 6: (Coriolanus) cum clie dicta non ade s set. . damnatus absens in Volscos exulatum abiit ist insofern incorrect, als das Exilium erscheint als Folge der Verurtheilung.

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung.

965

ursprünglich einem administrativen Act ohne rechtlich pönalen Charakter. Die relegatio 1 ist die obrigkeitliche Beschränkung der freien Wahl des Aufenthaltsorts, sei es durch den Befehl, eine gewisse Oertlichkeit zu verlassen und nicht mehr zu betreten, die Ausweisung, sei es durch den, sich an eine gewisse Oertlichkeit zu begeben und diese nicht zu verlassen, die Internirung 2 . Von ihr wird auch in dem späteren Strafrecht diese Strafe allgemein benannt, obwohl meistens die Unterarten derselben, insbesondere die schwerste, die deportatio ihr entgegengesetzt und die allgemeine Bezeichnung vorzugsweise von den minder schweren, einer Sonderbenennung entbehrenden Kategorien gebraucht wird 3 . Das Wort exilium wird dafür wohl auch, aber nicht eigentlich technisch gesetzt; der Gebrauch desselben hat in Folge der Umgestaltung der Strafordnung sich verschoben. Den ursprünglichen, dem Wortsinn entsprechenden neutralen Werth, den einfachen Austritt, kennt schon die spätere Republik nicht mehr 4 ; exul ist immer tadelnd, 1

Die ältere Bezeichnung dafür ist wohl exterminare gewesen; aber dieses Wort, im allgemeinen Sprachgebrauch geblieben (Cicero pro Sest. 13, 30 und sonst), ist dem juristischen fremd. 2 Relegare ist wohl zunächst von der Ab- und Ausweisung der Gesandten gebraucht worden; aber in diesem durch die Wortbildung nahe gelegten Sinn können wir es nicht belegen. Im juristischen Sprachgebrauch bezeichnet relegare sowohl die Ausweisung wie die Internirung, jene als relegare ex loco, diese als relegare in locum (wo für in locum auch wohl der Genitiv eintritt: insulae relegatio Marcianus Dig. 48, 19, 4 ; insulae deportatio Ulpian 48, 22, 6 pr.). Eben dieses bezeichnet in Beziehung auf die Provinzialverhältnisse Ulpian 1. X de officio proconsulis (Dig. 48, 22, 7 pr.): relegatorum duo genera sunt: [sunt] quidam , qui in insulam relegantur, sunt qui simpliciter, ut provinciis eis interdicatur, non etiam insula adsignetur. Von den drei Graden der Relegation bei Marcianus Dig. 48, 22, 5: exilium triplex est: aut certorum locorum interdictio, aut lata fuga, ut omnium locorum interdicatur praeter certum locum , aut insulae vinculum, id est relegatio in insidam bezeichnet der erste die Ausweisung, der zweite und der dritte die Internirung entweder in einem weiteren Bezirk oder auf einer Insel (S. 973 A. 8). Die Ausweisung im Gegensatz zur Internirung wird das liberum exilium der vita Marci 26 sein. 8 Relegare steht bei den Historikern nicht selten für das mehr technische depoiiare (Tacitus ann. 3, 68; Plinius ep. 4, 11). Die Juristen fassen wohl die deportatio als eine Kategorie des relegatio, setzen aber gewöhnlich beide, die letztere also in engerem Sinn einander entgegen. 4 Am schärfsten zeigt sich dies bei Cicero pro Balbo 12, 29; civi Romano licet esse Gaditanum sive exilio sive postliminio (wenn der kriegsgefangene und durch Freilassung zum römischen Bürger gewordene Gaditaner in seine Heimath zurückkehrt) sive reiectione huius civitatis. Der einfache Austritt ist also kein exilium.

Fünftes Buch.

966

Die Strafen.

wird aber von jedem mit Rücksicht auf ein Strafverfahren Austretenden gebraucht, sowohl von dem Verbrecher, der die Anklage zu fürchten hat 1 wie auch von dem Angeschuldigten, der den persönlichen Folgen cler Verurtheilung auszuweichen in die Verbannung geht 2 , wie endlich und vor allem von dein durch Gerichtsspruch bei Strafe des Bannbruchs Ausgewiesenen8. Es wird also in dem späteren Gebrauch bei dem exilium die Verbannung lediglich äusserlich in das Auge gefasst und die schwer wiegende rechtliche Verschiedenheit ignorirt, die von Rechtswegen auf das gesammte Reichsgebiet sich beziehende und die ebenfalls von Rechtswegen auf einen Theil desselben beschränkte Verbannung mit demselben Wort bezeichnet, ebenso zusammengefasst die freiwillige, wenn auch widerwillige Auswanderung und die vom Gesetz vorgeschriebene Ausweisung, die Verbannung vor clem Rechtsspruch und die durch den Rechtsspruch 4; obwohl allerdings in besserer Zeit die letztere überwiegt unci in diesem Sinn das gerichtliche exilium cler administrativen relegatio entgegengesetzt wird 5 . Ein Begriff dieser Art ist wohl für die Erzählung geeignet, aber rechtlich unbrauchbar 6. In der That finden wir das Wort vor allem bei den 1

In diesem Sinn setzen es die catilinarischen Reden. In diesem Sinn braucht Cicero es von Verres 3, 88, 205. 5, 17, 44; die Verurtheilung wegen Repetunden nach dem cornelischen Gesetz kann nicht auf Verbannung gelautet haben, aber bei hoffnungslosen Prozessen greifen die Angeschuldigten zum Exil, quia rolunt poenam aliquam subterfugere {S. 69 A. 2). 3 So heisst es in der (wahrscheinlich unter Sullas Dictatur verfassten) Schrift ad Her. 2, 28, 45: quasi non omnes, quibus aqua et igni interdictum est, exules appellentur und bei Paulus Dig. 48, 1, 2: exilium . . . est aquae et ignis interdictio. Ebenso braucht Cicero in der Regel das Wort für die poena damnati (de domo 27, 72. 31, 83), sowohl allgemein (parad. 4, 31: seelerati. . . quos leges exilio adftci volunt), wie von der Verurtheilung wegen Giftmordes, die nach Sullas Gesetz mit Interdiction bestraft wird (pro Cluentio 10, 29: quem leges exilio, natura morte multavit, vgl. 67, 175), von der Strafe des Ambitus nach dem tullischen Gesetz (pro Mur. 23, 47. 41, 89. pro Plancio 3, 8. 34 , 83), von derjenigen des pompeischen Gesetzes über die Ermordung des Clodius (pro Mil. 37, 101). In diesem Sinn heisst auch Cicero exul (de domo 31, 83). Bei der Restitution der exides kommen die durch Gerichtsspruch Verbannten immer wenigstens in erster Reihe in Betracht. 4 Das zeigt deutlich die \rergleichung von Polybius 6, 14 mit den späteren Angaben Sallustius Cat. 51, 22: aliae leges condemnatis civibus non animant eripi, sed exilium permitti iubent. 51, 40. Asconius in Mil. ρ. 54. 6 Ovidius trist, 2, 137 (vgl. 5, 11, 21): edictum . . . in poenae nomine lene fuit , quippe relegatus, non exul dicor in illo. 6 Dasselbe gilt von dem zu exilium gleichsam als Zeitwort gehörenden Worte eicere: es steht ebenso häutig von der bloss factischen Verdrängung aus 2

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung.

967

nicht juristischen Schriftstellern, aber auch in den Rechtsquellen für jede Kategorie der Freiheitsstrafen von der Deportation bis zur geringfügigsten Relegation verwendet und es bedarf in jedem einzelnen Fall näherer Bestimmung1. Es wird darum in der folgenden Darstellung von demselben kein Gebrauch gemacht. Durch die Ordnungen der sullanischen unci cler früheren Kaiser- Die sullazeit ist die Aufenthaltsbeschränkung unter die Strafmittel eingetreten und in vierfacher Abstufung eines cler wichtigsten und liehen häufigsten Strafmittel geworden. ^SST" 1. Relegation ohne Veränderung des Personalstancles, ohne Capitalstrafe für die Uebertretung und ohne Internirung. 2. Relegation ohne Veränderung des Personalstancles und ohne Capitalstrafe für die Uebertretung, aber mit Internirung, gewöhnlich bezeichnet als relegatio in insulam. 3. Relegation ohne Internirung, aber mit Capitalstrafe für den Bannbruch, gewöhnlich bezeichnet als interdictio aqua et igni ; anfänglich ohne Veränderung des Personalstandes, seit Tiberius geschärft durch clie Entziehung des Bürgerrechts und Vermögensconfiscation. 4. Relegation mit Internirung und mit Capitalstrafe für den Bannbruch unter Entziehung cles Bürgerrechts und Confiscation cles Vermögens, eingeführt von Tiberius, bezeichnet als Transportirung, deportatio. Die Entwickelung dieser Strafkategorien soll nun dargelegt werden. der Stadt in der Art, wie sie Cicero gegen Catilina anwandte, wie von der rechtlichen Relegation (Cicero de 1. agr. 1, 4, 13) und der mit dem Prozess verknüpften Verbannung, immer aber tadelnd und gehässig (Cicero in Cat. 3, 2, 3). Eicere hat nie technische Geltung gehabt, exilium hat sie eingebüsst. 1 Die Historiker brauchen exilium· gewöhnlich für die Deportation, und insofern diese an die Stelle der Interdiction tritt, entspricht dies der Sprachweise der späteren Republik; aber es steht auch für jede andere Art von Verbannung (z. B. Tacitus ann. 1, 77). In der gleichen Weise wird auch bei den Juristen sowohl die schwere Strafe der Deportation mit diesem Wort bezeichnet (Paulus S. 966 A. 3; Isidor orig. 5, 27, 28: dividitur exilium in relegatis et deportatis) wie auch die leichten Freiheitsstrafen; wo es gegensätzlich erscheint, wird exilium, wie relegatio, vorzugsweise für die letzteren verwendet. Sammtbegriif im Gegensatz zur Deportation: Ulpian Dig. 48, 19, 6, 2; Marcianus Dig. 48, 22, 4. 5. — Für Ausweisung im Gegensatz zur Internirung (relegatio in insulam): Paulus 5, 22, 5. — Ausweisung aus dem Stadtbezirk im Gegensatz zu der relegatio aus der Provinz: Paulus 5, 4, 11. tit. 17, 2 (vgl. S. 971 A. 4). — Ausweisung auf Zeit Dig. 47, 10, 41.

968

Fünftes Buch.

Die Strafen.

Steigerung Die Relegation gehört wie alle Coercitionsformen in erster administra- Reihe der Hauszucht an, in welcher Beziehung die Verweisung des tiven Haussohns aus dem Stadthaus auf das Land öfter erwähnt wird Relegation, ^g j ^ j F r a u e n die Ausweisung aus der Stadt Rom und der Umgegend (S. 19 A. 2). Die obrigkeitliche Relegation haben als Ausfluss und Kennzeichen des vollen Imperium die römischen Magistrate von je her gegen Nichtbürger wie gegen Bürger ausgeübt1. Dem Nichtbürger gegenüber 2 ist sie lediglich durch Zweckmässigkeitsrücksichten bedingt. Gewendet gegen den römischen Bürger ist die unmotivirte Ausweisung des unbescholtenen Mannes ein Missbrauch der Amtsgewalt (S. 48), aber keine Verletzung des Gesetzes. Bescholtene Bürger dagegen in der Aufenthaltsfreiheit zu beschränken, insbesondere sie aus der Hauptstadt auszuweisen ist nicht bloss magistratisches Recht, sondern cassirten Soldaten, criminell Verurtheilten und ähnlichen Kategorien gegenüber magistratische Pflicht, zum Theil gesetzliche Vorschrift (S. 48 A. 1). Gerichtlich ist in republikanischer Zeit niemals auf Relegation erkannt worden. Unter dem Principat ist dieselbe in das Strafsystem eingetreten; indess auch in dieser Epoche hat sie bis zu einem gewissen Grade den administrativen Charakter bewahrt. Die Regierung und die Magistratur schalten mit clen Modalitäten in freiester Weise und während der Rechtsspruch von clem Beamten, der ihn gefällt hat, nicht abgeändert werden kann, ist dies bei der Relegation wenigstens in traianischer Zeit noch zugelassen worden 3. Die gesteigerten Grade dagegen, die Interdiction und mehr noch die Deportation sind, wie weiterhin gezeigt wird, in der sullanischen und der Folgezeit als eigentliche Criminalstrafen eingeführt worden. Ausschluss Die Relegation ist nur im öffentlichen Strafrecht anwendbar gationÎi U ü ( i n u r g e S e n Freie, da dem Unfreien die freie Wahl des Aufentden un- haltsortes abgeht. In ständischer Hinsicht ist die Ausweisung Beseht ë e ë e n jedermann zur Anwendung gekommen und namentlich in kung der den niederen Stufen als Ausweisung auf Zeit und Ausweisung aus ^wTdte* dem Stadtbezirk vorzugsweise gegen geringe Leute gebraucht Wohlhabenden.

1 Als dazu zu seiner Zeit befugte Behörde nennt Ulpian (Dig. 48, 22, 14, 2) den Kaiser, den Senat, das heisst das consularisch-senatorische Gericht, die Präfecten (des Prätorium und der Stadt), die Statthalter, nicht aber die Consuln, abgesehen von ihrem Senatsvorsitz. 2 Relegare bezeichnet immer negativ die Untersagung des Aufenthalts in Rom; von der Anweisung an den Nichtbürger in seine Heimath zurückzukehren (redire, exire), wird relegare nie gebraucht. 3 Plinius ad Trai. 56.

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung.

969

worden, wesshalb auch nicht selten mit ihr die Züchtigung verbunden wird 1 . Die Internirung dagegen hat, mag sie als Relegation oder als Deportation auftreten, da clie Ausführung cles Ortswechsels nicht dem Staat, sondern dem Verurtheilten obliegt und clie Anweisung eines Zwangsclomicils an mittellose Individuen ohne Belastung cles Staats nicht wohl ausführbar ist, nicht leicht anders als gegen Personen besseren Standes und einigen Vermögens Anwendung gefunden, wesshalb sie in clen Strafgesetzen häufig auf solche beschränkt wird, während geringere Leute bei gleicher Verschuldung zur Bergwerksarbeit verurtheilt werden 2. Es wird im letzten Abschnitt dieses Buches darauf zurückzukommen sein. — In den niederen Stufen ist die Relegation eine der leichteren Criminalstrafen ; auf Lebenszeit ausgesprochen, vor allem mit Internirung als Deportation, gehört sie zu den schweren 3, obgleich sie der Todesstrafe gegenüber natürlich strafmildernd eintritt 4 . 1

Die magistratische Relegation fordert nähere Bestimmung theils dem Orte, theils der Zeit nach. Die örtliche Begrenzung der magistratischen Relegation be- Ortsgrenze ruht in erster Reihe auf der Competenz cles relegirenden Magi- ga d t ^ n Re J e u ' s strats. Demnach ist römische Relegation nur möglich innerhalb Weisung, des römischen Gebiets unci sie kann gegenüber den formell unabhängigen Bundesgemeinden, in Italien bis auf den Bundesgenossenkrieg, ausserhalb Italiens so lange an ihrer rechtlichen Souveränetät überhaupt festgehalten wurde, nicht wirksam gewesen sein, wofern nicht etwa besondere Staatsverträge eingegriffen haben. Aber auch auf das Sammtgebiet hat die Ausweisung des römischen Bürgers sich nicht erstrecken können, weil diesem, der ja aus jedem Nach1 Paulus 5, 21, 1. Dig. 47, 9, 4, 1. Cod. 8, 10, 12, 9. Häufig im Edict Theoderichs (Dahn Könige 4, 115). 2 Beispielsweise wird C. Th. 1, 5, 3 angeordnet, einen Delinquenten, si patrimonii) circumfluit, unter Confiscation des halben Vermögens zwei Jahre auf eine Insel zu relegiren, quod si agrestis vitae sit aut etiam egentis, zu zweijähriger Bergwerksarbeit (S. 949 A. 4) zu verurtheilen. Aehnlich soll C. Th. 16, 5, 40, 7 wegen eines auf einem Grundstück begangenen Sacrilegium der Verwalter (actor vel procurator possessionis) zu lebenslänglicher Bergwerkstrafe verurtheilt, der Pächter, wenn er Vermögen hat (conductor, si idoneus est), deportirt werden. 3 Paulus 5, 17, 2. 4 Tacitus ann. 14, 28, 15, 7. Plinius ep. 4, 11 ( = Sueton Dom. 8). 8, 14 und sonst.

Fünftes Buch.

970

Die Strafen.

bargebiet in seinem ganzen Umfang ausgewiesen werden kann, irgend ein Wohnort nothwendig bleiben musste. Der Regel nach werden die städtischen Behörden die Ausweisung anfänglich auf die Stadt beschränkt unci clem ausgewiesenen Bürger das Verweilen im Gebiet freigegeben haben, wobei es dann nothwendig wurde eine Grenzlinie festzusetzen. Diese mag lange Zeit von Fall zu Fall bestimmt worden sein; über die älteren Gebräuche ist nichts überliefert. Nachdem Rom in Folge des Bürgerkrieges sein eigenes Territorium aufgegeben hatte oder, wie es auch ausgedrückt werden kann, ganz Italien als römischer Bürgersprengel organisirt war, wurden die Ausweisungen aus Rom nach clen Meilensteinen der verschiedenen von der Stadt auslaufenden Chausseen in einem je nach Umständen bemessenen Rayon abgegrenzt 1. Die dem Patron gestattete Ausweisung des unbotmässigen Freigelassenen bis zum 20. Meilenstein ist bei der Hauszucht erwähnt worden (S. 18 A. 2). Die Ausweisung bis zum 400. Meilenstein, clie auch vorkommt, fällt zusammen mit cler Ausweisung bis zu der Padusgrenze 2. Relativ alt ist auch wohl die allerdings erst in der Epoche des Principats erwähnte Ausweisung bis zum 100. Meilenstein, aus cler späterhin clie Competenzgrenze zwischen dem Stadt- und den Gardepräfecten sich entwickelt hat 3 . Auf clie überseeischen Statthalterschaften einschliesslich der 1

Ausweisungen mit derartiger Begrenzung begegnen schon in der letzten Zeit der Republik (A. 2) und sie werden in augustischer Zeit erwähnt als altherkömmlich: Tacitus ann. 2, 50 (vgl. S. 18 A. 2). 2 Cicero ad Att. 3, 4: in (rogatione) quod confectum (correctum Crat. nach ep. 2) esse audiehamus erat eiusmodi, ut mihi ultra quadringenta milia esse liceret : illoc [ut] pervenirem quo liceret (illoc pervenirem non licere die Hdschr., illoc pervenire non liceret Hirschfeld), statim iter Brundisium versus contuli ante diem rogationis. Er irrte in dieser Hinsicht; das Gesetz nannte vielmehr den 500. Meilenstein (Plutarch Cie. 32; Dio 38, 17), um den Verbannten auch von dem ganzen südlichen Italien auszuschliessen. Aber jene Grenze des 400. Meilensteines ist merkwürdig als Bezeichnung der Po-Linie; gemeint sind die Milien der flaminischen Strasse von Rom nach Ariminum und der aemilischen von Ariminum nach Placentia (214 + 176 = 390, wozu die des placentinischen Stadtbezirks nach Dertona zu hinzutreten). 3 S. 269. St. R. 2, 1076. C. Th. 16, 5, 62. Da für die Stadt Rom die Relegation überwiegend von dem Stadtpräfecten gehandhabt wurde, so ist wahrscheinlich aus der Sitte sie bis zum hundertsten Meilenstein zu erstrecken dessen Competenzgrenze hervorgegangen, nicht umgekehrt durch die Competenzgrenze die Ausweisung also beschränkt worden. Auch ist für die blosse Ausweisung eine derartige Lineargrenze angemessen, da es sich dabei lediglich um die Constatirung der Ueberschreitung handelt; als Verwaltungsgrenze ist sie ohne

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung.

971

italischen Inseln hat, schon in Folge jener Milienzählung, die hauptstädtische Ausweisung sich niemals erstreckt während jeder Beamte in seinem Sprengel die Ausweisung handhaben kann 2 , auch, da der Sprengel nur ein Reichstheil ist, sie auf den ganzen Sprengel erstrecken 3 . Engere Beschränkung insbesondere auf ein einzelnes Stadtgebiet kommt häufig vor und wird zuweilen der Relegation schlechtweg, das heisst der Ausweisung aus der Provinz als geringere Strafe entgegengesetzt 4 ; auch Betretung des Marktes 5 oder des Theaters 6 sind untersagt worden. So weit diese Anordnungen es zulassen, soll dem Relegirten die freie Wahl des Aufenthaltsorts nicht weiter beschränkt werden 7 . Eine wesentliche Steigerung der Relegation und von Haus aus interdiction gerichtlich erkannte Criminalstrafe ist die Relegation aus Italien 8 I t a h e n s · unter Androhung cler Capitalstrafe für den Fall des Bannbruchs, technisch, des letztern Moments wegen, bezeichnet als Untersagung von Wasser und Feuer, interäictio aqua et igni. Gegen Adaptirung an die Territorien unbrauchbar. — In der Spätzeit wird die Ausweisung bis zum 100. Meilenstein auch auf andere Städte übertragen (C. Th. 16, 2, 35; vgl. I)ig. 27, 1, 21, 2). 1 Cicero wurde der Aufenthalt in Sicilien, auch in Melite nicht durch das Gesetz untersagt, sondern durch den Statthalter (Cicero a. a. 0. und pro Plancio 40; Plutarch a. a. 0.; incorrect Dio a. a. 0.). Der Aufenthalt in der Provinz Macédonien fiel ebenso wenig unter das Gesetz; dass dieser Statthalter nicht so verfuhr wie der sicilische, dankt ihm der Redner (pro Plancio 41). 2 Sie ist schon in republikanischer Zeit nicht selten vorgekommen (St. R. 2, 1090) und in der Kaiserzeit ausserordentlich häufig. Combinirte Provinzen werden dabei als Einheit betrachtet (Dig. 48, 22, 7, 14). 3 Dig. 48, 22, 7, 7. 4 Paulus 5, 21, 1 unterscheidet die drei Grade civitate pellere, relegare, deportare, wo der zweite nur die Ausweisung aus der Provinz oder aus einem noch weiteren Bereich bezeichnen kann; anderswo 5, 17, 2 exilium, relegatio, deportatio, wo das exilium also die Ausweisung aus dem Stadtbezirk sein würde. Ebenso 5, 28: aut in exilium mittuntur aut ad tempus relegantur. 5 Dig. 1, 12, 1, 13. 6 Dig. 1, 12, 1, 13. 48, 19, 28, 3. 7 Cod. 9, 47, 26. 8 Julisches Municipalgesetz Z. 117: quei iudicio publico Romae condemnatus est erit, quocirca eum in Italia esse non liceat. Tacitus ann. 12, 7, 22. 14, 28. 41. 50. 15, 71. 16, 33. Ebenso verfuhr Augustus bei der administrativen Ausweisung des Schauspielers Pylades (Sueton Aug. 45). — Hiebei sind die wechselnden Grenzen Italiens nicht zu übersehen. Im J. 703/51 erscheint ein aus Italien Ausgewiesener in Ravenna (Caelius ad fam. 8, 1, 4); nach der Verbindung des cisalpinischen Galliens mit Italien wäre dies unzulässig gewesen.

Fünftes Buch.

972

Die Strafen.

den Ausländer, wie vorher bemerkt, von jeher in Gebrauch, ist sie, so viel wir wissen, in vorsullanischer Zeit gegen den Bürger niemals angewendet worden. Aber in der sullanischen Gesetzgebung erscheint sie als die Strafe für Majestätsverbrechen und Mord und ebenso wird sie in den späteren Strafgesetzen für Gewalt und Ambitus und sonst verwendet. Auf die ausserstädtischen Gerichte hat dieses Strafmittel nicht ohne Modificationen Anwendung finden können ; insoweit dies geschieht, ist wohl die Provinz an die Stelle getreten, welche in der städtischen Italien zukommt 2 . Landesverweisung kennt das römische Strafsystem nicht. — Unter dem Principat ist das strafrechtliche Relegationsgebiet für die städtischen wie für die ausserstädtischen Gerichte durch allgemeine Anordnungen wesentlich erweitert worden. Die Ausweisung aus irgend einer Provinz schliesst jetzt von Rechtswegen die Ausweisung aus Italien e i n 3 ; dessgleichen jeder auf Ausweisung aus Italien oder aus einem Provinzialsprengel lautende Gerichtsspruch die Ausweisung zugleich aus cler heimathlichen Provinz und derjenigen des Wohnorts, falls diese verschieden sind 4 . Endlich erstreckt sich jede Ausweisung von Rechtswegen auf die Oertlichkeit, in der zur Zeit der Kaiser 1

Ausdrückliche Zeugnisse für clie Einführung der criminellen Interdiction des Bürgers in das römische Strafrecht mangeln. Die älteste Erwähnung dürfte die in der (nach Marius Tode, auch wohl wegen 4, 52, 65 nach den Proscriptionen, wahrscheinlich unter Sullas Dictatur abgefassten) Schrift ad Her. 4, 8, 12 c. 39, 51 (vgl. c. 36, 48) sein: die Aufforderung an die Geschwornen einen Landesverräther auszustossen (4, 8, 12: ut eum . . . praeeipitem ex civitate proturbetis ; 4, 39, 51 : quare, iudices, eicite eum de civitate) kann nur auf die Verurtheilung zur Verbannung bezogen werden. — Angedroht wird diese in dem cornelischen Mord — (Gaius 1, 128 vgl. Paulus 5, 23, 1) wie in dem julischen Majestätsgesetz (Paulus 5, 29, 1). Weiter wird die Deportation bezeichnet als eingetreten anstatt der Interdiction (Ulpian (Dig. 48, 19, 2, 1: deportatio in locum aquae et ignis interdictionis successit; ebenso 48, 13, 3). Offenbar ist in der den iudicia publica zu Grunde liegenden Gesetzen durchgängig die interdictio aqua et igni als die höchste Strafe aufgetreten. 2 Es ist dies von keiner praktischen Bedeutung, wo die strafrechtliche Interdiction in die Internirung übergeht, wohl aber wo sie ohne Internirung zur Anwendung kommt. 3 Sueton Claud. 23: sanxit, ut. . . quibus a magistratibus provinciae inter dicerentur, urbe quoque et Italia summ over entur. I)ig. 48, 22, 7, 13. 15. 1. 13. Die Ausweisung aus einem einzelnen Stadtbezirk erstreckt sich auch auf Rom (und Italien), nicht aber umgekehrt (Dig. 48, 22, 7, 15). 4 Ulpian Dig. 48, 22, 10—13. Falls der Gerichtsort von dem Thatort verschieden sein kann, fügt der Jurist hinzu, tritt auch dieser noch hinzu (vgl. wegen des Gerichtsstandes S. 356).

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung.

973

sich aufhält 1 . — Immer aber ist daran festgehalten worden, dass die Ausweisung sich niemals auf das Gesammtreich erstrecken darf. Landesverweisung kennt das römische Strafrecht nicht. Wesentlich ist bei der sullanischen Neuerung nicht so sehr, dass die bei jeder Relegation selbstverständliche Bestrafung der Uebertretung hier zur capitalen gesteigert ist, als dass auf diesem Wege die bis dahin lediglich administrative Relegation mit rechtlich fester Ortsgrenze und an bestimmte Delicte geknüpft in das Strafrecht eingeführt worden ist. Aehnlich wie die Ausweisung entwickelt sich die zweite und Internirung. schwerere Form der Relegation, die Internirung. Anweisung eines Zwangsdomicils begegnet einzeln bereits in republikanischer Z e i t 2 ; häufig aber wird ihre Anwendung erst unter dem Principat. Sie steigert sich niemals bis zu eigentlicher Einsperrung, aber sie tritt auf zuweilen als Hausarrest 3 , häufig als Confinirung in einem Stadttheil oder einer Stadt oder einem Ortsbezirk 4 . Confinirung in Rom ist eine der wunderlichen Beliebungen des Kaisers Claudius 5 ; Confinirung in einer italischen Stadt hat Augustus angeordnet 6, ist aber später kaum ^vorgekommen. Vorzugsweise dienen für die Confinirung die zu dem Reich gehörigen Inseln und die ägyptischen Oasen7, weil bei diesen das Verbleiben in der angewiesenen Oertlichkeit am leichtesten sich überwachen liess. Confinirung 'in einem weiteren Kreise, zum Beispiel einer einzelnen Provinz ist auch vorgekommen, aber nicht häufig angewendet worden 8 . 1

Dig. 48, 22, 18 pr. 49, 16, 13, 3; vgl. Dig. 48, 22, 7, 18. Durch Senatsbeschluss vom J. 574/180 wird ein Kriegstribun wegen groben Militärvergehens in dem spanischen Binnenland internirt (Livius 40, 11, 10: ut M. Fui vins in Hispaniam relegaretur ultra novam Carthaginem). 3 I)ig. 48, 22, 9. 10. Die im zweiten Buch (S. 305) erörterte custodia libera fällt damit zusammen. 4 Dig. 48, 22, 7, 8. 9. Dio 55, 18: h νησον χαταχλεισ&εϊς ή χαϊ iv άγρφ πάλει τέ τινι. Der ägyptische Statthalter wird Cod. 9, 47, 26 angewiesen bei Relegation bis zu einem Jahr nach den Oasen zu verschicken oder auch nach Gypsos, wobei vielleicht an die Bergwerkarbeit gedacht ist, bei längerer Relegation aus der Provinz auszuweisen. B Sueton Claiul. 23: quosdam novo exemplo relegavit, ut ultra lapidem tertium vetaret egredi ab urbe. 6 So Lepidus in Circeii (Sueton Aug. 16). Vgl. S. 974 A. 2. 7 Dig. 48, 22, 7, 5. 8 Die von Marcian (S. 965 A. 2) bezeichneten zwei Grade der Internirung, die lata fuga ut omnium locorum interdicatur praeter certum locum und die relegatio in insulam sind wohl in dieser Weise aufzufassen, aber in der That nur 2

974

Deportation.

Fünftes Buch.

Die Strafen.

In das Strafrecht ist die Internirung durch Augustus und Tiberius eingeführt worden. Die in den Strafgesetzen angeordnete Ausweisung aus Italien hat Augustus der Internirung genähert, indem er den Ausschluss im Verwaltungsweg auf das gesammte Festland des Reiches erstreckt und die den Interdicirten bleibende Wahl des Wohnortes auf die Inseln beschränkt 1 , in einzelnen Fällen auch den Relegirten eine bestimmte Oertlichkeit und namentlich eine bestimmte Insel als Aufenthaltsort vorgeschrieben hat 2 . Schon in dieser Epoche erscheint die Internirung im Gegensatz zur Ausweisung auch in Straferkenntnissen 3. Aber erst unter Tiberius ist die Internirung in der Form namentlich der Deportation als selbständige Strafe in die Rechtsordnung eingetreten. Nachdem im J. 23 die Interdiction durch den Verlust des Bürgerrechts (S. 957) und des Vermögens geschärft ist, kann sie zwar rechtlich sich auf die Ausweisung aus dem Grade nach verschieden, wesshalb auch von diesem Gegensatz sonst kein Gebrauch gemacht wird. 1 Dio 56, 27. Dem Festland zugerechnet werden die weniger als 40 Stadien von der Küste entfernten Inseln; jedoch blieben Kos, Rhodos, Samos (denn so ist ohne Zweifel statt Sardiniens zu lesen) und Lesbos den Exilirten auch ferner offen. Sicilien war also ausgeschlossen; und wir linden auch, dass der Aufenthalt daselbst als Strafmilderung gewährt wird (Plinius ep. 4, 11, 14). 2 Dies geschah allerdings vorzugsweise bei den nach Hausrecht von Augustus verfügten Relegationen, seiner Tochter Julia (Tacitus ann. 1, 53 nach Pandateria, dann gemildert nach liegium Julium Dio 55. 10); seines Enkels Agrippa (zuerst nach Surrentum Sueton Aug. 65, dann nach Planasia an der etrurischen Küste Tacitus ann. 1, 3); seiner Enkelin Julia (nach Trimerum an der apulischen Küste Tacitus ann. 4, 71). Dass Augustus diese Relegationen nicht als Judicate ansah, zeigt die von ihm erwirkte Bestätigung der Relegation des Agrippa durch den Senat (Sueton Aug. 65), wodurch dieselbe Gesetzeskraft erhielt. Die Buhlen der Tochter Julia wurden gleichfalls nach Inseln verschickt (Tacitus ann. 1, 53, Dio 55, 10) so wie Ovidius in Tomis internirt, wahrscheinlich ebenfalls ohne eigentliches Strafgericht, da der Kaiser dafür administrativ competent war, aber auf blosse Relegation in augustischer Zeit schwerlich vom Gericht erkannt werden konnte. Aber nach den Berichten des Tacitus aus den ersten Jahren des Tiberius (Α. 3) kann die Internirung auch der Verurtheilten auf einer Insel nicht wohl erst eingetreten sein mit der im J. 23 verfügten Aenderung des Personalrechts der Verbannten. 8 Vom Senatsgericht wird im J. 21 eine Interdiction geschärft durch den Beisatz: ut teneretur insula neque Macecloniae neque Thraciae opportuna (Tacitus ann. 3, 38); im J. 24 der Antrag auf Verbannung aus Italien durch den der Internirung auf einer Insel (Tacitus ann. 4, 31). Vgl Tacitus ann. 4, 13. 30. Dem auf eine Insel Relegirten wird wegen späterer Strafthaten ausser durch den Wechsel der Insel die Strafe geschärft durch Interdiction und Vermögensconfiscation (Tacitus ann. 4, 21).

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung.

975

dem Sprengel des erkennenden Gerichts beschränken und führt alsdann die bisherige Benennung weiter 1 , in der Regel aber tritt weiter dazu das Zwangsdomicil, gewöhnlich, wie schon gesagt ward, auf einer Meeresinsel oder einer Wüstenoase und die Strafe nimmt danach die Benennung an cler Transportirung, deportatio 2. Allerdings hängt dieselbe nicht unbedingt ab von dem erkennenden Gericht; es wird dafür nach gerichtlicher Feststellung des delictischen Thatbestandes eine administrative Anordnung der Regierung erfordert. Bei den befreiten Gerichten freilich, wenigstens dem persönlichen des Kaisers, wird das Urtheil selbst das Haftdomicil nach Gutdünken festgestellt haben8. Auch dein Stadtpräfecten ist späterhin das Recht zugestanden worden unbeschränkt auf derartige Internirung zu erkennen 4 , wobei indess doch noch wegen der Auswahl des Straforts der Kaiser zu befragen ist 5 . Dagegen kann der Statthalter dieselbe im Strafweg nicht anordnen, sondern nur dem Kaiser in Vorschlag bringen 6 . Dabei kommt ausser der sonstigen Sachlage namentlich, wie schon bemerkt ward, in Erwägung, ob die Regierung der betreffenden Person aus dem confiscirten Vermögen die für den Zwangsaufenthalt erforderlichen Subsistenzmittel gewähren kann und will, 1

In unseren Rechtsquellen stehen deportatio und interdictio aqua et igni neben einander (Gaius Dig. 28, 1, 8, 1. 2; Ulpian 32, 1, 2; Alexander Cod. 5, 17, 1) und werden in dem Verlust des Bürgerrechts und des Vermögens gleichgestellt; der Unterschied kann also nur in der mit der ersten verbundenen, bei cler zweiten fehlenden Internirung gefunden werden. Aber praktisch ist die Interdiction kaum neben die Deportation getreten, vielmehr durch diese ersetzt worden (S. 972 A. 1). Thatsächliche Anwendung der Interdiction ohne Zwangsdomicil ist nicht zu belegen. Auch wo von der Bestrafung des Bruches der Relegation nach ihren verschiedenen Stufen gehandelt wird (S. 977), wird die Interdiction übergangen. 2 Die technische Vollbezeichnung ist deportatio ( = Transportirung) in insulam, wobei die ägyptischen Oasen eingeschlossen sind. Dass bei schwebender Entscheidung die Executivhaft eintritt, ist früher (S. 962 A. 1) bemerkt worden. 3 Bei dem auf Deportation lautenden Senatsurtheil wird die Auswahl des Straforts auf die senatorischen Provinzen beschränkt gewesen sein, wenn überhaupt der Senat in dieser Weise in die Verwaltung eingreifen durfte. Ueberliefert ist darüber nichts. 4 Dig. 48, 19, 2, 1. tit. 22, 6, 1. δ Dig. 1, 12, 1, 3. 6 Dig. 32, 1, 1, 4. 48, 19, 2, 1. 1. 27, 1. tit. 22, 6, 1. 1. 7, 1. 1. 15, 1. Die administrative Internirung steht, insoweit das Strafdomicil innerhalb des Sprengels sich befindet, dem Statthalter frei, hat aber nicht die in der Deportation enthaltenen personalen und vermögensrechtlichen Wirkungen.

Fünftes Buch.

976

Zeitgrenzen Relegation

Die Strafen.

worüber auf den Abschnitt von der Vermögensconfiscation zu verweisen ist. Was mit dem Verurtheilten geschieht, wenn der Kaiser den auf Deportation gestellten Antrag nicht annimmt, wird nirgends bestimmt gesagt; aber da schon der gerichtliche Spruch das Bürgerrecht aufhebt, noch bevor dem Verurtheilten das Zwangsdomicil angewiesen wird \ so wird es in diesem Fall bei der Interdiction in dem vorher bezeichneten Umfang sein Bewenden haben, der Relegation auf Lebenszeit aus dem Gerichtssprengel ohne Zwangsdomicil, aber mit Verlust des Bürgerrechts und des Yermögens. — Innerhalb der dem Internirten angewiesenen Oertlichkeit bleibt ihm in der Regel freie Bewegung; doch begegnet bei Deportirten auch die Stellung unter militärische Bewachung (S. 317 A. 3). Wie dem Orte nach muss die magistratische Relegation der se u n a c k ^ · Es bei ^er Ausweisung der Tag festzusetzen, bis zu welchem der Betreffende den bezeichneten Ort zu verlassen 2, ebenso bei der Internirung der Tag, bis zu welchem er in dem Zwangsdomicil sich einzustellen hat. Ein Endtermin kann festgesetzt werden und es ist dies häufig geschehen3; beide können aber auch ohne solchen und somit auf Dauer ausgesprochen werden 4 . Die Interdiction nach der späteren Steigerung 5 und die Deportation sind, da sie das Bürgerrecht aufheben, nie anders ausgesprochen worden als auf Lebenszeit. — Unterbrechung der Ortsbeschränkung ist als exceptionelle Strafmilderung nur zulässig nach besonderer kaiserlichen Gestattung (commeatus) 6. 1

Dig. 48, 19, 2, 1.

2

Dig. 48, 22, 7, 17.

3

Relegation auf zehn Jahre : Tacitus ann. 3, 17. 6, 49 — nach einer Insel auf sieben Jahre: Dio 76, 5 — auf fünf Jahre: Dig. 1, 6, 2 — auf drei Jahre: Plinius ad Trai. 56; Dig. 47, 9, 4, 1. 50, 12, 8 — auf ein Jahr: Hadriani ep. bei Dositheus 6 — auf sechs Monate: Cassiodor var. 3, 46. Vgl. S. 908 A. 2. 4

In republikanischer Zeit wird die magistratische Relegation durch den Rücktritt des relegirenden Magistrats ihre Rechtskraft verloren haben, wofern sie nicht auf gesetzlicher Vorschrift beruhte (S. 48 S. 1) oder von dem Nachfolger erneuert ward. Aber schon in augustischer Zeit begegnet lebenslängliche Relegation (Sueton Aug. 65) und späterhin häufig (Paulus 5, 22,3; Dig. 48, 19, 28, 1. tit. 22, 7, 2). Ob die Lebenslänglichkeit ausgesprochen wurde oder nur die Bezeichnung des Endtermins unterblieb, kommt rechtlich auf dasselbe hinaus. 5

Für die Interdiction der älteren Epoche gilt dies nicht; der betagten Androhung der Bannbruchsstrafe steht kein Rechtshindernis s im Wege. 6

Dig. 48, 19, 4.

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung.

977

Die Uebertretung der magistratischen Relegation, das Ver- Bestrafung weilen an dem untersagten Ort bei dem Ausgewiesenen oder das Verlassen des Strafdomicils bei dem Internirten wird je nach den Relegation, verschiedenen Formen der Ausweisung mit steigender Strenge geahndet. Bei der administrativen Relegation wird die Bestrafung wesentlich von dem Belieben des Magistrats abgehangen haben· Bei der Interdiction und der daraus entwickelten Deportation kommt, wie schon gezeigt ward (S. 936), die Strafe des Bannbruchs zur Anwendung. Nach einem Edict Hadrians wird im Fall des Ungehorsams die Relegation auf Zeit in dauernde, die Ausweisung in Internirung, die Internirung in Deportation umgewandelt, während der Bruch der Deportation capital bestraft wird Wer einen ungehorsamen Relegirten wissentlich bei sich aufnimmt, wird multirt und in schweren Fällen relegirt 2 . Obwohl die personalen und die vermögensrechtlichen Begleit- verhältniss strafen der Ausweisung und der Internirung in den betreffenden SChildlnen Abschnitten behandelt sind, wird es dennoch nicht unterlassen Reiegationswerden dürfen, um von den Abstufungen dieser wichtigen und J°™s0naihäufigen Strafe, der einfachen Relegation, der Relegation mit u n d d e n Internirung, der Interdiction vor und nach Tiberius und der ^^η™" Deportation ein Gesammtbild zu gewinnen, auch hier auf diese Begleitstrafen den Blick zu werfen. Die Relegation auf Zeit ohne oder mit Internirung berührt die Personalverhältnisse des Relegirten überhaupt nicht 8 ; es bleiben ihm sogar die Ehrenrechte und er tritt, so weit die Relegation ihn an deren Ausübung hindert, nach der Rückkehr der Regel nach in diese wieder ein (S. 999 A. 6). Confiscation des Vermögens oder einer Vermögensquote soll damit nicht verbunden werden (S. 1010) ; auch Geldbussen sind nicht darin enthalten. Relegation auf Lebenszeit ohne oder mit Internirung ändert die personale Stellung ebenso wenig, nur dass natürlich hier der Rücktritt in die Ausübung der Ehrenrechte ausgeschlossen ist. Regelmässig ist mit derselben die Einziehung nicht des ganzen Vermögens, aber einer Quote desselben verbunden (S. 1009). 1 Dig. 48, 19, 4. 1. 28, 13. Auf Anordnung Traians wird ein auf Lebenszeit aus der Provinz Relegirter wegen Wiederbetretens derselben gefesselt nach Rom zur Aburtheilung durch das Kaisergericht gesandt (Plinius ad Trai. 56. 57). 2 Dig. 48, 22, 11. Ueber die Aufnahme der Bannbrüchigen vgl. S. 936 A. 6. 3 Dig. 48, 22, 4. 1. 7, 3. Inst. 1, 12, 2.

B i n d i n g , Handbuch. I . 4: M o m m s e n , röm. Strafr.

62

Fünftes Buch.

978

Die Strafen.

Die Interdiction auf Zeit oder Lebenszeit, wie sie von Sulla geordnet und, regelmässig ohne hinzutretende Internirung, bis auf Tiberius gehandhabt worden ist, ändert gleichfalls die Personalstellung nicht 1 ; der Interdicirte behält die Civität und alle daran haftenden Rechte2. Auch das Vermögen blieb ihm nach den sullanischen Ordnungen ungeschmälert; aber bereits der Dictator Caesar 1

Die Rechtsstellung, in welche die clodischen Gesetze Cicero zu versetzen beabsichtigten, ist dieselbe, welche nach dem damals geltenden Strafrecht den Interdicirten traf, nur in den Modalitäten gesteigert. Das nicht auf den Namen gestellte Gesetz bestrafte die Verletzung des Provocationsrechts (Dio 38, 14) mit Interdiction von Wasser und Feuer (Veil. 2, 45), nicht in der alten Wendung gegen den Ausländer, sondern in der sullanischen gegen den straffälligen Bürger. Das Bürgerrecht ist, wie Cicero oft geltend macht, ihm durch das Gesetz nicht aberkannt worden ·, aber die allgemeine Strafe der Ausweisung aus Italien wurde für diesen Fall gesteigert durch die Vermögensconfiscation nebst der Schleifung des Hauses und durch die Erstreckung der Ausweisung bis zum 500. Meilenstein der von Rom ausgehenden Strassen. Es scheint dies nach ad Att. 3, 4 (S. 970 A. 2) eine mildernde Correctur zu sein; ursprünglich war vielleicht Entziehung des Bürgerrechts und die alsdann zulässige Ausweisung aus dem Gesammtstaat beabsichtigt. Uebertretung der Ausweisung wurde für den Ausgewiesenen selbst wie für die Mitschuldigen mit Capitalstrafe belegt (S. 936 A. 1). — Gegen die Gesetzmässigkeit dieses Verfahrens konnten wesentlich nur zwei Einwendungen erhoben werden. Es wurde diesem Strafgesetz rückwirkende Kraft gegeben, was Caesar tadelnd hervorhob (Dio 38, 17) und wesshalb vermuthlich die Fassung ut in ter dictum sit beliebt ward (Cicero de domo 18, 47). Bedenklicher noch ist die Application des Gesetze·; auf Cicero ohne Prozess. Die Person war im Gesetz nicht genannt; um es auf Cicero anzuwenden, musste dasselbe den magistratisch-comitialen Prozess oder das Geschwornengericht anordnen, und dies hat es nicht gethan. Offenbar hatten die Gegner Ciceros weder die Centuriatcomitien, vor welche der Prozess als capitaler kommen musste, noch die Geschwornengerichte in der Hand. Die Application kann nicht wohl anders erfolgt sein als durch ein zweites Plebiscit und dies war zweifellos widerrechtlich, einerlei ob ein solches in dem ersten Plebiscit vorbehalten oder nicht vorbehalten war. 2 Sonst hätte Caesar nicht in dem Municipalgesetz Z. 117 (S. 971 A. 8) auszusprechen brauchen, dass ein solcher Verurtheilter nicht für Municipalämter wählbar sein soll. Auch wird ein also Verurtheilter beerbt (Cicero pro Cluentio 63, 178). Vor allem aber beweist das den Deportirten im J. 23 durch Tiberius genommene Recht der Testamentserrichtung und überhaupt des Bürgerrechts (S. 957), dass die Interdiction, an deren Stelle die Deportation trat, dieses Recht nicht nahm. Dagegen kommt nicht in Betracht, dass Cicero die Freisprechung im Mordprozess bezeichnet als bedingend für das civitatem retinere (a. a. 0. 52, 144), die \rerurtheilung als bedingend für das eicere e civitate (daselbst 61, 170 neben dem correcten exilium 10, 29. 61, 170. 62, 175). Ein römischer Bürger, der Rom und Italien nicht betreten darf, ist rednerisch keiner; man darf nicht vergessen, wie die Advocaten mit caput (S. 907 A. 6) und selbst mit sanguis um sich werfen.

Siebenter Abschnitt.

Ausweisung und Internirung.

979

und weiter Augustus haben damit an die Confiscation hinanreichende Vermögensstrafen verbunden (S. 1009). Die von Tiberius im J. 23 geordnete Freiheitsstrafe, mag sie ohne Zwangsdomicil auftreten als Interdiction oder, was die Regel ist, als Deportation, nimmt das Bürgerrecht und ist mit cler Vermögensconfiscation verbunden, wenn gleich dem Verurtheilten, wie bei der \'ermögensstrafe ausgeführt ist, mehr oder minder reichliche Subsistenzmittel gelassen zu werden pflegen und die Vermögensfähigkeit ihm bleibt. Versuchen wir schliesslich zusammenzufassen, was über die Stellung der Behandlung dieser wichtigsten Criininalstrafe der letzten republi- R e l e ^ t l 0 n kanischen Epoche und des Principats sich erkennen lässt, so soll strafrecht, das Befremden nicht verschleiert werden, dass ein Staatsordner wie Sulla die Ausweisung aus Italien, ohne weitere Rechtsfolgen weder für die Person noch für das Vermögen, als ausreichende Sühne für Staatsverbrechen und Mord und überhaupt die schlimmsten Verbrechen hingestellt unci praktisch als clie schwerste Criminalstrafe behandelt hat 1 . Es ist möglich, dass ergänzende Festsetzungen oder Gewohnheiten namentlich hinsichtlich der gemeinen Verbrechen und der niederen Verbrecherklasse uns unbekannt geblieben sind; wenigstens liegt es auf der Hand, class die uns vorliegenden Bestimmungen vorzugsweise die Verbrecher der höheren Gesellschaftskreise ins Auge fassen. Hinsichtlich dieser darf man geltend machen, dass die durch die Optimatenpolitik geforderte Uebertragung cler Schwurgerichte auf die Senatoren es dem Gesetzgeber wahrscheinlich unmöglich machte eine strengere Strafgesetzgebung mit Aussicht auf Erfolg durchzuführen ; schwerere Strafsätze würden vielleicht praktisch nur zu ständigen Freisprechungen geführt haben. Aber mag das den Gesetzgeber einigermassen entlasten, sicher hat das von Verbrechen jeder Art bis auf den tiefsten Grund clurchfressene Gemeinwesen durch ihn die für den Missethäter denkbar bequemste Criminalgesetzgebung erhalten und die staatserhaltende Partei, die sie geschaffen, damit den ausreichenden Beweis geführt, dass diese Staatsform nicht verdiente erhalten zu werden, was dann die unerbittliche Geschichte bestätigt hat. Damit ist denn auch zuerst durch den Dictator Caesar, alsdann durch die beiden ersten Herrscher die nothwenclige Steige1

S. 202. Das formale Fortbestehen des wirklich capitalen magistratischcomitialen Prozesses für das Staatsverbrechen und vielleicht noch in weiterem Umfang kommt für die Realität der Dinge nicht in Betracht. 62*

Fünftes Buch.

980

Die Strafen.

rung der Strafen eingetreteil. Allerdings hat Caesar sich darauf beschränkt der Ausweisung schwere Vermögensstrafen hinzuzufügen und auch Augustus mehr thatsächlich als gesetzlich normirend die Ausweisung geschärft 1. Aber durch die von ihm angebahnte, von Tiberius durchgeführte Umwandlung der Ausweisung in die Internirung ist in der That Ernst und Strenge in die criminalrechtliche Behandlung der höheren Klasse zurückgeführt worden. Zugleich aber ist damit dem Principat die rechte Signatur gegeben, die Herbeiführung einer nicht gerade an sich ungerechten, aber im einzelnen Fall von der Willkür des erkennenden Gerichts und vor allem von derjenigen der Regierung völlig abhängigen Strafjustiz gegen die Personen der höheren Gesellschaftsklassen. Die Internirung, wie sie von nun an gehandhabt wird, mit freier Auswahl des Straforts unmittelbar durch den Herrscher und ebenso freier Bemessung der dem Internirten verbleibenden Subsistenzmittel, gestattet wie die äusserste Härte so auch die äusserste Nachsicht, und ist eben wegen ihrer bei formaler Gleichheit grenzenlosen innern Verschiedenheit diesem Regiment wie eigen so angemessen. 1

Augustus Bedenken die bestehende Strafordnung principiell zu schärfen sind gut dargelegt in den dionischen Verhandlungen (55, 14—22) über die cinnanische Verschwörung, namentlich in der Rede der Livia.

Achter Abschnitt.

Körperstrafen. Das ursprüngliche Privatrecht kennt die Körperschädigung als Strafmittel im Wege der Wiedervergeltung. Die ältesten uns be°

ρ

Körperver-

stûm des

™luns

Privat-

kannten Ordnungen lassen sie zu für das verstümmelte Glied und rechts. den gebrochenen Knochen unter Vollziehung durch den nächsten Verwandten 1 und für den ersten Fall der Verstümmelung hat auch das Zwölftafelrecht sie beibehalten2. Von effectiver Handhabung dieser Bestimmungen erfahren wir nichts; sie sind vermuthlich schon in der republikanischen Frühzeit durch Geldbussen ersetzt worden. Wenn der Schuldner die Busse zu entrichten unvermögend ist, fällt sie weg und wird keineswegs durch Züchtigung ersetzt 3 . Das römische Kriegsrecht der republikanischen Zeit lässt clie KörperverKörperverstümmelung in weitem Umfang zu 4 und schwerlich ist davon in der Kaiserzeit abgegangen worden 5 . Aber dem öffent- liehen straflichen Strafrecht cler Republik ist, so weit auf das Schweigen v e r f a h r e n 1

Cato im 1. Buch der origines (S. 802 Α. 2). S. 802. Zwölftafeln 8, 2 Schöll. 8 Die Verwandlung der nicht exigiblen Geldbusse in Züchtigung wird bei eigentlichen Privatklagen nicht erwähnt. Ihre Gestattung bei qualificirten Injurien (Dig. 47, 10, 35, wohin auch die Ladung des Patrons vor Gericht Dig. 2, 4, 25 gehört) und bei Popularklagen (Dig. 2, 1, 7, 3) gehört in das öffentliche Strafverfahren. 4 Mit Abhauen der Hände wird nicht bloss der Ueberläufer (Val. Max. 2, 7, 12 = Frontinus strat. 4, 1, 42) und der Spion (Liv. 23, 33, 1. 26, 2, 19) bestraft, sondern auch bei Lagerdiebstahl der Dieb (Frontinus strat. 4, 1, 16). 5 Bei dem Willkürverfahren der Militärjustiz lässt sich Positives darüber nicht sagen. Wie weit sie gehen konnte, zeigt zum Beispiel vita Cassii 4. 5. Constantins Verordnung (Cod. 6, 1, 3), dass dem zum Feind überlaufenden Sclaven der Fuss abzuhauen sei, wird hieher gezogen werden können. 2

Fünftes Buch.

982

Die Strafen.

unserer Berichte Verlass ist, clie Körperverstümmelung fremd. Noch entschiedener kann dies, wenn von der allerdings befremdenden Brandmarkung des böswilligen Falschklägers (S. 495) abgesehen wird, von dem Quästionenprocess und der Epoche des Principats 1 ausgesprochen werden. Auch für die Spätzeit mag, was die Rechtstheorie anlangt, dasselbe gelten; geradezu führt sie diese Strafe in ihren Gesetzen nicht auf, scheint aber dieselbe zu ignoriren und zu überschweigen. In der diocletianischen Christenverfolgung wurde, wenn wir recht berichtet sind, nachdem anfänglich für derartige Strafsteigerungen jedem Gericht freie Hand gelassen worden war, schliesslich von der Regierung die Bergwerksstrafe geschärft durch Blendung des rechten Auges und Abhauen des linken Fusses 2 ; und aus dem Strafverfahren der Altgläubigen gegen clie Christen sowie dem christlichen gegen clie Ketzer wird mehrfach Aehnliches gemeldet3. Auch Gräberschändung 4, Kirchenraub 5 , Päderastie 6 , Defraudation der Subalternbeamten7 sind nachweislich wenigstens von Constantin an häufig mit Gliederverstümmelung bestraft worden. Justinian 8 untersagt clas Abhauen der Hände und cler Füsse und clas cnoch ärgere' Ausrenken der 1

Willküracte der Kaiser (Sueton Claud. 15; vita Alexandri 28) und der Statthalter (Sueton Galb. 9) kommen dafür nicht in Betracht; es handelt sich um die rechtlichen Vorschriften. 2 Eusebius h. e. 8, 12; vgl. de mart. Pal. 7. 8. 3 Lactantius de mort, persec. 36: (Maximinns) facere parabat (in Kleinasien) quae iam dudum in Orientis partibus (Syrien und Aegypten) fecerat. nam cum clementiam . . . profderetur, occidi servos dei vetuit, debilitari iussit: itaque confessoribus effodiebantur oculi, amputabantur manus, pedes detruncabantur, nares vel auricidae desecabantur. Augustinus (ep. 133 vol. 2 p. 396 Maur.) bittet, dass gefangene Ketzer bloss mit Freiheitsstrafe belegt werden möchten vivi et nxdla corporis parte truncati. Den Abschreiber ketzerischer Schriften bedroht Justinian (nov. 42 c. 1, 2) mit Abhauen der Hand. 4 Maiorian nov. 4, 1, 1 : cq^paritores . . . fustuario supplicio subditos manuum quoque amissione truncandos. Eine Grabschrift von Concordia aus der gleichen Zeit (S. 821 A. 7) lautet: qui earn arca(m) aperire voluerit, iure ei manus praecidentur aut fisco inferat libra(m) una(m). 5 Nach Zonaras 14, 7 von Justinian mit Castration bestraft. 6 Dessgleichen nach Zonaras a. a. 0. 7 Ein Erlass Constantins (C. Th. 1, 16, 7) beginnt: cessent . . . rapaces officialium manus . . . nam si moniti non cessaverint, gladiis praecidentur. Justinian (nov. 17. 8) bedroht den Officialen wegen gefälschter Steuerquittung ebenfalls mit dem Abhauen der Hand. Dabei mag die Erstreckung der militia auf die Civilbeamten eingewirkt haben. 8 Justinian nov. 136 c. 13. Wegen der Gliederverrenkung vgl. das Lexikon des Stephanus u. d. W. άρδρέμβολος.

Achter Abschnitt.

Körperstrafen.

983

Glieder da, l wo die Gesetze sie nicht vorschreiben" und fügt hinzu, man solle es dann wenigstens auf das Abhauen des einen Gliedes beschränken, vor allem aber den Diebstahl nie also bestrafen. Dies wird erläutert durch die Bemerkung eines wenig späteren Schriftstellers 1 , dass man häufig in den Städten zu sehen bekomme, wie Betrügern und Dieben die Füsse abgehauen würden. In der That scheint in der Spätzeit zwar die Gesetzgebung bei dauernden Anordnungen nicht leicht die Körperverstümmelung vorgeschrieben zu haben, es aber dem richterlichen Ermessen anheimgestellt gewesen zu sein die gesetzlich angeordnete Strafe durch derartige Zusätze zu schärfen. Die Züchtigung (verbera) 2 ist von jeher in verschiedener Form Züchtigung: bei den Unfreien und den Freien vollzogen worden. Gegen den Sclaven ist ohne Unterschied der Epoche die Geisselung (flagella) in Anwendung gekommen3. Bei den Freien wird in der früheren Epoche die bürgerliche Züchtigung mit den Ruthen (•virgae) 4 und die militärische mit dem Stock (fustis) unterschieden. In derjenigen Epoche, welcher unsere Rechtsquellen angehören, ist, wie bei der Hinrichtung das Beil durch das Schwert, so bei der Züchtigung die Ruthe durch den Stock ersetzt, das militärische Strafverfahren auch hier in die bürgerliche Ordnung eingeführt worden. In der 1

Agathias 4, 8. Verbera ist für die Schläge die eigentlich legale (necare et verberare) wahrscheinlich schon in den Zwölftafeln gebrauchte und von der Beschaffenheit des Werkzeugs so wie von der Rechtsstellung des Geschlagenen absehende Bezeichnung. 3 Macer Dig. 48, 19, 10 pr. : ex quibus (causis) liber fustibus caesus in opus publicum datur, ex his servus . . . flagellis caesus domino redcli iubetur. Caracalla 47, 9, 4, 1. Callistratus 48, 19, 7: fustium admonitio, flagellorum castigatio. Die Geissei, welche gemeint ist mit den verbera servilia Dig. 49, 14, 12 (vgl. Marquardt Privatalterth. S. 182), ercheint schon bei Plautus als den Sclaven eigen. 4 Es genügt an die virgae der Lictoren und das militärische supplicium fustuarium zu erinnern. Die vitis des Centurio ist nichts als der fustis; der Gegensatz der vitis des Centurio und der virgae der Lictoren bei Livius ep. 57: (Scipio Africanus minor) quem militem extra ordinem deprehendit, si Romanus esset, vitibus, si extraneus, virgis (fustibus ist interpolirt) cecidit zeigt, dass der Rebstock der Römer ungefähr das war was heute der Degen. — Eine ähnliche Doppelform der Züchtigung bestand in Aegypten. Philo in Flaccum 10: τους ΑΙγυπτίονς ετέραις (μάστιξι) μαστίζεσ&αο συμβέβηχε χαϊ προς ετέροίν, τους άε 'Λλίξανάρέας απά&αις ( = Stöcke; σπά&η eigentlich die Rispe vom Palmbaum; nachher heisst es: ταΐς ίλευ&εριωτέραις χαϊ πολιrtxo) τεραις μάοτιξιν) χαϊ ύπο σπαΰηφόρων ^Λλεξανόρέων. Entlehnt ist der Gegensatz nicht von den Griechen, obwohl vielleicht durch ihren Einfluss geschärft. 2

984

Fünftes Buch.

Di

Strafen.

Spätzeit wird durch Befestigung von Bleikugeln {plambatac) an das Züchtigungsinstrument die Strafe bis zur Lebensgefährlichkeit geschärft 1. Ueber den Anwendungskreis der Schläge bei der Haus- und cler priesterlichen Zucht (S. 21) so wie bei der militärischen Disciplin (S. 32) und der magistratischen Coercition (S. 47) ist im ersten Buch clas Erforderliche gesagt. Hier bleibt darzulegen, in wie weit die Züchtigung im Strafrecht als Begleit- oder als Primärstrafe Anwendung findet, htigung Als Begleitstrafe tritt nach republikanischem Recht, wie bereits triff 1 gezeigt ward, die Züchtigung sowohl bei dem öffentlichen wie bei dem Privatdelict ein, wenn bei Männern auf den Tod (S. 938) oder auf Bergwerks- oder Zwangsarbeit mit Verlust der Freiheit (S. 950 A. 5) 2 oder des Bürgerrechts (S. 953 A. 4) erkannt wird. Dagegen ist sie bei der Hinrichtung der Frauen so wie bei der militärischen Form der Execution ausgeschlossen (S. 939). Beschränkt aber wird sie unter dem Principat dadurch, dass diese Begleitstrafe für Standespersonen wegfällt 3 . Für Personen niederen Standes bleibt sie nicht bloss bestehen, sondern diese können auch bei geringeren Strafen, namentlich der Ausweisung, der Züchtigung nach Ermessen des Beamten unterworfen werden (S. 969 A. 1), was indess auf Geldstrafen sich nicht erstreckt. HauptPrimärstrafe ist die Züchtigung von Rechtswegen so wenig strafe. w j e c i a s Gefängniss, sondern Coercitionsmittel ; dass wegen Diebstahls (S. 75, S. 772 A. 4) Kinder gezüchtigt werden, ist dafür nur eine Bestätigung, da diese nicht strafmündig sind. Indess ist in späterer Zeit dies Princip bei der Züchtigung weniger streng eingehalten 1 Libanius ύπερ 'Λριστοφ. p. 429 Reiske ελαβε . . . πληγας μέντοι πολλας χ. noxa 7 fg. 21 fg. 81. p. XXIV. capitalis noxa 9 2 . noxae dare 7 Noxalklage bei Diebstahl 755. bei Mord 625 6 . bei Sachbeschädigung 833 4 . noxam sarcire 8 5 . ob noxam dare 8 6 . noxia s. noxa. noxius 9 3 . O. Oberpontifex, Coercition 40 3 . 559. Leitung der Hinrichtung der Vestalin 929. Strafgewalt 160 Κ obvagulare 794. 991 2 . occentatio 565. 7 9 4 8 0 0 fg. Oeffentlichkeit des Verfahrens 149 1 . 359. Ausschluss derselben bei manchen Hinrichtungen 929. im magistratischen Prozess 149 2 . bei dem Kaisergericht 263 im Senatsprozess 254. Rechtsprechung pro tribunali 265 8 .

2812.

officiales 138. Repetundenklage gegen dieselben 713 5 . Untersagung des Geschäftsverkehrs 719 6 . Officialverfahren 351. ope consilio 100. 745 Κ 745 2 . Opfer, Folgen der Verweigerung derselben 568. 578. Menschenopfer s. das. Verbot derselben 607. opus 951 2 . 952 fg. opus metalli 951 2 . opus publicum 952 ». Orakel, unbefugtes 567 4 .

1061

Orakelbefragung 861 fg. über den princeps 584 4 . 584*. 863 5 . oratio perpetua 426 8 . ordo extra ordinem s. das. der Prozesse 398 fg. iudiciorum publicorum 193 fg. uterque ordo 1033 fg. Orthodoxie 601 5 . 602. P. Päderastie 703. pagani 605 fg. πάοίόροι s. adsessores. parricidium 527. 612 fg. 643 fg. Geständniss 437 7 . Nächstenmord 613 ». parricida esto 528 2 . quaestio parricidii 644. Säckung des parricida 923. Strafen des parricida 645 fg. Testirfähigkeit des parricida 650 2 . 2

1008 .

Verjährung 489 4 . patronus 376 2 . 378 Κ Verletzung der Patronatspflicht 566. pauperies 9 834. peculatus 734 2 . 764 fg. 776 4 . Capitalverfahren 768 fg. 769 4 . Defraudirung öffentlicher Kassen 766 fg. Entwendung der Beute 765. Entwendung öffentlicher Gelder 764. Ersatzverfahren 770 fg. Klage gegen die Erben 772. municipaler peculatus 767. 768 2 . Strafen 769. 771. Verjährung 772 3 pecuniae residuae 765 1 . pecunias capere 714 ». repetere 714 2 . perduellio (vgl. maiestas und Staatsverbrechen) 43. 105. 146. 527. 537 fg. Ableitung des Wortes 537 Aechtung des perduellis 937. duoviri perduellionis 154. perduellionem iuuicare 3 2 . 528 Prozess nach dem Tode 67. Verlust des Bürgerrechts im Augenblick der That 256 fg. 590. 957. periculum (Entwurf; 268 2 . 447 5 . petere 1017 8 . petitio 381 2 . piaculum 36 4 . 85 «. 811 2 . 812 3 . 903. plagium 780 fg. plebeii 245. 1035. plebs 1033 ». tribuni plebis s. das. poena 13 fg. 899. 1013 fg.

Sachliches Register. poena capitis 907. 908 Κ 911 fg. 916. poenae existimationis 909 2 . pontifex maximus s. Oberpontifex. Pontificalcollegium, Aufsicht über die Grabstätten 817 ». Festsetzung der Bussen für Gräberschädigung 819 6 . postulare 382 2 . 382 3 . potestas 135 praedes vades 328'. 1023. 1025. praemia accusatorum s. Anklägerbelohnungen. praefeeti (der Clientelstaaten) 231. iure dieundo 223. praefectus annonae 274. 851 4 . Capitalgerichtsbarkeit 274 7 . 852 8 . praefectus praetorio 267. Appellation an denselben 285 praefectus urbi 271 fg. Appellation an denselben 220 r \ 273. 277 l . 283. Sicherheitspflege 272. summarisches Verfahren 272 3 . 274 4 . praefectus vigilum 274. praeses provinciae 231 2 . praetor, breve edictum 205 1 . delictischer Privatprozess 175 fg. imperium 176 4 . peregrinus 176 2 . repetundis 176 3 . 191 2 . 205 4 . 721. 724 Stimmrecht in den Quästionen 208 4 . Vorsitz in den Quästionen 205 fg. praevaricatio 4 9 1 5 0 1 fg. 998 3 . pre(he)nsio 48 fg. 325. 330. Priesterdelicte 559 fg. Ausschluss vom Priesterthum 1002. princeps, Anfrage bei demselben 278 fg. Appellation an denselben 275 fg. 468 fg. Beleidigung 583 fg. Delegationsrecht 269 fg. Delictfähigkeit 83. Diebstahl am Kaisergut 767 6 . Divination mit Beziehung auf denselben 584. 863 5 . Göttlichkeit 583 5 . Hofgericht s. das. Judication 260 2 . Kaisergericht 260 fg. freie Strafbemessung 1039. Verweisung von Prozessen an dasselbe 241 2 . 243 ». Kirchenregiment 597. Legislatorische Competenz i30 3 . Rechtsprechung 265 fg. 280 fg. Sanction der Concilienbeschlüsse 291. 597 2 . 602. Schutz des Kaiserbildnisses 585.

princeps, Unverletzlichkeit 582. Verhältniss zu den Gesetzen 84. princeps peregrinorum 316 4 . 318 3 . princeps sceleris 98 4 . Privilegien, Verbot derselben 1964. 552 5 . 557. privilegirte Stände 1033 fg. 1045 fg. probrum 993 2 . pro consule 230. procuratio (Sühnung) 904. procuratores 231. 275. 1028 fg. prodicere 165 2 . 324. prodigia 862. proditio 547 fg. προδοσία

539 3 .

pro praetore 230. proscriptio 938 1 . 1005 1 (vgl. Aechtung). proscriptio bonorum 1024 (vgl. Vermögensconfiscation). Prostituirte 692. Liste derselben 159 2 . Protokoll 512 fg. unregelmässige Führung 883 2 . provincia 232. Provocation 31 3 . 38 41 fg. 167 fg. 473 fg. Ausschluss derselben gegen ein Geschwornenurtheil 476. 482. Ausschluss gewisser Bürger von derselben 143 l . Einführung derselben 42 1 . Eludirung bei der perduellio 42. 256 4 . 257 ». 590. feldherrliche 477 fg. Gesetze s. lex Cornelia, Porciae, Sempronia, Valeria, bei dem Internationaldelict 46 2 . an den maximus comitiatus 167 3 . gegen Multen 52 2 . 158 3 . 169. omnium rerum provocationes 42 2 . 2

162 .

provocationsfreie Magistrate 41 fg. 144. Provocationsrecht der Latiner 110 2 . 509 5 . gegen Statthalter-Urtheile242 3.2622. an die Tributcomitien bei Multklagen 169. Verletzung des Provocationsrechts 167 4 . 632 fg. in den Zwölftafeln 42 2 . 162 2 . Prozessbestechung 677. publicatio bonorum 1005 Purpur 584.

« Quadruplation 180 Κ 850. 860 Κ 861 3 . quaesitor 187 3 . 206.

Sachliches Register. quaesitor, Leitung des Prozesses 421 fg. 431 ». Stimmrecht 208 3 . quaestio 147 3 187 fg. 340 1 (vgl. Geschwornengerichte). Bezeichnung des älteren iudicium publicum 183 3 . 184 8 . de ambitu 867. 873. de annona 852. Ausschluss der Appellation 220 3 . 276. 470. Capitaljustiz derselben 942. de civitate 858 fg. Competenz derselben 200 fg. cotidianae 196 l . 197 fg. Dauer derselben 219 4 . 220 5 . Einführung 190. extraordinariae 196 2 . infamirende Wirkung der Verurtheilung 997 fg. für Injurie 803 e . Ordnung durch Sulla 190 5 . 203. durch die lex Iulia 191 1 . parricidii 644 3 . peculatus 761 2 . 771. perpetuae 196 publicae 187 2 . repetundarum 708. 722 fg. inter sicarios 203 l . 615. 647. de vi 665. Vorsitzende Prätoren 205 fg. Quästoren, Einführung 155 4 . Gehülfen der Consuln 145 ». 147 3 . Strafgewalt 155 fg. quaestores parricidii 155 3 . 1554. 615. quarta accusatio 169 4 . quarta der Delatoren 510 2 . Quasidelict 525 l . quinquevirale iudicium 288. quinque viri eis Tiberim 299 *. R. Rädelsführer 98 4 . rapina 660 l . rationales s. procuratores. Raub (vgl. Diebstahl, vis) 660 fg. 737. 738 Κ 775 Κ Realinjurie s. Injurie, receptores (reeeptatores) 775 2 . 775 8 . recitatio des Urtheils 447 5 . recuperatores 178 1 . bei Injurie 803 5 . im Repetundenprozess 726 3 . Regenbeschwörung 863 l . Verbrechen der versäumten Regenbeschwörung 122 2 . regesta 514°. regnum appetere 550 3 .

1063

Reichsjustiz 104 fg. 240 fg. reiectio des Geschwornen 214. 215 2 . 215 3 . 216 Κ Reinigungseid 437. relegatio (vgl. Deportation, interdictio) 964 fg. 1048. Sprachgebrauch 965 2 . 965 3 . 968 2 . Ausweisung 969 fg. Begleitstrafen 977 fg. Dauer derselben 976 fg. Deportation s. das. Formen der Relegation 967. der Frau 19 2 . 968. des Freigelassenen 20 2 . 968. des Hauskindes 23 2 . 968. interdictio s. das. Interdiction Italiens 971 fg. Internirung 973 fg. örtliche Ausdehnung der Relegation 969 fg. Uebertretung derselben 977 (vgl. Bannbruch). Religionsverbrechen 567 fg. Repetunden 705 fg. actor 724 3 . Bestechung 717. cognitor 724 3 . Concurs des Verurtheilten 727. 730. concussio 717. condemnatio 725 3 . 726. Entwendung 716. Erpressung 716. Exil 727 3 . 729 5 . 730 3 . Geschäftsverkehr 719. Geschenknahme 714 fg. Geschworne 723. Gesetze 708 fg. Klage 721 fg. condictio sine causa 721 fg. Cumulation der Klagen 723. gegen Dritte 731 fg. gegen die Erben 731. 732 7 . litis aestimatio 725 fg. Praetur 1768. 1912. 205 4 . 721. 724 Κ Prozess 722 fg. privilegirter Privatprozess 202 343 367. Recuperatoren 726 3 . Schuldhaft 727. Sicherheitsleistung 726. Steuerdelicte 718. Strafen 727 fg. Vermögensbeschlagnahme 727. Requisition 326. rerum repetitio 108 res novae 550 3 . res religiosae 763 2 . sacrae 762 4 . 762 762 Rescripte 130 4 .

Sachliches Register. restitutio in integrum 478 fg. reus 190 ». 190 2 . Richter (vgl. Geschworne). Bestechung derselben s. Bestechung. Delicte derselben 674 fg. Ritter, Privilegien 1033. Rückfall 1044 6 . Rücktritt vom Versuch 98 2 . 1044. von der Klage s. desistere und tergiversatio. S. saccularius 777 6 . Sachbeschädigung 809 fg. (vgl. auch vis), damnum iniuria 9 1 . 90. 527. 741 4 . 825 fg. aquillische Klage 826 fg. Aestimation 832. culpa 829 fg. des Einwilligenden 831 3 . Gräberschädigung s. das. Grenzverrückung s. das. Mitthäterschaft 831. Noxalverfahren 833 4 . pauperies s. das. Prozess 831. Schadensersatz 832. Strafen 832. Tempelschädigung s. das. Umhauen von Fruchtbäumen 835. 842. Verjährung 833 6 . 833 7 . 833 8 . Versuch 831. Wasserleitungsbeschädigung s. das. Sachwalter s. advocatus. Sacraldelicte 36 fg. Sacralrecht 6. sacramentum 387. 903 2 . 1024. sâcra nocturna 641 6 . Sacration 552 Κ 900 fg. 904. sacrilegium 760 fg. Bedeutung des Wortes 569 2 . 734 Κ 760 6 . 760 7 . 811 3 . Capitalverfahren 768 fg. 769 3 . 771. Ersatzverfahren 770 fg. Ketzerei 569 2 . 600 4 Strafen 769. 771. Tempelraub bei Nacht 776 4 . sacrosancte Stellung der Beamten 580 3 . des princeps 582. der tribuni plebis 553. 581. 937. Säckung 921 fg. Samariter 610*. sanctio legis 882. 901 5 . satisdatio 331. scelus 9 4 Schadensersatz 14 ». 832. 1020. Schauspieler 46 5 .

Schauspielerinnen 692 8 . Schiffbruchsverbrechen 646 4 . 662. 841. Schiffsverlust, doloser oder simulirter 767 6 . Schmählied (occentatio) 565. 794. 800 fg. Injurienklage 801 4 . Majestätsklage 800 1 . Schmähreden gegen die Gemeinde 53 567. Schmähschrift s. libellus famosus. Schriftlichkeit des Urtheils 448 2 . 512 2 . Schuldhaft 48 4 . 727. 906 2 . 960 2 . sciens dolo 86 3 . scribae 516 secretarium 362. seditio 562 4 . 563 4 . Selbsthülfe 665. Selbstmord, Beihülfe zum Selbstmord 1043 8 . Bestrafung der Sclaven 626 6 . 630 6 . Implicirtes Geständniss 438 8 . Selbstverbannung s. exilium. Senat, Appellation an denselben 255. Ausschluss aus demselben 994. 998 fg. wegen ambitus 874 wegen Defraudation des Minorennen 10003. wegen Weigerung der Eidesleistung auf ein Gesetz 882. Befragung bei der Provocation 169. Commissionen 255 2 . consularisch - senatorischer Strafprozess 251 fg. von Constantinopel 255 4 . 255 Legislatorische Competenz 1302. Souveränetät 251. Strafbemessung 1037 fg. Senatoren, Privilegien 1033. Repetundenklage gegen dieselben 710 fg. Strafverfahren gegen dieselben 286 fg. Verbot der Ehe mit Freigelassenen 701 Κ senatus consulta Libonianum 671. Pisonianum (Neronianum, Claudianum) 631 3 . Silanianum 631 2 Turpillianum 499 1 . Volusianum 663 2 . sepulcrum violatum s. Gräberschädigung, servus s. Sklaven, servus poenae 947 fg. sicarius 613. 629 3 . Sicherheitspflege 146 fg. 272. Sicherheitsleistung im Repetundenprozess 726 4 . sine suffragio 445 9 . Singularquästionen s. Ausnahmegesetze u. quaestiones extraordinariae.

Sachliches Register. Sittlichkeitsdelicte (vgl. Ehebruch, Päderastie, Stuprum) 682 fg. Sklaven, Abgabe zur Bestrafung an den Herrn 898 3 . 899 Κ 899 2 . Anmassung der Freiheit 857. Anmassung des Herrenrechts s. plagium. Anzeige gegen den Herrn 350 2 . Aussagen 412 fg. 432. 439 8 . Aussagen gegen den eigenen Herrn 414 fg. Ausschluss der Relegation 968. Ausschluss cler Zwangsarbeit 953. Beleidigung derselben 786 3 . Delictfähigkeit 80 fg. Folterung 416 fg. fugitivi 737 746 2 . Gesindemordprozess 630 fg. 649. Hauszucht 17 fg. 617 962. Injurirung eines Freien 789 6 . Klagen cles Herrn gegen dieselben 2

1065

j Staatsverbrechen (s. maiestas, perduellio) ! 7. 537 fg. Aussage des Sklaven gegen den ! Herrn 414 e . 414 8 . j Ausschluss der Amnestie 588 4 . ! Bestrafung der Nachkommen 593. conscius 91 2 . 350 2 . Folterung des Angeklagten 407 4 . ! des Zeugen 408 2 . j Prozess 541. 587 fg. quarta des Delators 510 2 . Strafbefreiung des Denuntianten 5052. Strafen 590 fg. Verfahren nach dem Tode 592. 1008. 1030. Vermögensconfiscation 592. | j Stadtrechte, griechische 116. italische 115. ! Stadtrömische Gerichte, Verweisung von Prozessen an dieselben 234 3 . 241 2 . 242 fg. j Stäupung 920 \ 81 . ! Kreuzigung 919 920 3 . : Standesklassen, verschiedene Bestrafung 1033 fg. 1045 fg. Mitthäterschaft bei Diebstahl 746 fg. . 2 1 Strafungleichheit der Freien und ' stationarius 307 . 312 . 321 Κ stationes militum 311 fg. Unfreien 65 ig. 1032. j Tödtung des eigenen Sklaven 121 2 . statores 316 Statthalter 229 fg. 2 3 616. 617 . 617 . Aufsicht über das Getreidewesen Unzucht mit dem Sklaven 692®. 852 4 . Unzucht mit der Sklavin 691 4 . Competenz 557 fg. Verbot7 der Ehe mit der freien Frau Deportationsrecht 975. 686 . Geschenknahme 714 fg. A'erführung des Sklaven 838. ius gladii 243 fg. Verhältniss zum Herrn 82. Neben- und Unterbeamte 246 fg. Verpflichtung dem Herrn zu helfen Repetundendelicte 714. 719. 720. 621 4 . 1043 8 . Untersagung des Geschäftsverkehrs Vertheidigung durch den Herrn in seiner Provinz 719. 81 81 6 . Verbot der Ehe mit einer Frau Sodalicien 871 fg. seiner Provinz 686 6 . Soldaten, Ausschluss des Infamirten vom Willkürjustiz gegen Nichtbürger 634 2 . 1 Heerdienst 994 . stellionatus 680 fg. Cassirung wegen Baddiebstahl 7773. Stellungsbürgschaft s. vadimonium. Delicte 30. Steuerdelicte 718. Eid 30 4 . Stimmenkauf 668 8 . 869. 4 5 Körperstrafen 981 981 . 983. Stimmrecht, Ausschluss der infames 994 2 . Privilegien 1034 2 . Stimmtafeln 171 179 4 . Sicherheitsdienst 311 fg. : Störung der Gerichtsverhandlungen 658 5 . Strafen 31. der öffentlichen Ruhe 563 fg. 658. Strafverfahren gegen dieselben 288 fg. 863 6 . 4 supplicium fustuarium 983 . Strafe 12 fg. 897 fg. Verpflichtung dem Offizier zu helfen Aufhebung der Schuld 4 1 . 621 3 . Ausdehnung auf die Nachkommen Sortition 214 fg. 594. spatium deliberationis nach dem TodesBemessung 1037 fg. urtheil 438 Strafmilderungsgründe 1042 fg. speculatores 318. 924 6 . 925 ». Verfluchung des Andenkens 4 2 . 591. Spiel s. Glücksspiel. 987 Κ 990. Sprengel der Präfectur 223 Strassen, Baupflicht des Anliegers 849 2 . 1 Staatsgesetz, Begriff 56 . Verunreinigung 825 5 . Staatsrecht 6. Strassenraub 629 fg.

Sachliches Register. stuprum 694 fg. 792. Beihülfe 695 e (vgl. Kuppelei). Päderastie 703 fg. Versuch 695 B . subscriptio, subscriptor 373. 386 ». subsellia 361 3 . Subsortition 217. Sühnung s. piaculum und procuratio. superstitio externa 578. supplicium 12. 916 B . fustuarium 703 2 . 9S3 4 . 985 4 . Suspendirung der Strafklage 352 fg. σύμβουλοι 138. Synagogen, Schutz derselben 598 2 . 611 3 . T. tabulae accepti et expensi 513 3 . publicae 514 2 . Fälschung derselben 766 e . 767 8 . tabularium 359 3 . talio 4. 802 ». wegen calumnia 496 fg. wegen Injurie 802 ταμιεΐον 818. Tempel diebstahl s. sacrilegium. Tempelschädigung 810 fg. tergiversatio 498 fg. Termine, Ansetzung 396. Ausbleiben des Klägers 493 5 . 499 3 . Ladung 396. ordo 398 fg. Verlegung 397. Territorialprincip des römischen Strafrechts 107. Testamentsfälschung 670 fg. vorzeitige Publicirung des Testaments 794 2 . testimonium s. Zeugniss. Thiere, Halten wilder Thiere 838. 842 2 . Schädigung durch Thiere 834. Todesstrafe 907. 911 fg. 1045 fg. Aechtung s. das. Enthauptung mit dem Beil 916 fg. mit dem Schwert 923 fg. Executionsformen 915. Felssturz 931 fg. Feuertod 923. Frauenhinrichtung 911 4 . 928 fg. 934. Fristen zwischen Urtheil und Execution 911 fg. geschichtliche Entwickelung 939 fg. häusliche Hinrichtung 934. Kerkerhinrichtung 928 fg. nicht an Kindern vollstreckbar 76 2 . Kreuzigung 918 fg. im Kriegsrecht 30 4 . 31 fg. 924 fg. Ort der Execution 913. Säckung 921 fg. Selbsttödtung 934.

Todesstrafe, Stäupung 920 5 . Volksfesthinrichtung 925 fg. Vollstreckung derselben an Standespersonen 1036. Zeit der Execution 913. Todtengericht 987. Todtentrauer, Verbot derselben für Staatsverbrecher 591. 989. Tödtung (s. a. Mord) im Ausland 621 fg. des Bannbrüchigen 623. 936. der Ehebrecher 624 fg. des Einwilligenden 626 e . 10437. 1043 8 . des Hauskindes 617 fg. im Kriege 621. des Landesfeindes 623. der Missgeburt 619 904. des Ueberläufers 623. des Unfreien 616. tortores 416 2 . transfuga s. Ueberlauf. Trauerkleidung s. Kleid, très viri capitales 180. 298. 930. 1025. nocturni 298. tribunal 360 fg. Beisitz auf dem Tribunal 139 ». Plätze der Geschwornen 361 2 . tribuni plebis Bussen 158 Κ 589 592 ». 592 2 . Coercition 46. Hinrichtung durch dieselben 624 931 fg. Intercession s. das. maiestas tribunicia 538 4 . sacrosancte Stellung 553. 581. 937. Strafgewalt 156 2 . tribunus et magister offieiorum 320 2 . trinum nundinum 170 2 . Trunkenheit als Strafmilderungsgrund 1043 ». tullianum 301. turpis 993. τυμβωρυχία 821. tyrannus 554 U. Ueberlauf 43 ». 97 2 . 546. Ausschluss des postliminium 590 2 . Töcltung des transfuga 623. Uebertritt zum Judenthum 574 3 . 610. 611 Κ Umsturz der Verfassung 549 fg. 937. Undank 866. Unterschlagung 738. der Kriegsbeute 765. öffentlicher Gelder 7646. 764 e . 771 e . Untersuchungshaft 326 fg. 335 5 . unter dem Principat 330 fg. Verbot derselben 329 Κ 329 2 .

Sachliches Register. Unverletzlichkeit s. sacrosancte Stellung. Unzucht mit Frauen des Kaiserhauses 587 i . mit Kindern 792. Urkunden, Fälschung 672. 766 7 . 767 8 . Unterdrückung 672. Urtheil declaratorisches Urtheil im Geschwornenprozess 446. de piano 447 3 . Fassung desselben 448. Findung 1602. 435 fg. recitatio 447. Schriftlichkeit 448 2 . 512 2 . Unabänderlichkeit 450.479 fg. 483 fg. Verkündung 447 fg. usucapio pro herede 778 2 . cler res furtiva 756 756 3 .

vadimonium 327 fg. 803 vgl. praedes vades. vaticinatores 852 7 . veneficium 613 ». 628 Κ 635 fg. venenum 635 δ . Verbannung (vgl. exilium, interdictio und relegatio) aus dem municipium 227 4 . aus der Provinz 233 3 . verbera 983 2 . Verbrechen (s. crimen, delictum) 4.11. 15. Vereinsrecht der christlichen Gemeinden 603 2 . Missbrauch des Vereinsrechts 662 4 . 663 Κ 875 fg. Verführung 791 fg. des Sclaven 838. Vergewaltigung s. vis. Vergleich mit dem Ankläger 675 7 . 700. infamirende Wirkung 997. Verhör (interrogatio) 404 4 . 430. Verjährung der Strafklage 488 fg. Vermögensconfiscation 1005 fg. bei Freiheitsverlust 1008 fg. bei Relegation 1009 fg. bei dem Staatsverbrechen 592.1006 fg. Veimögensstrafe s. multa, Vermögensconfiscation. Versuch 95 2 . 97 1044. Vertheidigung durch Advocaten 376 fg. durch den Angeklagten selbst 376 1 . Anzahl der Sachwalter 377. Ausschluss derselben 149. 265 1 . im magistratisch-comitialen Prozess 165. im Repetundenprozess 367. im senatorischen Kriegsstandgericht 256 2 .

1067

Vertretung im Strafprozess 374 fg. Verzeichnisse s. Listen. Vestalinnen 18 fg. 20 2 . 20 8 . 21 2 . 2 4 8 . Hinrichtung derselben 929. Hinrichtung der Mitschuldigen 919 ». Veteranen 1034 3 . vicarii praefectorum praetorio 282. vice sacra iudicans 270 2 . 282 2 . Viehbusse 12. 50 fg. 1012 vim fieri veto 526 1 . vincula publica 300 1 . 960 1 . violatio 809 Κ virgae 983 4 . vis 652 fg. actio vi bonorum raptorum 656. atrox 652 Begriff 652 Κ 655. Beihülfe bei dem Bannbruch 665 3 . Entführung 664 7 (vgl. das.). Freiheitsberaubung 664 e (s. plagium). Gesandtenverletzung 665 2 . Gräberverletzung 665 4 (s. a. Gräberschädigung). Missbrauch des Amtes 663 fg. Nothwehr gegen vis 621 Κ 653 1 . Nothzucht s. das. Prozess 665. Verfahren extra ordinem 399 Κ Verhandlung in den Ferien 364 8 . Raub s. das. gewaltsame Sachbeschädigung 660 fg. Selbsthülfe 665 5 . 665 e . 665 7 . Strafen 659. 661. Zusammenrottung 662. vocatio s. Ladung. Volksfesthinrichtung 925 fg. Volksgerichte 168 fg. Abstimmung 170 7 . 170 8 . 171 Κ Aufhebung derselben 1748. Folgen der Verurtheilung 174 Wegfall der Klage bei Ausfall des Termins 170 R . Vollstreckung der Strafe (vgl. Gefängniss, multa und Todesstrafe), durch den Ehemann 19 Κ 19 3 . durch Verwandte 18 2 . W. Waaren, Defraudationen 853. Wucher 851 fg. Waffen, Verbot der Führung derselben 564 2 . 658 Wahlen, Ausschluss des Infamirten 994, 998 fg. Missbrauch der Bewerbung s. ambitus. Stimmenkauf s. das. Zusammenrottung 658 4 .

Sachliches Register.

1068

Wasserleitungen, Beschädigung derselben 823. Wechselordnungen 114 ». 117 8 . 241 674. 816 2 . Wehrpflicht, Verletzung derselben 43 fg. 561. Wettkampf 831 Wucher (s. a. Korn-, Waaren- und Zinswucher), iudicium publicum 181 5 . Verfahren vor den Dreimännern

180 l .

Z. Zauberbücher 641 3 . 643 6 . Zaubermord 639 fg. Zeugniss, aussergerichtliches 411 (vgl. laudatio). Ausschluss davon 401 fg. 414 fg. Befreiung davon 409 B . 410. Bestechung des Zeugen 675. Eid des Zeugen 431 9 .

Zeugniss falsches Zeugniss 668 Κ 675 8 . 675 4 . im Capitalprozess 635 2 . 635 8 . Folterung s. das. des Freien 401 fg. Kostenersatz 409 4 . Ladung s. das. des Unfreien 412 fg. Vernehmung der Zeugen 422 8 . 427. 430 fg. Verweigerung des Zeugnisses 405. Würdigung desselben 439 fg. Zulassung falschen Zeugnisses im Capitalprozess 633 8 . Zwang zur Ablegung desselben im iudicium publicum 183 ». 183 2 . Ziegelei, Verbot der Anlage in der Stadt 847 e . Zinswucher 849 fg. Züchtigung 23 3 . 24 Κ 24 797. 983 fg. 1047. Zusammenrottung 562. 658. 662. Zwangsarbeit 952 fg. 1047. Verlust des Bürgerrechts 958. Zwölftafelgesetz, Entstehung 127.

II.

Register der behandelten Stellen. Asconius apostolorum1 — 309 in Cornel, 4 — 302 p. 75 — 364 2 . 870 2 . 24 5 872 ». 876 6 329 — 29 p. 78 — 1000 1 — 239 3 12 in Milon. — 333 2 16 p. 31 fg. — 199 2 — 243 1 27 B p. 35 — 416 4 28, 16 — 317 p. 40 — 422 3 . 433 3 des Cyprian p. 44 — 399 1 — 447 5 . 571 1 p. 46 — 647 3 der Perpetua in Scaur, c. 6 - 244 3 p. 19 — 396 1 c. 7 — 317 2 p. 22 — 1982 des Pionius p. 23 — 71 1 c. 11 — 302 4 p. 29 — 361 2 c. 15 — 308 3 p. 30 — 494 7 des Polycarpus c. 6. 7 — 308 3 . 309 3 Athanasius der scillitanischen Märtyrer apol. ad Const, c. 7 — 641 6 — 404 4 . 438 1 \ 447 5 . 448 5 Augustinus de civ. dei Ambrosius 21, 11 — 905 2 epist. 2 confess. 1,5 — 346 6, 10, 16 — 1413 21 — 293 2 8, 6, 13 — 141 3 in Tob. ep. 11 — 861 6 113—115 — 325 2 Ammianus Marcellinus 3 133 - 315 2 . 416 2 20, 4, 7 — 140 1 134 315 2 30, 4, 2 — 281 Basileios Appuleius ep. apol. 224 (=79)— 282 1 26. 27 — 639 2 Basilica 102 — 385 1 21, 1, 3 — 430 2 flor. Brüsseler Fragmente 4, 20 — 97 5 (coll. libr. iur. anteiust. de magia 3, 297) — 349 1 . 371 1 0 c. 78 — 420 2 Caesar met. bellum civile 3,3 p. 177— 428 1 3, 108 — 1062 Aristides Calpurnius Flaccus hg. λογ. â' decl. 4 — 302 4 . 304 1 p. 523 Dind. — 308 2 acta 16 16, 22, 25, 25, 25,

Cassiodor var. 5, 32 8, 24, 3 Cato de re rust. — 149 Cicero acad. 2, 47,146 — ad Att. 1, 14, 1 — — 1, 16, 13 — — 3, 4 — 4, 2, 3 5, 21, 6 — 6, 2, 7 — — 9, 14 pro Archia 4, 9 — pro Balbo 3, 6 — 7, 18. 19 — 12, 29 — 14, 33 — 23, 52 — ad Brut. 1, 5, 12 — Brut. 27, 106 — 34, 131 — pro Caec. 12, 35 — 34 — 34, 100 — pro Caelio — 1, 1 — 29, 70 in Catil. — 4, 5

1, 16

21 1 295 3 2234 4319.431 10 1983 198 3 869 2 . 869 4 9702. 978 1 10252 2474. 356 2 105 2 874 7 515 2 859 6 859 6 965 4 901 5 859 2 10093 1904. 1961 826 4.1013 2 8016

945 1 69 2 . 964 1 364 3 654 2 256 4 . 258 1 3291

Register der behandelten Stellen.

1070 Cicero pro Chien tio 13 14,41 15 27, 73 33, 9 1 34, 92 41 43, 121 44, 125 52, 144 53, 147 54,148 55, 151 56, 153 61, 170

— 299 —2272 —8593 —43111 — 882e. 8832 882e — 725 4 — 2101 —2272 — 9782 —1873 — 6332. 9071 — 2581 — 6351 —9782

de deor. natura 8

3 , 3 0 , 7 4 — 196'. 197 . 198l.6488.7451. 2 745 . 766e

divin. in Caec. 15 17, 5 6

—189

e



1

277

18, 27, 29, 31, 32, 47,

47 72 77 82 86 123

8, 8, 8, 8, 8,

6, 1 8, 1 8, 2 8,3 12

— — — —

3822 3991 502e 5181 7034

de fin. 2 , 16, 5 4 — 2 0 3

de inv. 2, 2 0

1

—419e —247 4 —891

480

4

8

de leg. agr.

2, 4 , 1 0 —4822 2, 14, 3 6 — 4 5 9 3

de legibus

—5282 —522 —7783 313.381.1663. 167 3 . 4 7 3 4 3 , 8 , 19 — 6 1 9 1 3 , 19, 4 4 — 1 0 1 4 2 2, 2, 2, 3,

9, 2 2 13, 3 3 19, 4 8 3, 6

pro Milone (s. a. Asconius) 6, 1 4

20, 42 23, 47 32,67 34. 35

7644 88311 8712 8712

de offieiis 3 , 5, 2 3

— 381

de oratore 2, 7 5 , 3 0 7 — 1 9 8

1

— 5627 — 4131

Phil. 2 , 23, 5 6 — 8 6 1

in Pison.

4

4,8 16, 3 7

— 8761 — 2321

21, 50

—557

5

— 2155.

2171

pro Quinctio 9 13, 4 4 22 71

—907 e. — 9951 — 9951

9951

ad Quint, frat. 2,3,5

— 6624.

8721

pro Rabirio ad pop. 2,7 3, 8 3,10 4, 11 4,12 5, 13 10, 2 8

— 8091. 8118 —31s — 9 4 0 ». 9 4 1 2 —9161 — 155 2581 — 918*. 9 1 9 7 —4578

— 3991

3,6 5, 1 1 5, 12

— 7111 — 730* — 7122

6, 13

— 7123

1

- 9 0 7

e

.

pro Sex. Roscio 6, 16 20, 55 20, 5 7

— 491 — 2161

13, 3 8 18, 5 5

7124 —4275

in Verrem act. 1

— 9381 — 189 e —4952

1, 7, 18 -215« 1, 7, 2 0 — 4 2 4 1 . 4 3 0 5 1, 9, 2 6 — 4 2 4 1 1, 11, 3 0 — 3 9 6 1 . 3 9 6 2 1, 3 3 , 8 4 - 3 2 4 2 . 3 5 4 5 1, 4 2 , 1 0 8 - 1 8 0 2 2, 8 , 2 4 - 4 0 2 4 2, 13, 3 3 — 4 6 7 4 2, 2 6 , 6 4 4092 2 , 31, 77 — 2 1 5 2 2, 37 — 1472 2 , 38, 9 2 — 3 2 5 3 2, 39, 9 5 - 3 3 4 2 2, 4 2 , 1 0 1 — 3 3 4 2 2,44,109 — 4 7 9 1 2, 4 6 , 1 1 3 - 1 4 4 e 3, 5 8 , 1 3 5 1785 3,60 1 4 0 - 2 1 6 1 3,79,183 — 5161 4, 6 6 , 1 4 9 — 4 1 8 « 5, 6, 12 — 4 8 2 2 5, 22, 57 — 4 4 1 2 5, 5 0 , 1 3 3 — 7 9 1 5, 5 4 , 1 4 1 — 9 0 7 e

Schol. Bob. zu in Plane, p. 253

—8722

2

p. 431

— 5102

p. p. p. p. p. p.

—3777 8495 — 3873 — 7282 —4232 —3873

Schol. zu den Verrinen

pro Q. Roscio 6,16

9, 2 2 11, 27

Schol. zu pro Sex. Roscio

— 422. 1628 — 503 —5511 — 313. 421. 1622. 9015 2, 3 5 , 6 0 — 1 0 1 3 2 2, 37, 6 2 — 4 2 1 — 5

— 6602

5 , 1 7 p . 3 6 1 — 867

40, 62 3, 5 27, 4 9 31, 54

5, 2, 3

c. 7

in Vatin.

Schol. Bob. zu pro Sulla

de re publ. 1, 2, 2, 2,

— 5191 —2155

act. 2

orat. part. 3 0 , 105 3 4 , 117

15,42 33, 92

pro Tullio

— 3286. — 3974. - 8 7 0 4 — 8704.

pro Rabirio Post.

pro Flacco 9, 2 1 21,49

— 976 1668

pro Mureua

17, 4 1

— 1652. 1671. 169 4 170 B . 6 5 0 2 — 9781 —692 — 387 3 . 388 2 —10004 —482 3 — 494. 501

ad fam.

7, 19 14, 3 6

pro Plancio

de domo sua 17,45

Cicero pro Sulla

Cicero pro Milone

1

995

1

104 110 128 146 164 206

Codex Justin. 1, 3, 2 3 1, 5 , 1 1,5,2 1, 5, 8 , 2 1,5,12,4

— — -5 — —

9871 6014 961. 6004 6023

1,11, 10,1 —608 8 1,14,3 1, 14, 4

—1311 —844

6022

Register der behandelten Stellen. Codex Justin. 4 l,14,12pr.- - 284 3 1, 19, 5 - -283 4 1, 54, 4 - - 51 1 420 2, 1, 4 2, 2, 2 - - 92 2 1 2, 26, 3 - - 2707 3, 1, 15 - -248 1 3, 3, 2 - - 250 4 4 3, 9, 1 - - 389 . 392 2 3, 15, 1 - -358 1 3, 15, 2 - - 783 8 3, 24, 1 - -2872 4, 17, 1 - - 67 4 4, 20, 9 - -440 2 4, 65, 4 - -267 3 -121 5, 5, 2 6 5, 5, 8 - -1212 5, 6, 1 - - 92 5 5, 21, 3 - -758 5 6, 1, 3 - -981 7, 16, 31 - - 8 0 6 81 4 7, 18, 2 - - 6 4 5e 7, 45, 6 - -3622 7, 62, 19 - - 283 7 8, 4, 8 - - 658 8, 46, 3 - - 6 1 8 3 6 9, 2, 3 - - 397 9, 2, 6 - -335* -315 2 9, 2, 7 -314 4 8 9, 2, 9, 1 - -889 9, 2, 9, 2 - - 378*7 9, 3, 2 - -304 9, 4, 1 - - 3047. 315 2 9, 9, 16, 2 - -500 7 9, 9,18 pr. - -121 3 9,13,1,1a- - 890 1 9, 15, 1 - - 2 1 1 1 9, 16, 8 - - 627 - 821» 9, 19, 3 2 9, 19, 5 - - 813 5 275 9, 20, 4 5 9, 21, 1 - - 1034 9, 22, 22 - - 392 3 . 422 2 9, 28 -760 7 9, 29 -760 7 9, 31, 1 - 658 7 . 891 e 9, 35, 5 - - 797 3 9, 40, 1 - -335 5 9, 42, 2 - -499 5 9, 45, 5 - - 501 1 9,46, 2 pr. - - 501 1 9, 46, 9 - -455 6 3 9, 47, 7 - - 76 3 9, 47, 20 - -912 4 9, 47, 26 - - 973 9, 51, 1 - - 484 e 10, 19, 2 - -1023 5 12, 20, 3 - -320 1

9, 2, 8 -

Codex Theodos. Collatio leg. Mos. et Rom. 1,5,3 — 949 4 . 969 2 1 1, 12, 1 — 359 12, 6, 1 — 8371 1 1,16,6 —359 - 780 4 14, 2, 1 14, 2, 2 — 2737 1 , 1 6 , 9 — 359 1 14, 3 — 2391. 269 2 . 1, 17, 13 — 365 1 2753.275 4 .780 4 2, 1 , 8 — 658 7 . 666 2 — 863 6 . 863 7 6. 22, 1 —1033 7 .1035 10 15, 2 3 8 9, 1, 1 — 285 . 287 const. Sirmondianae 9, 1, 3 - 369 4 3 — 294 2 . 295 1 4 9, 1, 10 — 356 6 — 294 1 7 9, 2, 3 - 304 15 — 292 4 9, 3, 1 - 304 7 . 315 2 1 Cyprianus (s. acta) 9, 13, 1 — 21 ep. 80 — 274 4 . 290 1 9 , 1 6 , 9 — 865 1 9 , 1 7 , 2 — 821 8 Digesta 9, 17, 5 — 813 2 2, 2, 14 - 1441 3 2 9 . 1 9 . 2 — 392 . 422 2, 2, 16 — 38 1 3 9, 19, 4 - 644 2, 2, 32 — 190B. 6443. 7 5 9, 20, 1 — 658 . 891 648 1 1 3 9, 24, 1 — 192 1, 3, 29 — 87 9, 26, 1 — 9 7 6 1, 8, 9, 3 — 901 5 9, 35, 2 — 984 1 . 984 8 1,8,11 —562 3 9 . 3 7 . 3 —455 e 1 , 9 , 3 — 995 1 9,38,3 —600 4 1, 11, 1 — 269 4 1 9, 38, 7 — 600 4 1,12,1, 12 —311 e 9, 40, 13 — 912 8 1, 15, 3, 1 —273 1 11, 7, 3 — 10236 1 , 1 5 , 5 —297 11, 30, 16 — 2 3 2 . 283 5 1, 16, 1 — 233 1 11, 39, 3 — 440 4 1,16, 6 pr. — 310 4 16, 2, 12 —293 2 1, 16, 6,3 — 715 2 16, 2, 23 — 294 2 1, 16, 7, 2 — 195 ». 233 7 16, 2, 41 — 292 4 1, 16, 11 — 248 2 16, 2, 47 — 294 1 1, 16, 12 —248 3 4 16, 5, 1 —601 1, 17, 1 — 231 1 16,5,5 —596 1 1, 18, 3 — 233 3 . 233 5 . 16, 5, 28 - 602 2 233 e . 357 3 2 16, 5, 40,7 —969 2 1, 18, 6, 8 — 244 7 16,5,65, 6 - 10404 1, 18, 10 — 233 16, 11, 1 — 294 2 1,18,13pr.— 313 1 Collatio leg. Mos. et 1, 18, 18 — 709 4 Rom. 1, 21,1 pr. —206 236 2 . 1 , 7 , 1 — 837 1 245 4 .696 2 .696 3 1, 9, 1 —837 1 1, 21, 5, 1 — 3 9 2 4 8 7 1, 10, 1 — 837 1 2, 1, 3 - 245 4 1, 11, 3 — 837 1 2, 1, 7, 3 — 985* 2, 1, 7, 4 — 92 3 2, 4 — 829 2 2, 1, 12 —228 2 2 , 5 , 4 — 787 5 2, 2, 1, 2 — 95 2 2, 6 — 803 8 2 2, 3, 1 — 885 3 4, 5 — 370 1 2, 7, 3, 1 — 248 7 7 , 4 , 1 —774 2 3, 2, 11,4 — 8 61 10, 7, 1 — 738 3, 2, 20 — 9 8 e 11, 2 — 775 9 3, 3, 33,2 —397 5 11, 6 — 753 1 2 11,7 — 775 10 . 10401 3, 3, 42,1 - 193 Κ 368 1. 804 11, 8, 3 — 953 3 4, 2, 1 — 652 1 . 654 1 12, 2, 1 - 8 4 0 4 4, 2, 9, 1 - 73 3 12, 2, 3 — 837 1 4, 3, 15, 1 — 73 4 12, 5, 1 — 840 4 4, 4, 9, 2 — 753 2 12, 5, 2 —841 6

1072

Register der behandelten Stellen.

Digesta Digesta 4, 5, 5, 1 —547» 47, 1, 3 —892 4 1 4,6,9 — 960 47, 2, 1, 1 - 96 8 4, 6, 10 — 3 0 0 2 47, 2, 1, 3 — 736 2 4, 6, 26, 2 — 353 4 47,2, 9 pr. — 736 1 5, 1, 2, 8 — 39 1 47,2,17 pr.—22 8 5, 1, 12,1 — 271 8 47,2,38,1 — 739 3 5, 1, 61,1 —312 1 47,2, 41,3 —69 8 9, 2, 5, 2 —76« 47,2,52,19- 737 1 9, 2, 23, 9 — 892 8 47,2, 57, 1— 893 1 9, 2, 25, 2 — 832 1 47,2, 81, 3 — 750 e 9,2, 27,17 —829 2 47, 2, 82 — 768 2 9 , 2 , 3 1 — 89 1 47, 2, 93 — 347 1 . 774* 9, 4, 2, 1 — 9 1 47, 4, 1, 2 — 8 9 2 10, 3, 7, 5 — 740 1 47, 7, 2 — 630 8 11, 5, 1 , 4 - 8 6 1 2 47, 8, 2pr. — 660 4 47, 8. 2, 7 - 6 6 1 3 1 1 . 5 . 3 — 860* 47,8/2,19 — 7 6 e 12, 2,13, 6 - 586 5 47, 9, 1, 1 —662 3 12, 5, 6 — 721 1 47, 9, 3, 8 — 646 4 13, 1, 6 — 757 e 47, 9, 9 — 837 ». 923 8 18, 1, 52 —848 7 47, 9, 11 — 89 2 21,1,17,18— 8 8 47,10,1,1 —787* 21,1,23,2 —76 2 . 87 8 4 22, 5, 3 pr. — 439 4 . 440 1 47,10,1, 8 - 799 2 47,10,5 pr.—803 e 22, 5, 3,3 —430 47,10,5,11 — 505* 22,5,15pr. — 403 8 22, 5, 19 - 410 3 47.10, 7,1 — 892 8 1 22, 5, 21, 2 - 4 0 8 47, 10, 15 —789 1 1 22, 5, 25 — 402 4 47,10,15,2-795 22, 6, 9 pr. — 93 2 47,10,15,30-807 1 4 23,2,43,10—192 47,10,15,34— 789 791* 25, 2, 3 , 3 - 7 5 9 4 47,10,17,6-4 1 3 3 25, 2, 26 — 760 47,10,18pr.— 797 2 5 . 3 . 4 — 619 2 47.11, l , 2 - 7 0 4 4 2 2 5 . 7 . 3 — 693 47,12,3,5 —130 4 26, 7,55,1 — 738 2 47, 12, 8 —665 4 27, 3,1, 22 — 888 8 47, 12, 11 —951 e 28,1, 20, 5 - 403 3 47, 13, 2 — 1914 28, 1, 26 — 990 9 4 47, 14, 1 — 10401 28, 2, 11 — 618 47,14,1,3 — 952 1 28, 3,6, 6 —947 4 47,15,lpr.—501 e 28, 4, 3 - 526 6 47,15,3,3- 1 9 1 4 9 9 1 29, 5, 14 — 76 e 47, 15, 6 — 503 4 29.5.25.2 —508 2 47, 18 —568 8 3 2 . 1 . 4 — 268* 47,20, 3,1 — 680 e 34, 8, 3pr. — 948 1 47, 22, 2 — 663 1 4 38.16.1.3 — 1005 8 47, 23, 2 —372 1 3 9 , 4 , 1 — 664 1 47, 23, 4 — 371 39, 4, 9, 5 — 663 5 . 892* 4 8 , 1 , 2 —907 4 . 908 2 40,12,23pr.— 854* 48,1,4 —891* 41, 2,3,18 — 735 6 48, 1, 8 - 1932. 1952. 8 41, 3, 33,2 —659 1954. 220* 1 42, 1, 48 — 449 8 48, 1, 10 — 333 4 43,10,1,1.2-849 2 48,1,12,1 — 310 43,16,1, 2 — 656 1 48, 1, 13 —220* 43,16,1,27— 653 1 48,1,13,1 — 374 2 44, 7, 33 — 67 2 48,2,2 pr. — 369 4 44, 7,41,1 — 889 7 48, 2,3 pr. —385 2 44, 7, 53 — 891 1 48, 2, 3,4 —453 2 . 453 8 44, 7, 60 —889« 48, 2, 7, 2 — 480 1 47, 1, 2, 1 — 887 1 48, 2, 7, 4 —357 2

Digesta 48, 2, 7, 5 — 3581 48, 2, 12 — 8911 48, 2, 12,3 — 8 1 2 48, 2, 20 — 67 2 . 3922 48, 2, 22 — 3581 48, 3, 1 — 330 4 . 331* 48, 3, 6, 1 —308 1 . 3092. 309*. 309 e 48,3,7 —358 1 48, 3, 9 — 2884 48, 3, 11 — 357 1 48, 4, 1, 1 — 562 7 . 5811 4 8 . 4 . 3 — 540 3 . 547 e . 5611 48.4.4 —548 7 . 5492 48, 4, 11 — 67 2 . 538 1 48, 5, 14 - 6 9 7 2 48, 5,18,1 - 389 4 48, 5,30, 7 - 3 9 1 6 48, 5, 38 — 370 1 48,5,40,6 — 389 4 48, 6, 3 — 6591. 6623 48, 6, 8 — 324 3 48, 7, lpr. — 9943. 997e 48, 8,1 pr. — 633 3 48, 8, 1,3 —837 1 4 8 , 8 , 2 — 618 4 48, 8, 3, 2 — 6378 48, 8, 3, 3 - 636 3 48, 8, 3, 4 — 6354. 646 4 48,8, 4 pr. — 6332 48, 8, 4, 2 - 33(52 4 8 , 8 , 7 — 6261 48, 8, 16 — 10341. 10358 48, 9, 1 — 627 1 .645 1 - 1 0 48, 9, 5 — 25 1 48.10.1.13- 6672 48, 10, 8 —673* 48,10,9pr.— 6732. 673* 48,10,15 pr.— 94 1 48,10,19 pr.— 6703 48,10,30,1— 1924 48, 11, 1 — 712 ». 713* 48,11, 1, 1—716 4 48,11,6,2 —715 3 48, 13 —760 7 48, 13, 4 — 233° 48,13,4,2 —313 1 48.13, 5,4 —768 2 48,13,8 pr.—766* 48,13,11,3— 766 3 48,13,11,6— 1023* 48, 13, 13 - 7 6 4 3 48, 13, 16 — 7721. 772 2 48.14, lpr.— 865 4 48,15,25,1-934 1 48,16,1,10—497 3 48.16.1.14—472 2 48, 16, 3 - 104. 497 2 48,16,4pr.— 3894. 497 8

Register der behandelten Stellen. Digesta Digesta 48.16, 6,2 — 488» 50,16, 216 — 960» 48,16,10 pr.— 453 2 50, 16, 2 2 6 - 89 2 4 1 50,16,238,2— 8 8 48.16.15.5— 392 . 488 50,16,239,8- 224 3 48.17, l p r . - 335 4 50, 16,244— 14 2 . 54 3 . 48,18,10.1 —408 2 48, 18, 22 —315 2 470 2 48, 19,1,3 — 104. 1951 50,17,43,1-888 4 48, 19, 4 - 484 5 50,17,108 - 76 3 48.19,5pr. — 333 ». 335 4 . 50,17,130 — 889 8 3 336 1 50,17,152 pr.— 656 Dio Cassius 48,19, 5,2 — 837» fr. 17, 8 — 931» 48, 19,8,1 - 924 2 . 930 8 48, 19, 8, 3 - 9 2 0 * 38, 14 — 978 1 4 38, 17 48,19, 8, 8 — 949 — 936 1 48, 19,8,9 - 960». 963 2 39, 37 — 872 2 48,19,8,11 — 955* 43, 24 -913e 48,19,8,13—952» 47, 6 — 76 2 48,19,9,15—1033 2 j 47, 18 - 10183 48,19,11,2— 626 3 47, 19 — 459 4 48, 19, 13—195 8 . 1041» 49, 43 -457 4 48, 19, 15 —943 1 51, 19 — 260 2 48, 19, 20 — 4» 52, 7 — 5» 52, 20. 21 - 220* 48, 19, 23 —949 4 52, 22 48,19,27 pr.—479» — 281 3 . 468». 48,19,28pr.—908». 918* 469». 10362 7 52, 24 — 289 48.19.28.1—953« e 4 52, 33 — 272 48.19.28.6-949 53, 21 — 252» 48, 19, 3 0 - 5 7 9 2 53, 23 — 1026* 48, 19, 31 —926 4 54, 3 — 334 3 48, 19, 32 — 249 9 55, 32 — 1026* 48, 19, 33 — 4» 57, 22 — 957 2 48,19.34 pr.— 953 1 58, 3 — 305 2 48,19,38 pr.— 951« 58, 15 — 933 2 48,19,38,5-637» 60, 28 — 473» 48, 19, 41 — 901* 76, 16 — 220* 48, 20, 3 —1010 3 e 78, 14 — 924 e 48, 20, 6 — 924 2 8 48, 22, 5 — 965 . 973 Diocorus 48, 22, 7,1 - 9 6 2 » 3, 17 — 950 2 48,22,7,21 —999 3 29, 21 — 769 4 48.22.14.2—968 1 36, 11 — 146 2 49, 2, 1,4 —276 2 37, 5, 2 p. 607 49,3, l.pr. —271 3 - 237 2 49, 3, 1, 1 — 276 3 Dionysius 49,3,2 -54» — 402 2 . 566». 2, 10 49,14, lpr.— 1029». 10292 901 3 . 903 4 3 49, 14, 1 2 - 9 4 8 » . 983 3 — 619 2, 15 49, 15, 7 — 230 1 2, 72 5 5 » 49, 15, 7, 2 - 1093 — 822.2. 937 1 2, 74 49,16,3,15 - 30» — 539 3 . 540 4 3, 30 49, 18, 3 — 10343 —1008 » 4, 5 50, 4,18, 7 — 308» 4, 13 — 51 50,13, 5,3 — 956'* 4, 15 — 44 4 50, 16. 42 — 92» 4, 25 — 5» 50,16,70 pr.— 856* — 56 1 . 83» 4, 36 50,16,103 — 907* 4, 43 — 875* 50,16, 131 - 39».41 ».57». — 463 1 5, 9 87 3 — 542» 5, 11 50,16, 178— 1017 3 — 42» 5, 19 B i n d i n g , Handbuch. I . 4

M o m m s e n , röm. Strafr.

Dionysius 5, 70 — 632 4 6,30 —914 2 6, 89 — 937 4 7, 64 —964» 8, 1 -964» 8,21 —481 3 8,58 —932 2 9,40 -9283 11, 6 - 9 3 3 * . 933 e 11,46 —161» Euangelia Iohannis c. 18 -2402 Marci c. 14. 15 —240 2 c. 15, 43 —989 e Eunapius vita Juliani p. 69 - 330* p. 70 — 1234. 375 e Eusebius hist. eccl. 4, 15, 21. 25 — 575 3 5, 1, 14 - 3 1 3 3 5, 1, 20 — 575 3 5, 1, 61 —988 4 5, 5 -498» 5, 21 .— 498 1 7, 119 — 571 2 vita Constant. 2, 44. 45 —607 2 Eutropius 7, 15 —918* FestU9 p. 41 v. conventus — 223 2 p. 81 v. exilica — 70 3 p. 126 v. maximus pontifex — 559 4 p. 142 v. multam — 50 2 . 10131 p. 165 v. nervum — 300 2 p. 209 v. pietati — 479 3 p. 218 v. postliminium —105 3 p. 221 v. parricidii quaestores - 612 4 . 626». 627» p. 230 v. plorare — 565*. 903 4 p. 234 v. pro scapulis — 47 3 p. 241 v. probrum -203 68

1074

Register der behandelten Stellen.

Gellius Festus Inschriften 13, 13 —402 p. 264 v. rupitias Corpus Inscript.Graecarum 1 5 14, 1, 1 —-211 — 827 4300 2 — 8151 9 15,13,11 - 990 p. 278 v. relegati 4441 —821 2 16,4 — 30 4 Corpus Inscript. Latinarum — 48 1 17, 7, 1 — 756 1 p. 309 v. supplicia vol. I 2 4 20, 1, 53 —931 — 916* p. 200 -6483 Gregorius der Thaup. 318 v. sacer mons vol. I maturg — 624 ». 901». 818 —642 4 902 1 paneg. in Orig. 4 vol. I I 1 - 123 v. sacratae leges 2011 —307 2 4 ad Herennium 4223 —209 ΟΟώ " 3 1, 11, 20 —729 3 p. 343 v. S. 6278 2 4 7 saxum 1, 12, 22 — 372 2 vol. IV e — 933 1, 13, 23 - 643 6 p. 368 v. termino 1943 —209 4 1, 14, 24 —198 1 — 822 2 vol. V 2, 10, 15 — 901 51 Firmicus 7567 —209 2 e 2, 16 — 626 7749 — 769 4 math. 6,31 — 673 4, 8, 12 — 664 l 0 . 972 1 vol. V I 5 Frontinus 4, '25, 25 —787 1115 —282 2 de aquis 4, 35, 47 — 208 ». 421 2 1419 — 270 1 5 3 97 — 824 4, 36, 48 — 423 1531.1532270 1 1 99 — 823* 1 4, 39, 5 1 - 972 1673 — 270 129 — 1020* Hieronymus 1682.1683- 270 2 strat. in Abdiam 1690-95 —283 2 . 284 2 4, 1, 10 — 43 2 1, 18 — 319 3 1718 — 270 1 chron. Fronto 1739-41 - 283 2 1 Abr. 1989 — 864 ad Anton. imper. 7458 — 8194 Vall.) 8750 — 819 4 1,5 p. 103— 1015*. 10162 in Dan. (vol. 5 p. 627 — 862 5 . 862 e 10120 — 811 s Gaius contra Vigilantium (vol. 2 10682 —819 4 inst. p. 392 Vall.) 10791 — 8196 3 1, 53 - 2 3 - . 461 7 — 317 4 29289 — 814 4 — 44 1, 160 Hippolytus 31775 — 2701 8 2, 45 — 659 in Dan. 4, 18 p. 232 31959 — 3623 2, 55 — 778 3 — 313 2 2 vol. IX 3, 186 — 748 Horatius 782 (lex luci Lucerini) — 751 2 . 946J 3, 189 od. 2 —177 2 . 4 810*. - 837 3, 216 4, 5, 21 —691 811 . 811* 3, 221 — 799 4 . 799* satir. 2438 —307 2 5 3, 222 — 786 3 1, 6, 38 932 3437 - 954 4 — 756 4 4, 4 2, 1, 82 - 8014 4 3513 (lex a vicanis Fur4, 19 — 708 epist. fensibus templo dicta) 6 — 850 3 4, 23 2, 1, 152 —918 — 2253. 7623. — 722 4 4, 31 2, 1, 154 — 800 2 1 770 1 4, 37 — 107". 745 . Inschriften 1 1 8 5420 — 267 745 749 Ancyranum vol. X —1012 2 4, 48 1, 10 - 1993. 10094 511 — 642 4 Corpus Inscript. Graecarum Gellius 1 e 1700 — 282 2 . 285 2 2222 — I I I — 373 2, 4 4 1 5178 — 270 1 2759 b — 954 4, 14 — 465 4 2 2 5393 —247 2830 —818 5, 13 — 402 1 2 5398 — 270 2834. 2850 c. p. 1118 5, 14, 27 — 926 1 1 2 1 5708 — 1 3 — 816 6, 3, 37 — 14 . 95 . 6706 —814 7 3335 — 818 1 846 2 . 10162 3410 -814* vol. X I 7, 14, 4 — 9* 3692 —817 3 3614 - 5 1 4 1 . 514 4 . 10, 23 -6251 3 3 3831 a.8 — 308 514 7 — 50 11, 1 4259 — 815 1 3943 — 141'.247 4 11, 18, 8 — 75 4 . 931 3 4300 p. 1128 4632 ( fragm. Tudertinum 11,18,13 —740 2 — 8161 s. unter Leges) 11,18,18 — 7544

Register der behandelten Stellen. Inschriften Corpus Inscript. Latinarum vol. X I 4639 — 642 4 4766 (lex luci Spoletini) — 364.853.7623. δΟθ^δΠ^δΠ 5 . 10172. 1017« 6343 — 317 1 vol. X I I 2426 — δ10*. S i l 6 vol. X I I I 3612 (Inschrift von Thorigny) — 139 2 . 141 24δ6 5010 —307 2 5708 — 814 e vol. XIV 13 — 3194 2112 — 8772 3902 — 2701 Institution es 2, 6, 2 - 659 8 4, 1, 1 — 736 2 4 , 3 , 3 — SSI 1 4, 4, 2 — 799 4 4, 6, 14 — 7564 4, δ, ι -δ2 4,9,1 -δδ98 4, 15, 8 — 195 8 4, 18, 1 —192 4 Iohannes s. euangelia, Lydus Josephus antiquitates 14, 10, 8 —876 3 17, 13, 2 — 1 0 5 3 18, 6, 9 - 303 e bellum Judaicum 2, 7, 3 — 1053. 10265 2, 8, 1 — 244 3 7, 5, 6 — 930 1 de iure fisci 8. 9 - 10282 Justinus apol. 1,6 — 575 2 I, 6δ —577 3 Juvenalis 6, 243 —369 4 II, 2 — 219 4 Lactantius de mort, persec. 13 - 593 2 . 992 1 21 — 407 1 Leges edictum de accusationibus — 346 2 . 415 2 . 415 3

fragmentum Tudertinum - δ 7 3 . δ14β. 1013 2 .1015 4 . 1017s Lex Acilia repetundarum 2 — 710 3 11 — 1473 — 211 e 14. 15 19 — 208 2 . 3δ6 4 . 389 1 23 — 384 3 . 384 4 . 389*. 722 4 — 381 2 26 — 207 4 . 381 2 27 — 67*. 727 3 29 — 418 8 34 — 395 4 36 — 219 1 . 219 3 3δ — 396 2 40 — 51 2 45 — 423 4 49 — 445 7 51 — 450 3 . 502 e . 56 8δ2 5 . 901 6 — 213 4 60 -467 3 70 — HO 2 7δ Lex agraria 37 — 216 1 112 — ιοίδ 1 Lex Bantina — 402 5 3 - 10172.10173. 9 fg. 1022 2 — 1764 10 — 10023 19 Lex Iulia agraria c. 55 - 1793. 1832. 50δ3 Lex Iulia municipalis — δ49 2 32 117 — 483 2 . 971». 978 2 . 10004 118. 119 — 226 3 . 227 4 — 1891 120 — 944 3 132 Lex Quinctia — 38 1 . 99 4 Lex Rubria 2, 20 -873 Stadtrecht von Genetiva - 10205 c. 61 — 179 s . 1δ32. c. 95 ^ΜδδΜδδ2. 2243 - 227 3 c. 96 — 364 373 3 c. 102 -306 2 c. 103 c. 105. 123. 124 — 9985

1075

Leges Stadtrecht von Genetiva c. 132 — δ6δ2. 669 1 Stadtrecht von Malaca c. 66 — 54 2 c. 67 —770 4 Stadtrecht von Salpensa c. 27 —463 2 Stadtrecht von Tarent 4 — 1841. 2271. 770 4 . 10134 36 — 1025e Wechselordnung von Mylasa — 114*. 117 8 . 241 1 . δ16 2 Libanius vnèo *Λριστοφ. p. 429 — m 1 Livius 1, 24, 5 — δ7 3 1,26 — 1673. 918*. 919 7 1, 26, 6 — 1641 1, 26, 7 — 528 1 1,28 — 940 1 1, 49, 4 —149 5 2,8 — 5512. 937 2 2, 35, 5 — 4351 2, 35, 6 — 964 1 2, 52 — 15Ö1. 569 1 3,13 —328» 3, 36, 7 — 1491 3,55 — 5512. 5δ0 3 . 581 3 .581 4 .937 3 . 937 4 3, 56, 1 — 1611 3, 69, 7 — 44 3 4,51 —172 1 6, 38, 9 — δδΐ 1 . ι ο ί δ 2 7, 16 — δ66 2 δ, 14, 4 - 74 1 δ, 18, 4 — 505 1 δ, 2δ — ΐδ 8 δ, 32 — 1473 δ, 37, δ — 74 4 9,25 — 15213

9, 26

— 66δ

10,9 —42 1 . 632 4 23, 14, 3 — 32δ3 23,31,10 —547 4 25,3 —163 3 25, 3, 10 —767 5 25, 3, 12 —770 3 25, 4 — 327 1 25, 4, δ - 1 6 4 2 25, 4, 9 — 7 1 2 26, 3, 5 —165 4 26, 3, δ —1015 2 26, 3, 12 — 7 1 2 26, 33,10 — 7 4 4 29, 21, 1 — 71 1 68*

1076

Register der behandelten Stellen.

Livius 32,16,17 — 302 3 33,36,3 — 898 4 38, 50, 8 —387 4 38, 54 — 1721 39, 14 - 1562 39, 14, 6 — 1521 39, 14, 9 —305 2 39, 17 — 324 3 39, 17, 1 - 148!». 384 2 39, 18, 6 — 1 9 2 40, 19 —866 e 42 1 29 2 42^22 — 1722 207 3 . 333 2 3 43, 2 — 178 . 217*. 380 708 1 43,16,10 — 4 9 4 45, 37, 4 — 384 2 . 387 4 ep. 47 — 582 7 . 708 2 ep. 48 - 19 2 . 1432 ep. 49 - 1722 ep. 55 —432 ep. 57 - 983 4 ep. 61 — 329 1 Lydus de magistratibus 3, 11 — 517 2 Macro b ius saturn. 3, 16, 16 —426 2 . 432 7 . 443 1 Marcus s. Euaugelia Marcus Diaconus vita Porphyrii c. 41 —609 2 Märtyrer act eil s. acta novellae Justiniani 17,8 —982 7 22,8 —947 2 128, 21 — 313 1 134, 13 — 738 1 novellae Maioriani 7, 11 — 73 4 novell. Valentiniani I I I 14, 1 pr. - 294 2 17 — 600 4 . 609 3 novum testamentum s. acta apostolorum und euangelia.

Orosius 5,16 — 25 1 6, 16, 8 - 6 1 4 1 Papyri Berliner ägyptische Urkunden 6 — 3071 46 — 297 1 82 -6384 163 —349 2 275 - 314 2 321. 322 — 314 3 347 — 638 4 511 — 265 4 . 267 1 522 - 3121 581 — 331 1 628 — 469 1 . 472*. 473 1 Greek Papyri of the British Museum 2 p. 158 — 307 1 2 ρ 173 — 312 1 2 p. 270 — 312 1 2 p. 271 — 307 1 2 p. 275 — 307 1 papyrus de Genève 17 — 3121 the Oxyrhynchos Papyri (Grenfell and Hunt) 1,33 — 265'. 265 4 1, 43 v° - 307 1 62 — 312 1 64 — 307 1 65 —312' Wiener Papyrus (Wessely) — 301 2 . 470 5 Paulus sententiae 1, 5, 2 - 4 9 7 2 1, 6 A, 2 — 782 1 1, 6 B, 3 — 480 1 1,13 A, 3 - 825 e 2, 31, 14 —752 3 3,5,6 — 631* 4, 6, 2 —364 5 5, 3, 1.3 —662 3 5,4,1 —787 5 5, 4, 6—8 — 7852. 785 3 5, 4, 8 — 1047 ' 5, 4, 11 - 1048 1 5, 4, 12 — 374 5 5, 4, 14 — 7044. 792 4 Optatus (ed. Dupin) 5, 4, 15 - 801 1 5, 4, 21 — 796 3 p. 284 - 6002 5, 6, 11 — 374 2 Origenes 5, 6, 14 - 7826 ad Afric. 5, 13, 1 — 8804 14 - 1201 5, 16, 3 - 413 3 contra Cels. 5, 16, 11 — 10448 2, 13 —638 5 5, 16, 14 — 385 4 zum Römerbrief (Rufinus 5, 17, 1 — 952 1 1. 6. c. 7) — 1201

Paulus sententiae 5, 17, 2 - 971 4 5, 18, 1 — 753 1 5, 19 — 7764 5, 19 A — 10451 5, 21, 1 — 971* 5, 21, 2 —579 2 5, 21 A — 10461 5, 22, 3.4 - 638* 5, 23, 3 —6271 5, 23, 1 4 - 6371 5, 23, 15 —642 3 . 642 4 5, 25, 1 - 673*. 6778. 10361 5, 25, 5 —673 3 5, 25, 7 — 10411 5, 25, 9 - 6727 5, 26, 1 — 2423. 663 3 5, 29, 3 —584 4 5, 30 A — 658 4 5, 35, 2 - 470 4 Perpetua s act« Phaedrus 3, 10 — 2631 Philo in Flaccum 10 - 983 4 Philostratus vit. soph. 1, 25, 2 —238 2 2, 19, 3 — 357 1 2,32 -2672 Pionius s. acta Plautus Asin. 131 — 159Aulularia 416 — 1592 Captivi 475 - 153 2 3, 1, 32 - 8 5 0 1 . 851 8 3, 4, 93 — I I 2 Men. 587 - 1773 Persa 70 — 1801 Pseudulus 363 -181e Truculentus 759 — 1592 762 — 180 8601 Plinius d. Aelt. naturalis historia 7, 36,121 —479 3 7,43, ΓΪ6 — 47 4 18, 3, 12 —631 8 29, 1, 1 8 - 2 1 1 1 . 840 1 35,12,162-668 3 Plinius d. J. epistulae 2, 11, 14 —428 6

Register der behandelten Stellen. Plinius d. J. epistulae 3, 9 - 98 4 . 270 6 . 3791. 502 6 4, 9, 17 — 254 4 5, 4 [21J — 205s1 5, 9 [21] — 706 5, 20 —410 e 6, 31 —261 2 6, 33 —361 3 7 , 6 , 8 — 270 5 9, 3, 14 - 713 e panegyricus 34—36 —879 7 35 —495 2 ad Traianum 31. 32 — 952 2 79 —1035 6 94 — 312 1 . 321 1 96 — 243 5 . 349 2 . 569 2 97 —577 2 98 _ 341 1 Plutarchus Camillus 39 —1018 2 Cato minor 42. 44 — 8731 C. Gracchus 3 — 332 3 4 — 2581 Ti. Gracchus 20 —256 3 Poplicola 11 -503 12 — 934 4 Romulus 22 — 612 4 . 689 4 . 1005 2 Polybius 3, 22, 9 — 1131 3, 24, 10 —113 1 6, 13 — 1461 6, 14 — 69 2 . 1622. 966 4 6,17 —178 2 6, 32, 9 — 30 4 Porphyr ius s. Marcus Priscianus 6,69 —802 2 Probus de notis 4, 274 — 87 s . 179 8 . 1838 Procopius bell. Goth. 3, 32 — 315 3 Propertius 2, 7 — 6911

Quintiiianus instit. orat. 3, 10, 1 - 204!». 205 2 . 378®. 379 4 3, 10, 3 - 373 8 5, 7, 1 — 411 2 5, 7, 9 —408 6 5, 7, 25 —426 5 5, 7, 32 - 4 1 1 3 5, 13, 5 — 1445 6, 3, 83 — 806 1 6, 4, 7 —430 5 7, 8 - 931 1 10, 1, 12 —629 3 12, 3, 2 — 3777 Sallustius de coniuratione Catilinae 29 — 38 1 51 — 1731. 966 4 52 - 938 3 55 - 930 e de bello Jugurthino 35 — 143 3 46 — 31 3 S cillitanische M ä r t y r e r s. acta Scriptores hist. August, v. Alexandri 46 — 1371. 1383 v. Aureliani 37 — 927 6 v. Caracallae 10 — 84 2 v. Cassii 2 — 3462 v. Elagabali 9 — 639 3 v. Hadriani 11,4 — 319 1 14 —638 2 v. Macrini 2 3

Seneca d. J. de dementia 1, 15 — 20 4 .23 2 .25 4 . epistulae 97, 7 — 1983 de ira 1, 16, 5 — 933 1 ludus 8

—1163

12 - 254 6 nat. q. 4, 7 — 1222 Servius in Aeneidem 2, 424 — 434 3 6,609 — 566 1 Siculus Flaccus 135 — 2243 138, 8 —224 3 Suetonius Caesar 17 — 352 1 23 — 353 2 42 — 876 3 . 1009 Augustus 24 — 44 1 29 -3604 32 — 2124. 455 2 . 496 33 — 2701. 359 2 . 876 41 — 10266 45 — 47* 65 -9742 Tiberius 2 — 53 1 35 — 19 3 . 26 1 37 — 311 s 61 — 302 s Gaius 12 — 880 . 880 . — 257 1 28 925 3 Claudius v. Marci 25 — 8561. 858 1 10 - 253 4 34 — 225 3 . 915 4 2 11 — 268 Nero 24 — 220R. 481 1 49 — 259 2 v. Pertinacis Titus 3 9 — 415 — 891 1 8 v. Severi Domitianus 17 — 574 3 9 — 880 1 Seneca d. Aelt. Symmachus controversiae epistulae 1,3,3 —931 1 9,147.148—243 2, 3, 18 - 17 1 1 10, 38, 4 - 3 0 9 7 3praef. 19— 387 2 10, 49 — 496 B . 10406 9,2 [25], 11— 395 1 Tacitus 9, 2, 17 — 556 annales Seneca d. J. de beneficiis 1, 72 — 582*. 800 1 2 6, 5 — 778 1, 73 — 580 1

1078 Tacitus annales 1, 75 2, 30 2, 32 2, 50 2, 69 3, 12 3, 13 3, 24 3, 26 3, 28 4, 20 4, 29 4, 35 6, 3

6, 11 6, 16 6, 29 H, 7

12, 22

12, 13, 13, 13, 13, 14, 14, 15, 16, dial. 5 7 38 39

53 10 26 28 32 41 48 71 33

Register der behandelten Stellen. Tertullianus apol. 2 — 438 4 . 760 7 -726 2 5 — 498 1 1 -139 9 —121 1 -427 2 2 24 —569 2 - 640 7 . 933 2 27.28 5 6 9 -192 35 —569 2 - 642 4 de fug. 1 - 253 13 — 313 5 -428 s de idol. 1 - 587 9 — 639 2 - 5 1 . 56 1 ad nat. 2 -878 1, 15 — 619 s • 1026 B ad Scap. 3 493 4 — 315 1 990 2 de spect. e •961 22 — 995 1 272 3 Theodoretus 4 850 Ελλ. πη&ηυ. 438*. 987 3 p. 337 — 1234. 1243 706 3 1010 3 .1010 4 Ulpianus regulae 855 5 13, 2 — 254 e 348 2 2 28, 7 —878 3 18 1 Valerius Maximus 54 1, 1, 13 — 567 4 19 3 . 26 3 2 1, 2, 3 — 864 1 220 7 3,7,9 —353 2 919 4, 1, 1 — 42 1 10104 5.4.7 —143 2 . 479 3 10104 5 , 8 , 3 — 25 4 6 . 1 . 8 — 97 5 6, 1, 10 — 703 3 214 1 6,3,3 — 988* 261 3 6, 3, 4 — 44 1 428 4 3 6, 3, 8 — 192. 143 2 425

Valerius Maximus 8, 1 damn. 4 — 53 1 8 , 4 , 2 — 632 1 9, 62, 7 —727 2 Varro de lingua Latina 5, 177 — 50 2 . 10131 6, 90 — 1643 Vaticana fragmenta 112 —514* Vegetius 2,5 — 583 6 Victor ars rhetorica 6, 3 — 734 4 . 743 1 Caesares 39,44 —319 2 Zonaras 7, 3 — 562 3 Ζ wölftafeln 2,3 — 991 2 3, 4 — 300 2 8,2 — 802 1 8, 3 — 132 8, 4 - 13 2 8, 8 - 918e 8, 9 — 89 5 . 837Κ 923 3 8, 13 — 75 4 . 7503. 9313 8, 15 —748 2 8, 19 - 7382 8,20 —738 2 8,22 — 99051 8, 23 —931 4 12,4 —131