Römische Kinderkaiser: Eine Strukturanalyse römischen Denkens und Daseins [Reprint 2022 ed.] 9783112651322

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Römische Kinderkaiser: Eine Strukturanalyse römischen Denkens und Daseins [Reprint 2022 ed.]
 9783112651322

Table of contents :
VORWORT
INHALTSVERZEICHNIS
I. STRUKTURPSYCHOLOGISCHE VORAUSSETZUNGEN DER HERMENEUTIK
II. DYNASTISCHES DENKEN UND LEGITIMISMUS IM RÖMISCHEN KAISERTUM ALS QUERSCHNITT DURCH DIE HISTORIA AUGUSTA
III. VERFASSUNGSPRINZIPIEN DES RÖMISCHEN KAISERTUMS
IV. RÖMISCHE KINDERKAISER
V. DIE QUERSCHNITTLICHE METHODE
VI. ZUR STRUKTUR VON GESELLSCHAFT U N D UMWELT DES A USGEHENDEN4.JAHRHUNDERTS N. CHR.
VII. TRAIAN ALS PROGRAMM IN LITERATUR,BAUKUNST UND POLITIK DES AUSGEHENDEN4.JAHRHUNDERTS
VIII. DER KAMPF ZWISCHEN CHRISTLICHER ESCHATOLOGIE UND RÖMISCHEM IMPERIALISMUS
IX. RÖMISCHE ADELSGESELLSCHAFT. KAISER UND PÄPSTE
Beilage I DAS SYMMACHUSFRAGMENT IN JORDANES' GOTENGESCHICHTE
Beilage II DAS FORUM TAURI IN ROM
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W E R N E R HARTKE . R Ö M I S C H E

KINDERKAISER

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KINDERKAISER EINE STRUKTURANALYSE

RÖMISCHEN

DENKENS U N D DASEINS

VON

DR. W E R N E R

HARTKE

PROFBSSOR AN DER UNIVBRSITAT ROSTOCK

1951 AKADEMIE-VERLAG BERLIN

Copyright 1951 by Akademie-Verlag GmbH., Berlin NW 7 Alle Rechte vorbehalten

Erschienen im Akademie-Verlag GmbH., Berlin NW 7, Schiffbauerdamm 19 Lizenz Nr. 156 • 5000/49 - 6739/49 Satz und Druck der Buchdruckerei Oswald Schmidt GmbH., Leipzig M 118 Bestell- und Verlagsnummer: $029

VORWORT Als sich während der sechs Jahre des zweiten Weltkrieges Anfang 1944 eine kurze Gelegenheit ergab, meine Gedanken wieder auf wissenschaftliche Probleme zu richten, entstand aus der historischen Interpretation eines Satzes der Historia Augusta „Mögen die Götter uns schützen vor Kinderkaisern" eine Miszelle, die Lothar Wickert damals für die Klio annahm. Aber dieses Manuskript kam nicht mehr zum Druck und ist verlorengegangen. Die Folgen des Krieges zwangen mich in jeder Hinsicht zu einem neuen Anfang von Grund auf. Der Titel des Buches, das seit Ende Mai 1945 aus jenem ersten Gedanken entstand, bezieht sich, wenn auch nun kaum noch zureichend, auf einige historische und staatsrechtliche Erkenntnisse, die für die römische Kaiserzeit gewonnen sind. Im weiteren Sinne bezeichnet er aber bildlich den Weg eines gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Organismus von der lebenskräftigen, realistischen, .wahren' zur formstarken, symbolischen und .lügenhaften* Funktion als entwicklungsgeschichtliches Phänomen. Dieses Phänomen wird auf den verschiedensten Gebieten, in Archäologie, in Philologie, Geschichte, Recht, in Mythos und Religion aufgesucht und beschrieben, zugleich soweit erforderlich in historischen Längsschnitten erfaßt. Eine Begrenzung ist dadurch gesichert, daß alles zusammen hier nur den Passepartout liefern soll, der möglichst viele Türen des Spezialproblems der Historia Augusta zu öffnen vermag. Dies wird fast überall weniger in Darstellung ausgeführt als in speziellen Untersuchungen, die jene vielleicht einmal vorbereiten können. Form und Methode des Buches sind oft durch die ungeheuren Schwierigkeiten bestimmt worden, denen die wissenschaftliche Arbeit eines Deutschen auch abgesehen von der Lage des persönlichen Falles seit 1945 unterworfen ist. Doch glaube ich die Veröffentlichung des Werkes verantworten zu können, obwohl es nicht ganz auf die gelernte Weise zustande gekommen ist. Die Möglichkeit, wieder fachwissenschaftliche Bücher zu benutzen, eröffnete sich nur langsam, und manche Literatur, besonders neueste, aber auch ältere, ist mir bis zuletzt unzugänglich gewesen. Darum blieb nichts anderes übrig, als allmählich bald diesen bald jenen Bauteil nachträglich durch solideres Material zu ersetzen. Einige Komplexe hätte ich schließlich lieber verselbständigt und im Interesse einer klaren Architektur vorher veröffentlicht, wenn man sich an eine Fachzeitschrift hätte wenden können. Die teilweise regelwidrigen und monströsen Anmerkungen bilden nur eine recht peinliche Notlösung, für die ich durch reichliche Verweisungen und Register einen Ausgleich zu finden bemüht gewesen bin. Leider mußte ich auch öfters darauf verzichten, bis zur Urquelle bestimmter Ansichten vorzudringen.

VI

Vorwort

Ohne Hilfe von vielen Seiten wäre eine Überwindung der Hindernisse kaum möglich gewesen. Dafür soll hier der Dank ausgesprochen werden. Mit größter Liberalität wurde nmir 1945 die ziemlich reichhaltigen Bücherbestände der alten Husumer Gelehrtenschule, des heutigen Hermann-Tast-Gymnasiums, zugänglich gemacht; auf diese Weise hatte ich überhaupt wieder einige Texte zur Verfügung. Ehrerbietig danke ich der Philosophischen Fakultät zu Göttingen, daß sie mir von Herbst 1945 bis Frühjahr 1948 provisorische Arbeitsmöglichkeit bot. Mehreren Mitforschern verdanke ich sachkundige Beratung; die betreffenden Stellen des Buches sind mit ihren Namen gezeichnet. In allen archäologischen Abschnitten hat mich W . H. Gross immer wieder durch Nachweis neuester Literatur und kritisches Urteil unterstützt. H. U . Instinsky las das Manuskript in der Form, wie ich es bis Sommer 1946, ohne die wissenschaftliche Literatur ausgiebiger benutzen zu können, mit nicht ganz der Hälfte des jetzigen Umfanges entworfen hatte, und regte durch einige Hinweise weiter an. Ernst Hohl, mit dem ich im Oktober 1945 von Göttingen aus eine erste west-östliche Briefverbindung wiederherstellen konnte, lieh mir nicht nur seltene Spezialliteratur, sondern unterzog sich auch liebenswürdigerweise der Mühe, nach dem Abschluß der Arbeit im Sommer 1948 zu Rostock das ganze Buch zu lesen. Außer mehreren Korrekturen und wertvollen Bemerkungen aus dem Schatze seiner Kenntnisse hat seine unbestechlich sachliche und klare Kritik in einem wichtigen Punkte mich zu einer Revision meiner Ansicht veranlaßt. Beim Lesen der Fahnenkorrektur unterstützte mich cand. phil. H. Zernial. Dem Akademie-Verlag und den für die Bereitstellung von Mitteln und Material verantwortlichen Stellen der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin danke ich dafür, daß sie vier Jahre nach einem Zusammenbruch größten Ausmaßes den schwierigen und kostspieligen Druck dieses Buches ermöglicht haben.

Rostock, den 6. August 1950

Werner Hartke

INHALTSVERZEICHNIS

I. Strukturpsychologische Voraussetzungen der Hermeneutik

A. Sprachliche, literargeschichtliche, historische und anschauungsmäßige Grundlagen Problem und Methode i . Die Historia Augusta als Genos 4. Sprachliche Sterilität 5. Spätrömische Zustände und spätantike Anschauung des Geschichtlichen in R a u m und Zeit : Frontalität und Vergegenwärtigung 6.

B. Wandlungen der Zeit-und Raumanschauung

10

Der formale Ausdruck der Vergegenwärtigung des Geschichtlichen (nunc-Formeln) 10. Die geschichtswissenschaftliche, literarhistorische und geisteswissenschaftliche Bedeutung der Vergegenwärtigung 14. Entwicklungsgeschichte der Zeit- und R a u m anschauung: Tacitus und die Biographie, Plastik des 5. und 4. Jh.s v. Chr., griechische und semitisch-christliche Historiographie (A. T . u. N . T.), Sallust 16. Objektivierte und subjektivierte Anschauung des Geschichtlichen 21.

C. Wundererzählung und Gegenwart

23

Die Briefform 23. Rhythmik der Historia Augusta 25. "Eine Herkulesaretalogie der Historia Augusta und des Herodes Atticus 26. Vita Antonii 30. Topoi der Vergegenwärtigung 32.

D. Historie und Gegenwart

34

Die Wirklichkeit der Vergegenwärtigungen in der Historia Augusta 34. Das Septizonium 36. Das Probusorakel 38. Dada ripensis, pontífices minores 40. Sehen und Hören 44. Gräberanlagen. Constantinopel, magister militum 45. Der Wahrheitsbeweis aus der räumlichen Wirklichkeit 4g.

E. Wesen und Entwicklung des römischen Historismus im 4.Jahrhundert n. Chr.

51

Das Buch in der Krise 51. Das lesende Götterkind: Prophetie, Epiphanie, R e aktion 55. Das chronologische Problem der Historia Augusta 57. Der Historismus im spätantiken R o m 59. Ammians Berichte über die Sitten R o m s 61. Chronologie des ammianischen Geschichtswerkes 65.

F. Am Wege zur spätantiken Anschauungsweise Die geistige Aneignungsmöglichkeit im Bereich des Zeitlichen 74. Die Responsion von Sein (Mythos) und Zeit (Geschichte) bei Vergil (Proöm. Geórgica Buch 1 u. 2) 75. Die komparative Steigerung des Geschichtlichen innerhalb der Responsion bei Vergil und Plautus (Anfang des Persa) 80. Mehrgleisiges (querschnittliches) und eingleisiges Denken (Vergil und Apollonios Rhodios) 84. Geschichtlichkeit und historistisches Symbol bei Vergil 85. Vergil und die Gefahr des Stillstandes 87. Methodische Folgerung 90.

74

i

VIII

Inhaltsverzeichnis

II. Dynastisches Denken und Legitimismus im römischen Kaisertum als Querschnitt durch die Historia Augusta 92 Termini post und ante quem für die Historia Augusta 92. Die dynastische Erbfolge als Grundprinzip 95. Zweitrangigkeit der Adoption 100. Dynastische Fiktionen 101. Legitimierung durch den „Namen" 103. Die spontane Selbstbenennung in der Historia Augusta und Spätrom 105. Die Spontaneität im Prinzipat 106. Der „Name" im spätantiken Kaisertum 108. Pessimistische Beurteilung der Epigonen 109. Der dynastische Verzicht in Geschichte und Theorie (Traian, Alexander, Julian, Attalus) 114. Analyse von Hist. Aug. v. Hadrian. 4, 8—10 117. Der Verzicht auf den Kinderkaiser als Nachfolger (Kaiser Tacitus) und die Adoptionstheorie 120.

III. Verfassungsprinzipien des römischen Kaisertums A. Name und Alter

123

Die Nachfolge der Antonine in der Historia Augusta 123. Eine Urvariante in der Historia Augusta 125. Spätrömische Namengebung in Historia Augusta, Ammian, Macrobius 126. Bestreitung der ausschließlichen legitimistischen Bedeutung des „Namens" in der Historia Augusta 133. Die Bedeutung der Antonine in der Spätzeit Roms 138. Die Tendenz des Antoninennamens in der Historia Augusta und der „Name" im spätrömischen Kaisertum 139. Das Problem der hereditas im frühen Prinzipat (Tacitus' Galba- und Mucianrede) 142. Die Adoptionstheorie und das „Namen"problem in Spätrom 147. Die Bedeutung des Alters für den Kaiser 148. Legitimation des Kaisertums durch Vereinigung der Qualitäten in einer Person oder Aufsummierung durch mehrere Personen I$I. Der Nothelfer 152.

B. Rangordnung und Legitimität

153

Das Alter und die Rangordnung in der Samtherrschaft 153. senior, auctor imperii, pater 135. Lebens- und Dienstalter: Theodosius I. - Arcadius, Valentinian II.; Gordian III. — Philippus Arabs; Theodosius II. — Valentinian III. 156. Das Verhältnis des Severus zu Pius/Marcus nach Hist. Aug. v. Getae 2, 2 159. Severus — Clodius Albinus; Constantius II. — Julian; Maximus — Valentinian II. 164. Der Mangel einer formalen Terminologie 168. Das Doppelprinzip der Legitimität und die Initiale der Proklamation 170. Kaiser und Gott 172. Mensch und Gott in Rom 173. Cicero, Tullia, Caesar, Octavian 176. Entwicklung der theokratischen Legitimierung des Kaisertums 177. Blutsverwandtschaft und „Namen"prinzip zur Zeit der flavisch-valentinianischen Dynastie 180. Christliche Zersetzung des alten Legitimitätsprinzips 184. Ersatz des Adoptionsprinzips durch das „Namen"prinzip in seiner Bedeutimg für den spätrömischen Adel 18$. Die antike theistische Form als Ausdruck gesellschaftlicher Entwicklungszustände 188.

IV. Römische Kinderkaiser A. Kinder aufdem Kaiserthron in der Historia Augusta Greise und Kinder ab Kaiser 190. Disqualifikation der Kinderkaiser 192. Die formalen und kompositorischen Mittel („gute" und „schlechte" Kaiser, Barbar und Frauen) 194. Ausgleich der Kindlichkeit durch Leistung und Berater (Gordian III., Theodosiussöhne) 198. Angaben über Lebensalter und Regierungszeit in der Historia Augusta Z99. Vernebelung der Jugendlichkeit bei Commodus und Heliogabal 201. Alexander Severus als Gegenbild 204.

190

IX

Inhaltsverzeichnis B. Die Einstellung der Antike zu den Kinderkaisem

2 der allerdings in Einzelheiten jetzt zu korrigieren ist. Stellensammlungen aus der Historia Augusta bei O . S e e c k , R h . Mus. 67 (1912), 600. 603, anderes bei B a y n e s , a. O . 110 und passim. Die Anschauung des spätrömischen städtischen Senatsadels spricht aus Symmachus or. 5, 3 is ettim rem publicam liberam tenet, sub quo aliquid invidendum in potestate senatus; dazu H . S t e i n b e i ß , Das Geschichtsbild Claudians, Diss. Halle 1936, 59f. mit Belegen aus Claudian. *) Noch fünfzig Jahre später wird das Wahlrecht des Senats, das die Historia Augusta hier propagiert, praktisch wirksam bei Kaiser Marcianus (450-457, zunächst allerdings nur i m Osten Kaiser, erst nach dem Tode Valentinians III. am 16. März 455 auch i m Westen), s. W . E n ß l i n , Klio 33 (1940), 365f. Das ist wieder eine Epoche starker historistischer Reaktion, die sich besonders unter d_m Nachfolger Marcians i m Westen, Maiorianus (457—461) zeigt; vgl. E. S t e i n , Geschichte 1, 523. 557; ferner u. S. 241 u n d 4 0 4 , 1 O . T r e i t i n g e r , Byz. Z. 41 (1941), 200f.

III. V E R F A S S U N G S P R I N Z I P I E N D E S

RÖMISCHEN

KAISERTUMS A. Name und Alter Unter dem Material, welches wir bisher durchmustert haben, ist auffallend oft der Name der Antonine begegnet1). Antoninus war der Geschlechtsname des Kaisers Pius, und er ging von ihm auf seine Nachfolger über, solange seine unmittelbare Deszendenz auf dem Throne saß. Aber die glückliche Zeit, die das Reich unter seiner Dynastie erlebt hatte, leuchtete noch lange in die zunehmende Dunkelheit der nachfolgenden Epoche hinein; die Hellenisierung des Denkens seit Hadrian beförderte die Herausbildung der Idee der königlichen Dynastie. Da ist es nicht verwunderlich, daß man rückwärts schaute und sich Auspizien und Legalität von den Antoninen zu borgen suchte. Diese Bestrebungen fanden ihren Niederschlag in den Quellen, und so bemerkte es der Autor der Historia Augusta. Die bisherige Untersuchung zeigte, wie er bei aller Anerkennung echter Erbansprüche doch nicht soweit geht, dem Prinzip unbedingte Geltung zuzubilligen. Noch immer lebt eine aus alter senatorischer Tradition genährte Kritik an jedem Versuch, den Prinzipat seines ursprünglich improvisatorischen Charakters zu entkleiden. Hier benutzt er nun das nomen Antoninorum als Ansatzpunkt. Den Kreis derer, die berechtigt sind oder beansprucht haben, den Namen der Antonine zu tragen, grenzt der Verfasser zum ersten Male v. Opil. Macrin. 3, 4—7 ein8): Warum, so fragt er, wollte Diadumenus, der Sohn des Macrinus (217/8), Antoninus genannt werden, obwohl jener der Urheber des Todes von Antoninus (Caracalla) gewesen sein sollte. Bei der dea Caelestis von Carthago sollte den anwies nach (3, 1) unter Antoninus Pius eine Weissagung herausgekommen sein, die die Dauer seiner Herrschaft durch die Achtzahl begrenzte. Da Pius länger als acht Jahre regierte (138—161), sei später klar gewesen, daß etwas anderes gemeint war: „Wenn man alle aufzählt, die Antonini genannt wurden, kommt man auf diese Zahl der Antonini. Denn Pius war als erster, Marcus (161—180) als zweiter, Verus (161—169) als dritter, Commodus (180—192) als vierter, als fünfter Caracallus (211—217), als sechster Geta (211/2), als siebter Diadumenus (217/8), als achter Heliogabal (218—222) ein Antoninus. Nicht unter die Antonine sind zu rechnen die beiden Gordiane (238), entweder weil sie nur das praenomen (pronomen Hss.) der 1

) Das Phänomen selbst ist natürlich seit langem bemerkt; vgl. H ö n n , a. O. 164f. ) „Spätes Stück", W . W e b e r , GGA. 1908, 958, 4; nach Hönn, a. O. 6, ist wohl der Schluß der ganzen Episode, für den es Parallelüberlieferungen gibt, Urzelle der Erfindung, s. unten S. 134,1. Merkwürdigerweise scheint Hüttl, a. O. i, 188, die Geschichte ohne nähere Begründung ernst zu nehmen. 2

124

Verfassungsprinzipien des römischen Kaisertums

Antonini hatten oder auch Antonii genannt wurden, nicht Antonini."' Hierauf folgt ein Satz, über den gleich noch gesprochen werden muß, und danach geht es weiter: „Aber von den Antonini selbst, die die wahren Nachfolger des Antoninus waren (cuvó/ievov àoxégi xaXXlaxco xax' ovgavòv iqxi/xMo?', vgl. dazu noch v. Valerian. 8 , 1 v o n Valerianus iunior: forma conspicuus; v. Gordian. 31, 4; v. Get. 4 , 1 . *) Der Leser der Historia Augusta m u ß den Maximinus jedenfalls für einen Barbaren im Sinne 13*

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Römische Kinderkaiser

lung (s. o. S. 26 ff.) der physischen Eigenschaften und Fähigkeiten des Kaisers sicherlich seine gefühlsmäßigen Eindrücke von den ihm berserkerhaft erscheinenden Germanentypen seiner Zeit wieder 1 ). Läppisch ist die Begründung für die Kaiserdes Antigermanismus des 4. Jh.s halten (vgl. v. Maximin. 1, 7, s. auch 8, ix conscientia degeneris animt). Daß dieHistoriaAugusta das betont gegendie Schulregel, die bei Menandermegt sniöeixzix&v Rhet. Graec. 3, 369, 18—371, 14 Sp. solches zu unterdrücken empfahl, zeigt die Absicht. Abneigung gegen peregrini mehrfach: v. Marc. Antonin. 20, 6; A. v. D o m a s z e w s k i , Neue Heidelberg. Jb. 5 (1895), 114, 4; H e e r . a . O . I 4 i ; 0 . Th. S c h u l z , Antonine 103; S c h w e n d e m a n n , a. 0 . 1 7 7 , weisen die Stelle dem guten chronologischen Bestände zu. v. Clod. Albin. 10,7. i a , 8 in gefälschten Briefen, H a s e b r o e k , Fälschung 33f£.; an ersterer Stelle heißt es von dem aus dem stadtrömischen adligen Ceioniergeschlecht stammenden Albinus Afro quidem, sed nonrnultaex Afris habenti, dazu falsch A. v. D o m a s z e w s k i , Sber. Heidelberg 1918, Nr. 13,135, es erkläre das, „warum der Halbafrikaner dem Vollblutafrikaner Septimius Severus erlegen sei". Gegen die Fremden wohl auch v. Cari 5, 2, ein gefälschtes Brieffragment L. H o m o , Rev. histor. 151 (1926), 185,1; gerade dieses Moment ist jedenfalls Eigentum des Autors, vgl. zum historischen Wert der Stelle ders., a. 0 . 1 3 2 (1926), 22, dagegen E. H o h l , Burs. Jber. 256 (1937), 14s. Weiter fremdenfeindlich v. X X X tyr. 30,1 (u. S. 197,2), ferner, soweit erkennbar, gegenüber Philippus Arabs, dessen Vita nicht erhalten ist, vgl. v. Gordian. 31, 7 (peregrina cattiditate), dazu 29,1 humili genere natus; 30,1 tgnobilis. Sehr bezeichnend sind auch die Stellen, an denen er Severus Alexander seine syrische Abstammung bestreiten läßt; sie gehören dem Autor der Sammlung, vgl. K o r n e m a n n , Hadrian 110. 88: v. Alexandr. Sever. 28, 7. 44, 3. 65,1—68, 4 Exkurs über die Frage quid sit quod hominem Syrum et alienigenam talem principem fecerit. Zur Durchführimg des Gedankens der Antwort (amici sancti venerabiles religiosi) vgl. v. Gordian. 24—25 und v. Aurelian. 42—43, aber auch z. B. Tac. hist. 4, 7 nullum maius botti imperii instrumentum quam bonos amicos esse. Auf Parallelen bei stoisch beeinflußten Schriftstellern der frühen Kaiserzeit weist H ö n n , a. O. 90. 177.184; die von ihm nach G o t h o f r e d u s vorgenommene Kombination mit dem Erlaß Constantins I. Cod. Theod. 9, 1,4 zeigt uns, wie stark diese Gedanken die praktische Ethik lenkten; weitere Belege aus der Historia Augusta selbst ebd. 158. — B a y n e s , a. O. 141 f., zeigt einleuchtend die Erwägungen, die in der Alexandervita zu diesen Erörterungen geführt haben. Der Verfasser sieht in Alexander den Julian. Der aber hat sich im Misopogon wenig freundlich über syrische Art geäußert. So muß Alexanders syrische Herkunft möglichst aufgebessert werden, eine Tendenz, die allerdings in der Historia Augusta auch bei anderen Kaisern vorhanden ist, vgl. H ö n n , a. 0 . 1 5 1 , K o r n e m a n n , a. O. B a y n e s , a. O. 104, sieht dann auch, wohl selbst ein wenig zweifelnd, in v. Gordian. 24—25 „Zeitgeschichte", das sog. fumum vendere motif. In anderer Richtung (auf Stilicho) glaubte O. S e e c k , R h . Mus. 67 (1912), 596, die Zeitanspielung ermitteln zu können, dazu u. S. 198ff. Aber wie S e e c k selber a. O. 602 zu v. Cari 5, 2 sagt, entspringt diese Einstellung der exklusiven Adelsauffassung in Rom, von der uns ja auch Ammian einen Eindruck vermittelt (s. o. S. 130 f.). Daraus allein kann man keine bestimmte Zeitanspielung konstruieren, da der ganze Zusammenhang aus Gemeinplätzen besteht, zu denen auch die Anspielung auf Julian gehört. [Zu v. Cari 5, 2 jetzt M e l o n i , a. 0 . 1 7 9 , vgl. 38, 91. 62,19 über die Quelle.] x ) Riesengröße und Gefräßigkeit erschüttern auch noch Sidonius Apollinaris c. 12,11 an den Burgunden, die inzwischen Herren im Lande geworden waren; bei ihm heißen sie septipedes patroni. Die Übersteigerung des Maßes wie die penible Genauigkeit „auf den Millimeter" in der Historia Augusta sind, wie wir sahen, aretalogisch. Selbst hier also berührt sich Lüge und spätantike Wirklichkeit; richtig W . E n ß l i n , R h . Mus. 90 (1941), i6f. unter Hinweis auf Amm. Marc. 2 2 , 1 2 , 6 gegenüber A l t h e i m , ebd. 206, 61. Der allem niederen Stil abholde Konsul vom Jahre 485 Symmachus, der diese Stelle der Historia Augusta benutzt hat, verstreicht später solche aktenmäßige Akkuratesse seiner Quelle: bei Jordanes, Get. 15, 85, statura eius procera ultra octo pedes. Siehe Beilage I u. S. 427 ff. Offenbar darauf berechnet, zu Maximinus das Gegenbild aufzustellen, ist die Angabe, sein Gegenkaiser Gordian I, sei gewesen longitudine Romana v. Gordian. 6,1, E. H o h l , Maximini 31.

Kinder auf dem Kaiserthron in der Historia Augusta

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Proklamation v. Maximin. 29, 6 „Maximinus sagt, er habe deshalb auch seinen Sohn Kaiser genannt, um entweder im Gemälde oder in der Wirklichkeit zu sehen, wie der Maximinus iunior im Purpur sich mache"; 2 9 , 7 „wegen der Zuneigung, die der Vater dem Sohne schuldet", und weiter „damit das römische Volk und jener berühmte alte Senat beteuern sollten, niemals einen schöneren Kaiser gehabt zu haben". Das ist natürlich alles erdacht1). Dem Germanen werden eben ganz andere Motive als all den andern unterschoben. Ihn läßt die Historia Augusta mit dem Purpur des ehrwürdigen Kaiserornats spielen, wie eben wohl auch sonst zur Erbitterung jener spätantiken Römer da und dort Germanen anmaßend und jungenhaft unwissend mit dei bröckelnden Kultur des Imperiums ihr zerstörendes Spiel trieben. Den tiefsten Punkt hatte das Römische Reich nach der Ansicht der Historia A u gusta erreicht, als Victoria, oder auch genannt Vitruvia, zuerst ihren Sohn Victorinus (268—270) zum Gaesar machte (puerulus v. X X X tyr. 6, 3) und dann denTetricus (270—274) mit seinem Sohn (puerulus v. X X X tyr. 25, 1) zum Augustus bzw. Caesar erhob, oder als Zenobia (bis 272) im Namen ihrer Söhne die Herrschaft führte (v. X X X tyr. 27, 1, vgl. 30, 2) parvülos . . . . praeferens purpuratos2). Die Frauen rechnen aber so wenig, daß der Autor bekanntlich am Schluß seines libellus über die 30 Tyrannen dieser Epoche noch zwei männlichen Geschlechts anfugt, um die Zahl dreißig wirklich voll zu machen, v. X X X tyr. 31, 10 nemo intemplo Paris dicturus est ttte feminas inter tyfannos, tyrannas videlicet et tyrannides, ut ipsi de me solent cum risu et ioco iactitare, posuisse3). x

) Th. Mommsen, Ges. Sehr. 7, 340, und schon H. Dessau, Hermes 24 (1889), 350, 1 ; L.Homo, Rev. histor. i j i (1926), 177. 18J, 1. 2 ) Dazu einige Belege: v. X X X tyr. 1 , 1 ... cum Galtienum itott solum viri, sed etiam mulieres contemptui haberent; 30,1 omnis iam consumptus estpudor, si quidem fatigata rep. eo usque perventum est, ut Galliern nequissimo agente, optime etiam mulieres imperarent, et quidem peregrinae; 31,1 nott tarn digna res erat, ut etiam Vitruvia sive Vidoria in litteras mitteretur, nisi Gallieni mores hoc facerent, ut memoria digttae etiam mulieres censerentur. Vgl. 27,1 diutius quam feminam deeuit rem p. obtinuil; v. Claud. 4, 4. 3 ) Diese Aversion gegen Frauen ist nach Mommsen, Staatsrecht 2, 788, 4, rechtlich nicht zu begründen gewesen, dagegen gibt es für sie nach Fritz Schulz, Prinzipien 141, keine Teilnahme am Prinzipat im Rechtssinn. Jedenfalls liegt die Abneigung in alter senatorischer Tradition, vgl. v. Heliogabal 4, 3. 12, 3. 18, 3 über das Verbot der Zulassung von Frauen zum Senat. Der Wert der Stellen ist atnterschiedlich: Kornemann, Hadrian, schreibt 12,3 der „trüben" biographischen Quelle zu; 4, 3 und wahrscheinlich 18, 3 kommen aus der guten Überlieferung, dem lateinischen Anonymus (a. O. 84fr. 112), wofür auch die an der ersteren Stelle, wie es scheint, gute topographische Tradition spricht (vgl. R o b a t h a n , a. O. [o. S. 38, 4], 522, A. Pasqui, Not. Scav. 1914, 141fr.). Auch Hönn, a. O. 3if., schloß dem besonderen Inhalt nach auf eine römische Quelle, was auf diese Weise allein allerdings kaum ausreichend begründet werden kann. A. v. Domaszewski schwankt, ohne die topographischen Argumente zu prüfen, in seinen Erklärungen: Sber. Heidelberg 1916, Nr. 7, I4f., vermutet er Mißbrauch einer bei Ulpian Dig. 1, 9, 12 erkennbaren Überlieferung, ebd. 1918, Nr. 6, 21 f. Umbildung aus der guten Überlieferung v. Heliogabal. 15, 6, vgl. Cass. Dio 79, 17, 2. Nur quellenkritisch kommen wir nicht aus. A l f ö l d i hat gezeigt, daß an diesen Stellen wie anderen, die er zufügt (v. Gallien. 16,6; v. Aurelian. 49,6; hierzu auch schon D o m a szewski, a. O., und jetzt Altheim, Literatur und Gesellschaft 1, 183), eine schematische Formel oder eine ganz bestimmte populär-philosophische Bildersprache vorliegt. Sie

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Römische Kinderkaiser

A l l e diese Gestalten hat der A u t o r der Historia Augusta so gezeichnet, d a ß keine Gefahr besteht, einer könnte sie als Vorbilder und zum Maßstab für die eigene H a l tung und Handlung nehmen. H i n g e g e n gehört Gordian III. z u den Kaisern, die in der Historia Augusta freundliche Z ü g e erhalten haben und anerkannt sind. Es ist interessant z u sehen, w i e sich die Historia A u g u s t a mit seinem jugendlichen A l t e r abfindet. D e n n er erhielt den Purpur als N a c h f o l g e r seines Großvaters und Vaters, des ersten und zweiten Gordian, nach v . Gordian. 22, 2 mit elf, dreizehn oder sechzehn Jahren. In der V i t a heißt es 31, 4 fuit iuvenis laetus, pulcher, amabilis, gratus ómnibus, in vita iocundus, in litteris nobilis, prorsus ut nihil praeter aetatem deesset imperio. A l s o als M a n g e l w i r d das jugendliche A l t e r auch bei i h m empfunden — bei seiner Beseitigung spielt dieser Umstand eine gewichtige R o l l e (v. Gordian. 29, 4) — aber dieser M a n g e l w i r d ausgeglichen 23, 6 f . B e v o r Gordian i m Jahre 241 z u m Perserkrieg aufbrach, heiratete er die Tochter des Misitheus, so w i r d dort berichtet. D e r wirkliche N a m e dieses Schwiegervaters ist T i misitheus. Es sei ein sehr gelehrter M a n n gewesen, und Gordian machte ihn sofort z u seinem Präfekten: post quod non puerile iam et contemptibile videbatur Imperium, si quidem et optimi soceri consiliis adiuvaretur . . . U n d der Verfasser möchte diesem V o r g a n g besonderen N a c h d r u c k verleihen. D e n n er hängt hier z w e i darauf sich beziehende Brieffälschungen a n : qua intellegitur eius saeculum emendatius ac diligentius socero adiuvante perfectum (24, 1). In den nüchternen Tatsachen der Heirat und des günstigen Einflusses des S c h w i e gervaters ist die Schilderung der Historia Augusta quellenmäßig belegt (Zosimos 1, 17^-18, bes. 17 a. E.). D a s ist w i c h t i g , denn der V o r g a n g hat eine frappante Ä h n l i c h keit mit der Stellung des Stilicho z u d e m jugendlichen Honorius. Stilicho w u r d e v o n Theodosius kurz v o r seinem Ende, w e n n auch nicht rechtlich, so d o c h tatsäch-

gelangt vor allem im zweiten Teil der Sammlung zur Anwendung. Der Autor wollte die Zeichnung des verweiblichten Gallienus durch diese Topik und die Frauengegenkaiser unterstreichen, Z. f. Num. 38 (1928), bes. 161. 164. Mit der grundsätzlichen Ablehnung des Frauenregiments kontrastiert die von Anfang an vortreffliche Zeichnung der Gestalt der Königin von Palmyra, Zenobia, vgl. v. Gallien. 13, äff. ... iImperium diuque rexit non muliebriter tteque more femíneo, sed non soíum Gallieno quo quae virgo melius imperare potuisset, verum etiam multis imperatoribusfortius atque solertius; ferner v. X X X tyr. 15, 8; v. Aurelian. 26,3 ff. und ihre eigene Vita v. X X X tyr. 30, die als einzige der X X X tyr. breiter ausgeführt ist (F. L e o , Biographie 280). Auch die Mannhaftigkeit dieser Frau paßt, wie A l f ö l d i beweist, in die erwähnte Topik. Die Parallele Zosimos 1, 39, 2 xe oyxa> xai r f j ix ifoilSi t f j tov M/MTOS öuHp&aQfjvcu. Herodian 2, 4 , 9 ohne'entsprechende Äußerung, aber im Tenor D i o nahestehend; Hier. 2 i o d Helm contradixit (Pertinax) sufficere testatus, quod ipse regnaret invitus; Chron. Pasch. 264b (492,19). Z u den geschichtlichen Vorgängen M . F l u ß , R E Suppl. 3 (1918), 904 und R . W e r n e r , K l i o 26 (1933), 298f. Übrigens bezeugt die nichtliterarische Überlieferung, daß der Sohn des Pertinax doch Caesar war, K o r n e m a n n , a. O . 82; allerdings sind das Belege aus den östlichen Provinzen, und die Erklärung J. V o g t s , man habe dort das Verbot des Kaisers nicht erfahren, wird richtig sein, vgl. W e r n e r , a. O . 299f. 4) Über den Grenzfall des Maximinus iunior s. o. S. 195; zu Saloninus s. o. S. 192.

Die Einstellung der Antike zu den Kinderkaisern

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B . Die Einstellung der Antike zu den Kinderkaisern Die Entwicklungstendenz im Prinzipat, die historisch zu der Symbolform der Kinderkaiser führt, ist früh erkennbar und bringt sogleich die ähnlichen Problemstellungen hervor. Tacitus ann. 13,6 berichtet vom Jahre 54 eine solche Diskussion: Damals stellte man angesichts des drohenden Partherkrieges den 17jährigen Nero dem Claudius gegenüber, der „kraftlos infolge hohen Alters und Feigheit" sei. Dort schiebt man in den Vordergrund, es regierten Frauen oder die magistri; diese aber, geschweige der Jüngling, genügten nicht den Anforderungen der Front. Hier antwortet man, es ständen weise und erfahrene Freunde stützend zur Seite; Sache der Fürsten sei nicht die vorderste Frontlinie (tela et manus), sondern auspicia et consilia. Dafür stehen auch römische exempla zur Verfügung; Beweis ausreichender, ja überragender Befähigung eines Jünglings sind der 17jährige Pompeius — dies allerdings mit unrichtiger Altersangabe — und der 18jährige Octavian in den Bürgerkriegen, denen der Prinzipat entwuchs. Wie Kinderkaiser notwendige Folge einer uranfänglichen Struktur des Prinzipats waren, so auch die Empfindlichkeit der Kaiser gegen jede Feststellung ihrer Kindlichkeit. Schon Octavian reagierte sehr übel, wenn man ihn puer, adulescetts u. ä. nannte1), berichtet uns Sueton, Aug. 12. Das hat sogar in der Vergilkritik seinen Niederschlag gefunden. Man kann ihn in den Scholien zu buc. 1, 42 (zu 2 iuvenem) beobachten, die von alter Herkunft sind ). Philargyrius (nach den Berner Scholien und den explanationes Servius Bd. 3, 2, S. 22 Hagen) redet sogar von einem Senatsbeschluß ne quis eum puerum diceret, ne maiestas tanti imperii minueretur. Georgii bringt diese Nachricht wohl mit Recht in eine wie auch immer geartete Verbindung mit den Senatsbeschlüssen, die Octavian Dispens von den Altersgesetzen erteilten. Man erkennt schon die beiden Prinzipien, entweder ein Übermaß an Fähigkeiten als Ausgleich des geringen Alters von adulescentes einzusetzen oder aber das niedrige Alter des puer einfach zu „verbieten". Noch war das un*) Cicero ep. ad fam. 10, 28, 3 (ca. 2. 2. 43) egregius puer; Anfang März 43 Philipp. 13, 9, 19 sanctissimus adulescetts; am 20. Dezember 44 Philipp, 4 , 1 , 3 nomen clarissimi adulescentis velpueri potius, vgl. 3, 2, 3 ; ad fam. n , 1 4 , 1 (Ende Mai 43) adulescetts; 1 1 , 2 0 , 1 „man solle den adulescetts loben, auszeichnen und .befördern'"; Octavian soll es hier erbittert-humorvoll aufgenommen haben: er werde das Um-die-Ecke-Bringen nicht erlauben. Übrigens war adulescens nicht gleich puer. In den ganz persönlichen Briefen an den Vertrauten Atticus ist der Ton Ciceros früh eindeutig: ad Att. 16, 8 , 1 puerile hoc quidem; 16, 9 . 1 6 , 1 1 , 6 alle Anfang N o v . 44, ad Brut, i, 18, 3 f. (27. Juli 43). Jene elativen Ausdrücke hören wir natürlich nur, weil Cicero damals um die Jahreswende 44/43 in dem puer noch den Wiederhersteller der Republik sieht. Wie sehr das später trivialisierte Problem beachtet worden war, zeigt das rhetorische Machwerk des pseudociceronischen Briefes an Octavian 6, aber auch die Verzerrung der Überlieferung durch Erfindungen wie bei Appian b. c. 3, 82, 337ff., vgl. E. S c h w a r t z , Hermes 33 (1898), 2 1 8 ; F. B l u m e n t h a l , Wien. Stud. 35 (1913), 274; H. W i l l r i c h , Cicero und Caesar, Göttingen 1944, 3 i 2 f . Auch das Culexproblem spielt herein, vgl. v. 26; es wird aber nicht entscheidend berührt. — Die zitierten und andere Zeugnisse bespricht J. H. M c C a r t h y , Octavianus puer, Class. Philol. 26 (1931), 362fr. *) H. G e o r g i i , Die antike Vergilkritik in den Bukolika und Georgika, Philologus Suppl. 9 (1904), 221.

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Römische Kinderkaiser

gewohnte Neuigkeit, und die Labilität der politischen Lage forderte Legitimationen für die Ungewöhnlichkeiten. Appian b. c. 3, 88, 361 hat aus den Memoiren des Augustus1) folgende Einzelheit von der vorzeitigen Bewerbung des jugendlichen Octavian um das Konsulat im Jahre 43 erhalten. Es war nach dem Tode der beiden Jahreskonsuln von 43 Hirtius und Pansa, die Ende April gefallen waren, eine Nachwahl erforderlich geworden. Octavian, der bei dieser Gelegenheit an die Macht gelangen wollte, war damals noch nicht 20 Jahre alt. Eine Abordnung aus Centurionen seines Heeres sei, schreibt Appian, vor dem Senat aufgetreten, um den Antrag ihres Kommandeurs auf Befreiung von den gesetzlichen Altersvoraussetzungen zu unterstützen. Die Soldaten hätten ein sehr anmaßendes Benehmen gezeigt. Als der erwartete Einwurfkam, das Alterndes Petenten sei-allzu jugendlich, brachte die Deputation Beispiele aus der Geschichte vor, darunter einige aus der jüngsten Gegenwart, Pompeius, Dolabella und eine im selben Jahre erfolgte Herabsetzung des Bewerbungsalters für Octavian um 10 Jahre2). Man versuchte also gerade von seiten Octavians dem heiklen Problem mit historischen Präzedenzfällen beizukommen. Auf die dabei befolgte Methode führt uns die Tacitusstelle. Wir sahen dort, daß der 18jährige Octavian und der 17jährige Pompeius als Exempel für die militärische Leistungsfähigkeit auch jugendlicher Männer dienten. Dabei wurde Pompeius um 5 Jahre jünger gemacht als sein wahres Alter gewesen war. Das Geburtsjahr des Pompeius schwankt in der antiken Überlieferung stark, und bezüglich des historischen Punktes seines Eintritts in die Geschichte, der von Tacitus an der zitierten Stelle angezogen wird, erfahren wir außer dem richtigen Alter, das uns Velleius 2, 29, 1 gibt, auch das von 21 Jahren bei Eutrop 5, 8, 28). Dieses Schwanken in der Überlieferung des Geburtsjahres von Pompeius. diente Mommsen 4 ) dazu, die gleiche Erscheinung bei Julius Caesar zu erklären. Mommsen berechnete bekanntlich auf Grund von Caesars cursus honorum und der lex annaria als sein Geburtsjahr 102. Dieses Jahr, das keine antike Überlieferung nennt, fand einige bedeutende Verteidiger6). Im ganzen und vor allem neuerdings hat man dagegen der antiken Tradition, die meist das Jahr 100 angibt, mehr Gewicht beigelegt8). Nun nimmt Tacitus dial. 34, wo er über die ersten Beweise rhetorischer Leistungsfähigkeit später hervorragender Redner handelt, für Caesar das Geburtsjahr 98/7 v. Chr. an. Caesars erster Beweis der militärischen Befähigung fällt nach Sueton, Caes. 2, in die *) W . Soltau, Appians Bürgerkriege, Philologus Suppl. 7 (1899), 604; allerdings wahrscheinlich nicht direkt (£. Schwartz, R E 2 [1895], 228 f. 234^), aber alle Benennungen derZwischenquelle (wieLivius, F. Blumenthal, Wien. Stud. 35 [1913], 116. 274) sind zweifelhaft. *) Vgl. Mommsen, Staatsrecht i 3 , 564,1. 565, 2. 567,1. 5 6 8 , 1 ; V. Gardthausen, Augustus und seine Zeit 1, 1, Leipzig 1891, 124. 3 ) Vgl. W . D r u m a n n - P. Groebe, Geschichte Roms 4®, Leipzig 1908, 332f. 4 ) Römische Geschichte 3,16, Anm. (in 1. Aufl. 1854). 6 ) Vgl. T. R i c e Holmes, The Roman Republic and the Founder of the Empire x, Oxford 1923. 43 de iv r f j ypivixi ¿myiyQcurzai TOV ßaaiMcog rä zQÖ7tcua jJ vixrj xä xazoQ&cbfiaxa6). Also auf Bildern ist oben der Kaiser abgebildet, unten die histori1

) Vgl. die Abbildung dieses Teiles der NO-Seite der Säule bei M . W e g n e r , Jahrb. Arch. Inst. 46 (1931), 93. Im übrigen muß man sich die Tafeln der Publikation von E. P e t e r s e n A . v. D o m a s z e w s k i - G . C a l d e r i n i , Die Marcus-Säule auf Piazza Colonna in Rom, München 1896, entsprechend legen. 2

) E. Petersen, R h . Mus. jo (1895), 458; Z w i k k e r , a. O. 2ioff.

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) Das Gebet des Kaisers holt den Regen ohne Erwähnung von Blitzen auch Orac. Sibyll. 12, 187 fr. Bekanntlich stehen diesen drei Zeugnissen wenige andere gegenüber, nach denen es Magier oder Chaldäer gewesen seien, Cass. Dio 7 1 , 8 , 4 , Su(i)da(s) s. v. 'Aqvowpis und *Iwfaav6$', Claudian. VI. com. Honor. 348f., der in v. 349f. ... seu quod reor omtte Tonantis obsequium Marci mores potuere mereri eine zweite Möglichkeit erwähnt, jedenfalls kein Gebet des Kaisers, und v. 342 Regen mit Blitzen kombiniert. E. H o h l wies mir gütigst zu Arnuphis das Zitat R . E g g e r , Gnomon 10 (1934), 583 ff. nach. Der Mann ist jetzt inschriftlich gesichert. S. auch o. S. 140,3. 4

) A . v. D o m a s z e w s k i bei E. Petersen, R h . Mus. 50 (1895), 4640".

*) Ich lernte diese Stelle aus J. K o l l w i t z kennen.

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Die querschnittliche Methode

sehen Vorgänge. Ferner weiß jeder, daß spätantike Reliefs eine streifenförmige Komposition zeigen. Die Vorgänge verlaufen nicht von der einen Seite zur anderen, man sieht sie vielmehr zugleich von oben und von vorne, etwa wie heute Picasso das Abbild einer Flasche zugleich frontal und in Draufsicht gibt1). Sieht man sich die Darstellung der Marcussäule mit solchen Augen an, so perzipieren wir folgendes: Zwei Streifen (nämlich des Reliefbandes) übereinander: Ganz oben ein Soldat im Gebetsgestus, zu oberst, d. h. der Kaiser. Man vergleiche etwa den Kaiser in Gebetshaltung am Oberrande des Reliefs auf dem Ludovisischen Schlachtsarkophag aus dem 3. Jh. 2 ). Unten, d. h. vor dem Kaiser, die Schlachtreihe. Wahrscheinlich erkannte der spätantike Mensch die Rangabzeichen des eigentlichen Feldherrn "mitten unter den anderen Soldaten gar nicht mehr als solche. Die Soldaten erhalten etwas weiter rechts den Regen. Im nächsten Streifen nach unten, d. h. also nach spätantiker Anschauung dem eben Erwähnten etwas auf den gegenwärtigen Beobachter hin vorgeordnet, der Regen mit Blitz, der auf das machinamentum fällt. Schon Petersen wies daraufhin, daß, wie diese Szenen gestellt sind, beide „mit einem Blick gesehen und, freilich wiederum gegen die Intentiön des Darstellers, zur Noth verbunden werden" können. Es ist vielmehr, sage ich, ein in späterer Zeit ganz naheliegendes Mißverständnis. Der spätantike Mensch sieht eben die Bilder der Säule jeweils querschnittlich von oben nach unten und nicht dem chronologischen Zuge des Relief bandes um die Säule herum folgend. Etwas entsprach das auch den künstlerischen Absichten des Meisters der Marcussäule. Außer der von der Traiansäule übernommenen Bandkomposition achtet er nämlich schon auf eine bestimmte Ordnung in der vertikalen Gliederung. Er hat gerade auf der Hauptschauseite, der Ostseite, eine Reihe signifikanter Ereignisse, wie das Regenwunder, auf einer vertikalen Linie angeordnet*). Das leitet auf eine solche querschnittliche Betrachtung unmittelbar hin. Die im Jahre 401 ¡2 begonnene Arcadiussäule in Constantinopel ist dann von vornherein durch Verminderung der l

) Z u dieser „Oberaufsichtigkeit" des antiken historischen Reliefs ( L e h m a n n - H a r t l e b e n ) , bei der schließlich Flüsse und Lagerumwallung in kartenmäßiger Draufsicht gegeben werden, während die füllenden Personen im Profil erscheinen, vgl. M. W e g n e r , Jahrb. Arch. Inst. 46 (1931), 124. 128; G. R o d e n w a l d t , Der Belgrader Cameo, ebd. 37 (1922), 22f. 30 u. ö. Moderne Kinderbilder zeigen ähnliches. Etwa bei der Wiedergabe eines Picknicks wird das auf dem Boden ausgebreitete Tischtuch in Draufsicht gemalt, die Gegenstände darauf, wie Teller, Messer, auch, aber die stehende Flasche, das stehende Glas in Seitansicht, auch der Hund, der daneben steht; in Draufsicht wieder die liegenden Menschen (nach einer Wiedergabe in: Die Schulpost, Volk und Wissen Verlag 1947, Nr. 8, 9). Natürlich bestehen die Schwierigkeiten der Perspektive, aber sie sind nicht entscheidend. Denn der liegende Mensch von oben und von der Seite bietet gleiche Schwierigkeiten. Es wird jeweils die am einzelnen Gegenstand für das Thema Picknick „wichtige" Ansicht gegeben. Eine solche Kinderzeichnung basiert nicht auf dem unmittelbaren Erlebnis, sie ist ein wiederholender Erinnerungsakt, der mehr oder minder stark beschränkt und schematisiert (W. W u n d t , Völkerpsychologie 3", Leipzig 1919, 92ff). *) Abbildung z. B. Antike Denkmäler, hsrg. vom Deutschen Archäol. Institut 4, Berlin 1929, Taf. 4 1 ; bei A l f ö l d i in: 25 Jahre Römisch-Germanische Kommission, Berlin 1930, 42f.; G. R o d e n w a l d t , KdA s , Berlin 1938, 644; H. K o c h , Römische Kunst2, Weimar 1949, Taf. 21. 3

) M. W e g n e r , a. O. (Anm. 1) 103.

Das Verfasserproblem der Historia Augusta und die querschnittlich-akausale Denkform

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Episoden auf dreizehn gegenüber den hundertsechzehn der Marcussäule und die dadurch erreichte Auseinanderziehung der Darstellung auf eine grundsätzlich vertikale Betrachtung hin aufgebaut; man erhält, gleichgültig von welcher Seite man herantritt, immer das überschaubare Ganze1). Aus der Marcussäule kommt dann aber genau das heraus, was die Historia Augusta enthält2), vor allem gerade gegenüber der Säule die Umkehrung der Zeitfolge: nachdem der Regen erlangt war, zerschlägt der Blitz den Belagerungsturm3). Dasselbe ergibt sich aber auch für Themistios, nur hat er die Bilder nicht ganz soweit nach unten gelesen, wie der Autor der Historia Augusta. Ferner entspricht der unbestimmten Angabe ev yecupfj die leichte Abweichung in Einzelheiten: Der Kaiser hebt nicht beide Hände, nur eine; die Soldaten fangen den Regen nicht mit Helmen, sondern mit Schilden4), offenbar nicht um zu trinken, sondern um sich zu schützen. Ich möchte also sagen, Themistios erinnerte sich vage an die Kustodenerklärung vom Besuch der Marcussäule6), und diese wird mehr als heutzutage ein wunderliches Gemisch aus literarischer Überlieferung und Interpretation der Bilder gewesen sein6). Der Satz der Historia Augusta über das Regenwunder steht versprengt unter Einzelnotizen. H e e r , a. O. 17, 32. 141, und S c h w e n d e m a n n , a. O. 80, rechnen ihn nicht zum Bestände des guten Annalisten7). Sein Zusammenhang ist folgender: 24, 1 ff. „Antoninus hatte diese Sitte, daß er alle Verbrechen mit geringerer Strafe als sie die Gesetze zu belegen pflegen (legibus plecti solent), bestrafte, obwohl er bisweilen gegen überführte und schwerer Verbrechen (gravia crimina) Angeklagte unerbittlich (inexorabilis) blieb. In Kapitalsachen (capitales causae) hochstehender Leute hielt er selbst Gericht, und zwar mit großer Gerechtigkeit (aequitas)9)." (Es 1

) J. K o l l w i t z , Oströmische Plastik der theodosianischen Zeit, Berlin 1941, 29; dort auch ein Hinweis auf die ähnliche Komposition des Galeriusbogens. *) Selbstverständlich darf man solche moderne Interpretation voraussetzen. Sehr fein hat M e h met, a. O. (o. S. n ) 66,7, beobachtet, daß Servius den Vergil - es handelt sich natürlich um eine Aeneisstelle — modern impressionistisch empfunden hat. *) Nicht richtig interpretiert E. Petersen, Rh. Mus. 50 (189s), 466, das umgekehrt. Sehr scharfsinnig Z w i k k e r , a. O. 2 1 4 : Das unpersönliche pluvia impetrata deute an, daß der Kaiser beim Regenwunder nicht persönlich zugegen war. Das ist zwar möglich, aber bei der Verwendungsart des Ablativus absolutus passivi im Lateinischen keineswegs sicher, vgl. dazu gleich u. S. 2 5 3 , 1 . 4

) Nach Dio 7 1 , 1 0 , 1 mit Schilden und Helmen.

*) Er war 357 zusammen mit Constantius II. und 377 in Rom, W . S t e g m a n n , R E j A (1934), 1644 ff. •) Ich teile jetzt die Ansicht von E. Petersen, Rh. Mus. 50 (1895), 473f., daß die Legendenbildung über das Regenwunder, auch soweit sie bei anderen Zeugen hervortritt, immer wieder durch die Ausdeutungen des verhältnismäßig gut sichtbaren Säulenbildes beeinflußt war. Die querschnittliche Betrachtungsweise, die senkrechte Staffelung zwecks Illusion des Raumes (und der Zeit) beginnt eben im 2. Jh., vgl. M . W e g n e r , Jahrb. Archäol. Inst. 46 (1931), 6 i f f . ; K. A . N e u g e b a u e r , Antike 1 2 (1936), 167. 7

) Wertlos der Versuch von O. T h . S c h u l z , Antonine 118, 273, das Gegenteil wahrscheinlich zu machen. ) Bestätigt wird das durch Dio (Xiph.) 7 1 , 6 , 1 ; Philostr. v. sophist. 2 , 1 , 1 1 f.

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Die querschnittliche Methode

folgt ein Beispiel.) „Gerechtigkeit bewahrte er (aequitatem ... custodivit) aber auch bei gefangenen Feinden (capti hostes). Unzählige von Barbaren (gentes) siedelte er auf römischem Boden an. Er entrang durch seine Gebete einen Blitz vom Himmel gegen einen Belagerungsturm der F e i n d e , indem erden Seinen einen Regenguß durch Bitten erlangt hatte, als sie schwer unter Durst litten. Er hatte vor, Markomannien zur Provinz zu machen, er hatte dieselbe Absicht bei Sarmatien und hätte es getan, wenn nicht Avidius Cassius einen Aufstand gemacht hätte . . . " Sprachlich ist die ganze Partie unrhythmisch, also nicht voll durchkomponiert. Wir müßten daher im Wortschatz Singularitäten erwarten (s. o. S. 119,2). Ob sie auf eine Vorlage weisen oder auf den Autor selbst zurückgehen, wäre im einzelnen dann zu prüfen. Wir haben in der Tat die Singularitäten plecti, inexorabilis 2 4 , 1 ; aequitas kommt außer hier nur noch v. Maxim. Baibin. 17,4 in einem vom Autor gefälschten Brief vor 1 ), machinamentumfindenwir v. Maximin. 22, 5 in einer Übersetzung der griechischen Vorlage Herodian 8, 4, 10 für fit)xavr¡a). custodire in der übertragenen Bedeutung haben wir nur noch v. X X X tyr. 1 1 , 6 in einer persönlichen Bemerkung des Autors (ßdelitatem historicam) custodiendam putavi. Wahrscheinlich gehört auch extorquere 24,4 zum persönlichen Stil des Autors; es begegnet wieder v. Avid. Cass. 1, 5 und v. Pescenn. Nigr. 3, 6. Beide Stellen gehören wohl zu den Erdichtungen des Verfassers3). Der Stil zeigt also, daß die ganze Stelle formal das Eigentum des Verfassers der Historia Augusta ist. Der Zusammenhang dieses Stückes wird nur durch assoziative Verbindungen hergestellt. Von den gravia crimina kommt er zu capitales causae; von der aequitas gegenüber angeklagten Römern zur aequitas gegenüber Feinden; von diesen zur Ansiedlung von Barbaren im Reich — hier reißt aber die Assoziation ab, der nächste Satz hat noch einmal hostes, und von dort zu Markomannien und Sarmatien ist ein weiterer Sprung. Tatsächlich wissen wir aber, daß das ohne Völkernamen erzählte Regenwunder mit markomannischen Feinden zusammenhängt. Und auch bei den weiter vorangehenden Sätzen von der Ansiedlung der Barbaren und der Anständigkeit gegenüber Gefangenen erweist sich dasselbe durch die Parallele v. Marc. Antonin. 22, 2 „ . . . er nahm die Unterwerfung der Markomannen an und überführte sehr viele nach Italien" (accepitque in deditionem Marcomannos plurimis in Italiam traductis)*). Für den Autor war die assoziative Verbindung „Markomannen" da, ohne daß er es ausdrücklich sagte. Aber wie kommt er dazu, gerade diese Einzelheiten aus dem Markomannenkrieg zusammenzustellen ? Nun las der spätantike Mensch, wie wir sahen, die Bilder des Relief bandes der Marcussäule querschnittlich von oben nach unten. Ich stelle nebeneinander, was wir uns vorhin dort angesehen hatten, und die Darstellung der Historia Augusta: l ) L. H o m o , R e v . histor. i j i (1926), 181. 1 8 5 , 1 . 186. *) Zur Benutzung' Herodians, s. o. S 2 7 , 6 . 8 ) Zur ersten Stelle schon E. K l e b s , R h . Mus. 43 (1888), 3 3 i f . ; 0 . T h . S c h u l z , Antonine 132. Zur zweiten Stelle vgl. H ö n n , a. O. 106. 2 3 $ ; sein Hinweis auf cod. Theodos. 7, 4, 1 2 zeigt die allgemeine Aktualität der Stelle; ferner vgl. O. T h . S c h u l z , Beiträge 70; H a s e b r o e k , Fälschung $2. 4 ) Sachlich durch Dio (Exc. Ursiniana) 71, 1 1 , 3 ff. bestätigt.

Das Verfasserproblem der Historia Augusta und die querschnittlich-akausale Denkform

Säule X X I Gefangene Feinde vor dem Kaiser X V I I Ergebung von gerX V I Betender manischem Volksteil »Kaiser* und Regenwunder X / X I Regen und Blitzschlag auf Belagerungsturm

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Hist. A u g . Kaiser und gefangene Feinde Umsiedlung von Germanen ins Reich (nach ihrer Kapitulation) Durch Bitten des Kaisers unter1) Regenwunder Blitzschlag auf Belagerungsturm

Die Identität ist eine vollkommene. Der Bericht der Historia Augusta interpretiert querschnittlich die Marcussäule teils unter Ablesen des Gesehenen, teils unter Herantragen von kongruierenden Überlieferungsfetzen2). Gewiß darfman fragen, warum derjenige, der diese literarische Darstellung geschaffen hat, nur gerade diese Szenen herausgriff. Er wählte das für ihn selbst „Bedeutende", und was das ist, richtet sich natürlich nach einem von ihm selbst von außen herangetragenen Maßstab. In diesem Falle ist das die aequitas des Kaisers. Indem dies aber sozusagen sein Einstieg in die Bilddarstellung war, läuft weiterhin der Automatismus der assoziativen Querschnitte entsprechend den Verhältnissen auf der Säule und dem spätantiken vertikalen Schauverlauf beim Berichterstatter ab8). Die Übereinstimmung ist so vollständig und im Vergleich mit der gesamten anderen Überlieferung darin so einzigartig, daß ein Zusammenhang des literarischen Berichts mit der Säule unzweifelhaft ist. Die Historia Augusta hat ihre Erzählung entweder aus einer Quelle übernommen, dann müßte sie bei ihrer genauen Deckung mit der Säule höchst sorgfältig sich an diese Vorlage gehalten haben. Das macht aber der Stil, der die Eigenarten der Historia Augusta zeigt, unwahrscheinlich. Oder es bleibt eine zweite Folgerung übrig: Der Autor der Historia Augusta kennt R o m und hat die Säule selbst gesehen. l)

Dieses „unter" gibt ziemlich genau die Bedeutung wieder, die der Ablativus absolutus pluvia impetrata hier hat. Es liegt kein zeitlicher oder kausaler Nexus vor, sondern — plotinisch gesprochen — zeitlos-akausale rangmäßige Unterordnung. Ähnlich steht es v. Alexandr. Sever. 25, 3 opera vererum principum instauravit, ipse nova multa constituit; für beides folgt ein Beispiel: in his thermas Hominis sui iuxta eas quae Neronianae fuerunt — aqua inducta quae Alexandriana nunc dicitur. Zur Bedeutung von iuxta = innerhalb s. u. Beilage II, S. 454. Ich habe De saeculi IV exeuntis historiarum scriptoribus, Berlin. Diss., Leipzig 1932, 33,4 gezeigt, daß sachlich die R e stitution der Nerothermen mit dem Bau der aqua Alexandrina nicht das geringste zu tun hat. s ) Übrigens beziehtauch A.'v.Domaszewski,Marcus-Säule (s. o. S.249,1) 113,die Szene X V I I auf die o. S. 252,4 angezogenen Diostelle und sieht darin die Quadenunterwerfung, vgl. Z w i k k e r , a. O. 189. 192ff. 263. In der sehr verwickelten Frage der Chronologie dieser Feldzüge hat sich, soweit ich sehe, bisher kein Moment ergeben, welches dafür sprechen könnte, daß die Reihenfolge der Ereignisse in der Historia Augusta etwa der Chronologie entspricht. 8) Eine bewußte Polemik gegen die christliche Deutung des Wunders, die es auf das Gebet christlicher Soldaten zurückführt, ist nicht erkennbar, J. G e f f c k e n , Hermes SS (1920), 281, dagegen vorher anders NJb. 3 (1899), 262. Einer Persönlichkeit wie dem Kaiser solche W u n dermacht zuzutrauen, war durchaus nichts Neues, wie O. W e i n r e i c h , NJb. 2 (1926), 649, betont.

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Die querschnittliche Methode

Dieser Mann hat sich also nicht nur literarisch sein Material geholt, er ist auch an die historischen Denkmäler herangetreten und hat sich da belehren lassen. D a n n kann es sich bei den Notizen über Malereien und Mosaikbilder in der Historia Augusta nicht um rhetorische T o p o i handeln. Es sind wahre Interessen und reale Substrate vorauszusetzen. W i r können aber weiter noch ganz scharf hinsehen: D e r Verfasser der Historia Augusta zitiert das Relief band der Marcussäule nicht namentlich. D a interessierte ihn also nicht das Kunstwerk, sondern nur der Inhalt. W e n n w i r den Verfasser in der Nähe der Nicomachi suchen, dann m u ß deren Kunstinteresse sich aufMalerei und Mosaikbild erstreckt haben. Diesen Beweis kann ich liefern: W i r kennen die Gesellschaft des ausgehenden 4. Jh.s dank der Briefe des S y m machus bezüglich ihrer personellen Zusammensetzung verhältnismäßig gut, aber die Flachheit dieser Korrespondenz läßt Triebkräfte und Neigungen kaum erkennen. Immerhin kann man trotz dieser ungünstigen Umstände folgendes sagen: Z u den besonders gern gesehenen Gästen des Symmachus gehörte der Maler Lucillus 1 ). Diesen empfiehlt er mit größten Lobeserhebungen dem älteren Nicomachus Flavianus, bei dem er Verständnis für die Leistung dieses Mannes voraussetzt 8 ). W i r erfahren dann durch einen anderen Brief des Symmachus, der gleichnamige Sohn dieses Nicomachus, also der hypothetische Verfasser der Historia Augusta, sei beim Bau von Thermen begriffen, und Symmachus gibt dazu sein Urteil: situs u n d amplitudo des Bauwerks gefallen ihm sehr. „Ich habe nicht gebilligt, daß man in den kleineren Bädern das Schwimmbad mit Malereien statt mit Mosaiken auszuschmücken vorzieht 3 )." Darüber hat man sich also w o h l unterhalten, und man hat hier diese Sache sehr wichtig genommen, wenn Symmachus außer situs und amplitudo nur dies erwähnt. M i t einem anderen gelehrten Freunde bespricht er sich dagegen z. B . über den Brennstoffbedarf seines neuen Bades (s. o. S. 52,1). D e r jüngere Nicomachus trat bei dieser Diskussion nun für pictura, Symmachus f ü r musivum ein. Symmachus hatte überhaupt eine Vorliebe für das Mosaik, ep. 8, 42 freut er sich, daß jemand eine ganz neue Mosaiktechnik erfunden hat, und will sie sofort in seinem Hause anwenden lassen, wenn er die ersten Kartons mit den E n t würfen gesehen hat 4 ). Eine Anspielung auf diese gemeinsamen Interessen für Bilder enthält auch der Brief 9, 17, w o h l v o m Jahre 399, an den Bruder Venustus des jüngeren Nicomachus. Dieser hatte dem Symmachus einen Bericht über B a u arbeiten an einem Landschloß des Redners gesandt: integrum mihi situm praetorii mei et picturam quandam fabrilis operis ante oculos conlocasti: ita adaperta distributio vet adhuc adsurgentia vel iam absoluta signavit6). Ich entsinne mich nicht, in den Briefen

*) cp. 9, 50 quantum domui meae culturn Lucillus quondam pictor adiecerit... ep. 2, 2 sit igitur de hoc tua existimatio, qui bonarum artium spectator Semper fuisti. 3 ) ep. 6, 49 . . . ut... de opere, quod domi construis, iudicium meae inspectionis aperirem. thermarum mihi et situs et amplitudo admodum placuit. in minoribus balneis piscinalem picturis potius quam musivo excoli non probavi. *) novum quippe musivi genus et intemptatum superioribus repperisti, quod etiam nostra rusticitas ornandis cameris temptabit adfigere, si vel in tabulis vel in tegulis exemplum de te praemeditati operis sumpsimus. Es ist mir nicht bekannt, ob die Archäologen auf diese N o t i z schon geachtet haben. F. v. L o r e n t z , R E 16 (1933), 330, bemerkt nichts dazu. 5 ) Vgl. O . S e e c k , Symmachus LI. .Mir scheint durch diese Zusammenstellung .erneut sichergestellt, daß es sich bei dem Adressaten Venustus um den Bruder des Nicomachus handelt.

2)

Interpretation von Querschnitten

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des Symmachus an anderen Stellen und gegenüber anderen fremden Adressaten solche Hinweise a u f Bilder gefunden z u haben 1 ). N u r in einer R e d e spricht S y m machus noch einmal v o n einer pictura: or. 3, 5 stellt er sich den V o r g a n g bei der Kaiserproklamation des Gratian durch Valentinian I. als pictura vor. D i e R e d e hielt er A n f a n g 369 dem kindlichen Gratian, zweifellos in Anwesenheit des Vaters V a l e n tinian I. Diese Stelle ist sehr lehrreich für die B e w e r t u n g der anderen in der K o r r e spondenz mit den Nicomachi. D i e W e n d u n g der R e d e ist nämlich offenbar durch die Liebhaberei des kaiserlichen Vaters beeinflußt. D e n n w i r wissen v o n V a l e n tinian I., d a ß er „sehr lieblich malte" (Epit. de Caes. 45, 6 ; A m m . M a r c . 30, 9, 4). D i e Hinweise a u f Malerei und Mosaik in den Schreiben an die N i c o m a c h i sind dann auch nicht e t w a nur rhetorische Blumen und Ornamente, sondern ebenso R e f l e x e tatsächlicher Kunstliebhaberei 2 ). D e r W e g dieser Untersuchung hat uns also wieder in die unmittelbare N ä h e des jüngeren Nicomachus geführt. Allerdings in die N ä h e nicht nur seiner Person, sondern auch in die seines Bruders und die des Symmachus.

B . Interpretation v o n Querschnitten D a s W e s e n der querschnittlichen M e t h o d e bedeutet das Betrachten der Ereignisse gewissermaßen in der Draufsicht. W i e und w a n n diese Draufsichten oder Querschnitte v o l l z o g e n werden, ist durchaus relativ, zeit- und subjektbedingt. O b das objektiv gegebene Material den bestimmten Querschnitt erlaubt, ist keinesw e g s immer seine Voraussetzung; nie w i r d sie überhaupt v o l l erfüllbar sein. Fehler, Brüche, Lücken w e r d e n dann ergänzt werden müssen. So w a r der Querschnitt „ R e g e n w u n d e r " a u f der Marcussäule, den ich o. S. 250 ff. analysierte, zufällig fast glatt möglich. Natürlich ergab sich die R i c h t u n g dieses Querschnitts nicht aus d e m kausal bestimmten A b l a u f der historischen V o r g ä n g e , sondern akausal-assoziativ z. B . aus dem Stichbild „ R e g e n " 3 ) . W i r sahen auch o. S. 123 ff., w i e der A u t o r in der ') In Brief 1 , 1 , 2 sendet der Redner seinem Vater eine cantilena, mit der er an eine pictura in einem seiner Schlösser anknüpft. Darauf geht der Vater in seiner Antwort ep. 1, 2 , 1 lobend ein. Das bleibt also im Familienrahmen der Symmachi. 2 ) Eine nicht ganz durchsichtige Stelle sei noch nachgetragen: v. Alexandr. Sever. 2 j , 4 im Zusammenhang der Thermen des Severus Alexander: Oceani solium primus imperator (inter P 1, s. Apparat bei H o h l ) appellavit, cum Tratanus id tum fecisset sed diebus solia deputasset. E. M a a ß , Tagesgötter (o. S. 36,1) 157fr., bezog das auf Umänderung von Mosaikdarstellungen. Natürlich hat H ö n n , a . O . 138, recht, daß dies nur eine wahrscheinliche Vermutung ist, aber bei den uns nun bekannt gewordenen Interessen des Nicomachus gewinnt diese Vermutung sehr. Weniger einleuchtend A . v. D o m a s z e w s k i , Sber. Heidelberg 1916, Nr. 7, 9, oceani solium sei ein ständig auch bei beschränktem Wasserzufluß mit Wasser gefülltes Badebecken gegenüber den nur tageweise zugänglichen. Übrigens gab schon 1793 O s t e r t a g die von M a a ß vorgeschlagene Erklärung. — Dem im J. 383 nach Asien reisenden jüngeren Nicomachus hielt Himerios in Athen eine Geleitrede (ecl. 13, vgl. O . ' S e e c k , R E 6 [1909], 2512, unberechtigter Widerspruch von H. S c h e n k l , R E 8 [1913], 1625). Schon in den wenigen erhaltenen Resten kommt der Redner zweimal auf Gemälde und Maler zu sprechen. *) Plotin nennt diese Tätigkeit, die er dem höheren Seelenteil zuschreibt, olov ¿vcofißetatg /läMov „dem Seinigen einen Stützpunkt geben"; H ä r d e r übersetzt „Abtasten".

256

Die querschnittliche Methode

Problematik des Antoninusnamens sich querschnittlich assoziativ von einem G e danken zum anderen treiben ließ. Dabei war noch erkennbar, daß er die zunächst nicht ganz ebene Fläche seines Schnitts nachträglich etwas zu modifizieren und planieren gezwungen war. Assoziatives Arbeiten ist daher ganz besonders charakteristisch für die Historia Augusta 1 ). Ein hübsches Beispiel haben wir v. Tacit. 9, 2 in den Stichworten Aureliano statuam auream ... argenteam si quis auro argentum miscuisset capital esse ut servi in dominorum capita nott interrogarentur; Abschluß wie Anfang: Aurelianum ... pictum. Alle diese Einzelnotizen sind nach Mustern, die Tacitus, Sueton sowie andere Viten der Historia Augusta liefern, erfunden2). Sehr schön ist dasselbe v. Alexandr. Sever. 32, 1—33, 2 zu sehen; ich gebe nur die überleitenden Stichworte: (32, 1) iniuriam; (2) praefectis; iniuriam; (3) praesentium ( = eorum qui praeerant); rnmeratus; muneribus; (4) aurum divisit; (5) aurum; Romae; (33, 1) Romae; audire negotia; (2) iudicess). Ein größeres Stück solcher Art finden wir in derselben Vita Kap. 45 ff. Es beginnt mit expeditiones bellicas habuit, de quibus ordine suo disseram. Dann springt der Autor auf das Thema „Prinzipien der militärischen Befehlsgebung und Geheimhaltung" ab. Kap. 45,6 und 46 sind ein typisch assoziatives Einsprengsel4). Das sagt schon der erste Satz: et quia de publicandis dispositiottibus mentio contigit... Dann läßt er sich spielerisch-gemütlich von einer Erfindung betreffend eine demokratische probatio der zur Beförderung heranstehenden Beamten zu den Beamtengehältern und anderen beneßcia an Beamte weitertreiben6). Nach Kap. 47, *) Ein anderes Beispiel assoziativer Erdichtung notierte kürzlich H. U. I n s t i n s k y , Klio 34 (1942), ii8ff.; der Autor erfand v. Maximin. 5, 5 einen tribunus der IV. Legion, v. Claud. 14, 2 einen der V. und v. Aurelian 7 , 1 einen der VI. Legion. Durch den Nachweis dieser progressiven Fiktion konnte I n s t i n s k y über das zurückhaltendere Urteil O. Seecks, Rh. Mus. 49 (1894), 219, hinausgelangen. 8 ) E. H o h l , Klio 11 (1911), 297. 8 ) Ein mir nicht bekannter Leser hatte im Exemplar des Göttinger Instituts, das ich nach dem vollständigen Verlust meiner Bibliothek eine Zeitlang ab einziges zur Verfugung hatte, diesen Aufbau vollkommen treffend gesehen und angestrichen. Eine derartige Komposition bedeutet noch nicht von vornherein, daß die Nachrichten alle falsch sind. So scheint 33,1 (Wahl eines Kollegiums von 14 curatores urbis aus den consulares) irgendwie gutes Material vorzuliegen, H ö n n , a. O . 84,184, auch M o m m s e n u n d H i r s c h f e l d , vgl. E. K o r n e m a n n , R E 4 (1901), I797f. Die Verwendung zutreffender amtlicher Bezeichnungen findet sich auch 32,1 (prittceps officio rum), eine weitere, allerdings sehr lockere Berührimg mit einem Kaisererlaß 33, 2, H ö n n , a. O. 87, 190. 101. Aber das beweist hier nur die volkstümliche Aktualität. J a r d 6 , a. 0.52,2, liest aus den curatores eine Art juristischen Beirats des Stadtpräfekten heraus, dessen bisherige Zusammensetzimg geändert worden sei; mit Interpolationen rechnet dagegen A. v. D o m a s z e w s k i , Sber. Heidelberg 1918, Nr. 13, 146. - Vgl. v. Caracall. 10, 5. 6: diasyrticum... quod Getam occiderat; 11,1. 2 occidendi Getae multa prodigia. Diese Stellen sind Fälschungen O. Th. Schulz, Beiträge 118; Antonine 10, 27; H a s e b r o e k , Fälschung 7öff.; dabei wandte der Kompilator wieder einleitend suetonische Farben an (tum ab re est), vgl. E. K l e b s , Rh. Mus. 47 (1892), 27. 4 ) So auch H ö n n , a. O. 152; J a r d 6 , a. O. 99. *) Übrigens kann man zu der Bemerkung über die öffentliche probatio der Beamtenanwärter 4J, 7 dicebatque grave esse cum id Christiani et Iudaei facerent in praedicattdis sacerdotibus, qui ordinandi sunt, non fieri in provinciarum rectoribus vergleichen den Canon 20 des Conzils von Hippo

Interpretation von Querschnitten

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dessen Thema lautet „Der fürsorgliche Oberbefehlshaber", kommt er wieder auf tausend kleine Dinge; erst Kap. 50 berührt er das erstemal die Parthica expeditio, gleitet erneut in die Rhetorik ab, findet sich 51, 5 wieder zum Stichwort in procinctu atque in expeditionibus zurück, landet aber schließlich erst Kap. 55 beim historischen Bericht über den Partherkrieg. Damit sind die krausen Wege keineswegs zu Ende — aber ich will aufhören. Interessant und für die historische Kritik dieser Partien wichtig ist nur, daß mitten in den Einschüben zwischen 47 und 50 mit 49, 3 . 4 ein Zitat aus Dexippos, zwischen 5 1 , 5 und 55 mit 52,2 ein Zitat aus Herodian auftaucht, der auch 57, 2—3 unter gleichen Umständen eingeschoben ist. Das beweist wieder, daß unter den assoziativen Teilen einzelne gute Splitter sein können. Es zeigt sich ferner, daß diese Griechen hier noch nicht einmal Sekundärquelle1), sondern mit den Erfindungen und einem Julianbild zusammen eingeschoben sind. Die Vita des Alexander Severus ist besonders ergiebig für Derartiges. Denn sie ist ja in besonderem Maße verändert und erweitert, um aus dem geschichtlichen Material den gewünschten panegyrischen Querschnitt herauszubekommen. Dieser Querschnitt lautete „Tüchtiger Kinderkaiser", nicht etwa „Julian". Aber für die Tüchtigkeit brauchte man julianische Farben. Charakteristisch für die Methodik der Vita ist die Analyse der Viten der Historia Augusta durch Leo. Er beobachtet richtig (Biographie, 28off.) in der Vita des Alexander Severus „Parallelabschnitte", drei an der Zahl: Im ersten Kap. 15—28 sieht er das öffentliche, im zweiten (29—46) das Private „vorwalten" (so—denn in beiden gibt es gegenseitige „Wiederholungen und Parallelen"), der dritte (45—49) „ging so mit". Und das sind nicht die einzigen Parallelfassungen in der Vita. Soweit sind die Querschnitte von L e o gut erkannt, aber die Auswertung ist falsch. Es spricht von mangelhaftem Ausgleich gegeneinander, schließlich verkennt er die Querschnitte als Ergebnis zweimaliger Eingriffe von Kompilatoren (a. O. 296). Die relative Einseitigkeit jeden Querschnitts treibt den um volle Erfassung eines Tatbestandes bemühten Betrachter, mehrere Schnitte durch dasselbe Problem zu legen. So legte der Verfasser der Historia Augusta zwei Schnitte „Jugendliche Söhne des Severus" an und verteilte sie auf zwei Viten (s. S. I92f.). Wir mit unserem vorwiegend eingleisigen Denken müssen beide Stellen zusammennehmen und -ordnen. Dann erst erhalten wir einen für uns klaren Kontext. Dieselbe Beobachtung ergibt sich aus der S. 231 ff. behandelten Stelle v.Marc. Antonin. 24,6 und v. Avid. Cass. 9,9, w o nach dem objektiven historischen Maßstab man sagen würde, die spätere Stelle in der Cassiusvita gibt den volleren Text und die Marcusvita eine absichtliche Verkürzung. Es handelt sich auch hier um zwei verschiedene Querschnitte. Ein lehrreiches Beispiel für Aufteilung eines dem Autor vorliegenden chrono(8. Oktober 393): ut nullus ordinetur nisi probatus vel episcoporum examine vel populi testimonio

(J. D. M a n s i , Sacrorum Conc ... collectio 3, Florenz 1759, 922), während B a y n e s , a. 0 . 1 4 3 , an Julians Übernahme christlicher Muster bei seinen religiösen Reformen erinnert; der Z u schnitt auf Julians Zeit (nicht nur die Person) ist aber nicht so eindeutig, wie B a y n e s es darstellt. Vgl. auch J. G e f f c k e n , Hermes 55 (1920), 285 u. u. S. 349,3; zur in Wirklichkeit ganz anderen Politik des Alexander vgl. J a r d 6 , a. O . 28/. x ) So richtig H ö n n , a. O . 2, und ähnlich P e t e r , Die S. H. A. 79. 17 H a r t k e , Römische Kinderkaiser

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Die querschnittliche Methode

logischen Berichts in Querschnitte und ihre Verquickung mit Fälschungen bietet v . Aurelian. 18,2—21, 4 1 ). Es ergibt sich da folgende Komposition: Der A u t o r setzt in der Schilderung des Markomannenfeldzuges Aurelians an, verkürzt seine Darstellung 18, 3 plötzlich und springt mit postea Marcomanni superati sunt (¡8, 3 Schi.) zum Ende des Krieges vor. A b e r nun greift er — die assoziative Gedankenbrücke bildet der Begriff vastare — zurück, schildert wieder eine Episode des Krieges, den Aufstand in R o m , die Heranziehung der sibyllinischen Bücher und Durchführung ihrer Anordnungen ( 1 8 , 4 - 6 Anf.), und kommt erneut 1 8 , 6 Ende mit deniqtte schnell auf den Abschluß des Krieges. D o c h führt ihn 18, 5 libri Sibyllmi inspecti auf einen neuen Gedanken, er greift wieder zurück und verbreitet sich exkursartig über die inspectio librorum. Der abschließend eingefügte gefälschte Brief Aurelians (20,4 epistula Aurelian) leitet ihn 21, 1 auf andere Maßnahmen des Kaisers über cum ... Aurelianus vellet omnibus concurrere. Er greift ein drittes M a l zurück, trägt die Niederlage von Placentia nach (21, 1—3) und gelangt, indem er das 18, 5. 6 A n f . b z w . 18,7—20, 8 in extenso Berichtete kürzend zusammenzieht, mit wiederholtem denique ein drittes M a l zum siegreichen Ende 2 ). Z u m chronologischen Verhältnis des Aufstandes in R o m und der Schlacht bei Placentia kann man aus der Arbeitsweise der Historia Augusta vielleicht folgendes entnehmen: Der Autor zeigt nach jedem Neuansatz immer wieder eine überstürzte Hast, zum Ende des Krieges zu kommen. Er gerät daher, nachdem er im Bericht eingesetzt hat, sehr bald ins Kürzen und bringt das Weggelassene erst bei der Wiederaufnahme des Fadens nach. Somit würde die Schlacht bei Placentia (21, 1—3) zwischen den Aufständen in R o m (18,4) und der Befragung der sibyllinischen Bücher (18, 5) liegen. Nachstehende Tabelle möge das veranschaulichen, w o b e i ich die Assoziationsvorstellungen zusätzlich anführe: 1 8 , 2 - 3 Anf. 18,4 kürzend

21,1-3

kürzend 18,5

kürzend

18, 6 Anf.

21, 4 Anf.

18, 3 Schi.

18, 6 Schi.

21, 4 Schi.

18, 3 Anf. graviter evastata

18, 4 cuncta vastabant 18, 5 libri inspecti 18, 6 denique

18, 3 postea x)

18, 7 - 2 0 , 8

18, 7 libros inspici 20, 4—8 epistula Aureliani

2 1 , 1 cum . . . relianus vellet omnibus concurrere 21, 4 denique

Au-

Ich habe mich von H . F u c h s nicht überzeugen lassen, daß 18, 3 dum a fronte non curat occurrere subito erumpentibus zu lesen ist (erste Hand von P hat occurre). Vgl. meine Darlegungen Geschichte und Politik 26 f. Stilistisch fasse ich die Stelle jetzt so auf: dum a fronte non curat (sallustisch), occurre(rey (sallustische Form und Inkonzinnität) subito erumpentibus. cand. phil. Z e r n ial hat mir nachgewiesen, daß damit auch die Forderang des rhythmischen Stiles erfüllt ist. 2 ) denique ist im Stil des Kompilators häufig und kann Kennzeichen von Fugen und Sprüngen der Darstellung sein, vgl. S c h w e n d e m a n n , a. O . 97, 4; zu v. Marc. Antonin. 22, 4, s. auch O . T h . S c h u l z , Antonine 108, S c h w e n d e m a n n , a. 0 . 1 9 9 zu ebd. 7, 2.

Interpretation von Querschnitten

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Alle vier Querschnitte oder Gedankenzüge, die hier assoziativ verknüpft sind, stehen nebeneinander so, daß man keinen von ihnen entbehren kann. Es gibt keine eigentlichen Wiederholungen1). Darum handelt es sich auch nicht um Dubletten im Sinne der vulgären Auffassung. Denn nur alle vier zusammengenommen, erhalten wir für unser Denken einen wirklichen „Text". Auf andere ähnlich sich ergänzende Doppelberichte hat die Forschung mehrfach verwiesen2). Auch ein Teil der Doppelfassungen, die E. Kornemann, Hadrian 71 f£, vergleicht, gehört hierher, so besonders v. Sever. 6,10. 8,6/7. 8,12—9, 3. v. Pescenn. Nigr. 5, 2—6, 28). Einige Stellen wurden im Laufe unserer Untersuchung bereits besprochen (s.o. S.96,4. ioof. 171,3.241,4.U. 317,2). Kornemann sucht den Grund ihrer Eigenart bald in dieser, bald in jener Richtung: Er macht die Verschiedenheit der exzerpierenden Autoren verantwortlich, indem er die inzwischen überholte Ansicht einer Mehrzahl von Verfassern in der Historia Augusta beibehält, oder Zwischenquellen (a. O. 75) oder den rhetorischen Grundsatz der Variatio — der aber nicht zu dem merkwürdigen Phänomen einer Komplementarität (nicht einmal eines Zusammensetzspiels) Veranlassung geben würde — oder schließlich sucht er seine Gründe, im technischen Vorgang dem Wahren nicht ferne, in dem selbständigen Konzipieren der Nebenviten neben der bereits im wesentlichen fertig vorliegenden Hauptvita (a. 0.78). Das sind aber alles Auskünfte, die immer nur teilweise die Befunde erklären können. Mit Recht hat sich dagegen Kornemann, a.O. 22, 3. 24, der Erklärung von v. Hadrian 5, 10-7, 3 angeschlossen, die O. Th. Schulz in der Hauptsache zutreffend gegeben hat4). Das Ergebnis braucht nur noch als Phänomen richtig beschrieben zu werden. Der Autor der Historia Augusta gibt wieder drei Schnitte aus der Geschichte der Reisen des Kaisers Hadrian: s. S. 260. Äußerlich ist im dritten Schnitt der Ablativus absolutus dem Romarn venit 7, 3 angehängt. Das ist nur von formaler Bedeutung; der Schnitt ist sozusagen rückwärtslaufend angelegt. Gelehrte, die diese allerdings ün-,akademische' Denkform nicht erkannten, wurden mit den — wie sie meinten — Unklarheiten nicht fertig6). Richtig hat Wilhelm W e b e r mit Domaszewski gesehen, daß das ganze Exzerpt aus dem Reisebericht des Jahres 117/8 genommen ist6). Eine fortlaufende Reise wollte aber die Historia Augusta so wenig schildern wie Homer oder Clau*) Das Vermeiden von Wiederholungen beobachtete schon H. P e t e r , Die S. H . A . 200f., an einem Vergleich der Aktenstücke v. Maximin. 16 und v. Gordian. 1 1 . Seine weitere Behandlung bedürfte aber der Korrektur, vgl. L. H o m o , Rev. histor. 1 5 1 (1926), 177. 1 9 1 , 1 , und Peter, a. O., über das Verhältnis von v. Maximin. 18 zu v. Gordian. 14. A . Pasoli, Sulla composizione (o. S. 2 8 , 5 ) 22 fi. kommt zu dem Ergebnis, ein und derselbe Verfasser habe diese Stücke gearbeitet. Er untersucht im übrigen die Quellenfrage, teilweise nicht glücklich, vgl. E. H o h l , BphW. j i (1931), i 2 f . *) H e e r , a. O. 138fr. W . W e b e r , G G A . 1908, 9j8f. 968, vgl. 971. — Einige richtig beurteilte Einzelfälle jetzt bei W . E n ß l i n , Sber. München 1948 (ersch. 1949), Nr. 3, 7. 3 ) Dazu O. T h . S c h u l z , Beiträge 7 1 ; H a s e b r o e k , Fälschung J6ff. 4 ) Hadrian 29 fr. 31, Anm. 71. *) So W . W e b e r , Hadrian 54fr. B. W . H e n d e r s o n , The Life and Principate of the Emperor Hadrianus, London 1923, 279fr. nimmt allerdings mit einem hohen Maß von Selbstsicherheit alle Schwierigkeiten spielend. •) Vgl. aber A . v. D o m a s z e w s k i , Sber. Heidelberg 1918, Nr. 6, 14, 8. 17*

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Die querschnittliche Methode

dian oder Rutilius Namatianus. Bei Homer haben wir z. B. in der Odyssee i 106, Ii6, 142 genau die gleiche dreifache Zerlegung eines kontinuierlichen Fahrtvorganges mit ixojie&a KvxXdmoyv ¿5 ycüav am Anfang, dem erneuten Vorführen der ycüa KvxXdmoyv in der Mitte und dem wiederholten Sv&a xarejtMojusv am Ende1). Heranziehen können wir ferner die Methode des Lucrez, bei dem K. B ü c h n e r , Beobachtungen über Vers und Gedankengang bei Lukrez (Hermes Einzelschriften H. 1), Berlin 1936, in den Kapiteln I und II über Sachnähe lucrezischen Denkens, Beweisgänge mit doppeltem Anlauf die gleiche Erscheinung feststellt. Ihre Kategorisierung durch Büchner als archaisch (a. O. 39) ist nur deskriptiv, und die psychologische Erklärung, Lucrez habe sich zunächst von den lastenden Gedanken befreien müssen und dann erneut zurückgegriffen, isoliert das Phänomen in ziemlich willkürlicher Weise8). 5, 10 Antiochiam regressus kürzend praepositoque Syriae Catilio Severo

6, 1—6 praemissis exercitibus kürzend 6, 6 Moesiam petit

kürzend

6, 7 Turbonem . . . Daciae... praefecit kürzend

7, 3 Daria Turboni credita titulo .. .praefecturae ornato

6, 8 -n, 1

per Illyricum Romam venit

7, 2 spielt auf dem W e g e nach R o m , S c h u l z 48f., anders W . W e b e r , Hadrian 78f.

kürzend

7, 3 Romam venit

Diese eigenartig retraktierende Arbeitsmethode der Historia Augusta können wir an einer weiteren Stelle durch einen Vergleich mit der hier erhaltenen Quelle gut übersehen. Es handelt sich um das aus Herodian 4 Ende und 5 Anfang entnommene Stück v. Opil. Macrin. 8, 1—10,4®). Ich stelle die Texte auf einer be1

) Das hat M e h m e l , a. O . (o. S. 1 1 ) 35f., schön gezeigt. Für Vergils Aeneis ein besonders drastisches Beispiel a. O. 73. a ) Verwandt sind auch einige Beobachtungen von J . G e f f c k e n , Antike Erzählungs- und Darstellungskunst, Hermes 62 (1927), i f f . Ich halte es für notwendig, im Hinblick auf eine treffliche Untersuchung von W o l f g a n g S c h m i d über Lucrez Philologus 93 (1938), 338ff. auszusprechen, daß natürlich nicht jede Dublette als Querschnitt erklärt werden darf und kann. *) T h . M o m m s e n , Ges. Sehr. 7, 342, 2 ; H. P e t e r , Die S. H. A . 76f., lassen das Herodianexzerpt erst 8, 3 beginnen. In 8 , 1 - 2 sieht K o r n e m a n n , Hadrian 83, ein Exzerpt aus seinem wertvollen Anonymus des 3. Jh.s, weil die geringschätzige Art, mit der von Macrinus gesprochen werde, zu diesem passe. Dieser selbe T o n findet sich aber auch gleich am Anfang des Herodianexzerpts. Siehe auch nächste Anm.

Interpretation von Querschnitten Herodian

261

Historia Augusta

4 , 1 3 , 1 avrqi te T j MagreaXlw évvfÌQiaev (Caracalla) àvavògov avxi)v xal dyevvij xalwv xal Maxglvov (plXov.. f1i) 'Avtcavivv • • nàvra i3jm