Republik oder Monarchie im neuen Deutschland [Reprint 2021 ed.] 9783112434444, 9783112434437

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Republik oder Monarchie im neuen Deutschland [Reprint 2021 ed.]
 9783112434444, 9783112434437

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Republik oder Monarchie im neuen Deutfchland Von

Dr. Fri^ Stier-Somlo ProfefTor des öffentlichen Rechts

Bonn

1919

A. M a r c u s & E. W e b e r s V e r l a g (Dr. jur. Albert Ahn)

Nachdruck verboten. Alle Rechte, befonders das der Qberfejjung in fremde Sprachen, behält fich der VerfafTer vor. Copyright by A. Marcus & E. Webers Verlag, Bonn 1919-

Inhaltsverzeichnis Seite 4

Vorrede

Erster Teil Das Problem Die W e g e zu seiner Lösung. I. Die Grundeinstellung II. Der Tatbestand III. Die Aufgabe und die Art ihrer Erfüllung IV. Elemente der Urteilsbildung. Aufbau der Untersuchung

. . .

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Zweiter Teil Begriff und Wesen der Monarchie und Republik« Die verschiedenen Arten und geschichtlichen Typen. I. Begriff und Wesen II. Arten und geschichtliche Typen

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Dritter Teil Schlußfolgerungen. I. Das Schicksal der konstitutionellen Monarchie II. Arbeiterschaft, Sozialismus, Selbstbestimmung der Völker . . . III. Die Monarchie und die Gesellschaftsklassen IV. Monarchie als Symbol der Volkseinheit. Erblichkeit Lebenslänglichkeit V. Die parlamentarische Monarchie VI. Zusammenfassung der Gründe. Die deutsche Republik . . . . Anmerkungen

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Vorrede. D i e vorliegende staatsrechtliche und politische Studie nimmt mit wissenschaftlicher Methode und Sachlichkeit zur Klärung einer der wichtigsten Grundfragen unseres öffentlichen Lebens Stellung. Sie versucht, unter Erwägung aller in Betracht kommenden Momente zu einem abschließenden Urteile zu gelangen und dazu auch andere zu befähigen. Wir müssen ein f ü r allemal dieses nationale Schicksalsproblem, ob Deutschland die monarchische oder republikanische Staatsform annimmt und beibehält, aus dem Reiche rein gefühlsmäßiger Betrachtung herausheben. Ruhig und besonnen, nach den aus der Vergangenheit entnommenen Erfahrungen und Einsichten müssen wir die Möglichkeiten und Bedürfnisse prüfen und uns endgültig entscheiden. Ü b e r aller Sympathie oder Abneigung für Monarchie oder Republik steht des deutschen Staats und Volkes Bestand und Glück. Mehr als je sollte das jetzt beherzigt werden, nachdem die Wahlen zur verfassunggebenden Nationalversammlung eine bürgerliche Mehrheit gebracht haben. Diese hat die unbedingte Pflicht, eine Spaltung des deutschen Volkes wegen der Staatsform auf alle Fälle zu vermeiden. Wem es nicht auf wissenschaftliche Untersuchung, sondern praktisch-politische Ergebnisse allein ankommt, mag diese Schrift etwa von S. 20 ab lesen. C ö l n , den 23. J a n u a r 1919. Fritz

Stier-Somlo.

Erster Teil

Das Problem.

Die Wege zu seiner Lösung. i.

Die

Grundeinstellung.

Wir stehen an einer Weltenwende. Der bis zum Abschluß des Friedens wohl fünf Jahre dauernde Krieg, die Niederlage Deutschlands, die russische und deutsche Revolution stellen die ungeheuerlich großen Ereignisse dar, die sie maßgeblich kennzeichnen. Das Antlitz der Staaten, ihre räumliche und nationale Zusammensetzung, der innere Lebensgehalt und das äußere Dasein der meisten aller bisher kämpfenden Völker des Erdballs ist von Grund aus verändert und wird es täglich mehr. Für Deutschland gibt es nichts, was diesen, alles Bestehende aufwühlenden oder gar umstürzenden Ereignissen seit Beginn unserer Geschichte gleichbedeutend an die Seite gestellt werden könnte. Selbst jeder Vergleich mit erschütterndsten elementaren Naturereignissen will uns zwerghaft und kleinlich erscheinen. Viele sind sich dieser im höchsten Sinne katastrophalen Wandlungen noch gar nicht klar bewußt und träumen von einer Wiederkehr von ähnlichen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zuständen, wie sie vor dem Weltkriege bestanden. Sie hoffen wieder in den alten Verhältnissen leben zu können, wenn erst einmal der Lärm der Waffen vorüber und endlich dauernder Friede sein würde. Die meisten sind unfähig, so, wie es nötig wäre, nämlich v o l l k o m m e n , umzudenken und sich auf den Boden zu stellen, daß für die Einzelperson, für die eigene und fremde Staatsgemeinschaft, für die europäische und die Weltpolitik gänzlich veränderte Voraussetzungen, Beziehungen, Machtmittel und Ziele bestehen. Eben deshalb muß der Ausgangspunkt jeder, grundlegende Probleme erörternden Untersuchung d i e s e Erk e n n t n i s von der U n w i e d e r b r i n g l i c h k e i t d e s V e r g a n g e n e n , die g r u n d s ä t z l i c h e Neuheit desGegenwärtigen.nochmehrdesKommen-

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Erster Teil: Das Problem. Die Wege zu seiner Lösung.

d e n s e i n . Nur dann wird man die richtigen Maßstäbe gewinnen für die Beurteilung der Einrichtungen von Staat und Oesellschaft, von Recht und Wirtschaft, von Barbarei und K u l t u r ; nur dann wird man den Fehler vermeiden, Einsichten und Erfahrungen v o r der Zeit dieser Weltenwende ohne genaueste Prüfung auch f ü r die Einschätzung der Dinge, die jetzt im Werden sind, zu verwerten; nur dann wird der naheliegende Vorwurf einer Änderung in den Ansichten des Forschers und Politikers als leicht widerlegbar, ja ungerecht erscheinen. Die spöttisch-lächelnde Weisheit derer, die nichts w e s e n 11 i c h Neues unter der Sonne anerkennen wollen, muß in ihre Grenzen gewiesen werden. Selbst der folgenschwere Einwand, d a ß sich doch d i e m e n s c h l i c h e Natur seit den paar tausend Jahren der bis heute nachwirkenden Kultur nicht geändert habe, daß — trotz der scheinbar vollkommenen Beseitigung früherer Zustände und des Neuaufbaues der meisten Einrichtungen des öffentlichen Lebens — letzten Endes doch immer wieder an schon Vorhandenes angeknüpft werde, kann in solcher Allgemeinheit nicht als durchschlagend anerkannt werden. Auch die menschliche Natur ändert sich, wenn auch langsam und nur dem scharfen Auge wahrnehmbar, mindestens in ihren politischen und ethischen Beweggründen und Zielen, Formen und Inhalten. Die Annahme der Unveränderlichkeit des Menschen ist sogar f ü r den Bereich des N a t u r g e s c h e h e n s unhaltbar. Wir müssen an die großartigen Untersuchungen über den Ursprung und die Entwicklung des Menschen seit dem 17. J a h r h u n d e r t denken. 1784 entdeckte G o e t h e den Zwischenkiefer und meint, daß der Unterschied des Menschen vom Tiere in nichts einzelnem zu finden sei, woraus wir folgern, daß er an der Entwicklung der Arten teilnimmt. Herder erörtert in seinen „Ideen zur Philosophie der Geschichte" (ebenfalls 1784) die Stufenleiter der Wesen und vergleicht den Menschen als das „verbindende Mittelglied zweier Welten", mit dem menschenähnlichsten Geschöpf, dem Affen („Zoologische Philosophie", 1809). L a m a r c k schließt in die allgemeine Abstammungslehre, die er mit der Urzeugung der einfachsten Lebewesen beginnen läßt, auch den Menschen ein. Vor allem muß an die großen Forscher des 19. Jahrhunderts, D a r w i n , Thomas H u x 1 e y , Karl V o g t und Ernst H ä c k e 1 erinnert werden, deren und ihrer Nachfolger Arbeit in der Erkenntnis zusammenzufassen ist: „Der Mensch ist ein relativ geschlossenes und relativ beständiges Teilsystem der Natur, wie jedes andere Tier . . . . Aber — und das ist

I. Die Grundeinstellung.

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das Einzigartige, Göttliche — Mutter Natur kommt in ihrem Teilsystem „Mensch" zum Selbstbewußtsein, zum zwecksetzenden Wollen, und zur bewußten, entwicklungbestimmenden T a t . . . . Erst Wissenschaft und Kunst machen den Menschen wahrhaft zum Menschen und befähigen ihn, die eherne Notwendigkeit der Natur in die F r e i h e i t d e r K u l t u r zu verwandeln" (Heinrich Schmidt, Geschichte der Entwicklungslehre, 1918 S. 542). Selbst die b i o l o g i s c h e n Grundtatsachen und Grundbestimmungen stehen daher der Annahme einer allmählichen teilweisen Veränderung der menschlichen Gesamtstruktur n i c h t entgegen. Wie viel mehr gilt dies vom geistigen und politischen Leben! Es handelt sich in Wirklichkeit nur um das Zeitmaß und die Größe der Veränderung. Man wird gewiß nicht leugnen können, daß die Menschen in vielen ihrer seelischen und intellektuellen Eigenschaften jahrtausendelang gleich oder wenigstens ähnlich bleiben, daß H a ß und Liebe, Machtwunsch und Ehrgeiz, Befreiungstrieb und Geltungsstreben sich immer aufzeigen lassen, obwohl die Gefühlswelt und sittliche Anschauung, z. B. der Zeit des Sophokles und der Macchiavells, der Friedrichs des Großen und der Wilsons zahlreiche feine Abweichungen und Schattierungen aufweisen. Heute und vor fünfzig Generationen gab es Zu- und Abneigung mehr oder minder gleicher Stärke und in der Richtung auf denselben Gegenstand — Mensch und Idee —; jetzt wie damals übereinstimmende Tugenden und Laster, Kampf der Geschlechter, der Kulturen und Rassen. Aber trotz alledem: all diese menschlichen und allzumenschlichen Grundbestimmungen sind im Flusse der Entwicklung, schillern in tausend Farben. Noch mehr als von den Naturerscheinungen gilt dies von politischen Dingen. Die Möglichkeit, h i s t o r i s c h e G e s e t z e zu finden, hat sich als eitel erwiesen. Naheliegende Ähnlichkeiten von Einst und J e t z t brauchen dabei nicht geleugnet zu werden. Möglich auch, daß gleiche historische Ursachen bestimmte gleiche Wirkungen erzeugen. Mit diesem Satze arbeiten viele Forscher gerade für die Fragen der Staatseinrichtungen gern. Sie zeigen gewisse soziale Schäden, Revolutionen, Staatsstreiche, Reformen, gesellschaftliche Machtverteilungen zwischen Herrschern und Beherrschten, behaupten hierauf die Gleichheit der Bedingungen in einer späteren Zeit und ziehen daraus ihre Schlußfolgerungen f ü r und wider eine Staatsform, zugunsten oder zuungunsten von Monarchie und Republik, Einherrschaft oder Vielherrschaft. Gar häufig wird dabei die unendliche Verwickeltheit der Ursachenreihen vergessen. Die unzähligen unwägbaren

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Erster Teil: Das Problem. Die Wege zu seiner Lösung.

Unterschiede in den beiden Zeitaltern, die miteinander in Beziehung gesetzt werden, finden keine ausreichende Berücksichtigung. Auch wird übersehen, daß selbst die genau übereinstimmenden Ursachen nicht überall und zu allen Zeiten zu denselben Wirkungen führen müssen, weil Dinge des Seelenund Geisteslebens oft der Meßbarkeit ihres Gewichts und ihrer Bedeutung spotten, meist durch den logischen Verstand überhaupt nicht erfaßt werden können, sondern nur durch Intuition, Phantasie, Einfühlung. Diese sind aber s t a r k subjektiv. Wir können deshalb sagen: die Erfahrungen vieler J a h r h u n d e r t e lehren, d a ß mindestens auf dem Gebiete desjenigen Geschehens, das von menschlicher Willensbildung und Subjektivität, Gefühlen und Leidenschaften wesentlich bestimmt ist — u n d i n d i e s e n K r e i s g e h ö r t d i e W e l t d e r P o l i t i k — eine ständige Veränderung und Entwicklung, wenn auch gewiß nicht immer in aufsteigender Linie, vor sich geht. Ähnlichkeiten und oft scheinbar verblüffende Richtungs-, ja Inhaltsgleichheiten besitzen f ü r die Beurteilung neuer Zustände nur einen sehr begrenzten Wert. Das ist sehr schmerzlich f ü r die Lehrer der Geschichte, aber unendlich wichtig, wenn wir an konkrete Gegenwartsaufgaben herantreten, aus der Vergangenheit lernen wollen. Wir erfahren immer wieder, daß die Lehrmeisterin Geschichte mit ihren Nutzanwendungen sehr oft versagt. Damit wird ihr Erkenntniswert natürlich ebensowenig wie ihre Bedeutung für die geistige Bildung und das nationale Gesamtbewußtsein angetastet. Jedes Menschengeschlecht muß aber seinen Kampf um Leben, Wirkung und Zukunft nicht nur mit eigenen Mitteln und Kräften, sondern auch mit eigenen Grundsätzen und Plänen ausfechten und es wird hierbei nur von einem recht geringen Maß vererbter Weisheit unterstützt. Die Einzigartigkeit der Weltlage m u ß daher unser Ausgangspunkt sein. Wir müssen uns von vornherein bewußt bleiben, daß die äußere und innere Beschaffenheit mindestens der europäischen Staatenwelt uns vor gänzlich neue Lebenslagen stellt. Wir dürfen keinen Augenblick vergessen, d a ß alle, das gegenwärtige Dasein der menschlichen Gemeinschaften gestaltenden und umformenden Tatsachen und Voraussetzungen in sehr weitem Ausmaße beispiellos und ohne eigentliche Vorbilder sind. Daraus folgt, d a ß wir b e i d e r B e u r t e i l u n g d e r p o l i t i s c h e n G r u ndfragen, auch hinsichtlich der Monarchie u n d R e p u b l i k , n u r in b e g r e n z t e m Umfang bei der V e r g a n g e n h e i t R a t holen können,

II. Der Tatbestand.

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f r e i l i c h a u c h m ü s s e n — in welchem Maße, wird gleich zu zeigen sein. Grundsätzlich schöpfen wir, ohne auf die brauchbaren Lehren zu verzichten, die uns die Schicksale und das Nachdenken früherer Geschlechter bieten, unsere Meinung und unser Urteil in erster Linie aus der in jeder Beziehung besonderen Sachlage und den heutigen Begebenheiten und Gesamtumständen. II. {Der

Tatbestand.

Wir sind in Deutschland vor die Schicksalsfrage gestellt: Monarchie oder Republik? In dieser Gegenüberstellung ist ein unmittelbares Gegenwartsproblem höchster Tragweite eingeschlossen. Das bisherige Deutsche Reich bestand aus zweiundzwanzig Monarchien und drei Republiken: Hamburg, Bremen und Lübeck. Infolge der Revolution seit dem November 1918 haben jene aufgehört zu bestehen, ihre Fürsten haben den Thron verloren. Seitdem bildet bei manchen die theoretische Bejahung und — infolge der Ausrufung der Republik für das Reich und die Einzelstaaten — bei anderen die praktische Verneinung der monarchischen Staatsform einen wesentlichen Teil des deutschen Denkens. Die politischen Parteien stehen in ihrer Mehrheit auf republikanischem Beden, in ihrer Minderheit auf monarchischem. Die verworrene und verwirrende innerpolitische Lage läßt aber diese Gegensätze nicht deutlich genug in den Parteiprogrammen in die Öffentlichkeit treten. Zweifellos aber haben einige Parteien ihren monarchischen Standpunkt, mehr oder minder offenem Bekenntnis gemäß, für alle zukünftigen Möglichkeiten vorbehalten. Nicht unbedeutende Bevfilkerungsteile warten die Entwicklung der Dinge in Deutschland ab r sind bereit, f ü r die Monarchie einzutreten, ihr mindestens keine Schwierigkeiten zu bereiten. Noch leidenschaftlicher geht die Auseinandersetzung im Geheimen vor sich. Tiefe Gewissensfragen sind aufgerüttelt. Da dem Deutschen die Idee der Kulturdemokratie noch fremd, eine Verwechslung mit äußerstem Sozialismus häufig ist, sind alle diejenigen,, deren Denken sich auf die neue Zeit noch nicht eingestellt hat, Antidemokraten und in d i e s e m Sinne Monarchisten. Andere sind es durch ihre soziale Schicht, durch ihre, ihrer Verwandten oder Freunde Zugehörigkeit zum Beamtentum und früherem Offizierkorps. Wieder andere sind durch geschichtlich begründete oder ethisch verankerte Ü b e r z e u -

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Erster Tell: Das Problem. Die Wege zu seiner Lösung.

gungen g e g e n die H a u p t s t a a t s f o r m der Demokratie, die Republik. Bei sehr vielen knüpfen sich an die Gedanken f ü r und wider die F ü r s t e n h e r r s c h a f t große materielle oder ideelle Hoffnungen, H a ß und Liebe. Ein großer Teil der Bürger ist weltanschauungsmäßig in Deutschland f ü r , wohl der größte Teil der Arbeiterschaft gegen die Monarchie. Nicht wenige lassen sich, leicht begreiflicherweise, durch die entsetzlichen Zustände, die im Reich seit dem Sturz der Monarchen eingetreten sind, in ihrer inneren Entschließung beeinflussen. Es ist also eine handgreiflich realpolitische Angelegenheit, diese W a h l der Staatsform f ü r den neuen deutschen B u n d e s s t a a t und seine künftigen Glieder, die Einzel- oder Freistaaten. In dieser Schrift soll die Frage nach der Monarchie oder Republik aufgerollt und b e a n t w o r t e t werden. Wie soll es g e s c h e h n ? Es gibt der Wege sehr viele. III. Die

Aufgabe

und

die

Art

ihrer

Erfüllung.

Es wäre nicht schwierig, einige an der Oberfläche liegende, grobkörnige, auch dem einfachsten Denken leicht faßliche Fragen, wie sie politischer Agitation geläufig sind, aufzuwerfen und sie, unter Hinweis auf die Ereignisse beim Ausb r u c h und Verlauf des Krieges, mit demagogischem Pathos z u ungunsten aller Monarchien zu b e a n t w o r t e n . Ebenso leicht wäre es, mit jener plumpen Selbstverständlichkeit, die keine Bedenken und Zweifel kennt, die unverkennbaren Schattenseiten aller Republiken, unter Benutzung abgegriffener, aber doch massiver Schlagworte, herauszuarbeiten und d a m i t die Gegenwartsfrage zugunsten der Republik entscheiden zu wollen. In einer Zeit, die politisch mit überl a u t e m Getöse arbeitet, in der die großen Massen an den öffentlichen Dingen Anteil heischen und nehmen, ist scheinbar wenig R a u m f ü r die feinere und stillere Geistesarbeit über solche Grundfragen. Deshalb wäre vielleicht m a n c h e m auch ein Verfahren erwünscht, das mit Außerachtlassung gerechter Abwägung der Vor- und Nachteile, mit geschickt verdeckter Einseitigkeit f ü r die eine der beiden Staatsformen, mit allen K ü n s t e n der Suggestion, würbe. Das könnte sogar mit der Entschuldigung erfolgen, d a ß es f ü r ein ehrlich errungenes Ideal geschieht. Bei der sehr geringen politischen Bildung in Deutschland wird man solche U n t e r n e h m u n g e n nicht o h n e Erfolg a m Werke finden. Das ist auch leicht begreiflich.

III. Die Aufgabe und die Art ihrer Erfüllung.

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Denn die Massenerregung und das plötzlich durch das radikalste Wahlrecht gewonnene Massenbewußtsein drängt nach möglichst einfachen Ausdrucksformen der politischen Werbearbeit. Freilich bleiben hierbei denn auch alle die vielen wichtigen und schwierigen Einzelfragen des Gesamtproblems bewußt oder unbewußt im Dunklen. Einen d i e s e r Wege einzuschlagen wäre vom gemeinen Nützlichkeitsstandpunkt aus sicher dankbarer als die hier gewählte Methode, die es sich viel schwerer macht. Ursprünglich stellte sich mir nur das p r a k t i s c h - politische Problem vor das Auge: soll es i n . Deutschland Monarchie oder Republik geben? Es durch Beantwortung einiger, aus der unmittelbaren Zeitbedrängnis entnommener Fragen, die auf der Oberfläche liegen, zu lösen, hat sich aber schnell als ebenso unangemessen, wie unzweckmäßig erwiesen. Ohne einen fest gezimmerten geistigen Unterbau würden solche Erörterungen nur einer oberflächlichen Interessenp o l i t i k zugute kommen. Nicht mit dem hohlen Brustton einer von Scheingründen getragenen „Überzeugung", nicht mit weithin schallenden Phrasen, nicht mit pathetisch versicherten Vorurteilen darf gearbeitet werden. Nicht irgend jemanden oder irgend eine Sache zu bekämpfen habe ich vor; nicht zu suggerieren, auch nicht zu überreden. E s g i l t hier, mit dem Ernst der Wissenschaft festzustellen, welche Stiatsform für D e u t s c h l a n d j e t z t in F r a g e k o m m t . Nichts mehr und nichts weniger. Die wahre Überzeugung muß auf sachliche Gründe gestützt sein. Dann kann sie sich auch bei anderen, gleicher geistiger Unbefangenheit Fähigen und Willigen durchsetzen. Ich frage nicht danach, ob mir die Anhänger der Monarchie, wenn ich mich gegen diese entscheiden muß, feindselig sein und gehässig ungehörige Beweggründe, wie das ja leider in Deutschland üblich ist, unterstellen werden. Ebensowenig geize ich, wenn ich f ü r die Republik eintrete, nach der Gunst der entschiedensten Demokraten. Nach einem A u g e n b l i c k s e r f o l g , der bei einer Schicht der jetzt souveränen Wählerschaft im Falle unwissenschaftlicher Propaganda für eine der Staatsformen sicher wäre, zu streben, ist so unwürdig und verächtlich, daß ein politischer Schriftsteller von Ehre wohl nicht zu versichern braucht, er wolle diesen Weg nicht beschreiten. Warum aber, so wird mancher fragen, mit dieser heiklen Frage j e t z t vor die Öffentlichkeit treten ? Weil es von größter unmittelbarer, gar nicht zu überschätzender Bedeutung ist, ob sich das deutsche Volk in seiner neuen Ver-

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Erster Teil: Das Problem. Die Wege zu seiner Lösung.

fassung d a u e r n d , d. h. auf menschlich absehbare Zeit, f ü r die Monarchie oder die Republik entscheidet. Weil es von unermeßlicher Tragweite ist, ob sich der Entschluß auf vage Gefühle, Leidenschaften, selbstsüchtige Interessen s t ü t z t und bei Unkenntnis aller in Frage kommenden Gründe erfolgt oder von diesen letzteren ausgeht, aus reinen Motiven fließt, das Gesamtwohl Deutschlands im Auge h a t und die Notwendigkeiten der auswärtigen und inneren Politik erwägt und berücksichtigt. Sollten wir nicht alle wünschen, d a ß diese zweite Möglichkeit zum Ereignis w e r d e ? Können w i r uns denken, d a ß eine m i t blinder Leidenschaftlichkeit gesuchte Lösung der Frage durch d a s deutsche Volk Dauer verspricht? E n t b e h r t die E r ö r t e r u n g und B e a n t w o r t u n g der Frage der deutschen S t a a t s f o r m der sachlichen U n t e r lage, ist sie n u r von den jeweils letzten Ereignissen und von der Beredsamkeit der jüngsten Demagogen beeinflußt, d a n n wird ihr der sichere Boden fehlen, der zu politischer Beständigkeit nötig ist. Auf bloß s u b j e k t i v e Betrachtungen, Gefühlsmomente und Egoismen darf sie nicht gestützt werden. Denn es handelt sich um Wohl und Wehe der Nation. K ö n n t e m a n aber nicht s a g e n : Es gibt doch n u r die W a h l zwischen Monarchie und R e p u b l i k ; fällt die W a h l zugunsten der v o m objektiven S t a n d p u n k t aus richtigen S t a a t s f o r m aus, so ist es doch gleichgültig, ob der Sieg durch sachliche, hoch über dem Einzelinteresse stehende Gründe oder durch die zufällig auf die richtige Seite sich entladende Leidens c h a f t errungen ist. Ich bestreite das. W ü r d e die Lösung des Problems auf dem schwanken Grunde augenblicklicher S t i m m u n g , einseitiger Verhetzung, politischen Unvermögens r u h e n , so h ä t t e sie keinen Bestand. Der Wind der Meinung schlägt dann leicht u m und wirbelt den losen Sand der Scheing r ü n d e in alle Richtungen. Wer sich f ü r die Monarchie oder die Republik in solch innerlich ungefestigter Weise entschieden, der das eigene Nachdenken und die geistige Aufk l ä r u n g unterlassen h a t , m u ß der Spielball fremden Einflusses werden, wie ein schwankes Rohr sich hin und her biegen. Wehe dann unserem ohnedies schon so tief unglücklichen deutschen V a t e r l a n d e ! Es m ü ß t e ihm alle Ruhe fehlen, die erste Bedingung der Neuschöpfung und des stetigen Aufstiegs. So ist, aufs gewissenhafteste g e p r ü f t , der Boden der Wissenschaft nicht n u r der geeignetste zum Erwerb klarer Einsichten, die Arbeit von ihm aus wird auch die letzten Endes p r a k t i s c h s t e sein, dem S t a a t a m meisten n u t z e n . N u r so ist eine leidenschaftslose, sachliche und kritische E r -

III. Die Aufgabe und die Art ihrer Erfüllung.

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fassung der Wirklichkeit und die Gewinnung von Richtlinien möglich. Leidenschaftlich darf nur die Liebe zur W a h r heit und zum Vaterlande sein. Die besten Gründe sind die wertvollsten Waffen, die ordnende und wertende Vernunft ist die einzig berechtigte Macht. Der G e g e n s t a n d intellektueller K r a f t ist freilich keineswegs die reine Vernünftigkeit. Man wird auch die i r r a t i o n a l e n Elemente, die sich bei der Frage nach Monarchie oder Republik einstellen, zu beachten haben. Das Ziel bleibt dabei ein politisches: das wissenschaftliche Ergebnis soll Einfluß haben auf die praktische Politik. W i r müssen den Begriff, das Wesen und die Bedeutung, Formen und Wirkungen der Monarchie zu erfassen suchen und uns fragen, wie letztere unter den gegenwärtigen und menschlich voraussehbaren zukünftigen Verhältnissen zu bewerten ist. Das ist die Fragestellung der Staatslehre und der praktisch wirkenden wissenschaftlichen Politik. Wir sind fern aller ungeschichtlichen Geisteseinstellung. Aber es kann hier das rein Historische nur in geringerem Maße verwertet werden. Der eingangs dargelegten Ansicht entsprechend, dient es mehr zur Belichtung als zur Lösung des Problems. Der Natur unserer wirklichkeitsnahen Aufgabe gemäß können auch nicht alle Gestaltungen der monarchischen Staatsform, sondern nur die seit etwa dem Ende des 18. Jahrhunderts, herangezogen werden. Die Überfülle der weltgeschichtlichen, zurückliegenden, an die Fürstenherrschaft geknüpften Grundfragen nötigt zur starken Typisierung, die das Eigenartige aus der Flucht der Erscheinungen herausarbeitet. Die verhältnismäßig geringe Zahl von politisch verwertbaren Erkenntnissen der Geschichte rechtfertigt diese Methode auch vom praktischen Standpunkt aus. Auf alle Fälle muß aber die Gefahr vermieden werden, in Ermangelung einer auf die Erfahrung gestützten Untersuchung, m i t Ansichten in der Luft zu schweben oder dem Einfluß vorübergehender Impressionen zu verfallen. Das gilt natürlich auch von der Behandlung des Gegenstücks der Monarchie, von der Staatsform der Republik. Auch ihr Begriff und Wesen, auch ihre Bedeutung, Arten und Wirkungen müssen uns kurz beschäftigen. Die Grenzen der Untersuchung dürfen nicht so weit gezogen werden, daß sie zu einer Geschichte dieser Staatsformen oder der großen Wirklichkeits- und Geisteserscheinung würde, die wir vieldeutig Demokratie nennen. Auch hier kann es sich nur um das Grundsätzliche, mit zeitlicher Beschränkung etwa auf die letzten anderthalb Jahrhunderte, handeln.

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Erster Teil: Das Problem. Die Wege zu seiner Lösung.

So treten deutlich die Umrisse einer Grundauffassung hervor, die, ebenso fern von einer Überschätzung geschichtlicher Vorbilder, Analogien, wie von einer geistigen Wurzellosigkeit ist, die n u r das u n m i t t e l b a r vor unseren Augen sich abspielende Geschehen zum M a ß s t a b seiner selbst u n d aller kommenden Gestaltungen nehmen würde. So bleibe ich im Einklang m i t der Grundeinstellung dieser Schrift, die schon die besondere Eigenart der vollkommen gewandelten Verhältnisse, mit naheliegenden Folgerungen, betont hat. IV. Elemente der A u f b a u der

Urteilsbildung. Untersuchung.

Eine der bereits angedeuteten Konsequenzen, das Recht des Wissenschaftlers, über den Gegenstand dieser Arbeit a n g e s i c h t s d e r v e r ä n d e r t e n V o r a u s s e t z u n g e n u n d U m s t ä n d e ein anderes Urteil als vor dem E i n t r i t t dieser Weltenwende abzugeben, f ü h r t auf den unmittelbaren K e r n p u n k t des Problems. In meiner „ P o l i t i k " betitelten Schrift (erste Aufl. 1906, S. 126 ff., vierte Aufl. 1919 S. 118 ff.) habe ich von der Geschichte, den Arten und der Bedeutung der Monarchie gesprochen. Dort ist ihr historisches Verdienst, das in der Verwirklichung des Einheitsstaates (besonders in Frankreich und Deutschland) besteht, hervorgehoben worden. Daß die Monarchie die Einheitlichkeit der Staatsgewalt verbürgt h a t , ist ebenso richtig, wie d a ß durch sie die Bildung des S t a a t s willens als eines einheitlichen gesichert ist. Aber m a n m u ß hinzufügen, d a ß jene Garantie keineswegs n u r durch die Monarchie zu erlangen ist und d a ß die Einheitlichkeit der Staatswillensbildung auch durch zweckentsprechende Einrichtungen der Republik v e r b ü r g t werden k a n n . Daß die Monarchie „fern von der Unstetigkeit der D e m o k r a t i e " ist, wird im Durchschnitt richtig bleiben, aber nicht ausgeschlossen ist es, auch in die Republik Elemente der Stetigkeit einzufügen oder in der größeren Beweglichkeit dieser Staatsform, die ein rascher und frischer pulsierendes politisches Leben ermöglicht, einen wertvollen Ausgleich zu sehen. D a ß die Erblichkeit der Monarchie die sicherste Gewähr f ü r die F o r t dauer der Staatsgewalt darstellte, k a n n f ü r gewisse durchschnittlich normale Verhältnisse der Vergangenheit, in der jener Satz geschrieben wurde, unbedingt als wahr angenommen werden. Jedoch ist seither die Geistesverfassung der

IV. Elemente der Urteilsbildung. Aufbau der Untersuchung

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Völker, nicht zuletzt durch den Weltkrieg, sehr verändert worden. Die i n d e r S e e l e d e r V ö l k e r nicht mehr ausreichend verankerte Fürstenherrschaft hat deshalb in Gegenwart und Zukunft nicht mehr jene die Staatsgewalt kräftig und standfest machende Fähigkeit. Anderseits fehlt es den wertvollsten Erscheinungen der Republik in der Gegenwart keineswegs an jener Beständigkeit. Ferner h a t t e ich in meinem 1916 geschriebenen Buche „Grund- und Zukunftsfragen deutscher Politik" (S. 317 ff.) auch von den Monarchen als treibenden Kräften der Politik gehandelt, eine politisch-soziologische Analyse ihrer staatlichpolitischen Einwirkung als Staatslenker auf dem Boden der äußeren und inneren Politik und eine Aufdeckung der feinen, tiefer liegenden Beziehungen versucht, die zwischen dem Fürsten und dem Volk, dem Parlament, der öffentlichen Meinung und dem Beamtentum bestehen. Hierbei mußte auf die Erbmonarchie zurückgegriffen und festgestellt werden, daß sie das Recht auf den Thron nicht an die persönlichen Eigenschaften und Begabung, sondern an die Geburt k n ü p f t , an die Zugehörigkeit zu einem verfassungsmäßig festgestellten Familienverbande und innerhalb desselben an eine Linie, an die nächste Verwandtschaft zum Vorgänger, an ein bestimmtes Geschlecht, an die Zufälligkeit der Erstgeburt. Hieran wurde angeschlossen, daß die Erbmonarchie unermeßliche Vorteile zieht aus dem Glück eines bedeutenden und erfolgreiche Politik treibenden Fürsten, wie sie auch die geringere Eignung eines anderen in Kauf nehmen muß. Für die Vergangenheit wird das nicht bestritten, ja sogar ergänzt werden können durch die Feststellung, daß auch bei der Wahl des republikanischen Staatsoberhauptes nicht geringe Zufälle obwalten können. Doch kann bei dieser letzteren Staatsform wieder in anderen Einrichtungen, insbesondere in einer parlamentarischen, durch das Volk unmittelbar beeinflußbaren Regierung eine Korrektur liegen, die in der Monarchie fehlt. Die Bedeutung der Monarchie war ferner f ü r die frühere Zeit darin zu finden, daß sie das sichtbare Symbol der politischen Einheit der Nation bildete. Heute wird man erklären müssen, daß diese symbolische K r a f t stark verblaßt ist. Das gilt besonders deshalb, weil sie mit heute nicht mehr wirksamen romantisch-mystischen Vorstellungen vergangener, wenn auch bis in die jüngste Vergangenheit nachwirkender Zeiten zusammenhängt. Auch kann die republikanische Staatsform Symbole politischer Einheit der Nation schaffen und hat sie anderwärts schon aufgerichtet.

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Erster Teil: Das Problem. Die Wege zu seiner Lösung.

Besonders betont hatte ich sodann in jenem Buche, daß die Monarchie, gegenüber den im ewigen Kampfe befindlichen Gesellschaftsgruppen, die ü b e r allen stehende Macht, zwecks Durchführung ausgleichender Gerechtigkeit, darstellt. Ihr allein, „ w e n n s i e i h r e r A u f g a b e g e w a c h s e n i s t , gelingt die Herstellung des Gleichgewichts zwischen den sozialen Kräften, der Schutz der Schwachen und der zahlenmäßig Geringeren". Von der Richtigkeit dieser Sätze bin ich ebenso, wie die Wissenschaft der Staatslehre in Deutschland überhaupt, überzeugt. Die Ereignisse der jüngsten Zeit fordern aber eine Überlegung darüber hinaus, ob es den deutschen Monarchen gelungen ist, jene Bedingung, von der der Ausspruch abhängig gemacht worden ist, restlos zu erfüllen. Gerechterweise hatte ich auch der Monarchie nachgesagt, daß sie am ehesten die grundsätzlich „ J e d e m das Seine" gewährende Rechtsordnung zu setzen und aufrechtzuerhalten, deren Gegner zu vernichten vermag. Als Voraussetzung war angenommen, daß sie hierzu auf Grund der Machtfülle, die sie ihrem Wesen gemäß als Mittelpunkt des Staatslebens besitzt, imstande ist. Ich glaube nicht, daß dies bestritten werden kann, ebensowenig, daß die äußerst demokratischen Gemeinwesen unserer Zeit in erschreckendem Maße das Übergewicht einzelner gesellschaftlicher Gruppen und Mächte über die anderen zeigen, und daß der Beruf der deutschen Monarchie deshalb in das hellste Licht rückte. Ob die frühere Annahme, daß die Monarchie fest in der deutschen Seele verankert w a r , richtig ist, kann man nicht mehr mit Bestimmtheit sagen. Der schnelle Umschwung in der Novemberrevolution des Jahres 1918 spricht dagegen. Aber welcher deutsche Politiker war, trotz der sozialdemokratischen Partei, die doch, zuletzt vor dem Kriege und bei seinem Beginn, mit dem Kaiser ihren Frieden geschlossen zu haben schien, nicht derselben Meinung wie ich? War die Annahme unzutreffend, so gewiß auch die Schlußfolgerung, d a ß die Monarchie die für uns denkbar beste Staatsform war. War aber jene Meinung zu ihrer Zeit richtig, so müssen uns die E r f a h r u n g e n d e s K r i e g s a u s g a n g e s und die Aufschlüsse, die wir in dieser Zeit auch über Ursprung und Fortgang des Kriegs erhielten, belehrt haben, daß die Monarchie eben n i c h t m e h r im deutschen Volke fest verankert ist, woraus sich dann die logische Folge über die „beste Staatsf o r m " von selbst ergibt. Keine wissenschaftliche Lehre darf ihre bisherigen Ergebnisse ohne Überprüfung lassen, wenn «ich die Tatsachen ändern, auf die sie sich gestützt hat und stützen mußte.

IV. Elemente der Urteilsbildung. Aufbau der Untersuchung.

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Die schon vor dem Kriege erkennbaren Schattenseiten der Monarchie h a t t e ich nicht übersehen. Ich wünschte, „ d a ß sie immer mehr abgeblaßt werden auf dem Wege einer dauernden Fühlungnahme mit dem richtig erkannten Geiste des Volkes, durch einen folgerichtigen jeweilig zeitgemäßen Ausbau der konstitutionellen Einrichtungen, durch unbedingte Achtung der Parlamentsrechte, immer stärkere Heranziehung aller Volkskreise zur Selbstverwaltung, nicht nur auf kommunalem Gebiete; durch Verständnis f ü r die seelischen und intellektuellen Regungen, politischen und kulturellen Bestrebungen der Gesellschaftsgruppen, Berufs- und Erwerbsstände, Würdigung der in sachlichen Formen zutage tretenden öffentlichen Meinung". Deutlicher konnte man während der Herrschaft des Belagerungszustandes und der Kriegszensur wohl nicht werden. Nach wie vor scheint mir endlich auch die von mir stets vertretene Lehre richtig zu sein, daß ungeeignet ist f ü r das deutsche Volk eine bloße S c h e i n m o n a r c h i e , die auch dem bisher geltenden positiven deutschen Staatsrecht (von dessen Boden aus die früheren Untersuchungen angestellt werden mußten) fremd war. Entweder, wie vor dem Kriege, ein Fürstentum, dessen Befugnisse und Wirkungsmöglichkeiten derartige sind, daß es die ihm zugewiesenen hohen Aufgaben als oberstes Staatsorgan erfüllen kann, oder k e i n e Monarchie. Die Folgerungen aus diesem Satze sind in der vorliegenden Schrift durch Ablehnung einer parlamentarischen Monarchie nach englischem oder italienischem, belgischem oder skandinavischem Muster gezogen worden. All diese Ausführungen bestätigen überraschend die schon gewonnene Erkenntnis von der Unvergleichlichkeit der Weltenwende, die angebrochen ist. Alle Vorstellungen über die geltenden Staatsformen müssen nachgeprüft und das Urteil •muß nach den wesentlich gewandelten Voraussetzungen und Tatbeständen neu gewonnen werden. Sie treten zu den geschichtlichen Erfahrungen, die wir bislang besaßen, hinzu und bilden mit ihnen zusammen einen nunmehr als Ganzes zu wertenden Komplex von Elementen geistiger Untersuchung. So f ü g t sich uns mit Hilfe dieser Betrachtungen auch der Aufbau ungezwungen folgendermaßen zusammen. Es gilt, zunächst wichtige Grundsätze der Staatslehre und wissenschaftlichen Politik in bezug auf Monarchie und Demokratie in knappster Form festzulegen und dabei die Ergänzung vorzunehmen, die durch die Tatbestände der jüngsten Zeit erfordert ist. Es ist ferner zu prüfen, auf welche e n t w i c k S t l e r - S o m l o , Republik oder Monarchie.

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Erster Teil: Das Problem. Die Wege zu seiner Lösung.

l u n g s g e s c h i c h t l i c h e Stufe die Monarchie am E n d e des Weltkrieges angelangt ist, welche Erfahrungen vor und in d e m Kriege zu einer N e u w e r t u n g der Monarchie Oberhaupt und insbesondere f ü r Deutschland g e f ü h r t haben. Damit wird auch die jetzige politische Lage geklärt sein. Da bei d e r E r ö r t e r u n g der Monarchie meist auch ihr Gegenstück, die Republik, in Vergleich gezogen wird, findet ihre Behandlung gleichzeitig m i t der der Monarchie s t a t t . Diese G r u n d f r a g e n unseres öffentlichen Lebens werden hier aufgerollt nicht n u r u n t e r dem Eindruck der jede Vorstellung überbietenden, in erster Reihe f ü r Deutschland tragischen W e l t k a t a s t r o p h e , sondern auch mit dem Willen zum A u f b a u . Späteren Zeiten wird es vielleicht u n f a ß b a r erscheinen, wie das durch den Zusammenbruch unendlich leidende, aus tausend W u n d e n blutende D e u t s c h t u m in seiner Gesamtheit sich vor der, jedes Maß übersteigenden S p a n n u n g gegenüber doch noch a u f r e c h t erhalten konnte. Sie werden k a u m begreifen, woher wir — bei der vollständigen W a n d l u n g in den Bedingungen unseres persönlichen und staatlichen, geistigen und wirtschaftlichen Daseins — der unermeßlichen Gefahr des vollkommenen Unterganges zu entgehen v e r m o c h t e n ; wie wir t r o t z der Undurchsichtigkeit und Ungewißheit der Z u k u n f t den Mut und die K r a f t gewannen, an Stelle der z e r t r ü m m e r t e n materiellen und ideellen W e r t e Neues, D a u e r h a f t e s und Besseres zu gestalten. Haben wir wirklich schon jene K r a f t , werden wir zu schöpferischem Wirken vor allem auf politischem Boden gelangen? Möchte doch die Z u k u n f t diese Worte, die das E r h o f f t e schon als Wirklichkeit zu nehmen wagen, bewahrheiten! Wir leben jedenfalls des Glaubens an Deutschlands Wiedergeburt. Das gemeinsame Kulturbewußtsein mag zur Zeit v e r s c h ü t t e t sein durch abertausende von Einzelereignissen der f u r c h t baren Kriegsjahre und der qualvollen Waffenstillstandsm o n a t e . Aber es bleibt lebendig auch unter dem S c h u t t und Geröll des zusammengestürzten Reichsgebäudes. Bei den Arbeiten f ü r seine Wiedererrichtung lautet die erste F r a g e : Monarchie oder Republik?

Q Q B a Q Q e a t s o Q a Q a e a Q Q Q O B a e a e o

Zweiter Teil

Begriff und Wesen der Monarchie und Republik. Die verschiedenen Arten und geschichtlichen Typen, i. Begriff

und

Wesen.

Monarchie ist oberste Herrschaft eines einzelnen Menschen im Staate. Man sollte denken, daß dies einfach genug und jeder Meinungsverschiedenheit entzogen ist. Dem ist jedoch nicht so. B e r n a t z i k 1 ) sieht in der Monarchie ein zwischen dem Staate und dem Monarchen geteiltes Gesamtrecht. Die Staatsgewalt eignet dem Monarchen, aber auch der Monarch hat ein eigenes Recht auf Staatsgewalt. Das besondere der Monarchie liege in diesem Recht auf die Herrschaft, welche dem Monarchen die Doppelstellung des außerstaatlichen Herrn und staatlichen Organs verleiht. Ein Staat, dessen oberstes Organ ein eigenes Recht auf seine Stellung als Staatsorgan hat, sei eine Monarchie. Es sei dagegen die Verfassung der Republik, wenn der Inhaber des höchsten Amtes nur beauftragter Diener des Staates ist, ohne daß er ein Recht auf seine Stellung hat. Der Monarch herrsche also kraft eigenen Rechts, der republikanische Magistrat bloß als staatliches Organ. Letzterer hat bloß B e f u g n i s s e , zu herrschen, kein R e c h t auf Herrschaft. Es sei gleichgültig für die Begriffsbestimmung, ob der Monarch gewählt wird oder ob er den Thron erbt, ob er verantwortlich ist oder nicht, ob er seine Gewalt mit anderen Organen, dem Parlamente oder dem Gerichte zu teilen hat oder nicht, ja auch die Z a h l der Herrscher sei gleichgültig. Bei einigen germanischen Stämmen war es üblich, daß a l l e Brüder Könige wurden. Dies war Sitte bei den Goten, bei den Franken, auch bei den Burgundern, wie das Nibelungenlied zeigt. Diese Einrichtung erhielt sich sehr lange; es gab also Monarchen in der Mehrzahl. Ferner ist es oft dagewesen, daß die Monarchen sich einen oder mehrere Mitregenten aufnahmen. Dies kam wieder2*

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Zweiter Teil: Begriff und Wesen der Monarchie und Republik.

holt bei den römischen Cäsaren vor; Ludwig der Bayer und Friedrich von Österreich, Maria Theresia und Joseph II. regierten zu gleicher Zeit. H e r r s c h e r gebe es auch in der Republik, aber sie kenne keinen Herrn; sie verneint, daß jemandem ein eigenes Recht darauf zustehe, den Staat zu beherrschen, sie negiert ein Vorrecht irgend jemandes, zu herrschen. Dies allein sei der Sinn der Volkssouveränität. Gegen diese Gedanken ist mit Recht Widerspruch erhoben worden. 2 ) Sie lassen einen Unterschied zwischen Monarchie und Aristokratie nicht finden; die Aristokratie wäre danach gleichsam die Monarchie der herrschenden Minderheit. Wäre jene Meinung richtig, so müßte auch jedes Mitglied des souveränen Volkes ein Recht auf Teilnahme an der Herrschaft besitzen. Wenn dieses Recht der aristokratischen Minderheit zugesprochen wird, warum soll es nicht für die demokratische Vielheit gelten? In der Demokratie ist dasselbe eigene Recht auf die Stellung als Staatsorgan vorhanden, wie in der Monarchie und Aristokratie. Die Gesamtheit der selbständigen Bürger hat das Recht, den Staatswillen zu bilden. Auch in der heutigen Republik besitzen nicht alle — nicht die Kinder, die Geisteskranken, gewisse Bestraften usw., in vielen Staaten auch nicht die Frauen — sondern nur viele oder je nach den Umständen sogar nur die Minderheit der Staatsangehörigen einen rechtlichen Anteil an die Herrschaft. Der Unterschied der Staatsformen ist aber dann wieder: Entweder herrscht einer oder es herrschen wenige oder viele. Ein „eigenes Recht auf Herrschaft" habe jede dieser Gruppen. Zutreffend gelangt Georg J e 11 i n e k nach diesen Erwägungen zu der Schlußfolgerung: Von dem Ausgangspunkte Bernatziks kommt man nur zu einer einzigen Staatsform: der Monarchie. Der Monarchie des Einen und der Monarchie Weniger müßte sich als dritte Form die Monarchie einer Vielheit anreihen — eine offenbare Ungereimtheit. So spricht man denn nach dem Vorgange Roberts v o n M o h 1 in Deutschland mit Recht auch von der E i n herrschaft. Eine Verwerfung des Gegensatzes von Monarchie und Republik ist unbegründet. 3 ) Das Kennzeichen der Monarchie ist, daß der den Staat lenkende Wille rechtlich der höchste, ursprüngliche, von niemandem abgeleitete ist. Die Beispiele von Bernatzik, die beweisen sollen, daß die Einzahl nicht für die Monarchie kennzeichnend ist, sind aus Zeiten entnommen, die für unsere staatlich-politischen Auffassungen nicht in Betracht kommen. Wir gehen nur dem Wesen der Monarchie seit dem 18. Jahrhundert nach. D i e Monarchie, als einen vollkommen un-

1. Begriff und Wesen.

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wandelbaren Typus, gibt es nicht, sondern sehr verschiedene Arten der durch Zeitumstände bedingten Monarchien. Die Mitregentschaft Josephs 11. und Maria Theresias ist nur eine Ausnahme, die die Regel bestätigt. Eine vollkommene Durchführung des Grundsatzes, daß der Wille des Monarchen Staatswille, und zwar der höchste und einzige ist, war freilich seit dem 18. Jahrhundert nicht mehr möglich gewesen und ist nach der Einführung der Verfassungen des 19. J a h r h u n d e r t s noch weniger denkbar. Aber das wesentliche bleibt auch unter der Geltung des Konstitutionalismus, daß kraft inneren Verfassungssatzes eine einzelne physische Person zum „Träger" der Staatsgewalt, zum „Herrscher" berufen wird. 4 ) Der Monarch steht nach monarchischer Anschauung nicht außer und über dem Staate, sondern gehört ihm unmittelbar als Glied an, v o n w e l c h e m als seinem e i g e n t l i c h e n Z e n t r u m aus der S t a a t s w i l l e s i c h e n t f a l t e t und der Vermutung nach sich entfalten muß. Die Konzentration des Staatswillens in der Person des Monarchen ist der Inhalt des „monarchischen Prinzips". Die Rechte und Pflichten, die der Monarch in Darstellung des Staatswillens wahrzunehmen hat, sind zwar an sich Rechte und Pflichten des Staates selbst. Aber dem Monarchen gebührt persönlich ein eigenes, nicht auf eine andere irdische Instanz weiter zurückführbares Recht auf die Herrschaft. Das Wort Friedrichs des Großen von dem Monarchen als dem ersten Diener des Staates ist nur von politischer Münze und gibt lediglich der Überzeugung Ausdruck, daß der Monarch seine Gewalt nicht als ein zu individuellem Vorteil und Belieben gewährtes Privatrecht, sondern eingedenk seines Berufes als Staatsorgan im Interesse der Staatsgesamtheit auszuüben hat. Juristisch ist der Monarch niemandes Diener oder Beamter. Deshalb eignet ihm auch die Lebenslänglichkeit der Herrscherstellung wie die persönliche Unverantwortlichkeit, nicht nur wegen seiner Regierungsakte, sondern auch wegen seiner Privathandlungen. Die Ursprünglichkeit der monarchischen Herrscherstellung kennzeichnet das hergebrachte Prädikat der Monarchen „von Gottes G n a d e n " . 5 ) Gewiß ist diese zweifellos richtige Auffassung durch die praktisch-politische Entwicklung abgemildert. Innerhalb der konstitutionellen deutschen Monarchie, wie sie sich bis in die Zeit des Weltkriegendes ausgebildet hat, ist die Lehre, daß der Monarch a l l e Rechte der Staatsgewalt in sich vereinigt, tatsächlich insofern erheblich durchbrochen worden, als man von der I n n e t h a b u n g ^ e r ihm zustehenden aus-

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Zweiter Teil: Begriff und Wesen der Monarchie und Republik.

schließlichen Gewalt die A u s ü b u n g unterschied. Die r i c h t e r l i c h e Gewalt ist ganz vom Monarchen abgetrennt und auf unabhängige Gerichte übertragen worden. Die g e s e t z g e b e n d e Gewalt übte er nicht mehr allein aus, sondern stets gemeinsam mit der Volksvertretung; freilich bleibt er im Sinne des monarchischen Staatsrechts der eigentliche G e s e t z g e b e r , da er die Sanktion erteilt und ein Vetorecht besitzt. Auf dem Boden der V e r w a l t u n g bestanden f ü r ihn sehr starke Bindungen durch Verwaltungsgesetze, deren Entstehen er freilich hindern konnte, ferner durch die Ministerverantwortlichkeit und durch die Behördenorganisation. Trotz alledem aber bleibt es auch bis in die letzte Periode der Monarchie dabei, daß das wesentliche Merkmal des Monarchen in der D a r s t e l l u n g der h ö c h s t e n G e w a l t besteht, die den Staat in Bewegung setzt und erhält. Das Gesetz begrenzt nur sein Handeln, bestimmt aber das staatliche Handeln weder dem Inhalte noch der Richtung nach. „Das Recht der Gesetzessanktion, d. h. die freie Entscheidung über das, was Recht werden soll, die freie, in der Pflege internationaler Beziehungen, im Vertragsschluß und dem Recht über Krieg und Frieden sich äußernde Tätigkeit nach außen, der Oberbefehl über das Heer, die Ernennung der Minister und anderer Beamten, das Recht der Begnadigung, sind in der wirklichen von Fiktionen freien Kompetenz des Monarchen enthalten. Auf diesen Gebieten besteht auch ein wahres, freies Befehlsrecht des Monarchen. . . Nur in dem Sinne, d a ß d i e g a n z e S t a a t s o r d n u n g heute eine gesetzliche ist, das Gesetz aber einmal Inhalt des monarchischen Willens gewesen sein muß und fortdauernd als dem W i l l e n d e s G e s e t z g e b e r s entspring e n d g e d a c h t w i r d , kann man a u c h h e u t e n o c h die gesamte Staatsgewalt als potentiell im Monarchen enthalten d e n k e n . " „Die oberste Leitung des Staates r u h t ganz in der Hand des Königs." „ E s gilt von allen Monarchien, selbst von denjenigen, die das demokratische Prinzip in ihren Verfassungen verkündet haben, daß alle staatlichen Funktionen ihren Ausgangspunkt und daher auch ihren Einigungspunkt im Monarchen h a b e n . " „Das wesentliche Merkmal, der Typus der Monarchie besteht darin, d a ß keine Änderung der verfassungsmäßigen Ordnung des Staates anders als mit dem Willen des Monarchen erfolgen k a n n . " 8 ) Begriff und Wesen der R e p u b l i k ergibt sich aus dem Gegensatz zur Monarchie und ist deshalb hier leichter festzustellen, wenn wir alle unnötigen Haarspaltereien doktrinärer Kleinkrämerei ausschalten. Republik ist eine Verfassung®-

I. Begriff und Wesen.

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und Staatsform, in der nicht eine einzelne physische Person den Staat leitet. Es sind immer mehrere Träger der Staatsgewalt, die zu einer Einheit zusammengefaßt gedacht werden müssen. Beim Monarchen wird der einheitliche Staatswille durch einen natürlichen psychologischen Prozeß hervorgebracht; bei der Republik dagegen durch einen künstlichen juristischen Prozeß, d. h. auf Grund der Verfassung wird der einheitliche Wille aus den Willenshandlungen mehrerer Personen gewonnen. Der höchste Wille im Staate ist es hier wie dort; aber bei der Monarchie wird er von einem Individuum gebildet, bei der Republik nicht von einer Einzelperson, auch nicht von mehreren Perstonen in getrennter Weise, sondern von den letzteren zusammen in einer E i n h e i t . 7 ) Feinsinnig bemerkt Georg J e 11 i n e k 8 ), daß „die Republik in jeglicher Form dem naiven Denken viel schwerer verständlich ist, als die Monarchie, in der die ganze Aktivität des Staates gleichs a m sinnlich wahrnehmbar ist". In der Tat ist diese Erkenntnis zum Verständnis dafür wichtig, daß sich monarchisches Gefühl, das wiederum die Staatsform stützt, an diese sichtbare Realität des Monarchen anschließt, während republikanisches Gefühl gezwungen ist, sich an die sehr abstrakt zu erfassende Itfee der E i n h e i t i n d e r M e h r h e i t der den Staatswillen bildenden Personen zu halten. 9 ) Wie groß die Zahl der Personen ist, die den herrschenden Staatswillen zu bilden haben, ist politisch und sozial sehr wichtig, nicht aber rechtlich. Über die Abschattierungen in der republikanischen Staatsform wird noch einiges zu sagen sein. Hier sei darauf verwiesen, daß einer einzelnen leitenden Person — dem Präsidenten — eine solche überragende Stellung gegeben werden kann, daß sie in die Nähe der monarchischen Stellung rückt. Es bleiben aber immer die Unterschiede: Zeitweiligkeit der Herrschaft, Mangel ihrer Ursprünglichkeit, da jede republikanische Staatsmacht vom Volke abgeleitet ist; d a ß auf jeden Fall noch verfassungsmäßige Kräfte vorhanden sind, die ein Gleichgewicht der Staatsorgane herstellen und die davor bewahren, daß die Souveränität des Volkes entscheidend in Frage gestellt ist. Möglich ist auch, daß „eine Mehrheit ganz verschieden gearteter Kollegien in ihrem Zusammenwirken die höchste Gewalt besitzt". E i n e n Fall schließen wir, wegen seiner Einzigartigkeit und nunmehrigen praktischen Bedeutungslosigkeit, fürderhin aus: daß nämlich eine Mehrzahl von Monarchen sich vereinigen, um eine Republik zu bilden. Das ist der Fall gewesen beim Deutschen Reiche, „in dem die zur Einheit verbundene Gesamtheit der verbündeten Regierungen" herrschte. 10 )

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Zweiter Teil: Begriff und Wesen der Monarchie und Republik.

Aus dem Begriff und Wesen der Monarchie sind dann die wichtigsten staatsrechtlichen und politischen F o l g e r u n g e n gezogen worden. Man kann auch sagen, daß sie sich aus ihnen von selbst ergaben, weil die gewonnene Erkenntnis keine willkürliche Konstruktion, sondern das Ergebnis der historischen Entwicklung und die Zusammenfassung der rechtlichen und politischen Lage war. Nur einige dieser Ausflüsse der Grundanschauung sollen hier festgehalten werden. Trifft auf die deutschen einzelstaatlichen Monarchien zweifellos die wiedergegebene Kennzeichnung zu, so notwendigerweise auch, daß sie k e i n e Scheinmona r c h i e n waren, daß in ihnen das monarchische Prinzip zum Ausdruck gelangte und daß das Gottesgnadentum zum notwendigen Bestandteile der Monarchie gehörte. Die deutsche Monarchie war bis zuletzt, gerade weil sie Monarchie im echten Sinne war, stets der Mittelpunkt und der entscheidende Faktor im staatlich-politischen Handeln. Wo daher rechtliche Zweifel darüber entstanden, ob eine bestimmte Befugnis im Staate dem Herrscher oder der Volksvertretung zustand, entschied die Staatsrechtswissenschaft überall dahin, daß aus dem monarchischen Prinzip das Vorrecht des Herrschers folge. Das bedeutete eine Zurückdrängung der Macht und des Ansehens des Parlaments, die sich schließlich in fast völliger Bedingungslosigkeit äußerte. Die von der Monarchie abhängigen und an ihr unmittelbar oder mittelbar interessierten Kreise — Heer, Beamtentum, Stockkonservative, bestimmte gesellschaftliche Schichten usw. — nährten diese Ansicht von der Minderberechtigung der Volksvertretung bewußt und unbewußt und taten alles, um aus ihr eine Minderwertigkeit herzuleiten. Die Herabsetzung der Volksvertretung gewann gewiß auch dadurch Boden, daß sich das geistige Niveau der Parlamente im ganzen genommen nicht erhöhte, sondern senkte. Aber man muß stark betonen, daß auch dies zum Teil eine Folge jener weitüberwiegenden Machtstellung der Monarchen gewesen ist. Die zur staatsrechtlich ausschlaggebenden Vermutung erhobene Ansicht: Im Zweifel steht jedes Recht dem Monarchen zu, mußte auf seine Überzeugung verhängnisvoll stärken, daß seine Gottähnlichkeit anerkannt sei. Daß das „monarchische Prinzip", obwohl es nur in den Einzelstaaten, nicht im Deutschen Reiche rechtens war, auch das Verhältnis von Kaiser und Reichstag beeinflußte und zu einer allmählichen Verkümmerung des letzteren und seiner Unterschätzung in der öffentlichen Meinung beitrug, ist das Zeichen der E n t -

I. Begriff und Wesen.

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Wicklung der letzten Jahrzehnte gewesen. Es wäre müßig, zu untersuchen, ob das auch auf die Einwirkung besonders mächtiger Personen außerhalb der Herrschergeschlechter, auf Bismarck oder andere Minister, mehr noch auf konservativ gerichtete Parteien zurückzuführen war; die Tatsache selbst blieb. Wie jene staatsrechtliche Vermutung als Folgerung aus dem monarchischen Prinzip nur dieses selbst in seiner Tragweite beleuchtete, so hat es, rückwärts wirkend, wieder den Ideen von der weithin überragenden Stellung des Fürsten Stärkung zugeführt. Beides zusammen ergab, daß das Volk seinen Willen nur in schwachen Formen und mit geringer Wirkung äußern konnte; daß es in Preußen so schwer, ja unmöglich war, ein Wahlrecht in die Welt zu setzen, durch das ein Parlament h ä t t e geschaffen werden können, das die Gleichberechtigung von Volk und Mona r c h e n zunächst äußerlich, dann auch inhaltlich mit sich gebracht haben würde. Die überlegene Macht des Fürsten drückte schwer auf alle Wünsche und Ziele des Volkes. Das gilt besonders von den nicht vertretenen Volksteilen — und wie wenig war die Gesamtheit im Dreiklassenparlament vert r e t e n ! Es befestigte sich unter dem deutschen Konstitutionalismus der geschichtlich überkommene Obrigkeitsstaat immer mehr, der fich auf der führenden Stellung des vom Monarchen abhängigen Beamtentums aufbaute, das Volk zum Gegenstande seiner Herrschaft und, meist wohlwollenden, Verwaltung machte, die Mitregierung des Volkes aber n u r notgedrungen zuließ. Auch dort, wo die Monarchie schrittweise, nach harten Kämpfen, von den doch nicht ganz zu unterdrückenden Volkskräften zurückgedrängt wurde, nämlich auf dem Gebiete der Selbstverwaltung, bewährte sie durch das Beamtentum einen Geist des Hineinredens, Reglementierens, Hemmens und Begrenzens, der unendliche Erbitterung erzeugte. Es arbeitete hier die Bürokratie unter dem Schild der „Staatsaufsicht", die an und f ü r sich notwendig ist, nur daß es gerade auf das Ausmaß a n k o m m t und damit auf die Freiheit, die den aus dem Volk gewählten Körperschaften gelassen wurde. Diese wollten nicht verwaltet werden, sondern in eigenen Angelegenheiten sich selbst verwalten. Jener Obrigkeitsstaat zerriß das Gemeinwesen in zwei Teile, von denen der eine in unnahbarer Höhe thronte und seinen Willen entweder allein oder n u r mit derjenigen Abmilderung gelten ließ, die durch die unaufhaltsame Entwicklung der politischen Dinge den Machthabern in hartnäckigem, stillem aber deshalb nicht minder schwerem Kampfe abgenötigt wurde. Wer die

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Zweiter Teil: Begriff und Wesen der Monarchie und Republik.

geistige Beschaffenheit des höheren staatlichen Beamtentums bis zum Beginn des Weltkrieges kannte, wußte auch, daß f ü r sie das Volk Gegenstand ihrer bestgemeinten, gewissenhaften, aber eben nur von ihnen grundsätzlich und in den meisten Einzelheiten bestimmten Verwaltung war. Man kann dem nicht entgegenhalten, daß ja die Verwaltung, dem Gedanken des wahrlich unvollkommen genug durchgeführten R e c h t s s t a a t e s gemäß, lediglich nach dem Maßstab und Inhalt der G e s e t z e zu führen war. Denn diese Gesetze sind eben unter dem ausschlaggebenden Einfluß des monarchischen Gedankens und seiner Machtfülle, unter der Leitung des die Gesetze entwerfenden Beamtentums entstanden. Infolgedessen ist die historische Gesichtseinstellung früherer Jahrzehnte, zum Teil anderthalb Jahrhunderte, durch den „ R e c h t s s t a a t " im wesentlichen nicht verändert worden. Die ganze Handhabung des Polizeirechts in seinen außerordentlich großen Gebieten bewies das täglich. Höchste Verwaltungsgerichte haben gegenüber dem geltenden, meist aus der absolutistischen Zeit stammenden Polizeirechte nur mühsam rechtsstaatliche Berücksichtigung der individuellen Freiheitssphäre zu erkämpfen vermocht. In Preußen blieb die H a n d h a b u n g der Polizei, auch ihrer modernen Zweige, durcht r ä n k t von dem Geiste des in dieser Beziehung doch sehr veralteten Allgemeinen Landrechts und der Gesetzgebung aus d e n rückständig dunklen fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Das merkwürdigste ist, daß die ganze Verwaltung des vom monarchischen Prinzip erfüllten Staatsbeamtentums sich durchaus auf das geltende Recht, das Verfassungsrecht sowohl, wie auf die einzelnen Verwaltungsgesetze berufen konnte; es w a r eben noch das vom Fürstentum geschaffene Gesetz in seiner unverfälschten, der Durchsetzung von Volksrechten grundsätzlich abgeneigten Art tatsächlich der wichtigste Bestandteil der Rechtsordnung. Daß diese dabei viel Gutes enthielt, wird kein gerecht denkender Mensch bestreiten können. Aber die Schattenseiten überwogen durchaus. Die den herrschenden Kreissn nahestehenden und mit ihnen durch tausend Interessen verbundenen Gesellschaftsgruppen empfanden natürlich nur die wohltätige Seite des Systems. Für sie war die zweifellos vorhandene Ruhe, Ordnung und Sicherheit eine Bürgschaft ihrer sozialen Stellung, ihres Vermögens, ihrer Erwerbs- und Berufsmöglichkeiten und, wenn man an engere wirtschaftliche Mächtvereinigungen denkt, auch ihrer maßlosen Bereicherungsmöglichkeiten. So haben sich Monarchie und herrschende Klassen gegenseitig gestützt, gepriesen und erhalten. Wie

I. Begriff und Wesen

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bestehende Zustände im Bewußtsein selbst der nachdenkenden und gesinnungsehrlichen Staatsbürger leicht den Charakter der einzig zulässigen, der durch die Gesetze der Natur, der Sittlichkeit und der Wirtschaftsordnung geheiligten gewinnen, so war es vielen von ihnen durchaus unfaßbar, wie eine andere als die monarchisch-bürokratische Ordnung (trotz aller nicht ganz verkannter Schäden) besser und vor allem sicherer funktionieren könnte als diejenige, die sie, zu ihrem Vorteile, erlebten. Es ist die Hervorhebung dieses Gesichtspunktes deshalb so wichtig, weil man seit der Revolution des Novembers 1918 in Deutschland vielfach h ö r t : Wie ruhig und sicher haben wir unter dem monarchischen Regiment gelebt! Gewiß, im großen und ganzen trifft das zu. Aber man regierte vielfach auf Kosten der größten Zahl der Staatsbürger, deren Interessen gegenüber denen einer herrschenden Minderheit in den Hintergrund geschoben wurden. Das geschah mit einer straff ausgebildeten Einseitigkeit, wobei man sich in den führenden Kreisen allmählich angewöhnte, die immer stärker an das Tor des Staatsgebäudes pochenden Ansprüche der großen Massen als überhebliche Anmaßung und staatszerstörende Rücksichtslosigkeit zu empfinden. Erleichtert wurde diese ablehnende Haltung durch die vielfach krassen, antinationalen Gesinnungen und Bestrebungen des Proletariats und durch eine theoretische Verstiegenheit, die von der materialistischen Geschichtsauffassung und einer radikalen, letzten Endes wirklichkeitsfremden Ideologie gestützt wurde. Man empfand das teils utopische, teils anarchistische Element in den grundstürzenden, gewiß viel zu rücksichts- und einsichtslosen Lehren, die das wirtschaftlich Mögliche allzu gern außer acht lassen, so stark, daß man auch gegenüber dem gesunden Kern so mancher sozialistischer Idee t a u b und blind blieb. Tragisch, wenn man will, gewiß; aber doch nur verständlich aus der inneren Sättigung des viele Jahrzehnte herrschenden besitzenden Bürgertums. Man wolle nur nicht denken, d a ß es sich hier um Vorwürfe gegen einzelne Personen oder Einrichtungen handelt. Es gilt nur, festzustellen, was war, und zu verstehen, was geworden ist und was noch werden muß. Die führende Rolle der Monarchie und ihres Beamtentums bei der tatsächlichen Gestaltung der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zustände, mit allen ihren kulturellen Folgen, floß aus ihrer rechtlichen Stellung, aus der dem richtigen Begriffe der Monarchie durchaus entsprechenden grundsätzlichen Überfülle ihrer Macht und der Ohnmacht von Parlament und Volk.

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Zweiter Teil: Begriff und Wesen der Monarchie und Republik.

Auch Republiken haben große Schäden gezeigt, die in der Richtung der Verwaltungsübung, der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gliederung und in der Machtverteilung liegen. Es wird auch nicht die Monarchie allein — mit allen Folgerungen ihrer rechtlich-politischen Stellung — als die einzige der bewegenden Ursachen der entstandenen Zustände zu erklären sein. Aber in der Republik waltet doch jenes Übergewicht einer einzelnen Person, wie sie in der Monarchie (mit all ihrem Anhang) notwendig in die Erscheinung tritt, begrifflich und tatsächlich nicht vor. Wenn dort einzelne odfcr Gruppen zu starker Macht in politischer, sozialer oder wirtschaftlicher Beziehung gelangen, die das Gleichgewicht des Volkes stören, s o l i e g t d a s n i c h t i n d e r S t a a t s f o r m b e g r ü n d e t , kann sich nicht als seine unentrinnbare Folgerung darstellen. Im Gegenteil bildet es eine prinzipwidrige, in dem staatsrechtlich-politischen Gefüge nicht verankerte Erscheinung, die eben deshalb leichter zu überwinden ist. In der Republik ist es unendlich einfacher, als in einer durch geschichtliche Erinnerungen, Erfahrungen, konsolidierte Machtverhältnisse gefestigten Monarchie, das gegenseitige Verhältnis von Regierungen und Regierten in ein der Volksgesamtheit mindestens erträgliches Verhältnis zu bringen. Dazu f ü h r t aber noch eine Reihe von anderen Tatsachen und Einrichtungen: die größere, ja fast ausschließliche Bedeutung der öffentlichen Meinung; die durchschnittlich größere Beweglichkeit des gesetzgeberischen Apparates, an dem durch seine Vertretung das Volk doch in erheblichem Maße beteiligt ist. Es kommen hinzu: die größere Leichtigkeit, veraltete Rechtssätze zu ändern und neue zu schaffen; die stärkere Kontrollierbarkeit der Verwaltung und ihre gesteigerte Empfindlichkeit gegenüber dem Tadel des Publikums; die geringere Wahrscheinlichkeit, daß sich das Beamtentum als ein Staat im Staate entwickelt; nicht zuletzt, trotz aller Unvollkommenheiten in einzelnen Republiken, die freiere Gestaltung des Wahlrechts. Man muß hierbei als Gegensatz natürlich nicht an das Wahlrecht des bisherigen Deutschen Reichs, sondern seiner Einzelstaaten denken, in denen sich das Volk erst allmählich und mühevoll bessere Wahlsysteme erstritten hat, abgesehen (oder lieber nicht abgesehen) davon, daß in dem führenden deutschen Staate, der zwei Drittel des Reiches umfaßte, das rückständigste aller Wahlrechte zu ändern nicht einmal im Weltkriege gelang. Man wird geltend machen, daß in manchen Republiken sei es verfassungsmäßig eingesetzte Organe, sei es tatsächlich die Macht besitzende Politiker oder Wirtschaftskapitäne zu

I. Begriff und Wesen.

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einer solchen Verschiebung der Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse zwischen gewissen Gesellschaftsgruppen beitragen können, die sich in nichts von denen unterscheiden, die wir in Monarchien, besonders in den deutschen, beobachten konnten. Soweit es sich aber urrl jene auf Grund des Verfassungsrechts und seiner Ausführung bestellten Personen, also etwa um den Präsidenten und die leitenden Minister sowie deren Verwaltungsapparat handelt, bietet eben das republikanische Staatsrecht die Möglichkeit einer Änderung der Zustände, indem es zu einem Wechsel des persönlichen Bestandes der jeweils Herrschenden in verhältnismäßig kurzer Frist führen muß. Eben darauf kommt es an, daß die republikanische Staatsform jene der Monarchie notwendig fehlende Beweglichkeit besitzt, die den Wechsel der Machthaber in geringen Zeiträumen bewirkt. Tritt eine Veränderung nicht ein, so kommt deutlich zum Ausdruck, daß die Verteilung der tatsächlichen Kräfte innerhalb der Volksgemeinschaft eben jenen äußeren Herrschaftsgestaltungen entspricht. Werden diese von der Mehrheit des Volkes gebilligt, so ist nichts dagegen einzuwenden. Widerstreben sie ihr, dann setzt, geschichtlichen Erfahrungen gemäß, ein (wenn er von der Mehrheit geführt wird in der Regel siegreicher) Kampf ein, der entweder die Verfassung ändert oder eine den wirklichen Machtverhältnissen entsprechende Führergruppe an die leitenden Stellungen gelangen läßt. Schwieriger scheint der andere Fall in der Republik zu sein, daß außerhalb der eigentlichen regierenden Kreise sich entscheidende politische oder wirtschaftliche Macht bei einzelnen oder Gruppen ansammelt, die sowohl die staatsrechtlich bestimmten Organe von sich in Abhängigkeit bringen, als auch das Volk als Gesamtheit um seinen Einfluß, auf den es nach Gesetz und sozialer Gliederung Anspruch hat, prellen. Man hat hier zweifellos eine mögliche Unvollkommenheit der Republik vor sich. Aber es geht nicht an, sie als der Republik wesentlich und eigentümlich zu bezeichnen. Das kommt auch in Monarchien vor. Die geschichtlichen Tatsachen beweisen ferner, daß gerade in der Republik solche Umstände leichter als in der Monarchie starke Gegenkräfte auslösen. Ein unabhängiger Präsident von hoher Gesinnung, aber auch die hier so sehr maßgebende öffentliche Meinung werden leichter als unter der Fürstenherrschaft den Kampf aufnehmen, der das Übel, wenn nicht ganz, so doch teilweise beseitigt und Ausgleich schafft. Vielleicht das wichtigste aber ist, daß jene E i n h e i t des V o l k s g a n z e n , daß der Herrscher gleichzeitig der Beherrschte ist und umgekehrt, in der Monarchie niemals,

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Zweiter Teil: Begriff und Wesen der Monarchie und Republik.

in der Republik sehr häufig erreichbar ist. Das Fürstentum muß seinem Begriffe und Wesen nach dem Volke gegenübertreten und kann nicht in ihm aufgehen. Es schafft notwendigerweise einen unüberbrückbaren Dualismus, dessen Schärfe verschiedenen Grades sein kann, aber immer vorhanden ist. Im Gegensatz dazu gehört es zum Begriff und Wesen der Republik, daß grundsätzlich alle oder die meisten herrschen; daß jedem ein gewisser Anteil an der Bildung des Staatswillens durch die Wahl z u k o m m t ; daß kein Bürger ausgeschlossen zu sein braucht von der Aussicht, selbst zu den Verwaltern des Volkswillens zu werden. Die soziale Distanz, die zwischen dem Monarchen und allen seinen Untertanen besteht, fehlt natürlich zwischen den regierenden Personen in der Republik und den Bürgern, von denen jene ihre leicht widerrufliche und jedenfalls nur auf kurze Zeit begrenzte Vollmacht erhalten. Während ohne oder gegen den Willen des Monarchen keine Änderung der Rechtsordnung erfolgen kann, trifft dies auf den republikanischen Präsidenten, selbst wenn er ein begrenztes Vetorecht besitzt, nirgends zu. Nie ist bei e i n e m der verfassungsmäßigen Organe der Republik a l l e Staatsgewalt, sondern die Verteilung der Macht unter sie verhütet ein Überwuchern der in irgend einer Weise selbstherrlich sich gebärdenden Befugnisse. Indes dem Monarchen der höchste Wille im Staate zusteht, ist das beim republikanischen Präsidenten nicht der Fall. Der Volkswille ist der höchste Wille, der sich je nach der besonderen staatsrechtlichen und tatsächlich-politischen Gestaltung in der Wählerschaft, im Parlament, in dem Zusammenwirken des letzteren mit dem Präsidenten darstellen kann. Weil die monarchische Stellung von keinem fremden Willen abgeleitet ist, war Gottesgnadentum die absolut unvermeidliche Folge des monarchischen Gedankens. Sie fehlt natürlich in der Republik, wo es nur eine nicht ursprüngliche, sondern vom Volkswillen abgeleitete Macht der Staatsorgane gibt. Von den zutage liegenden unentrinnbaren Folgen der Rechtsstellung des Monarchen seien noch zwei für Deutschland besonders kennzeichnende hervorgehoben. Die eine betrifft die politische Unverantwortlichkeit des Monarchen und das sogenannte p e r s ö n l i c h e Regiment. Es genügt, der Frage vom Standpunkte des bisherigen preußischen Rechts nachzugehen. Seine wissenschaftlichen Vertreter waren ausnahmslos, und dem positiven Rechte durchaus entsprechend, der Meinung, daß der I n n e h a b u n g nach die Staatsgewalt einzig und allein beim König lag. Hieraus folgerte man zutreffend, daß es nicht richtig ist, alle einzelnen,

I. Begriff und Wesen.

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dem König zustehenden Befugnisse zur Kennzeichnung seiner Stellung aufzuführen und in dieser Liste die Summe seiner Rechte zu sehen. Vielmehr umfaßte sein Herrschaftsrecht alle Zweige der S t a a t s g e w a l t ; alles, was im Staate geschah, erfolgte im Namen des Königs. Der König von Preußen war danach d i e p e r s o n i f i z i e r t e S t a a t s g e w a 11. Der Grundsatz galt anstandslos, seitdem im Allgemeinen Landrecht (Teil I, Titel 13 § 1) ausgesprochen w a r : „Alle Rechte und Pflichten des Staates gegen seine Bürger; und Schutzverwandten vereinigen sich in seinem Oberhaupte." Die hieraus abgeleitete, schon erwähnte Regel — daß die Vermutung für das monarchische Recht spricht, daß der König zu allem berechtigt ist, soweit ihn nicht die Verfassung beschränkt — galt als gemeines deutsches Recht in a l l e n Einzelstaaten. Gewiß, der A u s ü b u n g nach ist die höchste Gewalt des Monarchen beschränkt worden, aber doch nur so weit, als aus dem absolutistischen Königtum ein konstitutionelles geworden ist. Der König von Preußen konnte nach 1850 nicht mehr l e d i g l i c h nach seinem Willen über den Staat und die Kräfte des Volkes verfügen. Das h a t t e besonders auf dem Gebiete des Steuerwesens Bedeutung. Aber auch jetzt forderte das monarchische Prinzip die politische Unverantwortlichkeit des Königs. Ihn traf zwar „die allgemeine Rechtspflicht, in Übereinstimmung mit der Verfassung und den Gesetzen zu r e g i e r e n".. Hiervon abgesehen ist er aber nicht unterworfen den einzelnen Rechtsnormen innerhalb Preußens. Dies entspricht der allgemeinen wie der staatsrechtlichen Logik. Denn der König ist doch Träger der Staatsgewalt. Die Gesetze (im weiteren Sinne) entstehen ja durch ihn, da er ihnen die Sanktion erteilt. Die Mitwirkung der Volksvertretung bei der Legislative ändert hieran nichts. Nur ausnahmsweise kann eine ausdrückliche Unterwerfungserklärung in dieser oder jener Beziehung erfolgen, z. B. für rein private Verbindlichkeiten. Durch die Gegenzeichnung der monarchischen Willensakte wurde „die Verantwortlichkeit für aktives Tun wie für negatives Unterlassen übernommen. Freilich werden die Minister rein nach freiem selbständigen Belieben des Königs ernannt und entlassen. I n s o f e r n ist es ja zweifellos, daß der König von Preußen s e i n e Regierung f ü h r t ; die von ihm gewählten Minister müssen s e i n e Politik v e r t r e t e n ; nicht die einer Parlamentsmajorität. Gewiß: niemand ist gezwungen, einen Ministerposten anzunehmen oder beizubehalten; jeder Minister kann jederzeit seine Entlassung fordern, die gewährt werden m u ß . Aber solange er im A m t e

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Zweiter Teil: Begriff und Wesen der Monarchie und Republik.

bleibt, hat er nicht nur dafür zu sorgen, daß der König der Verfassung und den Gesetzen gemäß regiert, sondern e r h a t a u c h in s e i n e n W i l l e n s i n h a l t d a s „ S e l b s t r e g i e r e n " d e s K ö n i g s a u f z u n e h m e n und ist deshalb für dieses Regieren verantwortlich". u ) Die andere Folge der Rechtstellung des Monarchen ist politischer Art gewesen. J e mehr sich die fürstliche Stellung in das Bewußtsein des Volkes eingebettet, je stärker die Überzeugung obgewaltet hat, daß eine andere Staatsform für Deutschland k a u m durchführbar sein würde, destomehr galt auch nach außen hin der Monarch a l s d e r R e p r ä s e n t a n t d e s S t a a t e s und stellte jedes andere, aus dem Volkswillen hervorgegangene Staatsorgan in den Schatten. Wenn auch das Reich, theoretisch gesehen, keine Monarchie war, so war doch die kaiserliche Stellung einer monarchischen sehr ähnlich. Vor allem war ihre verfassungsmäßige Unzertrennlichkeit von der Stellung des preußischen Königs, der seinerseits wieder der Monarch des die Vorherrschaft ausübenden Staates gewesen ist, Grund dafür, daß im In- und Ausland das ganze Deutsche Reich als eine lediglich von halbabsolutistischem Willen geleitete Monarchie angesehen wurde. Nimmt man hinzu, welch überragende Stellung dem Kaiser im internationalrechtlichen Verkehr verfassungsmäßig zugewiesen war, wie er das Bündnisrecht, Krieg und Frieden in seinen Händen hielt, so wird man auch, ganz abgesehen von den persönlichen Eigenschaften und Neigungen des letzten deutschen Kaisers, erkennen, welch ungeheure und, wie wir wissen, unglückliche Tragweite f ü r die auswärtige Politik diese ausschließlich monarchische Repräsentation des deutschen Volkes erhalten hat.

II. Arten

und

geschichtliche

Typen.

Es entspricht nicht dem Zwecke dieser Studie, die die politische Frage, .ob das neue Deutschland Monarchie oder Republik werden und bleiben soll, mit den Mitteln der Wissens c h a f t beantwortet, die zahlreichen Einteilungsgrundsätze und die nach diesen bestimmten verschiedenen Arten der Staatsformen in ihrer möglichsten Vollständigkeit wiederzugeben, auch nicht, die Besonderheit einer jeden derselben von der rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Seite zu beleuchten. Eine solche Prüfung und Analyse ist von der modernen Staatslehre schon oft in Lehrbüchern und Sonder-

II. Arten und geschichtliche Typen.

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Schriften unternommen worden. Es liegt ein Grund zu einer Wiederholung dieser Dinge auch unter dem Gesichtspunkte nicht vor, daß es nicht ausgeschlossen scheinen möchte, mancherlei Ergänzungen in psychologischer und politischer Hinsicht, insbesondere mit Rücksicht auf die Entwicklung der europäischen staatlichen Verhältnisse im Laufe des letzten Jahrzehnts vorzunehmen. Zweckdienlich werden nur die äußersten Umrisse der Unterscheidungen sein, nicht als Selbstzweck, sondern, um von hier aus zu unseren Schlußfolgerungen um so sicherer fortschreiten zu können. Bei der absichtlichen Beschränkung unserer Betrachtung auf die letzten 150 Jahre schaltet für uns die W a h l m o n a r c h i e vollkommen aus. Sie findet sich nirgends mehr in der Welt. Ein anderes ist es, daß die Einsetzung neuer Fürstenhäuser auf Grund einer Wahl während des 19. Jahrhunderts mehrfach vor sich ging, z. B. in Belgien, Bulgarien, Serbien, Griechenland, Rumänien und Schweden und daß sie auch bei Aussterben oder Absetzung der Dynastie angewendet werden kann, z. B. in Spanien bei König Amadeus 1873, in Norwegen bei König Haakon 1905. In all diesen Fällen handelte es sich aber um die Schaffung von E r b monarchien, deren Kennzeichen die Verbindung der Krone mit einer bestimmten Familie ;