Reichsgerichts-Entscheidungen in kurzen Auszügen / Strafsachen: Band 60 [Reprint 2022 ed.] 9783112636527

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Reichsgerichts-Entscheidungen in kurzen Auszügen / Strafsachen: Band 60 [Reprint 2022 ed.]
 9783112636527

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3 Schweitzer Verlag (Arthur Sellier) München, Berti«, Leipzig

Die Strafgesetzgebung -es Deutsche» Reichs. Bon Dr. Philipp Allfeld, Geheimrat, Univ.-Professor in Erlangen. Sammlung

aller Reichsgesetze strafrechtlichen und prozessualen Inhalts.

3. Auflage.

Gr. 8°.

XU, 1024 S.

straf­

Ganzl. geb. Mk. 23.—.

Was die Jaegersche Sammlung auf dem Gebiete des Zivllrechts ist die Allfeldsche für das Strafrecht.

In Schweitzers blauen Textausgaben erschien:

Strafprozeßordnung und Gerichtsverfafsungsgesetz mit Verweisungen und Sachregister. Herausgegeben von II. Staatsanwalt Dr. Kallenbach im Bayer. JustizMin.

12°.

17 Bg.

In Ganzleinen geb. Mk. 3.—.

Signalementslehre Handbuch der Personenbeschreibung für Polizeibehörden, Gendarmerie- und Polizeischulen.

Mit 4 Tafeln und zahlreichen Abbildungen im Text.

2. völlig umgearbeitete Auflage.

Bo« Dr. HS. Schuetckert

Leiter des Erkennungsdienstes beim Polizeipräsidium Berlin 1922. 8°. VI, 158 Seiten. Gebunden Mk. 3.—.

ReichsgerichtsEntscheidungen in kurzen Auszügen

Lerausgegeben vom

Deutschen Richterbund

Strafsachen — Band 60

1927

München, Berlin und Leipzig

3. Schweitzer Verlag (Arthm Sellier).

Druck von Dr. F. P. Datterer fr Cie., Freising-München

Bon dieser Sammlung erschienen folgende Bändchen:

I. Zivilsachen: Bd.

Serien:



n. Strafsachen: Bd.

Serie:

,

76-100 . . . je RM. 0.80 101-108 . . . je RM. 1 — 109—112 . . . je RM. 2 — 76-112 . 81-112 . 91-112 .

. . .

zus. RM. 28.— zus. RM. 26.zus. RM. 19.—

45-55 . . 56-57 . . 58-59 . .

. je RM. 0.80 . je RM. 1.. je RM. 2.-

.

zus. RM. 13.-

45-69 .

Jedes Bändchen entspricht einem Bande der amtlichen Sammlung.

1________________ Strafsachen Bd. 60_____________ 1^2

1. Anstiftung zum Meineid. Fahrlässiger Falscheid. (StGB. §§ 48, 154.) Ein Bauer sprach zu seinem Nach­ barn wiederholt darüber, daß dieser beim Abschluß eines Kaufes, über den ein Rechtsstreit entstanden war, dabei gewesen fei; dieser glaubte schließlich wohl daran, daß der Abschluß stattgefunden habe, beschwor aber auch, daß er selbst dabei anwesend gewesen sei. Das Schwur­ gericht stellte fest, daß die wiederholte Erzählung den Zweck hatte, in dem Nachbarn die Vorstellung zu er­ wecken, er sei beim Kaufabschluß anwesend gewesen. Die Verurteilung wegen Anstiftung zum Meineid wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Der Tatbestand der Anstiftung setzt voraus, daß die strafbare Handlung, die der Täter begangen hat, sich mit jener deckt, zu der ihn der Anstifter bestimmen wollte. Anstiftung zum Mein­ eid ist somit nur gegeben, wenn der Witte des Anstifters darauf gerichtet war, den Täter zu einer wider besseres Wissen erstatteten Aussage zu veranlassen. Der Ange­ klagte wollte zwar den Zeugen dazu bringen, die Un­ wahrheit zu beschwören; dieses Ziel wottte er aber auf dem Weg erreichen, daß er ihn in den irrtümlichen Glauben versetzte, er sei bei dem Abschluß des Kaufes anwesend gewesen. Wäre ihm dieser Plan gelungen, so hätte der Zeuge zwar etwas objektiv Falsches, aber keine bewußte Unwahrheit beschworen, also auch keinen Meineid, sondern höchstens einen fahrlässigen Falscheid geleistet. Die Tat des Zeugen ging also über den Willen des Angeklagten hinaus; für diesen von ihm nicht gewottten Überschuß konnte der Angeklagte nicht verant­ wortlich gemacht werden. Eine Anstiftung zu einem Fahrlässigkeitsvergehen ist rechtlich ausgeschlossen. (II, 12. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 1—2. Vgl. Bd. 23 S. 175; Bd. 30 S. 292; Bd. 44 S. 429.

2. Reichsbahnbearnte. (StGB. § 359; RBahnPersG. § 1.) Die Deutsche Reichsbahngesellschaft übt ihre Be­ fugnis durch Beamte, Angestellte und Arbeiter aus. Diese Nebeneinanderstellung von Beamten und Ange­ stellten beweist, daß die Reichsbahnbeamten nicht Pri­ vatbeamte, sondern Beamte im Sinne des Strafgesetz­ buchs sind. (III, 19. November 1925.)

Amtl. Sammlg. S. 2—^3.

1________________ Strafsachen Bd. 60_____________ 1^2

1. Anstiftung zum Meineid. Fahrlässiger Falscheid. (StGB. §§ 48, 154.) Ein Bauer sprach zu seinem Nach­ barn wiederholt darüber, daß dieser beim Abschluß eines Kaufes, über den ein Rechtsstreit entstanden war, dabei gewesen fei; dieser glaubte schließlich wohl daran, daß der Abschluß stattgefunden habe, beschwor aber auch, daß er selbst dabei anwesend gewesen sei. Das Schwur­ gericht stellte fest, daß die wiederholte Erzählung den Zweck hatte, in dem Nachbarn die Vorstellung zu er­ wecken, er sei beim Kaufabschluß anwesend gewesen. Die Verurteilung wegen Anstiftung zum Meineid wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Der Tatbestand der Anstiftung setzt voraus, daß die strafbare Handlung, die der Täter begangen hat, sich mit jener deckt, zu der ihn der Anstifter bestimmen wollte. Anstiftung zum Mein­ eid ist somit nur gegeben, wenn der Witte des Anstifters darauf gerichtet war, den Täter zu einer wider besseres Wissen erstatteten Aussage zu veranlassen. Der Ange­ klagte wollte zwar den Zeugen dazu bringen, die Un­ wahrheit zu beschwören; dieses Ziel wottte er aber auf dem Weg erreichen, daß er ihn in den irrtümlichen Glauben versetzte, er sei bei dem Abschluß des Kaufes anwesend gewesen. Wäre ihm dieser Plan gelungen, so hätte der Zeuge zwar etwas objektiv Falsches, aber keine bewußte Unwahrheit beschworen, also auch keinen Meineid, sondern höchstens einen fahrlässigen Falscheid geleistet. Die Tat des Zeugen ging also über den Willen des Angeklagten hinaus; für diesen von ihm nicht gewottten Überschuß konnte der Angeklagte nicht verant­ wortlich gemacht werden. Eine Anstiftung zu einem Fahrlässigkeitsvergehen ist rechtlich ausgeschlossen. (II, 12. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 1—2. Vgl. Bd. 23 S. 175; Bd. 30 S. 292; Bd. 44 S. 429.

2. Reichsbahnbearnte. (StGB. § 359; RBahnPersG. § 1.) Die Deutsche Reichsbahngesellschaft übt ihre Be­ fugnis durch Beamte, Angestellte und Arbeiter aus. Diese Nebeneinanderstellung von Beamten und Ange­ stellten beweist, daß die Reichsbahnbeamten nicht Pri­ vatbeamte, sondern Beamte im Sinne des Strafgesetz­ buchs sind. (III, 19. November 1925.)

Amtl. Sammlg. S. 2—^3.

3. Mißbrauch der Amtsgewalt. Polizeibeamter. Selbsthilfe. (StGB. § 339; BGB. §§ 227, 1631, 1632, 1634; PrALR. II 17 § 10.) Ein Mann, der sich von seiner Frau getrennt hatte, wollte dieser das gemeinsame Kind wegnehmen. Er wandte sich zu diesem Zweck an die Schutzpolizei. Ein Polizeibeamter begab sich zu der Frau, forderte sie auf, das Kind herauszugeben und erklärte ihr, sie mache sich strafbar, wenn sie nicht Folge leiste. Er wurde wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt verur­ teilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Nach dem am Dienstorte des Angeklagten geltenden preußischen Land­ recht gehören Beschwerden über Eingriffe in die Rechte der väterlichen Gewalt nicht zur Zuständigkeit der Poli­ zeibehörde, es sei denn, daß für das Kind oder den Vater durch das Verbleiben des Kindes an seinem derzeitigen Aufenthaltsort eine Gefahr obwaltet, die nur durch das Einschreiten der Polizeibehörde beseitigt werden kann. Eine solche Gefahr war hier nicht nachgewiesen. Diese Vorschrift ist auch durch die neue Gesetzgebung nicht außer Wirksamkeit gesetzt worden, gilt vielmehr sinn­ gemäß noch jetzt. Daß der Angeklagte sich bewußt war, die Herausgabe des Kindes durch Polizeigewalt nicht er­ zwingen zu dürfen, hatte das Landgericht festgestellt. (& hatte sich darauf berufen, daß er bei dem Vorgang nur seine Mütze, nicht den Helm getragen habe. Das machte nichts aus; wie für die Rechtmäßigkeit der Amtsaus­ übung ist es auch für den Mißbrauch der Amtsgewalt nicht entscheidend, ob die Vorschriften über den Dienst­ anzug befolgt werden. Unerheblich war auch, ob der Vater des Kindes berechtigt war, von seiner Frau die Herausgabe des Kindes zu verlangen und zu diesem Zweck zur Selbsthilfe zu schreiten. (II, 19. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 4—6. 4 Grunderwerbsteuer. Hinterziehung. Veräußerungs­ anzeige. Unrichtige Angabe des Kaufpreises. Notar. Versuch. Beihilfe. (GrundErwStG. §§ 1, 4, 24; RAbgO. §§ 355, 361; StGB. §§ 43, 49.) Zum Zwecke der Ersparung von Grunderwerbsteuer wurde in einem Kaufvertrag über ein Grundstück der Kaufpreis un­ richtig angegeben; der Notar, der den Vertrag beur­ kundete, hatte hiervon Kenntnis. Er wurde wegen Beihilfe zur Hinterziehung der Steuer verurteilt; seine

3. Mißbrauch der Amtsgewalt. Polizeibeamter. Selbsthilfe. (StGB. § 339; BGB. §§ 227, 1631, 1632, 1634; PrALR. II 17 § 10.) Ein Mann, der sich von seiner Frau getrennt hatte, wollte dieser das gemeinsame Kind wegnehmen. Er wandte sich zu diesem Zweck an die Schutzpolizei. Ein Polizeibeamter begab sich zu der Frau, forderte sie auf, das Kind herauszugeben und erklärte ihr, sie mache sich strafbar, wenn sie nicht Folge leiste. Er wurde wegen Mißbrauchs der Amtsgewalt verur­ teilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Nach dem am Dienstorte des Angeklagten geltenden preußischen Land­ recht gehören Beschwerden über Eingriffe in die Rechte der väterlichen Gewalt nicht zur Zuständigkeit der Poli­ zeibehörde, es sei denn, daß für das Kind oder den Vater durch das Verbleiben des Kindes an seinem derzeitigen Aufenthaltsort eine Gefahr obwaltet, die nur durch das Einschreiten der Polizeibehörde beseitigt werden kann. Eine solche Gefahr war hier nicht nachgewiesen. Diese Vorschrift ist auch durch die neue Gesetzgebung nicht außer Wirksamkeit gesetzt worden, gilt vielmehr sinn­ gemäß noch jetzt. Daß der Angeklagte sich bewußt war, die Herausgabe des Kindes durch Polizeigewalt nicht er­ zwingen zu dürfen, hatte das Landgericht festgestellt. (& hatte sich darauf berufen, daß er bei dem Vorgang nur seine Mütze, nicht den Helm getragen habe. Das machte nichts aus; wie für die Rechtmäßigkeit der Amtsaus­ übung ist es auch für den Mißbrauch der Amtsgewalt nicht entscheidend, ob die Vorschriften über den Dienst­ anzug befolgt werden. Unerheblich war auch, ob der Vater des Kindes berechtigt war, von seiner Frau die Herausgabe des Kindes zu verlangen und zu diesem Zweck zur Selbsthilfe zu schreiten. (II, 19. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 4—6. 4 Grunderwerbsteuer. Hinterziehung. Veräußerungs­ anzeige. Unrichtige Angabe des Kaufpreises. Notar. Versuch. Beihilfe. (GrundErwStG. §§ 1, 4, 24; RAbgO. §§ 355, 361; StGB. §§ 43, 49.) Zum Zwecke der Ersparung von Grunderwerbsteuer wurde in einem Kaufvertrag über ein Grundstück der Kaufpreis un­ richtig angegeben; der Notar, der den Vertrag beur­ kundete, hatte hiervon Kenntnis. Er wurde wegen Beihilfe zur Hinterziehung der Steuer verurteilt; seine

Revision wurde verworfen. Die Beihilfehandlung war darin zu finden, daß der Angeklagte entsprechend dem Willen der Parteien, der auf eine Hinterziehung der Steuer ging, der Steuerbehörde eine Veräußerungs­ anzeige vorlegte, in welcher als Kaufpreis die im notariellen Vertrag benannte Summe angegeben war. Diese Anzeige bildete die Grundlage für die von der Steuerbehörde auszustellende Bescheinigung; der an­ gegebene Kaufpreis war auch ein Anhalt für die Wertermittlung. Es war allerdings damit zu rechnen, daß von den Parteien noch eine besondere Steuererklä­ rung eingefordert werde; der Erfolg der Steuerver­ kürzung sollte aber nach dem Willen der Parteien schon durch die Anzeige, unabhängig von einer späteren Steuererklärung, erreicht werden. Ein verwirklichter Versuch wird dadurch nicht aus der Welt geschafft, daß noch weitere Handlungen in Aussicht stehen oder beabsichtigt sind; für ihn kommt es nur darauf an, daß der Täter Handlungen vornimmt, die er für geeignet hält, den gewollten Erfolg herbeizuführen; ob diese Handlungen wirklich dazu tauglich sind und ob ein Eintritt des Erfolgs möglich ist, ist für die Strafbar­ feit des Versuchs nach feststehender Rechtsprechung des Reichsgerichts ohne Einfluß. Auch die Begrifssmerkmale der Beihilfe waren einwandfrei nachgewiesen. Zur Annahme einer wissentlichen Hilfeleistung gehört nicht bloß die Kenntnis des Gehilfen, der Haupttäter wolle die strafbare Handlung begehen; vielmehr muß auch sein Wille dahin gerichtet sein, die Vollbringung der vom Täter beabsichtigten Straftat zu fördern, also für den Fall, daß der Täter das Verbrechen oder Vergehen verübt, seinerseits einen Beitrag zur Tat zu leisten und in diesem Sinne die 'Ausführung der Haupttat zu erleichtern oder zu unterstützen. Diesen Anforderungen genügten die Feststellungen. Der An­ geklagte hatte die auf Steuerhinterziehung gerichtete Absicht der Vertragsparteien durchschaut und in Kennt­ nis dieses strafbaren Vorgehens ihnen durch seine Mitwirkung wissentlich Hilfe geleistet; er selbst hatte beabsichtigt, der Steuerbehörde zunächst einen zu niedri­ gen Kaufpreis anzugeben und sie über den Maßstab der Steuer zu täuschen. Damit war sein Bewußtsein, die

Vollendung der fremden Tat durch seine Berufstätig­ keit zu unterstützen, mithin sein auf diesen Erfolg gerichteter Wille erwiesen. (III, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 6—9. Vgl. Bd. 32 S. 353; Bd. 37 S. 321; Bd. 56 S. 168,394; Bd. 58 S. 54.

5. Preistreiberei.

Leistungswucher. Verzugszinsen.

(PreisTrVO. 1923 §4; StGB. § 302a; BGB. 88.241, 284, 288). Das Verlangen übermäßiger Verzugszinsen erfüllt den Begriff des Leistungswuchers nicht. Wegen Leistungswuchers wird bestraft, wer vorsätzlich für eine Leistung zur Befriedigung des täglichen Bedarfs eine Vergütung fordert, die unter Berücksichtigung der ge­ samten Verhältnisse einen übermäßigen Verdienst ent­ hält. Leistung ist alles, was Gegenstand eines Schuld­ verhältnisses sein kann, auch die Gewährung von Kredit; vorausgesetzt ist aber ein willkürliches Handeln des Leistenden im freien Verkehr. Im gegebenen Fall hatte sich die Schuldnerin einen wirtschaftlichen Vorteil eigen­ mächtig dadurch verschafft, daß sie die vereinbarte Zahlungsfrist nicht innehielt; dieser Vorteil beruhte nicht auf einer Leistung des Angeklagten, der mit der Verzögerung der Zahlung keineswegs einverstanden war. Seine Leistung war mit der Lieferung der Ware erfüllt. Die von ihm geforderten Verzugszinsen waren demgemäß kein vertragliches Entgelt für eine von ihm bewirkte Leistung. (II, 30. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 9—10. Vgl. Bd. 52 S. 314; Bd. 58 S. 321; Bd. 59 S. 233.

6. Amisunterschlagung. Postpaketverk.hr. Überwei­ sungskarte. Annahmebuch. Register. Unrichtige Buchung. (StGB. 88 350, 351.) Bei einer Postagentur ging ein Paket ein, das an eine andere Postanstalt hätte gesandt werden sollen. Der Leiter der Agentur füllte eine entsprechende Überweisungskarte aus und trug das auch in sein Annahmebuch ein, sandte aber das Paket nicht weiter, sondern behielt es für sich. Er wurde wegen schwerer Amtsunterfchlagung verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Sowohl die Überweisungskarte als auch das Annahmebuich waren als Register, Verzeich­ nisse und Bücher anzusehen, deren Führung durch den Postagenten zur Kontrolle der Einnahmen und

Vollendung der fremden Tat durch seine Berufstätig­ keit zu unterstützen, mithin sein auf diesen Erfolg gerichteter Wille erwiesen. (III, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 6—9. Vgl. Bd. 32 S. 353; Bd. 37 S. 321; Bd. 56 S. 168,394; Bd. 58 S. 54.

5. Preistreiberei.

Leistungswucher. Verzugszinsen.

(PreisTrVO. 1923 §4; StGB. § 302a; BGB. 88.241, 284, 288). Das Verlangen übermäßiger Verzugszinsen erfüllt den Begriff des Leistungswuchers nicht. Wegen Leistungswuchers wird bestraft, wer vorsätzlich für eine Leistung zur Befriedigung des täglichen Bedarfs eine Vergütung fordert, die unter Berücksichtigung der ge­ samten Verhältnisse einen übermäßigen Verdienst ent­ hält. Leistung ist alles, was Gegenstand eines Schuld­ verhältnisses sein kann, auch die Gewährung von Kredit; vorausgesetzt ist aber ein willkürliches Handeln des Leistenden im freien Verkehr. Im gegebenen Fall hatte sich die Schuldnerin einen wirtschaftlichen Vorteil eigen­ mächtig dadurch verschafft, daß sie die vereinbarte Zahlungsfrist nicht innehielt; dieser Vorteil beruhte nicht auf einer Leistung des Angeklagten, der mit der Verzögerung der Zahlung keineswegs einverstanden war. Seine Leistung war mit der Lieferung der Ware erfüllt. Die von ihm geforderten Verzugszinsen waren demgemäß kein vertragliches Entgelt für eine von ihm bewirkte Leistung. (II, 30. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 9—10. Vgl. Bd. 52 S. 314; Bd. 58 S. 321; Bd. 59 S. 233.

6. Amisunterschlagung. Postpaketverk.hr. Überwei­ sungskarte. Annahmebuch. Register. Unrichtige Buchung. (StGB. 88 350, 351.) Bei einer Postagentur ging ein Paket ein, das an eine andere Postanstalt hätte gesandt werden sollen. Der Leiter der Agentur füllte eine entsprechende Überweisungskarte aus und trug das auch in sein Annahmebuch ein, sandte aber das Paket nicht weiter, sondern behielt es für sich. Er wurde wegen schwerer Amtsunterfchlagung verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Sowohl die Überweisungskarte als auch das Annahmebuich waren als Register, Verzeich­ nisse und Bücher anzusehen, deren Führung durch den Postagenten zur Kontrolle der Einnahmen und

Vollendung der fremden Tat durch seine Berufstätig­ keit zu unterstützen, mithin sein auf diesen Erfolg gerichteter Wille erwiesen. (III, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 6—9. Vgl. Bd. 32 S. 353; Bd. 37 S. 321; Bd. 56 S. 168,394; Bd. 58 S. 54.

5. Preistreiberei.

Leistungswucher. Verzugszinsen.

(PreisTrVO. 1923 §4; StGB. § 302a; BGB. 88.241, 284, 288). Das Verlangen übermäßiger Verzugszinsen erfüllt den Begriff des Leistungswuchers nicht. Wegen Leistungswuchers wird bestraft, wer vorsätzlich für eine Leistung zur Befriedigung des täglichen Bedarfs eine Vergütung fordert, die unter Berücksichtigung der ge­ samten Verhältnisse einen übermäßigen Verdienst ent­ hält. Leistung ist alles, was Gegenstand eines Schuld­ verhältnisses sein kann, auch die Gewährung von Kredit; vorausgesetzt ist aber ein willkürliches Handeln des Leistenden im freien Verkehr. Im gegebenen Fall hatte sich die Schuldnerin einen wirtschaftlichen Vorteil eigen­ mächtig dadurch verschafft, daß sie die vereinbarte Zahlungsfrist nicht innehielt; dieser Vorteil beruhte nicht auf einer Leistung des Angeklagten, der mit der Verzögerung der Zahlung keineswegs einverstanden war. Seine Leistung war mit der Lieferung der Ware erfüllt. Die von ihm geforderten Verzugszinsen waren demgemäß kein vertragliches Entgelt für eine von ihm bewirkte Leistung. (II, 30. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 9—10. Vgl. Bd. 52 S. 314; Bd. 58 S. 321; Bd. 59 S. 233.

6. Amisunterschlagung. Postpaketverk.hr. Überwei­ sungskarte. Annahmebuch. Register. Unrichtige Buchung. (StGB. 88 350, 351.) Bei einer Postagentur ging ein Paket ein, das an eine andere Postanstalt hätte gesandt werden sollen. Der Leiter der Agentur füllte eine entsprechende Überweisungskarte aus und trug das auch in sein Annahmebuch ein, sandte aber das Paket nicht weiter, sondern behielt es für sich. Er wurde wegen schwerer Amtsunterfchlagung verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Sowohl die Überweisungskarte als auch das Annahmebuich waren als Register, Verzeich­ nisse und Bücher anzusehen, deren Führung durch den Postagenten zur Kontrolle der Einnahmen und

5________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 7

Ausgaben, b. h. der ein- und ausgehenden Postsen­ dungen bestimmt waren; die unrichtige Führung dieser Register oder Bücher bildet einen erschwerenden Um­ stand der Amtsunterschlagung, wenn sie in Beziehung auf die Unterschlagung geschehen ist, eine solche also verdecken soll. Im vorliegenden Fall bestand allerdings die Möglichkeit, daß der Angeklagte, als er die Eintra­ gungen machte, die Absicht der Unterschlagung des Pakets noch nicht hatte, demgemäß diese Eintragungen nicht in Beziehung auf die Unterschlagung vornahm; er beließ es aber bei diesen Eintragungen, als er das Paket, statt es weiter zu senden, unterschlug. Infolge­ dessen war die Eintragung unrichtig geworden und der Angeklagte wäre nach dem Zweck der von ihm zu führenden Nachweisungen verpflichtet gewesen, die un­ richtig gewordenen Eintragungen richtig zu stellen. Darin, daß er das unterließ, um von den unrichtig gewordenen Eintragungen zur Verdeckung seiner Unterschlagung Ge­ brauch zu machen, war ein vorsätzlich unrichtiges Führen der Nachweisungen zu erblicken. (II, 3. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 11—12.

7. Warenzeichen. Butze. Schadenersatz. Beweislast. (WZG. §§ 14, 18.) Der Antrag auf Zuerkennung einer Buße wegen Verletzung eines Warenzeichenrechts wurde wegen Unbestimmtheit und wegen mangelnden Beweises ab gelehnt. Die Revision des Neb enllägers hatte Erfolg. Er hatte die höchstzulässige Buße bean­ tragt; darnach konnte nicht zweifelhaft sein, worauf sein Begehren gerichtet war. Die Unmöglichkeit zu­ verlässiger Feststellung des Schadens bildete kein Hin­ dernis für Zuerkennung einer Buße. Eine solche kann allerdings nicht verlangt werden, wenn die Prüfung der Frage zu einer mit dem Zweck und Wesen des Strafverfahrens unvereinbaren Verzögerung des Ur­ teils führen würde oder wenn die Verhandlung keiner­ lei Unterlagen für das Bestehen oder die Höhe eines Schadens des Verletzten erbracht hat. Das Landgericht hatte darauf Wert gelegt, daß der Nebenkläger zur Zeit des Mißbrauchs seines Rechts mit Aufträgen über­ häuft war und nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Absatz zu steigern; dadurch war aber eine Schädigung nicht ausgeschlossen, konnte vielmehr sowohl durch bie

5________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 7

Ausgaben, b. h. der ein- und ausgehenden Postsen­ dungen bestimmt waren; die unrichtige Führung dieser Register oder Bücher bildet einen erschwerenden Um­ stand der Amtsunterschlagung, wenn sie in Beziehung auf die Unterschlagung geschehen ist, eine solche also verdecken soll. Im vorliegenden Fall bestand allerdings die Möglichkeit, daß der Angeklagte, als er die Eintra­ gungen machte, die Absicht der Unterschlagung des Pakets noch nicht hatte, demgemäß diese Eintragungen nicht in Beziehung auf die Unterschlagung vornahm; er beließ es aber bei diesen Eintragungen, als er das Paket, statt es weiter zu senden, unterschlug. Infolge­ dessen war die Eintragung unrichtig geworden und der Angeklagte wäre nach dem Zweck der von ihm zu führenden Nachweisungen verpflichtet gewesen, die un­ richtig gewordenen Eintragungen richtig zu stellen. Darin, daß er das unterließ, um von den unrichtig gewordenen Eintragungen zur Verdeckung seiner Unterschlagung Ge­ brauch zu machen, war ein vorsätzlich unrichtiges Führen der Nachweisungen zu erblicken. (II, 3. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 11—12.

7. Warenzeichen. Butze. Schadenersatz. Beweislast. (WZG. §§ 14, 18.) Der Antrag auf Zuerkennung einer Buße wegen Verletzung eines Warenzeichenrechts wurde wegen Unbestimmtheit und wegen mangelnden Beweises ab gelehnt. Die Revision des Neb enllägers hatte Erfolg. Er hatte die höchstzulässige Buße bean­ tragt; darnach konnte nicht zweifelhaft sein, worauf sein Begehren gerichtet war. Die Unmöglichkeit zu­ verlässiger Feststellung des Schadens bildete kein Hin­ dernis für Zuerkennung einer Buße. Eine solche kann allerdings nicht verlangt werden, wenn die Prüfung der Frage zu einer mit dem Zweck und Wesen des Strafverfahrens unvereinbaren Verzögerung des Ur­ teils führen würde oder wenn die Verhandlung keiner­ lei Unterlagen für das Bestehen oder die Höhe eines Schadens des Verletzten erbracht hat. Das Landgericht hatte darauf Wert gelegt, daß der Nebenkläger zur Zeit des Mißbrauchs seines Rechts mit Aufträgen über­ häuft war und nicht in der Lage gewesen wäre, seinen Absatz zu steigern; dadurch war aber eine Schädigung nicht ausgeschlossen, konnte vielmehr sowohl durch bie

Schmälerung des guten Rufes der Erzeugnisse des Nebenklägers wie auch durch das Abgleiten der Nach­ frage nach anderer Richtung entstehen. Die Auffassung, daß eine Buße nur dann festgesetzt werden rann, wenn der volle Umfang des Schadens sich richtig ab­ messen läßt, ist irrig; die Wahrscheinlichkeit, bei der Bemessung des Schadens aus Mangel an Unterlagen hinter dessen wahrer Höhe zurückzubleiben, beseitigte nicht die Verpflichtung des Gerichts, dem Nebenkläger wenigstens den Schaden als Buße zuzusprechen, für dessen Berechnung die Hauptverhandlung eine brauch­ bare Grundlage ergeben hatte. Die Entscheidung über das Bestehen und die Höhe eines solchen Schadens ist dem freien Ermessen des Strafrichters anheimgestellt, das durch keine den Zivilrichter bindenden bürgerlich­ rechtlichen Normen über die Feststellung eines Ent­ schädigungsanspruchs eingeschränkt ist. Die Einrichtung der Buße bezweckt einerseits die Vermeidung der Füh­ rung nutzloser Zivilrechtsstreite, anderseits will sie der Gefahr vorbeugen, daß dem Verletzten wegen der Schwie­ rigkeit der ihm dort obliegenden Beweisführung über­ haupt kein Ersatz geboten wird. Es erschien dem Gesetz­ geber billiger, unter der Mißlichkeit des Schadens­ nachweises lieber den Schädiger als den Verletzten leiden zu lassen. Die Zuerkennung einer Buße steht auch nicht im Belieben des Gerichts; dieses ist dazu verpflichtet, wenn die Voraussetzungen gegeben sind und muß die hiefür erforderlichen Aufklärungen vorneh­ men. (II, 3. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 12—16. Vgl. Bd, 4 S. 264; Bd. 5 S. 251; Bd. 6 S. 161, 398; Bd. 17 S. 190; Bd. 30 S. 267; Bd. 37 S. 400; Bd. 42 S. 166; Bd. 44 S. 294; Bd. 45 S. 128.

8. Urteilsformel. Teilzahlung. Rechtsmittel. Kosten. (StGB. § 28; StPO. §§ 301, 473.) Die Bewilligung einer Frist zur Zahlung einer Geldstrafe oder die Ge­ stattung von Teilzahlungen gehört zum Inhalt der Strafe, muß also in der Urteilsformel selbst ausge­ sprochen werden, wenn das Gericht dazu in der Lage ist. Das Reichsgericht lehnte die Ergänzung des Ur­ teils ab mit der Begründung, daß es Sache des Tat­ richters sei, auch die Länge der Frist und die Höhe der Teilbeträge sestzusetzen- Der Staatsanwalt hatte

Schmälerung des guten Rufes der Erzeugnisse des Nebenklägers wie auch durch das Abgleiten der Nach­ frage nach anderer Richtung entstehen. Die Auffassung, daß eine Buße nur dann festgesetzt werden rann, wenn der volle Umfang des Schadens sich richtig ab­ messen läßt, ist irrig; die Wahrscheinlichkeit, bei der Bemessung des Schadens aus Mangel an Unterlagen hinter dessen wahrer Höhe zurückzubleiben, beseitigte nicht die Verpflichtung des Gerichts, dem Nebenkläger wenigstens den Schaden als Buße zuzusprechen, für dessen Berechnung die Hauptverhandlung eine brauch­ bare Grundlage ergeben hatte. Die Entscheidung über das Bestehen und die Höhe eines solchen Schadens ist dem freien Ermessen des Strafrichters anheimgestellt, das durch keine den Zivilrichter bindenden bürgerlich­ rechtlichen Normen über die Feststellung eines Ent­ schädigungsanspruchs eingeschränkt ist. Die Einrichtung der Buße bezweckt einerseits die Vermeidung der Füh­ rung nutzloser Zivilrechtsstreite, anderseits will sie der Gefahr vorbeugen, daß dem Verletzten wegen der Schwie­ rigkeit der ihm dort obliegenden Beweisführung über­ haupt kein Ersatz geboten wird. Es erschien dem Gesetz­ geber billiger, unter der Mißlichkeit des Schadens­ nachweises lieber den Schädiger als den Verletzten leiden zu lassen. Die Zuerkennung einer Buße steht auch nicht im Belieben des Gerichts; dieses ist dazu verpflichtet, wenn die Voraussetzungen gegeben sind und muß die hiefür erforderlichen Aufklärungen vorneh­ men. (II, 3. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 12—16. Vgl. Bd, 4 S. 264; Bd. 5 S. 251; Bd. 6 S. 161, 398; Bd. 17 S. 190; Bd. 30 S. 267; Bd. 37 S. 400; Bd. 42 S. 166; Bd. 44 S. 294; Bd. 45 S. 128.

8. Urteilsformel. Teilzahlung. Rechtsmittel. Kosten. (StGB. § 28; StPO. §§ 301, 473.) Die Bewilligung einer Frist zur Zahlung einer Geldstrafe oder die Ge­ stattung von Teilzahlungen gehört zum Inhalt der Strafe, muß also in der Urteilsformel selbst ausge­ sprochen werden, wenn das Gericht dazu in der Lage ist. Das Reichsgericht lehnte die Ergänzung des Ur­ teils ab mit der Begründung, daß es Sache des Tat­ richters sei, auch die Länge der Frist und die Höhe der Teilbeträge sestzusetzen- Der Staatsanwalt hatte

zuungunsten des Angeklagten Revision eingelegt; das Reichsgericht änderte das Urteil zugunsten des Ange­ klagten ab. Die Kosten wurden der Staatskasse aufer­ legt. Das Rechtsmittel hatte den beabsichtigten Erfolg nicht erreicht; insoferne war es erfolglos eingelegt. Daß es zugunsten des Angeklagten wirkte, konnte nicht dazu führen, diesem auch nur einen Teil der Kosten aufzuerlegen. (I, 4. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 16—17. 9. Urkundenfälschung. Gesantturkunde. Arbeitsver­ gebung. (StGB. 88 267, 348, 349.) Ein auf Kosten des Reiches auszuführender Bau wurde zur Bewerbung um die Arbeiten ausgeschrieben. Die Bewerber hatten ihre Angebote verschlossen einzureichen; in der Ver­ dingungsverhandlung, die bei der ausschreibenden Be­ hörde zu führen war, wurden die Angebote den Um­ schlägen entnommen, allgemein bekannt gegeben und dem über die Verhandlungen aufgenommenen Pro­ tokoll beigelegt. Der Zuschlag wurde durch das Reichs­ vermögensamt auf Grund eines Berichtes der ausschrei­ benden Behörde erteilt, dem das Protokoll beigefügt wurde. Ein Beamter dieser Behörde bot einem Be­ werber an, ihm den Zuschlag zu verschaffen, wenn er mit seinen Forderungen heruntergehe. Dieser reichte ein veues Angebot ein, das in den Einzelposten niedri­ gere Ansätze enthielt; die (hiernach unrichtige) Endsumme des früheren Angebots und dessen Zeitangabe waren beibehalten. Der Beamte wurde wegen amtlicher Ur­ kundenfälschung verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg; das Reichsgericht erklärte aber die Annahme, daß es sich um eine Gesamturkunde gehandelt habe, für unrichtig. Eine Mehrzahl von Schriftstücken, die zu einem Ganzen vereinigt worden sind, kann unter Umständen zusammengefaßt und als eine einheitliche, in sich geschlossene Urkunde betrachtet werden, die sich von den in den verschiedenen Schriftstücken verkörper­ ten Einzelurkunden als eine für sich bestehende Gedan­ kenäußerung abhebt. Es macht hierbei keinen Unter­ schied, ob der in Betracht kommende Rechtsverkehr privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Art ist. Soll kber einer Mehrheit von Schriftstücken die Eigenschaft einer Gesamturkunde zugefprochen werden, so kommt eS

zuungunsten des Angeklagten Revision eingelegt; das Reichsgericht änderte das Urteil zugunsten des Ange­ klagten ab. Die Kosten wurden der Staatskasse aufer­ legt. Das Rechtsmittel hatte den beabsichtigten Erfolg nicht erreicht; insoferne war es erfolglos eingelegt. Daß es zugunsten des Angeklagten wirkte, konnte nicht dazu führen, diesem auch nur einen Teil der Kosten aufzuerlegen. (I, 4. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 16—17. 9. Urkundenfälschung. Gesantturkunde. Arbeitsver­ gebung. (StGB. 88 267, 348, 349.) Ein auf Kosten des Reiches auszuführender Bau wurde zur Bewerbung um die Arbeiten ausgeschrieben. Die Bewerber hatten ihre Angebote verschlossen einzureichen; in der Ver­ dingungsverhandlung, die bei der ausschreibenden Be­ hörde zu führen war, wurden die Angebote den Um­ schlägen entnommen, allgemein bekannt gegeben und dem über die Verhandlungen aufgenommenen Pro­ tokoll beigelegt. Der Zuschlag wurde durch das Reichs­ vermögensamt auf Grund eines Berichtes der ausschrei­ benden Behörde erteilt, dem das Protokoll beigefügt wurde. Ein Beamter dieser Behörde bot einem Be­ werber an, ihm den Zuschlag zu verschaffen, wenn er mit seinen Forderungen heruntergehe. Dieser reichte ein veues Angebot ein, das in den Einzelposten niedri­ gere Ansätze enthielt; die (hiernach unrichtige) Endsumme des früheren Angebots und dessen Zeitangabe waren beibehalten. Der Beamte wurde wegen amtlicher Ur­ kundenfälschung verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg; das Reichsgericht erklärte aber die Annahme, daß es sich um eine Gesamturkunde gehandelt habe, für unrichtig. Eine Mehrzahl von Schriftstücken, die zu einem Ganzen vereinigt worden sind, kann unter Umständen zusammengefaßt und als eine einheitliche, in sich geschlossene Urkunde betrachtet werden, die sich von den in den verschiedenen Schriftstücken verkörper­ ten Einzelurkunden als eine für sich bestehende Gedan­ kenäußerung abhebt. Es macht hierbei keinen Unter­ schied, ob der in Betracht kommende Rechtsverkehr privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Art ist. Soll kber einer Mehrheit von Schriftstücken die Eigenschaft einer Gesamturkunde zugefprochen werden, so kommt eS

in erster Reihe darauf an, ob diese Schriftstücke nach ihrer Bereinigung rein äußerlich sich als ein Ganzes darstellen, etwa nach der Art eines Buches oder in ähnlicher Form; andernfalls besteht keine Gewähr da­ für, daß die im Begriff der Gesamturkunde liegende besondere, von jener der einzelnen Schriftstücke ver­ schiedene Gedankenäußerung erkennbar zutage tritt. Das lose Einlegen mehrerer Schriftstücke in einen Bogen Papier, auf dem ein amtliches Protokoll niedergeschrie­ ben ist, bringt diese Stücke weder unter sich, noch mit dem Protokoll in eine derartige äußere Verbindung, daß das Protokoll mit den Einlagen als die begriffliche erforderliche Verkörperung einer besonderen Gedanken­ äußerung bewertet werden könnte, selbst wenn das Protokoll nur im Zusammenhalt mit den Einlagen verständlich ist und auf sie hinweist. Zudem kommt eine Gesamturkunde in Buch- oder anderer Form nur dann in Frage, wenn ihre Einrichtung, Herstellung und Füh­ rung auf Gesetz, Geschäftsgebrauch oder Vereinbarung der Beteiligten beruht und wenn durch die Verbindung der einzelnen Schriftstücke zu einer Gesamtheit von den Beteiligten gerade bezweckt wird, gewisse, zwischen ihnen bestehende Geschäftsbeziehungen, die sich aus einer Reihe von Einzelgeschäften zusammensetzen, erschöpfend anzu­ geben und so ein einheitliches Bild der wechselseitigen Rechtsbeziehungen in bestimmter Richtung zu schaffen. Voraussetzung der Gesamturkunde ist ferner, daß sie nach ihrer Zweckbestimmung nicht nur über die einzelnen darin beurkundeten Geschäfte oder Vorgänge, sondern über einen großen Kreis von Geschäftsbeziehungen oder Rechtsverhältnissen vollständig und erschöpfend Aus­ kunft geben soll. Die bloß einseitige Anordnung eines der Beteiligten ist nicht geeignet, der Vereinigung meh­ rerer Schriftstücke miteinander die Eigenschaft einer Gesamturkunde beizulegen. Überdies ist erforderlich, daß jedem Beteiligten dadurch ein Anspruch auf Benutzung der neuen Gesamturkunde zu Beweiszwecken erwächst. Die bloße Tatsache des Zusammenlegens der einzelnen Angebote im Verdingungsprotokoll war insoweit be­ deutungslos, selbst wenn bei der ausschreibenden Be­ hörde ein derartiger Brauch bestand; daß eine dahin­ gehende amtliche Anordnung der maßgebenden Dienst-

stellen ergangen sei, war nicht festgestellt. Deshalb ent­ fiel hier der Gesichtspunkt, der unter Umständen die Bewertung dienstlicher Register und Verzeichnisse (Ko­ stenregister, Prozeßregister u. dgl.) als Gesamturkunde zuläßt. Es hatte auch keine Vereinbarung der Beteilig­ ten stattgefunden, daß ein jeder von ihnen einen Rechtsanspruch auf Einsichtnahme in die Angebote (ein­ schließlich der Unterlagen) der übrigen Mitbewerber haben sollte. Darnach war die Annahme, daß eine Gesamturkunde gegeben sei, nicht haltbar. Es stand auch nur eine einzige Bauvergebung in Frage, über fortlaufende Beziehungen zwischen der Baubehörde und den einzelnen Bewerbern sollte und konnte die Ver­ einigung der nur für diesen Fall geltenden Angebote keine Auskunft geben, ebensowenig über irgendwelche Beziehungen der Mitbewerber zueinander; das Ange­ bot jedes der Bewerber.stand dem jedes der andern selbständig gegenüber. Es fehlte darum an dem Nach­ weis, daß die Vereinigung der Angebote miteinander und mit dem Berdingungsprotokoll dem Zweck dienen konnte und sollte, eine erschöpfende Angabe der geschäft­ lichen Beziehungen, sei es der Baubehörde zu den Bewerbern, sei es jedes einzelnen Bewerbers zu jedem der übrigen, zu geben und so ein einheitliches Bild der wechselseitigen Rechtsbeziehungen dieser Personengrup­ pen zu schaffen. Ebenso machte es nichts aus, daß die Endsummen der einzelnen Angebote in dem Verdin­ gungsprotokoll aufgeführt wurden. Allerdings ließ sich dadurch alsbald seststellen, welcher Bewerber der Min­ destfordernde war, aber diese Feststellung war das Er­ gebnis einer Vergleichung der Endsummen miteinander, einer durch Denken erzielten Schlußfolgerung, nicht eine selbständige, besondere Gedankenäußerung neben den in den einzelnen Angeboten verkörperten. Dabei blieb zu berücksichtigen, daß die Mindestforderung als solche keinen Anspruch auf Erteilung des Zuschlags begrün­ dete, daß vielmehr für diesen auch andere Gesichts­ punkte in Betracht kamen; deshalb erschien es auch ausgeschlossen, daß die Vereinigung der Angebote mit dem Verdingungsprotokoll von vorneherein den Zweck verfolgt habe, die Mindestforderung nachzuweisen und zu beurkunden. Die Verurteilung wurde aber schon

dadurch gerechtfertigt, daß das Protokoll mit seinen Anlagen zufolge der wechselseitigen Beziehungen zwi­ schen Protokoll und Anlagen eine einzige, allerdings zusammengesetzte, beweis erhebliche Privaturkunde bildete, indem es bewies, daß gewisse Angebote eingegangen waren und in der Verhandlung nach Entnahme aus den zugehörigen Umschlägen bekannt gegeben wurden. (III, 7. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 17—22. Vgl. Bd. 23 S. 236; Bd. 38 S. 46; Bd. 43 S. 52; Bd. 48 S. 406; Bd. 51 S. 36. 10. Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts. Urteils­ gründe. (StPO. 88 265, 266.) Im Eröffnungsbeschluß war die Handlung des Angeklagten als Totschlag be­ trachtet; er wurde auch in diesem Sinne verurteilt. In der Verhandlung war daraus hingewiesen worden, daß auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen fahrlässiger Tötung in Betracht kommen könne. Die Urteilsgründe gingen hierauf nicht ein. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Er­ folg. Der Grundsatz, daß das Gericht im Falle einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes gleichwohl die erhobene Klage, wie sie im Eröffnungsbeschluß gefaßt ist, vollständig erschöpfen, dljo in den Entscheidungs­ gründen sich über das Vorhandensein oder Nichtvor­ handensein der im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tat­ bestandsmerkmale ausdrücklich aussprechen muß, dars nicht dahin erweitert werden, daß das Gericht, das bei seiner Entscheidung zu einer mit dem Eröffnungs­ beschluß übereinstimmenden rechtlichen Beurteilung ge­ langt ist, wegen eines in der Hauptverhandlung erfolg­ ten Hinweises auf die Möglichkeit einer anderen recht­ lichen Beurteilung genötigt wäre, sich auch hierüber ausdrücklich auszusprechen. (I, 8. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 22—23. 11. Abtreibung. Untauglicher Versuch. Beihilfe. Vor­ satz. Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens. (StGB. 88 43, 49, 49 a, 218.) Eine Frau ersuchte einen Arzt, ihr die Leibesfrucht abzutreiben. Er kam dem Ersuchen zum Scheine nach und machte eine Einspritzung, die für den Zweck völlig untauglich war. Die Unter­ gerichte sprachen ihn von der Anklage eines Verbrechens der Beihilfe zum Versuch der Kindsabtreibung frei.

dadurch gerechtfertigt, daß das Protokoll mit seinen Anlagen zufolge der wechselseitigen Beziehungen zwi­ schen Protokoll und Anlagen eine einzige, allerdings zusammengesetzte, beweis erhebliche Privaturkunde bildete, indem es bewies, daß gewisse Angebote eingegangen waren und in der Verhandlung nach Entnahme aus den zugehörigen Umschlägen bekannt gegeben wurden. (III, 7. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 17—22. Vgl. Bd. 23 S. 236; Bd. 38 S. 46; Bd. 43 S. 52; Bd. 48 S. 406; Bd. 51 S. 36. 10. Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts. Urteils­ gründe. (StPO. 88 265, 266.) Im Eröffnungsbeschluß war die Handlung des Angeklagten als Totschlag be­ trachtet; er wurde auch in diesem Sinne verurteilt. In der Verhandlung war daraus hingewiesen worden, daß auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen fahrlässiger Tötung in Betracht kommen könne. Die Urteilsgründe gingen hierauf nicht ein. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Er­ folg. Der Grundsatz, daß das Gericht im Falle einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes gleichwohl die erhobene Klage, wie sie im Eröffnungsbeschluß gefaßt ist, vollständig erschöpfen, dljo in den Entscheidungs­ gründen sich über das Vorhandensein oder Nichtvor­ handensein der im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tat­ bestandsmerkmale ausdrücklich aussprechen muß, dars nicht dahin erweitert werden, daß das Gericht, das bei seiner Entscheidung zu einer mit dem Eröffnungs­ beschluß übereinstimmenden rechtlichen Beurteilung ge­ langt ist, wegen eines in der Hauptverhandlung erfolg­ ten Hinweises auf die Möglichkeit einer anderen recht­ lichen Beurteilung genötigt wäre, sich auch hierüber ausdrücklich auszusprechen. (I, 8. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 22—23. 11. Abtreibung. Untauglicher Versuch. Beihilfe. Vor­ satz. Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens. (StGB. 88 43, 49, 49 a, 218.) Eine Frau ersuchte einen Arzt, ihr die Leibesfrucht abzutreiben. Er kam dem Ersuchen zum Scheine nach und machte eine Einspritzung, die für den Zweck völlig untauglich war. Die Unter­ gerichte sprachen ihn von der Anklage eines Verbrechens der Beihilfe zum Versuch der Kindsabtreibung frei.

dadurch gerechtfertigt, daß das Protokoll mit seinen Anlagen zufolge der wechselseitigen Beziehungen zwi­ schen Protokoll und Anlagen eine einzige, allerdings zusammengesetzte, beweis erhebliche Privaturkunde bildete, indem es bewies, daß gewisse Angebote eingegangen waren und in der Verhandlung nach Entnahme aus den zugehörigen Umschlägen bekannt gegeben wurden. (III, 7. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 17—22. Vgl. Bd. 23 S. 236; Bd. 38 S. 46; Bd. 43 S. 52; Bd. 48 S. 406; Bd. 51 S. 36. 10. Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts. Urteils­ gründe. (StPO. 88 265, 266.) Im Eröffnungsbeschluß war die Handlung des Angeklagten als Totschlag be­ trachtet; er wurde auch in diesem Sinne verurteilt. In der Verhandlung war daraus hingewiesen worden, daß auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder wegen fahrlässiger Tötung in Betracht kommen könne. Die Urteilsgründe gingen hierauf nicht ein. Die Revision des Angeklagten hatte keinen Er­ folg. Der Grundsatz, daß das Gericht im Falle einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes gleichwohl die erhobene Klage, wie sie im Eröffnungsbeschluß gefaßt ist, vollständig erschöpfen, dljo in den Entscheidungs­ gründen sich über das Vorhandensein oder Nichtvor­ handensein der im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tat­ bestandsmerkmale ausdrücklich aussprechen muß, dars nicht dahin erweitert werden, daß das Gericht, das bei seiner Entscheidung zu einer mit dem Eröffnungs­ beschluß übereinstimmenden rechtlichen Beurteilung ge­ langt ist, wegen eines in der Hauptverhandlung erfolg­ ten Hinweises auf die Möglichkeit einer anderen recht­ lichen Beurteilung genötigt wäre, sich auch hierüber ausdrücklich auszusprechen. (I, 8. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 22—23. 11. Abtreibung. Untauglicher Versuch. Beihilfe. Vor­ satz. Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens. (StGB. 88 43, 49, 49 a, 218.) Eine Frau ersuchte einen Arzt, ihr die Leibesfrucht abzutreiben. Er kam dem Ersuchen zum Scheine nach und machte eine Einspritzung, die für den Zweck völlig untauglich war. Die Unter­ gerichte sprachen ihn von der Anklage eines Verbrechens der Beihilfe zum Versuch der Kindsabtreibung frei.

Die

Revision des Staatsanwalts wurde verworfen. Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Be­ gehung des Verbrechens oder Vergehens wissentlich Hilfe geleistet hat. Zum Vorsatz des Gehilfen gehört also das Wissen und Wollen, daß die von ihm unter­ stützte ' Tat mit seiner Hilfe begangen wird; er muß die Hilfe mit dem Vorsatz leisten, die Vollendung der vom Täter gewollten Tat zu fördern und insoweit muß auch sein Wille auf diesen Erfolg gerichtet sein. An diesem Vorsatz fehlt es, wenn der Gehilfe weiß oder glaubt, daß sein Tun kein taugliches Mittel zur Förde­ rung der Vollendung der Tat ist, sondern höchstens dazu beitragen kann, dem Täter zu einem erfolglosen Versuch der Ausführung seines Vorhabens Hilfe zu leisten; denn dann entspricht es dem Wissen und Willen des Ge­ hilfen, nicht dazu mitzuwirken, daß das Verbrechen oder Vergehen, wie der Täter es vor hat, von diesem be­ gangen wird und zur Vollendung kommt. Der Ange­ klagte hatte sich auch nicht gegen § 49 a StGB, ver­ fehlt. Es kam nicht darauf an, ob in der Erllärung und Betätigung seiner Bereitwilligkeit zu der ihm zugemuteten Handlung eine Annahme einer Aufforde­ rung oder ein Erbieten zur Handlung zu erblicken war. Weder das Erbieten zur Handlung noch das An­ nehmen einer Aufforderung erfüllt den Tatbestand dieser Vorschrift, wenn es nicht ernstlich gemeint, son­ dern nur zum Schein geschehen ist. (II, 10. Dezember Amtl. Sammlg. S. 23—25. 1925.) Vgl. Bd. 56 S. 168; Bd. 57 S. 243.

12. Richter. Staatsanwalt. Rückwirkung der Er­ nennung. Versuch des Meineids. (StGB. 88 43,154: GVG. 8 151.) Ein Staatsanwalt in Hessen wurde im Juli 1925 zum Amtsgerichtsrat ernannt; der Ernennung wurde rück­ wirkende Kraft bis zum 12. Juni 1925 beigelegt. Am 26. Juni 1925 war er bereits als Richter tätig ge­ wesen und hatte eine Verhandlung geleitet. In dem Verfahren gegen eine Frau, die beschuldigt wurde, in dieser Verhandlung als Zeugin ihre Eidespflicht ver­ letzt zu haben, wurde festgestellt, daß der von ihr ge­ leistete Eid wirkungslos war. Staatsanwälte dürfen richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Die Tatsache, daß der Staatsanwalt am 26. Juni 1925 noch nicht

Die

Revision des Staatsanwalts wurde verworfen. Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Be­ gehung des Verbrechens oder Vergehens wissentlich Hilfe geleistet hat. Zum Vorsatz des Gehilfen gehört also das Wissen und Wollen, daß die von ihm unter­ stützte ' Tat mit seiner Hilfe begangen wird; er muß die Hilfe mit dem Vorsatz leisten, die Vollendung der vom Täter gewollten Tat zu fördern und insoweit muß auch sein Wille auf diesen Erfolg gerichtet sein. An diesem Vorsatz fehlt es, wenn der Gehilfe weiß oder glaubt, daß sein Tun kein taugliches Mittel zur Förde­ rung der Vollendung der Tat ist, sondern höchstens dazu beitragen kann, dem Täter zu einem erfolglosen Versuch der Ausführung seines Vorhabens Hilfe zu leisten; denn dann entspricht es dem Wissen und Willen des Ge­ hilfen, nicht dazu mitzuwirken, daß das Verbrechen oder Vergehen, wie der Täter es vor hat, von diesem be­ gangen wird und zur Vollendung kommt. Der Ange­ klagte hatte sich auch nicht gegen § 49 a StGB, ver­ fehlt. Es kam nicht darauf an, ob in der Erllärung und Betätigung seiner Bereitwilligkeit zu der ihm zugemuteten Handlung eine Annahme einer Aufforde­ rung oder ein Erbieten zur Handlung zu erblicken war. Weder das Erbieten zur Handlung noch das An­ nehmen einer Aufforderung erfüllt den Tatbestand dieser Vorschrift, wenn es nicht ernstlich gemeint, son­ dern nur zum Schein geschehen ist. (II, 10. Dezember Amtl. Sammlg. S. 23—25. 1925.) Vgl. Bd. 56 S. 168; Bd. 57 S. 243.

12. Richter. Staatsanwalt. Rückwirkung der Er­ nennung. Versuch des Meineids. (StGB. 88 43,154: GVG. 8 151.) Ein Staatsanwalt in Hessen wurde im Juli 1925 zum Amtsgerichtsrat ernannt; der Ernennung wurde rück­ wirkende Kraft bis zum 12. Juni 1925 beigelegt. Am 26. Juni 1925 war er bereits als Richter tätig ge­ wesen und hatte eine Verhandlung geleitet. In dem Verfahren gegen eine Frau, die beschuldigt wurde, in dieser Verhandlung als Zeugin ihre Eidespflicht ver­ letzt zu haben, wurde festgestellt, daß der von ihr ge­ leistete Eid wirkungslos war. Staatsanwälte dürfen richterliche Geschäfte nicht wahrnehmen. Die Tatsache, daß der Staatsanwalt am 26. Juni 1925 noch nicht

Richter war, konnte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß seiner späteren Ernennung rückwirkende Kraft vti» gelegt wurde; das hatte nur für das Dienstalter und für die Ansprüche auf Gehalt und Ruhegehalt Bedeutung. Offentlichrechtliche Befugnisse eines Beamten können nicht rückwirkend begründet werden. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Versuchs des Meineids wurde hierdurch nicht ausgeschlossen; ein solcher Versuch ist auch dann möglich, wenn der geleistete Eid keine recht­ liche Wirkung hat, insbesondere dem Beamten, der den Eid abnimmt, die Fähigkeit zur Wahrnehmung rich­ terlicher Geschäfte fehlt. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 25—27. Vgl. Bd. 24 S. 91; Bd, 58 S. 302. 13. Öffentliche Urkunde. Pfändungsprotokoll. (StGB. § 348; ZPO. § 762; RAbgO. § 311.) Psändungsprotokolle eines Gerichtsvollziehers gehören zu den Urkunden, die volle Beweiskraft gegen jedermann haben. Das gilt sowohl für die Pfändungsprotokolle, die auf Grund der Zivilprozeßordnung errichtet sind, wie auch für jene, die auf der Reichsabgabenordnung beruhen. Ob die Beteiligten Einsicht in die Akten der Gerichtsvollzieher nehmen und Abschriften verlangen können, vermag an der rechtlichen Natur der Pfändungsprotokolle nichts zu ändern. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 27—28. Vgl. Bd. 6 S. 362. 14. Weinbrand. Kognak. (WeinG. §§ 18, 28; BranntwMonG. § 100.) Auf Weinbrand und Kognak finden nur die Vorschriften des Weingesetzes, nicht auch jene des Branntweinmonopolgesetzes Anwendung. Nach der vorgeschlagenen Fassung sollte auch dieses Gesetz zur Anwendung kommen; die Fassung wurde aber ge­ ändert, weil schon das Weingesetz Vorschriften hiefür enthielt. (I, 11. Dezember 1925.) .Amtl. Sammlg. S. 28—29. 15. Kraftwagenführer. Fahrlässigkeit. Bewußtlosig­ keit. (StGB. 88 51, 222, 230.) Ein Kraftwagensührer schlief während der Fahrt aus einer Landstraße ein. Der Wagen kam von der Straße ab und überfuhr mehrere Kinder, von denen eines getötet, die anderen verletzt wurden. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung

Richter war, konnte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß seiner späteren Ernennung rückwirkende Kraft vti» gelegt wurde; das hatte nur für das Dienstalter und für die Ansprüche auf Gehalt und Ruhegehalt Bedeutung. Offentlichrechtliche Befugnisse eines Beamten können nicht rückwirkend begründet werden. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Versuchs des Meineids wurde hierdurch nicht ausgeschlossen; ein solcher Versuch ist auch dann möglich, wenn der geleistete Eid keine recht­ liche Wirkung hat, insbesondere dem Beamten, der den Eid abnimmt, die Fähigkeit zur Wahrnehmung rich­ terlicher Geschäfte fehlt. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 25—27. Vgl. Bd. 24 S. 91; Bd, 58 S. 302. 13. Öffentliche Urkunde. Pfändungsprotokoll. (StGB. § 348; ZPO. § 762; RAbgO. § 311.) Psändungsprotokolle eines Gerichtsvollziehers gehören zu den Urkunden, die volle Beweiskraft gegen jedermann haben. Das gilt sowohl für die Pfändungsprotokolle, die auf Grund der Zivilprozeßordnung errichtet sind, wie auch für jene, die auf der Reichsabgabenordnung beruhen. Ob die Beteiligten Einsicht in die Akten der Gerichtsvollzieher nehmen und Abschriften verlangen können, vermag an der rechtlichen Natur der Pfändungsprotokolle nichts zu ändern. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 27—28. Vgl. Bd. 6 S. 362. 14. Weinbrand. Kognak. (WeinG. §§ 18, 28; BranntwMonG. § 100.) Auf Weinbrand und Kognak finden nur die Vorschriften des Weingesetzes, nicht auch jene des Branntweinmonopolgesetzes Anwendung. Nach der vorgeschlagenen Fassung sollte auch dieses Gesetz zur Anwendung kommen; die Fassung wurde aber ge­ ändert, weil schon das Weingesetz Vorschriften hiefür enthielt. (I, 11. Dezember 1925.) .Amtl. Sammlg. S. 28—29. 15. Kraftwagenführer. Fahrlässigkeit. Bewußtlosig­ keit. (StGB. 88 51, 222, 230.) Ein Kraftwagensührer schlief während der Fahrt aus einer Landstraße ein. Der Wagen kam von der Straße ab und überfuhr mehrere Kinder, von denen eines getötet, die anderen verletzt wurden. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung

Richter war, konnte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß seiner späteren Ernennung rückwirkende Kraft vti» gelegt wurde; das hatte nur für das Dienstalter und für die Ansprüche auf Gehalt und Ruhegehalt Bedeutung. Offentlichrechtliche Befugnisse eines Beamten können nicht rückwirkend begründet werden. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Versuchs des Meineids wurde hierdurch nicht ausgeschlossen; ein solcher Versuch ist auch dann möglich, wenn der geleistete Eid keine recht­ liche Wirkung hat, insbesondere dem Beamten, der den Eid abnimmt, die Fähigkeit zur Wahrnehmung rich­ terlicher Geschäfte fehlt. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 25—27. Vgl. Bd. 24 S. 91; Bd, 58 S. 302. 13. Öffentliche Urkunde. Pfändungsprotokoll. (StGB. § 348; ZPO. § 762; RAbgO. § 311.) Psändungsprotokolle eines Gerichtsvollziehers gehören zu den Urkunden, die volle Beweiskraft gegen jedermann haben. Das gilt sowohl für die Pfändungsprotokolle, die auf Grund der Zivilprozeßordnung errichtet sind, wie auch für jene, die auf der Reichsabgabenordnung beruhen. Ob die Beteiligten Einsicht in die Akten der Gerichtsvollzieher nehmen und Abschriften verlangen können, vermag an der rechtlichen Natur der Pfändungsprotokolle nichts zu ändern. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 27—28. Vgl. Bd. 6 S. 362. 14. Weinbrand. Kognak. (WeinG. §§ 18, 28; BranntwMonG. § 100.) Auf Weinbrand und Kognak finden nur die Vorschriften des Weingesetzes, nicht auch jene des Branntweinmonopolgesetzes Anwendung. Nach der vorgeschlagenen Fassung sollte auch dieses Gesetz zur Anwendung kommen; die Fassung wurde aber ge­ ändert, weil schon das Weingesetz Vorschriften hiefür enthielt. (I, 11. Dezember 1925.) .Amtl. Sammlg. S. 28—29. 15. Kraftwagenführer. Fahrlässigkeit. Bewußtlosig­ keit. (StGB. 88 51, 222, 230.) Ein Kraftwagensührer schlief während der Fahrt aus einer Landstraße ein. Der Wagen kam von der Straße ab und überfuhr mehrere Kinder, von denen eines getötet, die anderen verletzt wurden. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung

Richter war, konnte auch nicht dadurch beseitigt werden, daß seiner späteren Ernennung rückwirkende Kraft vti» gelegt wurde; das hatte nur für das Dienstalter und für die Ansprüche auf Gehalt und Ruhegehalt Bedeutung. Offentlichrechtliche Befugnisse eines Beamten können nicht rückwirkend begründet werden. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Versuchs des Meineids wurde hierdurch nicht ausgeschlossen; ein solcher Versuch ist auch dann möglich, wenn der geleistete Eid keine recht­ liche Wirkung hat, insbesondere dem Beamten, der den Eid abnimmt, die Fähigkeit zur Wahrnehmung rich­ terlicher Geschäfte fehlt. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 25—27. Vgl. Bd. 24 S. 91; Bd, 58 S. 302. 13. Öffentliche Urkunde. Pfändungsprotokoll. (StGB. § 348; ZPO. § 762; RAbgO. § 311.) Psändungsprotokolle eines Gerichtsvollziehers gehören zu den Urkunden, die volle Beweiskraft gegen jedermann haben. Das gilt sowohl für die Pfändungsprotokolle, die auf Grund der Zivilprozeßordnung errichtet sind, wie auch für jene, die auf der Reichsabgabenordnung beruhen. Ob die Beteiligten Einsicht in die Akten der Gerichtsvollzieher nehmen und Abschriften verlangen können, vermag an der rechtlichen Natur der Pfändungsprotokolle nichts zu ändern. (I, 11. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 27—28. Vgl. Bd. 6 S. 362. 14. Weinbrand. Kognak. (WeinG. §§ 18, 28; BranntwMonG. § 100.) Auf Weinbrand und Kognak finden nur die Vorschriften des Weingesetzes, nicht auch jene des Branntweinmonopolgesetzes Anwendung. Nach der vorgeschlagenen Fassung sollte auch dieses Gesetz zur Anwendung kommen; die Fassung wurde aber ge­ ändert, weil schon das Weingesetz Vorschriften hiefür enthielt. (I, 11. Dezember 1925.) .Amtl. Sammlg. S. 28—29. 15. Kraftwagenführer. Fahrlässigkeit. Bewußtlosig­ keit. (StGB. 88 51, 222, 230.) Ein Kraftwagensührer schlief während der Fahrt aus einer Landstraße ein. Der Wagen kam von der Straße ab und überfuhr mehrere Kinder, von denen eines getötet, die anderen verletzt wurden. Die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung

und Körperverletzung wurde gebilligt. Es kam nicht darauf an, ob der Angeklagte in dem Augenblick, in dem der Tod und die Verletzung der Kinder emtfat, handlungsfähig war, sondern darauf, ob er zurechnungs­ fähig war, als er, obwohl ihn die Müdigkeit überkam, den Kraftwagen weiterführte und dadurch den Erfolg verursachte. Der Angeklagte wollte den Erfolg zwar nicht, konnte ihn aber als möglich vorhersehen und war deshalb verantwortlich, auch wenn er zu der Zeit, da er die Kinder überfuhr, sich in einem Zustand der Bewußtlosigkeit befand, der seine freie Willen sbestinymung ausschloß. Die Ursache der Tötung und der Kör­ perverletzung war nicht im überfahren gefunden worden, sondern im selbstverschuldeten Schlafen, darin, daß er einnickte und schlief, wo er es nicht durfte. Damit setzte er die Aufmerksamkeit außer Augen, zu welcher er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande war und vernachlässigte seine Vorsichtspflicht. (III, 17. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 29—31. Vgl. Bd. 22 S. 413. 16. Pajzvergehen. Polizei. Meldeschein. (PaßStVO. 8 1.) Die Paßstrafverordnung gilt nur für solche Ur­ kunden, die zum Ausweis einer Person für den Aufent­ halt im Reichsgebiet oder für den übertritt über die Reichsgrenze bestimmt sind. Der Zweck der Urkunde muß dahin gehen, die Identität der in ihr bezeichneten Person für den Grenzübertritt oder für den Aufenthalt im Reich darzutun. Das trifft auf polizeiliche Abmelde­ scheine nicht zu; in ihnen wird nur bescheinigt, daß die Personen, auf welche sie sich beziehen, ihren Fort­ zug von einem bestimmten Orte polizeilich angemeldet haben. Sie können wohl unter Umständen als Aus­ weise vorgelegt und hingenommen werden; ihre Be­ stimmung ist das aber nicht. Das ergibt sich schon daraus, daß sie regelmäßig keine Erkennungsmerkmale enthalten und auch nicht für jede Person gesondert aus­ gestellt werden. (II, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 31-32.

17. Landgerich tspräsident. Vertretung. Geschäfts­ verteilung. (GVG. 88 13, 66, 67; StPO. 8 338.) Der Präsident eines Landgerichts ordnete an, daß in eiligen RGE., Straffachen Bd. Y0,

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und Körperverletzung wurde gebilligt. Es kam nicht darauf an, ob der Angeklagte in dem Augenblick, in dem der Tod und die Verletzung der Kinder emtfat, handlungsfähig war, sondern darauf, ob er zurechnungs­ fähig war, als er, obwohl ihn die Müdigkeit überkam, den Kraftwagen weiterführte und dadurch den Erfolg verursachte. Der Angeklagte wollte den Erfolg zwar nicht, konnte ihn aber als möglich vorhersehen und war deshalb verantwortlich, auch wenn er zu der Zeit, da er die Kinder überfuhr, sich in einem Zustand der Bewußtlosigkeit befand, der seine freie Willen sbestinymung ausschloß. Die Ursache der Tötung und der Kör­ perverletzung war nicht im überfahren gefunden worden, sondern im selbstverschuldeten Schlafen, darin, daß er einnickte und schlief, wo er es nicht durfte. Damit setzte er die Aufmerksamkeit außer Augen, zu welcher er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande war und vernachlässigte seine Vorsichtspflicht. (III, 17. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 29—31. Vgl. Bd. 22 S. 413. 16. Pajzvergehen. Polizei. Meldeschein. (PaßStVO. 8 1.) Die Paßstrafverordnung gilt nur für solche Ur­ kunden, die zum Ausweis einer Person für den Aufent­ halt im Reichsgebiet oder für den übertritt über die Reichsgrenze bestimmt sind. Der Zweck der Urkunde muß dahin gehen, die Identität der in ihr bezeichneten Person für den Grenzübertritt oder für den Aufenthalt im Reich darzutun. Das trifft auf polizeiliche Abmelde­ scheine nicht zu; in ihnen wird nur bescheinigt, daß die Personen, auf welche sie sich beziehen, ihren Fort­ zug von einem bestimmten Orte polizeilich angemeldet haben. Sie können wohl unter Umständen als Aus­ weise vorgelegt und hingenommen werden; ihre Be­ stimmung ist das aber nicht. Das ergibt sich schon daraus, daß sie regelmäßig keine Erkennungsmerkmale enthalten und auch nicht für jede Person gesondert aus­ gestellt werden. (II, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 31-32.

17. Landgerich tspräsident. Vertretung. Geschäfts­ verteilung. (GVG. 88 13, 66, 67; StPO. 8 338.) Der Präsident eines Landgerichts ordnete an, daß in eiligen RGE., Straffachen Bd. Y0,

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und Körperverletzung wurde gebilligt. Es kam nicht darauf an, ob der Angeklagte in dem Augenblick, in dem der Tod und die Verletzung der Kinder emtfat, handlungsfähig war, sondern darauf, ob er zurechnungs­ fähig war, als er, obwohl ihn die Müdigkeit überkam, den Kraftwagen weiterführte und dadurch den Erfolg verursachte. Der Angeklagte wollte den Erfolg zwar nicht, konnte ihn aber als möglich vorhersehen und war deshalb verantwortlich, auch wenn er zu der Zeit, da er die Kinder überfuhr, sich in einem Zustand der Bewußtlosigkeit befand, der seine freie Willen sbestinymung ausschloß. Die Ursache der Tötung und der Kör­ perverletzung war nicht im überfahren gefunden worden, sondern im selbstverschuldeten Schlafen, darin, daß er einnickte und schlief, wo er es nicht durfte. Damit setzte er die Aufmerksamkeit außer Augen, zu welcher er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande war und vernachlässigte seine Vorsichtspflicht. (III, 17. Dezember 1925.) Amtl. Sammlg. S. 29—31. Vgl. Bd. 22 S. 413. 16. Pajzvergehen. Polizei. Meldeschein. (PaßStVO. 8 1.) Die Paßstrafverordnung gilt nur für solche Ur­ kunden, die zum Ausweis einer Person für den Aufent­ halt im Reichsgebiet oder für den übertritt über die Reichsgrenze bestimmt sind. Der Zweck der Urkunde muß dahin gehen, die Identität der in ihr bezeichneten Person für den Grenzübertritt oder für den Aufenthalt im Reich darzutun. Das trifft auf polizeiliche Abmelde­ scheine nicht zu; in ihnen wird nur bescheinigt, daß die Personen, auf welche sie sich beziehen, ihren Fort­ zug von einem bestimmten Orte polizeilich angemeldet haben. Sie können wohl unter Umständen als Aus­ weise vorgelegt und hingenommen werden; ihre Be­ stimmung ist das aber nicht. Das ergibt sich schon daraus, daß sie regelmäßig keine Erkennungsmerkmale enthalten und auch nicht für jede Person gesondert aus­ gestellt werden. (II, 26. November 1925.) Amtl. Sammlg. S. 31-32.

17. Landgerich tspräsident. Vertretung. Geschäfts­ verteilung. (GVG. 88 13, 66, 67; StPO. 8 338.) Der Präsident eines Landgerichts ordnete an, daß in eiligen RGE., Straffachen Bd. Y0,

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Fällen, wenn für einen Richter ein Vertreter zu be­ stellen war und seine Verfügung oder die seines ordent­ lichen Vertreters nicht mehr eingeholt werden konnte, der älteste der sofort erreichbaren Landgerichtsdirettoren in seiner Vertretung die Verfügung treffen sollte. Auf Grund dieser Anordnung bestimmte ein Landgerichts­ direktor, als ein Mitglied seiner Kammer erkrankte und dessen regelmäßiger Vertreter zu Beginn der Sitzung nicht zur Stelle war, einen Gerichtsassessor als Beisitzer. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Bei jedem Landgericht sind vor Beginn des Geschäfts­ jahrs die Geschäfte auf seine Dauer unter die Kammern zu verteilen und die ständigen Mitglieder der einzelnen Kammern wie auch für den Fall der Verhinderung die regelmäßigen Vertreter zu bestimmen. Im Fall der Verhinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mit­ glieds wird ein zeitweiliger Vertreter durch den Prä­ sidenten bestimmt; im Falle der Verhinderung des Präsidenten war hiefür, da ein ständiger Vertreter nicht ernannt war, der dienstälteste Direktor zuständig. Dagegen war der Landgerichtspräsident nicht berech­ tigt, einen anderen Direktor, sei es auch unter bestimm­ ten Voraussetzungen, zu ermächtigen, an seiner Stelle einen Vertreter zu ernennen; er hatte nicht das Recht, die ihm und seinem gesetzlichen Vertreter durch das Gesetz anvertrauten Befugnisse auf einen anderen zu übertragen. Daß der Direktor, welcher die Verfügung getroffen hatte, von den damals im Gerichtsgebäude an­ wesenden Direktoren der dienstälteste war, blieb ohne Belang. (III, 17. Dezember 1926.) Amtl. Sammlg. S. 32—34. Vgl. Bd. 22 S. 134, 168, 203; Bd. 41 S. 184; Bd. 57 S. 269. 18. Tätliche Beleidigung. Einwilligung. Bewußt­ sein der Rechtswidrigkeit. Unzüchtige Handlungen an Minderjährigen. (StGB. § 185.) Der gesetzliche Ver­ treter eines 15 jährigen Mädchens stellte Strafantrag wegen Beleidigung des Mädchens durch Vornahme unzüchtiger Berührungen. Der Angeklagte berief sich darauf, daß das Mädchen einverstanden gewesen sei. Seine Verurteilung wurde bestätigt. Einer im allge­ meinen als ehrverletzend empfundenen Kundgebung ober

Fällen, wenn für einen Richter ein Vertreter zu be­ stellen war und seine Verfügung oder die seines ordent­ lichen Vertreters nicht mehr eingeholt werden konnte, der älteste der sofort erreichbaren Landgerichtsdirettoren in seiner Vertretung die Verfügung treffen sollte. Auf Grund dieser Anordnung bestimmte ein Landgerichts­ direktor, als ein Mitglied seiner Kammer erkrankte und dessen regelmäßiger Vertreter zu Beginn der Sitzung nicht zur Stelle war, einen Gerichtsassessor als Beisitzer. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Bei jedem Landgericht sind vor Beginn des Geschäfts­ jahrs die Geschäfte auf seine Dauer unter die Kammern zu verteilen und die ständigen Mitglieder der einzelnen Kammern wie auch für den Fall der Verhinderung die regelmäßigen Vertreter zu bestimmen. Im Fall der Verhinderung des regelmäßigen Vertreters eines Mit­ glieds wird ein zeitweiliger Vertreter durch den Prä­ sidenten bestimmt; im Falle der Verhinderung des Präsidenten war hiefür, da ein ständiger Vertreter nicht ernannt war, der dienstälteste Direktor zuständig. Dagegen war der Landgerichtspräsident nicht berech­ tigt, einen anderen Direktor, sei es auch unter bestimm­ ten Voraussetzungen, zu ermächtigen, an seiner Stelle einen Vertreter zu ernennen; er hatte nicht das Recht, die ihm und seinem gesetzlichen Vertreter durch das Gesetz anvertrauten Befugnisse auf einen anderen zu übertragen. Daß der Direktor, welcher die Verfügung getroffen hatte, von den damals im Gerichtsgebäude an­ wesenden Direktoren der dienstälteste war, blieb ohne Belang. (III, 17. Dezember 1926.) Amtl. Sammlg. S. 32—34. Vgl. Bd. 22 S. 134, 168, 203; Bd. 41 S. 184; Bd. 57 S. 269. 18. Tätliche Beleidigung. Einwilligung. Bewußt­ sein der Rechtswidrigkeit. Unzüchtige Handlungen an Minderjährigen. (StGB. § 185.) Der gesetzliche Ver­ treter eines 15 jährigen Mädchens stellte Strafantrag wegen Beleidigung des Mädchens durch Vornahme unzüchtiger Berührungen. Der Angeklagte berief sich darauf, daß das Mädchen einverstanden gewesen sei. Seine Verurteilung wurde bestätigt. Einer im allge­ meinen als ehrverletzend empfundenen Kundgebung ober

Handlung kann im Einzelfall diese Eigenschaft abgehen, wenn die persönlichen Eigenschaften oder Beziehungen des Betroffenen den Angriff nicht als eine Mißachtung, Verunglimpfung oder sonstige Herabwürdigung erschei­ nen lassen; Handlungen oder Äußerungen von schlecht­ hin beleidigendem Charakter gibt es überhaupt nicht. Jnsoferne kann insbesondere auch das Einverständnis des Betroffenen mit der Tat von Bedeutung sein, nicht vermöge des bürgerlich-rechtlichen Grundsatzes „volenti non fit iniuria“, der ein der privaten Verfügung unter­ liegendes Recht oder Rechtsverhältnis, nicht aber ein Rechtsgut wie die Ehre voraussetzt, sondern ausschließ­ lich als Erkenntnisquelle für die Feststellung, ob über­ haupt unter den obwaltenden Umständen für die Be­ teiligten eine Ehrverletzung in Frage kam oder kommen konnte. Nicht entscheidend ist dabei, welchen Eindruck der Betroffene tatsächlich von dem Angriff gehabt hat, ob er überhaupt zur Kenntnis oder zum richtigen Ver­ ständnis gelangt ist; denn hier handelt es sich nur dar­ um, ob der Angriff an sich ehrverletzend gewesen ist, nicht darum, in welchem Umfang und nach welchen Wahr­ nehmungen hin er diese Wirkung gehabt hat. Nur in letzterer Hinsicht kann das Bewußtsein und Einverständ­ nis des Betroffenen von Einfluß sein, während es an der Ehrverletzung selbst, wo sie einmal gegeben ist, nichts mehr ändern kann. Die Bedeutung des Einverständnisses muß noch mehr eingeschränkt werden, wenn sich die Be­ leidigung gegen die Geschlechtsehre unreifer Personen im Entwicklungsalter richtet. Hier kann aus einem wohl­ gefälligen Dulden oder selbst aus einer ausdrücklichen Einwilligung durchaus noch nicht ohne weiteres aus Umstände geschlossen werden, welche die Tat zur Ver­ letzung der Ehre der Betroffenen ungeeignet machen könnten. Zunächst fehlt solchen Personen erfahrungs­ gemäß noch, das volle Verständnis für den Wert der Wahrung ihrer Geschlechtsehre, mögen sie auch deren Ge­ fährdung durch Duldung unzüchtiger Handlungen in ge­ wissem Maße begreifen; damit ist die Bedeutung einer Preisgabe jener Ehre durch ihr Verhalten noch nicht in ihr Bewußtsein getreten, wie man das bei Erwach­ senen regelmäßig wird annehmen müssen. Der Mangel dieses Bewußtseins kann auch bei einem Verkehr der 2*

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Strafsachen Bd. 60

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Angegriffenen mit sittlich bereits verdorbenen Personen, sogar wegen eines solchen Verkehrs bestehen. Eben des­ halb sind diese Personen auch vom Gesetz nicht als die in erster Reihe berufenen Hüter dieser Ehre anerkannt, viel­ mehr ist diese Aufgabe ihren natürlichen Beschützern (El­ tern, Vormündern) zugeteilt, indem bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres diesen das Strafantragsrecht ausschließlich, auch gegen den Willen des Verletzten Vor­ behalten ist. Die Berufung auf das Einverständnis der Betroffenen muß daher in solchen Fällen regelmäßig versagen. Auch das Bewußtsein des Angeklagten von der ehrenkränkenden Art seiner Handlungen war ein­ wandfrei damit bejaht, daß es ihm bei der Erkenntnis ihrer Unzüchtigkeit gegenüber einer so unerwachsenen Person nicht gefehlt haben konnte, mithin auch nicht fehlte. (II, 4. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 34—37. Vgl. Bd. 10 'S. 372; Bd. 29 S. 398; Bd. 41 S. 392; Bd. 45 S. 344. 19. Offenbarungseid. Bestrittene Forderungen. (StGB. 8 157; ZPO. § 807.) Bei der Leistung des Ofsenbarungseides gibt der Schuldner die Versicherung ab, daß er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollstän­ dig angegeben habe, als er dazu imstande sei. In dem Verzeichnis, das er vorzulegen hat, sind bei den Forde­ rungen der Grund und die Beweismittel anzugeben. Da­ durch soll der Gläubiger, der die Vollstreckung betreibt, Anhaltspunkte dafür erhalten, ob es sich um Forde­ rungen handelt, die es wert sind, daß er sie zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung macht. Demgemäß sind in das Verzeichnis auch unsichere Forderungen auf­ zunehmen, gleichviel, ob ihre Beitreibbarkeit aus tatsäch­ lichen oder aus rechtlichen Gründen zweifelhaft ist. Eine Ausnahme machen nur Forderungen ohne allen Vermögenswert. Ob eine solche Wertlosigkeit vorliegt, ist für jede Forderung nach der Zeit der Vorlegung und Beeidigung des Verzeichnisses zu entscheiden. Ohne Be­ lang ist es, ob nachträglich sich eine solche Wert­ losigkeit ergibt; die falsche Versicherung, gegenwärtig eine als Bermögenswert in Betracht kommende Forde­ rung nicht zu besitzen, wird nicht dadurch wahr, daß die Forderung später den ihr damals trotz ihrer Unsicherheit

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Angegriffenen mit sittlich bereits verdorbenen Personen, sogar wegen eines solchen Verkehrs bestehen. Eben des­ halb sind diese Personen auch vom Gesetz nicht als die in erster Reihe berufenen Hüter dieser Ehre anerkannt, viel­ mehr ist diese Aufgabe ihren natürlichen Beschützern (El­ tern, Vormündern) zugeteilt, indem bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres diesen das Strafantragsrecht ausschließlich, auch gegen den Willen des Verletzten Vor­ behalten ist. Die Berufung auf das Einverständnis der Betroffenen muß daher in solchen Fällen regelmäßig versagen. Auch das Bewußtsein des Angeklagten von der ehrenkränkenden Art seiner Handlungen war ein­ wandfrei damit bejaht, daß es ihm bei der Erkenntnis ihrer Unzüchtigkeit gegenüber einer so unerwachsenen Person nicht gefehlt haben konnte, mithin auch nicht fehlte. (II, 4. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 34—37. Vgl. Bd. 10 'S. 372; Bd. 29 S. 398; Bd. 41 S. 392; Bd. 45 S. 344. 19. Offenbarungseid. Bestrittene Forderungen. (StGB. 8 157; ZPO. § 807.) Bei der Leistung des Ofsenbarungseides gibt der Schuldner die Versicherung ab, daß er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollstän­ dig angegeben habe, als er dazu imstande sei. In dem Verzeichnis, das er vorzulegen hat, sind bei den Forde­ rungen der Grund und die Beweismittel anzugeben. Da­ durch soll der Gläubiger, der die Vollstreckung betreibt, Anhaltspunkte dafür erhalten, ob es sich um Forde­ rungen handelt, die es wert sind, daß er sie zum Gegenstand der Zwangsvollstreckung macht. Demgemäß sind in das Verzeichnis auch unsichere Forderungen auf­ zunehmen, gleichviel, ob ihre Beitreibbarkeit aus tatsäch­ lichen oder aus rechtlichen Gründen zweifelhaft ist. Eine Ausnahme machen nur Forderungen ohne allen Vermögenswert. Ob eine solche Wertlosigkeit vorliegt, ist für jede Forderung nach der Zeit der Vorlegung und Beeidigung des Verzeichnisses zu entscheiden. Ohne Be­ lang ist es, ob nachträglich sich eine solche Wert­ losigkeit ergibt; die falsche Versicherung, gegenwärtig eine als Bermögenswert in Betracht kommende Forde­ rung nicht zu besitzen, wird nicht dadurch wahr, daß die Forderung später den ihr damals trotz ihrer Unsicherheit

17________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 20 noch beizumessenden wirtschaftlichen Wert einbüßt. (II, 7. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 37—39.

20. Rennwettsteuer. Buchmacher. Tateinheit. Ver­ brauch der Strafklage. Ne bis in idem. Nebenklage. (RennWettG. §§ 5, 11, 13; StGB. § 73; RAbgO. 88 383, 432, 437; VZG. § 168.) Wegen unerlaubten Buchmachens wurde eine Strafe ausgesprochen. Nach­ träglich wurde ein Verfahren wegen Hinterziehung der Rennwettsteuer eingeleitet. Das Schöffengericht erkannte aus Einstellung, weil durch das frühere Verfahren wegen gewerbsmäßigen Abschlusses von Rennwetten die Straf­ klage verbraucht sei. Die Revision der Staatsanwalt­ schaft und des Finanzamts wurden verworfen. Das Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, daß das frühere Urteil ihm gegenüber die Rechtskraft nicht er­ langt habe, weil es ihm nicht zugestellt worden sei. Das traf nicht zu, weil dem Finanzamt in dem früheren Verfahren die Rechte des Nebenklägers nicht zustanden. Diese Rechte hat das Finanzamt nur dann, wenn gegen­ über einem Strafbescheid, den es erlassen hat, die gericht­ liche Entscheidung beantragt ist oder wenn die Staatsan­ waltschaft wegen einer Steuerzuwiderhandlung die öffent­ liche Klage erhebt. Weder die eine noch die andere Vor­ aussetzung traf zu; insbesondere hatte die Staatsanwalt­ schaft in ihrem Antrag auf Erlaß eines amtsrichter­ lichen Strafbefehls den Gesichtspunkt der Steuerzuwider­ handlung nicht gelterld gemacht. Das Rennwettgesetz ist kein Steuergesetz; es will die bei Pferderennen sich kundgebende Wettleidenschaft nicht nur finanziell nutzbar machen, sondern überhaupt in geordnete Bahnen lenken. Eine Bestimmung, daß Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz als Steuerzuwiderhandlungen gelten sollen, ist in ihm nicht enthalten. Das unerlaubte Buchmachen und die Steuerhinterziehung bildeten gleichwohl keine selbständigen Handlungen. Tateinheit ist immer vor­ handen, wenn die Tatbestände mehrerer Strafgesetze wenigstens teilweise zusammentreffen. Das war hier der Fall. Mit dem gewerbsmäßigen Abschluß oder der Vermittlung von Wetten ist die Verfehlung gegen das Gesetz vollendet; sobald die Wette verbindlich geworden ist, spätestens mit der Entscheidung des Rennens, ent­ steht auch die Steuerschuld. Hatte der Angeklagte, wie

17________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 20 noch beizumessenden wirtschaftlichen Wert einbüßt. (II, 7. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 37—39.

20. Rennwettsteuer. Buchmacher. Tateinheit. Ver­ brauch der Strafklage. Ne bis in idem. Nebenklage. (RennWettG. §§ 5, 11, 13; StGB. § 73; RAbgO. 88 383, 432, 437; VZG. § 168.) Wegen unerlaubten Buchmachens wurde eine Strafe ausgesprochen. Nach­ träglich wurde ein Verfahren wegen Hinterziehung der Rennwettsteuer eingeleitet. Das Schöffengericht erkannte aus Einstellung, weil durch das frühere Verfahren wegen gewerbsmäßigen Abschlusses von Rennwetten die Straf­ klage verbraucht sei. Die Revision der Staatsanwalt­ schaft und des Finanzamts wurden verworfen. Das Finanzamt hatte die Auffassung vertreten, daß das frühere Urteil ihm gegenüber die Rechtskraft nicht er­ langt habe, weil es ihm nicht zugestellt worden sei. Das traf nicht zu, weil dem Finanzamt in dem früheren Verfahren die Rechte des Nebenklägers nicht zustanden. Diese Rechte hat das Finanzamt nur dann, wenn gegen­ über einem Strafbescheid, den es erlassen hat, die gericht­ liche Entscheidung beantragt ist oder wenn die Staatsan­ waltschaft wegen einer Steuerzuwiderhandlung die öffent­ liche Klage erhebt. Weder die eine noch die andere Vor­ aussetzung traf zu; insbesondere hatte die Staatsanwalt­ schaft in ihrem Antrag auf Erlaß eines amtsrichter­ lichen Strafbefehls den Gesichtspunkt der Steuerzuwider­ handlung nicht gelterld gemacht. Das Rennwettgesetz ist kein Steuergesetz; es will die bei Pferderennen sich kundgebende Wettleidenschaft nicht nur finanziell nutzbar machen, sondern überhaupt in geordnete Bahnen lenken. Eine Bestimmung, daß Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz als Steuerzuwiderhandlungen gelten sollen, ist in ihm nicht enthalten. Das unerlaubte Buchmachen und die Steuerhinterziehung bildeten gleichwohl keine selbständigen Handlungen. Tateinheit ist immer vor­ handen, wenn die Tatbestände mehrerer Strafgesetze wenigstens teilweise zusammentreffen. Das war hier der Fall. Mit dem gewerbsmäßigen Abschluß oder der Vermittlung von Wetten ist die Verfehlung gegen das Gesetz vollendet; sobald die Wette verbindlich geworden ist, spätestens mit der Entscheidung des Rennens, ent­ steht auch die Steuerschuld. Hatte der Angeklagte, wie

das Schöffengericht festgestellt hatte, beim Abschluß der Wette den Vorsatz, die Steuer zu hinterziehen, so hatte er damit gleichzeitig einen Teil des Hinterziehungsltatbestandüs verwirklicht, da dieser nicht lediglich die Unterlassung, sondern den gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten ohne Erlaubnis (das wilde Buchmachen) vor­ aussetzt. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß die Steuer erst innerhalb einer bestimmten Frist zu zahlen ist: ebenso ist es gleichgültig, ob der Täter selbst von der Vorstellung ausgeht, daß er zwei verschiedene straf­ bare Handlungen begeht. Die gesonderte Aburteilung der Steuerzuwiderhandlung wird auch nicht durch be­ sondere Vorschriften gerechtfertigt. Nach der Reichsab­ gabenordnung ist allerdings, wenn eine und dieselbe Handlung zugleich als Steuerzuwiderhandlung und aus einem anderen Gesetz strafbar ist, die Strafe aus dem Steuergesetz zu entnehmen, falls das andere Gesetz aber eine schwerere Strafe androht, die nach dem Steuergesetz verwirkte Geldstrafe besonders zu verhängen. Diese Vor­ schrift gebietet (im Gegensatz zum Strafgesetzbuch) eine Strafenhäufung, betrifft daher die Strafzumessung, ge­ stattet aber nicht, die Steuerstrafe in einem besonderen Verfahren zu verhängen. Daß wegen einer und der­ selben Straftat nicht mehrere Verfahren durchgeführt werden dürfen, ist für die Strafprozeßordnung in un­ bestrittener Geltung; die Strafprozeßordnung gilt aber nach ausdrücklicher Vorschrift der Reichsabgabenordnung stets, soweit nicht die Steuergesetze besondere Borschrift ten enthalten. So ist auch schon wiederholt für das Gebiet des Zollstrafrechts entschieden worden, daß eine nachträgliche Verfolgung wegen derselben Tat nicht mehr stattfinden kann, wenn in einem früheren Verfahren die Verhängung der Zollstrafe unterblieben ist. (II, 11. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 39—43. Vgl. Bd. 37 S. 152; Bd. 48 S. 104; Bd. 56 S. 324. 21. Ablehnung eines Richters. Befangenheit (StPO. § 24.) Am Schluß einer Berufungsverhandlung bean­ tragte der Angeklagte die Ladung weiterer Zeugen. Der Vorsitzende legte ihm nahe, seine Berufung zurückzunehmen, da der Gerichtshof einstimmig von seiner Schuld überzeugt sei; da er den Antrag aufrecht er­ hielt, wurde die Verhandlung ausgesetzt. In der neuen

das Schöffengericht festgestellt hatte, beim Abschluß der Wette den Vorsatz, die Steuer zu hinterziehen, so hatte er damit gleichzeitig einen Teil des Hinterziehungsltatbestandüs verwirklicht, da dieser nicht lediglich die Unterlassung, sondern den gewerbsmäßigen Abschluß von Wetten ohne Erlaubnis (das wilde Buchmachen) vor­ aussetzt. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß die Steuer erst innerhalb einer bestimmten Frist zu zahlen ist: ebenso ist es gleichgültig, ob der Täter selbst von der Vorstellung ausgeht, daß er zwei verschiedene straf­ bare Handlungen begeht. Die gesonderte Aburteilung der Steuerzuwiderhandlung wird auch nicht durch be­ sondere Vorschriften gerechtfertigt. Nach der Reichsab­ gabenordnung ist allerdings, wenn eine und dieselbe Handlung zugleich als Steuerzuwiderhandlung und aus einem anderen Gesetz strafbar ist, die Strafe aus dem Steuergesetz zu entnehmen, falls das andere Gesetz aber eine schwerere Strafe androht, die nach dem Steuergesetz verwirkte Geldstrafe besonders zu verhängen. Diese Vor­ schrift gebietet (im Gegensatz zum Strafgesetzbuch) eine Strafenhäufung, betrifft daher die Strafzumessung, ge­ stattet aber nicht, die Steuerstrafe in einem besonderen Verfahren zu verhängen. Daß wegen einer und der­ selben Straftat nicht mehrere Verfahren durchgeführt werden dürfen, ist für die Strafprozeßordnung in un­ bestrittener Geltung; die Strafprozeßordnung gilt aber nach ausdrücklicher Vorschrift der Reichsabgabenordnung stets, soweit nicht die Steuergesetze besondere Borschrift ten enthalten. So ist auch schon wiederholt für das Gebiet des Zollstrafrechts entschieden worden, daß eine nachträgliche Verfolgung wegen derselben Tat nicht mehr stattfinden kann, wenn in einem früheren Verfahren die Verhängung der Zollstrafe unterblieben ist. (II, 11. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 39—43. Vgl. Bd. 37 S. 152; Bd. 48 S. 104; Bd. 56 S. 324. 21. Ablehnung eines Richters. Befangenheit (StPO. § 24.) Am Schluß einer Berufungsverhandlung bean­ tragte der Angeklagte die Ladung weiterer Zeugen. Der Vorsitzende legte ihm nahe, seine Berufung zurückzunehmen, da der Gerichtshof einstimmig von seiner Schuld überzeugt sei; da er den Antrag aufrecht er­ hielt, wurde die Verhandlung ausgesetzt. In der neuen

Verhandlung lehnte der Angeklagte den Vorsitzenden und einen Richter, der in der früheren Verhandlung mitgewirkt hatte, wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Die Ablehnung wurde für unbegründet erklärt, weil die Tatsache, daß die abgelehnten Richter sich auf Grund der früheren Verhandlungen ein Urteil gebildet und dieses durch den Vorsitzenden zu erkennen gegeben hät­ ten, für die neue Verhandlung die Besorgnis der Be­ fangenheit nicht begründe. Das Reichsgericht billigte die Entscheidung. Das Landgericht hatte bei der Ent­ scheidung über das Ablehnungsgesuch von dem Sach­ verhalt auszugehen, wie er damals, namentlich durch die dienstliche Äußerung des abgelehnten Vorsitzenden, auf­ geklärt und gegenüber den beweislosen weitergehenden Behauptungen der Verteidigung richtiggestellt vorlag. Auf dieser Grundlage war zu prüfen, ob vom Stand­ punkt des Angeklagten aus ein vernünftiger Grund zu ernstlichem Mißtrauen gegen die Unbefangenheit der beiden abgelehnten Richter anzuerkennen war. Zu einer solchen Besorgnis bestand nach dem vorliegenden Sach­ verhalt, der auch in seiner tatsächlichen Tragweite der Beurteilung des Revisionsgerichtes unterstand, kein An­ laß. Selbst vom Standpunkt des Angeklagten aus ließ sich daraus, daß ihm nahegelegt wurde, die Berufung zurückzuziehen und seine Untersuchungshaft nicht zwecklos zu verlängern, ein Anzeichen irgendwelcher Voreinge­ nommenheit gegen seine Person nicht entnehmen. Auch darin, daß das Gericht zu dieser Frage Stellung nahm, wie die Schuld des Angeklagten nach dem damaligen Stand des Verfahrens zu beurteilen war. konnte nicht ohne weiteres ein vernünftiger Grund zu ernstlichem Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters im ferneren Verfahren gefunden werden. In zahlreichen Fällen muß sich ein Richter bei Zwischenentscheidungen eine einstweilige Überzeugung über die Schuld des An­ geklagten bilden; so insbesondere bei Entscheidungen über die Untersuchungshaft oder über Beweisanträge. Im vorliegenden Falle hatte das Gericht überdies dem Antrag des AngAlagten auf Ladung neuer Zeugen stattgegeben, so daß für den Angeklagten erst recht kein vernünftiger Grund zu der Besorgnis bestand, die beiden abgelehnten Richter möchten ihre endgültige Überzeugung

nicht aus dem Gesamtergebnis der neuen Beweisauf­ nahme und dem Inbegriff der neuen HauPLverhandlung, schöpfen. Daß für einen Richter, der in einer früheren Sache sein Urteil auf eine bestimmte Auffassung des ihm vorliegenden Sachverhalts gestützt hat, die Pflicht besteht, in einem neuen Verfahren sich sein Urteil unbe­ fangen und auf Grund des neu vorgetragenenn Beweis­ stoffes zu bilden, versteht sich von selbst. (III, 11. Jan. 1926.) Amtl. Sammt. S. 43—47. Vgl. Bd. 7 S. 340; Bd. 55 S. 56; Bd. 58 S. 285; Bd. 59 S. 409. 22. Jugendgericht. Erziehungsmaßnahme. Fürsorge­ erziehung. (JugGerG. II 5, 7.) Gegen ein 17 jähriges Mädchen, das zugleich mit einer erwachsenen Person abgeurteilt wurde, sprach das Schöffengericht eine Ge­ fängnisstrafe von drei Monaten aus und ordnete die Fürsorgeerziehung an. Das Landgericht hob die Anord­ nung der Fürsorgeerziehung auf. Die Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Bei der Prüfung, ob gegen einen jugendlichen Angeklagten Erziehungsmaßnahmen anzuordnen sind, muß zwischen der Fürsorgeerziehung und anderen Maßnahmen unterschieden werden. Die Fürsorgeerziehung ist dem Vormundschaftsrichter Vorbe­ halten; die anderen Maßnahmen kann auch der Straf­ richter anordnen. Hält der Strafrichter Fürsorgeevziehung für geboten, so hat er sich in der Urteilsformel auf den Ausspruch zu beschränken, daß Erziehungsmaß­ nahmen erforderlich sind; die Auswahl hat er dem Vor­ mundschaftsrichter zu überlassen; nur in den Gründen kann er ausführen, daß er Fürsorgeerziehung für ge­ boten halte und darum von der Anordnung einer anderen Erziehungsmaßnahme abgesehen habe. Der Vor­ mundschaftsrichter hat dann eine Erziehungsmaßnahme anzuordnen. Er ist nicht genötigt, Fürsorgeerziehung zu wählen. Das Landgericht hatte demgemäß zu prüfen, ob Erziehungsmaßnahmen erforderlich waren. Nur wenn es diese Frage verneinte, durfte es so entscheiden, wie es getan hatte. Hielt es Fürsorgeerziehung für not­ wendig, so hatte es das Urteil des Schöffengerichts aufzuheben und auszusprechen, daß Erziehungsmaßnah­ men erforderlich seien. Hielt es andere Erziehungsmaß­ nahmen erforderlich, so kannte es diese selbst anordnen

nicht aus dem Gesamtergebnis der neuen Beweisauf­ nahme und dem Inbegriff der neuen HauPLverhandlung, schöpfen. Daß für einen Richter, der in einer früheren Sache sein Urteil auf eine bestimmte Auffassung des ihm vorliegenden Sachverhalts gestützt hat, die Pflicht besteht, in einem neuen Verfahren sich sein Urteil unbe­ fangen und auf Grund des neu vorgetragenenn Beweis­ stoffes zu bilden, versteht sich von selbst. (III, 11. Jan. 1926.) Amtl. Sammt. S. 43—47. Vgl. Bd. 7 S. 340; Bd. 55 S. 56; Bd. 58 S. 285; Bd. 59 S. 409. 22. Jugendgericht. Erziehungsmaßnahme. Fürsorge­ erziehung. (JugGerG. II 5, 7.) Gegen ein 17 jähriges Mädchen, das zugleich mit einer erwachsenen Person abgeurteilt wurde, sprach das Schöffengericht eine Ge­ fängnisstrafe von drei Monaten aus und ordnete die Fürsorgeerziehung an. Das Landgericht hob die Anord­ nung der Fürsorgeerziehung auf. Die Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Bei der Prüfung, ob gegen einen jugendlichen Angeklagten Erziehungsmaßnahmen anzuordnen sind, muß zwischen der Fürsorgeerziehung und anderen Maßnahmen unterschieden werden. Die Fürsorgeerziehung ist dem Vormundschaftsrichter Vorbe­ halten; die anderen Maßnahmen kann auch der Straf­ richter anordnen. Hält der Strafrichter Fürsorgeevziehung für geboten, so hat er sich in der Urteilsformel auf den Ausspruch zu beschränken, daß Erziehungsmaß­ nahmen erforderlich sind; die Auswahl hat er dem Vor­ mundschaftsrichter zu überlassen; nur in den Gründen kann er ausführen, daß er Fürsorgeerziehung für ge­ boten halte und darum von der Anordnung einer anderen Erziehungsmaßnahme abgesehen habe. Der Vor­ mundschaftsrichter hat dann eine Erziehungsmaßnahme anzuordnen. Er ist nicht genötigt, Fürsorgeerziehung zu wählen. Das Landgericht hatte demgemäß zu prüfen, ob Erziehungsmaßnahmen erforderlich waren. Nur wenn es diese Frage verneinte, durfte es so entscheiden, wie es getan hatte. Hielt es Fürsorgeerziehung für not­ wendig, so hatte es das Urteil des Schöffengerichts aufzuheben und auszusprechen, daß Erziehungsmaßnah­ men erforderlich seien. Hielt es andere Erziehungsmaß­ nahmen erforderlich, so kannte es diese selbst anordnen

oder die Anordnung dem Vormundschaftsgericht über­ lassen. Zur Nachholung des Versäumten wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 14. Januar 1926.) Amtl. Sammt. S. 47—49. Vgl. Bd. 58 S. 85. 23. Nahrungsmittelverfälschung. Vollmilch. (NMG. § 10.) Milch wurde als Vollmilch in den Handel ge­ geben, nachdem sie zum Teil entrahmt und außerdem mit dem Vorgemelke einer Kälberkuh, das fettärmer ist als die regelmäßige Kuhmilch, versetzt worden war. In der einen wie in der anderen Handlung wurde eine Verfäl­ schung der Milch erblickt. Als Vollmilch kann nur solche Milch gelten, die beim Melken eines Milchtieres durch vollständiges Ausstreifen des Euters in einem Zug ge­ wonnen wird, die also unverändert alle Bestandteile der dabei zutage geförderten Milch enthält. Die teil­ weise Entrahmung der Milch begründet als Entziehung eines ihrer natürlichen Nährbestandteile, des Fettes, eine Wertminderung, und bildet, wenn die Milch als Vollmilch in den Handel gebracht wird, eine Verfäl­ schung. Das gleiche hatte für die Beifügung des fett­ armen Vorgemelkes zu gelten. Eine Verfälschung eines Nahrungs- oder Genußmittels liegt dann vor, wenn an seiner normalen stofflichen Zusammensetzung eine Ver. änderung eingetreten ist, durch die es einen seinem wahren Wesen nicht entsprechenden Schein erhält, sei es, daß es durch Entnehmen oder Zusatz von Stoffen ver­ schlechtert, sei es, daß ihm der Schein einer besseren als seiner wirklichen Beschaffenheit verliehen worden ist. Hiernach kann eine Verfälschung auch durch Vermischung einer Ware mit einer anderen von geringerem Werte vorgenommen werden. (I, 15. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 49—51. Vgl. Bd. 3 S. 234; Bd. 14 S. 428; Bd. 33 S. 26. 24. Mord. Raub. Unterschlagung. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 211, 249.) In einem Eisenbahnzug begab sich ein Mann in ein Abteil, worin ein Fahrgast allein saß, in der Absicht, diesem seine Wertsachen abzunehmen und ihn, falls er sich widersetzen würde, zu erschießen. Er führte diese Absicht aus. Das Schwurgericht nahm an, daß er durch die Tötung den Gewahrsam an den Sachen seines Opfers erlangt und demgemäß sich Sachen zuge-

oder die Anordnung dem Vormundschaftsgericht über­ lassen. Zur Nachholung des Versäumten wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 14. Januar 1926.) Amtl. Sammt. S. 47—49. Vgl. Bd. 58 S. 85. 23. Nahrungsmittelverfälschung. Vollmilch. (NMG. § 10.) Milch wurde als Vollmilch in den Handel ge­ geben, nachdem sie zum Teil entrahmt und außerdem mit dem Vorgemelke einer Kälberkuh, das fettärmer ist als die regelmäßige Kuhmilch, versetzt worden war. In der einen wie in der anderen Handlung wurde eine Verfäl­ schung der Milch erblickt. Als Vollmilch kann nur solche Milch gelten, die beim Melken eines Milchtieres durch vollständiges Ausstreifen des Euters in einem Zug ge­ wonnen wird, die also unverändert alle Bestandteile der dabei zutage geförderten Milch enthält. Die teil­ weise Entrahmung der Milch begründet als Entziehung eines ihrer natürlichen Nährbestandteile, des Fettes, eine Wertminderung, und bildet, wenn die Milch als Vollmilch in den Handel gebracht wird, eine Verfäl­ schung. Das gleiche hatte für die Beifügung des fett­ armen Vorgemelkes zu gelten. Eine Verfälschung eines Nahrungs- oder Genußmittels liegt dann vor, wenn an seiner normalen stofflichen Zusammensetzung eine Ver. änderung eingetreten ist, durch die es einen seinem wahren Wesen nicht entsprechenden Schein erhält, sei es, daß es durch Entnehmen oder Zusatz von Stoffen ver­ schlechtert, sei es, daß ihm der Schein einer besseren als seiner wirklichen Beschaffenheit verliehen worden ist. Hiernach kann eine Verfälschung auch durch Vermischung einer Ware mit einer anderen von geringerem Werte vorgenommen werden. (I, 15. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 49—51. Vgl. Bd. 3 S. 234; Bd. 14 S. 428; Bd. 33 S. 26. 24. Mord. Raub. Unterschlagung. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 211, 249.) In einem Eisenbahnzug begab sich ein Mann in ein Abteil, worin ein Fahrgast allein saß, in der Absicht, diesem seine Wertsachen abzunehmen und ihn, falls er sich widersetzen würde, zu erschießen. Er führte diese Absicht aus. Das Schwurgericht nahm an, daß er durch die Tötung den Gewahrsam an den Sachen seines Opfers erlangt und demgemäß sich Sachen zuge-

oder die Anordnung dem Vormundschaftsgericht über­ lassen. Zur Nachholung des Versäumten wurde die Sache zurückverwiesen. (III, 14. Januar 1926.) Amtl. Sammt. S. 47—49. Vgl. Bd. 58 S. 85. 23. Nahrungsmittelverfälschung. Vollmilch. (NMG. § 10.) Milch wurde als Vollmilch in den Handel ge­ geben, nachdem sie zum Teil entrahmt und außerdem mit dem Vorgemelke einer Kälberkuh, das fettärmer ist als die regelmäßige Kuhmilch, versetzt worden war. In der einen wie in der anderen Handlung wurde eine Verfäl­ schung der Milch erblickt. Als Vollmilch kann nur solche Milch gelten, die beim Melken eines Milchtieres durch vollständiges Ausstreifen des Euters in einem Zug ge­ wonnen wird, die also unverändert alle Bestandteile der dabei zutage geförderten Milch enthält. Die teil­ weise Entrahmung der Milch begründet als Entziehung eines ihrer natürlichen Nährbestandteile, des Fettes, eine Wertminderung, und bildet, wenn die Milch als Vollmilch in den Handel gebracht wird, eine Verfäl­ schung. Das gleiche hatte für die Beifügung des fett­ armen Vorgemelkes zu gelten. Eine Verfälschung eines Nahrungs- oder Genußmittels liegt dann vor, wenn an seiner normalen stofflichen Zusammensetzung eine Ver. änderung eingetreten ist, durch die es einen seinem wahren Wesen nicht entsprechenden Schein erhält, sei es, daß es durch Entnehmen oder Zusatz von Stoffen ver­ schlechtert, sei es, daß ihm der Schein einer besseren als seiner wirklichen Beschaffenheit verliehen worden ist. Hiernach kann eine Verfälschung auch durch Vermischung einer Ware mit einer anderen von geringerem Werte vorgenommen werden. (I, 15. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 49—51. Vgl. Bd. 3 S. 234; Bd. 14 S. 428; Bd. 33 S. 26. 24. Mord. Raub. Unterschlagung. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 211, 249.) In einem Eisenbahnzug begab sich ein Mann in ein Abteil, worin ein Fahrgast allein saß, in der Absicht, diesem seine Wertsachen abzunehmen und ihn, falls er sich widersetzen würde, zu erschießen. Er führte diese Absicht aus. Das Schwurgericht nahm an, daß er durch die Tötung den Gewahrsam an den Sachen seines Opfers erlangt und demgemäß sich Sachen zuge-

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Strafsachen Bd. 60

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eignet hatte, die er schon in seinem Gewahrsam hatte; es hatte demgemäß wegen Mordes in Tateinheit mit Unterschlagung verurteilt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Das Schwurgericht hatte übersehen, daß der Zweck der Tötung gewesen war, sich die Verfügungs­ gewalt über die Wertsachen des Opfers zu verschaffen; der in der Tötungsabsicht abgegebene Schuß war also eine Gewaltanwendung im Sinne der Vorschriften über Raub; mit ihm wurde schon die Ausführung dieses Verbrechens begonnen und zugleich, da der Angeklagte sich durch die Tötung seines Opfers die alleinige Herr­ schaft über die diesem gehörigen Sachen, den Gewahrsam an ihnen verschaffte, auch vollendet worden. Die kör­ perliche Ergreifung der Sache war dann nur eine der Wegnahme der Sachen nachfolgende Handlung ohne rechtlichen Gehalt. Anders wäre die Sache zu beur­ teilen gewesen, wenn der Plan des Täters nicht auf die Erlangung der Sachen gerichtet gewesen wäre, die Wegnahme sich vielmehr erst der aus einem anderen Grund vorgenommenen Tötung angeschlossen hätte. (I, 19. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 51—52. Vgl. Bd. 56 S. 23; Bd. 58 S. 228, Bd. 59 S. 273. 25. Unlauterer Wettbewerb. Tateinheit. Einziehung. Revisionsanträge. (StGB. §§ 40, 73; UnlWG. § 17; StPO. § 345.) Ein Maschinenfabrikant veranlaßte einen Angestellten einer anderen Fabrik, ihm Mitteilungen über eine dort hergestellte Maschine zu machen, und stellte unter Verwertung dieser Mitteilungen selbst Maschinen dieser Art her. Das Reichsgericht entschied, daß dieses Verhalten zwei Vergehen des unlauteren Wettbewerbs in sachlichem Zusammenhang darstelle. Für den Täter, der die unbefugt zu erlangende Kenntnis unbefugt zum Wettbewerb verwenden will, bildet die An­ stiftung eines Angestellten zu einer Mitteilung von Be­ triebsgeheimnissen eine Vorbereitung der beabsichtigten unlauteren Verwertung dieses Geheimnisses; auf keiner Stufe seines Tuns bildet dieses zugleich ein Tatbestands­ merkmal der Verwertung. Die Unmöglichkeit von Tat­ einheit muß um so mehr angenommen werden, als sich die beiden Verfehlungen gegen verschiedene Rechtsgüter richtenin einem Fall ist das Betriebsgeheimnis und die Ver­ tragstreue eines Angestellten, im anderen die ungestörte

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eignet hatte, die er schon in seinem Gewahrsam hatte; es hatte demgemäß wegen Mordes in Tateinheit mit Unterschlagung verurteilt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Das Schwurgericht hatte übersehen, daß der Zweck der Tötung gewesen war, sich die Verfügungs­ gewalt über die Wertsachen des Opfers zu verschaffen; der in der Tötungsabsicht abgegebene Schuß war also eine Gewaltanwendung im Sinne der Vorschriften über Raub; mit ihm wurde schon die Ausführung dieses Verbrechens begonnen und zugleich, da der Angeklagte sich durch die Tötung seines Opfers die alleinige Herr­ schaft über die diesem gehörigen Sachen, den Gewahrsam an ihnen verschaffte, auch vollendet worden. Die kör­ perliche Ergreifung der Sache war dann nur eine der Wegnahme der Sachen nachfolgende Handlung ohne rechtlichen Gehalt. Anders wäre die Sache zu beur­ teilen gewesen, wenn der Plan des Täters nicht auf die Erlangung der Sachen gerichtet gewesen wäre, die Wegnahme sich vielmehr erst der aus einem anderen Grund vorgenommenen Tötung angeschlossen hätte. (I, 19. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 51—52. Vgl. Bd. 56 S. 23; Bd. 58 S. 228, Bd. 59 S. 273. 25. Unlauterer Wettbewerb. Tateinheit. Einziehung. Revisionsanträge. (StGB. §§ 40, 73; UnlWG. § 17; StPO. § 345.) Ein Maschinenfabrikant veranlaßte einen Angestellten einer anderen Fabrik, ihm Mitteilungen über eine dort hergestellte Maschine zu machen, und stellte unter Verwertung dieser Mitteilungen selbst Maschinen dieser Art her. Das Reichsgericht entschied, daß dieses Verhalten zwei Vergehen des unlauteren Wettbewerbs in sachlichem Zusammenhang darstelle. Für den Täter, der die unbefugt zu erlangende Kenntnis unbefugt zum Wettbewerb verwenden will, bildet die An­ stiftung eines Angestellten zu einer Mitteilung von Be­ triebsgeheimnissen eine Vorbereitung der beabsichtigten unlauteren Verwertung dieses Geheimnisses; auf keiner Stufe seines Tuns bildet dieses zugleich ein Tatbestands­ merkmal der Verwertung. Die Unmöglichkeit von Tat­ einheit muß um so mehr angenommen werden, als sich die beiden Verfehlungen gegen verschiedene Rechtsgüter richtenin einem Fall ist das Betriebsgeheimnis und die Ver­ tragstreue eines Angestellten, im anderen die ungestörte

Ausübung des Gewerbebetriebs geschützt. Die Unterge­ richte hatten auch auf Einziehung der unter Ausnützung der unbefugt erlangten Kenntnis hergestellten Maschinen erkannt. Das Reichsgericht billigte das. Dem Angeklag­ ten war nur durch diese Kenntnis ermöglicht worden, die Maschinen herzustellen; die Maschinen waren also unmittelbar durch das vorsätzlich begangene Vergehen des unlauteren Wettbewerbs hervorgebracht worden. Daß durch die Einziehung dem Angeklagten ein größerer Schaden entstand und daß er Maschinen der gleichen Art in Zukunft überhaupt nicht mehr anfertigen konnte, ohne in die Gefahr neuer Bestrafung zu kommen, stand der Anordnung der Einziehung nicht im Wege; der Ange­ klagte hatte all das dadurch verschuldet, daß er nicht nach anständigem Kaufmannsbrauch seine Erfahrungen erarbeitete oder die notwendigen technischen Unterlagen sich im Wege des Vertrages verschaffte. — Die Revi­ sionsbegründung war vom Angeklagten selbst geschrieben, von seinem Verteidiger nur unterzeichnet worden. Das genügte nur dann, wenn zum Ausdruck kam, daß der Verteidiger die Verantwortung für den Inhalt des Schriftstücks übernehmen wollte. Das Reichsgericht nahm das zugunsten des Angeklagten an, weil es wenigstens zum Teil eine vertretbare Ausführung enthielt. (I, 19. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 53—56. 26. Meineid. Angabe der Wahrheit. Slrafermätzigung. (StGB. §§ 154, 157.) In einem Ehescheidungs­ verfahren beschwor ein Zeuge, daß er mit der Frau des Klägers die Ehe nicht gebrochen, sie auch nicht geküßt habe. Die Aussage war unwahr. Er wurde wegen Mein­ eids verurteilt; Strafermäßigung wurde ihm versagt, weil er zwar durch die Angabe der Wahrheit über den Ehebruch, nicht aber über die ehewidrigen Beziehungen sich eine Strafverfolgung hätte zuziehen können. Seine Revision hatte Erfolg. Schon aus dem wahrheitsge­ mäßen Eingeständnis der ehewidrigen Beziehungen konnte sich ein zur Strafverfolgung des Angeklagten ausreichen­ der Verdacht des Ehebruchs ergeben; auch war die Ein­ heitlichkeit der Aussage nicht genügend berücksichtigt. Gegenstand der Vernehmung des Angeklagten war die Gesamtheit seiner für die Scheidungsklage erheblichen Beziehungen zu der Frau des Klägers; in diesem Sinne

Ausübung des Gewerbebetriebs geschützt. Die Unterge­ richte hatten auch auf Einziehung der unter Ausnützung der unbefugt erlangten Kenntnis hergestellten Maschinen erkannt. Das Reichsgericht billigte das. Dem Angeklag­ ten war nur durch diese Kenntnis ermöglicht worden, die Maschinen herzustellen; die Maschinen waren also unmittelbar durch das vorsätzlich begangene Vergehen des unlauteren Wettbewerbs hervorgebracht worden. Daß durch die Einziehung dem Angeklagten ein größerer Schaden entstand und daß er Maschinen der gleichen Art in Zukunft überhaupt nicht mehr anfertigen konnte, ohne in die Gefahr neuer Bestrafung zu kommen, stand der Anordnung der Einziehung nicht im Wege; der Ange­ klagte hatte all das dadurch verschuldet, daß er nicht nach anständigem Kaufmannsbrauch seine Erfahrungen erarbeitete oder die notwendigen technischen Unterlagen sich im Wege des Vertrages verschaffte. — Die Revi­ sionsbegründung war vom Angeklagten selbst geschrieben, von seinem Verteidiger nur unterzeichnet worden. Das genügte nur dann, wenn zum Ausdruck kam, daß der Verteidiger die Verantwortung für den Inhalt des Schriftstücks übernehmen wollte. Das Reichsgericht nahm das zugunsten des Angeklagten an, weil es wenigstens zum Teil eine vertretbare Ausführung enthielt. (I, 19. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 53—56. 26. Meineid. Angabe der Wahrheit. Slrafermätzigung. (StGB. §§ 154, 157.) In einem Ehescheidungs­ verfahren beschwor ein Zeuge, daß er mit der Frau des Klägers die Ehe nicht gebrochen, sie auch nicht geküßt habe. Die Aussage war unwahr. Er wurde wegen Mein­ eids verurteilt; Strafermäßigung wurde ihm versagt, weil er zwar durch die Angabe der Wahrheit über den Ehebruch, nicht aber über die ehewidrigen Beziehungen sich eine Strafverfolgung hätte zuziehen können. Seine Revision hatte Erfolg. Schon aus dem wahrheitsge­ mäßen Eingeständnis der ehewidrigen Beziehungen konnte sich ein zur Strafverfolgung des Angeklagten ausreichen­ der Verdacht des Ehebruchs ergeben; auch war die Ein­ heitlichkeit der Aussage nicht genügend berücksichtigt. Gegenstand der Vernehmung des Angeklagten war die Gesamtheit seiner für die Scheidungsklage erheblichen Beziehungen zu der Frau des Klägers; in diesem Sinne

umfaßte seine Versicherung, die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen zu haben, das abgelegte Zeignis als Ganzes und im Zusammenhang. Zur Erfüllung der Eidespflicht hätte es nicht genügt, wenn der Zeuge nur die ehewidrigen Beziehungen zugegeben hätte; sein Zeug­ nis blieb falsch und sein Eid ein Meineid, wenn er nicht die ganze Wahrheit bekannte und auch den Ehebruch zu­ gestand. Das Bekennen der ganzen Wahrheit hätte ihn aber in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung gebracht. Bei der Eidesleistung war somit der Tatbestand der Ge­ wissensnot gegeben, die der Vorschrift der Strafermäßi­ gung zugrunde liegt. (II, 21. Januar 1926. Amtl. Sammlg. S. 56—58.

27. Offenbarungseid.

Meineid.

Falscheid.

Tatein­

heit. (StGB. §§ 73, 154, 163; ZPO. § 807.) Auf Grund unrichtiger Angaben bei Ableistung des Offenbarungseidss wurde der Angeklagte wegen Meineids und fahrlässigen Falscheids in rechtlichem Zusammenfluß verurteilt. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids auf. Tateinheit zwischen vorsätz­ lichen und fahrlässigen Straftaten ist nicht ausgeschlos­ sen; ob sie aber im einzelnen Fall möglich ist, hängt von den Umständen ab. So ist schon entschieden worden, daß eine gegen eine einzige Person verübte Körperverletzung nicht zugleich als vorsätzliche Mißhandlung und fahr­ lässige Körperverletzung angesehen werden könne. So lag der Fall auch hier. Wenn der Angeklagte die Unrichtig­ keit seiner Versicherung kannte, war neben der Ver­ urteilung wegen Meineids kein Raum mehr für eine Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids, mochte er auch in dem übergebenen Verzeichnis Vermögensstücke nur fahrlässig verschwiegen haben. (III, 21. Jan. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 58—59. Vgl. Bd. 48 S. 250. 28. Beschäftigung Schwerbeschädigter. Buße. (SchwerBeschG. 88 1, 5, 7, 18, 26.) Ein Fabrikant, der mehr als 20 Arbeitsplätze hatte, wurde von der Fürsorgestelle für Schwerbeschädigte aufgefordert, Schwerbeschädigte ein­ zustellen. Er gab an, daß er seinen Betrieb verkleinern wolle, daß er aber vielleicht einen Nachtwächter brauchen könne. Die Fürsorgestelle sandte ihm darauf einen Schwerbeschädigten zu; er lehnte aber die Einstellung ab.

umfaßte seine Versicherung, die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen zu haben, das abgelegte Zeignis als Ganzes und im Zusammenhang. Zur Erfüllung der Eidespflicht hätte es nicht genügt, wenn der Zeuge nur die ehewidrigen Beziehungen zugegeben hätte; sein Zeug­ nis blieb falsch und sein Eid ein Meineid, wenn er nicht die ganze Wahrheit bekannte und auch den Ehebruch zu­ gestand. Das Bekennen der ganzen Wahrheit hätte ihn aber in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung gebracht. Bei der Eidesleistung war somit der Tatbestand der Ge­ wissensnot gegeben, die der Vorschrift der Strafermäßi­ gung zugrunde liegt. (II, 21. Januar 1926. Amtl. Sammlg. S. 56—58.

27. Offenbarungseid.

Meineid.

Falscheid.

Tatein­

heit. (StGB. §§ 73, 154, 163; ZPO. § 807.) Auf Grund unrichtiger Angaben bei Ableistung des Offenbarungseidss wurde der Angeklagte wegen Meineids und fahrlässigen Falscheids in rechtlichem Zusammenfluß verurteilt. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids auf. Tateinheit zwischen vorsätz­ lichen und fahrlässigen Straftaten ist nicht ausgeschlos­ sen; ob sie aber im einzelnen Fall möglich ist, hängt von den Umständen ab. So ist schon entschieden worden, daß eine gegen eine einzige Person verübte Körperverletzung nicht zugleich als vorsätzliche Mißhandlung und fahr­ lässige Körperverletzung angesehen werden könne. So lag der Fall auch hier. Wenn der Angeklagte die Unrichtig­ keit seiner Versicherung kannte, war neben der Ver­ urteilung wegen Meineids kein Raum mehr für eine Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids, mochte er auch in dem übergebenen Verzeichnis Vermögensstücke nur fahrlässig verschwiegen haben. (III, 21. Jan. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 58—59. Vgl. Bd. 48 S. 250. 28. Beschäftigung Schwerbeschädigter. Buße. (SchwerBeschG. 88 1, 5, 7, 18, 26.) Ein Fabrikant, der mehr als 20 Arbeitsplätze hatte, wurde von der Fürsorgestelle für Schwerbeschädigte aufgefordert, Schwerbeschädigte ein­ zustellen. Er gab an, daß er seinen Betrieb verkleinern wolle, daß er aber vielleicht einen Nachtwächter brauchen könne. Die Fürsorgestelle sandte ihm darauf einen Schwerbeschädigten zu; er lehnte aber die Einstellung ab.

umfaßte seine Versicherung, die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen zu haben, das abgelegte Zeignis als Ganzes und im Zusammenhang. Zur Erfüllung der Eidespflicht hätte es nicht genügt, wenn der Zeuge nur die ehewidrigen Beziehungen zugegeben hätte; sein Zeug­ nis blieb falsch und sein Eid ein Meineid, wenn er nicht die ganze Wahrheit bekannte und auch den Ehebruch zu­ gestand. Das Bekennen der ganzen Wahrheit hätte ihn aber in die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung gebracht. Bei der Eidesleistung war somit der Tatbestand der Ge­ wissensnot gegeben, die der Vorschrift der Strafermäßi­ gung zugrunde liegt. (II, 21. Januar 1926. Amtl. Sammlg. S. 56—58.

27. Offenbarungseid.

Meineid.

Falscheid.

Tatein­

heit. (StGB. §§ 73, 154, 163; ZPO. § 807.) Auf Grund unrichtiger Angaben bei Ableistung des Offenbarungseidss wurde der Angeklagte wegen Meineids und fahrlässigen Falscheids in rechtlichem Zusammenfluß verurteilt. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids auf. Tateinheit zwischen vorsätz­ lichen und fahrlässigen Straftaten ist nicht ausgeschlos­ sen; ob sie aber im einzelnen Fall möglich ist, hängt von den Umständen ab. So ist schon entschieden worden, daß eine gegen eine einzige Person verübte Körperverletzung nicht zugleich als vorsätzliche Mißhandlung und fahr­ lässige Körperverletzung angesehen werden könne. So lag der Fall auch hier. Wenn der Angeklagte die Unrichtig­ keit seiner Versicherung kannte, war neben der Ver­ urteilung wegen Meineids kein Raum mehr für eine Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids, mochte er auch in dem übergebenen Verzeichnis Vermögensstücke nur fahrlässig verschwiegen haben. (III, 21. Jan. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 58—59. Vgl. Bd. 48 S. 250. 28. Beschäftigung Schwerbeschädigter. Buße. (SchwerBeschG. 88 1, 5, 7, 18, 26.) Ein Fabrikant, der mehr als 20 Arbeitsplätze hatte, wurde von der Fürsorgestelle für Schwerbeschädigte aufgefordert, Schwerbeschädigte ein­ zustellen. Er gab an, daß er seinen Betrieb verkleinern wolle, daß er aber vielleicht einen Nachtwächter brauchen könne. Die Fürsorgestelle sandte ihm darauf einen Schwerbeschädigten zu; er lehnte aber die Einstellung ab.

Das Schöffengericht sprach eine Buße gegen ihn aus; das Landgericht sprach ihn frei; das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Solange Arbeitsgerichte nicht bestehen, sind die Schöffengerichte zuständig, die nach dem Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter auszu­ sprechenden Bußen zu verhängen. Die Verhängung der Buße erfolgt im Weg eines Strafbefehls oder eines Urteils des Amtsrichters; die Anfechtung richtet sich nach den Vorschriften der Strafprozeßordnung. Da im vorliegenden Fall nicht der Amtsrichter, sondern das Schöffengericht in erster Instanz und demgemäß die große Strafkammer in zweiter Instanz entschieden hatte, war das Reichsgericht für die Revision zuständig. Nach dem Gesetz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter haben Arbeitgeber, die über 20 oder mehr Arbeitsplätze verfügen, Schwerbeschädigte in Beschäftigung zu nehmen, so oft sie einen freigewordenen alten oder einen neuen Arbeitsplatz besetzen wollen. Einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen oder einen schon angestellten Arbeiter zu ent­ lassen, um einen Schwerbeschädigten aufzunehmen, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet. Die Vorschrift, daß bei der Einstellung Schwerbeschädigte grundsätzlich anderen Bewerbern vorzuziehen seien, hatte das Landgericht in dem Sinne ausgelegt, daß ein Verstoß gegen die Ein­ stellungspflichten nur dann in Frage komme, wenn sich außer dem Schwerbeschädigten noch ein anderer Arbeiter beworben habe und diesem der Vorzug gegeben worden sei. Das Reichsgericht entschied, daß immer in solchen Fällen ein Schwerbeschädigter einzustellen und, falls andere Bewerber neben ihm auftreten, zu bevorzugen sei. Erst wenn ein Arbeitgeber seiner Einstellungspflicht in diesem Sinne zuwidergehandelt und insoferne nicht die vorgeschriebene Anzahl von Schwerbeschädigten ein­ gestellt hat, können (und zwar nunmehr ohne Rücksicht darauf, ob der Arbeitsplatz frei ist oder nicht) die Zwangsmaßregeln des Gesetzes angewendet werden. Hatte der Angeklagte eine Nachtwächterstelle neu geschaffen, so mußte er auf sie einen Schwerbeschädigten berufen. Zur Prüfung dieses Punktes wurde die Sache zurückver­ wiesen. (II, 21. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 59—63.

29. Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts. Schlafen eines Gerichtsmitglieds. Absoluter Revisions­ grund. (StPO. § 338.) In der Revision war gerügt, daß einer der Schöffen nahezu während der ganzen Sitzung geschlafen habe. Das Reichsgericht verwies auf seine frühere Rechtsprechung, wonach der absolute Revi­ sionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nur dann zutrifft, wenn ein Richter mitwirkte, der nicht in gesetzlicher Weise berufen war, nicht aber schon dann, wenn ein Mitglied des Gerichts während der Sitzung schlief; es erklärte aber, hieran nicht festhalten zu können. Ein Gericht ist auch dann nicht vorschrifts­ mäßig besetzt, wenn ein Richter unfähig ist, die Vorgänge während der Hauptverhandlung wahrzunehmen. Aus diesem Grunde können Blinde und Taube nicht das Amt eines Richters ausüben, obwohl ein ausdrückliches Verbot für sie nicht besteht. Dem muß gleichgeachtet werden, wenn ein Richter oder Schöffe in so tiefen Schlaf ver­ fallen ist, daß er die Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht mehr wahrnimmt. Einer Entscheidung der ver­ einigten Strafsenate über diese Frage bedurfte es nicht, weil weder bewiesen, noch glaubhaft gemacht war, daß der Schöffe tatsächlich geschlafen hatte. Zeichen großer Ermüdung, Neigung zum Schlafen, Kämpfen mit dem Schlaf sind noch kein sicherer Beweis, daß der Scböffe die Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht mehr wahrnehmen konnte. Selbst ein gelegentliches Schnarchen, wie es int vorliegenden Falle bestätigt worden war, kann noch nicht auf diese Weise gedeutet werden; es schloß nicht aus, daß der Schöffe, vielleicht gerade in­ folge des von ihm verursachten Geräusches, alsbald wieder munter wurde. (I, 22. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 63—65. 30. Amtsunterschlagung. Unrichtige Belege. (StGB. §§ 350, 351.) Ein Postbote unterschlug einen Einschreibe­ brief. Zur Verdeckung der Unterschlagung ließ er sich für einen anderen, an den gleichen Empfänger gerich­ teten einfachen Brief eine Empfangsbestätigung aus­ stellen und legte diesen Ablieferungsschein seiner vorge­ setzten Behörde vor. Er wurde wegen schwerer Amts­ unterschlagung verurteilt; seine Revision wurde ver­ worfen. Der Ablieferungsschein war schon um deswillen

29. Vorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts. Schlafen eines Gerichtsmitglieds. Absoluter Revisions­ grund. (StPO. § 338.) In der Revision war gerügt, daß einer der Schöffen nahezu während der ganzen Sitzung geschlafen habe. Das Reichsgericht verwies auf seine frühere Rechtsprechung, wonach der absolute Revi­ sionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts nur dann zutrifft, wenn ein Richter mitwirkte, der nicht in gesetzlicher Weise berufen war, nicht aber schon dann, wenn ein Mitglied des Gerichts während der Sitzung schlief; es erklärte aber, hieran nicht festhalten zu können. Ein Gericht ist auch dann nicht vorschrifts­ mäßig besetzt, wenn ein Richter unfähig ist, die Vorgänge während der Hauptverhandlung wahrzunehmen. Aus diesem Grunde können Blinde und Taube nicht das Amt eines Richters ausüben, obwohl ein ausdrückliches Verbot für sie nicht besteht. Dem muß gleichgeachtet werden, wenn ein Richter oder Schöffe in so tiefen Schlaf ver­ fallen ist, daß er die Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht mehr wahrnimmt. Einer Entscheidung der ver­ einigten Strafsenate über diese Frage bedurfte es nicht, weil weder bewiesen, noch glaubhaft gemacht war, daß der Schöffe tatsächlich geschlafen hatte. Zeichen großer Ermüdung, Neigung zum Schlafen, Kämpfen mit dem Schlaf sind noch kein sicherer Beweis, daß der Scböffe die Vorgänge in der Hauptverhandlung nicht mehr wahrnehmen konnte. Selbst ein gelegentliches Schnarchen, wie es int vorliegenden Falle bestätigt worden war, kann noch nicht auf diese Weise gedeutet werden; es schloß nicht aus, daß der Schöffe, vielleicht gerade in­ folge des von ihm verursachten Geräusches, alsbald wieder munter wurde. (I, 22. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 63—65. 30. Amtsunterschlagung. Unrichtige Belege. (StGB. §§ 350, 351.) Ein Postbote unterschlug einen Einschreibe­ brief. Zur Verdeckung der Unterschlagung ließ er sich für einen anderen, an den gleichen Empfänger gerich­ teten einfachen Brief eine Empfangsbestätigung aus­ stellen und legte diesen Ablieferungsschein seiner vorge­ setzten Behörde vor. Er wurde wegen schwerer Amts­ unterschlagung verurteilt; seine Revision wurde ver­ worfen. Der Ablieferungsschein war schon um deswillen

als unrichtiger Beleg zu den über die Briefbestellungen geführten Kontrollregistern anzusehen, weil er zum Nach­ weis einer Bestellung, die gar nicht erfolgt war, nämlich der des unterschlagenen Briefes, der Kontrollstelle vor­ gelegt wurde. Er war überdies ein unrichtiger Beleg wegen seines unrichtigen, den Tatsachen nicht entsprechen­ den Inhalts, obwohl diese Unrichtigkeit nicht auf einer Verfälschung, sondern auf einer Täuschung des quittung­ leistenden Empfängers beruhte; weder durch den Wort­ laut noch durch den Sinn und Zweck des Gesetzes wird es gerechtfertigt, nur verfälschte Belege als unrichtige anzusehen. Der Wortlaut spricht gegen eine solche Be­ schränkung, indem er bei den Registern und Büchern zwischen unrichtiger Führung und Verfälschung unter­ scheidet, bei den Belegen dagegen nur von unrichtigen spricht, also einen weit umfassenderen Ausdruck wählt. Zweck der Bestimmung über Belege kann aber nur sein, diese unentbehrliche Unterlage jeder Bücher- und Re­ gisterprüfung auf deren sachliche (nicht nur äußerliche) Richtigkeit vor mißbräuchlicher Verwendung falscher Be­ weismittel zu schützen; dabei darf es keinen Unterschied machen, ob die Unrichtigkeit in eigentlicher Verfälschung oder in der Erschleichung eines unrichtigen Inhalts echter Beweisurkunden besteht. Abzulehnen ist darum die Auffassung, wonach ein Beleg als unrichtig nur dann gilt, wenn er inhaltlich etwas anderes als das vom Aussteller zum Ausdruck Gebrachte besagt, also irgendwie gefälscht ist, nicht schon dann, wenn er eine sachlich unrichtige (erschlichene oder betrügliche) Bekun­ dung des Ausstellers enthält. (II, 28. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 65—67. 31. Totschlag. Beendigung eines Unternehmens. Er­ greifung auf frischer Tat. (StGB. § 214.) Drei Män­ ner, die miteinander einen Raub begangen hatten, flüch­ teten sich und konnten nicht mehr erreicht werden. Einige Stunden später kehrten sie an einem anderen Ort in eine Wirtschaft ein; da die Kunde von dem Raub sich schon verbreitet hatte, wurden sie sofort erkannt. Sie flüch­ teten sich neuerdings; einer von ihnen gab auf die Ver­ folger mehrere Schüsse ab. Er wurde wegen versuchten schweren Totschlags verurteilt. Seine Revision wurde verworfen. Der Totschlag ist mit erhöhter Strafe be-

als unrichtiger Beleg zu den über die Briefbestellungen geführten Kontrollregistern anzusehen, weil er zum Nach­ weis einer Bestellung, die gar nicht erfolgt war, nämlich der des unterschlagenen Briefes, der Kontrollstelle vor­ gelegt wurde. Er war überdies ein unrichtiger Beleg wegen seines unrichtigen, den Tatsachen nicht entsprechen­ den Inhalts, obwohl diese Unrichtigkeit nicht auf einer Verfälschung, sondern auf einer Täuschung des quittung­ leistenden Empfängers beruhte; weder durch den Wort­ laut noch durch den Sinn und Zweck des Gesetzes wird es gerechtfertigt, nur verfälschte Belege als unrichtige anzusehen. Der Wortlaut spricht gegen eine solche Be­ schränkung, indem er bei den Registern und Büchern zwischen unrichtiger Führung und Verfälschung unter­ scheidet, bei den Belegen dagegen nur von unrichtigen spricht, also einen weit umfassenderen Ausdruck wählt. Zweck der Bestimmung über Belege kann aber nur sein, diese unentbehrliche Unterlage jeder Bücher- und Re­ gisterprüfung auf deren sachliche (nicht nur äußerliche) Richtigkeit vor mißbräuchlicher Verwendung falscher Be­ weismittel zu schützen; dabei darf es keinen Unterschied machen, ob die Unrichtigkeit in eigentlicher Verfälschung oder in der Erschleichung eines unrichtigen Inhalts echter Beweisurkunden besteht. Abzulehnen ist darum die Auffassung, wonach ein Beleg als unrichtig nur dann gilt, wenn er inhaltlich etwas anderes als das vom Aussteller zum Ausdruck Gebrachte besagt, also irgendwie gefälscht ist, nicht schon dann, wenn er eine sachlich unrichtige (erschlichene oder betrügliche) Bekun­ dung des Ausstellers enthält. (II, 28. Januar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 65—67. 31. Totschlag. Beendigung eines Unternehmens. Er­ greifung auf frischer Tat. (StGB. § 214.) Drei Män­ ner, die miteinander einen Raub begangen hatten, flüch­ teten sich und konnten nicht mehr erreicht werden. Einige Stunden später kehrten sie an einem anderen Ort in eine Wirtschaft ein; da die Kunde von dem Raub sich schon verbreitet hatte, wurden sie sofort erkannt. Sie flüch­ teten sich neuerdings; einer von ihnen gab auf die Ver­ folger mehrere Schüsse ab. Er wurde wegen versuchten schweren Totschlags verurteilt. Seine Revision wurde verworfen. Der Totschlag ist mit erhöhter Strafe be-

32________________ Strafsachen Bd.60_______________ 28 droht, wenn er bei Unternehmung einer strafbaren Harrdlung begangen wird, um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen. Der Strafschärfung unterliegt sonach der Totschlag nicht nur während der ganzen Dauer der Unternehmung, sondern auch nach ihrer Beendigung noch solange, als eine Verfolgung und Ergreifung auf frischer Tat in Betracht kommt. Innerhalb dieser Grenzen hielt sich die dem Angeklagten zur Last gelegte Handlung. Obwohl damals der Raub schon mehrere Stunden vor­ her vollendet war, war die räuberische Unternehmung' doch noch nicht als beendet anzusehen, denn die Ange­ klagten waren noch beim Wegschaffen der Beute be­ griffen, wollten also das Wegnehmen zum Abschluß brin­ gen und bis zu diesem mit der Unternehmung ange­ strebten Erfolg fortsetzen; die Beendigung der Unter­ nehmung stand also noch aus. Außerdem lag der Er­ schwerungsgrund schon deshalb vor, weil damals noch eine Verfolgung der Angeklagten auf frischer Tat statt­ fand. Die Verfolgung der Angeklagten war alsbald nach der Tat unternommen worden und hatte ununterbrochen fortgedauert, indem man, um ihre Ergreifung herbeizu­ führen, das Geschehnis sofort fernmündlich nach ver­ schiedenen Richtungen bekanntgegeben hatte. Hierdurch war auch erreicht worden, daß man die Räuber sofort erkannte und zu ergreifen suchte. Die Sache war ebenso anzusehen, wie wenn ihnen vom Tatort jemand nachge­ eilt wäre, um ihnen den Weg zu verlegen oder sie auf der Flucht abzufassen. (II, 1. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 67—69. Vgl. Bd. 55 S. 82- RGZ. Bd. 111 S. 370. 32. Offenbarungseid. Eigentümergrundschuld. Irr­ tum. (StGB. §§ 59, 154, 163; BGB. §§ 1163, 1177; ZPO. § 807.) Eine Frau ließ für ihren Mann auf einem ihr gehörigen Haus eine Hypothek für ein Dar­ lehen eintragen. Das Darlehen wurde in Wirklichkeit nicht gegeben. Der Mann wurde zur Ableistung des Offenbarungseides vorgeladen. In dem Vermögensver­ zeichnis, das er bei dieser Gelegenheit vorlegte, verneinte er die Frage, ob er als Pfandgläubiger im Grundbuch eingetragen sei. Er wurde wegen Meineids verurteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der zum Osfenbarungseid geladene Schuldner ist verpflichtet, ein

32________________ Strafsachen Bd.60_______________ 28 droht, wenn er bei Unternehmung einer strafbaren Harrdlung begangen wird, um sich der Ergreifung auf frischer Tat zu entziehen. Der Strafschärfung unterliegt sonach der Totschlag nicht nur während der ganzen Dauer der Unternehmung, sondern auch nach ihrer Beendigung noch solange, als eine Verfolgung und Ergreifung auf frischer Tat in Betracht kommt. Innerhalb dieser Grenzen hielt sich die dem Angeklagten zur Last gelegte Handlung. Obwohl damals der Raub schon mehrere Stunden vor­ her vollendet war, war die räuberische Unternehmung' doch noch nicht als beendet anzusehen, denn die Ange­ klagten waren noch beim Wegschaffen der Beute be­ griffen, wollten also das Wegnehmen zum Abschluß brin­ gen und bis zu diesem mit der Unternehmung ange­ strebten Erfolg fortsetzen; die Beendigung der Unter­ nehmung stand also noch aus. Außerdem lag der Er­ schwerungsgrund schon deshalb vor, weil damals noch eine Verfolgung der Angeklagten auf frischer Tat statt­ fand. Die Verfolgung der Angeklagten war alsbald nach der Tat unternommen worden und hatte ununterbrochen fortgedauert, indem man, um ihre Ergreifung herbeizu­ führen, das Geschehnis sofort fernmündlich nach ver­ schiedenen Richtungen bekanntgegeben hatte. Hierdurch war auch erreicht worden, daß man die Räuber sofort erkannte und zu ergreifen suchte. Die Sache war ebenso anzusehen, wie wenn ihnen vom Tatort jemand nachge­ eilt wäre, um ihnen den Weg zu verlegen oder sie auf der Flucht abzufassen. (II, 1. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 67—69. Vgl. Bd. 55 S. 82- RGZ. Bd. 111 S. 370. 32. Offenbarungseid. Eigentümergrundschuld. Irr­ tum. (StGB. §§ 59, 154, 163; BGB. §§ 1163, 1177; ZPO. § 807.) Eine Frau ließ für ihren Mann auf einem ihr gehörigen Haus eine Hypothek für ein Dar­ lehen eintragen. Das Darlehen wurde in Wirklichkeit nicht gegeben. Der Mann wurde zur Ableistung des Offenbarungseides vorgeladen. In dem Vermögensver­ zeichnis, das er bei dieser Gelegenheit vorlegte, verneinte er die Frage, ob er als Pfandgläubiger im Grundbuch eingetragen sei. Er wurde wegen Meineids verurteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der zum Osfenbarungseid geladene Schuldner ist verpflichtet, ein

Verzeichnis seines Vermögens vorzulegen und zu be­ schwören, daß er nach bestem Wissen sein Vermögen so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei. Da der Zweck des Verfahrens ist, dem betreibenden Gläu­ biger Unterlagen für die Zwangsvollstreckung zu ver­ schaffen, müssen alle Bestandteile des Vermögens ange­ geben werden, die .tarn Zugriff des Gläubigers an und für sich zugänglich sind. Der Begriff des Vermögens ist kein ausschließlich rechtlicher, sondern auch ein wirtschaft­ licher; daraus ergibt sich, daß Gegenstände, die ohne allen Vermögenswert sind, als Bestandteil des Ver­ mögens des Schuldners ausscheiden und in das Verzeich­ nis nicht ausgenommen zu werden brauchen. Der An­ geklagte hatte vor dem Untersuchungsrichter erklärt, er habe bei der Ausstellung des Bermögensverzeichnisses wohl an die Hypothek gedacht, sei aber im Zweifel ge­ wesen, ob er sie anführen müsse, weil sie ihm seine Frau nur für den Fall ihres Todes eingeräumt habe. Das Schwurgericht hatte mit Rücksicht hierauf der späteren Angabe des Angeklagten, er habe an die Hypothek nicht gedacht, keinen Glauben beigemessen, vielmehr angenom­ men, daß er die Hypothek absichtlich verschwiegen habe. Dagegen hatte das Schwurgericht nicht geprüft, ob der Angeklagte zur Angabe der Hypothek verpflichtet war. Der Umstand, daß der Angeklagte seiner Frau das Dar­ lehen, für das die Hypothek bestellt worden war, nicht gewährt habe, ergab allerdings noch nicht, daß ihm die Hypothek nicht zustand; möglicherweise war eine andere Schuld seiner Frau gegen ihn in ein Darlehen umgewandelt worden. Das Reichsgericht prüfte auch, wie die Sache zu beurteilen sei, wenn die Frau das Darlehens­ versprechen schenkungsweise abgegeben oder die Hypothek schenkungsweise eingeräumt hatte; es kam zu dem Er­ gebnis, daß in diesem Fall eine Hypothek für den An­ geklagten nicht entstanden war, weil das Schenkungsver­ sprechen mangels der gesetzlichen Form der Gültigkeit entbehrte und durch die Bestellung der Hypothek auch nicht erfüllt worden war. Die Hypothek stand in diesem Fall der Frau des Angeklagten als Eigentümergrund­ schuld zu. Ein solches ungültiges Schenkungsversprecheu konnte auch nicht in ein wirksames Darlehen umgewan­ delt werden. Wenn die Sache so lag, brauchte der AngeRSG., Strafsachen Bd. 60.

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klagte die Hypothek nicht in sein Vermögensverzeichnis einzutragen. Aber auch wenn die durch die Hypothek ge­ sicherte persönliche Forderung zur Entstehung gelangt war, hätte das Schwurgericht den Einwand des Ange­ klagten, daß er die Hypothek für wertlos gehalten habe, prüfen müssen. Hätte sich dabei herausgestellt, daß der Angeklagte sich über Rechtssätze des bürgerlichen Rechts geirrt hatte, so wäre dieser Irrtum seiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Verletzung der Eidespflicht im Wege gestanden; es wäre weiter zu untersuchen gewesen, ob der Irrtum nicht selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war und ob demgemäß Verurteilung wegen Falscheides erfolgen mußte. (I, 2. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 69—75. Vgl. Bd. 27 S. 267; Bd. 45 S. 429; Bd. 60 S. 37; RGZ. Bd. 76 S. 59; Bd. 78 S. 398; Bd. 88 S. 366. 33. Steuerstrafverfahren. Kommanditgesellschaft. Ver­ treter. Revisionsanträge. Fristbeginn. (RAbgO. §§ 357, 377; HGB. §§ 125, 126, 161; StPO. §§ 341, 343.) In einem Steuerstrafverfahren gegen eine Kommanditgesell­ schaft wurde das Urteil in Gegenwart eines der persön­ lich haftenden Gesellschafter am 28. August 1925 ver­ kündet; der Gesellschaft wurde es am 16. September 1925 zugestellt. Am 3. September 1925 war Revision eingelegt worden; am 28. September 1925 kamen die Revisions­ anträge in den Einlauf des Landgerichts. Zu dieser Zeit war die Frist für die Revisionsbegründung schon abgelaufen. Eine Kommanditgesellschaft wird bei allen gerichtlichen Rechtshandlungen wirksam vertreten durch jeden persönlich haftenden Gesellschafter, woferne nicht durch Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist; das war hier nicht der Fall. Der persönlich haftende Gesell­ schafter war also berechtigt, für die angeklagte Gesell­ schaft die Urteilsbegründung entgegenzunehmen. Hier­ nach hatte die Frist für die Begründung der Revisions­ anträge mit der Urteilszustellung zu laufen begonnen, (II, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 75—77. 34. Vorsätzliche Brandstiftung durch Unterlassung. (StGB. 88 306, 309.) Ein Bauer betrat seinen mit Heu und Stroh gefüllten Heuboden mit brennender Pfeife; er sah, daß von dieser Funken in das Stroh

klagte die Hypothek nicht in sein Vermögensverzeichnis einzutragen. Aber auch wenn die durch die Hypothek ge­ sicherte persönliche Forderung zur Entstehung gelangt war, hätte das Schwurgericht den Einwand des Ange­ klagten, daß er die Hypothek für wertlos gehalten habe, prüfen müssen. Hätte sich dabei herausgestellt, daß der Angeklagte sich über Rechtssätze des bürgerlichen Rechts geirrt hatte, so wäre dieser Irrtum seiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Verletzung der Eidespflicht im Wege gestanden; es wäre weiter zu untersuchen gewesen, ob der Irrtum nicht selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war und ob demgemäß Verurteilung wegen Falscheides erfolgen mußte. (I, 2. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 69—75. Vgl. Bd. 27 S. 267; Bd. 45 S. 429; Bd. 60 S. 37; RGZ. Bd. 76 S. 59; Bd. 78 S. 398; Bd. 88 S. 366. 33. Steuerstrafverfahren. Kommanditgesellschaft. Ver­ treter. Revisionsanträge. Fristbeginn. (RAbgO. §§ 357, 377; HGB. §§ 125, 126, 161; StPO. §§ 341, 343.) In einem Steuerstrafverfahren gegen eine Kommanditgesell­ schaft wurde das Urteil in Gegenwart eines der persön­ lich haftenden Gesellschafter am 28. August 1925 ver­ kündet; der Gesellschaft wurde es am 16. September 1925 zugestellt. Am 3. September 1925 war Revision eingelegt worden; am 28. September 1925 kamen die Revisions­ anträge in den Einlauf des Landgerichts. Zu dieser Zeit war die Frist für die Revisionsbegründung schon abgelaufen. Eine Kommanditgesellschaft wird bei allen gerichtlichen Rechtshandlungen wirksam vertreten durch jeden persönlich haftenden Gesellschafter, woferne nicht durch Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist; das war hier nicht der Fall. Der persönlich haftende Gesell­ schafter war also berechtigt, für die angeklagte Gesell­ schaft die Urteilsbegründung entgegenzunehmen. Hier­ nach hatte die Frist für die Begründung der Revisions­ anträge mit der Urteilszustellung zu laufen begonnen, (II, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 75—77. 34. Vorsätzliche Brandstiftung durch Unterlassung. (StGB. 88 306, 309.) Ein Bauer betrat seinen mit Heu und Stroh gefüllten Heuboden mit brennender Pfeife; er sah, daß von dieser Funken in das Stroh

klagte die Hypothek nicht in sein Vermögensverzeichnis einzutragen. Aber auch wenn die durch die Hypothek ge­ sicherte persönliche Forderung zur Entstehung gelangt war, hätte das Schwurgericht den Einwand des Ange­ klagten, daß er die Hypothek für wertlos gehalten habe, prüfen müssen. Hätte sich dabei herausgestellt, daß der Angeklagte sich über Rechtssätze des bürgerlichen Rechts geirrt hatte, so wäre dieser Irrtum seiner Verurteilung wegen vorsätzlicher Verletzung der Eidespflicht im Wege gestanden; es wäre weiter zu untersuchen gewesen, ob der Irrtum nicht selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war und ob demgemäß Verurteilung wegen Falscheides erfolgen mußte. (I, 2. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 69—75. Vgl. Bd. 27 S. 267; Bd. 45 S. 429; Bd. 60 S. 37; RGZ. Bd. 76 S. 59; Bd. 78 S. 398; Bd. 88 S. 366. 33. Steuerstrafverfahren. Kommanditgesellschaft. Ver­ treter. Revisionsanträge. Fristbeginn. (RAbgO. §§ 357, 377; HGB. §§ 125, 126, 161; StPO. §§ 341, 343.) In einem Steuerstrafverfahren gegen eine Kommanditgesell­ schaft wurde das Urteil in Gegenwart eines der persön­ lich haftenden Gesellschafter am 28. August 1925 ver­ kündet; der Gesellschaft wurde es am 16. September 1925 zugestellt. Am 3. September 1925 war Revision eingelegt worden; am 28. September 1925 kamen die Revisions­ anträge in den Einlauf des Landgerichts. Zu dieser Zeit war die Frist für die Revisionsbegründung schon abgelaufen. Eine Kommanditgesellschaft wird bei allen gerichtlichen Rechtshandlungen wirksam vertreten durch jeden persönlich haftenden Gesellschafter, woferne nicht durch Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist; das war hier nicht der Fall. Der persönlich haftende Gesell­ schafter war also berechtigt, für die angeklagte Gesell­ schaft die Urteilsbegründung entgegenzunehmen. Hier­ nach hatte die Frist für die Begründung der Revisions­ anträge mit der Urteilszustellung zu laufen begonnen, (II, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 75—77. 34. Vorsätzliche Brandstiftung durch Unterlassung. (StGB. 88 306, 309.) Ein Bauer betrat seinen mit Heu und Stroh gefüllten Heuboden mit brennender Pfeife; er sah, daß von dieser Funken in das Stroh

31________________ Strafsachen Bd. 60_____________ 35 fielen, tat aber nichts, um einen Brand zu verhindern. Seine Verurteilung wegen fahrlässiger Brandstiftung wurde auf die Revision des Staatsanwalts aufgehoben. Die Handlung des Angeklagten war mit dem Fallen der Funken in das Stroh noch nicht beendet; aus dieser von ihm selbst fahrlässig geschaffenen, eine gemeine Ge­ fahr begründenden Sachlage erwuchs ihm die Rechts­ pflicht zu einem Handeln, nämlich zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes durch Löschen der Funken. Von diesem Gesichtspunkt aus war zu prüfen, ob der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz gehandelt hatte. (III, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 77—78. 35. Richterlicher Eid. Auslegung. Aufklürungspflicht. .(StGB. § 153; ZPO. § 461.) Einem Handwerker wurde ein Eid darüber auferlegt, daß er in seinem Zimmer seine Nähmaschine nicht über 10 Uhr nachts benützt habe. Er leistete den Eid. Wegen Meineids an geklagt, berief er sich darauf, daß die von ihm benützte Nähmaschine ihm nicht gehört habe. Seine Verurteilung wurde be­ stätigt. Welchen Sinn ein im Rahmen eines Rechts­ streits vom Gericht aufgelegter Eid hat, ist Auslegungs­ frage, liegt also auf tatsächlichem Gebiet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß einem in der Eidesform gebrauchten Ausdruck nach dem übereinstimmenden Bewußtsein der Beteiligten eine bestimmte Bedeutung zukommt, die dem gewöhnlichen Gebrauch nicht oder nicht genau entspricht. Im vorliegenden Falle hatten sich die Parteien über die Norm und die Erheblichkeit des Eides geeinigt. Dabei stand nichts im Wege, daß sie, da es sich allein darum handelte, ob der Angeklagte als Handwerker eine in seinem Besitz befindliche Nähmaschine in einer bestimm­ ten Art und Weise benützt hatte, diese als seine Näh­ maschine bezeichneten. Das Fürwort betraf in diesem Fall nicht das Eigentumsverhältnis, sondern wies auf die tatsächliche Beziehung der schwurpflichtigen Partei zu dem Gegenstand hin. Nach den Feststellungen des Urteils war sich dessen der Angeklagte auch bewußt. Anders wäre der Fall gelagert gewesen, wenn dem Angeklagten der Eid nur über die nächtliche Benützung einer in seinem Eigentum stehenden Maschine auferlegt t worden wäre; durch die Ableistung dieses Erdes hätte er sich, falls er nur auf fremden Maschinen genäht hatte, einer Eides3*

31________________ Strafsachen Bd. 60_____________ 35 fielen, tat aber nichts, um einen Brand zu verhindern. Seine Verurteilung wegen fahrlässiger Brandstiftung wurde auf die Revision des Staatsanwalts aufgehoben. Die Handlung des Angeklagten war mit dem Fallen der Funken in das Stroh noch nicht beendet; aus dieser von ihm selbst fahrlässig geschaffenen, eine gemeine Ge­ fahr begründenden Sachlage erwuchs ihm die Rechts­ pflicht zu einem Handeln, nämlich zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustandes durch Löschen der Funken. Von diesem Gesichtspunkt aus war zu prüfen, ob der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz gehandelt hatte. (III, 11. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 77—78. 35. Richterlicher Eid. Auslegung. Aufklürungspflicht. .(StGB. § 153; ZPO. § 461.) Einem Handwerker wurde ein Eid darüber auferlegt, daß er in seinem Zimmer seine Nähmaschine nicht über 10 Uhr nachts benützt habe. Er leistete den Eid. Wegen Meineids an geklagt, berief er sich darauf, daß die von ihm benützte Nähmaschine ihm nicht gehört habe. Seine Verurteilung wurde be­ stätigt. Welchen Sinn ein im Rahmen eines Rechts­ streits vom Gericht aufgelegter Eid hat, ist Auslegungs­ frage, liegt also auf tatsächlichem Gebiet. Es ist nicht ausgeschlossen, daß einem in der Eidesform gebrauchten Ausdruck nach dem übereinstimmenden Bewußtsein der Beteiligten eine bestimmte Bedeutung zukommt, die dem gewöhnlichen Gebrauch nicht oder nicht genau entspricht. Im vorliegenden Falle hatten sich die Parteien über die Norm und die Erheblichkeit des Eides geeinigt. Dabei stand nichts im Wege, daß sie, da es sich allein darum handelte, ob der Angeklagte als Handwerker eine in seinem Besitz befindliche Nähmaschine in einer bestimm­ ten Art und Weise benützt hatte, diese als seine Näh­ maschine bezeichneten. Das Fürwort betraf in diesem Fall nicht das Eigentumsverhältnis, sondern wies auf die tatsächliche Beziehung der schwurpflichtigen Partei zu dem Gegenstand hin. Nach den Feststellungen des Urteils war sich dessen der Angeklagte auch bewußt. Anders wäre der Fall gelagert gewesen, wenn dem Angeklagten der Eid nur über die nächtliche Benützung einer in seinem Eigentum stehenden Maschine auferlegt t worden wäre; durch die Ableistung dieses Erdes hätte er sich, falls er nur auf fremden Maschinen genäht hatte, einer Eides3*

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Verletzung auch dann nicht schuldig gemacht, wenn er er­ kannt hätte, daß die Eigentumsfrage für die Entschei­ dung des Rechtsstreits endgültig war; eine Aufklä­ rungspflicht liegt der schwurpflichtigen Partei, im Gegen­ satz zum Zeugen nicht ob. (III, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 78—79. Vgl. Bd. 59 S. 344.

36. Beleidigung. Amtlicher Vorgesetzter. Neben­ klage. BeröffentlichungsbefugniS. (StGB. §§ 196, 200; ZPO. § 421.) Für einen Beamten wurde von seinem amtlichen Vorgesetzten Strafantrag wegen Beleidigung gestellt; er schloß sich selbst dem Verfahren als Neben­ kläger an. Das Landgericht erkannte auch ihm die Be­ fugnis zur Veröffentlichung des Urteils zu. Die hierauf gestützte Revision wurde verworfen. Für den Fall, daß der beleidigte Beamte selbst nicht an dem Strafverfahren teilgenommen hat, ist schon entschieden worden, daß ihm eine Veröffentlichungsbefugnis nicht zugesprochen werden kann. Das gilt aber nicht, wenn der Beamte sich als Nebenkläger angeschlossen und sogar, wie im vorliegenden Fall, durch Einlegung eines Rechtsmit­ tels in das Verfahren wirksam eingegriffen hat. (I, 16. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 80. Vgl. Bd. 43 S. 173. 37. Leistungswucher. (PreisTrVO. 1923 § 4; St.­ GB. § 302 a.) Gegen Verpfändung einer Grundschuld im Werte von 10000 Goldmark sollte ein Darlehen im gleichen Betrag, zu 12o/o jährlich verzinsbar, gewährt werden. Gegeben wurden 3000 Mark in bar, 7000 Mark in Aktien, die zur Zeit der Hingabe nur 1000 Mark wert waren. Die Verurteilung wegen Leistungswuchers wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Leistungswucher im Sinne der Preistreibereiverordnung liegt nur vor, wenn im Verhältnis zu der Leistung, die angeboten wird, die Gegenleistung einen übermäßigen Verdienst enthält. Wer Milch, die er verfälscht hat, als Voll­ milch zu dem für diese geltenden Marktpreis verkauft, macht sich wohl der Nahrungsmittelfälschung und des Betrugs, nicht aber des Leistungswuchers schuldig; daß der genommene Preis für den Verkäufer einen über­ mäßigen Gewinn enthielt, hat seinen Grund nur darin, daß statt des angebotenen Gegenstandes ein minder-

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Verletzung auch dann nicht schuldig gemacht, wenn er er­ kannt hätte, daß die Eigentumsfrage für die Entschei­ dung des Rechtsstreits endgültig war; eine Aufklä­ rungspflicht liegt der schwurpflichtigen Partei, im Gegen­ satz zum Zeugen nicht ob. (III, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 78—79. Vgl. Bd. 59 S. 344.

36. Beleidigung. Amtlicher Vorgesetzter. Neben­ klage. BeröffentlichungsbefugniS. (StGB. §§ 196, 200; ZPO. § 421.) Für einen Beamten wurde von seinem amtlichen Vorgesetzten Strafantrag wegen Beleidigung gestellt; er schloß sich selbst dem Verfahren als Neben­ kläger an. Das Landgericht erkannte auch ihm die Be­ fugnis zur Veröffentlichung des Urteils zu. Die hierauf gestützte Revision wurde verworfen. Für den Fall, daß der beleidigte Beamte selbst nicht an dem Strafverfahren teilgenommen hat, ist schon entschieden worden, daß ihm eine Veröffentlichungsbefugnis nicht zugesprochen werden kann. Das gilt aber nicht, wenn der Beamte sich als Nebenkläger angeschlossen und sogar, wie im vorliegenden Fall, durch Einlegung eines Rechtsmit­ tels in das Verfahren wirksam eingegriffen hat. (I, 16. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 80. Vgl. Bd. 43 S. 173. 37. Leistungswucher. (PreisTrVO. 1923 § 4; St.­ GB. § 302 a.) Gegen Verpfändung einer Grundschuld im Werte von 10000 Goldmark sollte ein Darlehen im gleichen Betrag, zu 12o/o jährlich verzinsbar, gewährt werden. Gegeben wurden 3000 Mark in bar, 7000 Mark in Aktien, die zur Zeit der Hingabe nur 1000 Mark wert waren. Die Verurteilung wegen Leistungswuchers wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Leistungswucher im Sinne der Preistreibereiverordnung liegt nur vor, wenn im Verhältnis zu der Leistung, die angeboten wird, die Gegenleistung einen übermäßigen Verdienst enthält. Wer Milch, die er verfälscht hat, als Voll­ milch zu dem für diese geltenden Marktpreis verkauft, macht sich wohl der Nahrungsmittelfälschung und des Betrugs, nicht aber des Leistungswuchers schuldig; daß der genommene Preis für den Verkäufer einen über­ mäßigen Gewinn enthielt, hat seinen Grund nur darin, daß statt des angebotenen Gegenstandes ein minder-

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Verletzung auch dann nicht schuldig gemacht, wenn er er­ kannt hätte, daß die Eigentumsfrage für die Entschei­ dung des Rechtsstreits endgültig war; eine Aufklä­ rungspflicht liegt der schwurpflichtigen Partei, im Gegen­ satz zum Zeugen nicht ob. (III, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 78—79. Vgl. Bd. 59 S. 344.

36. Beleidigung. Amtlicher Vorgesetzter. Neben­ klage. BeröffentlichungsbefugniS. (StGB. §§ 196, 200; ZPO. § 421.) Für einen Beamten wurde von seinem amtlichen Vorgesetzten Strafantrag wegen Beleidigung gestellt; er schloß sich selbst dem Verfahren als Neben­ kläger an. Das Landgericht erkannte auch ihm die Be­ fugnis zur Veröffentlichung des Urteils zu. Die hierauf gestützte Revision wurde verworfen. Für den Fall, daß der beleidigte Beamte selbst nicht an dem Strafverfahren teilgenommen hat, ist schon entschieden worden, daß ihm eine Veröffentlichungsbefugnis nicht zugesprochen werden kann. Das gilt aber nicht, wenn der Beamte sich als Nebenkläger angeschlossen und sogar, wie im vorliegenden Fall, durch Einlegung eines Rechtsmit­ tels in das Verfahren wirksam eingegriffen hat. (I, 16. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 80. Vgl. Bd. 43 S. 173. 37. Leistungswucher. (PreisTrVO. 1923 § 4; St.­ GB. § 302 a.) Gegen Verpfändung einer Grundschuld im Werte von 10000 Goldmark sollte ein Darlehen im gleichen Betrag, zu 12o/o jährlich verzinsbar, gewährt werden. Gegeben wurden 3000 Mark in bar, 7000 Mark in Aktien, die zur Zeit der Hingabe nur 1000 Mark wert waren. Die Verurteilung wegen Leistungswuchers wurde vom Reichsgericht nicht bestätigt. Leistungswucher im Sinne der Preistreibereiverordnung liegt nur vor, wenn im Verhältnis zu der Leistung, die angeboten wird, die Gegenleistung einen übermäßigen Verdienst enthält. Wer Milch, die er verfälscht hat, als Voll­ milch zu dem für diese geltenden Marktpreis verkauft, macht sich wohl der Nahrungsmittelfälschung und des Betrugs, nicht aber des Leistungswuchers schuldig; daß der genommene Preis für den Verkäufer einen über­ mäßigen Gewinn enthielt, hat seinen Grund nur darin, daß statt des angebotenen Gegenstandes ein minder-

wertiger geliefert wird. So kam es auch im gegebenen Fall nicht darauf an, was der Angeklagte geleistet, son­ dern darauf, was er als Leistung angeboten, wozu er sich vertragsmäßig verpflichtet hatte. Zwischen diesem Angebot und der Gegenleistung bestand kein Mißverhält­ nis, das die Verurteilung wegen Leistungswuchers recht­ fertigte; der Zinssatz war sogar für jene Zeit außergewöhnlich niedrig. Daß der Angellagte statt der ange­ botenen Leistung eine geringwertige bewirkte, machte sein Verhalten so wenig zum Leistungswucher, wie wenn er einen Teil des versprochenen Darlehens in gefälschten Geldscheinen gegeben hätte. Sehr wohl konnte dagegen das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand des Kreditwuchers erfüllen, soferne die besonderen Voraus­ setzungen für diese Strafbestimmung gegeben waren. Die Vorschriften über Kreditwucher und Leistungswucher dienen verschiedenen Zwecken; während die ersteren die Rechtsgüter des einzelnen schützen sollen, sind die letz­ teren aus der Notwendigkeit erwachsen, der Allgemein­ heit Hilfe gegen wucherische Übervorteilung zu bewirken. Die Sache wurde zurückverwiesen. (I, 5. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 81—84. Vgl. Bd. 58 S. 321, 329; Bd. 29 S. 311. 38. Kraftwagenunfall. Fahrlässige Körperverletzung. Verursachung. Abweichung von polizeilichen Vorschriften. (StGB. § 230; BO. vom 28. April 1924 über den Kraftfahrzeugverkehr § 21.) Auf einer etwa 10 Meter breiten Landstraße, deren eine Hälfte gepflastert ist, fuhren zwei Kraftwagen in entgegengesetzter Richtung; beide hielten sich auf der Steinbahn. Als sie sich etwa auf 200 Meter nahe gekommen waren, gab der Führer des einen Wagens, der nach den polizeilichen Vorschriften auf der Steinbahn zu bleiben hatte, Warnungszeichen, um den Führer des anderen Wagens zum Ausweichen zu ver­ anlassen; da dieser hierzu keine Anstalten machte, geriet er in Besorgnis, daß die Steuerung des anderen Wagens nicht in Ordnung sei und lenkte nun selbst von der Steinbahn herab. Im gleichen Augenlick tat auch der Führer des anderen Wagens das gleiche. Um einen Zu­ sammenstoß zu vermeiden, steuerte nun der Führer des ersten Wagens noch weiter nach links; hierdurch geriet er an einen Straßenbaum und erlitt erhebliche Ver-

wertiger geliefert wird. So kam es auch im gegebenen Fall nicht darauf an, was der Angeklagte geleistet, son­ dern darauf, was er als Leistung angeboten, wozu er sich vertragsmäßig verpflichtet hatte. Zwischen diesem Angebot und der Gegenleistung bestand kein Mißverhält­ nis, das die Verurteilung wegen Leistungswuchers recht­ fertigte; der Zinssatz war sogar für jene Zeit außergewöhnlich niedrig. Daß der Angellagte statt der ange­ botenen Leistung eine geringwertige bewirkte, machte sein Verhalten so wenig zum Leistungswucher, wie wenn er einen Teil des versprochenen Darlehens in gefälschten Geldscheinen gegeben hätte. Sehr wohl konnte dagegen das Verhalten des Angeklagten den Tatbestand des Kreditwuchers erfüllen, soferne die besonderen Voraus­ setzungen für diese Strafbestimmung gegeben waren. Die Vorschriften über Kreditwucher und Leistungswucher dienen verschiedenen Zwecken; während die ersteren die Rechtsgüter des einzelnen schützen sollen, sind die letz­ teren aus der Notwendigkeit erwachsen, der Allgemein­ heit Hilfe gegen wucherische Übervorteilung zu bewirken. Die Sache wurde zurückverwiesen. (I, 5. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 81—84. Vgl. Bd. 58 S. 321, 329; Bd. 29 S. 311. 38. Kraftwagenunfall. Fahrlässige Körperverletzung. Verursachung. Abweichung von polizeilichen Vorschriften. (StGB. § 230; BO. vom 28. April 1924 über den Kraftfahrzeugverkehr § 21.) Auf einer etwa 10 Meter breiten Landstraße, deren eine Hälfte gepflastert ist, fuhren zwei Kraftwagen in entgegengesetzter Richtung; beide hielten sich auf der Steinbahn. Als sie sich etwa auf 200 Meter nahe gekommen waren, gab der Führer des einen Wagens, der nach den polizeilichen Vorschriften auf der Steinbahn zu bleiben hatte, Warnungszeichen, um den Führer des anderen Wagens zum Ausweichen zu ver­ anlassen; da dieser hierzu keine Anstalten machte, geriet er in Besorgnis, daß die Steuerung des anderen Wagens nicht in Ordnung sei und lenkte nun selbst von der Steinbahn herab. Im gleichen Augenlick tat auch der Führer des anderen Wagens das gleiche. Um einen Zu­ sammenstoß zu vermeiden, steuerte nun der Führer des ersten Wagens noch weiter nach links; hierdurch geriet er an einen Straßenbaum und erlitt erhebliche Ver-

letzungen. Das Reichsgericht billigte die Verurteilung des anderen Wagenführers wegen fahrlässiger Körper­ verletzung. Die Körperverletzung war allerdings zunächst eine Folge des eigenen Entschlusses und des eigenen Tuns des Verletzten; er handelte aber hierbei nicht nach seinem freien Willen, sondern unter dem Zwang der ihm drohenden Gefahr für Leib und Leben. In diese Zwangslage hatte ihn das Verhalten des Angeklagten gebracht. Mit Recht war dieses als eine Ursache der vom Kläger erlittenen Körperverletzung angesehen wor­ den. Hierbei war es ohne entscheidende Bedeutung, ob es dem Verletzten möglich gewesen wäre, bei größerer Geistesgegenwart oder Geschicklichkeit dem drohenden Zu­ sammenstoß im letzten Augenblick auch auf andere Weise zu entgehen, ohne selber zu Schaden zu kommen; selbst wenn für ihn die Möglichkeit, zweckmäßiger zu handeln, vorgelegen hätte, würde doch die Tatsache bestehen blei­ ben, daß die vom Angeklagten herbeigeführte gefähr­ liche Lage es war, die zu einem ruhigen überlegen keine Zeit ließ und durch den Zwang zu einer plötzlichen Ent­ schließung auch deren etwaige Unzweckmäßigkeit zur Folge hatte. Das Verhalten des Angeklagten war auch rechts­ widrig und schuldhaft. Die polizeilichen Vorschriften über das Ausweichen dürfen nicht unter allen Umständen als maßgebend angesehen werden; im Einzelfall können sich, namentlich aus einem vorschriftswidrigen Verhalten anderer Personen, Umstände ergeben, die gerade von der Beachtung der polizeilichen Vorschriften eine derartige Gefährdung des Verkehrs erwarten lassen, daß zu ihrer Verhütung ein Abweichen von den polizeilichen Vor­ schriften für den Kraftwagenführer nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten sein kann. Das Verhalten des Verletzten mußte unter solchen Umständen für erlaubt und' bedenkenfrei, angesehen werden. Der Angeklagte hätte, um dem Gebote des rechtzeitigen Ausweichens zu genügen, mit der Änderung der Fahrtrichtung nicht so lange warten dürfen, wie es ihm seine eigene große Geschicklichkeit im Ausweichen gestattete; vielmehr hätte er, entsprechend der Geschwindigkeit beider Wagen, so zeitig zur rechten Seite fahren müssen, daß der ent­ gegenkommende Wagen, der für seine Fahrtrichtung die richtige Straßenseite hielt, auf eine größere Strecke

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hm freie Fahrt hatte; die Landstraße ist kein Sport­ platz für Kunstfahrer. (II, 8. Februar 1926.) Amtt. Sammlg. S. 84—88. Vgl. Bd. 59 S. 341.

39. Aufforderung zur Abtreibung. Notstand» Teil­ nahme. (StGB. §§ 49, 49 a, 54, 218.) Eine herz- und lungenkranke Frau, die schon sechsmal geboren und bei der letzten Entbindung an starken Blutungen gelitten hatte, wandte sich, als sie sich wieder schwanger fühlte, an ihre Schwester um Rat. Diese verwies sie an eine Hebamme, die Abtreibungen ausführe: sie schilderte dieser daraufhin in einem Brief ihre verzweifelte Lage und bat sie um Hilfe. Die Hebamme schickte einen Mann, der mehrere Eingriffe vornahm und hierbei von dem Ehemann der Frau unterstützt wurde. Aus briefliches Ersuchen der Frau wiederholte er den Eingriff: ein Erfolg trat nicht ein. Darauf wandte die Frau sich an ihren Hausarzt; dieser veranlaßte ihre Aufnahme in die Frauenklinik, wo ihre Schwangerschaft künstlich unter­ brochen wurde. Es wurde Anklage gegen die Frau, ihre Schwester, ihren Mann, die Hebamme und gegen den Mann, der die Eingriffe vorgenommen hatte, er­ hoben: gegen die Frau wegen versuchter Abtreibung, gegen die anderen Angeklagten (mit Ausnahme der Hebamme) wegen Beihilfe hierzu, gegen die Hebamme wegen Anstiftung zur Beihilfe. Das Landgericht sprach sie sämtlich frei. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte nur teilweisen Erfolg. Sie wandte sich vor allem gegen die Auffassung, daß die Strasvorschriften über Abtreibung nur anwendbar sind, wenn der Erfolg der Abtreibung oder Tötung eingetreten ist. Das Reichs­ gericht erklärte, daß es keinen Anlaß finde, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach ihr hatte das Landge­ richt mit Recht angenommen, daß das Verhalten der Angeklagten — von der Frage der Schuld abgesehen — den Tatbestand der versuchten Abtreibung und der Bei­ hilfe dazu erfülle. Die Freisprechung war erfolgt, weil bei der Frau Notstand angenommen wurde (die nähere Begründung ist nicht veröffentlicht). Da der Notstand nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts fern bloßer persönlicher Strafausschließungsgrund, sondern ein Recht­ fertigungs- oder Schuldausschließungsgrllnd ist, die Haupt-

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hm freie Fahrt hatte; die Landstraße ist kein Sport­ platz für Kunstfahrer. (II, 8. Februar 1926.) Amtt. Sammlg. S. 84—88. Vgl. Bd. 59 S. 341.

39. Aufforderung zur Abtreibung. Notstand» Teil­ nahme. (StGB. §§ 49, 49 a, 54, 218.) Eine herz- und lungenkranke Frau, die schon sechsmal geboren und bei der letzten Entbindung an starken Blutungen gelitten hatte, wandte sich, als sie sich wieder schwanger fühlte, an ihre Schwester um Rat. Diese verwies sie an eine Hebamme, die Abtreibungen ausführe: sie schilderte dieser daraufhin in einem Brief ihre verzweifelte Lage und bat sie um Hilfe. Die Hebamme schickte einen Mann, der mehrere Eingriffe vornahm und hierbei von dem Ehemann der Frau unterstützt wurde. Aus briefliches Ersuchen der Frau wiederholte er den Eingriff: ein Erfolg trat nicht ein. Darauf wandte die Frau sich an ihren Hausarzt; dieser veranlaßte ihre Aufnahme in die Frauenklinik, wo ihre Schwangerschaft künstlich unter­ brochen wurde. Es wurde Anklage gegen die Frau, ihre Schwester, ihren Mann, die Hebamme und gegen den Mann, der die Eingriffe vorgenommen hatte, er­ hoben: gegen die Frau wegen versuchter Abtreibung, gegen die anderen Angeklagten (mit Ausnahme der Hebamme) wegen Beihilfe hierzu, gegen die Hebamme wegen Anstiftung zur Beihilfe. Das Landgericht sprach sie sämtlich frei. Die Revision der Staatsanwaltschaft hatte nur teilweisen Erfolg. Sie wandte sich vor allem gegen die Auffassung, daß die Strasvorschriften über Abtreibung nur anwendbar sind, wenn der Erfolg der Abtreibung oder Tötung eingetreten ist. Das Reichs­ gericht erklärte, daß es keinen Anlaß finde, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach ihr hatte das Landge­ richt mit Recht angenommen, daß das Verhalten der Angeklagten — von der Frage der Schuld abgesehen — den Tatbestand der versuchten Abtreibung und der Bei­ hilfe dazu erfülle. Die Freisprechung war erfolgt, weil bei der Frau Notstand angenommen wurde (die nähere Begründung ist nicht veröffentlicht). Da der Notstand nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts fern bloßer persönlicher Strafausschließungsgrund, sondern ein Recht­ fertigungs- oder Schuldausschließungsgrllnd ist, die Haupt-

täterin also schuldlos gehandelt hatte, waren bei der unselbständigen Natur der Teilnahme auch die Teilneh­ mer als solche nicht strafbar. Zu prüfen war aber, ob die Angeklagten nicht durch ihr Verhalten den Tatbestand des StGB. § 49 a erfüllt hatten. Mit Ausnahme des Ehemannes hatten alle Angeklagten zu Handlungen, welche die Abtreibung zum Ziele hatten, aufgefordert oder sich erboten oder eine solche Aufforderung oder ein solches Erbieten angenommen. Das Reichsgericht wies auf eine Reihe von Punkten hin, die bei der Prüfung zu beachten waren. Es kam vor allem darauf an, wie sich die Tat, worauf die Aufforderung (das Erbieten, die Annahme) gerichtet war, nach dem in der Erklärung zum Ausdruck gebrachten Willen des Ausfordernden ge­ stalten sollte; der Tatbestand des § 49 a war erfüllt, wenn die zum Ausdruck gebrachte Vorstellung eine Tat zum Gegenstand und Inhalt hatte, die im Falle ihrer Verwirklichung auf Seite des Täters nach ihrer äußeren und inneren Seite ein Verbrechen darstellte. Maßgebend war dabei der tatsächliche und rechtliche Inhalt der Vorstellung, nicht die rechtliche Beurteilung des Er­ klärenden. Zu unterscheiden war weiter, ob die Erklä­ rung sich auf eine Zuwiderhandlung gegen § 218 Abs. 1 (Vornahme der Abtreibung durch die Schwangere selbst) oder gegtzn § 218 Abs. 3 (Vornahme der Abtreibung an der Schwangeren mit ihrer Einwilligung) gerichtet war; auch hierbei war es ohne Belang, ob sich der Erklärende des rechtlichen Unterschieds zwischen den Handlungen nach Abs. 1 und Abs. 3 bewußt war. War die Erklä­ rung aus eine Zuwiderhandlung gegen Abs. 1 gerichtet, so wurde sie durch den Gesichtspunkt des Notstands ent­ schuldigt; da die Handlungen der Schwangeren selbst kein Verbrechen war, konnte die Aufforderung zur Teil­ nahme an ihr nicht als Aufforderung zur Teilnahme an einem Verbrechen angesehen werden. Das galt ohne Rücksicht darauf, ob der Notstand als Rechtfertigungs­ grund (Unrechtsausschließungsgründ) oder als Entschul­ digungsgrund (Schuldausschließungsgrund) wirkte; es würde nur dann nicht zutresfen, wenn der Notstand lediglich als persönlicher Strafausschließungsgrund auf­ zufassen wäre. Anderseits mußte der Erklärende davon Kenntnis haben, daß die Handlung im Notstand verübt

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werden sollte; wenn ihm diese Kenntnis fehlte, schloß der in Wirklichkeit vorhandene Notstand seine Bestrafung nicht aus. 'War die Erklärung auf eine Zuwiderhand­ lung nach Abs. 3 gerichtet, so war sie trotz des Not­ stands der Schwangeren strafbar. Ohne die Vorschrift des Abs. 3 wären die dort erwähnten Handlungen als Beihilfe zum Verbrechen nach Abs. 1 zu beurteilen; sie würden also die Berbrechenseigenschaft verlieren, wenn sich die Haupttat wegen Mangels der Rechtswidrigkeit oder der Schuld nicht als Verbrechen darstellen würde; durch Abs. 3 sind sie aber für den Fall, daß sie zum Erfolg führen, zu selbständigen Verbrechen erhoben und dadurch aus der Abhängigkeit von der Tat der Schwan­ geren gelöst worden. Sie sind auch dann als Verbrechen strafbar, wenn die Schwangere sich selbst in Notstand befindet und der Täter das weiß; infolgedessen ist auch die Aufforderung zu ihrer Vornahme trotz Kenntnis des Notstands auf ein Verbrechen gerichtet. Soweit hiernach der Tatbestand des § 49 a erfüllt ist, wird die Strafbar­ keit auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß das Verhalten der Angeklagten auch als Versuch der Abtreibung und als Teilnahme dazu zu beurteilen ist. § 49 a greift nur dann Platz, soweit nicht das Gesetz eine andere Strafe androht; er weicht jedem Strafgesetz, das denselben Tat­ bestand unter Strafe zieht, sei es als Sonderstraftat, sei es in seiner weiteren Entwicklung zur Täterschaft oder Teilnahme an dem in Aussicht genommenen Ver­ brechen selbst. Kann aber ein anderes Strafgesetz nicht zur Anwendung kommen, weil es an einer der Voraus­ setzungen fehlt, an welche die Strafdrohung nicht ge­ knüpft ist, so kann von einer Aufzehrung keine Rede sein. Hiernach konnte eine Verurteilung der Frau nicht in Betracht kommen. Sie hatte im Hinblick aus ihre von ihr erkannte Notstandslage entweder nur zur Teilnahme an einer schuld- und straflosen Notstandshandlung aus­ gefordert oder sie hatte, soweit die Aufforderung (oder die Annahme eines Erbietens) auf die Begehung eines selbständigen Verbrechens nach § 218 Abs. 3 gerichtet waren, bei diesen Erklärungen selbst im Notstand gehan­ delt. Hinsichtlich der Eheleute war also die Revision der Staatsanwaltschaft zu verwerfen. Bei den übrigen Angeklagten gestattete der sestgestellte Sachverhalt keine

zuverlässige Beurteilung, wieweit sie sich eines Ver­ gehens nach § 49 a schuldig gemacht hatten. Die Schwester der Frau war, wenn sie von deren Notstands­ lage Kenntnis hatte, unter dem Gesichtspunkt der Not­ hilfe straflos, auch wenn sie zur Teilnahme an einem Verbrechen nach § 218 Abs. 3 aufgefordert hatte. Das festgestellte Gebaren der Hebamme und des Mannes, der die Eingriffe vornahm, stellte zwar Erklärungen dar, die auf Begehung eines Verbrechens nach § 218 Abs. 3 gerichtet waren; auch wirkte die Kenntnis des Notstandes der Frau für sie nicht strafbefreienb, da sie nicht Angehörige der Frau waren und sich darum nicht auf Nothilfe berufen konnten; doch bedurfte es, soweit ein lediglich mündlich ausgedrücktes Auffordern oder Erbieten in Betracht kam, noch der Feststellung, ob die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vorteilen geknüpft war. Diese brauchten allerdings nicht ausdrücklich zugesichert zu sein; es genügte, wenn auf beiden Seiten Einverständnis hierüber herrschte. Die Aufforderung der Hebamme gegenüber dem Mann, der die Eingriffe vornahm, konnte übrigens unter Um­ ständen auch als Anstiftung zum Erbieten gegenüber der schwangeren Frau zu beurteilen sein; in diesem Falle hing die Strafbarkeit der Hebamme nicht davon ab, ob sie dem Mann die Gewährung eines Vorteils in Aus­ sicht stellte. (I, 12. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 88—94. Vgl. Bd. 26 S. 420; Bd. 28 S. 164; Bd. 46 S. 400; Bd. 47 S. 230.

40. Gefährliche Körperverletzung im Amte. Mili­ tärische Wache. Mißbrauch der Waffe. Gesetzeseinheit. (StGB. 88 223, 223 a, 340, 359; MStGB. §§ 29, 53, 55, 111, 122, 125, 145.) Als im Jahre 1923 die Reichs­ wehr in Sachsen zur Wiederherstellung der Ordnung ein­ rückte, wurde von einem Truppenteil eine große Zahl von Zivilpersonen festgenommen und von einem Posten unter Gewehr bewacht. Wachhabender war ein Unter­ feldwebel. Da einer der Festgenommenen sich widersetz­ lich erwies, befahl der Wachhabende einem Soldaten, ihn Kniebeugen machen zu lassen. Bei der Ausführung des Befehls versetzte der Soldat dem Manne Stöße mit dem Gewehrkolben in die Kniekehlen und auf den Rücken.

zuverlässige Beurteilung, wieweit sie sich eines Ver­ gehens nach § 49 a schuldig gemacht hatten. Die Schwester der Frau war, wenn sie von deren Notstands­ lage Kenntnis hatte, unter dem Gesichtspunkt der Not­ hilfe straflos, auch wenn sie zur Teilnahme an einem Verbrechen nach § 218 Abs. 3 aufgefordert hatte. Das festgestellte Gebaren der Hebamme und des Mannes, der die Eingriffe vornahm, stellte zwar Erklärungen dar, die auf Begehung eines Verbrechens nach § 218 Abs. 3 gerichtet waren; auch wirkte die Kenntnis des Notstandes der Frau für sie nicht strafbefreienb, da sie nicht Angehörige der Frau waren und sich darum nicht auf Nothilfe berufen konnten; doch bedurfte es, soweit ein lediglich mündlich ausgedrücktes Auffordern oder Erbieten in Betracht kam, noch der Feststellung, ob die Aufforderung oder das Erbieten an die Gewährung von Vorteilen geknüpft war. Diese brauchten allerdings nicht ausdrücklich zugesichert zu sein; es genügte, wenn auf beiden Seiten Einverständnis hierüber herrschte. Die Aufforderung der Hebamme gegenüber dem Mann, der die Eingriffe vornahm, konnte übrigens unter Um­ ständen auch als Anstiftung zum Erbieten gegenüber der schwangeren Frau zu beurteilen sein; in diesem Falle hing die Strafbarkeit der Hebamme nicht davon ab, ob sie dem Mann die Gewährung eines Vorteils in Aus­ sicht stellte. (I, 12. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 88—94. Vgl. Bd. 26 S. 420; Bd. 28 S. 164; Bd. 46 S. 400; Bd. 47 S. 230.

40. Gefährliche Körperverletzung im Amte. Mili­ tärische Wache. Mißbrauch der Waffe. Gesetzeseinheit. (StGB. 88 223, 223 a, 340, 359; MStGB. §§ 29, 53, 55, 111, 122, 125, 145.) Als im Jahre 1923 die Reichs­ wehr in Sachsen zur Wiederherstellung der Ordnung ein­ rückte, wurde von einem Truppenteil eine große Zahl von Zivilpersonen festgenommen und von einem Posten unter Gewehr bewacht. Wachhabender war ein Unter­ feldwebel. Da einer der Festgenommenen sich widersetz­ lich erwies, befahl der Wachhabende einem Soldaten, ihn Kniebeugen machen zu lassen. Bei der Ausführung des Befehls versetzte der Soldat dem Manne Stöße mit dem Gewehrkolben in die Kniekehlen und auf den Rücken.

Ec wurde wegen eines Vergehens der Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Auf die Revision des Staatsanwalts wurde die Sache zurückverwiesen. Auch berufsmäßige Personen des Soldatenstandes kommen als Täter von Verbrechen und Vergehen im Amte nur dann in Frage, wenn sie bei einem ihnen übertragenen Geschäfte der Heeres- oder Marineverwaltung eine unter diese Vorschriften fallende Handlung begehen. Die Aus­ übung der Kommandogewalt fällt nicht unter diese Ge­ schäfte. Da der dem Angeklagten erteilte Befehl im Rahmen der militärischen Kommandogewalt lag. konnte demgemäß sein Vorhaben nicht als Körperverletzung! im Amte (StGB. § 340) beurteilt werden. Dagegen war zu prüfen, ob nicht der Angeklagte die Körperver» letzung als militärische Wache begangen hatte. In diesem Falle war seine Handlung als Mißbrauch der Dienstge­ walt unter Mißbrauch der Waffe zu bestrafen. (MStGB. §§ 53, 55, 111, 122, 125.) Die Anwendung der Vor­ schriften des Strafgesetzbuchs über Körperverletzung War­ in diesem Falle ausgeschlossen, da Gesetzeskonkurrenz (Spezialität) vorlag. Hatte dagegen der Angeklagte nicht in der Eigenschaft als militärische Wache gehandelt, so konnten auf die von ihm begangene gefährliche Körper­ verletzung die Strafschärsungsbestimmungen des Militär­ strafgesetzbuches wegen Mißbrauchs der Waffe (§§ 53, 55) nicht zur Anwendung kommen, weil die Verwendung der Waffe schon ein Merkmal des Tatbestands der ge­ fährlichen Körperverletzung bildet; wohl aber traf die Vorschrift zu, wornach in Fällen, in denen die allge­ meinen Strafgesetze Geldstrafe und Freiheitsstrafe wahl­ weise androhen, auf Geldstrafe nicht erkannt werden darf, wenn durch die strafbare Handlung zugleich eine militärische Dienstpflicht verletzt worden ist (§ 29). Das Schöffengericht hatte das verneint mit der Begründung, daß der Angeklagte, der unter dem Eindruck der vor­ ausgegangenen blutigen Unruhen stand, bei der Verwen­ dung der Waffe nur die militärische Autorität aufrecht­ erhalten wollte, sich jedenfalls einer Verletzung der militärischen Dienstpflicht nicht bewußt war. Das Reichs­ gericht billigte diese Auffassung nicht. Es ist zwar schon entschieden worden, daß bei einem Unteroffizier, der einer festgenommenen Zivilperson in Erwiderung einer

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Beleidigung einen Schlag mit der Hand ins Gesicht ver­ setzte, eine Verletzung der militärischen Dienstpflicht nicht anzunehmen wat, weil in der damaligen erregten Zeit die militärische Zucht und Ordnung die strenge Zurück­ weisung von Beleidigungen erforderte. Aus eine unter Mißbrauch der Waffe verübte Mißhandlung trifft das nicht zu; eine solche erscheint stets als Verletzung einer militärischen Dienstpflicht. (I, 12. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 94—97. Vgl. RMG. Bd. 3 S. 137; Bd. 6 S. 125; Bd. 11 S. 227; Bd. 12 S. 114; Bd. 17 S. 161; Bd. 21 S.256; Bd. 22 S. 136. 41. Steuerhinterziehung. Betrug. Gesetzeseinheit. (StGB. § 263; RAbgO. § 359.) Ein Kaufmann über­ gab, um Stundung seiner Steuerschuld zu erzielen, dem Finanzamt einen Wechsel, von dem er wußte, daß er wertlos war. Das Landgericht verurteilte ihn wegen Betrugs. Das Reichsgericht entschied, daß nur Steuer­ hinterziehung vorliege; zum Zwecke der Straffestsetzung wurde die Sache zurückverwiesen. Sowohl die äußeren wie die inneren Merkmale des Betrugs wären einwand­ frei gegeben gewesen, wenn nicht der Angeklagte lediglich die Erschleichung eines nicht gerechtfertigten Steuer­ vorteils mit seinen Machenschaften erstrebt hätte. Dieses Verhalten ist im Steuerstrafrecht gesondert geregelt; die sämtlichen Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB, sind in der Sonderbestimmung des § 359 RAbgO. aus­ genommen, so daß Gesetzeseinheit, nicht Tateinheit, vor­ liegt und das allgemeine Gesetz dem besonderen zu weichen hat. (II, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S 97—99. Vgl. Bd. 56 S. 65; Bd. 57 S. 388. 42. Autzerverfolgungsetzung. Klageerneuerung. Neue Beweismittel. Neue Tatsachen. (StPO. §§ 204, 211.) In einem Rechtsstreit wegen Anerkennung der Vater­ schaft beschwor der Beklagte, daß er mit der Mutter des klagenden Kindes keinen Geschlechtsverkehr gepflogen habe. Es wurde Voruntersuchung wegen Meineids gegen ihn eingeleitet; da aber zwei Zeugen erklärten, wäh­ rend der Nacht, in welcher der Geschlechtsverkehr statt­ gefunden haben sollte, stets bei ihm gewesen zu sein, wurde er außer Verfolgung gesetzt. Nachträglich wurde

41, 42_____________ Strafsachen Bd. 60_________ 40

Beleidigung einen Schlag mit der Hand ins Gesicht ver­ setzte, eine Verletzung der militärischen Dienstpflicht nicht anzunehmen wat, weil in der damaligen erregten Zeit die militärische Zucht und Ordnung die strenge Zurück­ weisung von Beleidigungen erforderte. Aus eine unter Mißbrauch der Waffe verübte Mißhandlung trifft das nicht zu; eine solche erscheint stets als Verletzung einer militärischen Dienstpflicht. (I, 12. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 94—97. Vgl. RMG. Bd. 3 S. 137; Bd. 6 S. 125; Bd. 11 S. 227; Bd. 12 S. 114; Bd. 17 S. 161; Bd. 21 S.256; Bd. 22 S. 136. 41. Steuerhinterziehung. Betrug. Gesetzeseinheit. (StGB. § 263; RAbgO. § 359.) Ein Kaufmann über­ gab, um Stundung seiner Steuerschuld zu erzielen, dem Finanzamt einen Wechsel, von dem er wußte, daß er wertlos war. Das Landgericht verurteilte ihn wegen Betrugs. Das Reichsgericht entschied, daß nur Steuer­ hinterziehung vorliege; zum Zwecke der Straffestsetzung wurde die Sache zurückverwiesen. Sowohl die äußeren wie die inneren Merkmale des Betrugs wären einwand­ frei gegeben gewesen, wenn nicht der Angeklagte lediglich die Erschleichung eines nicht gerechtfertigten Steuer­ vorteils mit seinen Machenschaften erstrebt hätte. Dieses Verhalten ist im Steuerstrafrecht gesondert geregelt; die sämtlichen Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB, sind in der Sonderbestimmung des § 359 RAbgO. aus­ genommen, so daß Gesetzeseinheit, nicht Tateinheit, vor­ liegt und das allgemeine Gesetz dem besonderen zu weichen hat. (II, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S 97—99. Vgl. Bd. 56 S. 65; Bd. 57 S. 388. 42. Autzerverfolgungsetzung. Klageerneuerung. Neue Beweismittel. Neue Tatsachen. (StPO. §§ 204, 211.) In einem Rechtsstreit wegen Anerkennung der Vater­ schaft beschwor der Beklagte, daß er mit der Mutter des klagenden Kindes keinen Geschlechtsverkehr gepflogen habe. Es wurde Voruntersuchung wegen Meineids gegen ihn eingeleitet; da aber zwei Zeugen erklärten, wäh­ rend der Nacht, in welcher der Geschlechtsverkehr statt­ gefunden haben sollte, stets bei ihm gewesen zu sein, wurde er außer Verfolgung gesetzt. Nachträglich wurde

41, 42_____________ Strafsachen Bd. 60_________ 40

Beleidigung einen Schlag mit der Hand ins Gesicht ver­ setzte, eine Verletzung der militärischen Dienstpflicht nicht anzunehmen wat, weil in der damaligen erregten Zeit die militärische Zucht und Ordnung die strenge Zurück­ weisung von Beleidigungen erforderte. Aus eine unter Mißbrauch der Waffe verübte Mißhandlung trifft das nicht zu; eine solche erscheint stets als Verletzung einer militärischen Dienstpflicht. (I, 12. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 94—97. Vgl. RMG. Bd. 3 S. 137; Bd. 6 S. 125; Bd. 11 S. 227; Bd. 12 S. 114; Bd. 17 S. 161; Bd. 21 S.256; Bd. 22 S. 136. 41. Steuerhinterziehung. Betrug. Gesetzeseinheit. (StGB. § 263; RAbgO. § 359.) Ein Kaufmann über­ gab, um Stundung seiner Steuerschuld zu erzielen, dem Finanzamt einen Wechsel, von dem er wußte, daß er wertlos war. Das Landgericht verurteilte ihn wegen Betrugs. Das Reichsgericht entschied, daß nur Steuer­ hinterziehung vorliege; zum Zwecke der Straffestsetzung wurde die Sache zurückverwiesen. Sowohl die äußeren wie die inneren Merkmale des Betrugs wären einwand­ frei gegeben gewesen, wenn nicht der Angeklagte lediglich die Erschleichung eines nicht gerechtfertigten Steuer­ vorteils mit seinen Machenschaften erstrebt hätte. Dieses Verhalten ist im Steuerstrafrecht gesondert geregelt; die sämtlichen Tatbestandsmerkmale des § 263 StGB, sind in der Sonderbestimmung des § 359 RAbgO. aus­ genommen, so daß Gesetzeseinheit, nicht Tateinheit, vor­ liegt und das allgemeine Gesetz dem besonderen zu weichen hat. (II, 15. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S 97—99. Vgl. Bd. 56 S. 65; Bd. 57 S. 388. 42. Autzerverfolgungsetzung. Klageerneuerung. Neue Beweismittel. Neue Tatsachen. (StPO. §§ 204, 211.) In einem Rechtsstreit wegen Anerkennung der Vater­ schaft beschwor der Beklagte, daß er mit der Mutter des klagenden Kindes keinen Geschlechtsverkehr gepflogen habe. Es wurde Voruntersuchung wegen Meineids gegen ihn eingeleitet; da aber zwei Zeugen erklärten, wäh­ rend der Nacht, in welcher der Geschlechtsverkehr statt­ gefunden haben sollte, stets bei ihm gewesen zu sein, wurde er außer Verfolgung gesetzt. Nachträglich wurde

neue Klage erhoben; das Verfahren endigte mit Ver­ urteilung, weil die beiden Zeugen in der Hauptverhand­ lung ihre frühere Aussage nicht mehr aufrechterhielten. Die Revision des Angeklagten wurde verworfen. Da die beiden Zeugen schon vor der Außerverfolgungsetzung vernommen worden waren, konnten sie nicht als neue Beweismittel angesehen werden; dagegen konnten ihre Aussagen, die von den früheren abwichen, als neue Tat­ sachen gewertet werden. Zur Zeit der Aufnahme der Klage bestanden zwar diese neuen Tatsachen noch nicht; wenn aber auf Grund der irrigen Annahme, es lägen neue Tatsachen vor, die Klage ausgenommen und das Hauptversahren eröffnet worden ist, kann dieser Mangel dadurch gegenstandslos werden, daß im Hauptverfahren andere, wirklich neue und erhebliche Tatsachen dazu kommen oder bekannt werden. (II, 18. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 99—101.

43.

Begünstigung.

Selbstbegünstigung.

Irrtum.

(StGB. §§ 59, 257.) In einem von einer Frau eingeleiteten Privatklageverfahren beschwor ein Zeuge, daß er mit der Klägerin nicht geschlechtlich verkehrt habe. Es wurde ein Verfahren wegen Meineids gegen ihn eingeleitet; in diesem machte die Frau als Zeugin un­ wahre Angaben. Sie wurde wegen Begünstigung ver­ urteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Das Schwurgericht hatte angenommen, daß die Frau nur den damaligen Angeklagten der Bestrafung entziehen wollte; dem Umstand, daß sie daneben auch noch sich selbst vor Bestrafung wegen Teilnahme an dem Meineid des Angeklagten bewahren wollte, war keine Bedeu­ tung beigemessen worden. Das Reichsgericht erklärte, daß eine strafbare Begünstigung nicht vorliegt, wenn der Begünstiger sowohl einen Teilnehmer der Vortat, an der er selbst beteiligt gewesen ist, als auch sich selbst der Strafe entziehen will; ob es ihm dabei mehr auf die Selbstbegünstigung oder auf die Begünstigung des Teilnehmers angekommen ist, fällt nicht entscheidend ins Gewicht. Es macht auch nichts aus, ob die Angeklagte wirklich eine Bestrafung zu befürchten hatte oder nur irrtümlich glaubte, mit einer solchen rechnen zu müssen. Dem Verbot der Begünstigung ist da eine Grenze ge­ zogen, wo dem Handelnden nicht mehr zugemutet werden

neue Klage erhoben; das Verfahren endigte mit Ver­ urteilung, weil die beiden Zeugen in der Hauptverhand­ lung ihre frühere Aussage nicht mehr aufrechterhielten. Die Revision des Angeklagten wurde verworfen. Da die beiden Zeugen schon vor der Außerverfolgungsetzung vernommen worden waren, konnten sie nicht als neue Beweismittel angesehen werden; dagegen konnten ihre Aussagen, die von den früheren abwichen, als neue Tat­ sachen gewertet werden. Zur Zeit der Aufnahme der Klage bestanden zwar diese neuen Tatsachen noch nicht; wenn aber auf Grund der irrigen Annahme, es lägen neue Tatsachen vor, die Klage ausgenommen und das Hauptversahren eröffnet worden ist, kann dieser Mangel dadurch gegenstandslos werden, daß im Hauptverfahren andere, wirklich neue und erhebliche Tatsachen dazu kommen oder bekannt werden. (II, 18. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 99—101.

43.

Begünstigung.

Selbstbegünstigung.

Irrtum.

(StGB. §§ 59, 257.) In einem von einer Frau eingeleiteten Privatklageverfahren beschwor ein Zeuge, daß er mit der Klägerin nicht geschlechtlich verkehrt habe. Es wurde ein Verfahren wegen Meineids gegen ihn eingeleitet; in diesem machte die Frau als Zeugin un­ wahre Angaben. Sie wurde wegen Begünstigung ver­ urteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Das Schwurgericht hatte angenommen, daß die Frau nur den damaligen Angeklagten der Bestrafung entziehen wollte; dem Umstand, daß sie daneben auch noch sich selbst vor Bestrafung wegen Teilnahme an dem Meineid des Angeklagten bewahren wollte, war keine Bedeu­ tung beigemessen worden. Das Reichsgericht erklärte, daß eine strafbare Begünstigung nicht vorliegt, wenn der Begünstiger sowohl einen Teilnehmer der Vortat, an der er selbst beteiligt gewesen ist, als auch sich selbst der Strafe entziehen will; ob es ihm dabei mehr auf die Selbstbegünstigung oder auf die Begünstigung des Teilnehmers angekommen ist, fällt nicht entscheidend ins Gewicht. Es macht auch nichts aus, ob die Angeklagte wirklich eine Bestrafung zu befürchten hatte oder nur irrtümlich glaubte, mit einer solchen rechnen zu müssen. Dem Verbot der Begünstigung ist da eine Grenze ge­ zogen, wo dem Handelnden nicht mehr zugemutet werden

kann, dem Verbot Folge zu leisten, weil er sich sonst selbst der Gefahr einer Bestrafung aussetzen würde; für das Borliegen des Entschuldigungs- oder Rechtferti­ gungsgrundes, der vom Täter gegenüber dem gesetzlichen Verbot zur Seite steht, kann darum nur seine eigene Auffassung über diesen Punkt maßgebend sein. Im Falle eines Irrtums hierüber bleibt sein Handeln auch insoferne straflos, als es den Berüber einer wirklich geschehenen Vortat begünstigt, wenn nur die Tat zu­ gleich zum Vorteil des Begünstigers selbst wirken soll. (I, 19. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 101—104. Vgl. Bd. 21 S. 375. 44. Erwirkung einer Falschbeurkundung. Urkunden­ fälschung. Personalausweis. Beweiskraft. (StGB. §§ 267, 271.) Einem Inländer wurde ein als Paßersatz dienender Personalausweis ausgestellt, obwohl solche Ausweise nur für Ausländer und Staatenlose ausgestellt werden dürfen. Er hatte einen falschen Namen und Titel an­ gegeben. Seine Verurteilung wegen Erwirkung einer falschen Beurkundung wurde bestätigt. Durch den Um­ stand, daß ihm der Ausweis nicht hätte ausgestellt werden dürfen, wurde dieser seiner Eigenschaft als öffent­ liche Urkunde nicht entkleidet; die Ausstellung solcher Ausweise bleibt eine allgemeine und ohne weiteres inner­ halb der Amtsbefugnis der Polizeibehörde liegende Be­ urkundung, möchten immerhin im einzelnen Fall die sach­ lichen Voraussetzungen für die Vornahme der Amtshand­ lung gefehlt haben. Die Beweiskraft des Ausweises er­ streckt sich auch auf die Berechtigung des Angeklagten zur Führung des von ihm angegebenen Titels. Für die Frage der Urkundenfälschung (StGB. § 267) kommt es darauf an, ob durch die Beifügung eines Zusatzes, ins­ besondere eines Titels, der Anschein erweckt wird, als sei die Urkunde von einer anderen Person ausgestellt, als wirklich der Fall ist; bei der Erwirkung einer fal­ schen Beurkundung (StGB. § 271) ist aber entscheidend, ob die Berechtigung zur Führung des Titels eine rechts­ erhebliche Tatsache darstellt, über die öffentlichen Be­ weis zu erbringen die Urkunde bestimmt ist. Das trifft für Personalausweise zu, namentlich wenn sie als Paß­ ersatz dienen sollen. Solche Ausweise enthalten auch An-

kann, dem Verbot Folge zu leisten, weil er sich sonst selbst der Gefahr einer Bestrafung aussetzen würde; für das Borliegen des Entschuldigungs- oder Rechtferti­ gungsgrundes, der vom Täter gegenüber dem gesetzlichen Verbot zur Seite steht, kann darum nur seine eigene Auffassung über diesen Punkt maßgebend sein. Im Falle eines Irrtums hierüber bleibt sein Handeln auch insoferne straflos, als es den Berüber einer wirklich geschehenen Vortat begünstigt, wenn nur die Tat zu­ gleich zum Vorteil des Begünstigers selbst wirken soll. (I, 19. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 101—104. Vgl. Bd. 21 S. 375. 44. Erwirkung einer Falschbeurkundung. Urkunden­ fälschung. Personalausweis. Beweiskraft. (StGB. §§ 267, 271.) Einem Inländer wurde ein als Paßersatz dienender Personalausweis ausgestellt, obwohl solche Ausweise nur für Ausländer und Staatenlose ausgestellt werden dürfen. Er hatte einen falschen Namen und Titel an­ gegeben. Seine Verurteilung wegen Erwirkung einer falschen Beurkundung wurde bestätigt. Durch den Um­ stand, daß ihm der Ausweis nicht hätte ausgestellt werden dürfen, wurde dieser seiner Eigenschaft als öffent­ liche Urkunde nicht entkleidet; die Ausstellung solcher Ausweise bleibt eine allgemeine und ohne weiteres inner­ halb der Amtsbefugnis der Polizeibehörde liegende Be­ urkundung, möchten immerhin im einzelnen Fall die sach­ lichen Voraussetzungen für die Vornahme der Amtshand­ lung gefehlt haben. Die Beweiskraft des Ausweises er­ streckt sich auch auf die Berechtigung des Angeklagten zur Führung des von ihm angegebenen Titels. Für die Frage der Urkundenfälschung (StGB. § 267) kommt es darauf an, ob durch die Beifügung eines Zusatzes, ins­ besondere eines Titels, der Anschein erweckt wird, als sei die Urkunde von einer anderen Person ausgestellt, als wirklich der Fall ist; bei der Erwirkung einer fal­ schen Beurkundung (StGB. § 271) ist aber entscheidend, ob die Berechtigung zur Führung des Titels eine rechts­ erhebliche Tatsache darstellt, über die öffentlichen Be­ weis zu erbringen die Urkunde bestimmt ist. Das trifft für Personalausweise zu, namentlich wenn sie als Paß­ ersatz dienen sollen. Solche Ausweise enthalten auch An-

gaben, die von allgemein fremdenpolizeilicher Bedeutung für die Person des Inhabers sind. Zu den Angaben dieser Art gehören neben der Angabe der Staatsange­ hörigkeit die des Standes oder Berufs; wenn die Paß­ behörde es für angezeigt hält, die Persönlichkeit des Inhabers auch durch Angabe des ihm zukommenden Titels näher zu kennzeichnen, liegt das ebenfalls inner­ halb der Beweiszwecke, für welche der Ausweis ausge­ stellt wird. (II, 22. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 104—106. Vgl. Bd. 55 S. 173.

45. Beschränkte Anfechtung. Meineid. Strafermäßi­ gung. Belehrung über das Recht der Zeugnisverwei­ gerung. (StGB. § 157; ZPO. § 383.) In einem Rechts­ streit eines unehelichen Kindes wurde dessen Mutter zweimal als Zeugin vernommen. Vor der ersten Ver­ nehmung wurde sie auf ihr Recht, das Zeugnis zu ver­ weigern, hingewiesen; vor der zweiten Vernehmung ge­ schah das nicht mehr. Unmittelbar nach der zweiten Ver­ nehmung leistete sie den Eid. Sie wurde wegen Mein­ eids verurteilt. Ihre Revision hatte Erfolg. Sie war darauf beschränkt, daß die Strafe nicht ermäßigt worden sei. Das Reichsgericht erklärte die Beschränkung für zu­ lässig. Die wegen Meineids verwirkte Strafe ist zu ermäßigen, wenn der Aussagende die falsche Aussage zugunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aus­ sage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht, die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein. Die Strafermäßigung hängt also nur davon ab, daß der Zeuge über sein Recht, das Zeugnis zu ver­ weigern, nicht belehrt worden ist, nicht auch davon, daß ihm dieses Recht tatsächlich unbekannt gewesen ist. Zwischen einer Belehrung vor der ersten Vernehmung und einer solchen vor späteren Vernehmungen wird teilt Unterschied gemacht; ebenso macht es nichts aus, ob die Belehrung deshalb unterblieb, weil sie gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Die Zwangslage des Schwurpflich­ tigen, die darin besteht, daß er auf der einen Seite verpflichtet ist, unter seinem Eid die Wahrheit zu sagen, auf der anderen Seite aber befürchten muß, durch das Bekenntnis der Wahrheit einen seiner Angehörigen zu schädigen, ist in allen Fällen die gleiche. Das Urteil

gaben, die von allgemein fremdenpolizeilicher Bedeutung für die Person des Inhabers sind. Zu den Angaben dieser Art gehören neben der Angabe der Staatsange­ hörigkeit die des Standes oder Berufs; wenn die Paß­ behörde es für angezeigt hält, die Persönlichkeit des Inhabers auch durch Angabe des ihm zukommenden Titels näher zu kennzeichnen, liegt das ebenfalls inner­ halb der Beweiszwecke, für welche der Ausweis ausge­ stellt wird. (II, 22. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 104—106. Vgl. Bd. 55 S. 173.

45. Beschränkte Anfechtung. Meineid. Strafermäßi­ gung. Belehrung über das Recht der Zeugnisverwei­ gerung. (StGB. § 157; ZPO. § 383.) In einem Rechts­ streit eines unehelichen Kindes wurde dessen Mutter zweimal als Zeugin vernommen. Vor der ersten Ver­ nehmung wurde sie auf ihr Recht, das Zeugnis zu ver­ weigern, hingewiesen; vor der zweiten Vernehmung ge­ schah das nicht mehr. Unmittelbar nach der zweiten Ver­ nehmung leistete sie den Eid. Sie wurde wegen Mein­ eids verurteilt. Ihre Revision hatte Erfolg. Sie war darauf beschränkt, daß die Strafe nicht ermäßigt worden sei. Das Reichsgericht erklärte die Beschränkung für zu­ lässig. Die wegen Meineids verwirkte Strafe ist zu ermäßigen, wenn der Aussagende die falsche Aussage zugunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aus­ sage ablehnen durfte, erstattet hat, ohne über sein Recht, die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein. Die Strafermäßigung hängt also nur davon ab, daß der Zeuge über sein Recht, das Zeugnis zu ver­ weigern, nicht belehrt worden ist, nicht auch davon, daß ihm dieses Recht tatsächlich unbekannt gewesen ist. Zwischen einer Belehrung vor der ersten Vernehmung und einer solchen vor späteren Vernehmungen wird teilt Unterschied gemacht; ebenso macht es nichts aus, ob die Belehrung deshalb unterblieb, weil sie gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Die Zwangslage des Schwurpflich­ tigen, die darin besteht, daß er auf der einen Seite verpflichtet ist, unter seinem Eid die Wahrheit zu sagen, auf der anderen Seite aber befürchten muß, durch das Bekenntnis der Wahrheit einen seiner Angehörigen zu schädigen, ist in allen Fällen die gleiche. Das Urteil

46________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 44 wurde im Strafaussprüch aufgehoben. (I, 26. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 106—109. Vgl. Bd. 40 S. 46; Bd. 42 S. 30, 241; Bd. 45 S. 149; Bd. 47 S. 227; Bd. 54 ©.‘180.

46. Beschränkte Anfechtung. Lohnabtreibung. Straf­ erhöhung. (StGB. 88 218, 219; StPO. 8 263.) Eine Frau, die wegen Lohnabtreibung in Tateinheit mit fahr­ lässiger Tötung verurteilt worden war, focht das Urteil nur infoferne an, als festgestellt worden war, daß sie die Handlung gegen Entgelt vorgenommen habe. Das Berufungsgericht erhob nur über diese Frage Beweis, prüfte aber im übrigen das Urteil des Schöffengerichts nicht nach. Das war rechtlich zu beanstanden. Die Zu­ lässigkeit der Beschränkung eines Rechtsmittels auf einen Teil der Entscheidung ist unter der Voraussetzung zu­ lässig, daß der angefochtene Teil losgelöst von den nicht angegriffenen Teilen einer selbständigen Prüfung und Beurteilung zugänglich ist, ohne ein erneutes Eingehen auf diese anderen Teile notwendig zu machen. Eine solche Trennbarkeit gilt allgemein für die Straffrage gegenüber der Schuldfrage. Dagegen ist innerhalb der Schuldfrage eine weitere Trennung der Tat- und Be­ weisfrage von der Rechtsfrage oder eine Trennung der einzelnen Tatbestandsmerkmale nicht statthaft. Bei der Lohnabtreibung gehört das Handeln gegen Entgelt zu den im Strafgesetz besonders vorgesehenen Umständen, die, weil sie die Strafbarkeit erhöhen, begrifflich einen untrennbaren Teil der Schuldfrage bilden. Die Sachund Rechtslage ist hier eine andere als in den Fällen der Straferhöhung wegen Rückfalls oder der Strafermäßi­ gung bei Meineid, in denen nicht Merkmale der Hand­ lung selbst, sondern nur äußerlich zu ihr hinzutretende, zum Teil von ihr sogar zeitlich getrennte, an sich selbst­ ständige Tatsachen in Frage stehen. Die Prüfung und Beurteilung des Merkmals der Entgeltlichkeit konnte daher nicht ohne ein erneutes Eingehen auf die übrigen Tatbestandsmerkmale der Lohnabtreibung vorgenommen werden. Die Beschränkung des Rechtsmittels war aber im gegebenen Falle noch aus einem anderen Grund wirkungslos. Im Falle des tateinheitlichen Zusammen­ treffens kann die Anfechtung nicht auf einen einzelnen rechtlichen Gesichtspunkt beschränkt werden; vielmehr gilt

46________________ Strafsachen Bd. 60_______________ 44 wurde im Strafaussprüch aufgehoben. (I, 26. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 106—109. Vgl. Bd. 40 S. 46; Bd. 42 S. 30, 241; Bd. 45 S. 149; Bd. 47 S. 227; Bd. 54 ©.‘180.

46. Beschränkte Anfechtung. Lohnabtreibung. Straf­ erhöhung. (StGB. 88 218, 219; StPO. 8 263.) Eine Frau, die wegen Lohnabtreibung in Tateinheit mit fahr­ lässiger Tötung verurteilt worden war, focht das Urteil nur infoferne an, als festgestellt worden war, daß sie die Handlung gegen Entgelt vorgenommen habe. Das Berufungsgericht erhob nur über diese Frage Beweis, prüfte aber im übrigen das Urteil des Schöffengerichts nicht nach. Das war rechtlich zu beanstanden. Die Zu­ lässigkeit der Beschränkung eines Rechtsmittels auf einen Teil der Entscheidung ist unter der Voraussetzung zu­ lässig, daß der angefochtene Teil losgelöst von den nicht angegriffenen Teilen einer selbständigen Prüfung und Beurteilung zugänglich ist, ohne ein erneutes Eingehen auf diese anderen Teile notwendig zu machen. Eine solche Trennbarkeit gilt allgemein für die Straffrage gegenüber der Schuldfrage. Dagegen ist innerhalb der Schuldfrage eine weitere Trennung der Tat- und Be­ weisfrage von der Rechtsfrage oder eine Trennung der einzelnen Tatbestandsmerkmale nicht statthaft. Bei der Lohnabtreibung gehört das Handeln gegen Entgelt zu den im Strafgesetz besonders vorgesehenen Umständen, die, weil sie die Strafbarkeit erhöhen, begrifflich einen untrennbaren Teil der Schuldfrage bilden. Die Sachund Rechtslage ist hier eine andere als in den Fällen der Straferhöhung wegen Rückfalls oder der Strafermäßi­ gung bei Meineid, in denen nicht Merkmale der Hand­ lung selbst, sondern nur äußerlich zu ihr hinzutretende, zum Teil von ihr sogar zeitlich getrennte, an sich selbst­ ständige Tatsachen in Frage stehen. Die Prüfung und Beurteilung des Merkmals der Entgeltlichkeit konnte daher nicht ohne ein erneutes Eingehen auf die übrigen Tatbestandsmerkmale der Lohnabtreibung vorgenommen werden. Die Beschränkung des Rechtsmittels war aber im gegebenen Falle noch aus einem anderen Grund wirkungslos. Im Falle des tateinheitlichen Zusammen­ treffens kann die Anfechtung nicht auf einen einzelnen rechtlichen Gesichtspunkt beschränkt werden; vielmehr gilt

das ganze Urteil als angefochten. Die Schuldfrage bei einer und derselben Handlung muß nach allen für die richtige Gesetzesanwendung maßgebenden Gesichtspunk­ ten, somit auch nach dem der Verletzung anderer Straf­ gesetze, als der Beschwerdeführer in seinem Antrag her­ vorhebt, einheitlich geprüft werden. (I, 26. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 109—111. Vgl. Bd. 23 S. 147; Bd. 33 S. 17; Bd. 45 S. 149; Bd. 47 S. 5, 227; Bd. 54 S. 180.

47. Berbrechen. Besonders schwerer Fall. Unlautere Machenschaft. Richterablehnung. (PreisTrBO. 1923 § 8; WucherGerVO. Art. II § 2; SchleichhStrafschG. §§ 1, 6; StGB. §§ 1, 27b; StPO. § 28.) In dem angefochtenen Urteil war festgestellt, daß der Angeklagte sich in eigennütziger, unwirtschaftlicher Weise als Zwischenglied in die Kette bet Kreditgeber eingeschoben und durch über­ mäßige Zinsforderungen die Kredite übermäßig verteuert habe; weiter war für erwiesen erachtet, daß durch diese Handlungsweise zwar nicht der Preis der von dem Ange­ klagten selbst gehandelten Waren beeinflußt wurde, da hierfür regelmäßige Marktpreise bestanden, daß aber die unlauteren Einschiebungen des Angeklagten in Verbin­ dung mit den Machenschaften der damals zahlreich vor­ handenen Kreditgeber gleichen Schlages geeignet waren, die allgemeinen Zinssätze hochzuhalten und dadurch den allgemeinen Preisstand von vielen Arten von Gegenstän­ den des täglichen Bedarfs, besonders von Rohstoffen, für welche damals eine Notmarktlage bestand, hochzuhalten oder zu steigern. Das Reichsgericht billigte, daß hierin unlautere Machenschaften gefunden wurden. Der allge­ meine Zinssatz wird hochgehalten oder gesteigert, wenn zahlreiche Kreditgeber sich unlauterer Einschiebungen und übermäßiger Zinsforderungen schuldig machen. Für die auf diese Weise verursachte Kreditverteuerung ist jeder verantwortlich, der daran mitwirkt, wenn auch die Machenschaften des einzelnen für sich allein nicht imstande waren, eine allgemeine Kreditverteuerung zu be­ wirken. Ob hohe Zinsen den Preisstand der Waren er­ höhen oder herabdrücken, hängt von verschiedenen anderen Umständen ab, die für die Preisbildung von Bedeutung sind. Wenn Erzeuger und Händler in der Erwartung steigender Preise mit den Waren zurückRGG., Strafsachen Dd. 60.

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das ganze Urteil als angefochten. Die Schuldfrage bei einer und derselben Handlung muß nach allen für die richtige Gesetzesanwendung maßgebenden Gesichtspunk­ ten, somit auch nach dem der Verletzung anderer Straf­ gesetze, als der Beschwerdeführer in seinem Antrag her­ vorhebt, einheitlich geprüft werden. (I, 26. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 109—111. Vgl. Bd. 23 S. 147; Bd. 33 S. 17; Bd. 45 S. 149; Bd. 47 S. 5, 227; Bd. 54 S. 180.

47. Berbrechen. Besonders schwerer Fall. Unlautere Machenschaft. Richterablehnung. (PreisTrBO. 1923 § 8; WucherGerVO. Art. II § 2; SchleichhStrafschG. §§ 1, 6; StGB. §§ 1, 27b; StPO. § 28.) In dem angefochtenen Urteil war festgestellt, daß der Angeklagte sich in eigennütziger, unwirtschaftlicher Weise als Zwischenglied in die Kette bet Kreditgeber eingeschoben und durch über­ mäßige Zinsforderungen die Kredite übermäßig verteuert habe; weiter war für erwiesen erachtet, daß durch diese Handlungsweise zwar nicht der Preis der von dem Ange­ klagten selbst gehandelten Waren beeinflußt wurde, da hierfür regelmäßige Marktpreise bestanden, daß aber die unlauteren Einschiebungen des Angeklagten in Verbin­ dung mit den Machenschaften der damals zahlreich vor­ handenen Kreditgeber gleichen Schlages geeignet waren, die allgemeinen Zinssätze hochzuhalten und dadurch den allgemeinen Preisstand von vielen Arten von Gegenstän­ den des täglichen Bedarfs, besonders von Rohstoffen, für welche damals eine Notmarktlage bestand, hochzuhalten oder zu steigern. Das Reichsgericht billigte, daß hierin unlautere Machenschaften gefunden wurden. Der allge­ meine Zinssatz wird hochgehalten oder gesteigert, wenn zahlreiche Kreditgeber sich unlauterer Einschiebungen und übermäßiger Zinsforderungen schuldig machen. Für die auf diese Weise verursachte Kreditverteuerung ist jeder verantwortlich, der daran mitwirkt, wenn auch die Machenschaften des einzelnen für sich allein nicht imstande waren, eine allgemeine Kreditverteuerung zu be­ wirken. Ob hohe Zinsen den Preisstand der Waren er­ höhen oder herabdrücken, hängt von verschiedenen anderen Umständen ab, die für die Preisbildung von Bedeutung sind. Wenn Erzeuger und Händler in der Erwartung steigender Preise mit den Waren zurückRGG., Strafsachen Dd. 60.

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Strafsachen Bd. 60

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halten, kann eine Krediteinschränkung durch Erhöhung der Zinssätze zu einer Vermehrung des Warenangebots und damit zu einer Verminderung der Warenpreise führen. Soweit aber an bestimmten Gegenständen des täglichen Bedarfs nennenswerte Vorräte nicht mehr vor­ handen und die Erzeuger und Händler eins fremdes Geld angewiesen sind, müssen sie den Kredit auch bei erhöhten Zinssätzen in Anspruch nehmen und die Zinsen nach Möglichkeit in die Gestehungskosten einrechnen; das kann zu einer Steigerung der Preise führen. Zu Zwecken der Kreditregelung kann es freilich geboten sein, Erhöhun­ gen des Zinssatzes auch auf die Gefahr hin vorzunehmen, daß sie bei gewissen Gegenständen des täglichen Be­ darfs preissteigernd wirken: derartige Maßnahmen sind nicht unlauter, auch kann der Verdienst, der sich aus ihnen ergibt, nicht als übermäßig bezeichnet werden. Die Kreditregelung durch Erhöhung des Zinssatzes hat aber eine bestimmte, von den jeweiligen Umständen ab­ hängige Grenze, deren Überschreitung nicht mehr als wirtschaftlich anerkannt werden kann. Geschieht die Über­ schreitung dieser Grenze unter eigensüchtiger Ausbeutung der Kreditnot, so wird sie zur unlauteren Machenschaft; die Anwendung der Vorschriften der Preistreibereiver­ ordnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der hohe Zinssatz nach einer anderen Richtung preissenkend wir­ ken kann. Da die Tat des Angeklagten nur als ein Ver­ gehen zu beurteilen war, hätte geprüft werden müssen, ob der Strafzweck nicht durch eine Geldstrafe erreicht werden konnte. Die Auffassung, daß vorsätzliche Preis­ treiberei als ein Verbrechen anzusehen ist, weil in be­ sonders schweren Fällen auf Zuchthaus erkannt werden kann, ist nicht haltbar. Wie bei Zulassung mildernder Umstände der ordentliche, nicht der außerordentliche Strafrahmen für die Beurteilung der Tat als Ver­ brechen oder Vergehen maßgebend ist, so muß das auch für die besonders schweren Fälle gelten; ob die be­ sonders schweren Fälle selbst als Verbrechen anzusehen sind, wurde nicht entschieden. — Der Angeklagte hatte den Vorsitzenden des Schöffengerichts abgelehnt. Die Ab­ lehnung wurde, vom Landgericht für unbegründet er­ klärt. Die Hauptverhandlung sand unter dem Vorsitz des abgelehnten Richters statt. Gegen das Urteil legte

der Angeklagte Berufung ein, ohne aber den auf seine Ablehnung ergangenen Beschluß des Landgerichts anzu­ fechten. Auch in der Revision wurde dieser Beschluß nicht erwähnt. Das Reichsgericht verwies die Sache an das Landgericht zurück. Gegen das neue Urteil des Landge­ richts richtete sich nun die zu verbescheidende Revision. In dieser wurde der auf die Ablehnung ergangene Be­ schluß des Landgerichts angefochten. Das war unzulässig. Der Beschluß,, durch den eine Ablehnung für unbegrün­ det erklärt wird, kann nicht für sich allein, sondern nur mit dem Urteil angefochten werden- unter diesem Urteil kann sinngemäß nur jenes verstanden sein, an dem der abgelehnte Richter mitgewirkt hat. (I, 26. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 111—117. Vgl. Bd. 59 S. 214, 299. 48. Branntweinmonopol. Plünderung. Notstand. Straffreiheit. Gesepeseinheit. (StGB. § 54; Branntw.MonG. §§ 8, 13, 35, 44, 105, 117, 148, 155, 157, 159; Deutsch-Polnisches Abkommen vom 21. Juli 1922.) Bei der Plünderung eines Gutes in Schlesien durch pol­ nische Aufständige wurde der Verwahrungsraum des in der Brennerei des Gutes hergestellten Branntweins er­ brochen und ein Teil des Branntweins sortgeschafst. Einige Fässer wurden wieder zurückgebracht; der Eigen­ tümer des Gutes verkaufte den Branntwein in kleinen Mengen an die Bevölkerung der Umgegend. Hierin lag eine Verfehlung gegen das Branntweinmonopol. Durch die Aufhebung des amtlichen Verschlusses und das Fort­ schaffen des Branntweins hörte dieser nicht auf, der amtlichen Überwachung zu unterliegen; die Steuerbe­ hörde war berechtigt und verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um ihre durch die Plünderung beeinträchtigte Überwachung wieder wirksam zu machen. Für den Gutseigentümer wurden dadurch, daß er wieder in den Besitz des Branntweins gelangte, alle Verfügungsbeschränkungen und Ablieferungspflichten wieder wirksam. Bon einem Notstand, auf den er sich berufen hatte, war schon darum keine Rede, weil eine Gefahr für Leib oder Leben nicht in Frage kam, ein drohender Verlust des Eigentümers aber keinen Notstand begründet. Dagegen war zu berücksichtigen, daß zu jener Zeit die Tätigkeit der Monopolverwaltung und der deutschen Be4*

der Angeklagte Berufung ein, ohne aber den auf seine Ablehnung ergangenen Beschluß des Landgerichts anzu­ fechten. Auch in der Revision wurde dieser Beschluß nicht erwähnt. Das Reichsgericht verwies die Sache an das Landgericht zurück. Gegen das neue Urteil des Landge­ richts richtete sich nun die zu verbescheidende Revision. In dieser wurde der auf die Ablehnung ergangene Be­ schluß des Landgerichts angefochten. Das war unzulässig. Der Beschluß,, durch den eine Ablehnung für unbegrün­ det erklärt wird, kann nicht für sich allein, sondern nur mit dem Urteil angefochten werden- unter diesem Urteil kann sinngemäß nur jenes verstanden sein, an dem der abgelehnte Richter mitgewirkt hat. (I, 26. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 111—117. Vgl. Bd. 59 S. 214, 299. 48. Branntweinmonopol. Plünderung. Notstand. Straffreiheit. Gesepeseinheit. (StGB. § 54; Branntw.MonG. §§ 8, 13, 35, 44, 105, 117, 148, 155, 157, 159; Deutsch-Polnisches Abkommen vom 21. Juli 1922.) Bei der Plünderung eines Gutes in Schlesien durch pol­ nische Aufständige wurde der Verwahrungsraum des in der Brennerei des Gutes hergestellten Branntweins er­ brochen und ein Teil des Branntweins sortgeschafst. Einige Fässer wurden wieder zurückgebracht; der Eigen­ tümer des Gutes verkaufte den Branntwein in kleinen Mengen an die Bevölkerung der Umgegend. Hierin lag eine Verfehlung gegen das Branntweinmonopol. Durch die Aufhebung des amtlichen Verschlusses und das Fort­ schaffen des Branntweins hörte dieser nicht auf, der amtlichen Überwachung zu unterliegen; die Steuerbe­ hörde war berechtigt und verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um ihre durch die Plünderung beeinträchtigte Überwachung wieder wirksam zu machen. Für den Gutseigentümer wurden dadurch, daß er wieder in den Besitz des Branntweins gelangte, alle Verfügungsbeschränkungen und Ablieferungspflichten wieder wirksam. Bon einem Notstand, auf den er sich berufen hatte, war schon darum keine Rede, weil eine Gefahr für Leib oder Leben nicht in Frage kam, ein drohender Verlust des Eigentümers aber keinen Notstand begründet. Dagegen war zu berücksichtigen, daß zu jener Zeit die Tätigkeit der Monopolverwaltung und der deutschen Be4*

Hörden überhaupt lahmgelegt war und eine amtliche Ab­ nahme des Branntweins in absehbarer Zeit nicht zu erwarten stand. In dieser Notlage durfte sich der An­ geklagte für befugt halten, sowohl zur Rettung seines Eigentums wie auch znr Wahrung der Belange der Monopolverwaltung so zu verfügen, wie es dem beider­ seitigen Besten zu entsprechen schien. Wenn er von solchen Erwägungen ausging, war in der Veräußerung des Branntweins keine unbefugte (oder doch keine be­ wußt unbefugte) Verfügung zu finden. Das Vorbringen des Angeklagten, daß er vor hatte, nach der Wiederher­ stellung geordneter Verhältnisse dem Zollamt den Ver­ kauf zu melden, war nicht widerlegt worden; hiernach fehlte ihm bei der Veräußerung der zur vorsätzlichen Ab­ gabenhinterziehung erforderliche Wille, durch Verheim­ lichung der Verkäufe eine Abgabenverkürzung zu be­ wirken. Daß er nachträglich den Vorsatz der Abgaben­ hinterziehung gefaßt habe, war nicht festgestellt; einer der Tatbestände, aus denen sich die Vermutung für einen solchen Vorsatz ergeben hätte, lag nicht vor. Das Land­ gericht hatte Tateinheit zwischen Hinterziehung des Branntweinaufschlags und des Freigeldes angenommen. Die Revision wandte hiergegen ein, daß Gesetzeseinheit in Betracht komme. Das Reichsgericht erkannte das nicht an. Gesetzeseinheit liegt vor, wenn mehrere Straf­ gesetze denselben Tatbestand ausstellen und sich nur da­ durch unterscheiden, daß ein Gesetz ein Begrisfsmerkmal oder mehrere in engerer Begrenzung und besonderer Ge­ staltung enthält; die eine Straftat muß eine, wenn nicht notwendige, so doch regelmäßige Erscheinungsform der anderen sein. Diese Voraussetzungen trafen hier nicht zu. Wenn durch eine einzige natürliche Handlung eine vorsätzliche Vorenthaltung aller nach Lage der Sache in Betracht kommenden Monopolabgaben, ein­ schließlich des Freigeldes bewirkt wird, so wird dadurch nicht mehreren Strafgesetzen zuwidergehandelt, wie das für Tateinheit und Gesetzeseinheit erforderlich ist, son­ dern nur ein Strafgesetz verletzt; es liegt dann nur eine einzige Straftat der Abgabenhinterziehung vor und der Umstand, daß diese Straftat die Vorenthaltung mehrerer Abgaben zum Gegenstand hatte, bewirkt nur, daß diese Abgaben, soweit sie feststellbar sind, zusammengerechnet

und als Gesamtbetrag der Strafbemessung zugrunde gelegt werden müssen. Wird also durch eine und dieselbe Handlung sowohl eine Hinterziehung von Freigeld als auch von anderen Monopolabgaben begangen, so ist weder für Tateinheit, noch für Gesetzeseinheit Raum. In Frage kam auch, ob die Handlung nicht auf Grund des Deutsch-Polnischen Abkommens vom 21. Juni 1922 straffrei zu lassen war. Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Steuergesetze werden von der Straffreiheit nicht erfaßt. Branntweinmonopolabgaben sind allerdings keine Steuern; die Ausnahme erstreckt sich aber auf das ganze Abgabenwesen und schließt alle Hinterziehungen von Abgaben von der Straffreiheit aus. (II, 18. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 118—123. Vgl. Bd. 55 S. 155, 239; Bd. 56 S. 239; Bd. 57 S.329; Bd. 58 S. 19.

49. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (StGB. 8 2; AußenhKontrBO. § 7; VZG. §§ 134, 155; VermStrBO. Art I, XIV.) Nach der Außenhandelskon­ trollverordnung in der durch die Bermögensstrafenverordnung festgesetzten Fassung war unerlaubte Ausfuhr mit Gefängnis nicht unter einem Monat und Geldstrafe, bei Borliegen mildernder Umstände mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis zu 10000 Reichs­ mark, bei Gewinnsucht bis zu 100000 Reichsmark, oder einer dieser Strafen bedroht; die Gegenstände, auf die sich die Tat bezog, waren einzuziehen. Nach der neuen Fassung finden auf unerlaubte Ausfuhr die Vorschriften des Vereinszollgesetzes in der Fassung der Bermögensstrafenverordnung Anwendung; hiernach ist bei einfacher Konterbande neben der Konfiskation oder dem an ihre Stelle tretenden Wertersatz eine Geldbuße verwirkt, die dem doppelten Betrag des Wertes der von dem Vergehen betroffenen Gegenstände gleichkommen soll; kann der Wert der Gegenstände nicht ermittelt werden, so ist auf eine Geldsumme, nicht auf eine in Freiheitsstrafe um­ wandelbare Geldstrafe zu erkennen. Bei der Vornahme der Prüfung, welches Gesetz im Falle eines Wechsels der Gesetzgebung als das mildeste anzusehen ist, kommt es darauf an, welches für den bestimmt vorliegenden Fall die mildeste Beurteilung zuläßt; dieses ist mit allen etwaigen strafmildernden Umständen der Vergleichung

und als Gesamtbetrag der Strafbemessung zugrunde gelegt werden müssen. Wird also durch eine und dieselbe Handlung sowohl eine Hinterziehung von Freigeld als auch von anderen Monopolabgaben begangen, so ist weder für Tateinheit, noch für Gesetzeseinheit Raum. In Frage kam auch, ob die Handlung nicht auf Grund des Deutsch-Polnischen Abkommens vom 21. Juni 1922 straffrei zu lassen war. Zuwiderhandlungen gegen die Zoll- und Steuergesetze werden von der Straffreiheit nicht erfaßt. Branntweinmonopolabgaben sind allerdings keine Steuern; die Ausnahme erstreckt sich aber auf das ganze Abgabenwesen und schließt alle Hinterziehungen von Abgaben von der Straffreiheit aus. (II, 18. Februar 1926.) Amtl. Sammlg. S. 118—123. Vgl. Bd. 55 S. 155, 239; Bd. 56 S. 239; Bd. 57 S.329; Bd. 58 S. 19.

49. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (StGB. 8 2; AußenhKontrBO. § 7; VZG. §§ 134, 155; VermStrBO. Art I, XIV.) Nach der Außenhandelskon­ trollverordnung in der durch die Bermögensstrafenverordnung festgesetzten Fassung war unerlaubte Ausfuhr mit Gefängnis nicht unter einem Monat und Geldstrafe, bei Borliegen mildernder Umstände mit Gefängnis bis zu einem Jahr und mit Geldstrafe bis zu 10000 Reichs­ mark, bei Gewinnsucht bis zu 100000 Reichsmark, oder einer dieser Strafen bedroht; die Gegenstände, auf die sich die Tat bezog, waren einzuziehen. Nach der neuen Fassung finden auf unerlaubte Ausfuhr die Vorschriften des Vereinszollgesetzes in der Fassung der Bermögensstrafenverordnung Anwendung; hiernach ist bei einfacher Konterbande neben der Konfiskation oder dem an ihre Stelle tretenden Wertersatz eine Geldbuße verwirkt, die dem doppelten Betrag des Wertes der von dem Vergehen betroffenen Gegenstände gleichkommen soll; kann der Wert der Gegenstände nicht ermittelt werden, so ist auf eine Geldsumme, nicht auf eine in Freiheitsstrafe um­ wandelbare Geldstrafe zu erkennen. Bei der Vornahme der Prüfung, welches Gesetz im Falle eines Wechsels der Gesetzgebung als das mildeste anzusehen ist, kommt es darauf an, welches für den bestimmt vorliegenden Fall die mildeste Beurteilung zuläßt; dieses ist mit allen etwaigen strafmildernden Umständen der Vergleichung

zugrunde zu legen, insbesondere ist auch die Möglichkeit der Zubilligung mildernder Umstände im technischen Sinne in Betracht zu ziehen. Im gegebenen Fall hatte es sich um die unerlaubte Ausfuhr von Gegenständen ge­ handelt, die einen Wert von 400 Mark hatten. Wurden mildernde Umstände versagt, so war die ältere Fassung das strengere Gesetz, da nach ihr neben der Konfiskation und der Geldstrafe auf Freiheitsstrafe erkannt werden mußte. Im Falle der Zubilligung mildernder Umstände war die ältere Fassung teils milder, teils strenger; es konnte einerseits bei der Geldstrafe bis auf 3 Reichsmark heruntergegangen werden, anderseits konnte auf Frei­ heitsstrafe erkannt und bei der Geldstrafe über den dop­ pelten Wert der Gegenstände hinausgegangen werden. Hätte in diesem Fall das Berufungsgericht sich veranlaßt gesehen, neben oder statt der Geldstrafe eine Freiheits­ strafe auszusprechen oder bei der Geldstrafe über den doppelten Wert hinauszugehen, so wäre die neuere Fassung als das mildere Gesetz in Betracht gekommen; andernfalls wäre die ältere Fassung, die. ein Herunter­ gehen unter den doppelten Wert ermöglichte, anzuwenden gewesen. In einem Fall war nicht festzustellen gewesen, auf welche Gegenstände sich die unerlaubte Ausfuhr er­ streckt hatte; es war also weder eine Konfiskation noch eine Schätzung des Wertes möglich. Das Reichsgericht billigte, daß auf diesen Fall das Vereinszollgesetz an­ gewendet worden war; dieses war schon deshalb als das mildeste anzusehen, weil hier auch nicht hilfsweise auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden konnte. (I, 5. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 123—126. Vgl. Bd. 14 S. 195; Bd. 22 S. 103; Bd. 54 S. 170. 50. Ehrenverlust. (StGB. §§ 32, 49, 219.) Wegen Beihilfe zur Lohnabtreibung wurde auf eine Gefängnis­ strafe uni) auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte er­ kannt. Das Reichsgericht erklärte das für zulässig. Für die Bestrafung der Beihilfe sind die Grundsätze maß­ gebend, die für die Bestrafung des Versuchs aufgestellt sind. Wenn neben der Strafe des vollendeten Ver­ brechens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig ist, gilt das auch für die Versuchsstrafe; dem­ gemäß kann im Falle der Beihilfe ebenso verfahren werden. (I, 5. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 126.

zugrunde zu legen, insbesondere ist auch die Möglichkeit der Zubilligung mildernder Umstände im technischen Sinne in Betracht zu ziehen. Im gegebenen Fall hatte es sich um die unerlaubte Ausfuhr von Gegenständen ge­ handelt, die einen Wert von 400 Mark hatten. Wurden mildernde Umstände versagt, so war die ältere Fassung das strengere Gesetz, da nach ihr neben der Konfiskation und der Geldstrafe auf Freiheitsstrafe erkannt werden mußte. Im Falle der Zubilligung mildernder Umstände war die ältere Fassung teils milder, teils strenger; es konnte einerseits bei der Geldstrafe bis auf 3 Reichsmark heruntergegangen werden, anderseits konnte auf Frei­ heitsstrafe erkannt und bei der Geldstrafe über den dop­ pelten Wert der Gegenstände hinausgegangen werden. Hätte in diesem Fall das Berufungsgericht sich veranlaßt gesehen, neben oder statt der Geldstrafe eine Freiheits­ strafe auszusprechen oder bei der Geldstrafe über den doppelten Wert hinauszugehen, so wäre die neuere Fassung als das mildere Gesetz in Betracht gekommen; andernfalls wäre die ältere Fassung, die. ein Herunter­ gehen unter den doppelten Wert ermöglichte, anzuwenden gewesen. In einem Fall war nicht festzustellen gewesen, auf welche Gegenstände sich die unerlaubte Ausfuhr er­ streckt hatte; es war also weder eine Konfiskation noch eine Schätzung des Wertes möglich. Das Reichsgericht billigte, daß auf diesen Fall das Vereinszollgesetz an­ gewendet worden war; dieses war schon deshalb als das mildeste anzusehen, weil hier auch nicht hilfsweise auf eine Freiheitsstrafe erkannt werden konnte. (I, 5. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 123—126. Vgl. Bd. 14 S. 195; Bd. 22 S. 103; Bd. 54 S. 170. 50. Ehrenverlust. (StGB. §§ 32, 49, 219.) Wegen Beihilfe zur Lohnabtreibung wurde auf eine Gefängnis­ strafe uni) auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte er­ kannt. Das Reichsgericht erklärte das für zulässig. Für die Bestrafung der Beihilfe sind die Grundsätze maß­ gebend, die für die Bestrafung des Versuchs aufgestellt sind. Wenn neben der Strafe des vollendeten Ver­ brechens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig ist, gilt das auch für die Versuchsstrafe; dem­ gemäß kann im Falle der Beihilfe ebenso verfahren werden. (I, 5. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 126.

51. Ausspielung. Versteckter Einsatz. (StGB. § 286.) Aus Anlaß des Umbaus seiner Geschäftsräume gab ein Kaufmann bekannt, daß er in der Zeit vom 22. Sep­ tember bis 2. Oktober 1924 jedem Käufer bei einem Einkaufswert von mindestens 3 Reichsmark ein Freilos, von 10 Reichsmark zwei Freilose und von 20 Reichsmark drei Freilose verabreichen lassen werde; als Gewinn waren Waren des Geschäfts in Aussicht gestellt. Die Ziehung fand nach Ablauf der angegebenen Zeit statt; eine Erlaubnis zu der Veranstaltung war nicht erholt worden. Das Schöffengericht sprach den Angeklagten frei, weil die Warenpreise nicht erhöht worden seien, es also an dem Merkmal eines Einsatzes fehle. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Ganz uneigennützige Veranstaltungen (Gratisausspielungen) bedürfen aller­ dings keiner Erlaubnis; davon wird aber in einem kauf­ männisch geleiteten Betrieb mir in den allerseltensten Fällen gesprochen werden können. Jeder verständige Kaufmann wird auch die Ausgaben für Neklamezwecke bei der Festsetzung eines Einzelpreises berücksichtigen müssen; dann zahlt jeder Käufer mit dem von ihm erlegten Preis nicht nur den reinen Warenwert, sondern gleichzeitig einen Einsatz für die ihm gewährte Gewinn­ hoffnung. Diese Mehrleistung braucht nicht nach außen in die Erscheinung zu treten; sie steckt in dem vom Käufer verlangten Preis als versteckter Einsatz. Der vom Angeklagten verfolgte Reklamezweck schloß die Annahme eines solchen versteckten Einsatzes nicht aus. (III, 3. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 127—128. 52. Brandstiftung. Versicherungsbetrug. Tateinheit. Gesetzeseinheit. (StGB. §§ 265, 306, 308.) Zwischen Brandstiftung und Versicherungsbetrug kann Tateinheit bestehen. Beide Tatbestände kreuzen einander. Die Vor­ schriften über Brandstiftung haben zum Gegenstand die Inbrandsetzung ganz bestimmter Sachen, jene über Ver­ sicherungsbetrug erstrecken sich auf alle Gegenstände, die gegen Feuergefahr versichert sind; hier ist ein Handeln in betrügerischer Absicht erfordert, während dort kein auf den Vorteil des Täters oder eines anderen gerichtetes Handeln vorausgesetzt ist. Die Verletzung inehrerer Straf­ gesetze liegt klar zutage, wenn durch eine und dieselbe Handlung ein nicht versichertes zur Wohnung des Men-

51. Ausspielung. Versteckter Einsatz. (StGB. § 286.) Aus Anlaß des Umbaus seiner Geschäftsräume gab ein Kaufmann bekannt, daß er in der Zeit vom 22. Sep­ tember bis 2. Oktober 1924 jedem Käufer bei einem Einkaufswert von mindestens 3 Reichsmark ein Freilos, von 10 Reichsmark zwei Freilose und von 20 Reichsmark drei Freilose verabreichen lassen werde; als Gewinn waren Waren des Geschäfts in Aussicht gestellt. Die Ziehung fand nach Ablauf der angegebenen Zeit statt; eine Erlaubnis zu der Veranstaltung war nicht erholt worden. Das Schöffengericht sprach den Angeklagten frei, weil die Warenpreise nicht erhöht worden seien, es also an dem Merkmal eines Einsatzes fehle. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Ganz uneigennützige Veranstaltungen (Gratisausspielungen) bedürfen aller­ dings keiner Erlaubnis; davon wird aber in einem kauf­ männisch geleiteten Betrieb mir in den allerseltensten Fällen gesprochen werden können. Jeder verständige Kaufmann wird auch die Ausgaben für Neklamezwecke bei der Festsetzung eines Einzelpreises berücksichtigen müssen; dann zahlt jeder Käufer mit dem von ihm erlegten Preis nicht nur den reinen Warenwert, sondern gleichzeitig einen Einsatz für die ihm gewährte Gewinn­ hoffnung. Diese Mehrleistung braucht nicht nach außen in die Erscheinung zu treten; sie steckt in dem vom Käufer verlangten Preis als versteckter Einsatz. Der vom Angeklagten verfolgte Reklamezweck schloß die Annahme eines solchen versteckten Einsatzes nicht aus. (III, 3. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 127—128. 52. Brandstiftung. Versicherungsbetrug. Tateinheit. Gesetzeseinheit. (StGB. §§ 265, 306, 308.) Zwischen Brandstiftung und Versicherungsbetrug kann Tateinheit bestehen. Beide Tatbestände kreuzen einander. Die Vor­ schriften über Brandstiftung haben zum Gegenstand die Inbrandsetzung ganz bestimmter Sachen, jene über Ver­ sicherungsbetrug erstrecken sich auf alle Gegenstände, die gegen Feuergefahr versichert sind; hier ist ein Handeln in betrügerischer Absicht erfordert, während dort kein auf den Vorteil des Täters oder eines anderen gerichtetes Handeln vorausgesetzt ist. Die Verletzung inehrerer Straf­ gesetze liegt klar zutage, wenn durch eine und dieselbe Handlung ein nicht versichertes zur Wohnung des Men-

53_______________ Strafsachen Bd. 60____________ 52 schen dienendes Gebäude und in betrügerischer Absicht Gegenstände, die sich in dem Gebäude befinden und gegen Feuersgefahr versichert sind, in Brand gesetzt werden; das gleiche ist der Fall, wenn ein gegen Feuersgefahr versichertes, zur Wohnung von Menschen dienendes Ge­ bäude oder ein solches Gebäude und gleichfalls ver­ sicherte Gegenstände vorsätzlich und in betrügerischer Ab­ sicht in Brand gesetzt werden. (II, 11. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 129—130.

53. prämie.

Leistungswucher. Ungedeckter Kredit. Risiko­ Unlautere Machenschaft. Irrtum. (PreisTr.-

VO. §§ 4, 8; StGB. § 59.) Ein Geldverleiher gewährte im Januar 1924 einem Landwirt einen ungedeckten Kredit gegen Tageszinsen von 1—2 o/o, Provision und Ersatz der Spesen je nach Auslage; der Landwirt ver­ pflichtete sich auch, bei eintretender Geldentwertung den Schaden zu ersetzen. Das Landgericht nahm an, daß diese Beträge einen übermäßigen Verdienst enthielten, daß aber der Angeklagte mit einer hohen Verlustgefahr habe rechnen müssen und daß es für ihn äußerst schwie­ rig gewesen sei, zu bestimmen, bis zu welcher Grenze er gehen dürfe; er nahm hierdurch an, daß er die Übermäßigkeit nicht erkannt habe und daß ihm insoferne auch nicht Fahrlässigkeit zur Last falle. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Wenn die Berlustgefahr wirklich so groß war, wie der Angeklagte angenommen hatte, war er allerdings berechtigt, die vereinbarte Gegenleistung zu fordern, auch wenn der Verlust, der beim Eingehen des Geschäfts gedroht hatte, nicht ein­ trat; die Gesahrendeckung bildete in diesem Fall einen zulässigen Teil der Gestehungskosten. Das gleiche hatte zu gelten, wenn der Angeklagte das Vorliegen einer sol­ chen Verlustgefahr irrtümlich angenommen hatte. Anders lag aber die Sache, wenn die Verlustgefahr sich min­ derte oder wenn der Angeklagte erkannte, daß er sie bei Eingehung des Geschäfts überschätzt hatte. In diesem Fall war er schon während des Bestehens des Geschäfts verpflichtet, die zunächst vereinbarten Sätze zu ermäßigen und zwar auch für die frühere Zeit, sobald er erkannte, daß schon damals die Berlustgefahr geringer gewesen war, als er angenommen hatte. Die Eigenart des An­ spruchs auf laufende Zinsen, in seinen Bestandtellen von

53_______________ Strafsachen Bd. 60____________ 52 schen dienendes Gebäude und in betrügerischer Absicht Gegenstände, die sich in dem Gebäude befinden und gegen Feuersgefahr versichert sind, in Brand gesetzt werden; das gleiche ist der Fall, wenn ein gegen Feuersgefahr versichertes, zur Wohnung von Menschen dienendes Ge­ bäude oder ein solches Gebäude und gleichfalls ver­ sicherte Gegenstände vorsätzlich und in betrügerischer Ab­ sicht in Brand gesetzt werden. (II, 11. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 129—130.

53. prämie.

Leistungswucher. Ungedeckter Kredit. Risiko­ Unlautere Machenschaft. Irrtum. (PreisTr.-

VO. §§ 4, 8; StGB. § 59.) Ein Geldverleiher gewährte im Januar 1924 einem Landwirt einen ungedeckten Kredit gegen Tageszinsen von 1—2 o/o, Provision und Ersatz der Spesen je nach Auslage; der Landwirt ver­ pflichtete sich auch, bei eintretender Geldentwertung den Schaden zu ersetzen. Das Landgericht nahm an, daß diese Beträge einen übermäßigen Verdienst enthielten, daß aber der Angeklagte mit einer hohen Verlustgefahr habe rechnen müssen und daß es für ihn äußerst schwie­ rig gewesen sei, zu bestimmen, bis zu welcher Grenze er gehen dürfe; er nahm hierdurch an, daß er die Übermäßigkeit nicht erkannt habe und daß ihm insoferne auch nicht Fahrlässigkeit zur Last falle. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Wenn die Berlustgefahr wirklich so groß war, wie der Angeklagte angenommen hatte, war er allerdings berechtigt, die vereinbarte Gegenleistung zu fordern, auch wenn der Verlust, der beim Eingehen des Geschäfts gedroht hatte, nicht ein­ trat; die Gesahrendeckung bildete in diesem Fall einen zulässigen Teil der Gestehungskosten. Das gleiche hatte zu gelten, wenn der Angeklagte das Vorliegen einer sol­ chen Verlustgefahr irrtümlich angenommen hatte. Anders lag aber die Sache, wenn die Verlustgefahr sich min­ derte oder wenn der Angeklagte erkannte, daß er sie bei Eingehung des Geschäfts überschätzt hatte. In diesem Fall war er schon während des Bestehens des Geschäfts verpflichtet, die zunächst vereinbarten Sätze zu ermäßigen und zwar auch für die frühere Zeit, sobald er erkannte, daß schon damals die Berlustgefahr geringer gewesen war, als er angenommen hatte. Die Eigenart des An­ spruchs auf laufende Zinsen, in seinen Bestandtellen von

Tag zu Tag neu zu erwachsen, gilt auch für den Teil des Zinsanspruchs, der in Wahrheit der Gefahrendeckung dient. Eine Berechnung des vereinbarten Betrags ist also insoweit nicht länger zulässig, als die Gefahr in der­ gleichen Höhe nicht wirklich fortbesteht oder der Gläu­ biger eine Gefahr in solcher gleichgebliebener Höhe ferner nicht mehr für gegeben hält. Bei veränderter Sachlage oder bei Kenntnis der Unrichtigkeit der bisherigen Ein­ schätzung der Gefahr auch für spätere Zeitabschnitte an der nun übermäßigen und als übermäßig erkannten Gefahrendeckung festzuhalten, ist unzulässig. Das Ver­ halten des Angeklagten war auch dann strafbar, wenn es sich nur um ein sogenanntes Vorbieten handelte und er bereit war, falls der Kreditnehmer es verlangte, an seinen Forderungen nachzulassen; auch in diesem Fall lag das Fordern einer übermäßigen Vergütung vor. Es ge­ nügte auch für die Freisprechung des Angeklagten nicht, daß er im Zeitpunkt der Forderung der Leistungen nicht daran dachte, sich möglicherweise wegen Leistungswuchers strafbar zu machen; gegenüber der erwiesenen stär­ keren Überforderung konnte seine Freisprechung nur damit begründet werden, daß er die Vermögenslage des Landwirts für so gefährdet, die Kreditgewährung an ihn demnach für so verlustdrohend hielt, daß er zur Deckung für die Berlustgefahr von geforderten Gegen­ leistungen für notwendig hielt. Zu beachten war auch, daß die Preistreibereiverordnung das Bedürfnis der Gemeinwirtschaft im Auge hat. Hiernach können Rechts­ geschäfte und Preisforderungen, die privatwirtschastlich nicht zu beanstanden sind, verboten sein. Die Kredit­ gewährung an einen Mann, der so wenig Sicherheit bietet, daß von ihm zum Ausgleich der Verlustgefahr ganz unerhört hohe Gegenleistungen gefordert werden müssen, wird sich nur selten gemeinwirtschaftlich recht­ fertigen lassen. Durch eine solche Kreditgewährung würde das ohnehin knappe Geld dem volkswirtschaftlich'berech­ tigten Bedarf vorenthalten, die Kreditnot erhöht und der Abbau der hohen Zinssätze verzögert. Daraus folgt für den Geldgeber, daß er Aufwendungen, die in solcher Weise gemeinwirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind, in seine Gestehungskosten nicht einrechnen darf. So darf, wenn beim Ankauf der Höchstpreis überschritten worden

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ist, bei der Bemessung des Wiederverkaufspreises nicht mehr als der Höchstpreis zugrunde gelegt werden; ebenso muß dann, wenn die Ware durch wilden Ankauf, nament­ lich in der Erwartung einer künftigen Teuerung, zu übermäßigen Preis erworben worden ist, von einem niedrigeren, als dem wirklichen Ankaufspreis ausge­ gangen werden. Das trifft auch für die Gewährung eines Kredites zu, der, vom Standpunkt der Privat­ wirtschaft aus, nicht anders gegeben werden könnte als gegen Berechnung eines Gefahrensatzes, dessen Höhe vom Standpunkt der gesamten Wirtschaft aus verworfen wer­ den muß. Ein Irrtum des Angeklagten hierüber, eine llnkenntnis der Unzulässigkeit, die gemeinwirtschastlich verwerflichen Gefahrensätze zu berechnen, würde als Irr­ tum über das Strafrecht unbeachtet bleiben müssen (allerdings vorbehaltlich der Anwendung der Irrtums­ verordnung). Auch der Gesichtspunkt der unlauteren Machenschaften schlug ein. Eine kreditverteuernde un­ lautere Machenschaft kann gerade darin gefunden werden, daß zu ungewöhnlich hohen Zinsen und unter Berech­ nung ungewöhnlich hoher Gesahrensätze Geld an jemand ausgeliehen wird, der von soliden Banken kein Geld bekommen kann, sei es, daß er kreditunwürdig, sei es, daß der von ihm begehrte Kredit nicht notwendig ist. Es war demnach auch zu prüfen, zu welchem Zweck der Landwirt den Kredit in Anspruch genommen hatte, weil sich nur so beurteilen ließ, ob es sich um ein bei der damaligen Wirtschaftslage zu rechtfertigendes Geldge­ schäft handelte. Das wäre beispielsweise nicht der Fall gewesen, wenn das Geld nur ausgenommen worden wäre, um damit einen Handel zu treiben, der bei ein­ wandfreier Führung unmöglich einen so hohen Gewinn hätte abwerfen können, wie er nötig gewesen wäre, um den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen. Auch die vom Angeklagten berechneten Nebenposten (Provision und Zinsen) bedurften noch einer genaueren Unter­ suchung. (I, 12. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 130—136. Vgl. Bd. 55 S. 147; Bd. 58 S. 81, 321; Bd. 59 S. 363. 54. Brandstiftung. Wohngebäude. Untauglicher Ver­ such. (StGB. 88 43, 306.) Eine Frau, die allein in einem Haus wohnte, packte einen Teil ihrer Habe in

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ist, bei der Bemessung des Wiederverkaufspreises nicht mehr als der Höchstpreis zugrunde gelegt werden; ebenso muß dann, wenn die Ware durch wilden Ankauf, nament­ lich in der Erwartung einer künftigen Teuerung, zu übermäßigen Preis erworben worden ist, von einem niedrigeren, als dem wirklichen Ankaufspreis ausge­ gangen werden. Das trifft auch für die Gewährung eines Kredites zu, der, vom Standpunkt der Privat­ wirtschaft aus, nicht anders gegeben werden könnte als gegen Berechnung eines Gefahrensatzes, dessen Höhe vom Standpunkt der gesamten Wirtschaft aus verworfen wer­ den muß. Ein Irrtum des Angeklagten hierüber, eine llnkenntnis der Unzulässigkeit, die gemeinwirtschastlich verwerflichen Gefahrensätze zu berechnen, würde als Irr­ tum über das Strafrecht unbeachtet bleiben müssen (allerdings vorbehaltlich der Anwendung der Irrtums­ verordnung). Auch der Gesichtspunkt der unlauteren Machenschaften schlug ein. Eine kreditverteuernde un­ lautere Machenschaft kann gerade darin gefunden werden, daß zu ungewöhnlich hohen Zinsen und unter Berech­ nung ungewöhnlich hoher Gesahrensätze Geld an jemand ausgeliehen wird, der von soliden Banken kein Geld bekommen kann, sei es, daß er kreditunwürdig, sei es, daß der von ihm begehrte Kredit nicht notwendig ist. Es war demnach auch zu prüfen, zu welchem Zweck der Landwirt den Kredit in Anspruch genommen hatte, weil sich nur so beurteilen ließ, ob es sich um ein bei der damaligen Wirtschaftslage zu rechtfertigendes Geldge­ schäft handelte. Das wäre beispielsweise nicht der Fall gewesen, wenn das Geld nur ausgenommen worden wäre, um damit einen Handel zu treiben, der bei ein­ wandfreier Führung unmöglich einen so hohen Gewinn hätte abwerfen können, wie er nötig gewesen wäre, um den eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen. Auch die vom Angeklagten berechneten Nebenposten (Provision und Zinsen) bedurften noch einer genaueren Unter­ suchung. (I, 12. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 130—136. Vgl. Bd. 55 S. 147; Bd. 58 S. 81, 321; Bd. 59 S. 363. 54. Brandstiftung. Wohngebäude. Untauglicher Ver­ such. (StGB. 88 43, 306.) Eine Frau, die allein in einem Haus wohnte, packte einen Teil ihrer Habe in

einen Korb, stellte diesen vor das Haus, begab sich in dieses zurück und setzte es in Brand. Sie wurde von der Anklage des Verbrechens der Brandstiftung frei­ gesprochen, weil das Haus zur Zeit der Tat nicht mehr zur Wohnung von Menschen gedient habe. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Es kommt nicht darauf an, ob ein Gebäude zur Wohnung von Menschen zu dienen bestimmt oder geeignet ist, sondern darauf, ob es zur Zeit der Tat Menschen als Wohnung dient. Bon Menschen bewohnte Gebäude sind mehr oder weniger der Mittelpunkt eines Verkehrs nicht bloß der In­ wohner, sondern aller Personen, die durch unmittelbare oder mittelbare Beziehungen zu den Inwohnern solche Gebäude auszusuchen veranlaßt werden. Es ist deshalb belanglos, ob die Brandlegung durch den Eigentümer und Alleinbewohner verübt wird; auch er handelt straf­ bar, soferne er zur Zeit seines Tuns noch als Be­ wohner des Hauses anzusehen ist. Der Entschluß der Angeklagten, das Haus künftig nicht mehr bewohnen zu wollen, genügte nicht, um sie vor Bestrafung zu sichern; der Entschluß mußte vielmehr vor der Brand­ legung verwirklicht worden sein. Als die Angeklagte das Haus verließ und den bereitgestellten Korb mit sich fort­ nahm, war der Brand schon angelegt; es war demgemäß nicht nachgewiesen, daß sie aus dem Haus schon ausge­ zogen war, als sie es anzündete. Aber auch wenn dieser Beweis geführt worden wäre, hätte noch geprüft werden müssen, ob die Angeklagte, die damals noch keine andere Wohnung hatte, nicht mit der Vorstellung handelte, ein zur Wohnung von Menschen dienendes Gebäude in Brand zu setzen; in diesem Fall kam ein Versuch am untauglichen Objekt in Frage. (III, 18. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 136—138. Vgl. Bd. 50 S. 35; Bd. 51 S. 204.

55. Beamter. Reichsbahn. Mittelbarer Slaatsdienst. (StGB. 8 359; RVerf. Art. 89, 92, 96, 126; RG. vom 30. April 1920 und 30. August 1924.) Ein Be­ amter der Reichsbahn beging eine Unterschlagung im Amte. Das Landgericht verurteilte ihn wegen einfacher Unterschlagung mit der Begründung, daß die Beamten der Reichsbahn weder unmittelbar noch mittelbar Be­ amte im Sinne des Strafgesetzbuches seien. Das Reichs-

einen Korb, stellte diesen vor das Haus, begab sich in dieses zurück und setzte es in Brand. Sie wurde von der Anklage des Verbrechens der Brandstiftung frei­ gesprochen, weil das Haus zur Zeit der Tat nicht mehr zur Wohnung von Menschen gedient habe. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Es kommt nicht darauf an, ob ein Gebäude zur Wohnung von Menschen zu dienen bestimmt oder geeignet ist, sondern darauf, ob es zur Zeit der Tat Menschen als Wohnung dient. Bon Menschen bewohnte Gebäude sind mehr oder weniger der Mittelpunkt eines Verkehrs nicht bloß der In­ wohner, sondern aller Personen, die durch unmittelbare oder mittelbare Beziehungen zu den Inwohnern solche Gebäude auszusuchen veranlaßt werden. Es ist deshalb belanglos, ob die Brandlegung durch den Eigentümer und Alleinbewohner verübt wird; auch er handelt straf­ bar, soferne er zur Zeit seines Tuns noch als Be­ wohner des Hauses anzusehen ist. Der Entschluß der Angeklagten, das Haus künftig nicht mehr bewohnen zu wollen, genügte nicht, um sie vor Bestrafung zu sichern; der Entschluß mußte vielmehr vor der Brand­ legung verwirklicht worden sein. Als die Angeklagte das Haus verließ und den bereitgestellten Korb mit sich fort­ nahm, war der Brand schon angelegt; es war demgemäß nicht nachgewiesen, daß sie aus dem Haus schon ausge­ zogen war, als sie es anzündete. Aber auch wenn dieser Beweis geführt worden wäre, hätte noch geprüft werden müssen, ob die Angeklagte, die damals noch keine andere Wohnung hatte, nicht mit der Vorstellung handelte, ein zur Wohnung von Menschen dienendes Gebäude in Brand zu setzen; in diesem Fall kam ein Versuch am untauglichen Objekt in Frage. (III, 18. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 136—138. Vgl. Bd. 50 S. 35; Bd. 51 S. 204.

55. Beamter. Reichsbahn. Mittelbarer Slaatsdienst. (StGB. 8 359; RVerf. Art. 89, 92, 96, 126; RG. vom 30. April 1920 und 30. August 1924.) Ein Be­ amter der Reichsbahn beging eine Unterschlagung im Amte. Das Landgericht verurteilte ihn wegen einfacher Unterschlagung mit der Begründung, daß die Beamten der Reichsbahn weder unmittelbar noch mittelbar Be­ amte im Sinne des Strafgesetzbuches seien. Das Reichs-

gericht verwies die Sache zurück. Unter Beamten im Sinne des Strafgesetzbuchs sind alle im Dienste des Reichs oder im unmittelbaren oder mittelbaren Dienst eines Bundesstaates (Landes) angestellten Personen zu verstehen. Der Ausdruck „Dienst des Reichs" um­ faßt sowohl die unmittelbaren als auch die mittelbaren Beamten- daß der unmittelbare Dienst nur bei den Bun­ desstaaten (Ländern) erwähnt ist, erklärt sich aus der geschichtlichen Entwicklung. Eine Anstellung im Dienste des Reichs liegt vor, wenn eine Person unmittelbar zum Reich oder mittelbar zu einem dem Reich unter­ geordneten, organisch in dessen Verfassung eingereihten und unter dessen Aufsicht stehenden Mittelglied in ein öffentlichrechtliches Dienstgewaltverhältnis tritt, das den Angestellten zu ungemessener Dienstleistung, zu beson­ derem Gehorsam und besonderer Treue, das Reich zu besonderem Schutz und zur Leistung der etwa zugesicher­ ten Vergütung verpflichtet und durch Disziplinarvor­ schriften geschützt ist. Solche Personen sind Beamte im staatsrechtlichen Sinn. Die Beamteneigenschaft erstreckt sich auf Dienste aller Art, die nach den Vorschriften zum Geschäftskreis der Angestellten gehören. Als taug­ liche Mittelglieder zur Begründung eines mittelbaren Dienstverhältnisses kommen alle Selbstverwaltungskör­ per öffentlicher Art und alle Rechtssubjekte in Betracht, denen Staatshoheitsrechte zur Ausübung übertragen und die deshalb mit dem Recht der Begründung öffent­ lich-rechtlicher Dienstverhältnisse ausgestattet worden sind, ohne selbst einen wesentlichen Bestandteil des Staates zu bilden. Beamte im strafrechtlichen Sinne sind weiter­ alle Personen, welche ohne Begründung eines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses von einer nach den reichs­ öder landesrechtlichen Vorschriften zuständigen Stelle in allgemeiner Weise durch einen ausdrücklichen oder still­ schweigenden öffentlich-rechtlichen Akt zu Dienstverrich­ tungen, die aus der Staatsgewalt abzuleiten sind und staatlichen Zwecken dienen, berufen werden, sei es, daß die Dienste dem Staate unmittelbar oder einem ver­ mittelnden Träger eines Zweiges der öffentlichen Ver­ waltung zu leisten sind. So sind die mit bahnpolizei­ lichen Verrichtungen betrauten Angestellten der Privat­ eisenbahnen zwar keine Beamten im staatsrechtlichen

57_______________ Strafsachen Bd. 60______________ 55 Sinne, wohl aber innerhalb der Grenzen der ihnen über­ tragenen Bahnpolizeigewalt Beamte im strafrechtlichen Sinne. Angelegenheiten, an deren Erledigung ein öffent­ liches Interesse besteht, brauchen nicht notwendig durch Schaffung eines Amtes und durch Beamte im staats­ rechtlichen oder strafrechtlichen Sinne besorgt zu werden; der Staat kann sich auch damit begnügen, der privaten Tätigkeit eine entsprechende Entfaltung zu gewähren. So kann dem Berkehrsbedürfnis sowohl durch Errich­ tung öffentlicher Verkehrsanstalten wie durch Verleihung ves Unternehmungsrechts an Privatbahngesellschaften ge­ nügt werden. Die etwa vorbehaltene Beaufsichtigung macht solche Privatunternehmungen noch nicht zu staat­ lichen Einrichtungen. Ihre Angestellten bleiben Privat­ angestellte ohne amtliche Eigenschaft, soweit ihnen nicht vom Staate Dienstverrichtungen hoheitsrechtlicher Art übertragen werden. Dies gilt auch dann, wenn sie die Bezeichnung Beamte führen. Nach der Reichsverfassung ist es Aufgabe des Reichs, die dem allgemeinen Verkehr­ dienenden Eisenbahnen in sein Eigentum zu übernehmen und als einheitliche Verkehrsanstalten zu verwalten; sie sollen jedoch ein selbständiges wirtschaftliches Unter­ nehmen bilden, das seine Ausgaben selbst zu bestreiten hat. Die Vereinheitlichung der Staatsbahnen wurde mit Wirkung vom 1. April 1920 durchgeführt. Die Staatsbahnen gingen mit diesem Tag in das Eigentum des Reiches über. Die Reichseisenbahnbehörden erhielten atte Befugnisse öffentlich-rechtlicher Art, die bisher den Eisenbahnbehörden der Länder zustanden. Das Reich übernahm alle Beamten, Angestellten und Arbeiter der Staatseisenbahnen in seinen Dienst; die Beamten wur­ den unmittelbare Reichsbeamte im Sinne des Reichsbeamtengesehes. Aus wirtschaftlichen Gründen wurden im Jahre 1924 die Reichseisenbahnen zu einem selbstän­ digen, mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteten Unter­ nehmen mit dem Namen „Deutsche Reichsbahn" gemacht. Das Reich behielt die Eisenbahnen in seinem Eigentum, ließ sie aber durch die ReichsbahngeseUschaft betreiben und verwalten; die Leitung der Geschäftsführung blieb dem Reichsverkehrsminister Vorbehalten. Die Verwal­ tung war hiernach Reichsverwaltung, die Eisenbahnbe­ amten waren nach wie vor unmittelbare Reichsbeamte.

Auf Grund des Londoner Abkommens vorn August 1924 wurde eine Gesellschaft besonderen Rechts, die Reichs­ bahngesellschaft, geschaffen, die mit noch weitergehenden Befugnissen als das bisherige Unternehmen „Deutsche Reichsbahn" ausgestattet ist. Die deutsche Reichsbahn­ gesellschaft ist kein Unternehmen des Reichs; sie ver­ waltet die Bahnen nicht im Dienste des Reichs, sondern unabhängig von diesem; nur die Aufsicht ist beim Reich verblieben. Die Reichsbahngesellschaft nähert sich da­ durch der Form einer privatrechtlichen Gesellschaft; ihre Aufgaben und ihr inneres Wesen sind aber öffentlichrechtlicher Art. Der durch die Neichsverfassung zur Aufgabe dös Reichs gemachte Bau und Betrieb der Eisenbahnen des allgemeinen Verkehrs hat durch die Übertragung cm einen Selbstverwaltungskörper nicht auf­ gehört, Angelegenheit des Reiches zu sein. Die Reichs­ bahngesellschaft hat den Betrieb unter Wahrung der Interessen der deutschen Volkswirtschaft zu führen; die Reichsregierung kann ihr den Bau und Betrieb von neuen Eisenbahnen auch gegen ihren Willen auferlegen; dem Reich ist ein wesentlicher Einfluß auf die Leitung der Verwaltung gewährt; die öffentlich-rechtlichen Be­ fugnisse, die den früheren Reichsbahnstellen zustanden (Enteignungsrecht, Polizei, Beurkundungs- und Beglau­ bigungsrecht) sind der deutschen Reichsbahngesellschaft verblieben. Die Reichsbahnstellen sind demnach, wenn auch keine unmittelbaren Reichsbehörden, so doch öffent­ liche Behörden geblieben; die Reichsbahngesellschaft ist ein vermittelnder Träger eines Zweiges der öffentlichen Verwaltung. Dem entspricht auch die Gestaltung des Dienstverhältnisses der Reichsbahnbeamten, wie sie durch die Reichsbahnpersonalordnung durchgeführt worden ist. Die Einstellung erfolgt regelmäßig auf Lebenszeit; die Beamten werden vereidigt; sie sind verpflichtet, ihre volle Arbeitskraft in den Dienst der Gesellschaft zu stellen und haben die ihnen übertragenen Arbeiten ohne Rück­ sicht aus die festgesetzte Dienststundenzahl zu erledigen; sie haben ihre Dienstgeschäfte unter Beachtung der Reichs­ verfassung und der Gesetze gewissenhaft wahrzunehmen und duuch ihr Verhalten in und außer dem Dienste sich der Achtung, die ihr Beruf erfordert, würdig zu erweisen. Das Dienststrafverfahren der Reichsbeamten

wird entsprechend angewendet; die Dienstbezüge werden unter Berücksichtigung der Verhältnisse der Reichsbe­ amten festgesetzt. Demgemäß ist das Dienstverhältnis der Reichsbahnbeamten als ein öffentlich-rechtliches Dienst­ gewaltverhältnis, sind die Reichsbahnbeamten als mittel­ bare Reichsbeamte im staatsrechtlichen wie im strafrecht­ lichen Sinne anzusehen. (I, 19. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 139—151. Vgl. Bd. 1 S. 153; Bd. 8 S. 29; Bd. 10 S- 325; Bd. 29 S. 184; Bd. 41 S. 326. liche

56. Falschbeurkundung. Patz. Meldekarten. Öffent­ Urkunde. Öffentliche Register. Gesamturkunde.

(StGB. 88 267, 269, 271, 348; PaßO. vom 10. Juni 1919; Ausführungsvorschrist vom 4. Juni 1924.) Bei einer Polizeibehörde wurden Pässe in der Weise aus­ gestellt, daß ein Beamter die noch unausgefüllten Vor­ drucke unterzeichnete und sie einem zweiten Beamten übergab, der sie ausfüllte und mit den Stempelaus­ drucken versah. Wegen gemeinschaftlicher Falschbeurkun­ dung wurden beide verurteilt. Der zweite Beamte be­ rief sich in seiner Revision daraus, daß er die Pässe nicht ausgestellt habe. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. Regelmäßig gehört zu der vorgeschriebenen Form, deren eine öffentliche Urkunde bedarf, daß in ihr in formgerechter Weise bezeugt wird, von welchem Be­ amten oder welcher Behörde sie ausgestellt ist. In Er­ mangelung besonderer Vorschriften hierüber kann aber auch die Wahrung der Form, wie sie bei Urkunden der in Betracht kommenden Art üblich ist, genügen, so daß (wie z. B. bei den Eisenbahnfahrkarten) der Aussteller nur mittelbar aus ihnen hervorzugehen braucht, um ihre Eigenschaft als öffentliche Urkunde zu wahren. Auch ein bloßes Unterstempeln, sei es mit dem Dienststempel, sei es mit dem Namenstempel, kann ausreichen. In der Regel wird allerdings eine eigenhändige Unterschrift des die Urkunde ausstellenden Beamten verlangt, der hierdurch, im eigenen Namen oder namens seiner Be­ hörde, die Verantwortlichkeit für den Inhalt der Ur­ kunde auf ihre Echtheit übernimmt. Als weiteres Form­ erfordernis tritt vielfach hinzu, daß der Unterschrift ein Abdruck des amtlichen Stempels oder Siegels bei­ gefügt wird. Das ist besonders für die Ausstellung von

wird entsprechend angewendet; die Dienstbezüge werden unter Berücksichtigung der Verhältnisse der Reichsbe­ amten festgesetzt. Demgemäß ist das Dienstverhältnis der Reichsbahnbeamten als ein öffentlich-rechtliches Dienst­ gewaltverhältnis, sind die Reichsbahnbeamten als mittel­ bare Reichsbeamte im staatsrechtlichen wie im strafrecht­ lichen Sinne anzusehen. (I, 19. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 139—151. Vgl. Bd. 1 S. 153; Bd. 8 S. 29; Bd. 10 S- 325; Bd. 29 S. 184; Bd. 41 S. 326. liche

56. Falschbeurkundung. Patz. Meldekarten. Öffent­ Urkunde. Öffentliche Register. Gesamturkunde.

(StGB. 88 267, 269, 271, 348; PaßO. vom 10. Juni 1919; Ausführungsvorschrist vom 4. Juni 1924.) Bei einer Polizeibehörde wurden Pässe in der Weise aus­ gestellt, daß ein Beamter die noch unausgefüllten Vor­ drucke unterzeichnete und sie einem zweiten Beamten übergab, der sie ausfüllte und mit den Stempelaus­ drucken versah. Wegen gemeinschaftlicher Falschbeurkun­ dung wurden beide verurteilt. Der zweite Beamte be­ rief sich in seiner Revision daraus, daß er die Pässe nicht ausgestellt habe. Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. Regelmäßig gehört zu der vorgeschriebenen Form, deren eine öffentliche Urkunde bedarf, daß in ihr in formgerechter Weise bezeugt wird, von welchem Be­ amten oder welcher Behörde sie ausgestellt ist. In Er­ mangelung besonderer Vorschriften hierüber kann aber auch die Wahrung der Form, wie sie bei Urkunden der in Betracht kommenden Art üblich ist, genügen, so daß (wie z. B. bei den Eisenbahnfahrkarten) der Aussteller nur mittelbar aus ihnen hervorzugehen braucht, um ihre Eigenschaft als öffentliche Urkunde zu wahren. Auch ein bloßes Unterstempeln, sei es mit dem Dienststempel, sei es mit dem Namenstempel, kann ausreichen. In der Regel wird allerdings eine eigenhändige Unterschrift des die Urkunde ausstellenden Beamten verlangt, der hierdurch, im eigenen Namen oder namens seiner Be­ hörde, die Verantwortlichkeit für den Inhalt der Ur­ kunde auf ihre Echtheit übernimmt. Als weiteres Form­ erfordernis tritt vielfach hinzu, daß der Unterschrift ein Abdruck des amtlichen Stempels oder Siegels bei­ gefügt wird. Das ist besonders für die Ausstellung von

66________________ Strafsachen Bd. 60______________ 60 Pässen vorgeschrieben; sie sind ungültig, wenn der Stem­ pel der ausstellenden Behörde oder die Unterschrift des ausstellenden Beamten fehlt. Demgemäß sind bei der Ausstellung eines Passes zur Bezeugung seiner Echtheit zwei amtliche Handlungen erforderlich: das Unterschrei­ ben und das Unterstempeln. Beide Handlungen werden in der Regel von demselben Beamten vorgenommen. Das ist auch dann der Fall, wenn der den Paß unter­ zeichnende Beamte sich zum Aufdrücken des Stempels oder zur Ausfüllung des Vordrucks einer Hilfskraft be­ dient, die ihrerseits zur Vertretung der Behörde bei der Ausstellung deS Passes nicht befugt ist und nur auf Anweisung und unter Verantwortlichkeit des unter­ zeichnenden Beamten handelt. Es ist aber nicht ausge­ schlossen und kann sogar zur Erschwerung von unrich­ tigen Beurkundungen vorgeschrieben werden, daß zwei Beamte zur Herstellung der Urkunde mitwirken und daß zum Zeichen der von beiden für die Beurkundung über­ nommenen Verantwortlichkeit der eine die Urkunde unter­ schreibt, der andere sie unterstempelt. In ähnlicher Weise ist die Abgabe mehrerer Unterschriften unter öffentliche Urkunden mehrfach durch das Gesetz vorgeschrieben, z. B. bei Protokollen. Hiernach hatte auch der zweite Beamte die Pässe ausgestellt, indem er sie als VerantwortlicherVertreter der Paßbehörde abschließend mit den behörd­ lichen äußeren Kennzeichen versah, deren sie bestim­ mungsgemäß zur Verbürgung der Echtheit bedurften. Daß die Stempelausdrucke nicht ersehen ließen, von wem sie herrührten und wer durch sie namens der Paßbe­ hörde die Verantwortlichkeit für den Paßinhalt auf sich nahm, war ebenso unerheblich, wie in den Fällen, in denen das bloße Unterstempeln ohne Beifügung einer Unterschrift zur formgerechten Errichtung öffentlicher Ur­ kunden genügt. In Betracht konnte noch kommen, ob nicht Tateinheit mit Urkundenfälschung (StGB. §§ 267, 269) vorlag; diese hätte aber vorausgesetzt, daß der zweite Beamte die falsche Ausfüllung der Pässe ohne Wissen des ersten Beamten vorgenommen hätte, was mit den Feststellungen des Urteils nicht übereinstimmte. Un­ erheblich war auch, ob die beiden Beamten innerhalb ihrer durch innere Dienstvorschriften abgegrenzten Zu­ ständigkeit gehandelt hatten; sie waren beide im Namen

des Polizeipräsidenten tätig geworden, an dessen Zu­ ständigkeit zur Ausstellung von Pässen kein Zweifel be­ stand. — Ein anderer Beamter der gleichen Behörde hatte Anmeldekarten, die mit falschen Paßvorbescheini­ gungen übereinstimmten, nachträglich berichtigt und zur Verdeckung der Ausstellung solcher falscher Vorbeschei­ nigungen in die Sammlung der Anmeldebescheinigungen (Anmeldekartenkartothek) gelegt. Das Landgericht hatte angenommen, daß die Anmeldekarten als öffentliche Ur­ kunden zu betrachten seien, weil der Beamte, der die polizeilichen Anmeldungen entgegenzunehmen gehabt habe, zur Ausstellung öffentlicher Urkunden befugt gewesen sei. Das Reichsgericht hob die Verurteilung wegen fal­ scher Beurkundung auf. Die Anmeldung des Zuzugs, die von der neu zuziehenden Person selbst oder ihrem Ver­ mieter zu erstatten sind, können nicht als öffentliche Urkunden angesehen werden, da sie nicht von einer Amts­ person herrühren und ihr Inhalt die Beweiskraft öffent­ licher Urkunden selbst dann nicht erlangt, wenn auf ihnen die erfolgte Anmeldung von der Polizei bestätigt wird. Ebensowenig sind als öffentliche Urkunden die Melde­ karten zu erachten, deren ganzen Inhalt die Polizei selbst, sei es auf Grund der Angaben des Meldenden, sei es auf Grund eigener Ermittelungen niedergeschrieben hat. Karten dieser Art sind keinesfalls bestimmt, mit öffentlichem Glauben für die Allgemeinheit den Beweis der Wahrheit der in ihnen enthaltenen Eintragungen zu erbringen, dienen vielmehr nur für den inneren Dienst bei der Beaufsichtigung des Meldewesens. Dem­ gemäß kam auch ihrer Sammlung (der Kartothek) trotz ihres tatsächlichen Beweiswertes die Eigenschaft eines öffentlichen Registers nicht zu. Als ein nicht öffent­ liches Register, das dem Angeklagten in amtlicher Eigen­ schaft zugänglich war, oder als eine Gesamturkunde konnte sie allerdings angesehen werden; in diesem Falle konnte das unbefugte Einschmuggeln der Meldekarten eine Verfälschung darstellen, besonders dann, wenn der falsche Schein erweckt wurde, als handle es sich um Karten, die der Kartothek von deren zuständigem Führer im ordnungsmäßigen Geschäftsgang einverleibt und, was gleichfalls von Bedeutung sein konnte, an den in ihnen angegebenen Tagen inhaltlich ausgefüllt oder nachgeRGC., Strafsachen Bd. 60.

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tragen worden seien. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 15. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 152—157. Vgl. Bd. 8 S. 409; Bd. 12 S. 17; Bd. 57 S. 69; Bd. 58 S. 280; Bd. 59 S. 13, 19, 384.

57. Nötigung durch Schreckschüsse. Gewaltanwen­ dung. (StGB. § 240.) Ein Mann wurde durch einen Polizeibeamten festgenommen; sein Begleiter gab, um seine Freilassung zu erzielen, auf den Beamten mehrere Schüsse ab. Sein Vorbringen, daß er den Beamten nicht habe treffen wollen, fand Glauben; gleichwohl wurde seine Verurteilung wegen Nötigungsversuchs bestätigt. Zum Begriff der Gewaltanwendung gehört nicht die un­ mittelbare Einwirkung auf den Körper des Angegrif­ fenen, sei es durch Berührung oder eine andere die Sinne beeinflussende Tätlichkeit; es genügen vielmehr alle Handlungen, die von diesem als ein nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden werden. Deshalb ist unter Umständen schon in dem gewalt­ samen Versperren eines Weges oder in einer unmittel­ bar an Sachen geübten, aber gegen die Person ge­ richteten Gewalttätigkeit eine Vergewaltigung der Person zu erblicken. Erst recht müssen Schreckschüsse, wenn sie in nächster Nähe abgegeben werden und als solche nicht zu erkennen sind, auch nach dem Willen des Schützen gar nicht erkannt werden sollen, den Begriff dieser Zwangsmittel erfüllen; sie wirken unmittelbar auf die Sinne des Bedrohten ein, versetzen ihn in Verbindung hiermit in einen Zustand stärkerer Nervenerregung und beeinflussen so sein ganzes körperliches Befinden und damit auch die körperlichen Voraussetzungen der Frei­ heit seiner Willensentschließung oder Willensbetätigung in hohem Maße. Das war auch der Zweck des Ange­ klagten gewesen; daß der erstrebte Erfolg nicht erzielt wurde, lag nicht an der Auswahl des Mittels. (II, 15. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 157—158. Vgl. Bd. 45 S. 153. 58. Anstiftung zur Lohnabtreibung. (StGB. §§ 48, 50, 219.) Auf Grund der Feststellung, daß der Ange­ klagte sich von vornherein darüber ttar war, die von ihm gewünschte Abtreibung werde nur gegen Entgelt vorgenommen werden, war Verurteilung wegen Anstif-

tragen worden seien. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 15. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 152—157. Vgl. Bd. 8 S. 409; Bd. 12 S. 17; Bd. 57 S. 69; Bd. 58 S. 280; Bd. 59 S. 13, 19, 384.

57. Nötigung durch Schreckschüsse. Gewaltanwen­ dung. (StGB. § 240.) Ein Mann wurde durch einen Polizeibeamten festgenommen; sein Begleiter gab, um seine Freilassung zu erzielen, auf den Beamten mehrere Schüsse ab. Sein Vorbringen, daß er den Beamten nicht habe treffen wollen, fand Glauben; gleichwohl wurde seine Verurteilung wegen Nötigungsversuchs bestätigt. Zum Begriff der Gewaltanwendung gehört nicht die un­ mittelbare Einwirkung auf den Körper des Angegrif­ fenen, sei es durch Berührung oder eine andere die Sinne beeinflussende Tätlichkeit; es genügen vielmehr alle Handlungen, die von diesem als ein nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden werden. Deshalb ist unter Umständen schon in dem gewalt­ samen Versperren eines Weges oder in einer unmittel­ bar an Sachen geübten, aber gegen die Person ge­ richteten Gewalttätigkeit eine Vergewaltigung der Person zu erblicken. Erst recht müssen Schreckschüsse, wenn sie in nächster Nähe abgegeben werden und als solche nicht zu erkennen sind, auch nach dem Willen des Schützen gar nicht erkannt werden sollen, den Begriff dieser Zwangsmittel erfüllen; sie wirken unmittelbar auf die Sinne des Bedrohten ein, versetzen ihn in Verbindung hiermit in einen Zustand stärkerer Nervenerregung und beeinflussen so sein ganzes körperliches Befinden und damit auch die körperlichen Voraussetzungen der Frei­ heit seiner Willensentschließung oder Willensbetätigung in hohem Maße. Das war auch der Zweck des Ange­ klagten gewesen; daß der erstrebte Erfolg nicht erzielt wurde, lag nicht an der Auswahl des Mittels. (II, 15. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 157—158. Vgl. Bd. 45 S. 153. 58. Anstiftung zur Lohnabtreibung. (StGB. §§ 48, 50, 219.) Auf Grund der Feststellung, daß der Ange­ klagte sich von vornherein darüber ttar war, die von ihm gewünschte Abtreibung werde nur gegen Entgelt vorgenommen werden, war Verurteilung wegen Anstif-

tragen worden seien. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 15. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 152—157. Vgl. Bd. 8 S. 409; Bd. 12 S. 17; Bd. 57 S. 69; Bd. 58 S. 280; Bd. 59 S. 13, 19, 384.

57. Nötigung durch Schreckschüsse. Gewaltanwen­ dung. (StGB. § 240.) Ein Mann wurde durch einen Polizeibeamten festgenommen; sein Begleiter gab, um seine Freilassung zu erzielen, auf den Beamten mehrere Schüsse ab. Sein Vorbringen, daß er den Beamten nicht habe treffen wollen, fand Glauben; gleichwohl wurde seine Verurteilung wegen Nötigungsversuchs bestätigt. Zum Begriff der Gewaltanwendung gehört nicht die un­ mittelbare Einwirkung auf den Körper des Angegrif­ fenen, sei es durch Berührung oder eine andere die Sinne beeinflussende Tätlichkeit; es genügen vielmehr alle Handlungen, die von diesem als ein nicht nur seelischer, sondern körperlicher Zwang empfunden werden. Deshalb ist unter Umständen schon in dem gewalt­ samen Versperren eines Weges oder in einer unmittel­ bar an Sachen geübten, aber gegen die Person ge­ richteten Gewalttätigkeit eine Vergewaltigung der Person zu erblicken. Erst recht müssen Schreckschüsse, wenn sie in nächster Nähe abgegeben werden und als solche nicht zu erkennen sind, auch nach dem Willen des Schützen gar nicht erkannt werden sollen, den Begriff dieser Zwangsmittel erfüllen; sie wirken unmittelbar auf die Sinne des Bedrohten ein, versetzen ihn in Verbindung hiermit in einen Zustand stärkerer Nervenerregung und beeinflussen so sein ganzes körperliches Befinden und damit auch die körperlichen Voraussetzungen der Frei­ heit seiner Willensentschließung oder Willensbetätigung in hohem Maße. Das war auch der Zweck des Ange­ klagten gewesen; daß der erstrebte Erfolg nicht erzielt wurde, lag nicht an der Auswahl des Mittels. (II, 15. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 157—158. Vgl. Bd. 45 S. 153. 58. Anstiftung zur Lohnabtreibung. (StGB. §§ 48, 50, 219.) Auf Grund der Feststellung, daß der Ange­ klagte sich von vornherein darüber ttar war, die von ihm gewünschte Abtreibung werde nur gegen Entgelt vorgenommen werden, war Verurteilung wegen Anstif-

hing zur Lohnabtreibung erfolgt. Die Revision, die darauf gestützt war, daß das Handeln gegen Entgelt bei der Abtreibung nur einen straferhöhenden Umstand darstelle, der nur dem Täter selbst zugerechnet werden dürfe, wurde verworfen. Es handelt sich hier nicht um einen straferhöhenden Umstand, der aus den persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen des Täters entspringt, die Entgeltlichkeit des Handelns ist vielmehr ein sach­ licher Umstand, der nicht den Täter, sondern die Tat als eine aus einem verwerflichen Beweggrund, Ge­ winnsucht, begangene und daher schwerer zu strafende kennzeichnet. (III, 22. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 158—159. Vgl. Bd. 4 S. 252.

teil.

59. Fahrlässiger Falscheid. Widerruf.

RechtSnach-

(StGB. 88 158, 163.) Eine Frau bekundete als Zeugin in einem bürgerlichen Rechtsstreit, sie habe wiederholt gesehen, wie die Klägerin Milch verfälschte. Auf Grund dieser Aussage wurde gegen die Klägerin ein Verfahren wegen Milchfälschung eingeleitet. In diesem gab die Frau zu, nur durch Erzählungen ihrer Tochter von den Fälschungen zu wissen. Sie wurde wegen fahrlässigen Falscheids verurteilt. Ihre Revision wurde verworfen. Es war allerdings unrichtig, daß das Schwurgericht dem Widerruf deshalb keine Bedeu­ tung beimaß, weil er nicht freiwillig, sondern erst auf Vorhalt des Richters erfolgt war; das Gesetz verlangt eine Freiwilligkeit nicht und es kam darum nicht darauf an, aus welchem Grunde die Zeugin die Unrichtigkeit ihrer früheren Aussage zugab. Der Widerruf war auch bei der zuständigen Behörde erfolgt, nämlich bei jener, die ihn inhaltlich zu würdigen und zum Ausgangspunkt amtlicher Entschließungen und Verfügungen zu machen hatte; dieses war das Amtsgericht, das zuerst in dem bürgerlichen Rechtsstreit und dann in dem Ermitt­ lungsverfahren tätig geworden war. Beide Verfahren hingen gegenständlich und zwar gerade im Hinblick auf die Richtigkeit der Zeugenaussage eng zusammen. Der Widerruf konnte aber deshalb nicht beachtet werden, weil schon ein Rechtsnachteil aus der fal­ schen Aussage entstanden war; ein solcher muß schon in der Einleitung eines Strafverfahrens, auch eines 5*

hing zur Lohnabtreibung erfolgt. Die Revision, die darauf gestützt war, daß das Handeln gegen Entgelt bei der Abtreibung nur einen straferhöhenden Umstand darstelle, der nur dem Täter selbst zugerechnet werden dürfe, wurde verworfen. Es handelt sich hier nicht um einen straferhöhenden Umstand, der aus den persönlichen Eigenschaften oder Verhältnissen des Täters entspringt, die Entgeltlichkeit des Handelns ist vielmehr ein sach­ licher Umstand, der nicht den Täter, sondern die Tat als eine aus einem verwerflichen Beweggrund, Ge­ winnsucht, begangene und daher schwerer zu strafende kennzeichnet. (III, 22. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 158—159. Vgl. Bd. 4 S. 252.

teil.

59. Fahrlässiger Falscheid. Widerruf.

RechtSnach-

(StGB. 88 158, 163.) Eine Frau bekundete als Zeugin in einem bürgerlichen Rechtsstreit, sie habe wiederholt gesehen, wie die Klägerin Milch verfälschte. Auf Grund dieser Aussage wurde gegen die Klägerin ein Verfahren wegen Milchfälschung eingeleitet. In diesem gab die Frau zu, nur durch Erzählungen ihrer Tochter von den Fälschungen zu wissen. Sie wurde wegen fahrlässigen Falscheids verurteilt. Ihre Revision wurde verworfen. Es war allerdings unrichtig, daß das Schwurgericht dem Widerruf deshalb keine Bedeu­ tung beimaß, weil er nicht freiwillig, sondern erst auf Vorhalt des Richters erfolgt war; das Gesetz verlangt eine Freiwilligkeit nicht und es kam darum nicht darauf an, aus welchem Grunde die Zeugin die Unrichtigkeit ihrer früheren Aussage zugab. Der Widerruf war auch bei der zuständigen Behörde erfolgt, nämlich bei jener, die ihn inhaltlich zu würdigen und zum Ausgangspunkt amtlicher Entschließungen und Verfügungen zu machen hatte; dieses war das Amtsgericht, das zuerst in dem bürgerlichen Rechtsstreit und dann in dem Ermitt­ lungsverfahren tätig geworden war. Beide Verfahren hingen gegenständlich und zwar gerade im Hinblick auf die Richtigkeit der Zeugenaussage eng zusammen. Der Widerruf konnte aber deshalb nicht beachtet werden, weil schon ein Rechtsnachteil aus der fal­ schen Aussage entstanden war; ein solcher muß schon in der Einleitung eines Strafverfahrens, auch eines 5*

Ermittlungsverfahrens erblickt werden. Es machte nichts aus, daß das Verfahren auch auf Grund der Aussage anderer Zeugen eingeleitet worden war; entstanden ist ein Rechtsnachteil aus einer falschen Aussage schon dann, wenn diese auch nur eine der Ursachen seiner Entstehung gewesen ist, ihn mitverursacht hat. Ebensowenig kam es darauf an, ob auch die richtige Aussage der Angeklagten das gleiche Ergebnis gehabt hätte. (II, 22. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 159—161. Vgl. Bd. 29 S. 303; Bd. 58 S. 184, 424. 60. Steuerkarte. Legitimationspapier. Steuerhinter­ ziehung. Betrug. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 263, 363; RAbgO. § 359.) Ein Beamter fälschte seine Steuer­ karte in der Weise, daß er hinter dem Wort „Ehefrau" den Eintrag „nein" ausradierte und dafür „ja" setzte. Die Karte legte er seiner Behörde vor. Er bezweckte damit, daß ihm sowohl die Frauenzulage als auch der entsprechende Steuerabzug von der zuständigen Stelle auch ferner bewilligt werde. Seine Verurteilung wegen schwerer Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug und versuchter Steuerhinterziehung wurde vom Reichsgericht gebilligt. Die Steuerkarte war eine öffent­ liche Urkunde, da sie von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form ausgestellt war; sie war auch zum Beweis von Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit, weil sie über wesentliche Verhältnisse Aufschluß gab, die für die Besteuerung des Angeklagten von maßgeben­ der Bedeutung waren. Sie nur als Legitimationspapier anzusehen war schon deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht dazu bestimmt war, den berechtigten Inhaber jeder­ mann gegenüber auszuweisen, aber auch deshalb, weil der Angeklagte mit der Fälschung den Zweck verfolgte, eine weitere strafbare Handlung zu begehen, durch die ein bestimmtes Recht verletzt werden sollte. Ein Ge­ brauchmachen von der verfälschten Urkunde war darin zu finden, daß der AngeÜagte sie seiner Behörde in Vorlage brachte. Nicht zu beanstanden war auch, daß Tateinheit mit versuchtem Betrug angenommen worden war. Wenn durch eine strafbare Handlung lediglich die Erschleichung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils erstrebt wird, kommen nur die Sonderbestimmungett

Ermittlungsverfahrens erblickt werden. Es machte nichts aus, daß das Verfahren auch auf Grund der Aussage anderer Zeugen eingeleitet worden war; entstanden ist ein Rechtsnachteil aus einer falschen Aussage schon dann, wenn diese auch nur eine der Ursachen seiner Entstehung gewesen ist, ihn mitverursacht hat. Ebensowenig kam es darauf an, ob auch die richtige Aussage der Angeklagten das gleiche Ergebnis gehabt hätte. (II, 22. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 159—161. Vgl. Bd. 29 S. 303; Bd. 58 S. 184, 424. 60. Steuerkarte. Legitimationspapier. Steuerhinter­ ziehung. Betrug. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 263, 363; RAbgO. § 359.) Ein Beamter fälschte seine Steuer­ karte in der Weise, daß er hinter dem Wort „Ehefrau" den Eintrag „nein" ausradierte und dafür „ja" setzte. Die Karte legte er seiner Behörde vor. Er bezweckte damit, daß ihm sowohl die Frauenzulage als auch der entsprechende Steuerabzug von der zuständigen Stelle auch ferner bewilligt werde. Seine Verurteilung wegen schwerer Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug und versuchter Steuerhinterziehung wurde vom Reichsgericht gebilligt. Die Steuerkarte war eine öffent­ liche Urkunde, da sie von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form ausgestellt war; sie war auch zum Beweis von Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit, weil sie über wesentliche Verhältnisse Aufschluß gab, die für die Besteuerung des Angeklagten von maßgeben­ der Bedeutung waren. Sie nur als Legitimationspapier anzusehen war schon deshalb ausgeschlossen, weil sie nicht dazu bestimmt war, den berechtigten Inhaber jeder­ mann gegenüber auszuweisen, aber auch deshalb, weil der Angeklagte mit der Fälschung den Zweck verfolgte, eine weitere strafbare Handlung zu begehen, durch die ein bestimmtes Recht verletzt werden sollte. Ein Ge­ brauchmachen von der verfälschten Urkunde war darin zu finden, daß der AngeÜagte sie seiner Behörde in Vorlage brachte. Nicht zu beanstanden war auch, daß Tateinheit mit versuchtem Betrug angenommen worden war. Wenn durch eine strafbare Handlung lediglich die Erschleichung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils erstrebt wird, kommen nur die Sonderbestimmungett

des Steuerstrafrechts als das engere Strafgesetz zur Anwendung; der Angeklagte hatte aber auch einen Lohnvorteil, die Weitergewährung der Frauenzulage er­ strebt. (II, 22. März 1926.) Amtt. Sammlg. S. 161—163. Vgl. Bd. 8 S. 37; Bd. 44 S. 369; Bd. 58 S. 211; Bd. 60 S. 97.

61. Raubmord. Tateinheit. Unterbrochene Haupt­ verhandlung. Öffentlichkeit. (StGB. §§ 73, 211, 250, 251; StPO. §§ 229, 247.) Auf offener Straße wurde ein Mann, der sich auf einem Fuhrwerk befand, von zwei Burschen überfallen, getötet und beraubt. Das Schwurgericht hatte die Tat als Mord in Tateinheit mit versuchtem schwerem Straßenraub und Unterschla­ gung beurteilt. Das Reichsgericht trat dieser Auffassung nicht bei. Wenn die Angeklagten durch die Tötung ihres Opfers und somit durch Gewaltanwendung dessen Ge­ wahrsam an der nachher weggenommenen Brieftasche brachen und dadurch das der beabsichtigten Besitzergrei­ fung entgegenstehende Hindernis beseitigten, machten sie sich des vollendeten Mordes in Tateinheit mit voll­ endetem schweren Straßenraub mit Todesfolge schul­ dig; Unterschlagung kam weiter nicht in Frage. Anders wäre die Sache zu beurteilen gewesen, wenn dem Vor­ haben der Angeklagten entsprochen hätte, zunächst ihr Opfer zu töten und erst dann mit der Zueignung! etwaiger Beute zu beginnen. — Die Hauptverhandlung war wiederholt unterbrochen, aber stets am vierten Tag wieder fortgesetzt worden. Hierin war keine Ge­ setzesverletzung zu erblicken. Allerdings wird durch eine häufigere Unterbrechung der lebendige Eindruck der mündlichen Verhandlung abgeschwächt und die Zuver­ lässigkeit der Erinnerung beeinträchtigt; daraus folgt aber nur, daß eine mehrmalige Unterbrechung nach Möglichkeit zu vermeiden ist. Sie war deshalb notwendig geworden, weil das Eintreffen eines Zeugen abgewartet wurde, dessen Ausreise aus dem besetzten Gebiet auf Schwierigkeiten stieß. — Durch Gerichtsbeschluß wurde die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der öffentlichen Sitt­ lichkeit für die Dauer der Vernehmung einer Zeugin ausgeschlossen; die Öffentlichkeit wurde wieder zugelassen,

nachdem den aus dem Sitzungssaal entfernten Angeklag-

des Steuerstrafrechts als das engere Strafgesetz zur Anwendung; der Angeklagte hatte aber auch einen Lohnvorteil, die Weitergewährung der Frauenzulage er­ strebt. (II, 22. März 1926.) Amtt. Sammlg. S. 161—163. Vgl. Bd. 8 S. 37; Bd. 44 S. 369; Bd. 58 S. 211; Bd. 60 S. 97.

61. Raubmord. Tateinheit. Unterbrochene Haupt­ verhandlung. Öffentlichkeit. (StGB. §§ 73, 211, 250, 251; StPO. §§ 229, 247.) Auf offener Straße wurde ein Mann, der sich auf einem Fuhrwerk befand, von zwei Burschen überfallen, getötet und beraubt. Das Schwurgericht hatte die Tat als Mord in Tateinheit mit versuchtem schwerem Straßenraub und Unterschla­ gung beurteilt. Das Reichsgericht trat dieser Auffassung nicht bei. Wenn die Angeklagten durch die Tötung ihres Opfers und somit durch Gewaltanwendung dessen Ge­ wahrsam an der nachher weggenommenen Brieftasche brachen und dadurch das der beabsichtigten Besitzergrei­ fung entgegenstehende Hindernis beseitigten, machten sie sich des vollendeten Mordes in Tateinheit mit voll­ endetem schweren Straßenraub mit Todesfolge schul­ dig; Unterschlagung kam weiter nicht in Frage. Anders wäre die Sache zu beurteilen gewesen, wenn dem Vor­ haben der Angeklagten entsprochen hätte, zunächst ihr Opfer zu töten und erst dann mit der Zueignung! etwaiger Beute zu beginnen. — Die Hauptverhandlung war wiederholt unterbrochen, aber stets am vierten Tag wieder fortgesetzt worden. Hierin war keine Ge­ setzesverletzung zu erblicken. Allerdings wird durch eine häufigere Unterbrechung der lebendige Eindruck der mündlichen Verhandlung abgeschwächt und die Zuver­ lässigkeit der Erinnerung beeinträchtigt; daraus folgt aber nur, daß eine mehrmalige Unterbrechung nach Möglichkeit zu vermeiden ist. Sie war deshalb notwendig geworden, weil das Eintreffen eines Zeugen abgewartet wurde, dessen Ausreise aus dem besetzten Gebiet auf Schwierigkeiten stieß. — Durch Gerichtsbeschluß wurde die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der öffentlichen Sitt­ lichkeit für die Dauer der Vernehmung einer Zeugin ausgeschlossen; die Öffentlichkeit wurde wieder zugelassen,

nachdem den aus dem Sitzungssaal entfernten Angeklag-

62, 63_____________ Strafsachen Bd. 60_____________ 66

ten das Ergebnis der Vernehmung mitgeteilt worden war. Die Annahme, daß es für den Ausschluß der Öffentlichkeit während dieser Mitteilung eines beson­ deren Gerichtsbeschlusses bedurft hätte, wurde vom Reichsgericht nicht geteilt. Der Ausschluß der Öffent­ lichkeit sollte sich auf den Abschnitt der Verhandlung erstrecken, der die Erörterung der Beziehungen zwi­ schen der Zeugin und dem einen der beiden Angeklagten zum Gegenstand hatte; er umfaßte auch die den Ange­ klagten zu machende Mitteilung, da diese mit der Aus­ sage der Zeugin in notwendigem Zusammenhang stand und nicht minder die Besorgnis einer Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit begründen konnte. (II, 25. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 163—166. Vgl. Bd. 43 S. 367; Bd. 56 S. 23; Bd. 58 S. 228? Bd. 59 S. 273; Bd. 60 S. 53. 62. Aufforderung zum militärischen Ungehorsam. Mangel der Ernstlichkeit. (StGB. § 112.) Reichswehr­ soldaten ist der Beitritt zu dem Verein „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" verboten. Wegen einer an einen Reichswehrsoldaten gerichteten Aufforderung, dieses Ver­ bot zu übertreten, erfolgte Verurteilung. Der Ange­ klagte berief sich darauf, daß er die Aufforderung nicht ernst gemeint habe, vielmehr den Soldaten nur auf die Probe habe stellen wollen. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Das Verbot, Soldaten zum Ungehorsam aufzufordern, soll verhüten, daß an diese Personen! auch nur die Aufforderung oder Anreizung zum Un­ gehorsam herantritt; der Wille, Erfolg zu haben, braucht mit den Äußerungen nicht verbunden zu sein. Es genügt schon, wenn die Äußerungen auf die erkannte Gefahr hin gemacht werden, daß sie auf den Soldaten als Auffor­ derung oder Anreizung zum 'Ungehorsam einwirken; liegt dieser innere oder äußere Tatbestand vor, so kommt es nicht darauf an, ob der Soldat die zu seiner Kenntnis gelangten Äußerungen in solchem Sinne oder überhaupt verstanden hat. (II, 12. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 166—168. Vgl. Bd. 47 S. 411; Bd. 58 S. 197. 63. Rechtsmiltelbeschränkung. (StGB. § 27b; StPO. § 354.) Wegen eines Verbrechens wurde unter An­ nahme mildernder Umstände auf. eine Gefängnisstrafe

62, 63_____________ Strafsachen Bd. 60_____________ 66

ten das Ergebnis der Vernehmung mitgeteilt worden war. Die Annahme, daß es für den Ausschluß der Öffentlichkeit während dieser Mitteilung eines beson­ deren Gerichtsbeschlusses bedurft hätte, wurde vom Reichsgericht nicht geteilt. Der Ausschluß der Öffent­ lichkeit sollte sich auf den Abschnitt der Verhandlung erstrecken, der die Erörterung der Beziehungen zwi­ schen der Zeugin und dem einen der beiden Angeklagten zum Gegenstand hatte; er umfaßte auch die den Ange­ klagten zu machende Mitteilung, da diese mit der Aus­ sage der Zeugin in notwendigem Zusammenhang stand und nicht minder die Besorgnis einer Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit begründen konnte. (II, 25. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 163—166. Vgl. Bd. 43 S. 367; Bd. 56 S. 23; Bd. 58 S. 228? Bd. 59 S. 273; Bd. 60 S. 53. 62. Aufforderung zum militärischen Ungehorsam. Mangel der Ernstlichkeit. (StGB. § 112.) Reichswehr­ soldaten ist der Beitritt zu dem Verein „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" verboten. Wegen einer an einen Reichswehrsoldaten gerichteten Aufforderung, dieses Ver­ bot zu übertreten, erfolgte Verurteilung. Der Ange­ klagte berief sich darauf, daß er die Aufforderung nicht ernst gemeint habe, vielmehr den Soldaten nur auf die Probe habe stellen wollen. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Das Verbot, Soldaten zum Ungehorsam aufzufordern, soll verhüten, daß an diese Personen! auch nur die Aufforderung oder Anreizung zum Un­ gehorsam herantritt; der Wille, Erfolg zu haben, braucht mit den Äußerungen nicht verbunden zu sein. Es genügt schon, wenn die Äußerungen auf die erkannte Gefahr hin gemacht werden, daß sie auf den Soldaten als Auffor­ derung oder Anreizung zum 'Ungehorsam einwirken; liegt dieser innere oder äußere Tatbestand vor, so kommt es nicht darauf an, ob der Soldat die zu seiner Kenntnis gelangten Äußerungen in solchem Sinne oder überhaupt verstanden hat. (II, 12. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 166—168. Vgl. Bd. 47 S. 411; Bd. 58 S. 197. 63. Rechtsmiltelbeschränkung. (StGB. § 27b; StPO. § 354.) Wegen eines Verbrechens wurde unter An­ nahme mildernder Umstände auf. eine Gefängnisstrafe

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ten das Ergebnis der Vernehmung mitgeteilt worden war. Die Annahme, daß es für den Ausschluß der Öffentlichkeit während dieser Mitteilung eines beson­ deren Gerichtsbeschlusses bedurft hätte, wurde vom Reichsgericht nicht geteilt. Der Ausschluß der Öffent­ lichkeit sollte sich auf den Abschnitt der Verhandlung erstrecken, der die Erörterung der Beziehungen zwi­ schen der Zeugin und dem einen der beiden Angeklagten zum Gegenstand hatte; er umfaßte auch die den Ange­ klagten zu machende Mitteilung, da diese mit der Aus­ sage der Zeugin in notwendigem Zusammenhang stand und nicht minder die Besorgnis einer Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit begründen konnte. (II, 25. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 163—166. Vgl. Bd. 43 S. 367; Bd. 56 S. 23; Bd. 58 S. 228? Bd. 59 S. 273; Bd. 60 S. 53. 62. Aufforderung zum militärischen Ungehorsam. Mangel der Ernstlichkeit. (StGB. § 112.) Reichswehr­ soldaten ist der Beitritt zu dem Verein „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" verboten. Wegen einer an einen Reichswehrsoldaten gerichteten Aufforderung, dieses Ver­ bot zu übertreten, erfolgte Verurteilung. Der Ange­ klagte berief sich darauf, daß er die Aufforderung nicht ernst gemeint habe, vielmehr den Soldaten nur auf die Probe habe stellen wollen. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Das Verbot, Soldaten zum Ungehorsam aufzufordern, soll verhüten, daß an diese Personen! auch nur die Aufforderung oder Anreizung zum Un­ gehorsam herantritt; der Wille, Erfolg zu haben, braucht mit den Äußerungen nicht verbunden zu sein. Es genügt schon, wenn die Äußerungen auf die erkannte Gefahr hin gemacht werden, daß sie auf den Soldaten als Auffor­ derung oder Anreizung zum 'Ungehorsam einwirken; liegt dieser innere oder äußere Tatbestand vor, so kommt es nicht darauf an, ob der Soldat die zu seiner Kenntnis gelangten Äußerungen in solchem Sinne oder überhaupt verstanden hat. (II, 12. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 166—168. Vgl. Bd. 47 S. 411; Bd. 58 S. 197. 63. Rechtsmiltelbeschränkung. (StGB. § 27b; StPO. § 354.) Wegen eines Verbrechens wurde unter An­ nahme mildernder Umstände auf. eine Gefängnisstrafe

von einer Woche erkannt. Das Landgericht verwarf die Berufung mit der Maßgabe, daß an Stelle der verwirk­ ten Gefängnisstrafe eine Geldstrafe von siebzig Reichs­ mark ausgesprochen wurde. Die Revision des Staats­ anwalts führte zur Herstellung des schöffengerichtlichen Urteils. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Ausspruch einer Geldstrafe war zulässig. Das Landge­ richt hatte die vom Schöffengericht verhängte Freiheits­ strafe nicht ändern, sondern nur ihre Abwendung durch eine Geldstrafe gestatten wollen. Bis aus diesen Punkt war also das Berufungsurteil der Nachprüfung des Re­ visionsgerichts entzogen; die verwirkte Gefängnisstrafe konnte weder zugunsten noch zuungunsten des Angeklag­ ten abgeändert werden. Die Revision war begründet, da der allgemeine Ersatz von Freiheitsstrafen durch Geld­ strafen nur bei Vergehen und Übertretungen zulässig ist. Das Landgericht hätte also die Berufung uneingeschränkt verwerfen müssen. (II, 12. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 168—169. Vgl. Bd. 58 S. 238. 64. Urkundenbeweis. Verlesung. (StPO. §§ 249, 251.) Eingaben, die ein Zeuge an eine Behörde gemacht hatte, wurden zur Ergänzung seiner Aussage verlesen. Die Verlesung wäre auch ohne diesen Zusammenhang zulässig gewesen. Das Dasein und der Inhalt dieser Ur­ kunden waren keine Tatsache, deren Beweis auf biet? Wahrnehmung des Zeugen oder einer anderen Person beruhte, sie ergeben sich vielmehr unmittelbar und aus­ schließlich aus den Urkunden selbst und durften daher im Wege des Urkundenbeweises dargetan werden. Nur für den Fall, daß eine Urkunde als Ersatz einer unjinittelbaren Vernehmung dienen soll, bestehen besondere Vor­ schriften. Im Protokoll war festgestellt worden, daß die Verlesung im allseitigen Einverständnis geschehen sei. Das war unerheblich; wenn die Verlesung überhaupt zulässig ist, bedarf es des Einverständnisses der Be­ teiligten oder auch nur ihrer vorherigen Anhörung nicht. (II, 15. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 169—170. Vgl. Bd. 59 S. 100. 65. Konterbande. Defraudation. Verkehrsregelung. Schleichhandel. RechtSmittelbeschränkung. (VZG. §§ 134,

135; RAbgO. § 433; PreisTrBO. 1923 88 S, 10, 12;

von einer Woche erkannt. Das Landgericht verwarf die Berufung mit der Maßgabe, daß an Stelle der verwirk­ ten Gefängnisstrafe eine Geldstrafe von siebzig Reichs­ mark ausgesprochen wurde. Die Revision des Staats­ anwalts führte zur Herstellung des schöffengerichtlichen Urteils. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Ausspruch einer Geldstrafe war zulässig. Das Landge­ richt hatte die vom Schöffengericht verhängte Freiheits­ strafe nicht ändern, sondern nur ihre Abwendung durch eine Geldstrafe gestatten wollen. Bis aus diesen Punkt war also das Berufungsurteil der Nachprüfung des Re­ visionsgerichts entzogen; die verwirkte Gefängnisstrafe konnte weder zugunsten noch zuungunsten des Angeklag­ ten abgeändert werden. Die Revision war begründet, da der allgemeine Ersatz von Freiheitsstrafen durch Geld­ strafen nur bei Vergehen und Übertretungen zulässig ist. Das Landgericht hätte also die Berufung uneingeschränkt verwerfen müssen. (II, 12. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 168—169. Vgl. Bd. 58 S. 238. 64. Urkundenbeweis. Verlesung. (StPO. §§ 249, 251.) Eingaben, die ein Zeuge an eine Behörde gemacht hatte, wurden zur Ergänzung seiner Aussage verlesen. Die Verlesung wäre auch ohne diesen Zusammenhang zulässig gewesen. Das Dasein und der Inhalt dieser Ur­ kunden waren keine Tatsache, deren Beweis auf biet? Wahrnehmung des Zeugen oder einer anderen Person beruhte, sie ergeben sich vielmehr unmittelbar und aus­ schließlich aus den Urkunden selbst und durften daher im Wege des Urkundenbeweises dargetan werden. Nur für den Fall, daß eine Urkunde als Ersatz einer unjinittelbaren Vernehmung dienen soll, bestehen besondere Vor­ schriften. Im Protokoll war festgestellt worden, daß die Verlesung im allseitigen Einverständnis geschehen sei. Das war unerheblich; wenn die Verlesung überhaupt zulässig ist, bedarf es des Einverständnisses der Be­ teiligten oder auch nur ihrer vorherigen Anhörung nicht. (II, 15. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 169—170. Vgl. Bd. 59 S. 100. 65. Konterbande. Defraudation. Verkehrsregelung. Schleichhandel. RechtSmittelbeschränkung. (VZG. §§ 134,

135; RAbgO. § 433; PreisTrBO. 1923 88 S, 10, 12;

von einer Woche erkannt. Das Landgericht verwarf die Berufung mit der Maßgabe, daß an Stelle der verwirk­ ten Gefängnisstrafe eine Geldstrafe von siebzig Reichs­ mark ausgesprochen wurde. Die Revision des Staats­ anwalts führte zur Herstellung des schöffengerichtlichen Urteils. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Ausspruch einer Geldstrafe war zulässig. Das Landge­ richt hatte die vom Schöffengericht verhängte Freiheits­ strafe nicht ändern, sondern nur ihre Abwendung durch eine Geldstrafe gestatten wollen. Bis aus diesen Punkt war also das Berufungsurteil der Nachprüfung des Re­ visionsgerichts entzogen; die verwirkte Gefängnisstrafe konnte weder zugunsten noch zuungunsten des Angeklag­ ten abgeändert werden. Die Revision war begründet, da der allgemeine Ersatz von Freiheitsstrafen durch Geld­ strafen nur bei Vergehen und Übertretungen zulässig ist. Das Landgericht hätte also die Berufung uneingeschränkt verwerfen müssen. (II, 12. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 168—169. Vgl. Bd. 58 S. 238. 64. Urkundenbeweis. Verlesung. (StPO. §§ 249, 251.) Eingaben, die ein Zeuge an eine Behörde gemacht hatte, wurden zur Ergänzung seiner Aussage verlesen. Die Verlesung wäre auch ohne diesen Zusammenhang zulässig gewesen. Das Dasein und der Inhalt dieser Ur­ kunden waren keine Tatsache, deren Beweis auf biet? Wahrnehmung des Zeugen oder einer anderen Person beruhte, sie ergeben sich vielmehr unmittelbar und aus­ schließlich aus den Urkunden selbst und durften daher im Wege des Urkundenbeweises dargetan werden. Nur für den Fall, daß eine Urkunde als Ersatz einer unjinittelbaren Vernehmung dienen soll, bestehen besondere Vor­ schriften. Im Protokoll war festgestellt worden, daß die Verlesung im allseitigen Einverständnis geschehen sei. Das war unerheblich; wenn die Verlesung überhaupt zulässig ist, bedarf es des Einverständnisses der Be­ teiligten oder auch nur ihrer vorherigen Anhörung nicht. (II, 15. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 169—170. Vgl. Bd. 59 S. 100. 65. Konterbande. Defraudation. Verkehrsregelung. Schleichhandel. RechtSmittelbeschränkung. (VZG. §§ 134,

135; RAbgO. § 433; PreisTrBO. 1923 88 S, 10, 12;

EinfVO. § 1; BranntwMonG. § 3, 158; RAbgO. § 359.) Branntwein wurde ohne Erlaubnis der Mono­ polverwaltung und ohne Entrichtung von Zoll einge­ führt. Die Beteiligten wurden wegen Konterbande, Hinterziehung des Branntweinmonopolausgleichs, Teil­ nahme an einer Schleichhandelsverabredung und Schleich­ handels verurteilt. Der Staatsanwalt legte Revision ein, weil nicht auch Verurteilung wegen Defraudation! erfolgt war. Sie hatte den Erfolg, daß die Verurtei­ lung wegen Schleichhandels aufgehoben wurde. Die Be­ schränkung der Revision war unwirksam; das Urteil war demgemäß in vollem Umfange auch zugunsten der Ange­ klagten zu prüfen (die Begründung für die Unwirksam­ keit ist nicht veröffentlicht). Neben Konterbande ist eine Verurteilung wegen Defraudation ausgeschlossen, da Kon­ terbande die unerlaubte, Defraudation die erlaubte Wareneinfuhr zur Voraussetzung hat. Die Auffassung des Reichsfinanzhofs, daß die Verbotswidrigkeit der Einfuhr einer Ware ihre Zollpflicht nicht aufhebt, ist für die Gerichte nicht bindend; da eine Verfehlung gegen das Vereinszottgesetz sich nicht als eine Steuerhinter­ ziehung oder Steuergefährdung darstellt, brauchte auch eine Entscheidung des Reichssinanzhofs nicht eingeholt zu werden. Die Verurteilung wegen Schleichhandels war deshalb nicht zu halten, weil Verkehrsregelungsvor­ schriften nicht übertreten waren. Als solche können nur Vorschriften in Betracht kommen, die den Zweck ver­ folgen, den Verkehr von Waren im Inland zu regeln, nicht aber solche, die gewisse Waren vom inländischen. Markt ausschließen oder nur unter bestimmten Voraus­ setzungen zulassen wollen. Dabei ist es bedeutungslos, daß das Verbot der Einfuhr einer Ware in das Inland allerdings in gewisser Weise geeignet ist, verkehrsregelnd auf den inländischen Warenverkehr einzuwirken; der Zweck des Verbots ist nicht hierauf gerichtet, sondern auf Fernhaltung der Ware vom Inland, sei es gänzlich, sei es in gewissem Umfang. Das Urteil wurde ent­ sprechend berichtigt. Eine Freisprechung kam nicht in Frage, da es sich nur um den Wegfall eines rechtlichen Gesichtspunkts für die Strafbarkeit der einheitlichen Tat handelte, der weder die Schuldaussprüche aus den ande­ ren angewandten Strafvorschriften, noch die auf Grund

der letzteren festgesetzten Strafen, noch endlich die Ent­ scheidung über den Kostenpunkt berührte. (III, 15. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 171—178.

66. Beweiserhebung in Abwesenheit des Angeklagten. Erkennungsversuch. (StPO. §§ 230, 243, 244, 247, 324, 332, 338.) In einem Verfahren wegen Notzuchtversuchs in zwei Fällen handelte es sich darum, ob der Angeklagte mit einem der Zeugen verwechselt worden war. Der Vorsitzende ließ vor Beginn der Hauptverhandlung den Zeugen, der mit der Jacke des Angeklagten bekleidet war, auf der Anklagebank Platz nehmen, rief die Zeugen auf und ließ sie mit Ausnahme der beiden Frauen, an denen die Verbrechen verübt worden waren, abtreten; die eine der beiden Frauen wurde vernommen, während die andere im Richterzimmer wartete; weder sie noch die nachher vernommene Frau erkannten in dein Zeugen den Täter wieder. Erst hernach wurde der wirkliche Ange­ klagte in den Saal geführt und ihm das Protokoll über den Erkennungsversuch vorgelesen. Der Staatsan­ walt und der Verteidiger waren mit dem Vorgehen des Vorsitzenden einverstanden gewesen und hatten dem Er­ kennungsversuch beigewohnt. Der Angeklagte wurde frei­ gesprochen. Die Revision des Staatsanwalts wurde ver­ worfen. Sie war zulässig, weil die Vorschrift der An­ wesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht nur zu dessen Gunsten, sondern zur Sicherung der Wahrheitsermittlung gegeben ist. Das Fehlen des An­ geklagten in einem wesentlichen Teil der Verhandlung bildet einen unbedingten Revisionsgrund; im vorliegen­ den Fall hatte der Erkennungsversuch einen wesentlichen Teil gebildet, da er nicht, wie der Vorsitzende in seiner amtlichen Äußerung erklärte, vor der eigentlichen Haupt­ verhandlung lag, sondern äußerlich wie innerlich einen Teil derselben bildete. Es lag aber ein besonderer Grund vor, diesen Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vor sich gehen zu lassen. Eine unbeein­ flußte Zeugenaussage über die Erkennung war, wenn der Angeklagte selbst neben dem Zeugen den Frauen vorgestellt wurde, nicht zu erwarten, mochte auch der Einfluß nicht von dem Verhalten des Angeklagten oder von einer sonstigen Einwirkung seiner Persönlichkeit auf die Unbefangenheit der Frauen, sondern lediglich Yon

der letzteren festgesetzten Strafen, noch endlich die Ent­ scheidung über den Kostenpunkt berührte. (III, 15. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 171—178.

66. Beweiserhebung in Abwesenheit des Angeklagten. Erkennungsversuch. (StPO. §§ 230, 243, 244, 247, 324, 332, 338.) In einem Verfahren wegen Notzuchtversuchs in zwei Fällen handelte es sich darum, ob der Angeklagte mit einem der Zeugen verwechselt worden war. Der Vorsitzende ließ vor Beginn der Hauptverhandlung den Zeugen, der mit der Jacke des Angeklagten bekleidet war, auf der Anklagebank Platz nehmen, rief die Zeugen auf und ließ sie mit Ausnahme der beiden Frauen, an denen die Verbrechen verübt worden waren, abtreten; die eine der beiden Frauen wurde vernommen, während die andere im Richterzimmer wartete; weder sie noch die nachher vernommene Frau erkannten in dein Zeugen den Täter wieder. Erst hernach wurde der wirkliche Ange­ klagte in den Saal geführt und ihm das Protokoll über den Erkennungsversuch vorgelesen. Der Staatsan­ walt und der Verteidiger waren mit dem Vorgehen des Vorsitzenden einverstanden gewesen und hatten dem Er­ kennungsversuch beigewohnt. Der Angeklagte wurde frei­ gesprochen. Die Revision des Staatsanwalts wurde ver­ worfen. Sie war zulässig, weil die Vorschrift der An­ wesenheit des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht nur zu dessen Gunsten, sondern zur Sicherung der Wahrheitsermittlung gegeben ist. Das Fehlen des An­ geklagten in einem wesentlichen Teil der Verhandlung bildet einen unbedingten Revisionsgrund; im vorliegen­ den Fall hatte der Erkennungsversuch einen wesentlichen Teil gebildet, da er nicht, wie der Vorsitzende in seiner amtlichen Äußerung erklärte, vor der eigentlichen Haupt­ verhandlung lag, sondern äußerlich wie innerlich einen Teil derselben bildete. Es lag aber ein besonderer Grund vor, diesen Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vor sich gehen zu lassen. Eine unbeein­ flußte Zeugenaussage über die Erkennung war, wenn der Angeklagte selbst neben dem Zeugen den Frauen vorgestellt wurde, nicht zu erwarten, mochte auch der Einfluß nicht von dem Verhalten des Angeklagten oder von einer sonstigen Einwirkung seiner Persönlichkeit auf die Unbefangenheit der Frauen, sondern lediglich Yon

seinem bloßen Erscheinen neben dem etwaigen wirk­ lichen Täter, also eure Berwechslungsmöglichkeit zu be­ fürchten sein. Die Vorschrift, daß das Gericht den An­ geklagten, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in seiner Gegenwart die Wahrheit nicht sagen werde, wäh­ rend der Vernehmung aus dem Sitzungszimmer ab­ treten lassen darf, ist einer freieren Auslegung, die dem Ermessen des Gerichts einen gewissen Spielraum gibt, nicht unfähig; das Wesentliche bleibt doch immer, daß die Anwesenheit des Angeklagten bei der Befragung eines Zeugen kein Hindernis für die ungetrübte Wahr­ heitserforschung sein soll. Daß die vorgeschriebene Reihenfolge der Prozeßhandlungen etwas verschoben wor­ den war, machte nichts aus; derartige Abweichungen sind, wenn sie für zweckmäßig erachtet werden und unwidersprochen bleiben, dem Gericht oder seinem Vor­ sitzenden ohne weiteres gestattet, solange sie nicht den wesentlichen Aufbau der Hauptverhandlung in Unord­ nung bringen. (II, 22. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 179—182. Vgl. Bd. 20 S. 273; Bd. 29 S. 44; Bd. 53 S. 176 < Bd. 56 S. 377; Bd. 58 S. 180; Bd. 59 S. 353n 67. Vorauszahlung. Verspätete Steuerzahlung. Steuerhinterziehung. (RAbgO. §§ 359, 377.) Ein Kauf­ mann kam der Verpflichtung zur Voranmeldung und Vorauszahlung der Umsatzsteuer nicht nach. Das Land­ gericht verneinte den Tatbestand der Steuerhinterziehung' und nahm nur eine Ordnungswidrigkeit an. Die Revi­ sion des Finanzamts hatte Erfolg. Wegen Steuer­ hinterziehung wird gestraft, wer nicht gerechtfertigte Steuervorteile erschleicht oder vorsätzlich bewirkt, daß Steuereinnahmen verkürzt werden. Eine bloße Unterlas­ sung, ein rein negatives Verhalten, genügt nicht: soll sie strafbar werden, so muß hinzukommen, daß durch sie eine Verkürzung der Steuereinnahme bewirkt wird. Der Steuerpflichtige muß ein unehrliches, steuerwidriges Verhalten geoffenbart haben, durch das, ihm bewußt, eine Verkürzung der Steuereinnahme herbeigeführt wor­ den ist. Ein solches Verhalten kann darin bestehen, daß der Steuerschuldner eine Unkenntnis oder einen Irrtum der Steuerbehörde benutzt, um diese Wirkung herbei­ zuführen; die Absicht her Steuerhinterziehung ist nicht

seinem bloßen Erscheinen neben dem etwaigen wirk­ lichen Täter, also eure Berwechslungsmöglichkeit zu be­ fürchten sein. Die Vorschrift, daß das Gericht den An­ geklagten, wenn zu befürchten ist, daß ein Zeuge in seiner Gegenwart die Wahrheit nicht sagen werde, wäh­ rend der Vernehmung aus dem Sitzungszimmer ab­ treten lassen darf, ist einer freieren Auslegung, die dem Ermessen des Gerichts einen gewissen Spielraum gibt, nicht unfähig; das Wesentliche bleibt doch immer, daß die Anwesenheit des Angeklagten bei der Befragung eines Zeugen kein Hindernis für die ungetrübte Wahr­ heitserforschung sein soll. Daß die vorgeschriebene Reihenfolge der Prozeßhandlungen etwas verschoben wor­ den war, machte nichts aus; derartige Abweichungen sind, wenn sie für zweckmäßig erachtet werden und unwidersprochen bleiben, dem Gericht oder seinem Vor­ sitzenden ohne weiteres gestattet, solange sie nicht den wesentlichen Aufbau der Hauptverhandlung in Unord­ nung bringen. (II, 22. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 179—182. Vgl. Bd. 20 S. 273; Bd. 29 S. 44; Bd. 53 S. 176 < Bd. 56 S. 377; Bd. 58 S. 180; Bd. 59 S. 353n 67. Vorauszahlung. Verspätete Steuerzahlung. Steuerhinterziehung. (RAbgO. §§ 359, 377.) Ein Kauf­ mann kam der Verpflichtung zur Voranmeldung und Vorauszahlung der Umsatzsteuer nicht nach. Das Land­ gericht verneinte den Tatbestand der Steuerhinterziehung' und nahm nur eine Ordnungswidrigkeit an. Die Revi­ sion des Finanzamts hatte Erfolg. Wegen Steuer­ hinterziehung wird gestraft, wer nicht gerechtfertigte Steuervorteile erschleicht oder vorsätzlich bewirkt, daß Steuereinnahmen verkürzt werden. Eine bloße Unterlas­ sung, ein rein negatives Verhalten, genügt nicht: soll sie strafbar werden, so muß hinzukommen, daß durch sie eine Verkürzung der Steuereinnahme bewirkt wird. Der Steuerpflichtige muß ein unehrliches, steuerwidriges Verhalten geoffenbart haben, durch das, ihm bewußt, eine Verkürzung der Steuereinnahme herbeigeführt wor­ den ist. Ein solches Verhalten kann darin bestehen, daß der Steuerschuldner eine Unkenntnis oder einen Irrtum der Steuerbehörde benutzt, um diese Wirkung herbei­ zuführen; die Absicht her Steuerhinterziehung ist nicht

71_______________ Strafsachen^8d^60______________ 68 erforderlich. So ist es für ausreichend erklärt worden, wenn der Angeklagte die gesetzliche Frist zur Zahlung der Umsatzsteuer in der Erkenntnis willentlich verstreichen läßt, daß daraus neben einem Vorteil für ihn für das Reich ein Entgang der bereits fällig gewordenen Steuer­ einnahme, sei es auch nur für Zeit, eintreten wird. Der Tatbestand der Steuerverkürzung wird in einem solchen Fall auch nicht dadurch beseitigt, daß der Schuldner die rückständigen Steuern nachträglich, wenn auch mit Ver­ zugszinsen, entrichtet. Eine Verkürzung der Steuerein­ nahmen des Reichs ist ohne Bermögensbeschädigung möglich; sie ist schon gegeben, wenn die an den Fällig­ keitsterminen zu zahlenden und vorauszuzahlenden Steuerbeträge nicht oder nicht rechtzeitig an die Finanz­ kasse abgeführt werden. Das Reich muß bei seiner der­ zeitigen Finanzlage und bei den ihm obliegenden Zah­ lungsverpflichtungen besonderes Gewicht darauf legen, an den Fälligkeitsterminen pünktlich in den Besitz der ihm geschuldeten Steuern zu gelangen. Die bewußte Nichterfüllung der Zahlungspslicht begründet daher für den Steuerschuldner die Annahme einer Verschweigung seiner Steuerpflichtigkeit. Nicht erforderlich war, daß der Angeklagte darauf ausging, endgültig die Steuer zu verkürzen; ebensowenig kam es daraus an, ob er den Vorsatz hatte, einen vermögensrechtlichen Schaden herbei­ zuführen oder einen Zustand zu schaffen, durch den die wirtschaftliche Lage der Reichssinanzverwaltung ungün­ stiger gestaltet wurde als bei einer vorschriftsmäßigen Erfüllung der Steuerpslicht. Rechtsirrig war auch die Ansicht des Landgerichts, daß der Angeklagte keine Steuer verkürzt habe, weil er die festgesetzten Steuern mit Verzugszinsen nachträglich zahlte. (II, 22. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 182—187. Vgl. Bd. 58 S. 186; Bd. 59 S. 90; Bd. 60 S. 97; 68. Urkundenfälschung. Frachtbriefduplikat. (StGB. 88 267, 268; HGB. 8 455; EVO. 8 61.) In einem Kaufvertrag war vereinbart, daß der Kaufpreis gegen Vorzeigung des Frachtbriefduplikats, aus dem sich die Versendung des Gutes ergab, gezahlt werden sollte. Der Absender änderte das von der Bahn abgestempelte Frachtbriefduplikat nachträglich ab. Sr wurde wegen schwerer öffentlicher Urkundenfälschung verurteilt. Seine

71_______________ Strafsachen^8d^60______________ 68 erforderlich. So ist es für ausreichend erklärt worden, wenn der Angeklagte die gesetzliche Frist zur Zahlung der Umsatzsteuer in der Erkenntnis willentlich verstreichen läßt, daß daraus neben einem Vorteil für ihn für das Reich ein Entgang der bereits fällig gewordenen Steuer­ einnahme, sei es auch nur für Zeit, eintreten wird. Der Tatbestand der Steuerverkürzung wird in einem solchen Fall auch nicht dadurch beseitigt, daß der Schuldner die rückständigen Steuern nachträglich, wenn auch mit Ver­ zugszinsen, entrichtet. Eine Verkürzung der Steuerein­ nahmen des Reichs ist ohne Bermögensbeschädigung möglich; sie ist schon gegeben, wenn die an den Fällig­ keitsterminen zu zahlenden und vorauszuzahlenden Steuerbeträge nicht oder nicht rechtzeitig an die Finanz­ kasse abgeführt werden. Das Reich muß bei seiner der­ zeitigen Finanzlage und bei den ihm obliegenden Zah­ lungsverpflichtungen besonderes Gewicht darauf legen, an den Fälligkeitsterminen pünktlich in den Besitz der ihm geschuldeten Steuern zu gelangen. Die bewußte Nichterfüllung der Zahlungspslicht begründet daher für den Steuerschuldner die Annahme einer Verschweigung seiner Steuerpflichtigkeit. Nicht erforderlich war, daß der Angeklagte darauf ausging, endgültig die Steuer zu verkürzen; ebensowenig kam es daraus an, ob er den Vorsatz hatte, einen vermögensrechtlichen Schaden herbei­ zuführen oder einen Zustand zu schaffen, durch den die wirtschaftliche Lage der Reichssinanzverwaltung ungün­ stiger gestaltet wurde als bei einer vorschriftsmäßigen Erfüllung der Steuerpslicht. Rechtsirrig war auch die Ansicht des Landgerichts, daß der Angeklagte keine Steuer verkürzt habe, weil er die festgesetzten Steuern mit Verzugszinsen nachträglich zahlte. (II, 22. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 182—187. Vgl. Bd. 58 S. 186; Bd. 59 S. 90; Bd. 60 S. 97; 68. Urkundenfälschung. Frachtbriefduplikat. (StGB. 88 267, 268; HGB. 8 455; EVO. 8 61.) In einem Kaufvertrag war vereinbart, daß der Kaufpreis gegen Vorzeigung des Frachtbriefduplikats, aus dem sich die Versendung des Gutes ergab, gezahlt werden sollte. Der Absender änderte das von der Bahn abgestempelte Frachtbriefduplikat nachträglich ab. Sr wurde wegen schwerer öffentlicher Urkundenfälschung verurteilt. Seine

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Revision hatte keinen Erfolg. Mit der Abstempelung und Rückgabe war das Frachtbriefdublikat in den Rechtsver­ kehr übergeführt worden und die rechtliche Verfügungs­ gewalt des Ausstellers zur einseitigen Abänderung dieser Urkunde war erloschen. Ob die Änderung der Wahr­ heit entsprach und nur eine Richtigstellung bezweckte, war belanglos, es genügte nach der inneren Tatseite, daß der Täter mittels der falschen Urkunde als einer echten einen Beweis im Rechtsleben erbringen wollte, um auf dieses damit irgendeinen Einfluß auszuüben. Frachtbriefdublikate sind öffentliche Urkunden; sie werden von der zuständigen Abfertigungsstelle der Reichsbahn, einer öffentlichen Behörde, ausgestellt. Zwar gehört die Bezeichnung der Sendung nach ihrem Inhalt zu den vom Absender in den Frachtbrief einzutragenden An­ gaben und eine Pflicht der Eisenbahn zur Prüfung der Richtigkeit besteht nicht ohne weiteres. Aber das Fracht­ briefdublikat ist nicht eine bloße Abschrift des Fracht­ briefs, sondern eine besonderen Zwecken im Rechtsver­ kehr dienende zweite Ausfertigung mit einer Empfangs­ bescheinigung der Eisenbahn, die gemäß den Abferti­ gungsvorschriften erst nach Prüfung seiner Übereinstim­ mung mit dem Frachtbrief und erst nach der Annahme des Gutes ausgestellt wird. Diese Bescheinigung beweist hiernach, daß von der Eisenbahn ein Gut zur Beförde­ rung angenommen worden ist auf Grund eines Fracht­ briefs, dessen Wortlaut mit dem Duplikat übereinstimmt; sie stellt also eine einheitliche amtliche Erklärung der Eisenbahn dar, die nur als ein Ganzes betrachtet werden kann. (III, 26. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 187—189. Vgl. Bd. 40 S. 253; Bd. 50 S. 166, 420; Bd. 52 S. 78. 69. Steuerstrafverfahren. Finanzamt. Nebenklage. Kosten. (StPO. §§ 160, 296, 301, 339, 344, 377, 397, 419, 467, 473; RAbgO. §§ 385, 432, 437.) Das Land­ gericht verwarf die Berufung des Finanzamts und legte diesem die Kosten auf. Die wegen der Kostenentscheivung eingelegte Revision 'des Staatsanwalts hatte Erfolg. Rach der Reichsabgabenordnung haben die Finanzämter im Steuerstracherfahren die Stellung von Nebenklägern; sie werden dadurch, wie die Staatsanwaltschaft, zu Strafverfolgungsbehörden und sind als solche berufen,

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Revision hatte keinen Erfolg. Mit der Abstempelung und Rückgabe war das Frachtbriefdublikat in den Rechtsver­ kehr übergeführt worden und die rechtliche Verfügungs­ gewalt des Ausstellers zur einseitigen Abänderung dieser Urkunde war erloschen. Ob die Änderung der Wahr­ heit entsprach und nur eine Richtigstellung bezweckte, war belanglos, es genügte nach der inneren Tatseite, daß der Täter mittels der falschen Urkunde als einer echten einen Beweis im Rechtsleben erbringen wollte, um auf dieses damit irgendeinen Einfluß auszuüben. Frachtbriefdublikate sind öffentliche Urkunden; sie werden von der zuständigen Abfertigungsstelle der Reichsbahn, einer öffentlichen Behörde, ausgestellt. Zwar gehört die Bezeichnung der Sendung nach ihrem Inhalt zu den vom Absender in den Frachtbrief einzutragenden An­ gaben und eine Pflicht der Eisenbahn zur Prüfung der Richtigkeit besteht nicht ohne weiteres. Aber das Fracht­ briefdublikat ist nicht eine bloße Abschrift des Fracht­ briefs, sondern eine besonderen Zwecken im Rechtsver­ kehr dienende zweite Ausfertigung mit einer Empfangs­ bescheinigung der Eisenbahn, die gemäß den Abferti­ gungsvorschriften erst nach Prüfung seiner Übereinstim­ mung mit dem Frachtbrief und erst nach der Annahme des Gutes ausgestellt wird. Diese Bescheinigung beweist hiernach, daß von der Eisenbahn ein Gut zur Beförde­ rung angenommen worden ist auf Grund eines Fracht­ briefs, dessen Wortlaut mit dem Duplikat übereinstimmt; sie stellt also eine einheitliche amtliche Erklärung der Eisenbahn dar, die nur als ein Ganzes betrachtet werden kann. (III, 26. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 187—189. Vgl. Bd. 40 S. 253; Bd. 50 S. 166, 420; Bd. 52 S. 78. 69. Steuerstrafverfahren. Finanzamt. Nebenklage. Kosten. (StPO. §§ 160, 296, 301, 339, 344, 377, 397, 419, 467, 473; RAbgO. §§ 385, 432, 437.) Das Land­ gericht verwarf die Berufung des Finanzamts und legte diesem die Kosten auf. Die wegen der Kostenentscheivung eingelegte Revision 'des Staatsanwalts hatte Erfolg. Rach der Reichsabgabenordnung haben die Finanzämter im Steuerstracherfahren die Stellung von Nebenklägern; sie werden dadurch, wie die Staatsanwaltschaft, zu Strafverfolgungsbehörden und sind als solche berufen,

73_ _ _ _ _ _ _ Strafsachen Bd. 60_ _ _ _ _ _ _ _ _ ___ 70 als sachkundige Fachbehörde zur Vertretung allgemeiner staatlicher Belange an der Steuerstrafrechtspflege mit­ zuwirken. Die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels des Finanzamts sind nicht diesem, auch nicht der Reichs­ kasse, sondern der Staatskasse aufzuerlegen. Die Staats­ anwaltschaft kann auch Rechtsmittel gegen Entscheidun­ gen einlegen, die nur den Nebenkläger beschweren; sie betätigt sich nicht als Partei, hat vielmehr teils selb­ ständig, teils im Zusammenwirken mit den Gerichten Aufgaben der staatlichen Rechtspflege zu erfüllen und nach pslichtmäßigem Ermessen durch Einlegung der zuläs­ sigen Rechtsmittel Entscheidungen entgegenzutreten, die, gleichviel, ob sie jemand beschweren, den Geboten der Rechtspflege, besonders den Gesetzen, nicht entsprechen. Namentlich ist ihr die Anfechtung solcher Entscheidungen nicht vermehrt, von denen lediglich die im Verfahren als Nebenkläger beteiligte Behörde betroffen wird. Auch der Verzicht der Verwaltungsbehörde auf das Rechts­ mittel steht einer Anfechtung des Urteils durch die Staatsanwaltschaft nicht entgegen. Die Kosten der Revi­ sionsinstanz waren gleichfalls der Staatskasse aufzuer­ legen, da die Revision zwar Erfolg hatte, aber weder zuungunsten des Angeklagten eingelegt war, noch auch eine ihm ungünstige Änderung des Urteils herbeiführte. (II, 29. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 189—191. Vgl. Bd. 42 S. 175; Bd. 46 S. 56; Bd. 48 S. 340; Bd. 57 S. 255.

70. Zollftrafrecht. Besonderes Gesetz. Ausfuhrver­ bot. (VZG. 88 134, 136, 155: BO. vom 13. Juli 1923 über die verbotene Ausfuhr lebenswichtiger Gegenstände; BO. vom 13. Februar 1924 über Ein- und Ausfuhr; RAbgO. 88 433, 462.) Viehhändler trieben im Bereich des Grenzbezirks nahe der holländischen Grenze Pferde, ohne im Besitz des erforderlichen Zollausweises zu sein. Das Landgericht verurteilte sie wegen Konterbande. So­ wohl die Angeklagten als die Staatsanwaltschaft legten Revision ein. Die Revisionen der Angeklagten wurden verworfen. Die Ausfuhr von Pferden war durch die Verordnung vom 13. Juli 1923 verboten. Das Land­ gericht hatte diese Verordnung nicht für anwendbar erklärt, weil der Vorsatz, ihr zuwiderzuhandeln, nicht

73_ _ _ _ _ _ _ Strafsachen Bd. 60_ _ _ _ _ _ _ _ _ ___ 70 als sachkundige Fachbehörde zur Vertretung allgemeiner staatlicher Belange an der Steuerstrafrechtspflege mit­ zuwirken. Die Kosten eines erfolglosen Rechtsmittels des Finanzamts sind nicht diesem, auch nicht der Reichs­ kasse, sondern der Staatskasse aufzuerlegen. Die Staats­ anwaltschaft kann auch Rechtsmittel gegen Entscheidun­ gen einlegen, die nur den Nebenkläger beschweren; sie betätigt sich nicht als Partei, hat vielmehr teils selb­ ständig, teils im Zusammenwirken mit den Gerichten Aufgaben der staatlichen Rechtspflege zu erfüllen und nach pslichtmäßigem Ermessen durch Einlegung der zuläs­ sigen Rechtsmittel Entscheidungen entgegenzutreten, die, gleichviel, ob sie jemand beschweren, den Geboten der Rechtspflege, besonders den Gesetzen, nicht entsprechen. Namentlich ist ihr die Anfechtung solcher Entscheidungen nicht vermehrt, von denen lediglich die im Verfahren als Nebenkläger beteiligte Behörde betroffen wird. Auch der Verzicht der Verwaltungsbehörde auf das Rechts­ mittel steht einer Anfechtung des Urteils durch die Staatsanwaltschaft nicht entgegen. Die Kosten der Revi­ sionsinstanz waren gleichfalls der Staatskasse aufzuer­ legen, da die Revision zwar Erfolg hatte, aber weder zuungunsten des Angeklagten eingelegt war, noch auch eine ihm ungünstige Änderung des Urteils herbeiführte. (II, 29. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 189—191. Vgl. Bd. 42 S. 175; Bd. 46 S. 56; Bd. 48 S. 340; Bd. 57 S. 255.

70. Zollftrafrecht. Besonderes Gesetz. Ausfuhrver­ bot. (VZG. 88 134, 136, 155: BO. vom 13. Juli 1923 über die verbotene Ausfuhr lebenswichtiger Gegenstände; BO. vom 13. Februar 1924 über Ein- und Ausfuhr; RAbgO. 88 433, 462.) Viehhändler trieben im Bereich des Grenzbezirks nahe der holländischen Grenze Pferde, ohne im Besitz des erforderlichen Zollausweises zu sein. Das Landgericht verurteilte sie wegen Konterbande. So­ wohl die Angeklagten als die Staatsanwaltschaft legten Revision ein. Die Revisionen der Angeklagten wurden verworfen. Die Ausfuhr von Pferden war durch die Verordnung vom 13. Juli 1923 verboten. Das Land­ gericht hatte diese Verordnung nicht für anwendbar erklärt, weil der Vorsatz, ihr zuwiderzuhandeln, nicht

nachgewiesen sei. Dieser Auffassung trat das Reichsge­ richt entgegen. Für die Rechtswirksamkeit des in einem Gesetz aufgestellten Ausfuhrverbots ist es ohne Belang, ob die ebendort aufgestellten Strafvorschriften im ein­ zelnen Fall aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unangewandt bleiben müssen; die Unanwendbarkeit eines besonderen Gesetzes steht der Anwendung des allge­ meinen Gesetzes nicht entgegen. Zur Zeit der Tat (Dezember 1924) galt die Außenhandelskontrollverord­ nung in der Fassung der Verordnung vom 13. Februar 1924 über Ein- und Ausfuhr; auch diese stand der An­ wendung des Vereinszollgesetzes nicht entgegen, da sie für ihre Verletzung ausdrücklich auf die Vorschriften des Vereinszollgesetzes über die Konterbande verwies. Dem­ gemäß kamen auck die im Vereinszollgesetz aufgestellten Vermutungen zur Anwendung, nach welchen die Konter­ bande als vollbracht angenommen wird, wenn beim Transport verbotener Gegenstände im Grenzbezirk der vorschriftsmäßige Zollausweis nicht mitgeführt wird (§ 136 Nr. 5 d). Die Konterbande wird mit der Konfis­ kation der Gegenstände, auf die sie sich bezieht, und außerdem mit einer Geldbuße bestraft; die Geldbuße ent­ fällt aber, wenn in besonderen Gesetzen eine höhere Strafe festgesetzt ist. Unter einem besonderen Gesetz ist eine Rechtsnorm zu verstehen, welche die verbots­ widrige Ausfuhr desselben Gegenstandes unter Strafe stellt. Ein solches besonderes Gesetz ist die Verordnung vom 13. Juli 1923; für ihre Vorgängerin, die 'Außen­ handelskontrollverordnung und die Wuchergerichtsver­ ordnung ist das schon durch frühere Entscheidungen anerkannt. Dafür, daß diese Verordnung mit ihren Strafbestimmungen die verbotene Ausfuhr lebenswich­ tiger Gegenstände abschließend regeln und daneben für eine Anwendung der Vorschriften über Konterbande keinen Raum lassen will, liegen keine Anhaltspunkte vor. Hiernach waren die Vorschriften des Bereinszollgesetzes, einschließlich der Schuldvermutungen, anzuwenden, die Strafe aber aus der Verordnung vom 13. Juni 1923 zu bestimmen. (III, 29. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 191—198 Vgl. Bd. 38 S. 186, 394; Bd. 49 S. 127, 159; Bd. 5 S. 78, 287; Bd. 57 S. 177.

71. Zigarettensteuer. Hinterziehung. (StGB. § 27; ZigarettStG. § 18; RAbgO. §§ 359, 451; TabStG. 1919 §§ 56, 92; 3. StNVO. Art. VIII.) In der Zeit von Februar bis Juli 1919 wurde Zigarettensteuer in der Höhe von rund 2300 Mark hinterzogen. Das Schöf­ fengericht erkannte auf das Vierfache des hinterzogenen Betrages, das Landgericht aus 3000 Reichsmark Geld­ strafe ; im Falle der Uneinbringlichkeit sollte im einen wie im anderen Fall an die Stelle einer Geldstrafe von 100 Reichsmark ein Tag Gefängnis treten. Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg. Die materiellen Strafvorschriften der Reichsabgabenordnung (besonders § 359) finden keine Anwendung auf Steuergesetze, die bei Verkündung der Reichsabgabenordnung schon aufgehoben waren. Zu diesen gehört das Zigarettensteuer­ gesetz von 1906; die seine Aufhebung aussprechende Be­ stimmung des Tabaksteuergesetzes (§ 92) war zur Zeit des Erlasses der Reichsabgabenordnung schon verkündet, wenn sie auch erst am 1. April 1920 in Kraft trat. Keinesfalls erstreckt sich nach Sinn und Zweck der III. Steuernotverordnung (Art. VIII) die Geltung des § 359 RAbgO. in seiner neuen Fassung auf das bei Erlaß dieser Verordnung längst außer Kraft getretene Zigarettensteuergesetz, nachdem sogar das Tabaksteuer­ gesetz unberührt gelassen wurde und demgemäß für alle Tabaksteuerhinterziehungen auch jetzt noch die An­ drohung des Vierfachen der Steuerverkürzung gilt. Dem­ gemäß war auch kein Raum für die Prüfung, ob die im vorliegenden Falle überhaupt nicht anwendbare Vor­ schrift des § 359 RAbgO. im Vergleich zu § 18 ZigarettStG. sich als das mildere Strafgesetz erweisen würde. Auch durch § 27 StGB, ist die fortdauernde An­ wendbarkeit der Strafandrohung des § 18 ZigarettStG. nicht beeinflußt worden; die Vorschriften über Höchst­ beträge gelten nicht, soweit die angedrohte Strafe in dem Mehrfachen eines bestimmten Betrages besteht. (II, 29. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 198—202. Vgl. Bd. 58 S. 417, 428. 72. Auslieferung. Spezialität. Politisches Vergehen. Völkerrecht. (RBerf. Art. 4.) Die ungarische Regierung bewilligte eine Auslieferung wegen eines Verbrechens des Mordes und eines damit in Zusammenhang stehen-

71. Zigarettensteuer. Hinterziehung. (StGB. § 27; ZigarettStG. § 18; RAbgO. §§ 359, 451; TabStG. 1919 §§ 56, 92; 3. StNVO. Art. VIII.) In der Zeit von Februar bis Juli 1919 wurde Zigarettensteuer in der Höhe von rund 2300 Mark hinterzogen. Das Schöf­ fengericht erkannte auf das Vierfache des hinterzogenen Betrages, das Landgericht aus 3000 Reichsmark Geld­ strafe ; im Falle der Uneinbringlichkeit sollte im einen wie im anderen Fall an die Stelle einer Geldstrafe von 100 Reichsmark ein Tag Gefängnis treten. Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg. Die materiellen Strafvorschriften der Reichsabgabenordnung (besonders § 359) finden keine Anwendung auf Steuergesetze, die bei Verkündung der Reichsabgabenordnung schon aufgehoben waren. Zu diesen gehört das Zigarettensteuer­ gesetz von 1906; die seine Aufhebung aussprechende Be­ stimmung des Tabaksteuergesetzes (§ 92) war zur Zeit des Erlasses der Reichsabgabenordnung schon verkündet, wenn sie auch erst am 1. April 1920 in Kraft trat. Keinesfalls erstreckt sich nach Sinn und Zweck der III. Steuernotverordnung (Art. VIII) die Geltung des § 359 RAbgO. in seiner neuen Fassung auf das bei Erlaß dieser Verordnung längst außer Kraft getretene Zigarettensteuergesetz, nachdem sogar das Tabaksteuer­ gesetz unberührt gelassen wurde und demgemäß für alle Tabaksteuerhinterziehungen auch jetzt noch die An­ drohung des Vierfachen der Steuerverkürzung gilt. Dem­ gemäß war auch kein Raum für die Prüfung, ob die im vorliegenden Falle überhaupt nicht anwendbare Vor­ schrift des § 359 RAbgO. im Vergleich zu § 18 ZigarettStG. sich als das mildere Strafgesetz erweisen würde. Auch durch § 27 StGB, ist die fortdauernde An­ wendbarkeit der Strafandrohung des § 18 ZigarettStG. nicht beeinflußt worden; die Vorschriften über Höchst­ beträge gelten nicht, soweit die angedrohte Strafe in dem Mehrfachen eines bestimmten Betrages besteht. (II, 29. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 198—202. Vgl. Bd. 58 S. 417, 428. 72. Auslieferung. Spezialität. Politisches Vergehen. Völkerrecht. (RBerf. Art. 4.) Die ungarische Regierung bewilligte eine Auslieferung wegen eines Verbrechens des Mordes und eines damit in Zusammenhang stehen-

den Verbrechens des Raubes. Dementsprechend erfolgte auch die Verurteilung. Die Revision wandte ein, daß es sich um einen politischen Mord gehandelt habe, daß die Auslieferung nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen wegen eines solchen Vergehens nicht habe stattfinden dürfen und auch nicht stattgefunden habe, eine Verurteilung also nicht zulässig gewesen sei. Sie hatte keinen Erfolg. Der Umfang der Auslieferungsbewil­ ligung bestimmt allerdings auch den Umfang der gegen den ausgelieferten Angeklagten zulässigen Strafverfol­ gung; ein gegen diese Grundsätze begangener Vorstoß wäre als die Verletzung einer Rechtsnorm anzusehen, auf welche die Revision gestützt werden könnte. Zwar ent­ hält das Reichsrecht unmittelbar einen Rechtssatz dieses Inhalts nicht; er muß aber als ein allgemein aner­ kannter Grundsatz des Völkerrechts angesprochen werden. Ein Auslieferungsvertrag mit Ungarn, der andere Be­ stimmungen enthielte, besteht nicht. Allgemein anerkannte Grundsätze des Völkerrechts sind auch bindender Bestand­ teil des deutschen Reichsrechts. Die ungarische Regierung hatte die Frage, ob die Tat, um die es sich handelte, als politisches Verbrechen zu beurteilen sei, nach ein­ gehender Prüfung verneint; auch wenn sie hierbei irrte, stand das der Aburteilung der Tat nicht im Wege. Es gibt keinen allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz des Inhalts, daß ein solcher Irrtum die ein­ mal bedingungslos erteilte Auslieferung nachträglich hin­ fällig macht; noch weniger einen Grundsatz des Inhalts, daß die Auslieferung wegen eines politischen Verbrechens schlechthin und ohne Rücksicht auf die Auffassung des um die Auslieferung angegangenen Staates unzulässig und ohne rechtliche Wirkung ist. (II, 18. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 202—206. 73. Rückfallsverjährung. Gesamtstrafe. (StGB. §§ 245, 264.) Ein Mann wurde im Jahre 1902 wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt; diese ver­ büßte er bis zum 5. Juni 1902. Wegen eines im Jahre 1908 begangenen Betrugs in Tateinheit mit Urkunden­ fälschung wurde er am 27. Juli 1909 zu einer Zucht­ hausstrafe von drei Jahren verurteilt. Während er diese Strafe verbüßte, wurden weitere Strafverfahren wegen Taten, die er vor der Verurteilung begangen hatte,

den Verbrechens des Raubes. Dementsprechend erfolgte auch die Verurteilung. Die Revision wandte ein, daß es sich um einen politischen Mord gehandelt habe, daß die Auslieferung nach allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätzen wegen eines solchen Vergehens nicht habe stattfinden dürfen und auch nicht stattgefunden habe, eine Verurteilung also nicht zulässig gewesen sei. Sie hatte keinen Erfolg. Der Umfang der Auslieferungsbewil­ ligung bestimmt allerdings auch den Umfang der gegen den ausgelieferten Angeklagten zulässigen Strafverfol­ gung; ein gegen diese Grundsätze begangener Vorstoß wäre als die Verletzung einer Rechtsnorm anzusehen, auf welche die Revision gestützt werden könnte. Zwar ent­ hält das Reichsrecht unmittelbar einen Rechtssatz dieses Inhalts nicht; er muß aber als ein allgemein aner­ kannter Grundsatz des Völkerrechts angesprochen werden. Ein Auslieferungsvertrag mit Ungarn, der andere Be­ stimmungen enthielte, besteht nicht. Allgemein anerkannte Grundsätze des Völkerrechts sind auch bindender Bestand­ teil des deutschen Reichsrechts. Die ungarische Regierung hatte die Frage, ob die Tat, um die es sich handelte, als politisches Verbrechen zu beurteilen sei, nach ein­ gehender Prüfung verneint; auch wenn sie hierbei irrte, stand das der Aburteilung der Tat nicht im Wege. Es gibt keinen allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz des Inhalts, daß ein solcher Irrtum die ein­ mal bedingungslos erteilte Auslieferung nachträglich hin­ fällig macht; noch weniger einen Grundsatz des Inhalts, daß die Auslieferung wegen eines politischen Verbrechens schlechthin und ohne Rücksicht auf die Auffassung des um die Auslieferung angegangenen Staates unzulässig und ohne rechtliche Wirkung ist. (II, 18. März 1926.) Amtl. Sammlg. S. 202—206. 73. Rückfallsverjährung. Gesamtstrafe. (StGB. §§ 245, 264.) Ein Mann wurde im Jahre 1902 wegen Betrugs zu einer Gefängnisstrafe verurteilt; diese ver­ büßte er bis zum 5. Juni 1902. Wegen eines im Jahre 1908 begangenen Betrugs in Tateinheit mit Urkunden­ fälschung wurde er am 27. Juli 1909 zu einer Zucht­ hausstrafe von drei Jahren verurteilt. Während er diese Strafe verbüßte, wurden weitere Strafverfahren wegen Taten, die er vor der Verurteilung begangen hatte,

gegen ihn durchgeführt; es wurde schließlich eine Ge­ samtstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten Zucht­ haus gebildet, die er bis zum 11. März 1915 verbüßte. In der Zeit von Juli bis Dezember 1924 beging er neueroings einen Betrug. Er wurde wegen Betrugs im Rückfall verurteilt; seine Revision hatte keinen Erfolg. Sie war darauf gestützt, daß in die Gesamtstrafe auch Strafen einbezogen worden waren, die sich nicht auf Be­ trug bezogen und daß es darum nicht angängig gewesen sei, die zehnjährige Verjährungsfrist erst vom Ende der Gesamtstrafe an zu berechnen. Hierin trat eine un­ richtige Auffassung vom Wesen der Gesamtstrafe zutage. Sobald eine Gesamtstrafe gebildet wird, gehen, solange sie besteht, die zugrunde liegenden Einzelstrafen in ihr auf und haben keine selbständige Bedeutung mehr; sollen sie wieder aufleben, so muß zunächst die Gesamt­ strafe wegfallen. Verbüßt wird immer nur die 'Gesamt­ strafe; jeder Teil von ihr gilt als wegen sämtlicher ab­ geurteilter Straftaten erkannt. Darum kann auch die Vollstreckungsverjährung der Gesamtstrafe nur eine ein­ heitliche sein und das Gleiche muß für die Rückfallsverjähruwg gelten. Bei dieser kommt auch noch ein innerer Grund in Betracht; sie beruht auf der Er­ wägung, daß eine zehnjährige Bewährung nach Ver­ büßung der Strafe es rechtfertigt, nur die einfache, nicht die Rückfallsstrafe zu verhängen. Bon einer solchen Bewährung kann aber während der Verbüßung der Strafe nicht gesprochen werden. Die Rückfallsverjährung war also erst vom 11. März 1915 an zu berechnen. (II, 6. Mai 1926.) Amtl. Sammlq. S. 206—208. Vgl. Bd. 50 S. 243. 74. Urkundenfälschung. Öffentliche Urkunde. Falsch­ beurkundung. Beglaubigungsversuch. (StGB. §§ 43, 267, 268, 271; ZPO. §§ 415, 418; FGG. §§ 167, 191.) Dem Deutschen Verein für Sanitätshunde wurde die Ge­ nehmigung zu einer öffentlichen Sammlung erteilt. Einer der Sammler ließ sich, um seine Tätigkeit auch nach Ab­ lauf der bestimmten Zeit fortsetzen zu können, bei der Polizeidirektion in Altona Abschriften des Genehmi­ gungserlasses beglaubigen, ohne die Urschrift vorzulegen. Das Landgericht verurteilte ihn wegen Erwirkung einer Falschbeurkundung; das Reichsgericht sprach ihn frei. RVG., Strafsachen PH. (JO.

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gegen ihn durchgeführt; es wurde schließlich eine Ge­ samtstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten Zucht­ haus gebildet, die er bis zum 11. März 1915 verbüßte. In der Zeit von Juli bis Dezember 1924 beging er neueroings einen Betrug. Er wurde wegen Betrugs im Rückfall verurteilt; seine Revision hatte keinen Erfolg. Sie war darauf gestützt, daß in die Gesamtstrafe auch Strafen einbezogen worden waren, die sich nicht auf Be­ trug bezogen und daß es darum nicht angängig gewesen sei, die zehnjährige Verjährungsfrist erst vom Ende der Gesamtstrafe an zu berechnen. Hierin trat eine un­ richtige Auffassung vom Wesen der Gesamtstrafe zutage. Sobald eine Gesamtstrafe gebildet wird, gehen, solange sie besteht, die zugrunde liegenden Einzelstrafen in ihr auf und haben keine selbständige Bedeutung mehr; sollen sie wieder aufleben, so muß zunächst die Gesamt­ strafe wegfallen. Verbüßt wird immer nur die 'Gesamt­ strafe; jeder Teil von ihr gilt als wegen sämtlicher ab­ geurteilter Straftaten erkannt. Darum kann auch die Vollstreckungsverjährung der Gesamtstrafe nur eine ein­ heitliche sein und das Gleiche muß für die Rückfallsverjähruwg gelten. Bei dieser kommt auch noch ein innerer Grund in Betracht; sie beruht auf der Er­ wägung, daß eine zehnjährige Bewährung nach Ver­ büßung der Strafe es rechtfertigt, nur die einfache, nicht die Rückfallsstrafe zu verhängen. Bon einer solchen Bewährung kann aber während der Verbüßung der Strafe nicht gesprochen werden. Die Rückfallsverjährung war also erst vom 11. März 1915 an zu berechnen. (II, 6. Mai 1926.) Amtl. Sammlq. S. 206—208. Vgl. Bd. 50 S. 243. 74. Urkundenfälschung. Öffentliche Urkunde. Falsch­ beurkundung. Beglaubigungsversuch. (StGB. §§ 43, 267, 268, 271; ZPO. §§ 415, 418; FGG. §§ 167, 191.) Dem Deutschen Verein für Sanitätshunde wurde die Ge­ nehmigung zu einer öffentlichen Sammlung erteilt. Einer der Sammler ließ sich, um seine Tätigkeit auch nach Ab­ lauf der bestimmten Zeit fortsetzen zu können, bei der Polizeidirektion in Altona Abschriften des Genehmi­ gungserlasses beglaubigen, ohne die Urschrift vorzulegen. Das Landgericht verurteilte ihn wegen Erwirkung einer Falschbeurkundung; das Reichsgericht sprach ihn frei. RVG., Strafsachen PH. (JO.

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Das Landgericht hatte die Beglaubigung dahin gedeutet, daß dadurch bescheinigt werden sollte, die Richtigkeit der Abschrift sei durch Vergleichung mit der Urschrift festgestellt worden. Das Reichsgericht ließ dahingestellt, ob nicht lediglich die Tatsache der Richtigkeit, nicht aber die Art und Weise ihrer Feststellung bescheinigt werden sollte. In dem einen wie in dem anderen Fall war Vor­ aussetzung der Strafbarkeit, daß die Beglaubigung als solche die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde hatte. Hierzu mußte ihr Inhalt von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person inner­ halb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vor­ geschriebenen Form bezeugt sein. Zu den Amtsbefug­ nissen einer Behörde ist das Beglaubigen von Urkunden nicht schon dann zu rechnen, wenn ihr lediglich nicht ver­ wehrt ist, die beglaubigten Tatsachen als richtig zu be­ scheinigen; das kann von jedermann geschehen, ohne daß hierdurch in irgendwelche Amtsbefugnisse eingegriffen oder auch nur der Anschein der Vornahme einer Hand­ lung erweckt würde, die nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden dürste. Demgemäß ist es auch nicht zu beanstanden, wenn, wie es vielfach ge­ schieht, ein Beamter oder eine Behörde sich zu Be­ glaubigungen herbeiläßt, ohne hierzu berufen oder er­ mächtigt zu sein und ohne daß die Beglaubigung auch nur im Zusammenhang mit dem amtlichen Geschäftskreis steht. Verschiedentlich wird nach Reichsrecht nur eine Be­ glaubigung durch eine zur Führung eines amtlichen Siegels berechtigte Person verlangt, ohne daß das Be­ glaubigen zu ihrem Geschäftskreis zu gehören braucht. Auch in den Fällen dieser Art handelt es sich nicht durch­ wegs um öffentliche Urkunden, denen kraft Gesetzes Be­ weiskraft für und gegen jedermann zukommt; insbe­ sondere ist es nur den dort genannten Behörden und nur für die dort näher bezeichneten Rechtsangelegenheiten' vorgeschrieben oder zugelassen, die von einer beliebigen Amtsperson vorgenommenen Beglaubigungen ohne wei­ teres als beweiskräftig hinzunehmen. Abgesehen von derartigen Sondervorschriften ist es eine Frage tatsäch­ licher Würdigung und Übung, welcher Beweiswert den Beglaubigungen amtlicher Behörden im Perkehrslehen,

namentlich im Rechtsverkehr beizumessen ist. Wo das Gesetz öffentliche Beglaubigung verlangt, können sie als solche nur gelten, wenn sie von einer Stelle erteilt wor­ den sind, zu deren wirklichen Amtsbesugnissen die Be­ glaubigung von Urkunden gehört. Das ist freilich nicht nur dann der Fall, wenn ihr (wie den Gerichten und Notaren) dieser Geschäftskreis durch besondere Vorschrift ausdrücklich zugewiesen ist, sondern auch dann und inso­ weit, als solche öffentliche Beurkundungen eine Obliegen­ heit darstellen, zu deren Erfüllung die Amtsstelle ihrem Wesen nach unmittelbar berufen ist. So sind die Polizei­ behörden zur Ausstellung von Personalausweisen und darum auch zu der Beglaubigung der von dem Inhaber beigesetzten Unterschrift zuständig. Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Beglaubigung der Abschrift einer Urkunde hatte hiermit nichts gemein; sie bestand nur darin, daß zwei Urkunden miteinander verglichen und ihre wortgetreue Übereinstimmung beglaubigt wurde. Das gehört zu den Aufgaben von Urkundspersonen und zu den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nicht aber zur polizeilichen Zuständigkeit. Es ist aber zulässig, durch Landesgesetz auch andere Behörden hiefür für zu­ ständig zu erklären; für Altona war eine solche Anord­ nung nicht ergangen. Die vom Angeklagten erwirkten Beglaubigungen waren keine öffentlichen Urkunden; es fiel ihm demgemäß keine strafbare Handlung zur Last. Auch ein Versuch der Erwirkung einer Falschbeurkun­ dung kam nicht in Betracht. Jeder Versuch erfordert zu seiner Strafbarkeit die begonnene, aber nicht zur Vollendung gelangte Ausführung des Entschlusses, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben. Einerseits muß also das, was der Täter verwirklichen wollte, seiner Vor­ stellung nach alle äußeren und inneren Tatbestandsmerk­ male eines Verbrechens oder Vergehens erfüllen, ander­ seits darf er diesen gewollten Tatbestand nicht vollständig verwirklicht haben. Der Angeklagte hatte das, was er wollte, vollständig erreicht. Allerdings erhielt er keine öffentlich beglaubigten Abschriften, so daß, wenn er es auf solche abgesehen gehabt und sie zu erlangen vermeint hätte, allerdings der Versuch eines Verbrechens der gewinnsüchtigen mittelbaren Falschbeurkundung in Frage kommen könnte. In Wirllichkeit bedurfte er jedoch keiner (i*

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öffentlich beglaubigten Abschrift; sie sollte ihm lediglich als Genehmigungsausweis gegenüber den seine Sammel­ tätigkeit überwachenden Polizeibehörden dienen. Hiesür waren die erwirkten polizeilichen Beglaubigungen ein tatsächlich genügendes Beweismittel, einerlei, welche ge­ setzliche Beweiskraft ihnen zukam. (II, 29. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 209—216. Vgl. Bd. 23 S. 180; Bd. 27 S. 231; Bd. 31 S. 110; Bd. 60 S. 104. 75. Kreditwucher (gemeiner Wucher). Leistungs­ wucher. Verschleierter Wucher. Gewerbsmätzigkeit. Dar­ lehen. Leichtsinn. Unerfahrenheit. Irrtum. Tateinheit. Gesetzeseinheit. (StGB. §§ 73, 302 a, 302 b; PreisTrVO.

§ 4.) Ein Kaufmann, der früher bei der Reichswehr als Beamter angestellt war, erhielt vom Wehrkreis­ kommando die Erlaubnis, die Kaserne zum Abschluß von Warenabzahlungsgeschäften mit Soldaten zu be­ suchen. Er gewährte auch kleine Darlehen, für die ohne Rücksicht auf die Dauer der Hingabe ein Zinssatz von 20 v. H. berechnet wurde. Die von den Soldaten ge­ schuldeten Beträge wurden am Ende des Monats den Rechnungsführern ihrer Kompagnien bekanntgegeben und von diesen an der Löhnung abgezogen. Das Geld zu den Darlehensgeschäften erhielt der Kaufmann von einer Raiffeisenbank, die nur von seinen Abzahlungsgeschäften, nicht aber von seinen Darlehensgeschäften Kenntnis hatte, gegen geringe Zinsen. Auf Grund von acht Darlehen in der Höhe von 5 bis 30 Mark, die er an junge Reichswehrsoldaten teils zur Anschaffung von Anzügen und Schuhen, teils für Urlaubsreisen, Vergnügungen oder andere Zwecke gegeben hatte, wurde er wegen Kredit­ wuchers in Tateinheit mit Leistungswucher verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Für den Begriff des Kreditwuchers ist die Überschreitung des üblichen Zinsfußes erfordert. Hierunter ist der Zinsfuß zu ver­ stehen, der nach den Orts- und Zeitverhältnissen, wozu auch die allgemeinen Kreditverhältnisse gehören, und nach der objektiven Natur, insbesondere dem Zweck des Ge­ schäfts, als der gewöhnliche sich darstellt. Bei seiner Ermittlung darf nicht das gesetzwidrige Verhalten eines Ringes von Geldgebern, sondern nur der redliche Geschäftsgebrauch in Betracht gezogen werden. Der auf

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öffentlich beglaubigten Abschrift; sie sollte ihm lediglich als Genehmigungsausweis gegenüber den seine Sammel­ tätigkeit überwachenden Polizeibehörden dienen. Hiesür waren die erwirkten polizeilichen Beglaubigungen ein tatsächlich genügendes Beweismittel, einerlei, welche ge­ setzliche Beweiskraft ihnen zukam. (II, 29. April 1926.) Amtl. Sammlg. S. 209—216. Vgl. Bd. 23 S. 180; Bd. 27 S. 231; Bd. 31 S. 110; Bd. 60 S. 104. 75. Kreditwucher (gemeiner Wucher). Leistungs­ wucher. Verschleierter Wucher. Gewerbsmätzigkeit. Dar­ lehen. Leichtsinn. Unerfahrenheit. Irrtum. Tateinheit. Gesetzeseinheit. (StGB. §§ 73, 302 a, 302 b; PreisTrVO.

§ 4.) Ein Kaufmann, der früher bei der Reichswehr als Beamter angestellt war, erhielt vom Wehrkreis­ kommando die Erlaubnis, die Kaserne zum Abschluß von Warenabzahlungsgeschäften mit Soldaten zu be­ suchen. Er gewährte auch kleine Darlehen, für die ohne Rücksicht auf die Dauer der Hingabe ein Zinssatz von 20 v. H. berechnet wurde. Die von den Soldaten ge­ schuldeten Beträge wurden am Ende des Monats den Rechnungsführern ihrer Kompagnien bekanntgegeben und von diesen an der Löhnung abgezogen. Das Geld zu den Darlehensgeschäften erhielt der Kaufmann von einer Raiffeisenbank, die nur von seinen Abzahlungsgeschäften, nicht aber von seinen Darlehensgeschäften Kenntnis hatte, gegen geringe Zinsen. Auf Grund von acht Darlehen in der Höhe von 5 bis 30 Mark, die er an junge Reichswehrsoldaten teils zur Anschaffung von Anzügen und Schuhen, teils für Urlaubsreisen, Vergnügungen oder andere Zwecke gegeben hatte, wurde er wegen Kredit­ wuchers in Tateinheit mit Leistungswucher verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Für den Begriff des Kreditwuchers ist die Überschreitung des üblichen Zinsfußes erfordert. Hierunter ist der Zinsfuß zu ver­ stehen, der nach den Orts- und Zeitverhältnissen, wozu auch die allgemeinen Kreditverhältnisse gehören, und nach der objektiven Natur, insbesondere dem Zweck des Ge­ schäfts, als der gewöhnliche sich darstellt. Bei seiner Ermittlung darf nicht das gesetzwidrige Verhalten eines Ringes von Geldgebern, sondern nur der redliche Geschäftsgebrauch in Betracht gezogen werden. Der auf

diese Weise ermittelte übliche Zinsfuß kann sich auf den durchschnittlichen Gestehungskosten der Geldgeber auf­ bauen, er kann sich aber auch nach den Gestehungskosten der unter den ungünstigen Verhältnissen arbeitenden, zur Deckung des Bedarfs noch notwendigen Geldgeber richten, awch durch sonstige, nicht als gesetzwidrig zu erachtende Gesichtspunkte, so etwa durch die Kreditrege­ lung beeinflußt sein. Ist der nicht gesetzwidrige übliche Zinsfuß eingehalten worden, so kommt Kreditwucher nicht in Frage. Ist er überschritten, so muß geprüft werden, ob die Bermögensvorteile in auffälligem Miß­ verhältnis zur Leistung stehen. Diese Frage muß vom Standpunkt des Gläubigers aus beurteilt werden; es ist die Gesamtheit der vermögensrechtlichen Aufwendungen des Gläubigers mit den Vorteilen zu vergleichen, die ihm oder einem Dritten aus dem Geschäft zufließen. Liegen mehrere Geschäfte mit derselben Person vor, so darf nicht eine Durchschnittsberechnung vorgenommen werden; vielmehr ist jeder Fall besonders zu prüfen. Beim Leistungswucher kommt es darauf an, ob die für die Leistung, im gegebenen Fall also für die Hingabe der Darlehen, geforderte oder gewährte Vergütung einen übermäßigen Verdienst darstellt; dabei ist davon auszu­ gehen, daß bei regelmäßiger Marktlage im Kreditverkehr eine Vergütung, die den bei Geldgebern gleicher Ber­ teilungsstufe für Darlehen gleicher Art üblichen Zinsfuß nicht überschreitet, in der Regel auch keinen übermäßigen Verdienst enthält. Bei unregelmäßiger Marktlage aber ist, wie beim Preiswucher, so auch beim Leistungswucher, grundsätzlich von den Gestehungskosten (Werbungskosten) im einzelnen Fall auszugehen. Gesetzlich verbotene und wirtschaftlich unberechtigte Gestehungskosten sind außer acht zu lassen. Den Gestehungskosten, zu denen auch ein zur Deckung der Berlustgesahr bestimmter Betrag (Risiko­ prämie) gehört, ist ein Reingewinn zuzuschlagen, der sich nach dem angemessenen Friedensreingewinn unter Berücksichtigung der veränderten Umstände berechnet. Soweit eine Feststellung der Gestehungskosten nicht mög­ lich ist, muß eine Schätzung eintreten. Jede Überschrei­ tung der zulässigen Vergütung, mag sie auch unerheblich sein, begründet den Tatbestand des Leistungswuchers. Zu den Gestehungskosten waren hiernach zu rechnen:

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die an die Raiffeisenbank für die Zeit der Darlehensge­ währung gezahlten Zinsen, eine Jnkassogebühr, die an die Rechnungssührer der Reichswehr gezahlt wurde, dadurch deren Tätigkeit die Darlehenshingabe nahezu gefahrlos und eine wesentliche Einschränkung der Risikoprämie ermöglicht wurde, die Risikoprämie und ein kleiner Be­ trag für die geringen allgemeinen Unkosten, endlich eine Provision für die aufgewendete Mühe; nicht anrechenbar war die Umsatzsteuer, die nur deshalb anfiel, weil der Angeklagte die Darlehensgeschäfte dem Finanzamt nicht als solche erkennbar machte, und die Einkommensteuer, die aus dem Gewinn zu bestreiten war. Nach der inneren Seite war der Nachweis erforderlich, daß der Angeklagte die Tatsachen kannte, die für den Wert der Leistung und Gegenleistung sowie für das auffällige Miß­ verhältnis maßgebend waren. War sich der Angeklagte bewußt, daß die Kreditgewährung von der Umsatzsteuer ausgenommen und deren Anfall nur auf die durch ihn bewirkte Verschleierung zurückzuführen war, so stellte sich seine Annahme, er dürfe diese Aufwendung dem Schuldner anrechnen, als unbeachtlicher Strafrechtsirr­ tum dar. Das Landgericht hatte in einigen Fällen Uner­ fahrenheit der Geldnehmer für gegeben erachtet, weil sie nach ihrem Vorleben und nach ihrer Vorbildung nicht imstande waren, zu beurteilen, welcher Zinssatz ange­ messen war; in allen Fällen war Leichtsinn festgestellt worden, weil die Geldnehmer aus Sorglosigkeit oder aus Mangel an Überlegung der Gefahr der Verschuldung keine genügende Bedeutung beigelegt hatten. Das Reichs­ gericht billigte diese Auffassung und hob hervor, daß der Annahme des Leichtsinns die Verwendung der Dar­ lehen zur Deckung von Bedürfnissen, die bei jungen Leuten nicht ungewöhnlich sind, nicht entgegenstand. Das Merkmal des verschleierten Sichversprechenlassens wuche­ rischer Vermögensvorteile seht voraus, daß der unter den Tatbestand des Wuchers fallenden Vereinbarung der Parteien eine unwahre, den Wucher verhüllende Form gegeben wurde. Das konnte als gegeben erachtet werden bei den Berpflichtungserllärungen, in denen nicht die hingegebenen Darlehen und die dafür zu zahlenden Zin­ sen, sondern lediglich die aus den Darlehen und den Zinsen sich ergebenden Endsummen eingesetzt waren. Die

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gleichen Verschleierungen in den Büchern und in den den Rechnungsführern übergebenen Listen erfüllten an sich einen strafbaren Tatbestand nicht, da es sich hier nicht um ein verschleiertes Sichversprechenlassen handelte; sie dienten aber dazu, die verschleiernde Bedeutung der Verpflichtungserklärungen außer Zweifel zu stellen. Daß eine Täuschung des Schuldners durch die Verschleierungen bewirkt wird, ist nicht notwendig. Nicht zu beanstanden war auch die Annahme fortgesetzten gewerbsmäßigen Wuchers, die damit begründet wurde, daß der Ange­ klagte die wucherischen Einzelhandlungen im Fortsetzungs­ zusammenhang und zugleich in der Absicht, sich durch die wiederholte Begehung des Wuchers eine dauernde Einnahmequelle zu verschaffen, begangen habe. Ebenso­ wenig wurde die Annahme eines Leistungswuchers da­ durch ausgeschlossen, daß es sich um die Hingabe von Darlehen handelte. Es muß immer als eine Leistung zur Befriedigung des täglichen Bedarfs angesehen wer­ den, wenn ein Gewerbetreibender im Rahmen und in den Formen des Erwerbslebens auftretend, Kredit in An­ spruch nimmt; auch für den. landwirtschaftlichen Ge­ schäftsverkehr ist schon in diesem Sinn entschieden wor­ den. Das Gleiche muß auch für die Gewährung von Kredit an einen Privatmann zu Berbrauchszwecken gel­ ten. Der richtige Standpunkt wird gewonnen, wenn man davon ausgeht, welchem Zweck die Wuchergesetzgebung dient und welche Rechtsgüter durch sie geschützt werden sollen. Die Vorschriften über Kreditwucher erstreben den Schutz der Geldnehmer gegen Ausbeutung ihrer Notlage, ihrer Unerfahrenheit oder ihres Leichtsinns, die Vor­ schriften über Leistungswucher dagegen den Schutz der Allgemeinheit gegen gewinnsüchtige Ausbeutung der all­ gemeinen Not, die Verhinderung der Verteuerung der gesamten Lebenshaltung (Jndividualwucher — sozialer Wucher). Demgemäß sind als Gegenstände des täglichen Bedarfs, wie sie in mehreren Tatbeständen des Lei­ stungswuchers angeführt sind, alle Gegenstände anzu­ sehen, für welche in weiten Kreisen der Bevölkerung täglich ein Bedürfnis vorliegen kann, das alsbaldige Befriedigung erheischt. Den Gegensatz dazu bilden die Luxusgegenstände, die nach der Auffassung der breiten Masse der Bevölkerung entbehrt werden können, ohne

daß dadurch die allgemeine Lebenshaltung beeinträchtigt wird. Als Leistungen zur Befriedigung des Bedarfs sind hiernach Leistungen anzusehen, für die, wenn auch nicht in jeder Wirtschaft, so doch innerhalb eines erheblichen Teils der Bevölkerung täglich ein Bedürfnis hervor­ treten kann, das alsbaldige Befriedigung erheischt. Eine gewisse Allgemeinheit des Bedarfs und innerhalb des Bedarfskreises eine regelmäßige Wiederkehr bei den dazu­ gehörigen Personen ist erforderlich. Auszuscheiden sind Leistungen zur Befriedigung von Bedürfnissen, die nur bei vereinzelten Personen oder kleineren Personengruppen oder innerhalb des Bedarfskreises nur vereinzelt auf­ treten und deren Nichtbefriedigung die gesamte Lebens­ haltung nicht beeinträchtigt, ja vom gemeinwirtschaft­ lichen Standpunkt aus vielleicht sogar als wünschenswert erscheint. Der Verwendungszweck spielt eine erhebliche Rolle; doch kommt es nicht darauf an, in welcher Weise die Leistung tatsächlich verwendet wird, sondern darauf, welchem Zweck die der Prüfung unterliegende Gruppe von Leistungen regelmäßig zu dienen pflegt. Die Kreditgewährung, das Hingeben von wirtschaftlichen Gü­ tern, besonders von Geld, im Vertrauen auf die Zu­ sicherung künftiger Gegenleistung, wird nach dem Ver­ wendungszweck in produktiven und konsumtiven Kredit unterschieden. Zum produktiven Kredit gehört eine Kre­ ditgewährung, die ein Gewerbetreibender im Rahmen und in den Formen des Erwerbslebens in Anspruch nimmt, auch dann, wenn es sich um die Beschaffung! von Gütern handelt, die zum Zwecke der Gütererzeugung und Güterverteilung zu verbrauchen sind (reproduktiver Konsum). Im weiteren Sinne gehört hiezu auch der Verbrauch von Gütern, die zwar zunächst zur Befriedi­ gung persönlicher Bedürfnisse dienen, deren Verbrauch aber zur Heranbildung, Erhaltung oder Erhöhung der Arbeitskraft notwendig ist. Innerhalb der gesamten Bevölkerung tritt, besonders in Zeiten der Not, in weiten Kreisen, namentlich in jenen der Arbeiter, Angestellten und Beamten mit geringem Einkommen sowie bei den auf sich angewiesenen, noch in der Ausbildung begriffe­ nen Personen mit einer gewissen Regelmäßigkeit das Be­ dürfnis hervor, zur Bestreitung notwendiger Ausgaben für den Lebensunterhalt, für den hauswirtschaftlichen

Bedarf, für die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit Kredit in Anspruch zu nehmen, um einen das augenblickliche Einkommen übersteigenden Aufwand aus dem späteren Einkommen decken zu können. Eine Kredit­ gewährung solcher Art ist gemeinwirtschaftlich berechtigt und schutzwürdig; sie muß unter die Leistungen zur Be­ friedigung des täglichen Bedarfs gerechnet werden. Das kann aber nicht gelten für eine Kreditgewährung, die bezweckt, den Kreditnehmern eine mit ihrem Einkommen, nicht nur augenblicklich, sondern überhaupt nicht verein­ bare Lebensführung zu ermöglichen oder die der Befrie­ digung von Luxusbedürfnissen dient. Wie weit das zu­ trifft, kann immer nur an der Hand der einzelnen Fälle entschieden werden. Im gegebenen Fall handelte es sich größtenteils um Darlehen zur Befriedigung von Bedürf­ nissen, die sich bei Berücksichtigung aller Umstände im üblichen Rahmen bewegten, zum gewöhnlichen Lebens­ unterhalt und damit zur Erhaltung der Arbeitskraft, auch in der Form einer in bescheidenen Grenzen sich be­ wegenden Erholung dienten. Der Umstand, daß die Dar­ lehensnehmer leichtsinnig handelten, stand der Annahme, daß es sich um Darlehen zur Befriedigung des täglichen Bedarfs handelte, nicht entgegen, da der Leichtsinn nicht in der Aufnahme der Darlehen als solcher, sondern in ihrer Ausnahme zu den vom Angeklagten angebotenen unwirtschaftlichen Bedingungen zu erblicken war. Daß die Vergütung des Angeklagten einen übermäßigen Ver­ dienst enthielt, stand außer Zweifel. Einer Prüfung der Frage, ob zur Zeit der Darlehenshingabe im Kreditver­ kehr schon eine regelmäßige Marktlage bestand, bedurfte es nicht, da der übliche Zinsfuß überschritten worden war. Die Annahme des Landgerichts, daß zwischen Kreditwucher und Leistungswucher, soferne die Tatbe­ standsmerkmale beider Straftaten nachweisbar sind, Tat­ einheit besteht, wurde vom Reichsgerichte gebilligt. Die Tatbestände verhalten sich wie zwei sich schneidende Kreise; beim Leistungswucher fehlt die Voraussetzung der Ausbeutung der Notlage, des Leichtsinns oder der Un­ erfahrenheit sowie die Auffälligkeit des Mißverhält­ nisses, beim Kreditwucher dagegen die Voraussetzung, daß die Leistung zur Befriedigung des täglichen Be­ darfs dienen muß. Gesetzeseinheit kann bei solcher Sach-

läge nicht in Frage kommen. Einen besonders schweren Fall hatte das Berufungsgericht nicht für gegeben er­ achtet und darum die Strafe nach den Vorschriften über Kreditwucher bemessen. Ob diese Auffassung zu­ traf ließ das Reichsgericht dahingestellt, da der Ange­ klagte durch diese Sachbehandlung nicht beschwert war. Hierbei wurde angenommen, daß dem Angeklagten bei Anwendung der Vorschriften über Leistungswucher die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden wären, ob­ wohl das für diesen Fall nicht zwingend vorgeschrieben ist. Ein vernünftiger Richter wird im Falle tateinheit­ lichen Zusammentreffens von gewerbsmäßigem Kredit­ wucher und Leistungswucher bei der Ausübung des hinsichtlich der Ehrenstrafe bestehenden freien Ermessens nicht unbeachtet lassen, daß, wenn gewerbsmäßiger Kre­ ditwucher allein in Frage käme, auf Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte erkannt werden müßte. (I, 4. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 216—230. Vgl. Bd. 3 S. 218; Bd. 18 S. 332; Bd. 23 S. 121; Bd. 29 S. 82; Bd. 39 S. 126; Bd. 50 S. 81, 181; Bd. 51 S. 154, 407; Bd. 56 S. 54, 326; Bd. 57 S. 367; Bd. 58 S. 19, 319; Bd. 59 S. 72, 214.

76. Urkundenfälschung. Falschbeurkundung. Fami­ lienname. Fortsetzungszusammenhang. (StGB. §§ 47, 49, 267, 271; PersStG. §§ 15, 46, 54; BGB. § 1355.) Eine Witwe bezeichnete sich bei ihrer Wiederverehelichung mit ihrem Mädchennamen. Sie wurde wegen Erwirkung einer Falschbeurkundung, ihr Ehemann, der von der Sachlage Kenntnis hatte, wegen Beihilfe hierzu ver­ urteilt. Seit ihrer ersten Verehelichung hatte die An­ geklagte die Pflicht, den Familiennamen ihres Eheman­ nes zu führen; daran wurde auch durch den Tod des Ehemannes nichts geändert. Der Strafschutz gegen die Erwirkung einer Falschbeurkundung reicht so weit, wie die der Beurkundung zukommenbe öffentliche Beweis­ kraft. Ordnungsmäßig geführte Standesregister beweisen die in ihnen eingetragenen Tatsachen, zu deren Beur­ kundung sie bestimmt sind. Das Heiratsregister ist nicht nur bestimmt, zu bezeugen, daß eine Eheschließung erfolgt ist; aus ihm muß naturgemäß auch hervorgehen, wer die Eheschließenden waren und dazu gehört die An­ gabe ihrer richtigen Familiennamen. Schon der zu

läge nicht in Frage kommen. Einen besonders schweren Fall hatte das Berufungsgericht nicht für gegeben er­ achtet und darum die Strafe nach den Vorschriften über Kreditwucher bemessen. Ob diese Auffassung zu­ traf ließ das Reichsgericht dahingestellt, da der Ange­ klagte durch diese Sachbehandlung nicht beschwert war. Hierbei wurde angenommen, daß dem Angeklagten bei Anwendung der Vorschriften über Leistungswucher die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt worden wären, ob­ wohl das für diesen Fall nicht zwingend vorgeschrieben ist. Ein vernünftiger Richter wird im Falle tateinheit­ lichen Zusammentreffens von gewerbsmäßigem Kredit­ wucher und Leistungswucher bei der Ausübung des hinsichtlich der Ehrenstrafe bestehenden freien Ermessens nicht unbeachtet lassen, daß, wenn gewerbsmäßiger Kre­ ditwucher allein in Frage käme, auf Verlust der bürger­ lichen Ehrenrechte erkannt werden müßte. (I, 4. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 216—230. Vgl. Bd. 3 S. 218; Bd. 18 S. 332; Bd. 23 S. 121; Bd. 29 S. 82; Bd. 39 S. 126; Bd. 50 S. 81, 181; Bd. 51 S. 154, 407; Bd. 56 S. 54, 326; Bd. 57 S. 367; Bd. 58 S. 19, 319; Bd. 59 S. 72, 214.

76. Urkundenfälschung. Falschbeurkundung. Fami­ lienname. Fortsetzungszusammenhang. (StGB. §§ 47, 49, 267, 271; PersStG. §§ 15, 46, 54; BGB. § 1355.) Eine Witwe bezeichnete sich bei ihrer Wiederverehelichung mit ihrem Mädchennamen. Sie wurde wegen Erwirkung einer Falschbeurkundung, ihr Ehemann, der von der Sachlage Kenntnis hatte, wegen Beihilfe hierzu ver­ urteilt. Seit ihrer ersten Verehelichung hatte die An­ geklagte die Pflicht, den Familiennamen ihres Eheman­ nes zu führen; daran wurde auch durch den Tod des Ehemannes nichts geändert. Der Strafschutz gegen die Erwirkung einer Falschbeurkundung reicht so weit, wie die der Beurkundung zukommenbe öffentliche Beweis­ kraft. Ordnungsmäßig geführte Standesregister beweisen die in ihnen eingetragenen Tatsachen, zu deren Beur­ kundung sie bestimmt sind. Das Heiratsregister ist nicht nur bestimmt, zu bezeugen, daß eine Eheschließung erfolgt ist; aus ihm muß naturgemäß auch hervorgehen, wer die Eheschließenden waren und dazu gehört die An­ gabe ihrer richtigen Familiennamen. Schon der zu

Protokoll des Standesamts gestellte Antrag auf Be­ kanntmachung des Aufgebots stellte eine Falschbeurkun­ dung dar, da das Aufgebot bestimmungsgemäß öffent­ lichen Glauben gerade für die Tatsache haben soll, wer die Aufgebotenen sind, insbesondere also, wie sie richtig heißen. Ohne Belang war, ob die Beurkundung des unrichtigen Familiennamens den Anschein erwecken sollte, als handle es sich beim Aufgebot und der Eheschließung um eine andere Person als die Angellagte. Hierauf kommt es wohl bei Ausstellung einer Urkunde unter falschem Namen an, nicht aber bei Erwirkung einer Falschbeurkundung; für diese ist nur wesentlich, daß eine vom Gesetz als erheblich vorgeschriebene Angabe unrichtig beurkundet worden ist. Indem der Ehemann die Eintragung des unrichtigen Familiennamens seiner damaligen Braut wissentlich ohne Widerspruch geschehen ließ, machte er sich mitschuldig; die Beurkundung der Eheschließung im Heiratsregister wird von den beiden Verlobten miteinander bewirkt und nicht minder als eine sonstige Bertragsurkunde bezeugt die Heiratsurkunde als Tatsache, unter welchen Personen eine gegenseitige Willenseinigung zustande gekommen ist, deren Beur­ kundung wenn auch von Amts wegen, so doch auf Grund der gegenseitigen Erllärungen der Verlobten vor­ genommen wird. Daß in dem Verhalten des Ehemannes nur Beihilfe gefunden wurde, beschwerte ihn nicht. Gegen die Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs bestand kein Bedenken. (II, 6. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 230—233. Vgl. Bd. 24 S. 360; Bd. 32 S. 386; Bd. 34 S. 362; Bd. 48 S. 238, 342; Bd. 52 S. 12; RGZ. Bd. 108 S. 230.

77. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Geschäfts­ führer. Vollstreckungsvereitelung. Bankerott. (StGB. § 288; KO. § 239; GmbHG. §8 64. 83.) Der Geschäfts­ führer einer G. m. b. H. beseitigte Waren, zu deren Liefe­ rung die Gesellschaft verurteilt war und die ihr im Wege der Zwangsvollstreckung weggenommen werden sollten. Das genügte nicht, um den Tatbestand der Bollstrekkungsvereitelung zu erfüllen. Täter dieser Handlung kann nur sein, wer sie bei einer ihm drohenden Zwangs­ vollstreckung vornimmt;.die Zwangsvollstreckung drohte

Protokoll des Standesamts gestellte Antrag auf Be­ kanntmachung des Aufgebots stellte eine Falschbeurkun­ dung dar, da das Aufgebot bestimmungsgemäß öffent­ lichen Glauben gerade für die Tatsache haben soll, wer die Aufgebotenen sind, insbesondere also, wie sie richtig heißen. Ohne Belang war, ob die Beurkundung des unrichtigen Familiennamens den Anschein erwecken sollte, als handle es sich beim Aufgebot und der Eheschließung um eine andere Person als die Angellagte. Hierauf kommt es wohl bei Ausstellung einer Urkunde unter falschem Namen an, nicht aber bei Erwirkung einer Falschbeurkundung; für diese ist nur wesentlich, daß eine vom Gesetz als erheblich vorgeschriebene Angabe unrichtig beurkundet worden ist. Indem der Ehemann die Eintragung des unrichtigen Familiennamens seiner damaligen Braut wissentlich ohne Widerspruch geschehen ließ, machte er sich mitschuldig; die Beurkundung der Eheschließung im Heiratsregister wird von den beiden Verlobten miteinander bewirkt und nicht minder als eine sonstige Bertragsurkunde bezeugt die Heiratsurkunde als Tatsache, unter welchen Personen eine gegenseitige Willenseinigung zustande gekommen ist, deren Beur­ kundung wenn auch von Amts wegen, so doch auf Grund der gegenseitigen Erllärungen der Verlobten vor­ genommen wird. Daß in dem Verhalten des Ehemannes nur Beihilfe gefunden wurde, beschwerte ihn nicht. Gegen die Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs bestand kein Bedenken. (II, 6. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 230—233. Vgl. Bd. 24 S. 360; Bd. 32 S. 386; Bd. 34 S. 362; Bd. 48 S. 238, 342; Bd. 52 S. 12; RGZ. Bd. 108 S. 230.

77. Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Geschäfts­ führer. Vollstreckungsvereitelung. Bankerott. (StGB. § 288; KO. § 239; GmbHG. §8 64. 83.) Der Geschäfts­ führer einer G. m. b. H. beseitigte Waren, zu deren Liefe­ rung die Gesellschaft verurteilt war und die ihr im Wege der Zwangsvollstreckung weggenommen werden sollten. Das genügte nicht, um den Tatbestand der Bollstrekkungsvereitelung zu erfüllen. Täter dieser Handlung kann nur sein, wer sie bei einer ihm drohenden Zwangs­ vollstreckung vornimmt;.die Zwangsvollstreckung drohte

aber nicht dem Angeklagten, sondern der G.m. b.H. Daß er deren alleiniger Geschäftsführer war, machte nichts aus. Als die G.m. b.H. in Konkurs geriet, mel­ dete der Geschäftsführer Forderungen gegen sie an, die ihm nicht zustanden. Seine Verurteilung wegen Bankerotts wurde nicht bestätigt. Strafbar ist allerdings der Geschäftsführer einer G.m.b.H., der im Konkurs­ verfahren unrichtige Angaben über ihre Bermögensverhältnisse macht; der Angellagte hatte aber die Forde­ rungen nicht als Geschäftsführer der G.m.b.H., sondern als deren Gläubiger angemeldet. Mehr war gegen den Angellagten nicht festgestellt, insbesondere au>ch nicht, daß er bei dem von ihm als Geschäftsführer gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkurses in dem gleichzeitig eingereichten Verzeichnis der Gläubiger sich selbst in un­ wahrer Weise als Gläubiger bezeichnet hatte. (III, 6. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 234—237. Vgl. Bd. 16 S. 121; Bd. 42 S. 278. 78. Branntweinmonopol. Sicherungsgeld. Steuer­ hinterziehung. Betrug. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 263; BranntwMonG. §§ 84, 109, 119, 120, 121, 143, 147, 151; RAbgO. §§ 1, 356, 383.) Zwischen Hinterziehung der Hektolitereinnahme des BranntweinmonopolgeseheS und Betrug kann Tateinheit bestehen. Die Abgabe ist (im Gegensatz zum Monopolausgleich) nicht als Steuer an­ zusehen, stellt vielmehr eine Gegenleistung des Brannt­ weinkäufers für eine besondere Leistung des Reichs in Gestalt des verkauften Branntweins dar. Der Tatbe­ stand der Hinterziehung dieser Abgabe deckt sich auch keineswegs immer mit jenem des Betrugs; wenn in einem besonderen Fall durch die Hinterziehung auch der Tatbestand des Betrugs erfüllt wird, besteht kein Anlaß, eine andere Behandlung eintreten zu lassen als bei einem Betrug gegen einen anderen Verkäufer. Dem Angeklag­ ten war wegen Nichteinhaltung der Lieferungsbedin­ gungen eine Geldbuße (Sicherungsgeld) auferlegt worden. Das berührte die Strafverfolgung wegen der Hinter­ ziehung in keiner Weise; das Sicherungsgeld ist keine Geldstrafe im Sinne des Strafrechts, was sich schon daraus ergibt, daß die Beitreibung nicht nach den Grundsätzen des Strafverfahrens erfolgt. (III, 6. Mai 1926, Amtl. Sammlg. S. 237—241.

aber nicht dem Angeklagten, sondern der G.m. b.H. Daß er deren alleiniger Geschäftsführer war, machte nichts aus. Als die G.m. b.H. in Konkurs geriet, mel­ dete der Geschäftsführer Forderungen gegen sie an, die ihm nicht zustanden. Seine Verurteilung wegen Bankerotts wurde nicht bestätigt. Strafbar ist allerdings der Geschäftsführer einer G.m.b.H., der im Konkurs­ verfahren unrichtige Angaben über ihre Bermögensverhältnisse macht; der Angellagte hatte aber die Forde­ rungen nicht als Geschäftsführer der G.m.b.H., sondern als deren Gläubiger angemeldet. Mehr war gegen den Angellagten nicht festgestellt, insbesondere au>ch nicht, daß er bei dem von ihm als Geschäftsführer gestellten Antrag auf Eröffnung des Konkurses in dem gleichzeitig eingereichten Verzeichnis der Gläubiger sich selbst in un­ wahrer Weise als Gläubiger bezeichnet hatte. (III, 6. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 234—237. Vgl. Bd. 16 S. 121; Bd. 42 S. 278. 78. Branntweinmonopol. Sicherungsgeld. Steuer­ hinterziehung. Betrug. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 263; BranntwMonG. §§ 84, 109, 119, 120, 121, 143, 147, 151; RAbgO. §§ 1, 356, 383.) Zwischen Hinterziehung der Hektolitereinnahme des BranntweinmonopolgeseheS und Betrug kann Tateinheit bestehen. Die Abgabe ist (im Gegensatz zum Monopolausgleich) nicht als Steuer an­ zusehen, stellt vielmehr eine Gegenleistung des Brannt­ weinkäufers für eine besondere Leistung des Reichs in Gestalt des verkauften Branntweins dar. Der Tatbe­ stand der Hinterziehung dieser Abgabe deckt sich auch keineswegs immer mit jenem des Betrugs; wenn in einem besonderen Fall durch die Hinterziehung auch der Tatbestand des Betrugs erfüllt wird, besteht kein Anlaß, eine andere Behandlung eintreten zu lassen als bei einem Betrug gegen einen anderen Verkäufer. Dem Angeklag­ ten war wegen Nichteinhaltung der Lieferungsbedin­ gungen eine Geldbuße (Sicherungsgeld) auferlegt worden. Das berührte die Strafverfolgung wegen der Hinter­ ziehung in keiner Weise; das Sicherungsgeld ist keine Geldstrafe im Sinne des Strafrechts, was sich schon daraus ergibt, daß die Beitreibung nicht nach den Grundsätzen des Strafverfahrens erfolgt. (III, 6. Mai 1926, Amtl. Sammlg. S. 237—241.

79. Tateinheit. Borsatz. Ziel. (StGB. §§ 73, 74, 263, 267, 268, 348, 349.) Ein Polizeibeamter, der Saalbesitzern Erlaubnisscheine über die Verlängerung der Polizeistunde für bestimmte Veranstaltungen zu­ zustellen und die auf den Scheinen vermerkten Gebühren einzuheben und abzuliefern hatte, erhöhte fortgesetzt die dort eingesetzten Zahlen und behielt die überhobenen Be­ träge für sich. Er wurde wegen Urkundenfälschung im Amte im sachlichen Zusammenfluß mit Betrug verurteilt. Seine Revision hatte teilweisen Erfolg. Sie war darauf gestützt, daß zwischen den Taten nicht sachlicher Zu­ sammenfluß (Tatenmehrheit), sondern rechtlicher Zusam­ menfluß (Tateinheit) bestehe, da dem Angeklagten bei seinem gesamten Vorgehen um die Erlangung eines rechtswidrigen Bermögensvorteils zu tun gewesen sei. Diese Auffassung litt an der schon wiederholt mißbillig­ ten Verwechslung eines einheitlichen Ziels mehrerer Handlungen mit einem einheitlichen Begehungsvorsah. Die planmäßig gefaßte Absicht, zur Errichtung eines bestimmten Zweckes verschiedene, sich gegenseitig ergän­ zende Handlungen zu begehen, beseitigt noch nicht die Notwendigkeit eines besonderen Vorsatzes für jede der geplanten Handlungen, wenn diese zeitlich auseinander­ fallen und in sich wesensverschieden sind: alsdann tritt vielmehr gerade erst nach erfolgreicher Ausführung der ersten Tat die Notwendigkeit einer Entschließung zu der weiteren, deren Voraussetzung das Gelingen der ersten Tat gewesen ist, an den Täter heran, wenn er das ge­ steckte Ziel weiter verfolgen will. Die Verfolgung des Ziels zwingt ihn zur Verübung mehrerer selbständiger Straftaten. So lag der Fall hier. Die Urkundenfälschung int Amte, zu deren Tatbestand ein Gebrauchmachen von den verfälschten Urkunden nicht gehörte, war ein in sich abgeschlossenes, vollendetes Amtsverbrechen, bevor der Angeklagte zur betrügerischen Verwertung der ver­ fälschten Urkunde gegenüber den Privatpersonen, für die sie ausgestellt waren, schritt und sein Vorgehen richtet sich hier gegen ein ganz anderes Rechtsgut als dort, nämlich gegen das Vermögen der Beschädigten anstatt gegen die Amtspflichten. Beide Straftaten fielen also weder zeitlich zusammen, noch waren sie wesensgleich. Darum konnten sie auch nicht, was Lei einheitlichem Ge-

samtvorsatz möglich wäre, eine fortgesetzte Handlung miteinander bilden; sie standen sich hinsichtlich des Vor­ satzes selbständig gegenüber. Dagegen ergab sich das Vorhandensein einer Tateinheit aus einem anderen Ge­ sichtspunkt. Jede der beiden Handlungen stand in Tat­ einheit mit einer dritten Straftat, einer gewöhnlichen Urkundenfälschung. In der Verfälschung der Scheine trafen die Urkundenfälschung im Amte und die gewöhn­ liche Urkundenfälschung zusammen; das Gebrauchmachen von den verfälschten Scheinen gehörte zum Tatbestand der gewöhnlichen Urkundenfälschung und zu jenem des Betrugs; je ein Teil der Handlung wirkte also zur Her­ stellung der beiden Tatbestände mit. Damit war Tat­ einheit zwischen allen Handlungen gegeben. Der Schuldausspruich des angefochtenen Urteils wurde demgemäß berichtigt, der Strafausspruch aufgehoben. (II, 6. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 241—244. Vgl. Bd. 46 S. 417; Bd. 56 S. 329; Bd. 57 S. 174; Bd. 58 S. 113. 80. Branntweinmonopol. Wertersatz. Umwandlung in Freiheitsstrafe. Vorentscheid. (StGB. 8 29a; Branntw.MonG. 88 87, 120, 121, 128, 148; RAbgO. §§ 355, 378, 433, 435.) Wegen eines Vergehens gegen das Branntweinmonopolgesetz wurde auf eine Geldstrafe und auf Wertersatz erkannt; sowohl die Geldstrafe als der Wertersatz wurden für den Fall der Uneinbringlich­ keit in Gefängnisstrafen umgewandelt. Das Reichsgericht erklärte das für zulässig. Nach allgemeinen strafrecht­ lichen Grundsätzen kann allerdings nur eine Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden; für das Steuerstrafverfahren gelten aber diese Grundsätze nur, soweit nicht Ausnahmen davon vorgesehen sind. Die Reichsabgabenordnung läßt es zu, daß auch die Strafe des Ersatzes des Wertes nicht einziehbarer Sachen in Freiheitsstrafe umgewandelt wird. Diese Vorschrift hat auch bei Zuwiderhandlungen gegen das Branntwein­ monopolgesetz Anwendung zu finden. Unrichtig war aller­ dings, daß bestimmt wurde, für den Fall der Uneinbring­ lichkeit solle an die Stelle eines Betrags von 200 Mark je ein Tag Gefängnis treten, da der festgesetzte Wert­ ersatz nicht durch diesen Betrag teilbar war und dem­ gemäß ein Rest übrig blieb. Die Ersatzfreihcktsstrafe

samtvorsatz möglich wäre, eine fortgesetzte Handlung miteinander bilden; sie standen sich hinsichtlich des Vor­ satzes selbständig gegenüber. Dagegen ergab sich das Vorhandensein einer Tateinheit aus einem anderen Ge­ sichtspunkt. Jede der beiden Handlungen stand in Tat­ einheit mit einer dritten Straftat, einer gewöhnlichen Urkundenfälschung. In der Verfälschung der Scheine trafen die Urkundenfälschung im Amte und die gewöhn­ liche Urkundenfälschung zusammen; das Gebrauchmachen von den verfälschten Scheinen gehörte zum Tatbestand der gewöhnlichen Urkundenfälschung und zu jenem des Betrugs; je ein Teil der Handlung wirkte also zur Her­ stellung der beiden Tatbestände mit. Damit war Tat­ einheit zwischen allen Handlungen gegeben. Der Schuldausspruich des angefochtenen Urteils wurde demgemäß berichtigt, der Strafausspruch aufgehoben. (II, 6. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 241—244. Vgl. Bd. 46 S. 417; Bd. 56 S. 329; Bd. 57 S. 174; Bd. 58 S. 113. 80. Branntweinmonopol. Wertersatz. Umwandlung in Freiheitsstrafe. Vorentscheid. (StGB. 8 29a; Branntw.MonG. 88 87, 120, 121, 128, 148; RAbgO. §§ 355, 378, 433, 435.) Wegen eines Vergehens gegen das Branntweinmonopolgesetz wurde auf eine Geldstrafe und auf Wertersatz erkannt; sowohl die Geldstrafe als der Wertersatz wurden für den Fall der Uneinbringlich­ keit in Gefängnisstrafen umgewandelt. Das Reichsgericht erklärte das für zulässig. Nach allgemeinen strafrecht­ lichen Grundsätzen kann allerdings nur eine Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe umgewandelt werden; für das Steuerstrafverfahren gelten aber diese Grundsätze nur, soweit nicht Ausnahmen davon vorgesehen sind. Die Reichsabgabenordnung läßt es zu, daß auch die Strafe des Ersatzes des Wertes nicht einziehbarer Sachen in Freiheitsstrafe umgewandelt wird. Diese Vorschrift hat auch bei Zuwiderhandlungen gegen das Branntwein­ monopolgesetz Anwendung zu finden. Unrichtig war aller­ dings, daß bestimmt wurde, für den Fall der Uneinbring­ lichkeit solle an die Stelle eines Betrags von 200 Mark je ein Tag Gefängnis treten, da der festgesetzte Wert­ ersatz nicht durch diesen Betrag teilbar war und dem­ gemäß ein Rest übrig blieb. Die Ersatzfreihcktsstrafe

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Strafsachen Bd. 60

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muß nach vollen Tagen bemessen werden; es hätte also die gesamte Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen werden müssen. Zu einer Änderung des Urteils gab das aber keinen Anlaß, da durch den Fehler der Angeklagte nicht beschwert war. Unbeachtet war auch geblieben, daß das Urteil erst nach rechtskräftiger Entscheidung der Finanz­ behörden über den Abgabenanspruch hätte ergehen dür­ fen; da aber das zuständige, auch am Verfahren als Nebenkläger beteiligte Hauptzollamt auf Anfrage er­ klärt hatte, erst die rechtskräftige Entscheidung im ge­ richtlichen Strafverfahren abwarten zu wollen, also die Vorentscheidung zu treffen, abgelehnt hatte, war das Revisionsgericht nicht mehr gehindert, eine Entscheidung zu fällen. Das Hauptzollamt hatte seine Haltung damir begründet, daß Branntweinmonopoleinnahmen nicht als Steuer anzusehen seien und daß darum eine Vorentschei­ dung nicht erforderlich sei; das Reichsgericht bemerkte dazu, daß es diese Auffassung nicht zu teilen vermöge, daß aber das Gericht nicht verpflichtet sei, eine Ände­ rung der Stellungnahme der Finanzbehörden herbeizuführen. (II, 10. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 244—246. Vgl. Bd. 55 S. 155; Bd. 57 S. 4.

81. Blutschande. Verwandtschaft. Schwägerschaft. Nichtige Ehe. (StGB. §8 173, 174; BGB. 88 1325—1329; 1590; EGzBGB. Art. 33.) Während der Dauer eines Scheidungsverfahrens schloß der Ehemann eine neue Ehe. Seine Frau brachte eine voreheliche Tochter in den Haushalt; mit dieser pflog er geschlechtlichen Ver­ kehr. Seine Verurteilung wegen Blutschande wurde be­ stätigt. Im Sinne des Strafgesetzbuchs wird Verwandt­ schaft auch durch uneheliche Abstammung begründet; dementsprechend war der Angeklagte mit der Tochter seiner Frau verschwägert, wenn er als Ehemann der Frau zu gelten hatte. Hiefür genügte eine formgerecht abgeschlossene Ehe, auch wenn sie sachlich nichtig ist. Jedenfalls sind an das für die Verschwägerung voraus­ zusetzende Ehegattenverhältnis vom Strafgesetz keine strengeren Anforderungen zu stellen als vom Bürger­ lichen Gesetzbuch; nach diesem sind die in einer nichtigen, aber in das Heiratsregister eingetragenen Ehe lebenden Personen als Ehegatten zu behandeln, solange die Ehe

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muß nach vollen Tagen bemessen werden; es hätte also die gesamte Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen werden müssen. Zu einer Änderung des Urteils gab das aber keinen Anlaß, da durch den Fehler der Angeklagte nicht beschwert war. Unbeachtet war auch geblieben, daß das Urteil erst nach rechtskräftiger Entscheidung der Finanz­ behörden über den Abgabenanspruch hätte ergehen dür­ fen; da aber das zuständige, auch am Verfahren als Nebenkläger beteiligte Hauptzollamt auf Anfrage er­ klärt hatte, erst die rechtskräftige Entscheidung im ge­ richtlichen Strafverfahren abwarten zu wollen, also die Vorentscheidung zu treffen, abgelehnt hatte, war das Revisionsgericht nicht mehr gehindert, eine Entscheidung zu fällen. Das Hauptzollamt hatte seine Haltung damir begründet, daß Branntweinmonopoleinnahmen nicht als Steuer anzusehen seien und daß darum eine Vorentschei­ dung nicht erforderlich sei; das Reichsgericht bemerkte dazu, daß es diese Auffassung nicht zu teilen vermöge, daß aber das Gericht nicht verpflichtet sei, eine Ände­ rung der Stellungnahme der Finanzbehörden herbeizuführen. (II, 10. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 244—246. Vgl. Bd. 55 S. 155; Bd. 57 S. 4.

81. Blutschande. Verwandtschaft. Schwägerschaft. Nichtige Ehe. (StGB. §8 173, 174; BGB. 88 1325—1329; 1590; EGzBGB. Art. 33.) Während der Dauer eines Scheidungsverfahrens schloß der Ehemann eine neue Ehe. Seine Frau brachte eine voreheliche Tochter in den Haushalt; mit dieser pflog er geschlechtlichen Ver­ kehr. Seine Verurteilung wegen Blutschande wurde be­ stätigt. Im Sinne des Strafgesetzbuchs wird Verwandt­ schaft auch durch uneheliche Abstammung begründet; dementsprechend war der Angeklagte mit der Tochter seiner Frau verschwägert, wenn er als Ehemann der Frau zu gelten hatte. Hiefür genügte eine formgerecht abgeschlossene Ehe, auch wenn sie sachlich nichtig ist. Jedenfalls sind an das für die Verschwägerung voraus­ zusetzende Ehegattenverhältnis vom Strafgesetz keine strengeren Anforderungen zu stellen als vom Bürger­ lichen Gesetzbuch; nach diesem sind die in einer nichtigen, aber in das Heiratsregister eingetragenen Ehe lebenden Personen als Ehegatten zu behandeln, solange die Ehe

82_______________ Strafsachen Bd. 60_______________ 92 nicht für nichtig erklärt oder aufgelöst ist. Wer in einer nichtigen Ehe lebt und vor deren Auflösung oder Nichtig­ keitserklärung eine neue Ehe eingeht, macht sich des Ver­ brechens der Doppelehe schuldig. Es würde Sinn und Zweck der Vorschrift über Blutschande widersprechen, die aus einer noch bestehenden, wenn auch vernichtbaren Ehe beruhende Verschwägerung nicht als solche im Sinne dieser Vorschrift gelten zu lassen, obwohl bei dem Verbot des Geschlechtsverkehrs unter Verwandten auch die aus unehelicher Abstammung hervorgegangene Blutsverwandt­ schaft berücksichtigt ist und somit in dem Bestreben, der Inzucht innerhalb der Familie entgegenzutreten, der Kreis der Verwandten weiter ausgedehnt wird als im Bürgerlichen Gesetzbuch. Allerdings kann die Nichtig­ keit einer vernichtbaren Ehe nach ihrer Auflösung, ins­ besondere also nach dem Ableben eines der Ehegatten, ohne weiteres geltend gemacht werden; daraus folgt aber nicht, daß das aus ihr entstehende Schwägerverhält­ nis nicht mehr als bestehend anzusehen und deshalb, besonders bei rechtskräftiger Nichtigkeitserklärung, die bisherigen Wirkungen der vernichtbaren Ehe rückwirkend als weggefallen zu erachten gewesen wären, wie wenn die Ehe nicht geschlossen worden wäre. Diese Wirkung tritt auch nach bürgerlichem Recht nicht ausnahmslos ein (§§ 1344, 1699); strafrechtlich kann sie um so weniger zugelassen werden, als sich die Voraussetzungen für die Anwendung des Strafgesetzes grundsätzlich nach dem Zeitpunkt bemessen, in dem die strafbare Handlung begangen ist. Eine Rückwirkung auf Grund des bürger­ lichen Rechts infolge von Rechtsänderungen, die nach der Tat eingetreten sind, vermag daher weder strafbar zu machen, was nach dem zugrunde zu legenden Rechts­ verhältnis zur Zeit der Tat straflos war, noch die Straflosigkeit einer zur Zeit der Begehung straflosen Handlung herbeizuführen. Zu einer Prüfung der Frage, ob die duvch eine vernichtbare Ehe entstandene Schwäger­ schaft auch nach Auflösung oder Nichtigkeitserklärung dieser Ehe noch als fortdauernd anzusehen wäre, lag kein Anlaß vor. (II, 10. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 246—250. Vgl. Bd. 41 S. 113; Bd. 56 S. 427.

82. Öffentliche Ausspielung. Schneeballensystem. Werbung. Provision. (StGB. § 286.) Ein Kaufmann

82_______________ Strafsachen Bd. 60_______________ 92 nicht für nichtig erklärt oder aufgelöst ist. Wer in einer nichtigen Ehe lebt und vor deren Auflösung oder Nichtig­ keitserklärung eine neue Ehe eingeht, macht sich des Ver­ brechens der Doppelehe schuldig. Es würde Sinn und Zweck der Vorschrift über Blutschande widersprechen, die aus einer noch bestehenden, wenn auch vernichtbaren Ehe beruhende Verschwägerung nicht als solche im Sinne dieser Vorschrift gelten zu lassen, obwohl bei dem Verbot des Geschlechtsverkehrs unter Verwandten auch die aus unehelicher Abstammung hervorgegangene Blutsverwandt­ schaft berücksichtigt ist und somit in dem Bestreben, der Inzucht innerhalb der Familie entgegenzutreten, der Kreis der Verwandten weiter ausgedehnt wird als im Bürgerlichen Gesetzbuch. Allerdings kann die Nichtig­ keit einer vernichtbaren Ehe nach ihrer Auflösung, ins­ besondere also nach dem Ableben eines der Ehegatten, ohne weiteres geltend gemacht werden; daraus folgt aber nicht, daß das aus ihr entstehende Schwägerverhält­ nis nicht mehr als bestehend anzusehen und deshalb, besonders bei rechtskräftiger Nichtigkeitserklärung, die bisherigen Wirkungen der vernichtbaren Ehe rückwirkend als weggefallen zu erachten gewesen wären, wie wenn die Ehe nicht geschlossen worden wäre. Diese Wirkung tritt auch nach bürgerlichem Recht nicht ausnahmslos ein (§§ 1344, 1699); strafrechtlich kann sie um so weniger zugelassen werden, als sich die Voraussetzungen für die Anwendung des Strafgesetzes grundsätzlich nach dem Zeitpunkt bemessen, in dem die strafbare Handlung begangen ist. Eine Rückwirkung auf Grund des bürger­ lichen Rechts infolge von Rechtsänderungen, die nach der Tat eingetreten sind, vermag daher weder strafbar zu machen, was nach dem zugrunde zu legenden Rechts­ verhältnis zur Zeit der Tat straflos war, noch die Straflosigkeit einer zur Zeit der Begehung straflosen Handlung herbeizuführen. Zu einer Prüfung der Frage, ob die duvch eine vernichtbare Ehe entstandene Schwäger­ schaft auch nach Auflösung oder Nichtigkeitserklärung dieser Ehe noch als fortdauernd anzusehen wäre, lag kein Anlaß vor. (II, 10. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 246—250. Vgl. Bd. 41 S. 113; Bd. 56 S. 427.

82. Öffentliche Ausspielung. Schneeballensystem. Werbung. Provision. (StGB. § 286.) Ein Kaufmann

erbot sich, eine Ware, die auf 64 Reichsmark gewertet war, zum Preis von 24 Reichsmark abzulassen, wenn der Käufer vier Personen namhaft machte, die sich bereit erklärten, die Ware zu denselben Bedingungen oder zum regelmäßigen Preis zu erwerben. 20 Reichsmark waren anzuzahlen. Das Landgericht sprach ihn von der Anklage der unerlaubten öffentlichen Ausspielung frei. Die, Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Der Annahme einer Ausspie­ lung steht die Verflechtung des Geschäfts mit einem Kauf­ vertrag oder Kaufvermittlungsvertrag nicht entgegen; es ist auch rechtlich nicht ausschlaggebend, ob die Be­ teiligung an dem Unternehmen äußerlich mit dem Ab­ schluß des Warenkaufs beginnt oder dieser nur einer nachträglichen Entschließung deI mit seiner Gewinn­ hoffnung gescheiterten Teilnehmers freigestellt wird. Das Landgericht hatte das entscheidende Gewicht darauf ge­ legt, daß die Käufer eine Bermittlertätigkeit entfalteten und daß der billige Preis der Ware als Lohn dafür an­ zusehen war. Dieser Erwägung lag der richtige Ge­ danke zugrunde, daß rein wirtschaftlich gedachte Ge­ schäfte nicht unter den Begriff der Ausspielung fallen; dieser Gedanke würde auf einen Agenturvertrag, bei dem die Provision für die Werbung von Kunden in Waren abgegolten würde, zutreffen. Derartige, dem Bedürfnis des Wirtschaftslebens entsprechende Provisions- und Mäk­ lerverträge beruhen aber auf rein persönlicher Grund­ lage; im Gegensatz zu ihnen kann das allgemeine Er­ bieten des Unternehmers, jeden beliebigen Käufer seiner Ware als Vermittler für sich tätig werden zu lassen, sehr wohl den Tatbestand der Ausspielung erfüllen. Für den Begriff des Gewinnes kam es darauf, welchen Geldwert die Vermittlung nach der Verkehrsanschau­ ung im ordentlichen Wirtschaftsleben für den Unter­ nehmer hatte, überhaupt nicht an; entscheidend war dabei nur das Maß der nach dem Vertrag den Teilnehmern angesonnenen Mühewaltung, wie es ihnen nach der natürlichen Anschauung beim Abschluß eines Vertrags erschien. Drängte sich ihnen, dem Willen des Ange­ klagten gemäß, die Überzeugung auf, es werde ihnen ohne nennenswerte Mühe gelingen, in ihrem Bekannten­ kreis vier Personen zu finden, die gewillt waren, Waren im angeblichen Werte von 64 Mark bei Aufwendung der RGT., Strafsachen Bd. 60.

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Strafsachen Bd. 60

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gleichen unbeachtlichen Mühewaltung für 24 Mark zu erwerben, so handelte es sich nach dem Sinne des Ver­ trags nicht um eine jn Geld anschlagbare ernstliche Arbeitsleistung, sondern um die mühelose Benützung einer jedem Kunden zu Gebote stehenden Möglichkeit. Daß diese Auffassung, weil auf verstecktem Irrtum be­ ruhend, zur Übervorteilung der Teilnehmer führen konnte, spielte für das Merkmal der Gewinnaussetzung keine Rolle. Der Eintritt des Gewinnfalles hing auch wesent­ lich vom Zufall ab. Die Behauptung, Zufall komme nicht in Frage, weil kein Verlust möglich sei, war begrifflich verfehlt. Berlustmöglichkeit ist zum Wesen der Aus­ spielung nicht erforderlich, war übrigens hier gegeben. Der Zufall bezieht sich bei der Ausspielung nur auf den Gewinn, nicht auf den Verlust. Die Zufälligkeit des Gewinns wurde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Käufer genau wußte, die Vergünstigung stehe ihm nur zu, wenn ihm die Anwerbung weiterer Kunden ge­ linge; eben, ob diese Anwerbung vom Zufall abhing, war zu prüfen. War nach Art, Ort und Zeit des Unter­ nehmens das tatsächlich und wirtschaftlich dafür in Be­ tracht kommende Publikum nicht völlig unbegrenzt, so mußte die planmäßige Durchführung, gleichviel, wie groß die Zahl der ersten Käufer war, wegen der fortschrei­ tenden Vervierfachung ihrer Zahl in kürzerer Zeit zur Erschöpfung der vorhandenen Möglichkeiten führen. Die Teilnehmer, schon der dritte, jedenfalls aber die fer­ neren Staffeln, mußten allenthalben auf eine Über­ sättigung der als Käufer in Betracht kommenden Kreise stoßen, die sie belehrte, daß die von ihnen angenom­ mene Voraussetzung beliebiger Heranziehung weiterer Kunden nicht mehr zutraf, sondern daß dieser Erfolg sich ihrem Willen und ihrer Berechnung entzog, mithin für sie von einem stetig an Wahrscheinlichkeit verlierenden Zufall abhing. Bei einem Agenturvertrag liegt die Sache wirtschaftlich und rechtlich schon darum wesentlich anders, weil bei ihm das den glückspielartigen Charakter mit bedingende lawinenartige Anwachsen der Zahl der Mitbewerber fehlt, wie es die Öffentlichkeit der Aus­ spielung gestattet. Die Tatsache endlich, daß dem Teil­ nehmer sofort mit der Zuführung eines neuen Kunden oder doch mit dessen Anzahlung von 20 Mark eine Bar-

einnahme von 4 Mark und eine Verminderung seines Schuldkontos um 11 Mark erwuchs, berührte die Frage des Zufalls nicht, sondern bedeutet nur die Vereinbarung der Teilung des Gewinnfalls und der Gutmachung des Gewinns. (III, 17. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 250—254. Vgl. Bd. 17 S. 379; Bd. 34 S. 390; Bd. 59 S. 347.

83. Vorhaben

eines

Verbrechens.

Anzeigepflicht.

(StGB. § 139.) In einem Verein wurde der Verdacht ausgesprochen, daß ein Mann, der bei ihm verkehrt hatte, ein Spitzel sei; es wurde beschlossen, ihn für den Fall, daß sich der Verdacht bestätigen würde, zu beseitigen. Ein Mitglied des Vereins richtete an ein anderes Mitglied die Aufforderung, Gift zu beschaffen; dieser erwiderte, er wolle es versuchen, könne aber nichts versprechen. Die Verurteilung wegen Verletzung der An­ zeigepflicht wurde bestätigt. Es lag allerdings noch kein fester Plan der Tötung vor, vielmehr war der endgültige Entschluß davon abhängig, ob der geäußerte Verdacht sich bestätigen würde. Die Verwirklichung jeden ver­ brecherischen Vorhabens hängt aber von einer Reihe von Bedingungen ab, die teils in der Person des Täters liegen, teils der Außenwelt angehören. Jeder, der ein Verbrechen vorhat, pflegt sich darüber llar zu sein, daß die Ausführung nur geschehen werde, wenn er seinen verbrecherischen Entschluß nicht aufgibt und zur gegebenen Zeit die nötigen Mittel und Wege findet, um das Verbrechen zu verwirllichen. Solche Vorbehalte, ob sie ausgesprochen werden oder nicht, sind mit einem Vorhaben durchaus verträglich; würde die Vorschrift enger aufgefaßt, so würde sie ihrer Bedeutung völlig entlleidet. Ob es sich um ein ernstliches Vorhaben handelt, ist im wesentlichen eine Frage der tatsächlichen Beurteilung. Unbegründet war auch der Hinweis, daß der Angeklagte nicht imstande war^ eine bestimmte Per­ son als Täter zu bezeichnen; festgestellt war, daß alle Teilnehmer der Verhandlung bereit waren, sich einem an sie ergehenden Ruf nicht zu versagen und daß der Angellagte das auch wußte. Demgemäß bestand der Vorsatz zur Tat bei allen Teilnehmern. Daß die Wahl möglicherweise auf eine Person fiel, die an der Verhand­ lung nicht teilnahm, war gleichgültig; nicht eine be-

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einnahme von 4 Mark und eine Verminderung seines Schuldkontos um 11 Mark erwuchs, berührte die Frage des Zufalls nicht, sondern bedeutet nur die Vereinbarung der Teilung des Gewinnfalls und der Gutmachung des Gewinns. (III, 17. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 250—254. Vgl. Bd. 17 S. 379; Bd. 34 S. 390; Bd. 59 S. 347.

83. Vorhaben

eines

Verbrechens.

Anzeigepflicht.

(StGB. § 139.) In einem Verein wurde der Verdacht ausgesprochen, daß ein Mann, der bei ihm verkehrt hatte, ein Spitzel sei; es wurde beschlossen, ihn für den Fall, daß sich der Verdacht bestätigen würde, zu beseitigen. Ein Mitglied des Vereins richtete an ein anderes Mitglied die Aufforderung, Gift zu beschaffen; dieser erwiderte, er wolle es versuchen, könne aber nichts versprechen. Die Verurteilung wegen Verletzung der An­ zeigepflicht wurde bestätigt. Es lag allerdings noch kein fester Plan der Tötung vor, vielmehr war der endgültige Entschluß davon abhängig, ob der geäußerte Verdacht sich bestätigen würde. Die Verwirklichung jeden ver­ brecherischen Vorhabens hängt aber von einer Reihe von Bedingungen ab, die teils in der Person des Täters liegen, teils der Außenwelt angehören. Jeder, der ein Verbrechen vorhat, pflegt sich darüber llar zu sein, daß die Ausführung nur geschehen werde, wenn er seinen verbrecherischen Entschluß nicht aufgibt und zur gegebenen Zeit die nötigen Mittel und Wege findet, um das Verbrechen zu verwirllichen. Solche Vorbehalte, ob sie ausgesprochen werden oder nicht, sind mit einem Vorhaben durchaus verträglich; würde die Vorschrift enger aufgefaßt, so würde sie ihrer Bedeutung völlig entlleidet. Ob es sich um ein ernstliches Vorhaben handelt, ist im wesentlichen eine Frage der tatsächlichen Beurteilung. Unbegründet war auch der Hinweis, daß der Angeklagte nicht imstande war^ eine bestimmte Per­ son als Täter zu bezeichnen; festgestellt war, daß alle Teilnehmer der Verhandlung bereit waren, sich einem an sie ergehenden Ruf nicht zu versagen und daß der Angellagte das auch wußte. Demgemäß bestand der Vorsatz zur Tat bei allen Teilnehmern. Daß die Wahl möglicherweise auf eine Person fiel, die an der Verhand­ lung nicht teilnahm, war gleichgültig; nicht eine be-

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stimmte Person, sondern der Berbrechensplan war an­ zuzeigen. Eine Pflicht zur Anzeige besteht allerdings nicht für solche Personen, die den verbrecherischen Plan mit verabredet, eine Teilnahme an dem Verbrechen vor­ gehabt haben, auch wenn die eigene Handlung nicht weiter als zu einer Vorbereitung des Verbrechens ge­ diehen ist. Diese Sachlage war aber beim Angeklagten nicht gegeben; es war als erwiesen angesehen worden, daß er zu keiner Zeit entschlossen gewesen war, das Ver­ brechen zu fördern und daß seine Erklärung, er wolle versuchen, Gift zu beschaffen, nicht ernstlich gemeint war. (III, 31. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 254—257. Vgl. Bd. 3 S. 1. 84. Zweikampf. Studentische Schlägermensur. (StGB. 88 201, 207.) Die Frage, ob die studentische Schlägermensur ein Zweikampf im Sinne des Strafge­ setzes sei, war durch Urteil der vereinigten Senate vom 6. März 1883 bejaht worden. Das Reichsgericht hielt hieran trotz mehrfacher Angriffe im Schrifttum immer fest; auch jetzt fand es keinen Anlaß, von dieser Aus­ fassung abzugehen. Der geschliffene Schläger ist an sich eine tätliche Waffe; er verliert diese Eigenschaft nicht dadurch, daß Vorkehrungen getroffen werden, die nach, menschlichem Ermessen eine tödliche Verletzung aus­ schließen. Das Strafgesetz bietet auch keinen Anhalt für die Auffassung, daß die bei den studentischen Schläger­ mensuren vorkommenden Körperverletzungen straflos sein sollen; es kann aber unmöglich angenommen werden, daß es diese Körperverletzungen als solche unter Strafe stellen will, während beim Zweikampf eine solche Be­ strafung nur für den Fall einer vorsätzlichen Über­ tretung der Kampfregeln vorgesehen ist. (Bereinigte Strafsenate, 15. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 257—259. Vgl. Bd.. 8 S. 87. 85. Gerichtsassessor. Angestellter Richter. Beisitzer im Schwurgericht. (GBG. 88 62, 83.) Ein Gerichts­ assessor, der mit der Verwaltung einer Amtsrichterstelle betraut war, wurde vom Landgerichtspräsidenten zum Beisitzer des Schwurgerichts bestimmt. Ein unter seiner Mitwirkung gefälltes Urteil wurde aufgehoben. Nach

stimmte Person, sondern der Berbrechensplan war an­ zuzeigen. Eine Pflicht zur Anzeige besteht allerdings nicht für solche Personen, die den verbrecherischen Plan mit verabredet, eine Teilnahme an dem Verbrechen vor­ gehabt haben, auch wenn die eigene Handlung nicht weiter als zu einer Vorbereitung des Verbrechens ge­ diehen ist. Diese Sachlage war aber beim Angeklagten nicht gegeben; es war als erwiesen angesehen worden, daß er zu keiner Zeit entschlossen gewesen war, das Ver­ brechen zu fördern und daß seine Erklärung, er wolle versuchen, Gift zu beschaffen, nicht ernstlich gemeint war. (III, 31. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 254—257. Vgl. Bd. 3 S. 1. 84. Zweikampf. Studentische Schlägermensur. (StGB. 88 201, 207.) Die Frage, ob die studentische Schlägermensur ein Zweikampf im Sinne des Strafge­ setzes sei, war durch Urteil der vereinigten Senate vom 6. März 1883 bejaht worden. Das Reichsgericht hielt hieran trotz mehrfacher Angriffe im Schrifttum immer fest; auch jetzt fand es keinen Anlaß, von dieser Aus­ fassung abzugehen. Der geschliffene Schläger ist an sich eine tätliche Waffe; er verliert diese Eigenschaft nicht dadurch, daß Vorkehrungen getroffen werden, die nach, menschlichem Ermessen eine tödliche Verletzung aus­ schließen. Das Strafgesetz bietet auch keinen Anhalt für die Auffassung, daß die bei den studentischen Schläger­ mensuren vorkommenden Körperverletzungen straflos sein sollen; es kann aber unmöglich angenommen werden, daß es diese Körperverletzungen als solche unter Strafe stellen will, während beim Zweikampf eine solche Be­ strafung nur für den Fall einer vorsätzlichen Über­ tretung der Kampfregeln vorgesehen ist. (Bereinigte Strafsenate, 15. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 257—259. Vgl. Bd.. 8 S. 87. 85. Gerichtsassessor. Angestellter Richter. Beisitzer im Schwurgericht. (GBG. 88 62, 83.) Ein Gerichts­ assessor, der mit der Verwaltung einer Amtsrichterstelle betraut war, wurde vom Landgerichtspräsidenten zum Beisitzer des Schwurgerichts bestimmt. Ein unter seiner Mitwirkung gefälltes Urteil wurde aufgehoben. Nach

stimmte Person, sondern der Berbrechensplan war an­ zuzeigen. Eine Pflicht zur Anzeige besteht allerdings nicht für solche Personen, die den verbrecherischen Plan mit verabredet, eine Teilnahme an dem Verbrechen vor­ gehabt haben, auch wenn die eigene Handlung nicht weiter als zu einer Vorbereitung des Verbrechens ge­ diehen ist. Diese Sachlage war aber beim Angeklagten nicht gegeben; es war als erwiesen angesehen worden, daß er zu keiner Zeit entschlossen gewesen war, das Ver­ brechen zu fördern und daß seine Erklärung, er wolle versuchen, Gift zu beschaffen, nicht ernstlich gemeint war. (III, 31. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 254—257. Vgl. Bd. 3 S. 1. 84. Zweikampf. Studentische Schlägermensur. (StGB. 88 201, 207.) Die Frage, ob die studentische Schlägermensur ein Zweikampf im Sinne des Strafge­ setzes sei, war durch Urteil der vereinigten Senate vom 6. März 1883 bejaht worden. Das Reichsgericht hielt hieran trotz mehrfacher Angriffe im Schrifttum immer fest; auch jetzt fand es keinen Anlaß, von dieser Aus­ fassung abzugehen. Der geschliffene Schläger ist an sich eine tätliche Waffe; er verliert diese Eigenschaft nicht dadurch, daß Vorkehrungen getroffen werden, die nach, menschlichem Ermessen eine tödliche Verletzung aus­ schließen. Das Strafgesetz bietet auch keinen Anhalt für die Auffassung, daß die bei den studentischen Schläger­ mensuren vorkommenden Körperverletzungen straflos sein sollen; es kann aber unmöglich angenommen werden, daß es diese Körperverletzungen als solche unter Strafe stellen will, während beim Zweikampf eine solche Be­ strafung nur für den Fall einer vorsätzlichen Über­ tretung der Kampfregeln vorgesehen ist. (Bereinigte Strafsenate, 15. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 257—259. Vgl. Bd.. 8 S. 87. 85. Gerichtsassessor. Angestellter Richter. Beisitzer im Schwurgericht. (GBG. 88 62, 83.) Ein Gerichts­ assessor, der mit der Verwaltung einer Amtsrichterstelle betraut war, wurde vom Landgerichtspräsidenten zum Beisitzer des Schwurgerichts bestimmt. Ein unter seiner Mitwirkung gefälltes Urteil wurde aufgehoben. Nach

der neuen Fassung des Gerichtsverfassungsgesehes er­ nennt der Präsident des Oberlandesgerichts den Vor­ sitzenden des Schwurgerichts aus der Zahl der Mit­ glieder des Oberlandesgerichts oder der in seinem Be­ zirk angestellten Richter, der Landgerichtspräsident den stellvertretenden Vorsitzenden, die übrigen Mitglieder und ihre Stellvertreter aus der Zahl der Mitglieder des Landgerichts und der in seinem Bezirk angestellten Amtsrichter. Hiernach können Richter des Amtsgerichts auch dann, wenn sie dem Landgericht nicht als Hilfs­ richter beigeordnet sind, zu Beisitzern des Schwurgerichts' und Vertretern der Beisitzer bestimmt werden. Unter an­ gestellten Richtern können aber nur solche verstanden werden, die ständig angestellt sind. Das Gesetz, das dafür gesorgt, daß der Vorsitz in den Strafkammer­ verhandlungen nur von ordentlichen Mitgliedern des Landgerichts, also nur von fest angestellten Richtern geführt wird, wollte unzweifelhaft nicht die Möglich­ keit eröffnen, daß das wichtige Amt des Schwurgerichts­ vorsitzenden einem noch nicht festangestellten und daher in gewissem Sinne den Einflüssen der Justizverwaltung unterworfenen Gerichtsassessor übertragen wird. Dem­ gemäß können auch nur ständig angestellte Amtsrichter zu Beisitzern des Schwurgerichts und zu Vertretern von solchen bestimmt werden. (I, 1. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 259—261. Vgl. Bd. 26 S. 94; Bd. 32 S. 283. 86. Notwehr. Putativnotwehr. Beweggrund. Zweck. (StGB. § 53.) Zwischen einem Ehepaar entstand nachts ein Wortwechsel. Der Mann bedrohte seine Frau mit Umbringen, sprang aus dem Bett und ging auf ihr Bett zu. Sie ergriff einen Revolver und tötete ihren Mann durch zwei Schüsse. Ihre Verurteilung wegen Tot­ schlags wurde aufgehoben. Wenn die Angeklagte einen Angriff ihres Mannes zu erwarten hatte, befand sie sich im Zustand echter Notwehr; wenn sie annahm, daß ein solcher Angriff bevorstehe, war sie im Zustand der Putativnotwehr. Im Falle der echten Notwehr war zu prüfen, ob die Grenzen der erforderlichen Verteidi­ gung überschritten waren. Im Falle der Putativnot­ wehr war zu prüfen, ob bei der irrtümlichen Annahme von Notwehr und bei der Abwehrhandlung ein Ber-

der neuen Fassung des Gerichtsverfassungsgesehes er­ nennt der Präsident des Oberlandesgerichts den Vor­ sitzenden des Schwurgerichts aus der Zahl der Mit­ glieder des Oberlandesgerichts oder der in seinem Be­ zirk angestellten Richter, der Landgerichtspräsident den stellvertretenden Vorsitzenden, die übrigen Mitglieder und ihre Stellvertreter aus der Zahl der Mitglieder des Landgerichts und der in seinem Bezirk angestellten Amtsrichter. Hiernach können Richter des Amtsgerichts auch dann, wenn sie dem Landgericht nicht als Hilfs­ richter beigeordnet sind, zu Beisitzern des Schwurgerichts' und Vertretern der Beisitzer bestimmt werden. Unter an­ gestellten Richtern können aber nur solche verstanden werden, die ständig angestellt sind. Das Gesetz, das dafür gesorgt, daß der Vorsitz in den Strafkammer­ verhandlungen nur von ordentlichen Mitgliedern des Landgerichts, also nur von fest angestellten Richtern geführt wird, wollte unzweifelhaft nicht die Möglich­ keit eröffnen, daß das wichtige Amt des Schwurgerichts­ vorsitzenden einem noch nicht festangestellten und daher in gewissem Sinne den Einflüssen der Justizverwaltung unterworfenen Gerichtsassessor übertragen wird. Dem­ gemäß können auch nur ständig angestellte Amtsrichter zu Beisitzern des Schwurgerichts und zu Vertretern von solchen bestimmt werden. (I, 1. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 259—261. Vgl. Bd. 26 S. 94; Bd. 32 S. 283. 86. Notwehr. Putativnotwehr. Beweggrund. Zweck. (StGB. § 53.) Zwischen einem Ehepaar entstand nachts ein Wortwechsel. Der Mann bedrohte seine Frau mit Umbringen, sprang aus dem Bett und ging auf ihr Bett zu. Sie ergriff einen Revolver und tötete ihren Mann durch zwei Schüsse. Ihre Verurteilung wegen Tot­ schlags wurde aufgehoben. Wenn die Angeklagte einen Angriff ihres Mannes zu erwarten hatte, befand sie sich im Zustand echter Notwehr; wenn sie annahm, daß ein solcher Angriff bevorstehe, war sie im Zustand der Putativnotwehr. Im Falle der echten Notwehr war zu prüfen, ob die Grenzen der erforderlichen Verteidi­ gung überschritten waren. Im Falle der Putativnot­ wehr war zu prüfen, ob bei der irrtümlichen Annahme von Notwehr und bei der Abwehrhandlung ein Ber-

schulden der Angeklagten vorlag. Hatte die Angeklagte die Grenzen der Verteidigung, die sie für erforderlich hielt, bewußt überschritten, so lag eine vorsätzliche Hand­ lung vor. War die Angeklagte infolge eines Irrtums über die Grenze der nach ihrer Meinung erforderlichen Abwehr hinausgegangen, so kam eine fahrlässige Hand­ lung in Frage. Das Schwurgericht hatte festgestellt, daß die Angeklagte schon länger vorhatte, ihren Mann zu töten und daß der Angriff ihr nur eine erwünschte Gelegenheit hierzu bot. Das schloß nicht aus, daß sie zur Zeit der Tat in Notwehr oder Putativnotwehr handelte. Auf den Beweggrund, aus dem sie von ihrem Recht oder ihrem vermeintlichen Recht der Notwehr Ge­ brauch machte, kam es nicht an, ebensowenig auf den Zweck, den sie neben der Verteidigung noch mit ihrer Handlung verfolgte. Für die Annahme einer absichtlichen Herausforderung, bei der möglicherweise eine andere Be­ urteilung stattfinden könnte, war kein Anhalt gegeben. (I, 1. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 261—262.

87. Voruntersuchung. Slaaisanwaltschaftliche Er­ mittelungen. (StPO. 88 170, 184, 188, 192.) Während einer Voruntersuchung wurde eine der Angeklagten durch den Staatsanwalt und einen Polizeibeamten ver­ nommen; das Protokoll wurde am gleichen Tage dem Untersuchungsrichter vorgelegt. Dieses Verfahren ent­ hielt keinen Verstoß gegen das Gesetz. Der Unter­ suchungsrichter hat allerdings die von ihm eröffnete Voruntersuchung selbständig zu führen; das schließt aber nicht aus, daß daneben die Staatsanwaltschaft die von ihr für erforderlich erachteten eigenen Ermittelungen an­ stellt, woferne diese nicht in die Tätigkeit des Unter­ suchungsrichters störend eingreifen. Ein unzulässiger Ein­ griff lag hier um so weniger vor, als die Vernehmung im Einverständnis mit dem Untersuchungsrichter erfolgte. Der Angeklagten wurde das Protokoll vorgehalten, so daß sie Gelegenheit erhielt, sich auch gegenüber dem Untersuchungsrichter darüber zu äußern. (II, 3. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 263. 88. Leistungswucher. Kreditwucher. (PreisTrBO. 1923 8 4.) Der Inhaber eines Pfandleihgeschäfts ge­ währte Darlehen an Privatpersonen gegen hohe Zinsen. Er wurde wegen Leistungswucher verurteilt; seine Revi-

schulden der Angeklagten vorlag. Hatte die Angeklagte die Grenzen der Verteidigung, die sie für erforderlich hielt, bewußt überschritten, so lag eine vorsätzliche Hand­ lung vor. War die Angeklagte infolge eines Irrtums über die Grenze der nach ihrer Meinung erforderlichen Abwehr hinausgegangen, so kam eine fahrlässige Hand­ lung in Frage. Das Schwurgericht hatte festgestellt, daß die Angeklagte schon länger vorhatte, ihren Mann zu töten und daß der Angriff ihr nur eine erwünschte Gelegenheit hierzu bot. Das schloß nicht aus, daß sie zur Zeit der Tat in Notwehr oder Putativnotwehr handelte. Auf den Beweggrund, aus dem sie von ihrem Recht oder ihrem vermeintlichen Recht der Notwehr Ge­ brauch machte, kam es nicht an, ebensowenig auf den Zweck, den sie neben der Verteidigung noch mit ihrer Handlung verfolgte. Für die Annahme einer absichtlichen Herausforderung, bei der möglicherweise eine andere Be­ urteilung stattfinden könnte, war kein Anhalt gegeben. (I, 1. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 261—262.

87. Voruntersuchung. Slaaisanwaltschaftliche Er­ mittelungen. (StPO. 88 170, 184, 188, 192.) Während einer Voruntersuchung wurde eine der Angeklagten durch den Staatsanwalt und einen Polizeibeamten ver­ nommen; das Protokoll wurde am gleichen Tage dem Untersuchungsrichter vorgelegt. Dieses Verfahren ent­ hielt keinen Verstoß gegen das Gesetz. Der Unter­ suchungsrichter hat allerdings die von ihm eröffnete Voruntersuchung selbständig zu führen; das schließt aber nicht aus, daß daneben die Staatsanwaltschaft die von ihr für erforderlich erachteten eigenen Ermittelungen an­ stellt, woferne diese nicht in die Tätigkeit des Unter­ suchungsrichters störend eingreifen. Ein unzulässiger Ein­ griff lag hier um so weniger vor, als die Vernehmung im Einverständnis mit dem Untersuchungsrichter erfolgte. Der Angeklagten wurde das Protokoll vorgehalten, so daß sie Gelegenheit erhielt, sich auch gegenüber dem Untersuchungsrichter darüber zu äußern. (II, 3. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 263. 88. Leistungswucher. Kreditwucher. (PreisTrBO. 1923 8 4.) Der Inhaber eines Pfandleihgeschäfts ge­ währte Darlehen an Privatpersonen gegen hohe Zinsen. Er wurde wegen Leistungswucher verurteilt; seine Revi-

schulden der Angeklagten vorlag. Hatte die Angeklagte die Grenzen der Verteidigung, die sie für erforderlich hielt, bewußt überschritten, so lag eine vorsätzliche Hand­ lung vor. War die Angeklagte infolge eines Irrtums über die Grenze der nach ihrer Meinung erforderlichen Abwehr hinausgegangen, so kam eine fahrlässige Hand­ lung in Frage. Das Schwurgericht hatte festgestellt, daß die Angeklagte schon länger vorhatte, ihren Mann zu töten und daß der Angriff ihr nur eine erwünschte Gelegenheit hierzu bot. Das schloß nicht aus, daß sie zur Zeit der Tat in Notwehr oder Putativnotwehr handelte. Auf den Beweggrund, aus dem sie von ihrem Recht oder ihrem vermeintlichen Recht der Notwehr Ge­ brauch machte, kam es nicht an, ebensowenig auf den Zweck, den sie neben der Verteidigung noch mit ihrer Handlung verfolgte. Für die Annahme einer absichtlichen Herausforderung, bei der möglicherweise eine andere Be­ urteilung stattfinden könnte, war kein Anhalt gegeben. (I, 1. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 261—262.

87. Voruntersuchung. Slaaisanwaltschaftliche Er­ mittelungen. (StPO. 88 170, 184, 188, 192.) Während einer Voruntersuchung wurde eine der Angeklagten durch den Staatsanwalt und einen Polizeibeamten ver­ nommen; das Protokoll wurde am gleichen Tage dem Untersuchungsrichter vorgelegt. Dieses Verfahren ent­ hielt keinen Verstoß gegen das Gesetz. Der Unter­ suchungsrichter hat allerdings die von ihm eröffnete Voruntersuchung selbständig zu führen; das schließt aber nicht aus, daß daneben die Staatsanwaltschaft die von ihr für erforderlich erachteten eigenen Ermittelungen an­ stellt, woferne diese nicht in die Tätigkeit des Unter­ suchungsrichters störend eingreifen. Ein unzulässiger Ein­ griff lag hier um so weniger vor, als die Vernehmung im Einverständnis mit dem Untersuchungsrichter erfolgte. Der Angeklagten wurde das Protokoll vorgehalten, so daß sie Gelegenheit erhielt, sich auch gegenüber dem Untersuchungsrichter darüber zu äußern. (II, 3. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 263. 88. Leistungswucher. Kreditwucher. (PreisTrBO. 1923 8 4.) Der Inhaber eines Pfandleihgeschäfts ge­ währte Darlehen an Privatpersonen gegen hohe Zinsen. Er wurde wegen Leistungswucher verurteilt; seine Revi-

sion wurde verworfen. Die vom Angeklagten gewährten Darlehen hatten nach den Feststellungen des angefoch­ tenen Urteils! die Befriedigung notwendiger Lebens­ bedürfnisse zum Zweck. Lag für die Gewährung von Kredit durch Pfandleihgeschäfte in der in Betracht kom­ menden Zeit in weiteren Kreisen der Bevölkerung täg­ lich ein Bedürfnis vor, so waren die Tatbestandsmerk­ male des Leistungswuchers gegeben, wenn die verlangte Vergütung einen übermäßigen Gewinn darstellte. (III, 3. Juni 1920.) Amtl. Sammlg. S. 264. Vgl. Bd. 58 S. 321; Bd. 60 S. 216.

89. Schwerer Totschlag. Unternehmung einer straf­ baren Handlung. (StGB. § 214.) Zwei Einbruchdiebe wurden von einem Wächter entdeckt, verfolgt und fest­ genommen; unterwegs schoß einer von ihnen den Wäch­ ter nieder und entfloh. Seine Verurteilung wegen schwe­ ren Totschlags wurde bestätigt. Die Revision hatte be­ stritten, daß die Tat bei Unternehmung einer strafbaren Handlung begangen worden sei, da das Diebstahlsunter­ nehmen mit der Ergreifung des Täters seinen Abschluß gefunden habe. Das Reichsgericht bezeichnete diese An­ sicht als fehlgehend. Der Begriff der Unternehmung umfaßte auch das Verhalten der Diebe, durch das sie im Anschluß an ihre Tat ihre Beute oder sich selbst in Sicherheit zu bringen suchten. Von einer erfolgreich durchgeführten Ergreifung konnte solange keine Rede sein, als die Festhaltung der Täter nicht gesichert war; bis dahin, insbesondere auf dem Weg zum Gefängnis, war immer noch die Möglichkeit gegeben, sich der Er­ greifung zu entziehen. (III, 3. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 265—266. Vgl. Bd. 58 S. 154. 226; Bd. 60 S. 67. 90. Schußwaffe. (RBO. vom 13. Januar 1919 über Waffenbesitz.) Wegen Nichtablieferung eines Flobertgewehrs war Verurteilung erfolgt; das Reichsgericht bestätigte sie. Die Verordnung über Waffenbesitz versteht unter Schußwaffen auch solche mit geringer Durch­ schlagskraft. Sie wurde bald nach dem Umsturz er­ lassen; allgemein wurde damals mit einer Fortsetzung der blutigen Unruhen oder mit einem Wiederaufleben gerechnet. Bei Straßenkämpfen kann jede, auch eine weniger weittragende Schußwaffe Verwendung finden,

sion wurde verworfen. Die vom Angeklagten gewährten Darlehen hatten nach den Feststellungen des angefoch­ tenen Urteils! die Befriedigung notwendiger Lebens­ bedürfnisse zum Zweck. Lag für die Gewährung von Kredit durch Pfandleihgeschäfte in der in Betracht kom­ menden Zeit in weiteren Kreisen der Bevölkerung täg­ lich ein Bedürfnis vor, so waren die Tatbestandsmerk­ male des Leistungswuchers gegeben, wenn die verlangte Vergütung einen übermäßigen Gewinn darstellte. (III, 3. Juni 1920.) Amtl. Sammlg. S. 264. Vgl. Bd. 58 S. 321; Bd. 60 S. 216.

89. Schwerer Totschlag. Unternehmung einer straf­ baren Handlung. (StGB. § 214.) Zwei Einbruchdiebe wurden von einem Wächter entdeckt, verfolgt und fest­ genommen; unterwegs schoß einer von ihnen den Wäch­ ter nieder und entfloh. Seine Verurteilung wegen schwe­ ren Totschlags wurde bestätigt. Die Revision hatte be­ stritten, daß die Tat bei Unternehmung einer strafbaren Handlung begangen worden sei, da das Diebstahlsunter­ nehmen mit der Ergreifung des Täters seinen Abschluß gefunden habe. Das Reichsgericht bezeichnete diese An­ sicht als fehlgehend. Der Begriff der Unternehmung umfaßte auch das Verhalten der Diebe, durch das sie im Anschluß an ihre Tat ihre Beute oder sich selbst in Sicherheit zu bringen suchten. Von einer erfolgreich durchgeführten Ergreifung konnte solange keine Rede sein, als die Festhaltung der Täter nicht gesichert war; bis dahin, insbesondere auf dem Weg zum Gefängnis, war immer noch die Möglichkeit gegeben, sich der Er­ greifung zu entziehen. (III, 3. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 265—266. Vgl. Bd. 58 S. 154. 226; Bd. 60 S. 67. 90. Schußwaffe. (RBO. vom 13. Januar 1919 über Waffenbesitz.) Wegen Nichtablieferung eines Flobertgewehrs war Verurteilung erfolgt; das Reichsgericht bestätigte sie. Die Verordnung über Waffenbesitz versteht unter Schußwaffen auch solche mit geringer Durch­ schlagskraft. Sie wurde bald nach dem Umsturz er­ lassen; allgemein wurde damals mit einer Fortsetzung der blutigen Unruhen oder mit einem Wiederaufleben gerechnet. Bei Straßenkämpfen kann jede, auch eine weniger weittragende Schußwaffe Verwendung finden,

sion wurde verworfen. Die vom Angeklagten gewährten Darlehen hatten nach den Feststellungen des angefoch­ tenen Urteils! die Befriedigung notwendiger Lebens­ bedürfnisse zum Zweck. Lag für die Gewährung von Kredit durch Pfandleihgeschäfte in der in Betracht kom­ menden Zeit in weiteren Kreisen der Bevölkerung täg­ lich ein Bedürfnis vor, so waren die Tatbestandsmerk­ male des Leistungswuchers gegeben, wenn die verlangte Vergütung einen übermäßigen Gewinn darstellte. (III, 3. Juni 1920.) Amtl. Sammlg. S. 264. Vgl. Bd. 58 S. 321; Bd. 60 S. 216.

89. Schwerer Totschlag. Unternehmung einer straf­ baren Handlung. (StGB. § 214.) Zwei Einbruchdiebe wurden von einem Wächter entdeckt, verfolgt und fest­ genommen; unterwegs schoß einer von ihnen den Wäch­ ter nieder und entfloh. Seine Verurteilung wegen schwe­ ren Totschlags wurde bestätigt. Die Revision hatte be­ stritten, daß die Tat bei Unternehmung einer strafbaren Handlung begangen worden sei, da das Diebstahlsunter­ nehmen mit der Ergreifung des Täters seinen Abschluß gefunden habe. Das Reichsgericht bezeichnete diese An­ sicht als fehlgehend. Der Begriff der Unternehmung umfaßte auch das Verhalten der Diebe, durch das sie im Anschluß an ihre Tat ihre Beute oder sich selbst in Sicherheit zu bringen suchten. Von einer erfolgreich durchgeführten Ergreifung konnte solange keine Rede sein, als die Festhaltung der Täter nicht gesichert war; bis dahin, insbesondere auf dem Weg zum Gefängnis, war immer noch die Möglichkeit gegeben, sich der Er­ greifung zu entziehen. (III, 3. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 265—266. Vgl. Bd. 58 S. 154. 226; Bd. 60 S. 67. 90. Schußwaffe. (RBO. vom 13. Januar 1919 über Waffenbesitz.) Wegen Nichtablieferung eines Flobertgewehrs war Verurteilung erfolgt; das Reichsgericht bestätigte sie. Die Verordnung über Waffenbesitz versteht unter Schußwaffen auch solche mit geringer Durch­ schlagskraft. Sie wurde bald nach dem Umsturz er­ lassen; allgemein wurde damals mit einer Fortsetzung der blutigen Unruhen oder mit einem Wiederaufleben gerechnet. Bei Straßenkämpfen kann jede, auch eine weniger weittragende Schußwaffe Verwendung finden,

ja schon der Besitz einer solchen zum mindesten den Mut zur Entfachung von Unruhen und zur Beteiligung an ihnen geben, auch wenn das aus Überschätzung des Wer­ tes solcher Schußwaffen beruht. Aus diesem Grunde sind auch schon Scheintodpistolen als Schußwaffen aner­ kannt worden. Für eine Einschränkung des Begriffs auf Waffen, die für den Krieg brauchbar sind, besteht keine Grundlage. (I, 4. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 266—269. Vgl. Bd. 59 S. 359. 91. Leistungswucher. Risikoprämie. (PreistrVO. 1923 § 4.) Die besonders hohe Berlustgefahr muß bei der Berechnung des zulässigen Maßes der Vergütung für die Gewährung von Darlehen außer Betracht bleiben, wenn die Darlehensgewährung an den Schuldner wegen dessen schlechter Vermögenslage gemeinwirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist. (I, 4. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 269. Vgl. Bd. 59 S. 363; Bd. 60 S. 130. 92. Unfertiges Sitzungsprotokoll. (StPO. § 274.) In einem Fall, in dem die Verkündung des Urteils ausgesetzt worden war, legte der Gerichtsschreiber den Entwurf des Protokolls, der auch die Urteilssormel ent­ hielt, vor der Verkündung dem Vorsitzenden vor; dieser unterzeichnete den Entwurf, um das Urteil verkünden zu können, ordnete aber nachher eine Änderung des Protokolls an und unterzeichnete auch das zweite Pro­ tokoll. Versehentlich wurde auch das erste Protokoll in die Akten eingeheftet. Das war bedeutungslos. Maß­ gebend ist nur das Protokoll, das von beiden Urkundspersonen als richtig und ordnungsmäßig erkannt und demgemäß vollzogen ist. Das traf nur auf das zweite Protokoll zu. Daß das Urteil aus dem ersten ver­ lesen worden war, machte nichts aus. Die Urteilsformel muß vor der Verkündung nicht protokolliert und aus dem Protokoll verlesen werden; es genügt, wenn sie niedergeschrieben ist. (II, 7. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 270—271. 93. Diebstahl. Unterschlagung. Gewahrsam. (StGB. §§ 242, 246; BGB. §§ 855 ff.) Der Leiter der Zweig­ niederlassung einer Fabrik, die einer Aktiengesellschaft gehörte,, veräußerte aus den Lagerbeständen Waren zu

ja schon der Besitz einer solchen zum mindesten den Mut zur Entfachung von Unruhen und zur Beteiligung an ihnen geben, auch wenn das aus Überschätzung des Wer­ tes solcher Schußwaffen beruht. Aus diesem Grunde sind auch schon Scheintodpistolen als Schußwaffen aner­ kannt worden. Für eine Einschränkung des Begriffs auf Waffen, die für den Krieg brauchbar sind, besteht keine Grundlage. (I, 4. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 266—269. Vgl. Bd. 59 S. 359. 91. Leistungswucher. Risikoprämie. (PreistrVO. 1923 § 4.) Die besonders hohe Berlustgefahr muß bei der Berechnung des zulässigen Maßes der Vergütung für die Gewährung von Darlehen außer Betracht bleiben, wenn die Darlehensgewährung an den Schuldner wegen dessen schlechter Vermögenslage gemeinwirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist. (I, 4. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 269. Vgl. Bd. 59 S. 363; Bd. 60 S. 130. 92. Unfertiges Sitzungsprotokoll. (StPO. § 274.) In einem Fall, in dem die Verkündung des Urteils ausgesetzt worden war, legte der Gerichtsschreiber den Entwurf des Protokolls, der auch die Urteilssormel ent­ hielt, vor der Verkündung dem Vorsitzenden vor; dieser unterzeichnete den Entwurf, um das Urteil verkünden zu können, ordnete aber nachher eine Änderung des Protokolls an und unterzeichnete auch das zweite Pro­ tokoll. Versehentlich wurde auch das erste Protokoll in die Akten eingeheftet. Das war bedeutungslos. Maß­ gebend ist nur das Protokoll, das von beiden Urkundspersonen als richtig und ordnungsmäßig erkannt und demgemäß vollzogen ist. Das traf nur auf das zweite Protokoll zu. Daß das Urteil aus dem ersten ver­ lesen worden war, machte nichts aus. Die Urteilsformel muß vor der Verkündung nicht protokolliert und aus dem Protokoll verlesen werden; es genügt, wenn sie niedergeschrieben ist. (II, 7. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 270—271. 93. Diebstahl. Unterschlagung. Gewahrsam. (StGB. §§ 242, 246; BGB. §§ 855 ff.) Der Leiter der Zweig­ niederlassung einer Fabrik, die einer Aktiengesellschaft gehörte,, veräußerte aus den Lagerbeständen Waren zu

ja schon der Besitz einer solchen zum mindesten den Mut zur Entfachung von Unruhen und zur Beteiligung an ihnen geben, auch wenn das aus Überschätzung des Wer­ tes solcher Schußwaffen beruht. Aus diesem Grunde sind auch schon Scheintodpistolen als Schußwaffen aner­ kannt worden. Für eine Einschränkung des Begriffs auf Waffen, die für den Krieg brauchbar sind, besteht keine Grundlage. (I, 4. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 266—269. Vgl. Bd. 59 S. 359. 91. Leistungswucher. Risikoprämie. (PreistrVO. 1923 § 4.) Die besonders hohe Berlustgefahr muß bei der Berechnung des zulässigen Maßes der Vergütung für die Gewährung von Darlehen außer Betracht bleiben, wenn die Darlehensgewährung an den Schuldner wegen dessen schlechter Vermögenslage gemeinwirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist. (I, 4. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 269. Vgl. Bd. 59 S. 363; Bd. 60 S. 130. 92. Unfertiges Sitzungsprotokoll. (StPO. § 274.) In einem Fall, in dem die Verkündung des Urteils ausgesetzt worden war, legte der Gerichtsschreiber den Entwurf des Protokolls, der auch die Urteilssormel ent­ hielt, vor der Verkündung dem Vorsitzenden vor; dieser unterzeichnete den Entwurf, um das Urteil verkünden zu können, ordnete aber nachher eine Änderung des Protokolls an und unterzeichnete auch das zweite Pro­ tokoll. Versehentlich wurde auch das erste Protokoll in die Akten eingeheftet. Das war bedeutungslos. Maß­ gebend ist nur das Protokoll, das von beiden Urkundspersonen als richtig und ordnungsmäßig erkannt und demgemäß vollzogen ist. Das traf nur auf das zweite Protokoll zu. Daß das Urteil aus dem ersten ver­ lesen worden war, machte nichts aus. Die Urteilsformel muß vor der Verkündung nicht protokolliert und aus dem Protokoll verlesen werden; es genügt, wenn sie niedergeschrieben ist. (II, 7. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 270—271. 93. Diebstahl. Unterschlagung. Gewahrsam. (StGB. §§ 242, 246; BGB. §§ 855 ff.) Der Leiter der Zweig­ niederlassung einer Fabrik, die einer Aktiengesellschaft gehörte,, veräußerte aus den Lagerbeständen Waren zu

ja schon der Besitz einer solchen zum mindesten den Mut zur Entfachung von Unruhen und zur Beteiligung an ihnen geben, auch wenn das aus Überschätzung des Wer­ tes solcher Schußwaffen beruht. Aus diesem Grunde sind auch schon Scheintodpistolen als Schußwaffen aner­ kannt worden. Für eine Einschränkung des Begriffs auf Waffen, die für den Krieg brauchbar sind, besteht keine Grundlage. (I, 4. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 266—269. Vgl. Bd. 59 S. 359. 91. Leistungswucher. Risikoprämie. (PreistrVO. 1923 § 4.) Die besonders hohe Berlustgefahr muß bei der Berechnung des zulässigen Maßes der Vergütung für die Gewährung von Darlehen außer Betracht bleiben, wenn die Darlehensgewährung an den Schuldner wegen dessen schlechter Vermögenslage gemeinwirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist. (I, 4. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 269. Vgl. Bd. 59 S. 363; Bd. 60 S. 130. 92. Unfertiges Sitzungsprotokoll. (StPO. § 274.) In einem Fall, in dem die Verkündung des Urteils ausgesetzt worden war, legte der Gerichtsschreiber den Entwurf des Protokolls, der auch die Urteilssormel ent­ hielt, vor der Verkündung dem Vorsitzenden vor; dieser unterzeichnete den Entwurf, um das Urteil verkünden zu können, ordnete aber nachher eine Änderung des Protokolls an und unterzeichnete auch das zweite Pro­ tokoll. Versehentlich wurde auch das erste Protokoll in die Akten eingeheftet. Das war bedeutungslos. Maß­ gebend ist nur das Protokoll, das von beiden Urkundspersonen als richtig und ordnungsmäßig erkannt und demgemäß vollzogen ist. Das traf nur auf das zweite Protokoll zu. Daß das Urteil aus dem ersten ver­ lesen worden war, machte nichts aus. Die Urteilsformel muß vor der Verkündung nicht protokolliert und aus dem Protokoll verlesen werden; es genügt, wenn sie niedergeschrieben ist. (II, 7. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 270—271. 93. Diebstahl. Unterschlagung. Gewahrsam. (StGB. §§ 242, 246; BGB. §§ 855 ff.) Der Leiter der Zweig­ niederlassung einer Fabrik, die einer Aktiengesellschaft gehörte,, veräußerte aus den Lagerbeständen Waren zu

seinem eigenen Nutzen und ließ sie dem Käufer aus­ händigen. Er wurde wegen Diebstahls verurteilt. Seine Revision hatte Erfolg. Eine juristische Person kann nicht unmittelbaren Gewahrsam in Sinne des Strafrechts haben; er wird durch ihren gesetzlichen Vertreter für sie ausgeübt. Im vorliegenden Fall waren die gesetz­ lichen Vertreter nicht an dem Orte wohnhaft, an dem die Fabrik sich befand, sondern am Sih der Haupt­ niederlassung. Als tatsächliches Herrschaftsverhältnis, für das die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über den Besitz nicht maßgebend sind, wirb der Gewahrsam allerdings noch nicht durch jede räumliche Entfernung aufgehoben; er kann auch durch Gehilfen ausgeübt wer­ den, die nach Weisung über die Sache verfügen. Vor­ ausgesetzt ist aber, daß der Verwirklichung des Herr­ schaftswillens zur unmittelbaren Einwirkung keine Hin­ dernisse entgegenstehen. Nach den Feststellungen des Be­ rufungsgerichts war mit der Möglichkeit zu rechnen, daß der Angeklagte, sei es allein, sei es in Gemeinschaft mit anderen Angestellten, die tatsächliche Herrschaft über die in der Fabrik aufbewahrten Sachen für die Aktien­ gesellschaft ausübte, und daß die Annahme des Be­ rufungsgerichts, die Aktiengesellschaft habe über die ver­ äußerten Waren den Gewahrsam durch die Hauptnieder­ lassung ausgeübt, irrig war. Wenn das zutraf, kam Unterschlagung in Frage. (II, 7. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 271—272. Vgl. Bd. 37 S. 198; Bd. 45 S. 249; Bd. 53 S. 162. 94. Eingehegter Wald. Jagdvergehen. Diebstahl. Raub. Räuberische Erpressung. Widerstand. Begünsti­ gung. Irrtum. (StGB. §§ 53, 59, 117, 242, 249, 251, 253, 255, 257, 292; BGB. §§ 227, 858, 953.) In einem vollständig eingehegten Wald suchten zwei Männer nach Hirschgeweihen. Einer von ihnen fand ein solches. Während er auf seinen Gefährten wartete, wurde er von einem Waldarbeiter, der von dem Förster mit der Aufsicht über den Wald betraut war, zu Rede gestellt; dieser nahm das Geweih an sich und forderte ihn auf, mit zum Förster zu kommen. Er weigerte sich, er­ klärte, mit zwölf Mann im Walde zu sein und rief seinem Gefährten. Der Waldarbeiter zog seinen Re­ volver, ergriff aber dann unter Mitnahme des Geweihes

seinem eigenen Nutzen und ließ sie dem Käufer aus­ händigen. Er wurde wegen Diebstahls verurteilt. Seine Revision hatte Erfolg. Eine juristische Person kann nicht unmittelbaren Gewahrsam in Sinne des Strafrechts haben; er wird durch ihren gesetzlichen Vertreter für sie ausgeübt. Im vorliegenden Fall waren die gesetz­ lichen Vertreter nicht an dem Orte wohnhaft, an dem die Fabrik sich befand, sondern am Sih der Haupt­ niederlassung. Als tatsächliches Herrschaftsverhältnis, für das die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts über den Besitz nicht maßgebend sind, wirb der Gewahrsam allerdings noch nicht durch jede räumliche Entfernung aufgehoben; er kann auch durch Gehilfen ausgeübt wer­ den, die nach Weisung über die Sache verfügen. Vor­ ausgesetzt ist aber, daß der Verwirklichung des Herr­ schaftswillens zur unmittelbaren Einwirkung keine Hin­ dernisse entgegenstehen. Nach den Feststellungen des Be­ rufungsgerichts war mit der Möglichkeit zu rechnen, daß der Angeklagte, sei es allein, sei es in Gemeinschaft mit anderen Angestellten, die tatsächliche Herrschaft über die in der Fabrik aufbewahrten Sachen für die Aktien­ gesellschaft ausübte, und daß die Annahme des Be­ rufungsgerichts, die Aktiengesellschaft habe über die ver­ äußerten Waren den Gewahrsam durch die Hauptnieder­ lassung ausgeübt, irrig war. Wenn das zutraf, kam Unterschlagung in Frage. (II, 7. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 271—272. Vgl. Bd. 37 S. 198; Bd. 45 S. 249; Bd. 53 S. 162. 94. Eingehegter Wald. Jagdvergehen. Diebstahl. Raub. Räuberische Erpressung. Widerstand. Begünsti­ gung. Irrtum. (StGB. §§ 53, 59, 117, 242, 249, 251, 253, 255, 257, 292; BGB. §§ 227, 858, 953.) In einem vollständig eingehegten Wald suchten zwei Männer nach Hirschgeweihen. Einer von ihnen fand ein solches. Während er auf seinen Gefährten wartete, wurde er von einem Waldarbeiter, der von dem Förster mit der Aufsicht über den Wald betraut war, zu Rede gestellt; dieser nahm das Geweih an sich und forderte ihn auf, mit zum Förster zu kommen. Er weigerte sich, er­ klärte, mit zwölf Mann im Walde zu sein und rief seinem Gefährten. Der Waldarbeiter zog seinen Re­ volver, ergriff aber dann unter Mitnahme des Geweihes

die Flucht. Die beiden Männer verfolgten ihn; der erste von ihnen schlug ihn, bis er den Revolver ab gab und entriß ihm das Geweih. Der eine von ihnen wurde wegen Diebstahls und wegen Forstwiderstand in Tat­ einheit mit gefährlicher Körperverletzung, der zweite wegen Begünstigung verurteilt. Ihre Revisionen hatten teilweisen Erfolg. Der äußere und innere Tatbestand des Diebstahls war ausreichend nachgewiesen. Die Ein­ hegung des Waldes reichte hin, die Gefangenschaft des Wildstandes, jedenfalls der Hirsche, zu sichern. Der Eigentümer der umschlossenen Fläche, der preußische Fis­ kus, hatte auf diese Weise die eingehegten Hirsche seinem Herrschaftswillen unterworfen. Daran wurde auch durch den Umstand nichts geändert, Laß Besucher des Parkes die Möglichkeit hatten, die Tore offen zu lassen und daß wegen der Größe des Parkes und der dem Wild ge­ lassenen Bewegungsfreiheit die Erfassung der einzelnen Tiere in der Form der Jagd erfolgte. Nach den Vor­ schriften des bürgerlichen Rechts über den Fruchter­ werb stand dem Fiskus auch das Eigentum an den ab ge­ worfenen Hirschstangen zu. Dagegen konnte die Verur­ teilung wegen Forstwiderstands nicht aufrechterhalten werden, weil der Waldarbeiter kein Forstschutzbeamter war. Die Anstellung der den Oberförstern Nachgeord­ neten Forstschutzbeamten kommt in Preußen der Regie­ rung zu; der Förster konnte nicht einen Waldarbeiter als Aufseher mit der Wirkung bestellen, daß dieser die Eigenschaft eines Forstschutzbeamten erlangte. Der Wald­ arbeiter handelte allerdings nach den Vorschriften über Notwehr nicht widerrechtlich, wenn er den Angriff gegen das Eigentum des Fiskus, der in der Wegnahme und Fortschaffung des Hirschgeweihes lag, abzuwenden suchte und der Angeklagte war zur Gegenwehr nicht berechtigt. Das Entreißen des Geweihes konnte hiernach den Tat­ bestand des Raubes oder der räuberischen Erpressung­ erfüllen, wenn der Angeklagte sich bewußt war, daß das Hirschgeweih im Eigentum des Fiskus stand, die Wegnahme sich also als Diebstahl darstellte und daß, nachdem der Waldarbeiter es ihm genommen hatte, die gewaltsame Entreißung oder Abnötigung gleichfalls rechtswidrig war. Hinsichtlich des zweiten Angellagten hatte das Berufungsgericht angenommen, daß er zwar

die Rechtswidrigkeit der Aneignung der Hirschstangen durch seinen Gefährten kannte, daß er aber den Wald­ arbeiter für einen Straßenräuber hielt und des Glau­ bens war, seinem Gefährten zur Wiedererlangung des Geweihes helfen zu dürfen. Demgemäß war mit Recht der Tatbestand der Nötigung nicht für gegeben er­ achtet worden. Zwar beruhte der durch Diebstahl ererlangte Besitz auf verbotener Eigenmacht und war daher im Sinne des bürgerlichen Rechts fehlerhaft; diese Feh­ lerhaftigkeit hatte aber nur die Bedeutung, daß der rechtmäßige Besitzer und dessen Vertreter zur Abwehr der verbotenen Eigenmacht und zur gewaltsamen Ent­ setzung des auf frischer Tat betroffenen und verfolgten Täters berechtigt war, nicht aber, daß auch dritte Per­ sonen, denen nicht zufolge Amtsbefugnis oder nach den Vorschriften über Notwehr eine besondere Befugnis zu­ kam, in dieser Weife vorgehen durften. Wer in einem solchen Fall dem Dieb bei der Abwehr eines gegen seinen Besitz gerichteten Angriffs beisteht, kann in der Regel auch nicht wegen Begünstigung bestraft werden. Hiefür ist eine Handlung vorausgesetzt, durch die verhindert wird, daß dem Täter die Vorteile des Verbrechens oder Vergehens zugunsten des Verletzten entzogen werden, sei es, daß die Entziehung von Seite des Verletzten, seines Stellvertreters oder eines Geschäftsführers ohne Auftrag oder von Seite der Obrigkeit droht. Eine Handlung, die nur der Erhaltung der durch die Bortat erlangten Sachen gegenüber Naturgewalten oder rechts­ widrigen Angriffen dient, genügt nicht. Als eine solche bloß der Erhaltung dienende Handlung stellt sich auch der Beistand dar, der einem Dieb gegenüber einem Räuber zum Zweck der Abwehr der Besitzentziehung oder der Wiedererlangung des Besitzes geleistet wird. Nur dann könnte eine andere Entscheidung geboten sein, wenn nach der Lage des Einzelfalls anzunehmen wäre, daß die ge­ stohlenen Sachen dem Räuber leichter zugunsten der Be­ rechtigten entzogen werden können als dem ursprüng­ lichen Dieb, und wenn die Beistandsleistung gerade den Zweck hätte, diese Erleichterung zu verhindern. Der Angeklagte hatte irrtümlich eine Sachlage, durch welche die Rechtswidrigkeit seines Handelns ausgeschlossen wurde, für gegeben erachtet; demgemäß kam die Anwen-

düng der Vorschriften über den Irrtum in Betracht. (I 11. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 273-279. Vgl. Bd. 26 S. 119, 218; Bd. 29 S. 310; Bd. 42 S. 75; Bd. 55 S. 82, 167. 95. Militärgericht. Ausschluß der Öffentlichkeit. (GVG. § 173; MStGO. §§ 284, 335, 400.) Vor Eintritt in die Berichterstattung beschloß das Berufungs­ gericht auf Antrag des Vertreters der Anklage und des Verteidigers, die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit während der Dauer der Verhandlung auszuschließen. Die Urteilsformel wurde öffentlich ver­ lesen; sodann wurde durch Anordnung des Vorsitzenden die Öffentlichkeit während der Verkündung der Urteils­ gründe wieder ausgeschlossen. Das führte zur Auf­ hebung des Urteils, über den Ausschluß der Öffentlich­ keit während der Verkündung der Urteilsgründe war mit den Beteiligten nicht verhandelt worden; für eine solche Verhandlung wäre erst nach Schluß der Beweisaufnahme Raum gegeben, weil sie erst auf Grund des Berhandlungsergebnisses beurteilen ließ, ob auch gegen die Ver­ kündung der Urteilsgründe in öffentlicher Sitzung Be­ denken bestanden. Auch wenn, wie nach der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden anzunehmen war, der bei Be­ ginn der Verhandlung verkündete Beschluß dahin lautete, daß die Öffentlichkeit auch für die Dauer der Verkün­ dung der Urteilsgründe ausgeschlossen werde, blieb der Mangel bestehen, daß hierüber nicht verhandelt worden war; die Anträge gingen nur auf Ausschluß der Öffent­ lichkeit für die Dauer der Verhandlung. (III, 17. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 279—281. Vgl. Bd. 20 S. 383; Bd. 35 S. 103; Bd. 43 S. 300; RMG. Bd. 15 S. 197, 289. 96. Strafantrag. Vollmacht. (StPO. § 158.) Für einen Verein wurde Strafantrag wegen Hausfriedens­ bruchs gestellt; der Antrag trug die Unterschrift: In Vollmacht A. S., namens des Sekretariats des genannten Vereins. Die Vollmacht selbst oder eine Abschrift von ihr wurde nicht beigebracht. Das Berufungsgericht erachtete den Strafantrag für ausreichend. Die hier­ gegen gerichtete Revision, die darauf gestützt war, daß die Vollmacht in Urschrift während der Strafantragsfrist hätte zu den Akten gebracht werden müssen, wurde

düng der Vorschriften über den Irrtum in Betracht. (I 11. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 273-279. Vgl. Bd. 26 S. 119, 218; Bd. 29 S. 310; Bd. 42 S. 75; Bd. 55 S. 82, 167. 95. Militärgericht. Ausschluß der Öffentlichkeit. (GVG. § 173; MStGO. §§ 284, 335, 400.) Vor Eintritt in die Berichterstattung beschloß das Berufungs­ gericht auf Antrag des Vertreters der Anklage und des Verteidigers, die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit während der Dauer der Verhandlung auszuschließen. Die Urteilsformel wurde öffentlich ver­ lesen; sodann wurde durch Anordnung des Vorsitzenden die Öffentlichkeit während der Verkündung der Urteils­ gründe wieder ausgeschlossen. Das führte zur Auf­ hebung des Urteils, über den Ausschluß der Öffentlich­ keit während der Verkündung der Urteilsgründe war mit den Beteiligten nicht verhandelt worden; für eine solche Verhandlung wäre erst nach Schluß der Beweisaufnahme Raum gegeben, weil sie erst auf Grund des Berhandlungsergebnisses beurteilen ließ, ob auch gegen die Ver­ kündung der Urteilsgründe in öffentlicher Sitzung Be­ denken bestanden. Auch wenn, wie nach der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden anzunehmen war, der bei Be­ ginn der Verhandlung verkündete Beschluß dahin lautete, daß die Öffentlichkeit auch für die Dauer der Verkün­ dung der Urteilsgründe ausgeschlossen werde, blieb der Mangel bestehen, daß hierüber nicht verhandelt worden war; die Anträge gingen nur auf Ausschluß der Öffent­ lichkeit für die Dauer der Verhandlung. (III, 17. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 279—281. Vgl. Bd. 20 S. 383; Bd. 35 S. 103; Bd. 43 S. 300; RMG. Bd. 15 S. 197, 289. 96. Strafantrag. Vollmacht. (StPO. § 158.) Für einen Verein wurde Strafantrag wegen Hausfriedens­ bruchs gestellt; der Antrag trug die Unterschrift: In Vollmacht A. S., namens des Sekretariats des genannten Vereins. Die Vollmacht selbst oder eine Abschrift von ihr wurde nicht beigebracht. Das Berufungsgericht erachtete den Strafantrag für ausreichend. Die hier­ gegen gerichtete Revision, die darauf gestützt war, daß die Vollmacht in Urschrift während der Strafantragsfrist hätte zu den Akten gebracht werden müssen, wurde

düng der Vorschriften über den Irrtum in Betracht. (I 11. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 273-279. Vgl. Bd. 26 S. 119, 218; Bd. 29 S. 310; Bd. 42 S. 75; Bd. 55 S. 82, 167. 95. Militärgericht. Ausschluß der Öffentlichkeit. (GVG. § 173; MStGO. §§ 284, 335, 400.) Vor Eintritt in die Berichterstattung beschloß das Berufungs­ gericht auf Antrag des Vertreters der Anklage und des Verteidigers, die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Sittlichkeit während der Dauer der Verhandlung auszuschließen. Die Urteilsformel wurde öffentlich ver­ lesen; sodann wurde durch Anordnung des Vorsitzenden die Öffentlichkeit während der Verkündung der Urteils­ gründe wieder ausgeschlossen. Das führte zur Auf­ hebung des Urteils, über den Ausschluß der Öffentlich­ keit während der Verkündung der Urteilsgründe war mit den Beteiligten nicht verhandelt worden; für eine solche Verhandlung wäre erst nach Schluß der Beweisaufnahme Raum gegeben, weil sie erst auf Grund des Berhandlungsergebnisses beurteilen ließ, ob auch gegen die Ver­ kündung der Urteilsgründe in öffentlicher Sitzung Be­ denken bestanden. Auch wenn, wie nach der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden anzunehmen war, der bei Be­ ginn der Verhandlung verkündete Beschluß dahin lautete, daß die Öffentlichkeit auch für die Dauer der Verkün­ dung der Urteilsgründe ausgeschlossen werde, blieb der Mangel bestehen, daß hierüber nicht verhandelt worden war; die Anträge gingen nur auf Ausschluß der Öffent­ lichkeit für die Dauer der Verhandlung. (III, 17. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 279—281. Vgl. Bd. 20 S. 383; Bd. 35 S. 103; Bd. 43 S. 300; RMG. Bd. 15 S. 197, 289. 96. Strafantrag. Vollmacht. (StPO. § 158.) Für einen Verein wurde Strafantrag wegen Hausfriedens­ bruchs gestellt; der Antrag trug die Unterschrift: In Vollmacht A. S., namens des Sekretariats des genannten Vereins. Die Vollmacht selbst oder eine Abschrift von ihr wurde nicht beigebracht. Das Berufungsgericht erachtete den Strafantrag für ausreichend. Die hier­ gegen gerichtete Revision, die darauf gestützt war, daß die Vollmacht in Urschrift während der Strafantragsfrist hätte zu den Akten gebracht werden müssen, wurde

verworfen. Der Form für die Anbringung des Straf­ antrags selbst war genügt; für den Nachweis der Voll­ macht zur Antragstellung sind besondere Formvorschristen nicht gegeben; es finden auch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts hierüber keine Anwendung. Die Be­ vollmächtigung muß freilich, wo sie in Zweifel gezogen wird, dem Gericht nachgewiesen werden, aber sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit keiner Form; selbst eine nur münd­ lich erteilte Generalvollmacht ist ausreichend. Es kommt nur darauf an, daß die Stülung des Antrags dem Willen des Verletzten als Antragsberechtigten entsprochen hat. Deshalb ist es auch ohne Belang, ob diese Über­ einstimmung innerhalb der dem Antragsteller vorgeschrie­ benen Dreimonatsfrist oder erst nach deren Ablauf dem Ge­ richt nachgewiesen wird und noch weniger kann es einen Unterschied machen, ob eine etwa vorhandene schrift­ liche Vollmacht in Urschrift oder in beglaubigter oder einfacher Abschrift vorgelegt wird, da das eine reine Beweisfrage für die tatsächliche Erteilung der Vollmacht ist. Eine Antragstellung auf Grund bloß vermuteter, also nicht wirklich erteilter Vollmacht wäre allerdings abzulehnen. (II, 17. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 281—282. Vgl. Bd. 3 S. 425; Bd. 7 S. 4; Bd. 12 S. 327; Bd. 19 S. 7; Bd. 51 S. 83. 97. Berufung. Nebenklage. Finanzamt. (StPO. 88 391, 426, 427; RAbgO. 88 385, 432, 449.) Gegen einen Strafbescheid des Hauptzollamts wurde Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Hauptzollamt schloß sich dem Nebenkläger an, legte gegen das Urteil des Schöffengerichts Berufung ein, erschien aber in dem zur Verhandlung anberaumten Termin nicht. Die Berufung wurde verworfen, ebenso die Revision des Hauptzollamts. Die Reichsabgabenordnung bestimmt, daß in dem gerichtlichen Verfahren das Hauptzollamt die Rechte eineß Nebenllägers hat; über diese Rechte und über die Behandlung der Nebenllage gibt die Reichsabgaben­ ordnung keine grundlegenden, sondern nur ergänzende Bestimmungen und verweist im übrigen auf die Vor­ schriften der Strafprozeßordnung. Die Reichsabgaben­ ordnung sagt nichts darüber, ob der Nebenttäger sich in der Hauptverhandlung über eine von ihm eingelegte

verworfen. Der Form für die Anbringung des Straf­ antrags selbst war genügt; für den Nachweis der Voll­ macht zur Antragstellung sind besondere Formvorschristen nicht gegeben; es finden auch die Vorschriften des bürgerlichen Rechts hierüber keine Anwendung. Die Be­ vollmächtigung muß freilich, wo sie in Zweifel gezogen wird, dem Gericht nachgewiesen werden, aber sie bedarf zu ihrer Wirksamkeit keiner Form; selbst eine nur münd­ lich erteilte Generalvollmacht ist ausreichend. Es kommt nur darauf an, daß die Stülung des Antrags dem Willen des Verletzten als Antragsberechtigten entsprochen hat. Deshalb ist es auch ohne Belang, ob diese Über­ einstimmung innerhalb der dem Antragsteller vorgeschrie­ benen Dreimonatsfrist oder erst nach deren Ablauf dem Ge­ richt nachgewiesen wird und noch weniger kann es einen Unterschied machen, ob eine etwa vorhandene schrift­ liche Vollmacht in Urschrift oder in beglaubigter oder einfacher Abschrift vorgelegt wird, da das eine reine Beweisfrage für die tatsächliche Erteilung der Vollmacht ist. Eine Antragstellung auf Grund bloß vermuteter, also nicht wirklich erteilter Vollmacht wäre allerdings abzulehnen. (II, 17. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 281—282. Vgl. Bd. 3 S. 425; Bd. 7 S. 4; Bd. 12 S. 327; Bd. 19 S. 7; Bd. 51 S. 83. 97. Berufung. Nebenklage. Finanzamt. (StPO. 88 391, 426, 427; RAbgO. 88 385, 432, 449.) Gegen einen Strafbescheid des Hauptzollamts wurde Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Das Hauptzollamt schloß sich dem Nebenkläger an, legte gegen das Urteil des Schöffengerichts Berufung ein, erschien aber in dem zur Verhandlung anberaumten Termin nicht. Die Berufung wurde verworfen, ebenso die Revision des Hauptzollamts. Die Reichsabgabenordnung bestimmt, daß in dem gerichtlichen Verfahren das Hauptzollamt die Rechte eineß Nebenllägers hat; über diese Rechte und über die Behandlung der Nebenllage gibt die Reichsabgaben­ ordnung keine grundlegenden, sondern nur ergänzende Bestimmungen und verweist im übrigen auf die Vor­ schriften der Strafprozeßordnung. Die Reichsabgaben­ ordnung sagt nichts darüber, ob der Nebenttäger sich in der Hauptverhandlung über eine von ihm eingelegte

Berufung vertreten lassen muß; die Strafprozeßord­ nung läßt aber eine sachliche Entscheidung über die Be­ rufung nur zu, wenn der Berufungsführer in der Hauptverhandlung erschienen oder vertreten oder von der Pflicht zum Erscheinen entbunden ist. Das gilt auch für die selbständige Berufung des Nebenklägers im Sinne der Reichsabgabenordnung. Seine Berufung ist kein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Diese hat zu ihr, wenn darüber zu verhandeln ist, in der Hauptverhand­ lung durch Sachanträge Stellung zu nehmen, weil das Verfahren weiter als auf öffentlicher Klage beruhend anzusehen ist, sie ist aber nicht befugt, statt des Neben­ klägers die Berufung zu vertreten öder gar zurückzu­ nehmen. Zum Betrieb der Berufung muß der Neben­ kläger oder sein Vertreter selbst in der Verhandlung erscheinen; im Falle seines Ausbleibens ist die Berufung ohne sachliche Prüfung sofort zu verwerfen. (II, 17. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 283—285. Vgl. Bd. 41 S. 349. 98. Betrügerischer Bankerott. Meineid. Tateinheit. Eidesunfähigkeit. Nebenstrafe. Strafbemessung. Tilgung von Strafvermerken. (StGB. §§ 73, 153, 161; KO. § 239.) Im Falle einer Verurteilung wegen betrüge­ rischen Bankerotts in Tateinheit mit Meineid ist die Strafe nach der Vorschrift über betrügerischen Bankerott als dem die schwerste Strafe androhenden Strafgesetz zu entnehmen. Das hat zur Folge, daß die Nebenstrafen des milderen Gesetzes ausgeschlossen sind. Als solche Nebenstrafe kam nur der Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte in Betracht. Zulässig war es dagegen, dem Ange­ klagten die Fähigkeit abzuerkennen, als Zeuge oder Sach­ verständiger eidlich vernommen zu werden. Diese Ab­ erkennung ist keine Nebenstrafe, sondern eine polizeiliche Vorbeugungs- oder Sicherheitsmaßregel. Dafür spricht schon, daß sie nicht zeitlich begrenzt ist, sondern dauernd Wirkung hat. Die eidliche Erstattung einer Zeugenaus­ sage oder eines Gutachtens beruht auf einer staats­ bürgerlichen Pflicht, die dauernde Befreiung von dieser Pflicht kann nicht das Wesen einer Strafe haben. Maß­ gebend für die Aufnahme dieser Vorschrift war die Er­ wägung des Gesetzgebers, daß Zeugen oder Sachverstän­ dige, die ihre Eidespflicht wissentlich verletzt haben, im

Berufung vertreten lassen muß; die Strafprozeßord­ nung läßt aber eine sachliche Entscheidung über die Be­ rufung nur zu, wenn der Berufungsführer in der Hauptverhandlung erschienen oder vertreten oder von der Pflicht zum Erscheinen entbunden ist. Das gilt auch für die selbständige Berufung des Nebenklägers im Sinne der Reichsabgabenordnung. Seine Berufung ist kein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Diese hat zu ihr, wenn darüber zu verhandeln ist, in der Hauptverhand­ lung durch Sachanträge Stellung zu nehmen, weil das Verfahren weiter als auf öffentlicher Klage beruhend anzusehen ist, sie ist aber nicht befugt, statt des Neben­ klägers die Berufung zu vertreten öder gar zurückzu­ nehmen. Zum Betrieb der Berufung muß der Neben­ kläger oder sein Vertreter selbst in der Verhandlung erscheinen; im Falle seines Ausbleibens ist die Berufung ohne sachliche Prüfung sofort zu verwerfen. (II, 17. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 283—285. Vgl. Bd. 41 S. 349. 98. Betrügerischer Bankerott. Meineid. Tateinheit. Eidesunfähigkeit. Nebenstrafe. Strafbemessung. Tilgung von Strafvermerken. (StGB. §§ 73, 153, 161; KO. § 239.) Im Falle einer Verurteilung wegen betrüge­ rischen Bankerotts in Tateinheit mit Meineid ist die Strafe nach der Vorschrift über betrügerischen Bankerott als dem die schwerste Strafe androhenden Strafgesetz zu entnehmen. Das hat zur Folge, daß die Nebenstrafen des milderen Gesetzes ausgeschlossen sind. Als solche Nebenstrafe kam nur der Verlust der bürgerlichen Ehren­ rechte in Betracht. Zulässig war es dagegen, dem Ange­ klagten die Fähigkeit abzuerkennen, als Zeuge oder Sach­ verständiger eidlich vernommen zu werden. Diese Ab­ erkennung ist keine Nebenstrafe, sondern eine polizeiliche Vorbeugungs- oder Sicherheitsmaßregel. Dafür spricht schon, daß sie nicht zeitlich begrenzt ist, sondern dauernd Wirkung hat. Die eidliche Erstattung einer Zeugenaus­ sage oder eines Gutachtens beruht auf einer staats­ bürgerlichen Pflicht, die dauernde Befreiung von dieser Pflicht kann nicht das Wesen einer Strafe haben. Maß­ gebend für die Aufnahme dieser Vorschrift war die Er­ wägung des Gesetzgebers, daß Zeugen oder Sachverstän­ dige, die ihre Eidespflicht wissentlich verletzt haben, im

Hinblick auf die dadurch gezeigte Unzuverlässigkeit und Bertrauensunwürdigkeit zur Vermeidung künftiger Schä­ digungen der Rechtspflege zur Leistung eines Eides nicht mehr fähig sein sollen. Bei der Bemessung der Strafe waren auch frühere Strafen des Angeklagten in Be­ tracht gezogen worden, deren Vermerke im Strafregister getilgt waren. Das war zulässig. Im Falle der Tilgung des Strafvermerks gilt die Verurteilung, auf die er sich bezieht, nicht mehr als Bestrafung im Sinne solcher Vorschriften, die für den Fall, daß der Täter schon be­ straft ist, eine schwerere Strafe oder andere Rechtsnach­ teile androhen. Eine allgemeine Vorschrift, die einem schon bestraften Täter für den Fall einer abermaligen Bestrafung schlechthin eine schwerere Strafe oder andere Rechtsnachteile androht besteht nicht; das Schwurgericht hatte den Straferhöhungsgrund nicht einer gesetzlichen Vorschrift entnommen, sondern ihn auf Grund seines richterlichen Ermessens frei verwertet. Hierin lag kein Rechtsirrtum. (I, 18. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 285—288. Vgl. Bd. 4 S. 377; Bd. 5 S. 420; Bd. 6 S. 416; Bd. 13 S. 76; Bd. 56 S. 68. 99. Bemessung der Zuchthausstrafe. (StGB. §§ 19, 157.) Wegen Meineids wurde an sich eine Zuchthaus­ strafe von 1 Jahr für verwirkt erachtet; diese Strafe wurde auf 51/3 Monate Zuchthaus ermäßigt und in eine Gefängnisstrafe von 8 Monaten umgewandelt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. In gewissen Fällen ist die wegen Meineids an sich verwirkte Zuchthausstrafe auf die Hälfte bis ein Viertel zu ermäßigen; es ist also wiederum eine Zuchthausstrafe festzusetzen. Diese darf nur nach vollen Monaten bemessen werden, auch dann, wenn feststeht, daß die ermäßigte Zuchthausstrafe die ge­ setzliche Mindestdauer von einem Jahr nicht erreicht und deshalb in Gefängnisstrafe umzuwandeln ist. Von dieser Vorschrift kann nur dann abgewichen werden, wenn andere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, wie das bei der Bildung einer Gesamtstrafe aus einer Zuchthaus­ strafe und einer Gefängnisstrafe vorkommen kann. (I, 4. Juni 1926. Amtl. Sammlg. S. 289—290. Vgl. Bd. 4 S- 161; Bd. 8 S- 26.

Hinblick auf die dadurch gezeigte Unzuverlässigkeit und Bertrauensunwürdigkeit zur Vermeidung künftiger Schä­ digungen der Rechtspflege zur Leistung eines Eides nicht mehr fähig sein sollen. Bei der Bemessung der Strafe waren auch frühere Strafen des Angeklagten in Be­ tracht gezogen worden, deren Vermerke im Strafregister getilgt waren. Das war zulässig. Im Falle der Tilgung des Strafvermerks gilt die Verurteilung, auf die er sich bezieht, nicht mehr als Bestrafung im Sinne solcher Vorschriften, die für den Fall, daß der Täter schon be­ straft ist, eine schwerere Strafe oder andere Rechtsnach­ teile androhen. Eine allgemeine Vorschrift, die einem schon bestraften Täter für den Fall einer abermaligen Bestrafung schlechthin eine schwerere Strafe oder andere Rechtsnachteile androht besteht nicht; das Schwurgericht hatte den Straferhöhungsgrund nicht einer gesetzlichen Vorschrift entnommen, sondern ihn auf Grund seines richterlichen Ermessens frei verwertet. Hierin lag kein Rechtsirrtum. (I, 18. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 285—288. Vgl. Bd. 4 S. 377; Bd. 5 S. 420; Bd. 6 S. 416; Bd. 13 S. 76; Bd. 56 S. 68. 99. Bemessung der Zuchthausstrafe. (StGB. §§ 19, 157.) Wegen Meineids wurde an sich eine Zuchthaus­ strafe von 1 Jahr für verwirkt erachtet; diese Strafe wurde auf 51/3 Monate Zuchthaus ermäßigt und in eine Gefängnisstrafe von 8 Monaten umgewandelt. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. In gewissen Fällen ist die wegen Meineids an sich verwirkte Zuchthausstrafe auf die Hälfte bis ein Viertel zu ermäßigen; es ist also wiederum eine Zuchthausstrafe festzusetzen. Diese darf nur nach vollen Monaten bemessen werden, auch dann, wenn feststeht, daß die ermäßigte Zuchthausstrafe die ge­ setzliche Mindestdauer von einem Jahr nicht erreicht und deshalb in Gefängnisstrafe umzuwandeln ist. Von dieser Vorschrift kann nur dann abgewichen werden, wenn andere gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, wie das bei der Bildung einer Gesamtstrafe aus einer Zuchthaus­ strafe und einer Gefängnisstrafe vorkommen kann. (I, 4. Juni 1926. Amtl. Sammlg. S. 289—290. Vgl. Bd. 4 S- 161; Bd. 8 S- 26.

100. Auskunftspflicht. Selbstanzeige. (RBO. vom 13. Juli 1932 über Auskunftspflicht § 6.) Der Geschäfts­ führer einer Biehverwertungsgefellschaft gab auf eine Anfrage der Polizeiverwaltung, von wem und zu welchem Preis er Schweine, die er an einen Metzger verkauft hatte, erworben habe, die Erklärung ab, daß er jede Auskunft hierüber ablehne. Das Berufungsgericht er­ achtete es für möglich, daß er die Frage nicht beant­ worten konnte, weil die Schweine von verschiedenen Besitzern zusammengekauft und in einer Bucht zusam­ mengetrieben worden waren, so daß nicht mehr festzu­ stellen war, von wem die verkauften Schweine stamm­ ten; trotzdem bestätigte es die Verurteilung, weil ein Recht, die Auskunft zu verweigern, sich hieraus nicht ergab, es vielmehr Pflicht des Angeklagten gewesen wäre, diesen Sachverhalt darzulegen. Auch die Revision hatte keinen Erfolg. Die Verordnung sieht kein Recht der Verweigerung der Auskunft für den Fall vor, daß die Erteilung der Auskunft die Gefahr einer strafgericht­ lichen Verurteilung nach sich zieht. Allerdings geht die Strafprozeßordnung von dem Grundsatz aus, daß nie­ mand gezwungen werden kann, sich selbst einer strafbaren Handlung zu bezichtigen. Deshalb ist der Beschuldigte zu fragen, ob er auf die Beschuldigung etwas erwidern will, und kann der Zeuge die Antwort auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm selbst die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung zuziehen würde. Dieser Grundsatz kann aber nicht so verallgemeinert werden, daß eine Verordnung der Rechtsgültigkeit entbehrte, wenn sie außerhalb eines Strafverfahrens bestimmten Personen unter Strafandrohung eine uneingeschränkte Auskunftspflicht über wirtschaftliche Verhältnisse auf­ erlegt. Vorschriften solchen Inhalts sind während der Kriegszeit und auch nachher in großer Anzahl erlassen und in ihrer Geltung nie bestritten worden. Erst nach Einleitung eines Strafverfahrens erwächst den zur Aus­ kunft pflichtigen Personen das Recht, als Beschuldigte unter Berufung auf die Strafprozeßordnung jede Aus­ kunft abzulehnen. Wortlaut und Zweck der hiernach rechtsgültigen Strafvorschrift schließen auch eine ein­ schränkende Auslegung dahin aus, daß der Befragte zur Auskunftserteilung nur insoweit verpflichtet ist, als er

sich dadurch nicht der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzt. Zur Auskunft über Preise gehört unter Umständen auch die Mitteilung, weshalb die An­ gabe des Preises nicht möglich, ist. Der Stelle, welche die Auskunft verlangen kann, muß die Prüfung ermög­ licht werden, ob etwaige Hinderungsgründe vorliegen und ob die vorgebrachten als stichhaltig anzuerkennen oder als leere Ausflüchte zu betrachten sind. Wenn der Angeklagte sich zur Verweigerung der Auskunft für be­ rechtigt hielt, befand er sich in einem Irrtum über die Anwendbarkeit der Verordnung, welche die Eigenschaft eines Strafgesetzes hat. Daß er infolge eines solchen Rechtsirrtums die Tat für erlaubt gehalten habe, hatte er selbst nicht behauptet. (II, 24. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 290—293. Vgl. Bd. 59 S. 363. 101. Umzugskosten. Betrug. (StGB. 8 263.) Ein Reichsbahnbeamter, dem ein Anspruch auf Ersatz von Umzugsauslagen zustand, veranlaßte den Spediteur, Be­ träge, die zu ersetzen waren, die aber den Spediteur nicht berührten, in seine Rechnung aufzunehmen. Das Be­ rufungsgericht sprach ihn von der Anklage des Betrugs frei. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die Reichsbahnverwaltung hatte nicht eine Pauschvergütung zu gewähren, sondern die einzelnen Umzugsauslagen, soweit sie ersatzfähig und nachgewiefen oder doch glaub­ haft gemacht waren, zu ersetzen. Es handelte sich also um eine Mehrheit von selbständigen, wenn auch auf der­ selben Rechtsgrundlage beruhenden Ersatzansprüchen: die Ansprüche auf Ersatz der Spediteurkosten und die An­ sprüche auf Ersatz der sonstigen beim Umzug erwachsenen Auslagen bestanden nebeneinander. Durch die Bezah­ lung der Spediteurrechnung wurde die Reichsbahnver­ waltung nicht von der Pflicht zum Ersatz der anderen Auslagen befreit, auch wenn sie in der Spediteurrech­ nung einbezogen worden waren; wurden diese Aus­ lagen noch geltend gemacht, so konnte ihre Vergütung nicht verweigert werden, solange der Irrtum über die schon erfolgte Bezahlung nicht beseitigt war. Die Reichs­ bahnverwaltung zahlte also infolge der Täuschung ihres Beamten auf die Rechnung des Spediteurs eine Nicht­ schuld, ohne einen entsprechenden Gegenwert zu erRGC., Strafsachen Bd. 60. 8

sich dadurch nicht der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzt. Zur Auskunft über Preise gehört unter Umständen auch die Mitteilung, weshalb die An­ gabe des Preises nicht möglich, ist. Der Stelle, welche die Auskunft verlangen kann, muß die Prüfung ermög­ licht werden, ob etwaige Hinderungsgründe vorliegen und ob die vorgebrachten als stichhaltig anzuerkennen oder als leere Ausflüchte zu betrachten sind. Wenn der Angeklagte sich zur Verweigerung der Auskunft für be­ rechtigt hielt, befand er sich in einem Irrtum über die Anwendbarkeit der Verordnung, welche die Eigenschaft eines Strafgesetzes hat. Daß er infolge eines solchen Rechtsirrtums die Tat für erlaubt gehalten habe, hatte er selbst nicht behauptet. (II, 24. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 290—293. Vgl. Bd. 59 S. 363. 101. Umzugskosten. Betrug. (StGB. 8 263.) Ein Reichsbahnbeamter, dem ein Anspruch auf Ersatz von Umzugsauslagen zustand, veranlaßte den Spediteur, Be­ träge, die zu ersetzen waren, die aber den Spediteur nicht berührten, in seine Rechnung aufzunehmen. Das Be­ rufungsgericht sprach ihn von der Anklage des Betrugs frei. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die Reichsbahnverwaltung hatte nicht eine Pauschvergütung zu gewähren, sondern die einzelnen Umzugsauslagen, soweit sie ersatzfähig und nachgewiefen oder doch glaub­ haft gemacht waren, zu ersetzen. Es handelte sich also um eine Mehrheit von selbständigen, wenn auch auf der­ selben Rechtsgrundlage beruhenden Ersatzansprüchen: die Ansprüche auf Ersatz der Spediteurkosten und die An­ sprüche auf Ersatz der sonstigen beim Umzug erwachsenen Auslagen bestanden nebeneinander. Durch die Bezah­ lung der Spediteurrechnung wurde die Reichsbahnver­ waltung nicht von der Pflicht zum Ersatz der anderen Auslagen befreit, auch wenn sie in der Spediteurrech­ nung einbezogen worden waren; wurden diese Aus­ lagen noch geltend gemacht, so konnte ihre Vergütung nicht verweigert werden, solange der Irrtum über die schon erfolgte Bezahlung nicht beseitigt war. Die Reichs­ bahnverwaltung zahlte also infolge der Täuschung ihres Beamten auf die Rechnung des Spediteurs eine Nicht­ schuld, ohne einen entsprechenden Gegenwert zu erRGC., Strafsachen Bd. 60. 8

langen; das bedeutete für sie eine Bermögensschädigung und für den Angeklagten einen rechtswidrigen Bermögensvorteil. Ein vollendeter Betrug lag . dann vor, wenn die Beamten, welche die Auszahlung verfüg­ ten, von dem Angeklagten über die Spediteurkosten ge­ täuscht worden waren; eine Täuschung anderer Beamter reichte hiefür nicht aus. (II, 24. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 294—295.

102. Urteilsgründe. Abstimmung. Angabe des Stim­ menverhältnisses. (GBG. § 198; StPO. § 263.) In den Gründen eines schwurgerichtlichen Urteils war an­ gegeben, daß vier Stimmen für die Verhängung einer Zuchthausstrafe von drei Jahren, fünf Stimmen für die Verhängung einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren gewesen seien; das Urteil lautete auf fünf Jahre Zucht­ haus. Es wurde im Strafausspruch aufgehoben. Nach der neuen Fassung der Strafprozeßordnung ist auch zu einer dem Angeklagten nachteiligen Entscheidung bei der Strafzumessung eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich; demgemäß konnte auf eine Zuchthausstrafe von fünf Jahren nur erkannt werden, wenn von den neun Stimmen des Schwurgerichts sechs hierauf abgegeben wurden. Da diese Mehrheit nicht er­ reicht wurde, hätte auf die geringere Strafe von drei Jahren Zuchthaus erkannt werden müssen. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die in gleicher Weise für Be­ rufsrichter wie für Laienrichter gilt, hindert nicht unter besonderen Umständen das Ergebnis der Abstimmung in den Urteilsgründen anzugeben. Sie hat ihre Grenze an der höheren Pflicht, ein gesetzeswidriges Verfahren zu offenbaren, um eine Besserung zu ermöglichen. (I, 29. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 295—297. Vgl. Bd. 8 S. 218; Bd. 26 S. 202; Bd. 89 S. 13.

103. Verlesung und Verwertung von

Urteilen.

(StPO. § 249.) In einem Strafverfahren wurde ein gegen einen anderen Angeklagten ergangenes Straf­ urteil verlesen. Es enthielt ein Sachverständigengut­ achten, das auch dem neuen Urteil zugrunde gelegt wurde. Das führte zur Aufhebung des neuen Urteils. Der Verlesung des ersten Urteils, auch soweit es Aus­ sagen von Zeugen oder Gutachten von Sachverständigen wiedergab, stand nichts im Wege; ebenso konnte nach dem

langen; das bedeutete für sie eine Bermögensschädigung und für den Angeklagten einen rechtswidrigen Bermögensvorteil. Ein vollendeter Betrug lag . dann vor, wenn die Beamten, welche die Auszahlung verfüg­ ten, von dem Angeklagten über die Spediteurkosten ge­ täuscht worden waren; eine Täuschung anderer Beamter reichte hiefür nicht aus. (II, 24. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 294—295.

102. Urteilsgründe. Abstimmung. Angabe des Stim­ menverhältnisses. (GBG. § 198; StPO. § 263.) In den Gründen eines schwurgerichtlichen Urteils war an­ gegeben, daß vier Stimmen für die Verhängung einer Zuchthausstrafe von drei Jahren, fünf Stimmen für die Verhängung einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren gewesen seien; das Urteil lautete auf fünf Jahre Zucht­ haus. Es wurde im Strafausspruch aufgehoben. Nach der neuen Fassung der Strafprozeßordnung ist auch zu einer dem Angeklagten nachteiligen Entscheidung bei der Strafzumessung eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich; demgemäß konnte auf eine Zuchthausstrafe von fünf Jahren nur erkannt werden, wenn von den neun Stimmen des Schwurgerichts sechs hierauf abgegeben wurden. Da diese Mehrheit nicht er­ reicht wurde, hätte auf die geringere Strafe von drei Jahren Zuchthaus erkannt werden müssen. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die in gleicher Weise für Be­ rufsrichter wie für Laienrichter gilt, hindert nicht unter besonderen Umständen das Ergebnis der Abstimmung in den Urteilsgründen anzugeben. Sie hat ihre Grenze an der höheren Pflicht, ein gesetzeswidriges Verfahren zu offenbaren, um eine Besserung zu ermöglichen. (I, 29. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 295—297. Vgl. Bd. 8 S. 218; Bd. 26 S. 202; Bd. 89 S. 13.

103. Verlesung und Verwertung von

Urteilen.

(StPO. § 249.) In einem Strafverfahren wurde ein gegen einen anderen Angeklagten ergangenes Straf­ urteil verlesen. Es enthielt ein Sachverständigengut­ achten, das auch dem neuen Urteil zugrunde gelegt wurde. Das führte zur Aufhebung des neuen Urteils. Der Verlesung des ersten Urteils, auch soweit es Aus­ sagen von Zeugen oder Gutachten von Sachverständigen wiedergab, stand nichts im Wege; ebenso konnte nach dem

langen; das bedeutete für sie eine Bermögensschädigung und für den Angeklagten einen rechtswidrigen Bermögensvorteil. Ein vollendeter Betrug lag . dann vor, wenn die Beamten, welche die Auszahlung verfüg­ ten, von dem Angeklagten über die Spediteurkosten ge­ täuscht worden waren; eine Täuschung anderer Beamter reichte hiefür nicht aus. (II, 24. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 294—295.

102. Urteilsgründe. Abstimmung. Angabe des Stim­ menverhältnisses. (GBG. § 198; StPO. § 263.) In den Gründen eines schwurgerichtlichen Urteils war an­ gegeben, daß vier Stimmen für die Verhängung einer Zuchthausstrafe von drei Jahren, fünf Stimmen für die Verhängung einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren gewesen seien; das Urteil lautete auf fünf Jahre Zucht­ haus. Es wurde im Strafausspruch aufgehoben. Nach der neuen Fassung der Strafprozeßordnung ist auch zu einer dem Angeklagten nachteiligen Entscheidung bei der Strafzumessung eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich; demgemäß konnte auf eine Zuchthausstrafe von fünf Jahren nur erkannt werden, wenn von den neun Stimmen des Schwurgerichts sechs hierauf abgegeben wurden. Da diese Mehrheit nicht er­ reicht wurde, hätte auf die geringere Strafe von drei Jahren Zuchthaus erkannt werden müssen. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit, die in gleicher Weise für Be­ rufsrichter wie für Laienrichter gilt, hindert nicht unter besonderen Umständen das Ergebnis der Abstimmung in den Urteilsgründen anzugeben. Sie hat ihre Grenze an der höheren Pflicht, ein gesetzeswidriges Verfahren zu offenbaren, um eine Besserung zu ermöglichen. (I, 29. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 295—297. Vgl. Bd. 8 S. 218; Bd. 26 S. 202; Bd. 89 S. 13.

103. Verlesung und Verwertung von

Urteilen.

(StPO. § 249.) In einem Strafverfahren wurde ein gegen einen anderen Angeklagten ergangenes Straf­ urteil verlesen. Es enthielt ein Sachverständigengut­ achten, das auch dem neuen Urteil zugrunde gelegt wurde. Das führte zur Aufhebung des neuen Urteils. Der Verlesung des ersten Urteils, auch soweit es Aus­ sagen von Zeugen oder Gutachten von Sachverständigen wiedergab, stand nichts im Wege; ebenso konnte nach dem

Grundsatz der freien Beweiswürdigung der Umstand, daß diese Aussagen und Gutachten in dem früheren Ver­ fahren in einem bestimmten Sinn beurteilt worden waren, zur Bildung der aus dem Inbegriff der Verhand­ lung zu schöpfenden Überzeugung des Gerichts verwendet werden. Unzulässig war es aber, in dem früheren Urteil festgelegte Aussagen und Gutachten von Personen, die als Zeugen oder Sachverständige vernommen werden konnten, lediglich deshalb, weil sie dort festgestellt waren, in dem schwebenden Verfahren der Entscheidung zugrunde zu legen. (I, 29. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 297—298. 104. Parteiverrat. Irrtum. (BGB. § 1708; ZPO. § 323; RAO. § 31; StGB. §§ 59, 356.) Ein unehe­ licher Vater hatte sich zur Zahlung einer Rente an seine Tochter verpflichtet. Diese klagte wegen Geldentwer­ tung auf eine Erhöhung der Rente; der Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich erledigt, durch den die Rente wertbeständig festgesetzt wurde. Als sie trotzdem eine neue Klage erhob, trat der Rechtsanwalt, der sie in dem früheren Verfahren vertreten hatte, als Bevollmäch­ tigter ihres Vaters auf. Er wurde wegen Partei­ verrats verurteilt; seine Revision hatte keinen Erfolg. Die Rechtsanwaltsordnung schreibt vor, daß ein Rechts­ anwalt seine Berufstätigkeit zu versagen hat, wenn sie von ihm in derselben Rechtssache bereits einer anderen Partei im entgegengesetzten Sinne gewährt worden ist; das Strafrecht verbietet dem Rechtsanwalt ein pflicht­ widriges Dienen durch Rat oder Beistand gegenüber beiden Parteien in derselben Rechtssache. Der Inhalt der Pflicht des Anwalts und der Begriff der Pflichtwid-rigkeit ist aus der Rechtsanwaltsordnung zu entnehmen, ebenso der Begriff derselben Rechtssache. Unter Rechts­ sache ist der Kreis der dem Anwalt durch den Auftrag anvertrauten Rechtsinteressen zu verstehen; diese, nicht der im einzelnen Fall eingeklagte Anspruch oder seine rechtliche Begründung bestimmen den Inhalt und Um­ fang der Rechtssache. Ohne Rechtsirrtum hatte das Be­ rufungsgericht angenommen, daß es sich in beiden Rechtsstreiten um dieselbe Rechtssache handelte. Beide Prozesse verfolgten eine Erhöhung des aus der Unter­ haltspflicht hervorgegangenen Rentenanspruchs auf 8*

Grundsatz der freien Beweiswürdigung der Umstand, daß diese Aussagen und Gutachten in dem früheren Ver­ fahren in einem bestimmten Sinn beurteilt worden waren, zur Bildung der aus dem Inbegriff der Verhand­ lung zu schöpfenden Überzeugung des Gerichts verwendet werden. Unzulässig war es aber, in dem früheren Urteil festgelegte Aussagen und Gutachten von Personen, die als Zeugen oder Sachverständige vernommen werden konnten, lediglich deshalb, weil sie dort festgestellt waren, in dem schwebenden Verfahren der Entscheidung zugrunde zu legen. (I, 29. Juni 1926.) Amtl. Sammlg. S. 297—298. 104. Parteiverrat. Irrtum. (BGB. § 1708; ZPO. § 323; RAO. § 31; StGB. §§ 59, 356.) Ein unehe­ licher Vater hatte sich zur Zahlung einer Rente an seine Tochter verpflichtet. Diese klagte wegen Geldentwer­ tung auf eine Erhöhung der Rente; der Rechtsstreit wurde durch einen Vergleich erledigt, durch den die Rente wertbeständig festgesetzt wurde. Als sie trotzdem eine neue Klage erhob, trat der Rechtsanwalt, der sie in dem früheren Verfahren vertreten hatte, als Bevollmäch­ tigter ihres Vaters auf. Er wurde wegen Partei­ verrats verurteilt; seine Revision hatte keinen Erfolg. Die Rechtsanwaltsordnung schreibt vor, daß ein Rechts­ anwalt seine Berufstätigkeit zu versagen hat, wenn sie von ihm in derselben Rechtssache bereits einer anderen Partei im entgegengesetzten Sinne gewährt worden ist; das Strafrecht verbietet dem Rechtsanwalt ein pflicht­ widriges Dienen durch Rat oder Beistand gegenüber beiden Parteien in derselben Rechtssache. Der Inhalt der Pflicht des Anwalts und der Begriff der Pflichtwid-rigkeit ist aus der Rechtsanwaltsordnung zu entnehmen, ebenso der Begriff derselben Rechtssache. Unter Rechts­ sache ist der Kreis der dem Anwalt durch den Auftrag anvertrauten Rechtsinteressen zu verstehen; diese, nicht der im einzelnen Fall eingeklagte Anspruch oder seine rechtliche Begründung bestimmen den Inhalt und Um­ fang der Rechtssache. Ohne Rechtsirrtum hatte das Be­ rufungsgericht angenommen, daß es sich in beiden Rechtsstreiten um dieselbe Rechtssache handelte. Beide Prozesse verfolgten eine Erhöhung des aus der Unter­ haltspflicht hervorgegangenen Rentenanspruchs auf 8*

Grund Veränderung der Umstände. Ob dieser Anspruch durch den Vergleich auf eine völlig neue Grundlage ge­ stellt war, konnte auf sich beruhen; auch wenn das zu­ traf, wurde nicht ausgeschlossen, daß es sich in beiden Fällen um dieselbe Rechtslage handelte. Für den inneren Tatbestand genügte das Bewußtsein des Täters, daß er in beiden Prozessen für den unehelichen Vater im entgegengesetzten Interesse tätig wurde. Ein Irrtum darüber, ob dieselbe Sache in Frage komme, lag auf strafrechtlichem Gebiet und konnte dem Angeklagten nicht nützen. Anders wäre die Sache gelegen gewesen, wenn der Angeklagte sich über das in der Rechtsanwaltsordnung umschriebene Merkmal der Pflichtwidrigkeit geirrt hätte. Er hatte geltend gemacht, daß er geglaubt habe, aus­ nahmsweise selbst im Falle eines Vorliegens derselben Rechtssache den unehelichen Vater in dem neuen Prozeß vertreten zu dürfen, weil er das Klagebegehren der Tochter für unberechtigt hielt und von ihrem Obsiegen eine Beeinträchtigung seines Ansehens als Rechtsanwalt fürchtete; als Anwalt mußte er wissen, daß ihm die Rechtsanwaltsordnung die Vertretung des Vaters nur gestattete, wenn es sich nicht um dieselbe Sache handelte. (III. 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 298-302. Vgl. Bd. 23 S. 60; Bd. 58 S. 247. 105. Parteiverrat. (StGB. § 356.) Zwei Brüder waren die alleinigen Gesellschafter einer offenen Handels­ gesellschaft; einem von ihnen war durch rechtskräftiges Urteil die Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft ab­ gesprochen. Da er sich trotzdem die Vertretung anmaßte, kam es zu wiederholten Rechtsstreiten zwischen den Brüdern. Im Jahre 1920 wurde ein Vergleich abge­ schlossen, wodurch der eine Bruder, der bisher die Ge­ sellschaft zu vertreten hatte, aus dieser gegen eine Ab­ findung austrat. Wegen der Auslegung dieses Vergleichs kam es zu einem neuen Rechtsstreit; in diesem trat der Rechtsanwalt, der früher den zur Vertretung berech­ tigten Bruder verbeistandet hatte, als Prozeßbevollmächtigter des anderen Bruders auf. Das Schöffengericht sprach ihn von der Anklage des Parteiverrats frei, weil es sich in dem neuen Prozeß um Belange von völlig anderer Art als früher gehandelt habe. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Das Strafgesetz verbietet

Grund Veränderung der Umstände. Ob dieser Anspruch durch den Vergleich auf eine völlig neue Grundlage ge­ stellt war, konnte auf sich beruhen; auch wenn das zu­ traf, wurde nicht ausgeschlossen, daß es sich in beiden Fällen um dieselbe Rechtslage handelte. Für den inneren Tatbestand genügte das Bewußtsein des Täters, daß er in beiden Prozessen für den unehelichen Vater im entgegengesetzten Interesse tätig wurde. Ein Irrtum darüber, ob dieselbe Sache in Frage komme, lag auf strafrechtlichem Gebiet und konnte dem Angeklagten nicht nützen. Anders wäre die Sache gelegen gewesen, wenn der Angeklagte sich über das in der Rechtsanwaltsordnung umschriebene Merkmal der Pflichtwidrigkeit geirrt hätte. Er hatte geltend gemacht, daß er geglaubt habe, aus­ nahmsweise selbst im Falle eines Vorliegens derselben Rechtssache den unehelichen Vater in dem neuen Prozeß vertreten zu dürfen, weil er das Klagebegehren der Tochter für unberechtigt hielt und von ihrem Obsiegen eine Beeinträchtigung seines Ansehens als Rechtsanwalt fürchtete; als Anwalt mußte er wissen, daß ihm die Rechtsanwaltsordnung die Vertretung des Vaters nur gestattete, wenn es sich nicht um dieselbe Sache handelte. (III. 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 298-302. Vgl. Bd. 23 S. 60; Bd. 58 S. 247. 105. Parteiverrat. (StGB. § 356.) Zwei Brüder waren die alleinigen Gesellschafter einer offenen Handels­ gesellschaft; einem von ihnen war durch rechtskräftiges Urteil die Befugnis zur Vertretung der Gesellschaft ab­ gesprochen. Da er sich trotzdem die Vertretung anmaßte, kam es zu wiederholten Rechtsstreiten zwischen den Brüdern. Im Jahre 1920 wurde ein Vergleich abge­ schlossen, wodurch der eine Bruder, der bisher die Ge­ sellschaft zu vertreten hatte, aus dieser gegen eine Ab­ findung austrat. Wegen der Auslegung dieses Vergleichs kam es zu einem neuen Rechtsstreit; in diesem trat der Rechtsanwalt, der früher den zur Vertretung berech­ tigten Bruder verbeistandet hatte, als Prozeßbevollmächtigter des anderen Bruders auf. Das Schöffengericht sprach ihn von der Anklage des Parteiverrats frei, weil es sich in dem neuen Prozeß um Belange von völlig anderer Art als früher gehandelt habe. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Das Strafgesetz verbietet

einem Anwalt, in derselben Rechtssache beiden Parteien in pflichtwidriger Weise durch Rat, Tat oder Beistand zu dienen. Für die Frage, ob es sich in dem späteren Rechtsstreit um dieselbe Rechtssache handelte, wie in den früheren, kam es darauf an, ob das dem Auftrag zugrunde liegende Rechtsverhältnis und die davon um­ faßten materiell-rechtlichen Interessen dieselben waren; daß das Rechtsverhältnis durch den Hinzutritt neuer Tatsachen eine Veränderung erfahren hatte, schloß die Identität nicht notwendig aus. Es kam auch nicht darauf an, wie die Streitigkeiten nach dem objektiven Recht zu entscheiden waren, sondern darauf, welchen Gegenstand sie hatten. Das hing aber ausschließlich von Grundlage, Inhalt und Ziel des Klagebegehrens ab. Demgemäß hätte dargelegt werden müssen, daß die vom Kläger vertretene Auslegung des Vergleichs und die daraus hervorgeleiteten materiellen Rechtsfolgerungen sich mit dem Gegenstand der früheren Rechtsstreite nicht mehr berührten. Nach den Feststellungen des Urteils hatte aber der neue Prozeß in — vielleicht irriger — Auslegung des Vergleichs die gleichen Ansprüche verfolgt wie die früheren. Daß es sich hiernach wenigstens teil­ weise um dieselbe Rechtssache handeln konnte, war nicht von der Hand zu weisen. Ob Aussicht auf Erfolg bestand, war dabei belanglos. (III, 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 302—306. Vgl. Bd. 23 S. 60. 106. Gewinnsucht. (StGB. § 27 a.) Daß ein Ver­ brechen oder Vergehen auf Gewinnsucht beruht, ist nicht schon aus dem Grunde anzunehmen, weil der Täter durch dessen Verübung einen Vermögensvorteil für sich erstrebt. Das geht schon daraus hervor, daß die auf Erlangung eines Bermögensvorteils gerichtete Absicht des Täters bei manchen strafbaren Handlungen zu deren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen gehört und bei den meisten Ver­ mögensdelikten vorliegen wird. Es ergibt sich aber auch aus dem Sinn, den der allgemeine Sprachge­ brauch mit dem Worte Gewinnsucht verbindet. Darnach ist Gewinnsucht die Steigerung des berechtigten Erwerbs­ sinnes auf ein ungewöhnliches, ungesundes, sittlich an­ stößiges Maß. Sie ist vorhanden, wenn das Verlangen des Täters nach Gewinnerzielung ihn mit solcher Gewalt

einem Anwalt, in derselben Rechtssache beiden Parteien in pflichtwidriger Weise durch Rat, Tat oder Beistand zu dienen. Für die Frage, ob es sich in dem späteren Rechtsstreit um dieselbe Rechtssache handelte, wie in den früheren, kam es darauf an, ob das dem Auftrag zugrunde liegende Rechtsverhältnis und die davon um­ faßten materiell-rechtlichen Interessen dieselben waren; daß das Rechtsverhältnis durch den Hinzutritt neuer Tatsachen eine Veränderung erfahren hatte, schloß die Identität nicht notwendig aus. Es kam auch nicht darauf an, wie die Streitigkeiten nach dem objektiven Recht zu entscheiden waren, sondern darauf, welchen Gegenstand sie hatten. Das hing aber ausschließlich von Grundlage, Inhalt und Ziel des Klagebegehrens ab. Demgemäß hätte dargelegt werden müssen, daß die vom Kläger vertretene Auslegung des Vergleichs und die daraus hervorgeleiteten materiellen Rechtsfolgerungen sich mit dem Gegenstand der früheren Rechtsstreite nicht mehr berührten. Nach den Feststellungen des Urteils hatte aber der neue Prozeß in — vielleicht irriger — Auslegung des Vergleichs die gleichen Ansprüche verfolgt wie die früheren. Daß es sich hiernach wenigstens teil­ weise um dieselbe Rechtssache handeln konnte, war nicht von der Hand zu weisen. Ob Aussicht auf Erfolg bestand, war dabei belanglos. (III, 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 302—306. Vgl. Bd. 23 S. 60. 106. Gewinnsucht. (StGB. § 27 a.) Daß ein Ver­ brechen oder Vergehen auf Gewinnsucht beruht, ist nicht schon aus dem Grunde anzunehmen, weil der Täter durch dessen Verübung einen Vermögensvorteil für sich erstrebt. Das geht schon daraus hervor, daß die auf Erlangung eines Bermögensvorteils gerichtete Absicht des Täters bei manchen strafbaren Handlungen zu deren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen gehört und bei den meisten Ver­ mögensdelikten vorliegen wird. Es ergibt sich aber auch aus dem Sinn, den der allgemeine Sprachge­ brauch mit dem Worte Gewinnsucht verbindet. Darnach ist Gewinnsucht die Steigerung des berechtigten Erwerbs­ sinnes auf ein ungewöhnliches, ungesundes, sittlich an­ stößiges Maß. Sie ist vorhanden, wenn das Verlangen des Täters nach Gewinnerzielung ihn mit solcher Gewalt

beherrscht, daß er ihm hemmungslos unterliegt, ohno auf die Schranken zu achten, deren Innehaltung Gesetz und Recht, geschäftlicher Anstand und die schuldige Rück­ sicht auf seine Mitmenschen von ihm fordern. Sie braucht nicht notwendig eine die einzelne Tat überdauernde und in diesem Sinne bleibende Eigenschaft des Täters zu sein, kann vielmehr auch nur zuweilen, selbst nur ein einzigesmal in die Erscheinung treten, wenn sie durch eine besonders günstige Gelegenheit und die in iHv liegende Versuchung hervorgerufen wird. Das Be­ rufungsgericht hatte Beruhen der Tat des Angeklag­ ten auf Gewinnsucht angenommen, weil er seine Auf­ traggeber, die sich, wie er wußte, alle in bedrängter Vermögenslage befanden und sich nur im Vertrauen auf seine wahrheitswidrige Verheißung einer schnellen, siche­ ren und billigen Hilfe an ihn gewandt hatten, in der rücksichtslosesten Weise ausbeutete, ohne auch nur einen ernstlichen Versuch zu machen, ihnen als Gegenleistung für alle ihm gebrachten Vermögensopfer irgendwelche nennenswerte Förderung ihrer Interessen zu verschaffen. Diese Annahme war nicht rechtsirrig. (II, 20. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 306—307. 107. Steuergefährdung. Verkürzung. (RAbgO. §§ 359, 367.) Bei der Abgabe der B.ermögenssteuererklärung wurde der Besitz von Hausgrundstücken verschwiegen. Das Finanzamt erfuhr hiervon schon vor der Steuer­ veranlagung; auf seinen Vorhalt wurde die Erklärung berichtigt. Das Landgericht lehnte eine Verurteilung wegen Steuergesährdung ab, weil hierzu eine vollendete Steuerverkürzung erforderlich sei, eine solche aber vor­ aussetze, daß infolge Festsetzung einer zu geringen Steuer der Staat von dem Steuerpflichtigen weniger einfordere, als er von ihm zu beanspruchen habe. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Allerdings ist die Steuergefähr­ dung nicht strafbar, wenn sie nicht über den Versuch hinausgelangt; demgemäß konnte der Angeklagte nicht gestraft werden, wenn seine unrichtige Steuererklärung! nicht schon vor ihrer Aufdeckung bewirkt hatte, daß Steuereinnahmen verkürzt worden waren. Zu einer Steuerverkürzung durch Veranlagung einer zu geringen Steuer, insbesondere zu der zur Vollendung der Ver­ kürzung in diesem Falle weiterhin erforderlichen Be-

beherrscht, daß er ihm hemmungslos unterliegt, ohno auf die Schranken zu achten, deren Innehaltung Gesetz und Recht, geschäftlicher Anstand und die schuldige Rück­ sicht auf seine Mitmenschen von ihm fordern. Sie braucht nicht notwendig eine die einzelne Tat überdauernde und in diesem Sinne bleibende Eigenschaft des Täters zu sein, kann vielmehr auch nur zuweilen, selbst nur ein einzigesmal in die Erscheinung treten, wenn sie durch eine besonders günstige Gelegenheit und die in iHv liegende Versuchung hervorgerufen wird. Das Be­ rufungsgericht hatte Beruhen der Tat des Angeklag­ ten auf Gewinnsucht angenommen, weil er seine Auf­ traggeber, die sich, wie er wußte, alle in bedrängter Vermögenslage befanden und sich nur im Vertrauen auf seine wahrheitswidrige Verheißung einer schnellen, siche­ ren und billigen Hilfe an ihn gewandt hatten, in der rücksichtslosesten Weise ausbeutete, ohne auch nur einen ernstlichen Versuch zu machen, ihnen als Gegenleistung für alle ihm gebrachten Vermögensopfer irgendwelche nennenswerte Förderung ihrer Interessen zu verschaffen. Diese Annahme war nicht rechtsirrig. (II, 20. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 306—307. 107. Steuergefährdung. Verkürzung. (RAbgO. §§ 359, 367.) Bei der Abgabe der B.ermögenssteuererklärung wurde der Besitz von Hausgrundstücken verschwiegen. Das Finanzamt erfuhr hiervon schon vor der Steuer­ veranlagung; auf seinen Vorhalt wurde die Erklärung berichtigt. Das Landgericht lehnte eine Verurteilung wegen Steuergesährdung ab, weil hierzu eine vollendete Steuerverkürzung erforderlich sei, eine solche aber vor­ aussetze, daß infolge Festsetzung einer zu geringen Steuer der Staat von dem Steuerpflichtigen weniger einfordere, als er von ihm zu beanspruchen habe. Das Reichsgericht hob das Urteil auf. Allerdings ist die Steuergefähr­ dung nicht strafbar, wenn sie nicht über den Versuch hinausgelangt; demgemäß konnte der Angeklagte nicht gestraft werden, wenn seine unrichtige Steuererklärung! nicht schon vor ihrer Aufdeckung bewirkt hatte, daß Steuereinnahmen verkürzt worden waren. Zu einer Steuerverkürzung durch Veranlagung einer zu geringen Steuer, insbesondere zu der zur Vollendung der Ver­ kürzung in diesem Falle weiterhin erforderlichen Be-

kanntgabe des Veranlagungsbescheids an den Angeklag­ ten, war es nicht gekommen. Ein steuerwidriges Ver­ halten kann aber auch in der Weise zu einem Steuer­ ausfall führen, daß infolge Unterlassung der gebotenen Offenbarung steuerrechtlich erheblicher Tatsachen die Steuerbehörde überhaupt keine Kenntnis von der Steuer­ schuld oder dem Steuerschuldner erhält, so daß hierdurch die rechtzeitige Veranlagung, Festsetzung, Beitreibung und Vereinnahmung einer nach den Steuergesetzen zu beanspruchenden Steuer vereitelt wird. Hier muß die Steuereinnahme schon dann als verkürzt gelten, wenn der steuerwidrige Vorgang, insbesondere die bewußt oder unbewußt steuerunehrliche Beeinflussung des Ver­ haltens der Steuerbehörde, bewirkt hat, daß der Ein­ gang der geschuldeten Steuereinnahme ganz unterblieben ist oder doch geringer war oder später erfolgte, als es nach den gesetzlichen Vorschriften ohne den steuerwid­ rigen Vorgang dem regelmäßigen Verlauf der Dinge entsprochen hätte. Das Verhalten des AngeÜagten konnte bewirken, daß von einer Steuerfestsetzung gegen ihn ab­ gesehen und das Steuerermittlungsverfahren eingestellt wurde; damit war eine Steuerverkürzung vollendet. Demgemäß hätte festgestellt werden müssen, ob zu der Zeit, da das Finanzamt von dem Vorhandensein der Grundstücke Kenntnis erlangte, schon die Einstellung des Steuerermittlungsversahrens verfügt worden war; in diesem Falle war der Tatbestand der Steuergefährdung erfüllt. (II, 1. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 307—311. Vgl. Bd. 59 S. 401; Bd. 60 S. 161. 108. Amtsvormundschaft. Amtsunterschlagung. Re­ gister. (StGB. §§ 266, 350, 351; RJWG. § 32, 35.) Das Jugendamt einer Stadt, dem kraft Gesetzes die Amtsvormundschaft über ein uneheliches Kind zugefallen war, übertrug die Ausübung der vormundschaftlichen Obliegenheiten einem Beamten. Dieser verfügte über Gelder des Mündels zu seinem eigenen Nutzen und unterließ in dem Vermögensverzeichnis, in das auf Grund amtlicher Anordnung die Einnahmen und Aus­ gaben einzutragen waren, die vorschriftsmäßigen Buchungen. Er wurde wegen schwerer Unterschlagung im Amte verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Der

kanntgabe des Veranlagungsbescheids an den Angeklag­ ten, war es nicht gekommen. Ein steuerwidriges Ver­ halten kann aber auch in der Weise zu einem Steuer­ ausfall führen, daß infolge Unterlassung der gebotenen Offenbarung steuerrechtlich erheblicher Tatsachen die Steuerbehörde überhaupt keine Kenntnis von der Steuer­ schuld oder dem Steuerschuldner erhält, so daß hierdurch die rechtzeitige Veranlagung, Festsetzung, Beitreibung und Vereinnahmung einer nach den Steuergesetzen zu beanspruchenden Steuer vereitelt wird. Hier muß die Steuereinnahme schon dann als verkürzt gelten, wenn der steuerwidrige Vorgang, insbesondere die bewußt oder unbewußt steuerunehrliche Beeinflussung des Ver­ haltens der Steuerbehörde, bewirkt hat, daß der Ein­ gang der geschuldeten Steuereinnahme ganz unterblieben ist oder doch geringer war oder später erfolgte, als es nach den gesetzlichen Vorschriften ohne den steuerwid­ rigen Vorgang dem regelmäßigen Verlauf der Dinge entsprochen hätte. Das Verhalten des AngeÜagten konnte bewirken, daß von einer Steuerfestsetzung gegen ihn ab­ gesehen und das Steuerermittlungsverfahren eingestellt wurde; damit war eine Steuerverkürzung vollendet. Demgemäß hätte festgestellt werden müssen, ob zu der Zeit, da das Finanzamt von dem Vorhandensein der Grundstücke Kenntnis erlangte, schon die Einstellung des Steuerermittlungsversahrens verfügt worden war; in diesem Falle war der Tatbestand der Steuergefährdung erfüllt. (II, 1. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 307—311. Vgl. Bd. 59 S. 401; Bd. 60 S. 161. 108. Amtsvormundschaft. Amtsunterschlagung. Re­ gister. (StGB. §§ 266, 350, 351; RJWG. § 32, 35.) Das Jugendamt einer Stadt, dem kraft Gesetzes die Amtsvormundschaft über ein uneheliches Kind zugefallen war, übertrug die Ausübung der vormundschaftlichen Obliegenheiten einem Beamten. Dieser verfügte über Gelder des Mündels zu seinem eigenen Nutzen und unterließ in dem Vermögensverzeichnis, in das auf Grund amtlicher Anordnung die Einnahmen und Aus­ gaben einzutragen waren, die vorschriftsmäßigen Buchungen. Er wurde wegen schwerer Unterschlagung im Amte verurteilt; seine Revision wurde verworfen. Der

Angeklagte hatte die Gelder als -ein zum Vormund bestelltet Beamter, sohin in amtlicher Eigenschaft, in Emp­ fang genommen. Zu einer Verfügung in eigenem Nutzen war er nicht berechtigt; eine etwaige Ersatzabsicht war nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit seiner Handlungs­ weise auszuschließen. Auf eine vermutete Einwilligung seines Mündels konnte er sich nicht berufen, "da dieses gar nicht in der Lage war, über die Verwendung seines Vermögens zu Darlehenszwecken eine rechtswirksame Ver­ fügung zu treffen. Das Vermögensverzeichnis war als ein Register im Sinne des Gesetzes anzusehen, da es be­ stimmt war, den Vermögensstand des Mündels zu registrieren. Durch Unterlassung der vorgeschriebenen Buchungen hatte der Angeklagte dieses Register unrichtig geführt. Er hatte zum Schluß eingetragen, daß das Konto nicht stimme; das Berufungsgericht hatte festge­ stellt, daß er sich dadurch nur vor einer Entdeckung seiner Verfehlungen während seines Urlaubs schützen wollte. (II, 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 311—313. Vgl. Bd. 3 S. 10; Bd. 5 S. 304; Bd. 21 S. 364; Bd. 43 S. 207; Bd. 54 S. 227. 109. Freiwillige Entfernung des Angeklagten aus der Verhandlung. (StPO. §§ 231, 238.) Der Verteidiger

stellte an das Gericht die Frage, ob der Angeklagte sich während der Erstattung eines Gutachtens über seinen geistigen Zustand aus dem Saal entfernen dürfe. Da die Staatsanwaltschaft und das Gericht damit einverstan­ den waren, stellte der Vorsitzende dem Angeklagten frei, den Saal bis zum Schluß der Abgabe des Gutachtens zu verlassen. Nach seiner Rückkehr wurde ihm das Schlußergebnis des Gutachtens mitgeteilt. Die hierauf gestützte Revision wurde verworfen. Der Fall, daß der Angeklagte sich mit Zustimmung des Gerichts freiwillig während eines Teiles der Verhandlung aus dem Saal entfernt, ist vom Gesetz nicht geregelt. Wo das Interesse der Schonung des Angeklagten vor den durch die Offen­ barung seines Zustandes ihm drohenden Nachteilen den Interessen der Wahrheitsermittlung und der Verteidi­ gung gegenübersteht, ist es zulässig, dem ersterwähnten Interesse den Vorzug zu geben und eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, daß der Angeklagte der gan-

Angeklagte hatte die Gelder als -ein zum Vormund bestelltet Beamter, sohin in amtlicher Eigenschaft, in Emp­ fang genommen. Zu einer Verfügung in eigenem Nutzen war er nicht berechtigt; eine etwaige Ersatzabsicht war nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit seiner Handlungs­ weise auszuschließen. Auf eine vermutete Einwilligung seines Mündels konnte er sich nicht berufen, "da dieses gar nicht in der Lage war, über die Verwendung seines Vermögens zu Darlehenszwecken eine rechtswirksame Ver­ fügung zu treffen. Das Vermögensverzeichnis war als ein Register im Sinne des Gesetzes anzusehen, da es be­ stimmt war, den Vermögensstand des Mündels zu registrieren. Durch Unterlassung der vorgeschriebenen Buchungen hatte der Angeklagte dieses Register unrichtig geführt. Er hatte zum Schluß eingetragen, daß das Konto nicht stimme; das Berufungsgericht hatte festge­ stellt, daß er sich dadurch nur vor einer Entdeckung seiner Verfehlungen während seines Urlaubs schützen wollte. (II, 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 311—313. Vgl. Bd. 3 S. 10; Bd. 5 S. 304; Bd. 21 S. 364; Bd. 43 S. 207; Bd. 54 S. 227. 109. Freiwillige Entfernung des Angeklagten aus der Verhandlung. (StPO. §§ 231, 238.) Der Verteidiger

stellte an das Gericht die Frage, ob der Angeklagte sich während der Erstattung eines Gutachtens über seinen geistigen Zustand aus dem Saal entfernen dürfe. Da die Staatsanwaltschaft und das Gericht damit einverstan­ den waren, stellte der Vorsitzende dem Angeklagten frei, den Saal bis zum Schluß der Abgabe des Gutachtens zu verlassen. Nach seiner Rückkehr wurde ihm das Schlußergebnis des Gutachtens mitgeteilt. Die hierauf gestützte Revision wurde verworfen. Der Fall, daß der Angeklagte sich mit Zustimmung des Gerichts freiwillig während eines Teiles der Verhandlung aus dem Saal entfernt, ist vom Gesetz nicht geregelt. Wo das Interesse der Schonung des Angeklagten vor den durch die Offen­ barung seines Zustandes ihm drohenden Nachteilen den Interessen der Wahrheitsermittlung und der Verteidi­ gung gegenübersteht, ist es zulässig, dem ersterwähnten Interesse den Vorzug zu geben und eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, daß der Angeklagte der gan-

zen Hauptverhandlung beizuwohnen hat; das wird durch die Rücksicht auf das ungeschriebene Gesetz der Menschlich­ keit geboten. Eines formellen Gerichtsbeschlusses be­ durfte es nicht; vielmehr genügte, daß die Beisitzer sich mit der Anordnung des Vorsitzenden stillschweigend ein­ verstanden erklärten. Durch die Mitteilung von dem Schlußergebnis des Gutachtens bekam der Angeklagte die Möglichkeit, Stellung dazu zu nehmen; von einer un­ zulässigen Beschränkung der Verteidigung konnte also keine Rede sein. (II, 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 313—315. Vgl. Bd. 49 S. 40; Bd. 58 S. 149. 110. Münzfälschung. Betrug. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 74, 146, 263.) Eine Reichsbanknote wurde ver­ fälscht und zu einer Zahlung verwendet. Das Be­ rufungsgericht nahm Tatmehrheit zwischen Münzver­ brechen und Betrug an. Das Reichsgericht entschied, daß Tateinheit gegeben sei. Durch die Strafbestimmung über Münzfälschung sollte das gesamte, auf Herstellung und Verausgabung falschen oder verfälschten Geldes gerichrete Unternehmen getroffen und einheitlich abgeurteilt werden. Besondere Umstände, die für eine Tatmehrheit sprechen konnten, waren nicht festgestellt. Ob der Ange­ klagte von vornherein die Absicht hatte, die gefälschte Banknote gerade an der Stelle auszugeben, bei der er das später tat, war nicht entscheidend; maßgebend war vielmehr, ob die Absicht, die verfälschte Banknote über­ haupt in Verkehr zu bringen, schon bei der Verfäl­ schung vorhanden war. (I, 9. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 315—317. 111. Falsche Anschuldigung. Behörde. (StGB. § 164.) Während der Ruhreinfälle wurde bei einer französi­ schen Behörde eine unrichtige Anzeige erstattet. Dadurch wurde der Tatbestand der falschen Anschuldigung nicht erfüllt. Die Strafvorschrift dient nur dem Schutz der deutschen Strafrechtspflege; den Schutz fremdländischer Behörden bezweckt sie nicht, am allerwenigsten solcher Behörden, die völkerrechtswidrig während des Friedens in deutsches Gebiet einbrechen und sich völkerrechts­ widrige Amtsbefugnisse anmaßen, die nur deutschen Be­ hörden zustehen. (III, 10. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 317—318.

zen Hauptverhandlung beizuwohnen hat; das wird durch die Rücksicht auf das ungeschriebene Gesetz der Menschlich­ keit geboten. Eines formellen Gerichtsbeschlusses be­ durfte es nicht; vielmehr genügte, daß die Beisitzer sich mit der Anordnung des Vorsitzenden stillschweigend ein­ verstanden erklärten. Durch die Mitteilung von dem Schlußergebnis des Gutachtens bekam der Angeklagte die Möglichkeit, Stellung dazu zu nehmen; von einer un­ zulässigen Beschränkung der Verteidigung konnte also keine Rede sein. (II, 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 313—315. Vgl. Bd. 49 S. 40; Bd. 58 S. 149. 110. Münzfälschung. Betrug. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 74, 146, 263.) Eine Reichsbanknote wurde ver­ fälscht und zu einer Zahlung verwendet. Das Be­ rufungsgericht nahm Tatmehrheit zwischen Münzver­ brechen und Betrug an. Das Reichsgericht entschied, daß Tateinheit gegeben sei. Durch die Strafbestimmung über Münzfälschung sollte das gesamte, auf Herstellung und Verausgabung falschen oder verfälschten Geldes gerichrete Unternehmen getroffen und einheitlich abgeurteilt werden. Besondere Umstände, die für eine Tatmehrheit sprechen konnten, waren nicht festgestellt. Ob der Ange­ klagte von vornherein die Absicht hatte, die gefälschte Banknote gerade an der Stelle auszugeben, bei der er das später tat, war nicht entscheidend; maßgebend war vielmehr, ob die Absicht, die verfälschte Banknote über­ haupt in Verkehr zu bringen, schon bei der Verfäl­ schung vorhanden war. (I, 9. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 315—317. 111. Falsche Anschuldigung. Behörde. (StGB. § 164.) Während der Ruhreinfälle wurde bei einer französi­ schen Behörde eine unrichtige Anzeige erstattet. Dadurch wurde der Tatbestand der falschen Anschuldigung nicht erfüllt. Die Strafvorschrift dient nur dem Schutz der deutschen Strafrechtspflege; den Schutz fremdländischer Behörden bezweckt sie nicht, am allerwenigsten solcher Behörden, die völkerrechtswidrig während des Friedens in deutsches Gebiet einbrechen und sich völkerrechts­ widrige Amtsbefugnisse anmaßen, die nur deutschen Be­ hörden zustehen. (III, 10. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 317—318.

zen Hauptverhandlung beizuwohnen hat; das wird durch die Rücksicht auf das ungeschriebene Gesetz der Menschlich­ keit geboten. Eines formellen Gerichtsbeschlusses be­ durfte es nicht; vielmehr genügte, daß die Beisitzer sich mit der Anordnung des Vorsitzenden stillschweigend ein­ verstanden erklärten. Durch die Mitteilung von dem Schlußergebnis des Gutachtens bekam der Angeklagte die Möglichkeit, Stellung dazu zu nehmen; von einer un­ zulässigen Beschränkung der Verteidigung konnte also keine Rede sein. (II, 5. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 313—315. Vgl. Bd. 49 S. 40; Bd. 58 S. 149. 110. Münzfälschung. Betrug. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 74, 146, 263.) Eine Reichsbanknote wurde ver­ fälscht und zu einer Zahlung verwendet. Das Be­ rufungsgericht nahm Tatmehrheit zwischen Münzver­ brechen und Betrug an. Das Reichsgericht entschied, daß Tateinheit gegeben sei. Durch die Strafbestimmung über Münzfälschung sollte das gesamte, auf Herstellung und Verausgabung falschen oder verfälschten Geldes gerichrete Unternehmen getroffen und einheitlich abgeurteilt werden. Besondere Umstände, die für eine Tatmehrheit sprechen konnten, waren nicht festgestellt. Ob der Ange­ klagte von vornherein die Absicht hatte, die gefälschte Banknote gerade an der Stelle auszugeben, bei der er das später tat, war nicht entscheidend; maßgebend war vielmehr, ob die Absicht, die verfälschte Banknote über­ haupt in Verkehr zu bringen, schon bei der Verfäl­ schung vorhanden war. (I, 9. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 315—317. 111. Falsche Anschuldigung. Behörde. (StGB. § 164.) Während der Ruhreinfälle wurde bei einer französi­ schen Behörde eine unrichtige Anzeige erstattet. Dadurch wurde der Tatbestand der falschen Anschuldigung nicht erfüllt. Die Strafvorschrift dient nur dem Schutz der deutschen Strafrechtspflege; den Schutz fremdländischer Behörden bezweckt sie nicht, am allerwenigsten solcher Behörden, die völkerrechtswidrig während des Friedens in deutsches Gebiet einbrechen und sich völkerrechts­ widrige Amtsbefugnisse anmaßen, die nur deutschen Be­ hörden zustehen. (III, 10. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 317—318.

112

Strafsachen Bd. 60

118

112. Notstand. Gemeingefährlichkeit. Dauergefahr. Irrtum. (StGB. §§ 54, 59.) Ein Mann mißhandelte

wiederholt seine Frau und seine Tochter in lebensge­ fährlicher Weise. Eines Morgens, als er noch im Bette lag, drohte er seiner Frau, die er am Tage zuvor gegeschlagen hatte, mit einer Fortsetzung von gestern, aber doppelt. Sein Sohn geriet darüber so in Erregung, daß er ihn im Bett erschoß. Er wurde unter Annahme eines Notstandes sreigesprochen. Die Revision des Staats­ anwalts wurde verworfen. Sie war damit begründet, daß unter einer gegenwärtigen Gefahr nur eine durch ein Naturereignis hervorgerusene unmittelbare Gefahr verstanden werden könne, nicht aber die Erwartung künftiger Angriffe, da doch gegen die Angriffe die Not­ wehr gegeben sei. Das Reichsgericht erklärte diese Ein­ schränkung des Begriffs auf die gefährdende Wirkung von Naturkrästen oder Naturereignissen für unrichtig; keine Vorschrift bietet für eine so enge Auslegung irgend­ welche taugliche Handhabe. Der Unterschied der Not­ standsgefahr von den in den Vorschriften über Not­ wehr beabsichtigten Zwangslagen des Handelnden liegt freilich in der Entstehungsursache der Gefährdung, jeboch nicht in dem Sinne, daß die Herbeiführung durch ein Verhalten zurechnungsfähiger Menschen, wie sie dort in Gestalt von Gewalt oder Bedrohung oder von rechts­ widrigen Angriffen vorausgesetzt wird, nicht auch in anderer Gestalt als Begründung einer Notlage im Sinne der Vorschrift über Notstand in Betracht kommen konnte, daß also eine solche Notlage stets auf blindwirkendo Naturkräfte oder ihnen gleichzustellende sonstige Zufälle zurückführbar sein mußte. Auch hier kann vielmehr der Gefahrzustand, sei er von vorübergehender oder dauern­ der Art, in einem schuldhaften, nur eben nicht die Merk­ male eines unmittelbaren Angriffs tragenden Verhalten von Menschen, ja in der allgemein vorhandenen Gefähr­ lichkeit solcher für ihre Mitmenschen seinen Grund ge­ habt haben. So ist schon in den Wühlereien aufruhr­ lustiger Bevölkerungsteile eines Gebiets und in der daraus entstandenen zunehmenden Unsicherheit eine Not­ standsgefahr erblickt worden. Selbst infolge behördlicher Anordnungen oder Unterlassungen können sich ungewollte Mißstände herausbilden, die zu Notstandshandlungen be-

rechtigen. Namentlich kann aber die Rücksichtslosigkeit, Roheit und Gewalttätigkeit eines Familienangehörigen bis zu einem Grad ausbrechen, der sein Betragen, seine ganze Eigenart für die Familie einen dauernden Gefahr­ zustand entstehen läßt, weil nach dem erfahrungsmäßigen Verlauf der Dinge eine an Gewißheit grenzende Wahr­ scheinlichkeit vorliegt, daß er sich aus geringstem Anlaß oder selbst ganz ohne solchen zu schweren Mißhandlungen seiner Angehörigen hinreißen läßt, deren erfolgreiche Abwehr diesen dann nach Lage der Umstände nicht mehr möglich ist. Diese Gestaltung war im gegebenen Falle eingetreten. Diese Fälle werden nicht mehr durch die Vorschriften über Notwehr gedeckt, können aber doch eine nicht geringere Gefährlichkeit aufweisen, als sie aus Naturereignissen oder ähnlichen Zufälligkeiten erwächst. Auch eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben des Angeklagten oder seiner Angehörigen war nachgewiesen, wenn auch in dem Zeitpunkt der Tat selbst Gewalttätig­ keiten nicht zu erwarten waren; nalch den bisherigen Erfahrungen mußte jeden Augenblick mit neuen, grund­ losen Wutanfällen des Vaters und ihren lebensgefähr­ lichen Folgen gerechnet werden. Die rechtzeitig gebotene Abwehr oder Vorkehr läßt sich in einer Lage, wie sie hier gegeben war, nicht nach dem Beginn oder unmittel­ baren Bevorstehen eines bestimmten einzelnen Angriffs beurteilen, sondern nur nach der Bedrohlichkeit, die eine, wenn auch schon längst bestehende Dauergefahr durch allmähliche oder plötzliche Steigerung angenom­ men hat, und die nunmehr eine unverzügliche Abwehr oder Vorkehr erheischt und rechtfertigt. Der einzelne rechtswidrige Angriff, ob nun schon gegenwärtig oder nicht, der nur eine augenblickliche Auswirkung des be­ stehenden Gefahrzustandes, ein Hervortreten der diesem innewohnenden Gefahrenquelle bedeutet, braucht in sol­ chen Fällen nicht abgewartet zu werden, wenn nur die Dauergefahr an sich nach Maßgabe.ihres Entwicklungs­ grades schon zu einer gegenwärtigen (unmittelbar be­ drohlichen) geworden ist. Darin beruht ein wesentlicher Unterschied der Notstandsgefahren und der bei den Vorschriften über die Notwehr berücksichtigten Augen­ blicksgefahren; der Begriff Notstand umfaßt, schon rein sprachlich betrachtet, sowohl Zustände von längerer Dauer.

wie rasch vorübergehende Zustände. Die Dauergefahr für den Angeklagten und seine Angehörigen bestand infolge der Naturanlage und des Gesamtverhaltens des rohen, jähzornigen und verkommenen Vaters schon lange; sie hatte sich mit der Zunahme seiner Gewalttätigkeit und Trunksucht, andererseits der Herzkrankheit der Mut­ ter bis zur Unerträglichkeit gesteigert und erreichte ihren Höhepunkt mit den wüsten Ausschreitungen am Tage vor der Tat und den neuerlichen Bedrohungen der Mutter, bis der Angeklagte in höchster Beängstigung keinen anderen Rat mehr wußte und zur Waffe griff. Er tat dies weniger zu seinem eigenen Schutz, obwohl auch er gefährdet war, als zur Erhaltung des Lebens seiner Mutter und der Gesundheit seiner Schwester, also jedenfalls zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben aller in diesem Notstand befindlichen Personen. Daß der Angeklagte wie auch seine Mutter und Schwester an der Entstehung dieses Notstandes keine Schuld trugen, war einwandfrei festgestellt. Auch die Feststellung, daß die Gefahr auf andere Weise nicht zu beseitigen war, begegnete keinen Rechtsbedenken; weder durch eine (schon mehrfach versuchte) Anrufung der Polizei noch durch Trennung der Hausgemeinschaft, die nicht durchzuführen war, ließ sich ein dauernder Schutz erreichen und ein anderes Berteidigungsmittel als die tätliche Waffe stand dem körperlich schwachen Angeklagten gegen den mit Recht gefürchteten kräftigen Vater nicht zu Gebote. Die Ursachen einer äußersten Zwangslage richtig einzuschätzen ist Sache des Tatrichters; ein Rechts­ irrtum trat nicht zu Tage. (II, 12. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 318—322. Vgl. Bd. 41 S. 214; Bd. 43 S. 342. 113. Gesetzwidrige Vernehmung des Angeklagten. Voruntersuchung. Ausschließung vom Richiteramt. (StPO. §§ 23, 202.) Nach der Zustellung der Anklageschrift ließ sich der in Haft befindliche Angeschuldigte dem Amts­ richter Vorführer: und legte ein Geständnis ab. Der Vor­ sitzende der Strafkammer beauftragte einen Landge­ richtsrat, den Angeklagten eingehend über das Ge­ ständnis zu vernehmen. Das wurde ausgeführt. Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens ließ der Vorsitzende den Angeklagten vorführen und vernahm ihn nochmal.

wie rasch vorübergehende Zustände. Die Dauergefahr für den Angeklagten und seine Angehörigen bestand infolge der Naturanlage und des Gesamtverhaltens des rohen, jähzornigen und verkommenen Vaters schon lange; sie hatte sich mit der Zunahme seiner Gewalttätigkeit und Trunksucht, andererseits der Herzkrankheit der Mut­ ter bis zur Unerträglichkeit gesteigert und erreichte ihren Höhepunkt mit den wüsten Ausschreitungen am Tage vor der Tat und den neuerlichen Bedrohungen der Mutter, bis der Angeklagte in höchster Beängstigung keinen anderen Rat mehr wußte und zur Waffe griff. Er tat dies weniger zu seinem eigenen Schutz, obwohl auch er gefährdet war, als zur Erhaltung des Lebens seiner Mutter und der Gesundheit seiner Schwester, also jedenfalls zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben aller in diesem Notstand befindlichen Personen. Daß der Angeklagte wie auch seine Mutter und Schwester an der Entstehung dieses Notstandes keine Schuld trugen, war einwandfrei festgestellt. Auch die Feststellung, daß die Gefahr auf andere Weise nicht zu beseitigen war, begegnete keinen Rechtsbedenken; weder durch eine (schon mehrfach versuchte) Anrufung der Polizei noch durch Trennung der Hausgemeinschaft, die nicht durchzuführen war, ließ sich ein dauernder Schutz erreichen und ein anderes Berteidigungsmittel als die tätliche Waffe stand dem körperlich schwachen Angeklagten gegen den mit Recht gefürchteten kräftigen Vater nicht zu Gebote. Die Ursachen einer äußersten Zwangslage richtig einzuschätzen ist Sache des Tatrichters; ein Rechts­ irrtum trat nicht zu Tage. (II, 12. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 318—322. Vgl. Bd. 41 S. 214; Bd. 43 S. 342. 113. Gesetzwidrige Vernehmung des Angeklagten. Voruntersuchung. Ausschließung vom Richiteramt. (StPO. §§ 23, 202.) Nach der Zustellung der Anklageschrift ließ sich der in Haft befindliche Angeschuldigte dem Amts­ richter Vorführer: und legte ein Geständnis ab. Der Vor­ sitzende der Strafkammer beauftragte einen Landge­ richtsrat, den Angeklagten eingehend über das Ge­ ständnis zu vernehmen. Das wurde ausgeführt. Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens ließ der Vorsitzende den Angeklagten vorführen und vernahm ihn nochmal.

An der Verhandlung vor dem Schwurgericht nahm auch der Landgerichtsrat teil, der den Angeklagten vernom­ men hatte. Die hierauf gestützte Revision hatte keinen Erfolg. Die sachliche Befassung eines Richters mit einem Straffall gibt grundsätzlich keinen Anlaß, an der Unbe­ fangenheit des Richters zu zweifeln, insbesondere seine Mitwirkung als Mitglied des erkennenden Gerichts für bedenklich zu erachten; nur für den Untersuchungsrichter besteht eine Ausnahme, weil dessen Amt zu erschöpfenden Ermittelungen in der Sache nach selbständigen Ent­ schließungen und nach einem von ihm entworfenen und durchdachten Plan nötigt, vermöge dessen er das gesamte Beweismaterial zusammenträgt, um zur Überführung oder Schuldlosstellung des Angeschuldigten zu gelangen, eine Betätigung, die auf die Unbefangenheit des Urteils wirken und eine Voreingenommenheit für oder gegen den Angeklagten erzeugen kann. Über ihren Wortlaut hinaus ist diese Bestimmung nicht auszulegen. Die Ver­ nehmungen waren auch nicht als Ergänzung der Vor­ untersuchung anzusehen; jene des Landgerichtsrates war vermöge des ihm vorgeschriebenen, engbegrenzten Zweckes und ihres Inhalts von der Betätigung des Unter­ suchungsrichters wesentlich verschieden; jene des Vorsitzen­ den fiel erst nach der Eröffnung des Hauptverfahrens, konnte also überhaupt nicht als Voruntersuchung in Be­ tracht kommen. Zuzugeben war der Revision, daß die beiden Vernehmungen gesetzwidrig waren. Di-e Verneh­ mung durch den Landgerichtsrat hätte nur durch die Strafkammer, nicht durch den Vorsitzenden angeordnet werden dürfen; jene des Vorsitzenden widersprach so­ wohl der Fassung als dem Geiste der Strafprozeßord­ nung, denn nach der Eröffnung des Hauptverfahrens braucht sich der Angeklagte grundsätzlich nur noch unter dem Schutz der öffentlichen Verhandlung auf die gegen ihn erhobene Anklage zu äußern. Auf diesen Mängeln beruhte aber die Verurteilung des Angeklagten nicht. (Feriensenat, 23. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 322—327. Vgl. Bd. 2 S. 91; Bd. 4 S. 341; Bd. 9 S. 285; Bd. 21 S. 285; Bd. 28 S. 358; Bd. 30 S. 400; Bd. 54 S. 316.

114.

Vertretung des

SchwurgerichtSvorsitzenden.

(GBG. § 83.) Sowohl der vom Oberlandesgerichts­ präsidenten ernannte Vorsitzende des Schwurgerichts als

An der Verhandlung vor dem Schwurgericht nahm auch der Landgerichtsrat teil, der den Angeklagten vernom­ men hatte. Die hierauf gestützte Revision hatte keinen Erfolg. Die sachliche Befassung eines Richters mit einem Straffall gibt grundsätzlich keinen Anlaß, an der Unbe­ fangenheit des Richters zu zweifeln, insbesondere seine Mitwirkung als Mitglied des erkennenden Gerichts für bedenklich zu erachten; nur für den Untersuchungsrichter besteht eine Ausnahme, weil dessen Amt zu erschöpfenden Ermittelungen in der Sache nach selbständigen Ent­ schließungen und nach einem von ihm entworfenen und durchdachten Plan nötigt, vermöge dessen er das gesamte Beweismaterial zusammenträgt, um zur Überführung oder Schuldlosstellung des Angeschuldigten zu gelangen, eine Betätigung, die auf die Unbefangenheit des Urteils wirken und eine Voreingenommenheit für oder gegen den Angeklagten erzeugen kann. Über ihren Wortlaut hinaus ist diese Bestimmung nicht auszulegen. Die Ver­ nehmungen waren auch nicht als Ergänzung der Vor­ untersuchung anzusehen; jene des Landgerichtsrates war vermöge des ihm vorgeschriebenen, engbegrenzten Zweckes und ihres Inhalts von der Betätigung des Unter­ suchungsrichters wesentlich verschieden; jene des Vorsitzen­ den fiel erst nach der Eröffnung des Hauptverfahrens, konnte also überhaupt nicht als Voruntersuchung in Be­ tracht kommen. Zuzugeben war der Revision, daß die beiden Vernehmungen gesetzwidrig waren. Di-e Verneh­ mung durch den Landgerichtsrat hätte nur durch die Strafkammer, nicht durch den Vorsitzenden angeordnet werden dürfen; jene des Vorsitzenden widersprach so­ wohl der Fassung als dem Geiste der Strafprozeßord­ nung, denn nach der Eröffnung des Hauptverfahrens braucht sich der Angeklagte grundsätzlich nur noch unter dem Schutz der öffentlichen Verhandlung auf die gegen ihn erhobene Anklage zu äußern. Auf diesen Mängeln beruhte aber die Verurteilung des Angeklagten nicht. (Feriensenat, 23. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 322—327. Vgl. Bd. 2 S. 91; Bd. 4 S. 341; Bd. 9 S. 285; Bd. 21 S. 285; Bd. 28 S. 358; Bd. 30 S. 400; Bd. 54 S. 316.

114.

Vertretung des

SchwurgerichtSvorsitzenden.

(GBG. § 83.) Sowohl der vom Oberlandesgerichts­ präsidenten ernannte Vorsitzende des Schwurgerichts als

auch der vom Landgerichtspräsidenten ernannte Stell­ vertreter waren durch andere Arbeit stark in Anspruch genommen; der Landgerichtspräsident ernannte deshalb einen anderen Richter zum Stellvertreter und dieser« führte den Vorsitz in sämtlichen Sitzungen des Schwur­ gerichts. Das gab Anlaß zur Aufhebung eines unter seinem Vorsitz erlassenen Urteils. Es steht zwar im pflichtgemäßen Ermessen der Justizverwaltung, zu prüfen, ob ein Richter an der Ausübung seines Amtes verhindert ist; die Ersetzung des verhinderten Richters muß aber durch das gerichtsverfassungsmäßig zuständige, Organ geschehen. Wenn der erstgenannte Vorsitzende völlig aus­ fällt, muß ein Nachfolger vom Oberlandesgerichtspräsidenten ernannt werden. Er ist in diesem Fall nicht mehr vorhanden, kann also auch nicht vertreten werden. (Feriensenat, 23. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 327—329. Vgl. Bd. 40 S. 268.

115. Gemeinschaftliches Schöffengericht. Berufungs­ einlegung. (GVG. § 30; StPO. § 314.) Für die Amts­ gerichtsbezirke R. und D. wurde ein gemeinschaftliches Schöffengericht mit dem Sitz in R. gebildet; als dessen Vorsitzender wurde ein Amtsrichter des Amtsgerichts D. berufen. Die Staatsanwaltschaft legte gegen ein Urteil des gemeinschaftlichen Schöffengerichts Berufung ein und ließ den Schriftsatz dem Vorsitzenden in seinem Amts­ zimmer in D. vorlegen; dort nahm er ihn auch ent­ gegen. Damit war die Berufung rechtswirksam einge­ legt. Eine schriftlich eingelegte Berufung muß innerhalb der Frist an einen zur Empfangnahme des Schriftstücks befugten Beamten des Gerichts erster Instanz gelangen. Zu diesen Beamten gehört auch der Vorsitzende, da dieser alle außerhalb der Hauptverhandlung erforder­ lichen Entscheidungen zu erlassen, als Vertreter des Ge­ richts erster Instanz auch über die Rechtzeitigkeit der Berufung vorab zu befinden hat. Daß dem Vorsitzenden die Berufungsschrift in D., nicht in R. übergeben wurde, machte nichts aus; die Vorschrift, daß das Rechtsmittel bei dem Gericht einzulegen ist, besagt nicht, daß diese wirksam nicht anders als in den Räumen des Gerichts­ gebäudes geschehen dürfe, vielmehr genügt jede in Aus­ übung des Dienstes erfolgte Entgegennahme. Aus der

auch der vom Landgerichtspräsidenten ernannte Stell­ vertreter waren durch andere Arbeit stark in Anspruch genommen; der Landgerichtspräsident ernannte deshalb einen anderen Richter zum Stellvertreter und dieser« führte den Vorsitz in sämtlichen Sitzungen des Schwur­ gerichts. Das gab Anlaß zur Aufhebung eines unter seinem Vorsitz erlassenen Urteils. Es steht zwar im pflichtgemäßen Ermessen der Justizverwaltung, zu prüfen, ob ein Richter an der Ausübung seines Amtes verhindert ist; die Ersetzung des verhinderten Richters muß aber durch das gerichtsverfassungsmäßig zuständige, Organ geschehen. Wenn der erstgenannte Vorsitzende völlig aus­ fällt, muß ein Nachfolger vom Oberlandesgerichtspräsidenten ernannt werden. Er ist in diesem Fall nicht mehr vorhanden, kann also auch nicht vertreten werden. (Feriensenat, 23. Juli 1926.) Amtl. Sammlg. S. 327—329. Vgl. Bd. 40 S. 268.

115. Gemeinschaftliches Schöffengericht. Berufungs­ einlegung. (GVG. § 30; StPO. § 314.) Für die Amts­ gerichtsbezirke R. und D. wurde ein gemeinschaftliches Schöffengericht mit dem Sitz in R. gebildet; als dessen Vorsitzender wurde ein Amtsrichter des Amtsgerichts D. berufen. Die Staatsanwaltschaft legte gegen ein Urteil des gemeinschaftlichen Schöffengerichts Berufung ein und ließ den Schriftsatz dem Vorsitzenden in seinem Amts­ zimmer in D. vorlegen; dort nahm er ihn auch ent­ gegen. Damit war die Berufung rechtswirksam einge­ legt. Eine schriftlich eingelegte Berufung muß innerhalb der Frist an einen zur Empfangnahme des Schriftstücks befugten Beamten des Gerichts erster Instanz gelangen. Zu diesen Beamten gehört auch der Vorsitzende, da dieser alle außerhalb der Hauptverhandlung erforder­ lichen Entscheidungen zu erlassen, als Vertreter des Ge­ richts erster Instanz auch über die Rechtzeitigkeit der Berufung vorab zu befinden hat. Daß dem Vorsitzenden die Berufungsschrift in D., nicht in R. übergeben wurde, machte nichts aus; die Vorschrift, daß das Rechtsmittel bei dem Gericht einzulegen ist, besagt nicht, daß diese wirksam nicht anders als in den Räumen des Gerichts­ gebäudes geschehen dürfe, vielmehr genügt jede in Aus­ übung des Dienstes erfolgte Entgegennahme. Aus der

Bildung des gemeinschaftlichen Schöffengerichts in R. und der Berufung eines Amtsrichters in D. zu seinem Vorsitzenden ergab sich ohne weiteres, daß dieser seine dienstlichen Obliegenheiten auch in D. wahrnehmen konnte. (Feriensenat, 6. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 320-331. 116. Landfriedensbruch. Zusammenrottung. Rädels­ führer. (StGB. § 125.) Am Tage der Reichspräsi­ dentenwahl zogen etwa 30 Angehörige des Roten Front­ kämpferbundes, von denen etwa die Hälfte aus A., die andere Hälfte aus D. stammte, unter Führung eines Mannes aus A. von dort nach D. in der Absicht, An­ gehörige der nationalen Verbände, besonders des Stahl­ helm, zu überfallen und zu verprügeln. Der Führer ließ zunächst die Leute aus A. zurückbleiben, zog mit den Leuten aus D). dort hinein und forschte aus, wo die Stahlhelmleute versammelt waren; er ließ dann die Leute aus A. auffordern nachzukommen, nahm die Auf­ forderung aber alsbald wieder zurück. Die Zurücknahme erreichte die Leute nicht mehr, so daß sie in den Ort eindrangen, dort Stahlhelmleute angriffen und einen von ihnen so schwer mißhandelten, daß er in Siechtum verfiel. Die Verurteilung des Führers als Rädels­ führer bei einem Landfriedensbruch wurde bestätigt. Rädelsführer bei einem Landfriedensbruch kann nur sein, wer an der Zusammenrottung teilnimmt. Er muß sich der öffentlich zusammengerotteten Menschenmenge angeschlossen und mit dem Bewußtsein, daß es seitens der Menge zu Gewalttätigkeiten kommen wird oder kommen könne, einen Teil von ihr gebildet haben. Eine Teilnahme an den Gewalttätigkeiten selbst ist nicht er­ forderlich. Durch den Anschluß an die gewalttätig vor­ gehende Menge wird die Strafbarkeit auch jener Teil­ nehmer der Zusammenrottung begründet, die für ihre Person der Begehung von Gewalttätigkeiten widerstreben. Ein bloßes Tätigwerden für die zusammengerottete Menge, sei es auch als deren geistiger Leiter, genügt nicht; wer sich der Menge fernhält, ist trotz der Unter­ stützung, die er ihr durch Rat oder Tat zuteil werden läßt, nicht Teilnehmer an der Zusammenrottung. Die räumliche Geschlossenheit der Teilnehmer braucht aber keineswegs so eng zu sein, daß sie körperliche Fühlung

Bildung des gemeinschaftlichen Schöffengerichts in R. und der Berufung eines Amtsrichters in D. zu seinem Vorsitzenden ergab sich ohne weiteres, daß dieser seine dienstlichen Obliegenheiten auch in D. wahrnehmen konnte. (Feriensenat, 6. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 320-331. 116. Landfriedensbruch. Zusammenrottung. Rädels­ führer. (StGB. § 125.) Am Tage der Reichspräsi­ dentenwahl zogen etwa 30 Angehörige des Roten Front­ kämpferbundes, von denen etwa die Hälfte aus A., die andere Hälfte aus D. stammte, unter Führung eines Mannes aus A. von dort nach D. in der Absicht, An­ gehörige der nationalen Verbände, besonders des Stahl­ helm, zu überfallen und zu verprügeln. Der Führer ließ zunächst die Leute aus A. zurückbleiben, zog mit den Leuten aus D). dort hinein und forschte aus, wo die Stahlhelmleute versammelt waren; er ließ dann die Leute aus A. auffordern nachzukommen, nahm die Auf­ forderung aber alsbald wieder zurück. Die Zurücknahme erreichte die Leute nicht mehr, so daß sie in den Ort eindrangen, dort Stahlhelmleute angriffen und einen von ihnen so schwer mißhandelten, daß er in Siechtum verfiel. Die Verurteilung des Führers als Rädels­ führer bei einem Landfriedensbruch wurde bestätigt. Rädelsführer bei einem Landfriedensbruch kann nur sein, wer an der Zusammenrottung teilnimmt. Er muß sich der öffentlich zusammengerotteten Menschenmenge angeschlossen und mit dem Bewußtsein, daß es seitens der Menge zu Gewalttätigkeiten kommen wird oder kommen könne, einen Teil von ihr gebildet haben. Eine Teilnahme an den Gewalttätigkeiten selbst ist nicht er­ forderlich. Durch den Anschluß an die gewalttätig vor­ gehende Menge wird die Strafbarkeit auch jener Teil­ nehmer der Zusammenrottung begründet, die für ihre Person der Begehung von Gewalttätigkeiten widerstreben. Ein bloßes Tätigwerden für die zusammengerottete Menge, sei es auch als deren geistiger Leiter, genügt nicht; wer sich der Menge fernhält, ist trotz der Unter­ stützung, die er ihr durch Rat oder Tat zuteil werden läßt, nicht Teilnehmer an der Zusammenrottung. Die räumliche Geschlossenheit der Teilnehmer braucht aber keineswegs so eng zu sein, daß sie körperliche Fühlung

miteinander haben; auch eine ausgeschwärmte Rotte kann noch als Rotte wirken, soferne die Möglichkeit, durch räumliches Zusammenhalten als Menschenmenge mit vereinten Kräften bedrohlich aufzutreten, nicht auf­ gegeben ist. Das kann besonders dann zutreffen, wenn es sich nicht um einen durch zufälliges Zusammenströmen gebildeten Haufen handelt, sondern um Teilnehmer eines gemeinsamen Unternehmens, das unter fester Führung steht. Daß im gegebenen Fall von vornherein die Ab­ sicht bestand, mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten zu verüben, war festgestellt. Wenn auch der Angeklagte nicht bei der Gruppe war, welche diese Gewalttätig­ keiten verübte, sondern einige hundert Meter entfernt mit den Leuten aus D. stand, hatte er doch den räum­ lichen Zusammenhang mit den Leuten aus A. nicht ver­ loren. Ob zur Aufrechterhaltung dieses Zusammenhangs genügte, daß er die Führung innehatte und durch seine Läufer in ständiger Fühlung mit der Gruppe stand, konnte dahingestellt bleiben, da er der Sache nahe genug war, um von Beginn und Ende der Schlägerei Kenntnis zu erlangen und, falls die Leute aus A. unterlegen wären, mit den Leuten aus D. einzugreifen. Demgemäß waren die beiden Gruppen als eine einheitlich zusammen­ gerottete Menschenmenge und der Angeklagte als ihr Rädelsführer anzusehen. Ob er voraussehen konnte, daß es zu so schweren Mißhandlungen kommen würde, war ohne Belang. Auch die Zurücknahme der Aufforde­ rung zum Eindringen machte ihn nicht straflos; sie war nur erfolgt, weil er sie für verfrüht hielt, nicht, weil er Gewalttätigkeiten verhüten wollte. (Feriensenat, 9. September 1962.) Amtl. Sammlg. S. 331—335. Vgl. Bd. 56 S. 281; Bd. 58 S. 207. 117. Beleidigung. Wahrnehmung berechtigter In­ teressen. (StGB. §§ 185, 193.) Wegen der an einen Beamten gerichteten Aufforderung: „Scheren Sie sich weg!" erfolgte Verurteilung wegen Beleidigung. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß jene der Wahrnehmung be­ rechtigter Interessen dienende Wendung nur den Inhalt der Äußerung darstelle, daß also zur Verurteilung auch noch die Feststellung einer darüber hinausgehen-

miteinander haben; auch eine ausgeschwärmte Rotte kann noch als Rotte wirken, soferne die Möglichkeit, durch räumliches Zusammenhalten als Menschenmenge mit vereinten Kräften bedrohlich aufzutreten, nicht auf­ gegeben ist. Das kann besonders dann zutreffen, wenn es sich nicht um einen durch zufälliges Zusammenströmen gebildeten Haufen handelt, sondern um Teilnehmer eines gemeinsamen Unternehmens, das unter fester Führung steht. Daß im gegebenen Fall von vornherein die Ab­ sicht bestand, mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten zu verüben, war festgestellt. Wenn auch der Angeklagte nicht bei der Gruppe war, welche diese Gewalttätig­ keiten verübte, sondern einige hundert Meter entfernt mit den Leuten aus D. stand, hatte er doch den räum­ lichen Zusammenhang mit den Leuten aus A. nicht ver­ loren. Ob zur Aufrechterhaltung dieses Zusammenhangs genügte, daß er die Führung innehatte und durch seine Läufer in ständiger Fühlung mit der Gruppe stand, konnte dahingestellt bleiben, da er der Sache nahe genug war, um von Beginn und Ende der Schlägerei Kenntnis zu erlangen und, falls die Leute aus A. unterlegen wären, mit den Leuten aus D. einzugreifen. Demgemäß waren die beiden Gruppen als eine einheitlich zusammen­ gerottete Menschenmenge und der Angeklagte als ihr Rädelsführer anzusehen. Ob er voraussehen konnte, daß es zu so schweren Mißhandlungen kommen würde, war ohne Belang. Auch die Zurücknahme der Aufforde­ rung zum Eindringen machte ihn nicht straflos; sie war nur erfolgt, weil er sie für verfrüht hielt, nicht, weil er Gewalttätigkeiten verhüten wollte. (Feriensenat, 9. September 1962.) Amtl. Sammlg. S. 331—335. Vgl. Bd. 56 S. 281; Bd. 58 S. 207. 117. Beleidigung. Wahrnehmung berechtigter In­ teressen. (StGB. §§ 185, 193.) Wegen der an einen Beamten gerichteten Aufforderung: „Scheren Sie sich weg!" erfolgte Verurteilung wegen Beleidigung. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß jene der Wahrnehmung be­ rechtigter Interessen dienende Wendung nur den Inhalt der Äußerung darstelle, daß also zur Verurteilung auch noch die Feststellung einer darüber hinausgehen-

den beleidigenden Form nötig sei. Damit war Form und Inhalt verwechselt. Einen strafbaren Inhalt hatte die Äußerung überhaupt nicht; die Beleidigung lag aus­ schließlich in der mißachtenden Form einer an sich straf­ losen Bemerkung. Nur durch diese Form gab der An­ geklagte dem Beamten seine Mißachtung kund und nur ihretwegen wurde er verurteilt. An rein formalen Be­ leidigungen erkennt das Gesetz überhaupt kein berechtig­ tes Interesse an; Äußerungen, die ausschließlich durch die Form die Mißachtung kundgeben, genießen nicht den Schutz des § 193 StGB. (III, 16. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 335—336. 118. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Militä­ rische Wachen und Streifen. Militärische Vorgesetzte. Durchsuchung. Unrechtmäßige Dienstausübung. Drohung.

(StGB. 88 112, 113, 114; MStGB. 8§ Hl, 125; StPO. 88 105, 433; MStGB. § 180; NG. über die Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit 8 9; Standort­ dienstvorschriften Nr. 87, 89, 96, 97.) Ein Unteroffizier der Reichswehr erhielt den Befehl, mit einer Streife in mehreren Wirtschaften nachzusehen, ob sich dort Sol­ daten befanden, die keinen Urlaub hatten. In einer Wirtschaft fand eine Festlichkeit der Ortsgruppe des Vereins Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold statt. Der Unteroffizier sah vom Vorraum des Saales aus, daß sich in diesem mehrere Soldaten befanden, die ihm nur zum Teil bekannt waren. Nachdem er im Borraum die Namen der ihm bekannten Soldaten ausgeschrieben hatte, trat er in den Saal und suchte dort die Namen der übrigen Soldaten zu erfahren. Ein Teilnehmer der Fest­ lichkeit fragte ihn, weshalb er die Namen wissen woUe; als er erwiderte, daß er Befehl habe, wegen des Urlaubs zu kontrollieren, erklärte er ihm: „Unterlassen Sie das Aufschreiben! Ich werde selbst diie Namen derer, die keinen Urlaub hatten, feststellen und mit­ teilen!" Ein anderer Teilnehmer äußerte zu seiner Um­ gebung: „Wir müssen ganz energisch gegen die Patrouille vorgehen." Der Unteroffizier wandte sich hierauf tele­ phonisch an den Offizier vom Ortsdienst; dieser ordnete eine Durchsuchung des Festsaales an. Der eine Teil­ nehmer, der dem Unteroffizier entgegengetreten war, erklärte darauf dem Offizier, er werde sich beim RegieNGE., Strafsachen Bd. 60. 9

den beleidigenden Form nötig sei. Damit war Form und Inhalt verwechselt. Einen strafbaren Inhalt hatte die Äußerung überhaupt nicht; die Beleidigung lag aus­ schließlich in der mißachtenden Form einer an sich straf­ losen Bemerkung. Nur durch diese Form gab der An­ geklagte dem Beamten seine Mißachtung kund und nur ihretwegen wurde er verurteilt. An rein formalen Be­ leidigungen erkennt das Gesetz überhaupt kein berechtig­ tes Interesse an; Äußerungen, die ausschließlich durch die Form die Mißachtung kundgeben, genießen nicht den Schutz des § 193 StGB. (III, 16. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 335—336. 118. Widerstand gegen die Staatsgewalt. Militä­ rische Wachen und Streifen. Militärische Vorgesetzte. Durchsuchung. Unrechtmäßige Dienstausübung. Drohung.

(StGB. 88 112, 113, 114; MStGB. 8§ Hl, 125; StPO. 88 105, 433; MStGB. § 180; NG. über die Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit 8 9; Standort­ dienstvorschriften Nr. 87, 89, 96, 97.) Ein Unteroffizier der Reichswehr erhielt den Befehl, mit einer Streife in mehreren Wirtschaften nachzusehen, ob sich dort Sol­ daten befanden, die keinen Urlaub hatten. In einer Wirtschaft fand eine Festlichkeit der Ortsgruppe des Vereins Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold statt. Der Unteroffizier sah vom Vorraum des Saales aus, daß sich in diesem mehrere Soldaten befanden, die ihm nur zum Teil bekannt waren. Nachdem er im Borraum die Namen der ihm bekannten Soldaten ausgeschrieben hatte, trat er in den Saal und suchte dort die Namen der übrigen Soldaten zu erfahren. Ein Teilnehmer der Fest­ lichkeit fragte ihn, weshalb er die Namen wissen woUe; als er erwiderte, daß er Befehl habe, wegen des Urlaubs zu kontrollieren, erklärte er ihm: „Unterlassen Sie das Aufschreiben! Ich werde selbst diie Namen derer, die keinen Urlaub hatten, feststellen und mit­ teilen!" Ein anderer Teilnehmer äußerte zu seiner Um­ gebung: „Wir müssen ganz energisch gegen die Patrouille vorgehen." Der Unteroffizier wandte sich hierauf tele­ phonisch an den Offizier vom Ortsdienst; dieser ordnete eine Durchsuchung des Festsaales an. Der eine Teil­ nehmer, der dem Unteroffizier entgegengetreten war, erklärte darauf dem Offizier, er werde sich beim RegieNGE., Strafsachen Bd. 60. 9

118______________ Strafsachen Bd. 60_____________ 126 rungspräsidenten und beim Minister beschweren; darauf­ hin unterblieb die Durchsuchung. Das Landgericht ver­ urteilte wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt. DaS Reichsgericht verwies die Sache zurück. Die militäri­ schen Vorgesetzten haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die Polizei- und Sicherheitsbeamten, welche als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft deren Anordnungen Folge zu leisten haben; sie haben insbesondere das Recht und die Pflicht, strafbare Handlungen von Untergebenen zu erforschen und alle Anordnungen zu erlassen, um eine Verdunkelung der Sache zu verhüten, Untergebene, vorläufig sestzunehmen, Gegenstände von Untergebenen zu beschlagnahmen und bei Untergebenen, wenn Gefahr im Verzug ist, Durchsuchungen vorzunehmen. Militäri­ sche Vorgesetzte sind Personen, die berechtigt sind, Be­ fehle in Dienstsachen zu erteilen. Unteroffiziere des Reichsheeres und der Reichsmarine sind Vorgesetzte aller Mannschaften des Reichsheeres und der Reichsmarine. Auch militärische Wachen sind berechtigt, Befehle in Dienstsachen zu erteilen; sie sind allen Soldaten über­ geordnet, die sich nicht im Wachdienst befinden, selbst solchen, die einen höheren Rang einnehmen, stehen aber nur in gewissen Beziehungen den militärischen Vorge­ setzten gleich. Ein Recht der Durchsuchung haben sie nicht. Die Anordnung der Durchsuchung kommt dem Richter zu, bei Gefahr im Verzug auch der Staats­ anwaltschaft und den Polizei- und Sicherheitsbeamten, die als Hilfsbeamte deren Anordnungen Folge zu leisten haben; diesen Beamten sind die Vorgesetzten der mili­ tärischen Wachen und andere militärische Vorgesetzte, nicht aber die militärischen Wachen als solche gleichge­ stellt. Der Unteroffizier war in der Wirtschaft nicht als Vorgesetzter, sondern als Streifenführer aufgetreten. Er hatte Befehl, die Wirtschaft zu kontrollieren; hierin war der Befehl eingeschlossen, nach dem Zapfenstreich sestzusteUen, ob die noch in der Wirtschaft befindlichen Soldaten beurlaubt waren, sie auch nötigenfalls zur Feststellung ihrer Persönlichkeit und ihrer Bestrafung festzunehmen; zu der Festnahme von Soldaten, die sich nach dem Zapfenstreich unberechtigt außerhalb ihrer Quartiere aufyalten, ist die Streife an und für sich befugt. Die Aufforderung, das Aufschreiben der Sol-

baten zu unterlassen, erfüllte demgemäß bett Tatbestand des § 112 StGB., die Erklärung, man müsse energisch gegen die Patrouille Vorgehen, den Tatbestand des § 113 StGB. Zu prüfen war aber, ob sich der Unter­ offizier mit Recht im Festsaal aufhielt. War der Saal jedermann zugänglich, so durfte auch die Streife in ihn eintreten und Diensthandlungen dort vornehmen; wurde er aber nur von einer geschlossenen Gesellschaft benutzt, so bedurfte die Streife zum Eintritt ohne Zustimmung der Gesellschaft eines Befehls des Offiziers vom Orts­ dienst. Ein solcher Befehl war nicht erteilt worden. Wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig war, konnte auch kein strafbarer Widerstand gegen sie verübt werden. Der Offizier vom Ortsdienst war kein zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anordnungen der Ver­ waltungsbehörden oder von Urteilen und Verfügungen der Gerichte berufener Beamter; aus diesem Grunde erfüllt die ihm gegenüber gebrauchte Äußerung nicht den Tatbestand des § 113 StGB. Dagegen war er als ein Beamter im Sinne des § 114 StGB, anzusehen. Als Offizier vom Ortsdienst war er militärischer Vorgesetzter der vom Unteroffizier geführten Straßenstreife, hatte in dieser Eigenschaft die Befugnisse eines Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft, also auch das Recht, Durchsuchungen anzuordnen. Da es sich um eine Verfolgung auf frischer Tat handelte und Gefahr im Verzug vorlag, durfte er die Durchsuchung des Festsaales auch zur Nachtzeit ver­ fügen. Ob sie im gegebenen Fall veranlaßt war, machte nichts aus; es kommt nur auf die allgemeine sachliche und örtliche Zuständigkeit des Beamten an, der sie anordnet. Die Strafbarkeit des Verhaltens des Ange­ klagten wurde auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die angeordnete Amtshandlung schon begonnnen war; in dem Zeitpunkt, da die Drohung fiel, war sie zum Still­ stand gekommen. Zur Erfüllung des Tatbestandsmerk­ mals der Drohung genügte jede Ankündigung eines Übels, auch eines solchen, dessen Zufügung erlaubt ist. Auch die Drohung mit einer Beschwerde kann hiefür aus­ reichen, wenn mit dieser nicht bloß die Herbeiführung anderweitiger sachlicher Entscheidung, sondern die Zu­ fügung von Nachteilen für den Beamten persönlich oder für die von ihm zu wahrenden Dienstinteressen er» 9*

strebt wird. Im vorliegenden Fall konnte aus der An­ kündigung, den Regierungspräsidenten anzurufen, ge­ schlossen werden, daß es dem Angeklagten nicht oder wenigstens nicht ausschließlich darauf ankam, eine andere sachliche Entscheidung herbeizuführen, sondern daß er auch noch andere Zwecke mit seiner Ankündigung ver­ folgte; ob das zutraf, war noch zu prüfen. (Ferien­ senat, 13. August 1926.) Amtl. Sammlg. S. 337-344. Vgl. Bd. 2 S. 423; Bd. 3 S. 14; Bd. 18 S. 350; Bd. 20 S. 35; Bd. 29 S. 15; Bd. 39 S. 266; Bd. 46 S. 106; Bd. 47 S. 270; Bd. 54 S. 152; Bd. 55 S. 37; Bd. 56 S. 22, 46.

119. Konterbande. Zollhinterziehung. Tateinheit. Strafenhäufung. Bandenschmuggel. Strafschärfung. (BZG. §§ 134, 135, 146, 158; TabStG. § 27; PaßStrBO. vom 6. April 1923.) Mehrere Personen brach­ ten an einer Stelle, die sie für unbewacht hielten, Tabak und andere Waren über die Grenze, um diese teils gegen die bestehenden Einfuhrverbote, teils unter Vermeidung des Zolles dem freien Jnlandsverkehr zuzusühren. Nur eine von ihnen wurde festgenommen. Sie wurde wegen verbotener Einfuhr von Tabakwaren und wegen Zollhinterziehung hinsichtlich der anderen Waren je zu einer Geldstrafe, ersatzweise zu einer Frei­ heitsstrafe verurteilt; außerdem wurde auf Einziehung der beschlagnahmten Waren und wegen Bandenschmug­ gels auf eine Gefängnisstrafe von einem Monat er­ kannt. Die Revision der Staatsanwaltschaft bekämpfte, daß die Strafe wegen Konterbande und Zollhinter­ ziehung nicht allein aus dem schwereren Strafgesetz bestimmt worden war. Sie hatte keinen Erfolg. Konter­ bande und Zollhinterziehung können tateinheitlich Zu­ sammentreffen, wenn einfuhrverbotene mit einfuhrer­ laubten, aber zollpflichtigen Gegenständen durch dieselbe Handlung eingeschmuggelt werden. Auch in diesem Fall hat entsprechend dem § 158 VZG. Strafenhäufung ein­ zutreten. Eine andere Sachbehandlung wäre widersinnig; sie würde darauf hinauslaufen, daß der Täter wegen des einen der beiden Zollvergehen, auch wenn dieses das andere an Umfang noch so sehr überwöge, straffrei ausginge, da eS begrifflich ausgeschlossen wäre, den

Gegenstand des einen dem des anderen Vergehens hinzu-

strebt wird. Im vorliegenden Fall konnte aus der An­ kündigung, den Regierungspräsidenten anzurufen, ge­ schlossen werden, daß es dem Angeklagten nicht oder wenigstens nicht ausschließlich darauf ankam, eine andere sachliche Entscheidung herbeizuführen, sondern daß er auch noch andere Zwecke mit seiner Ankündigung ver­ folgte; ob das zutraf, war noch zu prüfen. (Ferien­ senat, 13. August 1926.) Amtl. Sammlg. S. 337-344. Vgl. Bd. 2 S. 423; Bd. 3 S. 14; Bd. 18 S. 350; Bd. 20 S. 35; Bd. 29 S. 15; Bd. 39 S. 266; Bd. 46 S. 106; Bd. 47 S. 270; Bd. 54 S. 152; Bd. 55 S. 37; Bd. 56 S. 22, 46.

119. Konterbande. Zollhinterziehung. Tateinheit. Strafenhäufung. Bandenschmuggel. Strafschärfung. (BZG. §§ 134, 135, 146, 158; TabStG. § 27; PaßStrBO. vom 6. April 1923.) Mehrere Personen brach­ ten an einer Stelle, die sie für unbewacht hielten, Tabak und andere Waren über die Grenze, um diese teils gegen die bestehenden Einfuhrverbote, teils unter Vermeidung des Zolles dem freien Jnlandsverkehr zuzusühren. Nur eine von ihnen wurde festgenommen. Sie wurde wegen verbotener Einfuhr von Tabakwaren und wegen Zollhinterziehung hinsichtlich der anderen Waren je zu einer Geldstrafe, ersatzweise zu einer Frei­ heitsstrafe verurteilt; außerdem wurde auf Einziehung der beschlagnahmten Waren und wegen Bandenschmug­ gels auf eine Gefängnisstrafe von einem Monat er­ kannt. Die Revision der Staatsanwaltschaft bekämpfte, daß die Strafe wegen Konterbande und Zollhinter­ ziehung nicht allein aus dem schwereren Strafgesetz bestimmt worden war. Sie hatte keinen Erfolg. Konter­ bande und Zollhinterziehung können tateinheitlich Zu­ sammentreffen, wenn einfuhrverbotene mit einfuhrer­ laubten, aber zollpflichtigen Gegenständen durch dieselbe Handlung eingeschmuggelt werden. Auch in diesem Fall hat entsprechend dem § 158 VZG. Strafenhäufung ein­ zutreten. Eine andere Sachbehandlung wäre widersinnig; sie würde darauf hinauslaufen, daß der Täter wegen des einen der beiden Zollvergehen, auch wenn dieses das andere an Umfang noch so sehr überwöge, straffrei ausginge, da eS begrifflich ausgeschlossen wäre, den

Gegenstand des einen dem des anderen Vergehens hinzu-

129_______________Strafsachen Bd. 60_____________ 120 zurechnen. Anderseits war es richtig, daß auf die Schär­ fungsstrafe wegen Bandenschmuggels nur einmal er­ kannt wurde. Sie hat ihren Grund darin, daß bei Ban­ denschmuggel eine größere Rechts- und Sicherheits­ gefährdung gegeben ist. Bei einer im natürlichen Sinn einheitlichen Betätigung des Einzelnen kann dieses Ge­ fährdungsmoment in seiner Person nur einmal er­ wachsen und deshalb auch dann nur einmal zur Straf­ schärfung führen, wenn sein Tun im rechtlichen Sinne mehrere Straftatbestände umfaßt. (III, 20. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 344—346. Vgl. Bd. 47 S. 377; Bd. 49 S. 401; Bd. 60 S. 171. 120. Anstiftung zur Begünstigung des Anstifters. Straflose Selbstbegünstigung. (StGB. §§ 48, 257;

StPO. § 57.) Ein Fleischerlehrling stahl seinem Meister Wurst und verkaufte sie an einen Bekannten, der von dem Diebstahl Kenntnis hatte. Das Strafverfahren wegen Hehlerei endigte mit Freisprechung, weil der wegen Verdachts der Teilnahme unbeeidigt vernommene Lehrling bekundete, er habe die Wurst nicht an den An­ geklagten verkauft. Zu dieser wahrheitswidrigen Aussage war er von dem Angeklagten angestiftet worden; er widerrief sie später, deckte den Sachverhalt auf und wurde wegen Begünstigung verurteilt. In dem Ver­ fahren wegen Anstiftung zur Begünstigung wurde der Angeklagte in zwei Instanzen freigesprochen, weil es sich um straflose Selbstbegünstigung gehandelt habe. Die Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Die Anstif­ tung des Lehrlings wäre dann straflos gewesen, wenn der Angestiftete selbst straflos gehandelt hätte, wenn er nämlich durch seine Zeugenaussage lediglich oder min­ destens zugleich seiner eigenen Bestrafung wegen Dieb­ stahls hätte entgehen wollen; dann wäre auf seiner Seite eine Selbstbegünstigung gegeben gewesen, die weder an ihm noch folgerichtig an seinem Anstifter hätte ge­ ahndet werden können. Das traf aber hier nicht zu. Die Aussage des Lehrlings belastete diesen nicht; sie bezweckte lediglich, den Angeklagten zu entlasten. Der Lehrling wurde deshalb mit Recht wegen Begünsti­ gung des Angeklagten bestraft und ebenso mußte diesen die Strafe des Anstifters treffen, dessen Tat auch dadurch der Strafbarkeit nicht entkleidet wurde, daß sie ihn vor

129_______________Strafsachen Bd. 60_____________ 120 zurechnen. Anderseits war es richtig, daß auf die Schär­ fungsstrafe wegen Bandenschmuggels nur einmal er­ kannt wurde. Sie hat ihren Grund darin, daß bei Ban­ denschmuggel eine größere Rechts- und Sicherheits­ gefährdung gegeben ist. Bei einer im natürlichen Sinn einheitlichen Betätigung des Einzelnen kann dieses Ge­ fährdungsmoment in seiner Person nur einmal er­ wachsen und deshalb auch dann nur einmal zur Straf­ schärfung führen, wenn sein Tun im rechtlichen Sinne mehrere Straftatbestände umfaßt. (III, 20. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 344—346. Vgl. Bd. 47 S. 377; Bd. 49 S. 401; Bd. 60 S. 171. 120. Anstiftung zur Begünstigung des Anstifters. Straflose Selbstbegünstigung. (StGB. §§ 48, 257;

StPO. § 57.) Ein Fleischerlehrling stahl seinem Meister Wurst und verkaufte sie an einen Bekannten, der von dem Diebstahl Kenntnis hatte. Das Strafverfahren wegen Hehlerei endigte mit Freisprechung, weil der wegen Verdachts der Teilnahme unbeeidigt vernommene Lehrling bekundete, er habe die Wurst nicht an den An­ geklagten verkauft. Zu dieser wahrheitswidrigen Aussage war er von dem Angeklagten angestiftet worden; er widerrief sie später, deckte den Sachverhalt auf und wurde wegen Begünstigung verurteilt. In dem Ver­ fahren wegen Anstiftung zur Begünstigung wurde der Angeklagte in zwei Instanzen freigesprochen, weil es sich um straflose Selbstbegünstigung gehandelt habe. Die Revision des Staatsanwalts hatte Erfolg. Die Anstif­ tung des Lehrlings wäre dann straflos gewesen, wenn der Angestiftete selbst straflos gehandelt hätte, wenn er nämlich durch seine Zeugenaussage lediglich oder min­ destens zugleich seiner eigenen Bestrafung wegen Dieb­ stahls hätte entgehen wollen; dann wäre auf seiner Seite eine Selbstbegünstigung gegeben gewesen, die weder an ihm noch folgerichtig an seinem Anstifter hätte ge­ ahndet werden können. Das traf aber hier nicht zu. Die Aussage des Lehrlings belastete diesen nicht; sie bezweckte lediglich, den Angeklagten zu entlasten. Der Lehrling wurde deshalb mit Recht wegen Begünsti­ gung des Angeklagten bestraft und ebenso mußte diesen die Strafe des Anstifters treffen, dessen Tat auch dadurch der Strafbarkeit nicht entkleidet wurde, daß sie ihn vor

121_______________ Strafsachen Bd. 60______________ 130 der Bestrafung seiner eigenen Bortat, der Hehlerei, schützen sollte. Straflos ist freilich die Selbstbegünstigung an sich, nämlich jenes Handeln eines Täters, wodurch er sich aus eigener Kraft, ohne strafbares Zu­ tun eines anderen seiner Strafe zu entziehen sucht, weil niemand gesetzlich verpflichtet ist, sich der Bestrafung auszuliefern, und weil mithin das Verhindern eines Zugriffs der Staatsgewalt als solches noch keinen straf­ baren Tatbestand bildet. Insbesondere kann der Täter oder Teilnehmer eines Verbrechens oder Vergehens nicht auch Täter einer dieselbe Tat betreffenden Begünstigung sein, denn die Begünstigung setzt eine andere Person als Bortäter voraus; Selbstverteidigung ist keine Begünsti­ gung. Allein die Rechtslage ändert sich, sobald ein anderer die Verteidigung des Vortäters im Wege einer strafbaren Begünstigung übernimmt und der Begünstigte selbst sich an dieser neuen unselbständigen Straftat als Anstifter oder Gehilfe beteiligt; das ist dann keine bloße Abwehr der Straffolgen der früheren Straftat mehr, sondern Verübung einer neuen Gesetzesverletzung anderer Art, nämlich eines Eingriffs in die staatliche Rechtsordnung, welche Sühne für begangene Straftaten verlangt. Darum kann eine solche Teilnahme an der Begünstigung niemals einer Beihilfe zur Beihilfe an der Bortat, die allerdings nur straflose Selbstbegünstigung wäre, gleichgestellt werden; diese Auffassung würde eine Verkennung der selbständigen Natur der Begünstigungs­ handlung gegenüber der begünstigten Bortat sein. Die Straflosigkeit der Selbstbegünstigung findet ihre Grenzen an dem Verbot ihrer Betätigung durch Begehung, Ver­ anlassung oder Anstiftung weiterer, für sich bestehender Straftaten. (II, 23. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 346—349. Vgl. Bd. 4 iS. 60; Bd. 8 S. 366; Bd. 21 S. 375: Bd.57 S. 352, 417; Bd. 60 S. 101. 121.

Verkauf.

Hehlerei.

Fahrlässigkeit.

(Metall-

BerkG. § 19.) Ein Altmetallhändler kaufte von einem Angestellten einer Eisenhandlung wiederholt Eisen, das sich dieser dort rechtswidrig zugeeignet hatte. Er wurde wegen fahrlässiger Hehlerei verurteilt. Seine Revision wurde verworfen. Die Fahrlässigkeit lag darin, daß er sich nie bei dem Arbeitgeber des Angeklagten erkundigte,

121_______________ Strafsachen Bd. 60______________ 130 der Bestrafung seiner eigenen Bortat, der Hehlerei, schützen sollte. Straflos ist freilich die Selbstbegünstigung an sich, nämlich jenes Handeln eines Täters, wodurch er sich aus eigener Kraft, ohne strafbares Zu­ tun eines anderen seiner Strafe zu entziehen sucht, weil niemand gesetzlich verpflichtet ist, sich der Bestrafung auszuliefern, und weil mithin das Verhindern eines Zugriffs der Staatsgewalt als solches noch keinen straf­ baren Tatbestand bildet. Insbesondere kann der Täter oder Teilnehmer eines Verbrechens oder Vergehens nicht auch Täter einer dieselbe Tat betreffenden Begünstigung sein, denn die Begünstigung setzt eine andere Person als Bortäter voraus; Selbstverteidigung ist keine Begünsti­ gung. Allein die Rechtslage ändert sich, sobald ein anderer die Verteidigung des Vortäters im Wege einer strafbaren Begünstigung übernimmt und der Begünstigte selbst sich an dieser neuen unselbständigen Straftat als Anstifter oder Gehilfe beteiligt; das ist dann keine bloße Abwehr der Straffolgen der früheren Straftat mehr, sondern Verübung einer neuen Gesetzesverletzung anderer Art, nämlich eines Eingriffs in die staatliche Rechtsordnung, welche Sühne für begangene Straftaten verlangt. Darum kann eine solche Teilnahme an der Begünstigung niemals einer Beihilfe zur Beihilfe an der Bortat, die allerdings nur straflose Selbstbegünstigung wäre, gleichgestellt werden; diese Auffassung würde eine Verkennung der selbständigen Natur der Begünstigungs­ handlung gegenüber der begünstigten Bortat sein. Die Straflosigkeit der Selbstbegünstigung findet ihre Grenzen an dem Verbot ihrer Betätigung durch Begehung, Ver­ anlassung oder Anstiftung weiterer, für sich bestehender Straftaten. (II, 23. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 346—349. Vgl. Bd. 4 iS. 60; Bd. 8 S. 366; Bd. 21 S. 375: Bd.57 S. 352, 417; Bd. 60 S. 101. 121.

Verkauf.

Hehlerei.

Fahrlässigkeit.

(Metall-

BerkG. § 19.) Ein Altmetallhändler kaufte von einem Angestellten einer Eisenhandlung wiederholt Eisen, das sich dieser dort rechtswidrig zugeeignet hatte. Er wurde wegen fahrlässiger Hehlerei verurteilt. Seine Revision wurde verworfen. Die Fahrlässigkeit lag darin, daß er sich nie bei dem Arbeitgeber des Angeklagten erkundigte,

ob die Sache in Ordnung gehe, obwohl ihm Las, da er sich am gleichen Platz befand, leicht gewesen wäre. Bei der Beratung der Vorschrift wurde gewünscht, daß d-er Begriff der Fahrlässigkeit näher umschrieben werde; die Regierung erklärte das aber für überflüssig und irreführend, da der Begriff der Fahrlässigkeit hier kein anderer sein solle als sonst im Strafrecht, wonach fahr­ lässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande ist. Zum Nach­ weis der Fahrlässigkeit war auch eine frühere Bestrafung des Angeklagten wegen Hehlerei herangezogen worden. Auch das erklärte das Reichsgericht für zulässig. Durch die Bestrafung war er über die Gefährlichkeit solcher Ankäufe für einen Altmetallhändler belehrt worden; in der Nichtberücksichtigung dieser Erfahrung bestand zum großen Teil die Fahrlässigkeit seines Verhaltens. (II, 27. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 349—351. Vgl. Bd. 58 S. 103. 122. Nahrungsmittel. Hilfsstoffe. (NMG. §§ 12,14.) Ein Chemiker stellte ein Mittül her, das bestimmt war, der frischen Milch zugesetzt zu werden, um diese mehrere Tage nicht sauer werden zu lassen. Das Mittel ent­ hielt Formaldehyd, ein scharfes Gift. Er wurde wegen Herstellung eines gesundheitsschädlichen Nahrungsmittels verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Auch Hilfsstoffe, die bestimmt sind, Nahrungsmitteln zu ihrer Erhaltung zugesetzt zu werden, können als Nahrungs­ mittel in Betracht zu kommen. So ist Hefe als Mittel zur Brotbereitung schon als Nahrungsmittel erachtet worden und dasselbe muß von den Backpulvern gelten. Auch Erhaltungsmittel, die den schon fertigen Nahrungs­ mitteln zugefügt werden, sind so zu beurteilen. Wenn ein solches Mittel gesundheitlich einwandfrei den Genuß­ wert des Nahrungsmittels erhalten soll, wird es zu einem Bestandteil des Nahrungsmittels und wird mit diesem in den menschlichen Körper ausgenommen. Wird ein solcher Stoff in einer die menschliche Gesundheit ge­ fährdenden Zusammensetzung hergestellt, so ist eine Ver­ fehlung gegen das Nahrungsmittelgeseh gegeben. (I, 5. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 351—353,

ob die Sache in Ordnung gehe, obwohl ihm Las, da er sich am gleichen Platz befand, leicht gewesen wäre. Bei der Beratung der Vorschrift wurde gewünscht, daß d-er Begriff der Fahrlässigkeit näher umschrieben werde; die Regierung erklärte das aber für überflüssig und irreführend, da der Begriff der Fahrlässigkeit hier kein anderer sein solle als sonst im Strafrecht, wonach fahr­ lässig handelt, wer die Sorgfalt außer acht läßt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und imstande ist. Zum Nach­ weis der Fahrlässigkeit war auch eine frühere Bestrafung des Angeklagten wegen Hehlerei herangezogen worden. Auch das erklärte das Reichsgericht für zulässig. Durch die Bestrafung war er über die Gefährlichkeit solcher Ankäufe für einen Altmetallhändler belehrt worden; in der Nichtberücksichtigung dieser Erfahrung bestand zum großen Teil die Fahrlässigkeit seines Verhaltens. (II, 27. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 349—351. Vgl. Bd. 58 S. 103. 122. Nahrungsmittel. Hilfsstoffe. (NMG. §§ 12,14.) Ein Chemiker stellte ein Mittül her, das bestimmt war, der frischen Milch zugesetzt zu werden, um diese mehrere Tage nicht sauer werden zu lassen. Das Mittel ent­ hielt Formaldehyd, ein scharfes Gift. Er wurde wegen Herstellung eines gesundheitsschädlichen Nahrungsmittels verurteilt. Seine Revision hatte keinen Erfolg. Auch Hilfsstoffe, die bestimmt sind, Nahrungsmitteln zu ihrer Erhaltung zugesetzt zu werden, können als Nahrungs­ mittel in Betracht zu kommen. So ist Hefe als Mittel zur Brotbereitung schon als Nahrungsmittel erachtet worden und dasselbe muß von den Backpulvern gelten. Auch Erhaltungsmittel, die den schon fertigen Nahrungs­ mitteln zugefügt werden, sind so zu beurteilen. Wenn ein solches Mittel gesundheitlich einwandfrei den Genuß­ wert des Nahrungsmittels erhalten soll, wird es zu einem Bestandteil des Nahrungsmittels und wird mit diesem in den menschlichen Körper ausgenommen. Wird ein solcher Stoff in einer die menschliche Gesundheit ge­ fährdenden Zusammensetzung hergestellt, so ist eine Ver­ fehlung gegen das Nahrungsmittelgeseh gegeben. (I, 5. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 351—353,

123,124,125

Strafsachen Bd. 60

J32

123. Meineid. Urkundenfälschung. Tateinheit. (StGB. 88 73, 153, 267.) Bei einer eidlichen Verneh­ mung überreichte der Zeuge eine von ihm gefälschte Urkunde und beschwor, daß sie echt sei. Es lag Tat­ einheit zwischen Urkundenfälschung und Meineid vor; durch die Erklärung, mit der der Angeklagte seine Eides­ pflicht verletzte, machte er zugleich von der gefälschten Urkunde Gebrauch und verwirklichte durch eine Handlung sowohl einen Teil des Tatbestandes der Urkundenfäl­ schung wie auch den Tatbestand des Meineids. (I, 24. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 353—354. 124. Berufung. Revision. Beweis. Einlegung von Rechtsmitteln. Bedingte Zurücknahme. (StPO. 88 300, 335.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Staatsanwalt Berufung ein. Nachdem ihm das Urteil zugestellt worden war, erklärte er, das Rechtsmittel solle als Revision gelten. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Ein Irrtum in der Bezeichnung des Rechtsmittels kam nach Lage der Sache nicht in Frage; vielmehr handelte es sich um eine Umwandlung des ge­ wollten Rechtsmittels auf Grund nachträglicher Willens­ änderung. Eine solche Umwandlung kennt das Gesetz nicht. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozesses und die im öffentlich-rechtlichen Interesse zu fördernde Sicher­ stellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifels­ freien Bestand und unbedingte Rechtswirksamkeit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechts­ mittels gerichteten Willenserklärung. Wie eine bedingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ausge­ schlossen ist und der Verzicht auf ein Rechtsmittel oder die Zurücknahme unwiderrufliche Geltung hat, so kann auch ein Vorbehalt nachträglicher Änderung der rechtlichen Natur des Rechtsmittels nicht anerkannt werden. Das Rechtsmittel war demgemäß als Berufung weiter zu be­ handeln, da eine bedingungslose Zurücknahme der Be­ rufung nicht vorlag, eine nur bedingte aber keine Wirk­ samkeit hatte. (III, 20. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 354—355. Vgl. Bd. 60 S. 355. 125. Berufung. Revision. Wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln. (StPO. 88 355, 340.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Angeklagte Berufung und

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123. Meineid. Urkundenfälschung. Tateinheit. (StGB. 88 73, 153, 267.) Bei einer eidlichen Verneh­ mung überreichte der Zeuge eine von ihm gefälschte Urkunde und beschwor, daß sie echt sei. Es lag Tat­ einheit zwischen Urkundenfälschung und Meineid vor; durch die Erklärung, mit der der Angeklagte seine Eides­ pflicht verletzte, machte er zugleich von der gefälschten Urkunde Gebrauch und verwirklichte durch eine Handlung sowohl einen Teil des Tatbestandes der Urkundenfäl­ schung wie auch den Tatbestand des Meineids. (I, 24. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 353—354. 124. Berufung. Revision. Beweis. Einlegung von Rechtsmitteln. Bedingte Zurücknahme. (StPO. 88 300, 335.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Staatsanwalt Berufung ein. Nachdem ihm das Urteil zugestellt worden war, erklärte er, das Rechtsmittel solle als Revision gelten. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Ein Irrtum in der Bezeichnung des Rechtsmittels kam nach Lage der Sache nicht in Frage; vielmehr handelte es sich um eine Umwandlung des ge­ wollten Rechtsmittels auf Grund nachträglicher Willens­ änderung. Eine solche Umwandlung kennt das Gesetz nicht. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozesses und die im öffentlich-rechtlichen Interesse zu fördernde Sicher­ stellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifels­ freien Bestand und unbedingte Rechtswirksamkeit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechts­ mittels gerichteten Willenserklärung. Wie eine bedingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ausge­ schlossen ist und der Verzicht auf ein Rechtsmittel oder die Zurücknahme unwiderrufliche Geltung hat, so kann auch ein Vorbehalt nachträglicher Änderung der rechtlichen Natur des Rechtsmittels nicht anerkannt werden. Das Rechtsmittel war demgemäß als Berufung weiter zu be­ handeln, da eine bedingungslose Zurücknahme der Be­ rufung nicht vorlag, eine nur bedingte aber keine Wirk­ samkeit hatte. (III, 20. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 354—355. Vgl. Bd. 60 S. 355. 125. Berufung. Revision. Wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln. (StPO. 88 355, 340.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Angeklagte Berufung und

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123. Meineid. Urkundenfälschung. Tateinheit. (StGB. 88 73, 153, 267.) Bei einer eidlichen Verneh­ mung überreichte der Zeuge eine von ihm gefälschte Urkunde und beschwor, daß sie echt sei. Es lag Tat­ einheit zwischen Urkundenfälschung und Meineid vor; durch die Erklärung, mit der der Angeklagte seine Eides­ pflicht verletzte, machte er zugleich von der gefälschten Urkunde Gebrauch und verwirklichte durch eine Handlung sowohl einen Teil des Tatbestandes der Urkundenfäl­ schung wie auch den Tatbestand des Meineids. (I, 24. September 1926.) Amtl. Sammlg. S. 353—354. 124. Berufung. Revision. Beweis. Einlegung von Rechtsmitteln. Bedingte Zurücknahme. (StPO. 88 300, 335.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Staatsanwalt Berufung ein. Nachdem ihm das Urteil zugestellt worden war, erklärte er, das Rechtsmittel solle als Revision gelten. Das Reichsgericht erklärte das für unzulässig. Ein Irrtum in der Bezeichnung des Rechtsmittels kam nach Lage der Sache nicht in Frage; vielmehr handelte es sich um eine Umwandlung des ge­ wollten Rechtsmittels auf Grund nachträglicher Willens­ änderung. Eine solche Umwandlung kennt das Gesetz nicht. Die öffentlich-rechtliche Natur des Prozesses und die im öffentlich-rechtlichen Interesse zu fördernde Sicher­ stellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifels­ freien Bestand und unbedingte Rechtswirksamkeit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechts­ mittels gerichteten Willenserklärung. Wie eine bedingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ausge­ schlossen ist und der Verzicht auf ein Rechtsmittel oder die Zurücknahme unwiderrufliche Geltung hat, so kann auch ein Vorbehalt nachträglicher Änderung der rechtlichen Natur des Rechtsmittels nicht anerkannt werden. Das Rechtsmittel war demgemäß als Berufung weiter zu be­ handeln, da eine bedingungslose Zurücknahme der Be­ rufung nicht vorlag, eine nur bedingte aber keine Wirk­ samkeit hatte. (III, 20. Mai 1926.) Amtl. Sammlg. S. 354—355. Vgl. Bd. 60 S. 355. 125. Berufung. Revision. Wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln. (StPO. 88 355, 340.) Gegen das Urteil des Schöffengerichts legte der Angeklagte Berufung und

133______________ Strafsachen Bd. 60______________ J26 Revision ein mit dem Beifügen, daß er sich die Erklärung Vorbehalte, ob er endgültig die Berufung oder Revision festhalten wolle. Nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist erklärte er, er nehme die Berufung zurück und halte die Revision aufrecht. Das Reichsgericht verwarf das Rechtsmittel. Die öffentlich-rechtliche Natur des Pro­ zesses und die im öffentlichen Interesse zu fördernde Sicherstellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifelsfreien Bestand und unbedingte Rechtswirksam­ keit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechtsmittels gerichteten Willenserklärung. Eine be­ dingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ist unzulässig. Die Berufung und die Revision schließen sich gegenseitig aus, wenn sie auch gegen dasselbe Urteil zulässig sind; die Einlegung der Revision bedeutet den stillschweigenden Verzicht auf die Berufung. Der Gesetzgeber hat eine besondere Regelung getroffen für den Fall, daß von mehreren Beteiligten der eine Be­ rufung, der andere Revision einlegt; um so mehr wäre er dazu veranlaßt gewesen, wenn er die Häufung von Berufung und Revision auch bei demselben Angeklagten als zulässig hätte erkennen wollen. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 355—357. Vgl. Bd. 60 S. 353. 126. Sparversichrrung. Schuldverschreibung auf den Inhaber. Lotterie. Öffentlichkeit. Genehmignngspflicht. Irrtum. Saargebiet. (BersAufsG. §§ 2, 3, 4, 85, 86,

108; BGB. § 795; StGB. §§ 59, 145 a, 286.) Eine Aktiengesellschaft im Saargebiet, die sich als Sparver­ sicherungsbank bezeichnete, betrieb die Versicherung von Spareinlagen in der Weise, daß sie den Personen, die sich zur regelmäßigen Einlage bei ihr verpflichteten, ein Kapital zusicherte, das spätestens nach Ablauf von 15 Jahren ausbezahlt werden sollte, auf Grund einer allmonatlich vorgenommenen Auslosung aber auch schon früher zur Auszahlung kommen konnte. Ein Vertreter der Gesellschaft wurde angeklagt, Schuldverschreibungen auf den Inhaber ohne die erforderliche staatliche Ge­ nehmigung in den Verkehr gebracht und ohne obrig­ keitliche Erlaubnis eine öffentliche Lotterie veranstaltet zu haben. Das Landgericht sprach ihn frei; das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die von der Aktien-

133______________ Strafsachen Bd. 60______________ J26 Revision ein mit dem Beifügen, daß er sich die Erklärung Vorbehalte, ob er endgültig die Berufung oder Revision festhalten wolle. Nach dem Ablauf der Rechtsmittelfrist erklärte er, er nehme die Berufung zurück und halte die Revision aufrecht. Das Reichsgericht verwarf das Rechtsmittel. Die öffentlich-rechtliche Natur des Pro­ zesses und die im öffentlichen Interesse zu fördernde Sicherstellung eines geordneten Verfahrens verlangt zweifelsfreien Bestand und unbedingte Rechtswirksam­ keit der auf Einlegung, Verzicht oder Zurücknahme eines Rechtsmittels gerichteten Willenserklärung. Eine be­ dingte oder wahlweise Einlegung von Rechtsmitteln ist unzulässig. Die Berufung und die Revision schließen sich gegenseitig aus, wenn sie auch gegen dasselbe Urteil zulässig sind; die Einlegung der Revision bedeutet den stillschweigenden Verzicht auf die Berufung. Der Gesetzgeber hat eine besondere Regelung getroffen für den Fall, daß von mehreren Beteiligten der eine Be­ rufung, der andere Revision einlegt; um so mehr wäre er dazu veranlaßt gewesen, wenn er die Häufung von Berufung und Revision auch bei demselben Angeklagten als zulässig hätte erkennen wollen. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 355—357. Vgl. Bd. 60 S. 353. 126. Sparversichrrung. Schuldverschreibung auf den Inhaber. Lotterie. Öffentlichkeit. Genehmignngspflicht. Irrtum. Saargebiet. (BersAufsG. §§ 2, 3, 4, 85, 86,

108; BGB. § 795; StGB. §§ 59, 145 a, 286.) Eine Aktiengesellschaft im Saargebiet, die sich als Sparver­ sicherungsbank bezeichnete, betrieb die Versicherung von Spareinlagen in der Weise, daß sie den Personen, die sich zur regelmäßigen Einlage bei ihr verpflichteten, ein Kapital zusicherte, das spätestens nach Ablauf von 15 Jahren ausbezahlt werden sollte, auf Grund einer allmonatlich vorgenommenen Auslosung aber auch schon früher zur Auszahlung kommen konnte. Ein Vertreter der Gesellschaft wurde angeklagt, Schuldverschreibungen auf den Inhaber ohne die erforderliche staatliche Ge­ nehmigung in den Verkehr gebracht und ohne obrig­ keitliche Erlaubnis eine öffentliche Lotterie veranstaltet zu haben. Das Landgericht sprach ihn frei; das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die von der Aktien-

gesellschaft durch den Angeklagten abgeschlossenen Ver­ träge waren gemischter Natur. Ob sie als Versicherungs­ verträge anzusehen waren, ließ das Reichsgericht dahin­ gestellt. Das für das Saargebiet zuständige Bersicherungsaufsichtsamt hatte die Erlaubnis zum Betrieb des Unternehmens erteilt und zwar auch für das übrige deutsche Gebiet; der Vorstand der Aktiengesellschaft hatte das dem Angeklagten mitgeteilt und dieser hatte darauf­ hin angenommen, daß dem Vertrieb der Versicherungs­ scheine in seinem Bezirk nichts im Wege stehe. Selbst wenn nach dem Gesetz über die privaten Versicherungs­ unternehmungen der Betrieb erlaubnispflichtig war (nach der Auffassung des Reichsaufsichtsamts für Privatver­ sicherung ist das nicht der Fall) und das Aussichtsamt für das Saargebiet zur Erteilung der Erlaubnis für das ganze Deutsche Reich nicht zuständig war, konnte eine Bestrafung des Angeklagten wegen einer Zuwiderhand­ lung gegen dieses Gesetz nicht stattfinden, weil sich die Unkenntnis des Mangels der Erlaubnis als eine durch die Mitteilung des Vorstandes der Gesellschaft hervorgerüfene Unkenntnis über einen Tatumstand darstellte, der den Vorsatz und, da die Mitteilung als glaubwürdig und demgemäß der Irrtum als entschuldbar anzusehen war, auch die Fahrlässigkeit ausschloß. Die vom Ange­ klagten ausgegebenen Versicherungsscheine waren Schuld­ verschreibungen auf den Inhaber, die auf die Zahlung einer bestimmten Geldsumme lauteten, also unter Mit­ genehmigung der Zentralstelle des Landes, in dessen Gebiet der Aussteller seinen Wohnsitz oder seine gewerb­ liche Niederlassung hat, in Verkehr gebracht werden durfte. Die Ausgabe dieser Versicherungsscheine war im Saargebiet genehmigt; demzufolge konnte der Angeklagte für die Weiterverbreitung nicht bestraft werden. Ge­ hörte das Saargebiet im Sinne dieser Vorschrift zum Ausland, so handelte es sich nicht um Schuldverschrei­ bungen, die im Inland ausgestellt waren; gehörte es aber zum Inland, so war die Genehmigung von der dafür zuständigen Landesbehörde erteilt worden. End­ lich waren die vom Angeklagten abgeschlossenen Verträge auch als Lotterieverträge zu würdigen. Als Spieleinsatz waren die in den Prämien enthaltenen, mathematisch berechenbaren Teilbeträge zp erachten, dexen Ans^mm-

lung in den durch die Auslosung bestimmten Fällen die Gewährung eines Gewinnes, nämlich die Auszahlung des durch die Prämien noch nicht verdienten Nennnbetrags der Police ermöglichte; für jene, die das Los vor dem Ablauf von 15 Jahren nicht traf, erschienen diese Teil­ beträge als Spielverluste. Indem die Gesellschaft den Angeklagten als Vertreter bestellte mit der Verpflichtung, Mitglieder zu werben, ihnen die von der Gesellschaft ausgestellten Policen zu behändigen und ihre Beiträge bei ihnen abzuliefern, veranstaltete sie die Lotterie auch im Inland, selbst wenn eine im Saargebiet veran­ staltete Lotterie als eine ausländische Lotterie anzu­ sehen wäre. Die Veranstaltung war öffentlich, da die Aufforderung zur Teilnahme sich nicht auf einen be­ stimmten, durch Beruf, persönliche Bekanntschaft, ge­ meinsame Interessen oder ähnliche Begrenzungen fest abgeschlossenen Kreis beschränkte; eine Genehmigung der für den Wohnsitz des Angeklagten zuständigen Behörde lag nicht vor. Das Berufungsgericht hatte gleichfalls das Borliegen des Tatbestandes der unerlaubten öffent­ lichen Lotterie für gegeben erachtet, den Angeklagten aber aus dem Gesichtspunkt des Irrtums freigesprochen. Es hatte hiefür auf die Mitteilung des Vorstandes der Gesellschaft an den Angeklagten, daß das Unternehmen von der zuständigen Behörde für alle deutschen Gebiete genehmigt sei, verwiesen und es für unerheblich erklärt, ob der Angeklagte das Wesen des Unternehmens als Lotterie erkannte, da für ihn festgestanden habe, daß es, wie immer es juristisch aufgefaßt wurde, genehmigt sei. Diese Ausführung erklärte das Reichsgericht für bedenklich. Wenn der Angeklagte annahm, dtaß das Unternehmen keine Lotterie fei, konnte er auch nicht der Meinung gewesen sein, daß die erforderliche Ge­ nehmigung vorliege. Die Annahme aber, daß eine Lotterie nicht vorliege, konnte entweder darauf beruhen, daß der Angeklagte Tatumstände nicht kannte, die das Unternehmen rechtlich zur Lotterie stempelten, oder daß er trotz der Kenntnis dieser Tatumstände rechtsirrig' glaubte, das Unternehmen sei keine Lotterie. Nur im ersten Fall lag ein den Vorsatz ausschließender Tat­ irrtum vor; im zweiten Fall dagegen handelte eS sich um einen unbeachtlichen strafrechtlichen Irrtum. DaS

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gleiche würde von dem etwaigen Irrtum gelten, das; eine Lotterie, die mit einem anderen genehmigungs­ pflichtigen Unternehmen verbunden ist, um dieser Ver­ bindung willen keiner Genehmigung bedürfe. Anders läge die Sache, wenn der Angeklagte irrig angenommen hätte, daß bei einem derartigen gemischten Unternehmen die Behörde, welche die grundlegende Genehmigung (hier die Genehmigung zum Betrieb des Versichernngsunternehmens) zu erteilen hatte, auch zur Genehmigung der daraus sich ergebenden Rechtsgeschäfte (hier der Aus­ gabe der Schuldverschreibungen auf den Inhaber und der Lotterie) zuständig fei; dann läge ein Irrtum über ver­ waltungsrechtliche Bestimmungen vor, der einem Tat­ irrtum gleichzustellen wäre und daher vorsatzausschließend wirkte (I, 24. Sept. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 357—362. Vgl. Bd. 42 S. 430.

127. Lohnabtreibung. Gewerbsmäßige Abtreibung. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (StGB. § 2; StGB. § 219 a. F., 218 n.F.) Im April 1926 wurde eine Frau wegen einer im Februar 1926 be­ gangenen Lohnabtreibung zu einer Zuchthausstrafe ver­ urteilt. Ihre Berufung wurde am 5. August 1926 mit der Maßgabe verworfen, daß sie wegen gewerbsmäßiger Abtreibung verurteilt wurde. In der Zwischenzeit zwischen den beiden Urteilen war das Gesetz vom 18. Mai 1926 in Kraft getreten, durch das die Vorschriften über Abtreibung geändert worden waren. In der Revision der Angeklagten wurde ausgesührt, daß zur Zeit der Begehung der Tat eine gewerbsmäßige Abtreibung noch nicht als eine erschwerte Form der Tat unter Strafe gestellt war und daß nach dem neuen Gesetz die Lohn­ abtreibung nur noch als eine einfache Abtreibung be­ handelt werde. Das Reichsgericht trat dieser Auffassung nicht bei. Gewerbsmäßige Abtreibung war schon nach altem Recht schwerer strafbar, da sie nichts anderes ist als eine Art der Abtreibung gegen Entgelt. Wenn das Landgericht eine Gewerbsmäßigkeit der vom Schöffen­ gericht angenommenen Lohnabtreibung seststellte, lag ihm ein Tatbestand vor, der nach dem Recht zur Zeit der Tat wie auch nach dem Recht zur Zeit ihrer Ab­ urteilung gleichmäßig der Strafschärfung unterstand. Als das mildeste Gesetz war jenes anzusehen, nach welchem

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gleiche würde von dem etwaigen Irrtum gelten, das; eine Lotterie, die mit einem anderen genehmigungs­ pflichtigen Unternehmen verbunden ist, um dieser Ver­ bindung willen keiner Genehmigung bedürfe. Anders läge die Sache, wenn der Angeklagte irrig angenommen hätte, daß bei einem derartigen gemischten Unternehmen die Behörde, welche die grundlegende Genehmigung (hier die Genehmigung zum Betrieb des Versichernngsunternehmens) zu erteilen hatte, auch zur Genehmigung der daraus sich ergebenden Rechtsgeschäfte (hier der Aus­ gabe der Schuldverschreibungen auf den Inhaber und der Lotterie) zuständig fei; dann läge ein Irrtum über ver­ waltungsrechtliche Bestimmungen vor, der einem Tat­ irrtum gleichzustellen wäre und daher vorsatzausschließend wirkte (I, 24. Sept. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 357—362. Vgl. Bd. 42 S. 430.

127. Lohnabtreibung. Gewerbsmäßige Abtreibung. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (StGB. § 2; StGB. § 219 a. F., 218 n.F.) Im April 1926 wurde eine Frau wegen einer im Februar 1926 be­ gangenen Lohnabtreibung zu einer Zuchthausstrafe ver­ urteilt. Ihre Berufung wurde am 5. August 1926 mit der Maßgabe verworfen, daß sie wegen gewerbsmäßiger Abtreibung verurteilt wurde. In der Zwischenzeit zwischen den beiden Urteilen war das Gesetz vom 18. Mai 1926 in Kraft getreten, durch das die Vorschriften über Abtreibung geändert worden waren. In der Revision der Angeklagten wurde ausgesührt, daß zur Zeit der Begehung der Tat eine gewerbsmäßige Abtreibung noch nicht als eine erschwerte Form der Tat unter Strafe gestellt war und daß nach dem neuen Gesetz die Lohn­ abtreibung nur noch als eine einfache Abtreibung be­ handelt werde. Das Reichsgericht trat dieser Auffassung nicht bei. Gewerbsmäßige Abtreibung war schon nach altem Recht schwerer strafbar, da sie nichts anderes ist als eine Art der Abtreibung gegen Entgelt. Wenn das Landgericht eine Gewerbsmäßigkeit der vom Schöffen­ gericht angenommenen Lohnabtreibung seststellte, lag ihm ein Tatbestand vor, der nach dem Recht zur Zeit der Tat wie auch nach dem Recht zur Zeit ihrer Ab­ urteilung gleichmäßig der Strafschärfung unterstand. Als das mildeste Gesetz war jenes anzusehen, nach welchem

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sich aus Grund der besonderen Umstände des gegebenen Falles die Gesamtheit der angedrohten Strafnachteile für den Angeklagten günstiger stellte. Das neue Gesetz läßt zwar bei mildernden Umständen Gefängnisstrafe zu; diese Milderungsmöglichkeit schied aber aus, weil das Landgericht der Angeklagten die Bewilligung mil­ dernder Umstände versagt hatte. Demgemäß ist das neue Gesetz das strengere, da es Zuchthausstrafe bis zu 15 Jahren zuläßt, während nach dem früheren Gesetz die Höchststrafe 10 Jahre Zuchthaus betrug, die Strafe war also dem früheren Gesetz zu entnehmen. (II, 11. Oktober 1926. Amtl. Sammlg. S. 362—364. Vgl. Bd. 58 S. 238. 128. Kokainhandel. Irrtum. Teilnahme. Mittel­ bare Täterschaft. (OpinmG. §§ 2, 8; StGB. §§ 47,

49, 59.) Ein Arzt stellte an Kokainschnupfer Rezepte aus; diese veräußerten das Kokain zum Teil gegen Entgelt. Er wurde von der Anklage der Beihilfe zum Kokain­ handel in zwei Instanzen freigesprochen, weil kein Nach­ weis zu erbringen sei, daß er von dem Handel mit dem von ihm verordneten Kokain Kenntnis hatte oder auch nur mit der Möglichkeit eines solchen rechnete. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Durch das inter­ nationale Opiumabkommen vom 23. Januar 1912 ver­ pflichteten sich die Vertragsmächte, zu denen auch das Deutsche Reich gehörte, die Herstellung, den Verkauf und die Verwendung von Kokain und ähnlichen Giften auf den medizinischen Gebrauch zu beschränken. Demgemäß wurde durch das Opiumgesetz vorgeschrieben, daß die ge­ werbsmäßige Herstellung und Verarbeitung, die Ein­ fuhr und die Ausfuhr, der Erwerb und die Veräußerung! von Kokain und ähnlichen Giften nur den Personen ge­ stattet ist, denen hierzu die Erlaubnis der Landes­ zentralbehörde erteilt worden ist. In Apotheken dürfen diese Mittel als Heilmittel hergestellt, verarbeitet, er­ worben und abgegeben werden.. Daß sie als Heilmittel dienen, ist durch ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Verordnungen nachzuweisen. Unter den Gebrauch zu Heilzwecken fällt auch die in ordnungsmäßigen Grenzen sich bewegende Anordnung zur Schmerzstillung sowie die allmählich abnehmende Verabreichung an Kokainsüch­ tige zur Vermeidung der bei plötzlicher Entziehung auf-

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sich aus Grund der besonderen Umstände des gegebenen Falles die Gesamtheit der angedrohten Strafnachteile für den Angeklagten günstiger stellte. Das neue Gesetz läßt zwar bei mildernden Umständen Gefängnisstrafe zu; diese Milderungsmöglichkeit schied aber aus, weil das Landgericht der Angeklagten die Bewilligung mil­ dernder Umstände versagt hatte. Demgemäß ist das neue Gesetz das strengere, da es Zuchthausstrafe bis zu 15 Jahren zuläßt, während nach dem früheren Gesetz die Höchststrafe 10 Jahre Zuchthaus betrug, die Strafe war also dem früheren Gesetz zu entnehmen. (II, 11. Oktober 1926. Amtl. Sammlg. S. 362—364. Vgl. Bd. 58 S. 238. 128. Kokainhandel. Irrtum. Teilnahme. Mittel­ bare Täterschaft. (OpinmG. §§ 2, 8; StGB. §§ 47,

49, 59.) Ein Arzt stellte an Kokainschnupfer Rezepte aus; diese veräußerten das Kokain zum Teil gegen Entgelt. Er wurde von der Anklage der Beihilfe zum Kokain­ handel in zwei Instanzen freigesprochen, weil kein Nach­ weis zu erbringen sei, daß er von dem Handel mit dem von ihm verordneten Kokain Kenntnis hatte oder auch nur mit der Möglichkeit eines solchen rechnete. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Durch das inter­ nationale Opiumabkommen vom 23. Januar 1912 ver­ pflichteten sich die Vertragsmächte, zu denen auch das Deutsche Reich gehörte, die Herstellung, den Verkauf und die Verwendung von Kokain und ähnlichen Giften auf den medizinischen Gebrauch zu beschränken. Demgemäß wurde durch das Opiumgesetz vorgeschrieben, daß die ge­ werbsmäßige Herstellung und Verarbeitung, die Ein­ fuhr und die Ausfuhr, der Erwerb und die Veräußerung! von Kokain und ähnlichen Giften nur den Personen ge­ stattet ist, denen hierzu die Erlaubnis der Landes­ zentralbehörde erteilt worden ist. In Apotheken dürfen diese Mittel als Heilmittel hergestellt, verarbeitet, er­ worben und abgegeben werden.. Daß sie als Heilmittel dienen, ist durch ärztliche, zahnärztliche oder tierärztliche Verordnungen nachzuweisen. Unter den Gebrauch zu Heilzwecken fällt auch die in ordnungsmäßigen Grenzen sich bewegende Anordnung zur Schmerzstillung sowie die allmählich abnehmende Verabreichung an Kokainsüch­ tige zur Vermeidung der bei plötzlicher Entziehung auf-

tretenden üblen Erscheinungen, nicht aber die regel­ mäßige Fortgewährung an Kokainsüchtige, durch welche diesen Kranken nicht geholfen, sondern geschadet wird. Erwerb und Abgabe von Kokain zu Genußzwecken sind auch dann unzulässig, wenn sie auf Grund ärztlicher An­ ordnung erfolgen. Ein Arzt, der eine solche Anordnung ausstellt, bringt das Kokain durch den Apotheker ohne Erlaubnis in den Verkehr und verfehlt sich dadurch gegen das Opiumgesetz. Ist der Apotheker guten Glaubens, so ist der Arzt allein als mittelbarer Täter verant­ wortlich; das gilt nicht nur dann, wenn er sich der Gut­ gläubigkeit des Apothekers bewußt ist, sondern wenn er ihn irriger Weise für böswillig hält. Handeln Arzt und Apotheker bei der Anweisung und Abgabe zu Genuß­ zwecken im ausdrücklichen oder stillschweigenden Ein­ verständnis, so sind sie je nach der Gestaltung der inneren Tatseite entweder als Mittäter oder der eine als Täter, der andere als Gehilfe zu beurteilen. Mit­ täterschaft kommt dann in Frage, wenn jeder von beiden zugleich für den anderen tätig werden will. Ihre An­ nahme wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Apo­ theker durch die Veräußerung des Kokains tätig wird, der Arzt dagegen, der das Kokain nicht besitzt, eine Tätigkeit dieser Art eigenhändig nicht vornehmen kann; denn das Veräußern ist eine Unterart des Inverkehr­ bringens, an dem auch der nichtbesitzende Arzt vn der an­ gegebenen Weise als Täter mitwirken kann. Sind beide bösgläubig, hält aber der eine von ihnen den andern für gutgläubig, so haften beide als Nebentäter, der Arzt als mittelbarer, der Apotheker als unmittelbarer Täter. Erteilt der Arzt eine Anweisung auf Kokain zu Genuß­ zwecken in der Absicht, dadurch eine Abgabe durch einen Apotheker an seinen Kunden zu erreichen, verweigert aber der Apotheker wegen der von ihm erkannten Unzulässig­ keit die Abgabe, so ist der Arzt wegen Versuchs des uner­ laubten Inverkehrbringen des Kokain strafbar. Außerdem kann sich der Arzt durch Ausstellung und Übergabe von Anweisungen auf Kokain an Kokainschnupfer auch der Beihilfe zum unerlaubten Erwerb schuldig machen und dieses Vergehen kann mit dem unerlaubten Inverkehr­ bringen oder Beihilfe hiezu rechtlich zusammenfließen. Die etwaige irrtümliche Annahme des Arztes, daß die

Abgabe von Kokain in Apotheken zu Genußzwecken auf Grund ärztlicher Verordnung dem Erlaubniszwang nicht unterliege, würde sich als unbeachtlicher Strafrechtsirrtum darstellen, den Vorsatz also nicht ausschließen. (I, 5. Okt. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 365—371. 129. Amtsunterschlagung. Urkundenfälschung. Straf­ lose Nachtat. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 267, 268, 270, 350.) Ein Postbeamter unterschlug einen Bries. In diesem fand er einen Scheck, wonach an eine Frau K. oder deren Ordre eine Geldsumme zu zahlen war. Er ließ durch eine nicht ermittelte Person den Scheck auf der Rückseite mit dem Namenszug der Frau K. versehen und legte ihn der Bank zur Zahlung vor, indem er sich als Beauftragter der Frau K. ausgab. Diese zahlte den Scheck aus. Er wurde wegen Amtsunterschlagung und Urkundenfälschung verurteilt. Seine Revision, in der behauptet war, daß die als Urkundenfälschung betrachtete Handlungsweise nur als straflose Nachtat zu beurteilen sei, hatte keinen Er­ folg. Durch die Bestrafung wegen eines Eigentumsver­ gehens sind auch die weiteren Handlungen abgegolten, welche der Täter mit oder an der widerrechtlich zuge­ eigneten Sache vornimmt, soweit er damit nicht in andere strafrechtlich geschützte Rechtsgüter der nämlichen oder einer anderen Person eingreist. Dazu gehört auch die Ver­ wertung oder weitere Ausbeutung der durch das Eigen­ tumsvergehen schon erlangten Sache. Beschränkt sich der Täter hierauf, so liegt nur eine straflose Nachtat vor. Dagegen scheiden für den Kreis der straflosen Nachtat alle Handlungen aus, die außerhalb des Bereichs dessen liegen, was lediglich Zueignung sein würde, wenn diese nicht schon durch das vorausgegangene Tun vollendet wäre. Im gegebenen Falle hatte der Angeklagte durch das Eigentumsvergehen nur einen von der Ordreberech­ tigten noch nicht gezeichneten und deshalb bei der Bank noch nicht verwertbaren Scheck erlangt. Erst durch die Zeichnung mit der falschen Unterschrift der Berechtigten in Verbindung mit der Vorspiegelung eines Auftrags­ verhältnisses verschaffte er sich die Möglichkeit, den Scheck in Geld umzusetzen. Zu diesen beiden Handlungen wäre er auch dann nicht berechtigt gewesen, wenn er rechtmäßig Eigentümer der Urkunde gewesen wäre; sie stellten in ihrem Zusammentreffen einen neuen selb-

Abgabe von Kokain in Apotheken zu Genußzwecken auf Grund ärztlicher Verordnung dem Erlaubniszwang nicht unterliege, würde sich als unbeachtlicher Strafrechtsirrtum darstellen, den Vorsatz also nicht ausschließen. (I, 5. Okt. 1926.) Amtl. Sammlg. S. 365—371. 129. Amtsunterschlagung. Urkundenfälschung. Straf­ lose Nachtat. Tateinheit. (StGB. §§ 73, 267, 268, 270, 350.) Ein Postbeamter unterschlug einen Bries. In diesem fand er einen Scheck, wonach an eine Frau K. oder deren Ordre eine Geldsumme zu zahlen war. Er ließ durch eine nicht ermittelte Person den Scheck auf der Rückseite mit dem Namenszug der Frau K. versehen und legte ihn der Bank zur Zahlung vor, indem er sich als Beauftragter der Frau K. ausgab. Diese zahlte den Scheck aus. Er wurde wegen Amtsunterschlagung und Urkundenfälschung verurteilt. Seine Revision, in der behauptet war, daß die als Urkundenfälschung betrachtete Handlungsweise nur als straflose Nachtat zu beurteilen sei, hatte keinen Er­ folg. Durch die Bestrafung wegen eines Eigentumsver­ gehens sind auch die weiteren Handlungen abgegolten, welche der Täter mit oder an der widerrechtlich zuge­ eigneten Sache vornimmt, soweit er damit nicht in andere strafrechtlich geschützte Rechtsgüter der nämlichen oder einer anderen Person eingreist. Dazu gehört auch die Ver­ wertung oder weitere Ausbeutung der durch das Eigen­ tumsvergehen schon erlangten Sache. Beschränkt sich der Täter hierauf, so liegt nur eine straflose Nachtat vor. Dagegen scheiden für den Kreis der straflosen Nachtat alle Handlungen aus, die außerhalb des Bereichs dessen liegen, was lediglich Zueignung sein würde, wenn diese nicht schon durch das vorausgegangene Tun vollendet wäre. Im gegebenen Falle hatte der Angeklagte durch das Eigentumsvergehen nur einen von der Ordreberech­ tigten noch nicht gezeichneten und deshalb bei der Bank noch nicht verwertbaren Scheck erlangt. Erst durch die Zeichnung mit der falschen Unterschrift der Berechtigten in Verbindung mit der Vorspiegelung eines Auftrags­ verhältnisses verschaffte er sich die Möglichkeit, den Scheck in Geld umzusetzen. Zu diesen beiden Handlungen wäre er auch dann nicht berechtigt gewesen, wenn er rechtmäßig Eigentümer der Urkunde gewesen wäre; sie stellten in ihrem Zusammentreffen einen neuen selb-

ständigen Eingriff in die anderweitig strafrechtlich ge­ schützten Rechte dar und konnten nicht als straflose Nach­ taten angesehen werden. Die Unterdrückung und die Be­ raubung des Briefes hatten zwar schon die Verwertung seines Inhalts zum Ziel; damit fielen sie aber nicht mit den späteren Verwertungstaten zu einer einheitlichen Tat im natürlichen Sinne zusammen. (III, 7. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 371—373. Vgl. Bd. 54 S. 80; Bd. 58 S. 113; Bd. 60 S. 241.

130. üble Nachrede. Behaupten von Tatsachen. GesetzeSauslegung. (StGB. § 186.) In einer Zeitung wurden die Beamten des Wohnungsamts in einer Stadt angegriffen. Es wurde ausgeführt, daß der Verdacht ge­ äußert werde, es seien Schmiergelder bezahlt worden; daran wurde die Frage geknüpft, ob dieser Verdacht be­ gründet sei und die Aufforderung an das Wohnungsamt, auf diese Frage Antwort zu geben. Das Schwurgericht sprach den Angeklagten von der Klage eines Vergehens der üblen Nachrede durch die Presse frei mit der Begrün­ dung, ein Bewußtsein des Angeklagten, daß die Veröffent­ lichung eine Behauptung der Annahme von Schmier­ geldern enthalte, lasse sich nicht nachweisen. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Allerdings lag keine Be­ hauptung in dem Sinne vor, daß damit eine Tatsache als bestimmt geschehen hingestellt worden wäre; die rich­ terliche Beurteilung darf aber nicht am Worte kleben, sie hat vielmehr den wirklichen Sinn zu erforschen und unter Umständen auch zwischen den Zeilen zu lesen. In einer Kundgebung, in der bis zum Beweis der Unrichtigkeit eine Tatsache als wahrscheinlich hingestellt wird, ist eine Behauptung im Sinne der Strafvorschrift zu finden. Diesem Tatbestand gegenüber wäre dann zu prüfen ge­ wesen, ob auch hier dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, daß durch eine öffentliche Anprangerung von Be­ amten durch Aussprechen eines Verdachts, von dem sich die Beamten dann reinigen mochten, Tatsachen behauptet wurden, die geeignet waren, die Beamten in der öffent­ lichen Meinung herabzufetzen. (I, 12. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 373-375. Vgl. Bd. 47 S. 293.

131. Urkundenfälschung. Reifezeugnis eines Gymna­ siums. Legitimationspapier. Irrtum. (StGB. §§ 59,

ständigen Eingriff in die anderweitig strafrechtlich ge­ schützten Rechte dar und konnten nicht als straflose Nach­ taten angesehen werden. Die Unterdrückung und die Be­ raubung des Briefes hatten zwar schon die Verwertung seines Inhalts zum Ziel; damit fielen sie aber nicht mit den späteren Verwertungstaten zu einer einheitlichen Tat im natürlichen Sinne zusammen. (III, 7. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 371—373. Vgl. Bd. 54 S. 80; Bd. 58 S. 113; Bd. 60 S. 241.

130. üble Nachrede. Behaupten von Tatsachen. GesetzeSauslegung. (StGB. § 186.) In einer Zeitung wurden die Beamten des Wohnungsamts in einer Stadt angegriffen. Es wurde ausgeführt, daß der Verdacht ge­ äußert werde, es seien Schmiergelder bezahlt worden; daran wurde die Frage geknüpft, ob dieser Verdacht be­ gründet sei und die Aufforderung an das Wohnungsamt, auf diese Frage Antwort zu geben. Das Schwurgericht sprach den Angeklagten von der Klage eines Vergehens der üblen Nachrede durch die Presse frei mit der Begrün­ dung, ein Bewußtsein des Angeklagten, daß die Veröffent­ lichung eine Behauptung der Annahme von Schmier­ geldern enthalte, lasse sich nicht nachweisen. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Allerdings lag keine Be­ hauptung in dem Sinne vor, daß damit eine Tatsache als bestimmt geschehen hingestellt worden wäre; die rich­ terliche Beurteilung darf aber nicht am Worte kleben, sie hat vielmehr den wirklichen Sinn zu erforschen und unter Umständen auch zwischen den Zeilen zu lesen. In einer Kundgebung, in der bis zum Beweis der Unrichtigkeit eine Tatsache als wahrscheinlich hingestellt wird, ist eine Behauptung im Sinne der Strafvorschrift zu finden. Diesem Tatbestand gegenüber wäre dann zu prüfen ge­ wesen, ob auch hier dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, daß durch eine öffentliche Anprangerung von Be­ amten durch Aussprechen eines Verdachts, von dem sich die Beamten dann reinigen mochten, Tatsachen behauptet wurden, die geeignet waren, die Beamten in der öffent­ lichen Meinung herabzufetzen. (I, 12. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 373-375. Vgl. Bd. 47 S. 293.

131. Urkundenfälschung. Reifezeugnis eines Gymna­ siums. Legitimationspapier. Irrtum. (StGB. §§ 59,

ständigen Eingriff in die anderweitig strafrechtlich ge­ schützten Rechte dar und konnten nicht als straflose Nach­ taten angesehen werden. Die Unterdrückung und die Be­ raubung des Briefes hatten zwar schon die Verwertung seines Inhalts zum Ziel; damit fielen sie aber nicht mit den späteren Verwertungstaten zu einer einheitlichen Tat im natürlichen Sinne zusammen. (III, 7. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 371—373. Vgl. Bd. 54 S. 80; Bd. 58 S. 113; Bd. 60 S. 241.

130. üble Nachrede. Behaupten von Tatsachen. GesetzeSauslegung. (StGB. § 186.) In einer Zeitung wurden die Beamten des Wohnungsamts in einer Stadt angegriffen. Es wurde ausgeführt, daß der Verdacht ge­ äußert werde, es seien Schmiergelder bezahlt worden; daran wurde die Frage geknüpft, ob dieser Verdacht be­ gründet sei und die Aufforderung an das Wohnungsamt, auf diese Frage Antwort zu geben. Das Schwurgericht sprach den Angeklagten von der Klage eines Vergehens der üblen Nachrede durch die Presse frei mit der Begrün­ dung, ein Bewußtsein des Angeklagten, daß die Veröffent­ lichung eine Behauptung der Annahme von Schmier­ geldern enthalte, lasse sich nicht nachweisen. Das Reichsge­ richt verwies die Sache zurück. Allerdings lag keine Be­ hauptung in dem Sinne vor, daß damit eine Tatsache als bestimmt geschehen hingestellt worden wäre; die rich­ terliche Beurteilung darf aber nicht am Worte kleben, sie hat vielmehr den wirklichen Sinn zu erforschen und unter Umständen auch zwischen den Zeilen zu lesen. In einer Kundgebung, in der bis zum Beweis der Unrichtigkeit eine Tatsache als wahrscheinlich hingestellt wird, ist eine Behauptung im Sinne der Strafvorschrift zu finden. Diesem Tatbestand gegenüber wäre dann zu prüfen ge­ wesen, ob auch hier dem Angeklagten das Bewußtsein fehlte, daß durch eine öffentliche Anprangerung von Be­ amten durch Aussprechen eines Verdachts, von dem sich die Beamten dann reinigen mochten, Tatsachen behauptet wurden, die geeignet waren, die Beamten in der öffent­ lichen Meinung herabzufetzen. (I, 12. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 373-375. Vgl. Bd. 47 S. 293.

131. Urkundenfälschung. Reifezeugnis eines Gymna­ siums. Legitimationspapier. Irrtum. (StGB. §§ 59,

267, 270, 363.) Zum Zwecke der Zulassung zum Univer­ sitätsstudium wurde ein gefälschtes Reifezeugnis eines Gymnasiums vorgelegt. Die Verurteilung wegen Urkun­ denfälschung wurde bestätigt. Das Reifezeugnis eines Gymnasiums ist eine öffentliche Urkunde; durch die Täu­ schung über die Echtheit dieser Urkunde hatte der Ange­ klagte seine Zulassung zum Universitätsstudium, also eine rechtserhebliche Handlung der getäuschten Beamten, er­ wirkt. Dieses bezügliche Vorgehen hatte nicht lediglich den Zweck des besseren Fortkommens, einer günstigeren Gestaltung der allgemeinen Bedingungen für die äußere Lebenslage, sondern es richtet sich zugleich gegen ein be­ stimmtes fremdes Recht, nämlich gegen das öffentliche Recht des Staates, wornach die Zulassung zum Univer­ sitätsstudium von dem Bestehen einer Prüfung abhängig gemacht ist. Das Reifezeugnis des Gymnasiums ist nicht bloß ein Schulzeugnis über den Besuch des Gymnasiums oder über Leistungen in einem bestimmten Zeitabschnitt des Schulbesuchs; es soll vielmehr die Grundlage für die Zulassung zu weiterer staatlicher Ausbildung oder An­ stellung oder zur Erwerbung gewisser Grade oder Titel staatlicher Bildungsanstalten sein. Wer durch die Vorlage gefälschter Zeugnisse dieser Art die Beamten der Bil­ dungsanstalten täuscht, verletzt damit das Recht des Staates auf Abgrenzung der Berechtigungen. Ob der An­ geklagte einen rechtswidrigen Erfolg herbeiführen wollte, ob er seine Immatrikulation an sich für unzulässig hielt oder ob er glaubte, sie würde auch ohne die Täuschung zu erreichen gewesen sein, war bedeutungslos. (II, 14. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 375—378. Vgl. Bd. 10 S. 162; Bd. 38 S. 145; Bd. 39 S. 77; Bd. 43 S. 271; Bd. 58 S. 74. 132. Einbruchdiebstahl. Erbrechen von Behältnissen.

(StGB. § 243.) Die Türe zwischen zwei Zimmern war nicht abgeschlossen, sondern durch einen Schrank verstellt. Der Inhaber des einen Zimmers drang in das andere in der Weise ein, daß er den Schrank beiseiteschob. Das Schöffengericht hatte den Tatbestand eines Einbruchdiebstahls nicht für gegeben erachtet. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Der Angeklagte war nicht gewalt­ sam in das Gebäude eingedrungen und ein im Inneren RGS, Strafsachen Pd. 60,

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267, 270, 363.) Zum Zwecke der Zulassung zum Univer­ sitätsstudium wurde ein gefälschtes Reifezeugnis eines Gymnasiums vorgelegt. Die Verurteilung wegen Urkun­ denfälschung wurde bestätigt. Das Reifezeugnis eines Gymnasiums ist eine öffentliche Urkunde; durch die Täu­ schung über die Echtheit dieser Urkunde hatte der Ange­ klagte seine Zulassung zum Universitätsstudium, also eine rechtserhebliche Handlung der getäuschten Beamten, er­ wirkt. Dieses bezügliche Vorgehen hatte nicht lediglich den Zweck des besseren Fortkommens, einer günstigeren Gestaltung der allgemeinen Bedingungen für die äußere Lebenslage, sondern es richtet sich zugleich gegen ein be­ stimmtes fremdes Recht, nämlich gegen das öffentliche Recht des Staates, wornach die Zulassung zum Univer­ sitätsstudium von dem Bestehen einer Prüfung abhängig gemacht ist. Das Reifezeugnis des Gymnasiums ist nicht bloß ein Schulzeugnis über den Besuch des Gymnasiums oder über Leistungen in einem bestimmten Zeitabschnitt des Schulbesuchs; es soll vielmehr die Grundlage für die Zulassung zu weiterer staatlicher Ausbildung oder An­ stellung oder zur Erwerbung gewisser Grade oder Titel staatlicher Bildungsanstalten sein. Wer durch die Vorlage gefälschter Zeugnisse dieser Art die Beamten der Bil­ dungsanstalten täuscht, verletzt damit das Recht des Staates auf Abgrenzung der Berechtigungen. Ob der An­ geklagte einen rechtswidrigen Erfolg herbeiführen wollte, ob er seine Immatrikulation an sich für unzulässig hielt oder ob er glaubte, sie würde auch ohne die Täuschung zu erreichen gewesen sein, war bedeutungslos. (II, 14. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 375—378. Vgl. Bd. 10 S. 162; Bd. 38 S. 145; Bd. 39 S. 77; Bd. 43 S. 271; Bd. 58 S. 74. 132. Einbruchdiebstahl. Erbrechen von Behältnissen.

(StGB. § 243.) Die Türe zwischen zwei Zimmern war nicht abgeschlossen, sondern durch einen Schrank verstellt. Der Inhaber des einen Zimmers drang in das andere in der Weise ein, daß er den Schrank beiseiteschob. Das Schöffengericht hatte den Tatbestand eines Einbruchdiebstahls nicht für gegeben erachtet. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Der Angeklagte war nicht gewalt­ sam in das Gebäude eingedrungen und ein im Inneren RGS, Strafsachen Pd. 60,

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eines Gebäudes liegendes Zimmer ist kein umschlossener Raum im Sinne des Gesetzes; in Frage konnte also nur kommen, ob ein Behältnis im Inneren eines Gebäudes erbrochen worden war. Der Begriff des Erbrechens eines Behältnisses erfordert ebenso wie jener des Einbruchs eine Gestaltsveränderung oder die Aufhebung eines mehr oder minder festen Zusammenhangs der Umschließung. Das Schöffengericht faßte aber den Begriff des Zusam­ menhangs zu eng, indem es verlangte, daß alle Teile der Umschließung fest miteinander verbunden sein müßten. Er genügt zum Begriff des Einbruchs oder des Er­ brechens von Behältnissen, wenn mittels einer Kraftan­ strengung zur Begehung des Diebstahls eine Öffnung der Umschließung erzeugt oder erweitert, ein den Zusammen­ hang wahrendes Hindernis mittels Gewalt an den Ein­ friedigungsmitteln beseitigt wird. Ein Zusammenhang der Umschließung ist hiernach schon dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teile der Umschließung zwar nicht fest miteinander verbunden sind, aber doch ein das Ein­ dringen wehrendes Hindernis bilden. Wird ein solches Hindernis gewaltsam, unter Anwendung eines gewissen, im Einzelfatte nach dem entgegengesetzten Widerstand sich richtenden Maße körperlichen Kraftaufwandes beseitigt, so ist der Begriff des (Änbruchs oder des Erbrechens erfüllt. Auch durch eine gewaltsame Trennung der fest zusam­ mengefügten, vielleicht nur durch ihre Schwerkraft ver­ bundenen selbständigen Bestandteile einer die Einfriedi­ gung herstellenden zusammengesetzten Vorrichtung kann eingebrochen werden. (I, 19. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 378—380. Vgl. Bd. 4 S. 353; Bd. 13 S. 206; Bd. 44 S. 74.

133. Räuberischer Diebstahl. Tateinheit. Gesetzes­ einheit. Reformatio in peius. (StGB. §§ 73, 74, 242, 243, 244, 248, 249, 252; StPO. § 331.) Ein Einbrecherwürde auf frischer Tat betreten und verübte auf der Flucht Gewalt gegen die ihm eingegentretenden Personen. Er wurde wegen eines Verbrechens des schweren Dieb­ stahls im Rückfall in Tatmehrheit mit einem Verbrechen des räuberischen Diebstahls angeklagt. In der Hauptver­ handlung vor dem Schöffengericht wurde darauf hinge­ wiesen, daß auch Tateinheit angenommen werden könne; verurteilt wurde er nur wegen räuberischen Diebstahls,

eines Gebäudes liegendes Zimmer ist kein umschlossener Raum im Sinne des Gesetzes; in Frage konnte also nur kommen, ob ein Behältnis im Inneren eines Gebäudes erbrochen worden war. Der Begriff des Erbrechens eines Behältnisses erfordert ebenso wie jener des Einbruchs eine Gestaltsveränderung oder die Aufhebung eines mehr oder minder festen Zusammenhangs der Umschließung. Das Schöffengericht faßte aber den Begriff des Zusam­ menhangs zu eng, indem es verlangte, daß alle Teile der Umschließung fest miteinander verbunden sein müßten. Er genügt zum Begriff des Einbruchs oder des Er­ brechens von Behältnissen, wenn mittels einer Kraftan­ strengung zur Begehung des Diebstahls eine Öffnung der Umschließung erzeugt oder erweitert, ein den Zusammen­ hang wahrendes Hindernis mittels Gewalt an den Ein­ friedigungsmitteln beseitigt wird. Ein Zusammenhang der Umschließung ist hiernach schon dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teile der Umschließung zwar nicht fest miteinander verbunden sind, aber doch ein das Ein­ dringen wehrendes Hindernis bilden. Wird ein solches Hindernis gewaltsam, unter Anwendung eines gewissen, im Einzelfatte nach dem entgegengesetzten Widerstand sich richtenden Maße körperlichen Kraftaufwandes beseitigt, so ist der Begriff des (Änbruchs oder des Erbrechens erfüllt. Auch durch eine gewaltsame Trennung der fest zusam­ mengefügten, vielleicht nur durch ihre Schwerkraft ver­ bundenen selbständigen Bestandteile einer die Einfriedi­ gung herstellenden zusammengesetzten Vorrichtung kann eingebrochen werden. (I, 19. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 378—380. Vgl. Bd. 4 S. 353; Bd. 13 S. 206; Bd. 44 S. 74.

133. Räuberischer Diebstahl. Tateinheit. Gesetzes­ einheit. Reformatio in peius. (StGB. §§ 73, 74, 242, 243, 244, 248, 249, 252; StPO. § 331.) Ein Einbrecherwürde auf frischer Tat betreten und verübte auf der Flucht Gewalt gegen die ihm eingegentretenden Personen. Er wurde wegen eines Verbrechens des schweren Dieb­ stahls im Rückfall in Tatmehrheit mit einem Verbrechen des räuberischen Diebstahls angeklagt. In der Hauptver­ handlung vor dem Schöffengericht wurde darauf hinge­ wiesen, daß auch Tateinheit angenommen werden könne; verurteilt wurde er nur wegen räuberischen Diebstahls,

indem angenommen wurde, daß im räuberischen Dieb­ stahl nicht nur der einfache, sondern auch der schwere Diebstahl im Rückfall aufgehe, daß also Gesetzeseinheit vorliege. Das Berufungsgericht erachtete einen Nachweis dafür, daß der Angeklagte außer dem Willen, sich der Festnahme zu entziehen, auch die Beute zu sichern beab­ sichtigte, nicht für erbracht und verwarf die Berufung mit der Maßgabe, daß der Angeklagte nicht eines räube­ rischen Diebstahls, sondern eines schweren Diebstahls im Rückfall schuldig sei. Die Revision des Angeklagten wurde verworfen. Das Verbot der reformatio in peius besagt nur, daß der höhere Richter auf das vom Angeklagten oder zu seinen Gunsten eingelegte Rechtsmittel die er­ kannte Strafe nicht verschärfen darf; in der Anwendung eines strengeren Strafgesetzes ohne gleichzeitige Verschär­ fung der Strafe ist aber eine reformatio in peius nicht enthalten. Der Berufungsrichter ist auch dadurch, daß er den Fall nach irgendeiner Richtung hin milder beurteilt, nicht zur Herabsetzung der Strafe genötigt, wenn er diese auch für die von ihm angenommene Tat noch für ange­ messen erachtet. Das auffallende Ereignis, daß infolge des Wegfalls der Annahme eines räuberischen Diebstahls ein strengeres Strafgesetz angewendet werden mußte, be­ ruhte auf einer unrichtigen Auslegung der Vorschrift über räuberischen Diebstahl. Diese schafft keine Sonder­ straftat, sondern enthält, ebenso wie die Vorschriften über schweren Diebstahl oder über Diebstahl im Rückfall, nur einen straferhöhenden Umstand; das Schöffengericht hätte aber ein Zusammentreffen mehrerer straferhöhender Um­ stände annehmen und bei der Verurteilung (sei es in An­ wendung der Vorschriften über GeseHeseinheit, sei es jener über Tateinheit) die die schwerste Strafdrohung enthaltende Bestimmung über schweren Diebstahl im Rück­ fall zur Anwendung bringen müssen. Der Wegfall des straferhöhenden Umstandes des räuberischen Diebstahls würde dann in der Berufungsinstanz nicht zur Anwen­ dung-eines schwereren Strafgesetzes geführt haben; trotz dieses Wegfalls hätte es bei der Anwendung der Be­ stimmung über schweren Diebstahl im Rückfall sein Be­ wenden gehabt und der Wegfall hätte nur bei der Straf­ zumessung berücksichtigt werden können. (I, 22. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 380—382. Vgl. Bd. 6 S. 243. io*

134. Gesamtstrafe. Frühere Verurteilung. (StGB. §§ 74, 79.) Wegen zweier Verbrechen des Diebstahls war das Hauptverfahren vor dem Schöffengericht eröffnet worden. In der Hauptverhandlung vom 29. Dezember 1925 wurde der Angeklagte wegen des einen Verbrechens zu einer Zuchthausstrafe verurteilt; hinsichtlich des anderen Verbrechens wurde die Verhandlung ausgesetzt. Am 12. Januar 1926 wurde er auch wegen dieses Ver­ brechens zu einer Zuchthausstrafe verurteilt. Er legte gegen beide Urteile Berufung ein. Das Landgericht hob das Urteil vom 29. Dezember 1925 auf uno erkannte wegen dieser Tat nur auf eine Gefängnisstrafe; aus beiden Strafen wurde eine Gesamtstrafe gebildet. In der Zwischenzeit zwischen der ersten und der zweiten Verhandlung des Schöffengerichts hatte sich der An­ geklagte einer Anstiftung zum Meineid schuldig gemacht. Das Schwurgericht verurteilte ihn hiewegen zu einer Zuchthausstrafe von drei Jahren; die Bildung einer Gesamtstrafe lehnte es als unzulässig ab. Das Reichs­ gericht verwies die Sache zurück. Die Bildung einer Gesamtstrafe war unzulässig, wenn wegen einer der mehreren Handlungen schon eine Verurteilung vorlag, als eine der anderen Handlungen begangen wurde. Es kommt aber nicht schlechthin darauf an, ob wegen einer der mehreren Handlungen überhaupt ein auf Verur­ teilung lautendes Urteil ergangen ist. In einem früher entschiedenen Fall hatte der Angeklagte nach Einlegung der Berufung eine neue Strafhandlung begangen und das Landgericht hatte, über, diese Handlung im ersten Rechtszug, über die anderen im zweiten Rechtszug urteilend, die beiden Sachen verbunden und eine Gesamtstrafe gebildet; das Reichsgericht hatte das gutgeheißen. Diese Auffassung gilt nicht nur für die Verbindung und gleichzeitige Aburteilung der mehreren Fälle; die Bildung einer Gesamtstrafe wird nicht ohne weiteres dadurch ausgeschlossen, daß im Zeit­ punkt der Begehung der einen Handlung wegen einer anderen schon ein verurteilendes Erkenntnis ausgespro­ chen ist. Anderseits ist auch nicht erforderlich, daß das frühere Urteil schon rechtskräftig war, ehe die neue Handlung begangen wurde. Wenn der Angeklagte nach seiner Verurteilung, aber vor Ende der Berufungsfrist eine neue strafbare Handlung begeht, und dann das

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Urteil rechtskräftig wird, ist die Bildung einer Gesamt­ strafe unzulässig, ebenso, wenn er Berufung eingelegt, sie aber zurückgenommen hat oder wenn die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Wird aber das Berufungsverfahren durchgeführt und über die Tat neu entschieden, so ist für die Frage der Gesamtstrafe die Berufungsverhandlung maßgebend. Das ergibt sich aus dem Wesen des Berufungsverfahrens als einer erneuten, selbständigen tatrichterlichen Würdigung der Anklage. Welches Ergebnis die Berufungsverhandlung hat, ist gleichgültig; auch wenn die Berufung des Angeklagten verworfen wird, gibt das Berufungsgericht die Ent­ scheidung des Falles. Anders liegt die Sache im Falle der Revision, weil bei dieser nur der rechtliche Bestand des angefochtenen Urteils nachzuprüftn ist; wird aber die Sache an den Tatrichter zurückverwiesen, so hat die nunmehr ergehende Entscheidung für die Frage der Gesamtstrafe als maßgebend zu gelten. Demgemäß lag zur Zeit der Anstiftung zum Meineid noch keine Ver­ urteilung vor und der Bildung einer Gesamtstrafe stand kein Hindernis im Wege (I, 22. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg, S. 382—385. Vgl. Bd. 3 S. 213; Bd. 33 S. 231; Bd. 53 S. 145. 135. Lotterieveranstaltung. Preisrätsel. (StGB. § 286.) Der Hersteller eines chemischen Heilmittels for­ derte zum Kauf in zahlreichen Zeitungen in der Weise auf, daß er die Lösung eines Rätsels als Preisaufgabe stellte und jedem, der die richtige Lösung nebst einem Betrag von 1 Mark einsenden würde, eine Schachtel des Heilmittels und einen Geldpreis zusicherte. Die als einzig richtig bezeichnete Lösung wurde bei einem Notar hinterlegt. Mehr als 70000 Personen sandten Lösungen ein; als richtig wurden nur etwa 70 anerkannt. Das Rätsel war mehrlöslich gewesen. So waren aus den angegebenen Silben u. a. folgende Worte zu bilden: Ein seit dem 11. Jahrhundert bekannter Königsname, Mittenwalder Gebirgsbezeichnung, Wasservogel, sagen­ hafte Zwergenbezeichnung. Die meisten Einsender gaben als Lösung an: Ottokar, Karwendel, Ente, Alberich; nach der vom Angeklagten hinterlegten Erklärung lautete aber die richtige Lösung: Otto, Karwendelkar, Enterich, Albe. Das Landgericht nahm an, daß zur Lösung des

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Strafsachen Bd. 60

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Urteil rechtskräftig wird, ist die Bildung einer Gesamt­ strafe unzulässig, ebenso, wenn er Berufung eingelegt, sie aber zurückgenommen hat oder wenn die Berufung als unzulässig verworfen worden ist. Wird aber das Berufungsverfahren durchgeführt und über die Tat neu entschieden, so ist für die Frage der Gesamtstrafe die Berufungsverhandlung maßgebend. Das ergibt sich aus dem Wesen des Berufungsverfahrens als einer erneuten, selbständigen tatrichterlichen Würdigung der Anklage. Welches Ergebnis die Berufungsverhandlung hat, ist gleichgültig; auch wenn die Berufung des Angeklagten verworfen wird, gibt das Berufungsgericht die Ent­ scheidung des Falles. Anders liegt die Sache im Falle der Revision, weil bei dieser nur der rechtliche Bestand des angefochtenen Urteils nachzuprüftn ist; wird aber die Sache an den Tatrichter zurückverwiesen, so hat die nunmehr ergehende Entscheidung für die Frage der Gesamtstrafe als maßgebend zu gelten. Demgemäß lag zur Zeit der Anstiftung zum Meineid noch keine Ver­ urteilung vor und der Bildung einer Gesamtstrafe stand kein Hindernis im Wege (I, 22. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg, S. 382—385. Vgl. Bd. 3 S. 213; Bd. 33 S. 231; Bd. 53 S. 145. 135. Lotterieveranstaltung. Preisrätsel. (StGB. § 286.) Der Hersteller eines chemischen Heilmittels for­ derte zum Kauf in zahlreichen Zeitungen in der Weise auf, daß er die Lösung eines Rätsels als Preisaufgabe stellte und jedem, der die richtige Lösung nebst einem Betrag von 1 Mark einsenden würde, eine Schachtel des Heilmittels und einen Geldpreis zusicherte. Die als einzig richtig bezeichnete Lösung wurde bei einem Notar hinterlegt. Mehr als 70000 Personen sandten Lösungen ein; als richtig wurden nur etwa 70 anerkannt. Das Rätsel war mehrlöslich gewesen. So waren aus den angegebenen Silben u. a. folgende Worte zu bilden: Ein seit dem 11. Jahrhundert bekannter Königsname, Mittenwalder Gebirgsbezeichnung, Wasservogel, sagen­ hafte Zwergenbezeichnung. Die meisten Einsender gaben als Lösung an: Ottokar, Karwendel, Ente, Alberich; nach der vom Angeklagten hinterlegten Erklärung lautete aber die richtige Lösung: Otto, Karwendelkar, Enterich, Albe. Das Landgericht nahm an, daß zur Lösung des

Rätsels zwar ein bestimmtes Maß geistiger Arbeit er­ forderlich gewesen sei, daß aber das Erraten der rich­ tigen Lösung und demgemäß der Gewinn im wesent­ lichen vom Zufall abgehangen habe. Das Reichsgericht erachtete gleichwohl den Tatbestand einer Lotterieveran­ staltung nicht für gegeben. Hiefür wird ein Unternehmen erfordert, das nicht nur seiner Einrichtung und seinem Zweck nach den Erfolg vom Zufall abhängen läßt, und so gewollt ist, sondern das auch nach außen hin als eine solche vom Zufall abhängige Einrichtung erkennbar ist. Es genügt nicht, daß überhaupt der Zufall bei der Ge­ winnzuteilung eine Rolle spielen kannn, vielmehr muß auch schon der Spielplan darauf gerichtet und das allen, die sich an der Veranstaltung beteiligen wollen, erkennbar sein. Nur wenn die dem Unternehmen gegen­ überstehenden Bertragsteile erkennen, daß der Zufall eine wesentliche Rolle spielt, ist der Abschluß eines Spiel­ vertrags zwischen ihnen möglich; nur in diesem Fallekann auch von einem Einsatz gesprochen werden. Daß das hier zutraf, war den Feststellungen des Berufungs­ urteils nicht zu entnehmen. (I, 8. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 385—389. 136. Branntweinmonopol. Geldstrafe. Höchstbetrag. Mindestbetrag. Abgabennachzahlung. (StGB. § 27, 27a; BranntwMonG. §§ 119, 148; RAbgO. § 412.) Wegen mehrerer Verfehlungen gegen das Branntweinmonopol­ gesetz erkannte das Schöffengericht auf eine Geldstrafe von 25000 Mark; der hinterzogene Betrag war bis zum Betrag von 5200 Mark ermittelt worden, hatte sich aber nicht genau feststellen lassen. Das Landgericht setzte die Strafe auf 10000 Mark herab. Die Revision der Staatsanwaltschaft führte zur Aufhebung des Urteils. Die Vorschriften über den Höchstbetrag von Geldstrafen gelten nicht, soweit die angedrohte Strafe in dem Mehr­ fachen eines bestimmten Betrages besteht. Nach dem Branntweinmonopolgesetz ist die Hinterziehung mit dem mehrfachen Betrag der hinterzogenen Abgabe zu be­ strafen. Damit ist weder eine Mindeststrafe noch eine Höchststrafe angeordnet, sondern die angedrohte Strafe genau festgelegt. Demgemäß durfte die für die in ihrem Betrag festgelegte Hinterziehung auszusprechende Geld­ strafe weder höher noch niedriger als auf ihren vierfachen

Rätsels zwar ein bestimmtes Maß geistiger Arbeit er­ forderlich gewesen sei, daß aber das Erraten der rich­ tigen Lösung und demgemäß der Gewinn im wesent­ lichen vom Zufall abgehangen habe. Das Reichsgericht erachtete gleichwohl den Tatbestand einer Lotterieveran­ staltung nicht für gegeben. Hiefür wird ein Unternehmen erfordert, das nicht nur seiner Einrichtung und seinem Zweck nach den Erfolg vom Zufall abhängen läßt, und so gewollt ist, sondern das auch nach außen hin als eine solche vom Zufall abhängige Einrichtung erkennbar ist. Es genügt nicht, daß überhaupt der Zufall bei der Ge­ winnzuteilung eine Rolle spielen kannn, vielmehr muß auch schon der Spielplan darauf gerichtet und das allen, die sich an der Veranstaltung beteiligen wollen, erkennbar sein. Nur wenn die dem Unternehmen gegen­ überstehenden Bertragsteile erkennen, daß der Zufall eine wesentliche Rolle spielt, ist der Abschluß eines Spiel­ vertrags zwischen ihnen möglich; nur in diesem Fallekann auch von einem Einsatz gesprochen werden. Daß das hier zutraf, war den Feststellungen des Berufungs­ urteils nicht zu entnehmen. (I, 8. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 385—389. 136. Branntweinmonopol. Geldstrafe. Höchstbetrag. Mindestbetrag. Abgabennachzahlung. (StGB. § 27, 27a; BranntwMonG. §§ 119, 148; RAbgO. § 412.) Wegen mehrerer Verfehlungen gegen das Branntweinmonopol­ gesetz erkannte das Schöffengericht auf eine Geldstrafe von 25000 Mark; der hinterzogene Betrag war bis zum Betrag von 5200 Mark ermittelt worden, hatte sich aber nicht genau feststellen lassen. Das Landgericht setzte die Strafe auf 10000 Mark herab. Die Revision der Staatsanwaltschaft führte zur Aufhebung des Urteils. Die Vorschriften über den Höchstbetrag von Geldstrafen gelten nicht, soweit die angedrohte Strafe in dem Mehr­ fachen eines bestimmten Betrages besteht. Nach dem Branntweinmonopolgesetz ist die Hinterziehung mit dem mehrfachen Betrag der hinterzogenen Abgabe zu be­ strafen. Damit ist weder eine Mindeststrafe noch eine Höchststrafe angeordnet, sondern die angedrohte Strafe genau festgelegt. Demgemäß durfte die für die in ihrem Betrag festgelegte Hinterziehung auszusprechende Geld­ strafe weder höher noch niedriger als auf ihren vierfachen

Betrag festgesetzt werden; für ein rechtliches Ermessen blieb kein Raum. Nur soweit der über 5200 Mark hinausgehende Betrag der hinterzogenen Abgabe sich zahlenmäßig nicht ermitteln ließ, war auf eine dem rich­ terlichen Ermessen unterliegende Geldstrafe zu erkennen, die sich innerhalb der durch das Strafgesetzbuch fest­ gelegten Grenzen zu halten hatte. Im Urteil war außer­ dem die Nachzahlung des hinterzogenen Betrags ange­ ordnet. Das war nicht zuläsig. Die Anordnung der Nachzahlung ist keine Strafe; demgemäß ist es nicht Sache des Strafrichters hierüber zu befinden. Tat er es dennoch, so beschwerte das den Angeklagten, auch wenn die Anordnung sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens hielt; das Urteil ist dann auch insoweit der Rechtskraft fähig und vollstreckbar und überdies bleibt der Verwal­ tungsbehörde, der gegenüber es einen unbefugten Ein­ griff in ihre Zuständigkeit bedeutet, nach wie vor unver­ wehrt, ihrerseits die nachzuzahlende Abgabe nach den dafür geltenden Vorschriften festzusetzen und beizutreiben. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 389—393. Vgl. Bd. 16 S. 159; Bd. 32 S. 304; Bd. 60 S. 198, 244, 306.

137. Branntweinmonopol. Hinterziehung. Rückfall. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (Branntw.MonG. 88 119, 147; RAbgO. 8§ 359, 369; StGB. 88 2, 27.) Wegen einer fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen das Branntweinmonopolgesetz im wiederholten Rückfall war auf eine Gefängnisstrafe, Einziehung und auf eine Geldstrafe von 500 Mark erkannt worden. Auf die Revision der Finanzbehörde wurde das Urteil auf­ gehoben. Bei Abschluß der strafbaren Handlung (Januar 1924) waren die für die Beurteilung maßgebenden Gesetze der 8 369 Reichsabgabenordnung a.F., die 83 119 ff., 147 Branntweinmonopolgesetz, 8 27 Strafgesetzbuch a.F. Diese Gesetze sind inzwischen geändert worden; die neue Fassung ist anzuwenden, soweit sie dem Angeklagten günstiger ist. Hinsichtlich der Freiheitsstrafe ist eine Änderung nicht eingetreten. Für die Geldstrafe bestimmte 8 369 RAbgO. a.F., daß bei Annahme mildernder' Umstänbe auf eine Geldstrafe bis zur Höhe des doppelten Betrags der für den ersten Rückfall an­ gedrohten Strafe, glso auf das Achtfache des für ein«

Betrag festgesetzt werden; für ein rechtliches Ermessen blieb kein Raum. Nur soweit der über 5200 Mark hinausgehende Betrag der hinterzogenen Abgabe sich zahlenmäßig nicht ermitteln ließ, war auf eine dem rich­ terlichen Ermessen unterliegende Geldstrafe zu erkennen, die sich innerhalb der durch das Strafgesetzbuch fest­ gelegten Grenzen zu halten hatte. Im Urteil war außer­ dem die Nachzahlung des hinterzogenen Betrags ange­ ordnet. Das war nicht zuläsig. Die Anordnung der Nachzahlung ist keine Strafe; demgemäß ist es nicht Sache des Strafrichters hierüber zu befinden. Tat er es dennoch, so beschwerte das den Angeklagten, auch wenn die Anordnung sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens hielt; das Urteil ist dann auch insoweit der Rechtskraft fähig und vollstreckbar und überdies bleibt der Verwal­ tungsbehörde, der gegenüber es einen unbefugten Ein­ griff in ihre Zuständigkeit bedeutet, nach wie vor unver­ wehrt, ihrerseits die nachzuzahlende Abgabe nach den dafür geltenden Vorschriften festzusetzen und beizutreiben. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 389—393. Vgl. Bd. 16 S. 159; Bd. 32 S. 304; Bd. 60 S. 198, 244, 306.

137. Branntweinmonopol. Hinterziehung. Rückfall. Wechsel der Gesetzgebung. Mildestes Strafgesetz. (Branntw.MonG. 88 119, 147; RAbgO. 8§ 359, 369; StGB. 88 2, 27.) Wegen einer fortgesetzten Zuwiderhandlung gegen das Branntweinmonopolgesetz im wiederholten Rückfall war auf eine Gefängnisstrafe, Einziehung und auf eine Geldstrafe von 500 Mark erkannt worden. Auf die Revision der Finanzbehörde wurde das Urteil auf­ gehoben. Bei Abschluß der strafbaren Handlung (Januar 1924) waren die für die Beurteilung maßgebenden Gesetze der 8 369 Reichsabgabenordnung a.F., die 83 119 ff., 147 Branntweinmonopolgesetz, 8 27 Strafgesetzbuch a.F. Diese Gesetze sind inzwischen geändert worden; die neue Fassung ist anzuwenden, soweit sie dem Angeklagten günstiger ist. Hinsichtlich der Freiheitsstrafe ist eine Änderung nicht eingetreten. Für die Geldstrafe bestimmte 8 369 RAbgO. a.F., daß bei Annahme mildernder' Umstänbe auf eine Geldstrafe bis zur Höhe des doppelten Betrags der für den ersten Rückfall an­ gedrohten Strafe, glso auf das Achtfache des für ein«

fache Tat angedrohten Betrags erkannt werden könne, während die neue Fassung auch bei Annahme mildernder Umstände den Höchstbetrag der Geldstrafe unbeschränkt läßt. Das Landgericht hatte die früh-ere Fassung als das mildere Strafgesetz angesehen, indem es annahm, daß ihr Strafrahmen nach oben nicht mehr binde, sondern durch die Vorschrift des Strafgesetzbuches über die Geld­ strafen ersetzt sei. Es war allerdings auch hinsichtlich deS § 369 RAbgO. a. F. zu demselben Ergebnis gekommen, da es die Strafandrohung des Mehrfachen des hinter­ zogenen Betrages ausschließlich auf die Hinterziehung von Zöllen und Verbrauchsabgaben für anwendbar ansah. Auch das Reichsgericht ging davon aus, daß auf Brannt­ weinmonopolabgaben, da sie keine Steuer, insbesondere keine Verbrauchsabgaben sind, die Vorschriften der Reichs­ abgabenordnung keine Anwendung finden, soweit das nicht ausnahmsweise im Branntweinmonopolgesetz selbst vorgesehen ist. Nach § 147 Branntweinmonopolgesetz ist die einfache Hinterziehung von Monopoleinnahmen unter Ausschluß der Vorschriften der Reichsabgabenordnung ausschließlich nach §§ 119 ff. BranntwMonG. zu be­ strafen. Für die Bestrafung des Rückfalls verweist § 147 BranntwMonG. auf § 369 RAbgO. Nach der beim Abschluß der Tat geltenden alten Fassung dieser Vor­ schrift stand außer Zweifel, daß für Verfehlungen gegen das Branntweinmonopolgeseh, auch wenn Rückfall vorlag, die Anwendung des § 359 RAbgO. ausgeschlossen war; denn neben der Freiheitsstrafe war bei Rückfall auf ein Mehrfaches der für einfache Tat angedrohten Geld­ strafe zu erkennen und diese war nach dem Branntwein­ monopolgesetz zu bemessen. Die neue Fassung ist weniger eindeutig. Nach ihr ist bei wiederholtem Rückfall neben der Gefängnisstrafe auf Geldstrafe (RAbgO. § 359) zu erkennen. Diese Bezugnahme ist dahin auszulegen, daß fortan auch für den wiederholten Rückfall nicht mehr eine erhöhte, sondern dieselbe Geldstrafe angedroht wird wie für die einfache Tat. Das gleiche gilt auch für die Hinterziehung von Branntweinmonopoleinnahmen; auch hier hat es selbst beim Rückfall hinsichtlich der Geldstrafe bei der Strafandrohung für die einfache Tat sein Be­ wenden. Im Vergleich mit der alten Fassung des § 369 RAbgO. ist also die nepe Fassung als das irrt box-

liegenden Fall mildere Strafgesetz anzusehen; denn bei gleicher Freiheitsstrafe bedroht sie daneben den wieder­ holten Rückfall mit der für die einfache Tat in Betracht kommenden Geldstrafe, während diese nach der alten Fassung bei Rückfall zu verdoppeln war. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 393—399. Vgl. Bd. 55 S. 155; Bd. 57 S. 4; Bd. 58 S. 417; Bd. 60 S. 198, 237, 389. 138.

Metallverkehr.

Erwerb

von Minderjährigen.

(MetBerkG. § 5.) Das Verbot des Erwerbs von Matall von minderjährigen Personen gilt auch dann, wenn ihre gesetzlichen Vertreter mit dem Verkauf einverstanden sind. Der Grund des Verbots war, daß nach den gemachten Erfahrungen gerade Minderjährige sehr leicht der Ver­ suchung von Metalldiebstählen unterliegen. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt es also, daß sich der Täter bewußt ist, Metall von einem Minderjährigen zu er­ werben. Wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Minder­ jährige als Vertreter anderer Personen handelt, war nicht zu erörtern. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 400. 139. Militärstrafsachen. Reichsmarine. Wiederauf­ nahme. Zuständigkeit. (MStGO. § 443; RG. über die

Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit vom 17. August 1920 §§ 1, 19, 20, 24.) Ein Marinesoldat, der sich auf einem Kriegsschiff befand, wurde am 9. Juni 1925 durch das Kriegsgericht der Seestreitkräfte der Ostsee wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 27. Juli 1926 wurde er einem Landmarineteil überwiesen und schied damit aus der Militärgerichtsbarkeit aus. Am 18. August 1926 beantragte er die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Gericht der Seestreitkräste der Ostsee legte den Antrag beim Reichsgericht vor. Dieses erklärte sich für unzuständig. Nach der Militärstrafgerichtsordnung hatte über die Wiederaufnahme eines durch ein rechts­ kräftiges Urteil eines Militärgerichts abgeschlossenes Ver­ fahren das Reichsmilitärgericht zu entscheiden. An seine Stelle ist das Reichsgericht getreten, soweit es sich um Urteile handelt, die in Kriegszeiten oder gegen die an Bord diensttuender Kriegsschiffe befindlichen Angehörigen der Reichsmarine ergangen sind. Da dieser Ausnahmefall nicht zutraf, der Angeklagte vielmehr mit dem Aufhören

liegenden Fall mildere Strafgesetz anzusehen; denn bei gleicher Freiheitsstrafe bedroht sie daneben den wieder­ holten Rückfall mit der für die einfache Tat in Betracht kommenden Geldstrafe, während diese nach der alten Fassung bei Rückfall zu verdoppeln war. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 393—399. Vgl. Bd. 55 S. 155; Bd. 57 S. 4; Bd. 58 S. 417; Bd. 60 S. 198, 237, 389. 138.

Metallverkehr.

Erwerb

von Minderjährigen.

(MetBerkG. § 5.) Das Verbot des Erwerbs von Matall von minderjährigen Personen gilt auch dann, wenn ihre gesetzlichen Vertreter mit dem Verkauf einverstanden sind. Der Grund des Verbots war, daß nach den gemachten Erfahrungen gerade Minderjährige sehr leicht der Ver­ suchung von Metalldiebstählen unterliegen. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt es also, daß sich der Täter bewußt ist, Metall von einem Minderjährigen zu er­ werben. Wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Minder­ jährige als Vertreter anderer Personen handelt, war nicht zu erörtern. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 400. 139. Militärstrafsachen. Reichsmarine. Wiederauf­ nahme. Zuständigkeit. (MStGO. § 443; RG. über die

Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit vom 17. August 1920 §§ 1, 19, 20, 24.) Ein Marinesoldat, der sich auf einem Kriegsschiff befand, wurde am 9. Juni 1925 durch das Kriegsgericht der Seestreitkräfte der Ostsee wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 27. Juli 1926 wurde er einem Landmarineteil überwiesen und schied damit aus der Militärgerichtsbarkeit aus. Am 18. August 1926 beantragte er die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Gericht der Seestreitkräste der Ostsee legte den Antrag beim Reichsgericht vor. Dieses erklärte sich für unzuständig. Nach der Militärstrafgerichtsordnung hatte über die Wiederaufnahme eines durch ein rechts­ kräftiges Urteil eines Militärgerichts abgeschlossenes Ver­ fahren das Reichsmilitärgericht zu entscheiden. An seine Stelle ist das Reichsgericht getreten, soweit es sich um Urteile handelt, die in Kriegszeiten oder gegen die an Bord diensttuender Kriegsschiffe befindlichen Angehörigen der Reichsmarine ergangen sind. Da dieser Ausnahmefall nicht zutraf, der Angeklagte vielmehr mit dem Aufhören

liegenden Fall mildere Strafgesetz anzusehen; denn bei gleicher Freiheitsstrafe bedroht sie daneben den wieder­ holten Rückfall mit der für die einfache Tat in Betracht kommenden Geldstrafe, während diese nach der alten Fassung bei Rückfall zu verdoppeln war. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 393—399. Vgl. Bd. 55 S. 155; Bd. 57 S. 4; Bd. 58 S. 417; Bd. 60 S. 198, 237, 389. 138.

Metallverkehr.

Erwerb

von Minderjährigen.

(MetBerkG. § 5.) Das Verbot des Erwerbs von Matall von minderjährigen Personen gilt auch dann, wenn ihre gesetzlichen Vertreter mit dem Verkauf einverstanden sind. Der Grund des Verbots war, daß nach den gemachten Erfahrungen gerade Minderjährige sehr leicht der Ver­ suchung von Metalldiebstählen unterliegen. Zur Erfüllung des Tatbestandes genügt es also, daß sich der Täter bewußt ist, Metall von einem Minderjährigen zu er­ werben. Wie der Fall zu beurteilen ist, wenn der Minder­ jährige als Vertreter anderer Personen handelt, war nicht zu erörtern. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 400. 139. Militärstrafsachen. Reichsmarine. Wiederauf­ nahme. Zuständigkeit. (MStGO. § 443; RG. über die

Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit vom 17. August 1920 §§ 1, 19, 20, 24.) Ein Marinesoldat, der sich auf einem Kriegsschiff befand, wurde am 9. Juni 1925 durch das Kriegsgericht der Seestreitkräfte der Ostsee wegen Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Am 27. Juli 1926 wurde er einem Landmarineteil überwiesen und schied damit aus der Militärgerichtsbarkeit aus. Am 18. August 1926 beantragte er die Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Gericht der Seestreitkräste der Ostsee legte den Antrag beim Reichsgericht vor. Dieses erklärte sich für unzuständig. Nach der Militärstrafgerichtsordnung hatte über die Wiederaufnahme eines durch ein rechts­ kräftiges Urteil eines Militärgerichts abgeschlossenes Ver­ fahren das Reichsmilitärgericht zu entscheiden. An seine Stelle ist das Reichsgericht getreten, soweit es sich um Urteile handelt, die in Kriegszeiten oder gegen die an Bord diensttuender Kriegsschiffe befindlichen Angehörigen der Reichsmarine ergangen sind. Da dieser Ausnahmefall nicht zutraf, der Angeklagte vielmehr mit dem Aufhören

der Bordverhältnisse unter die Gerichtsbarkeit der bürger­ lichen Gerichte getreten war, kam die Entscheidung über sein Wiederaufnahmegesuch dem für die Sache an sich zuständigen Landgerichte zu. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 401—402. 140. Nummernzeichen. Urkundenunterdrückung. (StGB. § 274.) Die Entlohnung von Grubenarbeitern war in der Weise geregelt, daß ihnen Blechmarken ausgehändigt wurden, die sie an den von ihnen gefüllten Förderwagen anbrachten' nach der Anzahl der Marken wurde der Lohn berechnet. Zwei Arbeiter nahmen solche Blechmarken von den Wagen, an denen sie sich befanden, weg und ersetzten sie durch die ihnen ausgehändigten Marken; dadurch erzielten sie, daß ihnen der auf diese Wagen ent­ fallende Lohn ausgezahlt wurde. Das Berufungsgericht verurteilte sie wegen Urkundenunterdrückung und Betrugs in Tatmehrheit. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Die Blechmarken stellten für sich allein keine Urkunden dar, erhielten aber diese Eigenschaft durch ihre Verbin­ dung mit dem Förderwagen, indem sie in dieser Verbin­ dung die Erklärung der Arbeiter zum Ausdruck brachten, daß die Wagen von ihnen gefüllt seien. Durch ihre Num­ mern wiesen die Wagen auf bestimmte Personen als Ur­ heber dieser Erklärungen hin und verkörperten deren Gedankenäußerung; sie waren also nicht nur Unterschei­ dungsmerkmale, sondern wirkliche Urkunden. Ob sie auch zum Beweis von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit waren, konnte dahingestellt bleiben, da es sich nicht um Urkundenfälschung, sondern um Urkunden­ unterdrückung handelte; denn die Loslösung der Blech­ marken von den Förderwagen bewirkte den Verlust ihrer Urkundeneigenschaft, also eine Vernichtung von Urkunden. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 402—404. Vgl. Bd. 28 S. 152; Bd. 40 S. 169; Bd. 50 S. 191; Bd. 54 S. 327; Bd. 55 S. 74; Bd. 58 S. 16.

141. Notwehr. Einheitliche Tat. Teilweise Frei­ sprechung. (StGB. 8 53; MStGB. §§ 53, 55, 122, 125.) Ein Soldat, der einen Gefangenen zu bewachen hatte, wurde von diesem angegriffen; zur Abwehr versetzte er ihm Faustschläge und Stöße mit dem Gewehrkolben. Nach Beendigung des Angriffs ließ er den Gefangenen Frei-

der Bordverhältnisse unter die Gerichtsbarkeit der bürger­ lichen Gerichte getreten war, kam die Entscheidung über sein Wiederaufnahmegesuch dem für die Sache an sich zuständigen Landgerichte zu. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 401—402. 140. Nummernzeichen. Urkundenunterdrückung. (StGB. § 274.) Die Entlohnung von Grubenarbeitern war in der Weise geregelt, daß ihnen Blechmarken ausgehändigt wurden, die sie an den von ihnen gefüllten Förderwagen anbrachten' nach der Anzahl der Marken wurde der Lohn berechnet. Zwei Arbeiter nahmen solche Blechmarken von den Wagen, an denen sie sich befanden, weg und ersetzten sie durch die ihnen ausgehändigten Marken; dadurch erzielten sie, daß ihnen der auf diese Wagen ent­ fallende Lohn ausgezahlt wurde. Das Berufungsgericht verurteilte sie wegen Urkundenunterdrückung und Betrugs in Tatmehrheit. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Die Blechmarken stellten für sich allein keine Urkunden dar, erhielten aber diese Eigenschaft durch ihre Verbin­ dung mit dem Förderwagen, indem sie in dieser Verbin­ dung die Erklärung der Arbeiter zum Ausdruck brachten, daß die Wagen von ihnen gefüllt seien. Durch ihre Num­ mern wiesen die Wagen auf bestimmte Personen als Ur­ heber dieser Erklärungen hin und verkörperten deren Gedankenäußerung; sie waren also nicht nur Unterschei­ dungsmerkmale, sondern wirkliche Urkunden. Ob sie auch zum Beweis von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit waren, konnte dahingestellt bleiben, da es sich nicht um Urkundenfälschung, sondern um Urkunden­ unterdrückung handelte; denn die Loslösung der Blech­ marken von den Förderwagen bewirkte den Verlust ihrer Urkundeneigenschaft, also eine Vernichtung von Urkunden. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 402—404. Vgl. Bd. 28 S. 152; Bd. 40 S. 169; Bd. 50 S. 191; Bd. 54 S. 327; Bd. 55 S. 74; Bd. 58 S. 16.

141. Notwehr. Einheitliche Tat. Teilweise Frei­ sprechung. (StGB. 8 53; MStGB. §§ 53, 55, 122, 125.) Ein Soldat, der einen Gefangenen zu bewachen hatte, wurde von diesem angegriffen; zur Abwehr versetzte er ihm Faustschläge und Stöße mit dem Gewehrkolben. Nach Beendigung des Angriffs ließ er den Gefangenen Frei-

der Bordverhältnisse unter die Gerichtsbarkeit der bürger­ lichen Gerichte getreten war, kam die Entscheidung über sein Wiederaufnahmegesuch dem für die Sache an sich zuständigen Landgerichte zu. (III, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 401—402. 140. Nummernzeichen. Urkundenunterdrückung. (StGB. § 274.) Die Entlohnung von Grubenarbeitern war in der Weise geregelt, daß ihnen Blechmarken ausgehändigt wurden, die sie an den von ihnen gefüllten Förderwagen anbrachten' nach der Anzahl der Marken wurde der Lohn berechnet. Zwei Arbeiter nahmen solche Blechmarken von den Wagen, an denen sie sich befanden, weg und ersetzten sie durch die ihnen ausgehändigten Marken; dadurch erzielten sie, daß ihnen der auf diese Wagen ent­ fallende Lohn ausgezahlt wurde. Das Berufungsgericht verurteilte sie wegen Urkundenunterdrückung und Betrugs in Tatmehrheit. Das Reichsgericht bestätigte das Urteil. Die Blechmarken stellten für sich allein keine Urkunden dar, erhielten aber diese Eigenschaft durch ihre Verbin­ dung mit dem Förderwagen, indem sie in dieser Verbin­ dung die Erklärung der Arbeiter zum Ausdruck brachten, daß die Wagen von ihnen gefüllt seien. Durch ihre Num­ mern wiesen die Wagen auf bestimmte Personen als Ur­ heber dieser Erklärungen hin und verkörperten deren Gedankenäußerung; sie waren also nicht nur Unterschei­ dungsmerkmale, sondern wirkliche Urkunden. Ob sie auch zum Beweis von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erheblichkeit waren, konnte dahingestellt bleiben, da es sich nicht um Urkundenfälschung, sondern um Urkunden­ unterdrückung handelte; denn die Loslösung der Blech­ marken von den Förderwagen bewirkte den Verlust ihrer Urkundeneigenschaft, also eine Vernichtung von Urkunden. (II, 25. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 402—404. Vgl. Bd. 28 S. 152; Bd. 40 S. 169; Bd. 50 S. 191; Bd. 54 S. 327; Bd. 55 S. 74; Bd. 58 S. 16.

141. Notwehr. Einheitliche Tat. Teilweise Frei­ sprechung. (StGB. 8 53; MStGB. §§ 53, 55, 122, 125.) Ein Soldat, der einen Gefangenen zu bewachen hatte, wurde von diesem angegriffen; zur Abwehr versetzte er ihm Faustschläge und Stöße mit dem Gewehrkolben. Nach Beendigung des Angriffs ließ er den Gefangenen Frei-

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Übungen machen und versetzte ihm hierbei weitere Stößa mit dem Gewehrkolben. Er wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amte verurteilt; das Berufungsgericht nahm dabei an, daß er beim ersten, nicht aber beim zweiten Vorfall in Notwehr gehandelt habe, sah aber von einer teilweisen Freisprechung ab, weil sein ganzes Tun eine einheitliche Handlung darstelle. Die Revision wurde verworfen. Wer einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff in der erforderlichen Weise ab­ wehrt, dann aber, ohne daß ein neuer Angriff bevor­ steht, eine Mißhandlung vornimmt, macht sich einer rechtswidrigen Körperverletzung schuldig. Es ist denk­ bar, daß die Abwehr und die nachfolgende Mißhandlung sich als natürliche Einheit darstellen; das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter schon beim Beginn der Abwehr den Vorsatz gehabt hat, nach Abschluß des Angriffs seines Gegners selbst zum Angriff überzugehen. Wäre in einem solchen Fall wegen des ganzen einheitlichen Vorfalls Anklage erhoben und stellte sich erst in der Hauptverhandlung heraus, daß der Angeklagte während des ersten Teils des Vorgangs in Notwehr gehandelt habe, so würde eine Freisprechung insoweit nicht zulässig sein. Ob im vorliegenden Fall ein derartiger einheitlicher Vorgang gegeben war oder nicht, vielmehr der Angeklagte den Vorsatz der Mißhandlung erst nach dem Abschluß des rechtswidrigen Angriffs gefaßt hatte, so daß zwei getrennte Vorgänge anzunehmen gewesen wären, konnte dahingestellt bleiben, da die Anklage nur wegen der nach der Abwehr des Angriffs begangenen Mißhandlung er­ hoben worden war, eine Freisprechung wegen der Ab­ wehrhandlungen also aus diesem Grunde nicht in Frage kam. (I, 26. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 404—406. 142. Strafbescheid. Urschrift. Unterzeichnung. (RAbgO. § 412.) Ein Strafbescheid wurde von dem Beamten, der ihn erließ, nur mit seinem Namenszug unterzeichnet. Das tat seiner Gültigkeit keinen Abbruch. Soweit über die Form der Unterzeichnung nichts angeordnet ist, genügt es, wenn zweifelsfrei erkennbar gemacht wird, daß der zuständige Beamte die Verantwortung für den Inhalt der unterzeichneten Verfügung übernehmen will. Dazu bedarf es grundsätzlich nicht der Unterschrift des vollen

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Übungen machen und versetzte ihm hierbei weitere Stößa mit dem Gewehrkolben. Er wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung im Amte verurteilt; das Berufungsgericht nahm dabei an, daß er beim ersten, nicht aber beim zweiten Vorfall in Notwehr gehandelt habe, sah aber von einer teilweisen Freisprechung ab, weil sein ganzes Tun eine einheitliche Handlung darstelle. Die Revision wurde verworfen. Wer einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff in der erforderlichen Weise ab­ wehrt, dann aber, ohne daß ein neuer Angriff bevor­ steht, eine Mißhandlung vornimmt, macht sich einer rechtswidrigen Körperverletzung schuldig. Es ist denk­ bar, daß die Abwehr und die nachfolgende Mißhandlung sich als natürliche Einheit darstellen; das gilt jedenfalls dann, wenn der Täter schon beim Beginn der Abwehr den Vorsatz gehabt hat, nach Abschluß des Angriffs seines Gegners selbst zum Angriff überzugehen. Wäre in einem solchen Fall wegen des ganzen einheitlichen Vorfalls Anklage erhoben und stellte sich erst in der Hauptverhandlung heraus, daß der Angeklagte während des ersten Teils des Vorgangs in Notwehr gehandelt habe, so würde eine Freisprechung insoweit nicht zulässig sein. Ob im vorliegenden Fall ein derartiger einheitlicher Vorgang gegeben war oder nicht, vielmehr der Angeklagte den Vorsatz der Mißhandlung erst nach dem Abschluß des rechtswidrigen Angriffs gefaßt hatte, so daß zwei getrennte Vorgänge anzunehmen gewesen wären, konnte dahingestellt bleiben, da die Anklage nur wegen der nach der Abwehr des Angriffs begangenen Mißhandlung er­ hoben worden war, eine Freisprechung wegen der Ab­ wehrhandlungen also aus diesem Grunde nicht in Frage kam. (I, 26. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 404—406. 142. Strafbescheid. Urschrift. Unterzeichnung. (RAbgO. § 412.) Ein Strafbescheid wurde von dem Beamten, der ihn erließ, nur mit seinem Namenszug unterzeichnet. Das tat seiner Gültigkeit keinen Abbruch. Soweit über die Form der Unterzeichnung nichts angeordnet ist, genügt es, wenn zweifelsfrei erkennbar gemacht wird, daß der zuständige Beamte die Verantwortung für den Inhalt der unterzeichneten Verfügung übernehmen will. Dazu bedarf es grundsätzlich nicht der Unterschrift des vollen

Namens. Es macht im gegebenen Falle auch nichts aus, daß der Namenszug nicht unmittelbar unter dem Straf­ bescheid, sondern unter der ihm nachfolgenden Verfügung stand, durch welche die Zustellung des Strafbescheides angeordnet wurde; durch die Unterzeichnung dieser Ver­ fügung übernahm der Beamte notwendig auch die Ver­ antwortung für den Strafbescheid. (III, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 406—407.

143. Umfang des Zeugeneides. Fahrlässiger Falsch­ eid. Irrtum. (StGB. §§ 59, 154, 163; StPO. § 61, 68.) Ein Zeuge, der in einem Ermittlungsverfahren ver­ nommen und nachträglich vereidigt wurde, gab seinen Stand unrichtig an. Das Schöffengericht sprach ihn von der Anklage des fahrlässigen Falscheides frei, weil er vom Richter zwar auf die Bedeutung des Eides im all­ gemeinen aufmerksam gemacht worden war, nicht aber darauf, daß er mit dem Eid auch die Richtigkeit der An­ gaben über seine Person zu beschwören habe. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Der Umfang eines Eides hängt nicht davon ab, welchen Teil der Aussage der Zeuge beschwören will und welchen nicht; solche still­ schweigende Vorbehalte erkennt das Gesetz nicht an. Der Zeugeneid umfaßt vielmehr, entsprechend seiner Formel, alles, was tatsächlich unter ihm ausgesagt wird. Ein falscher Eid ist dem äußeren Bestand nach ohne weiteres gegeben, wenn in dem Zeugnis eine unrichtige Angabe» enthalten ist, die bei vernunftgemäßer Auslegung in Zusammenhang mit dem geleisteten Eid steht. Da hiernach der Angeklagte objektiv etwas ihm als unwahr Bewußtes beschworen hatte, konnte sich nur fragen, ob er subjektiv ohne sein Verschulden in Unkenntnis davon war, daß sich sein Eid auf das Beschworene erstreckte. Das Schöffen­ gericht hatte angenommen, daß er als Laie mangels einer ausdrücklichen Belehrung geglaubt habe, der Eid gelte nur für seine Bekundungen zur Sache, nicht zur Person. Damit war aber noch nichts darüber gesagt, ob der Ange­ klagte diesen Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit, ins­ besondere durch eine Frage an den Richter, hätte ver­ meiden können. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 407—409.

144. Hilfsrichter. Gerichtsassessor. (PrAGzGVG. §36;

Namens. Es macht im gegebenen Falle auch nichts aus, daß der Namenszug nicht unmittelbar unter dem Straf­ bescheid, sondern unter der ihm nachfolgenden Verfügung stand, durch welche die Zustellung des Strafbescheides angeordnet wurde; durch die Unterzeichnung dieser Ver­ fügung übernahm der Beamte notwendig auch die Ver­ antwortung für den Strafbescheid. (III, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 406—407.

143. Umfang des Zeugeneides. Fahrlässiger Falsch­ eid. Irrtum. (StGB. §§ 59, 154, 163; StPO. § 61, 68.) Ein Zeuge, der in einem Ermittlungsverfahren ver­ nommen und nachträglich vereidigt wurde, gab seinen Stand unrichtig an. Das Schöffengericht sprach ihn von der Anklage des fahrlässigen Falscheides frei, weil er vom Richter zwar auf die Bedeutung des Eides im all­ gemeinen aufmerksam gemacht worden war, nicht aber darauf, daß er mit dem Eid auch die Richtigkeit der An­ gaben über seine Person zu beschwören habe. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Der Umfang eines Eides hängt nicht davon ab, welchen Teil der Aussage der Zeuge beschwören will und welchen nicht; solche still­ schweigende Vorbehalte erkennt das Gesetz nicht an. Der Zeugeneid umfaßt vielmehr, entsprechend seiner Formel, alles, was tatsächlich unter ihm ausgesagt wird. Ein falscher Eid ist dem äußeren Bestand nach ohne weiteres gegeben, wenn in dem Zeugnis eine unrichtige Angabe» enthalten ist, die bei vernunftgemäßer Auslegung in Zusammenhang mit dem geleisteten Eid steht. Da hiernach der Angeklagte objektiv etwas ihm als unwahr Bewußtes beschworen hatte, konnte sich nur fragen, ob er subjektiv ohne sein Verschulden in Unkenntnis davon war, daß sich sein Eid auf das Beschworene erstreckte. Das Schöffen­ gericht hatte angenommen, daß er als Laie mangels einer ausdrücklichen Belehrung geglaubt habe, der Eid gelte nur für seine Bekundungen zur Sache, nicht zur Person. Damit war aber noch nichts darüber gesagt, ob der Ange­ klagte diesen Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit, ins­ besondere durch eine Frage an den Richter, hätte ver­ meiden können. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 407—409.

144. Hilfsrichter. Gerichtsassessor. (PrAGzGVG. §36;

Namens. Es macht im gegebenen Falle auch nichts aus, daß der Namenszug nicht unmittelbar unter dem Straf­ bescheid, sondern unter der ihm nachfolgenden Verfügung stand, durch welche die Zustellung des Strafbescheides angeordnet wurde; durch die Unterzeichnung dieser Ver­ fügung übernahm der Beamte notwendig auch die Ver­ antwortung für den Strafbescheid. (III, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 406—407.

143. Umfang des Zeugeneides. Fahrlässiger Falsch­ eid. Irrtum. (StGB. §§ 59, 154, 163; StPO. § 61, 68.) Ein Zeuge, der in einem Ermittlungsverfahren ver­ nommen und nachträglich vereidigt wurde, gab seinen Stand unrichtig an. Das Schöffengericht sprach ihn von der Anklage des fahrlässigen Falscheides frei, weil er vom Richter zwar auf die Bedeutung des Eides im all­ gemeinen aufmerksam gemacht worden war, nicht aber darauf, daß er mit dem Eid auch die Richtigkeit der An­ gaben über seine Person zu beschwören habe. Das Reichs­ gericht hob das Urteil auf. Der Umfang eines Eides hängt nicht davon ab, welchen Teil der Aussage der Zeuge beschwören will und welchen nicht; solche still­ schweigende Vorbehalte erkennt das Gesetz nicht an. Der Zeugeneid umfaßt vielmehr, entsprechend seiner Formel, alles, was tatsächlich unter ihm ausgesagt wird. Ein falscher Eid ist dem äußeren Bestand nach ohne weiteres gegeben, wenn in dem Zeugnis eine unrichtige Angabe» enthalten ist, die bei vernunftgemäßer Auslegung in Zusammenhang mit dem geleisteten Eid steht. Da hiernach der Angeklagte objektiv etwas ihm als unwahr Bewußtes beschworen hatte, konnte sich nur fragen, ob er subjektiv ohne sein Verschulden in Unkenntnis davon war, daß sich sein Eid auf das Beschworene erstreckte. Das Schöffen­ gericht hatte angenommen, daß er als Laie mangels einer ausdrücklichen Belehrung geglaubt habe, der Eid gelte nur für seine Bekundungen zur Sache, nicht zur Person. Damit war aber noch nichts darüber gesagt, ob der Ange­ klagte diesen Irrtum bei gehöriger Aufmerksamkeit, ins­ besondere durch eine Frage an den Richter, hätte ver­ meiden können. Zur Prüfung dieser Frage wurde die Sache zurückverwiesen. (II, 28. Oktober 1926.) Amtl. Sammlg. S. 407—409.

144. Hilfsrichter. Gerichtsassessor. (PrAGzGVG. §36;

PrG. vom 23. März 1926.) Ein Gerichtsassessor a. D. wurde auf bestimmte Zeit zum Hilfsrichter bei einem Amtsgerichte bestellt. Er wurde auch als Beisitzer zu einer Sitzung der Strafkammer des Landgerichts heran­ gezogen. Das führte zur Aufhebung eines hiewegen angefochtenen Urteils. Der Assessor war nur mit der zeitweiligen Wahrnehmung richterlicher Geschäfte beauf­ tragt. In Strafrachen dürfen solche Personen nur dann verwendet werden, wenn sie Richter im Ruhestand sind; ein Assessor ist aber kein Richter. Die Vorschrift, daß der Landgerichtspräsident für einzelne Sitzungen des Land­ gerichts zeitweilige Vertreter einberufen kann, bezieht sich nur auf ständig angestellte Richter. (I, 23. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 409-410. Vgl. Bd. 26 S. 94, Bd. 32 S. 283.

145. Hilfsrichter. Mitglied des Landgerichts. Schwur­ gericht. (GBG. §§ 59, 63, 64, 70, 82, 83, 92, 99: StPO. § 338.) In einer Sitzung des Schwurgerichts wirkte als Beisitzer ein Gerichts assessor mit, der beim Landgericht als Hilfsrichter angestellt war. Die hierauf gestützte: Revision wurde verworfen. Den ständigen Mitgliedern des Landgerichts sind für die Berufung zum Schwur­ gericht auch jene zum Nichteramt befugten Personen gleichzustellen, die dem Landgericht als Hilfsrichter vor­ übergehend zugeteilt sind, sei es aus der Zahl der Amts­ richter des Bezirks, sei es aus jener der in ihm beschäf­ tigten Gerichtsassessoren. Diese Hilfsrichter gehören zu den Mitgliedern des Landgerichts; sie werden durch das Präsidium des Landgerichts den Kammern als ständige Mitglieder oder regelmäßige Vertreter zugewiesen und haben, wenn sie den Strafkammern zugewiesen sind, auch in Schwurgerichtssachen bei den von den Strafkammern außerhalb der Tagung des Schwurgerichts zu treffenden Entscheidungen mitzuwirken. Wenn durch die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes gestattet wurde, auch die im Bezirk des Landgerichts angestellten Amtsrichter zu richterlichen Mitgliedern des Schwurgerichts zu ernennen, sollte dadurch die bisherige Sachbehandlung, wonach auch die den Landgerichten als Hilfsrichter zugeteilten Asses­ soren mit dieser Aufgabe betraut werden konnten, nicht ausgeschlossen, sondern nur die Bildung der Schwur­ gerichte erleichtert werden. Die entgegengesetzte Aus-

PrG. vom 23. März 1926.) Ein Gerichtsassessor a. D. wurde auf bestimmte Zeit zum Hilfsrichter bei einem Amtsgerichte bestellt. Er wurde auch als Beisitzer zu einer Sitzung der Strafkammer des Landgerichts heran­ gezogen. Das führte zur Aufhebung eines hiewegen angefochtenen Urteils. Der Assessor war nur mit der zeitweiligen Wahrnehmung richterlicher Geschäfte beauf­ tragt. In Strafrachen dürfen solche Personen nur dann verwendet werden, wenn sie Richter im Ruhestand sind; ein Assessor ist aber kein Richter. Die Vorschrift, daß der Landgerichtspräsident für einzelne Sitzungen des Land­ gerichts zeitweilige Vertreter einberufen kann, bezieht sich nur auf ständig angestellte Richter. (I, 23. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 409-410. Vgl. Bd. 26 S. 94, Bd. 32 S. 283.

145. Hilfsrichter. Mitglied des Landgerichts. Schwur­ gericht. (GBG. §§ 59, 63, 64, 70, 82, 83, 92, 99: StPO. § 338.) In einer Sitzung des Schwurgerichts wirkte als Beisitzer ein Gerichts assessor mit, der beim Landgericht als Hilfsrichter angestellt war. Die hierauf gestützte: Revision wurde verworfen. Den ständigen Mitgliedern des Landgerichts sind für die Berufung zum Schwur­ gericht auch jene zum Nichteramt befugten Personen gleichzustellen, die dem Landgericht als Hilfsrichter vor­ übergehend zugeteilt sind, sei es aus der Zahl der Amts­ richter des Bezirks, sei es aus jener der in ihm beschäf­ tigten Gerichtsassessoren. Diese Hilfsrichter gehören zu den Mitgliedern des Landgerichts; sie werden durch das Präsidium des Landgerichts den Kammern als ständige Mitglieder oder regelmäßige Vertreter zugewiesen und haben, wenn sie den Strafkammern zugewiesen sind, auch in Schwurgerichtssachen bei den von den Strafkammern außerhalb der Tagung des Schwurgerichts zu treffenden Entscheidungen mitzuwirken. Wenn durch die Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes gestattet wurde, auch die im Bezirk des Landgerichts angestellten Amtsrichter zu richterlichen Mitgliedern des Schwurgerichts zu ernennen, sollte dadurch die bisherige Sachbehandlung, wonach auch die den Landgerichten als Hilfsrichter zugeteilten Asses­ soren mit dieser Aufgabe betraut werden konnten, nicht ausgeschlossen, sondern nur die Bildung der Schwur­ gerichte erleichtert werden. Die entgegengesetzte Aus-

sassung einer Entscheidung des Feriensenats vom 27. Juli 1926 wurde nicht festgehalten. (III, 1. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 410—415. Vgl. Bd. 60 S. 259. 146. Schwurgericht. Hilfsschösfe. (GVG. §§ 77, 84, 91.) Eine Schwurgerichtsverhandlung fand nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Orte statt. Infolge des Wegfalls eines Geschworenen wurde ein Hilfsgeschworener zugezogen. In der Revision gegen das Urteil wurde die Auffassung vertreten, daß ein Hilfs­ schöffe aus der für das Amtsgericht geltenden Liste hätte berufen werden sollen. Das Reichsgericht verneinte das. Die Berufung von Hilfsschöffen als Geschworene ist erst dann zulässig, wenn ein wegfallender Geschworener aus dem Kreise der Hilfsgeschworenen nicht ohne Verzögerung ersetzt werden kann und somit die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Geschworenen — unter welchen Hauptgeschworene und Hilfsgeschworene zu verstehen sind — notwendig wird. Der Sitzungsort lag im Bezirk des Amtsgerichts, in dem sich auch der Sitz des Landgerichts befand; der bei diesem Amtsgerichte bestellte Ausschuß hatte die Liste der Hilfsgeschworenen aufgestellt; da der nach dieser Liste in Betracht kommende Hilfsgeschworene rechtzeitig zu erreichen war, bestand kein Anlaß, einen Hilfsschöffen zu berufen. (II, 11. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 415—419. 147. Waffenbesitz. Irrtum. (WaffVO. § 1; JrrtVO. von 1917; VO. vom 12. Februar 1920.) Auf Grund eines Waffenscheines wurde im Jahre 1923 eine Pistole erwor­ ben. Für das Jahr 1924 wurde der Waffenschein erneuert; im Jahr 1925 unterblieb die Erneuerung. Die Verurtei­ lung wegen unbefugten Waffenbesitzes wurde bestätigt. Der Angeklagte befand sich nach Ablauf der Ablieferungs­ frist im Besitz einer Pistole, ohne daß ihm eine der Aus­ nahmen zur Seite stand, auf Grund deren der Besitz zulässig war. Damit war der äußere Tatbestand einer Verfehlung gegen die Waffenverordnung nachgewiesen. Für den inneren Tatbestand genügt Fahrlässigkeit. Das Landgericht hatte eine solche darin gesunden, daß der Angeklagte den Waffenschein nicht erneuert hatte. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß er auf die Erneuerung des Waffenscheins vergessen habe. Damit

sassung einer Entscheidung des Feriensenats vom 27. Juli 1926 wurde nicht festgehalten. (III, 1. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 410—415. Vgl. Bd. 60 S. 259. 146. Schwurgericht. Hilfsschösfe. (GVG. §§ 77, 84, 91.) Eine Schwurgerichtsverhandlung fand nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Orte statt. Infolge des Wegfalls eines Geschworenen wurde ein Hilfsgeschworener zugezogen. In der Revision gegen das Urteil wurde die Auffassung vertreten, daß ein Hilfs­ schöffe aus der für das Amtsgericht geltenden Liste hätte berufen werden sollen. Das Reichsgericht verneinte das. Die Berufung von Hilfsschöffen als Geschworene ist erst dann zulässig, wenn ein wegfallender Geschworener aus dem Kreise der Hilfsgeschworenen nicht ohne Verzögerung ersetzt werden kann und somit die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Geschworenen — unter welchen Hauptgeschworene und Hilfsgeschworene zu verstehen sind — notwendig wird. Der Sitzungsort lag im Bezirk des Amtsgerichts, in dem sich auch der Sitz des Landgerichts befand; der bei diesem Amtsgerichte bestellte Ausschuß hatte die Liste der Hilfsgeschworenen aufgestellt; da der nach dieser Liste in Betracht kommende Hilfsgeschworene rechtzeitig zu erreichen war, bestand kein Anlaß, einen Hilfsschöffen zu berufen. (II, 11. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 415—419. 147. Waffenbesitz. Irrtum. (WaffVO. § 1; JrrtVO. von 1917; VO. vom 12. Februar 1920.) Auf Grund eines Waffenscheines wurde im Jahre 1923 eine Pistole erwor­ ben. Für das Jahr 1924 wurde der Waffenschein erneuert; im Jahr 1925 unterblieb die Erneuerung. Die Verurtei­ lung wegen unbefugten Waffenbesitzes wurde bestätigt. Der Angeklagte befand sich nach Ablauf der Ablieferungs­ frist im Besitz einer Pistole, ohne daß ihm eine der Aus­ nahmen zur Seite stand, auf Grund deren der Besitz zulässig war. Damit war der äußere Tatbestand einer Verfehlung gegen die Waffenverordnung nachgewiesen. Für den inneren Tatbestand genügt Fahrlässigkeit. Das Landgericht hatte eine solche darin gesunden, daß der Angeklagte den Waffenschein nicht erneuert hatte. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß er auf die Erneuerung des Waffenscheins vergessen habe. Damit

sassung einer Entscheidung des Feriensenats vom 27. Juli 1926 wurde nicht festgehalten. (III, 1. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 410—415. Vgl. Bd. 60 S. 259. 146. Schwurgericht. Hilfsschösfe. (GVG. §§ 77, 84, 91.) Eine Schwurgerichtsverhandlung fand nicht am Sitz des Landgerichts, sondern an einem anderen Orte statt. Infolge des Wegfalls eines Geschworenen wurde ein Hilfsgeschworener zugezogen. In der Revision gegen das Urteil wurde die Auffassung vertreten, daß ein Hilfs­ schöffe aus der für das Amtsgericht geltenden Liste hätte berufen werden sollen. Das Reichsgericht verneinte das. Die Berufung von Hilfsschöffen als Geschworene ist erst dann zulässig, wenn ein wegfallender Geschworener aus dem Kreise der Hilfsgeschworenen nicht ohne Verzögerung ersetzt werden kann und somit die Zuziehung anderer als der zunächst berufenen Geschworenen — unter welchen Hauptgeschworene und Hilfsgeschworene zu verstehen sind — notwendig wird. Der Sitzungsort lag im Bezirk des Amtsgerichts, in dem sich auch der Sitz des Landgerichts befand; der bei diesem Amtsgerichte bestellte Ausschuß hatte die Liste der Hilfsgeschworenen aufgestellt; da der nach dieser Liste in Betracht kommende Hilfsgeschworene rechtzeitig zu erreichen war, bestand kein Anlaß, einen Hilfsschöffen zu berufen. (II, 11. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 415—419. 147. Waffenbesitz. Irrtum. (WaffVO. § 1; JrrtVO. von 1917; VO. vom 12. Februar 1920.) Auf Grund eines Waffenscheines wurde im Jahre 1923 eine Pistole erwor­ ben. Für das Jahr 1924 wurde der Waffenschein erneuert; im Jahr 1925 unterblieb die Erneuerung. Die Verurtei­ lung wegen unbefugten Waffenbesitzes wurde bestätigt. Der Angeklagte befand sich nach Ablauf der Ablieferungs­ frist im Besitz einer Pistole, ohne daß ihm eine der Aus­ nahmen zur Seite stand, auf Grund deren der Besitz zulässig war. Damit war der äußere Tatbestand einer Verfehlung gegen die Waffenverordnung nachgewiesen. Für den inneren Tatbestand genügt Fahrlässigkeit. Das Landgericht hatte eine solche darin gesunden, daß der Angeklagte den Waffenschein nicht erneuert hatte. Der Angeklagte hatte sich damit verteidigt, daß er auf die Erneuerung des Waffenscheins vergessen habe. Damit

behauptete er Unkenntnis des unbefugten Besitzes; mit diesem Einwand konnte er aber nicht durchdringen, weil diese Unkenntnis selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war. Daß er geglaubt habe, zur Erneuerung des Wasfenscheines nicht verpflichtet zu sein, hatte der Angeklagte nicht behauptet. Das Landgericht hatte die Berücksichti­ gung eines solchen Irrtums auck mit der Begründung abgelehnt, daß es sich um einen Strafrechtsirrtum han­ deln würde. Das Reichsgericht erklärte das zwar für zutreffend, wies aber darauf hin, daß die Jrrtumsverordnung vom Jahre 1917 auch aus Zuwiderhandlungen gegen die Waffenverordnung für anwendbar erklärt worden ist. Für das Urteil war dieser Rechtsfehler be­ langlos. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 419—421. Vgl. Bd.54 S. 4, Bd. 57 S. 329, Bd.59 S. 2. 148. Einkaufskommission. Betrug. (StGB. § 263; BörsG. § 95; DepG. § 7 a.) Eine Bank erhielt von einem ihrer Kunden den Auftrag, für ihn Aktien zu kaufen. Sie teilte ihm wahrheitswidrig mit, daß der Auftrag aus ge­ führt sei. Später stellte sie ihre Zahlungen ein. Der persönlich haftende Gesellschafter der Kommanditgesell­ schaft, der die Bank gehörte, wurde wegen Betrugs ver­ urteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Ankaufs-Kommissionär ist verpflichtet, die in Betracht kommenden Wertpapiere, soweit er sie nicht schon besitzt und das Selbsteintrittsrecht ausübt, zu kaufen und die gekauften Stücke seinem Auftraggeber zu liefern. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung, also eine Befugnis des Kommissionärs, über die angeschafften Stücke nach­ träglich anders zu verfügen, besteht höchstens insoweit, als die Verfügung unter sofortiger Ergänzung aus dem sonstigen vorhandenen Effektenbestand oder doch unter fortdauernder Ergänzungszulänglichkeit und Bereitschaft dieses Bestandes geschieht. Wäre also die Mitteilung, daß die Aktien gekauft seien, richtig gewesen, so wäre zwar der Kunde nicht Eigentümer geworden, da ihm ein Stücke­ verzeichnis nicht übersandt worden war, aber seine Rechts­ lage wäre günstiger gewesen, als sie es unter ob­ waltenden Umständen infolge der Unterlassung des wahr­ heitswidrig behaupteten Ankaufs war; denn er hätte die Anwartschaft auf Lieferung der Aktien und im Konkurs

behauptete er Unkenntnis des unbefugten Besitzes; mit diesem Einwand konnte er aber nicht durchdringen, weil diese Unkenntnis selbst durch Fahrlässigkeit verschuldet war. Daß er geglaubt habe, zur Erneuerung des Wasfenscheines nicht verpflichtet zu sein, hatte der Angeklagte nicht behauptet. Das Landgericht hatte die Berücksichti­ gung eines solchen Irrtums auck mit der Begründung abgelehnt, daß es sich um einen Strafrechtsirrtum han­ deln würde. Das Reichsgericht erklärte das zwar für zutreffend, wies aber darauf hin, daß die Jrrtumsverordnung vom Jahre 1917 auch aus Zuwiderhandlungen gegen die Waffenverordnung für anwendbar erklärt worden ist. Für das Urteil war dieser Rechtsfehler be­ langlos. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 419—421. Vgl. Bd.54 S. 4, Bd. 57 S. 329, Bd.59 S. 2. 148. Einkaufskommission. Betrug. (StGB. § 263; BörsG. § 95; DepG. § 7 a.) Eine Bank erhielt von einem ihrer Kunden den Auftrag, für ihn Aktien zu kaufen. Sie teilte ihm wahrheitswidrig mit, daß der Auftrag aus ge­ führt sei. Später stellte sie ihre Zahlungen ein. Der persönlich haftende Gesellschafter der Kommanditgesell­ schaft, der die Bank gehörte, wurde wegen Betrugs ver­ urteilt. Das Reichsgericht verwies die Sache zurück. Der Ankaufs-Kommissionär ist verpflichtet, die in Betracht kommenden Wertpapiere, soweit er sie nicht schon besitzt und das Selbsteintrittsrecht ausübt, zu kaufen und die gekauften Stücke seinem Auftraggeber zu liefern. Eine Ausnahme von dieser Verpflichtung, also eine Befugnis des Kommissionärs, über die angeschafften Stücke nach­ träglich anders zu verfügen, besteht höchstens insoweit, als die Verfügung unter sofortiger Ergänzung aus dem sonstigen vorhandenen Effektenbestand oder doch unter fortdauernder Ergänzungszulänglichkeit und Bereitschaft dieses Bestandes geschieht. Wäre also die Mitteilung, daß die Aktien gekauft seien, richtig gewesen, so wäre zwar der Kunde nicht Eigentümer geworden, da ihm ein Stücke­ verzeichnis nicht übersandt worden war, aber seine Rechts­ lage wäre günstiger gewesen, als sie es unter ob­ waltenden Umständen infolge der Unterlassung des wahr­ heitswidrig behaupteten Ankaufs war; denn er hätte die Anwartschaft auf Lieferung der Aktien und im Konkurs

des Kommissionärs ein Vorzugsrecht hinsichtlich dieser Stücke gehabt. Diese ungünstige Rechtslage konnte sehr wohl auch eine Verminderung des Vermögens des Kunden im wirtschaftlichen Sinne bewirken. Ob das der Fall war und ob der Angeklagte die irreführende Angabe in der Absicht machte oder aufrechterhielt, um den Kunden in Sicherheit zu wiegen, von der rechtzeitigen Wahrnehmung seiner Rechte zurückzuhalten und in seinem Vermögen aus diese Weise zu schädigen, war noch zu prüfen. Außer einer Verurteilung wegen Betrugs konnte auch eine solche wegen Verletzung des Börsengesetzes in Frage kommen. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 419—423. Vgl. Bd. 53 S. 363. 149. Postzwang. Briefverteilungsstellen. Irrtum. (StGB. § 59; PostG. §§ 1, 2 a, 27.) Die Stadt Berlin richtete eine Hauptbriefverteilungsstelle ein, durch die der Briefwechsel der Bezirksämter der Gemeinde Großberlin mit einer Anzahl bestimmter auswärtiger Stadtverwal­ tungen ging. Darin wurde ein Verstoß gegen das Post­ gesetz gefunden. Es kam darauf an, ob die. Bezirksämter postrechtlich als selbständige Absender oder Empfänger als selbständige, vom Magistrat verschiedene Persönlichkeiten anzusehen waren. Dafür war es ohne Belang, ob sie staatsrechtliche Selbständigkeit besaßen oder nur Ab­ teilungen des Berliner Magistrats waren; es genügte, daß sie die nach außen gehenden und von außen kom­ menden Sendungen unmittelbar bei der Post ausgaben oder von ihr in Empfang zu nehmen hatten. Ihre post­ rechtliche Selbständigkeit wurde auch dadurch nicht in Frage gestellt, daß sie keine eigene Finanzhoheit und keinen eigenen Haushalt hatten, die Geschäfte, die ihnen der Magistrat zuwies nach den von diesem aufgestellten Grundsätzen ausführen mußten und in der Ausführung ihrer Beschlüsse in besonderen Fällen vom Magistrat ge­ hemmt werden konnten. Demgemäß mußten sie sich zur Vermittlung des Verkehrs zwischen ihnen, soweit er unter das Postgesetz fiel, der Post bedienen. Ein Irrtum hier­ über schloß die Bestrafung nicht aus, da die Vorschrift des Postgesetzes, gegen die verstoßen worden war, einen un­ auslösbaren Bestandteil des Strafgesetzes bildete und demgemäß der Irrtum als ein unbeachtlicher Strafrechts­ irrtum anzusehen war. Hinsichtlich des Ortsverkehrs

des Kommissionärs ein Vorzugsrecht hinsichtlich dieser Stücke gehabt. Diese ungünstige Rechtslage konnte sehr wohl auch eine Verminderung des Vermögens des Kunden im wirtschaftlichen Sinne bewirken. Ob das der Fall war und ob der Angeklagte die irreführende Angabe in der Absicht machte oder aufrechterhielt, um den Kunden in Sicherheit zu wiegen, von der rechtzeitigen Wahrnehmung seiner Rechte zurückzuhalten und in seinem Vermögen aus diese Weise zu schädigen, war noch zu prüfen. Außer einer Verurteilung wegen Betrugs konnte auch eine solche wegen Verletzung des Börsengesetzes in Frage kommen. (III, 4. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 419—423. Vgl. Bd. 53 S. 363. 149. Postzwang. Briefverteilungsstellen. Irrtum. (StGB. § 59; PostG. §§ 1, 2 a, 27.) Die Stadt Berlin richtete eine Hauptbriefverteilungsstelle ein, durch die der Briefwechsel der Bezirksämter der Gemeinde Großberlin mit einer Anzahl bestimmter auswärtiger Stadtverwal­ tungen ging. Darin wurde ein Verstoß gegen das Post­ gesetz gefunden. Es kam darauf an, ob die. Bezirksämter postrechtlich als selbständige Absender oder Empfänger als selbständige, vom Magistrat verschiedene Persönlichkeiten anzusehen waren. Dafür war es ohne Belang, ob sie staatsrechtliche Selbständigkeit besaßen oder nur Ab­ teilungen des Berliner Magistrats waren; es genügte, daß sie die nach außen gehenden und von außen kom­ menden Sendungen unmittelbar bei der Post ausgaben oder von ihr in Empfang zu nehmen hatten. Ihre post­ rechtliche Selbständigkeit wurde auch dadurch nicht in Frage gestellt, daß sie keine eigene Finanzhoheit und keinen eigenen Haushalt hatten, die Geschäfte, die ihnen der Magistrat zuwies nach den von diesem aufgestellten Grundsätzen ausführen mußten und in der Ausführung ihrer Beschlüsse in besonderen Fällen vom Magistrat ge­ hemmt werden konnten. Demgemäß mußten sie sich zur Vermittlung des Verkehrs zwischen ihnen, soweit er unter das Postgesetz fiel, der Post bedienen. Ein Irrtum hier­ über schloß die Bestrafung nicht aus, da die Vorschrift des Postgesetzes, gegen die verstoßen worden war, einen un­ auslösbaren Bestandteil des Strafgesetzes bildete und demgemäß der Irrtum als ein unbeachtlicher Strafrechts­ irrtum anzusehen war. Hinsichtlich des Ortsverkehrs

hatte die Strafkammer verneint, daß eine unzulässige Beförderung verschlossener Briefe im Ursprungsort gegen Bezahlung durch Boten, die im Dienste einer privaten Beförderungsanstalt standen, stattgefunden habe. Die Post­ verwaltung hatte als Nebenklägerin Revision eingelegt mit der Begründung, daß der Begriff der privaten Besörderungsanstalt das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nicht erfordere. Die Revision wurde unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, die an diesem Erfordernis festhält, verworfen. (II, 8. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 423—426. Vgl. Bd. 43 S. 25; Bd. 58 S. 167. 150. Arbeitszeit. Freiwillige Mehrarbeit. Ausbeulung der Notlage. (ArbZBO. § 11.) Die Angestellten einer Bank wurden beim Halbjahresabschluß einige Wochen lang täglich über 11 Stunden beschäftigt. Der Leiter der Bank und ihr Rechtsberater wurden wegen Verfehlung gegen die Arbeitszeitverordnung angeklagt, vom Be­ rufungsgericht aber freigesprochen. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Nach der Arbeitszeitverordnung ist Duldung oder Annahme freiwilliger Mehrarbeit nicht strafbar. Mehrarbeit ist jede Arbeit, die über die regel­ mäßige Arbeitszeit hinausgeht. Freiwillig ist die Mehr­ arbeit dann, wenn eine Pflicht zu ihrer Leistung nicht be­ steht, gleichviel, ob sie auf eigenem Entschluß des Arbeit­ nehmers beruht oder ob der Arbeitgeber sie angeregt hat; den Gegensatz dazu bildet die pflichtgebundene Mehr­ arbeit, die der Arbeitgeber auf Grund des Arbeitsver­ trags verlangt. Die Annahme oder Duldung freiwilliger Mehrarbeit ist aber dann nicht straflos, wenn sie vom Arbeitgeber durch Ausbeutung der Notlage des Arbeit­ nehmers erwirkt worden ist. Eine Duldung liegt be­ sonders dann vor, wenn der Arbeitgeber keinen eigenen Vorteil davon hat, oder der Arbeitnehmer eine gewisser Arbeit unter Überschreitung der regelmäßigen oder der zulässigerweise erhöhten Arbeitszeit leistet; von Annehmen der Mehrarbeit wird dann zu sprechen sein, wenn er Nutzen aus der Mehrarbeit zieht. Eine Notlage des. Arbeitnehmers kann schon darin liegen, daß er Grund zu der Befürchtung hat die Arbeitsstelle, die er zurzeit inne hat, zu verlieren, wenn er sich weigert, die ihm an­ gesonnene Mehrarbeit zu leisten; der Arbeitgeber, der RGT., Straffachen Dd. 60.

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hatte die Strafkammer verneint, daß eine unzulässige Beförderung verschlossener Briefe im Ursprungsort gegen Bezahlung durch Boten, die im Dienste einer privaten Beförderungsanstalt standen, stattgefunden habe. Die Post­ verwaltung hatte als Nebenklägerin Revision eingelegt mit der Begründung, daß der Begriff der privaten Besörderungsanstalt das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit nicht erfordere. Die Revision wurde unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Reichsgerichts, die an diesem Erfordernis festhält, verworfen. (II, 8. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 423—426. Vgl. Bd. 43 S. 25; Bd. 58 S. 167. 150. Arbeitszeit. Freiwillige Mehrarbeit. Ausbeulung der Notlage. (ArbZBO. § 11.) Die Angestellten einer Bank wurden beim Halbjahresabschluß einige Wochen lang täglich über 11 Stunden beschäftigt. Der Leiter der Bank und ihr Rechtsberater wurden wegen Verfehlung gegen die Arbeitszeitverordnung angeklagt, vom Be­ rufungsgericht aber freigesprochen. Das Reichsgericht ver­ wies die Sache zurück. Nach der Arbeitszeitverordnung ist Duldung oder Annahme freiwilliger Mehrarbeit nicht strafbar. Mehrarbeit ist jede Arbeit, die über die regel­ mäßige Arbeitszeit hinausgeht. Freiwillig ist die Mehr­ arbeit dann, wenn eine Pflicht zu ihrer Leistung nicht be­ steht, gleichviel, ob sie auf eigenem Entschluß des Arbeit­ nehmers beruht oder ob der Arbeitgeber sie angeregt hat; den Gegensatz dazu bildet die pflichtgebundene Mehr­ arbeit, die der Arbeitgeber auf Grund des Arbeitsver­ trags verlangt. Die Annahme oder Duldung freiwilliger Mehrarbeit ist aber dann nicht straflos, wenn sie vom Arbeitgeber durch Ausbeutung der Notlage des Arbeit­ nehmers erwirkt worden ist. Eine Duldung liegt be­ sonders dann vor, wenn der Arbeitgeber keinen eigenen Vorteil davon hat, oder der Arbeitnehmer eine gewisser Arbeit unter Überschreitung der regelmäßigen oder der zulässigerweise erhöhten Arbeitszeit leistet; von Annehmen der Mehrarbeit wird dann zu sprechen sein, wenn er Nutzen aus der Mehrarbeit zieht. Eine Notlage des. Arbeitnehmers kann schon darin liegen, daß er Grund zu der Befürchtung hat die Arbeitsstelle, die er zurzeit inne hat, zu verlieren, wenn er sich weigert, die ihm an­ gesonnene Mehrarbeit zu leisten; der Arbeitgeber, der RGT., Straffachen Dd. 60.

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diese Zwangslage kennt und gleichwohl die unter ihrem Druck geleistete Mehrarbeit geschehen läßt oder annimmt, beutet die Notlage aus und zwar nicht nur dann, wenn er selbst aus der Mehrarbeit Nutzen zieht, sondern auch dann schon, wenn er sich bewußt ist, daß die Arbeit­ nehmer die Mehrarbeit widerwillig leisten und ohne Furcht vor Verlust der Arbeitsgelegenheit aucb gegen eine reichliche Entlohnung der Überstunden nicht leisten würden. Die Angestellten hatten auf ihre Anfrage, welche Folgen eine Ablehnung der ihnen angesonnenen Mehrarbeit für sie haben würde, keine bestimmte Auskunft erhalten, waren vielmehr bewußt in Unsicherheit hierüber gelassen worden, obwohl es möglich gewesen wäre, diese Unsicher­ heit durch eine klare und bündige, die Gewähr der Zu­ verlässigkeit in sich tragende Erklärung in dem Sinne zu zerstreuen, daß den Angestellten, welche die Mehrarbeit verweigerten, keine Entlassung drohe. (I, 16. November 1926.) Amtl. Sammlg. S. 426—432.

169 Die klein gedruckten Ziffern verweisen auf die Nummern der Entsch.

Gesetzesregister. 1.

Strafgesetzbuch (StGB.). 1 47; 2 49, 127, 137; 19 99; 27 71, 136, 137; 27a 106, 136; 27b 47, 63; 28 8; 29a 80; 82 50; 40 25; 43 4, 11, 12, 54, 74, 76; 48 1, 58, 120; 49 4, 11, 39, 50, 76; 49a 11, 39; 50 58; 51 15; 53 86, 94, 141; 54 39, 48, 112; 59 32, 43, 94,

104, iT2, 126, 131, 143; 78 20, 24, 25, 27, 60, 61, 75, 78, 98, 110, 123, 129, 133; 74 110, 133, 134; 79 134; 112 62, 118; 113 118;114 118; H794; 125 116; 139 83; 145a 126; 146 ho; 153 35, 98, 123; 154 1, 12, 26, 27, 32, 143; 157 19, 26, 45, 99; 158 59; 161 98; 163 27, 32, 59; 164 hi; 173 81; 174 81; 185 18, 117; 186 130; 193 117; 196 36; 200 36; 201 84; 207 84; 207 84; 211 24, 61; 214 31, 89; 218 11, 39, 46; 218a F. 127; 219 46. 5o, 58; 219a F. 127; 222 15; 228 40; 223a 40; 230 15, 38; 240 57; 242 93, 94, 133; 243 132, 133; 244 133; 245 73; 246 93; 248 133; 249 24, 94, 133; 250 61; 251 61, 94; 252 133; 253 94; 255 94; 257 43, 94, 120; 263 41, 60, iot, ho, 148; 264 73; 265 51; 266 108; 267 9, 44, 56, 68, 74, 76, 129, 13]; 268 68, 74,-129; 269 56; 270 129, 131; 271 44, 56, 74, 76; 274 92, 140; 286 51, 82, 126, 135; 288 27; 292 94; 302 a 5, 37, 75; 802 b 75; 806 34, 52, 54; 308 52; 309 34; 339 3; 340 40, 125; 848 9, 13, 56; 349 9; 850 6, 30; 850 108, 129; 351 6, 30, 108; 855 125; 356 104, 105; 359 2, 40, 55; 863 60, 131. 2. Strafprozeßordnung (StPO.): 23 113; 24 21; 28 47; 57 120; 61 143; 68 143; 158 96; 160 69; 170 87; 184 87; 188 87; 192 87; 202 113; 204 42; 211 42; 229 61; 230 66; 231 109; 238 109; 243 66; 244 66 ; 247 61, 66; 249 64, 103; 251 64; 263 46, 102; 265 10; 266 10; 296 69; 300 124; 301 8, 69; 314 115; 824 66, 331 133; 332 66; 385 124; 338 17, 29, 66, 145: 889 69; 341 33; 343 33; 844 69; 345 25; 854 63; 377 69; 891 97; 397 69; 419 69; 426 97; 427 97; 467 69; 473 8, 69. 3. Arbeitszeitverorduuug (ArbzeitBO.): 150. 4. AußeuhaudelSkoutroÜuerorduuug(A«ße«HKo«trBO.) 49.

56.

Börseugesetz (BörsG.): 148. Branntweinmonopolgesetz (BranntwMonG.): 48, 65,

7-

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): 227 3, 94; 241 5; 284 5; 288 5; 795 126; 855ff 93; 858 94; 958 94; 1163 32 ; 1177 32; 1825—1329 81; 1355 76; 1590 81; 1631 3; 1632 3; 1684 3; 1708 104. Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGzBGB.): 33 81. Depotgesetz (DepG.): 148. Deutsch-Polnisches Abkommen vom 21. Juli 1922: 48. Eisenbahnverkehrsordnung (EBO.): 68. Einfuhrverordnung (EinfBO): 65. Freiwillige Gerichtsbarkeitsgesetz (FGG.): 74. Gerichtsversaffuugsgesetz (GBG.): 30 115; 59 145; 62 85; 63 17, 145: 64 145; 66 17; 67 17; 70 145; 77 146; 82 145; 83 85, 114, 145; 84 146; 91 146; 92 145; 99 145; 151 12; 173 95; 198 102. Gesetz die Gesellschaften mit beschränkter Haftpflicht betreffend (GmbHG.): 77* Grunderwerbsteuergesetz (GrundErwStG.): 4. Handelsgesetzbuch (HGB.): 125 33; 126 33; 161 33;

78, 80, 136, 137.

8. 910. 11. 12.

1314.

15. 16.

17. 18. z920. 21. 22.

23. 24. 25. 26.

27. 28. 29. 30. 31. 32.

&5 68.

Jrrtumsverordnung (JrrtBO.): 147Jugendgerichtsgesetz (JugGerG.): 22. Konkursordnung (KO.): 77, 98. Metallverkehrsgefetz (MetBerkG ): 121, 138. Militärstrafgerichtsordnung (MilStGO): 95, 139. Militärstrafgesetzbuch (MStGB): 40, 118, 141. Nahrungsmittelgesetz (NMG.): 23, 122. Paßordnung (PaßO): 56 Paßstrafverordnung (PaßStrBO): 16,119. Persouenstandsgesetz (PersStG): 76. Postgesetz (PostG.): 149. Preistreibereiverordnung v.1923 (PreisTrBO. v.1923): 5» 37, 47, 65. 75, 88, 91. Preußisches Allgemeines Landrecht (PrALR.): 3. Rechtsauwaltsordnung (RAO.): 104. Reichsabgabenordnnng (RAbgO.): 4, 13* 20, 33, 41, 60, 65, 67, 69, 70, 71, 78, 80, 97, 107, 136, 137,

142. 33. Reichsbahnpersoualgesetz (RBahuPersG.): 2.

34. Reichsgesetz die Aufhebung der Militärdienstbarkeit betreffend: 118. 35. Reichsverfaffung (RBerf.): 4 72; 89 55; 92 55; 96 55; 126 55 36. Rennwettgesetz sRennWettG.): 20 37. Schwerbeschädigtengesetz (SchwerBeschG.): 28. 38. 3. Steuernotverordnung (3. StNBO.): 7139. Tabaksteuergefetz (TabStG): 7b 119. 40. Reichsgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (Unl. WG). 25. 41. Bereinszollgesetz (BZG49, 65, 70, 119. 42. Bermögensstrafverordnung (BermStrBO ) 4943. Bersicherungsaufsichtsgesetz (BersAufsG.) 44. Waffenverordnung (WaffVO.): 147. 45. Warenzeichengesetz (WZG.): 746. Wuchergerichtsverordnung (WucherGerBO.): 4747- Zigarettensteuergesetz (ZigarettStG.): 7148. Zivilprozeßordnung lZPO.): 323 104; 383 45. 41& 74 ; 418 74; 461 35; 762 13; 807 19, 27, 32. 49. Sonstige Reichsgesetze und -Verordnungen: 38, 47, 55. 70, 90. 100, 118, 14750. Landesgesetze nnd Verordnungen: 144-

Die Mein gedruckten Ziffern verweisen a. d. 6. d. amtl. Erttsch. 162

Seitenzahlen der amtlichen Entscheidungen. 1 1—2; 2 2—3; 3 3—6; 4 6—9; 5 9—10; 6 ii— 12; 7 12 — 16; 8 16—17; 9 17—22; 10 22—23; 11 23—25; 12 25—27; 13 27 —28; 14 28—29; 15 29—31; 16 31—32 ; 17 32—34; 18 34 —37; 19 37—39; 20 39—43; 21 43-47; 22 47—49; 23 4$ I—51; 24 51—52; 25 53—56; 26 56—58; 27 58—59; 28 59 -63, 29 63—65; 30 65-67; 31 67—69; 32 69—75; 33 75 —77; 84 77-78; 35 78—79; 36 80; 37 81-84; 38 84 —88; 39 88—94; 40 94—97 ; 41 97-99; 42 99—101; < 13 101—104; 44 104—106; 45 106—109; 46 109—in; 47 in—117; 48 118—123; 49 123—126; 50 126; 51 127—128; 52 129—130; 53 130—136; 54 136—138; 55 139—151; 56 152—157; 57 157—158; 58 158—159; 59 159—161; 60 161—163; 61 163—166; 62 166—168; 63 168—169; 64 169—170; 65 171—178; 66 179—182; 67 182—187; 68 187—189; 69 189—191; 70 191—198; 71 198—202; 72 202—206; 78 206—208; 74 209—216; 75 216—230; 76 230—233; 77 234—236; 78 237—241; 79 241 — 244; 80 244—246; 81 246—250; 82 250—254; 83 254—257; 84 257—259; 85 259—261; 86 261—262; 87 263; 88 264; 89 265—266; 90 266—269; 91 269; 92 270—271; 93 271—272; 94 273—279; 95 279—281; 96 281—282; 97 283—285; 98 285 — 288; 99 289—290; 100 290—293; 101294—295; 102 295—297; 108 297—298; 104 298—302; 105 302—306; 106 306 —307; 107 307— 311; IO8311— 313; IO9313-315; 110 315—317; 111 317—318; 112 318—322; 113 322 -327; 114 327—329; 115 329—331; 116 331 —335; 117 335—336; 118 337—344; 119 344—346; 120 346—349; 121 349—35i; 122351—353; 123 353—354! 124 354—355 > 125 355—357 > 126 357 —362; 127 362—365; 128 365—371; 129 371—373; 180 373—375: 131 375—378; 132 378—380; 133 380—382; 134 382—385; 135385-389; I86389—393; 187 393—399; 188 400; 139 401—402; 140 402 —404; 141404—406; 142 406—407; 143 407 —409; 144 409 —410; 145 410—415; 146 415—419; 147 419—421; 148 421—423; 149423—426; 150 426—432.

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Die Ziffern verweisen ans die Nummern der Entscheidungen.

Sachregister. Abgabennachzahlung 136. Ablehnungleines Richters) 21. Abstimmung 102. Abtreibung 11 — Aufforderung zur 39. — gewerbsmäßige 127. Amtsgewalt (Mißbrauch) 3. Amtsunters chlagung 6, 30, 108, 129 Amtsvormund schäft 108 Anfechtung beschränkte45, 46. Angeklagter (Abwesenheit) — freiwillige Entfernung 109. — gesetzwidrige Vernehmung 121. Angestellter Richter 85. Annahmebuch 6. Anschuldigung falsche!!!. Anstiftung — Begünstigung des An­ stifters 129. — Lohnabtreibung 58. Anzeigepflicht geplanter Verbrechen 83. Arbeitsvergebung 9. Arbeitszeit 150. Aufforderung l Ver­ brechensbegehung) 11. Aufklärungspflicht 35. Ausbeutung (Notlage) 150.

Ausfuhrverbot 70. Auskunftspflicht 100. Auslegung 35. Auslieferung 71. Ausschluß vom Richter­ amt 113. Ausspielung öffentliche 51, 82 Außerverfolgung­ setzung 42.

Bandenschmuggel 119. Bankerott 77. — betrügerischer 98 Beamter (Reichsbahn) 55. Beendigung des Unter­ nehmens 31. Beglaubigungs versuch 74. Begünstigung 43, 94. — Anstiftung zur 120. Behaupten von Tatsachen 130. Behörde 111. Beihilfe Abtreibung 11. — Steuerhinterziehung 4. Beisitzer schwurgericht­ licher 85. Belege unrichtige 30. Beleidigung 36, 117. Berechtigte Interessen 117. Berusung97,115,124,125. Besetzung vorschrifts­ mäßige 29.

Besonders schwerer Fall 47. Betrug 41, 60, 78, 101, 110, 148. Beweggrund 86. Beweis 124. Beweiserhebung (ab­ wesender Angeklagter) 66. Beweiskraft 44. Beweislast 7. Beweismittel neue 42. Bewußtlosigkeit 15. Blutschande 81. Brandstiftung 34,52,54. Branntwein Monopol 48, 78, 80, 136, 137. Briefverteilungsstelle 149. Buchmacher 10. Buchung unrichtige 6. Buße 7. Darlehen 75. Dauergesahr 112. Defraudation 65. Diebstahl 93, 94. — schwerer 132. — räuberischer 133. Dienstausübung rechtmäßige 118. Drohung 118. Durchsuchung 118.

un­

Ehe nichtige 81. E hrverlust 50. Eid richterlicher 35 Eidesunfähigkeit 98. Eigentümergrund­ schuld 32. Einbruchsdiebstahl 132. Einkaufskommission 148.

Einsatz versteckter 51. Erbrechen von Behält­ nissen 132. Ergreifung auf frischer Tat 31. Erkennungsversuch 66. Ermittlungen staatsanwaltschastliche 87. Ernennung (Rückwirkung) Ernstlichkeit (Mangel an) 62. Erpressung räuberische 94 Erziehungsmaßnahme

Fahrlässigkeit 15, 121. Falschbeurkun dung 46, 74, 76 — Erwirkung 44 Falscheid fahrlässiger 1, 27, 59, 149. Familienname 76. Forderung bestrittene 19. Fortsetzungszusammen­ hang 76. Frachtbriesduplikat 68. Freisprechung teilweise 141. Frist beginn 33. Fürsorgeerziehung^. Geldstrafe 136. Gemeingefährlichkeit 112. Genehmigungspflicht 126. Gericht (vorschriftsmäßige Besetzung) 29. Gerichtsassessor 85. Gerichtsmitglied (Schlafen) 29. Gesamtstrafe 73, 134.

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Die Ziffern verweisen auf die Nummern der Entscheidungen.

Gesamturkunde 9, 56. Gesellschaft m. b. H. 77. Gesetz besonderes 70. Geseyesausleguna 130. Gesetzeseinheit 40, 41, 48 — Brandstiftung und Ver­ sicherungsbetrug 51. Gesetzgebung (Wechsel) 49, 127, 137. Gesichtspunkt rechtlicher (Änderung) 10. Gewahrsam 93. Gewaltanwendung 57. Gewerbsmäßigkeit (Wucher) 75. Gewinnsucht 106. Grunderwerb steuer 4.

Körperverletzung — fahrlässige 38. — gefährliche im Amt 40. Kosten 8, 69. Kraftwagenführer 18. Kraftwagenunfall 38. Kredit ungedeckter 53. Kreditwucher 75, 88.

Landfriedensbruch 116. Landgerichtsmitglied 145. Landgerichtspräsident (Vertretung) 17. Legitimationspapier 60, 131. Leichtsinn (Wucher) 75. Leistungswucher 5, 37, Hauptverhandlung 53, 75, 88, 91. (Unterbrechung) 61. i Lohnabtreibung 46,58, Hehlerei 121. I 127. Hilfsrichter 144, 145. I Lotterie 126, 135. Hilfsschösfe 146. Hilssstosfe 122. Machenschaft unlautere Hinterziehung 71, 137. 47, 53. Höchstbetrag 136. Meineid 26, 27, 45, 98, 123. Interessen berechtigte 117. — Anstiftung 1. Irrtum 43, 53, 75, 94, — Versuch 12. 104, 112, 126, 128, 131, Mehrarbeit 150. 143, 147, 149. Meldekarten 56. Jagdvergehen 94. Meldeschein 16. Jugendgericht 22. Mensur (Zweikampf) 84. Kauspreisangabe un­ Metallverkehr 138. richtige 4 Militärgericht 95. Klageerneuerung 42. Militärische Streife 118. Kognak 14. Militärische Vorgesetzte Kokainhandel 128. 118. Kommanditgesellschaft Militärstrafsachen 139. 33. Minderjährige (Metall­ Konterbande 65, 119. erwerb) 138.

Die Ziffern verweisen auf die Nummern der Entscheidungen.

Minderjährige Unzucht mit 18. Mindestbetrag 136. Mittelbare Täterschaft 1OQ

Mord 24. Münzfälschung 110. Nachrede üble 130. Nachtat straflose 129. Nahrungsmittel 12. — fälschung 23. Nebenklage 20, 69, 97. Nebenstrafe 98. ne bis in idem 20. Notar 4. Nötigung (Schreckschüsse) 57. Notlage (Ausbeutung) 150. Notstand 39, 48, 112. Notwehr 86, 141. Offenbarungseid 19, 27, 32. Öffentliche Ausspielung 82 Öffentliche Register 56. Öffentliche Urkunde (Paß) 56. Öffentlichkeit 61, 126. — Ausschluß 95. Parteiverrat 104, 105. Paß 56. Paßvergehen 16. Personalaus weis 44. Psändungprotokolll3. Plünderung 48. Politisches Vergehen 72. Polizei (Paßvergehen) 16. Polizeibeamter 3. Polizeiliche Vorschriften (Abweichung) 38.

166

Postpaketverkehr 6. Postzug 143. Preisrätsel 135. Preistreiberei 5. Provision 82. Putativnotwehr 86.

Rädelsführer (Land­ friedensbruch) 116. Raub 24, 94. Räuberischer Diebstahl 133. Räuberische Erpressung 94. Raubmord 6t. Rechtlicher Gesichtspunkt (Änderung) 10. Rechtsmittel 8. Rechts mittelbeschränkung 63, 65. Rechtsmitteleinlegung 124, 125. Rechtsnachteil 59. Rechtswidrigkeit (Be­ wußtsein) 18. Register 6, 108. — öffentliche 56. Reichsbahn 55. Reichsbahnbeamte 2. Reifezeugnis (öffentliche Urkunde) 131. Rennwettsteuer 20. Revision 124, 125. Revrsionsanträge 25. Richter 12. Richterablehnung 21, 47. Richteramt (Ausschluß) 113. — (Assessor als Hilfsrichter) 85. I Risikoprämie 53, 91.

167

Die Ziffern verweisen auf die Nummern der Entscheidungen.

Rückfall 137. Rückfallsverjährung 73.

Saargebiet 126. Schadenersatz 7. Schlafen (eines Gerichts­ mitglieds) 29. Schlägermensur 84. Schleichhandel 65. Schneeballensystem 82. Schöffengericht gemein­ sames 115. Schreckschüsse (Nötigung) 57. Schuldverschreibung auf den Inhaber 126. Schußwaffe 90. Schwägerfchaft 81. Schwerbeschädigte (Be­ schäftigung) 28. Schwurgericht (Ver­ tretung des Vorsitzenden) 114, 146. Selbstanzeige 100. Selbstbegünstigung 43. — straflose 129. Selbsthilfe 3. Sicherungsgeld 78. Sitzungsprotokoll 92. Sparversicherung 125. Spezialität 72. Staats anwalt 12. Staatsdienst mittelbarer 55. Steuergefährdung 107. Steuer hin terziehung 41, 60, 67, 78. Steuerkarte 60. Steuer strasver fahren 33, 69. Steuerzahlung ver­ spätete 67.

Stimmenverhältnis (Angabe) 102. Strafantrag 96. Strafbemessung 98. Strafenhäufung 119. Straferhöhung 46. Strafermäßigung (Meieid) 26, 45. Straffreiheit 48. Strafgesetz mildestes 49. 127, 137. Strafklageverbrauch 20. Strafschärfung 119. Strafumwandlung 80. Strafvermerk (Tilgung) 98. Tateinheit — Amtsunterschlagung und Urkundenfälschung 129. — Betrug und Amtsur­ kundenfälschung 79. — Betrug und Branntweinabgabehinterziehung 79. — Betrug und Steuerhinter­ ziehung 60. — betrügerischer Bankrott und Meineid 98. — Brandstiftung und Ver­ sicherungsbetrug 52. — Hinterziehung v. Brannt­ weinaufschlag und Frei­ geld 48. — keine zwischen Meineid und fahrlässigem Falsch­ eid 27. — Kredit- und Leistungs­ wucher 75. — Meineid und Urkunden­ fälschung 123. — Mord und Raub 24. — Mord und schwerer Straßenraub 61.

Die Ziffern verweisen auf die Nummern der Entscheidungen.

Tateinheit Münzfälschung und Betrug 110. — räuberischer Diebstahl und schwerer Diebstahl im Rück­ fall 133. — Zollhinterziehung und Konterbande 119. Täterschaft mittelbare 128. Tatsachen neue 42. Teilnahme — Abtreibung 39. — Opiumvergehen 128. Teilzahlung 8 Tilgung von Strafver­ merken 98. Totschlag 31. — schwerer 89.

Überweisungskarte 6. Umzug skosten 101 Unerfahrenheit 75. Ungehorsam militärischer Unlauterer Wettbewerb 25. Unterlassungsdelikt (Brandstiftung) 34. Unternehmen (strafbare Handlung) 89. — Beendigung 31. Unterschlagung 24, 93. Unterzeichnung 142. Unzüchtige Handlung 18. Urkunde öffentliche — Pfändungsprotokoll 13. — Paß 56. — Reifezeugnis 131. — Sammelerlaubnis 74. Urkundenbeweis 64. Urkundenfälschung 9, 44, 68, 74, 76, 123, 129,

168

Urkundenunter­ drückung 140. Urschrift 142. Urreilsformel 8. Urteilsgründe 10, 102. Veräußerungsanzeige 4. B erbrechen (Preis, treiberei) 47. — Aufforderung 11. — Vorhaben 83. Verkauf 121. Verkehrsregelung 65. Verkürzung 107. Verlesung 64. Vernehmung gesetzwidrige 113. Veröffentlichungs­ befugnis 36 Verschleierung (Wucher) 75. Versichern ngsbetrug 52. Versuch (Steuerhinter­ ziehung) 4. Versuch untauglicher — Abtreibung 11. — Brandstiftung 54. Verursachung 38. Verurteilung frühere 134. Verwandtschaft 81. Verzugszinsen 5 Völkerrecht 72 Vollmacht 23, 96. Bollstreckungsvereitelung 77. Vorauszahlung 67. Borentscheid 80. Vorgesetzter amtlicher36. — militärischer 118.

Vorhaben (Verbrechen)82. Vorsatz 11, 79 Vorsitzender (Vertretung) 114. Voruntersuchung 87, 113. Wache militärische 40. Waffenbesitz 147. Waffenmißbrauch 40. Wahrheitsangabe (Meineid) 26 Wald eingehegter 94. Warenzeichen 7. Weinbrand 14. Werbung 82. Wertersatz 80. Widerruf 59. Widerstand 94, 118.

Wiederaufnahme 139. Wohngebäude 54. Wucher 75.

Zeugeneid (Umfang) 143. Zeugnisverweige ­ rungsrecht 45. Zigaretten st euer 71. Ziel 79. Zollhinterziehung 119. Zollstrafrecht 70. Zuchthausstrafe (Be­ messung) 99. Zurücknahme bedingte 124. Zusammenrottung 116. Zuständig leit 139. Zweck (Notwehr 86. Zweikampf 84.

z. Schweitzer Verla- (ArthurSeMer) Müucht«, Berli», Leipzig

Praktischer Leitfaden für kriminalistische Tatbestandsaufnahmen Für Kriminal- und Sicherheitsbeamte Herausgegeben von

Wilhelm Polzer, 3. Auslage.

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Polizeikommiffär in Wien.

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Internationales Kriminialpolizeiblatt 1922, Nr. 8. Ein Merkchen, ebenso praktisch wie auch wissenschaftlich wertvoll und interessant. Ein rechtzeitig erhaschtes und richtig ge­ deutetes Gaunerwort löst oft die verwickeltsten Knoten in einem Sachverhalte, in dem der rechtzeitig übersetzte Gauner­ ausdruck eben ost Beweise hineintragen kann, welche sonst vielleicht nie hätten gebracht werden können.